Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften gemäß §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB: Eine Untersuchung zur Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe im Besonderen [1 ed.] 9783428584109, 9783428184101

Die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe i.S.v. § 43 StGB zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB wird in de

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German Pages 250 [251] Year 2022

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Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften gemäß §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB: Eine Untersuchung zur Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe im Besonderen [1 ed.]
 9783428584109, 9783428184101

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Schriften zum Strafrecht Band 398

Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften gemäß §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB Eine Untersuchung zur Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe im Besonderen

Von

Marie Hädrich

Duncker & Humblot · Berlin

MARIE HÄDRICH

Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften gemäß §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB

Schriften zum Strafrecht Band 398

Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften gemäß §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB Eine Untersuchung zur Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe im Besonderen

Von

Marie Hädrich

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18410-1 (Print) ISBN 978-3-428-58410-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2021 an der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Es handelt sich um eine aktualisierte Version, die die Rechtsprechung und Literatur bis zur Drucklegung im Februar 2022 berücksichtigt. Mein ganz besonderer Dank gebührt meiner Doktormutter Prof. Dr. J­ anique Brüning. Sie gab nicht nur den Anstoß zu dieser Arbeit, sondern unterstützte deren Entstehung durch zahlreiche kritische Nachfragen und Anregungen. Neben dem wissenschaftlichen Austausch war vor allem das Leben und Arbeiten an ihrem Lehrstuhl eine mich durchweg positiv prägende Erfahrung. Herrn Prof. Dr. Heribert Ostendorf danke ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht zuletzt danke ich Herrn Prof. Dr. Dennis Bock für die den Unialltag bereichernden Kaffeerunden an seinen Lehrstühlen in Kiel und Jena. Schließlich bedanke ich mich von Herzen bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Kriminalwissenschaften, die über die Jahre zu Freunden und so zu meinen ständigen Wegbegleitern wurden. Ein besonderer Dank gilt dabei Dr. Friederike Seesko und Dr. Ulrich Hölken für das Korrekturlesen der Arbeit. An dieser Stelle seien ebenfalls meine mich stets aufmunternde Wohngemeinschaft sowie meine mich ermutigenden Freunde aus Thüringen erwähnt. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Gabriele und Andreas sowie meinem Bruder Toni, auf deren liebevollen Rückhalt und bedingungslose Unterstützung ich jederzeit vertrauen konnte. Kiel, im Februar 2022

Marie Hädrich

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Analogie im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbewusste Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewusste Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 19 21 21 22 23

B. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Teil

Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung 

26

A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Uneinbringlichkeit der Geldstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Geldstrafenvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Einforderung der Geldstrafe gem. § 5 EBAO . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Mahnung gem. § 7 EBAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Beitreibung der Geldstrafe gem. §§ 8 ff. EBAO . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Steigerung des Risikos der Uneinbringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . 30 aa) Das durchschnittliche Nettoeinkommen  . . . . . . . . . . . . . . . . 31 bb) Das potenzielle Nettoeinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 cc) Schätzung des Nettoeinkommens gem. § 40 Abs. 3 StGB . . 34 dd) Empfangende von Transferleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 (1) Existenzminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 (2) Sachbezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB . . . . . 43 c) Insolvenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Geldstrafenverhängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Bei drohender Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (2) In der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Geldstrafenvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Begleichung der Geldstrafe nach Insolvenzeröffnung . . 47 (2) Beglichene Geldstrafe vor der Insolvenzeröffnung . . . . 48

10 Inhaltsverzeichnis II.

Surrogation der Geldstrafe durch Freiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Konstituierende Elemente der Strafe nach der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Strafübel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Schuldausspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Mehrzahl schuldangemessener Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Spielraumtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Kritik an der Spielraumtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Folgen der Spielraumtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Wahl der Strafart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Geldstrafe als mildere Sanktion gegenüber Freiheitsstrafe . . 61 bb) Schuldprinzip im Rahmen der Strafartwahl gem. § 47 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Umwandlungsmaßstab von 1:1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Vollstreckungshindernisse im Rahmen der Geldstrafenvollstreckung . . . 69 1. Zahlungserleichterungen gem. § 459a Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Vorübergehender Aufschub gem. § 456 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459d StPO . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Anordnungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Vollstreckungshindernisse im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . 76 1. Abwendung der Vollstreckung gem. § 459e Abs. 4 StPO . . . . . . . . . 76 2. Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459f StPO . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Abwendbarkeit durch freie Arbeit gem. Art. 293 Abs. 1 EGStGB . . 79 4. Vorübergehender Aufschub gem. § 456 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Teil

Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion 

89

A. Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Erhalt der Ersatzfreiheitsstrafe: Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Aussetzung der Strafvollstreckung gem. § 56 StGB . . . . . . . . . . . . . 93 2. Aussetzung der Reststrafenvollstreckung gem. § 57 StGB . . . . . . . . 94 II. Nichtanwendbarkeit der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Ablehnung der Aussetzung der Strafvollstreckung gem. § 56 StGB . 95 2. Ablehnung der Aussetzung der Reststrafenvollstreckung gem. § 57 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Inhaltsverzeichnis11 C. Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Teil

Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe 

99

A. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Freiheitsstrafe in § 38 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe nach dem Wortlaut des § 38 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 100

B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erste Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im weltlichen Strafrecht des Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Constitutio Criminalis Carolina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Preußisches Allgemeines Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichsstrafgesetzbuch von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exkurs: Strafarten des Reichsstrafgesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsrechtliche Voraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe . IV. Geldstrafengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung des Geldstrafengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik des Geldstrafengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewährung von Zahlungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersetzung der Geldstrafe durch freie Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung des § 8 GeldstG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung . . . . . . (1) Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorteile der Aussetzung gegenüber der Nichtvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. §  8 ­GeldstG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Reichsstrafgesetzbuch von 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zahlung auf die Geldstrafe während der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einführung eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten 1952  . . . . . . . . VII. Drittes Strafrechtsänderungsgesetz 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Entwurf eines Strafgesetzbuchs 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 104 105 106 108 109 110 111 111 113 113 113 114 114 115 116 116

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12 Inhaltsverzeichnis 1. Kritik des Gesetzgebers am Zustand vor 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Große Strafrechtsreform von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Das Strafgesetzbuch ab 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenständiges Reaktionsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modifikation der Strafvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zusammenfassung und Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sanktionssystem des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Echte Freiheitsstrafen i. S. v. § 38 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fahrverbot i. S. v. § 44 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhängung kurzer Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen gem. § 47 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung gem. § 55 StGB . . . . . . . . . . . . 5. Verwarnung mit Strafvorbehalt gem. § 59 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Absehen von Strafe gem. § 60 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich mit freiheitsentziehenden Maßnahmen außerhalb des StGB . 1. Erzwingungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von Ordnungswidrigkeit und Strafe . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlen eines sozialethischen Unwerturteils . . . . . . . . . . . . . . bb) Unrechtsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorwerfbarkeit der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelcharakter der Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beugemittelqualität der Erzwingungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordnungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwangshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollstreckungsrechtliche Gleichstellung von Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckungsreihenfolge gem. § 454b StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckung bei Auslieferung gem. § 456a StPO  . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückschluss aus § 459d StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137 138 138 139

D. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wille des historischen Gesetzgebers – Ausgangspunkt: E 1962 . . . . . . . II. Objektivierte Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beugemittelqualität der Ersatzfreiheitsstrafe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Effektuierung des Strafübels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Inhaltsverzeichnis13 4. Teil

Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften 

175

A. De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Direkte Anwendbarkeit des § 56 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe . . . 1. Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 360 Tagessätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Prognoseindizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prognoseindizien beim Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer . . . . . . . . . c) Kein Ausschluss wegen Verteidigung der Rechtsordnung . . . . . . 2. Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 720 Tagessätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit des Tatgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckungsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Direkte Anwendung des § 57 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis von § 459f StPO gegenüber § 57 StGB  . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitige Freiheitsstrafe i. S. v. § 57 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwei Drittel der verhängten Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einwilligung des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Prognoseentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vollstreckungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für die Geldstrafe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 176 177 179 180 181 182 183 184 185 186 186 187 187 188 188 189 190 190 191

B. Handlungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgebungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exemplarischer Vergleich mit einzelnen EU-Ländern . . . . . . . . . . . . . . . 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kriminologische Kontraindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eigener Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stufe: Zahlung der Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit . . . . . . . 2. Stufe: Aussetzung gem. § 56 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erteilung von Auflagen und Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stufe: Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459f StPO . . . . . . . . . a) „Ungerecht“ als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . b) Terminus der „unbilligen“ Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stufe: Restaussetzung gem. § 57 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 196 197 197 198 198 199 200 201 203 204 205 205 206 207 207 208 209

14 Inhaltsverzeichnis C. Kurzer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Teil

Zusammenfassung 

211

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Einleitung A. Problemaufriss § 43 StGB normiert, dass an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe Freiheitsstrafe tritt. Die Vorschrift bildet die gesetzliche Grundlage für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe. Diese stellt – so wird mehrfach behauptet – das „Rückgrat der Geldstrafe“1 dar, wobei sie „[…] den Teufel mit dem Beelzebub aus[treibt] und […] nahezu unbestritten mit dem ‚Verbot‘ der kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) nicht zu vereinbaren [ist]“2. Dabei unterscheidet § 43 StGB nicht zwischen einer verschuldeten oder unverschuldeten Uneinbringlichkeit der Geldstrafe. Zwar kennt das Gesetz noch einen „Ersatz“ der Ersatzfreiheitsstrafe, und zwar die in Art. 293 EGStGB vorgesehene Möglichkeit der Surrogation der Ersatzfreiheitsstrafe durch Arbeitsleistung. Doch vor allem erheblich körperlich und psychisch erkrankte Verurteilte sind hierzu nicht mehr in der Lage,3 mit der Folge, dass die Ersatzfreiheitsstrafe gerade in diesen Fällen vollstreckt werden muss. Da Geldstrafen grundsätzlich im Falle leichterer Kriminalität verhängt werden, tritt im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine relativ kurze Freiheitsstrafe, die aber nach § 47 StGB nur in Ausnahmefällen verhängt werden soll. Laut den Angaben des statistischen Bundesamtes4 verbüßten am 31. März 2017 44.704 Personen eine Freiheitsstrafe in deutschen Gefängnissen, wobei sich darunter 4.960 Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer5 befanden. Damit lag der Anteil der zu einer Ersatzfreiheitsstrafe Verurteilten an diesem Stichtag bei StGB38, § 43 Rn. 1; zustimmend LK-Grube, § 43 Rn. 1; Radtke, ZRP 2018, 58; Schädler, ZRP 1983, 5, 7; Tiedemann, JZ 1980, 489, 492. 2  Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 529. 3  Guthke, ZRP 2018, 58; Bremer Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017. 4  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, aktuell Ausgabe abrufbar: www.destatis.de/DE/ Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvoll zug/bestand-gefangene-verwahrte-xlsx-5243201.html (letzter Zugriff am 12.11.2021), ältere Ausgaben abrufbar: www.statistischebibliothek.de/mir/receive/DESerie_mods _00002496 (letzter Zugriff am 12.11.2021). 5  Da im deutschen Strafvollzug überwiegend Personen (94  %) männlichen Geschlechts (Verhältnis 48.609 Männer gegenüber 3.034 Frauen am 31. März 2017) eine Freiheitsstrafe verbüßen sowie aus Gründen der Lesbarkeit, wird ausschließlich die 1  Tröndle,

16 Einleitung

11,10 % aller Gefangenen im Vollzug. Im Vergleich dazu verbüßten in Schleswig-Holstein 8,41 % der Gefangenen am 31. März 2017 eine Ersatzfreiheitsstrafe.6 Die Zahlen hielten sich auch in den Folgejahren auf einem konstanten Niveau, wobei sie in Schleswig-Holstein sogar anstiegen. Am 31. März 2018 lag die Quote der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer deutschlandweit bei 11,09 % und in Schleswig-Holstein bei 9,26 %.7 Am 31. März 2019 waren in Deutschland 10,46 % und in Schleswig-Holstein sogar 10,13 % der Gefangenen wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft.8 Die Quote der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer war insgesamt, jedoch vor allem mit Blick auf Schleswig-Holstein, in diesen Jahren relativ hoch.9 In den folge Jahren 202010 und 202111 nahmen die Quoten zwar ab.12 Dies ist jedoch wenig erstaunlich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der damit einhergegangenen Aussetzung von Verfahren im Rahmen der Klein- und Bagatellkriminalität. Am 30. Juni 2021 lag die Quote wiederum in der Bundesrepu­ blik bei 8,15 % und in Schleswig-Holstein bei 6,67 %.13 Von den 3.444 Vollstreckungshaftbefehlen gem. § 457 Abs. 2 StPO, die im Geschäftsjahr 2015 in Schleswig-Holstein erlassenen worden sind, dienten männliche Form verwendet. Personen weiblichen, männlichen wie diversen Geschlechts sind darin gleichermaßen eingeschlossen. 6  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 31. März 2017. 7  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 31. März 2018. 8  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 31. März 2019. 9  Eine gewisse Relativität ergibt sich aus der Stichtagsanalysetechnik. Relativ sind die Angaben deshalb, da diese Technik nichts darüber aussagt, wie viele Menschen innerhalb des gesamten Jahres bundesweit eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten, sondern nur an einem bestimmten Tag – hier dem 31. März 2017. Demzufolge können keine Angaben darüber gemacht werden, wie hoch der Anteil der Geldstrafenschuldner ist, der sich jährlich aufgrund einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft befindet. Dieses kriminalpolitisch wichtige Problem liegt damit im Dunkelfeld. Siehe zur gesamten Problematik Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesministerien des Inneren und der Justiz 2006, S. 569. 10  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 31. März 2020. 11  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 31. März 2021. 12  Am 31. März 2020 verbüßten deutschlandweit 5,80 % und in Schleswig-Holstein 2,93 % der Gefangenen eine Ersatzfreiheitsstrafe. Am 31. März 2021 waren es demgegenüber in der Bundesrepublik 6,98 % und in Schleswig-Holstein 6,09 % der Inhaftierten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten. 13  Statistisches Bundesamt zum Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten vom 30. Juni 2021.



A. Problemaufriss17

3.123 der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe.14 Selbst wenn davon auszugehen ist, dass nicht jeder dieser Haftbefehle auch tatsächlich vollstreckt wird, da die Geldstrafenschuldner teilweise nach Androhung der Vollstreckung zahlen, so sind die Daten namentlich vor dem Hintergrund der seit den 90er Jahren steigenden Gefangenenzahlen15 und der damit einhergehenden Überbelegung16 von Hafträumen bedenkenswert. Bundesweit, hier primär mit Blick auf die alten Bundesländer, ist seit 2003 zwar ein rückläufiger Trend festzustellen und Schleswig-Holstein weist eine der niedrigsten Gefangenenraten im gesamten Bundesgebiet auf.17 Allerdings werden durch die Ersatzfreiheitsstrafe dennoch erhebliche Kapazitäten im Strafvollzug gebunden.18 Angesichts der Tatsache, dass die Ersatzfreiheitsstrafe im Widerspruch zur gesetzlich geregelten Vermeidung kurzer Freiheitsstrafe steht und des Umstands, dass die Ersatzfreiheitsstrafe bereits sehr stark deprivierte Straftäter erfasst19, wird gerade jüngst wieder die rechtspolitische Forderung postuliert, die Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich abzuschaffen.20 Wie aktuell die Diskussion um die Ersatzfreiheitsstrafe ist, zeigt ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2021, in dem es heißt: „Das Haus A der JVA [Plötzensee] ist reserviert allein für Schuldner von Geldstrafe. Dort sammeln sich fast alle Zahlungsunfähigen aus der großen, armen Stadt Berlin. Ein moderner Schuldturm, dessen Inneres viel über das Leben draußen erzählt.“21 In dem Bericht wird zudem der Gefängnisleiter Uwe Meyer-Odewald der JVA Plötzensee zitiert mit den Worten: „Die Elenden der Stadt kippt man uns vor die Tür. Menschen, zu denen der Gesellschaft nichts mehr einfällt. Das Letzte, was einem noch einfällt, ist Strafe.“22 Die Ersatzfreiheitsstrafe ist aber nicht nur rechtspolitisch umstritten. Ein weiteres Rechtsproblem ist die Frage, ob die Bewährungsvorschriften 14  Die Angaben beziehen sich auf eine Abfrage der im Vorgangsbearbeitungssystem der Staatsanwaltschaften (MESTA) registrierten Haftbefehle. 15  Dünkel/Morgenstern, in: FS Müller-Dietz, S. 133. 16  Streng, Strafrechtliche Sanktionen, VI. Rn. 265. 17  Dünkel/Morgenstern, in: Kriminalität, Kriminalpolitik, strafrechtliche Sanktions­ praxis und Gefangenenraten im europäischen Vergleich, S. 97, 100. 18  S/S/W-Claus, § 43 Rn. 1; Dünkel/Flügge/Lösch/Pörksen, ZRP 2010, 175. 19  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2; Guthke, ZRP 2018, 58; Lorenz/Sebastian, KriPoZ 2017, 352, 356; Bremer Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017. 20  Guthke, ZRP 2018, 58; Feest, in: GS-Weßlau, S. 491; Köhne, JR 2004, 453; siehe auch Bremer Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017. 21  Steinke, Im Armenhaus, SZ vom 24. September 2021, Einleitung. 22  Steinke, Im Armenhaus, SZ vom 24. September 2021, IV.

18 Einleitung

(§§ 56 ff. StGB) auf die Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung finden dürfen. Die Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt automatisch von Gesetzes wegen, ohne dass ein Gericht erneut über die Frage entscheiden muss, wie hoch die zu verhängende Freiheitsstrafe ist. Daher wird behauptet, sie sei eine Freiheitsstrafe ohne Richterspruch23. Ist die Geldstrafe nach § 43 S. 1 StGB uneinbringlich und ist es aussichtslos, die Geldstrafe beizutreiben (§ 459e Abs. 2 StPO), so ordnet die Vollstreckungsbehörde, und zwar nach § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG ein Rechtspfleger, die Ersatzfreiheitsstrafe an. Wird mit der ganz überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht davon ausgegangen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe eine Kriminalstrafe ist, die der regulären Freiheitsstrafe gleichsteht24, dann stellt sich zwingend die Frage, ob die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht auch nach den §§ 56 ff. StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Insoweit ist zwischen der Strafaussetzung nach § 56 StGB und der Strafrestaussetzung nach § 57 StGB zu differenzieren. § 56 StGB regelt die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe, die bereits im Urteil angeordnet wird. Das bedeutet, die Freiheitsstrafe wird faktisch – jedenfalls zurnächst – in diesen Fällen gar nicht vollstreckt. § 57 StGB betrifft dagegen die Fälle, in denen die Freiheitsstrafe vollstreckt wird, das Gericht aber nach Verbüßung von zwei Drittel der verhängten Strafe (in Ausnahmefällen nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Strafe) prüft, ob die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wird die Anwendung der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe abgelehnt, so folgt daraus, dass der Geldstrafenschuldner bei Nichtzahlung härter getroffen wird als der von Anfang an zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte. Denn dessen Freiheitsstrafe könnte entweder schon bei Verurteilung (§ 56 StGB) oder jedenfalls nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe (§ 57 StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden. Dogmengeschichtlich haben sich in Bezug auf die Frage, ob die Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung finden dürfen oder nicht, zwei unversöhnlich gegenüberstehende Positionen herausgeschält. 23  Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 57; Seebode, in: FSBöhm, S. 519, 529; Lüderssen, in: FS-Böhm, S. 553, 561; Bublies, BewHi 1992, 178, 180; Tiedemann, GA 1964, 353, 368. 24  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 20, 13, 16; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380; Fischer, § 43 Rn. 2; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7; HK/GS-Hartmann, § 43 Rn. 1; MüKo-Radtke, § 43 Rn. 3; SK-Wolters, § 43 Rn. 2; S/S/W-Claus, § 43 Rn. 2; Sch/Sch-Stree/Kinzig, § 43 Rn. 2; Lackner/Kühl-Kühl, § 43 Rn. 1; LK-Grube, § 43 Rn. 3; Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 8 Rn. 53; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 81; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 139.



A. Problemaufriss19

Wenige Autoren wollen eine Besserstellung des zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung Verurteilten gegenüber dem zu Geldstrafe (und dadurch indirekt zur Ersatzfreiheitsstrafe) Verurteilten vermeiden und wenden daher die §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe an.25 Entscheidend ist dabei die Annahme, dass die Ersatzfreiheitsstrafe eine echte Freiheitsstrafe sei.26 Weit überwiegend wird allerdings die Gegenmeinung vertreten, die die Ersatzfreiheitsstrafe nicht von den §§ 56 ff. StGB erfasst wissen will.27 Sie sieht die Ersatzfreiheitsstrafe lediglich als eine verlängerte Geldstrafe an, da die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bis zum letzten Tag von der ihr zugrundeliegenden Geldstrafe abhängig sei. Die gesamte Diskussion wäre allerdings obsolet, wenn bereits die Vollstreckung der Geldstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB ausgesetzt werden könnte. Eine direkte Anwendung des § 56 StGB kommt aufgrund des Wortlautes der Norm, der die äußerste Auslegungsgrenze bildet,28 nicht in Betracht. Eine anlogen Anwendung des § 56 StGB auf die Geldstrafe setzt grundsätzlich voraus, dass eine Analogie zulässig, eine Regelungslücke gegeben und die geregelte mit der ungeregelten Situation vergleichbar ist.29

I. Analogie im Strafrecht Aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich das Verbot für die Rechtsprechung, eine Sanktionsnorm über den für den durchschnittlichen Adressaten erkennbaren Inhalt hinaus anzuwenden.30 Dabei bestimmt sich der Wortlaut als äußere Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Norm­ adressaten.31 Sanktionsnormen sind in diesem Zusammenhang solche, die eine Strafe begründen oder schärfen, wobei neben diesen Raum für eine 25  OLG Koblenz NStZ 1987, 120; NStZ 1995, 254; OLG Zweibrücken NJW 1976, 155; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7; Dölling, NStZ 1981, 86, 90, der zumindest eine analoge Anwendung des § 57 StGB befürwortet. 26  NK-Albrecht, § 43 Rn. 7. 27  Fischer, § 56 Rn. 2; NK-Ostendorf, § 56 Rn. 1; HK/GS-Braasch, § 56 Rn. 2; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 12; SK-Schall, § 56 Rn. 6; S/S/W-Claus, § 43 Rn. 5; Sch/Sch-Stree/Kinzig, § 56 Rn. 11; Lackner/Kühl-Kühl, § 43 Rn. 4; LK-Hubrach, § 56 Rn. 4; Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 8 Rn. 54; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 109; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 139. 28  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 441. 29  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 555; Wank, Juristische Methodenlehre, § 15 Rn. 110; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 229 f. 30  BVerfGE 71, 108, 114; 82, 236, 269; 92, 1, 12; 126, 170, 194; BVerfG NJW 2013, 365, 366. 31  BVerfGE 71, 108, 115; 87, 209, 224; 92, 1, 12; 126, 170, 197.

20 Einleitung

analoge Anwendung von Normen verbleibt.32 Prinzipiell ist eine analoge Anwendung strafrechtlicher Normen zu Gunsten des Täters damit möglich.33 Die Möglichkeit einer Analogiebildung wird für Strafmilderungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe bejaht,34 aber auch für verfahrensrechtliche Vorschriften wie die Verjährung angenommen.35 Bei der Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB geht es nicht um eine strafbegründende oder strafschärfende Vorschrift. Vielmehr findet § 56 StGB erst Anwendung, wenn die Strafe bereits zugemessen ist. Wird eine Freiheitsstrafe verhängt, so geht die Aussetzung der Vollstreckung dem Vollzug vor.36 Einen solchen Vorrang könnte es demnach zu Gunsten des Täters auch im Rahmen der Vollstreckungsaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe geben, wenn § 56 StGB analog auf § 40 StGB Anwendung finden würde. Gegen eine solche analoge Anwendung könnte die mit der Vollstreckungsaussetzung verbundene Möglichkeit sprechen, nach § 56b StGB Auflagen und nach § 56c StGB Weisungen zu erteilen. Wird allerdings davon ausgegangen, dass die Schuldfeststellung das konstitutive Element der Strafe ist,37 dann wird durch die Aussetzung lediglich die Vollstreckung und damit das Strafübel modifiziert. Die gleiche Modifizierung findet bei der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe statt, wobei die Geldauflage gem. § 56b StGB nicht als eigenständige Sanktion neben die Freiheitsstrafe tritt.38 Auflagen gem. § 56b StGB haben zwar ähnlich der Strafe eine Genugtuungsfunktion für begangenes Unrecht.39 Allerdings handelt es sich bei ihnen ebenso wie bei Weisungen gem. § 56c StGB um Verpflichtungen, die unterhalb des Strafübels einer originären Strafe rangieren und weder vollstreckbar noch staatlich durchsetzbar sind.40 Selbst bei einem Bewährungswiderruf gem. § 56f StGB steht der zu einer Geldstrafe Verurteilte nicht schlechter als der, dessen Geldstrafe von Beginn an vollstreckt wird. Da im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung einer Geldstrafe der Schuldspruch unangetastet bleiben würde, ist auch hier Raum für eine analoge Anwendung der §§ 56 ff. StGB. Die analoge Anwendung setzt wiederum

32  BGHSt

9, 310, 311; Sch/Sch-Hecker, § 1 Rn. 30. 9, 310, 311; Fischer, § 1 Rn. 23. 34  Sch/Sch-Hecker, § 1 Rn. 31. 35  BVerfG NStZ 95, 399 f. 36  BGH 24, 40, 43. 37  Vgl. dazu 1.  Teil A. II. 1. b). 38  Vgl. dazu 3. Teil B. X. 3. 39  BeckOK-Heintschel-Heinegg, § 56b Rn. 1; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56b Rn. 2. 40  MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56b Rn. 1, § 56c Rn. 1. 33  BGHSt



A. Problemaufriss21

eine planwidrige Regelungslücke41 voraus. Fraglich ist, ob eine solche Regelungslücke im Fall der Geldstrafe gem. § 40 StGB vorliegt und diese darüber hinaus planwidrig ist.

II. Regelungslücke Eine Lücke liegt nach Canaris vor, wenn das Gesetz innerhalb der Grenzen seines möglichen Wortsinns und das Gewohnheitsrecht eine Regelung nicht enthält, obwohl die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine solche fordert.42 Eine Regelungslücke bedeute eine Nichtregelung trotz Regelungsbedarfs.43 Es muss sich um eine unbefriedigende Unvollständigkeit innerhalb des Rechtsganzen handeln. Dabei ist der Begriff der Lücke von dem des Rechts abhängig.44 Prinzipiell ist § 56 StGB nach seinem Wortlaut auf in einem Urteil verhängte Freiheitsstrafen anwendbar. Im Urteil verhängte Freiheitsstrafen gem. § 38 StGB werden in diesem Fall anders behandelt als im Urteil ausgesprochene Geldstrafen gem. § 40 StGB. Demzufolge werden die zwei Hauptstrafen45 des StGB im Rahmen ihrer Vollstreckung unterschiedlich behandelt, womit eine Regelungslücke in Bezug auf die Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe gegeben ist. 1. Unbewusste Regelungslücke Fraglich ist, ob es sich bei der Nichtregelung der Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe gem. § 56 StGB um eine unbewusste und damit planwidrige Regelungslücke handelt. Der Gesetzgeber muss in diesem Fall die Regelung des in Frage stehenden Sachverhaltes übersehen haben.46 Der Gesetzgeber hatte allerdings auch die Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe bei der Normierung der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gem. § 56 StGB in den Blick genommen. Grundsätzlich wurde vom Gesetzgeber die Aussetzung der Geldstrafenvollstreckung abgelehnt, da 41  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39: „Eine Lücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung“. 42  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39. 43  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 568. 44  Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 194 f. 45  Fischer, Vor § 38 Rn. 5; Sch/Sch-Kinzig, Vor §§ 38 ff. Rn. 29; NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 7; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 73. 46  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 568.

22 Einleitung

die Bewilligung von Fristen und Ratenzahlungen ausreichend Handlungsspielraum biete, um den individuellen Bedürfnissen des zu einer Geldstrafe Verurteilten gerecht zu werden.47 Allerdings hat der Gesetzgeber seine Entscheidung, die Bewährungsvorschriften nicht auf die Vollstreckung der Geldstrafe anzuwenden, auf der Grundlage des Status quo von 1953 getroffen. Dabei stieg der Anteil der Geldstrafen ab dem Zeitpunkt des 3. StRÄndG kontinuierlich an.48 Daraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber 1953 noch nicht absehen konnte, dass die Geldstrafe zur meist verhängten Sanktion im Rahmen der Strafverfolgung nach dem StGB avanciert. Fraglich ist, wie mit dieser vom Gesetzgeber bewusst geschaffenen Reglungslücke umzugehen ist. 2. Bewusste Regelungslücke Eine bewusste Regelungslücke liegt vor, wenn sich der Gesetzgeber bei Normierung des einen Sachverhalts dem anderen – später nicht geregelten – Sachverhalts bewusst war. Grundsätzlich delegiere der Normsetzer bei der bewussten Nichtregelung die Konfliktlösung an den Rechtsanwender.49 Allerdings ist von einer solchen „Delegation“ an der Rechtsanwender nur auszugehen, wenn der Gesetzgeber nicht implizit mit der Nichtregelung die Ablehnung der Anwendung auf den nichtgeregelten Fall verbunden hat.50 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge gerade nicht vorsieht, weil er die ohne jede Norm bestehende Rechtslage für angemessen hält.51 Auch die Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems52 im März 2000 hatte die Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe gem. § 56 StGB geprüft. Eine Aussetzung der Vollstreckung wurde damals abgelehnt. Die Geldstrafe sei eine der tragenden Säulen des Sanktionssystems, weshalb eine Vollstreckungsaussetzung sich zu Lasten der Generalprävention dieser Sanktion auswirke. Die Vollstreckungsaussetzung wäre bei der Geld47  BT-Drucks.

I/3713, S. 29. § 38 Rn. 17; Janssen, Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 17; Stapenhorst, Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, S. 84; Stenner, Die kurzfristige Freiheitsstrafe und die Möglichkeiten zu ihrem Ersatz durch andere Sanktionen, S. 21 f. 49  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 572. 50  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 573; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 281. 51  Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 281. 52  Abschlussbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems vom März 2000. 48  NK-Dünkel,



A. Problemaufriss23

strafe aufgrund der positiven Legalprognose des Schuldners die Regel und nicht die Ausnahme. Dadurch würde das Strafniveau absinken, was zur Relativierung des Sanktionensystems beitrage. Überdies führe eine Aussetzung der Geldstrafenvollstreckung zu dem paradoxen Ergebnis, dass der Mehrfachtäter eine Geldstrafe ohne Vollstreckungsaussetzung erhielte, wobei der Ersttäter einer langjährigen Bewährungsaufsicht gem. § 56d Abs. 1 StGB unterstellt würde. Für die Praxis bedeute die Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe eine Mehrbelastung der Justiz und vor allem eine sich schwierig gestaltenden Erforschung der Lebenssituation des Betroffenen für die zu erstellende Legalprognose im Rahmen des Strafbefehlsverfahrens.53 Demnach hat der Gesetzgeber grundsätzlich den Regelungsbedarf bezüglich der Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe gesehen54 und sich gegen die positive Normierung ausgesprochen. Sowohl der eindeutige Wortlaut des § 56 StGB als auch der Wille des Gesetzgebers sprechen gegen die Gewährung der Aussetzung der Vollstreckung einer Geldstrafe. § 56 StGB enthält damit die negative Anordnung, dass die Rechtsfolge für diesen scheinbar ungeregelten Fall nicht eintreten soll.55 Die Entscheidung des Gesetzgebers kann in einem solchen Fall als „rechtspolitischer Fehler“ betrachtet und bedauert werden, allerdings ist der Richter nicht befugt, sich über die (negative) Wertentscheidung des Gesetzgebers hinwegzusetzen.56 Aufgrund der bewussten vom Gesetzgeber belassenen Regelungslücke in Bezug auf die Anwendung des § 56 StGB auf die Geldstrafenvollstreckung, ist kein Raum für eine analoge Normanwendung.

III. Schlussfolgerung Da weder eine direkte noch eine analoge Anwendung der Bewährungsvorschriften im Rahmen der Geldstrafe in Betracht kommt, ist Raum für die Diskussion um die Aussetzungsfähigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe. Die Anwendung der §§ 56 ff. StGB hängt damit ganz offensichtlich von der Frage ab, wie die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe bewertet wird: entweder als eine echte Freiheitsstrafe oder lediglich als eine Art verlängerte Geldstrafe und damit faktisch als ein Beugemittel.

53  Vgl. dazu ausführlich Abschlussbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems vom März 2000, S. 85 f. 54  Vgl. auch Deutscher Juristentag, NJW 1992, 3016, 3022. 55  Bezeichnung als „beredtes Schweigen“ in Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 573. 56  Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 290.

24 Einleitung

B. Gang der Arbeit Die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe, weshalb sich zu Beginn der Fragestellung gewidmet wird, was die Anordnungsvoraussetzungen für eine Ersatzfreiheitsstrafe sind und wie die Ersatzfreiheitsstrafe nach ihrer Anordnung vollstreckt wird (1.Teil). Hierbei ist auf die vielfältigen Probleme rund um die Geldstrafenbemessung nach § 40 StGB und die Surrogation der Geldstrafe nach § 43 StGB ein Blick zu werfen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Nettoeinkommensprinzip nach § 40 StGB, die Geldstrafenbestimmung bei am Existenzminimum lebenden Personen, die Auswirkung der Insolvenz des (zukünftigen) Geldstrafenschuldners und die Frage, ob die 1:1-Umwandlung von Geld- in Freiheitsstrafe gem. § 43 S. 2 StGB mit dem Schuldprinzip vereinbar ist. Bei der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gilt es, die Anordnungszuständigkeit durch die Vollstreckungsbehörde gem. § 459e Abs. 1 StPO vor dem Hintergrund des Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG kritisch zu hinterfragen. Daran anschließend steht die aktuelle Diskussion um die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe im Fokus (2. Teil). Gerade in jüngster Zeit werden zwei diametral gegenüberstehende Positionen vertreten. Die einen57 fordern die alternativlose Abschaffung des Institutes der Ersatzfreiheitsstrafe. Die anderen58 treten dieser Forderung entgegen und plädieren für deren Erhalt. Dann aber stellt sich die Frage, ob der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer nicht dieselbe „Privilegierung“ erhalten sollte wie jeder andere zu einer kurzen Freiheitsstrafe Verurteilte, wobei mit „Privilegierung“ die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe nach §§ 56 ff. StGB gemeint ist. Im Mittelpunkt der Diskussion um die Aussetzbarkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe steht die Frage, ob es sich bei dieser um eine echte Freiheitsstrafe handelt. Entscheident hierfür ist die rechtliche Einordnung der Ersatzfreiheitsstrafe. Um die Rechtsnatur zu erörtern (3. Teil), wird sich der juristischen Auslegungsmethoden bedient und der § 43 StGB hinsichtlich seines Wortlauts, seiner Historie, der Systematik und des Telos interpretiert. Die im vorangegangenen Teil erlangten Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Bewertung, ob eine Vollstrecksaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe de lege lata von Anfang an nach § 56 StGB und eine Restaussetzung nach § 57 57  DIE LINKE, in: BT-Drucks. 19/1689; Bremer Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017 unter dem Titel „Der Schrei nach Strafe“. 58  Jäger, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Faktion DIE LINKE vom 2. April 2019; Ullrich, Eine ausgesprochene Strafe muss auch vollstreckt werden, Rede im BT vom 28.06.2018.



B. Gang der Arbeit25

StGB in Betracht kommen (4. Teil). Hierbei ist auch eine analoge Anwendung des § 56 StGB auf die Geldstrafe in den Blick zu nehmen. Abschließend gilt es zu klären, ob das aktuelle System der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung einer Reform bedarf und wie ein eigener Vorschlag lauten könnte. Die Grundlage hierfür bildet ein exemplarischer Vergleich mit den Regelungen in anderen EU-Ländern. Den Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung der Ergebnisse (5. Teil).

1. Teil

Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung Die gesetzliche Grundlage für die Anordnung und Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bildet § 43 StGB, der normiert: „1An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. 2Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. 3Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.“ Aus der Norm ergeben sich somit der Zeitpunkt der Umwandlung, der 1:1-Umrechnungsmaßstab und das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe.

A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe Grundvoraussetzung für die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist damit, dass die Geldstrafe uneinbringlich nach § 43 S. 1 StGB ist.

I. Uneinbringlichkeit der Geldstrafe Die Vollstreckung der Geldstrafe richtet sich nach den §§ 459 ff. StPO. Dabei verweist § 459 StPO für die Betreibung der Geldstrafe, soweit die StPO nichts anderes bestimmt, auf das Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG). In § 1 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG wird wiederum für die Beitreibung der Geldstrafe auf die Vorschriften zur Geldstrafenvollstreckung verwiesen, wobei es sich hierbei namentlich um die Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO) handelt. In § 48 Abs. 1 StVollstrO findet sich ein weiterer Verweis für die Geldstrafenbeitreibung auf Einforderungs- und Beitreibungsordnung (EBAO). 1. Geldstrafenvollstreckung Für die Vollstreckung der Geldstrafe ist gem. § 4 Nr. 1 StVollstrO die Staatanwaltschaft zuständig. Grundsätzlich wird die Geldstrafe gem. § 459c Abs. 1 StPO zwei Wochen nach Eintritt ihrer Fälligkeit beigetrieben. Beitreibungsmaßnahmen bilden dabei die Mahnung gem. § 7 EBAO und mit deren erfolglosem Ablauf die Forderungs- bzw. Sachpfändung gem. § 8 EBAO.1

1  NK-Albrecht,

§ 43 Rn. 5.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe27

a) Einforderung der Geldstrafe gem. § 5 EBAO Sobald das Urteil rechtskräftig ist und die Geldstrafe und ihre Kosten fällig werden, ordnet die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde gem. § 3 Abs. 1 EBAO die Einforderung der Geldstrafe an. Hierbei überträgt die Staatsanwaltschaft die ihr obliegenden Geschäfte bezüglich der Vollstreckung in Strafgeldsachen auf einen Rechtspfleger gem. § 10 StVollstrO i. V. m. § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG. Die Vollstreckungsbehörde stellt die Kostenrechnung nach § 4 Abs. 1 EBAO auf und übersendet die Zahlungsaufforderung dem Geldstrafenschuldner gem. § 5 Abs. 1 EBAO.2 Eine solche Zahlungsaufforderung unterbleibt bei einem Strafbefehl gem. § 5 Abs. 3 EBAO, da dieser bereits die Kostenrechnung und eine Aufforderung zur Zahlung enthält.3 Da die Mehrzahl aller Geldstrafen im Strafbefehlsverfahren verhängt wird,4 beginnen mit Zustellung des Strafbefehls und Ablauf der Einspruchsfrist gem. § 410 Abs. 3 StPO automatisch die Zahlungsfrist sowie nach deren Verstreichen die Schonfrist zu laufen. b) Mahnung gem. § 7 EBAO Nach erfolglosem Ablauf der Zahlungsfrist gem. § 5 Abs. 1 JBeitrG und vor der Anordnung der Beitreibung soll der Geldstrafenschuldner gem. § 7 Abs. 1 EBAO gemahnt werden. Diese Mahnung kann gem. § 7 Abs. 2 EBAO unterbleiben, wenn damit zu rechnen ist, dass der Zahlungspflichtige sie unbeachtet lassen wird. Es steht demnach im Ermessen des für die Staatsanwaltschaft tätig werdenden Rechtspflegers, den Geldstrafenschuldner zu mahnen oder die sofortige Beitreibung anzuordnen.5 Ein Rechtsanspruch auf Mahnung existiert für den Verurteilten nicht.6 Im für den Verurteilten „ungünstigsten“ Fall wird die Geldstrafe im Strafbefehl nach § 407 Abs. 1 S. 1 StPO angeordnet, womit eine separate Einforderung der Geldstrafe nach § 5 Abs. 3 EBAO entbehrlich ist. Nimmt der Rechtspfleger dann einen Fall des § 7 Abs. 2 EBAO an und unterlässt die Mahnung, beginnt mit Ablauf der zweiwöchigen Frist gem. § 459c Abs. 1 StPO die Beitreibung.

2  Röttle/Wagner,

Strafvollstreckung, Rn. 238. § 459 Rn. 7. 4  Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 532; Bublies, BewHi 1992, 178, 185. 5  Vgl. Janssen, Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 36. 6  Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 240. 3  LR/StPO-Graalmann-Scheerer,

28

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

c) Beitreibung der Geldstrafe gem. §§ 8 ff. EBAO Geht gem. § 8 Abs. 1 EBAO nach einer angemessenen Frist ab der Mahnung gem. § 7 Abs. 1 EBAO oder sofern auf eine Mahnung gem. § 7 Abs. 2 EBAO verzichtet worden ist, keine Zahlung bei den zuständigen Kassen ein, bestimmt der Rechtspfleger, welche Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Hierbei kommen nach § 8 Abs. 3 EBAO die für die jeweiligen Einziehungsverfahren maßgebenden gesetzlichen Vorschriften (§§ 459  ff. StPO, §§ 91 ff. OWiG, §§ 6 ff. JBeitrG, § 49 StVollstrO) zum Einsatz. Der Beitreibungsprozess richtet sich gem. § 6 Abs. 1 JBeitrG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, den zivilrechtlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung aus Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und den landesrechtlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung gegen Gemeindeverbände oder Gemeinden. Dabei tritt gem. § 6 Abs. 2 S. 1 JBeitrG die Staatsanwaltschaft und mit ihr der Rechtspfleger an die Stelle des zivilrechtlichen Gläubigers. An die Stelle des Gerichtsvollziehers tritt in Strafvollstreckungssachen der Vollziehungsbeamte gem. § 6 Abs. 3 S. 1 JBeitrG. Der Rechtspfleger beauftragt gem. § 9 Abs. 1 EBAO einen Gerichtsvollzieher, die Vollstreckung in die beweglichen Sachen des Geldstrafenschuldners nach §§ 803 ff. ZPO vorzunehmen. Als weitere Beitreibungsmaßnahme kann er die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gem. § 6 Abs. 2 S. 2 JBeitrG anordnen sowie gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 866 ZPO in das unbewegliche Vermögen vollstrecken. Andere Maßnahmen wie die Aufrechnung (§ 917 ZPO), der dingliche Arrest (§ 111d StPO) oder die Geltendmachung von Verfahrenskosten (§ 63 Nr. 3 KO, § 29 Nr. 3 VerglO) spielen in diesem Zusammenhang lediglich eine untergeordnete Rolle.7 Erst wenn diese Maßnahmen als gescheitert anzusehen sind, gilt die Geldstrafe als uneinbringlich, was zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459e Abs. 2 StPO und § 49 Abs. 1 S. 1 StVollstrO führt. Das Gesetz kennt in § 459e Abs. 2 StPO und § 49 Abs. 1 S. 1 StVollstrO allerdings noch einen zweiten Fall, der zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe veranlasst, nämlich wenn die Beitreibung nach § 459c Abs. 2 StPO in absehbarer Zeit keinen Erfolg verspricht und damit unterbleibt. Dadurch soll der mit aussichtslosen Vollstreckungsmaßnahmen einhergehende, überflüssige bzw. nutzlose Verwaltungsaufwand vermieden werden.8 Aussichtslos ist die Vollstreckung, wenn zu erwarten ist, dass sie keinen Erfolg 7  Janssen,

Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 38. § 459c Rn. 4; KK/StPO-Appl, § 459c Rn. 8; LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459c Rn. 9. 8  Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe29

haben wird. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn Beitreibungsversuche in andere Sachen bereits gescheitert sind, wenn sich der Verurteilte im Insolvenzverfahren befindet, er eine Erklärung nach § 807 ZPO abgibt oder sein Einkommen die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO nicht übersteigt.9 Zudem muss die Erfolglosigkeit zu erwarten sein. Das heißt, mit der Besserung der wirtschaftlichen Lage des Verurteilten darf in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden.10 Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse erhält der Rechtspfleger in diesem Zusammenhang regelmäßig von der Gerichtshilfe gem. § 463d StPO oder durch die Gerichtskasse gem. § 8 Abs. 2 EBAO.11 Sowohl bei § 463d StPO als auch bei § 8 Abs. 2 EBAO handelt es sich um Kann-Vorschriften. Demzufolge muss die Vollstreckungsbehörde (und damit der Rechtspfleger) nicht die nötigen Informationen bei den Behörden einholen. Da die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB nur an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt, ist § 459c Abs. 2 StPO dahingehend eng auszulegen, dass der Verurteilte vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Zahlung der Geldstrafe nach § 5 Abs.1 EBAO aufzufordern ist. Dieser Aufforderung bedarf es ebenso, wenn offensichtlich die Voraussetzungen des § 459c Abs. 2 StPO vorliegen, damit der Geldstrafenschuldner nicht in unzumutbarer Weise von der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe überrascht wird.12 Somit kann im Fall, dass die Geldstrafe im Strafbefehlsverfahren nach § 407 Abs. 1 S. 1 StPO verhängt wird, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 459c Abs. 2 StPO nicht auf die vorherige Einforderung der Geldstrafe nach § 5 Abs. 1 EBAO verzichtet werden. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Rechtspfleger bereits in diesem frühen Stadium der Geldstrafenvollstreckung nach seinem Ermessen gem. § 459c Abs. 2 StPO Abstand von der Beitreibung der Geldstrafe nehmen und die Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung anordnen kann.13 Weder im Rahmen des § 459c Abs. 2 StPO noch bei der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459e Abs. 2 StPO kommt es damit auf ein Verschulden der wirtschaftlichen Notlage durch den Geldstrafenschuldner an.14 Der Grund für die Zahlungsunfähigkeit ist für die „Verschärfung“ der Sanktionsart deshalb irrelevant, weil er keinen strafrechtlichen 9  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BeckOK/StPO-Coen, § 459c Rn. 3; MeyerGoßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 459c Rn. 5. 10  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459c Rn. 10. 11  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459c Rn. 10; Janssen, Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 38. 12  KK/StPO-Appl, § 459c Rn. 8; KMR/StPO-Stöckel, § 459c Rn. 5. 13  Vgl. Janssen, Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 38. 14  BGHSt 27, 90, 93; OLG Düsseldorf MDR 1983, 341; 1985, 76; Janssen, Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung, S. 38; Lorenz/Sebastian, KriPoZ 2017, 352, 356; Dölling, NStZ 1981, 86, 89.

30

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Unrechtstatbestand bildet.15 Die Ersatzfreiheitsstrafe sanktioniert nicht die Zahlungsunfähigkeit, sondern sie bildet das schuldausgleichende Surrogat zur Geldstrafe.16 Das Strafübel der Geldstrafe, das sich nicht effektuieren lässt, soll durch ein Strafübel ersetzt werden, auf dessen Verwirklichung der Geldstrafenschuldner keinen Einfluss hat, dessen Wirkung er sich damit nicht entziehen kann und dessen Durchsetzung so als gesichert erscheint.17 2. Steigerung des Risikos der Uneinbringlichkeit Da die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 S. 1 StGB von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe abhängig ist, wirken sich die rechtsstaatlichen Probleme (Schätzung im Rahmen des Nettoeinkommensprinzips, Berechnung der Höhe der Geldstrafe bei Transferleistungsempfangenden sowie Personen in der Insolvenz oder auch die Gewährung von Zahlungserleichterungen), die bei der Verhängung und Vollstreckung der Geldstrafe virulent werden, mittelbar auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe aus, da sie für den Geldstrafenschuldner das Risiko steigern, dass die Geldstrafe vom Betroffenen nicht beigebracht werden kann. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 StGB wird die Geldstrafe in vollen Tages­sätzen verhängt, wobei ein Tagessatz gem. § 40 Abs. 2 S. 3 StGB nicht weniger als einen Euro und nicht mehr als 30.000 Euro betragen darf. Grundsätzlich richtet sich die Höhe der Tagessätze gem. § 40 Abs. 2 S. 1 StGB nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters, die sich grundsätzlich gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB am Nettoeinkommen des Täters orientieren. a) Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB Den Ausgangspunkt für die Bemessung der Geldstrafe stellt nach § 40 Abs. 2 S. 2 StGB das Nettoeinkommen des Täters dar, das er durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Hierbei ist der Begriff des Einkommens im Strafrecht unter rein wirtschaftlichen und nicht steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen.18 Wird ein rein wirtschaftlicher Maßstab angelegt, umfasst das Einkommen grundsätzliche alle Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus sonstigen Einkunftsarten. Es gilt alles einzubeziehen, was dem Täter an Einkünften zufließt und wirt-

15  Redlich,

Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 39. Gerechte Geldstrafe, S. 94 Fn. 25. 17  LK-Grube, § 43 Rn. 1; Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 40. 18  OLG Dresden NJW 2009, 2966; Fischer, § 40 Rn. 7; Brandis, Geldstrafe und Nettoeinkommen, S. 11. 16  v. Selle,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe31

schaftlich gesehen seine Leistungsfähigkeit und seinen Lebenszuschnitt bestimmt.19 Das Nettoeinkommen ist der Saldo zwischen den anzurechnenden Zuflüssen und den zu berücksichtigenden Belastungen des Täters.20 In diesem Zusammenhang gibt § 40 Abs. 2 S. 2 StGB zwei Berechnungsgrundlagen vor: das Durchschnittseinkommen („[…] Nettoeinkommen […], das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat […]“) und das potentielle Einkommen („[…] Nettoeinkommen […], das der Täter durchschnittlich an einem Tag […] haben könnte.“). aa) Das durchschnittliche Nettoeinkommen Das Durchschnittseinkommen gem. § 40 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 StGB ist am Tag der Entscheidung anhand der tatsächlich erzielten zurückliegenden Einkünfte festzustellen. Hieraus ist ein Tageseinkommen zu errechnen, soweit künftig keine Änderungen zu erwarten sind.21 Ist die Einkommensquelle allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung weggefallen oder fällt sie mit hoher Wahrscheinlichkeit weg, so muss sie für die Bestimmung der Tagessatzhöhe außer Betracht bleiben.22 Der (zu erwartende) Wegfall muss überdies von einer gewissen Dauerhaftigkeit sein, vorübergehende Engpässe genügen hingegen nicht.23 Das Einkommen des Täters („Habenseite“) umfasst sämtliche Einkünfte gleich welchen Rechtsgrundes aus selbständiger und nicht selbständiger Arbeit, Pensionen, Renten-, Vorsorge- und Unterhaltsbezügen, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld, Ausbildungshilfe (BAföG), Stipendien, Kapitalzinsen, Dividenden, Mieterträgen und Ähnlichem.24 Demgegenüber sind direkte Steuern, Werbungskosten (bei Arbeitnehmern), Betriebsausgaben (bei Selbständigen), Sozialversicherungsbeiträge, Leistungen für die private Kranken-, Unfall- und Altersversicherung und Unterhaltsverpflichtungen, die der Täter

19  OLG Dresden NJW 2009, 2966; Fischer, § 40 Rn. 7; LK-Grube, § 40 Rn. 26; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 220. 20  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 11. 21  BGH NJW 1993, 408, 409; OLG Düsseldorf NStZ 1998, 464; BeckOKv. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 11. 22  BGH NJW 1993, 408, 409; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 11. 23  Fischer, § 40 Rn. 6a. 24  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, §  40 Rn.  11; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 61; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 129; NK-Albrecht, § 40 Rn. 33, zu weit gehe allerdings OLG Celle, NJW 1977, 1248, wenn es Kindergeldansprüche dem Täter zurechnen will, auch wenn diese nicht geltend gemacht worden sind.

32

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

tatsächlich gegenüber anderen Personen bedient,25 in Anrechnung zu bringen („Sollseite“). Keine Rolle für die Bemessung der Tagessatzhöhe spielen jedoch gewöhnliche Aufwendungen für eine Wohnung, Verpflegung, Kleidung und dergleichen.26 Auch das Vermögen gehört nach dem Umkehrschluss aus § 40 Abs. 3 StGB zu den berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen der Täter lebt und kann somit Einfluss auf die Tagessatzhöhe haben.27 Der Einbezug des Vermögens in die Bemessung resultiert aus dem angestrebten Strafübel der Geldstrafe. Denn der Täter kann in dem Fall, dass das Vermögen außer Betracht bleibt, das Strafübel der Geldstrafe durch den Zugriff auf den Vermögensstamm oder die Gewährung von Krediten kompensieren. In dieser Konstellation wäre er gegenüber dem Vermögenslosen bessergestellt.28 Da die Geldstrafe allerdings im besten Fall jeden Täter gleich schwer treffen soll, dient die Berücksichtigung des Vermögens vor allem der Sicherung der Opfergleichheit29, welche eine Ausprägung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG darstellt.30 Berücksichtigungsfähig kann nur das bei der Entscheidung vorhandene Vermögen sein. Die Reichweite der Berücksichtigungsfähigkeit lässt das Gesetz dabei offen.31 Da § 40 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 StGB allerdings den Regelfall vorgibt, nachdem das Nettoeinkommen die Bemessungsgrundlage bildet und in § 40 Abs. 3 StGB das Vermögen nur im Zusammenhang mit der Befugnis zur Schätzung der Tagessatzhöhe genannt wird, kommt der Ausnahmecharakter der Berücksichtigungsfähigkeit des Vermögensstammes zum Ausdruck.32 Aus diesem Grund ist bei der Berücksichtigung des Vermögens im Rahmen der Bemessung der Tagessatzhöhe restriktiv zu verfahren.33 Das Vermögen findet nur soweit Berücksichtigung, 25  OLG Düsseldorf NJW 1977, 260; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 11; NK-Albrecht, § 40 Rn. 33; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 65; so schon Tröndle, ÖJZ 1975, 589, 591. 26  BayObLG NJW 1992, 2582, 2583; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 14a. 27  Fischer, § 40 Rn. 12; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 12; LK-Grube, § 40 Rn. 61; S/S/W-Claus, § 40 Rn. 15; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 110. 28  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 110. 29  OLG Celle NJW 1975, 2029, 2030; dem zustimmend Tröndle, JR 1975, 472 ff.; dazu ausführlich v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 36 ff.; ebenfalls Fehl, Monetäre Sanktionen im deutschen Rechtssystem, S. 83 f. 30  OLG Braunschweig NdsRpfl 1977, 84, 85. 31  Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 12. 32  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 111. 33  Fischer, § 40 Rn. 12; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 12; Lackner/Kühl-Kühl, § 40 Rn. 12; S/S/W-Claus, § 40 Rn. 15; SK-Wolters, § 40 Rn. 13; NK-Albrecht, § 40 Rn. 28; LK-Grube, § 40 Rn. 61; Brandis, Geldstrafe und Nettoeinkommen, S. 159 ff.; Krehl, Bemessung der Tagessatzhöhe, S.  163  ff.; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S.  161 ff.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe33

als es sich jederzeit vom Täter kapitalisieren lässt34 bzw. aus ihm reale Nettoeinkünfte fließen oder fließen könnten35. Zur Orientierung dient die potenzielle Ertragskraft des Vermögens.36 bb) Das potenzielle Nettoeinkommen Neben dem durchschnittlichen Nettoeinkommen und dem Vermögen kann gem. § 40 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 StGB auch das potenzielle Nettoeinkommen als Berechnungsgrundlage angenommen werden. Auf dieses erzielbare (fiktive) Einkommen wird immer dann zurückgegriffen, wenn zumutbare Erwerbsmöglichkeiten ohne billigenswerten Grund nicht wahrgenommen werden und auf diese Weise kein oder nur ein herabgesetztes Nettoeinkommen erwirtschaftet wird.37 Auch diese Regelung stellt wiederum eine Ausprägung des Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG dar.38 Die Bewertungsgrundlage bildet damit die Fiktion, was der Täter nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verdienen könnte, wenn er nur wollte.39 Da es sich eben um eine Fiktion handelt und sie nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG zulässig sein kann, sollte sie als Bemessungsgrundlage in der tatrichterlichen Praxis die Ausnahme bilden.40 Vom Gericht zu respektieren sind unter anderem die individuellen Lebensumstände und -entscheidungen des Täters, wie die im Rahmen einer Ehe vereinbarte Erwerbslosigkeit des Ehepartners41 oder der Entschluss eines Studierenden, keine Erwerbstätigkeit neben dem Studium aufzunehmen42. Auch kann ein Gewerbetreibender nicht darauf verwiesen werden, dass er als Angestellter ein höheres Einkommen erzielen könnte.43 Denn die Entscheidung für die eigene Erwerbstätigkeit und deren Ausgestaltung ist gem. Art. 12 Abs. 2 GG frei und darf keine Verkürzung durch das Strafrecht erfahren, da das Strafrecht nicht als Mittel zur Erhaltung 34  Jescheck/Weigend,

Strafrecht AT, § 73 S. 773; NK-Albrecht, § 40 Rn. 28. MDR 1980, 16, 19. 36  OLG Celle NStZ 1983, 315, 316. 37  BGH MDR/D 1975, 541; OLG Düsseldorf NStZ 1998, 464; BayObLG NStZ 1988, 499; OLG Hamm NJW 1978, 230, 231; OLG Frankfurt NJW 1976, 635, 636; Fischer, § 40 Rn. 8; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 11; S/S/W-Claus, § 40 Rn. 11; Lackner/Kühl-Kühl, § 40 Rn. 9; NK-Albrecht, § 40 Rn. 45; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 89. 38  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 89. 39  OLG Koblenz StV 1998, 424; Dallinger MDR 1975, 541. 40  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 12; NK-Albrecht, § 40 Rn. 45. 41  OLG Köln NJW 1979, 277. 42  OLG Köln NJW 1976, 636. 43  BayObLG JR 1999, 213, 214; mit Anm. Krehl NStZ 1999, 189, 190 und Dölling JR 1999, 215. 35  Meyer,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

oder Steigerung der Arbeitsdisziplin dient.44 Abweichungen hiervon sind nach Art. 12 Abs. 3 GG nur im Rahmen des strafrechtlich angeordneten Freiheitsentzuges gerechtfertigt. Wird die Feststellung eines potenziellen Einkommens getroffen, darf für den Täter nur eine Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden, die ihm nach seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten sowie der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch wirklich offensteht.45 Der denkbare Ertrag wird wohl in den seltensten Fällen den hierfür erforderliche „Ausforschungsaufwand“ rechtfertigen.46 Sowohl für die Bestimmung des durchschnittlichen und potenziellen Nettoeinkommens als auch des Vermögens müssen dem Gericht die hierfür nötigen Informationen (Beruf, Bankauskunft etc.) bekannt sein. Für deren Erhebung ist bereits die Ermittlungsbehörde zuständig (Nr. 14 RiStBV). Allerdings muss der Angeklagte keiner Mitwirkungspflicht nachkommen und braucht deshalb keine Angaben zu machen. Auch eine Bankauskunft würde voraussetzen, dass der Angeklagte seine Konten offenlegt.47 Es besteht zwar die Möglichkeit des Gerichts, eine Kontoabfrage bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG vorzunehmen, allerdings solle diese nach dem Willen des Gesetzgebers der Aufklärung schwerer und schwerster Kriminalität (insbesondere organisierter Kriminalität und Terrorismusverdacht) vorbehalten bleiben.48 Da es sich bei den Delikten, die mit einer Geldstrafe geahndet werden, um solche im Bereich der leichten bis mittleren Kriminalität handelt, könnte der mit der Abfrage in Verbindung stehende Aufwand außer Verhältnis zur Aufgabe und Bedeutung der zu verhängenden Geldstrafe stehen.49 Die Schwierigkeiten bei der Bemessung der Tagessatzhöhe liegen demnach im tatsächlichen Bereich. Es ist mit den vorhandenen Ressourcen im Strafverfahren nicht möglich, in jedem Fall eine umfassende Finanzermittlung durchzuführen.50 cc) Schätzung des Nettoeinkommens gem. § 40 Abs. 3 StGB Aus diesem Grund ist das Gericht nach § 40 Abs. 3 StGB dazu ermächtigt, die Einkünfte, das Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung der Tagessatzhöhe zu schätzen. Eine Schätzung kommt immer dann in Betracht,

44  NK-Albrecht,

§ 40 Rn. 45. Düsseldorf NStZ 1998, 464; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 12. 46  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 12. 47  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 16; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 19. 48  BT-Drucks. 16/774, S. 10. 49  Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 19. 50  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 16. 45  OLG



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe35 „wenn ein Angekl. – der zu Auskünften nicht verpflichtet ist – keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der zu erwartenden Geldstrafe in einem unangemessenen Verhältnis stünde“51.

