Die deutsche Thomas-Ausgabe. Band 5 Das Werk der sechs Tage: I: 65–74 [2. Aufl. 3. bis 4 Tausend. Reprint 2022] 9783112658284, 9783112658277


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German Pages 283 [284] Year 1934

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Bandeinteilung des ganzen Werkes
DAS SECHSTAGEWERK
65. Frage Die Erschaffung der Körperwelt S. 3—20
1 Ist die Körperwelt von Gott?
2 Ist die Körperweit um der Gutheit Gottes willen geschaffen
3 Sind die Körperdinge von Gott unter Vermittlung der Engel hervorgebracht?
4 Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln?
66. Frage Das Verhältnis der Erschaffung zum Werke der Scheidung S. 21—44
1 Ging die Ungeformtheit des Stoffes zeitlich seiner Formung voraus?
2 Ist der ungeformte Stoff für alle Körperdinge ein und derselbe?
3 Ist der empyreische Himmel zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen?
4 Ist die Zeit zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen?
67. Frage Das Werk der Scheidung an sich S. 45—60
1 Ist im geistigen Bereich im eigentlichen Sinne von Licht die Rede?
2 Ist das Licht ein Körper?
3 Ist das Licht eine Beschaffenheit?
4 War es angemessen, daß das Licht am ersten Tage erschaffen wurde?
68. Frage Vom Werk des zweiten Tages S. 61—80
1 Ist die Feste am zweiten Tage geschaffen worden?
2 Gibt es über der Himmelsfeste Wasser?
3 Scheidet die Himmelsfeste die Wasser von den Wassern?
4 Gibt es nur einen Himmel?
69. Frage Vom Werk des dritten Tages S. 81—92
1 Kann man sinnentsprechend sagen, die Vereinigung der Gewässer sei am dritten Tage vor sich gegangen?
2 Ist es sinnvoll, daß die Hervorbringung der Pflanzen von der Schrift auf den dritten Tag verlegt wird?
70. Frage Das Werk der Ausschmückung am vierten Tage S. 93—110
1 Mußten die Himmelsleuchten am vierten Tage hervorgebracht werden?
2 Ist die Ursache der Erschaffung der Himmelsleuchten sinnvoll angegeben?
3 Sind die Gestirne beseelt?
71. Frage Vom Werk des fünften Tages
Einziger Artikel
72. Frage Vom Werk des sechsten Tages
Einziger Artikel
73. Frage Von den Fragen, die den siebenten Tag betreffen S. 122-131
1 Mußte die Vollendung der göttlichen Werke dem siebenten Tage zugeschrieben werden?
2 Hat Gott am siebenten Tage von allem Werke geruht?
3 Mußte die Segnung und Heiligung am siebenten Tage erfolgen?
74. Frage Von den sieben Tagen insgesamt S. 132—148
1 Genügt die Aufzählung dieser Tage?
2 Sind alle diese Tage ein Tag?
3 Gebraucht die Hl. Schrift die passenden Worte zur Darstellung der Werke der sechs Tage?
Kommentar S. 149-233
Einleitung
Aufbau der Untersuchung
65. Frage. Die Erschaffung der Körperwelt
66. Frage. Wie verhält sich das Werk der Scheidung zu dem der Schöpfung?
67. Frage. Das Werk des ersten Tages
68. Frage. Das Werk des zweiten Tages
69. Frage. Das Werk des dritten Tages
70. Frage. Das Werk des vierten Tages
71. Frage. Das Werk des fünften Tages
72. Frage. Das Werk des sechsten Tages
73. Frage. Der siebente Tag
74. Frage. Die sieben Tage insgesamt
Zusammenfassung
1. Grundsätze des hl. Thomas in der Schrifterklärung
2. Die Stellung des hl. Thomas zum biblischen Weltbild
3. Die Stellung des hl. Thomas zu den naturwissenschaftlichen Anschauungen seiner Zeit
4. Der biblische Bericht in der Erklärung der Väter
5. Die Stellung des hl. Thomas zu den Vätern
6. Die heutige Schrifterklärung
Sachverzeichnis
Alphabetisches Autorenverzeichnis
Hl. Schrift
INHALTSÜBERSICHT
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Die deutsche Thomas-Ausgabe. Band 5 Das Werk der sechs Tage: I: 65–74 [2. Aufl. 3. bis 4 Tausend. Reprint 2022]
 9783112658284, 9783112658277

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DIE

D E U T S C H E

T H O M A S - A U S G A B E

Vollständige,

ungekürzte

deutsch-lateinische

SUMMA

Ausgabe

der

THEOLOGICA

Übersetzt

von

DOMINIKANERN UND

BENEDIKTINERN

D E U T S C H L A N D S UND Herausgegeben

ÖSTERREICHS vom

KATHOLISCHE N AKADEMIKERVERBAND

5.

BAND

1934 VERLAG

ANTON

PUSTET



SALZBURG

LEIPZIG

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wurde

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der

deutschen

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dem

Salzburg

2. A u f l a g e . 3. b i s 4. T a u s e n d

Ginbandentwurf Druck

der

von

Professor

Rudolf

Universitäts-Buchdruckerei

Koch,

Offenbach

„Styria"

in

Graz

VORWORT

Was über die Gesamtanlage des Werkes und über die Absicht der Übersetzer und Herausgeber zu sagen ist, wurde in den beiden bereits erschienenen Bänden gesagt. Der vorliegende Band ist an Umfang bedeutend kleiner als die anderen, ja der kleinste des ganzen Werkes. Wenn er trotzdem denselben Preis für sich verlangt, so nur deshalb, weil die anderen Bände, die zum Teil sechshundert und mehr Seiten umfassen, also über den Durchschnittsumfang von 500 Seiten bedeutend hinausgehen werden, das wieder ausgleichen. In der Gesamtaufteilung des Werkes ließen sich diese großen Unterschiede nicht vermeiden, wenn wir nicht wichtige Traktate auseinanderreißen wollten. Für den lateinischen Text haben wir für diesen Band die Ausgabe von Bar-le-Duc zugrunde gelegt, weil der entsprechende Band der französischen Ausgabe noch nicht erschienen ist. Im übrigen wurde der Text nach denselben Grundsätzen behandelt wie in den früheren Bänden. Bei der Behandlung des Sechstagewerkes handelt es sich für Thomas in der Hauptsache nicht um die Aufstellung einer sicheren, spekulativ begründeten Lehre, sondern um die Aufzählung und Gegenüberstellung der verschiedenen Meinungen der Väter und Philosophen. Daher kam für diesen Band ein streng thematischer Kommentar nicht in Frage, und eine Unterscheidung des Beitextes in Anmerkungen und Kommentar erschien überflüssig. Dafür wurden, um die Vergleichung von Text und Kommentar zu erleichtern, die Seiten des Textes im Kommentar durch Randziffern angegeben. Der Kommentar folgt im allgemeinen genau dem Aufbau des Textes. (5)

Doch hat er sich die Freiheit vorbehalten, jene Einwände, bzw. Lösungen, zu denen nichts Besonderes zu bemerken war, zu übergehen. Es handelt sich bei diesen „Lücken" also nicht um versehentliche, sondern um absichtliche Auslassungen. — Doch soll diese Art, Anmerkungen und Kommentar zu verbinden, eine Ausnahme bleiben. Dort, wo ein streng thematischer Kommentar notwendig und möglich ist, wie z. B. bei dem gleichzeitig erscheinenden zweiten Band, wird es immer auch notwendig sein, zur Erklärung besonderer Textschwierigkeiten besondere Anmerkungen zu schreiben. Walberberg-Graz,

im Dezember 1934. Die

(6)

Schriftleitung.

EINLEITUNG

Wir aber haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen, was von Gott uns geschenkt wurde. 1 Kor 2. 12.

„Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde. Doch die Erde war wüst und leer. Finsternis lag über der Tiefe und der Geist Gottes schwebte über den Wassern." Schöpfungsmorgen. Die Geburtstunde der Zeit und des Alls. Der unfaßbar große Augenblick, da e i n e r nur der unendlich vielen und unendlich reichen Gedanken Gottes außergöttliche Wirklichkeit werden soll. Eine Welt, ausgewählt aus ungezählten Möglichkeiten, ausgewählt nach Seinem unerforschlichen Ratschluß. Eine Welt, von Ewigkeit her bereitgelegen im unendlich fruchtbaren Geiste Gottes, ausgesprochen vor aller Zeit im ewigen WORTE, umfangen von Vater und Sohn in der göttlichen LIEBE des Hl. Geistes — „Quod factum est in Ipso vita erat": „Was wurde, war in I H M Leben", dreifaltiges Leben! —, eine Ewigkeit lang wartend auf Verwirklichung, und nun durch den von der unendlichen Kraft göttlichen Willens getragenen Befehl aus dem Nichts ins SEIN gerufen: „Es werde Licht!" Und es ward L I C H T ! Und schon beginnen die Sternenheere ihren Lichtreigen vor dem Angesichte des Allerhöchsten; schon flutet ein Meer des Lichtes „vom Aufgang bis zum Niedergang", von einem Pol des Alls zum andern und übergießt die jungfräuliche Welt mit dem Glänze der Lichtherrlichkeit des allmächtigen Gottes. Mit einer Lichtekstase des dunklen Stoffes — so beginnt die Welt. Denn: „Gott ist Licht und Finsternisse gibt es in Ihm keine." Aber Licht ist noch nicht Leben. So ergeht ein weiterer göttlicher Befehl: „Es lasse die Erde Pflanzen sprossen, die grünen und Samen tragen, und Fruchtbäume, die Frucht tragen nach ihrer Art . . ." Und (7)

Der, „der das Leben in sich selbst hat und der auch dem Sohne gegeben hat, das Leben in sich selbst zu haben", Er haucht, mit dem göttlichen Hauche des Hl. Geistes — denn der Geist ist Hauch, Spiritus —, den leblosen Stoff an, und unter diesem göttlichen Anhauch wird der leblose Stoff in eine zweite, noch geheimnisvollere Ekstase emporgerissen, und siehe: er fängt an zu atmen und atmet Leben, schüttet eine unnennbare Fülle zauberisch schöner Formen über die Erde aus, empfängt in zarten Blütenkelchen den ersten Tau des Himmels, reicht die gefüllten Kelche wie Opferschalen zum eben geschaffenen Firmament empor und läßt von diesen Opferschalen wie Weihrauch zum ersten Male den starken süßen Duft der Blüten zum strahlend blauen Himmel aufsteigen, ein wahrhaft „ambrosianischer" Lobgesang, indes die Riesen des Urwaldes wie in Seligkeit über das neugeschenkte Sein sanft ihre Kronen im Winde wiegen nach dem schweren Rhythmus des jungen Alls. Immer reicher sprudelt der Quell des Lebens, den Der, „der da lebt", durch Seinen lebendigen Hauch im dunklen Schöße der Erde aufbrechen ließ. Auf göttlichen Befehl hin bevölkert sich das Meer mit Fischen, die Luft mit Vögeln, die Erde mit dem zahllosen Heer der Landtiere. Allüberall unvorstellbare Fruchtbarkeit. Wahrlich, Gott „hat den Tod nicht gemacht, sondern zum Sein hat Er alles geschaffen" (Weish 1, 14): „Herr der Heerscharen ist Sein Name!" Doch das ist alles noch nicht d a s Leben. Wohl ist die Stille der Ewigkeit bereits unterbrochen durch die Stimme des Sturmes und der Wolken; durch das Tosen des Meeres, dem gesagt war: „Bis hierher darfst du kommen und nicht weiter! Hier sollst du deine stolzen Wogen brechen" (Job 38, 11); durch das tausendstimmige Getön der Vögel und Landtiere. Das alles durchbricht wie ein stummer Jubel die Stille der Ewigkeit, ohne doch ihr heiliges Schweigen zu brechen. Denn auch die Stimmen der Tiere sind stumm wie die Stimme des Meeres, sie sind Laut, aber noch nicht Sprache. (8)

Noch fehlt das Wesen, das sprechen kann, noch fehlt der König des Wortes, der gerade darum auch ist der König des Alls, die Vollendung und Erfüllung der sichtbaren Welt, die Krone der Schöpfung; noch fehlt die höchste und letzte Ekstase des Stoffes: der Mensch, diese Lichtgestalt unter allen Gestalten der Welt, in dessen entzückten Augen sie sich spiegeln, auf dessen Lippen sie zum Lied sich formen, in dessen Seele sie zur Liebe erblühen, in dessen Geist sie ein zweites Mal erstehen soll zu neuem geistigem Sein, um noch einmal in ihm Leben zu werden und Licht, nun aber erkanntes Leben und erkanntes Licht, erkannte und geliebte Schönheit, so, wie weder der Engel noch Gott selbst sie erkennt: in dieser geheimnisvollen Einheit nämlich von sinnlichgeistiger Erkenntnis. So gehören Welt und Mensch zusammen wie Frage und Antwort, wie Ruf und Echo. Nicht nur daß er mit allen Sternen, mit allen Blumen, mit allen Wogen des Meeres zur selben, von Gottes allmächtigem Willen getragenen Wirklichkeit gehört; nicht nur daß e r ohne die Welt, aber auch die Welt ohne ihn Stückwerk wäre; nicht nur daß er wie Franziskus die Sonne als Schwester, den Mond oder das Feuer als Bruder ansprechen kann — er ist mehr als ein Geschöpf unter Geschöpfen: er ist der sichtbare Mittelpunkt, der geistige Schwerpunkt der Welt; er ist das Compendium der gesamten Schöpfung; er ist der Sprecher dieses stummen Chores der vernunftlosen Geschöpfe; er ist der, für den das alles geschaffen worden: die Sterne und die Blumen und das Meer und die Berge. Es sollte Wesen geben, die sich der sichtbaren Schönheit der Welt und ihrer Harmonien mit geistigem Bewußtsein freuen könnten, und sie sollten sich es sagen können, sie sollten sich von dem Glück dieser irdischen und doch schon halb himmlischen visio, die eine wahrhafte visio beata, eine Schau voller Seligkeit war, gegenseitig mitteilen können; denn ein Glück in Einsamkeit ist kein Glück, wenn auch jetzt, nach dem Sündenfall, die Einsamkeit zuweilen ein Glück sein mag. Für den Anfang aber heißt es aus (9)

dem Munde Gottes selbst: Mensch allein sei."

„Es ist nicht gut, daß der

Aber der Mensch ist mehr als der bloße Inhaber und Genießer des Gartens der Wonne; er ist mehr als ein bloßes Compendium der Schöpfung: er ist der Siegelbewahrer Gottes, der geistige Verwalter der Sinnfülle des Alls. Vor seinem geistigen Auge liegt die Welt als das ewig unerreichte und unerreichbare Kunstwerk des göttlichen Künstlers, der Gott ist, weil Er die Schlüssel zum Sein und zum Leben trägt, und Künstler ist, weil Er in Seiner göttlichen Lebendigkeit selbst die Form aller Formen und irgendwie die Schönheit alles dessen ist, was wir innerhalb der Welt schön nennen. So konnte Er nicht anders als eine Welt schaffen, deren letztes Atom noch das Siegel göttlicher Schönheit in sich trägt, die in ihren Schatten noch schön ist, ja in ihren leidvollen Schatten schöner noch als im Glänze ihrer leidlosen Herrlichkeit. Und diese Welt als den Gedanken Gottes nachzudenken, ihn zu verstehen, sich betrachtend und liebend in seine göttliche Sinnfülle zu versenken, in der Wesensordnung der Dinge die schwache Nachahmung der unendlichen Wesensfülle Gottes zu schauen und in der ungeheuren Gewalt des Weltgeschehens zu ahnen die Macht und Weisheit der göttlichen Vorsehung, „die da reichet von einem Ende bis zum anderen voll Kraft und in unendlicher Zartheit alles stellt an seinen Platz", — diese seine Erkenntnis im Worte auszusprechen, das göttliche WORT im menschlichen nachzubilden, so seinem eigenen Geiste die Züge des göttlichen verleihend — das ist die vornehmste Aufgabe des Menschen, sofern er Geist ist, sofern er teilhat an jener über allen Adel adeligen Kraft, die uns die Dinge dieser Welt als die Gedanken Gottes erkennen und verstehen läßt. „Finis humanae vitae in eo consistit, ut in anima describatur totus ordo universi et causarum ejus" — „Das Ziel des menschlichen Lebens liegt darin, daß sich in der Seele einzeichne die gesamte Ordnung des Alls und seiner Ursachen" (Thomas).

(10)

Doch noch einmal müssen wir sagen: Der Mensch ist mehr als das; ist mehr als der sichtbare Mittelpunkt des Alls; ist mehr als der Siegelbewahrer Gottes und geistige Verwalter der göttlichen Sinnfülle der Schöpfung. Er soll nicht nur die Gestalt der Welt und ihren göttlichen Sinngehalt zu erforschen suchen, soll nicht nur liebend sich versenken in das Walten der göttlichen Vorsehung, er steht der Welt nicht nur gegenüber als der ruhige Betrachter: er steht auch in der Welt und mit der Welt Gott gegenüber. Er ist nicht nur Geist, sondern kraft seines Geistes auch ein animal religiosum, ein Wesen, das bis in seine letzten Tiefen hinein, bis in die Wurzel seines Seins „religatus", gebunden ist — an Gott, ein Gefangener Gottes. Ist er als Mensch die Krone der Schöpfung, so ist er als Seiendes selbst Geschöpf und deshalb kraft seines Geistes Träger und Erfüller der „religio", das heißt: Er ist der geborene und berufene Priester des Alls. Als solcher soll er zuerst und vor allem in sich selbst den r e l i g i ö s e n Sinn der Schöpfung erfüllen, der darin liegt, dazusein zur Ehre Gottes: Die Ehre Gottes — das ist der ganze Inhalt seines Priestertums, ist sein metaphysischer Beruf, ist d e r Beruf, der alle anderen möglichen Berufe in sich schließt und der jedem anderen Berufe erst seinen Sinn und seine göttliche Weihe gibt. Priester des Alls zu sein, das ist des Menschen höchster Titel und höchster Auftrag. In Kraft dieses heiligen Auftrages nimmt er die Frucht seiner Arbeit, die Frucht des Feldes wie die Tiere der Weide und bringt sie Gott dem Herrn in Anerkennung Seiner höchsten Herrschaft über alles, was da lebt, zum blutigen oder unblutigen Opfer dar. In Kraft dieses Auftrages nimmt er alle Geschöpfe in heiligen Dienst für Gott: Wasser, Öl, Wein, Weihrauch, Brot und Salz oder was sonst immer für die gottesdienstlichen Verrichtungen und sinnbildlichen Handlungen notwendig ist. So erfüllt sich erst im Menschen der tiefste Sinn der Schöpfung. Das alles hat nach dem Sündenfalle seine Selbstverständlichkeit verloren. Gott, der im Paradiese noch verdl)

traulich mit den Menschen verkehrte wie der Vater mit seinen Kindern — Er hat sich zum verborgenen Gott gemacht, „der Seine Gewitter scheinen läßt, als ob sie Herr wären; der alle Seine Kräfte verbirgt unter Namen, die Menschen geben". Und doch ist dem Menschen nichts von seiner Pflicht erlassen, er bleibt nach wie vor „der Verwalter der Geheimnisse Gottes". Es bleibt nach wie vor seine Aufgabe und ist in den Besten seines Geschlechtes auch sein tiefster Drang, nach dem verborgenen Sinngesetz der Welt, nach dem Logos, zu forschen, wie die gesamte griechische Philosophie nichts anderes war als eine schrittweise Entdeckung und Eroberung des „logischen" Planes der Welt; und wer mit letzter Liebe sich dieser entsagungsreichen Forscherarbeit hingibt, dem wird der Logos der Welt sich offenbaren als der Theos Logos, als das Verbum Dei: Wer als ehrlicher Wahrheitsucher der Welt den Sinn der Welt zu ergründen trachtet, wird notwendig auch zum Schöpfer der Welt kommen. Auch die Schönheit der Natur, soweit der Mensch nicht frevelhaft in sie eingegriffen hat, ist dieselbe geblieben und bleibt auch dem gefallenen Menschen noch heute ein Weg, über die Schönheit der Welt zur göttlichen Urschöne zu kommen. Ja, die Beschäftigung mit der Natur und ihrer Pflege im Kleinen und Kleinsten wie im Großen und Größten hat eine reinigende Kraft, sie führt den Menschen zurück auf seinen Ursprung, dorthin, wo er selbst rein aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen ist. So kann Ambrosius den Satz schreiben: „Alle großen, alle tiefen Geister suchen die Berge." Es gibt freilich auch eine Naturliebe, die von Gott abführt, wenn man statt der Stimme Gottes der berückenden „Stimme des großen Pan" nachgeht, die den Menschen in das süße Dunkel des Irrtums lockt. Das ist dann Umsturz aller Werte und Abfall von seinem Berufe als Priester der Schöpfung und Siegelbewahrer Gottes. Durch die Erlösung ist der Mensch auch hier wieder auf den rechten Weg gewiesen worden. Die Offenbarung zeigt uns, daß die Liebe zur Natur und zur Forschung (12)

nicht ausschließlich Angelegenheit des natürlich denkenden Menschen ist. Es ist nicht nur philosophische, sondern auch Offenbarungswahrheit, daß Gott die Welt geschaffen hat. Und so ist Gott auch als Schöpfer Gegenstand des übernatürlichen Glaubens und der übernatürlichen Liebe. Daher ist es kein Wunder, daß zunächst im Alten Bunde, in Psalmen und Loblitaneien, immer wieder die Herrlichkeit der Gotteswelt bis in letzte Einzelheiten geschildert wird; kein Wunder, daß die Kirche das übernommen hat und den Hauptteil ihres Chorgebetes, die Metten, einleitet mit dem 94. Psalm, der uns eindringlich an die Größe des Schöpfer-Gottes erinnert: „Kommet und lasset uns dem Herrn frohlocken und jubeln Gott, unserem Heiland . . . Denn der Herr ist der große Gott, der große König über alle ,Götter'. Nicht wird Er Sein Volk verstoßen. In Seiner Hand faßt Er der Erde Grenzen. Er hat die hohen Berge aufgeschichtet. Sein ist das Meer, Er hat es geschaffen, das trockene Land hat Seine Hand gebildet: Ja, kommet, lasset uns anbetend niederfallen vor Gott, und Dankestränen weinen vor Ihm, der uns erschaffen hat, denn Er ist unser Herr und Gott, wir sind Sein Volk, die Schäflein Seiner Weide." — Kein Wunder, wenn die ersten Jahrhunderte nach der Erhebung der Kirche den Christus-König vor allem auch als den Herrn des Weltalls feierten und in ihre Kirchen alles hereinholten, was als Symbol der Herrschaft Christi über die Schöpfung dienen konnte. „Die Gnade hebt die Natur nicht auf, sondern vollendet sie." Das gilt auch hier. Der Gott des Glaubens ist der Gott der Schöpfung. Wir glauben „an Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde," mit der theologischen Tugend des übernatürlichen Glaubens, wir lieben Ihn als unseren Schöpfer mit der übernatürlichen Liebe der Gottesfreundschaft. Mit den Augen dieser Liebe geschaut, erhält die Welt einen neuen Glanz und wird der Dank für die Schöpfung ein Dank aus Kindesherzen zum Vater: „Wir danken Dir wegen Deiner großen Herrlichkeit!" Die Freude über die Blumen und über die Sterne und über das Meer wird zu einer tiefen

(13)

Freude über die Gaben Gottes. — So kann die Welt nur schauen, wer sie im Glauben schaut; so kann sie nur lieben, wer sie im Heiligen Geiste liebt. Die Naturliebe und die Forscherarbeit eines gläubigen Christen wird daher um eine göttliche Dimension reicher und tiefer sein als die Naturschwärmerei derer, die in der Natur selbst ihren Gott anbeten. Gott ist immer „in Seinem Eigentum", aber Er wird nur von denen gefunden, die Ihn demütig suchen, die nicht aus irgendwelcher Begierde des Geistes oder des Fleisches, „sondern aus Gott geboren sind". Auch hier stehen sich der Geist der Welt und der Geist des Christentums schroff gegenüber. Mag deshalb das Wort des Apostels im Zusammenhang anders gemeint sein, wir dürfen es mit vollem Recht auf unser Verhältnis zum Schöpfer dieser sichtbaren Welt, der unser Vater ist, anwenden, denn „wir haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen können, was von Gott uns geschenkt wurde". Aus diesem Geiste heraus haben die großen Theologen des Mittelalters sich mit dem Hexaemeron, dem Werk der sechs Tage, beschäftigt. Ihnen war die Welt die natürliche Offenbarung Gottes, desselben Gottes, den sie unter den Gestalten des Brotes und Weines anbeteten. Von hier aus begreifen wir ohne weiteres, wieso eine bis in letzte Einzelheiten gehende Untersuchung über das Werden und den Aufbau der Welt im System einer theologischen Summa Platz finden kann. Sie hat hier nicht mehr und nicht weniger Berechtigung als der Satz im Credo: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde." Das Suchen nach dem Bauplan der Welt war den großen Scholastikern eine religiöse Angelegenheit. Hinter ihren natürlichen Überlegungen steht immer der Glaube an den Schöpfer-Gott, der Glaube an das WORT, „durch das alles gemacht, und ohne das nichts gemacht ist von dem, was gemacht worden ist". So will auch die folgende Untersuchung des hl. Thomas über das Werk der sechs Tage verstanden sein. Mag sie in ihren Einzelheiten wie in ihrem Ge(14)

samtergebnis weit hinter der Erkenntnis, die wir von der sichtbaren Welt haben, zurückstehen, sie hat für uns trotzdem mehr als einen bloß geschichtlichen Wert. Sie zeigt uns die religiöse Haltung, mit der die Theologen des Mittelalters der Gesamtwirklichkeit der Schöpfung gegenüberstanden. Wenn wir an die Mittel denken, die ihnen für ihre Überlegungen zur Verfügung standen, und an die Zeit, die doch von den eigentlich theologischen Fragen vollkommen in Anspruch genommen war, dann lernen wir zwischen den Zeilen lesen und schauen mit Ehrfurcht dieses geradezu gigantische Ringen um Welterkenntnis, schauen mit Ehrfurcht diesen von zähester Ausdauer getragenen Versuch, auch nur etwas Licht in die für sie so dunklen Vorgänge der Welt hineinzubringen und sich ein klares Bild zu verschaffen vom Aufriß des Weltganzen, das gleicherweise der Hl. Schrift, den Erscheinungen der Natur und den Forderungen des Geistes nach Einheit und Geschlossenheit entsprach. Denken wir uns einmal Thomas hinein in unsere Zeit, denken wir uns seinen Geist ausgerüstet mit den modernen Mitteln der Forschung, dann könnte es immerhin sein, daß uns der große Theologe ein Werk schenken würde über die Harmonien und die Gesetze des Alls, das an metaphysischer und religiöser Tiefe alles überstrahlen würde, was bis heute darüber geschrieben ist. Mögen wir deshalb aus diesem Bändchen für unser Weltbild auch nicht viel Neues lernen können, d e n geistigen Gewinn wird es uns bringen, daß wir vielleicht mit mehr Ehrfurcht und dankbarerem Herzen als bisher zum funkelnden Sternenhimmel aufschauen, von dem wir so viel und Thomas so wenig wußte und wissen konnte.

(15)

E I N R I C H T U N G DER Ü B E R S E T Z U N G UND B A N D E I N T E I L U N G DER D E U T S C H E N THOMAS-AUSGABE NB.: Um dem Leser auch bei Verlust des lose beiliegenden Lesezeichens das Verständnis der Einrichtung des einzelnen Bandes und außerdem zu jeder Zeit die Übersicht über das ganze Werk zu ermöglichen, geben wir beides jedem Bande an dieser Stelle bei.

I. A U F B A U

DES

ARTIKELS

1. Die Titelfrage zum Artikel stammt nicht von Thomas selbst, sondern ist entnommen dem einleitenden Videtur quod non oder Videtur quod. 2. Auf die Titelfrage folgen einige Argumente gegen die zu erwartende Antwort. Sie enthalten Autoritäts- oder Vernunftgründe, die irgendwie näher an das Problem heranführen. Diese in der Thomas-Literatur meist „Objectiones" genannten Argumente sind in der Übersetzung mit 1., 2., 3. usw., bei Verweisen mit E. ( = Einwand) bezeichnet. 3. Mit „Sed contra" leitet dann Thomas ein Argument ein, das als vorläufige Stütze seiner eigenen Antwort dienen soll, ohne daß er den darin enthaltenen Autoritäts- oder Vernunftgrund einfachhin übernähme. Die Übersetzung leitet dieses Sed contra mit „Anderseits" ein. 4. Mit „Respondeo dicendum" (in der Übersetzung: „Antwort") beginnt der Hauptteil des Artikels, der die eigentliche Lehre des hl. Thomas enthält. 5. Auf die „Antwort" folgt unter Ad primum, Ad secundum . . . die Lösung der eingangs vorgebrachten Argumente. Sie führt oft den in der „Antwort" entwickelten Gedanken wesentlich weiter. Die Übersetzung leitet sie eiD mit Zu 1., Zu 2. usw. 6. Die Angabe der Fundstelle erfolgt in der Übersetzung nur bei Schriftzitaten, und zwar in der heute üblichen Weise. Bei allen anderen Zitaten, in der Regel aus Autoren, die nur dem Wissenschaftler zugänglich sind, gibt die Übersetzung den Namen des Autors, der lateinische Text den Stellennachweis. (16)

7. Abkürzungen: CSEL = Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum. L = Editio Leonina (Romae 1882 sqq.). MPG = Migne, Patrologiae cursus completus, series Graeca. MPL = Migne, Patrologiae cursus completus, series Latina. P = Editio Piana (Romae 1570). Parm. = St. Thom. Aqu. Opera omnia (Parmae 1852 sqq.).

(17)

II. E I N T E I L U N G

DER

SUMMA

THEOLOGICA

I. BUCH Band Band

Frage 2. Frage

Band Band Band Band

3. 4. 5. 6.

Band

7. Frage

Band

8. Frage

1.

Frage Frage Frage Frage

13: Gottes Dasein und Wesen. 1 4 - 26: Gottes Leben; sein Erkennen und Wollen. 2 7 - 43: Gott, der Dreifaltige. 44— 64: Schöpfung und Engelwelt. 65— 74: Das Sechstagewerk. 75— 89: Wesen und Ausstattung des Mensehen. 9 0 - 102: Erschaffung und Urzustand des Menschen. 1 0 3 - 119: Erhaltung und Regierung der Welt. 1-

DES II. BÜCHES Ziel und Handeln des Menschen. Die menschlichen Leidenschaften Grundlagen der menschlichen Handlung. Band 12. Frage 71— 89: Die Sünde. Band 13. Frage 90—105: Das Gesetz. Band 14. Frage 106—114: Der Neue Bund und die Gnade. Band 9. Frage Band 10. Frage Band 11. Frage

Band Band Band Band Band Band Band Band Band

15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

Frage Frage Frage Frage Frage Frage Frage Frage Frage

Band 24. Frage

I. TEIL 1— 21: 22— 48: 49— 70:

II. TEIL DES II. BUCHES 1 - 22: Glaube und Hoffnung. 23-- 33: Liebe (1. Teil). 34-- 56: Liebe (2. Teil) ; Klugheit. 57-- 79: Gerechtigkeit. 80-- 1 0 0 : Die Tugend der Gottesverehrung. 101-- 1 2 2 : Tugenden des Gemeinschaftslebens. 123-- 1 5 0 : Starkmut und Mäßigkeit. 151-- 1 7 0 : Mäßigkeit (2. Teil). 171-- 1 8 2 : Besondere Gnadengaben und die zwei Wege menschlichen Lebens. 183-- 1 8 9 : Stände und Standespflichten. III. BÜCH

Band 25. Frage Band 26. Frage Band 27. Frage

(18)

1— 15: Die Menschwerdung Christi. 16— 34: Die Auswirkungen der Menschwerdung. Die Gottesmutter. 35— 45: Christi Leben.

Band 28. Frage 46— 59: Christi Leiden und Erhöhung. Band 29. Frage 60— 72: Die Sakramente. Taufe und Firmung. Band 30. Frage 73— 83: Das Geheimnis der Eucharistie. Band 31. Frage 84— 90: Das Bußsakrament. ERGÄNZUNG ZUM III. BUCH (Supplement) (Band 31.) Frage 1— 16: (Das Bußsakrament.) Band 32. Frage 17— 40: Schlüsselgewalt der Kirche. Letzte Ölung und Priesterweihe. Band 33. Frage 41— 54: Die Ehe (1. Teil). Band 34. Frage 55— 68: Die Ehe (2. Teil). Band 35. Frage 69— 87: Auferstehung des Fleisches. Band 36. Frage 88— 99: Die Letzten Dinge. 1. Zusatzband: Gesamtregister (Personen- und Sachverzeichnis für sämtliche Bände). 2. Zusatzband: Thomas-Lexikon (Wörterbuch der philosophischen und theologischen Fachausdrücke und Einführung in die Grundbegriffe des thomistischen Systems).

(19)

DAS DER

WERK

S E C H S

TAGE

65.