Die Schätzung ist damit nicht erst als ultima ratio zulässig, sondern bereits dann, wenn die genaue Feststellung der Bemessungsgrundlagen (Nettoeinkommen, Vermögen und wirtschaftliche Verhältnisse) unverhältnismäßig große Schwierigkeiten bereitet und damit einen übermäßigen Aufwand erfordert, der dem Gewicht der jeweiligen Strafsache nicht gerecht werden würde. In diesem Fall braucht das Gericht seiner Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht im vollen Umfang nachzukommen.52 Auch wenn die volle Ausschöpfung der Beweismittel nicht geboten ist, setzt die Schätzung eine konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus. Bloße Mut­maßungen genügen hierfür nicht.53 Überdies ist dem Angeklagten vor der Schätzung richterliches Gehör zu gewähren, um ihm die Möglichkeit zu geben, den mit einer Fehlschätzung nachteiligen Folgen zu begegnen oder Unrichtigkeiten klarzustellen.54 In den Urteilsgründen muss das Gericht nachvollziehbar darlegen, warum eine Schätzung erfolgte.55 Die vorzunehmende Schätzung muss demnach auf tatsächlichen Grundlagen, die durch das Revisionsgericht überprüfbar sind, beruhen.56 Zu diesen tatsächlichen Grundlagen zählt beispielsweise die Feststellung der allgemein üblichen Durchschnittlöhne bei einer selbständigen Tätigkeit, wobei zumindest die Kenntnis57 der Größenordnung der in Betracht kommenden Löhne nötig ist.58 Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeiten muss die Art der Tätigkeit ermittelt und daran anschließend aufgrund von Erfahrungswerten die Höhe der Einkünfte bestimmt werden.59 Die Schätzung des Einkommens von abhängigen Beschäftigten richtet sich nach den von den statistischen Landesämtern herausgegebenen Einkommenstabellen.60 Hat der Angeklagte mehrere Einkommens-

51  BVerfG

NStZ-RR 2015, 335. Celle NJW 1984, 185, 186. 53  BVerfG NStZ-RR 2015, 335. 54  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, §  40 Rn. 20; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 21; Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 143. 55  BGH NJW 1976, 634, 635. 56  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 19; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 21a. 57  NK-Albrecht, § 40 Rn. 50; Köpp, DRiZ 1984, 314, 315: diese Kenntnis sei Grundvoraussetzung für die Schätzung bei Selbständigen, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie deren wirtschaftlich Situation oft stark variierten. 58  OLG Koblenz NJW 1976, 1275, 1276. 59  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 121. 60  NK-Albrecht, § 40 Rn. 49. 52  OLG

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

quellen, verbietet sich eine globale Schätzung, sondern es sind die Schätzwerte für die Einzelpositionen anzugeben.61 Dem Gericht wird hier ein weiter Ermessensspielraum eröffnet. Denn für die Anordnung der Schätzung ist lediglich Voraussetzung, dass der Angeklagte keine, unzureichende oder falsche Angaben über seine Einkommensbzw. Vermögenssituation macht. Danach liegt es im Ermessen des Gerichts, darüber zu entscheiden, ob der Ermittlungsaufwand in einem unangemessenen Verhältnis zur erwarteten Tagessatzhöhe steht. Wird ein solch unangemessenes Verhältnis vom Tatgericht festgestellt, ist der Weg zur Schätzung geebnet und es muss die tatsächlichen Grundlagen hierfür ermitteln. Die Ausforschung umfasst dabei immer den Berufstand des Angeklagten und die Art seiner Tätigkeit.62 Erst wenn diese tatsächlichen Grundlagen feststehen, kommt dem Tatgericht mit der eigentlichen Schätzung erneut eine Ermessensentscheidung zu.63 dd) Empfangende von Transferleistungen Prinzipiell richtet sich die Bestimmung der Tagessatzhöhe gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB auch bei den Empfangenden von Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, BAföG, Elterngeld, Kindergeld, Wohngeld, Sachbezüge, usw. nach dem Nettoeinkommensprinzip.64 Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um die Gewährung von Geld- oder Sachleistungen handelt.65 Den Empfängern von Arbeitslosengeld II (ALG II) gem. § 7 Abs. 1 SGB II und Sozialhilfe gem. § 27 SGB XII soll durch diese Transferleistungen eine Lebensführung ermöglicht werden, die gem. § 1 Abs. 1 SGB II bzw. § 1 S. 1 SGB XII der Würde des Menschen entspricht. Wenn die Leistungen ein menschenwürdiges Leben absichern sollen, dann greift jede Geldstrafe gleich in welcher Höhe in dieses Existenzminimum66 ein. Da die Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG allerdings ein schrankenlos gewährtes 61  Stree,

JR 1983, 205; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 21a. Koblenz NJW 1976, 1275, 1276; NK-Albrecht, § 40 Rn. 49 f.; MüKoRadtke, § 40 Rn. 121. 63  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 121. 64  KG Berlin StV 2005, 89; OLG Frankfurt StV 2002, 308, 309; OLG Hamburg NStZ 2001, 655; NJW 1975, 2030, 2031; OLG Düsseldorf NJW 1994, 744, 745; OLG Stuttgart NJW 1994, 745; OLG Köln NJW 1977, 307; BeckOK-v. HeintschelHeinegg, § 40 Rn. 14; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 9; Lackner/Kühl-Kühl, § 40 Rn. 7; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 84. 65  OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259, OLG Celle NStZ-RR 1998, 272; OLG Köln NJW 1977, 307; OLG Stuttgart NJW 1994, 745. 66  Vgl. zur gesamten Problematik Buchholz, StV 2019, 500 ff. 62  OLG



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe37

Grundrecht darstellt, verbietet sich jeder Eingriff,67 womit jede Geldstrafe, die gegen Leistungsempfänger verhängt wird, verfassungswidrig wäre. (1) Existenzminimum Allerdings handelt es sich bei der Sicherung des Existenzminimums durch staatliche Transferleistungen nicht um einen Auswuchs des Menschenwürdegrundsatzes nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG an sich, sondern um einen subjek­ tiven Teilhabe- und Leistungsanspruch aus dem Sozialstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG.68 Der Umfang des Anspruchs kann nicht unmittelbar aus der Verfassung hergeleitet werden,69 sondern unterliegt dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der die Höhe des Leistungsanspruchs bestimmt. Der Gesetzgeber konkretisiert und aktualisiert den Leistungsanspruch stetig, um die zu erbringende Leistung am jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen der im konkreten Bedarfsfall Betroffenen anzupassen. Der Leistungsanspruch muss wiederum durch den Empfänger eingelöst werden.70 Da es sich beim Sozialstaatsprinzip um eine Staatszielbestimmung handelt, steht ihre Zielverwirklichung unter dem „Vorbehalt des Möglichen“71. Der Gesetzgeber muss wiederum unterschiedlichen Zielen Rechnung tragen, weshalb er grundsätzlich dazu berechtigt ist, soziale Leistungen, wie im Fall des § 31a Abs. 1 SGB II, unter Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch zurückzunehmen.72 Aus diesem Grund kann der Leistungsempfänger bei einer Kürzung um mehr als 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs gem. § 31a Abs. 3 SGB II zur Sicherung seines menschenwürdigen Existenzminimums einen Antrag auf ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen im angemessenen Umfang stellen.73 Auch das OLG Braunschweig geht bei der Bemessung der Höhe der Geldstrafe für den Leistungsempfänger von der Sicherung dieses unerlässlichen (menschenwürdigen) Existenzminimums aus und legt dieses bei 70 % des 67  BVerfGE 75, 369, 380; 93, 266, 293; BeckOK/GG-Hillgruber, Art. 1 Rn. 10; v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Starck, Art. 1 Rn. 34; Dreier/GG-Dreier, Art. 1 Rn. 130. 68  BVerfGE 40, 121, 133 f.; 45, 187, 228; 82, 60, 85; 113, 88, 108; 123, 267, 363; 125, 175, 222; BVerfG NVwZ 2012, 1024, 1025. 69  v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Sommermann, Art. 20 Rn. 120. 70  BVerfGE 125, 175, 222 f.; BVerfG NVwZ 2012, 1024, 1025. 71  Gaier, in: FS-Bryde, 2013, S. 367 ff.; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, 2016, S. 315–324. 72  v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Sommermann, § 20 Rn. 122; Wallerath, JZ 2004, 949, 954. 73  Eicher/Luik/Harich/SGB II-Hahn, § 31a Rn. 20.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Regelbedarfs fest. Nur diese 70 % seien das „physische Existenzminimum“ und zur Sicherung des Lebensbedarfs unerlässlich, die restlichen 30 % entfielen auf die „soziokulturelle Seite des Existenzminimums“, die im Interesse des Gemeinwohls gekürzt werden kann.74 Diese Rechtsprechung deckt sich nur in Teilen mit einer aktuellen Entscheidung des BVerfG zur Leistungskürzung von ALG II im Rahmen von Sanktionen gem. §§ 31a, 31b SGB II.75 Demnach lasse sich die Gewährleistung nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG nicht in einen „Kernbereich“ der physischen und einen „Randbereich“ der sozialen Existenz aufspalten. Sowohl die physische wie auch die soziokulturelle Existenz seien durch Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG einheitlich geschützt.76 Eine Minderung, durch die der Regelbedarf ungedeckt bliebe, führe unweigerliche dazu, dass das menschenwürdige Existenzminimum unterschritten werde.77 Eine solche Unterschreitung aufgrund einer Sanktion gem. § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II sei momentan bis zur Grenze von 30 % des Regelbedarfs tragfähig und begründbar.78 Denn die in § 31 Abs. 1 SGB II geregelten Mitwirkungspflichten des ALG II-Empfängers seien im verfassungsrechtliche Sinne geeignet und erforderlich, das legitime Ziel der Rückkehr in die Erwerbsarbeit zu erreichen.79 Das BVerfG nimmt hier eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne vor und hält die Sanktionen gem. § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II, die zu einer Kürzung des Regelbedarfs um bis zu 30 % führen, für verfassungsgemäß.80 Wenn bereits der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten durch den Leistungsempfänger mit einer Kürzung der ALG II Bezüge um 30 % belegt werden kann, um den Betroffenen zur Rückkehr zur Erwerbsarbeit zu motivieren, gilt dies ebenso für die Sanktionierung einer Straftat nach dem StGB, um ein Strafübel gegenüber dem Betroffenen durchzusetzen. Denn für den ALG IIBeziehenden macht es rein faktisch keinen Unterschied, ob er wegen des Verstoßes gegen eine Mitwirkungspflicht sanktioniert wird oder aufgrund einer Straftat. Fraglich ist damit lediglich, wie es sich mit Geldstrafen verhält, die über 30 % des Regelsatzes liegen. Die Sanktionen nach § 31 a Abs. 1 S. 2, 3 SGB II, die zu einer Minderung des Regelsatzes um bis zu 60 % führen, hält das BVerfG in ihrer derzeitiger Ausgestaltung für verfassungswidrig.81 Be74  OLG

Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16. 76  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16 Rn. 119; BVerfGE 137, 34, 39. 77  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16 Rn. 83, 156. 78  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 158. 79  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 142. 80  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214. 81  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 215. 75  BVerfG,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe39

gründet wird dies damit, dass es an tragfähigen Erkenntnissen zur Eignung und Erforderlichkeit der Sanktionen mangele, da die Minderung sogar in den Teil der Bezüge hineinreiche, der zur Bedarfsdeckung für Nahrung und Getränke vorgesehen sei.82 Prinzipiell seien solche Sanktionen zwar denkbar, müssten aber den strengen Maßgaben der Verhältnismäßigkeit gerecht werden.83 Die Anpassung der Höhe einer Geldstrafe an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen soll die Opfergleichheit84 gewährleisten und stellt damit eine Ausprägung des Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG dar.85 Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist immer dann tangiert, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. In diesem Sinne kann der Gleichheitssatz im Wesentlichen als Willkürverbot interpretiert werden,86 da „[e]ine wesentliche Gleichheit […] genau dann vor[liegt], wenn eine Ungleichbehandlung willkürlich wäre“87. Der Gleichheitssatz sei immer dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die willkürliche Differenzierung nicht finden lasse.88 Die Anzahl der Tagessätze spiegelt das Unrecht der Tat wieder und orientiert sich an der Schuld des Täters. Um mit der Geldstrafe wiederum jeden Täter gleichschwer zu treffen und so der Opfer-/Strafgleichheit89 gerecht zu werden, sind die Tagessätze nach dem Nettoeinkommens­ prinzip an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters anzupassen.90 Dabei beträgt die Höhe der einzelnen Tagessätze gem. § 40 Abs. 2 S. 3 StGB mindestens einen und höchstens 30.000 Euro. Im Jahr 2017 wurden 551.957 Personen zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei die überwiegenden Fälle eine Tagessatzanzahl von 90 Tagessätzen (507.136) nicht überstiegen und sich wiederum fast die Hälfte (269.733) der insgesamt 551.957 Fälle zwischen 31 und 90 Tagessätzen bewegten. Von den insgesamt 507.136 Fällen zwischen fünf bis 90 Tagessätzen lag in 498.863 Fällen die Tagessatzhöhe über fünf Euro. Bei den 269.733 Fällen zwischen 31 und 90 Tagessätzen lagen

82  BVerfG,

Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 189 f. Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 189. 84  OLG Celle NJW 1975, 2029, 2030; dem zustimmend Tröndle, JR 1975, 472 ff.; dazu ausführlich v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 36 ff.; ebenfalls Fehl, Monetäre Sanktionen im deutschen Rechtssystem, S. 83 f. 85  OLG Braunschweig NdsRpfl 1977, 84, 85; OLG Celle NJW 1975, 2029, 2030. 86  BVerfGE 1, 14, 52; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 34. 87  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 367. 88  BVerfGE 1, 14, 52; dem folgend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 370. 89  OLG Hamm NJW 1980, 1534; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 6; Lackner/Kühl-Kühl, § 40 Rn. 10. 90  NK-Albrecht, § 40 Rn. 16. 83  BVerfG,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

264.862 über fünf Euro.91 In diesen 264.862 Fällen lag damit die monatliche Belastung bei mindestens 150 Euro. Wird bei einem Bezieher von ALG II vom Regelsatz i. H. v. 432 Euro ausgegangen, dann blieben diesem bei einer Geldstrafe mit 30 Tagessätzen zu je fünf Euro noch 282 Euro (65 % des Regelsatzes) zur Deckung seines Lebensbedarfs. Wird demgegenüber ein Mil­ lionär (Bsp.: Gesamtvermögen 10.000.000 Euro) wegen einer vergleichbaren Straftat zur exakt gleichen Anzahl an Tagessätzen verurteilt, dann greift für diesen die Deckelung gem. § 40 Abs. 2 S. 3 StGB von 30.000 Euro je Tagessatz. Demzufolge würden dem Millionär bei einer Geldstrafe mit 30 Tagessätzen zu je 30.000 Euro noch 9.100.000 Euro (91 % des Gesamtvermögens) zur Deckung seines Lebensbedarfs bleiben. Den Reichen kann in diesem Beispiel die Geldstrafe schon deshalb nicht so hart treffen, da ihm nur 9 % seines Einkommens durch die Sanktion genommen werden, wohingegen der ALG II-Beziehende auf 35 % seiner Transferleistungen verzichten muss. Der ALG II-Bezieher und der Millionär sind die zwei Extrempole des Spektrums, weshalb die Ungleichbehandlung (Einbuße von 9 % und von 35 % des Nettoeinkommens) dieser beiden sonst gleichen Sachverhalte (Begehung der gleichen Straftat und Ausurteilung der identischen Anzahl an Tagessätzen) einen zureichenden Grund voraussetzt.92 Der zureichende Grund wird von der wohl überwiegenden Meinung93 darin gesehen, dass die Strafungleichheit hier aus der Sphäre der richterlichen Unabhängigkeit stamme, die als Teil der Wertordnung des GG (Art. 79 GG) dem Gleichheitssatz eine systematische Gewährleistungsschranke setze.94 Die Strafzumessung dürfe nicht zu einem schematischen Akt verkommen, sondern müsse dem Richter einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zu berücksichtigenden Faktoren belassen.95 Das Tatgericht kann in diesem Zusammenhang das rechnerische Tagesnettoeinkommen sowohl unterschreiten als auch überschreiten.96 Auch der historische Gesetzgeber hat dieses Kernproblem der Geldstrafe bereits erkannt, indem er feststellte, dass sich der unvermeidbare Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Geldstrafe nicht auflösen lasse. Denn die Alternative bestünde darin, dass vom Mittellosen 91  Statistisches Bundesamt Fachserie 10 Reihe 3, Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, S.  198 ff. 92  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 370. 93  OLG Jena BeckRS 2017, 135278 Rn. 12; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 34 f.; Tiedemann, GA 1964, 353, 362; Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 14; wohl a. A. Buchholz, StV 2019, 500, 503. 94  Bruns, Leitfaden des Strafzumessungsrechts, S. 170 f.; Tiedemann, GA 1964, 353, 362; sich hierauf beziehend Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 14. 95  OLG Jena BeckRS 2017, 135278 Rn. 12; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 85. 96  OLG Jena BeckRS 2017, 135278 Rn. 13.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe41

keine Zahlung verlangt werde und in diesem Fall der Begüterte, der zahlen muss, schlechter gestellt sei. Es sei dem Wesen der Geldstrafe eigen, dass sie den Schwachen wegen seiner relativ erhöhten „Besitzempfindlichkeit“ wesentlich fühlbarer treffe als den Wohlsituierten. Dieser Mangel könne dabei niemals völlig beseitigt werden und sei vor der kriminalpolitischen Unentbehrlichkeit der Geldstrafe hinzunehmen. Allerdings sei die Ausgestaltung der Geldstrafe durch den Richter so vorzunehmen, dass die mit ihr verbundenen Mängel weitestgehend vermieden und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit erträglich würden.97 Daraus ergibt sich, dass das Existenzminimum, das dem Empfänger von Transferleistungen zur Deckung seines Lebensbedarfs zugestanden wird, bei der Verhängung der Geldstrafe nicht unangetastet bleibt.98 Je eher die Tagessatzhöhe das Existenzminium antastet, desto strengere Maßstäbe sind an ihre Verhältnismäßigkeit anzulegen.99 Das Tatgericht hat im Rahmen seiner Ermessensausübung folgende Faktoren einzubeziehen:100 Bezieher geringer Einkommen bzw. von Transferleistungen trifft die Geldstrafe proportional stärker als Bezieher höherer Einkommen;101 Leistungsempfängern von ALG II wird ein sehr geringer finanzieller Spielraum belassen;102 und dem Angeklagten sollten als Richtwert mindestens 70 % des Regelsatzes nach § 20 SGB II verbleiben.103 (2) Sachbezüge Bei der Bestimmung der Einkünfte im Rahmen des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB ist darüber hinaus umstritten, inwieweit Naturalbezüge (unentgeltliche Wohnung, Lebensmittelmarken, Kleidung, Heizung etc.) wie im Falle von ALG II-Beziehern nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB II oder Asylbewerbern gem. § 3 AsylbLG, berücksichtigt werden. Hierbei argumentiert die überwiegende Meinung104, bei Sachbezügen handele es sich nur um eine besondere Form des Einkommens und damit um einen Teil dessen, weshalb diese bei der 97  Vgl. zur gesamten Argumentation BT-Drucks. IV/650, S. 169; vgl. auch Al­ brecht, Strafzumessung und Vollstreckung bei Geldstrafen, S. 214 f. 98  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214; BSG BeckRS 2015, 72370 Rn. 50; OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. 99  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 189. 100  OLG Jena BeckRS 2017, 135278 Rn. 17. 101  OLG Hamm NJW 2012, 1239, 1240. 102  BVerfGE 125, 175; LG Berlin BeckRS 2011, 23780. 103  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214; OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. 104  OLG Dresden NJW 2009, 2966; OLG Stuttgart StV 2009, 131; OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 6; OLG Köln NJW 1977, 307; OLG Hamm NJW 1976, 1221;

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Berechnung des Nettoeinkommens gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB zu berücksichtigen seien. Dabei verweist das OLG Oldenburg darauf, dass auch im Einkommenssteuerrecht Sachbezüge als zu versteuerndes Einkommen gem. § 8 Abs. 2 S. 1 EStG behandelt werden.105 Überdies sei es inkonsequent, diejenigen besserzustellen, die nicht von Bareinkünften, sondern von Naturalleistungen lebten.106 Denn Sachbezüge bestimmen in gleicher Weise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers wie der Bezug von Geldleistungen.107 Die Gegenansicht108 argumentiert, dass die Empfänger von Sachleistungen daran gehindert seien, diese zu kapitalisieren, um daran Einsparungen vorzunehmen. Zur Bemessung der Tagessatzhöhe sei aus diesem Grund lediglich das monatliche Taschengeld als Berechnungsgrundlage anzunehmen. Die ­Situation des Empfängers von Sachleistungen ähnele der Lage, in der sich ein Strafgefangener befinde. Auch für diesen könne zur Festsetzung der Tagessatzhöhe nur der Lohn herangezogen werden, den der Gefangene für seine Arbeit in der JVA erhalte.109 Das OLG Oldenburg überführt hier sachwidrig steuerrechtliche Denkfiguren ins Strafrecht.110 Denn das Nettoeinkommen wird nach rein strafrechtlichen Gesichtspunkten bestimmt und richtet sich ausschließlich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen.111 In diesem Zusammenhang stehen die Sachbezüge von Transferleistungsempfangenden wohl eher dem Vermögen als den Bareinkünften bzw. den geldwerten Zuflüssen gleich. Sachleistungen sind damit wie im Rahmen des Vermögens nur dann in Anrechnung zu bringen, wenn der Empfänger damit das Strafübel kompensieren kann. Demnach sind hier dieselben Maßstäbe wie bei der Anrechnung des Vermögens112 anzulegen, womit der Transferleistungsempfänger Fischer, § 40 Rn. 11; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 40 Rn. 14; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 9; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 87; LK-Grube, § 40 Rn. 27. 105  OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 6. 106  OLG Dresden NJW 2009, 2966; OLG Celle JR 1977, 246, 247; LK-Grube, § 40 Rn. 27. 107  OLG Stuttgart StV 2009, 131. 108  So für Asylbewerber OLG Celle StV 2009, 131, 132; LG Karlsruhe StV 2006, 473; AG Lübeck NStZ 1989, 75; AG Landau StV 1987, 298, 299; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 238; und für Strafgefangene BayObLG NJW 1986, 2842. 109  AG Landau StV 1987, 298, 299. 110  So schon v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 221. 111  OLG Dresden NJW 2009, 2966; Fischer, § 40 Rn. 7; LK-Grube, § 40 Rn. 26; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 220 f.; Brandis, Geldstrafe und Nettoeinkommen, S. 11. 112  Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §  73 S. 773; NK-Albrecht, § 40 Rn. 28; Meyer, MDR 1980, 16, 19.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe43

die Sachleistungen jederzeit kapitalisieren können muss oder für ihn müssen aus der Sachleistung reale Nettoeinkünfte fließen. Dies wird wohl selten der Fall sein, da Transferleistungsempfangende, die Naturalleistungen zur Befriedigung ihrer existenziellen Bedürfnisse erhalten, oft an der Grenze des menschenwürdigen Existenzminimums leben.113 b) Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB Bei Personen, die nahe am Existenzminimum leben, wird im Rahmen der Geldstrafenverhängung oft auf die Möglichkeit verwiesen, die Geldstrafe durch Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters anzupassen.114 Grundsätzlich habe die Absenkung der Tagessatzhöhe der Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB bei der Strafzumessung vorzugehen.115 Werde eine Absenkung verneint, bestehe allerdings die Möglichkeit, Zahlungserleichterungen zu gewähren.116 In § 42 StGB kommt die Pflicht des Tatrichters117 zum Ausdruck, Zahlungserleichterungen zu genehmigen, falls dem Verurteilten die sofortige Bezahlung der Geldstrafe unzumutbar ist. Der Tatrichter kann die Entscheidung demnach nicht der Vollstreckungsbehörde im Rahmen des § 459a StPO überantworten.118 Der Vorrang der Absenkung der Tagessatzhöhe vor der Gewährung von Zahlungserleichterungen ist bereits durch den „DreiSchritt“119 der Geldstrafenzumessung vorgegeben, wonach zuerst die Tagessatzanzahl gem. § 40 Abs. 1 StGB und dann die Tagessatzhöhe gem. § 40 Abs. 2 StGB zu bestimmen sind, bevor das Gericht über Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB als Strafzumessungsakt120 bzw. einen vorweggenommenen Akt der Vollstreckung121 entscheidet. Ob es sich um einen Akt der 113  v. Selle,

Gerechte Geldstrafe, S. 122, 238. Köln NJW 1977, 307 f.; BayObLG NJW 1956, 1166; OLG Bremen NJW 1954, 522, 523; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 85. 115  OLG Hamm NJW 1980, 1534; NK-Albrecht, § 40 Rn. 43; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 85; LK-Grube, § 40 Rn. 37. 116  OLG Stuttgart NJW 1994, 745; OLG Köln NJW 1977, 307 f.; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 8. 117  BGH BeckRS 1990, 31093455; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 42 Rn. 1. 118  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 42 Rn. 1. 119  Gängig ist die Annahme eines „Drei-Schritt“ der Geldstrafenzumessung, wobei Fischer, § 40 Rn. 4; MüKo-Radtke, § 42 Rn. 6 den 3. Schritt als Akt der Strafzumessung werten und BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 42 Rn. 1; NK-Albrecht, § 42 Rn. 1 den 3. Schritt als vorgezogenen Akt der Strafvollstreckung ansehen. 120  MüKo-Radtke, § 42 Rn. 6. 121  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 42 Rn. 1; NK-Albrecht, § 42 Rn. 1. 114  OLG

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Strafzumessung oder Strafvollstreckung handelt, richtet sich danach, ob die Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB einen Einfluss auf die Höhe der Tagessätze gem. § 40 Abs. 2 StGB hat.122 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine nachträgliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zwar zur Gewährung von Zahlungserleichterungen führen, allerdings ist eine Herab- oder Hinaufsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes nicht zugelassen.123 Dem entspricht auch die Rechtsprechung des OLG Stuttgart, wonach dem Transferleistungsempfänger nicht mehr als die Differenz zum unerlässlichen Lebensbedarfs entzogen werden könne. Hieran ändere auch die Möglichkeit, Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu gewähren, nichts.124 Ob Zahlungserleichterungen in Betracht kommen, ist erst dann zu erörtern, wenn die Strafzumessung mit der Bestimmung der Tagessatzanzahl und höhe abgeschlossen ist.125 Durch die Gewährung von Zahlungserleichterungen wird nicht die Tagessatzhöhe an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters, sondern nur die Modalitäten der Zahlung an die momentane Liquidität des Betroffenen angepasst, da der Geldstrafenschuldner nicht täglich einen Teilbetrag, sondern grundsätzlich den gesamten Betrag sofort auf einmal bezahlen muss.126 Gemäß § 42 S. 1 StGB darf es dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten sein, dass er die Geldstrafe sofort bezahlt. Bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit handelt es sich weder um eine Ermessensentscheidung noch steht dem erkennenden Gericht ein Beurteilungsspielraum offen.127 Wenn die Voraussetzungen vorliegen, muss das erkennende Gericht dem Geldstrafenschuldner zwingend Zahlungserleichterungen gewähren.128 Eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht kommt lediglich dann in Betracht, wenn feststeht, dass der Betroffene auch bei Bewilligung von Zahlungserleichterungen seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen wird.129 Die persönlichen Verhältnisse betreffen vor allem familiäre Umstände, wie zu leistende Unterhaltspflichten oder die Fami-

dazu auch Kadel, Die Bedeutung des Verschlechterungsverbotes, S. 75. IV/650, S. 173. 124  OLG Stuttgart NJW 1994, 745. 125  Lackner/Kühl-Kühl, § 42 Rn. 2; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 16; Kadel, Die Bedeutung des Verschlechterungsverbotes, S. 76. 126  SK-Wolters, § 42 Rn. 2; Grebing, in: Jescheck/Grebing, Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, S. 128. 127  OLG Stuttgart StV 1993, 475. 128  BGH Beschluss vom. 17.08.1984 – 3StR 283/84; OLG Hamm BeckRS 2014, 12843; OLG Naumburg BeckRS 2012, 20554; OLG Schleswig JR 1980, 425; MüKoRadtke, § 42 Rn. 1. 129  BGHSt 13, 356, 357. 122  Vgl.

123  BT-Drucks.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe45

liengröße, aber auch krankheitsbedingte höhere Aufwendungen.130 Dabei ist wie bei der Bemessung der Tagessatzhöhe die gesamte Einkommens- und Vermögenssituation des Verurteilten in den Blick zu nehmen.131 Jede Strafe setzt ein fühlbares Strafübel beim Täter voraus, das auch durch Zahlungserleichterungen nicht anzutasten ist.132 Unzumutbar ist die sofortige gesamte Geldstrafentilgung immer dann, wenn der Täter den Betrag weder aus dem laufenden Einkommen, noch aus seinen finanziellen Rücklagen bestreiten kann.133 Der Raten- und Stundungsplan gilt es so zu bemessen, dass für den Täter ein empfindliches Strafübel verbleibt, wobei die Grenze dann überschritten ist, wenn die Geldstrafe die Gefahr einer Entsozialisierung des Täters birgt.134 Wenn Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB nur über den Betrag gewährt werden, der das fühlbare Strafübel unangetastet lässt, dann ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen bereits die Geldstrafe an sich zu hoch bemessen ist. Denn das Strafübel kann dann bereits durch eine niedrigere Geldstrafe erreicht werden. c) Insolvenz Der Strafcharakter der Geldstrafe rechtfertigt auch im Insolvenzverfahren keine Sonderbehandlung.135 Damit ergeben sich jedoch Probleme im Hinblick auf die Verhängung und Bezahlung der Geldstrafe und spätere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, wenn der zu Geldstrafe Verurteilte in die Insolvenz verfällt oder bei Verhängung der Geldstrafe bereits insolvent ist und die Frage, was mit einer geleisteten bzw. noch zu leistenden Geldstrafe nach Insolvenzeröffnung passiert. aa) Geldstrafenverhängung Fraglich ist, ob die Insolvenz bzw. die drohende Insolvenz einen Einfluss auf die zu verhängende Geldstrafe hat.

130  OLG Hamm BeckRS 2014, 12843; Grebing, in: Jescheck/Grebing, Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, S. 128. 131  BGH BeckRS 2015, 14202 Rn. 14; NK- Albrecht, § 42 Rn. 4. 132  Zipf, JR 1980, 425, 426. 133  SK-Wolters, § 42 Rn. 3; NK-Albrecht, § 42 Rn. 4. 134  BGHSt 26, 325, 330; SK-Wolters, § 42 Rn. 3. 135  BGH NZI 2011, 189 Rn. 6; LG Göttingen NZI 2016, 554.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

(1) Bei drohender Insolvenz Im Rahmen der drohenden Insolvenz ist fraglich, inwieweit Schulden bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe berücksichtigt werden. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur sind finanzielle Belastungen, bei denen es sich nicht um Steuern, Werbungskosten (bei Arbeitnehmern), Betriebsausgaben (bei Selbständigen), Sozialversicherungsbeiträge, Leistungen für die private Kranken-, Unfall- und Altersversicherung und Unterhaltsverpflichtungen handelt, nur im Rahmen der Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB zu berücksichtigen. Somit seien Kosten der allgemeinen Lebenshaltung und Schulden, die aus einem aufwändigen Lebensstil resultieren, nicht berücksichtigungsfähig.136 Auch hätten Schulden aus spekulativen Vermögensgeschäften oder Steuerschulden, die aus einer Straftat resultieren, nicht in die Bemessung einzufließen.137 Dagegen seien Schulden, so Teile der Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung, die aus einer angemessenen und vorausschauenden Lebensplanung entsprängen, in die Bemessung der Tagessatzhöhe einzustellen, soweit es sich um überdurchschnittliche Belastungen handele, die die wirtschaftliche Situation des Betroffenen nachhaltig beeinflussten.138 Aus diesen Vorgaben resultiere eine Einzelfallkasuistik.139 Berücksichtigungsfähig seien beispielsweise Schulden aus einer BAföG-Rückzahlung.140 Problematisch ist hierbei, dass das Gericht, um eine Unterscheidung zwischen sozial angemessenen bzw. nachvollziehbaren Schulden und solchen, die aus einem aufwändigen bzw. nicht vorausschauenden Lebensstil resultieren, vorzunehmen, die Lebensführung des Angeklagten bewerten muss. Somit würde die Lebensführung des Angeklagten zumindest auf diesen Teilakt der Strafzumessung Einfluss haben und sich auf die Strafe niederschlagen.141 Grundsätzlich ist dem Strafrecht allerdings eine Lebensführungs- bzw. Charakterschuld fremd,142 weshalb Zahlungsverpflichtungen ungeachtet ihres 136  Fischer, § 40 Rn. 15; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 100; LK-Grube, § 40 Rn. 57; Schall, JuS 1977, 307, 310; Tröndle, ÖJZ 1975, 589, 592. 137  Fischer, § 40 Rn. 15. 138  OLG Köln 64 (1983) 114, 115; OLG Braunschweig VRS 53 (1977), 262, 263; Fischer, § 40 Rn. 15, 17; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 100; LK-Grube, § 40 Rn. 57a. 139  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 94, 100. 140  BayObLG NJW 1992, 2582, 2583. 141  NK-Albrecht, § 40 Rn. 34. 142  BGH NJW 1988, 1153, 1154; BGH StV 1999, 312; 1986, 15; Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 105/106; SK-Rogall, Vor § 19 Rn. 42; Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 36; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 226; Günther, JZ 1989, 1025, 1027.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe47

Entstehungszusammenhanges Berücksichtigung finden sollten, wenn sie größere Teile des Einkommens einer Person für längere Zeit binden.143 (2) In der Insolvenz Befindet sich der Angeklagte bereits bei der Verhängung der Geldstrafe in der Insolvenz, so steht nicht mehr ihm, sondern gem. § 80 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter das Recht zu, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen. Der Insolvenzschuldner verliert hier seine Verwaltungs- und Verfügungsrechte über sein eigenes Vermögen, weshalb er es nicht zur Kompensation des Strafübels144 einsetzen kann. Es wäre demnach verfehlt, sein Vermögen in die Bemessung der Tagessatzhöhe einzustellen. Vielmehr ist als Bemessungsgrundlage lediglich der unpfändbare Teil s­eines Vermögens gem. § 35 InsO bzw. der Pfändungsfreibetrag gem. § 36 Abs. 1 InsO i. V. m. § 850c ZPO anzunehmen. Dieser unpfändbare Teil des Vermögens dient primär dazu, dem Schuldner ein Existenzminimum zu sichern und eine Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht.145 Eine „Kahlpfändung“ läuft demnach sowohl Art. 1 Abs. 1 GG als auch dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG zuwider.146 Somit bleibt auch im Falle der Insolvenz wie beim Transferleistungsempfänger nach ALG II das Existenzminimum147 nicht unangetastet. bb) Geldstrafenvollstreckung Auch bei der Vollstreckung und Begleichung der Geldstrafe findet eine Zäsur mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 27 Abs. 1 InsO statt. (1) Begleichung der Geldstrafe nach Insolvenzeröffnung Wie bereits erörtert gehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 27 Abs. 1 InsO alle Verwaltungs- und Verfügungsrechte bezüglich des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO über. Der Geldstrafenschuldner verliert sein Verfügungsrecht hinsichtlich seines Vermögens, womit seine Verfügungen nach Eröffnung gem. § 81 Abs. 1 S. 1 InsO unwirksam sind. Zahlt der Geldstrafen143  NK-Albrecht,

§ 40 Rn. 34. § 40 Rn. 13; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 110. 145  Braun/InsO-Bäuerle, § 36 Rn. 4; MüKo/InsO-Peters, § 36 Rn. 1. 146  MüKo/InsO-Peters, § 36 Rn. 1. 147  Siehe dazu 1.  Teil A. I. 2. a) bb) (1). 144  Sch/Sch-Kinzig,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

schuldner trotz allem aus dem pfändbaren Teil seines Vermögens auf die Geldstrafe, so liegt nach Eröffnung stets eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 i. V. m. § 133 Abs. 1 InsO seitens des Schuldners vor, da dieser spätestens zu diesem Zeitpunkt von seiner Zahlungsunfähigkeit weiß und mithin vorsätzlich handelt.148 Sofern der Geldstrafenschuldner außerstande ist, aus diesem pfändungsfreien Teil seines Vermögens zu leisten, wird die Geldstrafe wegen Uneinbringlichkeit gem. § 43 StGB in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt. (2) Beglichene Geldstrafe vor der Insolvenzeröffnung Wenn die Geldstrafe vor der Insolvenz des Geldstrafenschuldners (späterer Insolvenzschuldner) verhängt und auf sie geleistet wird, bleibt die Zahlung solange wirksam, wie noch kein Insolvenzverfahren nach § 27 InsO über das Vermögen des Schuldners eröffnet und somit noch kein Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO bestellt ist. Allerdings wird diese Rechtshandlung des Schuldners, wenn die Insolvenz gem. § 27 Abs. 1 InsO innerhalb von drei Monaten nach Zahlung der Geldstrafe eröffnet wird, durch den Insolvenzverwalter gem. § 129 Abs. 1 i. V. m. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten. Die Strafvollstreckungsbehörde muss zum Zeitpunkt der Leistung auf die Geldstrafe die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gekannt haben, wobei nach § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis von Umständen, die auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens schließen lassen, dieser gleichsteht. Überdies muss der Insolvenzverwalter Zahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO anfechten, wenn der Schuldner im Wissen149 um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe begleicht und die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners wusste.150 Diese Vorsatzanfechtung hat nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO eine Frist von zehn Jahren, wobei auch hier die Kenntnis nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO von der Zahlungsunfähigkeit vermutet wird, wenn die Strafvollstreckungsbehörde wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit droht und die Handlung Gläubiger benachteiligt. Durch die Rückgewähr der Leistung auf die Geldstrafe nach § 143 InsO 148  BGH

NJW 2008, 2506, 2507. BGH NJW 2008, 2506, 2507 indiziert die Stellung des Insolvenzantrags nach § 13 Abs. 1 InsO die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner. Wird die Geldstrafe vor der Stellung des Insolvenzantrags verhängt und leistet der Geldstrafenschuldner erst nach Antragsstellung darauf, ist grundsätzlich von seiner „Bösgläubigkeit“ auszugehen. Denn spätestens mit Stellung des Eröffnungsantrags hat der Schuldner positive Kenntnis von seiner Zahlungsunfähigkeit und weiß, dass er mit Leistung auf die Geldstrafe die anderen Gläubiger gem. § 133 Abs. 1 InsO benachteiligt. 150  BGH NZI 2014, 863, 864. 149  Nach



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe49

lebt die Forderung der Landeskasse gegen den Geldstrafenschuldner gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auf. Der Geldstrafenschuldner befindet sich damit ab dem Zeitpunkt, an dem er von seiner Zahlungsunfähigkeit weiß, in einem Dilemma. Er muss, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden, auf die Geldstrafe leisten, allerdings ist er dazu nicht in der Lage, ohne eine Gläubigerbenachteiligung nach § 130 Abs. 1 InsO oder § 133 Abs. 1 InsO zu begehen. Selbst wenn die Benachteiligung der Gläubiger, wie im Falle der Leistung auf eine Geldstrafe, nicht die gewollte oder mutmaßliche Folge ist, so reicht es aus, dass sie als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten Vorteils erkannt und gebilligt wird.151 In diesem Fall hat der Schuldner keine reelle Chance, die Anordnung und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB gegen sich abzuwenden.152 Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass der Schuldner durch die Leistung auf die Geldstrafe der Insolvenzmasse die entsprechende Summe entzieht, so dass die Gläubiger zu Gunsten der Staatskasse benachteiligt werden. Im Ergebnis trägt die Gläubigergemeinschaft und nicht mehr der Verurteilte die persönlichen Straffolgen.153

II. Surrogation der Geldstrafe durch Freiheitsstrafe § 43 S. 2 StGB schreibt vor, dass ein Tagessatz der Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht. Es wird somit ein Umrechnungsmaßstab von 1:1 angelegt. Allerdings hat sich das Gericht im Rahmen der Geldstrafenzumessung gem. § 46 StGB für eine schuldangemessene Geldstrafe und gegen eine Freiheitsstrafe entschieden. Im Bereich der Geldstrafe bis zu 120 Tagesätzen kommt hinzu, dass das Gericht gem. § 47 Abs. 1 StGB gerade besondere Umstände, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich machen, abgelehnt hat. Fraglich ist damit, ob ein Tag Freiheitsstrafe ebenso schuldangemessen ist wie ein Tagessatz der Geldstrafe.154 Einer 1:1-Umwandlung von Geld- in Freiheitsstrafe würden dann keine Bedenken entgegenstehen, wenn beide gegeneinander austauschbar wären. Eine solche Austauschbarkeit setzt wiederum voraus, dass es sich bei ihnen um vergleichbare Strafen handelt.

151  BGH

NZI 2014, 863, 864. VIA 2019, 9, 10. 153  LG Göttingen NZI 2016, 554. 154  Bedenken äußernd Fischer, § 43 Rn. 4a; SK-Wolters, § 43 Rn. 2; Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 528; Jescheck, in: FS-Würtenberger, S. 269 f.; Grebing, ZStW 88 (1976), 1049, 1069; Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 576. 152  Rein,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

1. Konstituierende Elemente der Strafe nach der Rechtsprechung des BVerfG Das BVerfG verwendet den Begriff der Strafe nicht einheitlich. Strafe wird vom BVerfG definiert als: „missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht“155; „sozialethisches Unwerturteil über die von ihr pönalisierte Handlungsweise“156, „eine repressive Übelszufügung als Reaktion auf schuldhaftes Verhalten, welches dem Schuldausgleich dient“157; oder als „ein auferlegtes materielles Übel, das mit der Missbilligung vorwerfbaren Verhaltens verknüpft ist und von seiner Zielsetzung her (zumindest auch) dem Schuldausgleich dient“158. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Definitionen ist der Ausspruch der Missbilligung über ein vorwerfbares bzw. schuldhaftes Verhalten (Schuldfeststellung) und die Zufügung eines Übels, um die Schuld des Täters auszugleichen (Strafübel). Die Frage, ob die Missbilligung auch mit einem sozialethischen Unwerturteil über die Tat verknüpft sein muss, wird nur in Abgrenzung zu anderen Sanktionsmitteln wie der Geldbuße und der Zwangshaft virulent.159 Allerdings ist zweifelhaft, ob das Strafübel wirklich strafkonstituierend sein kann. a) Strafübel Auf die strafkonstituierende Wirkung des Strafübels für die Strafe stellt Greco ab, wenn er die Kriminalstrafe als den Entzug eines angeborenen Rechts ansieht, der vom Staat oder von einem staatsähnlichen Gebilde als objektive Reaktion auf angenommenes Fehlverhalten verhängt wird, wonach auch nur dieser eine schuldtilgende Wirkung zukomme.160 Die Strafen, die ein solches angeborenen Recht entzögen, werden von ihm als Strafen im ontologischen Sinne bezeichnet.161 Da nur Todesstrafe, Leibesstrafe, bürgerlicher Tod, Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft angeborenen Recht entzögen, seien auch nur diese Strafen im ontologischen Sinne und damit schuldtilgend.162 Die Geldstrafe sei keine Strafe im ontologischen Sinne, da sie sich nicht gegen ein solches angeborenes, sondern ein abgeleitetes Recht (Vermö155  BVerfGE 156  BVerfGE

105, 135, 153. 25, 269, 286; 88, 203, 258; 90, 145, 172; 96, 10, 25; 120, 224, 240;

123, 267, 408. 157  BVerfGE 128, 326, 377. 158  BVerfGE 109, 133, 172; 131, 268, 306; 134, 33, 81. 159  Kühl, in: FS-Volk, S. 275, 277 f.; Roxin, in: FS-Volk, S. 601 ff. 160  Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 659. 161  Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 660. 162  Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 662 f.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe51

gen als erworbene Rechtsposition) richte.163 Allerdings stelle die „hinter“ der Geldstrafe stehende Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB eine Strafe im ontologischen Sinne dar, da sie ein angeborenes Recht entziehe. Wenn wiederum eine Legitimationsbedingung von Strafe sei, dass sie durch einen Richter – den Staat oder ein staatsähnliches Gebilde – verhängt werde, müsse bereits die Geldstrafe, da sie sich ohne neuerlichen Richterspruch in eine Strafe im ontologischen Sinne wandeln lasse, durch ein Gericht verhängt werden, damit keine „Legitimationslücke“ entstehe. Die Entscheidung, angeborene Rechte zu entziehen, treffe das Gericht bereits in der Entscheidung über die Geldstrafe, wobei ihr Wirksamwerden an die aufschiebende Bedingung (Uneinbringlichkeit der Geldstrafe) geknüpft sei.164 Allerdings wird so von der Rechtsfolge der Strafe auf ihre Voraussetzungen geschlossen, weshalb die Argumentation zirkulär erscheint.165 Überdies kommt Greco zu dem Ergebnis, dass auch abgeleitete Strafen durch ihre „Rückbindung“ an die ontologische Strafe schuldtilgende Wirkung zukomme.166 Wenn allerdings faktisch beide Institute die Schuld des Täters tilgen, dann erübrigt sich bereits die Unterscheidung zwischen ontologischen und abgeleiteten Strafen.167 Wird allein die Auferlegung eines repressiven Übels betrachtet, so ist dieses grundsätzlich wertneutral.168 Nur in Verbindung mit dem Schuldausspruch erlangt es seinen strafrechtlichen Charakter und kann zum Ausgleich der Schuld dienen. Denn für sich genommen, weist das Strafübel keinen Unterschied zu anderen vom Staat auferlegten materiellen Belastungen auf. Für den Betroffenen macht es bezogen auf das repressive Übel keinen Unterschied, ob er aufgrund einer Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB, einer Untersuchungshaft gem. § 1 UVollzG SH oder aufgrund einer polizeilichen Ingewahrsamnahme gem. § 204 LVwG SH in seinem Recht auf Bewegungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG eingeschränkt wird. Auch ist ein zu Geldstrafe gem. § 40 StGB Verurteilter gleichfalls in seinem Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG betroffen, wie diejenigen, die auf eine Geldbuße gem. § 17 OWiG oder eine andere staatliche Geldleistungspflicht zu leisten haben.169

163  Greco,

Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 665. Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 660, 665 f. 165  Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 545. 166  Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 660. 167  Vgl. Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 545. 168  Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 544. 169  Vgl. dazu ausführlich Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 544 und Appel, Verfassung und Strafe, S. 503. 164  Greco,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

b) Schuldausspruch Als strafkonstituierend bleibt dann nur noch der Ausspruch der Missbilligung über das vorwerfbare bzw. schuldhafte Verhalten. Gerade dieser stellt die Verknüpfung zwischen dem Unrecht der Tat und dem Strafübel her, da hierin die verbindliche Feststellung einer defizitären Einstellung zur Norm zum Ausdruck kommt.170 Da das Strafübel wiederum nicht konstitutiv ist, sind auch solche Maßnahmen Strafen im materiellen Sinne, die nur mit dem Vorwurf eines normwidrigen Verhaltens verbunden sind.171 Sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe wird die Schuld des Täters festgestellt und so die Missbilligung über das Täterverhalten zum Ausdruck gebracht. In beiden Fällen ist die Schuldfeststellung somit konstitutiv für die Strafe. Auch wird im Rahmen ihrer Verhängung dem Täter jeweils ein Strafübel (Einbuße an Geld bzw. Freiheit) auferlegt. Eine Austauschbarkeit von Geld- und Freiheitsstrafe würde somit grundsätzlich voraussetzen, dass es mehr als „die eine“ schuldangemessene Strafe geben kann. 2. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip Der Schuldgrundsatz („Strafe setzt Schuld voraus“ oder auch negativ formuliert: „nulla poena sine culpa“)172 hat gem. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG Verfassungsrang.173 Die Schuld des Täters wirkt sich bei der Deliktsprüfung strafbegründend (Strafbegründungsschuld) und im Rahmen der Strafzumessung gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB strafbegrenzend (Straf­ zumessungsschuld) aus. Die Strafzumessungsschuld ist dabei aber nicht mit der Strafbegründungsschuld gleichzusetzen,174 sie baut lediglich auf dieser auf.175 Bei der Strafbegründungsschuld geht es um das „Ob“ der Strafe, also den Anknüpfungspunkt für die Strafverhängung an sich.176 Der Täter muss zum Zeitpunkt der Tatbegehung in der Lage und fähig gewesen sein, das Unrecht

170  Appel,

Verfassung und Strafe, S. 503. Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 549. 172  BGHSt 2, 194, 200; 10, 259; 262. 173  BVerfGE 6, 389, 439; 20, 323, 331; 25, 269, 285; 28, 386, 391; 41, 121, 125; 45, 187, 228; 50, 205, 214 f.; 50, 125, 133; 90, 145, 173; 120, 224, 241; Sch/SchEisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 103/104; Appel, Verfassung und Strafe, S. 109 ff. 174  Fischer, § 46 Rn. 5; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 46 Rn. 2; NK-Streng, § 46 Rn. 22; Frisch, in: FS-Müller-Dietz, 237 f. 175  MüKo-Maier, § 46 Rn. 33; Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 575. 176  Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 19 Rn. 54. 171  Brüning,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe53

der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.177 Wie diese Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgestaltet sein muss, ist dabei umstritten.178 Dem Täter wird bei allen Detailstreitigkeiten grundlegend vorgeworfen, dass er sich zu einem rechtswidrigen Verhalten hat motivieren lassen, obgleich er fähig zur Unrechtseinsicht war und die Möglichkeit hatte, sich dieser Unrechtseinsicht gemäß zu verhalten.179 Den Vergleichsmaßstab bildet somit die Gruppe derer, die in der Lage des Täters nach dem Erfahrungsgut der beteiligten Fachdisziplinen der Tatbegehung hätten widerstehen (oder eben nicht widerstehen) können.180 Generell wird diese Fähigkeit beim erwachsenen Täter, der tatbestandmäßig und rechtswidrig handelt, vermutet.181 Ihm wird damit die Fähigkeit der Unrechtseinsicht zugeschrieben,182 wobei der soziale Vergleichsmaßstab ein Maßstab bleiben muss und nicht zur Grundlage der Schuldzuschreibung werden darf. Ursache für diese Zuschreibung ist einzig die individuelle Verantwortlichkeit des Täters.183 Anknüpfungspunkt für die Strafe ist somit nicht die Täterpersönlichkeit, sondern nur die konkrete Tat.

177  Lackner/Kühl-Heger, Vor § 13 Rn. 22; Sch/Sch-Kinzig, § 46 Rn. 4; MüKoSchlehofer, Vor § 32 Rn. 258; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 574. 178  Zum psychologischen Schuldbegriff vgl. ausführlich Achenbach, Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre, S. 62 ff.; auch Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 13 Rn. 618 ff.; für einen normativen Schuldbegriff Frank, in: FS-Giessen, S. 519, 529 f.; Goldschmidt, Der Notstand, ein Schuldproblem, S. 17; LK-Rönnau, Vor §§ 32 ff. Rn. 329; für einen funktionalen Schuldbegriff Jakobs, Schuld und Prävention, S. 8 f.; für einen sozialen Schuldbegriff, dessen Grundlage der normative Schuldbegriff bilde, bei dem auf einen generalisierenden sozial-vergleichenden Maßstab zurückgegriffen wird (analogisches Verfahren) Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 224 ff.; Fischer, Vor § 13 Rn. 47 f.; S/S-Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 113; die Strafbegründungsschuld als unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit zu verstehen, Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 19 Rn. 36. 179  LK-Rönnau, Vor §§ 32 ff. Rn. 320, 329. 180  Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 39 S. 427; Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 106; Moos, in: FS-Pallin, S. 283, 288 f. 181  NK-Schild, § 20 Rn. 2; selbst die heutige Hirnforschung liefert nur ungenügend Aufschluss darüber, ob der Mensch wirklich frei in seinen Entscheidungen ist oder nicht, womit es nur ungesicherte Erkenntnisse darüber gebe, ob der Täter wirklich fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln; siehe zum Problem der Willensfreiheit und seiner Relevanz für die strafrechtliche Schuld ausführlich Hillenkamp, ZStW 127 (2015), 10, 37 f.; Herzberg, ZStW 124 (2012), 12, 56 ff.; Fahl, ZRph 2012, 93, 98 ff.; Griffel, GA 1996, 457 f. 182  MüKo-Schlehofer, Vor § 32 Rn. 259. 183  Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 107; MüKo-Streng, § 20 Rn. 26, ebenso Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 10 Rn. 8.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Die Schuld nach einer schuldhaften Persönlichkeitsgestaltung zu bestimmen, ist dem Prinzip der Einzeltatschuld fremd.184 Bei der Strafzumessungsschuld gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB geht es allerdings nicht um das „Ob“ der Strafbarkeit, sondern um die Ausgestaltung also des „Wie“ der Strafe. Die Strafzumessungsschuld beschreibt dabei die der Tat entsprechende, graduell steigerungsfähige Rechtsfriedensstörung, die dem Täter nach den der Rechtsordnung immanenten Maßstäben angelastet und zu deren Behebung er daher legitimerweise herangezogen werden kann.185 Die Störung der Rechtsordnung findet wiederum ihren Ausdruck im Erfolgs- und Handlungsunwert der Tat.186 Deshalb ist im Rahmen der Strafzumessung gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB eine Ganzheitsbetrachtung vom Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit vorzunehmen.187 Der Erfolgsunwert bezieht sich auf die Schwere der Tat und ihre Bedeutung für die Rechtsordnung,188 also die äußeren Tatumstände, wie die Vorgehensweise und die Art des verletzten Rechtsgutes.189 Der Handlungsunwert erschließt sich demgegenüber aus dem Grad der persönlichen Schuld des Täters190 und den inneren Tatumständen, beispielsweise der Zurechenbarkeit und der Gesinnung.191 Hierbei ist es allerdings verfehlt, strafschärfend Erwägungen zu berücksichtigen, die auf moralisierenden Gesichtspunkten beruhen und auf eine „Lebensführungsschuld“ des Täters hinweisen.192 Grundlage bildet auch hier die Tatschuld, womit die Täterpersönlichkeit allenfalls insoweit schuldrelevant ist, als sie sich in der Tat unmittelbar auswirkt.193 Die beiden Komponenten stehen also nicht isoliert nebeneinander, vielmehr ergibt sich die schuldangemessene 184  Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 105/106; SK-Rogall, Vor § 19 Rn. 42; Roxin/ Greco, Strafrecht AT I, § 19 Rn. 62; Radtke, GA 2011, 636, 646. 185  Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 388. 186  MüKo-Maier, § 46 Rn. 30; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 576. 187  BGHSt 16, 351, 353; 24, 268, 270; BGH NJW NStZ 1991, 231; 1981, 389; NJW 1976, 1326. 188  BGHSt 20, 264, 266; BGH NStZ 1987, 405; StV 1986, 15; 1983, 102. 189  Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschn. Rn. 76; Stratenwerth, in: FS-Schaffstein, S. 177, 178 ff.; vgl. auch Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 228. 190  BGHSt 20, 264, 266; BGH NStZ 1987, 405; StV 1986, 15; 1983, 102. 191  Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 89; Jakobs, Strafrecht AT, 6. Abschn. Rn. 76; vgl. auch Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 228; ferner Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 191 f. 192  BGH NStZ-RR 2007, 195; 2005, 70; StV 1999, 312; 1986, 15; NJW 1988, 1153, 1154; Fischer, § 46 Rn. 42a; Sch/Sch-Kinzig, § 40 Rn. 4; Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 36. 193  BGH NJW 1988, 1153, 1154; Sch/Sch-Eisele, Vor §§ 13 Rn. 105/106; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, IX. Rn. 524; Theune, NStZ 1986, 493, 494.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe55

Strafe aus ihrer Abwägung.194 Neben der Strafzumessungsschuld gem. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB sind präventive Aspekte gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB für die Zumessung der Strafe zu berücksichtigen. Misst das Gericht aufgrund dieser Tatsachen gem. § 46 StGB eine Geldstrafe zu, stellen sich für die Austauschbarkeit der Sanktion die Fragen, ob mehr als eine Strafe schuldangemessen sein kann und ob Geld- und Freiheitsstrafe grundsätzlich vergleichbar sind. a) Mehrzahl schuldangemessener Strafen Bei der Frage, ob eine oder mehrere Strafen schuldangemessen sein können, geht es um die Strafzumessung im engeren Sinne gem. § 46 StGB. Entscheidend ist hierbei, ob dem Gericht ein Spielraum für die Zumessung der exakten Strafe zugebilligt wird oder nicht. aa) Spielraumtheorie Nach der Spielraumtheorie, die von der Rechtsprechung195 und einem großen Teil der Literatur196 vertreten wird, verläuft die Strafzumessung in drei Schritten: Zuerst wird der gesetzliche Strafrahmen bestimmt, danach folgt die Einordnung der Tat in den Strafrahmen, indem ein Schuldrahmen gebildet wird und daran anschließend werden präventive Überlegungen angestellt.197 Die Strafzumessung stellt sich damit als Kooperation zwischen Gesetzgeber und Richter dar.198 Der Gesetzgeber legt den allgemeinen Strafrahmen fest und bewertet die Schwere der im Straftatbestand typisierten Unrechts­ materie. Dadurch wird dem Richter der Einordungsrahmen vorgegeben, der als Wertungsskala vom denkbar leichtesten bis zum schwersten Fall reicht.199 Dabei kann es zu einer rechnerischen Verschiebung dieses vom Gesetzgeber festgesetzten Normalstrafrahmens für die minder oder besonders schweren Fälle kommen (Bsp.: Normalstrafrahmen des Totschlags ergibt sich aus § 212 Abs. 1 StGB, die Strafrahmenverschiebung für den minder schweren 194  BGHSt 3, 179; 20, 264, 266; MüKo-Maier, § 46 Rn. 31; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 578. 195  BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133; 29, 319, 320. 196  Fischer, § 46 Rn. 20; MüKo-Maier, § 46 Rn. 92 ff.; Streng, in: FS-MüllerDietz, S. 875, 887 ff.; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 9; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 880 f. 197  BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133; 29, 319, 320. 198  Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 9. 199  Fischer, § 46 Rn. 17; Mösl, NStZ 1984, 492; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/ Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 9.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Fall aus §§ 212 Abs. 1, 213 StGB und für den besonders schweren Fall aus § 212 Abs. 2 StGB).200 Daneben gibt es für die vertypten Milderungsgründe noch die Strafrahmenverschiebungen, die sich nicht rechnerisch ergeben, sondern der richterlichen Wertung offenstehen (Bsp.: Strafrahmenverschiebung durch Verweis auf die gesetzliche Milderung gem. § 49 StGB in §§ 13 Abs. 2, 17, 23 Abs. 2, 3 StGB).201 Die Tat wird dann aufgrund der Schuld des Täters in diesen gesetzlichen bzw. vom Gericht gebildeten Strafrahmen eingeordnet. Hierbei kommt dem Richter ein Beurteilungsspielraum zu, der nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt wird.202 Es ergibt sich somit nach Berücksichtigung der Strafzumessungsschuld nicht eine genaue Strafe, die der Schuld entspricht, sondern ein „Schuldrahmen“203, innerhalb dessen alle Strafen schuldangemessen sind.204 Innerhalb dieses durch den gesetzlichen Strafrahmen in Verbindung mit der Strafzumessungsschuld gebildeten Spielraums erfolgt die Einordnung der Tat aufgrund präventiver Gesichtspunkte gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB, wobei die Rechtsprechung der Vereinigungstheorie205 folgt,206 wonach die Schuld des Täter die „äußere“ Grenze der Strafzumessung darstellt, die weder aufgrund generalpräventiver noch aus spezialpräventiven Gründen über- bzw. unterschritten werden dürfe.207 Nach der Spielraumtheorie ist es somit grundsätzlich möglich, dass mehrere Strafen schuldangemessen sind.208 bb) Kritik an der Spielraumtheorie Demgegenüber geht die Punktstrafentheorie davon aus, dass für eine bestimmte Tat auch nur eine ganz bestimmte Strafe schuldangemessen ist. Die 200  BGHSt 4, 8, 10; 5, 124, 130; 26, 97, 98; BGH NStZ 2015, 696; 1991, 529, 530; 1989, 72; 1985, 547. 201  BGH BeckRS 1987, 31094582. 202  BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133; 29, 319, 320; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 60; NK-Streng, § 46 Rn. 97. 203  Streng, in: FS-Müller-Dietz, S. 875; Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 63 Rn. 12; Meine, NStZ 1994, 159, 161. 204  BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f. 205  Vgl. zu den Straftheorien insgesamt Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 194 ff. 206  BGHSt 20, 264, 267. 207  BGHSt 20, 264, 267; 24, 132, 133. 208  Vgl. dazu auch Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 228; ferner Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 171 f.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe57

Schuld sei eine feste und bestimmte Größe, weshalb kein Schuldspielraum existiere.209 Allerdings wird gleichsam zugegeben, dass die Strafgröße nicht rechnerisch exakt ermittelbar ist, weshalb sich die Schuldstrafe faktisch innerhalb eines gewissen Rahmens bewege. Der Punkt einer genauen Strafe lasse sich in der Praxis nicht genau errechnen und er diene lediglich als ein Annäherungswert. Überdies wird zugegeben, dass es erkenntnistheoretisch nicht möglich sei, die Schuld des Täters genau festzustellen, da es sich bei der Schuld um ein „metaphysisches“ Phänomen handele.210 Deshalb ist die Punktstrafe eine Fiktion.211 Nach der Stellenwerttheorie, die eine Art „Stufenmodell“212 ist, vollziehe sich der Prozess der Sanktionsfestsetzung in zwei Stufen: Strafhöhenbemessung und Sanktionswahl.213 Ausgangspunkt sei auch bei dieser Theorie ein „Spielraum“ (bezüglich der Strafhöhe) in den das verschuldete Unrecht einzuordnen und so in ein Strafquantum umzurechnen sei.214 Entscheidend für die Einordnung der Tat in den Spielraum sei einzig die Schuld des Täters, präventive Gesichtspunkte seien anders als bei der Spielraumtheorie nicht zu berücksichtigen. Aus dem Strafquantum ergebe sich die Dauer bzw. Höhe einer (hypothetisch zu verbüßenden Freiheits-)Strafe.215 In einem zweiten Schritt würden dann general- und spezialpräventive Überlegungen angestellt, wenn es um die Art der zu verhängenden Strafe und deren tatsächliche Vollstreckung gehe.216 Präventive Aspekte sollten nach dieser Ansicht niemals Einfluss auf die Höhe der Strafe, sondern allein auf die Art und deren Vollstreckung haben.217 Wenn jedoch präventive Gesichtspunkte bei der Strafhöhenbemessung außer Betracht bleiben, ergibt sich bei Taten mit schwerstem Unrechtsgehalt, die eine (hypothetische) Freiheitsstrafe über zwei Jahren erfordern, dass entgegen dem Wortlaut des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB die präventive Wirkung der Strafe auf den Täter gar keine Berücksichtigung (auch nicht mehr bei der Strafartwahl) findet, da hier als Strafart gem. § 47 StGB nur noch eine Freiheitsstrafe in Betracht kommt, die darüber hinaus auch vollstreckungsrecht209  Schneidewin,

JZ 1955, 505, 506; Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 261. Das Schuldprinzip, S. 261. 211  Haas, Strafbegriff, Staatsverhältnis und Prozessstruktur, S. 276; Dreher, in: FS-Bruns, S. 141, 162 f., der nicht nur die Punktstrafe, sondern auch die Spielraumtheorie als Illusion bezeichnet; Günther, JZ 1989, 1025. 212  NK-Streng, § 46 Rn. 106. 213  Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 23 ff. 214  SK-Horn/Wolters, § 46 Rn. 34. 215  SK-Horn/Wolters, § 46 Rn. 33; Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 27. 216  SK-Horn/Wolters, § 46 Rn. 33; Henkel, Die „richtige“ Strafe, S. 40 ff. 217  SK-Horn/Wolters, § 46 Rn. 34. 210  Kaufmann,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

lich nicht nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.218 Generell widerspricht eine solche Vorgehensweise dem Wortlaut des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB, der an § 46 Abs. 1 S. 1 StGB anknüpft und nicht von diesem unabhängig gesehen werden kann. Denn hätte der Gesetzgeber die Schuld zum alleinigen strafzumessungsrelevanten Aspekt erheben wollen, hätte es den S. 2 in § 46 Abs. 1 StGB nicht bedurft.219 Die Wirkung der Strafe auf den Täter muss auch bei der Strafhöhenbemessung Berücksichtigung finden, womit die Stellenwerttheorie abzulehnen ist. Die Lehre von der Tatproportionalität220 geht über die Stellenwerttheorie noch hinaus, indem sie präventive Aspekte bei der Strafzumessung vollständig ausblendet.221 Maßstab sei im Einzelfall allein das Handlungs- und Erfolgsunrecht der jeweiligen Tat, wobei alle nicht auf das Unrecht oder die Schuld bezogenen Umstände der Tatbegehung und der Persönlichkeit des Täters unberücksichtigt blieben.222 Allerdings ergebe sich bei der Bewertung der Tatschwere auch hier für das Gericht ein gewisser „Spielraum“, der eine gewisse Variation der Strafzumessungsergebnisse vertretbar erscheinen lasse.223 Hierdurch soll die Vergleichbarkeit von Strafen untereinander gewährleistet werden. Diese Vergleichbarkeit beruhe auf der ordinalen (relativen) Proportionalität, da Personen, die wegen vergleichbarer Delikte verurteilt werden, auch vergleichbar schwere Strafen erhielten. Daraus ergebe sich wiederum eine komparative Proportionalität, da Personen, die wegen Delikten unterschiedlicher Schwere verurteilt werden, Strafen erlitten, die nach ihrer Härte gestaffelt seien.224 Hinzu komme die kardinale (nicht-relative) Proportionalität, die die Bandbreite und die Eckdaten der Sanktionsskala betreffe. Diese Bandbreite bzw. Eckdaten ergeben sich wiederum aus dem Vergleich mit Delikten, für die bereits eine Strafe festgesetzt worden sei. Irgendwo müsse allerdings auch diese Festsetzung (der „ersten Strafe“) ihren Anfang nehmen. Orientierung biete dafür die Theorie des Unwerturteils/­ Tadels. Demnach solle die Strafe diesen Tadel widerspiegeln, indem die

218  Lackner, Über neue Entwicklungen in der Strafzumessungslehre und ihre Bedeutung für die richterliche Praxis, S. 26 f. 219  Roxin, in: FS-Bruns, S. 183, 186. 220  Siehe zum Ganzen Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit. 221  MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 63. 222  Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 389  ff.; dies., JZ 1999, 1080, 1087 f.; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 12 ff. 223  Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 158. 224  v. Hirsch, in: Frisch/von Hirsch/Albrecht, Tatproportionalität, 47, 62  f.; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 25.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe59

Strafe bestimmte Grade der Missbilligung durch gesellschaftlich vorgegebene Strafniveaus ausdrücke.225 Um diese Vergleichbarkeit zu erreichen, richte sich die Strafe allein nach der Tatschwere (Erfolgs- und Handlungsunwert). Dabei seien präventive Gesichtspunkte zu vernachlässigen und die Perspektive des Opfers aufzuwerten. Das Ausmaß des Erfolgsunrechts (Verletzung bzw. Gefährdung eines Rechtsguts) ließe sich daran festmachen, wie stark durch die Straftat die Lebensqualität des Opfers beeinträchtigt werde.226 Durch die Abwendung vom Täter und seiner Persönlichkeit sei das Strafmaß nicht länger das Ergebnis einer individuellen und damit willkürlichen Würdigung des Tatrichters, sondern das Produkt eines reversiblen Strafzumessungsprozesses.227 Wie die Stellenwerttheorie ist auch die Lehre von der Tatproportionalität schwerlich mit dem Wortlaut von § 46 Abs. 1 S. 2 StGB vereinbar, der für die Strafzumessung die Wirkung der Strafe für das künftige Leben des Täters berücksichtigt wissen will.228 Die Vergleichbarkeitsmaxime (Vereinheitlichung der Strafhöhenbemessung) führt zwar zur Vereinheitlichung von Strafen für Taten mit demselben Schuldgehalt, was allerdings nicht dem Einzelfall gerecht wird.229 Denn speziell im Fall von gut integrierten Ersttätern, denen eine positive Legalprognose zu stellen ist, würde die Strafzumessung allein unter dem Gesichtspunkt der Schuldschwere zu einer Erhöhung des Strafniveaus führen.230 Überdies ist die opferzentrierte Bestimmung des Erfolgsunwerts bei Versuchsdelikten, Delikten gegen Kollektivrechtsgüter sowie Gefährdungsdelikten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Wird in diesem Zusammenhang dann auch die Rechtsfriedensstörung als Konkretisierungsfaktor abgelehnt, scheidet eine Quantifizierung der Tatschwere bei diesen „opferlosen“ Delikten ganz aus. Im Rahmen dieser Delikte bleibt dann nur die Heranziehung des Handlungsunrechts als strafbegründend.231 Zustimmung verdient damit die Spielraumtheorie der Rechtsprechung. Sie orientiert sich am Wortlaut des § 46 Abs. 1 StGB, indem auf der Grundlage des gesetzlichen Strafrahmens in Verbindung mit der Strafzumessungsschuld dem Tatrichter ein Spielraum eröffnet wird, in den dieser unter Berücksich­ tigung general- wie spezialpräventiver Aspekte (Vereinigungstheorie) die 225  v. Hirsch, in: Frisch/von Hirsch/Albrecht, Tatproportionalität, 47, 63  ff.; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 25 f. 226  Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 890. 227  v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 226 f. 228  Dies erkennt sogar Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 340 an. 229  LK-Schneider, § 46 Rn. 46. 230  NK-Streng, § 46 Rn. 112; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 18. 231  Vgl. dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, IX. Rn. 638.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Strafe des Täters einordnet. Damit wird dem Richter ein hohes Maß an Flexibilität an die Hand gegeben, um dem Einzelfall entsprechend eine gerechte Strafe zu bilden. Ein Nachteil der Theorie liegt bei der Spielraumtheorie darin, dass eine Schuldunterschreitung aufgrund spezialpräventiver Aspekte – wie bei der von Roxin vertretenen Variante der Vereinigungstheorie232 – nicht möglich ist.233 Mit Blick auf die Strafzumessungsschuld, die sich am Erfolgs- und Handlungsunwert der Tat orientiert, wird dieses Problem allerdings abgemildert. Denn das Handlungsunrecht bezieht die Täterpersönlichkeit in die Schuldabwägung mit ein. Der Streit verliert in der Praxis an Bedeutung, da der Schuldbegriff so weit gefasst wird, dass hier auch präventive Aspekte Berücksichtigung finden können.234 cc) Folgen der Spielraumtheorie Mit der Spielraumtheorie (wie auch mit der Stellenwerttheorie und der Lehre von der Tatproportionalität) gibt es nicht nur die eine schuldangemessene Strafe. Dabei bildet das Gericht den Strafrahmen auf der Grundlage der sich aus dem Gesetz ergebenden Strafdrohungen. Durch die Einordnung der konkreten Tat des Täters in das vorgegebene Wertungsschema des gesetzlichen Strafrahmens ergibt sich der konkrete Schuldrahmen, der durch die schon schuldangemessene und die noch schuldangemessene Strafe eingegrenzt wird. Demzufolge verbleiben mehrere schuldangemessene Strafen, aus denen sich die eine feste Strafgröße aufgrund der Präventionsentscheidung (Vereinigungstheorie235) ergibt. Wenn auf diesem Wege eine feste Strafgröße, die dem Einzelfall unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten am besten gerecht wird, gebildet worden ist,236 schließt sich hieran die Wahl der Strafart an. b) Wahl der Strafart Für die Wahl der Strafart fehlt eine dem § 46 StGB entsprechende Vorschrift. Lediglich § 47 Abs. 1 StGB normiert bei kurzen Freiheitsstrafen einen Vorrang der Geldstrafe. Bei Strafgrößen unter sechs Monaten geht dem232  Siehe

dazu ausführlich 1.  Teil A. II. 1. c). Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 832. 234  LK-Schneider, Vor §§ 46 Rn. 33; SK-Horn/Wolters, § 46 Rn. 22; zustimmend auch Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 230. 235  BGHSt 20, 264, 267; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 51; Schild, in: FS-Lenckner, S. 287, 300; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 33 ff.; ausführlich Koriath, Jura 1995, 625 ff. 236  Vgl. dazu Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 62 Rn. 21 ff. 233  Schäfer/Sander/van



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe61

nach grundsätzlich die Geldstrafe der Freiheitsstrafe vor, wenn nicht besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Die Entscheidung, ob eine Einwirkung auf den Täter erforderlich ist, richtet sich nach spezialpräventiven Erwägungen, wohingegen zur Bestimmung der Verteidigung der Rechtsordnung generalpräventive Gesichtspunkte heranzuziehen sind.237 Je schwerer die Tat wiegt, desto eher ist eine Freiheitsstrafe zur Normbekräftigung nötig, um das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung zu stärken.238 Da § 40 Abs. 1 S. 2 StGB das Höchstmaß von 360 Tagessätzen bestimmt, ist die Frage, wie die Strafwahl bei einer Strafgröße zwischen sechs Monaten und einem Jahr getroffen wird. Denn in diesem Bereich fehlt es an einer Vorschrift, die mit dem § 47 StGB vergleichbar wäre und somit an Kriterien für die Entscheidung zwischen Geldstrafe und Freiheitsstrafe.239 Allerdings ist bei der Wahl zwischen zwei Grundrechtseingriffen stets das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit einzusetzen, weshalb der in § 47 StGB normierte Grundsatz des Vorrangs der milderen Sanktion auch für Strafgrößen über sechs Monate bis ein Jahr zu gilt.240 Die Geldstrafe müsste sich demnach als mildere Sanktion gegenüber der Geldstrafe darstellen. aa) Geldstrafe als mildere Sanktion gegenüber Freiheitsstrafe Grundsätzlich sind Geld und Freiheitsstrafe keine vergleichbaren Größen.241 Geld ist die „geronnene Freiheit“242 der eigenen oder fremden Arbeit243. Der Betroffene tauscht seine Freizeit bzw. eigene Freiheit durch Arbeit in Geld. Wiederum eröffnet Geld als Tauschmittel einer Person Handlungsalternativen, die der freien Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 Abs. 1 GG dienen.244 Das Wohlstandsideal der Industriestaaten macht Geld 237  Bruns,

Strafzumessungsrecht, S. 338. Vor § 1 Rn. 288; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3

238  NK-Hassemer/Neumann,

Rn. 27. 239  NK-Albrecht, § 40 Rn. 16. 240  SK-Wolters, § 47 Rn. 10; mit anderer Begründung MüKo-Radtke, § 40 Rn. 27; a. A. Sch/Sch-Kinzig, § 46 Rn. 64. 241  Sch/Sch-Kinzig, § 46 Rn. 60; LK-Grube, Vor § 40 Rn. 2; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Grebing, ZStW 88 (1976), 1049, 1109. 242  Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 1 Rn. 29. 243  Dürig, in: FS-Apelt, S. 13, 31; v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, S. 40, 44. 244  Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 1 Rn. 29; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 293.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

somit zum Sozialmaß, da der Staat und die Gesellschaft eine ökonomische Integration verlangen.245 Arbeitszeit wird zu einem geldwerten Faktor,246 da im Geld ein Stück der eigenen oder fremden (Arbeits-)Kraft und Vergangenheit besessen und behauptet wird.247 Durch die Geldstrafe verschiebt sich der Rahmen der Handlungsalternativen negativ zum „Wohlstandsideal“ in der Gesellschaft,248 was sich faktisch durch einen Konsumverzicht beim Täter äußert.249 Da alle geldwerten Güter einer Person das Vermögen des Betroffenen ausmachen,250 mindert sich durch die Zahlung auf eine Geldstrafe auch das Vermögen der Person. Prinzipiell könnte damit das Eigentum des Verurteilten betroffen sein, womit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG dem Art. 2 Abs. 1 GG als spezielles Grundrecht vorgehen würde. Art. 14 GG schützt das „Eigentum“ als eine vermögenswerte Rechtsposition. Hierbei erfährt allerdings das „Vermögen“ des Einzelnen an sich keinen Schutz.251 Diese kategoriale Ablehnung wird vom BVerfG durch die salvatorische Klausel durchbrochen. Hiernach kommt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Betracht, wenn die Geldleistungspflicht den Betroffenen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt werden.252 In diesem Zusammenhang muss der Geldleistungspflicht eine erdrosselnde bzw. konfiskatorische Wirkung zukommen.253 Da die Geldstrafe das Existenzminimum nicht unangetastet lässt,254 fragt sich, ob hierin schon eine erdrosselnde Wirkung zu sehen ist. Eine solche „Erdrosselungsstrafe“255 wurde teilweise für den weggefallenen § 43a Abs. 1 StGB a. F.256 angenommen, wenn die Vermögensstrafe an 245  Kubink,

Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 116. Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 116. 247  v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, S. 44. 248  Kubink, Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 116. 249  MüKo-Radtke, § 40 Rn. 11; v. Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 154; Zipf, Die Geldstrafe, S. 53. 250  BVerfGE 95, 267, 300 f. 251  BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 271; 65, 196, 209; 72, 175, 195; 95, 267, 300; Maunz/Dürig/GG-Papier/Shirvani, Art. 14 Rn. 277. 252  BVerfGE 14, 221, 241; 76, 130, 141; 78, 232, 243; 82, 159; 190; 87, 153, 169. 253  BVerfGE 63, 343, 368. 254  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214; BSG BeckRS 2015, 72370 Rn. 50; OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. 255  Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133. 256  „Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so kann das Gericht neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren auf Zahlung eines Geldbetrages erkennen, dessen Höhe durch den Wert des Vermögens des Täters begrenzt ist (Vermögensstrafe). Vermögensvorteile, deren Verfall angeordnet wird, bleiben bei der Bewertung des Vermögens außer Ansatz. Der Wert des Vermögens kann geschätzt werden.“ 246  Kubink,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe63

das gesamte Tätervermögen herangehe.257 Der Abschöpfung des gesamten Tätervermögens bei der Geldstrafe wirken allerdings das Tagessatzsystem mit § 40 Abs. 2 StGB und die zu gewährenden Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB entgegen.258 Es ist davon auszugehen, dass dem Täter durch die Geldstrafe nicht das gesamte Vermögen erdrosselnd und damit „existenzvernichtend“ entzogen werden kann.259 Selbst wenn hierin ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG durch die Geldstrafe nach § 40 StGB gesehen wird, würde es sich wie bei der weggefallenen Vermögensstrafe gem. § 43a StGB a. F. nach der Rechtsprechung des BVerfG um eine zulässige Eigentumsschranke handeln.260 Die Freiheitsstrafe wirkt wiederum auf die körperliche Bewegungsfreiheit des Verurteilten ein. Der Verurteilte wird in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG beschränkt.261 Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt das Recht jedes Einzelnen im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung jeden an sich (tatsächlich oder rechtlich) zugänglichen Ort aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder ihn zu verlassen, nicht aber sich unbegrenzt überall aufzuhalten und überall hinzubewegen. Anders als der Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ vermuten lässt, ist hiervon nur die körperliche Bewegungsfreiheit umfasst.262 Ein Eingriff liegt immer dann vor, wenn eine Person in ihrer räumlichen Entfaltung gegen den eigenen Willen auf relativ begrenzten Raum beschränkt wird. Typischerweise liegt dies bei allen staatlichen Formen der Inhaftierung vor, da es in diesen Fällen zur mehr als kurzfristigen Beschränkung auf einen eng umgrenzten Raum mittels eines staatlichen Zwangsmittels kommt.263 Sowohl das Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als auch die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG und die Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG werden nicht schrankenlos gewährt. Die Schrankenbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG steht dabei unter ei-

257  Perron,

JZ 1993, 918, 919. Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133. 259  BVerfGE 90, 145, 171; 92, 191, 196; nach Dreier/GG-Wieland, Art. 14 Rn. 65, habe das BVerfG eine Verletzung des Art. 14 GG durch Geldleistungspflichten noch nie ernsthaft in Betracht gezogen. 260  BVerfGE 105, 135, 150. 261  BVerfGE 94, 166, 198; 96, 10, 21; 105, 239, 247; zur Konkurrenzproblematik mit anderen Grundrechten vgl. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S.  130 ff. 262  BVerfGE 94, 166, 198; 96, 10, 21; 105, 239, 247 f. 263  Jarass/Pieroth/GG-Jarass, Art. 2 Rn. 114; Dreier/GG-Schulze-Fielitz, Art. 2 Rn. 98. 258  Lagodny,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

nem einfachen Gesetzesvorbehalt.264 Wird mit der überwiegenden Meinung265 abgelehnt, dass durch die Geldstrafe in das Eigentum des Betroffenen ein­ gegriffen wird, so bleibt als „Auffanggrundrecht“ die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG, in die aufgrund eines einfachen Gesetzes eingegriffen werden kann.266 Hingegen darf in die Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG aufgrund der Verknüpfung mit Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes – qualifizierter Gesetzesvorbehalt – eingegriffen werden.267 Über die Zulässigkeit und die Fortdauer einer solchen Maßnahme hat wiederum ein Richter gem. Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zu entscheiden. Die Verfassung gewährleistet damit, dass die Freiheit der Person einen höheren Schutz als das Eigentum oder die allgemeine Handlungsfreiheit genießt. Nach Redlich gehe der höhere Schutz überdies mit einer höheren Eingriffsintensität einher, was die Freiheitsstrafe zur schwereren Sanktion gegenüber der Geldstrafe werden lasse.268 Allerdings wird hier von der Rechtsfolge auf ihre Voraussetzungen geschlossen, was die Argumentation zirkulär wirken lässt. Jedoch bestimmt das StGB selbst die Geldstrafe als mildere Strafe im Vergleich zur Freiheitsstrafe, wenn das Gericht gem. § 49 Abs. 2 StGB nach seinem Ermessen mildern und so bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt einer Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen darf. Eine Strafrahmenmilderung gem. § 49 Abs. 2 StGB kommt in den Fällen der §§ 23 Abs. 3, 30 Abs. 1 S. 3, 83a Abs. 1, 84 Abs. 4 und 5, 90 Abs. 2, 98 Abs. 2, 113 Abs. 4 S. 1 und 2, 129 Abs. 6 S. 1, 129a Abs. 6 und 7; 157 Abs. 1 und 2, 158 Abs. 1, 261 Abs. 10, 314a, 320 StGB in Betracht.269 Überdies normiert § 12 StGB die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen. Gem. § 12 Abs. 1 StGB sind Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind, wohingegen Vergehen nach § 12 Abs. 2 StGB rechtswidrige Taten sind, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht sind. Der Gesetzgeber bewertet durch die Vorgabe dieser Strafrahmen

264  Maunz/Dürig/GG-Papier/Shirvani, Art. 14 Rn. 418; Jarass/Pieroth/GG-Jarass, Art. 14 Rn. 35; Dreier/GG-Wieland, Art. 14 Rn. 103. 265  BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 271; 65, 196, 209; 72, 175, 195; 95, 267, 300; Maunz/Dürig/GG-Papier/Shirvani, Art. 14 Rn. 277; Dreier/GG-Wieland, Art. 14 Rn. 65; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 293. 266  Jarass/Pieroth/GG-Jarass, Art. 2 Rn. 16; Dreier/GG-Dreier, Art. 2 Rn. 53. 267  Jarass/Pieroth/GG-Jarass, Art. 2 Rn. 119; Dreier/GG-Schulze-Fielitz, Art. 2 Rn. 106. 268  Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 32. 269  NK-Kett-Straub, § 49 Rn. 16; MüKo-Maier, § 49 Rn. 29.



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe65

die typisierte Unrechtsmaterie,270 weshalb sich die Steigerung im Erfolgsund Handlungsunwerts einer Tat in den gestaffelten Strafrahmen niederschlägt.271 Vergehen sind damit Straftaten, die der Gesetzgeber für relativ geringer strafwürdig hält.272 Es handelt sich insoweit um eine aus dem Sanktionssystem des StGB ableitbare Wertentscheidung, dass die Geldstrafe als mildere Sanktion gegenüber der Freiheitsstrafe eingestuft wird.273 Dafür spricht ebenso der Strafrahmen, der bei der Geldstrafe gem. § 40 Abs. 1 S. 2 StGB auf 360 volle Tägessätze bzw. bei einer Gesamtgeldstrafe gem. § 54 Abs. 2 S. 2 StGB auf 720 Tagessätze begrenzt ist. Wohingegen es bei den Freiheitsstrafen gem. § 38 Abs. 1 StGB mit der Möglichkeit, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, keine Begrenzung gibt. Im Ergebnis sind Geld- und Freiheitsstrafe damit vergleichbare Größen im Rechtssinne. bb) Schuldprinzip im Rahmen der Strafartwahl gem. § 47 StGB Wenn die Geldstrafe die im Vergleich zur Freiheitsstrafe mildere Sanktion ist, könnte auch hierdurch ein Verstoß gegen das Schuldprinzip aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG in Betracht kommen. Fraglich ist, ob und inwieweit sich die Schuld des Täters bei der Wahl der Strafart („nochmals“) auswirken kann. Denn im Rahmen der sich an § 46 StGB anschließenden Rechtsfolgenentscheidung gem. § 47 StGB, findet die Schuld keine weitere Erwähnung mehr.274 Prinzipiell würde es dem Wortlaut des § 47 StGB widersprechen, die Schuld des Täters als Aspekt für die Wahl der Strafart heranzuziehen. Auch nach der Zielsetzung und Entstehungsgeschichte des § 47 StGB könne nicht von einer zusätzlichen Ausprägung des Schuldprinzips bei der Strafartwahl die Rede sein.275 § 47 StGB beruht auf § 14 StGB a. F.276, dessen Abs. 1 wortlautidentisch mit dem heutigen § 47 Abs. 1 StGB war. Dabei hat sich der Gesetzgeber entgegen dem Vorschlag nach dem Entwurf eines Strafgesetz­ buches (E 1962) nicht für den Wortlaut des § 53 Abs. 1 E 1962 entschieden, der wie folgt lautete: 270  Zipf/Dölling,

in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 63 Rn. 17. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 579. 272  Fischer, § 12 Rn. 2. 273  BT-Drucks. IV/650, S. 173; BGHSt 37, 106, 133; vgl. auch Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 34; mit anderer Begründung NK-Albrecht, § 40 Rn. 7; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 27; LK-Grube, Vor § 40 Rn. 1; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Mösl, NStZ 1983, 493, 495. 274  Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 8 Rn. 4, 6. 275  Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 338. 276  1. StrRG, BGBl. I 1969, S. 646. 271  Schäfer/Sander/van

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

„[…] eine Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten verwirkt, so wird an ihrer Stelle eine Geldstrafe bis zu neunzig Tagessätzen verhängt, wenn zu erwarten ist, daß sie genügen wird, dem Täter zur Warnung zu dienen, und weder seine Schuld noch die Aufgabe der Strafe, Straftaten entgegenzuwirken, eine Freiheitsstrafe erfordern“277.

Es wurde sich somit bewusst gegen die Aufnahme des Schuldvorbehalts entschieden.278 Zielbestimmung des § 47 StGB sei es, die kurzfristigen Freiheitsstrafen zurückzudrängen, da hier die Zeit im Strafvollzug nicht ausreiche, um bessernd auf die Betroffenen einzuwirken. Vielmehr seien solche kurzen Aufenthalte in einer Strafanstalt oft schädlich, da die Betroffenen aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden und der „kriminellen Ansteckung“ ausgesetzt würden.279 Kurzzeitige Freiheitsstrafen unter sechs Monaten sollten eingedämmt und die Freiheitsstrafe zur ultima ratio280 in diesem Bereich werden. Das heißt, die Geldstrafe ist immer vorrangig, solange nicht besondere Umstände eine Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Alle kriminalpolitischen Erwägungen sind dabei präventiver Art. Der Normwortlaut stellt wiederum die Spezialprävention (Einwirkung auf den Täter) und die Generalprävention (Verteidigung der Rechtsordnung) in den Vordergrund. Es findet sich somit weder im Wortlaut des § 47 Abs. 1 StGB noch im Willen des Gesetzgebers oder den kriminalpolitischen Erwägungen eine Stütze dafür, dass das Schuldprinzip bei der Wahl zwischen Geld- und Freiheitsstrafe zum Tragen kommt.281 Aus diesem Grund kann in der Umwandlung von Geld- in Freiheitsstrafe grundsätzlich kein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz gem. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG gesehen werden. c) Umwandlungsmaßstab von 1:1 Nach der Spielraumtheorie – die kurzgesagt einen Strafrahmen bestimmt, daran anschließend einen Schuldrahmen bildet, die Tat des Täters unter prä277  BT-Drucks.

V/650, S.  17 f. in: FS-Bruns, S. 183, 193. 279  BT-Drucks. V/4094, S. 5; BGHSt 22, 192, 199; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 47 Rn. 1; Lackner/Kühl-Heger, § 47 Rn. 1; NK-Streng, § 47 Rn. 2; MüKoMaier, § 47 Rn. 2; LK-Theune, § 47 Rn. 2; Weigend, JZ 1986, 260, 263. 280  BGHSt 24, 40, 42  f.; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 47 Rn. 1; Sch/SchKinzig, § 47 Rn. 1; Lackner/Kühl-Heger, § 47 Rn. 1; MüKo-Maier, § 47 Rn. 2. 281  So auch Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 8 Rn. 6; Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 338; Roxin, in: FS-Bruns, S. 183, 192; Schöch, in: FSSchaffstein, S. 255, 262. 278  Roxin,



A. Anordnungsvoraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe67

ventiven Gesichtspunkten (Vereinigungstheorie) in den Schuldrahmen einordnet, um zu einer Strafgröße zu gelangen und erst danach eine Strafartwahl trifft – könne bei jeder Geldstrafe die hypothetische Überlegung angestellt werden, wie viele Tage Freiheitsstrafe die abzuurteilende Tat dieses Täters „wert“ sei.282 Das StGB normiert nicht nur im Rahmen des § 43 S. 2 StGB, sondern auch in §§ 47 Abs. 2 S. 2, 51 Abs. 4 S. 1, 53 Abs. 3, 46a, 107b Abs. 1, 160 Abs. 1, 285 StGB einen Umrechnungsmaßstab von 1:1. Fraglich ist, ob eine solcher Umrechnungsmaßstab im Hinblick auf Strafgerechtigkeits- und Strafübelsäquivalenz beider Sanktionen überzeugt, da die Geldstrafe grundsätzlich die mildere Sanktion gegenüber der Freiheitsstrafe ist. Bereits rein intuitiv ist die Geldstrafe mit einem geringeren Übel als die Freiheitsstrafe verbunden.283 Die Geldstrafe entzieht dem Betroffenen nach dem Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB seine Tageseinkünfte. Der Freiheitsstrafenverbüßer gem. § 38 StGB verliert demgegenüber seine Bewegungsfreiheit und seine Tageseinkünfte.284 Auch Personen, die Transferleistungsempfangende nach SBG II sind, sind während der Zeit des Strafvollzuges von der Leistungsgewährung ausgeschlossen, da es sich bei Justizvollzuganstalten um „stationäre Einrichtungen“ gem. § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II handelt.285 Die Freiheitsstrafe stellt damit ein Mehr an Übelzufügung im Vergleich zur Geldstrafe dar.286 Die Ersatzfreiheitsstrafe ist auf Grundlage dieses Befundes nicht ein Ersatzübel, sondern ein Zusatzübel287.288 Auch in rein temporärer Hinsicht überzeugt das Verdikt der Gleichstellung nicht. Wenn Geld die geronnene Freiheit der eigenen oder fremden Arbeit289 darstellt und die Geldstrafe nach dem Nettoeinkommen berechnet wird, dann entzieht sie damit die Arbeits- bzw. Freizeit. Eine regelmäßige Tagesarbeitszeit von 8 bzw. 7,5 Stunden einem 24-stündigen Freiheitsentzug gleichzusetzen, erscheint ebenso wenig übelsäquivalent.290

282  BGHSt

27, 70, 72. ZStW 129 (2017), 433, 438. 284  Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 576. 285  BSG, Urt. v. 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R. 286  Schall, NStZ 1985, 104, 106; Tröndle, JR 1976, 162, 163; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525. 287  Tröndle, JR 1976, 162, 163; ders., ZStW 86 (1974), 545, 576; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525; Weber, in: GS-Schröder, S. 175, 184; von einem „qualitativen Sprung“ sprechen: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 73 S. 775. 288  Tröndle, JR 1976, 162, 163; ders., ZStW 86 (1974), 545, 576. 289  v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, S. 40, 44; Dürig, in: FS-Apelt, S. 13, 31; Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 1 Rn. 29. 290  NK-Albrecht, § 43 Rn. 6. 283  Meier,

68

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Ein Umrechnungsmaßstab von 1:1 würde allerdings voraussetzen, dass das Übel der Geldstrafe komparabel mit dem der Freiheitsstrafe ist.291 Wird dies abgelehnt, muss dies nicht nur für den Umrechnungsmaßstab in § 43 S. 2 StGB gelten, sondern ebenfalls im Prozess der Strafzumessung. Denn grundsätzlich wird der Schuldrahmen, in den die spätere Strafgröße aufgrund präventiver Erwägungen einzuordnen ist, durch die schon schuldangemessene und noch schuldangemessene Strafe begrenzt.292 Da die Strafe die Schuld des Täters durch ein Strafübel ausgleichen soll,293 darf sie sich zum gerechten Schuldausgleich weder nach oben noch nach unten von der Schuld lösen.294 Ebenso dürfen auch Präventionszecke nicht dazu führen, den vorgegebenen Schuldrahmen zu über- oder unterschreiten.295 Voraussetzung wäre somit, dass die schuldangemessene Strafgröße = der Anzahl an Tagessätzen = der Tage an Freiheitsstrafe ist. Wenn jedoch die Freiheitsstrafe ein Mehr an Übelzufügung darstellt, geht die Gleichung nicht auf – Beispiel: Strafgröße = 30  Tagessätze Geldstrafe ≠ 30 Tage Freiheitsstrafe (Überschuldstrafe) bzw. Strafgröße = 30 Tage Freiheitsstrafe ≠ 30 Tagessätze (Unterschuldstrafe). Dies ist allerdings ein dem Tagessatzsystem immanentes Strukturproblem,296 welches nicht erst mit der Wahl der Strafart, sondern bereits in der Bemessung der Strafhöhe angelegt ist. Denn es schließt sich denklogisch aus, dass sich die Schuld des Täters in der Anzahl der Tagessätz wiederspiegelt und gleichzeitig die Freiheitsstrafe ein Zusatzübel gegenüber der Geldstrafe darstellt. In diesem Fall wäre bereits der Grundlage der Strafzumessung der Boden entzogen. Das heißt, wer den 1:1-Umwandlungsmaßstab ablehnt,297 muss als Konsequenz ebenfalls das Tagessatzsystem und die Strafzumessung i. S. v. § 46 StGB ablehnen.298 Daraus folgt die Anerkennung des 1:1-Umwandlungsmaßstabes als Auswuchs des Tagessatzsystem und der Gleichstellung von Freiheits- und Geldtrafe, die die Grundlage aller sanktionenrecht­ lichen Normen bilden (§§ 43, 46, 54, 55 StGB). Dies erscheint vor allem

291  Denn im pönalen Bereich dürfen nur kommensurable Strafarten in ein Ersatzverhältnis zueinander treten, Schmidt, NJW 1967, 1929, 1938. 292  BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 24, 132, 133; 29, 319, 320; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 60; NK-Streng, § 46 Rn. 97. 293  BVerfGE 109, 133, 172; 128, 326, 377; 131, 268, 306; 134, 33, 81. 294  BGHSt 24, 132, 133; Tröndle, JR 1976, 162, 163. 295  BGHSt 20, 264, 267; Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 576. 296  Fischer, § 43 Rn. 4b; LK-Häger, Vor §§ 40 bis 43 Rn. 10; Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 552, der allerdings auch für einen 3:1-Umrechnungsmaßstab plädiert, ZStW 86 (1974), 545, 578. 297  NK-Albrecht, § 43 Rn. 6. 298  Fischer, § 43 Rn. 4b.



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe69

praxisnah, da perspektivisch nicht mit einer Abkehr vorm Tagessatzsystem durch den Gesetzgeber zu rechnen ist.299

B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Damit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden kann, müssen zum einen die Anordnungsvoraussetzungen gem. § 43 StGB vorliegen und zum anderen dürfen keine Hindernisse der Geldstrafenvollstreckung gem. §§ 456, 459a ff. StPO noch der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung gem. §§ 456, 459e f. StPO, Art. 293 EGStGB entgegenstehen.

I. Vollstreckungshindernisse im Rahmen der Geldstrafenvollstreckung Wenn dem Betroffenen Zahlungserleichterungen gem. § 459a StPO gewährt werden, die Vollstreckung der Geldstrafen einen vorübergehenden Aufschub gem. § 456 StPO erfährt oder das Unterbleiben der Geldstrafenvollstreckung gem. § 459d StPO angeordnet wird, suspendiert dies auch die Vollstreckung der Ersatzfeiheitsstrafe gem. §§ 459e ff. StPO. 1. Zahlungserleichterungen gem. § 459a Abs. 1 StPO Nach Rechtskraft des Urteils und der damit einhergehenden Vollstreckbarkeit der Geldstrafe geht die Zuständigkeit, Zahlungserleichterungen zu gewähren, auf die Vollstreckungsbehörde § 459a Abs. 1 StPO i. V. m. § 451 Abs. 1 StPO über. Vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe durch den Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 RPflG) hat dieser die Gewährung von Zahlungserleichterungen von Amts wegen zu prüfen.300 Allerdings gibt in der Praxis oft erst der Antrag des Verurteilten den Anstoß zur Prüfung durch den Rechtspfleger, vor allem wenn im Erkenntnisverfahren die Gewährung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB keine Rolle gespielt oder das Gericht sich gegen die Gewährung einer solchen ausgesprochen hat.301 Grundsätzlich ergänzt § 459a StPO die Regelung in § 42 StGB, da aufgrund der gleichen Erwägungen Zahlungserleichterungen nachträglich gem. § 459a Abs. 1 StPO erlassen oder gerichtliche Zahlungserleichterungen nach299  BT-Drucks.

15/2725, S. 38. Hamburg Rpfleger 1977, 65; KK/StPO-Appl, § 459a Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 459a Rn. 1; LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459a Rn. 3. 301  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459a Rn. 3. 300  OLG

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

träglich gem. § 459a Abs. 2 StPO geändert bzw. aufgehoben werden können. Die Vollstreckungsbehörde ist nach § 459a Abs. 2 StPO befugt, die durch das Gericht gem. § 42 StGB gewährten Zahlungserleichterungen auch zu Ungunsten des Verurteilten abzuändern (z. B. Aufhebung der Zahlungserleichterungen, Heraufsetzung der Raten, Verkürzung der Zahlungsfristen, Einführung einer Verfallklausel).302 Zu Gunsten des Verurteilten können nachträglich Zahlungserleichterungen gewährt werden, wenn sich die finanzielle Situation des Geldstrafenschuldners verschlechtert hat. Denn die Geldstrafe wird zu einem ähnlich entsozialisierenden Instrument wie die Freiheitsstrafe, wenn der Schuldner durch sie existenziell gefährdet und so sozial entwurzelt werde.303 Da § 459a Abs. 1 StPO auf § 42 StGB Bezug nimmt, sind Zahlungserleichterungen durch die Vollstreckungsbehörde zwingend zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen.304 Hierbei ist eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen auch dann noch möglich, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe bereits vollstreckt wird. Werden dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer Zahlungserleichterungen gewährt, liegen die Voraussetzungen für die weitere Vollstreckung nicht mehr vor, weshalb die Vollstreckung abzubrechen ist.305 2. Vorübergehender Aufschub gem. § 456 StPO Grundsätzlich ist die Geldstrafenvollstreckung vom Wortlaut des § 456 StPO erfasst.306 Hierbei kann die Geldstrafenvollstreckung gem. § 456 Abs. 1 StPO auf Antrag des Verurteilten aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. Dem Strafaufschub wird neben der Gewährung von Zahlungserleichterungen nach § 459a StPO keine praktische Bedeutung zugemessen,307 da er anders als die §§ 459a–d StPO vom Antrag des Betroffenen abhängig ist. Die Rechtsprechung hat bis jetzt einen vorübergehenden Aufschub gem. § 456 StPO nur im Rahmen der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe angenommen.308 302  Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt,

§ 459a Rn. 5. § 459a Rn. 1; SK/StPO-Paeffgen, § 459a Rn. 2. 304  KK/StPO-Appl, § 459a Rn. 3; SK/StPO-Paeffgen, § 459a Rn. 4; LR/StPOGraalmann-Scheerer, § 459a Rn. 5. 305  KK/StPO-Appl, § 459a Rn. 3. 306  KK/StPO-Appl, § 456 Rn. 3; LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 456 Rn. 1. 307  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 456 Rn. 1; für eine rechtstatsächliche Verdrängung durch § 459a SK/StPO-Paeffgen, § 456 Rn. 2. 308  OLG Stuttgart StV 2012, 736, 737; OLG Karlsruhe StV 2000, 213, 214; OLG Frankfurt NStZ 1989, 93; LG Stralsund ZJJ 2010, 81; LG Bochum StV 2008, 88; siehe auch StA Regensburg/Zweigstelle Straubing StV 2000, 383. 303  KK/StPO-Appl,



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe71

3. Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459d StPO Nach § 459d Abs. 1 StPO kann das erkennende Gericht anordnen, dass die Vollstreckung einer Geldstrafe oder eines Teils dieser unterbleibt, wenn in demselben Verfahren eine Freiheitsstrafe vollstreckt oder zur Bewährung ausgesetzt wird bzw. in einem anderen Verfahren eine Freiheitsstrafe verhängt ist und die Voraussetzungen des § 55 StGB nicht vorliegen. Überdies muss durch die Vollstreckung der Geldstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschwert werden. § 459d Abs.1 Nr. 1 StPO stellt eine Ergänzung zu § 41 StGB dar.309 § 41 StPO normiert für den Täter, der sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat, dass neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden kann, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist. § 459d Abs. 1 Nr. 1 StPO soll in den Fällen, in denen nach § 41 StGB eine Geld- neben einer Freiheitsstrafe verhängt wird, eine verfahrensrechtliche Handhabe für den Fall bieten, dass sich die Verhältnisse des Täters nachträglich nachteilig geändert haben oder maßgebliche Gesichtspunkte erst später offenbar werden.310 Demnach wird von der Vollstreckung einer Geldstrafe zu Gunsten des Täter abgesehen, wenn durch die Vollstreckung derselben die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft gefährdet wird, da gegen diesen gerade eine Freiheitsstrafe vollständig vollstreckt bzw. ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.311 Die Vorschrift des § 459d Abs. 1 Nr. 1 StPO soll verhindern, dass sich der mittellose Straftäter nach der Strafhaftentlassung oder innerhalb der Bewährungszeit einer hohen Geldforderung gegenüber sieht, die den beruflichen Neuanfang erschwert.312 § 459d Abs. 1 Nr. 2 StPO orientiert sich am selben Wiedereingliederungsinteresse. Hierbei handelt es sich um Geldstrafen, die in einem anderen Verfahren als die Freiheitsstrafe verhängt werden, und bei denen die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB nicht vorliegen. Da es sich um Strafen in verschiedenen Verfahren handelt, haben die jeweils erkennenden Gerichte die Auswirkung der Geldstrafe auf die Wiedereingliederung des Betroffenen nach Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht prüfen können.313 Wenn eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB, die diesem Gesichtspunkt 309  KK/StPO-Appl, § 459d § 1; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 459d Rn. 4. 310  BT-Drucks.

7/550, S. 310; LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459d Rn. 2. 7/550, S. 310. 312  MüKo/StPO-Nestler, § 459d Rn. 1; LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459d Rn. 2. 313  KK/StPO-Appl, § 459d Rn. 6. 311  BT-Drucks.

72

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Rechnung getragen hätte, nicht möglich war, eröffnet § 459d Abs. 1 Nr. 2 StPO die nachträgliche Option, zu Gunsten des Täters von der Vollstreckung der Geldstrafe abzusehen.314 Die Anordnung kommt dabei nach der gesamten Vollstreckung der Freiheitsstrafe in Betracht oder wenn der Rest der Vollstreckung nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird.315 Da die Anordnung nach § 459d Abs. 1 StPO die Entscheidung des erkennenden Gerichts abändert, ist sie auf Ausnahmefälle zu begrenzen.316 Die Unterbleibensanordnung kommt praktisch einem Erlass der Geldstrafe gleich, weil die Anordnung zeitlich nicht begrenzt und nachträglich nicht widerrufen werden kann.317 Überdies sperrt die Anordnung nach § 459d StPO die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459e Abs. 4 S. 1 StPO.

II. Anordnungszuständigkeit Die Ersatzfreiheitsstrafe wird gem. § 459e Abs. 1 StPO auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. Vollstreckungsbehörde ist nach § 451 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft und innerhalb der Staatsanwaltschaft gem. § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG wiederum der Rechtspfleger. Dieser ordnet die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459e Abs. 2 StPO an, sobald die Geldstrafe uneinbringlich im Sinne des § 43 S. 1 StGB ist oder die Vollstreckung der Geldstrafe unterbleibt. Eine solche Unterbleibensanordnung setzt gem. § 459c Abs. 2 StPO die Erwartung voraus, dass die Geldstrafenvollstreckung in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird. Ziel dieser Regelung ist es, aussichtslose Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden und so überflüssigen oder nutzlosen Verwaltungsaufwand einzusparen.318 Die Erwartung muss von Dauer sein und sich auf bestimmte sowie zeitnahe Tatsachen stützen. Tatsachen, die für eine Aussichtslosigkeit sprechen, sind erfolglose Beitreibungsversuche in anderen Sachen, eine Erklärung des Ver­ urteilten gem. § 807 ZPO, die Einleitung eines Insolvenzverfahrens oder die Unterschreitung der Pfändungsfreigrenze.319 Die Vorschrift ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut in § 43 S. 1 StGB – uneinbringlich – allerdings 314  BeckOK/StPO-Coen,

§ 459d Rn. 3; KK/StPO-Appl, § 459d Rn. 6. 30, 263, 264; OLG Jena NStZ-RR 2004, 383; OLG Zweibrücken NStZ 1985, 575; OLG Koblenz MDR 1981, 870; a. A. SK/StPO-Paeffgen, § 459d Rn. 6. 316  KG NStZ-RR 2016, 151; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; OLG Koblenz MDR 1981, 870; 1978, 248; LG Mainz NStZ 1982, 47. 317  KK/StPO-Appl, § 459d Rn. 4. 318  KK/StPO-Appl, §  459c Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 459c Rn. 4. 319  BeckOK/StPO-Coen, § 459c Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 459c Rn. 5. 315  BGHSt



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe73

restriktiv auszulegen.320 Unterbleiben dürfen auch nur die Vollstreckungsmaßnahmen, nicht jedoch die Aufforderung zur Zahlung der Geldstrafe gem. § 5 Abs. 1 EBAO.321 Vor allem Personen, die am Existenzminimum leben, erfahren hier eine strukturelle Benachteiligung, da bei ihnen die Uneinbringlichkeit stets vermutet und so die Anordnung gem. § 459c Abs. 2 StPO vorgenommen wird.322 Dass oft verfrüht von einer Uneinbringlichkeit gem. § 459e Abs. 2 StPO ausgegangen wird, zeigt sich auch daran, dass nach Anordnung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459e Abs. 1 StPO zwei von drei Geldstrafenschuldnern auf die ausstehende Geldstrafe leisten.323 Dieser Befund spricht weniger für die Ersatzfreiheitsstrafe als Druckmittel, sondern vielmehr dafür, dass in all diesen Fällen die Geldstrafe fälschlicherweise als uneinbringlich i. S. v. § 43 S. 1 StGB qualifiziert wurde, was wiederum Rückschlüsse auf eine mangelhafte Vollstreckungspraxis zulässt.324 Wird die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 459e Abs. 1 StPO vom Rechtspfleger angeordnet, wandelt sich die Geldstrafe gem. § 43 StGB praktisch „automatisch“ qua Anordnung in eine Freiheitsstrafe. Denn dem Rechtspfleger steht kein materielles Prüfungsrecht zu.325 Vergleichbar ist die Situation des Rechtspflegers damit mit der des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung. Auch dem Gerichtsvollzieher steht lediglich ein formelles, aber kein materielles Prüfungsrecht zu. Problematisch ist, dass der der Ersatzfreiheitsstrafe zugrundeliegende Strafbefehl bzw. das Urteil nur auf die Geldstrafe erkennt, weshalb den Betroffenen eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe trifft, die nicht das Ergebnis einer begründeten Strafzumessung darstellt und der richter­ lichen Prüfung entzogen ist.326 Eine solche Freiheitsstrafe ohne Richterspruch327 könnte allerdings Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG entgegenstehen. Dieser Einwand verschärft sich sogar noch im Hinblick auf die Verhängung von Geldstrafen im Strafbefehlsverfahren. Nach § 407 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO wird die Staatsanwaltschaft ermächtigt, einen auf Geldstrafe lautenden Strafbefehl zu erlassen. Einen Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe darf sie hingegen nach § 407 Abs. 2 S. 2 StPO nur verhängen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat und die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. 320  KK/StPO-Appl,

§ 459c Rn. 8.

321  Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt,

§ 459c Rn. 4. 19/1689, S. 7. 323  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2. 324  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2; Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 531; Dolde, in: FSBöhm, S. 581, 582; Köhne, JR 2004, 453, 454. 325  Mitsch, NStZ 2020, 249, 250. 326  Tiedemann, GA 1964, 359, 368. 327  Lüderssen, in: FS-Böhm, S. 553, 561. 322  BT-Drucks.

74

1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Grundsätzlich dürfen somit im Wege des Strafbefehlsverfahrens nur Freiheitsstrafen verhängt werden, deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sind. Diese Regelung wird bei allen Ersatzfreiheitsstrafen umgangen, die auf einer im Strafbefehlsverfahren erlassenen Geldstrafe beruhen. Da im Strafbefehlsverfahren Geldstrafen mit einer Tagessatzhöhe von bis zu 360 Tagen, bei Bildung einer Gesamtstrafe sogar bis 720 Tagessätzen ergehen können, ergeben sich bei Anlegung des 1:1-Umrechnungsmaßstabs nach § 43 S. 2 StGB Ersatzfreiheitsstrafen von knapp einem Jahr bis zu zwei Jahren, die ohne richterliches Urteil möglich wären. Nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 muss über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung der Richter entscheiden. Eine Freiheitsentziehung liegt vor, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit durch eine staatliche Maßnahme nach jeder Richtung hin aufgehoben wird.328 Nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 S. 1 StVollstrO ist die Vollzugsanstalt, in deren Gerichtsbezirk die verurteilte Person wohnt, für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zuständig. Es gibt demzufolge keine Unterschiede zur Vollstreckung regulärer Freiheitsstrafen, womit eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG vorliegt. Auch über die Ersatzfreiheitsstrafe müsste damit vor ihrer Anordnung („Zulässigkeit“) oder nachträglich („Fortdauer“) richterlich entschieden werden.329 Allerdings lässt sich aus § 104 Abs. 2 GG nicht ableiten, dass der Richter grundsätzlich vor einer Maßnahme über die Zulässigkeit dieser zu entscheiden hat, sondern vielmehr ist lediglich eine nachträgliche Entscheidung zwingend herbeizuführen.330 Das OLG Bremen lehnt hingegen einen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG durch die Anordnung und Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ab, da der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der Tagessätze treffe.331 Dem Richter sei bei der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt.332 Auch der BGH spricht sich im Rahmen der Geldstrafenzumessung für die hypothetische Überlegung aus, wie vielen Tagen Freiheitsstrafe die Tat des Täters entsprechen würde.333 Gerade weil das 328  BVerfGE 94, 166, 198; 105, 239, 248; BVerfG NJW 2018, 2619, 2621 Rn. 67; NVwZ 2011, 743, 744 Rn. 20. 329  v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Gusy, Art. 104 Rn. 38. 330  Vgl. Brüning, Der Richtervorbehalt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, S. 126. 331  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKoRadtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5. 332  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 333  BGHSt 27, 70, 72.



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe75

Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 festlegt, sei die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich.334 Denn mit der Zumessung der Anzahl der Tagessätze erkläre das Gericht zugleich die Vollstreckung einer bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe für den Uneinbringlichkeitsfall für zulässig.335 Vorgebracht wird auch, dass dem Verurteilten über die in der Urteilsformel gem. § 260 StPO enthaltene Anzahl an Tagessätzen der Geldstrafe klar werde, dass er im Falle der Uneinbringlichkeit eine der Zahl der Tagessätze entsprechende Anzahl von Tagen in Freiheitsstrafe verbüßen müsse. Auch wenn der Verurteilte die Vorschrift des § 43 StGB nicht kenne, so sei es schlechterdings undenkbar, dass der Verurteilte bei Nichtzahlung auf die Geldstrafe davon ausgehe, dass er keine weitere Sanktion zu erleiden habe.336 Allerdings drängt sich dem juristisch nicht vorgebildeten Straftäter ein solcher Rückschluss nicht unbedingt auf, da er durch das Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und in der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe gem. § 268 Abs. 2 S. 2 StPO unter Umständen erfahren hat, warum das Gericht von der Verhängung einer Freiheitsstrafe abgesehen hat. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe in Tagessätzen wird dem Betroffenen wohl eher die Möglichkeit einer ratenweisen Zahlung aufzeigen als die Voraussetzung für die Umwandlung in eine tageweise Freiheitsstrafe bei Nichtzahlung.337 Unabhängig davon, ob die Geldstrafe im Strafbefehlsverfahren gem. § 407 StPO oder im Urteil gem. § 260 StPO verhängt wird, würde es mehr Rechtssicherheit und -klarheit für den Betroffenen bedeuten, wenn neben der Geldstrafe auch die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen wird. Denn es gehört gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG338 zum Rechtsstaatsprinzip, dass staatliche Hoheitsakte so klar und bestimmt sind, dass der Bürger sich auf diese hinreichend verlassen kann. Ohne ein solches Mindestmaß an Verlässlichkeit bliebe das staatliche Handeln für den Bürger unberechenbar sowie unver-

334  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141. 335  LK-Häger, § 43 Rn. 5; Die Ersatzfreiheitsstrafe ist bereits der Verurteilung zu einer Geldstrafe immanent, so Baur, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vom 3. April 2019, S. 8. 336  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 337  Köhne, JR 2004, 453, 454. 338  Es wird auf das allgemeine Rechtsstaatsprinzip rekurriert, da der speziellere Art. 103 Abs. 2 GG nicht für das Strafverfahrensrecht gilt, siehe Jarass/Pieroth/GGPieroth, Art. 103 Rn. 66.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

ständlich, mithin gleicht dies dann einem staatlichen Willkürakt.339 Trotz dieses Klarstellungsbedürfnisses handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe in ihrer jetzigen Ausgestaltung nicht um eine Freiheitsstrafe ohne Richterspruch. Denn gerade durch die hypothetische Überlegung, die die Rechtsprechung bei der Verhängung einer Geldstrafe fordert, und den gesetzlich vorgegebenen 1:1-Umrechnungsmaßstab erkläre das zuständige Gericht zugleich die Vollstreckung einer bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe für den Uneinbringlichkeitsfall für zulässig.

III. Vollstreckungshindernisse im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe Nach der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Staatsanwaltschaft gem. § 459e Abs. 2 StPO folgt die Vollstreckung gem. §§ 459e ff. StPO. Im Rahmen der Vollstreckung sind vor allem die Abwendung der Vollstreckung gem. § 459e Abs. 4 StPO, die Unterbleibensanordnung gem. § 459f StPO, die Ableistung freier Arbeit gem. Art. 293 EGStGB und der vorübergehende Aufschub gem. § 456 StPO bedeutsam. 1. Abwendung der Vollstreckung gem. § 459e Abs. 4 StPO Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kann gem. § 459e Abs. 4 StPO durch Zahlung auf die ausstehende Geldstrafe abgewendet werden. Durch Begleichung des offenen Betrages entsteht ein Vollstreckungshindernis.340 Daraus folgt, dass das Ausnahmeersuchen und etwaige Anordnungen zur Erzwingung des Strafantritts gem. §§ 33, 34 StVollstrO nach § 51 Abs. 4 Hs. 1 StVollstrO zurückzunehmen sind. Eine bereits in Strafhaft genommene Person ist gem. § 51 Abs. 4 Hs. 2 StVollstrO unverzüglich zu entlassen. Wird nach Vollstreckungsbeginn lediglich ein Teilbetrag der ausstehenden Geldstrafe beglichen, so verringert sich die zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe quotal.341 Ebenso reduziert das Verbüßen eines Tagesbruchteils den jeweilig ausstehenden Tagessatz der Geldstrafe.342

339  Maunz/Dürig/GG-Grzeszick,

Art. 20 Rn. 50. Zweibrücken MDR 1987, 782; OLG Düsseldorf NJW 1980, 250. 341  SK/StPO-Paeffgen, § 459e Rn. 6; Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 273. 342  KK/StPO-Appl, § 459e Rn. 6; SK/StPO-Paeffgen, § 459e Rn. 6; Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 273; Bringewat, Strafvollstreckung, § 459e Rn. 8. 340  OLG



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe77

2. Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459f StPO Nach § 459f Abs. 1 StPO kann die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte bedeuten würde. Eine unbillige Härte stellt die Vollstreckung für den Betroffenen nicht schon dann dar, wenn der Verurteilte, sei es auch unverschuldet, mittellos wird.343 Vielmehr muss der Betroffenen auch bei äußerster Anstrengung seiner Kräfte (strikte Sparsamkeit, Nebenverdienste oder drastische Reduzierung des eigenen Lebensstandards)344 nicht in der Lage sein, sich die nötigen Mittel für die ratenweise Geldstrafenzahlung zu beschaffen.345 Besondere Umstände müssten hinzutreten, die die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe geradezu „ungerecht“ erscheinen lassen.346 Dies wird regelmäßig angenommen, wenn die Vollstreckung eine außerhalb des Strafzweckes liegende Härte für den Betroffenen bedeutet und eine günstige Prognose die Annahme rechtfertigt, dass schon die bloße Verhängung einer Geldstrafe die Strafwirkung erzielt.347 Diese über die bloße Vermögenslosigkeit hinausgehenden Anforderungen dienen dazu, dass die Geldstrafe nicht zur bloßen „Sanktionslarve“ verkommt.348 Es gehört zum Sinn und Zweck einer jeden Kriminalstrafe, den Verurteilten empfindlich zu treffen, weshalb allein die unverschuldete Uneinbringlichkeit keine besondere Härte darstellt.349 Bei der Bestimmung der unbilligen Härte ist auf den Einzelfall abzustellen. Hierbei hat die Rechtsprechung eine solche angenommen, wenn durch die Vollstreckung gegen einen betäubungsmittelabhängigen Verurteilten dessen Aufnahme in eine Therapieeinrichtung vereitelt oder ernstlich gefährdet wird.350 Regelmäßig genügten vage Pläne, eine Suchttherapie zu beginnen, nicht.351 Zudem wird ein solcher Fall angenommen, wenn ein Elternteil al343  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; OLG Düsseldorf VRS 77 (1989), 454, 455; MDR 1985, 76; 1983, 341; Schädler, ZRP 1983, 5, 7. 344  Vgl. MüKo/StPO-Nestler, § 459f Rn. 4. 345  KK/StPO-Appl, § 459f Rn. 2; Bringewat, Strafvollstreckung, § 459f Rn. 4. 346  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 5. 347  BVerfG NJW 2002, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG München GA 1984, 185, 187; OLG Düsseldorf MDR 1983, 341; LG Bremen StV 1998, 152; MüKo/StPONestler, § 459f Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt/Köhler, § 459f Rn. 2; LR/ StPO-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 5; Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 570. 348  Schädler, ZRP 1983, 5, 7. 349  Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 570. 350  OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 287, 288; OLG Schleswig StV 1998, 673, mit Anm. Pause/Bobinski. 351  KK/StPO-Appl, § 459f Rn. 2.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

leinerziehend ist oder aufgrund der Krankheit eines Elternteils alleine kleine Kinder zu versorgen hat und ohne eigene Mittel ist.352 Problematischer stellt sich die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Insolvenz des Geldtstrafenschuldners dar, da in diesem Fall eine „unbillige Härte“ für den Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer durch die Rechtsprechung abgelehnt wird.353 Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe vor der Insolvenz trifft den Schuldner die Geldstrafe nach der Insolvenzeröffnung unter Umständen härter als das Gericht dies im Rahmen der Geldstrafenverhängung beabsichtigt hat. Bei der Verhängung der Geldstrafe nach der Insolvenz bleibt dem Insolvenzschuldner nur noch der unpfändbare Teil seines Vermögens gem. § 35 InsO bzw. der Pfändungsfreibetrag gem. § 36 Abs. 1 InsO i. V. m. § 850c ZPO, der dem Schuldner sein Existenzminimum sichern soll. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist der Insolvente gegenüber Personen, die solvent sind, im Nachteil, da er über einen längeren Zeitraum nicht frei über sein Vermögen verfügen kann und ebenfalls für diese Zeit seine Kreditfähigkeit verliert. Der Schuldner ist damit von einem massiven und zum Teil dauerhaften sozialen Abstieg bedroht.354 Die Geldstrafe verliert im Fall der Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe (bzw. ebenfalls bei langen Zeiträumen der Ratenzahlung) ihren präventiven Vorteil gegenüber der Freiheitsstrafe, da sie im Ergebnis dann ebenso entsozialisierend wirkt wie diese.355 Dem Geldstrafenschuldner fehlt ab Insolvenzeröffnung nach § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsmacht über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Die Begleichung der Geldstrafe aus einem Teil der Insolvenzmasse kommt damit strafrechtlich dem Fall gleich, dass der Verurteilte die Zahlung aus fremdem Vermögen vornimmt. Das Strafübel trifft dann nicht mehr den Geldstrafenschuldner selbst, sondern die Gläubiger, da diese zugunsten des Staates benachteiligt werden. Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Strafe ist in dieser Situation für den Geldstrafenschuldner nicht mehr gewahrt, weshalb ihm noch kein Strafübel widerfährt, das unter strafvollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe Berücksichtigung finden könnte.356 Der Geldstrafenschuldner, der in Insolvenz verfällt bzw. bei Verhängung schon verfallen ist, kann strafzweckerfüllend 352  OLG

Rn. 6.

Düsseldorf MDR 1985, 57; LR/StPO-Graalmaann-Scheerer, § 459f

353  BVerfG NJW 2006, 3626; 3627; LG Göttingen wistra 2016, 167, 168; LG Osnabrück Rpfleger 2007, 111, 112; LG Leipzig ZIP 2002, 142. 354  Vgl. Heghmanns, NStZ 1994, 519, 520. 355  BGHSt 26, 325, 331 f.; vgl. auch Heghmanns, NStZ 1994, 519, 521. 356  Vgl. dazu ausführlich Rostalski, NStZ 2017, 121, 124 ff.; ähnlich Pape, ZVI 2007, 7.