FRAGE

DIE ERSCHAFFUNG DER KÖRPERWELT Nach der Betrachtung der geistigen Schöpfung folgt die Betrachtung der körperlichen Schöpfung. Bei deren Hervorbringung erwähnt die Hl. Schrift drei Werke: Das Werk der Erschaffung, wenn es heißt: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde" usw. Das Werk der Scheidung, wenn es heißt: „Er schied das Licht von der Finsternis und die Wasser, die über der Feste waren, von den Wassern, die unter der Feste waren." Und das Werk der Ausschmückung, wenn es heißt: „Es mögen Leuchten entstehen an der Feste" usw. Wir betrachten also zuerst das Werk der Erschaffung, dann das Werk der Scheidung, schließlich das Werk der Ausschmückung. Zum ersten ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Ist die Körperwelt von Gott? 2. Ist die Körperwelt gemacht um der Gutheit Gottes willen ? 3. Ist sie von Gott gemacht unter Vermittlung der Engel? 4. Sind die Wesensformen der Körper von den Engeln oder unmittelbar von Gott? QUAESTIO LXV DE OPERE CREATIONIS CREATURAE CORPORALIS Post considerationem spiritualis creaturae, considerandum est de creatura corporali. In cujus productione tria opera Scriptura commémorât: scilicet opus creationis, cum dicitur: „In principio creavit Deus caelum et terram", etc.; opus distinctionis, cum dicitur: „Divisit lucem a tenebris, et aquas quae sunt supra firmamentum, ab aquis quae sunt sub firmamento"; et opus ornatus, cum dicitur: „Fiant luminaria in firmamento" etc. Primo ergo considerandum est de opere creationis; secundo, de opere distinctionis; tertio, de opere ornatus. Circa primum quaeruntur quatuor: 1. Utrum creatura corporalis sit a Deo. — 2. Utrum sit facta propter bonitatem Dei. — 3. Utrum sit facta a Deo mediantibus angelis. — 4. Utrum formae corporum sint ab angelis, an immediate a Deo.

1*

3

1. A R T I K E L die Körperwelt von

Ist

Gott?

1. In der Hl. Schrift (Prd 3, 14) heißt es: „Ich ward inne, daß alle Werke, die Gott wirkt, fortdauern in Ewigkeit." Die sichtbaren Körper bleiben aber nicht in Ewigkeit. 2 Kor 4, 18: „ W a s sichtbar ist, ist zeitlich; was unsichtbar ist, ist ewig." Also hat Gott die sichtbaren Körper nicht geschaffen. 2. Im Buche der Genesis (1, 81) heißt es: „Gott sah alles, was Er gemacht hatte, und es war sehr gut." Die körperlichen Geschöpfe aber sind böse. Denn wir erfahren, wie sie in vielen Dingen schädlich sind, so z. B. in vielen Schlangen, in der Glut der Sonne u. dgl. Böse aber wird etwas deshalb genannt, weil es schadet. Die körperlichen Dinge sind demnach nicht von Gott. 3. Was von Gott ist, zieht nicht von Gott ab, sondern führt zu Ihm hin. Die körperlichen Dinge aber ziehen von Gott ab. Deshalb schreibt der Apostel (2 Kor 4, 18): „ W i r achten nicht auf das, was sichtbar ist." Also sind die körperlichen Geschöpfe nicht von Gott. A N D E R S E I T S heißt es in Psalm 145, 6: „ . . . der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer und alles, was darinnen ist." QUAESTIO

65,

l

ARTICULUS I Utrum creatura corporalis

sit a D e o

[2 Sent., dist. 37, q. 1, art. 2; 2 Cont. Gent., cap. 6 et 15, et 3, cap. 1; de Pot., q. 3, art. 5 et 6; 3 de Reg. Princ., cap. 2]

AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod creatura corporalis non sit a Deo. Dicitur enim Eccl. 3: „Didici quod omnia quae fecit Deus, perseverant in aeternum." Sed corpora visibilia non perseverant in aeternum: dicitur enim 2 Cor. 4: „Quae videntur, temporalia sunt; quae autem non videntur, aeterna." Ergo Deus non fecit corpora visibilia. 2. PRAETEREA, Gen. 1 dicitur: „Vidit Deus cuncta quae fecerat, et erant valde bona." Sed creaturae corporales sunt malae: experimur enim eas in multis noxias, ut patet in multis serpentibus, in aestu solis, et hujusmodi; ideo autem aliquid dicitur malum, quia nocet. Creaturae igitur corporales non sunt a Deo. 3. PRAETEREA, id quod est a Deo, non retrahit a Deo, sed ducet in ipsum. Sed creaturae corporales retrahunt a Deo: unde Apostolus dicit 2 Cor. 4: „Non contemplantibus nobis quae videntur." Ergo creaturae corporales non sunt a Deo. SED CONTRA est quod dicitur in Psalmo 145: „Qui fecit caelum et terram, mare, et omnia quae in eis sunt."

4

ANTWORT: Einige Irrlehrer nehmen an, die sieht- 65, 1 baren Dinge hier seien nicht vom guten Gott, sondern von einem bösen Urgrund erschaffen. Zum Beweise f ü r ihren Irrtum f ü h r e n sie die Worte des Apostels (2 Kor 4, 4) a n : „Der Gott dieser Welt hat geblendet den Geist der Ungläubigen." Diese Annahme ist ganz unmöglich. Wo nämlich viele Dinge in einem zusammengefaßt werden, braucht es notwendig eine Ursache dieser Zusammenfassung; denn Dinge, die verschieden sind, kommen an und f ü r sich nicht zur Einheit. Wo immer daher in Dingen, die voneinander verschieden sind, sich eine Einheit findet, müssen die unter sich verschiedenen Dinge diese Einheit von einer Ursache empfangen haben, wie verschiedene warme Körper ihre W ä r m e vom Feuer haben. Das aber, was wir „Sein" heißen, findet sich in allen Dingen, so verschieden sie auch sein mögen. Demnach muß es einen einheitlichen Grund des Seins geben, von d e m alles, was immer nur sein mag in was immer f ü r einer Weise, das Sein empfängt, seien es die unsichtbaren und geistigen, seien es die sichtbaren und körperlichen Wesen. — Wenn aber der Teufel „der Gott dieser Welt" heißt, so nicht, weil er sie erschaffen, sondern weil die weltlich Lebenden ihm dienen. In der Weise, wie der Apostel (Phil 3, 19) von denen spricht, „deren Gott der Bauch ist". Z u 1. Alle Geschöpfe bleiben nach einem Teil ihres Q U A E S T I O 65, l RESPONDEO dicendum quod quorumdam haereticorum positio est, quod visibilia ista non sunt creata a bono Deo, sed a malo prineipio. Et ad argumentum sui erroris assumunt quod Apostolus dicit 2 Cor. 4: „Deus hujus saeculi excaecavit mentes infidelium." Haec autem positio est omnino impossibilis. Si enim diversa in aliquo uniantur, necesse est hujus unionis causam esse aliquam: non enim diversa secundum se uniuntur. Et inde est quod, quandocumque in diversis invenitur aliquid unum, oportet quod illa diversa illud unum ab aliqua una causa reeipiant; sicut diversa corpora calida habent calorem ab igne. Hoc autem quod est ,esse', communiter invenitur in omnibus rebus, quantumeumque diversis. Necesse est ergo esse unum essendi prineipium, a quo esse habeant quaecumque sunt quocumque modo, sive sint invisibilia et spiritualia, sive sint visibilia et corporalia. — Dicitur autem diabolus esse „deus hujus saeculi", non creatione, sed quia saeculariter viventes ei serviunt; eo modo loquendi quo Apostolus loquitur ad Philip. 3: „Quorum deus venter est." AD PRIMUM ergo dicendum quod omnes creaturae Dei se-

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i Wesens in Ewigkeit, wenigstens ihrem Stoff nach. Denn die Geschöpfe werden niemals ins Nichts zurückgeführt werden, auch wenn sie vergänglich wären. Je näher aber die Geschöpfe Gott kommen, der schlechthin unbeweglich ist, um so mehr sind sie selbst unbeweglich. So bleiben die vergänglichen Geschöpfe in Ewigkeit ihrem Stoff nach und verändern sich nur der Wesensform nach. Die unvergänglichen Geschöpfe bleiben zwar ihrem Wesen nach, sind aber in anderer Hinsicht veränderlich, z. B. dem Orte nach, wie die Himmelskörper, oder ihren Willensregungen nach, wie die geistigen Geschöpfe. — Was aber das Wort des Apostels angeht: „Was sichtbar ist, ist zeitlich", so ist das zwar richtig, wenn wir die Dinge selbst in sich betrachten, denn so ist jedes sichtbare Geschöpf der Zeit unterworfen, sei es dem Sein, sei es der Bewegung nach; doch will der Apostel hier sprechen von den sichtbaren Dingen, sofern sie dem Menschen zum Lohn gegeben werden. Denn jener Lohn, der dem Menschen mit diesen sichtbaren Dingen gegeben wird, schwindet mit der Zeit dahin. Der Lohn aber, der in den unsichtbaren Dingen liegt, bleibt in Ewigkeit. Daher hatte er auch vorausgeschickt (4, 17): „ [Unsere gegenwärtige Trübsal] wirkt die ewige Last der Herrlichkeit in uns." Z u 2. Die körperlichen Dinge sind ihrer Natur nach gut. Zwar handelt es sich dabei nicht um ein umfassenQUAESTIO

65, l

cundum aliquid in a e t e r n u m perseverant, ad minus secundum m a t e r i a m : quia creaturae nunquam in nihilum redigentur, etiamsi sint corruptibiles. S e d quanto creaturae magis appropinquant ad D e u m , q u i est immobilis, tanto magis sunt i m m o b i l e s . N a m creaturae corruptibiles in p e r p e t u u m manent secundum materiam, sed mutantur secundum f o r m a m substantialem. Creaturae v e r o incorruptibiles p e r m a n e n t q u i d e m secundum substantiam, sed sunt mutabiles secundum a l i a : puta secundum locum, ut corpora caelestia; v e l secundum affectiones, ut creaturae spirituales. — Quod autem Apostolus dicit, „ q u a e videntur, t e m p o r a l i a sunt", etsi v e r u m sit etiam quantum ad ipsas res in se consideratas, secundum quod omnis creatura visibilis subjacet t e m p o r i , v e l secundum suum esse v e l secundum suum m o t u m ; tarnen Apostolus intendit loqui de visibilibus secundum quod sunt hominis p r a e m i a . N a m p r a e m i a hominis quae sunt in istis rebus visibilibus, t e m p o r a l i t e r transeunt: quae autem sunt in rebus invisibilibus, p e r m a n e n t in aeternum. U n d e et supra p r a e m i s e r a t : „ A e t e r n u m g l o r i a e pondus operatur in nobis." A D S E C U N D U M dicendum quod creatura corporalis, secundum suam naturam, est b o n a : sed non est b o n u m universale,

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des Gut, sondern um ein besondertes und eingeschränktes 65, 1 Gut. Infolge dieser Besonderung und Einschränkung tritt in der Körperwelt eine Gegensätzlichkeit auf, wodurch eines dem anderen entgegensteht, mag auch beides in sich gut sein. — Manche Leute beurteilen nun die Dinge nicht nach deren eigener Natur, sondern nach ihrem persönlichen Vorteil, und halten dann das, was ihnen schädlich ist, für schlechthin böse; bedenken aber nicht, daß das, was dem einen in einer Hinsicht schädlich ist, dem anderen oder auch demselben in anderer Hinsicht nützlich sein kann. Das wäre aber unmöglich, wenn die Körperwesen in sich schlecht und schädlich wären. Z u 3. An sich ziehen die Geschöpfe nicht von Gott ab, sondern führen zu Ihm hin; denn „was unsichtbar ist an den Werken Gottes, wird am Schöpfungswerke der Welt geistig wahrgenommen" (Rom 1, 20). Wenn sie von Gott abwendig machen, so ist das die Schuld jener, die sich der Geschöpfe in Unweisheit bedienen; Weish 14, 11: „Die Geschöpfe sind den Füßen der Einsichtslosen zum Fallstricke geworden." — Daß sie aber in dieser Weise von Gott abziehen, bezeugt gerade, daß sie von Gott sind. Denn sie führen die Einsichtslosen nur dadurch von Gott weg, daß sie durch ein Gut anlocken, das in ihnen liegt. Das haben sie von Gott. QUAESTIO

65,

l

sed est quoddam bonum particulare et contractum; secundum quam particularitatem et contractionem sequitur in ea contraríelas, per quam unum contrariatur alteri, licet utrumque in se sit bonum. — Quidam autem, aestimantes res non ex earum natura, sed ex suo proprio commodo, quaecumque sibi nociva sunt, simpliciter mala arbitrantur; non considerantes quod id quod est uni nocivum quantum ad aliquid, vel alteri vel eidem quantum ad aliquid est proflcuum. Quod nequaquam esset, si secundum se corpora essent mala et noxia. AD TERTIUM dicendum quod creaturae, quantum est de se, non retrahunt a Deo, sed in ipsum ducunt: quia „invisibilia Dei per ea quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur", ut dicitur Rom 1. Sed quod avertant a Deo, hoc est ex culpa eorum qui insipienter eis utuntur. Unde dicitur Sap. 14, quod „creaturae factae sunt in muscipulam pedibus insipientium". — Et hoc ipsum quod sie a Deo abdueunt, attestatur quod sunt a Deo. Non enim abdueunt insipientes a Deo, nisi alliciendo secundum aliquid boni in eis existens quod habent a Deo.

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2. A R T I K E L Ist die Körperwelt um der Gutheit Gottes geschaffen?

2

willen

1. Im Buche der Weisheit (1, 14) heißt es: „Zum Sein hat Gott alles erschaffen." Also ist alles geschaffen um des eigenen Seins willen und nicht um der Gutheit Gottes willen. 2. Das Gute hat die Wesensart des Zieles. Das höhere Gut in den Dingen ist daher das Ziel des minderen Guten. Die geistigen Wesen verhalten sich nun aber zu den körperlichen wie das höhere Gute zum minderen Guten. Die Körperwesen sind also um der Geistwesen und nicht um der Gutheit Gottes willen da. 3. Die Gerechtigkeit verteilt Ungleiches nur an Ungleiche. Gott aber ist gerecht. Also liegt vor jeder von Gott erschaffenen Ungleichheit eine Ungleichheit, die von Gott nicht erschaffen wurde. Diese von Gott nicht erschaffene Ungleichheit kann nur aus der freien Selbstbestimmung [der Geschöpfe] stammen. Also folgt alle Ungleichheit aus den verschiedenen Bewegungen der freien Selbstbestimmung. Die körperlichen Geschöpfe aber sind den geistigen ungleich. Also sind die KörperQUAESTIO

65, 2

ARTICULUS Utrum

creatura

II

c o r p o r a l i s sit facta Dei bonitatem

propter

[Supra, q. 25, art. 5 c. et ad 2; q. 47, art. 2; Comp. Theol., cap. 100 et 101]

AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod creatura corporalis non sit facta propter Dei bonitatem. Dicitur enim Sap. 1: „Creavit Deus ut essent omnia." Ergo omnia sunt creata propter 1 proprium esse, et non propter Dei bonitatem. 2. PRAETEREA, bonum habet rationem finis. Ergo id quod est magis bonum in rebus, est finis minus boni. Creatura autem spirituals comparatur ad corporalem, sicut majus bonum ad minus bonum. Ergo creatura corporalis est propter spiritualem, et non propter Dei bonitatem. 3. PRAETEREA, justitia non dat inaequalia nisi inaequalibus. Sed Deus est justus. Ergo ante omnem inaequalitatem a Deo creatam, est inaequalitas a Deo non creata. Sed inaequalitas a Deo non creata, non potest esse nisi quae est ex libero arbitrio. Ergo omnis inaequalitas sequitur ex diversis motibus liberi arbitrii. Creaturae autem corporales sunt inaequales spiri1

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L addit: suum.

wesen geschaffen um gewisser Bewegungen der freien 65, Selbstbestimmung und nicht um der Gutheit Gottes willen. ANDERSEITS heißt es Spr 16, 4: „Alles hat der Herr um Seiner selbst willen gewirkt." ANTWORT: Orígenes nahm an, die Erschaffung der Körperwelt sei nicht in der ursprünglichen Absicht Gottes gelegen, sondern sei nachträglich zur Strafe für die Sünden der Geisterwelt geschehen. Nach seiner Annahme schuf Gott zunächst nur Geistwesen, und zwar alle gleich. Von ihnen kehrten sich, da sie alle mit Freiheit ausgestattet waren, einige zu Gott, und nach der stärkeren oder schwächeren Hinwendung zu Gott erlangten sie eine höhere oder weniger hohe Stufe, wobei sie in ihrer Einfachheit verblieben. Einige aber wandten sich von Gott ab und wurden entsprechend der verschiedenen Abwendung von Gott in verschiedene Körper verbannt. Diese Annahme ist irrig. Erstens widerspricht sie der Hl. Schrift. Diese fügt dem Bericht über die Erschaffung einer jeden Art von Körperwesen hinzu: „Und Gott sah, daß es gut war." Als ob sie sagen wollte: ein jedes Ding sei deshalb geschaffen, weil es gut ist, daß es Sein habe. Nach der Annahme des Orígenes aber sind die Körperdinge nicht deshalb geschaffen worden, weil es gut ist, daß sie Sein haben, sondern zur Strafe für die Bosheit des anderen. Q U A E S T I O

65,

2

tualibus. Ergo creaturae corporales sunt factae propter aliquos motus liberi arbitrii, et non propter Dei bonitatem. SED CONTRA est quod dicitur Proverb. 16: „Universa propter semetipsum operatus est Dominus." RESPONDEO dicendum quod Orígenes posuit [Peri Archon, MPG lib. 2, cap. 1 et 9; lib. 3, cap. 5] quod creatura corporalis non 188, est facta ex prima Dei intentione, sed ad poenam creaturae spiritualis peccantis. Posuit enim quod Deus a principio creaturas spirituales solas fecit, et omnes aequales. Quarum, cum essent liberi arbitrii, quaedam conversae sunt in Deum, et secundum quantitatem conversionis sortitae sunt majorem vel minorem gradum, in sua simplicitate remanentes. Quaedam vero, aversae a Deo, alligatae sunt corporibus diversis, secundum modum aversionis a Deo. Quae quidem positio errónea est. Primo quidem, quia contrariatur Scripturae, quae narrata productione cujuslibet speciei creaturae corporalis, subjungit: „Vidit Deus quod hoc esset bonum"; quasi diceret quod unumquodque ideo factum est, quia bonum est ipsum esse. Secundum autem opinionem Origenig, creatura corporalis facta est, non quia bonum est earn esse, sed ut malum alterius puniretur.

9

2

Zweitens würde nach dieser Meinung die Ordnung der Körperweit, wie sie jetzt ist, auf Zufall beruhen. Wenn nämlich z. B. die Sonne nur deshalb so, wie sie ist, geschaffen wurde, weil es so der Strafe für die Sünde eines Geistes entsprach, so könnte es sehr gut sein, das es mehrere Sonnen gäbe, für den Fall nämlich, daß mehrere Geister in dieselbe Sünde gefallen wären wie jener, für dessen Sünde die Sonne zur Strafe geschaffen sei. So würde es auch mit den anderen Dingen sein. Das ist aber durchaus unangebracht. Gegenüber dieser Ansicht, die damit als irrig zurückgewiesen ist, muß man bedenken, daß aus allen Geschöpfen ein einziges Weltall erstellt wird, wie das Ganze aus seinen Teilen. Wollen wir aber den Zweck eines Ganzen und seiner Teile angeben, so finden wir, daß zunächst die einzelnen Teile ihrer besonderen Tätigkeit wegen da sind, wie das Auge zum Sehen; zweitens, daß der weniger vornehme Teil des vornehmeren wegen da ist, wie die Sinne für den Verstand und die Lunge für das Herz; drittens, daß alle Teile der Vollkommenheit des Ganzen wegen da sind, wie auch der Wesensstoff der Wesensform wegen da ist. Die Teile nämlich sind gleichsam der Stoff des Ganzen. Darüber hinaus aber ist der ganze Mensch eines äußeren Zieles wegen da, z. B. daß er sich Gottes freue. Genau so ist es mit den Teilen des Weltalls. Zunächst ist jedes Geschöpf da um seiner eigenen Tätigkeit und QUAESTIO

65, 2

Secundo, quia sequeretur quod mundi corporalis dispositio quae nunc est, esset a casu. Si enim ideo corpus solis tale factum est, ut congrueret alicui peccato spiritualis creaturae puniendo; si plures creaturae spirituales similiter peccassent sicut illa propter cujus peccatum puniendum ponit solem creatum, sequeretur quod essent plures soles in mundo. Et idem esset de aliis. Haec autem sunt omnino inconvenientia. Unde hac positione remota tanquam erronea, considerandum est quod e x omnibus creaturis constituitur totum universum sicut totum e x partibus. Si autem alicujus totius et partium ejus velimus finem assignare, inveniemus primo quidem, quod singulae partes sunt propter suos actus; sicut oculus ad videndum. Secundo vero, quod pars ignobilior est propter nobilior e m ; sicut sensus propter intellectum, et pulmo propter cor. Tertio vero, omnes partes sunt propter perfectionem totius, sicut et materia propter f o r m a m ; partes enim sunt quasi materia totius. Ulterius autem, totus homo est propter aliquem finem extrinsecum, puta ut fruatur Deo. Sic igitur et in partibus universi, unaquaeque creatura est propter suum proprium actum et perfectionem. Secundo

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Vollkommenheit willen; zweitens sind die weniger vor- 65, 2 nehmen Geschöpfe da um der vornehmeren willen, so sind die Geschöpfe, die unter dem Menschen stehen, des Menschen wegen da; drittens sind die einzelnen Teile der Welt der Vollkommenheit des ganzen Weltalls wegen da. Darüber hinaus ist das ganze Weltall mit seinen einzelnen Teilen hingeordnet auf Gott als auf sein Ziel, sofern in ihnen durch eine gewisse Nachbildung die göttliche Gutheit dargestellt wird zur Ehre Gottes. Freilich haben die vernunftbegabten Geschöpfe darüber hinaus noch in ganz besonderer Weise Gott zum Ziel, den sie erreichen können durch ihre Tätigkeit, durch Erkennen und Lieben. Daraus geht hervor, daß die göttliche Gutheit das Ziel aller Körperwesen ist. Z u 1. Dadurch, daß ein Geschöpf Sein hat, vergegenwärtigt es das göttliche Sein und dessen Gutheit. Wenn also Gott alle Dinge erschaffen hat, auf daß sie seien, so ist damit keineswegs ausgeschlossen, daß E r alles Seiner Gutheit wegen erschaffen. Z u 2. Das nächste Ziel schließt das letzte Ziel nicht aus. Wenn daher die Körperwelt in gewissem Sinne der Geisterwelt wegen geschaffen wurde, so hindert das nicht, daß sie der Gutheit Gottes wegen geschaffen wurde. Z u 3. Die Gleichheit der Gerechtigkeit hat ihren Platz bei der Vergeltung. Denn es ist recht, daß gleichen Q U A E S T I O

65,

2

autem, creaturae ignobiliores sunt propter nobiliores; sicut creaturae quae sunt infra hominem, sunt propter hominem. Singulae autem creaturae sunt propter perfectionem totius universi. Ulterius autem, totum universum, cum singulis suis partibus, ordinatur in Deum sicut in finem, inquantum in eis per quamdam imitationem divina bonitas repraesentatur ad gloriam Dei: quamvis creaturae rationales speciali quodam modo supra hoc habeant finem Deum, quem attingere possunt sua operatione, cognoscendo et amando. Et sie patet quod divina bonitas est finis omnium corporalium. AD PRIMUM ergo dicendum quod in hoc ipso quod creatura aliqua habet esse, repraesentat divinum esse et bonitatem ejus. Et ideo per hoc quod Deus creavit omnia ut essent, non excluditur quin creaverit omnia propter suam bonitatem. AD SECUNDUM dicendum quod flnis proximus non excludit finem ultimum. Unde per hoc quod creatura corporalis facta est quodammodo propter spiritualem, non removetur quin sit facta propter Dei bonitatem. AD TERTIUM dicendum quod aequalitas justitiae locum habet in retribuendo: justum enim est quod aequalibus aequalia retri-

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65, 3 Leistungen gleicher Lohn zuteil wird. Sie hat aber keinen Platz bei der ersten Gründung der Dinge. Wie nämlich der Baumeister in den verschiedenen Teilen eines Baues, ohne ungerecht zu sein, Steine gleicher Art verwendet, nicht wegen irgendwelcher in den Steinen vorangehenden Verschiedenheit, sondern mit Rücksicht auf die Vollendung des ganzen Baues, die nicht erreicht werden würde, wenn die Steine nicht in verschiedener Anordnung zum Bau zusammengefügt würden, so hat auch Gott im Anbeginn wegen der Vollendung des Weltalls verschiedene und ungleiche Geschöpfe gesetzt, Seiner Weisheit gemäß und ohne Ungerechtigkeit, ohne daß eine Verschiedenheit irgendwelcher Verdienste vorgegeben gewesen wäre. 3. A R T I K E L Sind die Körperdinge von Gott unter Vermittlung Engel hervorgebracht?

der

1. Wie die Welt von der göttlichen Weisheit regiert wird, so sind auch alle Dinge durch die göttliche Weisheit gemacht. Psalm 103, 24: „Alles hast Du in Weisheit gemacht." Ordnung aber ist nach Aristoteles das Werk des Weisen. Daher werden bei der Weltregierung QUAESTIO

65, s

buantur. Non autem habet locum in prima rerum institutione. Sicut enim artifex ejusdem generis lapides in diversis partibus aedifieii ponit absque injustitia, non propter aliquam diversitatem in lapidibus praecedentem, sed attendens ad perfectionem totius aedifieii, quae non esset nisi lapides diversimode in aedificio collocarentur; sie et Deus a prineipio, ut esset perfectio in universo, diversas et inaequales creaturas instituit, secundum suam sapientiam, absque injustitia, nulla tarnen praesupposita meritorum diversitate.

Utrum

A R T I C U L U S III c r e a t u r a c o r p o r a l i s sit p r o d u c t a Deo mediantibus angelis

a

[Supra, q. 45, art. 5; 2 Sent., dist. 1, q. 1, art. 3 et 4; 4, dist. 5, q. 1, art. 3, qa 3 ad 3; de Pot., q. 3, art. 4 ad 9; de Angelis, cap. 10]

AD TERTIUM sie proceditur. Videtur quod creatura corporalis sit producta a Deo mediantibus angelis. Sicut enim res gubernantur per divinam sapientiam, ita omnia sunt per Dei sapientiam facta; secundum illud Psalmi: „Omnia in sapientia fecisti." Sed ordinäre est sapientis, ut dicitur in princ. 982a 17 Metaph. [lib. 1, cap. 2]. Unde in gubernatione rerum, in-

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die niederen Wesen durch die höheren in einer be- 65, 3 stimmten Ordnung gelenkt (Augustinus). Also gab es auch bei der Hervorbringung der Welt eine solche Ordnung, nach welcher die Körperwelt als die niederere durch die Engelwelt als die höhere hervorgebracht wurde. 2. Die Verschiedenheit in den Wirkungen bezeugt eine Verschiedenheit in den Ursachen. Denn stets bringt dasselbe wieder dasselbe hervor. Wenn daher alle Geschöpfe, die geistigen und die körperlichen, unmittelbar von Gott geschaffen wären, gäbe es keine Verschiedenheit unter den Geschöpfen, noch stünde das eine weiter von Gott ab als das andere. Das ist offenbar falsch; denn der Philosoph führt gerade die Vergänglichkeit mancher Geschöpfe auf den größeren Abstand von Gott zurück. 3. Um eine endliche Wirkung zu erzielen, braucht es keine unendliche Kraft. Jeder Körper aber ist begrenzt. Also könnte er durch die begrenzte Kraft des geschaffenen Geistes hervorgebracht werden und ist auch [von ihm] hervorgebracht worden, weil bei diesen Wesen das Sein nicht verschieden ist vom Können, besonders wo eine Würde, die einem Wesen von Natur eignet, ihm nur abgesprochen werden darf wegen einer etwaigen Schuld. ANDERSEITS heißt es Gen 1, 1: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde." Damit ist aber die Körperwelt gemeint. Also ist die Körperwelt unmittelbar von Gott hervorgebracht. QUAESTIO

65, 3

feriora per superiora reguntur quodam ordine, ut Augustinus mpl dicit (De Trin., lib. 3, cap. 4). Ergo et in rerum productione talis 42/873 ordo fuit, quod creatura corporalis, tanquam inferior, per spiritualem, tanquam superiorem, est producta. 2. PRAETEREA, diversitas effectuum demonstrat diversitatem causarum: quia idem Semper facjt idem. Si ergo omnes creaturae, tarn spirituales quam corporales, sunt immediate a Deo productae, nulla esset inter creaturas diversitas, nec una magis distaret a Deo quam alia. Quod patet esse falsum: cum propter longe distare a Deo dicat Philosophus [De gener. et corrupt., 386b 30 lib. 2, cap. 10] quaedam corruptibilia esse. 3. PRAETEREA, ad producendum effectum finitum, non requiritur virtus infinita. Sed omne corpus finitum est. Ergo per finitam virtutem spiritualis creaturae produci potuit; et productum fuit, quia in talibus non differt esse et posse; praesertim quia nulla dignitas competens alicui secundum suam naturam, ei denegatur, nisi forte ob culpam suam. SED CONTRA est quod dicitur Gen. 1: „In principio creavit Deus caelum et terram", per quae creatura corporalis intelligitur. Ergo creatura corporalis est immediate a Deo producta.

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3

ANTWORT : Manche nehmen an, die Dinge seien nach einer bestimmten Stufenfolge aus Gott hervorgegangen, in der Weise, daß aus Gott unmittelbar das erste Geschöpf hervorging und dieses dann ein anderes hervorbrachte, und so fort bis zur Körperwelt. — Aber diese Annahme ist unmöglich. Denn die erste Hervorbringung eines körperlichen Wesens geschieht durch Schöpfung, bei welcher der Stoff selbst mithervorgebracht wird. Beim Werden geht nämlich das Unvollkommene dem Vollkommenen voraus. Es ist aber unmöglich, daß etwas erschaffen wird außer von Gott allein. Um das zu verstehen, muß man bedenken, daß die Wirksamkeit einer Ursache sich um so weiter erstreckt, je höher die Ursache ist.Was nun in den Dingen als Grundlage unterbreitet liegt, ist stets allgemeiner als das, was dieses in Form bringt und einschränkt. So ist Sein allgemeiner als Leben, Leben allgemeiner als Erkennen und der Stoff allgemeiner als die Form. Je mehr demnach etwas Grundlage ist für anderes, um so unmittelbarer geht es von der höheren Ursache aus. Was also allen Wesen erste Grundlage ist, ist der Ursächlichkeit der höchsten Ursache vorbehalten. Keine Zweitursache kann daher etwas hervorbringen, ohne im hervorgebrachten Ding etwas vorauszusetzen, was von der höheren Ursache verursacht wird. — Schöpfung aber ist das Hervorbringen des Dinges nach seinem ganzen Sein, ohne daß irgend etwas vorausgesetzt wird, sei es ungeschaffen oder von QUAESTIO

65, 3

RESPONDEO dicendum quod quidam posuerunt gradatim res a Deo processisse: ita scilicet quod ab eo immediate processit prima creatura, et ilia produxit aliam; et sic inde usque ad creaturam corpoream. — Sed haec positio est impossibilis, quia prima corporalis creaturae productio est per creationem, per quam etiam ipsa materia producitur: imperfectum enim est prius quam perfectum in fieri. Impossibile est autem aliquid creari nisi a solo Deo. A d cujus evidentiam, considerandum est quod quanto aliqua causa est superior, tanto ad plura se extendit in causando. Semper autem id quod substernitur in rebus, invenitur communius quam id quod informat et restringit ipsum: sicut esse quam vivere, et vivere quam intelligere, et materia quam forma. Quanto ergo aliquid est magis substratum, tanto a superiori causa directe procedit. Id ergo quod est primo substratum in omnibus, proprie pertinet ad causalitatem supremae causae. Nulla igitur secunda causa potest aliquid producere, non praesupposito in re producta aliquo quod causatur a superiori causa. — Creatio autem est productio alicujus rei secundum suam totam substantiam, nullo praesupposito quod sit v e l

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jemandem geschaffen. Deshalb bleibt es dabei, daß kein 65, 3 Wesen etwas erschaffen kann außer Gott allein, der die Erst-Ursache ist. Um daher zu zeigen," daß die gesamte Körperwelt unmittelbar von Gott erschaffen sei, sagt Moses: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde." Z u 1. In der Hervorbringung der Dinge gibt es eine bestimmte Ordnung, nicht etwa derart, daß ein Geschöpf vom anderen erschaffen würde, das nämlich ist unmöglich; sondern so, daß die göttliche Weisheit verschiedene Seinsstufen im den Geschöpfen gesetzt hat. Zu 2. Gott selbst erkennt in Seiner Einheit unbeschadet Seiner Einfachheit die verschiedenen Dinge (14, 1; 15, 1; Bd. 2). Darum ist Er nach der Verschiedenheit der erkannten Dinge in Seiner Weisheit auch die Ursache der Verschiedenheit der hervorgebrachten Dinge, wie auch der Künstler auf Grund der Erfassung verschiedener Formen verschiedene Kunstwerke hervorbringt. Zu 3. Das Maß der Kraft des Wirkenden wird nicht nur an dem gewirkten Ding gemessen, sondern auch an der Weise des Wirkens; denn ein und dasselbe Ding wird in anderer Weise von der größeren Kraft und in anderer Weise von der geringeren Kraft gewirkt. Ein endliches Ding aber derart hervorbringen, daß dabei nichts vorausgesetzt wird, ist das Werk unendlicher Kraft. Daher kann das keinem Geschöpf zukommen. QUAESTIO

65, 3

increatum vel ab aliquo creatum. Unde relinquitur quod nihil potest aliquid creare nisi solus Deus, qui est prima causa. Et ideo ut Moyses ostenderet corpora omnia immediate a Deo creata, dixit: „In principio creavit Deus caelum et terram." AD PRIMUM ergo dicendum quod in productione rerum est aliquis ordo, non quidem ut una creatura creetur ab alia (hoe enim impossibile est); sed ita quod ex divina sapientia diversi gradus in creaturis constituantur. AD SECUNDUM dicendum quod ipse Deus unus, absque suae simplicitatis detrimento, diversorum cognoscitivus est, ut supra ostensum est. Et ideo etiam est, secundum diverea cognita, diversorum productorum causa per suam sapientiam: sicut et artifex, apprehendendo diversas formas, producit diversa artificiata. AD TERTIUM dicendum quod quantitas virtutis agentis non solum mensuratur secundum rem factam, sed etiam secundum modum faciendi: quia unum et idem aliter fit a majori, et a minori virtute. Producere autem aliquid flnitum hoc modo ut nihil praesupponatur, est virtutis infinitae. Unde nulli creaturae competere potest.