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe79

nur aus dem pfändungsfreien Teil seines Vermögens leisten357 und steht damit den am Existenzminimum lebenden Personen gleich. Die Härteklausel findet nur auf Fälle Anwendung, in denen es offensichtlich ist, dass der Schuldner auch durch äußerste Anstrengungen – zusätzlicher Nebenverdienst, „eiserne“ Sparsamkeit – sich nicht in die Lage versetzen kann, die Mittel für eine wenigstens ratenweise Zahlung gem. § 459a StPO aufzubringen.358 Im Fall der Insolvenz würde ein zusätzlicher Nebenverdienst, so wie alle anderen Einkommen des Schuldners bis zur Pfändungsfreigrenze, in die Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO fallen und der Verfügungsmacht des Geldstrafenschuldners nach § 80 Abs. 1 InsO entzogen. Was in diesem Zusammenhang mit „eiserner“ Sparsamkeit gemeint ist, kann dahingehend offenbleiben, da es für die Annahme eines „Härtefalls“ nicht einmal genügt, dass der Schuldner unfähig ist, seinen Unterhalt und den seiner Familie zu bestreiten.359 Überdies ist das Merkmal der „unbilligen Härte“ restriktiv auszulegen.360 Die Strafzwecke würden durch eine weite Anwendung des § 459f StPO „verwässert“, was für die Allgemeinheit und die Opfer unverständlich sein könnte. Auch kann der Geldstrafenschuldner die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe dadurch abwenden, dass er freie Arbeit nach Art. 293 EGStGB leistet.361 3. Abwendbarkeit durch freie Arbeit gem. Art. 293 Abs. 1 EGStGB Dem Verurteilten sollte grundsätzlich die „Wahlmöglichkeit“ zwischen Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe und Ableistung freier Arbeit nach Art. 293 Abs. 1 S. 1 EGStGB zustehen. Nach Art. 293 Abs. 1 S. 1 EGStGB werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen, wonach die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung freier Arbeit abzuwenden. Mittlerweile haben alle Regierungen der Bundesländer von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.362 Über die Möglichkeit der Ersetzung 357  Rein,

VIA 2019, 9, 10. ZStW 86 (1974), 545, 570 f. 359  LG Leipzig ZIP 2002, 142. 360  Kulhanek, NStZ 2020, 65, 67; Pfordte, StV 2010, 591, 595 f. 361  LG Leipzig ZIP 2002, 142. 362  Baden-Württemberg: VO des Justizministeriums über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit v. 30.6.2009 (Gbl. 2009, S. 338); Bayern: §§ 31 ff. Bayerische Gnadenordnung v. 29.5.2006 (GVBl. 2006, S. 321); Berlin: VO zur Änderung der VO über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit v. 30.4.2004 (GVOBl. 2004, S. 206); Brandenburg: VO über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit v. 19.6.2000 (GVOBl. II 2000, S. 226) zuletzt geändert durch VO 358  Tröndle,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

wird der Verurteilte spätestens mit Ladung zum Strafantritt der Ersatzfreiheitsstrafe hingewiesen.363 Dabei muss der Verurteilte den Antrag innerhalb einer Woche nach Zustellung der Ladung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 ErsFrhStr­ AbwV SH364 bei der Vollstreckungsbehörde stellen. Diese entscheidet dann nach § 3 Abs. 1 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH über die Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit. Dabei gibt die Vollstreckungsbehörde gem. § 3 Abs. 2 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH dem Antrag statt, es sei denn, dass aufgrund bestimmter Tatsachen offensichtlich ist, dass der Verurteilte die freie Arbeit nicht leisten wird. In Zweifelsfällen ist die Vollstreckungsbehörde gem. § 3 Abs. 2 S. 2 ErsFrhStrAbwV SH dazu angehalten, eine Stellungnahme der Gerichtshilfe einzuholen. Bei freier Arbeit handelt es sich gem. § 1 Abs. 2 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH um gemeinnützige und unentgeltliche Tätigkeiten. Die Tätigkeit darf keinem erwerbswirtschaftlichen Zweck dienen und es muss sich um Arbeiten handeln, die sonst nicht oder nicht in diesem Umfang verrichtet würden.365 Einrichtungen, bei denen regemäßig eine solche Tätigkeit aufgenommen werden kann, sind beispielsweise: die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote

v. 9.2.2016 (GVBl. II 2016, S. 226); Bremen: VO über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch gemeinnützige Arbeit v. 12.12.2013 (GBl., S. 686); Hamburg: VO über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung) v. 11.12.2012 (HmbGVBl., S. 521); Hessen: VO über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit v. 24.1.1997 (GVBl. I, S. 17) geänd. durch VO v. 1.3.2015 (GVBl., S. 124); Mecklenburg-Vorpommern: VO über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit v. 23.2.1993 (GVOBl., S. 172) geändert durch VO v. 6.5.2002 (GVOBl., S. 194); Niedersachsen: VO über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch gemeinnützige Arbeit v. 19.4.1996 (GVBl., 1996, S. 215); Nordrhein-Westfalen: VO über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit v. 7.12.2010 (GV, S. 633); Rheinland-Pfalz: Landesverordnung über die Abwendung der Vollstreckung v. Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit v. 6.6.1988; Saarland: VO über die Abwendung der Vollstreckung v. Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Tätigkeit v. 21.7.1986 (Amtsbl., S. 632) geändert durch die VO v. 24.1.2006 (Amtsbl., S. 174); Sachsen: VO des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch Arbeit v. 8.1.2014 (Sächs GVBl., S. 14); SachsenAnhalt: VO über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie ­ Arbeit v. 21.9.1993 (GVBl., S. 564); Schleswig-Holstein: Landesverordnung über die Abwendung der Vollstreckung v. Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit v. 12.2.1993 (GVOBl. 1993, S. 129) geändert durch VO v. 15.6.2004 (GVOBl. 2004, S. 160); Thüringen: VO über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit v. 19.1.1993 (GVBl., S. 146). 363  Schall, NStZ 1985, 104, 105. 364  Die Problematik der Abwendbarkeit der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit wird stellvertretend am Beispiel von Schleswig-Holstein erörtert. 365  MüKo/EGStGB-Putzke, Art. 293 Rn. 4.



B. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe81

Kreuz, die Caritas sowie Diakonievereine.366 Dabei steht der Ersatz von Aufwendungen, die der Verurteilte im Rahmen seiner Tätigkeit erhält, der Unentgeltlichkeit gem. § 1 Abs. 2 S. 2 ErsFrhStrAbwV SH nicht entgegen. Bei der Umrechnung entspricht regelmäßig ein Tag der Ersatzfreiheitsstrafe sechs Stunden freier Arbeit nach § 7 Abs. 1 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH. Von diesem festen Umrechnungsmaßstab ist nur in Ausnahmefällen nach § 7 Abs. 1 S. 2 ErsFrhStrAbwV SH abzusehen, wobei ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht weniger als drei Stunden freier Arbeit entsprechen darf. Ausnahmefälle können sich dabei aufgrund des Inhalts und Umfangs der Tätigkeit oder wegen der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen ergeben (§ 7 Abs. 1 S. 2 ErsFrhStrAbwV SH). Soweit der Verurteilte die freie Arbeit geleistet hat, erlischt gem. Art. 293 Abs. 1 S. 2 EGStGB bzw. § 7 Abs. 3 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH die Ersatzfreiheitsstrafe. Fraglich ist bereits, ob ein Verurteilter, der einer ständigen Beschäftigung (regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden) nachgeht, in der Lage ist, gemeinnützige Arbeit im geforderten Umfang abzuleisten. Dies wäre ihm wohl lediglich an den Wochenenden, die zur allgemeinen Erholung dienen sollen, möglich. Bei der Ableistung an Samstagen, Sonntagen oder Feier­ tagen erscheint damit ein Anrechnungsmaßstab von drei Stunden statt sechs Stunden sachgerechter.367 Überdies kann der pauschale Verweis auf die freie Arbeit nur für Verurteilte gelten, die sich physisch und psychisch in der Verfassung befinden, gemeinnützige Arbeit nach Art. 293 Abs. 1 EGStGB i. V. m. den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften abzuleisten. Wer hierzu nicht in der Lage ist, wird die Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen. Problematisch ist allerdings, dass der Verurteilte unter dem Druck der Ladung zum Strafantritt die Möglichkeit erhält, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Ableistung von Arbeitsstunden abzuwenden. Dies könnte gegen das Verbot des Arbeitszwangs aus Art. 12 Abs. 2 GG368 verstoßen. Dies wird von der wohl überwiegenden Meinung369 im Schriftum unter Verweis auf die freiwillige Entscheidung des Verurteilten für die freie Arbeit 366  Dünkel/Scheel,

Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 87. Art. 293 Rn. 6. 368  Art. 12 Abs. 3 GG ist wohl eher nicht betroffen, da es sich nicht um eine allgemeine und gegenständlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Arbeitskraft zur Erfüllung anderer als unmittelbarer staatlicher Zwecke handelt. Unter Zwangsarbeit fallen regelmäßig die Arbeit in Haftanstalten oder Arbeitslagern. Siehe hierzu ausführlicher: v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Manssen, Art. 12 Rn. 305 f.; Maunz/Dürig/GG-Scholz, Art. 12 Rn. 503 f. 369  NK-Albrecht, § 43 Rn. 9; MüKo-Radtke, § 43 Rn. 5; Schall, NStZ 1985, 104, 108; schon kein „Arbeitsverhältnis“ und somit keine Arbeit i. S. v. Art. 12 GG; Schädler, ZRP 1983, 5, 10. 367  MüKo/EGStGB-Putzke,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

abgelehnt. Arbeit im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG ist jede körperliche oder geistige, selbständige oder unselbständige, entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit, die einen nicht unbedeutenden Aufwand mit sich bringt.370 Ein verbotener Zwang wird wiederum ausgeübt, wenn durch hoheitliche Mittel eine physische oder psychische Beugung des individuellen Willens erfolgt, um die betroffene Person zu einer bestimmten Tätigkeit zu bewegen.371 Der Staat wirkt mit diesem hoheitlichen Mittel auf den Grundrechtsträger ein und droht ihm persönliche Nachteile an.372 Der persönliche Nachteil liegt bei Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe im Zusatzübel gegenüber der Geldstrafe. Dieses Zusatzübel, das dem Verurteilten in der Ladung zum Strafantritt angedroht wird, bringt diesen in eine psychische Zwangslage. Er kann sich jetzt zwischen dem Freiheitsentzug gem. § 43 StGB und der Ableistung freier Arbeit gem. Art. 293 EGStGB „frei“ entscheiden, was diese Alternative zu einer Arbeit unter Zwang werden lässt.373 Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 2 GG wird allerdings nicht schrankenlos gewährt. Denn eine Person kann zu einer Arbeit gezwungen werden, wenn diese Arbeit im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen und für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht zu erbringen ist. Unter Dienstpflichten wird dabei jede Tätigkeit verstanden, die zum Nutzen des Gemeinwesens erbracht wird und weder in einer Sach- noch in einer Geldleistung besteht. Öffentlich ist sie dabei, wenn ihre Erbringung im öffentlichen Interesse liegt.374 Hierunter fallen die Pflicht zu Hand- und Spanndiensten375, zum Deichschutz376 und allgemeine Nothilfepflicht bei Unglücksfällen377. Bei der gemeinnützigen Arbeit im Rahmen sozialrechtlicher Vorschriften handelt es sich jedoch nicht um eine herkömmliche Dienstpflicht im Sinne des Gesetzesvorbehalts. Ein derartiger Arbeitszwang kann nur aufgrund der Regeln der Grundrechtskollision gerechtfertigt werden.378 Kollidierende Grundrechte, die einen Arbeitszwang im Zusammenhang mit der Ersatzfreiheitsstrafe rechtfertigen würden, sind allerdings nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es

370  v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Manssen, Art. 12 Rn. 298; Sachs/GG-Mann, Art. 12 Rn. 180. 371  Maunz/Dürig/GG-Scholz, Art. 12 Rn. 494; v. Mangoldt/Klein/Starck/GGMans­sen, Art. 12 Rn. 303; Sachs/GG-Mann, Art. 12 Rn. 182. 372  Dreier/GG-Wieland, Art. 12 Rn. 54. 373  Vgl. Köhler, GA 1987, 145, 148, 160. 374  Maunz/Dürig/GG-Scholz, Art. 12 Rn. 496 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Mans­ sen, Art. 12 Rn. 308. 375  BVerfGE 22, 380, 383. 376  BVerfGE 13, 167, 170 f. 377  Dreier/GG-Wieland, Art. 12 Rn. 90. 378  v. Mangoldt/Klein/Starck/GG-Manssen, Art. 12 Rn. 311.



C. Zusammenfassung83

sich um kriminalpolitische Erwägungen und letztendlich eine Kosten-NutzenAbwägung379.380 4. Vorübergehender Aufschub gem. § 456 StPO Prinzipiell gilt für die Ersatzfreiheitsstrafe § 459f StPO als lex specialis gegenüber § 456 StPO.381 Aus der sofortigen Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe müssen gem. § 456 Abs. 1 StPO für den Verurteilten oder seine Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. Neben dem § 459f bleibt somit für § 456 StPO nur ein kleiner Anwendungsbereich. Die Nachteile müssen durch den Aufschub der Vollstreckung – wenn diese nicht sofort, sondern erst zu einen späteren Zeitpunkt stattfindet – vermeidbar sein.382 Zu nennen sind beispielsweise die Erkrankung eines Ehepartners bei unversorgten Kindern383, der bevorstehende Abschluss einer Ausbildung sowie Umschulung384, der Verlust eines Semesters385, wenn die zwingende Ordnung von geschäftlichen Angelegenheiten vor dem Strafantritt die Anwesenheit des Betroffenen verlangt386 oder die geordnete Übergabe der bisherigen beruflichen Tätigkeit an einen Nachfolger387. Nachteile, die unabhängig vom zeitlichen Horizont des Vollstreckungsaufschubs entstehen bzw. bestehen, berechtigen nicht zur Gewährung desselben nach § 456 Abs. 1 StPO.388

C. Zusammenfassung Die Ersatzfreiheitsstrafe ist gem. § 43 S. 1 StGB grundsätzlich von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe abhängig. Somit wirken sich die rechtsstaatlichen Probleme, die bei der Verhängung und Vollstreckung der Geldstrafe virulent werden, mittelbar auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe aus, da sie für den Geldstrafenschuldner das Risiko steigern, dass die Geldstrafe vom Betroffenen nicht beigebracht werden kann. Die rechtsstaatlichen Probleme der Geldstrafe sind dabei eng mit dem Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 dazu Dünkel/Scheel, Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 162 ff. GA 1987, 145, 159 f. 381  KK/StPO-Appl, § 456 Rn. 3; LR/StPO-Graalmaann-Scheerer, § 456 Rn. 1. 382  KK/StPO-Appl, § 456 Rn. 5. 383  LG Stralsund ZJJ 2010, 81. 384  StA Regensburg/Zweigstelle Straubing StV 2000, 383. 385  LG Bochum StV 2008, 88. 386  OLG Karlsruhe StV 2000, 213, 214; OLG Frankfurt NStZ 1989, 93. 387  OLG Stuttgart StV 2012, 736, 737. 388  OLG Koblenz OLGSt § 456 Nr.1. 379  Vgl.

380  Köhler,

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Abs. 2 S. 2 StGB verknüpft. Dieses erlaubt dem Gericht bei der Bemessung der Tagessatzhöhe nicht nur vom durchschnittlichen Nettoeinkommen auszugehen, sondern auch das potenzielle Nettoeinkommen, das der Angeklagte an einem Tag haben könnte, und das Vermögen mit in die Berechnung der ­Tagessatzhöhe einzustellen. Macht der Täter zum Nettoeinkommen oder Vermögen keine, unvollständige oder falsche Angaben, so können beide Bemessungsgrundlagen nach § 40 Abs. 3 StGB geschätzt werden. Grundvoraussetzung für eine Schätzung ist, dass vom Gericht mindestens der Berufstand des Angeklagten und die Art seiner Tätigkeit ermittelt wird. Bei der eigentlichen Schätzung kommt dem Gericht dann ein Ermessenspielraum zu.389 Einen weiteren Problemkreis bilden bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe die Personen, die am Existenzminimum leben oder Sachbezüge erhalten. Nach dem Nettoeinkommensprinzip zählen auch Transferleistungen, die der Leistungsempfangende zur Deckung seines Lebensbedarfs erhält, zum anzurechnenden Einkommen. Da durch diese Leistungen ein Existenzminimum gesichert wird, sollte die Tagessatzhöhe maximal 30 % des Regelsatzes umfassen.390 Bei jeder über die 30 % des Regelsatzes hinausgehenden Sanktion sind strenge Maßstäbe an die Verhältnismäßigkeit anzulegen und vom Gericht zu prüfen. Auch Sachbezüge von Transferleistungsempfangenden nach dem ALG II bzw. nach dem AsylbLG sind nach dem Nettoeinkommensprinzip als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Die Grenze der Berücksichtigung liegt wie beim Vermögen in der Kapitalisierungsfähigkeit der Naturalleistungen. Oft wird im Rahmen der Geldstrafenbestimmung bei Transferleistungsempfangenden darauf verwiesen, die Geldstrafe durch Zahlungs­ erleichterungen gem. § 42 StGB an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters anzupassen.391 Wenn die Zahlungserleichterungen so zu bemessen sind, dass ein empfindliches Strafübel beim Betroffenen verbleibt,392 dann ist davon auszugehen, dass in all diesen Fällen die Tagessatzhöhe zu hoch angesetzt ist. Auch bei einer verschuldeten Zahlungsunfähigkeit (beispielsweise im Rahmen einer drohenden Insolvenz) sind grundsätzlich Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB zu gewähren. Anrechnungsfähig auf die Tagessatzhöhe sind Schulden nur, wenn sie aus einer angemessenen sowie vorausschauenden Lebensplanung resultieren und es sich um überdurchschnittliche Belastungen 389  OLG Koblenz NJW 1976, 1275, 1276; NK-Albrecht, § 40 Rn. 49 f.; MüKoRadtke, § 40 Rn. 121. 390  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214; OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. 391  OLG Köln NJW 1977, 307 f.; BayObLG NJW 1956, 1166; OLG Bremen NJW 1954, 522, 523; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 85. 392  BGHSt 26, 325, 330; SK-Wolters, § 42 Rn. 3.



C. Zusammenfassung85

handelt, die die wirtschaftliche Situation des Betroffenen nachhaltig beeinflussen.393 Hierdurch nimmt die Lebensführung des Angeklagten zumindest auf diesen Teilakt der Strafzumessung Einfluss und schlägt sich auf die Strafe nieder,394 was grundsätzlich problematisch ist, da im Strafrecht eine Lebensführungs- bzw. Charakterschuld des Angeklagten keine Berücksichtigung finden soll.395 Überdies ist der Geldstrafenschuldner bei Zahlung vor der Insolvenz in einem weiteren Dilemma. Er muss, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden auf die Geldstrafe leisten, allerdings ist er dazu nicht in der Lage, ohne eine Gläubigerbenachteiligung nach § 130 Abs. 1 InsO oder § 133 Abs. 1 InsO zu begehen. Selbst wenn die Benachteiligung der Gläubiger, wie im Falle der Leistung auf eine Geldstrafe, nicht die gewollte oder mutmaßliche Folge ist, so reicht es aus, dass sie als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten Vorteils erkannt und gebilligt wird.396 In diesem Fall hat der Schuldner keine reelle Chance, die Anordnung und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB gegen sich abzuwenden. Hieraus wird erkennbar, dass das Kernproblem der Geldstrafe die Bemessung der Tagessatzhöhe bei wirtschaftlich schwachen Personen bildet.397 Die Geldstrafe trifft damit den Täter, der eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt, härter als den gut situierten Täter.398 Die Ersatzfreiheitsstrafe wird dann zu einer sozial ungerechten Sanktion, wenn ihre Anordnung und Vollstreckungswahrscheinlichkeit mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe steigt. Die Geldstrafe wird gem. § 43 S. 2 StGB im 1:1-Umrechnungsmaßstab in die Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt, das heißt ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitsstrafe. Grundvoraussetzung einer solchen 1:1-Umwandlung wäre demnach, dass Geld- und Freiheitsstrafe grundsätzlich vergleichbar sind, was allerdings einheitlich399 abgelehnt wird. Allerdings verbleiben nach der Spielraumtheorie nicht die eine, sondern mehrere schuldangemessene 393  OLG Köln 64 (1983) 114, 115; OLG Braunschweig VRS 53 (1977), 262, 263; Fischer, § 40 Rn. 15, 17; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 100; LK-Häger, § 40 Rn. 57. 394  NK-Albrecht, § 40 Rn. 34. 395  BGH NJW 1988, 1153, 1154; BGH StV 1999, 312; 1986, 15; Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 105/106; SK-Rogall, Vor § 19 Rn. 42; Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 36; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 226; Günther, JZ 1989, 1025, 1027. 396  BGH NZI 2014, 863, 864. 397  NK-Albrecht, § 40 Rn. 38. 398  HK/GS-Hartmann, § 40 Rn. 1; Lorenz/Sebastian, KriPoZ 2017, 352, 356. 399  Sch/Sch-Kinzig, § 46 Rn. 60; LK-Häger, Vor §§ 40 bis 43 Rn. 2; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Grebing, ZStW 88 (1976), 1049, 1109.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Strafen, aus denen sich die eine feste Strafgröße aufgrund der Präventionsentscheidung (Vereinigungstheorie400)401 ergibt. Die eigentliche Strafe ist dann immer mit dem Ausspruch der Missbilligung über ein vorwerfbares bzw. schuldhaftes Verhalten (Schuldfeststellung) und die Zufügung eines Übels, um die Schuld des Täters auszugleichen (Strafübel), verbunden.402 Fraglich ist, ob der Umrechnungsmaßstab 1:1 im Hinblick auf Strafgerechtigkeits- und Strafübelsäquivalenz beider Sanktionen überzeugt. Allerdings bestimmt das StGB selbst die Geldstrafe als mildere Strafe im Vergleich zur Freiheitsstrafe, wenn das Gericht gem. § 49 Abs. 2 StGB nach seinem Ermessen mildern und so bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt einer Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen darf. Überdies normiert § 12 StGB die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen. Der Gesetzgeber bewertet durch die Vorgabe der unterschiedlichen Strafrahmen die typisierte Unrechtsmaterie,403 weshalb sich die Steigerung im Erfolgs- und Handlungsunwert einer Tat in den gestaffelten Strafrahmen niederschlägt.404 Vergehen sind damit Straftaten, die der Gesetzgeber für relativ geringer strafwürdig hält.405 Es handelt sich insoweit um eine aus dem Sanktionssystem des StGB ableitbare Wertentscheidung, dass die Geldstrafe als mildere Sanktion gegenüber der Freiheitsstrafe eingestuft wird.406 Überdies ist die Geldstrafe mit einem geringeren Übel als die Freiheitsstrafe verbunden. Die Geldstrafe entzieht dem Betroffenen nach dem Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB seine Tageseinkünfte. Der Freiheitsstrafenverbüßer gem. § 38 StGB verliert demgegenüber seine Bewegungsfreiheit und seine Tageseinkünfte.407 Auch Personen, die Transferleistungsempfangende nach SBG II sind, verlieren während der Zeit des Strafvollzuges ihre Leistungen.408 Die Freiheitsstrafe stellt damit ein Mehr an 400  BGHSt 20, 264, 267; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 51; Schild, in: FS-Lenckner, S. 287, 300; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 33 ff.; ausführlich Koriath, Jura 1995, 625 ff. 401  Vgl. zu den Straftheorien insgesamt Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 194 ff. 402  BVerfGE 109, 133, 172; 128, 326, 377; 131, 268, 306; 134, 33, 81. 403  Zipf/Dölling, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 63 Rn. 17. 404  Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 579. 405  Fischer, § 12 Rn. 2. 406  BT-Drucks. IV/650, S. 173; BGHSt 37, 106, 133; vgl. auch Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 34; mit anderer Begründung NK-Albrecht, § 40 Rn. 7; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 27; LK-Häger, Vor §§ 40 bis 43 Rn. 1; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Mösl, NStZ 1983, 493, 495. 407  Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 576. 408  BSG, Urt. v. 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R.



C. Zusammenfassung87

Übelzufügung im Vergleich zur Geldstrafe dar.409 Die Ersatzfreiheitsstrafe ist auf der Grundlage dieses Befundes nicht als Ersatzübel, sondern als Zusatzübel410 zu werten. Damit führt der 1:1-Umrechnungsmaßstab in § 43 S. 2 StGB zu einer Überschuldstrafe beim Verurteilten. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird gem. § 459e Abs. 1 StPO vom Rechtspfleger angeordnet, womit sich die Geldstrafe gem. § 43 StGB praktisch „automatisch“ qua Anordnung in eine Freiheitsstrafe wandelt. Der ihr zugrundeliegende Strafbefehl bzw. das Urteil erkennt allerdings nur auf die Geldstrafe, mit der Folge, dass den Betroffenen eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe trifft, die nicht das Ergebnis einer begründeten Strafzumessung darstellt und damit der richterlichen Tätigkeit entzogen ist.411 Einer solchen Freiheitsstrafe ohne Richterspruch412 könnte allerdings Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG entgehen stehen. Ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG durch die Anordnung und Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wird dahingehend abgelehnt, als der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der Tagessätze trifft.413 Dem Gericht ist bei der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt,414 da es bei der Geldstrafenzumessung die hypothetische Überlegung anstellt, wie viele Tage Freiheitsstrafe der Tat des Täters entsprechen.415 Gerade weil das Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 festlegt, ist die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich;416 mit der Zumessung der Anzahl der Tagessätze erklärt das Gericht zugleich die Vollstreckung einer bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe für den Uneinbringlichkeitsfall für zulässig.417 Nach § 459f Abs. 1 StPO kann die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte bedeuten würde. Eine unbillige Härte stellt die Vollstreckung für den 409  Schall, NstZ 1985, 104, 106; Tröndle, JR 1976, 162, 163; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525. 410  Tröndle, JR 1976, 162, 163; ders., ZStW 86 (1974), 545, 576; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525; Weber, in: GS-Schröder, S. 175, 184; von einem „qualitativen Sprung“ spricht: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 775. 411  Tiedemann, GA 1964, 359, 368. 412  Lüderssen, in: FS-Böhm, S. 553, 561. 413  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKoRadtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5. 414  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 415  BGHSt 27, 70, 72. 416  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141. 417  LK-Häger, § 43 Rn. 5.

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1. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe und ihre Vollstreckung

Betroffenen nicht schon dann dar, wenn der Verurteilte, sei es auch unverschuldet, mittellos wird,418 weshalb ein Leben am Existenzminimum oder die Insolvenz des Schuldners für die Anwendung des § 459f StPO grundsätzlich nicht ausreicht.419 Überdies ist das Merkmal der „unbilligen Härte“ restriktiv auszulegen,420 womit auch die Abwendbarkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit gem. Art. 293 EGStGB vorrangig zur Unterbleibensanordnung ist421 Ein solch pauschaler Verweis vermag allerdings nicht zu überzeugen, da die freie Arbeit in ihrer momentanen Ausgestaltung gegen das Grundrecht des Verurteilten aus Art. 12 Abs. 2 GG verstößt und sich als Arbeitszwang darstellt. Nach all dem stellt sich die Frage, ob das Institut der Ersatzfreiheitsstrafe in seiner aktuellen Ausgestaltung noch zeitgemäß ist.

418  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; OLG Düsseldorf VRS 77 (1989), 454, 455; MDR 1985, 76; 1983, 341; Schädler, ZRP 1983, 5, 7. 419  BVerfG NJW 2006, 3626; 3627; LG Göttingen wistra 2016, 167, 168; LG Osna­brück Rpfleger 2007, 111, 112; LG Leipzig ZIP 2002, 142. 420  Pfordte, StV 2010, 591, 595 f. 421  LG Leipzig ZIP 2002, 142.

2. Teil

Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion Der Streit um die Ersatzfreiheitsstrafe zeigt sich darin, dass bereits nach der Reform des StGB im Jahr 1969 durch das 1. und 2. Strafrechtsreform­ gesetz (StrRG)1 für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe plädiert wurde.2 Wie aktuell die Diskussion ist, wird an einem Gesetzentwurf3 der Fraktion DIE LINKE vom April 2018 deutlich.

A. Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe In diesem Gesetzentwurf wird das Instrument der Ersatzfreiheitsstrafe von der Faktion DIE LINKE als diskriminierend gegenüber einkommens- und vermögensschwachen Personen, die häufig am Existenzminimum leben, charakterisiert. In der Praxis treffe die Ersatzfreiheitsstrafe oft mittel- bzw. erwerbslose oder mehrfach belastete Personen, die wegen Bagatelldelikten zu einer Geldstrafe verurteilt würden. Freiheitsentziehende Sanktionen sollten hingegen nach dem Ultima-Ratio-Prinzip generell nur in Betracht kommen, wenn andere „mildere“ Mittel keine hinreichende Wirksamkeit versprächen. Zukünftig solle den „Armutsdelikten“ verstärkt mit sozialstaatlichen Maßnahmen denn mit Freiheitsentzug begegnet werden.4 Überdies liefen Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer, die Sozialhilfeempfänger sind, Gefahr während ihrer Haftzeit die ihnen gewährten Leistungen nach dem SGB II zu verlieren,5 wozu ebenso die durch das Sozialamt nach ALG II gestellte Wohnung gehöre.6 Zudem wird kritisiert, dass Deutschland das aus Schweden stammende Tagessatzsystem übernommen habe, ohne allerdings das Vollstreckungsverfahren des schwedischen Rechts im Blick zu haben. Die Umwandlung von Geld- in Freiheitsstrafe erfordere dort stets eine erneute 1  1. StrRG,

BGBl. I 1969, S. 645 ff.; 2. StrRG, BGBl. I 1969, S. 717 ff. GA 88 (1976), 1049, 1112; zur Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe bereits im Alternativentwurf plädiert Schmidt, NJW 1967, 1929, 1935; Forderung wieder aufgegriffen durch Weßlau, StV 1999, 278, 283. 3  BT-Drucks. 19/1689. 4  BT-Drucks. 19/1689, S. 1. 5  BSG Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 81/09 R. 6  Wawzyniak, in: Strafvollzug und Resozialisierung – ein Paradoxon?!, S. 14, 17. 2  Grebing,

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2. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion

richterliche Entscheidung, in der das Gericht prüfen müsse, ob der Geld­ strafenschuldner zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sei. Nur im Fall der Zahlungsunwilligen könne das schwedische Gericht dann eine Ersatzfreiheitsstrafe anordnen.7 Die Strafverteidigervereinigung fordert in ihrer Bremer Erklärung8 vom März 2017 die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Oft seien Personen aufgrund unverschuldeter persönlicher Schicksalsschläge nicht in der Lage, auf die Geldstrafe zu leisten, um so die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden. Die Alternative der gemeinnützigen bzw. freien Arbeit benachteilige vor allem bereits sozial ausgegrenzte Personen, die diese auf Grund einer körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigung nicht wahrnehmen könnten. Die negativen Folgen der Ersatzfreiheitsstrafe für den Betroffenen (z. B. Wohnungsverlust) und seine Angehörigen (z. B. Kontakt mit seinen Kindern) würden als „Kollateralschäden“ hingenommen. Entgegen des richterlichen Urteils komme es zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die in diesem Fall den Schuldgrundsatz in sein Gegenteil verkehre. Überdies verschärfe sich die Problematik in den Fällen, in denen die Geldstrafe im Strafbefehlsverfahren verhängt wird. In diesen Verfahren würden Bagatellstraf­ taten massenhaft unter Plausibilitätsgesichtspunkten abgearbeitet, wobei eine vertiefte Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen nicht stattfinde. Gegen Strafbefehle würden zudem kaum Rechtsmittel eingelegt, da die Verurteilten diese oft als (Abwesenheits-)Urteile auffassten. Überdies böten Zahlungserleichterungen bei Menschen, die am Existenzminimum leben, keine adäquate Alternative.9 Durch die Ersatzfreiheitsstrafe würde damit eine „Hintertür“ zur Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe offengehalten, obwohl das Gericht eine Geldstrafe als tat- und schuldangemessen angesehen habe. Die Justiz verfüge über ausreichende Zwangsmittel, um den Geldstrafenschuldner zu einer Zahlung zu motivieren, die allerdings (mutmaßlich aus administrativer Bequemlichkeit) nicht im gebotenen Umfang eingesetzt würden. Die Ersatzfreiheitsstrafe komme hierbei vorschnell zum Einsatz, wodurch der Eindruck entstehe, sie sei für das Sanktionssystem unerlässlich.10

7  Feest,

in: Strafvollzug und Resozialisierung – ein Paradoxon?!, S. 22, 23. Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017 unter dem Titel „Der Schrei nach Strafe“. 9  Vgl. insgesamt Bremer Erklärung der Strafverteidiger: Die Ersatzfreiheitsstrafe abschaffen!; so bereits auch schon Köhler, GA 1987, 146, 161. 10  Guthke, ZRP 2018, 58. 8  Bremer



B. Erhalt der Ersatzfreiheitsstrafe: Meinungsstand91

In diesem Sinne sprechen sich in der aktuellen Diskussion neben der Fraktion DIE LINKE11 große Teile der Praxis12 für eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe aus. Die Argumente sind hierbei keinesfalls „neu“. Denn bereits nach der Strafrechtsreform 1969 wurde der 1:1-Umrechnungsmaßstab im Hinblick auf die Zufügung eines Zusatzübels durch die Ersatzfreiheitsstrafe kritisiert, weshalb Bedenken hinsichtlich des Schuldgrundsatzes geäußert wurden.13 Überdies wurde die zusätzliche Belastung des Strafvollzuges durch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorausgesehen und auf die negativen Folgen für die Resozialisierung des Täters hingewiesen.14

B. Erhalt der Ersatzfreiheitsstrafe: Meinungsstand Gegen die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe wenden sich vor allem Vertreter aus der Wissenschaft.15 Hauptargument ist die faktische Folgenlosigkeit einer Straftat und ihrer Verurteilung. Es würde vermutlich zu einer Verschiebung des Sanktionsgefüges – hin zur Verhängung kurzer Freiheitsstrafen – kommen, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteils absehbar sei, dass die Geldstrafe uneinbringlich sein werde. Dies wäre aufgrund der faktischen Folgenlosigkeit mit Hinweis auf die Notwendigkeit einer spürbaren Einwirkung auf den Täter auch unter dem Gesichtspunkt des § 47 StGB zu rechtfertigen. Daher liege die Annahme nicht fern, dass der Verzicht auf die Ersatzfreiheitsstrafe sogar zu einem Anstieg des Strafniveaus führen könnte.16 Da die Strafe aus zwei Komponenten – Feststellung, dass der Verurteilte für sein rechtswidriges Verhalten verantwortlich sei und die Auferlegung eines Strafübels – bestehe und diese eng miteinander verwoben seien, sei eine Strafe ohne ein Strafübel nicht nur begrifflich unvorstellbar, sondern überdies dysfunktional. Die Androhung und der Vollzug des Strafübels sichere die

11  BT-Drucks. 19/1689, S. 2; Wawzyniak, in: Strafvollzug und Resozialisierung – ein Paradoxon?!, S. 14, 19; Feest, in: Strafvollzug und Resozialisierung – ein Paradoxon?!, S. 22, 24 f. 12  BT-Presse: Recht und Verbraucherschutz/Anhörung – 04.04.2019 (hib 367/ 2019), in der sich Uwe Meyer-Odenwald, der Leiter der Berliner JVA Plötzensee, für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe für Bagatelldelikte aussprach; Bremer Erklärung der Strafverteidiger, Guthke, ZRP 2018, 58. 13  Grebing, ZStW 88 (1976), 1049, 1069. 14  Schmidt, NJW 1967, 1929, 1935. 15  Kubiciel, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689; Baur, Stellungnahme zu BTDrucks. 19/1689; Jäger, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689; Radtke, ZRP 2018, 58. 16  Kubiciel, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 4; Baur, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 9.

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2. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion

Normgeltung.17 Da die Aufgabe von Strafrecht der Rechtsgüterschutz sei, folge hieraus die verfassungsrechtliche Legitimation des Staates, den schuldhaft handelnden Täter zu bestrafen und die Strafe zu vollstrecken. Das Strafrecht setze damit auf die verhaltenssteuernde Wirkung von Strafe zum Rechtsgüterschutz. Wenn die verhängte Geldstrafe diese Wirkung aufgrund der mangelnden Vollstreckbarkeit nicht erfülle, bedürfe sie eines Surrogats, um das Strafrecht als Instrument des Rechtsgüterschutzes wirksam abzusichern. In einem primär Geldstrafen verhängenden Sanktionssystem sei die Ersatzfreiheitsstrafe ein unverzichtbares Instrument für uneinbringliche Geldstrafen. Ohne die Ersatzfreiheitsstrafe würde die Strafdrohung der Geldstrafe wirkungslos werden und zu einer leeren Hülle verkommen.18 Alleine die Mittellosigkeit einer Person sei kein Grund, von einer spür­ baren Bestrafung abzusehen. Die Wirksamkeit der Ersatzfreiheitsstrafe zeige sich in der Praxis vielmehr daran, dass vielfach zunächst zahlungsunwillige Verurteilte nach Ladung zum Strafantritt doch noch zahlten.19 Überdies seien die vorhandenen Möglichkeiten (Zahlungserleichterungen, Härtefall, gemeinnützige Arbeit), die Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung abzuwenden, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch geeignet, wirtschaftlich schwachen Straftätern den Vollzug einer Haftstrafe zu ersparen.20 Auch die Fraktion der CDU/CSU spricht sich gegen die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe aus. Die Geldstrafe sei durch ihre Anpassung an die Einkommensverhältnisse des Schuldners und ihre möglichen Brücken, die der Rechtsstaat zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe vorsehe, kein Instrument, das arme und benachteiligte Personen diskriminiere. In einem starken Rechtsstaat müsse der Staat seinen Strafanspruch durchsetzen. Einer kompletten Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe sei damit eine Absage zu erteilen. Allerdings könne über Alternativen zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe beraten werden.21 Hierbei wird teilweise auf den Ausbau des Instituts der freien Arbeit gem. Art. 293 EGStGB verwiesen.22 Auch müsse über die

17  Kubiciel,

Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 2. Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 2 f.; Radtke, ZRP 2018, 58. 19  Kubiciel, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 3; Jäger, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 3. 20  Jäger, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 7. 21  Ullrich, in seiner Rede im BT am 28.06.2018, abrufbar: https://www.cducsu.de/ themen/innen-recht-sport-und-ehrenamt/dr-volker-ullrich-eine-ausgesprochene-strafemuss-auch-vollstreckt-werden; so auch Jäger, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 4. 22  Baur, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 10; Radtke, ZRP 2018, 58; Mosbacher, NJW 2018, 1069, 1072. 18  Jäger,



B. Erhalt der Ersatzfreiheitsstrafe: Meinungsstand93

Erweiterung und Diversifizierung der Sanktionsmöglichkeiten nachgedacht werden.23 Eine weitere Alternative könnte die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB darstellen. Die Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe ist dabei in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

I. Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe 1. Aussetzung der Strafvollstreckung gem. § 56 StGB Einer der wenigen Befürworter der Anwendung des § 56 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe ist Albrecht24, der in der Nichtanwendung des § 56 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung des von Anfang an zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Verurteilten gegenüber dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer sieht. Denn für den Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer – der ursprünglich Geldstrafenschuldner ist – werde diese „leichtere“ Sanktion gerade aufgrund des geringeren Tatgewichts sowie der besseren Prognose bzw. fehlender generalpräventiver Bedürfnisse gewählt. Eine solche Besserstellung sei vor allem mit Blick auf § 459d Abs. 1 StPO problematisch, der anordne, dass die Vollstreckung einer Geldstrafe unterbleiben könne, wenn bei gleichzeitiger Verhängung und Vollstreckung einer Freiheitsstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschwert werde. Daraus lasse sich schließen, dass der Totalverzicht der Geldstrafenbeitreibung und somit auch der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung zugunsten der Wiedereingliederung des Täters hingenommen werden könne. Im Fall des § 459d Abs. 1 Nr. 1 StPO sei sogar auf die Vollstreckung einer Geldstrafe, die neben einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verhängt wird, mit Blick auf die soziale Integration des Täters zu verzichten. Dieser Verzicht könne zeitlich nicht begrenzt werden und schlage damit gem. § 459e Abs. 4 StPO auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch.25 Es widerspreche somit dem Wiedereingliederungsgedanken des Täters in die Gesellschaft und vor allem der, bei der Verhängung der Geldstrafe dem Täter attestierten positiven Legalprognose, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe gegen den Geldstrafenschuldner vollstreckt werde. Um diesen Widerspruch zu vermeiden, müsse eine vollständige Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur 23  Kubiciel,

Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689, S. 5. § 43 Rn. 7. 25  KK/StPO-Appl, § 459d Rn. 4. 24  NK-Albrecht,

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2. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion

Bewährung gem. § 56 StGB möglich sein. Überdies sei bei Nichtanwendung der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe der schwerer Bestrafte (Freiheitsstrafenverbüßer) gegenüber dem leichter Bestraften (Geldstrafenverbüßer) besser gestellt.26 2. Aussetzung der Reststrafenvollstreckung gem. § 57 StGB Das OLG Koblenz27 befürwortet die Restaussetzung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB. Auch das OLG Zweibrücken28 argumentierte in seiner mittlerweile aufgegebenen Rechtsprechung für eine Aussetzung gem. § 57 StGB. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe sei kein „Beitreibungsmittel“ für die Geldstrafe und somit auch nicht deren Kehrseite. Vielmehr handele es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe wie § 43 StGB es wörtlich formuliere, um eine echte Freiheitsstrafe, die an die Stelle der Geldstrafe trete. Demzufolge müssten auf die Ersatzfreiheitsstrafe die Vorschriften über die Verbüßung von Freiheitsstrafe Anwendung finden. Der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer befinde sich in derselben Situation wie der reguläre Freiheitsstrafenverbüßer. Das Argument der Gegenmeinung, dass der Grundsatz der vollständigen „Verbüßung“ der Geldstrafe auf die Ersatzfreiheitsstrafe durchgreife, scheitere daran, dass es sich bei dieser eben nicht mehr um eine verlängerte Geldstrafe, sondern um eine echte Freiheitsstrafe handele.29 Auch Dölling30 befürwortet mit einer ähnlichen Argumentation eine – im Zweifelsfall analoge – Anwendung des § 57 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe. Einer direkten Anwendung des § 57 StGB stünden weder systematische noch teleologische Einwendungen entgegen. Vielmehr lasse sich der Grundgedanke des § 57 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe anwenden. Denn § 57 StGB räume regulären Freiheitsstrafenverbüßern, bei denen reelle Chancen auf ein künftig straffreies Leben bestünden, die Gelegenheit ein, durch

26  Vgl.

NK-Albrecht, § 43 Rn. 7. Koblenz NStZ 1987, 120; NStZ 1995, 254. 28  Vormals OLG Zweibrücken NJW 1976, 155, allerdings Aufgabe dieser Rechtsprechung mit dem Argument der Vereinheitlichung der Rechtsprechung und der damit einhergehenden Schaffung von Rechtssicherheit durch OLG Zweibrücken ZfStrVo 2002, 186. 29  OLG Koblenz NStZ 1987, 120 f.; NStZ 1995, 254; OLG Zweibrücken NJW 1976, 155; zustimmend BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 57 Rn. 3; Sch/Sch-Kinzig, § 57 Rn. 4; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7. 30  Dölling, NStZ 1981, 86; zustimmend auch Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 141 f.; wohl zustimmend Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 139; a.  A. MüKo-Radtke, § 43 Rn. 23. 27  OLG



B. Erhalt der Ersatzfreiheitsstrafe: Meinungsstand95

die Bewährung in Freiheit einen Erlass der Strafe zu erreichen.31 Demnach handele es sich bei § 57 StGB um ein Instrument, das die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft erleichtere. Dabei sei der Einsatz dieses Instruments im Hinblick auf den dahinterstehenden Resozialisierungsgedanken unabhängig davon geboten, aus welchem Grund es zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe komme. Dies ermögliche eine direkte oder, falls die Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr als vom Wortlaut des § 57 StGB mitumfasste Freiheitsstrafe gewertet werde, analoge Anwendung des § 57 StGB auf § 43 StGB.32

II. Nichtanwendbarkeit der Bewährungsvorschriften auf die Ersatzfreiheitsstrafe 1. Ablehnung der Aussetzung der Strafvollstreckung gem. § 56 StGB In der Literatur wird überwiegend die Aussetzung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB abgelehnt.33 Die Anwendung des § 56 StGB scheitere bereits daran, dass im Urteil lediglich auf die Geldstrafe erkannt werde und sich § 56 StGB nur auf im Urteil verhängte Freiheitsstrafen beziehe.34 Die Ersatzfreiheitsstrafe sei lediglich eine verlängerte Geldstrafe.35 Prinzipiell müsse der Gesetzgeber die härtere Behandlung des unverschuldet zahlungsunfähigen Verurteilten hinnehmen, da die Wirksamkeit eines vorrangig Geldstrafen verhängenden Strafensystems von der Vollstreckung dieser angeordneten Rechtsfolge abhänge.36 Dabei wird die ausnahmslose Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe teilweise damit gerechtfertigt, dass die Geldstrafe ohne die dahinterstehende Ersatzfreiheitsstrafe wirkungslos sei.37 Die Vollstreckungspraxis zeige, dass die Geldstrafe erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung der Ersatzfreiheits-

31  Dölling,

NStZ 1981, 86, 88. NStZ 1981, 86, 90. 33  Fischer, StGB, § 56 Rn. 2; NK-Ostendorf, § 56 Rn. 1; HK/GS-Braasch, § 56 Rn. 2; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 12; SK-Schall, § 56 Rn. 6; S/S/W-Claus, § 43 Rn. 5; Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 11; Lackner/Kühl-Kühl, § 43 Rn. 4; LK-Hubrach, § 56 Rn. 4; Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 8 Rn. 54; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 109; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 139. 34  NK-Ostendorf, § 56 Rn. 1; Radtke, ZRP 2018, 58. 35  LK-Hubrach, § 56 Rn. 4; Eisenberg/Kölbel, Kriminologie, § 33 Rn. 16. 36  Vgl. dazu die Ausführungen zur Ersatzfreiheitsstrafe in BGHSt 27, 90, 93. 37  Tröndle, StGB, § 43 Rn. 2; NK-Albrecht, § 43 Rn. 1; MüKO-Radtke, § 43 Rn. 2; Sch/Sch-Kinzig, § 43 Rn. 1; LK-Häger, § 43 Rn. 1. 32  Dölling,

96

2. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion

strafe gezahlt werde.38 Die Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB sei auf echte Freiheitsstrafen begrenzt. 2. Ablehnung der Aussetzung der Reststrafenvollstreckung gem. § 57 StGB Überdies lehnen Teile der Literatur39 und der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung40 eine Anwendung des § 57 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe ab. Die Ersatzfreiheitsstrafe sei bis zum letzten Tag ihrer Vollstreckung von der ihr zugrundliegenden Geldstrafe abhängig. Diese Akzessorietät der Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber der Geldstrafe würde bei Anwendung des § 57 StGB durchbrochen. Denn in § 57 StGB finde sich keine passende Regelung, was bei einer bedingten Entlassung mit dem nicht entrichteten Teil der Geldstrafe passieren solle.41 § 57 Abs. 1 S. 1 StGB erfasse nur die Vollstreckung verhängter zeitiger Freiheitsstrafen.42 Zeitig seien gem. § 38 StGB Freiheitsstrafen mit einem Höchstmaß von 15 Jahren und einem Mindestmaß von einem Monat. Die Ersatzfreiheitsstrafe werde im Abschnitt über die Geldstrafe verortet und ihr Mindestmaß beträgt einen Tag, womit sie nicht als „zeitige Freiheitsstrafe“ i. S. d. § 57 Abs. 1 S. 1 StGB zu werten sei.43 Bublies44 untersuchte den Streitstand um die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung gem. § 57 StGB in seiner Dissertation 1989. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Freiheitsstrafe und die Ersatzfreiheitsstrafe wesensverschieden und daher nicht gleich zu behandeln seien.45 Er ging zwar von der Ersatzfreiheitsstrafe als echter Strafe aus. Allerdings habe kein Spurwechsel von der Geldstrafe zur Ersatzfreiheitsstrafe 38  LR/StPO-Graalmann-Scheerer,

§ 459f Rn. 4. § 57 Rn. 3; NK-Dünkel, § 57 Rn. 7; HK/GS-Braasch, § 57 Rn. 3; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 57 Rn. 9; SK-Schall, § 57 Rn. 4; S/S/W-Claus, § 57 Rn. 3; Heger, in: Lackner/Kühl, § 57 Rn. 1; LK-Hubrach, § 57 Rn. 4; Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe. 40  OLG Hamm StV 2010, 696, 697; StV 1999, 495; wistra 1998, 274, 275; MDR 1977, 422, 423; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; OLG Zweibrücken StV 2001, 414 (Aufgabe frühere Rechtsprechung); OLG Jena NStZ 1999, 317; OLG Celle NStZ 1998, 533, 534; NJW 1977, 308; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380; OLG Stuttgart MDR 1986, 1043, 1044; OLG Düsseldorf JMBl NW 1986, 262; NJW 1980, 250; OLG Karlsruhe Die Justiz 1979, 232; 1978, 146; KG GA 1977, 237; OLG München NJW 1977, 309; OLG Köln OLGSt Nr. 7. 41  OLG Hamm StV 2010, 696, 697; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253. 42  OLG Jena NStZ 1999, 317. 43  OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253. 44  Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe. 45  Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 114. 39  Fischer,



C. Kritische Bewertung97

stattgefunden, sondern die Geldstrafe bestehe weiterhin fort und die Ersatzfreiheitsstrafe sei das Zwangselement, um diese durchzusetzen.46 Die Anwendung von § 57 StGB auf § 43 StGB führe überdies zu ungerechten Ergebnissen, da es sich der Geldstrafenschuldner aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe (Zahlungserleichterungen gem. § 459a StPO, gemeinnützige Arbeit gem. Art. 293 EGStGB) selbst zuzuschreiben habe, wenn deren Vollzug angeordnet werde.47 Eine Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe auf der Grundlage des geltenden Rechts sei generell nicht möglich.48 Überdies enthielten die §§ 459–459i StPO für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abschließende Regelungen.49

C. Kritische Bewertung Eine generelle Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe hätte den unbestreitbaren Vorteil, dass der Strafvollzug eine finanzielle wie personelle Entlastung erfahren würde. Auch könnten die negativen Folgen kurzer Freiheitsstrafen für den Verurteilten vermieden werden. Allerdings birgt die vollumfängliche Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe das Risiko, dass sich die Schuldner, die die Geldstrafe grundsätzlich bezahlen könnten, vorsätzlich in einen Zustand der Zahlungsunfähigkeit versetzten. In diesem Fall würde die Geldstrafe nicht nur bei den Zahlungsunfähigen (die etwa DIE LINKE privilegieren möchte)50, sondern auch bei den Zahlungsunwilligen ins Leere laufen. Aus diesem Grund ist nach Alternativen im Rahmen der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu suchen. Insoweit drängt sich der Gedanke auf, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wie die anderen Freiheitsstrafen ebenfalls nach §§ 56 ff. StGB auszusetzen. Die Argumente von Bublies verdeutlichen bereits das Kernproblem, da er die Ersatzfreiheitsstrafe einerseits als echte (Freiheits-)Strafe ansieht. Diese echte (Freiheits-)Strafe beurteilt er andererseits in Abhängigkeit von der ihr zugrundeliegenden Geldstrafe als reines Zwangselement zu deren Durchsetzung. Eine solche „Zwitterstellung“ kommt sonst keinem anderen Sanktionsmittel zu. Folglich scheint unklar, ob es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine echte (Freiheits-)Strafe handelt und die Bewährungsvorschriften gem. §§ 56 ff. StGB Anwendung finden könnten oder ob sie eher ein Beugemittel 46  Bublies,

Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 112. Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 109. 48  Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 114. 49  Fischer, § 57 Rn. 3. 50  BT-Drucks. 19/1689, S. 1. 47  Bublies,

98

2. Teil: Die Ersatzfreiheitsstrafe in der aktuellen Diskussion

zur Durchsetzung der Geldstrafe ist, auf das die §§ 56 ff. StGB nicht anzuwenden wären. Wenn die Ersatzfreiheitsstrafe eine echte (Freiheits-)Strafe ist, dann befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer aufgrund seiner positiven Legalprognose (§§ 56 ff. StGB) in einer vergleichbaren Lage wie der von Anfang an zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte. Eine Besserstellung des zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung Verurteilten gegenüber dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer ist in diesem Fall nicht zu rechtfertigen, weshalb die Vorschriften über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung finden müssten.

3. Teil

Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe Die Aussetzungsfähigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe und damit die Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB hängt damit entscheidend von der Einordnung dieser als echter Freiheitsstrafe ab. Daraus folgt das Kernproblem, auf welche Rechtsnatur – Freiheitsstrafe oder Beugemittel – die Ersatzfreiheitsstrafe zurückzuführen ist. Den Ausgangspunkt für die Erörterung zur Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe bildet der Wortlaut des § 43 StGB: „1An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. 2Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. 3Das Mindestmaß der Ersatzfreiheits­ strafe ist ein Tag.“

A. Wortlaut Zunächst ist Satz 1 in den Blick zu nehmen, der vorschreibt, dass an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe Freiheitsstrafe tritt. „An die Stelle treten“ bedeutet sprachlich nichts anderes, als den Platz einzunehmen.1 Die Freiheitsstrafe nimmt demnach den Platz der Geldstrafe ein. Der unbestimmte Artikel „einer“ Geldstrafe verdeutlicht, dass es sich um eine beliebig(e) (hohe) Geldstrafe handeln kann. Die Geldstrafe wird wiederum durch das Adjektiv „uneinbringlich“ näher bestimmt. Anhand dieses Adjektivs lässt sich der Zeitpunkt des Übergangs (von Geld- zu Freiheitsstrafe) näher bestimmen, wonach erst eine erfolglose Beitreibung stattgefunden haben muss. Der Übergang findet dann von „Geldstrafe“ zu „Freiheitsstrafe“ statt. Hierbei steht die „Freiheitsstrafe“ ohne jegliches Adjektiv. Es wird somit nicht von einer ersatz- oder zwangsweisen Freiheitsstrafe gesprochen. Für den theoretischen Ansatz, dass sich die Geldstrafe stets nur soweit in eine echte Freiheitsstrafe umwandelt, wie der Verurteilte sie wirklich verbüßt (denn für den jeweils verbleibenden Strafrest behielte die Geldstrafe ihre Eigenständigkeit),2 findet sich im Wortlaut der Norm keine Stütze. An dieser Einordung könnte sich allerdings etwas mit Blick auf die Überschrift 1  Creifelds,

Rechtswörterbuch, S. 421; SK-Wolter, § 43 Rn. 2. Kriminologie, § 33 Rn. 16.

2  Eisenberg/Kölbel,

100

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

„Ersatzfreiheitsstrafe“ ändern. Der „Ersatz“ ist rein bildungssprachlich ein Äquivalent, Substitut oder Surrogat. Die Freiheitsstrafe, die als Substitut anstelle der Geldstrafe eingesetzt wird, übernimmt deren sanktionierende Funktion. Wenn die Freiheitsstrafe somit den Platz der Geldstrafe sprachlich einnimmt, stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser (Ersatz-)Freiheitsstrafe um eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 38 StGB handelt. Dabei regelt § 38 StGB: „(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheits­strafe androht. (2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.“

Zudem findet sich der Begriff der Freiheitsstrafe sowohl in den Vorschriften des allgemeinen als auch in denen des besonderen Teils des StGB.3

I. Begriff der Freiheitsstrafe in § 38 StGB Begrifflich bedeutet Freiheitsstrafe im Sinne des StGB eine Übelszufügung durch anstaltsmäßige Einschränkung der Bewegungsfreiheit.4 Eine weitergehende Belastung ist mit dem modernen Verständnis von Freiheitsstrafe nicht zu vereinbaren.5 Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur beziehe sich § 38 StGB zumindest auf alle Freiheitsstrafen (im engeren Sinne)6 nach dem StGB, weshalb der Begriff der Freiheitssstrafe innerhalb des StGB auch einheitlich verwendet werde.7 Davon zu unterscheiden seien die Freiheitsstrafen (im weiteren Sinne)8, wie zum Beispiel die freiheitsentziehenden Maßnahmen nach dem JGG (Jungendstrafe gem. § 5 Abs. 2 JGG) oder dem WStG (Strafarrest gem. § 9 WStG). Hierbei handele es sich um Freiheitsstrafe aus Sonderstrafrechten.9 Bei § 38 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sei allerdings die Freiheitsstrafe als besondere Strafart gemeint.10 Die Ab3  Für eine einheitliche Verwendung des Begriffs der Freiheitsstrafe Lackner/ Kühl-Kühl, § 38 Rn. 1; NK-Dünkel, § 38 Rn. 22; a. A. Fischer, § 38 Rn. 2; LK-Häger, § 38 Rn. 2. 4  NK-Dünkel, § 38 Rn. 23; Seebode, in: FS-Küper, S. 577, 583; Walter, Strafvollzug, Rn. 22. 5  NK-Dünkel, § 38 Rn. 23. 6  NK-Dünkel, § 38 Rn. 21. 7  Lackner/Kühl-Kühl, § 38 Rn. 1; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 38 Rn. 7; NKDünkel, § 38 Rn. 22; MüKo-Radtke, § 38 Rn. 2. 8  NK-Dünkel, § 38 Rn. 22; MüKO-Radtke, § 38 Rn. 2. 9  Kürzinger, in: Jescheck, Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate im deutschen und ausländischen Recht, S. 1738, 1800. 10  MüKo-Radtke, § 38 Rn. 2.



A. Wortlaut101

grenzung zwischen Freiheitsstrafen im engeren und weiteren Sinne erfolge dabei nach der Zielsetzung der einzelnen Bestimmung.11 Sowohl der Jugendstrafe, die sich am Erziehungsgedanken gem. § 2 Abs. 1 S. 2 JGG ausrichte, als auch dem Strafarrest, in dessen Vollzug der Soldat weiter in seiner Ausbildung gem. § 9 Abs. 2 S. 2 WStG zu fördern sei, lägen damit nicht dieselben spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkte zugrunde wie der Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB.12

II. Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe nach dem Wortlaut des § 38 StGB Wenn die Freiheitsstrafe nach § 38 StGB als anstaltsmäßige Einschränkung der Bewegungsfreiheit13 definiert wird, dann trifft dies auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe zu. Denn die Ersatzfreiheitsstrafe wird in den selben Einrichtungen wie die originäre Freiheitsstrafe vollstreckt. Dem zu einer Geldstrafe Verurteilten wird auf die gleiche Weise wie dem Freiheitsstrafenverbüßer die Bewegungsfreiheit entzogen. Auch der Rechtsanwender wird keinen Unterschied zwischen der regulären Freiheitsstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe in Bezug auf die Formulierungen in § 38 StGB und § 43 StGB sowie im Rahmen der Vollstreckung beider Strafen feststellen. Das OLG Oldenburg argumentiert dagegen, dass § 38 Abs. 2 StGB die Freiheitsstrafe als Sanktion mit einem Mindestmaß von einem Monat definiere, was wiederum gegen die Übereinstimmung von Ersatzfreiheitsstrafe mit der Freiheitsstrafe i. S. d. § 38 Abs. 1 StGB spreche.14 Das Mindestmaß der Freiheitsstrafe betrug bis zur Neufassung durch das 2. StrRG 1969 nach § 18 StGB Abs. 1 StGB a. F. einen Tag. Somit unterschied sich das ursprüngliche Mindestmaß der regulären Freiheitsstrafe nicht von dem der Ersatzfreiheitsstrafe. Auch wenn Freiheitsstrafen unterhalb dieses Minimums durch § 38 Abs. 2 StGB ausgeschlossen werden sollen,15 kann die tatsächliche Verbüßungsdauer auch bei regulärer Freiheitsstrafe durch Anrechnung nach § 450 Abs. 1 StPO oder verbliebener Strafreste darunter liegen.16 Demzufolge will § 38 Abs. 2 StGB Freiheitsstrafen unter einem Monat aufgrund der negativen Folgen für den Verurteilten grundsätzlich ausschließen, allerdings 11  Fischer,

§ 38 Rn. 2; NK-Dünkel, § 38 Rn. 22. Vor §§ 38 ff. Rn. 67, 71; Kürzinger, in: Jescheck, Die Freiheitsstrafe und ihre Surrogate im deutschen und ausländischen Recht, S. 1738, 1803, 1808. 13  NK-Dünkel, § 38 Rn. 23; Seebode, in: FS-Küper, S. 577, 583; Walter, Strafvollzug, Rn. 22. 14  OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253. 15  BT-Drucks. V/4095, S. 18. 16  Sch/Sch-Kinzig, § 38 Rn. 5; MüKo-Radtke, § 38 Rn. 3. 12  LK-Häger,

102

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

besteht rein faktisch die Möglichkeit, dass es zur Vollstreckung einer unter einem Monat liegenden Freiheitsstrafe kommt. Demzufolge stellt die zeit­ liche Dimension kein valides Abgrenzungskriterium dar, weshalb die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB rein sprachlich eine Freiheitsstrafe im engeren Sinne gem. § 38 StGB ist.

III. Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe im weiteren Sinne Nach § 2 S. 1 StVollzG soll der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dem Straftäter wird sogar ein Anspruch auf Resozialisierung17 zugesprochen. Der Betroffene soll durch die Strafe gerade nicht gebrandmarkt und aus der Gesellschaft „ausgestoßen“, sondern nach ihrer Verbüßung (wieder) in sie integriert werden, um so dem Sozialstaatsprinzip Genüge zu tun.18 Darüber hinaus dient der Vollzug der Freiheitsstrafe gem. § 2 S. 2 StVollzG auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die physische Gewalt wird auf den Täter ausgeübt, um ihn so von weiteren Taten abzuhalten.19 Es handelt sich somit um die Resozialisierung des Täters und den Schutz der Gesellschaft vor dem Täter, also spezialpräventive Aspekte20. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird jedoch als Druckmittel zur Durchsetzung der Geldstrafe aufgefasst.21 Für diese Einschätzung spricht, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anders als die der regulären Freiheitsstrafe durch Zahlung auf die Geldstrafe gem. § 459e Abs. 4 StPO suspendiert wird und der Täter damit selbst seine Entlassung aus dem Vollzug erreichen kann. Die Aufgabe der Ersatzfreiheitsstrafe ist es, die eigentlich intendierte Strafart – also die Geldstrafe – abzusichern.22 Denn um die Geldstrafe effektiv beizutreiben, ist es unabdingbar, dass hinter ihr äußerstenfalls die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe steht. Die Ersatzfreiheitsstrafe führt gerade dazu, dass die Geldstrafe als milderes Sanktionsmittel gegenüber der Freiheitsstrafe ihre Funktion als wirksame Strafsanktion im Bereich kleinerer und mittlerer Kriminalität erfüllen kann.23 Demnach würde es sich auch bei der Ersatzfreiheitsstrafe nach deren Zielsetzung wohl eher um eine Freiheitsstrafe im weiteren Sinne handeln. 17  BVerfGE

45, 187, 239. Strafrecht AT I, § 3 Rn. 15. 19  Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 36. 20  Liszt, ZStW 1 (1883), 1, 33 f.; zusammengefasst bei Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 12. 21  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 43 Rn. 5. 22  MüKo-Radtke, § 43 Rn. 2. 23  LK-Häger, § 43 Rn. 1. 18  Roxin/Greco,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe103

IV. Bewertung Im Wortlaut des § 43 S. 1 StGB findet sich also keine Stütze dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine irgendwie geartete „verlängerte“ Geldstrafe handelt oder die Geldstrafe weiterhin fortbesteht bzw. die Geldstrafe lediglich sukzessive in eine entsprechende Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Das StGB verwendet das Wort „Freiheitsstrafe“ dahingehend einheitlich, als es sich um die Bezeichnung der Strafart im Sinne des § 38 StGB handelt. Die Ausgrenzung der Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Anwendungsbereich des § 38 StGB anhand ihres Mindesmaßes24 erscheint allerdings mit Blick auf die Historie des § 43 StGB wenig überzeugend. Allerdings lässt der Wortlaut Raum zur Interpreation dahingehend, dass sowohl systematische wie auch teleologische Argumente gegen die Einbeziehung der Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe im engeren Sinne nach § 38 StGB sprechen. In diesem Zusammenhang legt vor allem die Zielsetzung des Freiheitsentzuges bei der Ersatzfreiheitsstrafe den Schluss nahe, dass es sich bei ihr eher um eine Freiheitsstrafe im weiteren, denn im engeren Sinne gem. § 38 StGB handelt.25 Denn der Betroffene hat es bei der Ersatzfreiheitsstrafe im Gegensatz zur regulären Freiheitsstrafe selbst in der Hand, sich durch Erbringung der Geldstrafe aus dem Strafvollzug zu „entlassen“. Eine solche Möglichkeit besteht bei der regulären Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB nicht, die vor allem der Resozialisierung des Täters und dem Schutz der Allgemeinheit vor dem Täter dient. Aus diesem Grund lehnt die wohl überwiegende Meinung26 ab, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 38 StGB handelt. Hierbei wird auf teleologische Aspekte27 abgestellt, was einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Interpretation des Wortlauts des § 38 StGB und aller weiteren Vorschriften, die sich auf freiheitsentziehende Maßnahmen beziehen, eröffnet. Grundsätzlich ist damit auch eine Subsumtion der Ersatzfreiheitsstrafe unter den Wortlaut des § 38 StGB nicht ausgeschlossen.

B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe Zu untersuchen ist, ob die Historie des § 43 StGB dafür spricht, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine echte Freiheitsstrafe handelt.

24  OLG

Oldenburg NStZ-RR 2007, 253. § 38 Rn. 2. 26  OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 38 Rn. 11; MüKo-Radtke, § 38 Rn. 2; Grube, Jura 2010, 759, 760. 27  Zum Telos der Norm siehe ausführlich 3. Teil D. 25  MüKo-Radtke,

104

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

I. Erste Nachweise Den Ausgangspunkt der Strafe bildete in der Zeit der Germanen (ca. 3. Jahrhundert) die Fehde. Wenn der Täter das Opfer verletzte, wurde dies als Kränkung der Familien- oder Sippenehre empfunden. Auf diese Verletzung wurde mit einer offenen Kampfansage an die Sippe des Täters reagiert. Es ging darum, der Familie des Täters ein mindestens äquivalentes, körperliches Übel zuzufügen, wie die Familie des Opfers es durch den Täter erfahren hat. Da allerdings jede neue Handlung eine weitere Ehrverletzung der wiederum anderen Sippe nach sich zog, konnten diese Fehden endlos dauern und im Falle der Blutrache (Tötung wird durch Tötung „gerächt“) agonale Folge haben. In diesem Zusammenhang entwickelte sich das Institut der Buße, als Ausgleichszahlung in Form von Vieh28 an die Familie des Opfers.29 Im frühmittelalterlichen Sprachverständnis (ca. 4. bis 9. Jahrhundert) wurde dann zwischen Strafe und Buße unterschieden.30 Die Strafe31 bildete dabei das Sanktionsmittel gegen Unfreie (Sklaven und Leibeigene), die mit einer nachteiligen Einwirkung auf die körperlichen Integrität des Betroffenen verbunden war.32 Gegen Freie konnte diese nicht verhängt werden, da jeder Eingriff in deren körperliche Integrität einen Angriff auf deren Ehre dargestellt hätte, der wiederum mit einer Fehde zu beantworten gewesen wäre.33 Aus diesem Grund wurden gegen Freie Ausgleichszahlungen34 in Form von „Wehrgeld“35 verhängt, die auf einen Fehdeverzicht oder die Beendigung derselben abzielten. Fehde und Sühneleistung standen somit in einem komplementären Verhältnis zueinander.36 Die Buße als geldwerte Versühnung stand dabei der Strafe als körperliche Einwirkung auf den Täter gegenüber.37 Die peinlichen Leib- und Lebensstrafen blieben damit den Unfreien vorbe28  Lateinisch pecunia, auf deutsch: Geld, abgeleitet von lateinischen pecus, im Deutschen: Vieh. 29  Vgl. zusammenfassend Rüping/Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, § 1 Rn. 4 ff. 30  Fricke, in: Mezey, Strafrechtliche Sanktionen und Strafvollzug in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 4, 7. 31  Lateinisch poena, im Deutschen: Strafe, Buße, Pein, Qual. 32  Fricke, in: Mezey, Strafrechtliche Sanktionen und Strafvollzug in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 4, 7 f. 33  Jerouschek, in: FS-Kroeschell, S. 497, 505. 34  Das System wird auch Kompositionssystem genannt, vom Lateinischen compositio, auf Deutsch: Vergleich, Aussöhnung, Einigung. 35  Schubert, Räuber, Henker, arme Sünder, S. 15. 36  Rüping/Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, § 1 Rn. 6. 37  Fricke, in: Mezey, Strafrechtliche Sanktionen und Strafvollzug in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 4, 7.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe105

halten, wohingegen die Möglichkeit des geldwerten Büßens ein Privileg der freien Bürger war.38 Dieser Gedanke könnte überspitzt formuliert auch auf das heutige Strafensystem übertragen werden: Denn wer die Geldstrafe (Äquivalent zur Buße) nicht zahlen kann, muss die Ersatzfreiheitsstrafe (Einwirkung auf den Körper) erdulden. Die ersten Nachweise einer irgendwie gearteten Ersatzfreiheitsstrafe fanden sich bereits im Mittelalter sowie später in der Peinlichen Gerichtsordnung von Kaiser Karl V. von 1532, lat. Constitutio Criminalis Carolina (CCC) und dem Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR). 1. Im weltlichen Strafrecht des Mittelalters Das Strafrecht fußte für die freien Bürger im frühen Mittelalter auf dem Kompositionensystem39. Dies war ein Bußtaxensystem, bei dem sich die Höhe der Geldbuße aus der schadenersatzartigen Sühne an die Familien des Opfers und dem „Königsgeld“, als einer Art Geldstrafe an den König, zusammensetzte. Das Strafrecht kannte demnach nur die Geldbuße, durch welche Fehden und Blutrache verhindert werden sollten.40 Dabei kam der Kerker als Ersatzstrafe zur Anwendung, wenn der Verurteilte die von ihm geschuldete Geldbuße nicht leisten konnte.41 Freiheitsstrafe bestand im Frühmittelalter demnach nicht als eigenständige Strafe, sondern nur als Ersatzfreiheitsstrafe für zahlungsunfähige Personen.42 Allerdings kam es zur zunehmenden „Fiskalisierung“ des Strafrechts, da das Königtum die Geldbuße als einträgliches Geschäft erkannte, wohingegen die schadenersatzartige Aussühnung mit der Familie des Opfers keinerlei Vorteile für den König mit sich brachte. Gegen Ende der fränkischen Zeit (ca. 5. bis 9. Jahrhundert) wurde der Anteil der Geldbuße, die an den König zu zahlen war, zur Hauptsache. Dadurch fiel die gesamte Buße ohne Einschränkung dem Richter zu.43 Die weltlichen44 Quellen des 11. und 12. Jahrhunderts – anders als die Quellen des frühen Mittelalters – schwiegen bezüglich der Androhung von 38  Rüping/Jerouschek,

Grundriss der Strafrechtsgeschichte, § 2 Rn. 12. für die leges [barbarorum] ist das Kompositionensystem, das für Vermögensbeeinträchtigungen, Verletzungen und Tötungen Bußsätze vorgibt, deren Höhe für die Opferseite einen ehrmäßig akzeptablen Richtwert darstellen sollen“, Rüping/Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, § 2 Rn. 8. 40  Krause, Geschichte des Strafvollzugs, S. 17. 41  Krauß, Im Kerker vor und nach Christus, S. 128. 42  Krause, Geschichte des Strafvollzugs, S. 17. 43  Frühauf, Wiedergutmachung zwischen Täter und Opfer, S. 44 f. 44  Davon abzugrenzen sind die kirchlichen Quellen, um die es allerdings in dieser Arbeit nicht geht. 39  „Charakteristisch

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Kerkerstrafen.45 Dafür kam es zur Ausdehnung der peinlichen Strafen auf freie Bürger für den Fall, dass diese ihre (Geld-)Buße nicht leisten konnten.46 Im anschließenden 13. Jahrhundert diente der Freiheitsstrafentzug überwiegend als Zwangsmittel, um den Widerstand oder Ungehorsam gegenüber einem gerichtlichen Buß- oder Verbannungsurteil zu brechen. Verbannungs­ urteile waren zu dieser Zeit oft der Stadt- oder Landverweis.47 Im Falle der Weigerung, diesem Verweis Folge zu leisten, konnte der Täter eingekerkert werden. Die Haftstrafe dauerte dabei solange an, bis sich der Täter dem ­obrigkeitlichen Gebot unterwarf.48 Außerdem konnte durch die Inhaftierung die Versöhnung mit dem Gegner, sich an diesem für die erlittenen Unbilligkeiten (Bsp.: Verbannung) nicht zu rächen, erzwungen werden.49 Darin, dass die Haftstrafe hier auf unbestimmte Zeit – genauer bis zur Unterwerfung unter das obrigkeitliche bzw. quasi obrigkeitliche Gebot – vollstreckt wurde, zeigt sich der Charakter als Zwangsmittel deutlich.50 In den Stadtrechtsquellen des späten Mittelalters war die Freiheitsstrafe wiederum als Ersatzhaft für den Fall ausgestaltet, dass ein zur Geldbuße Verurteilter zahlungsunfähig wurde.51 Dabei unterschied sich die Art der Haft als Ersatzstrafe von der als Zwangsmittel dadurch, dass die Ersatzhaft auf eine bestimmte Zeit begrenzt war.52 Als gesetzliche Strafe von gewisser Dauer trat die Gefängnisstrafe erst in den Stadtrechten des 14. Jahrhunderts auf.53 Auch wenn die Fälle, in denen Strafhaft verhängt wurde, stetig zunahmen, so dominierten im 16. Jahrhundert weiterhin die Leibes- und Lebensstrafen auch für den Fall uneinbringlicher (Geld-)Bußen.54 2. Constitutio Criminalis Carolina Die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) – Peinliche Gerichtsordnung von Kaiser Karl V. – von 1532 entstand in der krisenhaften Zeit zwischen 45  Doleisch

v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 35. Grundriss der Strafrechtsgeschichte, § 3 Rn. 64. 47  Doleisch v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 35; His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 534. 48  His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 557 f. 49  Doleisch v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 35; His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 535. 50  His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 557 f. 51  Doleisch v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 36; Krause, Geschichte des Strafvollzugs, S. 18. 52  His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 560. 53  His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 561. 54  Doleisch v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 39. 46  Rüping/Jerouschek,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe107

Mittelalter und beginnender Neuzeit.55 Sie markierte den Übergang von privater hin zur öffentlichen Strafrechtspflege. Die peinlichen Strafen (Leibes- und Lebensstrafen)56 blieben die regulären Sanktionsmittel. Allerdings wurde ihre Eigenschaft als primäre Sanktionsmittel dadurch aufgewertet, dass die „privaten Sanktionsmittel“ wie das Wergeld und die Buße ausgeschlossen wurden.57 Die Freiheitsstrafe58 spielte innerhalb der Carolina lediglich eine untergeordnete Rolle.59 Bei dieser Einschätzung ist allerdings zu beachten, dass die Carolina nur schwere Straftaten ahndete, welche mit „peinlichen Strafen“ bedroht waren. Einfache Straftaten wurden von ihr nicht behandelt.60 Eingang hat die Freiheitsstrafe als ersatzweise Strafe in Art. 157 CCC, dem wiederholten kleinen Diebstahl, gefunden: „Item so eyner erstlich gestolen hat vnder fünff gülden werth, vnd der dieb mit solchem diebstall ehe er damit inn sein gewarsam kompt, nit beschrien, berüchtigt oder betretten würd, auch zum diebstall nit gestigen oder gebrochen hat, vnnd der diebstall vnder fünff gülden werth, ist eyn heymlicher vnd geringer diebstall, vnd wann solcher diebstall nochmals erfarn wirdet, vnnd der dieb mit oder on diebstall einkompt, so soll in der Richter darzu halten, so es anders der dieb vermag, dem beschedigten den diebstall mit der zwispil zu bezalen. Wo aber der dieb kein solche geltbuß vermag, soll er mit dem kercker darinn er etlich zeitlang ligen, gestrafft werden. […]“61

Bei einem wiederholten heimlichen Diebstahl hat der Dieb dem Geschädigten den doppelten Wert des Diebesgutes („zwispil“) zu zahlen. Falls der Dieb dazu nicht imstande ist, soll dieser eine Zeitlang eingekerkert werden. Der Dieb musste demnach das Diebesgut oder den Wert dessen zurückgeben und zusätzlich eine Geldbuße in Höhe des Wertes der gestohlenen Sache leisten. Ziel der Strafe war einerseits die Abschöpfung des Tatgewinns und andererseits dem Sühnegedanken Rechnung zu tragen. Die Verhängung der Ersatzhaft erfolgte, wenn der Dieb den Wert der Sache nicht ersetzen, geschweige denn, die Geldstrafe zahlen konnte.62 Damit diente die Ersatzfreiheitsstrafe als „Strafalternative“ für unbemittelte – zahlungsunfähige – Perso55  Schmidt, ZRG GA 53 (1933), 1, 2; Hammon, in: Mezey, Strafrechtliche Sanktionen und Strafvollzug in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 22. 56  Vierteilung, lebendig Begraben, Schleifen, Reißen mit glühenden Zangen, etc., vgl. Schmid, Kaiser Karl V. peinliche Gerichtsordnung, Art. 192–194, S. 89 f. 57  Schmidt, ZRG GA 53 (1933), 1, 15. 58  Als „ewiges Gefängnis“ in Art. 10, 101 CCC wird sie der Todesstrafe gleichgestellt. 59  Doleisch v. Dolsperg, Die Entstehung der Freiheitsstrafe, S. 40. 60  Krause, Geschichte des Strafvollzugs, S. 19. 61  So abgedruckt in: Schröder, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V., S. 98. 62  Meckbach, Anmerkung über Kayser Carl des V. Peinliche Halßgerichtsordnung, S. 314.

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

nen. Auch hier kommt wiederum zum Tragen, dass die geldwerte Buße lediglich den bemittelten Personen vorbehalten blieb, wo hingegen die unbemittelten eine körperliche Sanktion hinzunehmen hatten. Sowohl bei der Carolina als auch bei ihrer Vorgängerin der Bambergensis handelt es sich weniger um Strafgesetzbücher als vielmehr um Prozessordnungen. Allerdings finden sich in der Carolina, wie eben am Beispiel des Art. 157 CCC gesehen, erste Regelungen über die Verbrechenstatbestände und ihre Bestrafung (Art. 4-176 CCC). Gerade diese Einstreuung des materiellen Rechts in die Verfahrensordnung kennzeichnet die Carolina als Gesetz der Reformationszeit, welches vor allem auf die Erneuerung des peinlichen Strafverfahrens abzielte.63 3. Preußisches Allgemeines Landrecht Auch im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten, das 1794 in Kraft trat, gibt es einen Hinweis auf die Ersatzfreiheitsstrafe. Hier hieß es in § 85 ALR64: „Geldstrafen sollen gegen unbemittelte Personen der niederen Volksklasse nicht erkannt, und wo sie gesetzlich bestimmt sind, in eine verhältnißmäßige Strafarbeit, oder Gefängnißstrafe verwandelt werden.“

Ob eine Geld- oder Leibesstrafe verhängt wird, entschied gem. § 86 ALR der Richter. Das Wahlrecht über die Strafart durfte somit nicht beim Angeklagten liegen, sondern nur vom Gericht ausgeübt werden, das sofort auf eine Gefängnisstrafe erkennen konnte, wenn eine Person als unbemittelt galt. Demgegenüber wurde eine einmal erkannte Geldbuße nur bei nachgewie­ senem Unvermögen des Bestraften in eine Leibesstrafe umgewandelt. Aus diesem Grund verhängten Gerichte gegen gemeine Bürger und Bauern grundsätzlich Gefängnisstrafen, wohingegen Geldbußen nur gegen Personen zum Einsatz kamen, die als besonders vermögend galten. In diesen Fällen war die Geldbuße so zu bemessen, dass den Bestraften noch genügend Geld zum Decken ihres täglichen Lebensbedarfs blieb. Die ersatzweise Gefängnisstrafe bei Zahlungsunfähigkeit des Bestraften stellte hier ein Substitut der Geldbuße dar.65 Bereits in der Formulierung der „niederen Volksklassen“ spiegelt sich das damalige Verständnis von Staat und Gesellschaft wider. Die Freiheitsstrafe war in diesem Strafensystem den Armen (gemeinen Bürgern und Bauern) 63  Kroeschell/Cordes/Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte (1250–1650), S. 294. 64  Theil II Titel 20 ALR. 65  Mannkopff, ALR, Theil II Titel 20 § 85, S. 197.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe109

vorbehalten, wohingegen die Ersatzfreiheitsstrafe als Alternative für zahlungsunfähige Geldbußenschuldner zum Einsatz kam. Ihr Zweck bestand gerade nicht darin, die Geldbuße gegenüber Zahlungsunwilligen durchzusetzen. Die strenge Unterscheidung zwischen Adel, Bürgertum und Bauernstand wurde aber infolge des Steinschen Oktoberedikts 1807 aufgehoben. Dieser Umstand trug zur schnellen Veraltung der Kodifikation maßgeblich bei.66

II. Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten Die Ersatzfreiheitsstrafe fand 1851 Eingang in das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. In § 17 PStGB hieß es: „An die Stelle einer Geldbuße, welche wegen Unvermögens des Verurtheilten nicht beigetrieben werden kann, soll Gefängnißstrafe treten. Die Dauer derselben soll vom Richter so bestimmt werden, daß der Betrag von einem Thaler bis zu drei Thalern einer Gefängnißstraße von einem Tage gleichgeachtet wird; die Dauer der Gefängnißstrafe beträgt mindestens einen Tag und höchstens vier Jahre.“

Anders als heute, war somit das Gericht für die Anordnung der ersatzweisen Gefängnisstrafe zuständig. Auch gab es keinen festen Umrechnungsmaßstab von Geldbuße in Gefängnisstrafe. Der Richter hatte vielmehr im Rahmen der Strafzumessung67 der Geldstrafe darüber zu entscheiden, ob im Falle der Uneinbringlichkeit nach den Umständen des Einzelfalls ein Tag Gefängnisstrafe einem, zwei oder drei Thalern entsprach. Die Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe war gem. Art. 132 S. 1 des Gesetzes vom 3. Mai 185268 im Urteil selbst auszusprechen. Somit wurde die Umwandlung der Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe, anders als heute, nicht dem Rechtspfleger überlassen, sondern sie stand im freien richterlichen Ermessen. Die Gleichstellung der Geldstrafe in Höhe von ein bis drei Talern mit einem Tag Freiheitsentzug war für den Richter lediglich eine Orientierung.69 Jedoch konnte der Richter nicht wegen erwarteter Nichteinziehbarkeit der Geldstrafe sofort auf Freiheitsstrafe (Gefängnis) erkennen.70 Falls die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe im richterlichen Urteil unterblieb, wurde in einem Verfahren nach Art. 132 S. 2 des Gesetzes vom 3. Mai 1852 vor dem zuständigen Vollstreckungsgericht über die Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe 66  Kroeschell,

Deutsche Rechtsgeschichte (seit 1650), S. 70. PStGB, § 17 Rn. 5. 68  Gesetz vom 3. Mai 1852, betreffend die Zusätze zu der Verordnung vom 3. Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen. 69  Motive zu dem Entwurf des Strafgesetzbuchs für die preußischen Staaten, in: Strafgesetzbuch für die preussischen Staaten 1851 – Mit Entwürfen und Motiven, Goldbach 2004, S. 8. 70  Oppenhoff, PStGB, § 17 Rn. 8. 67  Oppenhoff,

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

entschieden. Dasselbe Verfahren war anzuwenden, wenn lediglich eine Teilzahlung der Geldstrafe noch ausstand und diese Restgeldstrafe in Freiheitsstrafe umzuwandeln war.71 Oppenhoff  72 plädierte in seiner Kommentierung zum PStGB aus dem Jahr 1867 dafür, dass nach Antritt der substituierten Freiheitsstrafe die Verbüßung derselben durch Zahlung der ganzen Geldbuße abgewendet werden könne. Den Ursprung hat dieser Ansatz im Zoll-Straf-Gesetz. § 55 Zoll-Straf-Gesetz regelte: „Der Verurtheilte kann von der statt der Geldbuße bereits in Vollzug gesetzten Freiheitsstrafe sich nur durch Erlegung des vollen Betrages der erkannten Geldbuße befreien.“

Vorbild für § 17 PStGB war wiederum § 3 Abs. 2 Zoll-Straf-Gesetz73,74 in dem es hieß: „Sobald die Geldbuße von dem Verurtheilten wegen seines Unvermögens nicht beizutreiben ist, tritt an deren Stelle eine verhältnißmäßige Gefängnis-, Zuchthausoder Festungsarrest-Strafe, welche jedoch im ersten Fall des Vergehens die Dauer von einem, und bei dem ersten Rückfall die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen soll.“

Das Zoll-Straf-Gesetz ergänzte als spezielles Gesetz die allgemeinen Vorschriften des PStGB. Im Zoll-Straf-Gesetz waren die speziellen Delikte der Zollhinterziehung (Defraudation) und der Schmuggel bzw. Schleichhandel (Konterbande) mit Strafe bedroht, wohingegen der Unterschleif nach der Regelung zur Untreue aus dem PStGB zu bestrafen war.75 Allerdings unterlag auch das Zollstrafrecht dem allgemeinen strafprozessualen Verfahren, wodurch die Umwandlung der Geldbuße in eine die Freiheit entziehende Strafe dem Gericht oblag.76 Demzufolge waren sowohl die Ersatzfreiheitsstrafe im Zollstrafrecht, als auch die Ersatzfreiheitsstrafe in § 17 PStGB als „echte“ Freiheitsstrafe zu qualifizieren.

III. Reichsstrafgesetzbuch von 1871 Die Regelung des § 17 PStGB fand in dem am 1. Januar 1871 in Kraft getretenen § 28 RStGB ihren Niederschlag. In § 28 Abs. 1 RStGB hieß es: 71  Oppenhoff,

PStGB, § 17 Rn. 12. PStGB, § 17 Rn. 13. 73  Gesetz wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen vom 23. Januar 1838; hier abgekürzt als Zoll-Straf-Gesetz. 74  Goltdammer, PStGB, § 17 Rn. 3. 75  Linden, Die Entwicklung des Zollstrafrechts, S. 84. 76  Löbe, Das Deutsche Zollstrafrecht, § 162 Rn. 3. 72  Oppenhoff,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe111 „Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Gefängnis und, wenn sie wegen einer Übertretung erkannt worden ist, in Haft umzuwandeln.“

1. Exkurs: Strafarten des Reichsstrafgesetzbuchs Aus dem preußischen Recht hat das RStGB die Dreiteilung der Delikte nach dem Unrechtsgehalt mit jeweils korrespondierenden unterschiedlichen Sanktionen übernommen. Die schwerste Sanktion bildete das Zuchthaus gem. § 14 RStGB für Verbrechen, wobei die Zuchthausstrafe gem. § 15 Abs. 1 RStGB mit Arbeitszwang verbunden war. Daran anschließend sah § 16 Abs. 1 RStGB für Vergehen die Gefängnisstrafe vor, bei der der Verurteilte ebenfalls zur Strafarbeit gem. § 16 Abs. 2 RStGB, allerdings mit Rücksicht auf seine persönlichen Fähigkeiten, gezwungen werden konnte. Als leichteste Sanktionsform schrieb § 18 RStGB die Haft für sogenannte Übertretungen (insbesondere Ordnungswidrigkeiten) vor.77 Gegenüber diesen regelmäßigen Sanktionen gab es noch die relativ unbedeutende Sonderform der Festungshaft gem. § 17 RStGB.78 Dabei konnten Zuchthaus und Festungshaft als lebenslängliche oder zeitige, Gefängnis und Haft nur als zeitige Strafen verhängt werden.79 2. Voraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe Wie im PStGB war auch die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 28 RStGB durch das Tatgericht zuzumessen und zu verhängen. Lediglich wenn dies nicht stattgefunden hat, konnte das Vollstreckungsgericht gem. § 491 RStPO80 nachträglich die Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umwandeln – diese also zumessen und verhängen. § 491 RStPO regelte dazu: „Kann die verhängte Geldstrafe nicht beigetrieben werden und ist die Festsetzung der für diesen Fall eintretenden Freiheitsstrafe unterlassen worden, so ist die Geldstrafe nachträglich von dem Gericht in die entsprechende Freiheitsstrafe umzuwandeln.“

Denn nur wenn die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe im Urteil unterblieb, statuierte § 491 RStPO als vollstreckungsrechtliche Vorschrift eine Ausnahme.81 Demnach war das Vollstreckungsgericht für die Umwandlung von Geld- in Freiheitsstrafe nur nachrangig zuständig. Die Ersatzfreiheits-

allgemein Krause, Geschichte des Strafvollzugs, S. 79. Deutsches Strafrecht, S. 369. 79  Kriegsmann, Einführung in die Gefängniskunde, S. 125. 80  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 101. 81  Olshausen, RStGB, § 28 Rn. 4. 77  Siehe

78  Hippel,

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

strafe stellte in dem gesamten System eine echte Strafe dar und keine bloße Zwangsmaßregel zum Zwecke der Beitreibung der Geldstrafe.82 Zudem regelte § 28 Abs. 4 RStGB: „Der Verurtheilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrages, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren freimachen.“

Der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer konnte folglich während der Freiheitsstrafe auf den noch ausstehenden Rest der Geldstrafe leisten und so die weitere Vollstreckung der Haft abwenden. Dabei wurde der Prozess, der vor einer möglichen Leistung auf die ausstehende Geldstrafe stattfinden musste, von Olshausen als „Rückwandlung“83 der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe beschrieben. Diese Wortwahl von Olshausen impliziert, dass sich die Geldstrafe in eine echte Freiheitsstrafe umwandelte und nicht als verlängerte Geldstrafe fortbestand. Durch das Vorliegen dieses Absatzes lasse sich nach Olshausen überdies der negative Rückschluss ziehen, dass die Strafvollstreckungsbehörde nach Antritt der ersatzweisen Freiheitsstrafe kein Recht auf Beitreibung der Geldstrafe mehr zustehe. Käme ihr ein solches zu, hätte es einer Erwähnung in den Normen des RStGB oder der RStPO bedurft.84 Der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch85 kam zu dem Ergebnis, dass die Ersatzfreiheitsstrafe unentbehrlich sei. Es käme gerade darauf an, dass die Ersatzfreiheitsstrafe dem Strafrecht gegenüber den vollständig Armen zur Durchsetzung verhelfe. Für diese Bevölkerungsgruppe könne bei Wegfall der ersatzweisen Freiheitsstrafe sogar noch ein Anreiz zur Begehung strafbarer Handlungen geschaffen werden. Personen, die in der Lage seien, die Geldstrafe zu begleichen, könnten durch die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe dahingehend motiviert werden, sich nach Kräften zu bemühen, ihr Vermögen dem Zugriff des Staates während des Beitreibungsprozesses zu entziehen.86 Nach dieser Ansicht diente die Ersatzfreiheitsstrafe vor allem dem Zweck, das Strafrecht gegenüber zahlungsunfähigen Geldstrafenschuldnern durchzusetzen sowie die Zahlung der Geldstrafe gegenüber zahlungsunwilligen Schuldnern abzusichern.

82  Ebermayer/Eichelbaum/Lobe/Rosenberg,

RStGB, § 28 Rn. 2. RStGB, 1890, § 28 Rn. 11. 84  Olshausen, RStGB, 1890, § 28 Rn. 11. 85  Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission, veröffentlicht auf Anordnung des ReichsJustizministers, Berlin 1909. 86  Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1909, § 34. 83  Olshausen,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe113

3. Vollstreckungsrechtliche Voraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe § 495 RStPO normierte: „Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe oder eine Buße ergangenen Entscheidung erfolgt nach den Vorschriften über die Vollstreckung der Urtheile der Zivilgerichte.“

Die Vollstreckung eines Urteils über eine Vermögens- bzw. Geldstrafe erfolgte nach den Vorschriften über die Vollstreckung zivilgerichtlicher Urteile. Somit fanden die Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen Anwendung. Die Geldstrafe wurde demnach nur dann als „nicht beizutreiben“ qualifiziert, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Geldstrafenschuldners fruchtlos blieb. Dabei war die Befriedigung in allen der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung unterliegenden Gegenständen zu suchen.87 Anders als in Zivilsachen handelte der Gerichtsvollzieher in Strafsachen nicht für eine Partei, sondern für die Strafvoll­ streckungsbehörde, die vorab zu prüfen hatte, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung erfüllt waren.88

IV. Geldstrafengesetz 1. Einführung des Geldstrafengesetzes Zweck des 1921 eingeführten Geldstrafengesetzes (GeldstG)89 war es, den Einsatz der Geldstrafe als Strafmittel zu stärken, da ihr Anwendungsbereich im RStGB eng begrenzt und ihr Höchstmaß durchweg niedrig war. Vor allem waren Alternativen zur Vollstreckung der Geldstrafe (Bsp.: freie Arbeit) unzureichend geregelt. Deshalb wurden Ersatzfreiheitsstrafen oft in einem höheren Maß vollstreckt, als es im Interesse der Allgemeinheit und des Verurteilten erwünscht sein konnte. Eine allgemeine Änderung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe musste dabei dem RStGB überlassen werden. Das GeldstG diente in diesem Zusammenhang lediglich dazu, das Höchstmaß der Geldstrafe heraufzusetzen und die Vollstreckung dieser zweckmäßig auszugestalten. Ziel war es, die Geldstrafe in einem größeren Umfang als bisher zur Alternative der Freiheitsstrafe werden zu lassen.90 Zudem sollte damit der Forderung Rechnung getragen werden, die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen.91 Dieser Effekt wurde in der Praxis an87  Olshausen,

RStGB, 1890, § 28 Rn. 4. RStPO, § 495 Rn. 3. 89  GeldstrG vom 21. Dezember 1921 (RGBl. S. 1604). 90  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, S. 71. 91  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, S. 72. 88  Löwe,

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

fänglich auch erzielt, jedoch sehr schnell in Folge der Inflation und der Weltwirtschaftskrise wieder konterkariert. Denn immer mehr Verurteilte waren durch die angespannte wirtschaftliche Lage nicht im Stande ihre Geldstrafen zu bezahlen, weshalb erneut viele Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt wurden.92 2. Systematik des Geldstrafengesetzes Das GeldstG in seiner Fassung vom 21. Dezember 1921 bezog sich in seinem § 8 auf die Vollstreckung der in § 28 RStGB geregelten Ersatzfreiheitsstrafe. In § 8 GeldstG hieß es: „Nach Anhörung der Staatsanwaltschaft kann das Gericht (§ 494 der Strafprozeßordnung) anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn der Verurteilte ohne sein Verschulden außerstande ist, die Geldstrafe zu zahlen oder durch freie Arbeit zu tilgen.“

Demnach konnte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben, wenn der Verurteilte unverschuldet zahlungsunfähig geworden ist und die Strafe auch nicht durch freie Arbeit abwenden konnte.93 Die Unterbleibens­ anordnung war dabei beschränkt auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe. Allerdings blieb die Vollstreckung der Geldstrafe davon unberührt. Da diese Anordnung dauerhaft war, stellte sie ein Vollstreckungshindernis bezogen auf die Ersatzfreiheitsstrafe dar.94 Durch diese Befugnis zur Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe sollten allerdings nicht die in der Zwischenzeit in den Landesrechten erlassenen Normen zur bedingten Strafaussetzung (Bsp.: in Preußen geregelt im Allerhöchsten Erlaß vom 23. Oktober 1895 und in der Allgemein Verfügung des Justizministers vom 19. November 1895) berührt werden. Vor der Anordnung der Nichtvollstreckung waren in jedem Fall die Gewährung von Zahlungsfristen und die bedingte Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zu prüfen.95 a) Gewährung von Zahlungsfristen § 5 Abs. 1 GeldstG normierte: „Ist dem Verurteilten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, daß er die Geldstrafe sofort zahlt, so kann ihm das Gericht eine Frist bewilligen oder gestatten, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen.“

92  Krause,

Geschichte des Strafvollzuges, S. 84. Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 102. 94  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 104, 105. 95  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, Zu §§ 5 bis 7 Rn. 74. 93  Hellwig,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe115

Demnach waren dem zur Geldstrafe Verurteilten durch das Gericht zunächst Zahlungsfristen zu bewilligen, die gestatteten, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Über diese Vergünstigung war in der Regel bereits im Urteil zu entscheiden, weshalb das Gericht von Amts wegen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Zahlungsfrist oder Teilzahlung zu prüfen hatte.96 Bei dieser Beurteilung spielten laut Normtext die „wirtschaftlichen Verhältnisse“ des Täters die entscheidende Rolle. Dazu zählten laut Hellwig das Vermögen und Einkommen, jedoch auch die Verbindlichkeiten wie Unterhaltspflichten und ähnliche Lasten, sowie die Erwerbsfähigkeit, Erwerbsaussichten, Ortsverhältnisse, das Alter und die Gesundheit des Beschuldigten. Es müsse demzufolge die Prognose gestellt werden, dass die alsbaldige Aufbringung der ganzen Geldstrafe für den Verurteilten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei.97 Zudem konnte die Frist- und Teilzahlungsbewilligung durch das Gericht mit einer Auflage verknüpft werden. Auflagen konnten sein: Einen bestimmten Betrag der Geldstrafe sofort zu zahlen, einen Bürgen zu stellen oder sich selbst unter Schutzaufsicht zu begeben.98 Unberührt blieb allerdings die Befugnis der Vollstreckungsbehörden, im Gnadenwege derartige Vergünstigungen oder einen Strafaufschub zu erlassen.99 b) Ersetzung der Geldstrafe durch freie Arbeit In § 7 Abs. 1 GeldstG hieß es wiederum: „Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen.“

Vorrangiges Ziel der Norm war es, kurzzeitige Freiheitsstrafen möglichst zu vermeiden und durch Arbeit ohne Einsperrung zu ersetzen.100 Damit stand die freie Arbeit i. S. d. § 7 GeldstG im krassen Gegensatz zur Zwangsarbeit.101 Für die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit war Voraussetzung, dass die Geldstrafe uneinbringlich war, also durch die Vollstreckungsbehörde nicht beigetrieben werden konnte.102

96  Hellwig,

Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 5 Rn. 67, 76. Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 5 Rn. 77. 98  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 5 Rn. 76. 99  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 5 Rn. 69. 100  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 7 Rn. 91. 101  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 7 Rn. 97. 102  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 7 Rn. 94. 97  Hellwig,

116

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Die Vollstreckungsbehörde war in § 483 Abs. 1 RStPO normiert: „Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer von dem Gerichtsschreiber zu ertheilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urtheilsformel.“

Die „Abarbeitung“ der Geldstrafe durch den Verurteilten konnte dabei nicht erzwungen, sondern nur von der Vollstreckungsbehörde nach § 483 Abs. 1 RStPO gestattet werden. Die Ersetzung der Geldstrafe durch freie Arbeit war demnach vom Einverständnis des Geldstrafenschuldners abhängig. Auf der anderen Seite hatte der Verurteilte kein Recht auf „Abarbeitung“. Es lag damit im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, ob sie die Tilgung durch freie Arbeit gestattete oder nicht.103 Mit Ableistung der Arbeit galt die Geldstrafe als verbüßt.104 c) Anwendung des § 8 GeldstG Die Unterlassung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe stellte das äußerste Mittel dar. Primär war, wie eben erörtert, die Vollstreckung der Geldstrafe durch Gewährung von Zahlungserleichterungen, wenn nötig auch nachträglich, an die Liquidität des Geldstrafenschuldners anzupassen. Zudem bestanden zum Teil landesrechtliche Regelungen, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen. Erst wenn diese landesrechtlichen Instrumente zur Aussetzung unangemessen erschienen, sollte auf die bundesrechtliche Regelung der Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 8 GeldstG zurückgegriffen werden.105 aa) Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung Seit dem Jahr 1895 wurden in allen Staaten des deutschen Reichs, ausgenommen waren nur das Fürstentum Reuß und das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Regelungen zur Aussetzung der Strafvollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung eingeführt.106 (1) Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung in Preußen Beispielsweise fand im Königreich Preußen neben der Aussetzung der Vollstreckung regulärer Freiheitsstrafe auch die Aussetzung der Vollstreckung 103  Hellwig,

Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, 105  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, 106  Hellwig, Die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung, 104  Hellwig,

§ 7 Rn. 95. § 7 Rn. 98. § 8 Rn. 103. Einleitung S. 8.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe117

von Ersatzfreiheitsstrafe statt. Geregelt war dies anfänglich im Allerhöchsten Erlaß vom 23. Oktober 1895 und der Allgemein Verfügung des Justizministers vom 19. November 1895. Beide wurden durch eine Reihe späterer Verordnungen ersetzt. Im Erlaß der Preußischen Staatsregierung vom 2. August 1920 hieß es: „Auf Antrag des Justizministers wird genehmigt, daß die Gerichte ermächtigt werden, die Vollstreckung gerichtlich festgesetzter Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten unter Bestimmung einer Bewährungsfrist auszusetzen, bewilligte bedingte Strafaussetzungen zu widerrufen und Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten sowie Geldstrafen, zu deren Ersatz solche Freiheitsstrafen festgesetzt sind, nach Ablauf der bewilligten Bewährung zu erlassen.“107

Sich daran anschließend wurden durch § 1 Abs. 1 Allgemeine Verfügung des Justizministers für Preußen vom 19. Oktober 1920108 die Gerichte ermächtigt, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten unter Bewilligung einer Bewährungsfrist auszusetzen. Unter Freiheitsstrafen in diesem Sinne fielen die Gefängnisstrafe und die Festungshaft, auch wenn diese das Gericht nur als Ersatzfreiheitsstrafe verhängte. Ebenfalls wurden Ordnungsstrafen als Freiheitsstrafe qualifiziert, unabhängig davon, ob sie in erster Instanz als Haft oder als Ersatzstrafhaft festgesetzt wurden.109 Selbst wenn die Ersatzfreiheitsstrafe nicht als Freiheitsstrafe im Sinne dieser Norm verstanden wurde, so konnte das Gericht bereits in der Hauptverhandlung gem. § 8 Allgemeine Verfügung den Beschluss der Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe fassen. Davon unbenommen blieb die nachträgliche Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall, dass eine solche Uneinbringlichkeitsregelung im Urteil nicht getroffen wurde. Die Ersatzfreiheitsstrafe konnte jedenfalls nach § 10 Allgemeine Verfügung ausgesetzt werden. Durch diesen wurde die Strafvollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) ermächtigt, die Akten dem Gericht der ersten Instanz oder bei Berufungen der Berufungsinstanz110 zur Entscheidung nach §§ 1 ff. Allgemeine Verfügung vorzu107  Die Gerichte mussten separat ermächtigt werden, da es sich bei der Strafaussetzung zur Bewährung ursprünglich um einen Akt der Gnade als Bestandteil der „Strafvollstreckung“ handelte. Demnach wurden die Gerichte bei der Strafaussetzung nicht mehr als Organe der Rechtspflege tätig, sondern als Verwaltungsbehörde, vgl. dazu Hartung, DRiZ 1921, 250. 108  Sowohl der Erlaß der Preußischen Staatsregierung vom 2. August 1920 als auch die Allgemeine Verfügung vom 19. Oktober wurden im Justizministerialblatt 1920 S. 564 veröffentlicht. 109  Hellwig, Die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung, § 1 Rn. 2. 110  Die zuständigen Gerichte werden in § 7 Allgemeine Verfügung benannt.

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

legen, wenn diese der Überzeugung war, dass der Verurteilte beim besten Willen außerstande sei, die Geldstrafe zu begleichen.111 (2) V  orteile der Aussetzung gegenüber der Nichtvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe Nach Hellwig hatte die Aussetzung der Vollstreckung gegenüber der Nichtvollstreckung den entscheidenden Vorteil, dass sie bei schlechter Führung widerruflich war. Dabei durfte im Fall des Widerrufs der Aussetzung nicht mehr auf die Geldstrafe zurückgegriffen werden, sondern die Ersatzfreiheitsstrafe wurde vollstreckt.112 Dies spricht dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine von der Geldstrafe dahingehend unabhängige Freiheitsstrafe gehandelt hat, als lediglich ihre Vollstreckung von der Un­ einbringlichkeit der Geldstrafe abhängig gemacht wurde. Denn auf der einen Seite war die Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung gem. § 8 ­GeldstG begrenzt auf die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Auswirkung auf die Vollstreckung der Geldstrafe. Auf der anderen Seite konnte nach dem Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nur noch diese und nicht mehr die Geldstrafe vollstreckt werden. Hellwig spricht sich dafür aus, dass es sich im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe empfehle, die Aussetzung unter eine Auflage bzw. Bedingung zu stellen.113 In den meisten Fällen, in denen damit zu rechnen sei, dass der Geldstrafenschuldner in absehbarer Zeit zu finan­ ziellen Mitteln komme, solle die Aussetzung unter die Auflage gestellt werden, auf die Geldstrafe nach besten Kräfte zu leisten.114 Ein Erlass der Strafe komme demnach nur dann in Betracht, wenn der Geldstrafenschuldner während der Bewährungszeit beim besten Willen nicht in der Lage sei, die Geldstrafe wenigstens teilweise abzubezahlen. Dem Staat bliebe auf diese Weise der Strafanspruch erhalten. Zudem hätte der Geldstrafenschuldner, der während der Bewährungszeit unter dem Druck des drohenden Bewährungswider-

111  Hellwig, Die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung, § 10 Rn. 87; MeyerReil, Strafaussetzung zur Bewährung, S. 147 f. 112  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 103. 113  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 105. 114  In Bayern war dies im Vergleich zu den anderen Staaten am detailiertesten geregelt gewesen, da die Aussetzung ohne die Bedingung nach besten Kräften auf die Geldstrafe zu leisten, nur dann erfolgen durfte, wenn es für das Gericht nach Vornahme weiterer Ermittlungen erwiesen war, dass die Geldstrafe nicht einmal in Teilbeträgen bezahlt werden könne. Vgl. Meyer-Reil, Strafaussetzung zur Bewährung, S. 154, Fußnote 341; Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 105.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe119

rufes stehe, nicht das Gefühl, dass die Verurteilung für ihn ohne Folgen geblieben sei.115 bb) Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 8 GeldstG Erst wenn diese Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unangemessen erschien, wurde die Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet.116 Diese Anordnung bezog sich nur auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe und nicht gleichzeitig auf die der Geldstrafe. Selbst wenn die Nichtvollstreckungsanordnung keinen Erlass der Strafe – auch nicht mit begrenzter Wirkung auf die Ersatzfreiheitsstrafe – darstellte, so kam sie doch einem gnadenweisen Erlass gleich.117 Folge der Anordnung war, dass die Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr vollstreckt werden konnte. Die Vollstreckung der Geldstrafe blieb davon unberührt und konnte bis zum Ablauf der Verjährungsfrist jederzeit wiederaufgenommen werden – natürlich nur unter der Prämisse, dass dies die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zuließen.118 Das hieß im Einzelnen, dass infolge der Anordnung die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auch bei schlechter Führung nicht mehr eingeleitet, wohl aber die Geldstrafe soweit möglich noch beigetrieben werden konnte.119

V. Reichsstrafgesetzbuch von 1923 Im Jahr 1923 wurden § 28 RStGB (Ersatzfreiheitsstrafe) und § 29 RStGB (Umwandlungsmaßstab der Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe) sowie § 8 ­GeldStG im neuen § 29 RStGB120 zusammengeführt. In § 29 Abs. 1 RStGB hieß es jetzt: „An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt bei Verbrechen121 und Vergehen Gefängnis und, wenn neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt wird, Zuchthaus, bei Uebertretungen Haft. Auch bei Vergehen kann die Geldstrafe in Haft umgewandelt werden, wenn Geldstrafe allein oder an erster Stelle oder wahlweise neben Haft angedroht ist.“

115  Hellwig,

Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 105. Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 103. 117  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 104. 118  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 105. 119  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 21. Dezember 1921, § 8 Rn. 103. 120  GeldstG vom 27. April 1923 (RGBl. I. S. 254). 121  Damals konnte anders als heute auch für Verbrechen eine Geldstrafe verhängt werden. 116  Hellwig,

120

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Eine sprachliche Änderung erfuhr die Voraussetzung von der nicht beizutreibenden hin zur uneinbringlichen Geldstrafe. Wobei die Uneinbringlichkeit wiederum voraussetzte, dass die Geldstrafe nicht beizutreiben oder aufgrund des § 28a Abs. 2 RStGB von der Beitreibung Abstand zu nehmen war. Ein solcher Fall i. S. d. § 28a Abs. 2 RStGB liegt immer dann vor, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass die Geldstrafe nicht aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten beizutreiben ist.122 Dabei lässt sich aus der Existenz des § 491 RStPO („Kann eine verhängte Geldstrafe nicht beigetrieben werden und ist die Festsetzung der für diesen Fall eintretenden Freiheitsstrafe unterlassen worden, so ist die Geldstrafe nachträglich von dem Gericht in die entsprechende Freiheitsstrafe umzuwandeln.“) als Ausnahme zur Regel schließen, dass die Umwandlung der Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe bereits im Urteil festzusetzen ist. Lediglich falls diese Festsetzung versehentlich unterbleibt, ist das Vollstreckungsgericht nachträglich gem. § 491 RStPO zur Festsetzung ermächtigt. Dabei handelt es sich um einen echten Akt der Strafzumessung, wodurch die Ersatzfreiheitsstrafe nicht lediglich ein Zwangs- oder Beugemittel darstellt, sondern eine echte Freiheitsstrafe.123 Auch wenn die Ersatzfreiheitsstrafe bis zu ihrer Vollstreckung im Hintergrund bleibt, so ist sie doch regelmäßig im Urteil auszusprechen und kann in voller Schärfe zu Anwendung kommen. In diesem Fall ist sie Ausdruck der Bedeutung der Straftat für die verletzte Rechtsordnung und muss dem Unrechtsgehalt der Tat sowie der Schuld des Täters entsprechen.124 Demzufolge wäre der richtige Weg für die Zumessung der Strafe, wenn der Richter sich erst einmal ein Bild von der schuldangemessenen Ersatzfreiheitsstrafe machen würde, so als ob er nur diese zu verhängen hätte. Erst im Anschluss wäre dann die angemessene Geldstrafe mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu verhängen. Die Geldstrafe erfordert damit eine doppelte Strafzumessung. Auf der ersten Stufe ist die Höhe der Geldstrafe, orientiert an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters, zu bestimmen und auf der zweiten Stufe die Umwandlung in eine Ersatzstrafe festzusetzen, wobei das Moment der Leistungsfähigkeit keine Rolle spielt.125

122  Hellwig,

Das Geldstrafengesetz vom 27. April 1923, § 29 Rn. 136. NJW 1957, 1138. 124  Mittelbach, NJW 1957, 1138. 125  Mittelbach, NJW 1957, 1138, 1139. 123  Mittelbach,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe121

1. Zahlung auf die Geldstrafe während der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung Der § 29 Abs. 5 RStGB entsprach zwar nicht seinem Wortlaut, jedoch seinem Sinn nach dem vorhergehenden § 28 Abs. 4 RStGB. § 28 Abs. 4 RStGB normierte: „Der Verurtheilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrages, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren freimachen.“

Demgegenüber hieß es in § 29 Abs. 5 RStGB: „Der Verurtheilte kann die Vollstreckung der Ersatzstrafe jederzeit dadurch abwenden, daß er den noch zu zahlenden Betrag der Geldstrafe entrichtet.“

Hiernach konnte der Verurteilte jederzeit auf die Geldstrafe leisten, selbst wenn er die Ersatzfreiheitsstrafe bereits angetreten hatte. Der Verurteilte musste dafür „den noch zu zahlenden Betrag der Geldstrafe“ entrichten. Dabei war er berechtigt, auf die gesamte Geldstrafe oder nur auf einen Teilbetrag dieser zu leisten. Allerdings konnte die Vollstreckungsbehörde die Annahme von Teilzahlungen verweigern, die nicht der Höhe eines Tagessatzes entsprachen.126 2. Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe Bis zum Beginn der 1933er Jahre wurden in fast allen Staaten des deutschen Reichs eigene landesrechtliche Regelungen erlassen,127 die die Aussetzung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen regelten. Beispielsweise konnte in Hamburg die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die an die Stelle uneinbringlicher Geldstrafen getreten war, zur Bewährung ausgesetzt werden. § 1 der Verordnung betreffend den bedingten Strafaufschub128 regelte: „Die Gerichte werden ermächtigt, namens des Senats Verurteilten Strafaufschub unter Festsetzung einer Bewährungsfrist (bedingten Strafaufschub) zu bewilligen, die Bewährungsfrist abzukürzen oder zu verlängern und den Strafaufschub zu widerrufen. Dies bezieht sich nicht auf die Fälle, in denen auf die Strafe des Verweises oder auf Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten erkannt ist. Für die an Stelle einer Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe darf nur dann bedingter Strafaufschub bewilligt werden, wenn die Uneinbringlichkeit auch bei Bewilligung von Zahlungsfristen als erwiesen anzusehen ist.“

126  Hellwig, 127  Wie

Das Geldstrafengesetz vom 27. April 1923, § 29 Rn. 140. bereits oben unter IV. 2. c) aa) (1) am Beispiel des Königreichs Preußen

erörtert. 128  Hamburgisches Gesetz und Verordnungsblatt Nr. 152 vom 26. November 1924, S. 925.

122

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Die ausführlichste Regelung zur Vollstreckungsaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe fand sich in § 27 der Vorschriften über das Verfahren in Begnadigungssachen in Bayern129: „(1) Freiheitsstrafen, die im Falle der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe an deren Stelle treten, dürfen nach § 26130 nur dann mit sofortiger Wirksamkeit bedingt erlassen werden, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß die Geldstrafe aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben und vom Verurteilten auch bei gutem Willen nicht einmal in Teilbeträgen gezahlt werden kann. (2) Anderenfalls wird die Wirksamkeit des bedingten Straferlasses von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß die Geldstrafe nicht beigetrieben und vom Verurteilten auch bei gutem Willen nicht einmal in Teilbeträgen gezahlt werden kann. In diesem Falle entscheidet das Gericht nach Feststellung der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe und nach Vornahme der etwa veranlaßten weiteren Ermittlungen über die Zahlungsfähigkeit des Verurteilten, ob die Voraussetzung eingetreten ist.“

Im Freistaat Sachsen konnte sogar die Vollstreckung von Geldstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden. In § 14 der Verordnung über den bedingten Aufschub der Strafvollstreckung131 hieß es: „Gewinnt die Strafvollstreckungsbehörde die Überzeugung, daß der zu einer Geldstrafe Verurteilte auch bei gutem Willen zur Abtragung der Geldstrafe selbst bei Teilzahlungen nicht imstande ist, so hat sie, wenn sie die Bewilligung einer Bewährungsfrist hinsichtlich der Ersatzstrafe für angezeigt erachtet, die Akten dem Gericht der ersten Instanz zur Entschließung vorzulegen. In diesem Fall bedarf der Beschluß über die Bewilligung der Bewährungsfrist nicht der Bekanntmachung an den Verurteilten; es genügt vielmehr die Zustellung des Vordrucks 519e. Im Falle der Versagung gibt das Gericht die Akte mit entsprechendem Vermerk zurück; an den Verurteilten erfolgt keine Mitteilung.“

Auch in Baden konnte die Vollstreckung regulärer Geldstrafen zur Bewährung nach § 16 der Begnadigungsbestimmungen132 ausgesetzt werden, der regelte: „Bei Geldstrafen kann das Gericht auch nur für einen Teil der Strafe Strafaufschub auf Wohlverhalten bewilligen.“133

129  Justizministerialblatt

für den Freistaat Bayern vom 31. Dezember 1927, S. 93. Abs. 1 der Vorschriften über das Verfahren in Begnadigungssachen in Bayern: „Gefängnis- und Festungshaft bis zu einem Jahr und Haftstrafen können bei Erlassung des Urteils oder Strafbefehls bedingt erlassen werden. Dies gilt auch, wenn die Strafen nebeneinander verhängt werden.“ 131  Justizministerialblatt für den Freistaat Sachsen vom 20. August 1925, S. 67. 132  Badisches Justizministerialblatt vom 26. Oktober 1927, S. 132. 133  Vgl. zum gesamten Thema der Aussetzung der Vollstreckung nach landesrechtlichen Regelungen und für weitere Beispiele Meyer-Reil, Strafaussetzung zur Bewährung, S.  153 ff. 130  § 26



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe123

Sowohl die bedingte Aussetzung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe als auch die einer Geldstrafe konnte demnach bei schlechter Führung des Verurteilten während der Bewährungszeit widerrufen werden.134 3. Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Auch die Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 29 Abs. 6 S. 1 RStGB orientierte sich an der Vorgängervorschrift des § 8 GeldstG. § 29 Abs. 6 S. 1 RStGB normierte: „Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzstrafe unterbleibt.“

Die Anordnung der Nichtvollstreckung stand im Ermessen des Gerichts.135 Sie wirkte begrenzt in Bezug auf die Ersatzfreiheitsstrafe und ließ die Vollstreckung der Geldstrafe bis zum Ablauf der Verjährungsfrist unberührt. Diese konnte demnach jederzeit wiederaufgenommen werden.136 Es unterblieb nur die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht jedoch die der Geldstrafe. Somit handelte es sich um einen bloß widerruflichen Aufschub der Strafvollstreckung.137 Einige Autoren138 meinen, die Nichtvollstreckung komme damit einem beschränkt auf die Ersatzfreiheitsstrafe wirkenden gnadenweisen Erlass gleich. Dieser gnadenweise wirkende Erlass korreliere mit der Sicht, dass die Ersatzfreiheitsstrafe als gerechter Ausgleich für die Säumigen dienen solle, die aufgrund ihrer Böswilligkeit, Faulheit oder Leicht­ sinnigkeit die Geldstrafe nicht aufbringen könnten.139 Für den schuldlos Vermögenlosen, der durch unverschuldete Krankheit oder andere Umstände erwerbs- oder arbeitsunfähig geworden sei, solle jedoch durch die Vorschrift ein Weg in die „Vollstreckungsfreiheit“ geschaffen werden.140 Richtig an der Ansicht ist, dass die Wirkung dieser Anordnung zwar einem Erlass gleich kommt, allerdings ist dieser nicht „gnadenweise“, da es sich beim Institut der

134  Beispielsweise § 35 Abs. 1 S. 1 der Vorschriften über das Verfahren in Begnadigungssachen in Bayern: „Das Gericht ordnet innerhalb der Probezeit die Vollstreckung der Strafe an, wenn der Verurteilte wegen einer Tat verurteilt wird, die er nah dem bedingten Straferlass begangen hat.“ 135  LK7-Jagusch, § 29 Rn. 10. 136  Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 27. April 1923, § 29 Rn. 149. 137  LK7-Jagusch, § 29 Rn. 10. 138  LK7-Jagusch, § 29 Rn. 10; Hellwig, Das Geldstrafengesetz vom 27. April 1923, § 29 Rn. 148; a. A. Kohlrausch/Lange, StGB, § 29 Rn. 6. 139  LK7-Jagusch, § 29 Rn. 1. 140  LK7-Jagusch, § 29 Rn. 10.

124

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

„Gnade“ grundsätzlich um ein gesetzlich nicht geregeltes Rechtsinstitut141 handelt.

VI. Einführung eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten 1952 Am 1. April 1952 trat das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten142 (OWiG) in Kraft. In § 69 OWiG143 a. F. wurde dabei die Erzwingungshaft geregelt: „(1) 1Ist die Vollstreckung einer Geldbuße fruchtlos ausgefallen und besteht begründeter Anlaß zu der Annahme, daß der Betroffene sich der Zahlung der Geldbuße zu entziehen sucht, so kann auf Antrag der Verwaltungsbehörde das nach § 55 Abs. 1 zuständige Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen die Erzwingungshaft anordnen. 2Gegen die Anordnung ist die sofortige Beschwerde (§ 311 der Strafprozeßordnung) zulässig. (2) Das Höchstmaß der Erzwingungshaft beträgt sechs Wochen. Die Maßnahme ist aufzuheben, sobald der Betroffene seiner Zahlungspflicht nachkommt. (3) Die Erzwingungshaft ist nach den für die Vollstreckung der Zeugniszwangshaft (§ 70 Abs. 2 der Strafprozeßordnung) geltenden Vorschriften zu vollstrecken.“

Dabei ist die Erzwingungshaft im Unterschied zur Ersatzfreiheitsstrafe ein der Vollstreckung der Geldbuße dienendes Beugemittel ohne Strafcharakter.144 Ziel der Erzwingungshaft ist es, den Willen des Vollstreckungsschuldners zu beugen, der die Geldbuße nicht zahlt, obwohl er es könnte.145 Die Bußgeldvollstreckung muss gem. § 69 Abs. 1 S. 1 OWiG a. F. fruchtlos geblieben sein und es muss ein Anlass vorliegen, der die Annahme der mangelnden Zahlungswilligkeit begründet.146 Die Anordnung war dem Amtsgericht vorbehalten, wobei dieses wiederum nur auf Antrag der Verwaltungsbehörde tätig wurde. Somit musste auch hier wie bei der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 29 RStGB ein Richter über die freiheitsentziehende Maßnahme entscheiden. Einen wesentlichen Unterschied zur Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe stellte allerdings die Anhörungspflicht des Geldbußenschuldners durch das Gericht dar. Die Anhörung war dabei zwingend und sollte dem Schuldner Gelegenheit geben, sich zu seiner mangelnden Zahlungswilligkeit zu äu141  BVerfGE 25, 352, 358 ff.; 30, 108, 110 f.; 45, 187, 242 f.; 66, 337, 363; NJW 2001, 3771. 142  BGBl. I 1952, S. 177 ff. 143  BGBl. I 1952, S. 186. 144  Rotberg, OWiG1, § 69 Rn. 1. 145  Rotberg, OWiG1, § 69 Rn. 2. 146  Rotberg, OWiG1, § 69 Rn. 3.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe125

ßern.147 Anders als bei der Erzwingungshaft musste der Geldstrafenschuldner vor Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht noch einmal angehört werden. Die Anhörungspflicht ist allerdings auf den durch § 69 Abs. 1 OWiG a. F. eröffneten pflichtgebundenen Ermessensspielraum des Gerichts zurückzuführen, da die Bestimmung als Kannvorschrift ausgestaltet war.

VII. Drittes Strafrechtsänderungsgesetz 1953 Erst mit dem dritten Strafrechtsänderungsgesetz (3. StrÄG) vom 4. August 1953148 wurde die allgemeine Aussetzung der Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung durch die §§ 23 bis 25 in das StGB149 aufgenommen. Dabei ging das Rechtsinstitut der Strafaussetzung zur Bewährung auf Bestrebungen zurück, kurze Freiheitsstrafen zurückzudrängen.150 Zudem bestand in Deutschland die Besonderheit, dass es an einer einheitlichen Regelung zur Aussetzung der Strafvollstreckung mangelte und seit dem 20. Jahrhundert fast alle deutschen Staaten eigenständige Regelungen zur Strafaussetzung erlassen hatten.151 Dabei entwickelte sich die Aussetzung der Vollstreckung zu einem Institut, das mit der Gnade als gewohnheitsrechtlich geltender Gestaltungsmacht besonderer Art ohne spezielle normative Voraussetzungen152 seinem Wesen nach nichts mehr gemein hatte.153 Zur Rechtsvereinheitlichung bedurfte es einer vollstreckungsrechtlichen Regelung im Bundesrecht (StGB). Mit der einheitlichen Regelung der Strafaussetzung im StGB war die Aussetzung der Vollstreckung nicht mehr als Gnadenakt durch Beauftragte des Gnadenträgers zu charakterisieren, sondern als Rechtsakt eines unabhängigen Richters.154 Anfänglich wurde in den Beratungen zum 3. StrÄG auch eine Aussetzung der auf einer uneinbringlichen Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe diskutiert und für zulässig befunden.155 Allerdings wurde dann in der Gesetzesbegründung 1952 eine solche Aussetzungsfähigkeit der Vollstreckung eiOWiG1, § 69 Rn. 5. 148  3. StrÄG, BGBl. I 1953, S. 735 ff. 149  3. StrÄG, BGBl. I 1953, S. 737–738. 150  LK-Hubrach, § 56 Rn. 1. 151  Siehe 3. Teil B. V. 3. 152  BVerfG NStZ 2001, 669. 153  BT-Drucks. I/3713, S. 26; § 23 Abs. 1 StGB: „Das Gericht kann die Vollstreckung einer Gefängnis- oder Einschließungsstrafe von nicht mehr als neun Monaten oder einer Haftstrafe aussetzen, damit der Verurteilte durch gute Führung während einer Bewährungszeit Straferlaß erlangen kann (Strafaussetzung zur Bewährung).“ 154  LK-Hubrach, Vor § 56 Rn. 2. 155  Siehe zu den Reformdiskussionen im Rahmen des 3. Strafrechtsänderungsgesetz ausführlich Meyer-Reil, Strafaussetzung zur Bewährung, S. 198 ff. 147  Rotberg,

126

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

ner Ersatzfreiheitsstrafe generell abgelehnt. Aussetzungsfähig waren danach nur Gefängnis-, Einschließungs- und Haftstrafen, bei denen die Aussetzung der Vollstreckung bereits im Urteilsspruch des erkennenden Gerichts erklärt worden war.156 Dabei fand die Ersatzfreiheitsstrafe keine separate Erwähnung. Lediglich in den Ausführungen zur Geldstrafe wurde auf ihre Vollstreckungsregelung in § 29 Abs. 6 StGB a. F. verwiesen. An dieser Stelle wurde angemerkt, dass Geldstrafen grundsätzlich nicht aussetzungsfähig und die Bewilligung von Ratenzahlungen (§ 28 StGB a. F.) und das Absehen von Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (§ 29 Abs. 6 StGB a. F.) ausreichend seien, um den individuellen Bedürfnissen des Verurteilten angemessen Rechnung zu tragen.157

VIII. Entwurf eines Strafgesetzbuchs 1962 In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es neue Reformdiskus­ sionen in Bezug auf die Bewährungsvorschriften des StGB. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde im Entwurf eines Strafgesetzbuches158 1962 (E 1962) in § 55 StGB vorgesehen. Dabei ging der Ersatzfreiheitsstrafe auch nach diesem Entwurf die Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 54 StGB vor. 1. Kritik des Gesetzgebers am Zustand vor 1962 Der Gesetzgeber kritisierte im E 1962 die bisherigen Regelungen zur Geldstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und Strafaussetzung zur Bewährung. Die Geldstrafe sei vor allem im Zusammenhang mit unbemittelten Personen oft zu hoch angesetzt. In einem solchen Fall sei sie nicht nur als ungerecht anzusehen, sondern führe oftmals zu zeitraubenden Vollstreckungsverfahren mit unangemessenen Maßnahmen. Im Falle der uneinbringlichen Geldstrafe werde vorschnell ohne ernsthafte Prüfung der Verschuldensfrage auf Ersatzfreiheitsstrafe erkannt.159 Auch die Anordnung gem. § 29 Abs. 6 StGB a. F., dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben kann, werde in der Praxis oft ohne ernsthafte Prüfung der Verschuldensfrage des Verurteilten – die Geldstrafe muss gem. § 29 Abs. 6 StGB a. F. ohne Verschulden des Verurteilen nicht beigebracht werden können – getroffen oder abgelehnt.160 Die Geldstrafe habe sich damit in der Praxis zu einem unsozialen Rechtsmittel entwickelt, was primär an der dürftigen gesetzlichen Ausgestaltung dieses 156  LK-Hubrach,

Vor § 56 Rn. 2. I/3713, S. 29. 158  BT-Drucks. IV/650. 159  BT-Drucks. IV/650, S. 169. 160  BT-Drucks. IV/650, S. 174. 157  BT-Drucks.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe127

Rechtsinstituts liege.161 Deshalb unterbreitete der Gesetzgeber im E 1962 Reformvorschläge. 2. Reformvorschläge Der Gesetzgeber sprach sich prinzipiell für die Beibehaltung der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Nichtbezahlung aus. Nur so könne der Strafcharakter der Geldstrafe gesichert und die Bewehrung der Rechtsordnung gewährleistet werden. Falls jedoch die Umwandlungsstrafe eine unbillige Härte für den Verurteilten darstelle, müsse nach einer anderen Lösung gesucht werden.162 Kritisiert wurde auch die Vermischung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Ersatzfreiheitsstrafe mit den vollstreckungsrechtlichen Regelungen in den §§ 28a, 29, 30 StGB a. F. von 1953. So regelte § 28 a StGB a. F.: „(1) Soweit die Geldstrafe nicht gezahlt wird, ist sie beizutreiben. (2) Der Versuch, die Geldstrafe beizutreiben, kann unterbleiben, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann.“

§ 29 StGB a. F. normierte: „(1) 1An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt bei Verbrechen und Vergehen Gefängnis oder, wenn neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt wird, Zuchthaus, bei Übertretungen Haft. 2Auch bei Vergehen kann die Geldstrafe in Haft umgewandelt werden, wenn Geldstrafe allein oder an erster Stelle oder wahlweise neben Haft angedroht ist. (2) 1Die Dauer der Ersatzstrafe ist mindestens ein Tag und bei Gefängnis und Zuchthaus höchstens ein Jahr, bei Haft höchstens sechs Wochen. 2Ist neben der Geldstrafe wahlweise Freiheitsstrafe von geringerer Höhe angedroht, so darf die Ersatzstrafe deren Höchstmaß nicht übersteigen. 3Die Ersatzstrafe darf nur nach vollen Tagen bemessen werden. (3) Im Übrigen richtet sich das Maß der Ersatzstrafe nach freiem Ermessen des Gerichts. (4) In den Fällen des § 27b ist Ersatzstrafe die verwirkte Freiheitsstrafe. (5) Der Verurteilte kann die Vollstreckung der Ersatzstrafe jederzeit dadurch abwenden, daß er den noch zu zahlenden Betrag der Geldstrafe entrichtet. (6) 1Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzstrafe unterbleibt. 2§ 462 der Strafprozeßordnung findet Anwendung.“ 161  BT-Drucks. 162  BT-Drucks.

IV/650, S. 169. IV/650, S. 173.

128

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

§ 30 StGB a. F. regelte: „In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urteil bei Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war.“

Im neuen StGB sollten nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich die materiellen Voraussetzungen zur Ersatzfreiheitsstrafe geregelt werden, wohingegen die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften in der StPO ihren Niederschlag finden sollten.163 Im Rahmen der Vollstreckung einer Geldstrafe stehe auch weiterhin die Durchsetzung der Geldstrafe im Mittelpunkt. Innerhalb des Beitreibungsprozesses solle jedoch nicht mehr auf die Grundsätze der ZPO (§ 463 StPO a. F. i. V. m. §§ 704 ff. ZPO a. F.) zurückgegriffen werden, sondern nach Anregung der Landesjustizverwaltungen auf die Vorschriften des Verwaltungszwangsverfahrens. Der Versuch die Geldstrafe beizutreiben solle dabei immer dann unterbleiben, wenn mit Sicherheit vorauszusehen sei, dass die Beitreibung aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten scheitern würde. Erst wenn die Beitreibung scheitere, seien weiter Maßnahmen einzuleiten. Dazu sei der Geldstrafenschuldner vom Vollstreckungsgericht anzuhören, wozu dieses nach pflichtgemäßem Ermessen eine mündliche Verhandlung anberaumen kann. Frühestens nach erfolgter Anhörung sei das Gericht befugt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anzuordnen. Dabei könne weiterhin die Anordnung unterbleiben, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte darstelle. Darüber hinaus sei zu prüfen, ob den Gerichten die Möglichkeit eröffnet werde, unter bestimmten Voraussetzungen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Der Gesetzgeber weist darauf hin, dass die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe dem Ausgleich in Bezug auf die Nichtaussetzungsfähigkeit der Vollstreckung der Geldstrafe dienen könne. Allerding sei dabei zu beachten, dass die Beitreibung der Geldstrafe solange möglich bleiben müsse, wie die Bewährungszeit liefe oder die Vollstreckung der Geldstrafe noch nicht verjährt sei. Hintergrund dafür bilde die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten während der Bewährungszeit ändern könnten, weshalb der soziale Gesichtspunkt, den Verurteilten zu schonen, entfiele. Den Verurteilten zu diesem Zeitpunkt weiter vor der Vollstreckung der Geldstrafe zu bewahren, wäre ungerecht mit Blick auf alle anderen, die sich in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Lage befänden und die Geldstrafe von Anfang an zahlten.164

163  BT-Drucks.

IV/650, S. 174. zu der gesamten Ausführung über die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe BT-Drucks. IV/650, S. 174. 164  Vgl.



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe129

IX. Die Große Strafrechtsreform von 1969 Die Reformvorschläge des E 1962 und des dazu ergangenen Alternativvorschlages von 1966 wurden zum Vorbild für das erste und zweite Strafrechtsreformgesetz (1. StrRG165 und 2. StrRG166) im Jahre 1969. Durch das 1. StrRG wurde innerhalb der Ersatzfreiheitsstrafe die Unterscheidung zwischen Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung und Haft abgeschafft und in § 29 StGB167 a. F. die einheitliche Sanktionsform der Freiheitsstrafe eingeführt. Damit hat § 29 Abs. 1 StGB a. F. folgenden Wortlaut erhalten: „An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe.“

Durch das 2. StrRG wurden die Vorschriften über die Geldstrafe reformiert. Die Ersatzfreiheitsstrafe fand einen neuen Platz im StGB. Sie wurde nunmehr im Abschnitt über die Geldstrafe in § 43 StGB168 geregelt und erhielt ihren heute noch gültigen Wortlaut: „1An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. 2Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. 3Das Mindestmaß der Ersatzfreiheits­ strafe ist ein Tag.“

In § 43 S. 3 StGB wurde damit das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe abweichend von § 38 Abs. 2 StGB geregelt. Die vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen169 zur Geldstrafe und somit auch zur Ersatzfreiheitsstrafe fanden Eingang in §§ 459 ff. StPO170. Dabei befürwortete der 2. Schriftliche Bericht171 des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall, dass ein Verurteilter ohne sein Verschulden die Geldstrafe nicht zahlen könne. Die Gerichte sollten ermächtigt werden, die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für die Dauer von einem bis zu drei Jahren auszusetzen. Die einzelnen Regelungen sollten dabei im Wesentlichen an die für die allgemeine Strafaussetzung zur Bewährung geltenden angelehnt werden.172 165  1. StrRG,

BGBl. I 1969, S. 645 ff. BGBl. I 1969, S. 717 ff. 167  1. StrRG, BGBl. I 1969, S. 649. 168  2. StrRG, BGBl. I 1969, S. 722. 169  § 29 Abs. 3, 4 StGB a. F.: „(3) Der Verurteilte kann die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jederzeit dadurch abwenden, daß er den noch zu zahlenden Betrag entrichtet. (4) Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt.“ 170  EGStGB, BGBl. I 1974, S. 516. 171  BT-Drucks. V/4095. 172  BT-Drucks. V/4095, S. 22. 166  2. StrRG,

130

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

X. Das Strafgesetzbuch ab 1975 Ursprünglich sollte das 2. StrRG gemäß seines Art. 7 am 1. Oktober 1973 in Kraft treten.173 Dieser Zeitpunkt wurde jedoch durch das Gesetz über das Inkrafttreten des 2. StrRG174 auf den 1. Januar 1975 abgeändert, womit das 2. StrRG zeitgleich mit dem EGStGB175 am 1. Januar 1975 in Kraft trat. Weiterhin von der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB blieb die Erzwingungshaft gem. § 96 OWiG176 zu unterscheiden. Sie stellte auch künftig ein Beugemittel dar, um die Zahlung auf die Geldbuße zu erzwingen und war deshalb von der Ersatzfreiheitsstrafe und dem mit ihr verbundenen Strafcharakter abzugrenzen. Sie war kein ersatzweises Übel für die begangene Ordnungswidrigkeit,177 weshalb ihre vollständige Verbüßung keinen Einfluss auf die Beitreibung der ihr zugrundeliegende Geldbuße hatte, die davon unberührt blieb. Bei der Ersatzfreiheitsstrafe, die mit Dreher als echte Strafe an die Stelle der insoweit erledigten Geldstrafe trete, sei nach ihrer Verbüßung die nachträgliche Beitreibung der Geldstrafe auch dann ausgeschlossen, wenn der Verurteilte inzwischen Vermögen erworben habe.178 Die Ersatzfreiheitsstrafe nehme laut Tröndle als echte Freiheitsstrafe den Platz der Geldstrafe ein, weshalb diese nach Verbüßung der ersatzweisen Freiheitsstrafe nicht weiter fortbestehe. Daraus folge, dass die Beugemittelqualität mit Blick auf die Erzwingungshaft für die Ersatzfreiheitsstrafe abzulehnen und die Anwendung des § 57 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht zu ziehen sei.179 Auch Horn plädierte für eine Aussetzung des Restes der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB, wobei er deren anfängliche Aussetzung der Vollstreckung gem. § 56 StGB ablehnte.180 Diese unterschiedliche Behandlung der Ersatzfreiheitsstrafe sei sachgerecht. Denn die Lage eines Verurteilten, der Auflagen gem. § 56b StGB und Weisungen gem. § 56c StGB nicht nachkomme und dafür die Aussetzung seiner Strafe widerrufen bekomme, sei mit der vergleichbar, in der sich der Geldstrafenschuldner bei Uneinbringlichkeit befinde. In beiden Fällen sollte durch die Drohung der Vollstreckung einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe ein mittelbarer Zwang zu ande-

173  2. StrRG,

BGBl. I 1969, S. 742. 1973, S. 909. 175  EGStGB, BGBl. I 1974, S. 469 ff. 176  BGBl. I 1975, S. 99. 177  Göhler/Buddendiek, OWiG4, § 96 Rn. 1. 178  Dreher, StGB35, § 43 Rn. 4. 179  Tröndle, StGB38, § 43 Rn. 3. 180  SK1-Horn, § 43 Rn. 10. 174  BGBl. I



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe131

ren Leistungen (Auflagen-/Weisungserfüllung, Geldzahlung) ausgeübt werden.181 Diese Begründung impliziert jedoch, dass es sich bei der Bewährung nach §§ 56 ff. StGB um ein eigenständiges Reaktionsmittel und somit um ein Beuge­mittel handelt. Fraglich ist damit, ob das Gericht, wenn es über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung entscheidet, in Straf- oder in Vollstreckungssachen tätig wird. Seit der Aufnahme der Strafaussetzung zur Bewährung in die §§ 23–25 StGB a. F. durch das 3. StrÄG182 1953 wird um ihre rechtliche Einordnung diskutiert. Spezifisch geht es um die Frage, ob die Strafaussetzung zur Bewährung ein eigenständiges Reaktionsmittel bildet oder eine Modifikation der Vollstreckung der Freiheitsstrafe darstellt. 1. Eigenständiges Reaktionsmittel Jagusch begriff die Strafaussetzung zur Bewährung als selbständige Strafart, deren Zweck sich gerade im Nichtvollzug der Strafe erschöpfe. Damit sei die Strafaussetzung, die im Verhältnis zur Freiheitsstrafe mildere, aber gleichzeitig auch die der Freiheitsstrafe konträre Sanktion – also der Gegensatz zu den Vollstreckungsstrafen.183 Geerds bezieht sich dahingehend auf Jagusch und sieht in der Strafaussetzung zur Bewährung eine völlig eigenständige und im Verhältnis zur Freiheitsstrafe gleichberechtigte Sanktionsart. Im Rahmen der Strafzumessung sei demnach eine echte Wahl zwischen der Kriminalbehandlung in Freiheit (nichts Anderes sei die Strafaussetzung zur Bewährung) und der Freiheitsstrafe zu treffen.184 Die Abwägung sei anhand der originären Strafzwecke vorzunehmen.185 Die Freiheitsstrafe würde sich hier als eigenständige Straf- bzw. Sanktionsart neben Geld- und Freiheitsstrafe darstellen. Im Rahmen der Strafrestaussetzung gem. § 57 StGB gehe es dann um die teilweise Ersetzung des stationären Freiheitsentzuges, wobei auch hier die ambulante Vollstreckung als verselbständigte Sanktion zu verstehen sei.186

181  SK1-Horn,

§ 56 Rn. 6. StrÄG, BGBl. I 1953. 183  Jagusch, JZ 1953, 688 f. 184  Geerds, JZ 1969, 341, 342; sich dem mit der Begründung, die Bewährung in Freiheit sei die ambulante Alternative zur stationären Freiheitsstrafe, anschließend NK-Ostendorf, Vor §§ 56 ff. Rn. 1. 185  Geerds, JZ 1969, 341, 342. 186  NK-Dünkel, § 57 Rn. 4. 182  3.

132

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Baumann187 beschreibt die Strafaussetzung zur Bewährung wiederum eher als Zwischenstück einer repressiven Strafe und präventiven Maßnahme.188 In der Strafaussetzung zur Bewährung spiegele sich durch die Möglichkeit, Weisungen und Auflagen zu erteilen oder Bewährungshilfe einzusetzen, nicht nur der negative Verzicht auf die Freiheitsstrafe, sondern der eigenständige „positive Charakter“ dieser ambulanten Alternative zur stationären Freiheitsstrafe wider.189 Die eigentliche Reaktion auf die Tat des Täters bestehe in der Anordnung von Bewährungsmaßnahmen und (falls diese unterbleiben) der Bewährungszeit. Dabei fungiere die festgesetzte und schuldangemessene Freiheitsstrafe lediglich als Ersatzstrafe für den Fall, dass die Bewährung widerrufen werde. Die Bewährungsmaßnahmen verhielten sich zur verhängten Freiheitsstrafe dogmatisch wie die Geldstrafe zur damit verbundenen Ersatzfreiheitsstrafe.190 Da die positive Erfüllung des Bewährungsprogramms im Belieben des Betroffenen liege, handele es sich bei der Strafaussetzung zur Bewährung nicht um eine Strafe oder Sanktion eigener Art, da diese immer mit einer erzwungenen Rechtsfolge einhergingen, sondern um eine Rechtsfolge besonderer Art.191 Wegen dieses Verständnisses wird die Strafaussetzung zur Bewährung heute oft als „dritte Säule“ oder „dritte Spur“ neben den Strafen und den Maßregeln bezeichnet.192 Eine ähnliche Meinung wird ebenfalls von Geiger vertreten, der davon ausgeht, dass die Geldauflage gem. § 56b StGB ersatzweise an die Stelle der verhängten, jedoch ausgesetzten Freiheitsstrafe tritt. Die Geldauflage leite hierbei ihre Rechtsnatur von der Freiheitsstrafe ab und sei als Reaktion des Staates auf das begangene Unrecht zu werten. Sie sei in diesem Zusammenhang nicht das unbedingte und primäre, sondern das sekundäre Reaktionsmittel, wenn das primäre (vorläufig) nicht vollstreckt werde. Um an die Stelle des primären Reaktionsmittels treten zu können, müsse die Geldauflage dabei dieselben Zwecke wie die primäre Sanktion der Freiheitsstrafe aufweisen. Hierzu gehörten alle Strafzwecke, insbesondere die schuldausgleichende Wirkung.193 Gemein ist allen diesen Ansichten trotz der unterschiedlichen Begrifflichkeiten (selbständige Strafart, eigenständige Sanktionsart, ambulante Alternative, Rechtsfolge besonderer Art, sekundäres Reaktionsmittel etc.), dass sie 187  Baumann,

GA 1958, 193. GA 1958, 193, 196; sich anschließend LK-Hubrach, § 56 Rn. 1. 189  NK-Ostendorf, Vor §§ 56 ff. Rn. 1. 190  SK-Schall, § 56 Rn. 4; Horn, JZ 1992, 828, 829 f. 191  SK-Schall, § 56 Rn. 3; Horn, JZ 1992, 828, 830. 192  SK-Schall, § 56 Rn. 3; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 8 S. 79; wohl auch Baumann, GA 1958, 193, 196. 193  Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 128. 188  Baumann,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe133

die Strafaussetzung zur Bewährung als ein eigenständiges Reaktionsmittel im strafrechtlichen Rechtsfolgenbereich auffassen. 2. Modifikation der Strafvollstreckung Demgegenüber gehen die Rechtsprechung194 und große Teile der Literatur195 davon aus, dass es sich bei der Strafaussetzung zur Bewährung um eine Modifikation der Strafvollstreckung handele. Sie bewirke lediglich, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aufgeschoben und diese dann nach erfolgreichem Ablauf der Bewährungszeit erlassen werde.196 Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung sei Teil der sachlich-rechtlichen Entscheidung des Gerichts und somit Teil des Strafausspruchs im weiteren Sinne.197 Auf den Strafausspruch im engeren Sinne, also die Bestimmung der Strafhöhe und Art, habe die Strafaussetzung zur Bewährung keinen Einfluss.198 Die Strafzumessungsentscheidung dürfe nicht von der Bewilligung oder Ablehnung der Strafaussetzung der Bewährung getragen sein, womit die Strafe (Höhe und Art) unabhängig von der Strafaussetzung zu bestimmen sei.199 Die Strafaussetzung sei damit eine Modifikation der Freiheitsstrafe in der Vollstreckung und nicht im Tenor.200 Da der Übergang von der Bewährung zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe jeder Zeit möglich sei, handele es sich um eine einheitliche Unrechtsfolge, also Freiheitsstrafe.201 3. Stellungnahme Gegen die Annahme, dass es sich bei der Strafaussetzung zur Bewährung um ein eigenständiges Reaktionsmittel handelt, spricht bereits der Wortlaut des § 56 Abs. 1 S. 1 StGB. Hier heißt es: „Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, […]“.

194  BGHSt

7, 180, 184; 24, 40, 43; 31, 25, 28; OLG Oldenburg VRS 8, 454. § 56 Rn. 4; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 1; Sturm, JZ 1970, 81, 84; Bruns, GA 1956, 193, 202; unterscheidend nach rechtlicher Konstruktion und kriminalpolitischer Aufgabe: Heger, in: Lackner/Kühl, § 56 Rn. 2 f.; Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 187. 196  Lackner/Maassen, StGB5, § 23 Rn. 2a. 197  BGH NJW 1954, 39, 40. 198  Lackner/Maassen, StGB5, § 23 Rn. 2a; Bruns, GA 1956, 193, 202 f. 199  Bruns, GA 1956, 193, 203. 200  BGHSt 7, 180, 184; BGH JZ 1956, 100, 101; OLG Oldenburg VRS 8, 454, 455; Sch/Sch8, § 23 Rn. II. 201  OLG Oldenburg VRS 8, 454, 455. 195  Sch/Sch-Kinzig,

134

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Die Wortlautgrenze wäre demnach überschritten, wenn keine Vollstreckungsaussetzung, sondern eine Strafaussetzung als eigenständiges Reaktionsmittel angenommen wird. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass bei der Strafzumessung im Rahmen des § 46 Abs. 1 StGB nach der Strafhöhenbestimmung dem Gericht die Wahl zwischen Geldstrafe gem. § 40 StGB, Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB und Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB zusteht, würde dies bei Widerruf der Bewährung zu einer doppelten Bestrafung des Täters führen.202 Denn dem Täter wird in diesem Fall für die gleiche Straftat einmal eine Strafaussetzung zur Bewährung (1. Strafe) und bei Widerruf eine Freiheitsstrafe (2. Strafe) auferlegt. Dieses Problem will die Ansicht, die in der Strafaussetzung zur Bewährung eine „dritte Spur“ neben den Strafen und Maßregeln sieht, wohl vermeiden. Deshalb wird hier von einer Rechtsfolge besonderer Art gesprochen. Dabei wird von der verhängten Strafaussetzung mit Auflagen § 56b StGB und Weisungen § 56c StGB als Reaktion auf das vom Täter begangene Unrecht ausgegangen.203 Hierfür spricht, dass die Strafaussetzung zur Bewährung separat mit der Berufung gem. § 318 StPO angegriffen werden kann.204 Diese Beschränkung legt nahe, dass es sich bei der Strafaussetzung zur Bewährung und der Freiheitsstrafe um zwei gesonderte rechtliche Institute handelt, womit von einer „dritten Spur“ bzw. einer Rechtsfolge eigener Art gesprochen werden kann. Allerdings können alle Entscheidungen des Tatgerichts in Bezug auf die §§ 56a bis 56g, 58 StGB durch das Vollstreckungsgericht nachträglich gem. § 462a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 453 Abs. 1 S. 1 StPO abgeändert werden. Wenn im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung als „dritte Spur“ im Strafrecht die eigentliche Reaktion auf die Tat des Täters die Anordnung von Bewährungsmaßnahmen (Auflagen gem. § 56b StGB, Weisungen gem. § 56c StGB oder auch die Bewährungshilfe gem. § 56d StGB) darstellen,205 dann dürften diese nur durch das Tatgericht selbst gem. § 462a Abs. 2 S. 1 StPO oder das Berufungsgericht gem. § 328 StPO als zweite Tatsacheninstanz abänderbar sein und nicht durch das Vollstreckungsgericht.

202  Kaufmann,

JZ 1958, 297, 298. § 56 Rn. 4; wohl auch Baumann, GA 1958, 193, 196. 204  BGHSt 11, 393, 394 f.; 24, 164, 165; BGH NJW 1983, 1624; NStZ 82, 285, 286; OLG Dresden NStZ-RR 2012, 289, 290; OLG Hamburg StraFo 2016, 518, 519; VRS 123, 88, 89; NStZ-RR 2006, 18, 19; OLG Nürnberg NZV 2007, 642; KG NZV 2002, 240; OLG Karlsruhe VRS 95, 225, 226; NJW 1980, 133; Meyer-Goßner/ Schmitt/StPO-Schmitt, StPO, § 318 Rn. 20a; KK/StPO-Paul, § 318 Rn. 8a. 205  SK-Schall, § 56 Rn. 4. 203  SK-Schall,



B. Historie der Ersatzfreiheitsstrafe135

Auch im Rahmen der Restaussetzung widerspricht die Annahme der ambulanten Vollstreckung als verselbständigte Sanktion206 dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 StGB: „Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, […]“.

Ebenfalls die Entscheidung gem. § 57 StGB ist dem Tatgericht entzogen und wird vom Vollstreckungsgericht gem. § 462a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 StPO getroffen. Überdies müsse es sich, wenn die Restaussetzung eine verselbständigte Sanktion wäre, um eine Revision des Urteils in Gestalt der Modifikation des Strafausspruchs handeln.207 Der Strafausspruch bleibt allerdings sowohl im Rahmen des § 56 StGB als auch bei § 57 StGB unangetastet. Vielmehr beruht die Aussetzung der Vollstreckung nach § 56 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 StGB auf general- sowie spezialpräventiven Gesichtspunkten. Die Schuld des Täters spielt dafür keine Rolle bzw. nur eine untergeordnete im Rahmen der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Ist die Schuldfeststellung, die ihren Niederschlag im Strafausspruch findet, das konstitutive Element der Strafe,208 dann handelt es sich grundsätzlich immer um eine (Freiheits-)Strafe, da lediglich das Strafübel durch die Aussetzung der Strafvollstreckung eine Modifikation erfährt. Das Strafübel besteht dann entweder in der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB, in der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unter Auflagen gem. § 56b StGB bzw. Weisungen gem. § 56c StGB oder in der Unterstellung einer Bewährungshilfe gem. § 56d StGB. All dies hat jedoch keine Auswirkung auf die Schuldfeststellung und den Strafausspruch, weshalb es sich bei der Strafaussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB nicht um ein eigenständiges Reaktionsmittel, sondern um eine Modifikation der Strafvollstreckung bei der Freiheitsstrafe handelt.

XI. Zusammenfassung und Bewertung Historisch sind Strafen aus der körperlichen Auseinandersetzung (Fehde) zwischen der Täter- und Opferfamilie entstanden. Um die meinst agonalen Folgen dieser Blutrache zu vermeiden, wurde das sogenannte Wehrgeld eingeführt. Es handelte sich dabei um ein Bußtaxensystem, das die geldwerte Buße oft in Form von Vieh- oder Ausgleichsleistungen an die Familie des 206  NK-Dünkel,

§ 57 Rn. 4. § 57 Rn. 2. 208  Appel, Verfassung und Strafe, S. 503; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 549. 207  Sch/Sch-Kinzig,

136

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Opfers vorsah. Diese Form der Buße war allerdings nur den Freien vorbehalten. Unfreie hatten weiter körperliche Sanktionierungen zu fürchten. So entwickelte sich die geldwerte Buße über die Jahrhunderte zur Sanktion der Reichen, da bei der Bestrafung der Armen (gemeine Bürger und Bauern) die Körper- und Haftstrafen vorgezogen wurden. Die Ersatzfreiheitsstrafe weist in diesem Zusammenhang eine bewegte Geschichte auf. Selbst wenn es bereits frühe Nachweise (CCC, ALR) irgendwie gearteter ersatzweiser Haftstrafen für Geldstrafen gibt, so ist der Ausgangspunkt für die Ersatzfreiheitsstrafe, wie wir sie heute kennen, § 17 PStGB von 1851. Darin hieß es: „An die Stelle einer Geldbuße, welche wegen Unvermögens des Verurtheilten nicht beigetrieben werden kann, soll Gefängnißstrafe treten.“

§ 17 PStGB fand dann 20 Jahre später (1871) Eingang in das RStGB. § 28 Abs. 1 RStGB regelte: „Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Gefängnis und, wenn sie wegen einer Übertretung erkannt worden ist, in Haft umzuwandeln.“

Die Diskussion, ob die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht dabei auf allgemeine Reformansätze209 am Ausgang des 19. Jahrhundert zurück. Ziel dieser war es, durch Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen. Dabei entwickelten sich die Ansichten zur Vollstreckungsaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe parallel zu denen über die Aussetzbarkeit der Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen. Da es sich bei der Vollstreckungsaussetzung von kurzen Freiheitsstrafen zur Bewährung um einen Akt der Gnade handelte, fehlte es an einer einheitlichen Regelung. Vielmehr konnte jeder Staat des deutschen Reichs im Rahmen der eigenen Gnadenordnungen Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung erlassen. In diesem Zusammenhang war auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach einem Großteil der landesrechtlichen Regelungen aussetzbar. Dieser Zustand der Rechtszersplitterung in Bezug auf die Bewährungsvorschriften hielt bis zur Neugestaltung der §§ 23–25 StGB durch das 3. StrÄG 1953 an. Hierbei wurde die Möglichkeit der Strafaussetzung für Ersatzfreiheitsstrafen verworfen, da die Bewährungsvorschriften nur auf im Urteil verhängte Freiheitsstrafen Anwendung finden sollten. Dies markiert den Bruch zwischen Aussetzbarkeit der Vollstreckung einer richterlich verhängten Freiheitsstrafe und der Nichtaussetzbarkeit der Vollstreckung einer durch Gesetz umgewandelten Ersatzfreiheitsstrafe. Somit wurden Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen erst seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in Bezug auf die Aussetzbarkeit ihrer Vollstreckung unterschiedlich behandelt. 209  Vgl.

statt vieler Liszt, ZStW 9 (1889), 737 ff.



C. Systematik137

Auch die Bundesregierung diskutierte im E 1962 erneut über die Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Ersatzfreiheitsstrafe. Ausgangspunkt dafür war, dass sich die Geldstrafe in der Praxis zu einem unsozialen Rechtsmittel entwickelt habe und die Ersatzfreiheitsstrafe vorschnell ohne eine Prüfung des Verschuldens angeordnet werde. Um dieser nachteiligen Entwicklung entgegenzuwirken, sei es somit angebracht, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen. Im Rahmen der großen Strafrechtsreform 1969 erhielt der § 43 StGB seinen heute noch gültigen Wortlaut: „1An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. 2Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. 3Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.“

Allerdings entschied sich der Gesetzgeber auch hier gegen eine gesetzliche Regelung der Vollstreckungsaussetzung bei der Ersatzfreiheitsstrafe. An der Historie der Norm wird deutlich, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um ein „althergebrachtes“ Rechtsinstitut handelt. Anfänglich als (alternative) Strafe für Zahlungsunfähige konzipiert, änderte sich ihre Zielsetzung mit steigender Bedeutung der Geldwirtschaft hin zur Beugung des Zahlungsunwilligen. Getreu dem zivilrechtlichen Motto „Geld hat man zu haben“210, wird die härtere Behandlung des unverschuldet Zahlungsunfähigen in Kauf genommen, um eine Zahlung des Zahlungsunwilligen bzw. die Abgeltung der Geldstrafe durch einen Dritten zu Gunsten des Zahlungsunfähigen zu erreichen. Diesen Effekt würde die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe konterkarieren. Nichtsdestoweniger waren die ursprünglichen Adressaten der Ersatzfreiheitsstrafe die zahlungsunfähigen Geldstrafenschuldner. Deren Situation war jedoch mit der kurzer Freiheitsstrafenverbüßer vergleichbar. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden war unter Schuldgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen, weshalb auf den Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer – als unverschuldet zahlungsunfähigem Geldstrafenschuldner – wie auf den echten Freiheitsstrafenverbüßer die Bewährungsvorschriften Anwendung fanden.

C. Systematik Fraglich ist, wie sich § 43 StGB, der die Ersatzfreiheitsstrafe regelt, in das Normgefüge des StGB einpasst. Darüber hinaus sind die prozessualen und vollstreckungsrechtlichen Regelungen in den Blick zu nehmen.

210  Medicus,

AcP 188 (1988), 489, 492 f.

138

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

I. Sanktionssystem des StGB Die zwei Hauptstrafen des StGB sind die Freiheitsstrafe gem. §§ 38 f. StGB und die Geldstrafe gem. §§ 40 ff. StGB.211 Dabei befindet sich die in § 43 StGB geregelte Ersatzfreiheitsstrafe grundlegend im Abschnitt über die Geldstrafe. Trotz dieser Verortung wertet die obergerichtliche Rechtsprechung sie als echte Freiheitsstrafe, die lediglich in ihrem Bestand von der Geldstrafe abhängig sei.212 Gerade dieses Argument, dass die Ersatzfreiheitsstrafe von der Geldstrafe abhängig ist, verbunden mit ihrer Stellung innerhalb der Vorschriften über die Geldstrafe, könnte jedoch dafür sprechen, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nicht um eine echte Freiheitsstrafe, sondern um ein Beugemittel zur Erzwingung der Zahlung auf die Geldstrafe handelt. Fraglich ist demnach, ob die Ersatzfreiheitsstrafe unter systematischen Auslegungsgesichtspunkten als echte Freiheitsstrafe im Sinne des § 38 StGB zu qualifizieren ist. 1. Echte Freiheitsstrafen i. S. v. § 38 StGB Die Freiheitsstrafe in § 38 StGB ist zeitig, wenn das Gesetz keine lebenslange Freiheitsstrafe androht, wobei das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe bei 15 Jahren und ihr Mindestmaß bei einem Monat liegt. Demgegenüber liegt das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 S. 3 StGB bei einem Tag. Aufgrund dieser unterschiedlichen Mindestmaße wird vertreten, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nicht um eine Freiheitsstrafe i. S. d. § 38 StGB handele.213 Hiergegen spricht allerdings, dass der Gesetzgeber gerade dieses Problem im Gesetzgebungsverfahren zur großen Strafrechtsreform 1969 gesehen und adressiert hat: „Um zu vermeiden, daß aus § 38 Abs. 2 StGB (2. StrRG) gefolgert wird, daß auch für die Ersatzfreiheitsstrafe das Mindestmaß bei einem Monat liegt, wird in § 43 Satz 3 klargestellt, daß das Mindestmaß hier einen Tag beträgt.“214 Dieser Klarstellung hätte es nicht bedurft, wenn es sich bei § 43 StGB um eine von § 38 StGB unabhängige Vorschrift handelt. Denn ansonsten reicht § 43 S. 2 StGB in diesem Zusammenhang bereits aus, um den festen Umrechnungsmaßstab von einem Tagessatz in einen Tag Freiheitsentzug vorzugeben. Da allerdings auch der historische Gesetzgeber hier 211  Kett-Straub/Kudlich, Sanktionenrecht, § 2 Rn. 6; Streng, Strafrechtliche Sank­ tionen, IV. Rn. 114. 212  OLG Hamm StV 2010, 696, 697; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; OLG Jena NStZ 1999, 317; Celle NStZ 1998, 533, 534; OLG Düsseldorf NJW 1980, 250. 213  OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; MüKo-Radtke, § 38 Rn. 2. 214  BT-Drucks. V/4095, S. 22.



C. Systematik139

ein Klarstellungsbedürfnis gesehen hat, spricht dies dafür, dass die Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe im Sinne des § 38 StGB zu werten ist. Darüber hinaus wurde durch das 1. StrRG die Unterscheidung zwischen Zuchthausstrafe, Gefängnis, Einschließung und Haft aufgeboben und in eine einheitliche Sanktionsform – die Freiheitsstrafe – überführt.215 Da der Gesetzgeber die Problematik der Mindestmaßunterschreitung der Freiheitsstrafe bei der Ersatzfreiheitsstrafe erkannte, ist davon auszugehen, dass er im Zuge dieser Reform ebenso die Möglichkeit gehabt hätte, neben der regulären Freiheitsstrafe auch die spezielle Sanktionsform der Ersatzfreiheitsstrafe zu etablieren.216 2. Fahrverbot i. S. v. § 44 StGB Art. 1 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens aus 2017 regelt das in § 44 StGB217 enthaltene Fahrverbot neu. Das Fahrverbot kommt seitdem als Nebenstrafe für alle Delikte in Betracht und ist damit nicht mehr auf Straftaten begrenzt, die nach § 44 Abs. 1 S. 1 StGB a. F. bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen werden. Durch diese Ausweitung sollen die Reaktionsmöglichkeiten im Bereich der unteren bis mittleren Kriminalität erweitert werden, um in geeigneter Weise auf den Angeklagten einzuwirken und so der kriminalpräventiven Aufgabe des Strafrechts besser gerecht zu werden.218 Dabei geht der Gesetzgeber in seiner Begründung zur Ausdehnung des Fahrverbots auch auf die negativen Folgen der Ersatzfreiheitsstrafe ein. Die Zahlung von Geldstrafen gehe meist zu Lasten der Opfer, da die finanziellen Mittel des Täters nicht ausreichten, um die Widergutmachungsansprüche in angemessener Zeit zu befriedigen. Wenn Freiheitsstrafen oder auch Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden, verlören die Straftäter teilweise ihren Arbeitsplatz oder ihre Wohnung, soziale Beziehungen werden vollends gestört oder aufgelöst. Dies erschwere die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft und schaffe

215  1. StrRG,

BGBl. I 1969, S. 645. hätte der Gesetzgeber im Wortlaut statt „Freiheitsstrafe“ das Wort „Ersatzfreiheitsstrafe“ verwenden können, um eine Abgrenzung der beiden Strafarten klar herauszustellen. 217  Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017, BGBl. I 2017, S. 3202. 218  BT-Drucks. 18/11272, S. 14. 216  Beispielsweise

140

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

die Gefahr erneuter Straffälligkeit. Auch sei der inhaftierte Täter meist nicht in der Lage, den Schaden seines Opfers wiedergutzumachen.219 Verrel220 ist der Ansicht, dass die Geldstrafe dort ins Leere liefe, wo ein Dritter die Zahlung übernehme. Auch könne die Geldstrafe finanziell überfordern und so im Einzelfall sogar den Unterhalt von Familien gefährden. In letzter Konsequenz könnten dann bei uneinbringlichen Geldstrafen kurze und damit nutzlose, wenn nicht sogar schädliche, Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden.221 Weiterhin wurde im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens über die Stärkung der ambulanten Sanktionen ganz allgemein beraten. Wenn jedoch über die Erweiterung ambulanter Sanktionen nachgedacht wird, so ziehe dies nach Verrel zwangsläufig auch innovative Lösungen im Vollstreckungsrecht nach sich.222 Dabei wurde vom Gesetzgeber mit Blick auf andere europäische Länder (z. B. Belgien, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande und Österreich) die Aussetzungsfähigkeit der Geldstrafe erklärt. Dies sei vor allem aufgrund der Gleichbehandlung von Freiheitsstrafenverbüßern und Geldstrafenschuldnern sowie zur Vermeidung vor Wertungswidersprüchen geboten.223 Diese Wertungswidersprüche ergeben sich jedoch nicht nur in Bezug auf die Geldstrafe im Vergleich zur Freiheitsstrafe, sondern verstärkt bei der Ersatzfreiheitsstrafe in Relation zur Freiheitsstrafe. Denn hier ist es für den juristischen Laien nicht nachvollziehbar, warum der Geld­ strafenschuldner bei wirtschaftlichem Unvermögen in den Strafvollzug gehen muss, wohingegen der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte durch eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB nicht den Strafvollzug antritt. Hier ist das Prinzip der Gleichbehandlung verletzt und es ergeben sich unüberbrückbare Wertungswidersprüche. 3. Verhängung kurzer Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen gem. § 47 Abs. 1 StGB Nach § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters angelegt sind und eine Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Das Gesetz sieht demnach die Verhängung von Frei219  BT-Drucks.

15/2725, S. 15. BRJ 02/2014, 135, der dafür plädiert, den Anwendungsbereich ambulanter Sanktionen auszubauen, um damit ausdifferenziertere und effizientere Reaktionen für die Mehrzahl weniger schwerwiegender Taten zur Verfügung zu stellen. 221  Verrel, BRJ 02/2014, 135, 136. 222  Verrel, BRJ 02/2014, 135, 138. 223  BT-Drucks. 12/6141, S. 9. 220  Verrel,



C. Systematik141

heitsstrafen als ultima ratio an,224 da von der sinnvoll eingesetzten Geldstrafe prinzipiell ein besseres kriminalpolitisches Ergebnis erwartet wird als von kurzen Freiheitsstrafen. Diese wirken oft entsozialisierend, weil der Täter durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe aus seinem sozialen wie beruflichen Umfeld gerissen, krimineller Ansteckung im Gefängnis ausgesetzt und stigmatisiert225 wird.226 Überdies genügen Verbüßungszeiten unter sechs Monaten nicht, um positiv mit wirksamen Resozialisierungsbemühungen auf den Täter einzuwirken.227 Kurze Freiheitsstrafen sind sogar eher kontraproduktiv im Hinblick auf den am Resozialisierungsgedanken ausgerichteten Strafvollzug und sollten möglichst vermieden werden.228 Bei § 47 StGB handelt es sich demnach um eine Reglung der Strafzumessung, wenn dem Richter die Wahl zwischen Geldstrafe und Freiheitsstrafe obliegt.229 Der Prozess der Strafzumessung vollzieht sich in zwei wesentlichen Schritten: Zuerst gilt es die Höhe des Strafmaßes zu bestimmen (Bildung des gesetzlichen Strafrahmens und Einordnung der Tat in diesen), danach folgt die Wahl der Strafart (Geld- oder Freiheitsstrafe).230 Der Richter kann sich in den Grenzen des § 47 StGB bei gleicher Strafhöhe anhand von präventiven Aspekten entweder für eine Geldstrafe oder gegen diese und für eine Freiheitsstrafe entscheiden.231 Lediglich das mangelnde Resozialisierungsbedürfnis des Täters und dessen positive Legalprognose führen zur Entscheidung für die Geldstrafe. Wenn im Falle der Uneinbringlichkeit auf die Ersatzfreiheitsstrafe „umgeschaltet“ wird, steht der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer im Hinblick auf sein Resozialisierungsbedürfnis einem bewährungsfähigen Täter nahe. Denn auch für die Bewährung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 StGB muss dem Täter grundsätzlich eine positive Legalprognose gestellt werden. In diesem Zusammenhang geht nicht nur die Geldstrafe der Freiheitsstrafe vor, sondern auch die Vollstreckungsaussetzung dem Vollzug der Freiheitsstrafe.232 Der Zweck des § 47

224  BGHSt

24, 40, 43. JZ 1986, 260, 263. 226  LK-Theune, § 47 Rn. 2. 227  S/S/W-Eschelbach, § 47 Rn. 1. 228  BT-Drucks. V/4094, S. 5; BGHSt 24, 3, 4–5; Fischer, § 47 Rn. 2; S/S/WEschelbach, § 47 Rn. 1. 229  LK-Theune, § 47 Rn. 1. 230  Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 882 ff. 231  Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn.  888; NKStreng, § 47 Rn. 3 spricht von einer Präferenzregel zugunsten der Geldstrafe; Sch/ Sch-Kinzig, § 46 Rn. 64. 232  BGHSt 24, 40, 43. 225  Weigend,

142

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

StGB, die kurzzeitigen Freiheitsstrafen zurückzudrängen,233 wird letztlich durch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe „unterwandert“.234 4. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung gem. § 55 StGB Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB kommt immer dann in Betracht, wenn die verschiedenen Straftaten in einem früheren Verfahren (theoretisch) verhängt und eine Gesamtstrafe hätte gebildet werden können.235 Der Täter soll nicht schlechter oder besser gestellt sein gegenüber dem, der von Anfang an zu einer Gesamtstrafe verurteilt wurde.236 Voraussetzung für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist dabei, dass die aktuell abzuurteilende Tat vor der früheren Verurteilung begangen wurde sowie die frühere Verurteilung rechtskräftig ist und sich die frühere Strafe noch nicht vollständig erledigt hat.237 Erledigt ist eine Strafe, wenn sie gem. § 78 StGB vollständig vollstreckt oder verjährt ist. Bei einer Freiheitsstrafe ist dies der Fall, wenn sie ganz verbüßt ist. Eine Geldstrafe ist erledigt, wenn sie komplett bezahlt oder die Ersatzfreiheitsstrafe ganz verbüßt oder durch freie Arbeit abgeleistet ist.238 Ist die frühere Strafe nur zum Teil vollstreckt, tritt nur eine Teilerledigung ein und die frühere Strafe kann insgesamt in die Gesamtstrafenbildung einbezogen werden.239 Der bereits vollstreckte Teil wird dann von der Vollstreckungsbehörde auf die Gesamtstrafe angerechnet. Der einheitlichen Strafe entspricht der Gedanke der einheitlichen Vollstreckung. Aus diesem Grund geht die begonnene Vollstreckung der Einzelstrafe in die Gesamtstrafe derart über, dass der Beginn der Vollstreckung der Einzelstrafe zugleich den Beginn der Vollstreckung der Gesamtstrafe markiert.240 Wird eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt und die ihr zu Grunde liegende Geldstrafe nachträglich in eine Gesamtstrafe gem. § 55 Abs. 1 StGB einbezogen, so schlägt diese Einbeziehung auf die Vollstreckung der ErsatzfreiheitsV/4094, S. 5; KG StV 1997, 640, 641; Fischer, § 47 Rn. 2. NStZ 1990, 118, beschreibt es als Paradoxon, dass an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe, die das Ziel habe, generell die unerwünschten kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen, wiederum eine kurze Freiheitsstrafe in Form der Ersatzfreiheitsstrafe trete. 235  BGHSt 7, 180, 181; 8, 203, 205; 15, 66, 69; 17, 173, 174 f.; 32, 190, 193; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1230. 236  BGHSt 32, 190, 193. 237  MüKo-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 6; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 3. 238  MüKo-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 23; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 23. 239  BGHSt 21, 186, 187; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 263. 240  BGHSt 21, 186, 187; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 26. 233  BT-Drucks. 234  v. Selle,



C. Systematik143

strafe durch.241 Die Bildung der Gesamtstrafe erfolgt dann gem. § 54 Abs. 1 StGB durch Erhöhung der jeweils verwirkten höchsten Einsatzstrafe, bei verschiedener Strafart durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe. Für die Geldstrafe ist dabei nicht die Höhe der Tagessätze, sondern nur ihre Anzahl entscheidend.242 Das Gericht erkennt bei Zusammentreffen von Geldstrafe und Freiheitsstrafe regelmäßig auf eine Gesamtfreiheitsstrafe.243 Es kann allerdings ebenso eine Gesamtgeldstrafe neben einer Gesamtfreiheitsstrafe gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB verhängen.244 Da es sich bei der Bildung der Gesamtstrafe um einen eigenständigen Strafzumessungsvorgang handelt,245 kann das Gericht auch im Rahmen der Gesamtstrafenverhängung über die Aussetzung der Vollstreckung gem. §§ 56 ff. StGB entscheiden.246 Für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe heißt das im Konkreten: Der inhaftierte Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer steht also besser, wenn er wegen einer weiteren Tat, die er vor der Verurteilung zur Geldstrafe begangen hat, verurteilt wird. Denn im Rahmen dieser Verurteilung erfolgt eine erneute Strafzumessung, die im Einzelfall eine Vollstreckungsaussetzung gem. §§ 56 ff. StGB ermöglicht. Es folgt das bizarre Ergebnis, dass eine zweite Verurteilung und damit ein „Mehr“ an Unrecht zur Entlassung des Betroffenen aus der Haft führt. 5. Verwarnung mit Strafvorbehalt gem. § 59 StGB Wie unter 2. Teil B. II. 1. bereits dargestellt, wird von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Anwendung der §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe mit dem Argument verneint, dass es sich bei dieser nicht um eine originäre Freiheitsstrafe, sondern lediglich um eine verlängerte Geldstrafe handele, die eben nicht nach den §§ 56 ff. StGB aussetzungsfähig sei.247 Daraus ergebe sich im Rückschluss, dass auch die Er241  BGH

NJW 2009, 3313. NJW 1986, 1117. 243  BGH NStZ-RR 2002, 264; NJW 1989, 2900. 244  Fischer, § 53 Rn. 5; BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 7; NK-Frister, § 53 Rn. 18. 245  BGH Beschl. v. 25.02.2015 – 4 StR 564/14. 246  BGH NJW 2009, 3313. 247  OLG Hamm StV 2010, 696, 697; StV 1999, 495; wistra 1998, 274, 275; MDR 1977, 422, 423; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; OLG Zweibrücken StV 2001, 414 (Aufgabe frühere Rechtsprechung); OLG Jena NStZ 1999, 317; OLG Celle NStZ 1998, 533, 534; NJW 1977, 308; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380; OLG Stuttgart MDR 1986, 1043, 1044; OLG Düsseldorf JMBl NW 1986, 262; NJW 1980, 250; OLG Karlsruhe Die Justiz 1979, 232; 1978, 146; KG GA 1977, 237; OLG München NJW 1977, 309; OLG Köln OLGSt Nr. 7; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 57 Rn. 9; NK242  BGH

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

satzfreiheitsstrafe nicht ausgesetzt werden könne.248 Dieser Rückschluss greift vor allem mit Blick auf den § 59 StGB zu kurz. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB ist neben dem Absehen von Strafe gem. § 60 StGB die mildeste Sanktionsform des StGB.249 Sie dient dazu, die Schuld des Täters im Bereich der Kleinkriminalität bzw. bei Bagatellfällen – die mit einer Geldstrafe von nicht mehr als 180 Tagessätzen zu ahnden wäre – festzustellen und auszusprechen.250 Allerdings behält sich das Gericht die Verurteilung zu dieser Geldstrafe vor bzw. setzt diese zur Bewährung aus.251 Denn auch der Strafvorbehalt kann nach § 59a StGB mit Auflagen und Weisungen verbunden werden und der Widerruf des Vorbehalts erfolgt gem. § 59b Abs. 1 StGB entsprechend dem regulären Bewährungswiderruf nach § 56f StGB. Auch sonst ähneln sich die beiden Rechtinstitute stark. Wie bei der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB wird ebenso für den Strafvorbehalt nach § 59 StGB eine positive Kriminalprognose verlangt. Dabei gilt es innerhalb der Prognosebewertung im Rahmen des § 59 StGB die gleichen Umstände252 zu berücksichtigen wie bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB.253 Daraus folgt, dass die Wahrscheinlichkeit, zukünftig ein straffreies Leben zu führen, größer sein muss als erneut straffällig zu werden.254 Der größte Unterschied zwischen den beiden Rechtsinstituten des Strafvorbehalts nach § 59 StGB und der Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB besteht darin, dass der zu einer vorbehaltenen Geldstrafe Verurteilte bereits während

Ostendorf, § 56 Rn. 1; NK-Dünkel, § 57 Rn. 7; LK-Hubrach, § 56 Rn. 4, § 57 Rn. 4; Eisenberg/Kölbel, Kriminologie, § 33 Rn. 16; Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S.  109 ff.; Radtke, ZRP 2018, 58. 248  OLG Hamm StV 2010, 696, 697; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; NKOstendorf, § 56 Rn. 1; Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 112; Radtke, ZRP 2018, 58. 249  Lackner/Kühl-Kühl, § 59 Rn. 1; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 334. 250  BT-Drucks. V/4095, S. 24; Fischer, StGB, § 59 Rn. 2; NK-Albrecht, § 59 Rn. 1; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 59 Rn. 3; zur Verwarnung mit Strafvorbehalt allgemein siehe auch Neumayer-Wagner, Die Verwarnung mit Strafvorbehalt; Schöch, in: FS-Baumann, S.  255 ff. 251  NK-Albrecht, § 59 Rn. 1; S/S/W-Claus, § 59 Rn. 7; LK-Häger, Vor §§ 38 Rn. 41. 252  Hierzu zählen die Persönlichkeit und das Vorleben des Verurteilten, die Umstände der Tat, das Verhalten des Täters nach der Tat und seine allgemeinen Lebensverhältnisse sowie die Wirkung der Verurteilung bzw. die von Bewährungsmaßnahmen, siehe NK-Ostendorf § 56 Rn. 7. 253  BT-Drucks. V/4095, S. 25; S/S/W-Claus, § 59 Rn. 7. 254  LK-Hubrach, § 59 Rn. 6.



C. Systematik145

der Bewährungszeit als unbestraft gilt255 und der Eintrag der Verwarnung mit Strafvorbehalt im Bundeszentralregister nach Ablauf der Bewährungszeit gem. § 51 BZRG zu löschen ist. Im Gegensatz dazu gilt der zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung Verurteilte sowohl während als auch nach Ablauf der Bewährungszeit als bestraft und die Löschung des Bundeszentralregistereintrags richtet sich nach den im § 46 BZRG formulierten allgemeinen Regeln. Gemeinsam ist sowohl dem Strafvorbehalt gem. § 59 StGB und der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB, dass der Angeklagte in der Urteilsformel einer Straftat schuldig gesprochen wird. Bei beiden Rechtsinstituten findet eine Strafzumessung gem. § 46 StGB statt. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt wird somit die Schuld des Täters festgestellt, die verwirkte Strafe bestimmt und die Verhängung dieser Strafe für die Dauer der Bewährungszeit ausgesetzt. Wenn sich der Täter während dieser Zeit bewährt, wird die festgesetzte Strafe nicht verhängt.256 Allerdings erfolgt sowohl im Rahmen der Verwarnung mit Strafvorbehalt gem. § 59 StGB als auch bei der Vollstreckungsaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB ein Schuldausspruch, der für die Strafe konstitutiv ist.257 Durch beide Institute wird demzufolge lediglich die Vollstreckung der Strafe berührt. Dies zeigt, dass es auch im Bereich der Geldstrafe ein Institut gibt, das den Bewährungsvorschriften der §§ 56 ff. StGB ähnelt,258 wenn nicht sogar einen Ansatz einer zur Bewährung ausgesetzten Geldstrafe enthält.259 Nicht nur, dass § 59b Abs. 1 StGB auf die Vorschrift des § 56f StGB im Bewährungsrecht für Freiheitsstrafen verweist, auch richtet sich die nachtägliche Entscheidung über beide Rechtsinstitute mit § 453 StPO nach der gleichen Vollstreckungsnorm. Überdies entspringen beide Institute dem Resozialisierungsanspruch des Täters, da der Täter nicht der stigmatisierenden Wirkung des Strafvollzuges ausgesetzt werden soll. Schließlich hat die Verwarnung, wie auch eine rechtskräftige Verurteilung, durch den Schuldausspruch sanktionierenden Charakter. Wenn allerdings bereits die reguläre Geldstrafe vorbehaltlich verhängt und ihre Vollstreckung somit suspendiert werden kann, dann verliert das Argu255  Dreher,

in: FS Maurach, S. 275. V/4095, S. 24. 257  Appel, Verfassung und Strafe, S. 503; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 549. 258  Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 80 S. 856. 259  Vgl. Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 334; Rezbach, Die Verwarnung unter Strafvorbehalt, S. 44; ablehnend Doganay, Zur Reform der Verwarnung mit Strafvorbehalt, S. 19 ff. 256  BT-Drucks.

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

ment der überwiegenden Meinung in der Literatur260, die Ersatzfreiheitsstrafe sei nicht aussetzungsfähig, da es sich bei ihr lediglich um eine verlängerte Geldstrafe handele, die generell nicht aussetzbar sei, an Validität. Überdies zeigt die Verwarnung mit Strafvorbehalt gem. § 59 StGB, dass es Rechts­ institute gibt, die zugunsten des Resozialisierungsgedankens von der Verhängung und damit indirekt von der Vollstreckung einer Geldstrafe Abstand nehmen. 6. Absehen von Strafe gem. § 60 StGB Nach § 60 S. 1 StGB sieht das Gericht von der Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer wiegen, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Hierin kommt der althergebrachte Rechtsgedanke der poena naturalis261 zum Ausdruck, indem der Täter durch die schwerwiegenden Folgen im natürlichen Sinne sich selbst bestraft hat.262 Das Absehen von der Strafe ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen, obligatorisch.263 Entgegen der wohl überwiegenden Meinung264 sehen einige Autoren265 das Absehen von Strafe nicht als bloße Strafzumessungsregel, sondern als schwächste Reaktionsform des StGB. Als schwächste Form der Reaktion komme das Absehen von Strafe immer dann in Betracht, wenn es an der Strafbedürftigkeit der Tat mangele.266 Ein solcher Fall wird beispielsweise angenommen, wenn der Täter als Fahrer durch einen Unfall im Straßenverkehr fahrlässig den Tod des Beifahrers, der 260  MüKo-Groß/Kett-Straub, § 57 Rn. 9; NK-Ostendorf, § 56 Rn. 1; NK-Dünkel, § 57 Rn. 7; LK-Hubrach, § 56 Rn. 4, § 57 Rn. 4; Eisenberg/Kölbel, Kriminologie, § 33 Rn. 16; Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 109 ff.; Radtke, ZRP 2018, 58. 261  Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil E. I., S. 158; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 60 Rn. 1; kritisch dazu, da die poena natualis auf den Vergeltungsgedanken rekurriere, Hassemer, Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, 1974, S. 115 sowie Bassakou, Beiträge zur Analyse und Reform des Absehens von Strafe nach § 60 StGB, S.  113 f. 262  BT-Drucks. V/4094, S. 6 f.; MüKo-Groß/Kulhanek, § 60 Rn. 4; NK-Albrecht, § 60 Rn. 1; S/S/W-Claus, § 60 Rn. 1; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 81 S. 862. 263  Fischer, StGB, § 60 Rn. 7. 264  Fischer, StGB, § 60 Rn. 2; Sch/Sch-Kinzig, § 60 Rn. 1; MüKo-Groß/Kulhanek, § 60 Rn. 1; NK-Albrecht, § 60 Rn. 1; S/S/W-Claus, § 60 Rn. 1; Maiwald, ZStW 83 (1971), 663, 680. 265  BeckOK/StGB-v. Heintschel-Heinegg, §  60 Rn.  2; SK-Schall, § 60 Rn. 4; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 53; Gräfe, Sinn und System des Absehens von Strafe, S.  5 f. 266  SK-Schall § 60, 3; Gräfe, Sinn und System des Absehens von Strafe, S. 147.