15

65, 4

4. A R T I K E L Sind

die

Wesensformen

der Körper

von den

Engeln?

1. Boethius sagt: „Von den Formen, die ohne Stoff sind, kommen die Formen, die im Stoff sind." Die Formen ohne Stoff aber sind die geistigen Wesenheiten. Die F o r m e n im Stoff sind die Wesensformen der Körper. Also sind die Wesensformen der Körper von den geistigen Wesenheiten. 2. Alles, was durch Teilhabe ist, wird zurückgeführt auf das, was durch Wesenheit ist. Nun sind die geistigen Wesenheiten kraft ihrer Wesenheit F o r m . Die körperlichen Geschöpfe dagegen haben nur teil an den Formen. Also sind die F o r m e n der Körperdinge hergeleitet von den geistigen Wesenheiten. 3. Die geistigen Wesenheiten haben größere Kraft des Verursachens als die Himmelskörper. Die Himmelskörper aber verursachen die Formen in diesem niederen Bereich, weshalb sie auch als Ursache des Entstehens und Vergehens angesehen werden. Also sind um so mehr die Formen, die im Stoff sind, von den geistigen Wesenheiten hergeleitet. A N D E R S E I T S sagt Augustinus: „Es ist nicht anzunehmen, daß dieser körperliche Stoff den Engeln auf den QUAESTIO

Utrum

65, 4

A R T I C U L U S IV formae corporum sint

ab

angelis

[Infra, q. 91, art. 2; q. 110, art. 2; 1 Sent., dist. 36, q. 2, art. 1; 2, dist. 1, q. 1, art. 4, et dist. 18, q. 2, art. 3; 2 Cont. Gent., cap. 43; 3, cap. 24, 69, 103; de Malo, q. 16, art. 9]

AD QUARTUM sic proceditur. Videtur quod formae corpoMPL rum sint ab angelis. Dicit enim Boetius in libro de Trin. 64/1250 [cap. 2] quod „a formis quae sunt sine materia, veniunt formae quae sunt in materia". Formae autem quae sunt sine materia, sunt substantiae spirituales: formae autem quae sunt in materia, sunt formae corporum. Ergo formae corporum sunt a spiritualibus substantiis. 2. PRAETEREA, omne quod est per partieipationem, reducitur ad id quod est per essentiam. Sed spirituales substantiae per suam essentiam sunt formae; creaturae autem corporales participant formas. Ergo formae corporalium rerum sunt a spiritualibus substantiis derivatae. 3. PRAETEREA, spirituales substantiae magis habent virtutem causandi quam corpora caelestia. Sed corpora caelestia causant formas in istis inferioribus: unde dicuntur esse generationis et corruptionis causa. Ergo multo magis a spiritualibus substantiis formae quae sunt in materia, derivantur. MPL SED CONTRA est quod Augustinus dicit, 3 de Trin. [cap. 8], 42/875 q u 0 ( j j i t l 0 n est putandum angelis ad nutum servire hanc corpo-

16

Wink zu Diensten steht, sondern nur Gott." Dem aber 65, 4 heißt der körperliche Stoff auf den Wink zu Diensten, von dem er seine Art empfängt. Also sind die körperlichen Formen nicht von den Engeln, sondern von Gott.1 ANTWORT: Einige waren der Ansicht,' daß alle Wesensformen der Körper sich von den geistigen Wesenheiten herleiten, die wir Engel nennen. Diese Herleitung wurde in doppelter Weise verstanden. Plato nahm an, daß die Wesensformen, die im körperlichen Stoff sind, durch eine Art Teilhabe von jenen Formen sich herleiten, die ohne Stoff in sich selbst stehen. So nahm er an, daß es einen unstofflich in sich selbst bestehenden Menschen gäbe und ein ebensolches Pferd, und so fort von den anderen Dingen, aus denen die Welt der sinnfälligen Einzeldinge besteht, derart, daß im körperlichen Stoff eine von jenen abgeschiedenen Formen [empfangene] Einprägung nach Art einer Verähnlichung zurückbleibt, die er Teilhabe nannte. Und so setzten sie nach dei Ordnung der Formen eine Ordnung getrennter Wesenheiten; z. B. eine getrennte Wesenheit, die Pferd ist und als solche Ursache aller Pferde. Darüber gibt es [nach ihnen] ein ,Leben überhaupt', das sie das Leben an sich nannten und Ursache alles Lebens; und darüber ein Weiteres, das sie das Sein selbst nannten und Ursache alles Seins. QUAESTIO

65, 4

ralem materiam, sed potius Deo". Illi autem ad nutum dicitur servire corporalis materia, a quo speciem recipit. Non ergo formae corporales sunt ab angelis, sed a Deo. RESPONDEO dicendum quod opinio fuit quorundam quod omnes formae corporales derivantur a substantiis spiritualibus quas angelos dicimus. Et hoc quidem dupliciter aliqui posuerunt. Plato enim posuit formas quae sunt in materia corporali, derivari a formis sine materia subsistentibus, per modum participationis cujusdam. Ponebat enim hominem quemdam immaterialiter subsistentem, et similiter equum, et sie de aliis, ex quibus constituuntur haec singularia sensibilia, secundum quod in materia corporali remanet quaedam impressio ab illis formis separatis, per modum assimilationis cujusdam, quam partieipationem vocabat. Et secundum ordinem formarum ponebant Platonici ordinem substantiarum separatarum: puta quod una substantia separata est quae est equus, quae est causa omnium equorum; supra quam est quaedam vita separata, quam dicebant per se vitam et causam omnis vitae; et ulterius quamdam quam nominabant ipsum esse, et causam omnis esse. 1 Der Schluß von der Art auf die Form ist deshalb berechtigt, weil das Ding seine ,Art' von der Form hat. So sagt das scholastische Axiom: Forma dat speciem — Form verleiht Art.

17

65, 4

Avicenna dagegen und einige andere nahmen nicht an, daß die Formen der Körperdinge im Stoff durch sieb selbst Bestand haben, sondern nur im Verstände. Sie nahmen also an, daß von den Formen, die im Verstände der geschöpflichen Geistwesen Dasein haben, die sie Verstandeswesen, wir dagegen Engel heißen, alle Formen ausgehen, die im körperlichen Stoff Dasein haben, so wie von den Formen im Geiste des Künstlers die Formen der Kunstwerke ausgehen. — Darauf scheint hinauszukommen, was einige moderne Irrlehrer annehmen, nach denen Gott zwar Schöpfer aller Dinge ist, der Körperstoff aber vom Teufel geformt und in mehrere Arten unterschieden wurde. Alle diese Auffassungen scheinen aus einer einzigen Wurzel hervorgegangen zu sein: sie alle fragten nach einer Ursache der Formen, als wenn die Formen als solche in sich selbst ,würden'. Wie aber Aristoteles beweist, ist das, was im eigentlichen Sinne ,wird', [nicht die Form, sondern] das Zusammengesetzte. Den Formen der vergänglichen Dinge nun ist es eigen, daß sie zuzeiten sind und zuzeiten nicht sind, ohne daß sie selbst entstünden oder vergingen, sondern die [aus Stoff und Form] zusammengesetzten Dinge entstehen oder vergehen. Denn auch die Formen selbst haben nicht Sein, wohl aber haben die zusammengesetzten Dinge Sein durch sie. Denn jedem Dinge kommt das Entstehen in derselben Weise zu wie das Sein. Da zudem das ÄhnQUAESTIO

65, 4

Avicenna vero et quidam alii non posuerunt formas rerum corporalium in materia per se subsistere, sed solum in intellectu. A formis ergo in intellectu creaturarum spiritualium existentibus (quas quidam 1 intelligentias, nos autem angelos dieimus) dicebant procedere omnes formas quae sunt in materia corporali, sicut a formis quae sunt in mente artificis, procedunt formae artificiatorum. — Et in idem videtur redire quod quidam moderni haeretici ponunt, dicentes quidem Deum creatorem omnium, sed materiam corporalem a diabolo formatam et per varias species distinetam. Omnes autem hae opiniones ex una radice processisse videntur. Quaerebant enim causam formarum, ac si ipsae formae flerent secundum seipsas. Sed sicut probat Aristoteles in 7 I033b8sqq. Metaphys. [üb. 6, cap. 8. 9; S. Th., lect. 7 et 8], id quod 1034 b 7 proprie fit, est compositum: formae autem corruptibilium rerum habent ut aliquando sint, aliquando non sint, absque hoc quod ipsae generentur aut corrumpantur, sed compositis generatis aut corruptis: quia etiam formae non habent esse, sed composita habent esse per eas: sie enim alicui competit 1 P et L: quidem ipsi.

18

liehe aus einem ihm selbst Ähnlichen entsteht, so darf 65, 4 man die Ursache der körperlichen Wesensformen nicht in einer unstofflichen Form suchen, sondern in einem Zusammengesetzten. So wie dieses Feuer hier erzeugt wird von diesem bestimmten Feuer. So werden die Wesensformen der Körper nicht verursacht, als würden sie eingegossen von einer unstofflichen Form, sondern in der Weise, daß der Stoff von einem zusammengefügten Wirkenden aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit [der Wesensform] übergeführt wird. Weil aber das zusammengefügte Wirkende, der Körper, nach Augustinus von dem geschaffenen Geistwesen bewegt wird, folgt weiterhin, daß auch die Wesensformen der Körper sich von den Geistwesen herleiten, nicht so, daß diese die Wesensformen einströmen, sondern so, daß sie [den Stoff] zu den Formen hinbewegen. Schließlich werden auch die Erkenntnisbilder des Engelverstandes, die gewisse Keimgründe der Körperformen darstellen, auf Gott als auf die erste Ursache zurückgeführt. Bei der ersten Hervorbringung der Körperwelt aber kommt irgendwelcher Übergang von der Möglichkeit in die Wirklichkeit nicht in Betracht. Daher sind die Wesensformen, welche die Körper bei der Erschaffung der Körperweit hatten, unmittelbar von Gott hervorgebracht, dem allein der Stoff auf den Wink gehorcht als seiner eigentlichen Ursache. Um das zum Ausdruck zu brinQUAESTIO

65, 4

fieri, sicut et esse. Et ideo cum simile fiat a suo simili, non est quaerenda causa formarum corporalium aliqua forma immaterialis; sed aliquod compositum, secundum quod hic ignis generatur ab hoc igne. Sic igitur formae corporales causantur, non quasi influxae ab aliqua immateriali forma, sed quasi materia redueta de potentia in actum ab aliquo agente composito. Sed quia agens compositum, quod est corpus, movetur a substantia spirituali creata, ut Augustinus dicit [De Trin., lib. 3, MPL"42 cap. 4 et 5]; sequitur ulterius quod etiam formae corporales 873, 8 7 4 a substantiis spiritualibus deriventur, non tanquam influentibus formas, sed tanquam moventibus ad formas. Ulterius autem redueuntur in Deum, sicut in primam causam, etiam species angelici intellectus, quae sunt quaedam seminales rationes corporalium formarum. In prima autem corporalis creaturae produetione non consideratur aliqua transmutatio de potentia in actum. Et ideo formae corporales quas in prima produetione corpora habuerunt, sunt immediate a Deo produetae, cui soli ad nutum obedit materia, tanquam propriae causae. Unde ad hoc significandum, Moyses singulis operibus praemittit, „Dixit Deus, 2*

19

65, i gen, schickt Moses dem einzelnen Werke Gottes voraus: Und Gott sprach: es werde dieses oder jenes. Darin liegt ausgesprochen, daß die Gestaltung der Dinge durch das WORT Gottes erfolgte, von dem nach Augustinus jede Form, jedes Gefüge, jeder Zusammenklang der Teile stammt. Z u 1. Boethius versteht unter den Stoff losen Formen die Ideen der Dinge, wie sie im Geiste Gottes leben. So schreibt auch der Apostel (Hebr 11, 3): „Im Glauben halten wir fest, daß die Welt durch Gottes WORT zusammengefügt ist, so daß aus Unsichtbarem das Sichtbare entstand." Wenn er aber unter den stofflosen Formen die Engel verstand, so gilt, daß die Formen, die im Stoff sind, von ihnen stammen, aber nicht durch Einströmen, sondern durch Bewegung. Z u 2. Die durch Teilhabe im Stoff wesenden Formen werden nicht auf gewisse in sich stehende Formen derselben Art zurückgeführt, wie die Platoniker annahmen, sondern auf die geistigen Formen, entweder des Engelverstandes, von denen sie durch Bewegung ausgehen; oder auf die Gründe im göttlichen Verstände, von denen aus die Keime der Formen in die geschaffenen Dinge eingesenkt wurden, daß sie dann durch Bewegung in die Wirklichkeit herausgeführt werden können. Z u 3. Die Himmelskörper verursachen die Formen in diesem niederen Bereich der Körperwelt nicht durch Einströmung, sondern durch Bewegung. QUAESTIO

65, 4

Fiat hoc vel illud"; in quo significatur formatio rerum per mpl Verbum Dei facta, a quo secundum Augustinum [tract. 1 in 35 1386 ' Joan.], est „ . . . omnis forma et compago et concordia partium . . .". AD PRIMUM ergo dicendum quod Boetius intelligit per formas quae sunt sine materia, rationes rerum quae sunt in mente divina: sicut etiam Apostolus dicit Hebr. 11: „Fide credimus aptata esse saecula Verbo Dei, ut ex invisibilibus visibilia fierent." — Si autem per formas quae sunt sine materia, intelligit angelos, dicendum est quod ab eis veniunt formae quae sunt in materia, non per influxum, sed per motum. AD SECUNDUM dicendum quod formae participatae in materia reducuntur, non ad formas aliquas per se subsistentes rationis ejusdem, ut Platonici posuerunt; sed ad formas intelligibiles vel intellectus angelici, a quibus per motum procedunt; vel ulterius ad rationes intellectus divini, a quibus etiam formarum semina sunt rebus creatis indita, ut per motum in actum educi possint. AD TERTIUM dicendum quod corpora caelestia causant formas in istis inferioribus, non influendo, sed movendo.

20

66. F R A G E DAS V E R H Ä L T N I S DER E R S C H A F F U N G ZUM W E R K E DER SCHEIDUNG Hierauf betrachten wir das W e r k der Scheidung. Und zwar ist zunächst zu betrachten das Verhältnis der E r schaffung zum W e r k e der Scheidung. Danach das W e r k der Scheidung selbst. Zum Ersten ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Ging die Ungeformtheit des erschaffenen Stoffes zeitlich seiner Formung voraus? 2. Ist der Stoff für alle Körperdinge derselbe? 3. Ist der empyreische Himmel zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen? 4. Ist die Zeit zusammen mit ihm erschaffen? 1. A R T I K E L Ging die Ungeformtheit des Stoffes zeitlich seiner Formung voraus? 1. Genesis 1, 2 heißt e s : „Die E r d e war wüst und leer." Oder nach einer anderen L e s a r t : „Unsichtbar und ungefüge", womit nach Augustinus die Ungeformtheit des Stoffes bezeichnet wird. Also war der Stoff eine Zeitlang ungeformt, bevor er geformt wurde.

QUAESTIO

LXVI

DE ORDINE CREATIONIS AD DISTINCTIONEM Deinde considerandum est de opere distinctionis. Et primo considerandum est de ordine creationis ad distinctionem ; secundo de ipsa distinctione secundum se. Circa primum quaeruntur quatuor: 1. Utrum informitas materiae creatae praecesserit tempore formationem ipsius. — 2. Utrum sit una materia omnium corporalium. — 3. Utrum caelum empyreum sit concreatum materiae informi. — 4. Utrum tempus sit eidem concreatum. ARTICULUS I Utrum informitas materiae praecesserit formationem [Infra, q. 69, art. 1;

tempore ipsius

q. 74, art. 2; 2 Sent., dist. 12, art. 4; art. 1 et 2]

de Pot., q. 4,

AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod informitas materiae tempore praecesserit formationem ipsius. Dicitur enim Gen. 1: „Terra erat inanis et vacua", sive „invisibilis et incomposita", secundum aliam litteram [Septuag. interpr.] ; per quod designatur informitas materiae, ut Augustinus dicit [Confess., lib. 12, cap. 12, et De Gen. ad litt., lib. 2, cap. 11]. Ergo materia fuit aliquando informis, antequam formaretur.

21

66, l

2. Die Natur ahmt in ihrem Wirken das göttliche Wirken nach, wie die Zweitursache die Erstursache nachahmt. Nun geht im Wirken der Natur die Ungeformtheit der Formung zeitlich voraus. Also auch im Wirken Gottes. 3. Der Stoff ist wichtiger als das Eigenschaftsein, weil der Stoff ein Teil des Wesens ist. Gott aber kann bewirken, daß die Eigenschaft ohne Träger ist, wie aus dem Sakrament des Altares erhellt. Also konnte Er auch machen, daß der Stoff ohne Form ist. ANDERSEITS: Erstens: Die Unvollkommenheit der Wirkung bekundet die Unvollkommenheit des Wirkenden. Gott aber ist die vollkommenste Wirkursache. Deshalb heißt es Dt 32, 4 von Ihm: „Gottes Werke sind vollkommen." Also war niemals eines Seiner Werke ungeformt. Zweitens: Außerdem erfolgte die Formung der Körperweit durch das Werk der Scheidung. Der Scheidung aber steht die Wirrnis entgegen wie der Formung die Ungeformtheit. Wenn also die Ungeformtheit der Formung des Stoffes zeitlich vorausging, so folgt, daß im Anfang innerhalb der Körperwelt eine Wirrnis herrschte, welche die Alten „Chaos" nannten. ANTWORT: In dieser Frage sind die Auffassungen der Heiligen verschieden. Augustinus will, daß die Ungeformtheit des körperlichen Stoffes seiner Formung nicht zeitlich, sondern dem Ursprung oder der Naturordnung QUAESTIO

66, 1

2. PRAETEREA, natura in sua operatione Dei operationem imitatur; sicut causa secunda imitatur causam primam. Sed in operatione naturae informitas tempore praecedit formationem. Ergo et in operatione Dei. 3. PRAETEREA, materia potior est accidente: quia materia est pars substantiae. Sed Deus potest facere quod accidens sit sine subjecto; ut patet in sacramento altaris. Ergo potuit facere quod materia esset sine forma. SED CONTRA, imperfectio eflectus attestatur imperfectioni agentis. Sed Deus est agens perfectissimum: unde de eo dicitur, Deuter. 32: „Dei perfecta sunt opera." Ergo opus ab eo creatum nunquam fuit informe. 2. PRAETEREA, creaturae corporalis formatio facta fuit per opus distinctionis. Distinctioni autem opponitur confusio, sicut et formationi informitas. Si ergo informitas praecessit tempore formationem materiae, sequitur a principio fuisse confusionem corporalis creaturae, quam antiqui vocaverunt chaos. RESPONDEO dicendum quod circa hoc sunt diversae opinioMPL34/257 nes Sanctorum, Augustinus enim vult [De Gen., lib. 1, cap. 15] CSEL28/21 quod informitas materiae corporalis non praecesserit tempore formationem ipsius, sed solum origine vel ordine naturae. Alii

22

nach vorausging. Andere, wie Basilius, Ambrosius und 66, 1 Chrysostomus, wollen, daß die Ungeformtheit des Stoffes zeitlich der Formung vorausging. Wiewohl nun diese Auffassungen einander zu widersprechen scheinen, sind sie in Wahrheit doch nur wenig von einander verschieden. Denn Augustinus faßt die Ungeformtheit des Stoffes anders als die anderen. Augustinus nämlich versteht unter Ungeformtheit des Stoffes den Mangel jeglicher Form und so kann man unmöglich sagen, daß die Ungeformtheit des Stoffes zeitlich seiner Formung oder seiner Scheidung vorausging. Bezüglich der Form ist das klar. Wenn nämlich der ungeformte Stoff der Dauer nach vorausging, so war er schon wirklich, denn das verlangt [der Begriff der] Erschaffung. Das Ergebnis der Schöpfung nämlich ist das Wiirklich-seiende. Die Wirklichkeit des Seienden aber ist die Form. Also behaupten: der Stoff sei ohne Form vorausgegangen, heißt ein Wirklich-seiendes ohne Wirklichkeit annehmen. Das aber ist ein Widerspruch. — Man kann auch nicht sagen, der Stoff habe zunächst eine allgemeine Form gehabt und erst nachher seien die verschiedenen Formen, durch die er geschieden wurde, zu der anderen hinzugekommen. Das würde zusammenfallen mit der Auffassung der alten Naturphilosophen, die der Ansicht waren, der Urstoff sei irgendein wirklicher Körper, sei es Feuer oder Luft oder Wasser oder ein Mittelding zwischen diesen. Daraus würde folgen, QUAESTIO

66, L

vero, ut Basilius [hom. 2 sup. H e x a e m . ] , Ambrosius [Hexaem., lib. 1, cap. 8 ] et Chrysostomus [hom. 2 in G e n . ] , volunt quod informitas materiae tempore praecesserit formationem. Et quamvis hae opiniones videantur esse contrariae, tarnen p a r u m ab invicem d i f f e r u n t : aliter enim accipit informitatem materiae Augustinus quam alii. Augustinus e n i m accipit informitatem materiae pro carentia omnis formae. Et sie impossibile est dicere quod informitas materiae tempore praecesserit v e l formationem ipsius, v e l distinetionem. Et de formatione quidem manifestum est. Si enim materia informis praecessit duratione, haec erat j a m in actu: hoc enim c r e a t i o 1 importât, creationis enim terminus est ens actu. Ipsum autem quod est actus, est forma. Dicere igitur materiam p r a e c e d e r e sine forma, est dicere ens actu sine actu: quod implicat contradictionem. — Nec etiam potest dici quod habuit aliquam f o r m a m communem, et postmodum s u p e r v e n e r u n t ei f o r m a e diversae, quibus sit distineta. Quia hoc esset idem cum opinione antiquorum naturalium, qui posuerunt materiam p r i m a m esse aliquod corpus in actu, puta i g n e m , a e r e m , aut aquam, aut aliquod medium. E x quo l P et L: duratio.

23

MPG 29/31 iiJ^tt^io/Oß MPG 53Ä1 MPL34/257

i daß Entstehen nichts anderes sei als Verändertwerden. Denn da jene vorausgehende Form Wirklichkeit in der Gattung des selbständig Seienden verleihen und [den Stoff] zu diesem bestimmten Etwas machen würde, so folgte, daß die hinzukommenden Formen nicht das Wirklichsein schlechthin, sondern nur das Wirklich-dieses-sein verleihen würden, was der Eigenschaftsform eigen ist. So wären also die hinzukommenden Formen Eigenschaftsformen, gemäß denen nicht die Erzeugung, sondern die Veränderung in Betracht kommt. Demnach muß man sagen, daß der Urstoff weder ganz ohne Form noch mit einer gemeinsamen Form, sondern daß er mit unter sich verschiedenen Formen geschaffen wurde. Wenn also die Ungeformtheit des Stoffes auf die Seinsbedingungen des ersten Stoffes bezogen wird, der an sich ohne jede Form ist, so ging die Ungeformtheit des Stoffes nicht zeitlich, sondern nur dem Ursprung oder der Natur nach der Formung oder Scheidung voraus (Augustinus); in derselben Weise, wie die Möglichkeit früher ist als die Wirklichkeit und der Teil früher als das Ganze. Die anderen Heiligen aber fassen Ungeformtheit nicht so auf, daß sie jede Form ausschließt, sondern so, daß sie jene Anmut und jenen Reiz ausschließt, der jetzt über der Körperweit liegt. Demzufolge sagen sie, die Ungeformtheit des körperlichen Stoffes sei zeitlich seiner Formung vorausgegangen. So stimmt also Augustinus QUAESTIO

66, 1

sequebatur quod fieri non esset nisi alterari. Quia cum illa forma praecedens daret esse actu in genere substantiae, et faceret esse hoc aliquid; sequebatur quod superveniens forma non faceret simpliciter ens actu, sed ens actu hoc, quod est proprium formae accidentalis; et sie sequentes formae essent accidentia, secundum quae non attenditur generatio, sed alteratio. Unde oportet dicere quod materia prima neque fuit creata omnino sine forma, neque sub forma una communi, sed sub formis distinetis. Et ita, si informitas materiae referatur ad conditionem primae materiae, quae secundum se non habet aliquam formam, informitas materiae non praecessit tempore formationem seu distinetionem ipsius, ut Augustinus dicit (ubi supra), sed origine seu natura tantum, eo modo quo potentia est prior actu, et pars toto. A l i i vero Sancti aeeipiunt informitatem, non secundum quod excludit omnem formam, sed secundum quod excludit istam formositatem et decorem, qui nunc apparet in corporea creatura. Et secundum hoc dicunt quod informitas materiae corporalis duratione praecessit formationem ejusdem. Et sie se-

24

teilweise mit ihnen überein und teilweise nicht, wie sich 66, i weiter unten zeigen wird (69, 1). Soweit es sich dem Wortlaut des Schöpfungsberichtes entnehmen läßt, gebrach es noch in dreifacher Hinsicht an Formschönheit, weswegen die Körperweit ungeformt heißt. Zunächst fehlte dem ganzen lichtdurchlässigen Körper, den wir Himmel nennen, die Schönheit des Lichtes. Deshalb heißt es: „Finsternis lag über dem Abgrund." Dem Lande fehlte noch eine doppelte Schönheit: die eine, die ihm dadurch zukommt, daß es von den Wassern frei wird; in bezug darauf heißt es: „Die Erde war leer und unsichtbar." Sie war dem leiblichen Auge noch nicht erschlossen wegen der Fluten, die sie überall bedeckten. Eine andere, die ihr zukommt aus dem Schmuck der Kräuter und Pflanzen. In bezug darauf heißt es: „Sie war leer und ungefüge." Das heißt nach einer anderen Lesart: nicht geschmückt. Da die Schrift im Vorhergehenden also von zwei geschaffenen Naturen spricht, vom Himmel und von der Erde, drückt sie die Ungeformtheit des Himmels aus mit den Worten: „Finsternis lag über dem Abgrund", soweit unter dem Himmel die Luft mitverstanden ist; und die Ungeformtheit der Erde mit den Worten: „Die Erde aber war wüst und leer." Z u 1. Der Ausdruck „Erde" wird von Augustinus an jener Stelle anders verstanden als von den anderen HeiQUAESTIO

66, 1

c u n d u m hoc, quantum ad aliquid cum eis A u g u s t i n u s concordat, et quantum ad aliquid discordat, ut i n f r a patebit. E t quantum e x littera G e n e s i s accipi potest, triplex formositas deerat, propter quod dicebatur creatura corporalis informis. D e e r a t enim a toto corpore diaphano, quod dicitur caelum, pulchritudo l u c i s : u n d e dicitur quod „ t e n e b r a e erant s u p e r f a c i e m a b y s s i " . D e e r a t autem t e r r a e d u p l e x pulchritudo. U n a , q u a m habet e x hoc quod est aquis discooperta: et q u a n t u m ad hoc dicitur quod „ t e r r a erat i n a n i s " , s i v e „ i n v i s i b i l i s " , quia corporali aspectui p a t e r e non poterat, propter aquas u n d i q u e eam cooperientes. A l i a v e r o , q u a m habet e x hoc quod est ornata herbis et plantis: et ideo dicitur quod erat ,vacua', seu ,incomposita', id est non ornata, s e c u n d u m aliam litteram. E t sie, cum praemisisset duas naturas creatas, scilicet c a e l u m et terram, inf o r m i t a t e m caeli e x p r e s s i t p e r hoc quod dixit, „ t e n e b r a e erant s u p e r f a c i e m a b y s s i " , s e c u n d u m quod sub caelo etiam a e r includitur: informitatem v e r o terrae, p e r hoc quod dixit, „ t e r r a erat inanis et v a c u a " . A D P R I M U M ergo dicendum quod t e r r a aliter aeeipitur in MPL 34/178 loco isto ab A u g u s t i n o , et ab aliis Sanctis. A u g u s t i n u s enim CSEL 28/10

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i ligen. Augustinus will unter „Erde" und „Wasser" den Urstoff selbst verstanden wissen. Moses konnte nämlich dem ungebildeten Volke von dem Urstoff nur unter dem Gleichnis solcher Dinge sprechen, die ihm bekannt waren. Daher gebraucht er auch die verschiedensten Gleichnisse für sie und nennt sie nicht ausschließlich „Wasser" oder ausschließlich „Erde", damit es nicht den Anschein habe, als ob der Urstoff in Wirklichkeit entweder Erde oder Wasser sei. Er hat aber eine gewisse Ähnlichkeit mit der Erde, sofern er den Formen als Träger dient, und mit Wasser, sofern ihm die Fähigkeit eignet, die verschiedensten Formen anzunehmen. Daher heißt es: „Die Erde war wüst und leer" oder „unsichtbar und ungefüge", weil der Stoff durch die Form erkannt wird. In sich betrachtet also wird sie unsichtbar und leer genannt, und diese ihre Möglichkeit wird durch die Form ausgefüllt, weshalb Plato behauptet, der Stoff, das sei der leere Raum. Die anderen Heiligen aber verstehen unter „Erde" den Grundstoff selbst, den wir Erde heißen. In welchem Sinne er ihnen zufolge ungeformt war, wurde bereits gesagt (vgl. die „Antwort"). Z u 2. Die Natur bringt eine Wirkung in Seinsvollzug hervor aus einem Seienden in Seinsanlage. Daher muß bei ihrem Wirken die Möglichkeit der Wirklichkeit zeitlich vorausliegen und die Ungeformtheit der Formung. Gott aber bringt das Wirklich-seiende aus dem Nichts Q U A E S T I O 66. 1 vult quod nomine terrae et aquae significetur in hoc loco ipsa materia prima. Non enim poterat Moyses rudi populo primam materiam exprimere, nisi sub similitudine rerum eis notarum. Unde et sub multiplici similitudine earn exprimit, non vocans earn tantum aquam vel tantum terram, ne videatur secundum rei veritatem materia prima esse vel terra vel aqua. Habet tamen similitudinem cum terra, inquantum subsidet formis; et cum aqua, inquantum est apta formari diversis formis. Secundum hoc ergo dicitur „terra inanis et vacua", sive „invisibilis et incomposita", quia materia per formam cognoscitur (unde in se considerata dicitur ,invisibilis' vel ,inanis'), et ejus potentia per formam repletur (unde et Plato materiam dicit esse locum) ; alii vero Sancti per terram intelligunt ipsum elementum terrae, quae qualiter, secundum eos, erat informis, dictum est. AD SECUNDUM dicendum quod natura producit eflectum in actu de ente in potentia: et ideo oportet ut in ejus operatione potentia tempore praecedat actum, et informitas formationem. Sed Deus producit ens actu ex nihilo: et ideo statim potest

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hervor. Und so kann E r sofort vollkommene Dinge 66, 1 hervorbringen, nach der Größe Seiner Kraft. Z u 3. Da es sich bei der Eigenschaft um eine Form handelt, ist sie eine Art Wirklichkeit. Der Stoff aber ist an sich selbst nur Seiendes der Möglichkeit nach. Daher widerspricht es dem Stoff mehr, ohne Form, als der Eigenschaft, ohne Träger zu sein. Zu dem e r s t e n (unter „Anderseits" angeführten) Gegengrund ist zu sagen, daß, wenn nach der Meinung der anderen Heiligen die Ungeformtheit zeitlich der Formung des Stoffes vorausging, dies nicht aus einer Ohnmacht Gottes hervorging, sondern aus Seiner Weisheit, damit bei der Gründung der Welt die Ordnung gewahrt würde, indem sie vom Unvollkommenen zum Vollkommenen geführt wurde. Zu dem z w e i t e n Gegengrund: Einige von den alten Naturphilosophen nahmen eine Vermengung an, die jede Scheidung ausschloß; mit der einzigen Ausnahme des Anaxagoras, der wenigstens den Verstand als geschieden und unvermischt annahm. Die Hl. Schrift aber hat bereits vor dem eigentlichen Werk der Scheidung eine vielfache Unterscheidung. Zunächst den Unterschied von Himmel und Erde, worin auch eine Unterscheidung dem Stoff nach mitgegeben ist (69, 1). So, wenn es heißt: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde." — Zweitens liegt eine Unterscheidung der Grundstoffe vor QÜAESTIO

66, 1

producere rem perfectam, secundum magnitudinem suae virtutis. AD TERTIUM dicendum quod accidens, cum sit forma, est actus quidam: materia autem secundum id quod est, est ens in potentia. Unde magis repugnat materiae esse in actu sine forma, quam accidenti sine subjecto. AD PRIMUM vero tjuod objicitur in contrarium, dicendum est quod si, secundum alios Sanctos, informitas tempore praecessit formationem materiae, non fuit hoc ex impotentia Dei; sed e x ejus sapientia, ut ordo servaretur in rerum conditione, d-um e x imperfecto ad perfectum adducerentur. AD SECUNDUM dicendum quod quidam antiquorum naturalium posuerunt confusionem excludentem omnem distinctionem; praeter hoc quod Anaxagoras posuit solum intellectum distinctum et immixtum. Sed ante opus distinctionis Scriptura sacra ponit multiplicem distinctionem. Primo quidem, caeli et terrae (in quo ostenditur distinctio etiam secundum materiam, ut infra patebit): et hoc cum dioit: „In principio Deus creavit caelum et terram." — Secundo, distinctionem elementorum quantum

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66, l in bezug auf ihre Wesensformen: so nennt sie Erde und Wasser. Luft und Feuer nennt sie nicht, weil es dem ungebildeten Volke, zu dem Moses sprach, nicht so offenkundig ist, daß auch Luft und Feuer zu den Körpern zu rechnen sind, wie das bei Wasser und Erde offenkundig ist. Plato allerdings meinte, mit dem Ausdruck „der Hauch des Herrn" sei die Luft bezeichnet, denn auch die Luft wird „Hauch" genannt. Im Feuer fand er den Himmel bezeichnet, der nach ihm Feuernatur hat, wie Augustinus berichtet. Rabbi Moses aber, der zwar in anderen Fragen mit Plato geht, meint, das Feuer sei bezeichnet mit ,Finsternis', weil, wie er sagt, das Feuer in der eigenen Sphäre nicht leuchtet. Doch scheint es angemessener, was oben gesagt wurde; denn der Ausdruck „Hauch des Herrn" wird nach der Gewohnheit der Hl. Schrift nur für den Hl. Geist gebraucht, der als über den Wassern schwebend eingeführt wird, freilich nicht in grobsinnlicher Auffassung, sondern so, wie der Wille des Künstlers über dem Stoff waltet, den er bilden will. — Eine dritte Unterscheidung wird angedeutet durch die Lage: die Erde war unter den Wassern, die sie unsichtbar machten; die Luft aber, die der Träger der Finsternis ist, wird als über den Wassern liegend bezeichnet. Es heißt nämlich: „Finsternis lag über dem Abgrund." Was aber noch der Scheidung harrte, wird sich im folgenden zeigen (Frage 71). QUAESTIO

66,

l

ad formas suas, per hoc quod nominat terram et aquam. Aerem autem et ignem non nominat, quia non est ita manifestum rudibus, quibus Moyses loquebatur, hujusmodi esse corpora, sicut manifestum est de terra et aqua. Quamvis Plato aerem intellexerit significari per hoc quod dicitur ,spiritus Domini' (quia etiam aer ,spiritus' dicitur): ignem vero intellexerit significari per caelum (quod igneae naturae esse dixit), ut Augustinus mpl 41/236 refert [De Civ. Dei, lib. 8, cap. 1 1 ] . Sed Rabbi Moyses, in aliis CSEL40/373 cum Piatone concordans, dicit [lib. 2 Perplexorum, cap. 30] ignem significari per ,tenebras': quia, ut dicit, in propria sphaera ignis non lucet. Sed magis videtur esse conveniens quod prius dictum est: quod ,spiritus Domini' in Scriptura non nisi pro Spiritu sancto consuevit poni. Qui ,aquis superferri' dicitur, non corporaliter, sed sicut voluntas artificis superfertur materiae quam vult formare. — Tertia distinctio significatur secundum situm. Quia terra erat sub aquis, quibus invisibilis reddebatur: aer vero, qui est subjectum tenebrarum, significatur fuisse super aquas, per hoc quod dicitur, „tenebrae erant super faciem abyssi". Quid autem distinguendum remaneret, ex sequentibus apparebit.

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Ist der

ungeformte

2. A R T I K E L Stoff für alle Körperdinge derselbe?

66, 2 ein

und

1. Augustinus schreibt: „Ich finde zwei Dinge, die Du gemacht hast: eines, das geformt, und ein anderes, das ungeformt w a r . " Und dieses, sagt er, sei die unsichtbare und ungefüge Erde, durch die der Stoff der Körperdinge bezeichnet werde. Also ist der Stoff für alle Körperdinge ein und derselbe. 2. Aristoteles s a g t : „Dinge, die in der Gattung eins sind, sind eins im Stoff." Alle Körperdinge aber kommen in der Gattung „ K ö r p e r " überein. Also ist der Stoff für alle Körperdinge ein und derselbe. 3. Eine verschiedene Wirklichkeit wird in einer verschiedenen, dieselbe Wirklichkeit in derselben Seinslage. Alle Körper aber haben dieselbe Wesensform, nämlich die Körperlichkeit. Also ist der Stoff für alle Körperdinge ein und derselbe. 4. Der Stoff, in sich betrachtet, ist nur in der Möglichkeit, die Unterscheidung aber erfolgt durch die Formen. Also ist der Stoff, in sich betrachtet, für alle Körperdinge ein und derselbe. QUAESTIO

Utrum

66, 2

A R T I C U L U S II una sit m a t e r i a i n f o r m i s corporalium

[2 S e n t , dist. 12, art

omnium

1; 2 Cont. Gent., cap. 16; de Angelts, cap. 7 et 8; 1 de Caelo et Mundo, lect. 6]

AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod una sit materia informis omnium corporalium. Dicit enim Augustinus [Confess., MPL 32/831 lib. 12, cap. 12] : „Duo reperio quae fecisti, unum quod erat CSEL33/319 formatum, alterum quod erat informe"; et hoc dicit esse „terram invisibilem et incompositam", per quam dicit significari materiam rerum corporalium. Ergo una est materia omnium corporalium. 2. PRAETEREA, Philosophus dicit in 5 Metaphys. [lib. 4, 1016a 25 cap. 6], quod ilia quae sunt unum in genere, sunt unum in materia. Sed omnia corporalia conveniunt in genere corporis. Ergo omnium corporalium est una materia. 3. PRAETEREA, diversus actus fit in diversa potentia, et unus in una. Sed omnium corporum est una forma, scilicet corporeitas. Ergo omnium corporalium est materia una. 4. PRAETEREA, materia in se considerata, est solum in potentia. Sed distinctio est per formas. Ergo materia in se considerata, est una tantum omnium corporalium.

29

66, 2

A N D E R S E I T S : W a s immer im Stoff übereinkommt, ist eines ins andere verwandelbar und beeinflußt sich gegenseitig im Wdrken und Empfangen (Aristoteles). Die Himmelskörper aber und die irdischen Körper verhalten sich nicht so zueinander. Also ist ihr Stoff nicht einer. A N T W O R T : In dieser Frage waren die Auffassungen der Philosophen verschieden. Plato und alle Philosophen vor Aristoteles nahmen an, alle Körperdinge hätten die Natur der vier Grundstoffe. Und da die vier Grundstoffe in einem Stoff übereinkommen, wie ihr wechselseitiges Werden und Vergehen zeigt, so folgte, daß der Stoff für alle Körperdinge einer war. Daß es aber unter den Körperdingen auch unzerstörbare gab, führte Plato nicht auf die Seinsbedingungen des Stoffes, sondern auf den Willen des Künstlers, nämlich Gottes, zurück, den er zu den Himmelskörpern sprechen läßt: „Eurer Natur nach seid ihr der Zerstörung anheimgegeben, meinem Willen nach aber unauflöslich. Denn mein Wille ist stärker als euer Zusammenhalt." Diese Annahme widerlegt Aristoteles mit dem Hinweis auf die natürlichen Bewegungen der Körper. Da nämlich der Himmelskörper eine von der natürlichen Bewegung der Grundstoffe verschiedene Bewegung hat, folgt, daß seine Natur von der Natur der vier Grundstoffe verschieden ist. Und wie die Kreisbewegung, die dem QUAESTIO

66, 2

SED CONTRA, quaecumque conveniunt in materia, sunt transmutabilia ad invicem, et agunt et patiuntur ab invicem, cf.323 b 29 ut dicitur 1 de Gen. [cap. 6 et 7]. Sed corpora caelestia et 234 a 34 i n f e riora non sie se habent ad invicem. Ergo eorum materia non est una. RESPONDEO dicendum quod circa hoc fuerunt diversae opiniones philosophorum. Plato enim, et omnes philosophi ante Aristotelem, posuerunt omnia corpora esse de natura quatuor elementorum. Unde cum quatuor elementa communicent in una materia, ut mutua generatio et corruptio in eis ostendit; per consequens sequebatur quod omnium corporum sit materia una. Quod autem quaedam corpora sint incorruptibilia, Plato adscribebat non conditioni materiae, sed voluntati artificis, scilicet Dei, quem introducit corporibus caelestibus dicentem: „Natura vestra estis dissolubilia, voluntate autem mea indissolubilia, quia voluntas mea major est nexu vestro." 268a 28sq. Hanc autem positionem Aristoteles [De Caelo, lib. 1, cap. 2 et 3] reprobat, per motus naturales corporum. Cum enim corpus caeleste habeat naturalem motum diversum a naturali motu elementorum, sequitur quod ejus natura sit alia a natura quatuor elementorum. Et sicut motus circularis, qui est proprius

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Himmelskörper eigen ist, von jeder Gegensätzlichkeit 66, 2 frei ist, die Bewegungen der Grundstoffe aber einander entgegengesetzt sind, z. B. die Aufwärtsbewegung der Abwärtsbewegung, so ist auch der Himmelskörper selbst ohne Gegensätzlichkeit. Die Grundstoffe aber tragen den Gegensatz in sich. Weil nun Vergehen und Werden aus Gegensätzen sich herleitet, folgt, daß der Himmelskörper seiner Natur nach unvergänglich, die Grundstoffe aber vergänglich sind. Doch trotz dieses Unterschiedes in der natürlichen Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit nahm Avicebron im Hinblick auf die Einheit der körperlichen Form e i n e n Stoff für alle Körper an. Wenn freilich die Form der Körperlichkeit an sich e i n e Form wäre, zu der die anderen Formen, durch die die Körper unterschieden werden, hinzukommen, so bestünde Notwendigkeit für eine solche Annahme. Denn diese Form würde dem Stoff unwandelbar einwohnen und in bezug auf diese Form wäre jeder Körper unvergänglich. Die Zerstörung würde nur erfolgen durch die Beseitigung der hinzukommenden Formen. Das wäre aber keine Zerstörung schlechthin, sondern mit Einschränkung; denn der Beraubung bliebe ein Wirklich-seiendes unterstellt. Dasselbe begegnete den alten Naturphilosophen, die als Träger der Körper [-formen?] ein Wirklich-seiendes annahmen, nämlich Feuer, Luft o. dgl. QUAESTIO

66, 2

corporis caelestis, caret contrarietate, motus autem elementorum sunt invicem contraria, ut qui est sursum ei qui est deorsum; ita corpus caeleste est absque contrarietate, corpora vero elementaria sunt cum contrarietate. Et quia corruptio et generatio sunt e x contrariis, sequitur quod secundum suam naturam corpus caeleste sit incorruptibile, elementa vero sint corruptibilia. Sed non obstante hac differentia corruptibilitatis et incorruptibilitatis naturalis, Avicebron posuit unam materiam omnium corporum, attendens ad unitatem formae corporalis. — Sed si forma corporeitatis esset una forma per se, cui supervenirent aliae formae, quibus corpora distinguuntur, haberet necessitatem quod dicitur. Quia ilia forma immutabiliter materiae inhaereret, et quantum ad illam esset omne corpus incorruptibile: sed corruptio accideret per remotionem sequentium formarum: quae non esset corruptio simpliciter, sed secundum quid, quia privation! substerneretur aliquod ens actu. Sicut etiam accidebat antiquis Naturalibus, qui ponebant subjectum corporum aliquod ens actu, puta ignem aut aerem aut aliquid hujusmodi.

31

2

Nehmen wir aber an, daß keine Form, die sich im vergänglichen Körper findet, als dem Werden und Vergehen zugrunde liegende Form zurückbleibt, so folgt notwendig, daß der Stoff der vergänglichen und unvergänglichen Körper nicht derselbe ist. Der Stoff nämlich ist zufolge dem, was er ist, in der Möglichkeit zur Form. Also muß der Stoff, an sich betrachtet, in der Möglichkeit stehen zur Form aller jener Dinge, für die er die gemeinsame Grundlage abgibt. Durch die eine Form aber wird er Wirklichkeit nur in bezug auf diese Form. Er bleibt also in der Möglichkeit zu allen anderen Formen. — Das bleibt auch bestehen, wenn eine jener Formen vollkommener ist und ihrer Kraft nach die anderen in sich enthält. Denn die Seinsanlage, soweit es auf sie selbst ankommt, ist unbestimmt in bezug auf das Vollkommene oder Unvollkommene. Steht sie also unter einer unvollkommenen Form, so bleibt sie in der Möglichkeit zur vollkommenen Form und umgekehrt. Sofern also der Stoff unter der Form eines unvergänglichen Körpers steht, bleibt er in der Möglichkeit zur Form eines vergänglichen Körpers. Und da er diese Formen nicht in Wirklichkeit hat, steht er zugleich unter einer Form und einem Mangel; denn das Fehlen der Form in einem Ding, das in der Möglichkeit zu dieser Form steht, ist ein Mangel. Und das ist die Seinsverfassung eines vergänglichen Körpers. Es ist also unmöglich, daß QUAESTIO 66, 2 Supposito autem quod nulla forma quae sit in corpore corruptibili, remaneat ut substrata generationi et corruptioni, sequitur de necessitate quod non sit eadem materia corporum corruptibilium et incorruptibilium. Materia enim, secundum id quod est, est in potentia ad formam. Oportet ergo quod materia, secundum se considerata, sit in potentia ad formam omnium illorum quorum est materia communis. Per unam autem formam non fit in actu nisi quantum ad illam formam. Remanet ergo in potentia quantum ad omnes alias formas. — Nec hoc excluditur, si una illarum formarum sit perfectior et continens in se virtutes alias. Quia potentia, quantum est de se, indifferenter se habet ad perfectum et imperfectum: unde sicut quando est sub forma imperfecta, est in potentia ad formam perfectam, ita e converso. Sic ergo materia, secundum quod est sub forma incorruptibilis corporis, erit adhuc in potentia ad formam corruptibilis corporis. Et cum non habeat eam in actu, erit simul sub forma et privatione: quia carentia formae in eo quod est in potentia ad formam, est privatio. Haec autem dispositio est corruptibilis. 1 Impossibile ergo est 1 P et L addunt: corporis.

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der Stoff eines von Natur aus vergänglichen Körpers 66, 2 -derselbe ist wie der eines von Natur aus unvergänglichen Körpers. Auch kann man nicht sagen, wie Averroes den Fall setzt, daß der Himmelskörper selbst der Stoff des Himmels sei, ein Seiendes also, das in der Möglichkeit zum Ort, aber nicht in der Möglichkeit zum Sein stehe, und daß seine Form eine getrennt in sich stehende Wesenheit sei, die ihm als Beweger geeint sei. Denn man kann unmöglich ein Wirklichseiendes setzen, ohne daß es entweder selbst ganz Wirklichkeit und Form i s t, oder doch Wirklichkeit oder Form hat. Denken wir uns also verstandesmäßig die in sich stehende getrennte Wesenheit fort, die als Beweger angenommen wird, so folgt, wenn der Himmelskörper keine Form h a t (was gleichbedeutend ist mit der Zusammensetzung aus Form und dem Träger der Form), daß er selbst ganz Form und Wirklichkeit i s t . Jedes derartige Wesen aber ist ein der Wirklichkeit nach geistig Erkanntes, was vom Himmelskörper nicht gesagt werden kann, da er ein sinnfälliges Ding ist. Es bleibt also nur die Annahme übrig, daß der Stoff der Himmelskörper, an sich betrachtet, nur für die Form angelegt ist, die er [wirklich] hat. Dabei ist es für unsere Frage zunächst gleichgültig, was diese Form ist, ob Seele oder etwas anderes. Jene Form also füllt jenen Stoff so vollkommen aus, daß in ihm in keiner Weise eine Möglichkeit zum [Anders- ]Sein bleibt, sondern nur QUAESTIO

66, 2

quod corporis corruptibilis et incorruptibilis per naturam, sit una materia. Nec tarnen dicendum est, ut Averroès fingit [lib. de Substantia Orbis, cap. 2], quod ipsum corpus caeleste sit materia caeli, ens in potentia ad ,ubi' et non ad ,esse'; et forma ejus sit substantia separata quae unitur ei ut motor. Quia impossibile est ponere aliquod ens actu, quin vel ipsum totum sit actus et forma, vel habeat actum seu formam. Remota ergo per intellectum substantia separata quae ponitur motor, si corpus caeleste non est habens formam, quod est componi ex forma et subjecto formae, sequi tur quod sit totum forma et actus. Omne autem tale est intellectum in actu; quod de corpore caelesti dici non potest, cum sit sensibile. Relinquitur ergo quod materia corporis caelestis, secundum se considerata, non est in potentia nisi ad formam quam habet. Nec refert ad propositum, quaecumque sit ilia, sive anima, sive aliquid aliud. Unde ilia forma sic perficit illam materiam, quod nullo modo in ea remanet potentia ad ,esse', sed ad ,ubi' tantum, ut Aristoteles dicit [Met., lib. 11, cap. 2]. Et sic non 1069 b 25

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66, 2 zur Ortsveränderung (Aristoteles). So ist also der Stoff nicht derselbe für die Himmelskörper und für die Grundstoffe, als höchstens im Sinne einer Verhältnisgleichheit, nach welcher beide übereinkommen unter dem Gesichtspunkte der Seinsanlage. Z u 1. Augustinus folgt hier der Meinung des Plato, der keine fünfte Wesenheit annahm. Oder man spricht von einem ungeformten Stoff, der einer ist kraft der Einheit der Ordnung, wie alle Körper eine Einheit sind in der Ordnung der Körperwelt. Zu 2. Nehmen wir Gattung im physischen [ = naturphilosophischen ] Sinne, dann sind die zerstörbaren und unzerstörbaren Wesen nicht in derselben Gattung wegen der verschiedenen Art und Weise der Seinsanlage in ihnen (Aristoteles). Nach der logischen Betrachtungsweise aber gibt es nur eine Gattung aller Körperdinge wegen des einen Gesichtspunktes der Körperlichkeit. Z u 3. Die Form der Körperlichkeit ist nicht dieselbe in allen Körpern, da sie mit den Formen, durch die die Körper unterschieden sind, zusammenfällt (vgl. die Antwort). Z u 4. Die Möglichkeit wird genommen in der Hinordnung auf die Wirklichkeit; das in der Möglichkeit Seiende ist daher schon dadurch unterschieden, daß es auf ein verschiedenes Wirklichsein hingeordnet ist, wie der Gesichtssinn auf die Farbe und der Gehörsinn auf den Ton. Der Stoff des Himmelskörpers ist also schon darum von dem Stoff eines Grundstoffes unterschieden, Q U A E S T I O 66, 2

est eadem materia corporis caelestis et elementorum, nisi secundum analogiam, secundum quod conveniunt in ratione potentiae. AD PRIMUM ergo dicendum quod Augustinus sequitur in hoc opinionem Piatonis, non ponentis quintam essentiam. Vel dicendum quod materia informis est una unitate ordinis, sicut omnia corpora sunt unum in ordine creaturae corporeae. AD SECUNDUM dicendum quod si genus consideretur physice, corruptibilia et incorruptibilia non sunt in eodem genere, propter diversum modum potentiae in eis, ut dicitur 1058 b 26 10 Metaphys. [lib. 9, cap. 1 0 ] . Secundum autem logicam considerationem, est unum genus omnium corporum, propter unam rationem corporeitatis. AD TERTIUM dicendum, quod forma corporeitatis non est una in omnibus corporibus: cum non sit alia a formis quibus corpora distinguuntur, ut dictum est. AD QUARTUM dicendum quod, cum potentia dicatur ad actum, ens in potentia est diversum e x hoc ipso quod ordinatur ad diversum actum; sicut visus ad colorem, et auditus ad

34

weil er nicht in der Möglichkeit zur Form des Grund- 66, 3 stoffes steht. 3. A R T I K E L Ist der empyreische Himmel zusammen mit dem geformten Stoff erschaffen?

un-

1. Der empyreische Himmel muß, wenn er überhaupt etwas ist, ein sinnfälliger Körper sein. Jeder sinnfällige Körper aber ist der Bewegung unterworfen. Der empyreische Himmel ist jedoch unbeweglich. Wenn er nämlich beweglich wäre, müßte seine Bewegung an der Bewegung irgendeines sichtbaren Körpers wahrgenommen werden können. Davon aber sieht man nichts. Der empyreische Himmel ist also nicht etwas, was zusammen mit dem ungeformten Stoff geschaffen wurde. 2. Augustinus sagt, „daß die niederen Körper durch die höheren in ganz bestimmter Ordnung geleitet werden". Wenn also der empyreische Himmel ein höchster Körper ist, muß er einen Einfluß haben auf die niederen Körper hier unten. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, besonders wenn er als unbeweglich angenommen wird. Denn der Körper bewegt nur, wenn er selbst in Bewegung ist. Der empyreische Himmel ist also nicht zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen. QUAESTIO

66, 3

sonum. Unde ex hoc ipso materia caelestis corporis est alia a materia elementi, quia non est in potentia ad formam elementi. A R T I C U L U S III Utrum caelum e m p y r e u m sit c o n c r e a t u m riae informi [2 Sent., dist. 2, q. 2;

mate-

dist. 12, art. 5]

AD TERTIUM sie proceditur. Videtur quod caelum empyreum non sit concreatum materiae informi. Caelum enim empyreum, si est aliquid, oportet quod sit corpus sensibile. Omne autem corpus sensibile est mobile. Caelum autem empyreum non est mobile: quia motus ejus deprehenderetur per motum alieujus corporis apparentis; quod minime apparet. Non ergo caelum empyreum est aliquid materiae informi concreatum. 2. PRAETEREA, Augustinus dicit in 3 de Trin. [cap. 4], MPL 42/873 quod „inferiora corpora per superiora quodam ordine reguntur". Si ergo caelum empyreum est quoddam supremum corpus, oportet quod habeat aliquam influentiam in haec inferiora corpora. Sed hoc non videtur: praesertim si ponatur immobile, cum nulluni corpus moveat nisi motum. Non est ergo caelum empyreum materiae informi concreatum. 3*

35

66, 3

3. Wenn man einwendet: der empyreische Himmel sei der Ort der Beschauung und nicht auf Naturwirkungen ausgerichtet, so steht dagegen, was Augustinus sagt: „Sofern wir im Geiste ein Ewiges fassen, sind wir nicht in dieser Welt." Daraus geht hervor, daß die Beschauung den Geist über die Körperwelt erhebt. Also ist für die Beschauung kein körperlicher Ort bestimmt. 4. Unter den Himmelskörpern gibt es einen, der zum Teil durchsichtig, zum Teil selbstleuchtend ist, nämlich den Gestirnhimmel. Auch gibt es einen Himmel, der ganz durchsichtig ist, den einige den Wasser- oder den Kristallhimmel nennen. Wenn es also noch einen höheren Himmel gibt, müßte er ganz selbstleuchtend sein. Das kann aber nicht sein; denn sonst müßte die Luft ständig erleuchtet sein, und es wäre nie Nacht. Also ist der empyreische Himmel nicht zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen. ANDERSEITS sagt Strabo: „Wenn es heißt: ,1m Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde', so ist unter Himmel nicht die sichtbare Feste verstanden, sondern der empyreische, d. h. der Feuerhimmel." ANTWORT: Die Annahme eines empyreischen Himmels findet sich nur bei Strabo und Beda und wieder bei Basilius. Bei dieser Annahme kommen sie zum Teil überein, nämlich darin, daß sie ihn [den empyreischen Himmel] für den Aufenthalt der Seligen halten. Strabo QUAESTIO

66, 3

3. Si dicatur quod caelum empyreum est locus contemplationis, non ordinatum ad naturales effectus, contra: Augustinus MPL 42 dicit in 4 de Trin. [cap. 20], quod „nos secundum quod mente 907, 908 aliquod aeternum capimus, non in hoc mundo sumus"; ex quo patet quod contemplatio mentem supra corporalia elevat. Non ergo contemplationi locus corporeus deputatur. 4. PRAETEREA, inter corpora caelestia invenitur aliquod corpus partim diaphanum et partim lucidum, scilicet ,caelum sidereum'. Invenitur etiam aliquod caelum totum diaphanum, quod aliqui nominant ,caelum aqueum vel crystallinum'. Si ergo est aliud superius caelum, oportet quod sit totum lucidum. Sed hoc esse non potest: quia sie continue aer illuminaretur, nec unquam nox esset. Non ergo caelum empyreum materiae informi est concreatum. SED CONTRA est quod Strabus dicit [Glossa ord. super MPL Gen. 1], quod cum dicitur, „In prineipio creavit Deus caelum 113/68 e t terram", „caelum dicit non visibile firmamentum, sed empyreum, id est igneum". RESPONDEO dicendum quod caelum empyreum non invenitur positum nisi per auetoritates Strabi et Bedae, et iterum per auetoritatem Basilii. In cujus positione quantum ad ali-

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und auch Beda sagen nämlich: „Sofort, wie er erschaffen 66, 3 wurde, war er auch von Engeln bevölkert." Auch Basilius sagt: „Wie die Verdammten in die äußerste Finsternis hinabgestoßen werden, so wird die Vergeltung für die würdigen Werke in jenem Licht erneuert, das außerhalb der Welt ist, und dort werden die Seligen die Wohnstatt ihrer Ruhe erhalten." — Sie unterscheiden sich aber in der Begründung ihrer Annahme. Strabo und Beda nehmen einen empyreischen Himmel deshalb an, weil die Feste, unter der sie den Gestirnhimmel verstehen, nicht im Anfang, sondern, wie es heißt, am zweiten Tage geschaffen wurde. Basilius aber nimmt ihn deshalb an, damit es nicht scheine, als habe Gott Sein Werk schlechthin mit den Finsternissen begonnen, was die Manichäer verleumderisch behaupten, indem sie den Gott des Alten Bundes den Gott der Finsternisse heißen. Diese Gründe aber sind nicht sehr zwingend. Denn die Frage nach der Feste, die, wie es heißt, am zweiten Tage geschaffen wurde, wird von Augustinus anders gelöst als von den anderen Heiligen. — Die Frage aber nach den Finsternissen wird Augustinus zufolge so gelöst: Die Ungeformtheit, die durch die Finsternisse bezeichnet wird, ging der Formung nicht der Zeit, sondern nur dem Ursprung nach voraus. Den anderen zufolge so: Da die Finsternisse nichts Geschaffenes sind, sonQUAESTIO

66, 3

quid conveniunt, scilicet quantum ad hoc quod sit locus beatorum. Dicit enim Strabus, et etiam Beda [ H e x a e m . , lib. 1] quod MPL „statim factum, angelis est r e p l e t u m " . Basilius etiam dicit in JijV®8 2 H e x a e m . : „Sicut damnati in tenebras ultimas abiguntur, ita 29/42 r e m u n e r a t i o p r o dignis operibus restauratur i n ea luce quae est extra mundum, et i b i 1 quietis d o m i c i l i u m sortientur." — D i f f e r u n t tarnen quantum ad rationem ponendi. N a m Strabus et Beda ponunt caelum e m p y r e u m ea ratione, quia firmamentum, per quod caelum e m p y r e u m intelligunt, non in principio, sed secunda d i e dicitur factum. Basilius v e r o ea ratione ponit, ne videatur simpliciter Deus opus suum a tenebris inchoasse; quod Manichaei calumniantur, Deum Veteris Testamenti Deum tenebrarum nominantes. H a e autem rationes non sunt multum cogentes. N a m quaestio de firmamento, quod legitur factum in secunda die, aliter solvitur ab Augustino et aliter ab aliis Sanctis. — Quaestio autem de tenebris solvitur, secundum Augustinum [ D e Gen. ad litt., MPL 34 lib. 1, cap. 15, et lib. 7, cap. 2 7 ] , p e r hoc quod informitas (quae per tenebras significatur), non praecessit duratione formatio- 28/21 nem, sed o r i g i n e . Secundum alios v e r o , cum t e n e b r a e non sint 28/225 1 L: ubi Beati.

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66, 3 dem das Fehlen des Lichtes, wird der göttlichen Weisheit nur bezeugt, daß sie das, was sie aus dem Nichts erschaffen, zunächst in unvollkommenem Zustand hinstellte und später zur Vollendung führte. Es läßt sich aber ein angemessenerer Grund finden in der Seinsverfassung des Lebens der Herrlichkeit. Wir erhoffen nämlich in der zukünftigen Vergeltung eine doppelte Herrlichkeit: eine des Geistes und eine des Körpers. Und zwar nicht nur in der Verherrlichung der menschlichen Leiber, sondern in der Erneuerung der ganzen Welt. Die Verherrlichung des Geistes nun hat schon im Anfang der Welt begonnen, in der Verherrlichung der Engel, denen die Seligen ebenbürtig werden sollen. So war es angemessen, daß auch die Verherrlichung der Körperwelt schon im Urbeginn ihren Anfang nahm in irgendeinem Körper, der von Anfang an von der Knechtschaft der Verwesung und Veränderlichkeit befreit und vollkommen selbstleuchtend war, wie wir es für die Zeit nach der Auferstehung für die gesamte Körperweit erhoffen. Deshalb wird jener Himmel empyreisch, d. h. Feuerhimmel genannt, nicht von der Glut, sondern von dem Glänze. Man muß aber wissen, daß Augustinus von Porphyrius behauptet, er habe die Engel von den Dämonen unterschieden, indem er die Lufträume den Dämonen, die Äther- oder empyreischen Räume aber den Engeln zuwies. — Porphyrius hingegen hielt als Platoniker unseQ U A E S T I O 66. 3 creatura aliqua, sed privatio lucis, divinae sapientiae attestatur, ut ea quae produxit ex nihilo, primo in statu imperfectionis institueret, et postmodum ea perduceret ad perfectum. Potest autem convenientior ratio sumi ex ipsa conditione gloriae. Expectatur enim in futura remuneratione duplex gloria, scilicet spiritualis, et corporalis, non solum in corporibus humanis glorificandis, sed etiam in toto mundo innovando. Inchoata est autem spiritualis gloria ab ipso mundi principio in beatitudine angelorum, quorum aequalitas Sanctis promittitur. Unde conveniens fuit ut etiam a principio corporalis gloria inchoaretur in aliquo corpore, quod etiam a principio fuerit absque Servitute corruptionis et mutabilitatis, et totaliter lucidum; sicut tota creatura corporalis expectatur post resurrectionem futura. Et ideo illud caelum dicitur empyreum, id est ,igneum', non ab ardore, sed a splendore. MPL Sciendum est autem quod Augustinus [De Civ. Dei, lib. 10, 41/287 C ap. 9] dicit quod Porphyrius „discernebat a daemonibus ane 40/460 g l ° 3 ' u t aerea loca esse daemonum, aetherea vero vel empyrea diceret angelorum". — S e d Porphyrius, tanquam Platonicus,

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ren Gestirnhimmel für feurig, und deshalb nannte er 66, 3 ihn den empyreischen oder Ätherhimmel, sofern der Name Äther von der Entflammung und nicht sofern er von der Schnelligkeit der Bewegung abgeleitet wird, wie Aristoteles will. Das sei hinzugefügt, damit nicht jemand meint, Augustinus habe einen empyreischen Himmel angenommen, wie er jetzt von den Modernen angenommen wird. Z u 1. Die sinnfälligen Körper sind, dem Zustand der Welt gemäß, der Bewegung unterworfen. Denn durch die Bewegung der Körperwelt wird die Vermehrung der Auserwählten erreicht. In der schließlichen Vollendung der Herrlichkeit aber wird die Bewegung der Körperwelt aufhören. Und dieser Zustand [der Ruhe] mußte von Anfang an der Zustand des empyreischen Himmels sein. Z u 2. Es besteht genug Wahrscheinlichkeit dafür, daß der empyreische Himmel, wie einige annehmen, da er auf den Zustand der Herrlichkeit ausgerichtet ist, keinen Einfluß hat auf die niederen Körper, die unter einer ganz anderen Ordnung stehen, weil sie auf den natürlichen Ablauf der Dinge ausgerichtet sind. — Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß nach dem Vorbild der höchsten Engel, die am Throne Gottes stehen und einen Einfluß haben auf die mittleren und untersten, die gesandt werden, wiewohl sie selbst Dionysius zufolge nicht geQU1ESTIO

66, 3

caelum istud sidereum igneum esse existimabat: et ideo ,empyreum' nominabat; vel ,aethereum', secundum quod nomen ,aetheris' sumitur ab inflammatione, et non secundum quod sumitur a velocitate motus, ut Aristoteles dicit [De Caelo, lib. 1, 270b cap. 3; 1 Meteor., cap. 3]. Quod pro tanto dictum sit, ne ali- 20 sqq. quis opinetur Augustinum caelum empyreum posuisse sicut 21 S(,q nunc ponitur a modernis. AD PRIMUM ergo dicendum quod corpora sensibilia sunt mobilia secundum ipsum statum mundi: quia per motum creaturae corporalis procuratur elementorum 1 multiplicatio. Sed in ultima consummatione gloriae cessabit corporum motus. Et talem oportuit esse a principio dispositionem caeli empyrei. AD SECUNDUM dicendum quod satis probabile est quod caelum empyreum, secundum quosdam, cum sit ordinatum ad statum gloriae, non habet influentiam in inferiora corpora, quae sunt sub alio ordine, utpote ordinata ad naturalem rerum cursum. — Probabilius tarnen videtur dicendum quod, sicut supremi angeli, qui assistunt, habent influentiam super medios et Ultimos, qui mittuntur, quamvis ipsi non mittantur, secundum Dionysium [De Cael Hier., cap. 3 ] ; ita caelum empyreum MPG 1

L: electorum.