C. Systematik147

ein naher Angehöriger des Täters ist, verursacht.267 Teilweise wird behauptet, beim Absehen von Strafe handele es sich nicht um eine echte Strafe, sondern um das Gegenteil, den Verzicht auf eine echte Strafe. Begründet wird dies damit, dass sich die staatliche Reaktion im Schuldspruch erschöpfe.268 Wenn allerdings auch hier der Schuldausspruch als strafkonstituierend angenommen wird, dann ist auch das Absehen von Strafe gem. § 60 StGB eine Strafe. Lediglich auf die Verhängung eines Strafübels wird zugunsten des Täters verzichtet.269 Selbst wenn die Schuld des Täters positiv festgestellt wird, ist dem StGB somit ein kompletter Verzicht auf das Strafübel zu Gunsten des Täters nicht fremd. Bei der Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe geht es nicht einmal um einen solchen umfassenden Strafverzicht, sondern lediglich um die Modifizierung der Strafvollstreckung270. Wenn die Rechtsprechung davon spricht, dass die härtere Behandlung des unverschuldet zahlungsunfähigen Verurteilten hinzunehmen sei, da die Wirksamkeit eines vorrangig Geldstrafen verhängenden Strafensystems von der Vollstreckung dieser angeordneten Rechtsfolge abhänge,271 dann wird ein Umstand, der in der Person des Verurteilten liegt, zu seinen Lasten ausgelegt. Gerade hier wäre es angezeigt, vor dem Hintergrund des § 60 StGB über eine Strafaussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach §§ 56 ff. StGB nachzudenken.

II. Vergleich mit freiheitsentziehenden Maßnahmen außerhalb des StGB Wenn über die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB als Ersatzhaft für eine uneinbringliche Geldstrafe diskutiert wird, so bietet sich ein Vergleich mit 267  Für

weitere Beispiele siehe MüKo-Groß/Kulhanek, § 60 Rn. 26. Strafrechtliche Sanktionen, S. 53 f. 269  Maiwald, ZStW 83 (1971), 663, 680; sich anschließend MüKo-Groß/Kulhanek, § 60 Rn. 1. 270  BGHSt 7, 180, 184; 24, 40, 43; 31, 25, 28; OLG Oldenburg VRS 8, 454; Sch/ Sch-Kinzig, § 56 Rn. 4; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 1; Sturm, JZ 1970, 81, 84; Bruns, GA 1956, 193, 202; unterscheidend nach rechtlicher Konstruktion und kriminalpolitischer Aufgabe: Lackner/Kühl-Heger, § 56 Rn. 2 f.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 187; a. A. von einer selbständigen Strafart ausgehend Jagusch, JZ 1953, 688 f.; Geerds, JZ 1969, 341, 342; sich dem mit der Begründung, die Bewährung in Freiheit sei die ambulante Alternative zur stationären Freiheitsstrafe, anschließend NK-Ostendorf, Vor §§ 56 ff. Rn. 1; NK-Dünkel, § 57 Rn. 4; von einem Zwischenstück von repressiver Strafe und präventiver Maßnahme sprechend Baumann, GA 1958, 193, 196; sich anschließend LK-Hubrach, § 56 Rn. 1. 271  Vgl. dazu die Ausführungen zur Ersatzfreiheitsstrafe in BGHSt 27, 90, 93. 268  Meier,

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen, die im Zusammenhang mit uneinbringlichen monetären Sanktionen verhängt werden, an. Bei der Geldbuße nach § 17 OWiG erfolgt, nachdem eine Schonfrist abgelaufen ist, gem. § 96 OWiG die richterliche Anordnung der Erzwingungshaft. Auch kann neben dem Ordnungsgeld nach § 51 Abs. 1 S. 1 StPO die Ordnungshaft gem. § 51 Abs. 1 S. 2 StPO festgesetzt werden. Zudem erfolgt nach § 334 Abs. 1 AO die Anordnung der Zwangshaft, wenn das gem. § 329 AO verhängte Zwangsgeld uneinbringlich ist. 1. Erzwingungshaft Die Erzwingungshaft wird gem. § 96 Abs. 1 OWiG nach Ablauf einer zweiwöchigen Frist gem. § 95 Abs. 1 OWiG auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn dem Vollstreckungsgericht selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen angeordnet. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 OWiG muss der Betroffene die gesamte Geldbuße oder einen bestimmten Teilbetrag nicht innerhalb der Frist gezahlt haben. Wenn die Vollstreckungsbehörde zuständig ist, bedarf es eines Antrags dieser nach § 92 OWiG beim zuständigen Gericht. Dieses entscheidet nach § 104 Abs. 1 OWiG ohne mündliche Verhandlung (§ 104 Abs. 2 S. 1 OWiG) über die Anordnung. Der Antrag auf Anordnung steht dabei im Ermessen der Vollstreckungsbehörde und kann bis zur richterlichen Entscheidung zurückgenommen werden.272 Die Erzwingungshaft wegen einer Geldbuße darf, anders als die Ersatzfreiheitsstrafe, grundsätzlich gem. § 93 Abs. 3 OWiG sechs Wochen nicht überschreiten. Lediglich bei mehreren in einem Bußgeldbescheid zusammengefassten Geldbußen wird das Höchstmaß auf drei Monate angehoben. Dabei ist die Erzwingungshaft als repressives Beugemittel von der ihrer Anordnung zu Grunde liegenden Geldbuße zu unterscheiden. Denn anders als die Ersatzfreiheitsstrafe, die den Platz der Geldstrafe einnimmt, wird die Geldbuße nicht von der Erzwingungshaft substituiert. Vielmehr bleibt die Geldbuße neben der Erzwingungshaft als selbstständige Sanktion bestehen, was sich daraus ergibt, dass trotz Verbüßung der Erzwingungshaft die Geldbuße fortbesteht. Dadurch wird der Erzwingungshaftverbüßer mit Zahlung auf die Geldbuße auch von der Haft „befreit“.273 Denn als reines Beugemittel verliert die Erzwingungshaft ihre Funktion (den Betroffenen nachdrücklich zu mahnen, entweder seine Geldbuße zu zahlen oder der zuständigen Vollstreckungsbehörde seine Zahlungsunfähigkeit darzulegen)274, wenn der Be272  HK/OWiG-Gassner,

§ 96 Rn. 6. § 96 Rn. 2; Göhler/OWiG-Seitz/Bauer, § 96 Rn. 1; HK/ OWiG-Gassner, § 96 Rn. 2. 274  BVerfGE 43, 101, 105. 273  KK/OWiG-Mitsch,



C. Systematik149

troffene der Zahlungsverpflichtung nachkommt. Hierin unterscheidet sich die Erzwingungshaft grundlegend von der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB. Denn die Erzwingungshaft als Beugemaßnahme stellt kein Ersatzübel für die begangene Ordnungswidrigkeit dar. Sie wird, anders als die Ersatzfreiheitsstrafe, nicht zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit verhängt, sondern angeordnet, um dem Betroffenen nachhaltig vor Augen zu führen, dass er die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße, wenn es ihm zugemutet werden kann, zu zahlen hat.275 Der Zahlungsunfähige kann die Vollstreckung einer Erzwingungshaft nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG dadurch verhindern, dass er seine Zahlungsunfähigkeit nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 lit. 2 OWiG darlegt. Fraglich ist allerdings, worin der Unterschied für den Betroffenen liegt, da sowohl der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer als auch der Erzwingungshaftbüßer einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG erleidet. a) Abgrenzung von Ordnungswidrigkeit und Strafe Das BVerfG276 und die überwiegende Meinung277 grenzen hierbei die Ordnungswidrigkeit (Geldbuße) von der Strafe (Geldstrafe) aufgrund des sozialethischen Unwertgehalts ab. Wenn dieses Abgrenzungsmerkmal für die Geldbuße gem. § 17 OWiG und Geldstrafe gem. § 40 StGB zutrifft, dann würde es sich ebenso für die Unterscheidung zwischen Erzwingungshaft gem. § 96 OWiG und Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB eignen. aa) Fehlen eines sozialethischen Unwerturteils Der Geldbuße fehle nach ganz herrschender Meinung anders als der Geldstrafe der Ausspruch eines sozialethischen Unwerturteiles.278 Eine Bemakelung der Person sei in diesem Sinne nicht nötig, da bei Ordnungswidrigkeiten der Schuldvorwurf nicht die Sphäre des Ethischen erreiche. Dem Täter werde nicht zur Last gelegt, sich in einem grundsätzlichen gegen die Rechtsordnung gerichteten und auf eine fehlerhafte Persönlichkeitshaltung schließenden 275  BVerfGE

43, 101, 107. 8, 197, 207; 25, 269, 286; 27, 18, 28; 88, 203, 258; 90, 145, 172; 96, 10, 25; 120, 224, 240; 123, 267, 408. 277  BeckOK/OWiG-Sackreuther, § 17 Rn. 1; KK/OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 7; Krey/ Esser, Strafrecht AT, § 1 Rn. 20; Wimmer, NJW 1957, 1169, 1170; Jung, Was ist Strafe, S. 50, spricht bei Ordnungswidrigkeiten von soziallästigem, aber nicht sozialschädlichem Verhalten. 278  BVerfGE 8, 197, 207; 25, 269, 286; 27, 18, 28; 88, 203, 258; 90, 145, 172; 96, 10, 25; 120, 224, 240; 123, 267, 408; BeckOK/OWiG-Sackreuther, § 17 Rn. 1; KK/ OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 7; Krey/Esser, Strafrecht AT, § 1 Rn. 20; Wimmer, NJW 1957, 1169, 1170; Jung, Was ist Strafe, S. 50. 276  BVerfGE

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Sinne aufgelehnt zu haben.279 Das Ordnungswidrigkeitenrecht etabliere vielmehr ein Ordnungsgefüge zweiten Ranges unterhalb des Schutzbereichs des StGB.280 Demzufolge fehle der Geldbuße der Ernst der Geldstrafe.281 Die gesamte Argumentation über das fehlende sozialethische Unwerturteil der Ordnungswidrigkeit nahm ihren Anfang bei Schmidt282, der von einer qualitativen Verschiedenheit zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit ausging. Der qualitative Unterschied resultiere dabei aus den zwei Interessenräumen, die jeweils durch die Strafe und durch die Ordnungswidrigkeit geschützt werden. Auf der einen Seite gäbe es die materiellen, wirtschaftlichen Lebensinteressen, deren Verletzung einen „Sozialschaden“ hervorrufen würde und somit der Ahndung mittels einer (Geld-)Strafe bedürften. Auf der anderen Seite gäbe es verwaltungsmäßige Interessen, deren Verletzung lediglich einen „Verwaltungsschaden“ darstellen würden, der im bloßen Ungehorsam gegenüber der Verwaltungsbehörde bestehe und mit einer Geldbuße zu ahnden wäre. Demzufolge spreche die Strafe ein sozialethisches Unwerturteil über die Tat und den Täter aus; einer Ordnungswidrigkeit mangele es jedoch an diesem ethischen Gehalt, weshalb sie ohne die Bemaklung des Täters auskomme.283 Wie konturenlos das Argument der Sozialethik ist, wird bei Wimmer284 deutlich. Auch er begreift Strafe als die Feststellung eines spezifischen sozialethischen Unwerturteils über das Geschehen und dadurch über den Täter. Allerdings soll nicht jede sozialethische Unwertigkeit einer Tat bedeuten, dass diese auch strafwürdig sei. Es gebe Stufen des „ethisch Wertvollen“ und des „ethisch Unwertigen“. Strafwürdig sei nur ein Tun, das vom Sozialethos strikt verboten sei, und das Unterlassen eines Tuns, das vom Sozialethos strikt geboten sei. Das „sozialethisch Unwertige“ sei durch eine besondere Qualität gekennzeichnet, für die der Ausdruck „das Böse“ verwandt würde. Das spezifische Unwerturteil über die Tat sei das „Bös-Urteil“. Das „Nichtböse“ sei das „ethisch Wertvolle“, das ethisch Indifferente, sozialethisch Empfehlenswerte, Wünschenswerte sowie Dienliche. Dem Staat komme dabei die sozialethische Führungsbefugnis zu.285 Wann ein sozialethisches Unwerturteil zu treffen ist, bleibt bei dieser Argumentation allerdings völlig ­offen. Was ethisch „wertvoll“, empfehlenswert, wünschenswert oder dienlich 279  BVerfG

NJW 1959, 619. § 17 Rn. 7. 281  BVerfG NJW 1959, 619. 282  Schmidt, Das neue westdeutsche Wirtschaftsstrafrecht. 283  Schmidt, Das neue westdeutsche Wirtschaftsstrafrecht, S. 20 ff.; aufgearbeitet in Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 493 f. 284  Wimmer, NJW 1957, 1169. 285  Wimmer, NJW 1957, 1169, 1170. 280  KK/OWiG-Mitsch,



C. Systematik151

sein soll, orientiert sich an subjektiven Wertvorstellungen und ist keiner tatsächlichen Überprüfung zugänglich. Bei diesen subjektiven Wertvorstellungen handelt es sich lediglich um Gedanken und Gefühle, die keine Unterscheidung von Straftat und Ordnungswidrigkeit bewirken können.286 Zudem verhält sich der, der eine Ordnungswidrigkeit begeht, keinesfalls sozialethisch einwandfrei287, wie das Beispiel der § 24a StVG und § 316 StGB verdeutlich. Nach § 24a Abs. 1 StVG begeht eine Ordnungswidrigkeit, „wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.“

Demgegenüber begeht gem. § 316 Abs. 1 StGB eine Straftat, „[w]er im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, […].“

Bei beiden Handlungen fehlt eine unmittelbare Einwirkung auf ein Schutzobjekt. Damit ist die These von Amelung, dass die Ordnungswidrigkeit dadurch gekennzeichnet sei, dass es ihr an einer unmittelbaren Einwirkung auf das Schutzobjekt mangele,288 als widerlegt anzusehen. Vielmehr kann es sich sowohl bei einer Straftat, als auch bei einer Ordnungswidrigkeit um ein generell gefährliches Verhalten handeln, welches kein individuelles Rechtsgut gefährden muss.289 Denn beide Handlungen erschüttern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs290 und damit in die Stabilität der staatlich garantierten Ordnung.291 bb) Unrechtsgehalt Dem Ordnungswidrigkeitenrecht kommt somit die Funktion zu, als „kleines Strafrecht“ bestimmte Handlungen zu sanktionieren, die das Zusammenleben der Gemeinschaft stören, aber nicht so gravierend sind, dass sie der 286  Brüning,

Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 494. Strafrecht AT I, § 2 Rn. 131; Geiger, Die Rechtsnatur der Sank-

287  Roxin/Greco,

tion, S.  84 f. 288  Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 294. 289  Nach BVerfG DAR 2008, 586 dient § 316 StGB der Erhöhung der Sicherheit des Straßenverkehrs und vermittelt über den so gewährten Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern individualschützende Wirkung. 290  MüKo-Pegel, § 316 Rn. 1; Fischer, § 316 Rn. 2, 3; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/StVG-Hühnermann, § 24a Rn. 3; MüKo/StVG-Funke, § 24a Rn. 1. 291  Für die Ordnungswidrigkeit KK/OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 117.

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Sanktionierung mittels einer Kriminalstrafe bedürfen.292 Falls der alkoholisierte Fahrer mit seiner Handlung sowohl den § 316 Abs. 1 StGB als auch § 24a Abs. 1 StVG erfüllt, geht gem. § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG das StGB dem StVG vor. Dabei kommt § 24a Abs. 1 StVG eine lückenfüllende Funktion gegenüber § 316 Abs. 1 StGB für den Fall zu, dass dem Fahrer nicht die für § 316 Abs. 1 StGB nötige Fahrunsicherheit nachgewiesen werden kann.293 Dieser Vorrang des StGB gegenüber dem OWiG folgt aus der stärkeren Wirkung ihrer Rechtsfolge294 und dem regelmäßig erhöhten Unrechtsgehalt der Straftat gegenüber der Ordnungswidrigkeit.295 Bei der Geldstrafe im Vergleich zur Geldbuße ist die stärkere Wirkung wohl zu verneinen. Es macht für den Täter rein tatsächlich keinen Unterschied, ob er wegen einer Ordnungswidrigkeit zur Zahlung einer katalogmäßigen Geldbuße oder wegen einer Straftat zu einer bestimmten Geldstrafe verurteilt wird. In beiden Fällen stellt sich das „Übel“ für den Betroffenen als Zahlung eines gewissen Geldbetrages dar, das isoliert betrachtet wertneutral ist.296 Für den Täter könnte lediglich die Eintragung der Straftat (Verurteilung zu einer Geldstrafe) ins Bundeszentralregister gem. § 3 Nr. 1 BZRG einen Unterschied machen. Denn bei Geldbußen findet eine solche Eintragung ins Bundeszentralregister nicht statt. Diese werden nur in speziellen Registern wie dem Verkehrs- oder Gewerbezentralregister vermerkt, welche allerdings nicht der Registrierung des persönlichen Makels der Person dienen.297 Wenn die stärkere Wirkung der Geldstrafe mit der bemakelnden Eintragung ins Bundeszentralregister zusammenhinge, würde sich die Unterscheidung zwischen Geldstrafen und Geldbuße ändern, sobald die Eintragungsmodalitäten im BZRG eine Änderung erfahren würden. Dass Eintragungsmodalitäten die Grenze zwischen strafbarem und ordnungswidrigem Verhalten ziehen, kann aber nicht das entscheidende Abgrenzungsmerkmal sein. Damit bleibt zur Abgrenzung von Ordnungswidrigkeit und Straftat der Unrechtsgehalt der Tat. Wie am Beispiel der § 24a Abs. 1 StVG und § 316 Abs. 1 StGB gesehen, tritt der § 24a Abs. 1 StVG subsidiär als Auffangtatbestand des § 316 Abs. 1 StGB zurück. § 24a Abs. 1 StVG ist somit als „Durchgangsdelikt“ mitverwirklicht, wenn der Täter § 316 Abs. 1 StGB begeht. Der Unrechtsgehalt von § 24a Abs. 1 StVG ist somit komplett in § 316 Abs. 1 StGB enthalten. Damit ergibt sich ein Stufenverhältnis zwischen dem Un292  Rengier,

Strafrecht AT, § 2 Rn. 14.

293  Hentschel/König/Dauer/StVG-König,

§ 24a Rn. 29. 22, 49, 63. 295  Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 21 Rn. 2. 296  Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 544. 297  KK/OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 6; Achenbach, ZIS 2012, 178, 180. 294  BVerfGE



C. Systematik153

rechtsgehalt (Tatbestand und Rechtswidrigkeit) der Ordnungswidrigkeit und der Straftat.298 Der Unterschied zwischen der Straftat und der Ordnungswidrigkeit liegt demnach nicht im Strafgehalt bzw. im Gehalt ihrer Rechtsfolge, sondern in dem geringeren Unrecht der Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat.299 Es handelt sich demnach um einen Grad- und keinen Wesensunterschied.300 Die exakte Grenze dieser graduellen Unterschiede zu bestimmen, obliegt dem Gesetzgeber.301 cc) Vorwerfbarkeit der Handlung Der Grundsatz nulla poena sine culpa, der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, gilt auch für strafrechtsähnliche Sanktionen.302 Dem Täter ist seine Handlung i. S. d. § 1 OWiG vorwerfbar, wenn er sich für die rechtswidrige Handlung entschieden hat, obwohl er nach den Umständen des Falls fähig und imstande gewesen wäre, sich rechtmäßig zu verhalten.303 Die Vorwerfbarkeit ist somit die bußgeldrechtliche Entsprechung der Schuld. Die Autoren304, die die Strafe mit dem Element der sozialethischen Missbilligung verknüpfen, argumentieren, dass sich der Unterschied zwischen Strafe und Ordnungswidrigkeit auch in den Begrifflichkeiten widerspiegeln muss. Deshalb sei im Strafrecht von „schuldhaftem“ – sozialethisch missbilligtem – und im Ordnungswidrigkeitenrecht von „vorwerfbarem“ Verhalten zu sprechen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht würde es sich nach Wimmer um „sozial vertretbarere“ Verhaltensweisen handeln.305 Allerdings birgt diese Unterscheidung auf „Schuldebene“ große Unsicherheiten. Denn ob etwas sozial zu missbilligen ist oder nicht, richtet sich prinzipiell nach dem individuellen Normverständnis eines jeden Einzelnen. 298  Subsidiarität der Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat gilt unabhängig davon, ob ein Stufenverhältnis zwischen beiden existiert, Krenberger/Krumm, OWiG, § 21 Rn. 1a; Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 21 Rn. 2. 299  BVerfGE 8, 197, 207; 27, 18, 28. 300  BVerfGE 51, 60, 74; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 7 S. 59; für eine Abgrenzung der Kriminalstrafe von der Ordnungswidrigkeit nach qualitativ-quantitativen Erwägungen Sch/Sch-Kinzig, Vor § 38 Rn. 37; KK/OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 113; Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, Vor § 1 Rn. 6; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 133; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 5 S. 58 f. 301  BVerfGE 51, 60, 74. 302  BVerfGE 9, 167; 170; BVerfG NJW 2004, 2073; Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, Vor § 1 Rn. 10. 303  Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, Vor § 1 Rn. 30. 304  KK/OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 7; Krey/Esser, Strafrecht AT, § 1 Rn. 20; Wimmer, NJW 1957, 1169, 1170; Jung, Was ist Strafe, S. 50. 305  Wimmer, NJW 1957, 1169, 1170.

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Wenn bereits, wie oben erörtert, auf Unrechtsebene eine Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat getroffen wird, dann kann auf der Ebene der Vorwerfbarkeit der gleiche Maßstab wie bei der Schuld im Strafrecht gelten. Demzufolge ist es bei der Ordnungswidrigkeit ebenso wie bei der Straftat angebracht, zu fragen, ob „ein anderer“ in der Lage des Täters nach dem Erfahrungsgut der beteiligten Fachdisziplin der Tatversuchung hätte widerstehen können.306 b) Doppelcharakter der Geldbuße Sowohl die Geldbuße als auch die Geldstrafe greifen in die allgemeine Handlungsfreiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 1 GG ein, womit die Strafübel der beiden Sanktionen äquivalent sind. Auch eine Unterscheidung aufgrund des Missbilligungscharakters scheitert. Denn in beiden Fällen handelt es sich um autoritative Unwerturteile über die Verhaltensweise des Betroffenen, die mit dem Vorwurf verbunden sind, dass sich gegen die Rechtsordnung aufgelehnt wurde.307 Überdies ist das Merkmal der „Sozialethik“ zur Abgrenzung ungeeignet, da es gefühlsorientiert definiert wird. Zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat besteht prinzipiell kein Wesensunterschied, sondern nur ein Gradunterschied. Bei der Ordnungswidrigkeit handelt es sich um ein Normgefüge unterhalb des Strafrechts, wobei sich die Ordnungswidrigkeit durch Hinzutreten bestimmter Umstände zur Straftat qualifizieren kann. Es besteht gleichsam wie im Strafrecht das Bedürfnis, die Verstöße im Ordnungswidrigkeitenrecht zu sanktionieren, da sich der Täter auch hier sozial inadäquat verhält. Im Gegensatz zur Geldstrafe kommt der Geldbuße allerdings neben diesem sanktionierenden Charakter noch die Aufgabe zu, den „Gewinn“, den der Betroffenen aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, gem. § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG abzuschöpfen.308 Damit kommt dem Eingriff eine präventiv-ordnende Funktion mit einer kondiktionsähnlichen Wirkung zu.309 Dieser „gewinnabschöpfende“ Charakter der Geldbuße ist unabhängig von der Vorwerfbarkeit der Handlung, für die die Geldbuße verhängt wird.310 Der „Gewinn306  Jescheck/Weigend,

Strafrecht AT, § 39 S. 427. Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 549. 308  Vgl. KK/OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 10; Krenberger/Krumm, OWiG, § 17 Rn. 25 f.; Graf/Jäger/Wittig/OWiG-Bär, § 17 Rn. 10; Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 17 Rn. 37. 309  Ausführlich dazu Korte, Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung, S. 119 ff.; sich anschließend Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 17 Rn. 37a; a. A. Drathjer, Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im Ordnungswidrigkeitenrecht, S.  30 f. 310  Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 17 Rn. 37a. 307  Brüning,



C. Systematik155

abschöpfung“ kommt in diesem Sinne keine Straffunktion zu. Diese wird vielmehr von dem über die Gewinnabschöpfung hinausgehenden Bußgeldanteil übernommen.311 „Wirtschaftlicher Vorteil“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur geldwerte Vorteile, die der Täter durch die Ordnungswidrigkeit erlangt hat, sondern auch sonstige (messbare) Vorteile.312 Wenn die zentrale Funktion der Geldbuße die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils darstellt, ist allerdings ihr Verhältnis zur Einziehung des Wertes von Taterträgen313 gem. § 29a OWiG zu klären. Die Einziehung im Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine kondiktionsähnliche Maßnahme, der keine strafende Funktion zukommt.314 „Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, […]“ kann gem. § 29a Abs. 1 OWiG gegen ihn die Einziehung des Wertes angeordnet werden. Die Einziehung übernimmt somit eine lückenfüllende Funktion gegenüber der Geldbuße gem. § 17 OWiG, da sie nur angeordnet werden kann, wenn keine Geldbuße festgesetzt worden ist. Wenn der Täter rechtswidrig und vorwerfbar eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, wird die Gewinnabschöpfung bereits mittels des § 17 Abs. 4 OWiG erzielt, der in diesen Fällen dem § 29a Abs. 1 OWiG vorgeht. Für die Einziehung nach § 29a OWiG bleiben zwei Anwendungskonstellationen neben § 17 OWiG: Zum einen gem. § 29 a Abs. 1 OWiG, wenn der Täter rechtswidrig, aber nicht (nachweislich) vorwerfbar315 gehandelt hat und zum anderen die Fälle, in denen nicht der Täter, sondern ein Dritter den Vermögensvorteil gem. § 29a Abs. 2 OWiG erlangt hat. Die Geldbuße ist dabei so zu bemessen, dass sie nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG den vom Täter gezogenen wirtschaftlichen Vorteil übersteigt, womit grundsätzlich eine Untergrenze für die festzusetzende Geldbuße geregelt wird.316 Dem Täter soll kein rechtswidriger aus der Ordnungswidrigkeit erwachsener Vorteil verbleiben. Darüber hinaus soll er durch den über den wirtschaftlichen Vorteil hinausgehenden Teil der Geldbuße abgeschreckt werden, indem er sieht, dass sich die Begehung einer solchen Tat für ihn nicht „lohnt“.317 Der Geldbuße kommt damit ein Doppelcharakter zu, da der 311  Korte,

Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung, S. 121. für Beispiele KK/OWiG-Mitsch, § 17 Rn. 114; Göhler/OWiG-Gürtler/ Thoma, § 17 Rn. 40. 313  Mit KK/OWiG-Mitsch, § 29a Rn. 1, müsste es besser heißen „Einziehung des Wertes von Handlungserträgen“, um die Ordnungswidrigkeit auch sprachlich von der Straftat abzugrenzen. 314  Korte, Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung, S. 119. 315  Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 29a Rn. 1. 316  BayObLG NJW 1998, 2461, 2462. 317  Graf/Jäger/Wittig/OWiG-Bär, § 17 Rn. 10. 312  Siehe

156

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

gewinnabschöpfende Teil trennbar neben dem ahndenden steht.318 Damit ist die Geldbuße im Gegensatz zur Geldstrafe nicht zwingend „schuldangemessen“. c) Beugemittelqualität der Erzwingungshaft Die Beugemittelqualität der Erzwingungshaft resultiert damit nicht aus dem Strafübel für den Betroffenen oder aus dem Charakter der ihr zugrundeliegenden Geldbuße. Vielmehr basiert sie auf der Tatsache, dass die Erzwingungshaft schuldunabhängig gem. § 96 Abs. 3 S. 1 OWiG verhängt wird. Die angemessene Dauer der Erzwingungshaft wird im Einzelfall durch die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Gericht festgesetzt.319 Sie darf dabei gem. § 96 Abs. 3 S. 1 OWiG bei einer einzelnen Geldstrafe sechs Wochen und bei mehreren im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Kriterien für die Bemessung seien der zu zahlende Betrag der Geldbuße, das vorangegangene Verhalten des Betroffenen (wie die planmäßige Vereitelung der Vollstreckung) oder der Grad der Haftempfindlichkeit.320 Die Erzwingungshaft wird zwar ebenfalls gem. § 96 Abs. 3 S. 2 OWiG in Tagen bemessen, allerdings fehlt es an einem vorgegebenen Umrechnungsmaßstab von Geldbuße in Erzwingungshaft, weshalb das Beugemittel von der Schuld des Betroffenen unabhängig ist. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Ersatzfreiheitsstrafe, die durch § 43 S. 2 StGB auf der Schuld des Täters fußt. 2. Ordnungshaft Die Ordnungshaft, auch Ersatzordnungshaft321 genannt, wird gem. § 51 Abs. 1 S. 2 StPO anstelle des Ordnungsgeldes für den Fall festgesetzt, dass dieses nicht beigetrieben werden kann. Die Festsetzung der Ordnungshaft muss allerdings nicht zwingend zusammen mit dem Ordnungsgeld erfolgen. Vielmehr kann das zuständige Gericht auch nachträglich ein nicht beizutreibendes Ordnungsgeld in Ordnungshaft gem. Art. 8 Abs. 1 S. 1 EGStGB umwandeln. 318  Korte, Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung, S. 119  ff.; sich anschließend Göhler/OWiG-Gürtler/Thoma, § 17 Rn. 37a; anders Drathjer, Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 30. 319  KK/OWiG-Mitsch, § 96 Rn. 32. 320  KK/OWiG-Mitsch, § 96 Rn. 32; Göhler/OWiG-Seitz/Bauer, § 96 Rn. 29. 321  SK/StPO-Rogall, § 51 Rn. 19; Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 528.



C. Systematik157

Ordnungsmittel (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) sind Sanktionen, die aufgrund eines prozesswidrigen Verhaltens verhängt werden.322 Durch das Ordnungsgeld wird der Betroffene verpflichtet, einen festgesetzten Geldbetrag an die Staatskasse zu leisten. Die Höhe richtet sich nach Art. 6 EGStGB. Dabei verfolgen die unterschiedlichen Ordnungsgelder auch jeweils „eigene“ Zielsetzungen. Das in §§ 51, 70, 81c Abs. 6, 95 Abs. 2, 161a Abs. 2 StPO und §§ 56, 77, 178 GVG angedrohte Ordnungsgeld dient der Durchsetzung prozessualer Mitwirkungspflichten bzw. der Sanktionierung von Verfahrensverstößen.323 Beispielsweise statuiert § 48 Abs. 1 S. 1 StPO die Pflicht, als Zeuge zur Vernehmung vor den Richter zu erscheinen. Durch diese Norm wird in die Freiheit des Zeugen eingegriffen, da er nicht die Wahl hat, zur Vernehmung vor den Richter zu erscheinen oder nicht. Ihm wird somit vom Staat eine Mitwirkungspflicht oktroyiert. Wenn der Zeuge im Fall des § 48 Abs. 1 S. 1 StPO nicht erscheint, regelt § 51 Abs. 1 S. 1, 2 StPO: „Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.“

Hier tritt die repressive Unrechtsfolge – das Ordnungsgeld – neben die Auferlegung der Kosten. Als Rechtsverstoß wird hier die Nichtbefolgung des § 48 Abs. 1 S. 1 StPO gesetzlich geahndet, da das Erscheinen als Zeuge vor Gericht zur von der StPO vorausgesetzten Staatsbürgerpflicht zählt.324 Die Nichterfüllung dieser Pflicht setzt nach einhelliger Ansicht die Schuldfähigkeit des Zeugen325 und darüber hinaus eine vorwerfbare Handlung326 voraus. Die Notwendigkeit des Verschuldens kann dabei aus § 51 Abs. 2 S. 2 StPO gefolgert werden, denn die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung des Ordnungsgeldes unterbleibt, wenn den Zeugen an der Verspätung seiner Entschuldigung kein Verschulden trifft. Wenn dem Zeugen die Kosten für sein Ausbleiben auferlegt werden, soll er mit den Folgen für das Nichtnachkommen seiner Pflicht konfrontiert wer322  Roxin/Greco,

Strafrecht AT I, § 2 Rn. 138. in: Jescheck/Grebing, Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, S. 18, 56. 324  BVerfG NJW 1979, 32; NJW 2002, 955. 325  OLG Düsseldorf NStE 1989 Nr. 2 zu § 51 StPO; LG Bremen NJW 1970, 1429, 1430; SK/StPO-Rogall, § 51 Rn. 10; LR-Ignor/Bertheau, § 51 Rn. 16; Meyer-Goßner/ Schmitt/StPO-Schmitt, § 51 Rn. 15; MüKo/StPO-Percic, § 51 Rn. 33; KK/StPO-Senge, § 51 Rn. 22. 326  OLG Hamm MDR 1980, 322; LR-Ignor/Bertheau, § 51 Rn. 16. 323  Grebing,

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3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

den. Das repressive Institut des Ordnungsgeldes soll überdies den ungestörten und reibungslosen Ablauf der Hauptverhandlung sichern.327 Denn § 51 Abs. 1 StPO dient vor allem dazu, Störungen und Verzögerungen im Prozessablauf entgegenzuwirken, womit letztlich dem Beschleunigungsgebot Rechnung getragen wird. Dem Ordnungsgeld kommt damit ein pönaler Charakter zu,328 indem es den Pflichtenverstoß ahndet. In diesem Zusammenhang wird es als repressive Maßnahme dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugeordnet. Dabei rangiert der Ordnungsverstoß mit seinem Unrechtsgehalt innerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts im „unteren Bereich“.329 Wird das Ordnungsgeld vom Betroffenen nicht gezahlt, ist entweder im Bescheid über das Ordnungsgeld bereits die ersatzweise Ordnungshaft gem. § 51 Abs. 1 S. 1 StPO festgesetzt oder es wird nachträglich durch das Gericht nach vorheriger Anhörung des Beteiligten nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 EGStGB umgewandelt. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe. Die Anordnung der Ordnungshaft kann, anders als die Ersatzfreiheitsstrafe, die durch den Rechtspfleger angeordnet wird, nur durch einen Richter erfolgen.330 Dieser muss, im Gegensatz zum Rechtspfleger, den Zeugen vor Beschlussfassung anhören. Überdies gibt das Gesetzt keinen starren Umrechnungsmaßstab von Ordnungsgeld in Ordnungshaft vor, sondern Art. 6 Abs. 2 EGStGB normiert nur das Mindestmaß von einem Tag und das Höchstmaß von sechs Wochen. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens obliegt die Festsetzung der Hafttage/-wochen dem Richter, auch wenn das eigentliche Ordnungsgeld von der Staatsanwaltschaft verhängt worden ist.331 Demzufolge werden im Ordnungsrecht maximal 42 Hafttage verhängt, die einer richterlichen Anordnung bedürfen. Demgegenüber kann Ersatzfreiheitsstrafe eine Haftdauer von 360 Tagen gem. § 40 Abs. 1 S. 2 StGB erreichen, die ohne Anhörung und erneuten richterlichen Beschluss gefasst wird. Die Gemeinsamkeiten zwischen Ordnungshaft und Ersatzfreiheitsstrafe bestehen darin, dass beide nur ersatzweise bei Nichteinbringlichkeit der zugrundeliegenden Geldschuld und nicht neben der Geldschuld in Betracht kommen. Auch kann der jeweils Betroffene jederzeit die weitere Vollstreckung der Haft durch Zahlung des noch ausstehenden Geldbetrages abwenden.332

327  OLG

Düsseldorf NStE 1991 Nr. 5 zu § 51 StPO. § 51 Rn. 1. 329  BT-Drucks. 7/550, S. 195. 330  SK/StPO-Rogall, § 51 Rn. 20. 331  HK/StPO-Gercke, § 51 Rn. 8. 332  Für die Ordnungshaft siehe Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 528. 328  SK/StPO-Rogall,



C. Systematik159

3. Zwangshaft Bereits in der Anordnungsverfügung über das Zwangsgeld ist auf die ersatzweise Zwangshaft hinzuweisen.333 Ist dann das gegen den Betroffenen gem. § 329 AO verhängte und vollstreckbare Zwangsgeld uneinbringlich, kann die Finanzbehörde nach dessen Anhörung beim Amtsgericht die Verhängung der Zwangshaft gem. § 334 AO beantragen. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn der Versuch der Vollstreckung des Zwangsgeldanspruchs nach §§ 259 ff. AO erfolglos geblieben ist. Dies setzt voraus, dass alle Vollstreckungsmöglichkeiten in das Vermögen des Pflichtigen ausgeschöpft werden.334 An die Ausschöpfung der Vollstreckungsmöglichkeiten sind strenge Anforderungen zu stellen. Selbst nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen ist gewissenhaft zu prüfen, ob keine weiteren Vollstreckungsmöglichkeiten (auch in das unbewegliche Vermögen) bestehen.335 Die Finanzbehörde hat in Zweifelsfällen vor der Antragstellung beim Amtsgericht vom Betroffenen die Vermögensauskunft nach § 284 AO zu verlangen.336 Im Unterschied zum Ordnungsgeld ist das Zwangsgeld keine repressive Unrechtsfolge.337 Es handelt sich hierbei um eine Erzwingungsmaßnahme, die nicht mehr vollstreckt werden kann, wenn der Betroffene seiner Pflicht inzwischen nachgekommen ist.338 Die dem Zwangsgeld nach § 329 AO zugrundeliegende Anordnungsverfügung muss nach § 328 Abs. 1 AO vom Pflichtigen ein aktives Tun, Dulden oder Unterlassen fordern. Oft ergeht eine solche Anordnung, wenn der Betroffene seinen Mitwirkungspflichten (so zum Beispiel der Steuererklärungspflicht gem. § 149 Abs. 1 AO) nicht nachgekommen ist.339 Dieser Verwaltungsakt muss ferner wirksam und vollstreckbar sein. Darüber hinaus muss die Pflicht, die im Verwaltungsakt ausgesprochen wird, dem Pflichtigen möglich sein.340 Auf ein Verschulden des Pflichtigen bezüglich der Nichtvornahme der Handlung, Duldung oder Unterlassung kommt es für die Anordnung des Zwangsgeldes, als reines Beugemittel, dabei nicht an.341 Zudem ist es charakteristisch für die Beugemittelqualität, dass die Vollstreckung des § 334 Rn. 6; Werth, in: Klein, AO, § 334 Rn. 3. § 334 Rn. 5. 335  Klein/AO-Werth, § 334 Rn. 2. 336  Koenig/AO-Zöllner, § 334 Rn. 4. 337  BT-Drucks. 7/550, S. 196. 338  Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 512. 339  Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21 Rn. 172. 340  Koenig/AO-Zöllner, § 328 Rn. 6–8. 341  Klein/AO-Brockmeyer, § 328 Rn. 6; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21 Rn. 376. 333  Schwarz/Pahlke/AO-Horn, 334  Schwarz/Pahlke/AO-Horn,

160

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Zwangsgeldes nach § 335 AO endet, wenn der Pflichtige seiner ihm durch den Verwaltungsakt auferlegten Pflicht nachkommt. Als strafrechtliche Nebenfolge342 kann nach § 463c Abs. 1 StPO angeordnet werden, dass die Verurteilung öffentlich bekannt zu machen ist. Wenn sich ein Verleger oder verantwortlicher Redakteur weigert, eine solche Bekanntmachung vorzunehmen, so kann gegen ihn ein Zwangsgeld gem. § 463c Abs. 3 S. 1 StPO verhängt werden. Der Antrag zur Festsetzung des Zwangsgeldes stellt die Vollstreckungsbehörde nach § 462a Abs. 2 StPO beim Gericht des ersten Rechtszuges, da die Vollstreckungskammer nur für Maßnahmen, die sich gegen den Verurteilten selbst richten, zuständig ist. Beim Zwangsgeld nach § 463 c Abs. 3 StPO geht es jedoch um eine Maßnahme, die nicht dem Verurteilten auferlegt wird, sondern einer dritten „unbeteiligten“ Person, die der Aufforderung, das Urteil zu veröffentlich, nicht nachgekommen ist. Im Zwangsgeldfestsetzungsverfahren können der Verleger oder der verantwortliche Redakteur nach §§ 463c Abs. 3 S. 3, 462 Abs. 2 S. 1 StPO die Unzumutbarkeit der auferlegten Veröffentlichung geltend machen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist regelmäßig dann erreicht, wenn bei Veröffent­ lichung des Urteils mit einer ernstlich negativen Reaktion eines erheblichen Teils der Leser-, Zuschauer, Zuhörer- oder Kundschaft zu rechnen ist.343 Auch im Fall der öffentlichen Bekanntmachung ist die Vollstreckung des Zwangsgeldes sofort zu beenden, wenn der Verantwortliche seiner Pflicht (Veröffentlichung des Urteils) nachkommt.344 Die Zwangshaft kann solange angeordnet werden, wie die Pflichterfüllung geboten ist.345 Durch die Zwangshaft wird nach Zöllner der Vollzug des Zwangsgeldes substituiert.346 Diese Auffassung ist sprachlich etwas „schief“, da bereits die Vollstreckung des Zwangsgeldes durch die der Zwangshaft ersetzt wird. Dabei endet die Vollstreckung der Zwangshaft, wenn die Verpflichtung gem. § 335 AO erfüllt wird oder nachträglich durch Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes wegfällt. Zudem kann der Pflichtige während der Vollstreckung der Zwangshaft weiterhin auf das Zwangsgeld leisten und so die Vollstreckung der Zwangshaft beenden. Wenn die Zwanghaft komplett vollstreckt und verbüßt ist, dann erlischt damit auch das Zwangsgeld gegen den Pflichtigen.347 Werden diese Vollstreckungsgrundsätze mit denen der Ersatzfreiheitsstrafe verglichen, so fällt auf, dass auch 342  KMR/StPO-Stöckel,

§ 463c Rn. 1. § 463c Rn. 6. 344  Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 138. 345  Schwarz/Pahlke/AO-Horn, § 334 Rn. 6. 346  Koenig/AO-Zöllner, § 334 Rn. 4; a.  A. FG Bremen Beschl. v. 7.9.2000 – 200250V 2, BeckRS 2000, 21010286. 347  Schwarz/Pahlke/AO-Horn, § 335 Rn. 3; Koenig/AO-Zöllner, § 334 Rn. 11. 343  KK/StPO-Appl,



C. Systematik161

die Leistung vor und während der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Geldstrafe diese abbedingt. Ebenso suspendiert die vollständig vollstreckte Ersatzfreiheitsstrafe die Geldstrafenvollstreckung. Trotz der Ähnlichkeiten in der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe und Zwangshaft ist zu beachten, dass die Zwangshaft nur zur Durchsetzung des Zwangsgeldes und dieses wiederum zur Beugung des Betroffenen eingesetzt wird. Im Zentrum der Zwangsmittel steht nach wie vor die Beugung des Betroffenen, um seine Mitwirkungspflicht (Tun, Duldung oder Unterlassen) zu erreichen. Aus diesem Grund endet die Vollstreckung nicht nur mit Leistung auf das Zwangsgeld, sondern ebenso durch Pflichterfüllung.348 Das Zwangsgeld wird zwar durch die Zwangshaft substituiert, allerdings kommt beiden Instituten kein Selbstzweck zu. Sie sind Beugemittel und verfolgen damit einen anderen Zweck, wie in der AO die Durchsetzung von Mitwirkungspflichten.

III. Vollstreckungsrechtliche Gleichstellung von Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe Die Strafvollstreckung nach §§ 449 ff. StPO umfasst grundsätzlich sämtliche Maßnahmen, die sowohl auf die Verwirklichung als auch auf die Abwandlung und Aufhebung einer von einem Strafgericht erlassenen Entscheidung abzielen.349 Dabei unterfallen der Strafvollstreckung im engeren Sinne lediglich Kriminalstrafen und strafrechtliche Maßnahmen der ordentlichen Gerichte, Disziplinarmaßnahmen nur, soweit auf die StPO Bezug genommen wird (Bsp.: § 91 Abs. 1 WDO), ausgeschlossen sind jedoch Ordnungs- und Zwangsmittel.350 Vollstreckungsrechtlich erfolgt dabei in weiten Teilen eine Gleichstellung von Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe. 1. Vollstreckungsreihenfolge gem. § 454b StPO § 454b Abs. 1 StPO normiert, dass Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen unmittelbar nacheinander vollstreckt werden. Die genaue Reihenfolge ergibt sich aus § 43 Abs. 2 StVollstrO. Vorrangig sind Freiheitsstrafen von nicht mehr als zwei Monaten zu vollstrecken, daran anschließend Strafreste nach Widerruf der Aussetzung, danach kürzere vor längeren Freiheitsstrafen, gleich lange Freiheitsstrafen in der Reihenfolge des Eintritts der Rechtskraft, lebenslange Freiheitsstrafen und zuletzt Ersatzfreiheitsstrafen, damit die 348  Schwarz/Pahlke/AO-Horn,

§ 335 Rn. 7. Vor § 449 Rn. 3.

349  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, 350  KK-Appl,

Vor § 449 Rn. 4.

162

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Möglichkeit bestehen bleibt, diese durch Zahlung der Geldstrafe abzuwenden. Diese unmittelbare aufeinander folgende Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe gebietet das Prinzip der nachhaltigen Voll­ streckung.351 § 454b Abs. 1 StPO unterscheidet demnach nicht zwischen der Vollstreckung regulärer Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen, insoweit werden beide Strafen vollstreckungsrechtlich gleichbehandelt. § 454b Abs. 2 StPO regelt die Unterbrechnung der Vollstreckung, wenn Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe nacheinander vollstreckt werden. Dabei unterbricht die Vollstreckungsbehörde gem. § 454b Abs. 2 S. 1 StPO die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, im Übrigen bei zeitiger Freiheitsstrafe zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate der Strafe verbüßt sind. § 454b Abs. 2 StPO unterscheide klar zwischen zeitiger Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe. Eine Unterbrechung der Strafvollstreckung zur Prüfung der Aussetzung des Vollstreckungsrests sei nur für zeitige Freiheitsstrafe und nicht für die Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen.352 Wenn die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Abs. 2 unterbricht, regelt § 454b Abs. 4 StPO, dass das Gericht die Entscheidung nach §§ 57 und 57a StGB erst trifft, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entscheiden werden kann. Da der Gesetzgeber in § 454b Abs. 1 und Abs. 2 StPO die Ersatzfreiheitsstrafe ausdrücklich erwähnt hat und in Abs. 3 bestimmt, dass die Entscheidung nach §§ 57, 57a StGB nur einheitlich für alle Strafen zu treffen ist, so bedeutet dies, dass er auch die Ersatzfreiheitsstrafe der Regelung des § 57 StGB unterwerfen wollte.353 Auch hier wäre wiederum der härter Bestrafe privilegiert, wenn eine Anwendung des § 454b Abs. 2 StPO auf die Ersatzfreiheitsstrafe nicht statt­ findet. Das Argument, dass nur der Geldstrafenschuldner mit mindestens 90 Tagessätzen gem. § 454b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO von der Unterbrechnung profitieren und alle anderen würden nicht von der Regelung erfasst werden,354 greift zu kurz. Denn auch alle zu einer ausnahmsweise kurzen Freiheitsstrafe von 90 Tagen Verurteilten wären ebenso von der Regelung ausgeschlossen.

351  Laubenthal/Nestler,

Strafvollstreckung, IV. Rn. 195. Stuttgart Die Justiz 1986, 469, 470. 353  OLG Koblenz 1987, 120, 121. 354  OLG Stuttgart Die Justiz 1986, 469, 470. 352  OLG



C. Systematik163

2. Vollstreckung bei Auslieferung gem. § 456a StPO Überdies wird beim Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung nach § 456a Abs. 1 StPO die Ersatzfreiheitsstrafe der originären Freiheitsstrafe gleichgestellt. Im Rahmen des § 456a StPO geht es um die Behandlung von Straftätern, die das Bundesgebiet aufgrund hoheitlicher Anordnung verlassen müssen und denen gegenüber die weitere Vollstreckung weder unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung noch unter dem der Prävention sinnvoll wäre.355 Im Vordergrund steht dabei die pragmatisch-ökonomische Entlastung der Justizvollzugsanstalten.356 3. Rückschluss aus § 459d StPO Wenn die §§ 56 ff. StGB keine Anwendung auf den § 43 StGB finden, so bedeutet dies eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung des von Anfang an zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Verurteilten gegenüber dem zu einer Geldstrafe Verurteilten.357 Eine solche Besserstellung ist vor allem mit Blick auf den § 459d Abs. 1 StPO problematisch. Denn § 459d Abs. 1 StPO ordnet an, dass die Vollstreckung einer Geldstrafe (die neben einer Freiheitsstrafe verhängt wird) unterbleiben kann, wenn bei gleichzeitiger Verhängung einer Freiheitsstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschwert würde. Daraus lässt sich schließen, dass der Totalverzicht der Geldstrafenbeitreibung und somit auch der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung zugunsten der Wiedereingliederung des Täters hingenommen wird. Im Fall des § 459d Abs. 1 Nr. 1 StPO kann sogar auf die Vollstreckung einer Geldstrafe, die neben einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verhängt wird, mit Blick auf die soziale Integration des Täters verzichtet werden. Um Widersprüche zu vermeiden, muss aus denselben Gründen zugunsten des Täters eine vollständige Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB möglich sein. Denn auch im Falle der uneinbringlichen Geldstrafe wäre sonst der schwerer Bestrafte jedenfalls in Bezug auf die Geldstrafenvollstreckung bessergestellt.

355  OLG Hamm BeckRS 2013, 11173; Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt, § 456a Rn. 1; Groß, StV 1987, 36. 356  OLG Hamm BeckRS 2013, 11173; Laubenthal/Nestler, Strafvollstreckung, IV. Rn. 236. 357  NK-Albrecht, § 43 Rn. 7.

164

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

D. Telos Die teleologische Auslegung sucht nach der ratio legis, also dem Sinn und Zweck eines Gesetzes.358 Hierbei kommt es zum einen auf den Willen des historischen Gesetzgerbers an.359 Zu fragen ist, welche Funktion der Gesetzgeber § 43 StGB zukommen lassen wollte: „echte“ Freiheitsstrafe oder Beugemittel. Darüber hinaus ist auf den „objektiven“ Willen des Gesetzgebers abzustellen, wobei es darum geht, was mit dem Gesetz angesichts der gegenwärtigen Fragen und Interessen vernünftigerweise bezweckt werden kann.360

I. Wille des historischen Gesetzgebers – Ausgangspunkt: E 1962 Im § 55 E 1962 wird zur Ersatzfreiheitsstrafe folgendes geregelt: „(1) An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Ersatzfreiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. (2) Ersatzfreiheitsstrafe ist bis zur Dauer von sechs Monaten Strafhaft, bei längerer Dauer Gefängnis. Droht jedoch das Gesetz als Freiheitsstrafe nur Gefängnis an, so ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe Gefängnis. Ist die Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe verhängt, so bestimmt sich nach ihr auch die Ersatzfreiheitsstrafe.“

Die Geldstrafe soll demnach in eine Freiheitsstrafe bzw. eine reguläre Haftstrafe umgewandelt werden. In der Begründung zum Entwurf finden sich dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe den Geldstrafenschuldner in irgendeiner Weise zur Zahlung motivieren soll. Vielmehr stelle sie eine Freiheitsstrafe dar, die den Strafcharakter der Geldstrafe erhalten und so die Bewährung der Rechtsordnung gewährleisten soll.361 Überdies seien die Strafen klar von den Zwangsmitteln abzugrenzen, was vor allem sprachlich kenntlich zu machen sei.362 Die Ersatzfreiheitsstrafe dient damit grundsätzlich der Abwehr eines Normgeltungsschadens. Der Normbruch des Täters wird als individueller Angriff auf die Geltungskraft der übertretenen Verhaltensnorm gewertet, womit die Ersatzfreiheitsstrafe Geltungskraft „wiederherstellt“.363 Es handelt sich um einen Akt der positiven Generalprävention. Durch die Normbekräftigung soll das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchset-

358  Möllers,

Juristische Methodenlehre, § 5 Rn. 2. Art. 97 Rn. 57; Rüthers, JZ 2002, 365. 360  Maunz/Dürig/GG-Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 79 ff. 361  BT-Drucks. IV/650, S. 173. 362  BT-Drucks. 7/550, S. 195 f. 363  Timm, Gesinnung und Straftat, S. 43. 359  Maunz/Dürig/GG-Hillgruber,



D. Telos165

zungskraft der Rechtsordnung gestärkt werden.364 Diese erwiesene Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung bestärkt wiederum die Rechtstreue der Bürger.365 Denn würde der Staat bei einem Verstoß gegen eine Norm nicht mit der Verhängung einer Strafe reagieren, so würde sich die Straftat destabilisierend auf das Normvertrauen der Allgemeinheit auswirken und das Normbefolgungsbewusstsein der ursprünglich rechtstreuen Bürger untergraben.366 Darüber hinaus war im E 1962 vorgesehen, dass trotzt des festen 1:1-Umrechnungsmaßstabs der Geldstrafeschuldner vor der Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe vom Gericht anzuhören ist. Erste nach dieser Anhörung durfte das Gericht die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anordnen. Eine Anordnung durch das Gericht konnte unterbleiben, wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine unbillige Härte für den Verurteilten darstellt. Auch wurde vom Gesetzgeber geprüft, ob er dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu Bewährung auszusetzen.367 Von diesen Vorschlägen des Entwurfs wurden nur wenige umgesetzt. Die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt durch die Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) gem. § 459e Abs. 1 StPO. Auch ist der bei der Staatsanwaltschaft gem. § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG zuständige Rechtspfleger nicht verpflichtet, den Geldstrafenschuldner vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe anzuhören. Die richterliche Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe und das Anhörungsrecht, die im E 1962 vorgesehen waren, sprechen somit dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nicht um ein reines Beugemittel, sondern um eine echte (Freiheits-)Strafe handelt. Damit kommt der Ersatzfreiheitsstrafe nach dem Willen des Gesetzgebers eine positiv generalpräventive Funktion zu, wie sie auch der echten Freiheitsstrafe zugesprochen wird.

II. Objektivierte Sicht Bei der Frage nach dem Sinn und Zweck eines Gesetzes kann es jedoch nicht ausschließlich auf den Willen des historischen Gesetzgebers ankommen, da sich die Gesellschaft und mit ihr ihre Werte- und Normvorstellungen permanent verändern. Gesetze haben vielmehr einen universalen Anspruch dahingehend, dass sie trotz einer sich wandelnden Gesellschaft Antworten

364  NK-Hassemer/Neumann,

Vor § 1 Rn. 288. Strafrecht AT I, § 3 Rn. 26. 366  Puppe, in: FS-Grünwald, S. 469, 478. 367  BT-Drucks. IV/650, S. 174. 365  Roxin/Greco,

166

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

auf aktuelle Probleme geben.368 Das Gesetz ist deshalb im Hinblick auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Interessen auszulegen.369 Den Ausgangspunkt für diese Auslegung bildet das oft rezipierte370 Verdikt von Trödle, der die Ersatzfreiheitsstrafe als „Rückgrat der Geldstrafe“371 bezeichnete. Hierdurch wird der Ersatzfreiheitsstrafe eine die Geldstrafe ab­ sichernde Funktion zugesprochen. Die zentrale Frage, die sich aufdrängt, ist, warum die Geldstrafe eine solche Ersatzstrafe benötigt und die Freiheitsstrafe eben nicht? 1. Beugemittelqualität der Ersatzfreiheitsstrafe Beugemittel sind grundsätzlich staatliche Zwangsmittel, die – mit dem Erfordernis der vorherigen Androhung – dem Zweck dienen, bei Personen bestimmte Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen zu erzwingen.372 Es sind in diesem Sinne Mittel der öffentlichen Gewalt, um den Betroffenen gegen seinen Willen zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu zwingen.373 Ein Beugemittel bedarf demnach immer eines Finalzusammenhangs in dem Sinne, dass der Einzelne gerade durch das Zwangsmittel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gebracht werden soll. Generell zeigt die Vollstreckungspraxis, dass viele Geldstrafen erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt werden.374 Empirische Studien bestätigten, dass nach Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe zwei von drei Geldstrafenschuldnern zahlen.375 Es werde demnach eine Drucksituation für den Geldstrafenschuldner geschaffen, die ihn zu einer Handlung, der Zahlung auf die Geldstrafe, veranlassen soll. Damit unterscheidet sich die Ersatzfreiheitsstrafe nicht wesentlich von den regulären Zwangsmitteln, die zur Beugung einzelner Personen eingesetzt werden. Seebode meint, die hohe Zahl derer, die nach Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Geldstrafe leisten, rechtfertige in diesem Zusammenhang nicht das Institut der Ersatzfreiheitsstrafe an sich, sondern zeige gerade die Beugemittelqualität derselben auf.376 Allerdings sprechen diese Fälle der Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rn. 69. Art. 103 Abs. 2 Rn. 79 ff. 370  LK-Häger, § 43 Rn. 2; Radtke, ZRP 2018, 58; Schädler, ZRP 1983, 5, 7; Tiedemann, JZ 1980, 489, 492. 371  Tröndle, StGB38, § 43 Rn. 2. 372  Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 222. 373  Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 1603. 374  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 4. 375  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2. 376  Seebode, in: FS-Böhm, S. 534. 368  Vgl.

369  Maunz/Dürig/GG-Remmert,



D. Telos167

Zahlung nach Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eher dafür, dass nicht alle vollstreckungsrechtlichen Mittel zur Beitreibung der Geldstrafe vollumfänglich ausgeschöpft wurden. Vielmehr ist die Geldstrafe in all diesen Fällen einbringlich.377 Überdies fehlt der Ersatzfreiheitsstrafe der für echte Beugemittel essen­ zielle Finalzusammenhang. Denn die Erzwingungshaft nach § 96 Abs. 1 OWiG kann nur gegen einen zahlungsunwilligen, aber nicht gegen einen ­lediglich zahlungsunfähigen Schuldner verhängt werden.378 Der Zahlungsunfähige kann vielmehr die Vollstreckung einer Erzwingungshaft nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG dadurch verhindern, dass er seine Zahlungsunfähigkeit nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 lit. 2 OWiG darlegt. Nur wer das Geld zur Zahlung hat, kann auch zur Zahlung gebeugt werden, weil das staatliche Zwangsmittel nur zur Anwendung gelangen kann, wenn es ein legitimes Ziel verfolgt. Im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe sieht dies allerdings anders aus. Hier muss nicht nur der zahlungsunwillige, sondern auch der zahlungsunfähige Geldstrafenschuldner die Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe verbüßen. Auf ein Verschulden des Geldstrafenschuldners in Bezug auf seine Zahlungsunfähigkeit kommt es nicht an. Damit fehlt der Ersatzfreiheitsstrafe gerade dieser Finalzusammenhang. Sie wird ebenfalls bei zahlungsunfähigen Geldstrafenschuldnern angewandt, obwohl sie in diesem Fall nicht zum Ziel führen kann. Als staatliches Zwangsmittel wäre sie demnach illegitim. Demzufolge kann es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nur um eine echte Strafe handeln. Durch die Einwirkung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Bewegungsfreiheit des Einzelnen stellt sie eine echte Freiheitsstrafe dar. 2. Effektuierung des Strafübels Sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe wird die Schuld des Täters festgestellt. Das konstitutive Element der Strafe, der Schuldausspruch, ist damit für beide Sanktionen gegeben. Auch ein Strafübel wird dem Täter gleichfalls bei der Geldstrafe und bei der Freiheitsstrafe auferlegt. Das Strafübel besteht bei der Geldstrafe gem. § 40 StGB im Entzug von Handlungsmöglichkeiten, wodurch der Verurteilte in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG eingeschränkt wird. Demgegenüber wirkt sich die Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB auf die körperliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen aus und schränkt ihn so in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein. 377  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2; Dolde, in: FS-Böhm, S. 581, 582; Köhne, JR 2004, 453, 454. 378  Laubenthal/Nestler, Strafvollstreckung, V. Rn. 518.