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66, 3 sandt werden, auch der empyreische Himmel einen Einfluß hat auf die Körper, die in Bewegung sind, wiewohl er selbst nicht in Bewegung ist. Deshalb kann man sagen, daß er auf den ersten bewegten Himmel etwas überströmt, nicht etwas Vorübergehendes oder durch Bewegung Hinzukommendes, sondern etwas Festes und Dauerndes, etwa die Kraft, [Körper] aufzunehmen oder Wirkungen zu setzen, oder ähnliches, was zu seiner Rangstufe gehört. Z u 3. Der körperliche Raum ist der Beschauung nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Angemessenheit zugeordnet, damit die äußere Klarheit der inneren entspreche. Daher sagt Basilius: „Der ,dienende Geist' konnte nicht in Finsternissen weilen, sondern in Licht und Freude besaß er die ihm gebührende Wohnstatt zu eigen." Zu 4. Basilius sagt in seiner Schrift über das Sechstagewerk: „Es steht fest, daß ein Himmel geschaffen wurde, dessen Rundung vollkommen geschlossen war, mit großer Dichte und so stark, daß er alles, was außen war, von dem Innern fernhalten konnte. Daher mußte er notwendig unter sich eine lichtlose Zone schaffen, weil der Glanz, der über ihm erstrahlte, abgehalten wurde." — Weil aber der Körper der Feste trotz seiner Festigkeit durchsichtig ist, so daß er das Licht nicht hindert (was daraus erhellt, daß wir trotz der Himmel, Q U A E S T I O 66, 3

MPG 29/42 MPG 29/42

habet influentiam super corpora quae moventur, licet ipsum non moveatur. Et propter hoc potest dici quod influit in primum caelum quod movetur, non aliquid transiens et adveniens per motum, sed aliquid flxum et stabile; puta virtutem continendi et causandi, vel aliquid hujusmodi ad dignitatem pertinens. AD TERTIUM dicendum quod locus corporeus deputatur contemplationi, non propter necessitatem, sed propter congruitatem, ut exterior claritas interiori conveniat. Unde Basilius dicit [hom. 2 in Hexaem.] quod „ministrator spiritus non poterat degere in tenebris; sed in luce et laetitia d e g e n d i 1 sibi habitum possidebat". AD QUARTUM dicendum quod, sicut Basilius dicit in 2 Hexaem., „constat factum esse caelum rotunditate conclusum, habens corpus spissum et adeo validum, ut possit ea quae extrinsecus habentur, ab interioribus separare. Ob hoc necessario post se regionem relictam carentem luce constituit, utpote fulgore qui superradiabat excluso". — Sed quia corpus flrmamenti, etsi sit solidum, est tarnen diaphanum, quod lumen non impedit (ut patet per hoc, quod lumen stellarum videmus 1

40

L: decentem.

die dazwischen liegen, das Licht der Sterne sehen), so 66, i kann man auch sagen, daß der empyreische Himmel sein Licht hat, aber nicht so gesammelt, daß es Strahlen aussenden kann wie der Körper der Sonne, sondern ein feineres [Licht]. Oder: Er hat die Klarheit der Herrlichkeit, die der natürlichen Klarheit nicht gleichförmig ist. 4. Ist

die

Zeit

ARTIKEL

zusammen mit dem erschaffen?

ungeformten

Stoff

1. Augustinus sagt, indem er Gott anredet: „Ich finde zwei Dinge, die Du geschaffen hast, die keine Zeit kennen: den ersten körperlichen Stoff und die Engelnatur." Also ist die Zeit nicht zusammen mit dem ungeformten Stoff erschaffen. 2. Die Zeit wird eingeteilt in Tag und Nacht. Im Anfang gab es aber weder Nacht noch Tag. Sondern erst später, als Gott das Licht schied von der Finsternis. Also gab es die Zeit nicht von Urbeginn an. 3. Die Zeit ist das Maß der Bewegung der Himmelsfeste, die nach der Schrift am zweiten Tage erschaffen wurde. Also gab es die Zeit nicht vom Urbeginn an. QUAESTIO

66, 4

non obstantibus m e d i i s c a e l i s ) ; potest aliter dici q u o d habet l u c e m c a e l u m e m p y r e u m n o n c o n d e n s a t a m , ut r a d i o s e m i t t a t , sicut c o r p u s solis, s e d m a g i s s u b t i l e m . V e l h a b e t c l a r i t a t e m g l o r i a e , q u a e n o n est c o n f o r m i s c u m c l a r i t a t e n a t u r a l i . A R T I C U L U S U t r u m

t e m p u s

sit

IV

c o n c r e a t u m

m a t e r i a e

i n f o r m i [2 Sent., dist. 12, art. 5] A D Q U A R T U M sie p r o c e d i t u r . V i d e t u r q u o d t e m p u s n o n sit c o n c r e a t u m m a t e r i a e i n f o r m i . D i c i t e n i m A u g u s t i n u s [ C o n f e s s . , MPL lib. 12, c a p . 1 2 ] a d D e u m l o q u e n s : „ D u o r e p e r i o q u a e f e c i s t i c a r e n t i a t e m p o r i b u s , s c i l i c e t m a t e r i a m p r i m a m c o r p o r a l e m , et 33/319 n a t u r a m a n g e l i c a m . " N o n e r g o t e m p u s est c o n c r e a t u m m a t e r i a e informi. 2. P R A E T E R E A , t e m p u s d i v i d i t u r p e r d i e m et n o c t e m . S e d a prineipio nec n o x nec dies erat, sed p o s t m o d u m , cum „ d i v i s i t Deus l u c e m a tenebris". E r g o a p r i n e i p i o non erat tempus. 3. P R A E T E R E A , t e m p u s est n u m e r u s m o t u s firmamenti: quod legitur factum secundo die. E r g o a p r i n e i p i o non erat tempus.

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66, 4

4. Die Bewegung ist früher als die Zeit. Also mußte unter den Erstlingen der Schöpfung die Bewegung eher aufgezählt werden als die Zeit. 5. Wie die Zeit ein äußeres Maß bedeutet, so auch der Ort. Also besteht kein Anlaß, die Zeit eher unter die Erstlinge der Schöpfung zu rechnen als den Ort. ANDERSEITS sagt Augustinus: „Die geistige und körperliche Schöpfung ist geschaffen zu Beginn der Zeit." ANTWORT: Gewöhnlich werden vier Erstlinge der Schöpfung genannt: die Engelnatur, der empyreische Himmel, der ungeformte körperliche Stoff und die Zeit. Doch ist zu beachten, daß diese Behauptung der Auffassung des hl. Augustinus nicht gemäß ist. Augustinus nämlich nimmt zwei Erstlinge der Schöpfung an: die Engelnatur und den körperlichen Stoff, ohne den empyreischen Himmel zu erwähnen. Diese beiden: die Engelnatur und der körperliche Stoff, liegen der Formung [der Welt] nicht der Dauer, sondern nur der Natur nach voraus. Und wie sie der Natur nach der Formung vorausgehen, so auch der Bewegung und der Zeit. Daher kann die Zeit ihnen nicht beigezählt werden. Die genannte Aufzählung behält jedoch ihre Geltung gemäß der Auffassung der anderen Heiligen, welche annehmen, daß die Ungeformtheit des Stoffes der Dauer nach der Formung vorausging. Dann muß man allerdings QUAESTIO

MPL r^QBU '

MPL 32/831

33/3Ei9

66, 4

4. PRAETEREA, motus est prior tempore. Magis igitur debebat numerari inter primo creata quam tempus. 5. PRAETEREA, sicut tempus est mensura extrinseca, ita et locus. Non ergo magis debet computari inter primo creata tempus, quam locus. SED CONTRA est quod Augustinus dicit [De Gen. ad litt., lib. 1, cap. 1] quod spiritualis et corporalis creatura est creata n 'i principi 0 temporis'. RESPONDEO dicendum quod communiter dicitur, quatuor esse primo creata: scilicet naturam angelicam, caelum empyreum, materiam corporalem informem, et tempus. Sed attendendum est quod hoc dictum non procedit secundum Augustini opinionem. Augustinus enim ponit duo primo creata, scilicet naturam angelicam, et materiam corporalem, nulla mentione f a c t a de caeio empyreo. Haec autem duo, scilicet natura angelica et materia informis, praecedunt formationem non duratione, sed natura. Et sicut natura praecedunt formationem, ita etiam et motum et tempus. Unde tempus non potest eis connumerari. Procedit autem praedicta enumeratio secundum opinionem aliorum Sanctorum, ponentium quod informitas materiae duratione praecessit formationem: et tunc pro ilia duratione ne-

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für diese Dauer irgendwelche Zeit annehmen. Anders 66, 4 ließe sich das Maß der Dauer nicht denken. Z u 1. Augustinus sagt das in dem Sinne, daß die Engelnatur und der ungeformte Stoff dem Ursprung oder der Natur nach der Zeit vorausgehen. Z u 2. Wie nach den anderen Heiligen der Stoff in gewissem Sinne ungeformt war und nachher geformt wurde, so war auch die Zeit zunächst in gewissem Sinne ungeformt und wurde erst nachher geformt und in Tag und Nacht unterschieden. Z u 3. Wenn die Bewegung der Himmelsfeste nicht sofort im Anfang einsetzte, so war die Zeit, die vorausging, nicht das Maß der Bewegung der Himmelsfeste, sondern irgendeiner anderen Bewegung. Daß sie Maß der Bewegung der Himmelsfeste ist, kommt der Zeit zufällig zu, weil diese Bewegung die erste aller Bewegungen ist. Gäbe es aber eine andere erste Bewegung, so wäre die Zeit das Maß dieser Bewegung, weil alle Dinge von dem Ersten ihrer Gattung gemessen werden. Man muß aber sagen, daß es sofort von Urbeginn an irgendwelche Bewegung gab, zum mindesten die Abfolge der Gedanken und Willensregungen im Geiste der Engel. Keine Bewegung aber ist zu verstehen ohne die Zeit, da die Zeit nichts anderes ist als „die Zahl des Früher und Später in der Bewegung". QUAESTIO

66, 4

cesse est p o n e r e tempus a l i q u o d ; aliter e n i m mensura durationis accipi non posset. A D P R I M U M e r g o dicendum quod Augustinus hoc dicit ea ratione qua natura angelica et materia i n f o r m i s praecedunt origine, seu natura, tempus. A D S E C U N D U M dicendum quod sicut, secundum alios Sanctos, materia erat q u o d a m m o d o informis, et postea f u i t f o r m a t a ; ita tempus q u o d a m m o d o f u i t i n f o r m e , et postmodum f o r m a t u m , et distinctum p e r d i e m et noctem. A D T E R T I t J M d i c e n d u m quod, si motus firmamenti non statim a p r i n c i p i o incoepit, tunc tempus quod praecessit, non erat numerus motus f i r m a m e n t i , sed cujuscumque p r i m i motus. Accidit e n i m t e m p o r i quod sit numerus motus firmamenti, inquantum hic motus est primus m o t u u m : si autem esset alius motus primus, illius motus mensura esset tempus quia omnia mensurantur p r i m o sui g e n e r i s . Oportet autem dicere statim a p r i n c i p i o fuisse a l i q u e m motum, ad minus secundum successionem conceptionum et affectionum in mente angelica. Motum autem non est anteiligere sine t e m p o r e : cum nihil aliud sit tempus „ q u a m numerus prioris et posterioris in motu".

43

4

Z u 4. Zu den Erstlingen der Schöpfung wird gerechnet, was eine allgemeine Beziehung zu den Dingen hat. Und so mußte die Zeit dazu gerechnet werden, weil sie die Beziehung des gemeinsamen Maßes hat. Nicht aber die Bewegung, weil sie nur zum Träger der Bewegung in Beziehung steht. Z u 5. Der Ort ist verstanden unter dem empyreischen Himmel, der alles umschließt. Und weil es sich beim Ort um die bleibenden Dinge handelt, ist er in seiner ganzen Ausdehnung zumal geschaffen. Die Zeit aber, die nicht bleibt, ist in ihrem Anfang mitgeschaffen; wie wir auch gegenwärtig von der Wirklichkeit der Zeit nichts fassen als das „Jetzt". QUAESTIO

66, 4

A D Q U A R T U M dicendum quod inter p r i m o creata computantur ea quae habent g e n e r a l e m habitudinem ad res. Et i d e o computari debuit tempus, quod habet rationem communis m e n s u r a e : non autem motus, qui comparatur solum aftsisubjectum m o b i l e . AD QUINTUM dicendum quod locus intelligitur in caelo e m p y r e o omnia continente. Et quia locus est de permanentibus, concreatus est totius simul. T e m p u s autem, quod est non permanens, concreatum est in suo p r i n c i p i o : sicut etiam m o d o nihil est accipere in actu de t e m p o r e nisi ,nunc'.

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67. F R A G E DAS WERK

DER S C H E I D U N G

67, 1 AN

SICH

Folgerichtig müssen wir jetzt das W e r k der Scheidung an sich betrachten. U n d zwar 1. das W e r k des ersten T a g e s ; 2. das W e r k des zweiten Tages; 3. das W e r k des dritten Tages. In bezug auf das Erste ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Kann man den Ausdruck „Licht" im eigentlichen Sinne auf den geistigen Bereich anwenden? 2. Ist das körperliche Licht ein Körper? 3. Ist es eine Beschaffenheit? 4. W a r es angemessen, daß das Licht am ersten Tage wurde ? 1.

A R T I K E L

Ist im geistigen Bereich im eigentlichen die Rede?

Sinne von Licht

1. Augustinus sagt, in den geistigen Dingen findet sich „ein besseres und sichereres Licht", und „Christus wird nicht im selben Sinne Licht genannt, und Stein; denn Licht heißt Er in eigentlichem Sinne, Stein im bildlichen Sinne". 2. Dionysius zählt den Namen ,Licht' unter die geistigen Namen Gottes. Die geistigen Namen aber gelten im

QUAESTIO

LXVII

DE OPERE DISTINCTIONIS SECUNDUM SE Consequenter considerandum est de opere distinctionis secundum se. Et primo, de opere primae diei; secundo, de opere secundae diei; tertio, de opere tertiae diei. Circa primum quaeruntur quatuor: 1. Utrum lux proprie in spiritualibus diei possit. — 2. Utrum lux corporalis sit corpus. — 3. Utrum sit qualitas. — 4. Utrum conveniens fuit prima die fieri lucem. Utrum

lux

ARTICULUS I proprie in s p i r i t u a l i b u s

[2 Sent., dist. 13, art. 2;

dicatur

Quodl. 6, art. 19; in Joan., cap. 1, lect. 3 et 8]

A D P R I M U M sic proceditur. Videtur quod lux proprie in spiritualibus dicatur. Dicit enim Augustinus [De Gen. ad litt., lib. 4, cap. 28] quod „in spiritualibus melior et certior lux est": et „quod Christus non sie dicitur lux quomodo lapis, sed illud proprie, hoc figurative". 2. PRAETEREA, Dionysius [De Div. Nom., cap. 4] ponit ,lumen' inter nomina intelligibilia Dei. Nomina autem intel-

45

MPL 2 8/i27

MPG 3/699

67, I eigentlichen Sinne von dem geistigen Bereich. Also wird der Name Licht im eigentlichen Sinne vom geistigen Bereich verstanden. 3. Paulus sagt: „Alles, was offenbar wird, ist Licht." Offenbarung aber erfolgt eigentlicher im geistigen als im körperlichen Bereich. Also auch das Licht. ANDERSEITS zählt Ambrosius den Glanz [des Lichtes] unter das, was von Gott in übertragenem Sinne ausgesagt wird. ANTWORT: Von einem Namen läßt sich in doppelter Weise sprechen: 1. nach seiner ersten Einführung und 2. nach seinem Gebrauch. So ist es z. B. mit dem Ausdruck ,Sehen'. Dieser Ausdruck ist zunächst festgelegt zur Bezeichnung der Tätigkeit des Gesichtssinnes. Wegen der Würde und der Sicherheit dieses Sinnes aber ist die Bedeutung des Namens nach dem Sprachgebrauch auf die Erkenntnis aller übrigen Sinne ausgedehnt worden. So sagen wir: Sieh, wie es schmeckt; oder: wie es duftet, oder: wie warm es ist. Und darüber hinaus sogar auf die Erkenntnis des Verstandes: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen" (Mt 5, 8). Ähnlich ist es mit dem Namen des Lichtes. Denn zunächst ist dieser Name festgelegt zur Bezeichnung dessen, was dem Gesichtssinn etwas offenbar macht. Später aber Q U A E ST I 0

67, L

ligibilia proprie dicuntur in spiritualibus. Ergo lux proprio dicitur in spiritualibus. 3. PRAETEREA, Apostolus dicit ad Ephes. 5: „Omne quod manifestatur, lumen est." Sed manifestatio magis proprie est in spiritualibus quam in corporalibus. Ergo et lux. SED CONTRA est quod Ambrosius in libro De Fide [lib. 2, MPL Prolog.] ponit ,splendorem' inter ea quae de Deo metaphorice 16/560 dicuntur. RESPONDEO dicendum quod de aliquo nomine dupliciter convenit loqui: uno modo, secundum primam ejus impositioaem; alio modo, secundum usum nominis. Sicut patet in nomine ,visionis', quod primo impositum est ad significandum actum sensus visus; sed propter dignitatem et certitudinem hujus sensus, extensum est hoc nomen, secundum usum loquentium, ad omnem cognitionem aliorum sensuum (dicimus enim, „Vide quomodo sapit", vel „quomodo redolet", vel „quomodo est calidum"); et ulterius etiam ad cognitionem intellectus, secundum illud Matth. 5: „Beati mundo corde, quoniam ipsi Deum videbunt." Et similiter dicendum est de nomine ,lucis'. Nam primo quidem est institutum ad significandum id quod facit manifestationem in sensu visus; postmodum autem extensum est

46

ist die Bedeutung dieses Namens erweitert worden zur 67, 2 Bezeichnung alles dessen, was eine Offenbarung bewirkt in irgendwelcher Erkenntnis. — Wenn wir also den Namen Licht nach seiner ersten Einführung nehmen, so wird er von den geistigen Dingen im übertragenen Sinne gebraucht, wie Ambrosius sagt. Nehmen wir ihn aber, wie er im Sprachgebrauch auf jegliches Offenbarmachen ausgedehnt wurde, so wird er f ü r die geistigen Dinge im eigentlichen Sinne gebraucht. Daraus erhellt die Antwort auf die Einwände. 2. A R T I K E L Ist das Licht ein Körper? 1. Augustinus sagt, das Licht nehme unter den Körpern den ersten Rang ein. Also ist d a s Licht ein Körper. 2. Aristoteles sagt, das Licht sei eine „Unterart des Feuers". Das Feuer a b e r ist ein Körper. Also ist das Licht ein Körper. 3. Getragen werden, durchschnitten werden und zurückgeworfen werden ist eine Eigenschaft der Körper. All das aber wird d e m Licht oder dem Lichtstrahl zugeschrieben. Verschiedene Strahlen verbinden und trennen sich sogar nach Dionysius. Auch das scheint nur QUAESTIO

67, 2

ad significandum omne illud quod facit manifestationem secundum quamcumque cognitionem. — Si ergo accipiatur nomen ,luminis' secundum suam primam impositionem, metaphorice in spiritualibus dicitur, ut Ambrosius dicit. Si autem accipiatur MPL secundum quod est in usu loquentium ad omnem manifesta- 1 0 5 6 0 tionem extensum, sie proprie in spiritualibus dicitur. Et per hoc patet responsio ad objecta. A R T I C U L U S II U t r u m l u x sit corpus [2 Sent., dist. 2. q. 2, a r t . 3 ad 4; dist. 13, a r t . 3, dist. 30, q 2, art. 1, 2 de Caelo et Mundo, cap. 7, lect. 10; 2 de Anima, lect. 14]

AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod lux sit corpus. Dicit enim Augustinus [De lib. arbitr., lib. 3, cap. 5] quod MPL „lux in corporibus primum tenet locum". Ergo lux est corpus. 32/1279 2. PRAETEREA, Philosophus dicit [Topic., lib. 5, cap. 5] quod 134b 29 lumen est species ignis. Sed ignis est corpus. Ergo lumen est corpus. 3. PRAETEREA, ferri, intersecari, et reflecti est proprie corporum: haec autem omnia attribuuntur lumini vel radio. Conjunguntur etiam diversi radii, et separantur, ut Dionysius

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67, 2 d e n K ö r p e r n z u k o m m e n zu k ö n n e n . Also ist d a s Licht ein K ö r p e r . A N D E R S E I T S : Zwei K ö r p e r k ö n n e n nicht a m selben Orte sein. D a s Licht a b e r ist mit d e r L u f t z u s a m m e n . Also ist d a s Licht k e i n K ö r p e r . A N T W O R T : Es ist unmöglich, d a ß das Licht ein Körp e r ist. W a s a u s d r e i G r ü n d e n e r h e l l t : E r s t e n s vom Orte her. D e n n d e r Ort eines j e d e n Körp e r s ist ein a n d e r e r als der Ort d e s a n d e r e n K ö r p e r s . A u c h ist es n a t ü r l i c h e r w e i s e nicht möglich, d a ß zwei K ö r p e r zugleich a m selben Orte sind, u m w a s i m m e r f ü r K ö r p e r es sich h a n d e l n mag. D e n n w a s z u s a m m e n h ä n g t , verlangt e i n e V e r s c h i e d e n h e i t in d e r Lage. Z w e i t e n s von d e r B e w e g u n g h e r . W e n n das Licht n ä m l i c h ein K ö r p e r w ä r e , so b e s t ü n d e das H e l l w e r d e n in e i n e r k ö r p e r l i c h e n Ortsbewegung. K e i n e einzige Ortsb e w e g u n g e i n e s K ö r p e r s k a n n sich a b e r in e i n e m A u g e n blick vollziehen, weil alles, w a s örtlich b e w e g t w i r d , zunächst zur Mitte u n d d a n n erst z u m E n d e d e r Strecke gelangt. D a s H e l l w e r d e n a b e r geschieht in e i n e m Augenblick. — Man k a n n a u c h nicht sagen, es g e s c h e h e in unm e r k l i c h k u r z e r Zeit; d e n n auf einer k l e i n e n Strecke k ö n n t e d i e Zeit [in d e r d a s Licht sich f o r t p f l a n z t ] u n b e m e r k t bleiben. Auf e i n e r g r o ß e n Strecke a b e r (z. B. vom Osten bis z u m W e s t e n ) k ö n n t e d i e Zeit nicht unb e m e r k t bleiben. I m A u g e n b l i c k nämlich, wo d i e S o n n e Q U A E S T I O 67, 2 MPG dicit 2. cap. de Div. Nom.: quod etiam videtur non nisi cor¡j/68t> poribus convenire posse. Ergo lumen est corpus. SED CONTRA, duo corpora non possunt simul esse in eodem loco. Sed lumen est simul cum aere. Ergo lumen non est corpus. RESPONDEO dicendum quod impossibile est lumen esse corpus. Quod quidem apparet tripliciter. Primo quidem, ex parte loci. Nam locus cujuslibet corporis est alius a loco alterius corporis: nec est possibile, secundum naturam, duo corpora esse simul in eodem loco, qualiacumque corpora sint; quia contiguum requirit distinctionem in situ. Secundo, apparet idem ex ratione motus. Si enim lumen esset corpus, illuminatio esset motus localis corporalis. Nullus autem motus localis corporis potest esse in instanti: quia omne quod movetur localiter, necesse est quod prius perveniat ad medium magnitudinis quam ad extremum. Illuminatio autem fit in instanti. — Nec potest dici quod fiat in tempore imperceptibili. Quia in parvo spatio posset tempus latere: in magno autem spatio, puta ab Oriente in Occidentem, tempus latere non posset: statim enim cum sol est in puncto horizontis, illumina-

48

a m H i m m e l s r a n d e a u f t a u c h t , ist d i e g a n z e H a l b k u g e l 67, 2 des Himmels erleuchtet bis zum entgegengesetzten Rande. — Noch e i n a n d e r e s ist zu b e d e n k e n v o n d e r B e w e g u n g her. Denn jeder Körper hat von Natur a u s eine ganz bestimmte Bewegung. Die Bewegung d e s Hellwerdens aber geht nach allen Richtungen u n d erfolgt ebensogut i m K r e i s w i e i n g e r a d e r R i c h t u n g . E s ist d a h e r o f f e n sichtlich, d a ß d a s H e l l w e r d e n k e i n e O r t s b e w e g u n g e i n e s Körpers bedeutet. D r i t t e n s e r g i b t sich d a s s e l b e v o m W e r d e n u n d V e r g e h e n her. W e n n das Licht nämlich ein K ö r p e r w ä r e , müßte im Augenblick, da die Luft beim Verschwinden der Leuchte dunkel wird, der Lichtkörper zugrunde g e h e n u n d s e i n Stoff e i n e a n d e r e F o r m a n n e h m e n . D a v o n ist a b e r n i c h t s zu b e m e r k e n ; m a n m ü ß t e d e n n b e h a u p t e n , d i e F i n s t e r n i s s e i a u c h e i n K ö r p e r . A u c h ist n i c h t e r s i c h t l i c h , a u s w e l c h e m Stoff e i n so g r o ß e r K ö r per, der d e n h a l b e n H i m m e l einnimmt, täglich n e u erz e u g t w e r d e n sollte. — Ü b e r d i e s ist e s l ä c h e r l i c h zu s a g e n , d a ß e i n so g r o ß e r K ö r p e r b e i m b l o ß e n V e r s c h w i n den der Leuchte zugrunde gehe. W ü r d e aber jemand sagen, d i e s e r K ö r p e r g e h e nicht zugrunde, sondern erscheine mit d e r Sonne und w e r d e mit ihr [um die E r d e ] geführt, w a s will m a n darauf antworten, d a ß bei Anbringung eines Körpers u m die Kerze d a s ganze innere H a u s v e r d u n k e l t w i r d ? A u c h scheint d a s Licht nicht u m d i e K e r z e z u s a m m e n g e d r ä n g t zu w e r d e n , d a d o r t n a c h QUAESTIO

67, 2

tur totum hemisphaerium usque ad punctum oppositum. — Est etiam aliud considerandum ex parte motus. Quia omne corpus habet motum naturalem determinatum: motus autem illuminationis est ad omnem partem, nec magis secundum circulum quam secundum rectitudinem. Unde manifestum est quod illuminatio non est motus localis alicujus corporis. Tertio, apparet idem ex parte generationis et corruptionis. Si enim lumen esset corpus, quando aer obtenebrescit per absentiam luminaris, sequeretur quod corpus luminis corrumperetur, et quod materia ejus acciperet aliam formam. Quod non apparet, nisi aliquis dicat etiam tenebras esse corpus. Nec etiam apparet ex qua materia tantum corpus, quod replet medium hemisphaerium, quotidie generetur. — Ridiculum est etiam dicere quod ad solam absentiam luminaris, tantum corpus corrumpatur. Si quis etiam dicat quod non corrumpitur, sed 6imul cum sole accedit et circumfertur: quid dici poterit de hoc, quod ad interpositionem alicujus corporis circa candelam, tota domus obscuratur? Nec videtur quod lumen congregetur circa

49

67, 2 her keine größere Helligkeit erscheint als vorher. — W e i l demnach alle diese Dinge nicht nur der Vernunft, sondern auch den Sinnen widerstreiten, muß man sagen: es ist unmöglich, daß das Licht ein Körper ist. Z u 1. Augustinus versteht unter Licht den selbstleuchtenden Körper, nämlich das Feuer, das unter den vier Grundstoffen der edelste ist. Zu 2. Aristoteles nennt das Licht Feuer, sofern dieses in seinem eigenen Stoff vorkommt, wie das Feuer im luftförmigen Stoff Flamme heißt und im irdischen Stoff Glut. — Doch ist auf diese Beweise, die Aristoteles in den Büchern der Logik anführt, nicht allzuviel Gewicht zu legen, weil er sie anführt als Wahrscheinlichkeitsbeweise nach der Meinung anderer. Z u 3. A l l e diese Dinge werden dem Licht in übertragenem Sinne zugeschrieben, w i e sie auch der W ä r m e zugeschrieben werden könnten. W e i l also die Ortsbewegung von Natur aus die erste aller Bewegungen ist (Aristoteles), gebrauchen wir die Ausdrücke, die von der Ortsbewegung genommen sind, auch bei der Beschaffenheitsveränderung und in allen Bewegungen. W i e auch der Name ,Abstand' vom Ort her auf alles übertragen ist, was zueinander in Gegensatz steht (Aristoteles). Q U A E S T I O 67, 2 candelam: quia non apparet ibi major claritas post quam ante. — Quia ergo omnia haec non solum rationi, sed sensui etiam repugnant, dicendum est quod impossibile est lumen esse corpus. A D P R I M U M ergo dicendum quod Augustinus accipit lucem pro corpore lucido in actu, scilicet pro igne, quod inter quatuor elementa nobilissimum est. A D S E C U N D U M dicendum quod Aristoteles ,lumen' nominat ignem in propria materia: sicut ignis in materia aerea dicitur ,flamma', et in materia terrea dicitur ,carbo'. — Non tarnen est multum curandum de eis exemplis quae Aristoteles inducit in libris logicalibus: quia inducit ea ut probabilia secundum opinionem aliorum. A D T E R T I U M dicendum quod omnia illa attribuuntur lumini metaphorice: sicut etiam possent attribui calori. Quia enim motus localis est naturaliter primus motuum, ut probatur 260a [Phys-, lib. 8, cap. 7 ] , utimur nominibus pertinentibus ad rao26 sqq. tum localem, in alteratione et in omnibus motibus: sicut etiam nomen ,distantiae' derivatum est a loco ad omnia contraria, 1055 a 20 ut dicitur in 10 Metaphys. [lib. 9, cap. 4 ] .

50

3. A R T I K E L Ist

das Licht

eine

67,

3

Beschaffenheit?

1. Jede Beschaffenheit bleibt in ihrem Träger, auch wenn das [die Beschaffenheit] Wirkende gewichen ist. So bleibt die Wärme im Wasser, auch wenn dieses vom Feuer entfernt wird. Das Licht aber bleibt nicht in der Luft, wenn die Leuchte sich entfernt. Also ist das Licht keine Beschaffenheit. 2. Jede sinnfällige Beschaffenheit hat ihren Gegensatz. So ist dem Warmen das Kalte entgegengesetzt und dem Weißen das Schwarze. Dem Licht aber ist nichts entgegengesetzt. Die Finsternis nämlich ist der Mangel des Lichtes. Also ist das Licht keine sinnfällige Beschaffenheit. 3. Die Ursache ist mächtiger als die Wirkung. Das Licht der Himmelskörper aber verursacht die Wesensformen in den Körpern hier unten. Zugleich gibt es das Besonderssein (das Geistigsein?!) den Farben, indem es die Farben wirklich sichtbar macht. Also ist das Licht keine sinnfällige Beschaffenheit, sondern eher eine Wesensform oder eine geistige Form. ANDERSEITS sagt Johannes von Damaskus, das Licht sei eine Beschaffenheit. A N T W O R T : Einige behaupteten, das Licht in der Luft QUAESTIO

67, s

ARTICULUS III U t r u m lux sit q u a l i t a s [2 Sent., dist. 1, art. 3 et 4; dist. 13, art. 3; de Spirit. Creat., art. 8 ad 12; 2 de Anima, lect. 14; 2 de Caelo et Mundo, leet. 10]

A D TERTIUM sic proceditur. Videtur quod lux non sit qualitas. Omnis enim qualitas permanet in subjecto etiam postquam agens discesserit; sicut calor in aqua postquam removetur ab igne. Sed lumen non remanet in aere recedente luminari. Ergo lumen non est qualitas. 2. PRAETEREA, omnis qualitas sensibilis habet contrarium; sicut calido contrariatur frigidum, et albo nigrum. Sed lumini nihil est contrarium: tenebra enim est privatio luminis. Ergo lumen non est qualitas sensibilis. 3. PRAETEREA, causa est potior effectu. Sed lux caelestium corporum causat formas substantiales in istis inferioribus. Dat etiam esse spirituale coloribus: quia facit eos visibiles actu. Ergo lux non est aliqua qualitas sensibilis, sed magis substantialis forma, aut spiritualis. SED CONTRA est quod Damascenus dicit [De Fide Orth., MPG lib. 1, cap. 9] quod lux est quaedam qualitas. 94/815 RESPONDEO dicendum quod quidam dixerunt quod lumen

4*

51

67, 3 habe kein naturwirkliches Sein, wie die Farben auf der Wand, sondern ein intentionales 1 Sein, wie die Ähnlichkeit der Farbe in der Luft. — Doch das kann aus zwei Gründen nicht sein. Erstens, weil die Luft nach dem Lichte benannt wird. Denn die Luft wird wirklich leuchtend durch das Licht. Nach der Farbe aber wird die Luft nicht benannt; denn man spricht nicht von gefärbter Luft. Zweitens: Das Licht hat eine Wirkung in der Natur, denn durch die Sonnenstrahlen werden die Körper warm: gemeinte Dinge aber erzeugen [als solche ] keine naturwirklichen Veränderungen. Andere sagten: Das Licht ist die Wesensform der Sonne. Aber auch das ist aus zwei Gründen unmöglich. Erstens ist keine Wesensform an sich sinnfälliger Natur, denn das Wesen, die Washeit, ist Gegenstand des Verstandes (Aristoteles). Das Licht ist aber an sich sinnfälliger Natur. — Zweitens kann das, was Wesensform im einen ist, nicht Eigenschaftsform im anderen sein. Denn der Wesensform als solcher kommt es zu, das Ding in seiner Art zu erstellen. Darum ist sie immer und in allen Dingen [der Art] ihm gegenwärtig. Das Licht ist aber keine Wesensform der Luft, sonst würde diese beim Schwinden des Lichtes zerstört werden. Das Licht kann also nicht Wesensform der Sonne sein. Also ist zu sagen: Wie die Wärme als wirkmächtige QUAESTIO

67, 3

in aere non habet esse naturale, sicut color in pariete; sed esse intentionale, sicut similitudo coloris in aere. — Sed hoc non potest esse, propter duo. Primo quidem, quia lumen denominat a e r e m : fit enim aer luminosus in actu. Color vero non denominat ipsum: non enim dicitur aer coloratus. — Secundo, quia lumen habet effectum in natura: quia per radios solis calefiunt corpora. Intentiones autem non causant transmutationes naturales. Alii vero dixerunt quod lux est forma substantialis solis. — Sed hoc etiam apparet impossibile, propter duo. Primo quidem, quia nulla forma substantialis est per se sensibilis: quia „quod 430b 27 quid est" est objectum intellectus, ut dicitur [De anima, lib. 3, cap. 6 ] . L u x autem est secundum se visibilis. — Secundo, quia impossibile est ut id quod est forma substantialis in uno, sit forma accidentalis in alio: quia formae substantiali per se convenit constituere in specie; unde Semper et in omnibus adest ei. L u x autem non est forma substantialis aeris: alioquin, ea recedente, corrumperetur. Unde non potest esse forma substantialis solis. Dicendum est ergo quod, sicut calor est qualitas activa con1 Vgl. Bd. 1

52

9 . 398

Anm. [155].

Beschaffenheit aus der Wesensform des Feuers fließt, so 67, 3 ist das Licht eine wirkmächtige Beschaffenheit, die aus der Wesensform der Sonne hervorgeht oder irgendeines anderen selbstleuchtenden Körpers, wenn es einen solchen gibt. Ein Zeichen d a f ü r ist dies, daß die Strahlen verschiedener Sterne auch verschiedene Wirkungen haben, nach der verschiedenen Natur der Körper. Z u 1. Da die Beschaffenheit der Wesensform folgt, verhält sich der Träger zur Aufnahme der verschiedenen Beschaffenheiten ähnlich wie zur Annahme verschiedener Wesensformen. Wenn nämlich der Stoff die Form vollkommen aufnimmt, erlangt auch die [der F o r m ] folgende Beschaffenheit eine hohe Beständigkeit; wie z. B. wenn Wasser in Hitze übergeht. Wenn aber die Wesensform unvollkommen aufgenommen wird, wie wenn die Aufnahme nur eingeleitet wäre, so bleibt die Beschaffenheit zwar eine Zeitlang, aber nicht immer. So z. B. beim erwärmten Wasser, das zu seiner Natur zurückkehrt. Die Erleuchtung geschieht aber nicht durch eine Umwandlung des Stoffes, wie sie für die Aufnahme einer neuen Wesensform notwendig ist, sondern ist nur wie ein Anfang der Form. Und deshalb bleibt das Licht nur in Gegenwart des Wirkenden [nämlich der Leuchte]. Z u 2. Es ist dem Lichte zufällig, daß es keinen Gegensatz hat, sofern es die natürliche Beschaffenheit des ersten verändernden Körpers ist, der von dem Gesetz des Gegensatzes frei ist. QUAESTIO

67, 3

sequens formam substantialem ignis, ita lux est qualitas activa consequens formam substantialem solis, vel cujuscumque alterius corporis a se lucentis, si aliquod aliud tale est. Cujus Signum est, quod radii diversarum stellarum habent diversos effectus, secundum diversas naturas corporum. AD PRIMUM ergo dicendum quod, cum qualitas consequatur formam substantialem, diversimode se habet subjectum ad receptionem qualitatis, sicut se habet ad receptionem formae. Cum enim materia perfecte recipit formam, firmiter stabilitur etiam qualitas consequens formam; sicut si aqua convertatur in ignem. Cum vero forma substantialis recipitur imperfecte, secundum inchoationem quamdam, qualitas consequens manet quidem aliquandiu, sed non Semper; sicut patet in aqua calefacta, quae redit ad suam naturam. Sed illuminatio non fit per aliquam transmutationem materiae ad susceptionem formae substantialis, ut fiat quasi inchoatio aliqua formae. Et ideo lumen non remanet nisi ad praesentiam agentis. AD SECUNDUM dicendum quod accidit luci quod non habeat contrarium, inquantum est qualitas naturalis primi corporis alterantis, quod est a contrarietate elongatum.

53

4

Z u 3. Wie die Wärme in der Kraft der Wesensform gleichsam werkzeuglich auf die Feuerform hinwirkt, so wirkt das Licht gleichsam werkzeuglich in Kraft der Himmelskörper auf die Hervorbringung der Wesensformen und darauf, daß die Farben in Wirklichkeit sichtbar werden, insoweit es eine Beschaffenheit des ersten sinnfälligen Körpers ist. 4. War es angemessen,

ARTIKEL daß das Licht am ersten Tage erschaffen wurde?

1. Nach dem [im vorigen Artikel] Gesagten ist das Licht eine Beschaffenheit. Die Beschaffenheit aber hat als Eigenschaft nicht die Natur des Ersten, sondern mehr die Natur des Letzten. Also durfte das Licht nicht am ersten Tage erschaffen werden. 2. Durch das Licht wird die Nacht unterschieden vom Tag. Das geschieht aber durch die Sonne, deren Schöpfung auf den vierten Tag angesetzt wird. Also durfte die Hervorbringung des Lichtes nicht auf den ersten Tag angesetzt werden. 3. Nacht und Tag entstehen durch die Kreisbewegung des leuchtenden Körpers. Die Kreisbewegung aber ist der Himmelsfeste eigen, die nach der Schrift am zweiten Tage geschaffen wurde. Also durfte die Hervorbringung QUAESTIO

67, i

AD TERTIUM dicendum quod, sicut calor agit ad formam ignis quasi instrumentaliter in virtute formae substantialis, ita lumen agit quasi instrumentaliter in virtute corporum caelestium ad producendas formas substantiales; et ad hoc quod faciat colores visibiles actu, inquantum est qualitas primi corporis sensibilis. A R T I C U L U S IV U t r u m c o n v e n i e n t e r l u c i s p r o d u c t i o in die ponatur [Inira, q. 69, art. 1;

2 Seilt., dist. 13, art. 4;

prima

ad Gal. 4, leot. 6]

AD QUARTUM sie proceditur. Videtur quod inconvenienter lucis productio in prima die ponatur. Est enim lux qualitas quaedam, ut dictum est. Qualitas autem cum sit accidens, non habet rationem primi, sed magis rationem postremi. Non ergo prima die debet poni productio lucis. 2. PRAETEREA, per lucem distinguitur nox a die. Hoc autem fit per solem, qui ponitur factus die quarta. Ergo non debuit poni productio lucis prima die. 3. PRAETEREA, nox et dies fit per circularem motum corporis lucidi. Sed circularis motus est proprius firmamenti, quod

54

des Lichtes, das Nacht und Tag scheidet, nicht am ersten 67, 4 Tage angesetzt werden. 4. Wenn man sagt, das sei von dem geistigen Lichte zu verstehen, so steht dagegen: Das Licht, das nach der Schrift am ersten Tage geschaffen wurde, bringt die Scheidung von der Finsternis. Am Anfang aber gab es noch keine geistige Finsternis: denn auch die Dämonen waren im Anfang gut (63, 5). Also durfte die Erschaffung des Lichtes nicht am ersten Tage erfolgen. ANDERSEITS: Dasjenige, ohne das es den Tag nicht geben kann, mußte am ersten Tage werden. Ohne Licht aber kann es den Tag nicht geben. Also mußte das Licht am ersten Tage werden. ANTWORT: In der Frage der Erschaffung des Lichtes besteht eine doppelte Auffassung. Augustinus scheint nämlich zu behaupten, daß es nicht angebracht gewesen wäre, wenn Moses die Schöpfung der geistigen Welt übergangen hätte. So sagt er: Wenn es heiße: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde", so sei unter ,Himmel' die noch ungestalte geistige Schöpfung zu verstehen, unter ,Erde' aber die ungestalte Masse der Körperweit. Weil nun die geistige Welt würdiger ist als die körperliche, war sie früher zu formen. Die Formung der geistigen Welt wird durch die Erschaffung des Lichtes zum Ausdruck gebracht, so daß es also vom geistigen Lichte zu verstehen ist. Die Formung der GeistQUAESTIO

67, 4

legitur factum die secunda. Ergo non debuit poni in prima die productio lucis distinguentis noctem et diem. 4. Si dicatur quod intelligitur de luce spirituali, contra: Lux quae legitur facta prima die, facit distinctionem a tenebris. Sed non erant in principio spirituales tenebrae: quia etiam daemones fuerunt a principio boni, ut supra dictum est. Non ergo prima die debuit poni productio lucis. SED CONTRA, id sine quo non potest esse dies, oportuit fieri in prima die. Sed sine luce non potest esse dies. Ergo oportuit lucem fieri prima die. RESPONDEO dicendum quod de productione lucis est duplex opinio. Augustinus enim [De Civ. Dei, lib. 11, cap. 9 et 33] MPL 41 videtur dicere q u o d 1 non fuerit conveniens Moysen prae- 323/347 termisisse spiritualis creaturae productionem. Et ideo dicit 523/562° quod, cum dicitur, „In principio creavit Deus caelum et terram", per ,caelum' intelligitur spiritualis natura adhuc informis, per ,terram' autem intelligitur materia informis corporalis creaturae. Et quia natura spiritualis dignior est quam corporalis, fuit prius formanda. Formatio igitur spiritualis naturae significatur in productione lucis, ut intelligatur de luce spirituali: 1 L: Augustino enim videtur quod.

55

67, 4 natur geschieht nämlich durch eine Erleuchtung, kraft deren sie dem WORTE Gottes anhängt. Andere meinen, die Hervorbringung der geistigen Welt habe Moses übergangen. Den Grund dafür aber geben sie verschieden an. Basilius meint so: Moses beginnt seine Erzählung mit dem ,Anfang', der zu der Zeit der sinnfälligen Dinge gehört. Die Geistnatur aber, d. h. die Engelnatur, wird übergangen, weil sie vorher geschaffen wurde. — Chrysostomus hat eine andere Erklärung: Moses sprach zu dem ungebildeten Volke, das nur Sinnfälliges fassen kann, und das er überdies vom Götzendienst zurückhalten wollte. Sie hätten aber einen Anlaß zum Götzendienst darin gefunden, wenn man ihnen von Wesen geredet hätte, die über alle Körpernatur erhaben waren. Sie hätten diese für Götter gehalten. Waren sie doch sogar bereit, Sonne und Mond und Sterne als Götter zu verehren, was ihnen Dt 4, 19 verboten wird. Nun war eine vielfache Ungeformtheit der Körperweit vorausgeschickt worden. Eine ist angedeutet mit den Worten: „Die Erde war wüst und leer." Die andere mit den Worten: „Finsternis lag über dem Abgrunde (über der Urflut)." Es war aber notwendig, daß die Ungeformtheit der Finsternis zuerst beseitigt wurde durch die Erschaffung des Lichtes. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil das Licht, wie gesagt, eine Beschaffenheit QUAESTIO

67, 4

formatio enim naturae spiritualis est per hoc quod illuminatur ut adhaereat Verbo Dei. Aliis autem videtur quod sit praetermissa a Moyse productio spiritualis creaturae. Sed hujus rationem diversimode assiMPG gnant. Basilius enim [hom. 1 in Hexaem.] dicit quod Moyses 29/14 principium narrationis suae fecit a principio quod ad tempus pertinet sensibilium rerum; sed spiritualis natura, id est angelica, praetermittitur, quia fuit ante creata. — Chrysostomus MPG autem [hom. 2 in Gen.] assignat aliam rationem. Quia Moyses 53/29 loquebatur rudi populo, qui nihil nisi corporalia potest capere; quem etiam ab idololatria revocare volebat. Assumpsissent autem idololatriae occasionem, si propositae fuissent eis aliquae substantiae supra omnes corporeas creaturas: eas enim reputassent deos, cum etiam proni essent ad hoc quod solem et lunam et stellas colerent tanquam deos; quod eis iuhibetur Deuter. 4. Praemissa autem fuerat circa creaturam corporalem multiplex intormitas: una quidem in hoc quod dicebatur, „terra erat inanis et vacua"; alia vero in hoc quod dicebatur, „tenebrae erant super faciem abyssi". Necessarium autem fuit ut intormitas tenebrarum primo removeretur per lucis productionem, propter duo. Primo quidem, quia lux, ut dictum est, est quali-

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des ersten Körpers ist, also mußte die Welt zuerst auf 67, 4 diese Beschaffenheit hin geformt werden. — Zweitens, wegen der Gemeinsamkeit des Lichtes, denn die niederen und höheren Körper kommen in ihm überein. Wie man nun in der Erkenntnis vom Gemeinsameren ausgeht, so auch in der Tätigkeit. Denn vor dem Sinnenwesen wird das Lebendige und vor dem Menschen das Sinnenwesen gezeugt, wie es im Buche über die Zeugung der Tiere heißt. So mußte also die Ordnung der göttlichen Weisheit dadurch offenbar werden, daß unter den Werken der Scheidung das Licht als die Form des ersten Körpers und als das, was gemeinsamer war, geschaffen wurde. — Basilius führt noch einen dritten Grund an: weil durch das Licht alle Dinge erst offenbar werden. — Man kann noch einen vierten Grund hinzufügen, der in den Einwänden berührt wurde: Ohne Licht kann es den Tag nicht geben. Also mußte das Licht am ersten Tage geschaffen werden. Z u 1. Der Auffassung zufolge, nach welcher die Ungeformtheit des Stoffes der Formung zeitlich vorausging, muß man sagen, daß der Stoff von Anfang an unter den Wesensformen geschaffen, später aber geformt wurde nach den verschiedenen Eigenschaftsformen, unter denen das Licht an erster Stelle steht. Z u 2. Einige sagen, jenes Licht sei eine lichte Wolke QUAESTIO

67, 4

tas primi corporis: unde secundum eam primo fuit mundus formandus. — Secundo, propter communitatem lucis: communicant enim in ea inferiora corpora cum superioribus. Sicut autem in cognitione proceditur a communioribus, ita etiam in operatione: nam prius generatur vivum quam animal, et animal quam homo, ut dicitur in lib. de Generatione animalium [lib. 2, 736b 2 cap. 3]. Sic ergo oportuit ordinem divinae sapientiae manifestad, u t 1 inter opera distinctionis produceretur lux, tanquam primi corporis forma, et tanquam communior. — Basilius MPG [hom. 2 in Hexaem.] tarnen posuit tertiam rationem: quia per 29 / 43 lucem omnia alia manifestantur. — Potest et quarta ratio addi, quae in objiciendo est tacta: quia dies non potest esse sine luce; unde oportuit in prima die fieri lucem. AD PRIMUM ergo dicendum quod, secundum opinionem quae ponit informitatem materiae duratione praecedere formationem, oportet dicere quod materia a principio fuerit creata sub formis substantialibus; postmodum vero fuerit formata secundum aliquas conditiones accidentales, inter quas primum locum obtinet lux. AD SECUNDUM dicendum quod quidam dicunt lucem illam 1

L addit: primo. — P: prima.

57

67, 4 gewesen, die später nach der Erschaffung der Sonne in den vorliegenden Stoff zurückgekehrt sei. Doch das geht nicht an. Denn die Hl. Schrift erzählt im Anfang der Genesis die Erschaffung der Natur, wie sie nachher bleiben sollte. Man kann also nicht sagen, daß damals etwas geschaffen wurde, was nachher wieder aufhörte zu sein. — Und so sagen andere, daß jene lichte Wolke noch besteht und derart mit der Sonne verbunden ist, daß sie von ihr nicht unterschieden werden kann. Aber dann wäre die lichte Wolke überflüssig, und in den Werken Gottes ist nichts umsonst. — Deshalb sagen wieder andere: Aus jener Wolke wurde der Sonnenkörper gebildet. Aber auch das kann man nicht sagen, wenn man annimmt, daß der Sonnenkörper nicht die Natur der vier Grundstoffe hat, sondern seiner Natur nach unvergänglich ist; denn dann kann ihr Stoff nicht unter einer anderen Wesensform sein. Darum muß man mit Dionysius annehmen, daß jenes Licht das Licht der Sonne selbst war, aber noch ungeformt. Es war zwar schon das Wesen der Sonne da und sie hatte auch schon eine Leuchtkraft im allgemeinen; nachher aber wurde ihr eine Kraft eigener und bestimmter Art verliehen zur Erzielung besonderer Wirkungen. Demnach ist also bei der Hervorbringung dieses Lichtes das Licht von der Finsternis geschieden nach drei Seiten: Zunächst in bezug auf die Ursache: denn in der Sonne haben wir die Ursache des Lichtes, in der QL'.VESTIO

67,

4

fuisse quamdam nubem lucidam, quae postmodum, facto sole, in materiam praejacentem rediit. Sed istud non est conveniens. Quia Scriptura in principio ,Genesis' commemorat institutionem naturae, quae postmodum perseverat: unde non debet dici quod aliquid tune factum fuerit, quod postmodum esse desierit. — Et ideo alii dicunt quod illa nubes lucida adhuc remanet, et est conjuncta soli, ut ab eo discerní non possit. Sed secundum hoc, illa nubes superflua remaneret: nihil autem est vanum in operibus Dei. — Et ideo alii dicunt quod ex illa nube formatum est corpus solis. Sed hoc etiam dici non potest, si ponatur corpus solis non esse de natura quatuor elementorum, sed esse incorruptibile per naturam: quia secundum hoc, materia ejus non potest esse sub alia forma. MPG Et ideo est dicendum, ut Dionysius dicit 4. cap. de Div. Nom., 3/698 q U od illa lux fuit lux solis, sed adhuc informis, quantum ad hoc, quod jam erat substantia solis, et habebat virtutem illuminativam in communi; sed postmodum data est ei specialis et determinata virtus ad particulares effectus. Et secundum hoc, in produetione hujus lucis distineta est lux a tenebris, quantum ad tria. Primo quidem, quantum ad causam: secundum quod

58

Undurchsichtigkeit der E r d e aber die Ursache der Fin- 67, 4 sternis. Zweitens in bezug auf den Ort: denn in der einen Himmelshälfte war das Licht, in der anderen die Finsternis. Drittens in bezug auf die Zeit: denn in derselben Himmelshälfte war in der einen Zeitspanne Licht, in der anderen Finsternis. Deshalb heißt es: „Das Licht nannte E r Tag und die Finsternis Nacht." Z u 3. Basilius sagt, Licht und Finsternis seien damals entstanden durch die Aussendung und Zusammenziehung des Lichtes und nicht durch Bewegung. — Doch dem hält Augustinus entgegen, es bestünde kein Grund für diesen Wechsel von Aussendung und Zusammenziehung des Lichtes, da es noch keine Menschen und keine Tiere gegeben habe, für die das hätte nützlich sein können. — Außerdem liegt das nicht in der Natur des leuchtenden Körpers, daß er sein Licht zurückzieht, solange er gegenwärtig ist. Das kann nur durch Wunder geschehen. Bei der ersten Erschaffung der Natur aber wird nicht nach Wundern gefragt, sondern nach der Natur der Dinge (Augustinus). Man muß also sagen: E s gibt eine doppelte Bewegung a m Himmel — eine, die dem ganzen Himmel gemeinsam ist, durch die Tag und Nacht bestimmt wird: sie wurde am ersten Tage festgelegt. Eine andere Bewegung aber gibt es, die nach den verschiedenen Körpern verQUAESTIO

67, 4

in substantia solis erat causa luminis, in opacitate autem terrae causa tenebrarum. Secundo, quantum ad locum: quia in uno hemisphaerio erat lumen, in alio tenebrae. Tertio, quantum ad tempus: quia in eodem hemisphaerio secundum unam partem temporis erat lumen, secundum aliam tenebrae. Et hoc est quod dicitur: „lucem vocavit Diem, et tenebras Noctem." AD TERTIUM dicendum quod Basilius [hom. 2 in Hexaem.] MPG dicit lucem et tenebras tunc fuisse per emissionem et con- 2 9 / 4 7 tractionem luminis, et non per motum. — Sed contra hoc objicit Augustinus [De Gen. ad litt., lib. 1, cap. 16] quod MPL nulla ratio esset hujus vicissitudinis emittendi et retrahendi JÄ^® luminis; cum homines et animalia non essent, quorum usibus o.s/ s hoc deserviret. — Et praeterea hoc non habet natura corporis lucidi, ut retrahat lumen in sui praesentia, sed miraculose potest hoc fieri: in prima autem institutione naturae non quaeritur miraculum, sed quid natura rerum habeat, ut Augustinus MPL 34/263 dicit [De Gen. ad litt., lib. 2, cap. 1]. CSEL28/33 Et ideo dicendum est quod duplex est motus in caelo. Unus communis toti caelo, qui fecit 1 diem et noctem: et iste videtur institutus primo die. Alius autem est, qui diversificatur per diversa corpora; secundum quos motus fit diversitas dierum ad 1

P et L addunt: facit.

59

67, 4 schieden ist. Auf Grund dieser Bewegungen entsteht die Verschiedenheit der Tage unter sich, der Monate und Jahre. So wird also am ersten Tage nur der Unterschied von Tag und Nacht erwähnt, der durch die gemeinsame Bewegung entsteht. Am vierten Tage aber wird die Verschiedenheit der Tage und Monate und Jahre erwähnt, wo es heißt: „ [ E s sollen Leuchten werden an der Himmelsfeste und ] sie sollen dienen zu Zeiten und Tagen und Jahren." Dieser Unterschied entsteht durch die besonderen Bewegungen. Zu 4. Nach Augustinus geht die Ungeformtheit der Formung nicht zeitlich voraus. Also muß man sagen, daß unter der Hervorbringung des Lichtes die Formung der geistigen Schöpfung verstanden ist; nicht die vollkommene Formung, die durch die Glorie vollendet wurde, mit der sie nicht geschaffen wurde; sondern jene Formung, die durch die Gnade vollendet wird, mit der sie geschaffen wurde (62, 3; Bd. 4). Durch dieses Licht ist also die Scheidung von der Finsternis vollzogen, d. h. von der Ungeformtheit der anderen, noch nicht geformten Schöpfung. Oder aber, wenn die ganze Schöpfung zugleich in ihrer fertigen Gestalt geschaffen wurde, so wurde die Scheidung nicht von jenen geistigen Finsternissen vollzogen, die damals waren — denn der Teufel wurde nicht als böser Engel geschaffen —, sondern von jenen Finsternissen, die Gott als zukünftig voraussah. QUAESTIO

67, 4

invicem, et m e n s i u m et a n n o r u m . Et ideo i n p r i m a d i e fit mentio d e sola distinctione noctis et diei, q u a e fit p e r m o t u m communem. I n q u a r t a a u t e m d i e fit mentio d e diversitate d i e r u m et t e m p o r u m et a n n o r u m , c u m dicitur, „ut sint in temp o r a et dies et a n n o s " ; q u a e q u i d e m diversitas fit p e r motus proprios. A D Q U A R T U M dicendum quod, secundum Augustinum [De MPL G e n . ad litt., lib. 1, cap. 15] i n f o r m i t a s non p r a e c e d i t f o r m a t i o 34/257 n e m duratione. U n d e oportet d i c e r e q u o d p e r lucis p r o d u c 28/21 tionem intelligatur f o r m a t i o spiritualis c r e a t u r a e , n o n q u a e est p e r g l o r i a m p e r f e c t a , c u m q u a creata non f u i t ; sed q u a e est p e r g r a t i a m , 1 cum q u a creata fuit, ut dictum est. P e r hanc e r g o l u c e m facta est divisio a tenebris, id est a b i n f o r m i t a t e alterius c r e a t u r a e non f o r m a t a e . S e d 2 si tota c r e a t u r a simul f o r m a t a fuit, facta est distinctio a t e n e b r i s spiritualibus, non q u a e tunc essent ( q u i a d i a b o l u s n o n f u i t creatus m a l u s ) ; sed quas Deus futuras praevidit. P et L addunt: perfecta. 2 L: Vel.

1

60

68.

VOM WERK

FRAGE

DES ZWEITEN

TAGES

Hierauf betrachten wir das Werk des zweiten Tages. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Ist die Feste am zweiten Tage geschaffen worden? 2. Gibt es Wasserfluten über der Feste? 3. Scheidet die Feste Wasser von Wasser? 4. Gibt es nur einen Himmel oder mehrere? Ist die Feste

1. A R T I K E L am zweiten Tage geschaffen

worden?

1. Genesis 1, 8 heißt es: „Gott nannte die Feste Himmel." Der Himmel aber ist v o r allem Tag geschaffen worden, denn es heißt: „Im Anfang hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde." Also ist die Feste nicht am zweiten Tage geschaffen worden. 2. Die Werke der sechs Tage folgen einander nach der Ordnung der göttlichen Weisheit. Es würde nun der göttlichen Weisheit nicht entsprechen, später zu tun, was von Natur aus früher ist. Die Feste aber ist von Natur aus früher als Wasser und Erde, die doch vor der am ersten Tage erfolgten Formung des Lichtes erwähnt

QUAESTIO

LXVIII

DE OPERE SECUNDAE DIEI Deinde considerandum est de opere secundae diei. Circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum firmamentum sit factum secunda die. — 2. Utrum aliquae aquae sint supra firmamentum. — 3. Utrum firmamentum dividat aquas ab aquis. — 4. Utrum sit unum caelum tantum, vel plures. Utrum

ARTICULUS I f i r m a m e n t u m sit factum

secunda

die

[De Pot., q. 4, art. 1 ad 15]

AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod firmamentum non sit factum secunda die. Dicitur enim Gen. 1: „Vocavit Deus firmamentum caelum." Sed caelum factum est ante omnem diem, ut patet cum dicitur: „In principio creavit Deus caelum et terram." Ergo firmamentum non est factum secunda die. 2. PRAETEREA, opera sex dierum ordinantur secundum ordinem divinae sapientiae. Non conveniret autem divinae sapientiae, ut posterius faceret quod est naturaliter prius. Firmamentum autem est naturaliter prius aqua et terra: de quibus

61

68, i werden. Also ist die Feste nicht am zweiten Tage erschaffen worden. 3. Alles, was während der sechs Tage erschaffen worden ist, ist aus d e m bereits früher geschaffenen Stoff geformt worden. Die Feste aber konnte nicht aus einem schon vorhandenen Stoff gebildet werden, weil sie dann dem Werden und Vergehen verfallen wäre. Also ist die Feste nicht am zweiten Tage geschaffen worden. ANDERSEITS heißt es Genesis 1, 6 : „Gott sprach: E s werde die F e s t e " , und nachher folgt: „Es ward Abend und Morgen: zweiter Tag." ANTWORT: Wie Augustinus lehrt, sind in solchen Fragen zwei Dinge zu beachten: Erstens muß der wahre Sinn der Hl. Schrift unerschüttert gewahrt werden. Zweitens: Da die Hl. Schrift eine vielfache Auslegung zuläßt, darf niemand einer Auslegung so fest anhängen, daß er trotz eines sicheren Beweisgrundes für die Unrichtigkeit einer Auslegung nichtsdestoweniger es wagt, sie zu vertreten, damit die Hl. Schrift nicht deswegen von den Ungläubigen verlacht und ihnen der Weg zum Glauben dadurch versperrt werde. Man muß also wissen, daß der Satz: Die Feste ist am zweiten Tage geschaffen worden, doppelt verstanden werden kann. Einmal von der Feste, an der die Sterne sich bewegen, und in dieser Hinsicht müssen wir verQUAESTIO 68, l tarnen fit mentio ante formationem lucis, quae fuit prima die. Non ergo firmamentum factum est secunda die. 3. PRAETEREA, omne quod est factum per sex dies, formatum est ex materia prius creata ante omnem diem. Sed firmamentum non potuit formari ex materia praeexistente: quia sic esset generabile et corruptibile. Ergo firmamentum non est factum secunda die. SED CONTRA est quod dicitur Gen. 1: „Dixit Deus, Fiat firmamentum." Et postea sequitur: „Et factum est vespere et mane dies secundus." RESPONDEO dicendum quod, sicut Augustinus docet [De MPL Gen. ad litt., lib. 1, cap. 18], in hujusmodi quaestionibus duo s u n csel * observanda. Primum quidem, ut Veritas Scripturae in28/27 concusse teneatur. Secundum, cum Scriptura divina multipliciter exponi possit, quod nulli expositioni aliquis ita praecise inhaereat, ut si certa ratione constiterit hoc esse falsum, quod aliquis sensum Scripturae esse credebat, id nihilominus asserere praesumat: ne Scriptura ex hoc ab infidelibus derideatur, et ne eis via credendi praecludatur. Sciendum est ergo quod hoc quod legitur firmamentum secunda die factum, dupliciter intelligi potest. Uno modo, de firmamento in quo sunt sidera. Et secundum hoc, oportet nos

62

schieden erklären, je nach den verschiedenen Auffas- 68, 1 sungen der Menschen über die Feste. Manche nämlich haben gesagt, die Feste sei aus den Grundstoffen zusammengesetzt; das war die Meinung des Empedokles, der allerdings die Einschränkung machte, dieser Körper sei unvergänglich, weil in seiner Zusammensetzung kein Streit, sondern Freundschaft walte. — Andere hingegen meinten, die Feste sei von der Natur der vier Grundstoffe, nicht als ob sie aus den Grundstoffen zusammengesetzt sei, sondern gleichsam als einfacher Grundstoff; das w a r die Auffassung Piatos, der annahm, der Himmelskörper sei der Grundstoff Feuer. — Wieder andere sagten, die Feste sei nicht von der Natur der vier Grundstoffe, sondern ein fünfter Grundstoff neben den vier Grundstoffen. Das ist die Auffassung des Aristoteles. Nach der ersten Auffassung könnte man schlechthin zugeben, daß die Feste am zweiten Tage geschaffen wurde, auch ihrem Wesen nach, denn es gehört zum Werk der Schöpfung, das Wesen der Grundstoffe selbst hervorzubringen, wie es zum Werk der Scheidung und Ausschmückung gehört, aus dem schon vorhandenen Grundstoffe die Geschöpfe zu bilden. — Nach der Auffassung Piatos dagegen ist es nicht sinnvoll, die Feste ihrem Wesen nach als am zweiten Tage geschaffen anzusehen, denn die Feste schaffen heißt nach dieser Auffassung: den Grundstoff Feuer hervorbringen. Die HerQ U A E S T I O 68. 1 diversimode exponere, secundum diversas opiniones hominum de firmamento. Quidam enim dixerunt fìrmamentum illud esse ex elementis compositum. Et haec fuit opinio Empedoclis; qui tarnen dixit ideo illud corpus indissolubile esse, quia in ejus compositione Iis non erat, sed amicitia tantum. — A l i i vero dixerunt firmamentum esse de natura quatuor elementorum, non quasi e x elementis compositum, sed quasi elementum simplex. Et haec opinio fuit Piatonis, qui posuit corpus caeleste esse elementum ignis. — Alii vero dixerunt caelum non esse de natura quatuor elementorum, sed esse quintum corpus, praeter quatuor elementa. Et haec est opinio Aristotelis 269 a 9 s 1 8 2 primo fiebat mentio, intelligitur materia prima: nunc autem intelligitur ipsum elementum terrae. — Vel potest dici, secundum Basilium, quod primo nominabatur terra secundum naturam MPG suam: nunc autem nominatur ex sua principali p r o p r i e t a t e , 2 9 / 9 0 quae est siccitas. Unde dicitur quod „vocavit aridam , T e r r a m ' " . — Vel potest dici, secundum Rabbi Moysen, quod ubicumque dicitur ,vocavit', significatur aequivocatio nominis. Unde prius dictum est quod „vocavit lucem , D i e m ' " : propter hoc quod etiam ,dies' vocatur spatium viginti quatuor horarum, secundum quod ibidem dicitur, „Factum est vespere et mane dies unus".

87

2 ward Abend und Morgen: ein Tag." Desgleichen ist zu sagen: „Er nannte die Feste", d. h. die Luft, „Himmel", weil mit dem Ausdruck ,Himmel' auch das bezeichnet wird, was zuerst geschaffen wurde. Desgleichen heißt es: „Er nannte das trockene Land", d. h. jene Fläche, die vom Wasser frei ist, „Erde", insofern sie gegen das Meer unterschieden wird, wiewohl der Name ,Erde' gemeinsam ist für alles Land, ob es nun vom Wasser bedeckt oder frei ist. — Überall aber hat die Formel: Er nannte, den Sinn: Er verlieh den Dingen gerade d i e Natur oder d i e Eigenschaft, die eine solche Benennung begründete. '2. A R T I K E L Ist es sinnvoll, daß die Hervorbringung der Pflanzen der Schrift auf den dritten Tag verlegt wird?

von

1. Die Pflanzen haben Leben wie auch die Tiere. Doch wird die Erschaffung der Tiere nicht unter die Werke der Scheidung gerechnet, sie gehört vielmehr zum Werk der Ausschmückung. Also durfte auch die Erschaffung der Pflanzen nicht am dritten Tage berichtet werden, der dem Werk der Scheidung zugehört. 2. Was mit der Verfluchung der Erde zusammenhängt, durfte nicht mit der Formung der Erde zusammen beQ U A E S T I O 69, 2

Similiter dicendum est 1 quod „firmamentum", id est aerem, „vocavit Caelum": quia etiam ,caelum' dicitur quod est primo creatum. Similiter etiam dicitur quod „aridam", id est illam partem quae est discooperta aquis, „vocavit Terram", prout distinguitur contra mare: quamvis communi nomine ,terra' vocetur, sive sit aquis cooperta, sive discooperta. — Intelligitur autem ubique per hoc quod dicitur ,vocavit', id est dedit naturam vel proprietatem, ut possit sie vocari. A R T I C U L U S II Utrum plantarum produetio convenienter tertia die facta legatur [Infra, q. 102, art. 1 ad 5;

2 Sent., dist. 14, art. 4 ad 6 sqq., q. 4, art. 1 ad 28]

de

Pot,

AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod plantarum produetio inconvenienter tertia die facta legatur. Plantae enim habent vitam sicut et animalia. Sed produetio animalium non ponitur inter opera distinetionis, sed pertinet ad opus ornatus. Ergo nec produetio plantarum commemorari debuit in tertia die, quae pertinet ad opus distinetionis. 2. PRAETEREA, illud quod pertinet ad maledictionem terrae, non debuit commemorari cum formatione terrae. Sed produc1

88

I.: dicitur

richtet werden. Die Erschaffung mancher Pflanzen aber 69, 2 hängt mit der Verfluchung d e r E r d e zusammen, denn es heißt Gen 3, 17. 1 8 : „Die E r d e sei verflucht in deiner Arbeit; Dornen und Disteln soll sie dir tragen." Also durfte die Erschaffung der gesamten Pflanzenwelt nicht am dritten Tage erwähnt werden, welcher der Formung der E r d e zugehört. " 3. W i e die Pflanzen in der E r d e stecken, so auch die Steine und die Metalle. Und doch werden diese bei der Formung der E r d e nicht erwähnt. Also durften auch die Pflanzen a m dritten Tage nicht erwähnt werden. ANDERSEITS steht Gen 1, 1 2 : „Die E r d e brachte grünes Gras hervor" und nachher heißt es: „Es ward Abend und Morgen: dritter Tag." ANTWORT: Am dritten Tage wird die Ungeformtheit der E r d e behoben. E s war aber von einer doppelten Ungeformtheit der E r d e die R e d e : einmal war sie unsichtbar oder wüst, weil mit W a s s e r bedeckt. Sodann w a r sie ungefüge oder leer, d. h. ohne den notwendigen Schmuck, welcher der E r d e erwächst aus den Pflanzen, die gleichsam ihr Kleid bilden. So wird also beiderlei Ungeformtheit am dritten Tage behoben; die erste dadurch, daß die W a s s e r sich an einem Orte sammeln und das trockene Land emportaucht; die zweite dadurch, daß die E r d e grünes Gras hervorbringt. Q U A

K S T I O

69.

2

tio quarumdam plantarum pertinet ad maledictionem terrae; secundum illud Gen. 3: „Maledicta terra in opere tuo, spinas et tribuios germinabit tibi." Ergo productio plantarum non debuit universaliter commemorari in tertia die, quae pertinet ad formationem terrae. 3. PRAETEREA, sicut plantae adhaerent terrae, ita etiam lapides et metalla; et tarnen non fit mentio de eis in terrae formatione. Ergo nec plantae fieri debuerunt tertia die. SED CONTRA est quod dicitur Gen. 1: „Protulit terra herbam virentem"; et postea sequitur: „Factum est vespere et mane dies tertius." RESPONDEO dicendum quod, sicut supra dictum est, in tertia die informitas terrae removetur. Duplex autem informitas circa terram describitur: una, quod erat ,invisibilis' vel ,inanis', quia erat aquis cooperta; alia, quod erat ,incomposita* sive ,vacua', id est non habens debitum decorem, qui acquiritur terrae ex plantis eam quodammodo vestientibus. Et ideo utraque informitas in hac tertia die removetur: prima quidem per hoc quod „aquae congregatae sunt in unum locum, et apparuit arida"; secunda vero, per hoc quod „protulit terra herbam virentem".

89

69, 2

Doch weicht Augustinus in seiner Meinung über die Hervorbringung der Pflanzen von den anderen Heiligen ab. Die anderen Erklärer sagen, die Pflanzen seien fertig in ihren Arten an diesem dritten Tage hervorgebracht worden, dem ersten Anschein des Wortlautes entsprechend. Nach Augustinus aber ist der Ausdruck: die Erde habe Gräser und Bäume hervorgebracht, ursächlich zu verstehen, also daß es heißt, die Erde habe die Kraft empfangen, sie hervorzubringen. Und er bekräftigt dies durch das Ansehen der Hl. Schrift. Gen 2, 4. 5 heißt es nämlich: „Das ist die Entstehung des Himmels und der Erde, als sie erschaffen wurden. Damals, als Gott Himmel und Erde gemacht hatte, war kein Feldgesträuch im Land und kein Feldgewächs ging auf." Also wurden die Pflanzen, bevor sie aufgingen auf der Erde, in ihr als ihrer Ursache erschaffen. — Das wird auch durch die Vernunft bestätigt. Denn in jenen ersten Tagen hat Gott die Welt dem Ursprung oder der Ursache nach erschaffen, ein Werk, von dem Er später ausruhte. Und doch wirkt Er, wenn man die Betreuung der geschaffenen Dinge betrachtet, im Werk der Entwicklung bis heute weiter. Die Hervorbringung der Pflanzen aus der Erde gehört nun aber zum Werk der Entwicklung. Also sind die Pflanzen am dritten Tage nicht in fertigem Zustand, sondern nur in ihrer Ursache geschaffen. Anderen zufolge freilich könnte man auch sagen, daß Q U A E S T I O

69, 2

Sed tarnen circa productionem plantarum, aliter opinatur Augustinus ab aliis. Alii enim expositores dicunt quod plantae productae sunt in actu in suis speciebus hac tertia die, secundum quod superficies litterae sonat. Augustinus autem dicit MPL 34 [De Gen. ad litt., lib. 5, cap. 4, et lib. 8, cap. 3] quod „causaliter CSEL28 tunc dictum est produxisse terram herbam et lignum, id est 146, 234 producendi accepisse virtutem". Et hoc quidem confirmat auctoritate Scripturae. Dicitur enim Gen. 2: „Istae sunt generationes caeli et terrae, quando creata sunt, in die quo Deus fecit caelum et terram, et omne virgultum agri, antequam oriretur in terra, omnemque herbam regionis, priusquam germinaret." Ante ergo quam orirentur super terram, factae sunt causaliter in terra. — Confirmatur autem hoc etiam ratione. Quia in Ulis primis diebus condidit Deus creaturam originaliter vel causaliter, a quo opere postmodum requievit: qui tarnen postmodum, secundum administrationem rerum conditarum per opus propagationis, „usque modo operatur". Producere autem plantas ex terra, ad opus propagationis pertinet. Non ergo in tertia die productae sunt plantae in actu, sed causaliter tantum. Quamvis, secundum alios, dici possit quod prima institutio

90

die erste Einrichtung der Arten zu den Werken der sechs 69, 2 Tage gehört. Daß aber von den zu Beginn geschaffenen Arten die Fortpflanzung der Wesen gleicher Art ausgeht, das gehört schon zur Betreuung der Geschöpfe. Das meint die Schrift, wenn es heißt: „Bevor es aufging auf der E r d e " oder „bevor es sproßte", d. h. bevor aus Gleichem Gleiches hervorgebracht wurde, so wie wir jetzt im Naturgeschehen die Fortpflanzung durch Samen beobachten. Darum sagt die Schrift bezeichnenderweise (Gen 1, 11): „Es lasse die Erde Gras sprießen, das grünt und Samen hervorbringt", weil fertige Arten von Pflanzen hervorgebracht wurden, aus denen die Samen anderer Pflanzen entstanden. Dabei ist es gleichgültig, wo die Samenkraft liegt, ob in der Wurzel oder im Stamm oder in der Frucht. Z u 1. Das Leben in den Pflanzen ist verborgen, weil sie keine Ortsbewegung und keine Sinne haben, wodurch das Beseelte vom Unbeseelten sich am meisten unterscheidet. W e i l sie also unbeweglich der ETde anhaften, wird ihre Hervorbringung gleichsam als eine Formung der Erde angenommen. Zu 2. Auch vor jener Verfluchung waren Dornen und Disteln, sei es in der Keimkraft, sei es im fertigen Zustand, hervorgebracht worden, jedoch nicht dem Menschen zur Strafe, so daß die Erde, die er um der Nahrung willen hätte bebauen müssen, manches Unfruchtbare und QUAESTIO

69, 2

specierum ad opera sex d i e r u m p e r t i n e t : sed quod e x speciebus p r i m o institutis g e n e r a t i o similium in specie procedat, hoc j a m pertinet ad r e r u m administrationem. Et hoc est quod Scriptura dicit, „ a n t e q u a m orirentur super t e r r a m " , v e l „ a n t e quam g e r m i n a r e t " ; id est, antequam e x similibus similia producerentur, sicut nunc naturaliter fieri v i d e m u s secundum v i a m seminationis. U n d e signanter Scriptura dicit: „ G e r m i n e t terra herbam v i r e n t e m et f a c i e n t e m s e m e n " : quia scilicet sunt productae p e r f e c t a e species plantarum, e x quibus semina aliarum orirentur. N e c r e f e r t ubicumque habeant v i m seminat i v a m : utrum scilicet in radice, v e l in stipite, v e l in fructu. A D P R I M U M e r g o dicendum quod vita in plantis est occulta, quia carent locali motu et sensu, quibus animatum ab inanimato m a x i m e distinguitur. Et ideo, quia i m m o b i l i t e r t e r r a e inhaerent, e a r u m productio ponitur quasi q u a e d a m t e r r a e f o r matio. A D S E C U N D U M d i c e n d u m quod etiam ante illam maledictionem, Spinae et tribuli producti erant v e l virtute v e l actu. Sed non erant producti h o m i n i in p o e n a m ; ut scilicet terra

91

69, 2 Schädliche hervorgebracht hätte. Deshalb heißt es (Gen 1, 11): „Sie sprosse dir . . .". Z u 3. Moses hat nur das dargestellt, was offenkundig ist (68, 3). Die mineralischen Körper aber haben eine verborgene Entstehung im Erdinnern. Außerdem sind sie von der Erde nicht deutlich zu unterscheiden, sondern scheinen selbst eine Art Erde zu sein. Darum erwähnt er sie nicht. QUAESTIO

69, 2

quam propter cibum coleret, infructuosa quaedam et noxia germinaret. Unde dictum est: „germinabit tibi". AD TERTIUM dicendum quod Moyses ea tantum proposuit quae in manifesto apparent, sicut jain dictum est. Corpora autem mineralia habent generationem occultam in visceribus terrae. Et iterum, non habent manifestam distinctionem a terra, sed quaedam terrae species videntur. Et ideo de eis mentionem non fecit.

92

70. F R A G E

70, 1

DAS WERK DER AUSSCHMÜCKUNG AM VIERTEN TAGE Wir betrachten hierauf das Werk der Ausschmückung. Und zwar zunächst die einzelnen Tage für sich, dann alle sieben Tage zusammen. Zum ersten ergeben sich die Untersuchungen über das Werk des vierten, zweitens über das Werk des fünften, drittens über das Werk des sechsten Tages und viertens über das, was den siebenten Tag angeht. Zum ersten ergeben sich drei Einzelfragen: 1. Von der Hervorbringung der Himmelsleuchten. 2. Vom Zweck ihrer Hervorbringung. 3. Ob sie beseelt sind? 1.

ARTIKEL

Mußten die Himmelsleuchten am vierten Tage gebracht werden?

hervor-

1. Die Himmelsleuchten sind von Natur unzerstörbare Körper. Also kann ihr Stoff nicht bestehen ohne ihre Wesensform. Ihr Stoff aber ist im Schöpfungswerke

QUAESTIO

LXX

DE OPERE ORNATUS, QUANTUM AD QUARTAM DIEM Consequenter considerandum est de opere ornatus. Et primo, de singulis diebus secundum se ; secundo, de omnibus septem 1 diebus in communi. Circa primum ergo, considerandum est 2 de opere quartae diei; secundo, de opere quintae; tertio, de opere sextae; quarto, de iis quae pertinent ad septimam diem. Circa primum quaeruntur tria: 1. De productione luminarium. — 2. De fine productionis eorum. — 3. Utrum sint animata. Utrum

ARTICULUS luminaria debuerint

[Infra, q. 74. art. 1 ad 4;

die

2 Sent., dist art. 2 ad 3]

I produci 15, art

1,

quarta

de Pot., q

4,

AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod luminaria non debuerint produci quarta die. Luminaria enim sunt corpora incorruptibilia naturaliter. Ergo eorum materia non potest 1 L: sex. 2 P et L addunt: primo.

93

i v o r allem Tage hervorgebracht worden, somit auch ihre Wesensform. Also sind sie nicht am vierten Tage geschaffen. 2. Die Himmelsleuchten sind gleichsam Lichtgefäße. Das Licht aber wurde am ersten Tage geschaffen. Also mußten die Himmelsleuchten am ersten Tage werden und nicht am vierten. 3. Wie die Pflanzen in der Erde fest sind, so die Himmelskörper an der Himmelsfeste. Darum sagt die Schrift: „Er setzte sie an die Himmelsfeste." Nun aber wird die Hervorbringung der Pflanzen zusammen mit der Formung der Erde beschrieben, auf der sie wachsen. Also mußte auch die Hervorbringung der Himmelsleuchten am zweiten Tage angesetzt werden zusammen mit der Hervorbringung der Himmelsfeste. 4. Die Sonne, der Mond und die anderen Himmelsleuchten sind die Ursachen der Pflanzen. Der natürlichen Ordnung nach geht aber die Ursache der Wirkung voraus. Also mußten die Himmelsleuchten nicht am vierten, sondern am dritten Tage werden, oder vorher. 5. Viel Sterne sind den Sternkundigen zufolge größer als der Mond. Also durften nicht bloß Sonne und Mond als die beiden großen Himmelsleuchten genannt werden. Zur Widerlegung genügt das Ansehen der Hl. Schrift. ANTWORT: Bei der Zusammenfassung der göttlichen Werke sagt die Hl. Schrift (Gen 2, 1): „Also wurden Q UX E S T I o

70,

l

esse absque formis eorum. Sed eorum materia producta est in opere creationis, ante omnem diem. Ergo et eorum formae. Non ergo sunt facta quarta die. 2. P R A E T E R E A , luminaria sunt quasi vasa luminis. Sed lux est facta prima die. Ergo luminaria fieri debuerunt prima die, et non quarta. 3. P R A E T E R E A , sicut plantae flxae sunt in terra, ita luminaria fixa sunt in firmamento: unde Scriptura dicit quod „posuit ea in firmamento". Sed productio plantarum simul describitur cum formatione terrae, cui inhaerent. Ergo et productio luminarium simul debuit poni, secunda die, cum productione firmamenti. 4. PRAETEREA, sol et luna et alia luminaria sunt causae plantarum. Sed naturali ordine causa praecedit effectum. Ergo luminaria non debuerunt fieri quarta die, sed tertia vel ante. 5. P R A E T E R E A , multae stellae, secundum astrologos, sunt luna majores. Non ergo tantum sol et luna debuerunt poni „duo magna luminaria". SED IN CONTRARIUM sufficit auetoritas Scripturae. RESPONDEO dicendum quod in recapitulatione divinorum operum, Scriptura sie dicit: „Igitur perfecti sunt caeli et terra,

94

vollendet der Himmel und die Erde und all ihre Zier." 70, 1 In diesen Worten sind drei Werke unterscheidbar: das Werk der Erschaffung, wonach Himmel und Erde ins Dasein gerufen heißen, jedoch ungeformt; das Werk der Scheidung, wodurch Himmel und Erde vollendet wurden, sei es durch Wesensformen, die dem gänzlich ungeformten Stoff mitgeteilt werden (so nach der Auffassung des hl. Augustinus), sei es durch die gebührende Zier und Ordnung, wie die anderen Heiligen sagen. Diesen beiden Werken wird die Ausschmückung hinzugefügt. Die Ausschmückung aber unterscheidet sich von der Vollendung; denn die Vollendung des Himmels und der Erde scheint sich auf das zu beziehen, was dem Himmel und der Erde innerlich ist, die Ausschmückung dagegen auf das, was von Himmel und Erde unterschieden ist. So wird der Mensch vollendet durch die ihm eigenen Teile und Formen; geschmückt aber wird er durch Kleider und ähnliches. Der Unterschied mancher Dinge nun wird am meisten offenbar durch die Ortsbewegung, die sie von einander trennt. Darum gehört zum Werk der Ausschmückung die Erschaffung jener Dinge, die am Himmel und auf Erden in Bewegung sind. Wie aber oben (69, 1) gesagt, werden bei der Schöpfung drei Dinge erwähnt: der Himmel, das Wasser und die Erde. Diese drei werden nun auch durch das Werk der Scheidung an drei Tagen geformt. Am ersten Tage der Himmel, am zweiten werden die Wasser geschieden, Q UAKSTIO

70, L

et omnis ornatus eorum." In quibus verbis triplex opus intelligi potest: scilicet ,opus creationis', per quod caelum et terra producta leguntur, sed informia. Et ,opus distinctionis', per quod caelum et terra sunt perfecta: sive per formas substantiales attributas materiae omnino informi, ut Augustinus MPL vult [De Gen., lib. 2, cap. 11], sive quantum ad convenientem :i4'|7r2 decorem et ordinem, ut alii Sancti dicunt. Et his duobus operi- 28/49 bus additur ,ornatus'. Et differt ornatus a perfectione. Nam perfectio caeli et terrae ad ea pertinere videtur quae caelo et terrae sunt intrinseca: ornatus vero ad ea quae sunt a caelo et terra distincta. Sicut homo perflcitur per proprias partes et formas: ornatur autem per vestimenta, vel aliquid hujusmodi. Distinctio autem aliquorum maxime manifestatur per motum localem, quo ab invicem separantur. Et ideo ad opus ornatus pertinet productio illarum rerum quae habent motum in caelo et in terra. Sicut autem supra dictum est, de tribus fit mentio in creatione, scilicet de caelo et aqua et terra. Et haec tria etiam formantur per opus distinctionis trium dierum: primo die, caelum; secundo die distinguuntur aquae; tertio die fit distinctio in

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70, ì am dritten Tage erfolgt die Scheidung auf der Erde von Meer und trockenem Land. Ähnlich verhält es sich mit dem Werk der Ausschmückung: am ersten Tage, dem vierten [in der Reihenfolge der sieben Tage], werden die Himmelsleuchten geschaffen, die am Himmel kreisen, zu seinem Schmuck; am zweiten Tage, dem fünften, werden zum Schmuck der mittleren Zone die Vögel und Fische geschaffen, die sich in Luft und Wasser bewegen, wobei Luft und Wasser in eins zusammengefaßt werden; am dritten Tage, dem sechsten, werden die Tiere geschaffen, die sich auf der Erde bewegen und so ihren Schmuck bilden. Es ist aber zu beachten, daß Augustinus in der Frage der Erschaffung der Himmelsleuchten nicht von den anderen Heiligen abweicht. Er sagt nämlich, die Himmelsleuchten seien in fertigem Zustand geschaffen worden, nicht bloß der Kraft nach. Denn die Himmelsfeste hat nicht die Kraft, Leuchten hervorzubringen, wie die Erde die Kraft hat, Pflanzen hervorzubringen. Darum sagt die Schrift nicht: „Die Feste bringe Leuchten hervor", wie sie sagt: „Es sprosse die Erde grünes Gras." Z u 1. In der Auffassung des hl. Augustinus ergibt sich daraus keine Schwierigkeit, denn er nimmt bei diesen Werken keine zeitliche Abfolge an. Darum braucht man nicht zu sagen, der Stoff der Himmelsleuchten sei unter einer anderen Form gestanden. — Nach der Auffassung derjenigen, die annehmen, die Himmelskörper seien von der Natur der vier Grundstoffe, folgt ebenfalls Q U A E S T I O 70, l terra, maris et aridae. Et similiter in opere ornatus, primo die, qui est quartus, producuntur luminaria, quae moventur in caelo, ad ornatum ipsius. Secundo die, qui est quintus, aves et pisces, ad ornatum medii elementi: quia habent motum in aere et aqua, quae pro uno accipiuntur. Tertio die, qui est sextus, producuntur ammalia quae habent motum in terra, ad ornatum ipsius. Sed sciendum est quod in productione luminarium non MPL discordai Augustinus ab aliis Sanctis. Dicit enim [De Gen., 'csel 5, cap. 5] luminaria esse facta in actu, non in virtute tan28/146 tum: non enim habet firmamentum virtutem productivam luminarium, sicut habet terra virtutem productivam plantarum. Unde Scriptura non dicit, „Producat firmamentum lumin a r i a " ; sicut dicit „Germinet terra herbam virentem". AD PRIMUM ergo dicendum quod, secundum Augustinum MPL [De Gen., lib. 4, cap. 3 4 ] , nulla difficultas ex hoc oritur. Non 34/319 enim ponit successionem temporis in istis operibus: et ideo 28/UÌ4 n o n 0 P 0 r t e t dicere quod materia luminarium fuerit sub alia forma. Secundum eos autem qui ponunt caelestia corpora ex

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keine Schwierigkeit, denn man kann sagen, sie seien 70, 1 aus einem schon bereitliegenden Stoff gebildet wie die Pflanzen. — Nach der Auffassung derer aber, die annehmen, die Himmelskörper seien anderer Natur als die Grundstoffe und von Natur aus unvergänglich, muß man sagen, das Wesen der Himmelsleuchten war von Anfang an erschaffen; doch war es zunächst ungeformt und erhält jetzt seine Formung, zwar nicht durch die Wesensformen, sondern durch die Mitteilung einer bestimmten Kraft. Sie werden jedoch deshalb nicht zu Anfang erwähnt, sondern erst am vierten Tage, damit — wie Chrysostomus sagt — dadurch das Volk vom Götzendienst zurückgehalten wurde, in dem er dadurch, daß sie [die Himmelsleuchten] nicht gleich zu Anfang da waren, zeigte, daß sie keine Götter seien. Zu 2. In der Auffassung des hl. Augustinus ergibt sich hieraus keine Schwierigkeit, denn das Licht, das am ersten Tage erwähnt wird, war ein geistiges Licht, jetzt aber wird das körperliche Licht. — Versteht man jedoch unter dem am ersten Tage geschaffenen Licht das körperliche Licht, so muß man sagen, daß das Licht am ersten Tage in der allgemeinen Lichtnatur hervorgebracht und am vierten Tage den Himmelsleuchten eine bestimmte Kraft verliehen wurde zur Erzielung bestimmter Wirkungen; danach beobachten wir, daß der Sonnenstrahl andere Wirkungen hat als der Mondstrahl und die anQUAESTIO

70, L

natura quatuor elementorum, nulla difficultas accidit: quia potest dici quod sunt formata ex praejacenti materia, sicut animalia et plantae. — Sed secundum eos qui ponunt corpora caelestia esse alterius naturae ab elementis et incorruptibilia per naturam, oportet dicere quod substantia luminarium a principio fuit creata; sed prius erat informis, et nunc formatur; non quidem forma substantiali, sed per collationem determinatae virtutis. Ideo tarnen non fit mentio a principio de eis, sed solum quarta die, ut Chrysostomus dicit [hom. 6 in Gen.], MPG ut per hoc removeat populum ab idololatria, ostendens lumi- 53/58 naria non esse deos, ex quo nec a principio fuerunt. A D S E C U N D U M dicendum quod, secundum Augustinum [ D e MPL Gen., lib. 1, cap. 9 ] , nulla sequitur difficultas: quia lux de qua prima die facta est mentio, fuit lux spiritualis; nunc autem 2s/i3 fit lux corporalis. — Si autem lux primo die facta intelligitur lux corporalis, oportet dicere quod lux primo die fuit producta secundum communem lucis naturam: quarto autem die attributa est luminaribus determinata virtus ad determinatos effectus; secundum quod videmus alios effectus habere radium solis, et alios radium lunae, et sie de aliis. Et propter hanc

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70, l deren Strahlen. Auf Grund dieser näheren Bestimmung der Kraft sagt Dionysius im Buche von den göttlichen Namen: „Das Licht der Sonne, das zuerst ungeformt war, ist am vierten Tage geformt worden." Z u 3. Nach Ptolemäus stehen die Himmelsleuchten an den Sphären nicht fest, sondern sie bewegen sich getrennt von der Bewegung der Sphären. So sagt auch Chrysostomus: Nicht darum heißt es: „Er setzte sie an die Himmelsfeste", weil sie dort fest sind, sondern weil E r befahl, daß sie dort ihren Platz hätte, wie E r den Menschen ins Paradies setzte, daß er dort seinen Platz habe. — Nach der Auffassung des Aristoteles jedoch sind die Sterne an den Weltkugeln fest und bewegen sich in Wirklichkeit nur mit der Bewegung der Weltkugeln, doch wird die Bewegung der Himmelsleuchten mit den Sinnen wahrgenommen, nicht aber die Bewegung der Weltkugeln. Moses aber paßte sich dem Verständnis des ungebildeten Volkes an und hielt sich an die sinnfälligen Erscheinungen (68, 1). Wofern jedoch die Himmelsfeste, die am zweiten Tage erschaffen wurde, sich der Natur nach unterscheidet von jener, an welche die Sterne gesetzt wurden, fällt der Einwand, wenn auch die Sinne, an die Moses sich, wie gesagt, hält, diesen Unterschied nicht bemerken. Denn am zweiten Tage wurde die Himmelsfeste in ihrem unteren Teile geschaffen, am vierten Tage aber wurden QUAESTIO

70, L

MPG determinationem virtutis, dicit Dionysius, 4. cap. de Div. Nom., 3/699 quod lumen solis, quod primo erat informe, quarto die formatum est. AD T E R T I U M dicendum quod, secundum Ptolemaeum, luminaria non sunt fixa in sphaeris, sed habent motum seorsum a MPCi motu sphaerarum. Ideo Chrysostomus dicit [hom. 6 in Gen., a 53'68 med.] quia non ideo dicitur quod posuit ea in firmamento, quod ibi sint fixa; „sed quia jusserit ut ibi e s s e n t " ; sicut posuit hominem in paradiso, ut ibi esset. — Sed secundum 289b opinionem Aristotelis [De Caelo, lib. 2, cap. 8 ] , stellae fixae l sqq. et32 s u n t in orbibus, et non moventur nisi motu orbium, secundum rei veritatem. Tarnen motus luminarium sensu percipitur: non autem motus sphaerarum. Moyses autem, rudi populo condescendens, secutus est quae sensibiliter apparent, ut dictum est. Si autem flrmamentum quod factum est secunda die, sit secundum distinctionem naturae aliud ab eo in quo posita sunt sidera, licet sensus non discernat, quem Moyses sequitur, ut dictum est; cessat objectio. Nam flrmamentum factum est secunda die, quantum ad inferiorem partem. In firmamento autem posita sunt sidera quarta die, quantum ad superiorem

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in ihrem oberen Teile die Sterne befestigt, wenn man 70, i das Ganze der sinnfälligen Erscheinung nach als Einheit nimmt. Zu 4. Wie Basilius bemerkt, wird die Erschaffung der Pflanzen vor der Erschaffung der Himmelsleuchten berichtet, um den Götzendienst auszuschließen. Diejenigen nämlich, welche die Himmelsleuchten für Götter halten, behaupten, die Pflanzen hätten ihren ersten Ursprung aus den Himmelsleuchten, obgleich nach der Bemerkung des Chrysostomus der Landmann ebenso beim Entstehen der Pflanzen mitwirkt wie die Sterne durch ihre Bewegungen. Z u 5. Nach einer Bemerkung des Chrysostomus ist von zwei „großen" Himmelsleuchten die Rede, nicht so sehr auf Grund ihrer Ausdehnung, als auf Grund ihrer Auswirkung und Kraft. Wenn auch andere Sterne der Ausdehnung nach größer sind als der Mond, so macht sich doch die Wirksamkeit des Mondes in diesen unteren Regionen mehr fühlbar. Zudem erscheint er den Ster nen als der größere Himmelskörper. Q U A E S T I O

70, L

partem; ut totum pro uno accipiatur, secundum quod sensui apparet. AD QUARTUM dicendum quod, sicut dicit Basilius [hom. 5 MPÜ in Hexaem.J, praemittitur productio plantarum luminaribus, ad 29 / 95 excludendam idololatriam. Qui enim credunt luminaria esse deos, dicunt quod primordialem originem habent plantae a luminaribus. Quamvis, ut Chrysostomus dicit [hom. 6 in Gen.], sicut agricola cooperatur ad productionem plantarum, ita etiam et luminaria per suos motus. AD QUINTUM dicendum quod, sicut Chrysostomus dicit, dicuntur „duo luminaria magna" non tarnen quantitate, quam efficacia et virtute. Quia etsi aliae stellae sint majores quantitate quam luna, tarnen eflectus lunae magis sentitur in istis interioribus et etiam secundum sensum major apparet.

7*

99

2

Ist die Ursache

2. A R T I K E L der Erschaffung der sinnvoll angegeben?

Himmelsleuchten

1. Bei Jeremias (10, 2) heißt es: „Fürchtet euch nicht vor den Zeichen des Himmels, welche die Heiden fürchten." Also sind die Himmelsleuchten nicht ,zum Zeichen' gemacht. 2. Zeichen und Ursache werden gegeneinander unterschieden. Die Himmelsleuchten sind aber die Ursache dessen, was hier unten geschieht. Also sind sie keine Zeichen. 3. Der Unterschied der Zeiten und Tage hat mit dem ersten Tage begonnen. Also sind die Himmelsleuchten nicht gemacht „zu Zeiten und zu Tagen und zu Jahren", d. h. zu deren Unterscheidung. 4. Nichts geschieht um eines Geringeren willen, denn das Ziel ist besser als die Mittel zum Ziel. Die Himmelsleuchten nun sind besser als die Erde. Also sind sie nicht gemacht, „die Erde zu erhellen". 5. Der Mond steht nicht über der Nacht, solange Neumond ist. Wahrscheinlich wurde der Mond aber als Neumond geschaffen, denn so beginnen die Menschen ihre Zählung. Also ist der Mond nicht gemacht, „daß er walte über der Nacht". Zur Widerlegung genügt das Ansehen der Hl. Schrift. QUAESTIO

ütrum

70, 2

A R T I C U L U S II convenienter causa productionis luminarium describatur

AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod inconvenienter causa productionis luminarium describatur. Dicitur enim J e r e m . 10: „A signis caeli nolite metuere, quae gentes timent." Non ergo luminaria ,in signa' facta sunt. 2. P R A E T E R E A , Signum contra causam dividitur. Sed luminaria sunt causa eorum quae hic aguntur. Ergo non sunt signa. 3. P R A E T E R E A , distinetio temporum et dierum incoepit a primo die. Non ergo facta sunt luminaria „in tempore et dies et annos", id est, in horum distinetionem. 4. P R A E T E R E A , nihil fit propter vilius se: quia „finis est melior iis quae sunt ad finem". Sed luminaria sunt meliora quam terra. Ergo facta non sunt, „ut illuminent terram". 5. P R A E T E R E A , luna non praeest nocti quando est prima. Probabile autem est quod luna facta fuerit prima: sie enim homines ineipiunt computare. Ergo luna non est facta, „ut praesit nocti". IN CONTRARIUM sufficit auetoritas Scripturae.

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A N T W O R T : Man kann sagen, ein körperliches Ge- 70, 2 schöpf sei geschaffen der eigenen Tätigkeit wegen oder eines anderen Geschöpfes wegen oder des ganzen Weltalls wegen oder des Ruhmes Gottes wegen (65, 2). Moses aber wollte das Volk vom Götzendienst abbringen, darum streifte er nur jene Ursache, derzufolge die Gestirne zum Nutzen der Menschen gemacht sind. Darum heißt es Deut 4, 19: „Daß du nicht etwa deine Augen zum Himmel erhebest und Sonne und Mond betrachtest und alle Gestirne des Himmels und sie im Truge befangen anbetest und das verehrest, was erschaffen hat der Herr, dein Gott, zum Dienste aller Völker." Diesen Dienst erklärt er am Anfang des Schöpfungsberichtes in drei Stücken. Erstens sind die Gestirne dem Gesichtssinn des Menschen nütze, der ihn in seinen Werken leitet und besonders nützlich ist zur Erkenntnis der Dinge. Mit Bezug darauf heißt es: „Sie sollen leuchten an der Feste und die Erde erhellen." — Zweitens wird durch den Wechsel der Zeiten der Überdruß beseitigt und die Gesundheit bewahrt und der notwendige Lebensunterhalt ermöglicht. Das alles würde nicht sein, wenn es immer Sommer oder immer Winter wäre. Mit Bezug darauf heißt es: „Sie seien zu Zeiten und Tagen und Jahren." — Drittens, um die günstige Zeitlage anzuzeigen für die Geschäfte und Arbeiten; denn aus den Himmelsleuchten wird die Angabe der Regen- und QUAESTIO

70, 2

RESPONDEO dicendum quod, sicut dictum est supra, creatura aliqua corporalis potest dici esse facta vel propter actum proprium, vel propter aliam creaturam, vel propter totum Universum, vel propter gloriam Dei. Sed Moyses, ut populum ab idololatria revocaret, illam solam causam tetigit, secundum quod sunt facta ad utilitatem hominum. Unde dicitur Deut. 4: „Ne forte, elevatis oculis ad caelum, videas solem et lunam et omnia astra caeli, et errore deceptus adores ea et colas, quae creavit Dominus Deus in ministerium cunctis gentibus." Hoc autem ministerium explicat in principio Genesis per tria. Primo enim provenit utilitas hominibus ex luminaribus quantum ad visum, qui est directivus in operibus, et maxime utilis ad cognoscendas res. Et quantum ad hoc dicit: „ut luceant in firmamento, et illuminent terram". — Secundo, quantum ad vicissitudines temporum, quibus et fastidium tollitur, et valetudo conservatur, et necessaria victui oriuntur; quae non essent, si Semper esset aut aestas aut hiems. Et quantum ad hoc, dicit: „ut sint in tempora et dies et annos". — Tertio. quantum ad opportunitatem negotiorum et operum, inquantum ex luminaribus caeli accipitur significatio pluviosi temporis

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2 Trockenzeiten geschöpft, die den verschiedenen Arbeiten günstig sind. Darauf bezieht sich die Stelle: „Sie sollen zu Zeichen sein." Z u 1. Die Gestirne sind ,zu Zeichen' für die körperlichen Veränderungen, nicht aber für jene, die von der freien Willensentscheidung abhängen. Z u 2. Bisweilen werden wir durch eine sinnfällige Ursache zur Erkenntnis einer verborgenen Wirkung geführt, und umgekehrt. Darum kann sehr wohl eine sinnfällige Ursache ein Zeichen sein. Moses aber wählt lieber den Ausdruck ,Zeichen' als ,Ursache', um die Gelegenheit zum Götzendienst auszuschließen. Z u 3. Am ersten Tage ist die allgemeine Zeiteinteilung nach Tag und Nacht erfolgt, nach der täglichen, dem ganzen Himmel gemeinsamen Bewegung, deren Beginn am ersten Tage angenommen werden kann. Die besonderen Unterschiede der Tage und Zeiten jedoch, wonach ein Tag wärmer ist als der andere, eine Zeit wärmer als die andere, ein Jahr wärmer als das andere, erfolgen auf Grund der besonderen Bewegungen der Sterne, deren Beginn am vierten Tage angenommen werden kann. Z u 4. In der Beleuchtung der Erde wird der Nutzen des Menschen gesehen, der seiner Seele nach über den körperlichen Himmelsleuchten steht. — Man kann jedoch sehr wohl sagen, daß ein vornehmeres Geschöpf QUAESTIO

70, 2

vel sereni, quae sunt apta diversis negotiis. Et quantum ad hoc, dicit: „ut sint in signa". AD PRIMUM ergo dicendum quod luminaria sunt in signa corporalium transmutationum: non autem eorum quae dependent ex libero arbitrio. AD SECUNDUM dicendum quod per causam sensibilem quandoque ducimur in' cognitionem eflectus occulti, sicut et e converso. Unde nihil prohibet causam sensibilem esse Signum. Ideo tarnen potius dicit ,signa' quam ,causas', ut occasionem idololatriae tolleret. AD TERTIUM dicendum quod in prima die facta est communis distinctio temporis per diem et noctem, secundum motum diurnum, qui est communis totius caeli; qui potest intelligi incoepisse primo die. Sed speciales distinctiones dierum et temporum, secundum quod dies est calidior die, et tempus tempore, et annus anno, fiunt secundum speciales motus stellarum; qui possunt intelligi quarto die incoepisse. AD QUARTUM dicendum quod in illuminatione terrae intelligitur utilitas hominis, qui secundum animam praefertur corporalibus luminaribus. — Nihil tarnen prohibet dici quod dignior creatura facta est propter inferiorem, non secundum

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wegen eines niederen geschaffen wurde, nicht an sich 70, 3 betrachtet, sondern in seiner Hinordnung auf die Vollständigkeit des Weltalls. Z u 5. Der Vollmond geht abends auf und morgens unter, und so waltet er über der Nacht. Und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Mond als Vollmond erschaffen wurde, wie auch die Pflanzen in ihrer Vollkommenheit, „Samen tragend", geschaffen wurden; desgleichen die Tiere und Menschen. Wenn man aber im natürlichen Entstehungsverlauf vom Unvollkommenen zum Vollkommenen gelangt, so ist doch das Vollkommene früher als das Unvollkommene. — Augustinus allerdings ist anderer Auffassung, denn er sagt, es sei nicht unangebracht, daß Gott Unvollkommenes schaffe und es nachher selbst vollende. 3. A R T I K E L Sind die Gestirne beseelt? 1. Die höhere Körperwelt muß mit edlerer Zier ausgestattet sein. Was nun zum Schmuck der niederen Körperweit da ist, ist beseelt; so die Fische, die Vögel und die Landtiere. Also sind auch die Gestirne beseelt, welche den Schmuck des Himmels ausmachen. Q U A E S T I O

70,

3

quod in se consideratur, sed secundum quod ordinatur ad integritatem universi. AD QUINTUM dicendum quod luna, quando est perfecta, oritur vespere et occidit mane, et sic praeest noeti. Et satis probabile est quod luna fuerit facta piena; sicut et herbae factae sunt in perfectione, „facientes semen", et similiter ammalia et homo. Licet enim naturali processu ab imperfecto ad perfectum deveniatur, simpliciter tarnen perfectum prius est imperfecto. — Augustinus tarnen [De Gen., lib. 2, cap. 15] hoc MPL non asserit, quia dicit non esse inconveniens quod Deus imperfecta fecerit, quae postmodum ipse perfecit. 28/06

Utrum

ARTICULUS luminaria caeli

III sint

animata

[2 Sent., dist. 14, q. 1, art. 3; 2 Cont. Gent., cap. 69 et 70: d e Ver., q. 5, art. 9 a d 14; de Pot., q. 6, art. 6, de Spirit. Creat., art. 6; d e \ n i m a , art. 8 ad 3 s q q . ; 2 de Caelo et Mundo, l e c t . 3, 13, 18, 19; Q u o d l . 12, q. 6, art. 2]

AD TERTIUM sic proceditur. Videtur quod luminaria caeli sint animata. Superius enim corpus nobilioribus ornamentis ornari debet. Sed ea quae pertinent ad ornatum inferiorum corporum, sunt animata; scilicet pisces, aves et terrestria animalia. Ergo et luminaria, quae pertinent ad ornatum caeli.

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70, 3

2. Ein edlerer Körper hat auch eine edlere Form. Sonne und Mond aber und die anderen Himmelsleuchten sind edler als Pflanzen- und Tierkörper. Also haben sie eine edlere Form. Die edelste Form nun ist die Seele, die der Grund des Lebens ist; denn nach Augustinus hat in der Naturordnung jedes lebende Wesen einen Vorzug vor dem unbelebten Wesen. Also sind die Gestirne beseelt. 3. Die Ursache ist edler als ihre Wirkung. Die Sonne aber, der Mond und die anderen Gestirne sind Ursache des Lebens, wie das am meisten bei den aus Verwesung entstandenen Lebewesen offenbar ist, die durch die Kraft der Sonne und der Sterne das Leben erhalten. Um so mehr also sind die Himmelskörper lebendig und beseelt. 4. Die Bewegungen des Himmels und der Himmelskörper sind natürliche Bewegungen. Die natürliche Bewegung aber stammt aus einem inneren Grunde. Da nun der Bewegungsgrund der Himmelskörper ein mit Fassungsvermögen begabtes Wesen ist, das selbst bewegt wird wie das Verlangende vom Gegenstand des Verlangens, so scheint es, daß dieser erkennende Grund ein den Himmelskörpern innerer Grund ist. Also sind sie beseelt. 5. Das erste Bewegliche ist der Himmel. In der Gattung der beweglichen Dinge aber bewegt das erste Ding sich selbst (Aristoteles). Denn was durch sich selbst ist, Q U A E S T I O

70,

3

2. PRAETEREA, nobilioris corporis nobilior est forma. Sed sol et luna et alia luminaria sunt nobiliora quam corpora plantarem et animalium. Ergo habent nobiliorem formam. Nobilissima autem forma est anima, quae est principium vitae: quia, MPL ut Augustinus dicit [lib. de Vera Relig., cap. 29], „quaelibet 4 145 ä / substantia vivens naturae ordine praefertur substantiae non viventi". Ergo luminaria caeli sunt animata. 3. PRAETEREA, causa nobilior est effectu. Sed sol et luna et alia luminaria sunt causa vitae; ut patet maxime in animalibus ex putrefactione generatis, quae virtute solis et stellarum vitam consequuntur. Ergo multo magis corpora caelestia vivunt et sunt animata. 4. PRAETEREA, motus caeli et caelestium corporum sunt na268 b turales, ut patet in 1 de Caelo [cap. 2], Motus autem naturalis 8< w- est a principio intrinseco. Cum igitur principium motus caelestium corporum sit aliqua substantia apprehensiva, quae movetur sicut desiderans a desiderato, ut dicitur in 12 Metaphys. 2a 26 [lib. 11, cap. 7], videtur quod principium apprehendens sit principium intrinsecum corporibus caelestibus. Ergo sunt animata. 5. PRAETEREA, primum mobile est caelum. In genere autem mobilium, primum est movens seipsum, ut probatur in 8 Phys. 256 a [cap. 5] : quia „quod est per se, prius est eo quod est per .; a20

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ist früher als das, was durch ein anderes ist. Nur die 70, 3 beseelten Wesen aber bewegen sich selbst (Aristoteles). Also sind die Himmelskörper beseelt. ANDERSEITS sagt Johannes von Damaskus: „Niemand glaube, die Himmel oder die Gestirne seien beseelt; sie sind ohne Seele und ohne Gefühl." ANTWORT: In dieser Frage waren die Auffassungen der Philosophen geteilt. Anaxagoras nämlich wurde nach dem Bericht des hl. Augustinus bei den Athenern angeklagt, weil er sagte, die Sonne sei ein glühender Stein, und weil er leugnete, daß sie Gott sei oder etwas Beseeltes. Die Anhänger Piatos dagegen nahmen die Himmelskörper als beseelt an. — Auch bei den Lehrern des Glaubens waren die Auffassungen in dieser Frage geteilt. Origenes hielt die Himmelskörper für beseelt. Hieronymus scheint dasselbe anzunehmen, wo er die Stelle Prd 1, 6 erklärt: „Ringsum alles umkreisend, wandert der Wind und kehrt in seine Kreise zurück." Basilius dagegen und Johannes von Damaskus behaupten, die Himmelskörper seien nicht beseelt. Augustinus ließ die Sache in der Schwebe und gab keinem Teil seine Zustimmung; so sagt er gelegentlich: „ W e n n die Himmelskörper beseelt sind, so gehören ihre Seelen zur Gemeinschaft der Engel." Bei solcher Verschiedenheit der Auffassungen ist zur Q U A E S T I O

70,

3

aliud". Sola autem animata movent seipsa, ut in eodem libro 254 b 15 s q q ostenditur. Ergo corpora caelestia sunt animata. SED CONTRA est quod Damascenus dicit [De Fide Orth., MPG lib. 2, cap. 6 ] : Nullus animatos cáelos vel luminaria aestimet; ,J4:'880 inanimati enim sunt et insensibiles. RESPONDEO dicendum quod circa istam quaestionem apud philosophos fuit diversa opinio. Anaxagoras enim, ut Augusti- MPL nus refert [De Civ. Dei, lib. 18, cap. 41], „factus est reus apud 4'/Mi Athenienses, quia dixit solem esse lapidem ardentem, negans utique ipsum esse Deum", vel aliquid animatum. Platonici vero posuerunt corpora caelestia animata. — Similiter etiam apud Doctores fidei, fuit circa hoc diversa opinio. Origenes enim MPG posuit [Peri Archon, lib. 1, cap. 7] corpora caelestia esse ani- n/ 1 7 2 mata. Hieronymus etiam idem sentire videtur, exponens illud Eccle. 1: „Lustrans universa, per circuitum pergit spiritus." Basilius vero [in Hexaem., hom. 3] et Damascenus asserunt cor- MPG pora caelestia non esse animata. Augustinus vero sub dubio dereliquit, in neutram partem declinans, ut patet [De Gen. ad ¡¡¿p® litt., lib. 2, cap. 18, et in Enchirid., cap. 58], ubi etiam dicit »4/279 quod, si sunt animata caelestia corpora, pertinent ad societatem 4°/jj,B0 angelorum eorum animae. 28/62 In hac autem opinionum diversitate, ut veritas aliquatenus

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"0, 3 Ermittlung der Wahrheit zu beachten, daß die Vereinigung der Seele und des Leibes nicht um des Leibes, sondern um der Seele willen geschieht. Denn die Form ist nicht um des Stoffes willen da, sondern umgekehrt. Die Natur aber und die Kraft der Seele wird aus ihrer Tätigkeit erschlossen, die auch in gewissem Sinne ihr Ziel ist. Wir finden nun, daß unser Körper zu einer gewissen Tätigkeit der Seele, die durch seine Vermittlung ausgeübt wird, notwendig ist, so bei den Tätigkeiten der sinnlichen und pflanzlichen Seele. Darum ist es notwendig, daß diese Seelen (stufen) mit den Körpern verbunden sind, ihrer Tätigkeiten wegen. Es gibt aber eine Seelentätigkeit, die nicht vermittels des Körpers ausgeübt wird; doch leistet der Körper zu dieser Tätigkeit eine gewisse Beihilfe. So werden durch den Leib der menschlichen Seele die Vorstellungsbilder vermittelt, deren sie zur geistigen Erkenntnis bedarf. Darum ist es notwendig, daß auch diese Seele dem Körper geeint ist um der Tätigkeit willen, wenn auch die Möglichkeit besteht, daß sie wieder von ihm getrennt wird. Es ist nun offensichtlich, daß die Seele eines Himmelskörpers die Tätigkeit der Pflanzenseele: Nähren, Wachsen und Zeugen, nicht ausüben kann; denn diese Tätigkeiten kommen einem von Natur aus unvergänglichen Körper nicht zu. Ebensowenig kommen die Tätigkeiten der sinnlichen Seele dem Himmelskörper zu: denn alle Sinne QUAESTIO

70, 3

innotescat, considerandum est quod unio animae et corporis non est propter corpus, sed propter animam: non enim forma est propter materiam, sed e converso. Natura autem et virtus animae deprehenditur ex ejus operatione, quae etiam quodam modo est finis ejus. Invenitur autem corpus nostrum 1 necessarium ad aliquam operationem animae, quae mediante corpore exercetur; sicut patet in operibus animae sensitivae et nutritivae. Unde necesse est tales animas unitas esse corporibus propter suas operationes. Est autem aliqua operatio animae, quae non exercetur corpore mediante, sed tarnen ex corpore aliquod adminiculum tali operationi exhibetur; sicut per corpus exhibentur animae humanae phantasmata, quibus indiget ad intelligendum. Unde etiam talem animam necesse est corpori uniri propter suam operationem, licet contingat ipsam separari. Manifestum est autem quod anima caelestis corporis non potest habere operationes nutritivae animae, quae sunt nutrire, augere et generare: hujusmodi enim operationes non competunt corpori incorruptibili per naturam. Similiter etiam nec operationes animae sensitivae corpori caelesti conveniunt: quia omi Om. L.

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gründen im Tastsinn, der die Grundeigenschaften erfaßt. 70, 3 Zudem verlangen alle Werkzeuge (Organe) der Sinnesvermögen ein bestimmtes Verhältnis, entsprechend einer bestimmten Mischung der Grundstoffe, von deren Natur, wie angenommen wird, die Himmelskörper abweichen. — Es bleiben also von den Tätigkeiten der Seele nur zwei übrig, die der Gestirnseele zukommen können: Erkennen und Bewegen; denn das Begehren folgt den Sinnen und dem Verstände und ist beiden zugeordnet. Da aber die Verstandestätigkeit nicht vermittels des Leibes ausgeübt wird, hat sie den Leib auch nicht nötig, höchstens insoweit ihr die Sinne die Vorstellungsbilder verschaffen. Die Tätigkeiten der sinnlichen Seele aber kommen, wie gesagt, den Himmelskörpern nicht zu. Somit würde um der Verstandestätigkeit willen dem Himmelskörper keine Seele geeint werden. Es bleibt also nur übrig, daß sie ihm um der Bewegung willen geeint wird. Dazu aber, daß sie bewege, braucht sie ihm nicht als Form geeint zu werden, es genügt, daß sie ihm geeint wird durch Kraftübertragung, wie eben der Beweger dem beweglichen Ding geeint wird. Nachdem daher Aristoteles gezeigt hat, daß das erste sich selbst Bewegende aus zwei Teilen besteht, von denen der eine bewegend, der andere bewegt ist, und nachdem er die Art und Weise der Vereinigung dieser beiden Teile aufgewiesen hat, sagt er, sie erfolge durch Berührung zweier Q Ü A E S T I O 70. a nes sensus fundantur supra tactum, qui est apprehensivus qualitatum elementarium. Omnia etiam Organa potentiarum sensitivarum requirunt determinatam proportionem secundum commixtionem aliquam elementorum, a quorum natura corpora caelestia ponuntur remota. — Relinquitur ergo quod de operationibus animae nulla potest competere animae caelesti nisi duae, intelligere et movere: nam appetere consequitur sensum et intellectum, et cum utroque ordinatur. Intellectus autem operatio, cum non exerceatur per corpus, non indiget corpore nisi inquantum ei per sensus ministrantur phantasmata. Operationes autem sensitivae animae corporibus caelestibus non conveniunt, ut dictum est. Sic igitur propter operationem intellectualem, anima caelesti corpori non uniretur. Relinquitur ergo quod propter solam motionem. Ad hoc autem quod moveat, non oportet quod uniatur ei ut forma; sed per contactum virtutis, sicut motor unitur mobili. Unde Aristoteles [Phys., lib. 8, cap. 5 ] , postquam ostendit quod pri- 257 b mum movens seipsum componitur ex duabus partibus, quarum 2 0 una est movens, et alia mota; assignans quomodo hae duae partes uniantur, dicit quod per contactum vel duorum ad invicem, si utrumque sit corpus, vel unius ad alterum et non e

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70, 3 Dinge, und zwar wechselseitig, wenn sie beide Körper sind, oder aber von einem zum anderen und nicht umgekehrt, wenn das eine ein Körper ist, das andere nicht. — Auch die Platoniker nahmen an, daß die Seele mit dem Körper nur durch Kraftübertragung geeint wird, wie der Beweger dem Beweglichen. Wenn also Plato annahm, die Himmelskörper seien beseelt, so bedeutet das nichts anderes, als daß geistige Wesenheiten mit den Himmelskörpern so verbunden sind wie Beweger mit den beweglichen Dingen. Daß aber die Himmelskörper von einem mit Erkenntnis begabten Wesen bewegt werden und nicht von Natur aus wie die leichten und schweren Körper, erhellt daraus, daß die Natur nur zu einem einzigen Ziel hinbewegt, nach dessen Erreichung Ruhe eintritt (Aristoteles), was bei der Bewegung der Himmelskörper augenscheinlich nicht zutrifft. So bleibt nur übrig, daß sie von einem mit Erkenntnis begabten Wesen bewegt werden. — Augustinus sagt ebenfalls, alle Körper würden von Gott in Gang gehalten „durch den Hauch des Lebens". So ist also offenbar, daß die Himmelskörper nicht in derselben Weise beseelt sind wie die Pflanzen und Tiere, sondern nur im Sinne einer bloßen Wortgleichheit [des Wortes ,Leben']. Darum besteht zwischen denen, die sie für beseelt halten, und denen, die sie nicht für beseelt halten, in der Sache ein geringer oder gar kein Unterschied, sondern nur im sprachlichen Ausdruck. Z u 1. Zum Schmuck gehört auch manches, was die QUAESTIO

70, 3

converso, si unum sit corpus et aliud non corpus. — Platonici etiam animas corporibus uniri non ponebant nisi per contactum virtutis, sicut motor mobili. Et sie per hoc quod Plato ponit corpora caelestia animata, nihil aliud datur intelligi, quam quod substantiae spirituales uniuntur corporibus caelestibus ut motores mobilibus. Quod autem corpora caelestia moveantur ab aliqua substantia apprehendente, et non solum a natura, sicut gravia et levia, patet ex hoc, quod natura non movet nisi ad unum, quo habito 254 b quiescit [cf. Phys., lib. 8, cap. 4]: quod in motu corporum M sqq. caelestium non apparet. Unde relinquitur quod moventur ab aliqua substantia apprehendente. — Augustinus etiam dicit MPI. [De Trin., lib. 3, cap. 4], „corpora omnia" administrari a Deo 42/873 ^pgf spiritum vitae". Sic igitur patet quod corpora caelestia non sunt animata eo modo quo plantae et animalia, sed aequivoce. Unde inter ponentes ea esse animata, et ponentes ea inanimata, parva vel nulla difierentia invenitur in re, sed in voce tantum. AD PRIMUM ergo dicendum quod ad ornatum pertinent ali-

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eigene B e w e g u n g betrifft, u n d in d i e s e r B e z i e h u n g k o m - 70, 3 m e n die H i m m e l s k ö r p e r mit d e n a n d e r e n Dingen, d i e zum Schmuck da sind, ü b e r e i n , d e n n sie w e r d e n von einem lebendigen Wesen bewegt. Zu 2. Es k a n n s e h r w o h l ein Ding schlechthin e d l e r u n d doch in e i n e r g e w i s s e n B e z i e h u n g w e n i g e r edel sein. So ist d i e F o r m eines H i m m e l s k ö r p e r s nicht schlechthin e d l e r als d i e Seele e i n e s Beseelten, u n d doch edler, von d e r N a t u r d e r F o r m h e r b e t r a c h t e t . D e n n sie e r f ü l l t i h r e n Stoff vollständig, so d a ß er nicht m e h r in d e r Möglichkeit b l e i b t f ü r e i n e a n d e r e F o r m , w a s bei d e r Seele nicht der Fall ist. — A u c h bezüglich d e r B e w e g u n g w e r den die H i m m e l s k ö r p e r von e d l e r e n B e w e g e r n bewegt. Z u 3. D e r H i m m e l s k ö r p e r h a t als b e w e g t e r B e w e g e r die N a t u r e i n e s W e r k z e u g e s , d a s in d e r K r a f t d e r H a u p t u r s a c h e w i r k t . D a r u m k a n n er in K r a f t seines Bewegers, d e r ein l e b e n d i g e s W e s e n ist, L e b e n v e r u r s a c h e n . Zu 4. Die B e w e g u n g e i n e s H i m m e l s k ö r p e r s ist e i n e n a t ü r l i c h e B e w e g u n g , nicht d u r c h e i n e n w i r k m ä c h t i g e n , s o n d e r n d u r c h einen e m p f a n g s f ä h i g e n G r u n d . D e n n e r h a t in s e i n e r Natur die Anlage, d u r c h solche B e w e g u n g vom Geist b e w e g t zu w e r d e n . Z u 5. Es h e i ß t : D e r H i m m e l s k ö r p e r b e w e g t sich selbst, s o f e r n er a u s B e w e g e r u n d B e w e g t e m z u s a m m e n g e s e t z t ist, nicht w i e a u s F o r m u n d Stoff, s o n d e r n auf G r u n d QUAESTIO

70, 3

qua secundum proprium motum. Et quantum ad hoc, luminaria caeli conveniunt cum aliis quae ad ornatum pertinent: quia moventur a substantia vivente. AD SECUNDUM dicendum quod nihil prohibet aliquid esse nobilius simpliciter, quod tarnen non est nobilius quantum ad aliquid. Forma ergo caelestis corporis, etsi non sit simpliciter nobilior anima animalis, est tarnen nobilior quantum ad rationem formae: perficit enim totaliter suam materiam, ut non sit in potentia ad aliam formam; quod anima non facit. — Quantum etiam ad motum, moventur corpora caelestia a nobilioribus motoribus. AD TERTIUM dicendum quod corpus caeleste, cum sit movens motum, habet rationem instrumenti, quod agit in virtute principalis agentis. Et ideo ex virtute sui motoris, qui est substantia vivens, potest causare vitam. AD QUARTUM dicendum quod motus corporis caelestis est naturalis, non propter principium activum, sed propter principium passivum: quia scilicet habet in sua natura aptitudinem ut tali motu ab intellectu moveatur. AD QUINTUM dicendum quod caelum dicitur movere seipsum, inquantum componitur ex motore et mobil!, non sicut ex

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70, 3 einer Berührung durch Kraftübertragung (vgl. die Antwort). — So kann auch gesagt werden, daß sein Beweger ein innerer Grund ist, so daß auch die Himmelsbewegung natürlich genannt werden kann, vom wirkmächtigen Grunde her gesehen, wie die freie Willensbewegung ebenfalls für ein Lebewesen natürlich genannt wird, insofern es Lebewesen ist (Aristoteles). QUAESTIO

70, 3

forma et materia, sed secundum contactum virtutis, ut dictum est. — Et hoc etiam modo potest dici quod ejus motor est principium intrinsecum: ut sie etiam motus caeli possit dici naturalis ex parte prineipii activi; sicut motus voluntarius dicitur esse naturalis animali inquantum est animal, ut dicitur 254 b [Phys., lib. 8, cap. 4].

14 sqq.

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71.

FRAGE

VOM WERK DES FÜNFTEN TAGES Einziger Artikel

Wir betrachten hierauf das Werk des fünften Tages und es scheint, dieses Werk sei nicht angemessen beschrieben. Denn 1. die Wasser erzeugen nur das, wozu die Kraft des Wassers ausreicht. Die Kraft des Wassers reicht aber nicht aus zur Hervorbringung aller Fische und Vögel, da wir beobachten, daß die Mehrzahl aus ihnen aus Samen gezeugt wird. Es ist also nicht zutreffend, wenn gesagt wird: „Es bringe das Wasser ein Gewimmel lebender Wesen hervor und es seien geflügelte Tiere über der Erde." 2. Die Fische und Vögel entstehen nicht bloß aus dem Wasser; in ihrer Zusammensetzung scheint vielmehr die Erde vor dem Wasser vorzuherrschen. Denn ihre Körper bewegen sich von Natur aus zur Erde hin, weshalb sie auch auf der Erde ausruhen. Es ist also nicht zutreffend, wenn gesagt wird, Fische und Vögel entstehen aus dem Wasser. 3. Wie die Fische im Wasser, so bewegen sich die Vögel in der Luft. Wenn also die Fische aus dem Wasser entstehen, so müßten die Vögel nicht aus dem Wasser, sondern aus der Luft entstehen. QUAESTIO

LXXI

DE OPERE QUINTAE DIEI Articulus unlcus

DEINDE considerandum est de opere quintae diei. Et videtur quod inconvenienter hoc opus describatur. Illud enim aquae producunt, ad cujus productionem sufficit virtus aquae Sed virtus aquae non sufficit ad productionem omnium piscium et avium: cum videamus plura eorum generari ex semine. Non ergo convenienter dicitur: „Producant aquae reptile ani' mae viventis, et volatile super terram." 2. PRAETEREA, pisces et aves non tantum producuntur ex aqua, sed in eorum compositione videtur magis terra dominari quam aqua: quia corpora eorum naturaliter moventur ad terram; unde in terra quiescunt. Non ergo convenienter dicitur pisces et aves ex aqua produci. 3. PRAETEREA, sicut pisces habent motum in aquis, ita aves in aere. Si ergo pisces ex aquis producuntur, aves non deberenl produci ex aquis, sed ex aere.

Ili

i

4. Nicht alle Fische halten sich im Wasser auf, da manche mit Füßen ausgerüstet an Land gehen, wie die Seekälber. Demgemäß scheint die Hervorbringung der Fische nicht hinreichend beschrieben zu sein mit den Worten: „Es bringe das Wasser ein Gewimmel lebender Wesen hervor." 5. Die Landtiere sind vollkommener als Vögel und Fische. Das erhellt daraus, daß sie ausgebildete Gliedmaßen aufweisen und vollkommenere Fortpflanzung; sie bringen nämlich Tiere hervor, die Fische und Vögel dagegen bringen Eier hervor. Nun steht das Vollkommene in der Naturordnung höher. Also durften die Fische und Vögel nicht am fünften Tage erschaffen werden vor den Landtieren. Zur Widerlegung genügt das Ansehen der Hl. Schrift. ANTWORT: Wie schon gesagt (70, 1), entspricht der Reihenfolge im Werk der Ausschmückung die Reihenfolge im Werk der Scheidung. Wie deshalb unter den drei dem Werk der Scheidung zugewiesenen Tagen der mittlere Tag, der zweite, der Scheidung des mittleren Körpers, des Wassers, vorbehalten ist, so wird unter den für das Werk der Ausschmückung vorgesehenen drei Tagen der mittlere, d. h. der fünfte Tag, der Ausschmückung des mittleren Körpers zugeordnet, nämlich durch die Hervorbringung der Vögel und Fische. Wie also Moses am vierten Tage die Himmelsleuchten und das Licht nennt, um zu bekunden, daß der vierte Tag dem ersten entspricht, an dem er von der Erschaffung QUAESTIO

71,

l

4. PRAETEREA, non omnes pisces reptant in aquis: cum quidam habeant pedes, quibus gradiuntur in terra, sicut vituli marini. Non ergo sufficienter productio piscium designatur in hoc quod dicitur: „Producant aquae reptile animae viventis." 5. PRAETEREA, animalia terrestria sunt perfectiora avibus et piscibus. Quod patet ex hoc quod habent membra magis distincta, et perfectiorem generationem: generant enim animalia, pisces autem et aves generant ova. Perfectiora autem praecedunt in ordine naturae. Non ergo quinta die debuerunt fieri pisces et aves, ante animalia terrestria. IN CONTRARIUM suffieit auctoritas Scripturae. RESPONDEO dicendum quod, sicut supra dictum est, opus ornatus per ordinem respondet ordini distinctionis. Unde sicut inter tres dies distinctioni deputatos, media, quae est secunda, deputatur distinctioni medii corporis, scilicet aquae; ita inter dies deputatos ad opus ornatus, media, id est quinta, deputatur ad ornatum medii corporis, per productionem avium et piscium. Unde sicut Moyses in quarta die nominat luminaria et lucem, ut designet quod quarta dies respondet primae, in qua dixerat

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des Lichtes gesprochen hatte, so erwähnt er an diesem, 71, 1 dem fünften Tage, die Wasserfluten und die Feste des Himmels, um zu bekunden, daß der fünfte Tag dem zweiten entspricht. Man muß indessen wissen, daß Augustinus von den anderen abweicht, sowohl in der Frage der Hervorbringung der Pflanzen wie auch der Fische und Vögel. Die anderen nämlich nehmen an, die Fische und Vögel seien am fünften Tag hervorgebracht worden; Augustinus aber sagt, am fünften Tag habe die Natur der Fluten die Fische und Vögel der Keimanlage nach hervorgebracht. Z u 1. Avicenna nahm an, alle Tiere könnten entstehen aus einer Art Vermischung der Grundstoffe ohne Samen, sogar auf natürlichem Wege. — Das scheint sinnwidrig, denn die Natur erreicht ihre Wirkungen durch bestimmte Mittel; darum kann das, was natürlicherweise aus dem Samen entsteht, nicht auch natürlicherweise ohne Samen entstehen. Darum muß man anders lehren. In der natürlichen Zeugung der Tiere ist der wirkmächtige Grund die Formkraft, die im Samen liegt, bei den durch Samen entstehenden Wesen. An Stelle dieser Kraft wirkt bei den aus Verwesung entstehenden Geschöpfen die Kraft eines Himmelskörpers. D e r s t o f f l i c h e G r u n d aber bei Entstehung von beiderlei Tieren ist e i n E l e m e n t oder ein aus Elementen zusammengesetzter Stoff. — Bei QUAESTIO 71. 1 lucem factam; ita in hac quinta die facit mentionein de aquis et de firmamento caeli, ut designet quod quinta dies respondet secundae. Sed sciendum est quod, sicut in productione plantarum differt Augustinus ab aliis, ita et in productione piscium et avium. Alii enim dicunt pisces et aves quinta die esse productos in actu: Augustinus autem dicit [De Gen. ad litt., lib. 5, cap. 5] MPL quod quinta die aquarum natura produxit pisces et aves po- ^32t> tentialiter.

AD PRIMUM ergo dticendum quod Avicenna posuit omnia ammalia posse generari ex aliquali elementorum commixtione absque semine, etiam per viam naturae. — Sed hoc videtur inconveniens. Quia natura determinatis mediis procedit ad suos effectus: unde ilia quae naturaliter generantur ex semine, non possunt naturaliter sine semine generari. Et ideo dicendum est aliter, quod in naturali generatione animalium, principium activum est virtus formativa quae est in semine, in iis quae ex semine generantur; loco cujus virtutis, in iis quae ex putrefactione generantur, est virtus caelestis corporis. Materiale autem principium in utrorumque animalium generatione, est aliquod elementum vel elementatum. — In

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71, i der ersten Gründung der Dinge war das WORT Gottes der wirkmächtige Grund, welcher aus der grundstofflichen Masse die Tiere hervorbrachte, entweder in fertigem Zustand nach der Auffassung der anderen Heiligen, oder Augustinus zufolge der Keimkraft nach; nicht als ob das Wasser oder die Erde in sich die Kraft hätten, alle Tiere hervorzubringen, wie Avicenna annahm, sondern so, daß die Fähigkeit, in Kraft des Samens oder der Sterne aus der Urmasse Tiere hervorzubringen, aus der Kraft stammt, die den Tieren von vornherein mitgegeben wurde. Zu 2. Die Körper der Vögel und Fische können in doppelter Hinsicht betrachtet werden. Einmal an sich und so ist es notwendig, daß der irdische Grundstoff in ihnen vorherrsche. Denn, um eine maßgerechte Mischung im Tierkörper zu erreichen, muß der Menge nach derjenige Grundstoff vorherrschen, der weniger wirkmächtig ist, nämlich die Erde. — Berücksichtigt man aber, daß sie von Natur aus solchen Bewegungen unterliegen, so haben sie eine gewisse Verwandtschaft mit den Körpern, in denen sie sich bewegen. Und nach diesem Gesichtspunkt wird ihre Erzeugung hier beschrieben. Z u 3. Die Luft ist an sich nicht fühlbar und wird darum nicht für sich aufgezählt, sondern mit anderen Grundstoffen zusammengerechnet; teils mit dem Wasser, in der unteren Luftschicht, die durch den Wasserdunst verdichtet wird, teils mit dem Himmel, in der oberen Q U A E S T I O 71. l prima autem rerum institutione, principium activum fuit Verbum Dei, quod de materia elementi produxit animalia vel in mpl actu secundum alios Sanctos; vel virtute, secundum Augustinum. : 6 r