168

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

Der Unterschied zwischen Geld- und Freiheitsstrafe liegt dabei in der Effektuierung des Strafübels. Denn die Freiheitsstrafe ist regelmäßig erfolgreich vollstreckbar, wohingegen die Geldstrafe an der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners scheitern kann. Demzufolge dient die Ersatzfreiheitsstrafe dazu, das Strafübel der Geldstrafe, das sich nicht effektuieren lässt, durch ein Strafübel auszutauschen, dessen Verwirklichung gesichert erscheint.379 Nach überwiegender Meinung erfülle das Strafübel in einem expressiven Konzept von Strafe den Ausgleich für eine unrechtmäßige Freiheitsanmaßung. Wer gegen eine Verhaltensnorm verstößt, nehme sich selbst ein Stück Freiheit, das ihm nicht zustehe.380 Basis menschlichen Zusammenlebens sei der Gesellschaftsvertrag, der zum Ziel habe, im Staat die größtmögliche Freiheit aller zu garantieren. Diese größtmögliche Freiheit sei wiederum Schutzgegenstand der gesamten Rechtsordnung, weshalb sie die Verhängung eines Strafübels gegen den Rechtsbrecher einfordern dürfe.381 Im Strafrecht gehe es darum primär Handlungskonflikte zu steuern. Die Regelung von Handlungskonflikten mittels Recht diene der Aufrechterhaltung des Interaktionsgefüges der Gesellschaft.382 Normgeltung finde nur statt, wo ein Vertrauen in die Normgeltung herrsche und dieses Vertrauen baue sich nur auf, wo die Erwartung, dass die Norm gelte, nicht systematisch enttäuscht wird.383 Der Schuldspruch sei zwar Strafe, allerdings gleiche er in den meisten Fällen nicht in gebotener Weise die Freiheitsanmaßung des Täters aus, sodass auf die Freiheitsbeschränkung in Gestalt von Geld- und Freiheitsstrafe zurückzugreifen sei. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wäre die Freiheitsanmaßung nicht vollständig ausgeglichen, weshalb die Strafe ihre Aufgabe nicht im vollen Umfang erfülle.384 An diesem positiv generalpräventiven Begründungsansatz ist problematisch, dass am Täter ein Exempel385 statuiert wird, das der Allgemeinheit gegenüber als Vergewisserung der Normgeltung diesen soll. Die Strafe demonstriert dann Normgeltung und Normdurchsetzung.386 Der Adressat der 379  LK-Häger, § 43 Rn. 1; Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 40; Kulhanek, NStZ 2020, 65, 67. 380  Rostalski, NStZ 2017, 121, 122. 381  Timm, Gesinnung und Straftat, S. 61; weil Straftatbestände existierten, richte die Mehrzahl der Bürger ihr Verhalten daran aus und begehe keine Straftat, so Radtke, ZRP 2018, 58. 382  Albrecht, KritV 1986, 55, 56. 383  Kulhanek, NStZ 2020, 65, 66; Bung, HRRS 2006, 63, 67. 384  Rostalski, NStZ 2017, 121, 122. 385  Dieses Exempel geht laut Weis in Anlehnung an Garfinkel und Goffman mit der Degradierung des sozialen Status einher, Weis, in: FS-Blau, S. 415 ff.; ebenso Calliess, in: FS-Müller-Dietz, S. 109. 386  Calliess, in: FS-Müller-Dietz, S. 109; Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 10.



D. Telos169

Strafe wäre aber nicht mehr der Straftäter, sondern die Allgemeinheit (alle Bürger).387 Aus diesem Grund sind ebenfalls spezialpräventive Aspekte mit in den Blick zunehmen. Prinzipiell wirkt jede Haft negativ spezialpräventiv. Die Sicherung der Allgemeinheit wird im Falle der Ersatzfreiheitsstrafe jedoch dadurch konterkariert, dass sich der Täter jederzeit selbst durch Leistung auf die noch ausstehende Geldstrafe aus der Haft entlassen kann.388 Als problematisch stellt sich im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung vor allem die positive Spezialprävention dar. Denn grundsätzlich wird die Geldstrafe als leichtere Strafart gegenüber der Freiheitsstrafe qualifiziert.389 Der Geldstrafenschuldner soll damit einen „Schuss vor den Bug“ erhalten und gewarnt sein, dass bei Wiederholung der Tat eine härtere Strafe drohen kann. Wenn jedoch die Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt wird, so untergräbt das diese Warnfunktion. Dem Verurteilten wird die Resozialisierung im Strafvollzug „aufgedrängt“, obwohl in seiner Person keine Gründe für eine Resozialisierung liegen. Denn der Richter hat sich bereits mit Verhängung der Geldstrafe gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe – korrespondierend mit § 47 StGB – ausgesprochen. Überdies wird die Ausnahmeregelung des § 47 StGB bei der Umwandlung aller Geldstrafen mit einer Tagessatzhöhe von bis zu 360 Tagessätzen umgangen. Dieser Kritikpunkt verschärft sich sogar noch, da der überwiegende Teil der Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich von 30 bis 90 Tagessätzen liegt.390 Diese kurze Zeit der Inhaftierung genügt generell nicht, um positiv bessernd auf den Täter einzuwirken. Vielmehr wird er der „Ansteckung“ im Strafvollzug ausgesetzt. Die Spezialprävention kehrt sich damit in Bezug auf den Täter, der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, sogar in ihr Gegenteil um, da eben nicht resozialisierend, sondern entsozialisierend auf den Bertoffenen eingewirkt wird. 3. Bewertung Dem historischen Gesetzgeber ging es bei Aufnahme der Ersatzfreiheitsstrafe in das StGB um die Abwehr eines Normgeltungsschadens. Denn wird 387  Calliess,

in: FS-Müller-Dietz, S. 109. Schatz, ZRP 2002, 438, 440. 389  Streng, Strafrechtliche Sanktionen, V. Rn. 128; den Tätern mit durchschnittlichen Einkommen trifft der Entzug des Nettoeinkommens von mehreren Monaten überproportional hart, so dass insoweit die These, die Geldstrafe sei gegenüber der Freiheitsstrafe stets die mildere Strafe, an Überzeugungskraft verliere, so Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1193. 390  Schatz, ZRP 2002, 438, 440. 388  Vgl.

170

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

auf einen Verstoß gegen eine Verhaltensnorm nicht mit der Verhängung einer Strafe reagiert, so wirkt sich die Straftat destabilisierend auf das Norm­ vertrauen der Allgemeinheit aus und das Normbefolgungsbewusstsein der rechts­treuen Bürger wird untergraben.391 Sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe erfolgt ein Strafausspruch. Der Unterschied besteht in der Durchsetzbarkeit des Strafübels beim Betroffenen. Die Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB schränkt den Verurteilten in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein, wobei die Vollstreckung nicht von der „Mitwirkung“ des Täters abhängig ist. Bei der Geldstrafe gem. § 40 StGB, die in die allgemeine Handlungsfreiheit des Verurteilten gem. Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, ist die Vollstreckung von der Zahlungsfähigkeit des Betroffenen abhängig. Deshalb wird das Strafübel der Geldstrafe (Entzug von Handlungsmöglichkeiten) gegen das Strafübel der Ersatzfreiheitsstrafe (Entzug der Bewegungsfreiheit) ausgetauscht, da dieses sich unabhängig vom Verurteilten effektuieren lässt. Dies spricht dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe sowohl nach dem historischen Gesetzgeber als auch nach objektiver Sicht um eine echte Freiheitsstrafe handelt. Wenn angeführt wird, dass die Geldstrafe oft erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt wird, dann spricht dies eher dafür, dass die vollstreckungsrechtlichen Mittel zur Beitreibung nicht vollumfänglich ausgeschöpft wurden.392 Auch fehlt der Ersatzfreiheitsstrafe der für Beugemittel essenzielle Finalzusammenhang. Denn die Erzwingungshaft gem. § 96 Abs. 1 OWiG kann nicht gegen einen zahlungsunfähigen, sondern nur gegen einen zahlungsunwilligen Schuldner angeordnet werden. Als staatliches Zwangsmittel wäre die Ersatzfreiheitsstrafe dahingehend illegitim, da wenn die Uneinbringlichkeit der Geldstrafe positiv festgestellt ist, die Beugung nicht mehr zur Zahlung führen kann. Demzufolge handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB um eine echte Freiheitsstrafe. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein Strafübel, das vor allem der Normbekräftigung dient, dazu führen kann, dass das Strafrecht zum reinen „Demonstrationsstrafrecht“ verkommt. Den spezialpräventiven Aspekten kann dabei vor allem durch die Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB Rechnung getragen werden.

391  Puppe,

in: FS-Grünwald, S. 469, 478; Timm, Gesinnung und Straftat, S. 43. § 43 Rn. 2; Dolde, in: FS-Böhm, S. 581, 582; Köhne, JR 2004,

392  NK-Albrecht,

453, 454.



E. Ergebnis171

E. Ergebnis Im Wortlaut des § 43 S. 1 StGB finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine irgendwie geartete „verlängerte“ Geldstrafe handelt. Auch findet sich kein Anzeichen dafür, dass die Geldstrafe weiterhin fortbesteht oder sich lediglich sukzessive in eine entsprechende Freiheitsstrafe umwandelt. Wenn es sich bei der Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB um die anstaltsmäßige Einschränkung der Bewegungsfreiheit handelt,393 so gilt dies auch für die Ersatzfreiheitsstrafe. § 38 StGB bezieht sich allerdings nur auf Freiheitsstrafe im engeren Sinne, wobei sich die Abgrenzung zischen Freiheitsstrafen im engeren und weiteren Sinne nach der Zielsetzung der Bestimmung richtet.394 Grundsätzlich schließt § 38 Abs. 2 StGB Freiheitsstrafen unter einem Monat Verbüßungsdauer aus. Allerdings besteht rein faktisch auch bei den „echten“ Freiheitsstrafe die Möglichkeit, dass die tatsächliche Verbüßungsdauer durch Anrechnung gem. § 450 Abs. 1 StPO unter dieser einmonatigen Grenze liegt. Demzufolge ist die in § 38 Abs. 2 StGB vorgegebene zeitliche Dimension kein valides Abgrenzungs­ kriterium zwischen der regulären Freiheitsstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe. Nach § 2 S. 1 StVollzG soll der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dem Straftäter wird sogar ein Anspruch auf Resozialisierung395 zugesprochen. Darüber hinaus dient der Vollzug der Freiheitsstrafe gem. § 2 S. 2 StVollzG auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die physische Gewalt wird über den Täter ausgeübt, um ihn so von weiteren Taten abzuhalten.396 Dagegen kann der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer sich selbst „entlassen“, wenn er gem. § 459e Abs. 4 StPO während der Haft auf die noch ausstehende Geldstrafe leistet. Die Aufgabe der Ersatzfreiheitsstrafe ist es, die Geldstrafe abzusichern.397 Demnach würde es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nach deren Zielsetzung wohl eher um eine Freiheitsstrafe im weiteren Sinne handeln, die nicht ohne weiteres unter § 38 StGB zu subsumieren ist. Demgegenüber handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund der Historie des § 43 StGB um eine echte (Freiheits-)Strafe. Ausgangspunkt für die Ersatzfreiheitsstrafe, wie wir sie heute kennen, ist § 17 PStGB von 1851, welcher 20 Jahre später (1871) Eingang in § 28 RStGB fand. Die Diskussion 393  NK-Dünkel, § 38 Rn. 23; Seebode, in: FS-Küper, S. 577, 583; Walter, Strafvollzug, Rn. 22. 394  Fischer, § 38 Rn. 2; NK-Dünkel, § 38 Rn. 22. 395  BVerfGE 45, 187, 239. 396  Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 36. 397  MüKo-Radtke, § 43 Rn. 2.

172

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

um die Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung geht dabei auf allgemeine Reformansätze398 am Ausgang des 19. Jahrhundert zurück, deren erklärtes Ziel es war, die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen. Parallel zur Vollstreckungsaussetzung der kurzen Freiheitsstrafen entwickelte sich dabei auch die Diskussion um die Aussetzbarkeit der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. Da es sich bei der Vollstreckungsaussetzung von kurzen Freiheitsstrafen zur Bewährung um einen Akt der Gnade handelte, fehlte es an einer einheitlichen Regelung im deutschen Reich. Vielmehr konnte jeder Staat im Rahmen der eigenen Gnadenordnungen Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung erlassen. In diesem Zusammenhang war auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach dem weitüberwiegenden Teil der landesrecht­ lichen Regelungen aussetzbar. Dieser Zustand der Rechtszersplitterung in Bezug auf die Bewährungsvorschriften hielt bis zur Neugestaltung der §§ 23–25 StGB durch das 3. StrÄG 1953 an. Hierbei wurde die Möglichkeit der Strafaussetzung für Ersatzfreiheitsstrafen verworfen, da die Bewährungsvorschriften nur auf im Urteil verhängte Freiheitsstrafen Anwendung finden sollten. Dies markiert den Bruch zwischen Aussetzbarkeit der Vollstreckung einer richterlich verhängten Freiheitsstrafe und der Nichtaussetzbarkeit der Vollstreckung einer durch Gesetz umgewandelten Ersatzfreiheitsstrafe. Somit wurden Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen erst seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in Bezug auf die Aussetzbarkeit ihrer Vollstreckung unterschiedlich behandelt. Dies ändert jedoch nichts an der historischen Bewertung der Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung aussetzbar war. Überdies sprechen Erwägungen zur Systematik dafür, die Ersatzfreiheitsstrafe als echte (Freiheits-)Strafe zu beurteilen. Bereits der historische Gesetzgeber hat ein Klarstellungsbedürfnis bezüglich des Mindesmaßes der Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber dem in § 38 Abs. 2 StGB Geregelten gesehen. Um Wertungswidersprüche in Bezug auf andere ambulante Sanktionen wie dem Fahrverbot nach § 44 StGB und den freiheitsentziehenden Sanktionen untereinander zu vermeiden, ist es angezeigt, auch auf Ebene des Vollstreckungsrechts nach innovativen Lösungen zu suchen. Denn für den juristischen Laien ist es nicht nachvollziehbar, warum der Geldstrafenschuldner bei wirtschaftlichem Unvermögen in den Strafvollzug gehen, der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte jedoch durch eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB nicht den Strafvollzug antreten muss. Zudem würde eine Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach §§ 56 ff. StGB mit der ursprünglichen Ausnahmestellung kurzer Freiheitsstrafe nach § 47 StGB korrelieren. Denn in diesem Zusammenhang geht 398  Vgl.

statt vieler Liszt, ZStW 9 (1889), 737 ff.



E. Ergebnis173

nicht nur die Geldstrafe der Freiheitsstrafe vor, sondern auch die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ihrem Vollzug. Überdies kann nach § 59 StGB bereits die reguläre Geldstrafe vorbehaltlich verhängt und ihre Vollstreckung auf diesem Wege suspendiert werden. Auch kann zu Gunsten des Täters nach § 60 StGB auf die Verhängung eines Strafübels verzichtet werden. Wie bei § 60 StGB geht es auch bei der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe um eine Rechtsanwendung zu Gunsten des Täters, weshalb ihre Anwendung im Rahmen der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe in Erwägung zu ziehen ist. Überdies weist die Ersatzfreiheitsstrafe strukturelle Unterschiede zu den Beugemitteln wie der Erzwingungs- (§ 96 OWiG), der Ordnungs- (§ 51 Abs. 1 S. 2 StPO) und der Zwangshaft (§ 334 AO) auf. Ziel dieser Zwangsmittel ist die Durchsetzung anderer Maßnahmen, die nicht durch den Freiheitsentzug substituiert werden. Vielmehr bleiben die Anordnungsgegenstände (Erfüllung einer Mitwirkungspflicht bzw. Zahlung einer Geldschuld) auch nach Verbüßung der Haft bestehen. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der Ersatzfreiheitsstrafe als echter Strafe und der Ordnungsund Zwangshaft als reinem Beugemitteln. Aus der Stellung der Ersatzfreiheitsstrafe im Abschnitt über die Geldstrafe und der Möglichkeit, während der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe weiterhin auf die Geldstrafe leisten zu können, wird der Schluss gezogen, die Ersatzfreiheitsstrafe sei lediglich eine verlängerte Geldstrafe. Umgekehrt müsste allerdings auch die Beitreibung der Geldstrafe noch während der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe möglich bleiben, wenn es sich bei ihr um eine verlängerte Geldstrafe handeln würde. Dies ist allerdings gerade nicht der Fall. Jede weitere Beitreibungshandlung durch die Strafvollstreckungsbehörde ist nach dem Haftantritt unzulässig.399 Somit funktioniert dieses System nur einseitig zu Gunsten des Ersatzfreiheitsstrafenverbüßers. Darin ein Argument für das Weiterbestehen der Geldstrafe zu sehen, greift nicht durch. Überdies liegt eine vollstreckungsrechtliche Gleichstellung von Ersatzfreiheitsstrafe und originärer Freiheitsstrafe vor. Auch das Telos spricht für die Einordnung der Ersatzfreiheitsstrafe als echte (Freiheits-)Strafe. Dem historischen Gesetzgeber ging es bei Aufnahme der Ersatzfreiheitsstrafe in das StGB um die Abwehr eines Normgeltungsschadens. Sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe erfolgt ein Strafausspruch. Der Unterschied besteht in der Durchsetzbarkeit des Strafübels beim Betroffenen, die bei der Geldstrafe nicht immer gewährleistet ist. Deshalb wird das Straf399  Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 276; Laubenthal/Nestler, Strafvollstreckung, V. Rn. 287.

174

3. Teil: Die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe

übel der Geldstrafe (Entzug von Handlungsmöglichkeiten) gegen das Strafübel der Ersatzfreiheitsstrafe (Entzug der Bewegungsfreiheit) ausgetauscht, da dieses sich unabhängig vom Verurteilten effektuieren lässt. Wird angeführt, dass die Geldstrafe oft erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt wird, dann spricht dies eher dafür, dass die vollstreckungsrechtlichen Mittel zur Beitreibung nicht vollumfänglich ausgeschöpft wurden.400 Auch fehlt der Ersatzfreiheitsstrafe der für Beugemittel essenzielle Finalzusammenhang. Denn die Erzwingungshaft gem. § 96 Abs. 1 OWiG kann nicht gegen einen zahlungsunfähigen, sondern nur gegen einen zahlungsunwilligen Schuldner angeordnet werden. Als staatliches Zwangsmittel wäre die Ersatzfreiheitsstrafe dahingehend illegitim, wenn die Uneinbringlichkeit der Geldstrafe positiv festgestellt ist, da die Beugung in diesem Fall nicht mehr zur Zahlung führen kann. Demzufolge handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB um eine echte (Freiheits-)Strafe. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein Strafübel, welches vor allem der Normbekräftigung dient, dazu führen kann, dass das Strafrecht zum reinen „Demonstrationsstrafrecht“ verkommt. Den spezialpräventiven Aspekten könnte dabei vor allem durch die Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB Rechnung getragen werden. Auf der Grundlage dieser Betrachtung gilt es die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. §§ 56 ff. StGB zu diskutieren.

400  NK-Albrecht, § 43 Rn. 2; Dolde, in: FS-Böhm, S. 581, 582; Köhne, JR 2004, 453, 454.

4. Teil

Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften Mit der Bestimmung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB als echte (Freiheits-)Strafe ist der Weg zur Aussetzung ihrer Vollstreckung gem. §§ 56 ff. StGB eröffnet.

A. De lege lata Auf der Grundlage der obigen Ausführungen kommt eine Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe von Anfang an gem. § 56 StGB und nach begonnener Vollstreckung gem. § 57 StGB in Betracht.

I. Direkte Anwendbarkeit des § 56 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht gem. § 56 Abs. 1 StGB die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Fraglich ist bei der Ersatzfreiheitsstrafe, wann der Täter zu dieser Strafe verurteilt wird. Hier kann an zwei Zeitpunkte angeknüpft werden. Auf der einen Seite könnte auf den Zeitpunkt der Umwandlung einer Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe abgestellt werden. Auf der anderen Seite könnte mit auf den Zeitpunkt der Verhängung der Geldstrafe rekurriert werden. Im Rahmen der Fragen, ob die Ersatzfreiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe ohne Richterspruch darstellt und damit gegen Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG verstößt, geht das OLG Bremen davon aus, dass der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der Tagessätze trifft.1 Dem Richter sei bei der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der

1  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKoRadtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5.

176

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt.2 Auch der BGH spricht sich im Rahmen der Geldstrafenzumessung für die hypothetische Überlegung aus, wie vielen Tagen Freiheitsstrafe die Tat des Täters entsprechen würde.3 Gerade weil das Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 festlegt, sei die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich.4 Demnach ist die Ersatzfreiheitsstrafe der Verurteilung zu einer Geldstrafe immanent.5 Wenn allerdings mit der Verurteilung zur Geldstrafe auch die Verurteilung zur ihr immanenten Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt und diese eine echte (Freiheits-)Strafe darstellt, dann kann die Vollstreckung dieser gem. § 56 StGB ausgesetzt werden. § 56 Abs. 1 S. 1 StGB verlangt für eine Vollstreckungsaussetzung, dass es sich um eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr handelt und es muss zu erwarten sein, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt sowie künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Für die Prog­ noseentscheidung sind gem. § 56 Abs. 1 S. 2 StGB die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Ob diese Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung vorliegen, ist bei allen Ersatzfreiheitsstrafen zu prüfen, die auf einer Geldstrafe mit bis zu 360 Tagessätzen beruhen. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 StGB setzt das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei dieser Entscheidung sind namentlich gem. § 56 Abs. 2 S. 2 StGB das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen. Eine solche Vollstreckungsaussetzung kommt bei allen Ersatzfreiheitsstrafen in Betracht, die auf einer Geldstrafe mit bis zu 720 Tagessätzen beruhen. 1. Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 360 Tagessätzen Die Vollstreckung einer regulären Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird obligatorisch durch das Gericht nach § 56 Abs. 1 StGB ausgesetzt, wenn die 2  OLG

Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 27, 70, 72. 4  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141. 5  Baur, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vom 3. April 2019, S. 8. 3  BGHSt



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Verurteilung eine ausreichende Warnfunktion gegenüber dem Täter erfüllt und diesem eine günstige Prognose gestellt wird, er also nicht der Einwirkung durch den Strafvollzug bedarf. Grundsätzlich geht es um die Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne die Einwirkung durch den Strafvollzug künftig keine Straftaten begehen wird. In diesem Zusammenhang wird kein moralischer oder gesamtgesellschaftlicher Maßstab (Sozialprognose) angelegt,6 sondern die Prognose wird über das legale Verhalten des Täters (Legal- bzw. Kriminalprognose) gestellt.7 Bei allen Verurteilungen von mehr als sechs Monaten – über 180 Tagessätzen – darf die Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB nicht die Vollstreckung der Strafe gebieten. Bei Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafen unter sechs Monaten müssen somit lediglich die Prognoseindizien positiv vorliegen, um die Vollstreckung der Strafe nach § 56 Abs. 1 StGB auszusetzen. Der Ausschluss der Vollstreckungsaussetzung wegen der Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB kommt erst bei Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafe über sechs Monaten in Betracht. a) Allgemeine Prognoseindizien Kern der Prognose gem. § 56 Abs. 1 S. 1 StGB ist die Erwartung, dass der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Es kommt hierbei nicht auf eine moralische oder der allgemeinen Konvention entsprechende Lebensweise an. Es geht einzig um die Beachtung strafrechtlicher Verbote durch den Verurteilten.8 Deshalb ist diese eher als „Legalprognose“9 bzw. „Kriminalprognose“10 als von einer „Sozialprognose“11 zu bezeichnen. Die Kriminalprognose wird vom Gericht weitgehend intuitiv auf Grund seiner Erfahrung getroffen, wobei der Entscheidungsträger die wahrgenommenen Fakten auf der Basis seiner kriminologischen Kenntnisse verwertet.12 Dabei nimmt das Gericht eine individuelle Gesamtwürdigung aller täter- sowie tat-

6  MüKo-Groß/Kett-Straub,

§ 56 Rn. 16. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 198; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 110. 8  MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 16. 9  Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 15; S/S/W-Claus, § 56 Rn. 9. 10  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, §  56 Rn. 5; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 16. 11  Fischer, § 56 Rn. 3; SK-Schall, § 56 Rn. 11; NK-Ostendorf, § 56 Rn. 4; LKHubrach, § 56 Rn. 11. 12  Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 19; Lackner/Kühl-Heger, § 56 Rn. 14; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 781; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 201. 7  Schäfer/Sander/van

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bezogen Umstände vor.13 Der konkrete Einzelfall kann vom Durchschnitt der Fälle abweichen.14 Prognoseindizien sind gem. § 56 Abs. 1 S. 2 StGB: die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Da diese Parameter lediglich indizielle Funktion haben, müssen sie nicht wie ein Katalog abgearbeitet werden. Eine Aussetzung ist damit auch möglich, wenn nicht alle Indizien des § 56 Abs. 1 S. 2 StGB positiv erfüllt sind.15 Es gilt zum Zeitpunkt der Entscheidung nach den Ursachen für die abzuurteilende Tat zu fragen und zu evaluieren, ob diese Ursachen weiter fortbestehen oder ob neue hinzugekommen sind.16 Den wichtigsten Gesichtspunkt im Rahmen der Kriminalitätsprognose bildet die Persönlichkeit des zu Verurteilenden.17 Hierzu gehören vor allem Handlungsmotive und Beweggründe des Täters.18 Allein die Tatsache, dass es sich um Beschaffungskriminalität im Zusammenhang einer Drogensucht handelt, rechtfertige nach der Meinung des BGH die Versagung der Vollstreckungsaussetzung nicht.19 Eine unbehandelte Drogensucht sei kein Grund, die Aussetzung zu versagen.20 Für die Persönlichkeitsbeurteilung sie auch die Einsicht des Täters in das Unrecht der Tat bedeutsam.21 Eng verknüpft sind die Fragen zur Persönlichkeit des Täters mit dessen Vorleben. Hierbei spielen frühere Erziehungsmaßnahmen und etwaige Vorstrafen eine wichtige Rolle.22 Der zeitliche Abstand zur Vorstrafe ist relativierend zu berück­ sichtigen,23 das heißt hat der Täter in der Vergangenheit regelmäßig Straf­ taten begangen und liegt zwischen diesen und der neu abzuurteilenden Tat eine längere „Pause“, so lässt sich hieraus eine positive Tendenz ableiten.24 Die Lebensverhältnisse des Verurteilten beziehen sich primär auf sein soziales Umfeld. Im Speziellen können etwaige familiäre Strukturen (Kinder, 13  BGHSt 29, 370, 371; BGH NStZ-RR 2005, 38; Lackner/Kühl-Heger, § 56 Rn. 9. 14  NK-Ostendorf, § 56 Rn. 17; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 201. 15  MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 26. 16  NK-Ostendorf, § 56 Rn. 7. 17  Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 25; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 27. 18  Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 25. 19  BGH NJW 1991, 3289, 3290. 20  BGH NStZ-RR 2010, 107. 21  Sch/Sch-Kinzig, § 56 Rn. 26; MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 27. 22  BGH NStZ-RR 2005, 38; Lackner/Kühl-Heger, § 56 Rn. 10. 23  BGH StV 2003, 389, 390. 24  NK-Ostendorf, § 56 Rn. 9.



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Ehepartner, etc.) und eine regelmäßige Beschäftigung Indikatoren für ein geregeltes Alltagsleben sein.25 Die sonstigen Lebensverhältnisse sind im Vergleich zu den vorher genannten Indizien eher schwache Indikatoren, wenn ein Denken in Milieus vermieden werden soll.26 Weitaus wichtiger sind in diesem Zusammenhang die Wirkungen, die von der Aussetzung für das künftige Leben des Verurteilten zu erwarten sind. Dabei ist vor allem in Bezug auf die Lebensverhältnisse ein etwaiger Arbeitsplatzverlust und die damit einhergehenden Folgen für die Familie bzw. den Täter zu berücksichtigen.27 b) Prognoseindizien beim Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer Die Prognoseindizien für die Aussetzung der Strafvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe ergeben sich aus der Entscheidung über die Verhängung einer Geldstrafe. Wenn das Gericht sich für die Geldstrafe und kongruent für die Ersatzfreiheitsstrafe entscheidet, lehnt es gem. § 47 Abs. 1 StGB besondere Umstände, die in der Tat oder Persönlichkeit des Täters liegen, ab, die die Einwirkung durch Freiheitsstrafe unerlässlich machen. Konkludent wird damit erklärt, dass es gerade keiner Einwirkung durch eine Freiheitsstrafe auf den Täter bedarf. § 47 Abs. 1 StGB gibt damit den umgekehrten Beurteilungshorizont zu § 56 Abs. 1 StGB vor. Es wäre demnach widersprüchlich, nach der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe davon auszugehen, dass die Einwirkung durch Freiheitsentzug plötzlich notwendig ist. Denn die Uneinbringlichkeit bezeichnet einen Zeitpunkt nach der Tat, der keinen Einfluss auf die vom Tatgericht anzuordnende Aussetzung der Vollstreckung nach § 56 StGB haben kann. Die Kriterien, die im Rahmen des § 47 StGB relevant sind, ähneln den Prognosekriterien des § 56 StGB. Denn nach § 47 StGB werden prinzipiell Taten im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität28 mit einer Geldstrafe geahndet. Der Täter hat demnach gegenüber einer Tat, die mit Freiheitsstrafe belegt wird, eine geringere Schuld auf sich geladen.29 Geldstrafe wird gewählt, wenn dem Täter seine strafrechtliche Handlung nicht völlig gleichgültig ist und er wiederum eine Erreichbarkeit durch die Sanktion signalisiert.30 Einen Hinweis auf die Erreichbarkeit gibt dabei die Rückfallgeschwindigkeit 25  BGH

StV 1993, 243. dazu MüKo-Groß/Kett-Straub, § 56 Rn. 30, die von einem kriminellen Milieu sprechen. 27  BGH StV 1993, 243. 28  NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 32. 29  NK-Albrecht, § 40 Rn. 7. 30  Umkehrschluss aus NK-Streng, § 47 Rn. 4. 26  Vgl.

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des Täters.31 Überdies sprechen stabile Lebensverhältnisse und bisherige Straffreiheit für die Verhängung einer Geld- anstatt einer Freiheitsstrafe.32 Aus der Verhängung einer Geldstrafe können für den Verurteilten durchweg positive Prognoseindizien geschlussfolgert werden. Da gerade der Geldstrafenschuldner eine generelle Sanktionserreichbarkeit signalisieren muss, ist davon auszugehen, dass er sich bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe als Warnung dienen lässt. Es sprechen beim Geldstrafenschuldner zudem keine negativen Prognoseindizien dafür, dass er der Einwirkung durch den Strafvollzug bedarf, da eine solche Einwirkung bereits durch die Strafartwahl zu Gunsten der Geldstrafe als unnötige eingestuft wurde. Auch die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat und seine Lebensverhältnisse sind alles Punkte, die bereits im Rahmen der Strafartwahl eine gewichtige Rolle gespielt und damit den Ausschlag für die Geld- und gegen die Freiheitsstrafe gegeben haben. c) Kein Ausschluss wegen Verteidigung der Rechtsordnung Nach § 56 Abs. 3 StGB muss bei allen Freiheitsstrafen und damit auch bei allen Ersatzfreiheitsstrafen über sechs Monaten das negative Kriterium – kein Ausschluss wegen Verteidigung der Rechtsordnung – erfüllt sein. Bei der Verteidigung der Rechtsordnung geht es um positiv generalpräventive Gesichtspunkte, wie den Erhalt und die Stärkung der Rechtstreue. Negativ generalpräventive Aspekte, also die Abschreckung anderer potentieller Täter, können für die Bewährungsprognose des Einzelnen hingegen keine Rolle spielen.33 Als Umkehrschluss aus § 47 Abs. 1 StGB ergibt sich ebenfalls an dieser Stelle, dass eine Geldstrafe nach § 40 Abs. 1 StGB nur dann verhängt werden darf, wenn es keiner Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung bedarf. Wenn es allerding schon keiner Freiheitsstrafe zum Erhalt und zur Stärkung des Rechtsvertrauens bedarf, kann auch keine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung angezeigt sein. Demzufolge kann bei einer auf einer Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe kein Ausschluss der Vollstreckungsaussetzung wegen Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB in Betracht kommen.

31  MüKo-Maier,

§ 47 Rn. 37. § 47 Rn. 4. 33  NK-Ostendorf, § 56 Rn. 32. 32  NK-Streng,



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2. Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 720 Tagessätzen Die höchstmögliche Ersatzfreiheitsstrafe, die aus der Bildung einer Gesamtstrafe hervorgehen kann, beträgt gem. § 54 Abs. 2 S. 2 StGB 720 Tagessätze, was einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren entspricht. Die Vollstreckungsaussetzung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren richtet sich nach § 56 Abs. 2 S. 1 StGB. Eine Aussetzung kommt gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB unter den Voraussetzungen des Abs. 1 in Betracht, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Beispielhaft wird hier in § 56 Abs. 2 S. 2 StGB das Bemühen genannt, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen. Die Prognosekriterien, die für die Anordnung der Vollstreckungsaussetzung relevant sind, müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung und nicht zum Zeitpunkt der Tat positiv vorliegen.34 Im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafbildung gem. § 55 Abs. 1 StGB ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Prognosekriterien der der aktuellen Entscheidung und nicht der der letzten Vorverurteilung. Es können Umstände herangezogen werden, die dem ursprünglichen Tatrichter noch unbekannt waren oder die erst später entstanden sind.35 Demzufolge werden die Prognosekriterien des Abs. 1 angelegt. Diese allgemeinen Prognosekriterien sind bei einer auf Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe generell erfüllt. Darüber hinaus verlangt § 56 Abs. 2 S. 1 StGB besondere Umstände, die in der Tat und der Person des Täters liegen. Ursprünglich war damit eine einmalige Tatbegehung gemeint, die auf eine besondere Konfliktlage zurückzuführen ist, in der sich der Täter zum Tatzeitpunkt befand.36 Anfänglich sollte die Anwendung des § 56 Abs. 2 S.1 StGB auf extreme Ausnahmefälle begrenzt bleiben, die der Tat zu Gunsten des Täters den Stempel der Außergewöhnlichkeit aufdrückt.37 Von dieser Prämisse rückte allerdings die Rechtsprechung immer mehr ab.38 An der Annahme, dass es sich um eine Tat mit Ausnahmecharakter handeln muss, will der BGH nicht mehr festhalten. Die Vollstreckungsaussetzung nach § 56 Abs. 2 S. 1 StGB solle zu Gunsten des Täters weniger einschränkend angewandt werden. Besondere Umstände i. S. d. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB lägen vor, wenn sie im Vergleich zu „gewöhnlichen“ Milderungsgründen von besonderem Gewicht seien und eine Vollstreckungsaussetzung trotz des erheblichen

34  NK-Ostendorf,

§ 56 Rn. 7. 7, 180, 182; BGH StV 2004, 480, 481; StV 1992, 417. 36  BT-Drucks. V/4094, S. 11. 37  BGH NJW 1977, 639. 38  Vgl. dazu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 235. 35  BGHSt

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Unrechts- und Schuldgehalts als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erschienen.39 In diesem Zusammenhang muss es sich überdies nicht mehr um eine einmalige Tat handeln, sondern es kann sogar die Vollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.40 Dabei hat die Zahl der begangenen Taten lediglich Bedeutung für die Zukunftsprognose und die Frage, ob besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters liegen.41 Auch hier kann damit argumentiert werden, dass prinzipiell keine Gesamtfreiheitsstrafe, sondern nur eine Gesamtgeldstrafe gegen den Täter verhängt wurde, dem somit generell eine positive Kriminalprognose zu stellen ist. Er bedarf aufgrund seiner Persönlichkeit gerade nicht der Einwirkung durch den Strafvollzug. Die Gesamtwürdigung ergibt somit für den Gesamtgeldstrafenschuldner, dass besondere Umstände – insbesondere Taten im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität sowie eine Täterpersönlichkeit, die eben keiner Einwirkung durch den Strafvollzug bedarf – vorliegen, die eine Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB rechtfertigen würden. 3. Zuständigkeit des Tatgerichts Für die Beurteilung der Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei grundsätzlich das Tatgericht zuständig. Nur das Tatgericht kennt die Akten und kann anhand derer die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung der Aussetzung auf den Täter gem. § 56 Abs. 1 S. 2 StGB beurteilen. Der Gesetzgeber wollte die Zuständigkeit zwischen dem Tat- und dem Vollstreckungsgericht prinzipiell nach Sachnähe verteilen. Die Feststellungen der für die Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB relevanten Tatsachen kann nur das Tatgericht aufgrund der Hauptverhandlung und Aktenlage leisten. Die Vollstreckungsbehörde ist dabei an die vom Tatgericht nach § 56 StGB getroffenen Entscheidung gebunden.42 Demnach hat das Tatgericht den Beschluss über die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 268a Abs. 1 StPO bei Verhängung der Geldstrafe zu treffen. Das Tatgericht kann bereits zu diesem Zeitpunkt eine Bewährungszeit (§ 56a StGB), Auflagen (§ 56b StGB), Weisungen (§ 56c StGB) und die Bewährungshilfe (§ 56d StGB) bestimmen.

39  BGHSt

29, 370, 375; BGH StV 1982, 419, 420; 1982, 570. 29, 370 ff. 41  BGHSt 29, 370, 377. 42  Vgl. dazu die Schwurgerichtslösung des BVerfGE 86, 288, 320 ff. 40  BGHSt



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Nach der Rechtskraft des Urteils und der Vollstreckung der Geldstrafe gem. § 449 StPO sowie der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gem. § 43 StGB i. V. m. § 459e StPO ist die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde gem. § 451 Abs. 1 StPO zuständig. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe und somit auch die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei aufschiebend bedingt von der Zahlung auf die Geldstrafe gem. § 459e Abs. 4 StPO bzw. der Ableistung freier Arbeit gem. Art. 293 EGStGB abhängig. Fraglich ist, was passiert, wenn der Verurteilte bereits auf einen Teil der Geldstrafe geleistet hat und nur der Geldstrafenrest uneinbringlich ist. Prinzipiell sinkt bei Teilzahlung die Ersatzfreiheitsstrafe quotal und bei Verbüßung von Tagesbruchteilen reduziert sich der jeweilige Tagessatz.43 Eine Teilzahlung kommt in diesem Sinne wohl der Erfüllung einer Zahlungsauflage gem. § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB gleich. Dem Gericht steht es frei, in einer nachträglichen Entscheidung gem. § 453 Abs. 1 StPO bei Auflagenerfüllung und günstiger Kriminalprognose die Bewährungszeit auf das Mindestmaß von zwei Jahren zu verkürzen.44 Das Gericht des ersten Rechtszugs kann gem. § 453 Abs. 1 StPO eine nachträgliche Entscheidung in Bezug auf die Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung ohne mündliche Verhandlung treffen, wenn nachträglich Umstände hervorgetreten sind, die eine Veränderung der durch Beschluss gem. § 268a StPO getroffenen Entscheidung nötig machen.45 Es handelt sich gem. § 453 Abs. 1 StPO um die Anpassung der Bewährungszeit (§ 56a StGB), Auflagen (§ 56b StGB), Weisungen (§ 56c StGB), Bewährungshilfe (§ 56d StGB), dem Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f StGB) und dem Straferlass (§ 56g StGB). 4. Vollstreckungsfolge Demzufolge kann das Gericht des ersten Rechtszuges die Vollstreckung aller Ersatzfreiheitsstrafen, die auf einer Geldstrafe unter 360 Tagessätzen beruhen, nach § 56 Abs. 1 S. 1 StGB aussetzen. Überdies kann das Gericht die Vollstreckung aller Ersatzfreiheitsstrafen, die auf Geldstrafen über 360 und unter 720 Tagessätzen zurückzuführen sind, gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB aussetzen. Da nach § 40 Abs. 1 StGB die Einzelstrafe nicht 360 Tagessätze und nach § 54 Abs. 2 StGB die Gesamtstrafe nicht 720 Tagessätze übersteigen darf, fallen alle nach dem Gesetz möglichen Ersatzfreiheitsstrafen in den Anwendungsbereich des § 56 StGB. Wird neben einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe gem. § 41 StGB verhängt, so sind diese beiden Strafen 43  SK/StPO-Paeffgen,

§ 459e Rn. 6. § 56a Rn. 6. 45  KK-Appl, § 453 Rn. 1; MüKo/StPO-Nestler, § 453 Rn. 1. 44  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg,

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

grundsätzlich nicht gem. § 53 Abs. 2 S. 1 StGB gesamtstrafenfähig.46 Allerdings kommt auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung beider Strafen gem. § 56 StGB in Betracht, wenn eine hypothetische Gesamtstrafenbildung zu einer Gesamtstrafe von nicht mehr als 720 Tagessätzen führt. Denn bereits bei der Strafzumessung im Rahmen der Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe gem. § 41 StGB muss die Strafe in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein, da § 41 StGB nicht die Geldstrafe als „Zusatzstrafe“ neben der Freiheitsstrafe erlaubt.47 Dies bedeutet jedoch rein faktisch, dass eine hypothetische Gesamtstrafe zu bilden ist. Nach § 56 Abs. 4 S. 1 StGB kann nur die gesamte Vollstreckung einer Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Somit kann auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht in Teilen, sondern lediglich vollständig ausgesetzt werden. Wird die Vollstreckungsaussetzung während der Bewährungszeit nicht nach § 56f StGB widerrufen, so bewährt sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer während dieser Zeit. In diesem Fall würde das Gericht die Ersatzfreiheitsstrafe und damit auch die Geldstrafe nach § 56g Abs. 1 S. 1 StGB erlassen.

II. Direkte Anwendung des § 57 StGB Generell kommt neben der anfänglichen Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB auch die Aussetzung des Vollstreckungsrests der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB in Betracht. Vor allem für den Fall, dass die der Geldstrafe immanente Verurteilung zur Ersatzfreiheitsstrafe abgelehnt wird, würde die Vollstreckungsrestaussetzung eine weitere Möglichkeit eröffnen, dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer zumindest einen Teil seiner Haftzeit zu ersparen. Das Gericht setzt gem. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB den Vollstreckungsrest einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind. Durch die Mindestverbüßungszeit von zwei Monaten wird die Vorschrift auf nur wenige Ersatzfreiheitsstrafen praktisch Anwendung finden. Nichtdestotrotz befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer in der gleichen Situation wie der zu Freiheitsstrafe Verurteilte,48 womit zumindest für alle Ersatzfreiheitsstrafen über zwei Monaten die Vollstreckungsrestaussetzung zu diskutieren ist. 46  BeckOK-Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 7, Lackner/Kühl-Kühl, § 53 Rn. 4; NKFrister, § 53 Rn. 22. 47  BGH NStZ-RR 2014, 338, 339. 48  OLG Koblenz NStZ 1987, 120  f.; NStZ 1995, 254; zustimmend BeckOKv. Heintschel-Heinegg, § 57 Rn. 3; Sch/Sch-Kinzig, § 57 Rn. 4; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7.



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Grundsätzlich fraglich ist, ob §§ 459 bis 459i StPO abschließende Regelungen im Rahmen der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen darstellten.49 Eine ähnliche Wirkung wie die Restvollstreckungsaussetzung gem. § 57 StGB hat wohl lediglich die Anordnung, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459f StPO unterbleibt50, da § 459f Abs. 1 StPO auch zur Anwendung gelangen kann, während die Ersatzfreiheitsstrafe bereits vollstreckt wird51. 1. Verhältnis von § 459f StPO gegenüber § 57 StGB Fraglich ist, ob § 57 StGB noch ein separater Anwendungsbereich gegenüber § 459f StPO zukommt. Dies ist anzunehmen, wenn § 459f StPO nicht alle möglichen Fälle erfasst, die ebenso unter § 57 StGB fallen würden. Nach § 459f Abs. 1 StPO kann die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine „unbillige Härte“ bedeutet. Wie bereits ausgeführt52, genügt die unverschuldete Mittellosigkeit53 für die Annahme einer unbilligen Härte nicht. Es müssen darüberhinausgehende Umstände hinzutreten, die die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe geradezu „ungerecht“ erscheinen lassen.54 Bei der Bestimmung der „unbilligen Härte“ ist nach der Rechtsprechung55 auf den Einzelfall abzustellen. Problematisch stellt sich die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vor allem im Falle der Insolvenz des Geldstrafenschuldners dar, da in diesem Fall eine „unbillige Härte“ für den Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer durch die Rechtsprechung abgelehnt wird.56 Dem Geldstrafenschuldner bleibt in diesem Fall lediglich die Möglichkeit, die Geldstrafe durch freie Arbeit gem. § 293 Abs. 1 EGStGB i. V. m. den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften abzuleisten, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden. Gegen Schuldner, die dazu physisch oder psychisch 49  OLG Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; Fischer, § 57 Rn. 3; SK-Schall, § 57 Rn. 4; wohl auch Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S.  91 ff. 50  Frank, NJW 1978, 141, 143. 51  Meyer-Goßner/Schmitt/StPO-Schmitt/Köhler, § 459f Rn. 1. 52  1.  Teil B. III. 2. 53  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; OLG Düsseldorf VRS 77 (1989), 454, 455; MDR 1985, 76; 1983, 341; Schädler, ZRP 1983, 5, 7. 54  LR/StPO-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 5. 55  OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 287, 288; OLG Schleswig StV 1998, 673; OLG Düsseldorf MDR 1985, 57. 56  BVerfG NJW 2006, 3626; 3627; LG Göttingen wistra 2016, 167, 168; LG Osnabrück Rpfleger 2007, 111, 112; LG Leipzig ZIP 2002, 142.

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nicht in der Lage sind, wird dann die Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet und vollstreckt. Gerade in diesem Fall erscheint die Anwendung der Bewährungsvorschriften nach § 57 Abs. 1 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB angezeigt. Zudem hätte die Aussetzung der Vollstreckung den entscheidenden Vorteil, dass der Insolvenzschuldner wieder in Freiheit einer geregelten Beschäftigung nachgehen kann. Eine solche erhöht überdies die Chancen, dass die Gläubiger aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Somit besteht im Fall der Insolvenz ein Bedürfnis neben der Härteklausel des § 459f StPO den § 57 StGB anzuwenden. 2. Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB Das Gericht setzt nach § 57 Abs. 1 StGB die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn folgende Voraussetzung kumulative vorliegen: (1) zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind; (2) dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und (3) die verurteilte Person einwilligt. Überdies sind bei der Entscheidung die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zur berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind. Mit anderen Worten geht es auch hier darum, ob der Person eine positive Legalprognose gestellt werden kann. a) Zeitige Freiheitsstrafe i. S. v. § 57 Abs. 1 StGB Grundsätzlich befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer in der gleichen Situation, wie der Verbüßer einer regulären zeitigen Freiheitsstrafe.57 Grundvoraussetzung ist damit, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine zeitige Freiheitsstrafe i. S. d. § 57 Abs. 1 StGB handelt. Zeitig ist eine Freiheitsstrafe gem. § 38 Abs. 1 StGB, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht. Unter diese Legaldefinition fällt auch die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB.58 Die Ersatzfreiheitsstrafe ist somit eine zeitige Freiheitsstrafe i. S. d. § 57 Abs. 1 StGB. 57  OLG Koblenz NStZ 1995, 254; OLG Düsseldorf NJW 1977, 308; Sch/SchKinzig, § 57 Rn. 4; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7; Dölling, NStZ 1981, 86; ehemals ebenso OLG Hamm StV 1998, 151; OLG Zweibrücken NJW 1976, 155. 58  BGHSt 20, 13, 16; Dölling, NStZ 1981, 86, 87; a. A. OLG Oldenburg NStZRR 2007, 253; OLG Jena NStZ 1999, 317; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380; SKSchall, § 57 Rn. 4.



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b) Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer Die Entscheidung nach § 57 StGB trifft, anders als im Rahmen des § 56 StGB, nicht das Gericht des ersten Rechtszuges, sondern gem. § 462a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt. c) Zwei Drittel der verhängten Strafe Das Problem der Restaussetzung durch die zwei Monatsgrenze nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird praktisch erst bei Ersatzfreiheitsstrafen relevant, die auf einer Geldstrafe von mehr als 60 Tagessätzen beruhen – wirklich virulent bei mindestens 90 Tagessätzen.59 In diesem Zusammenhang wird wie bei § 56 StGB kritisiert, dass es sich bei der verhängten Strafe im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe um eine Geldstrafe und nicht um eine reguläre Freiheitsstrafe handele.60 Allerdings macht es anders als bei der Anwendung des § 56 StGB faktisch keinen Unterschied für den Freiheitsstrafenverbüßer, ob er durch Urteil, Strafbefehl oder aber Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe in der Strafanstalt „einsitzt“. § 56 StGB suspendiert bereits die gesamte Vollstreckung einer Strafe vor Strafantritt, wohingegen sich § 57 StGB lediglich auf die Restvollstreckung einer im Vollzug befindlichen Freiheitsstrafe auswirkt. Den Bezugspunkt für die Bestimmung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes bildet dabei die vormals verhängte Strafe. Wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer selbst Herr über seine eigene vorzeitige Entlassung ist, da er noch während der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Geldstrafe leisten und dadurch den eigenen Freiheitsentzug aktiv stoppen kann,61 so gilt dies wiederum nur für Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer, die fremde Geldquellen für die Zahlung akquirieren können. Denn offiziell wurde in das Vermögen des Geldstrafenschuldner vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe zwangsvollstreckt, womit ihm lediglich die zum Leben notwendigen Mittel bleiben sollen.62 Überdies stellt das Argument, während der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe weiterhin auf die Geldstrafe leisten zu kön59  So

auch NK-Dünkel, § 57 Rn. 6. Hamm StV 2010, 696, 697; Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380; wohl auch OLG Jena NStZ 1999, 317. 61  Oldenburg NStZ-RR 2007, 253; OLG Jena NStZ 1999, 317; OLG Celle, NStZ 1998, 533, 534; OLG Bamberg NStZ-RR 1998, 380. 62  Groß, StV 1999, 508, 509, bezeichnet die Argumentation des OLG Celle und des OLG Jena für Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer, die kein Geld haben und überdies keine gemeinnützige Arbeit leisten können, als zynisch. 60  OLG

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nen, kein Gegenargument für die Anwendung des § 57 StGB dar. Denn es entspricht hier eher der geringeren Schuld, die der Ersatzfreiheitsstrafen­ verbüßer gegenüber dem regulären Freiheitsstrafenverbüßer auf sich geladen hat, ihm neben der regulären Restaussetzung gem. § 57 StGB eine weitere Möglichkeit zur Abwendung der Vollstreckung zuzugestehen. d) Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Die Frage, ob die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe im Hinblick auf das Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB verantwortet werden kann, ist eng verknüpft mit der Prog­ noseentscheidung über die Täterpersönlichkeit.63 In diesem Zusammenhang wird vor allem das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes virulent. Denn je schwerer der Schaden bei einem Rückfall perspektivisch sein wird, desto stärker wird das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit berührt.64 Die bloße abstrakte Möglichkeit einer Tatbegehung mag allerdings auch in Fällen schwerer Kriminalität nicht genügen, um den Verurteilten die Aussetzung des Strafrestes zu verweigern.65 Vielmehr müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, die einen Rückfall begründen. Eine mangelnde oder unvollständige Sachaufklärung darf dabei nicht zu Lasten des Verurteilten gehen.66 Demzufolge ist zu Gunsten des Verurteilten durch die Vollstreckungskammer ein vertretbares Risiko einzugehen, diesem die Aussetzung der Restvollstreckung zu gewähren.67 Da die Ersatzfreiheitsstrafe nur im Rahmen von Bagatelldelikten und Delikten im Bereich der leichten Kriminalität in Betracht kommt, werden der Aussetzbarkeit der zu vollstreckenden Restersatzfreiheitsstrafe keine Sicherheitsinteressen der Gesellschaft entgegenstehen. Der geringe Schaden, der bei einem Rückfall des Verurteilten droht, kann nicht die Weitervollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtfertigen. e) Einwilligung des Verurteilten Eine weitere formale Voraussetzung stellt die Einwilligung des Verurteilten in die Aussetzung der Vollstreckung seiner Restfreiheitsstrafe gem. § 57 63  S/S-Kinzig,

§ 57 Rn. 15. 117, 71, 99; BGH NStZ-RR 2012, 8; OLG Saarbrücken NJW 1999, 439; OLG Koblenz NJW 1981, 1522. 65  OLG Oldenburg BeckRS 1998, 09281 Rn. 6; S/S-Kinzig, § 57 Rn. 15; NKDünkel, § 57 Rn. 19. 66  BVerfG BeckRS 2016, 41106 Rn. 16. 67  BVerfGE 117, 71, 98. 64  BVerfGE



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Abs. 1 Nr. 3 StGB dar.68 Hintergrund ist, dass dem Verurteilten die im Rahmen der Strafaussetzung notwendige Mitarbeit nicht aufgezwungen werden darf.69 Der Verurteilte kann ein Interesse daran haben, seine freiheitsentziehende Strafe vollumfänglich zu verbüßen und so durch die Verweigerung der Einwilligung seine vorzeitige Entlassung zu verhindern. Die Motive für diese Verweigerung sind dabei nicht von Belang. Dass diese auch nicht ehrwürdigen Gründen, wie dem Interesse, „alles hinter sich zu lassen“, entspringen kann oder einem kontrollierten Leben auf Bewährung zu entgehen, schadet dabei nicht.70 Auch der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer müsste demnach in seine vorzeitige Entlassung einwilligen. Er hat es wie auch der normale Freiheitsstrafenverbüßer in der Hand, sich für die Weitervollstreckung seiner Strafe oder für die Bewährungszeit unter etwaigen Auflagen sowie Weisungen und damit gegen die weitere Vollstreckung zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann auch die Meinung71 nicht überzeugen, die davon ausgeht, dass die Anwendung des § 57 StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe zu einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung (lange Bewährungszeit und gegebenenfalls Auflagen und Weisungen) für den Geldstrafen- und späteren Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer führe. Dieser kann vielmehr selbst darüber entscheiden, ob er den Rest der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig verbüßen will oder vorzeitig durch Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen werden möchte. Überdies ist auch an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass eine Aussetzung ohne Auflagen und Weisungen, bei der lediglich eine Bewährungszeit bestimmt wird, keine höheren Anforderungen an den Betroffenen stellt als an jeden Anderen innerhalb unseres Rechtsstaates. f) Prognoseentscheidung Wie bei § 56 StGB ist auch bei § 57 StGB nach dessen Abs. 1 S. 2 eine Kriminalprognose für den Täter zu stellen. Hierbei von Bedeutung sind neben der Persönlichkeit, das Vorleben des Täters, die Umstände der Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts (eng verknüpft mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit), das Verhalten des Betroffenen im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von einer Aussetzung für ihn zu erwarten ist. Demnach werden im Rahmen des § 57 Abs. 1 S. 2 StGB die gleichen Prognosekriterien relevant wie bei § 56 Abs. 1 S. 2 68  A. A. Laubenthal, JZ 1988, 951 ff.; so auch Fischer, StGB, § 57 Rn. 19; SKSchall, § 57 Rn. 13; Jescheck/Weigend, AT, § 79 S. 850. 69  NK-Dünkel, § 57 Rn. 44. 70  Groß, in: FS-Reiß, S. 691, 693 f. 71  NK-Dünkel, § 57 Rn. 6, SK-Schall, §57 Rn. 4.

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

StGB. Aus diesem Grund kann an dieser Stelle auf die Ausführungen unter 4. Teil A. I. 2. e) verwiesen werden. Dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer ist grundsätzlich eine positive Legalprognose zustellen. g) Vollstreckungsfolgen Im Rahmen der Aussetzbarkeit des Vollstreckungsrestes bei der Ersatzfreiheitsstrafe wird der Einwand erhoben, dass eine zweijährige Bewährungszeit nach § 57 Abs. 3 i. V. m. § 56a Abs. 1 StGB bei einer im Regelfall auszusetzenden Vollstreckung von 30–60 Tagessätzen unverhältnismäßig sei.72 Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass der Geldstrafenschuldner und spätere Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer wie jeder andere Freiheitsstrafenverbüßer eine Straftat begangen hat.73 Zudem kann eine reine Bewährungszeit nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, da von dem Betroffenen kein anderes Verhalten verlangt wird als von jedem anderen in Freiheit Lebenden. Neben der Bewährungszeit nach § 56a StGB können gem. § 57 Abs. 3 StGB Auflagen und Weisungen durch die Vollstreckungskammer ausgesprochen werden. Hieran wird kritisiert, dass gerade diese Institute nicht zur Ersatzfreiheitsstrafe passten.74 Allerdings bedarf die Restaussetzung der Strafvollstreckung nach § 57 StGB gerade aus diesem Grund der Zustimmung des Verurteilten, da diesem keine Auflagen oder Weisungen aufgedrängt werden sollen. Warum der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer anderes zu behandeln ist, als der reguläre Freiheitsstrafenverbüßer ist nicht einsichtig. Denn er kann genauso wie dieser seine Zustimmung zur Aussetzung unter Auflagen und Weisungen verweigern, wenn er sich durch diese benachteiligt fühlt und die restliche Ersatzfreiheitsstrafen lieber komplett verbüßen möchte. 3. Folgen für die Geldstrafe Bereits Bublies merkt an, dass bei einer Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB das Schicksal der Geldstrafe völlig ungeklärt sei. Die zentralen Fragen seien, ob die Beitreibungsmöglichkeiten der Geldstrafe während der Bewährungszeit wiederauflebten und was mit der Bewährungszeit geschehe, wenn der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer während der Bewährung auf die Geldstrafe leisten würde.75 Da ein Spurwechsel von der Geldstrafe hin zur Ersatzfreiheitsstrafe stattgefunden hat, leben die Bei72  NK-Dünkel,

§ 57 Rn. 6. StV 1999, 508, 510. 74  SK-Schall, § 57 Rn. 4. 75  Bublies, Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe, S. 84 ff. 73  Groß,



A. De lege lata191

treibungsmöglichkeiten während der Bewährungszeit nicht einfach wieder auf. Die Vollstreckungsbehörde hatte die Chance, die Geldstrafe während des regulären Beitreibungsprozesses einzutreiben. Führt die Beitreibung in dieser Zeit nicht zum Erfolg, so kann sie später nicht einfach wiederaufleben. Will der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer allerdings während seiner Bewährungszeit noch auf die ursprüngliche Geldstrafe leisten, um seine Bewährungszeit zu verkürzen oder einen Widerruf der Bewährung abzuwenden, so könnte die Bewährung unter die auflösende Bedingung der restlichen Geldstrafenzahlung gestellt werden. Die Gewährung einer solchen auflösenden Bedingung würde wiederum mit der Möglichkeit korrelieren, dass der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer auch während der Haft noch auf die Geldstrafe leisten und so die Vollstreckung beenden kann. Für dieses Ergebnis spricht ebenfalls die Rechtsnatur der Ersatzfreiheitsstrafe als echter (Freiheits-)Strafe, die als kurze Freiheitsstrafe gem. § 47 StGB nur in Ausnahmefällen zu vollstrecken ist und letztlich nicht zum reinen „Demonstrationsstrafrecht“ im Rahmen der Normbekräftigung verkommen darf.

III. Ergebnis Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht gem. § 56 Abs. 1 StGB die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteile sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Mit dem OLG Bremen ist davon auszugehen, dass der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der ­Tagessätze trifft.76 Dem Richter ist bereits im Rahmen der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt.77 Auch der BGH spricht sich bei der Bestimmung der Tagessätze für die hypothetische Überlegung aus, wie vielen Tagen Freiheitsstrafe die Tat des Täters entsprechen würde.78 Hinzu kommt, dass das Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 vorgibt, womit die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich ist.79 Die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB ist der Verurteilung zu einer Geldstrafe 76  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKo-Radtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5. 77  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 78  BGHSt 27, 70, 72. 79  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141.

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

gem. § 40 StGB immanent,80 weshalb die Aussetzung ihrer Vollstreckung bereits in der Entscheidung über die Geldstrafe gem. § 56 StGB erfolgen kann. Für eine Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 Abs. 1 StGB muss dem Verurteilten eine positive Legalprognose gestellt werden können. Die Prognose­ indizien für die Aussetzung der Strafvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe ergeben sich dabei aus der Entscheidung über die Verhängung einer Geldstrafe. Wenn das Gericht sich für die Geldstrafe und kongruent für die Ersatzfreiheitsstrafe entscheidet, lehnt es gem. § 47 Abs. 1 StGB besondere Umstände, die in der Tat oder Persönlichkeit des Täters liegen, ab, die die Einwirkung durch Freiheitsstrafe unerlässlich machen. Gleichzeitig wird damit erklärt, dass es gerade keiner Einwirkung durch eine Freiheitsstrafe auf den Täter bedarf. § 47 Abs. 1 StGB gibt damit den umgekehrten Beurteilungshorizont zu § 56 Abs. 1 StGB vor. Es wäre demnach widersprüchlich, nach der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe davon auszugehen, dass die Einwirkung durch Freiheitsentzug nunmehr notwendig ist. Denn die Uneinbringlichkeit bezeichnet einen Zeitpunkt nach der Tat, der keinen Einfluss auf die vom Tatgericht anzuordnende Aussetzung der Vollstreckung nach § 56 StGB haben kann. Nach § 47 StGB werden prinzipiell Taten im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität81 mit einer Geldstrafe geahndet. Der Täter hat demnach gegenüber einer Tat, die mit Freiheitsstrafe belegt wird, eine geringere Schuld auf sich geladen.82 Eine Geldstrafe wird gewählt, wenn dem Täter seine strafrechtliche Handlung nicht völlig gleichgültig ist und er wiederum eine Erreichbarkeit durch die Sanktion signalisiert.83 Einen Hinweis auf die Erreichbarkeit gibt dabei die Rückfallgeschwindigkeit des Täters.84 Überdies sprechen stabile Lebensverhältnisse und bisherige Straffreiheit für die Verhängung einer Geld- anstatt einer Freiheitsstrafe.85 Aus der Verhängung einer Geldstrafe können für den Verurteilten durchweg positive Prognoseindizien geschlussfolgert werden. Als Umkehrschluss aus § 47 Abs. 1 StGB ergibt sich ebenfalls an dieser Stelle, dass eine Geldstrafe nach § 40 Abs. 1 StGB nur dann verhängt werden darf, wenn es keiner Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung bedarf. Wenn es allerding schon keiner Freiheitsstrafe zum Erhalt und zur 80  Baur, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vom 3. ­April 2019, S. 8. 81  NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 32. 82  NK-Albrecht, § 40 Rn. 7. 83  Umkehrschluss aus NK-Streng, § 47 Rn. 4. 84  MüKo-Maier, § 47 Rn. 37. 85  NK-Streng, § 47 Rn. 4.



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Stärkung des Rechtsvertrauens bedarf, kann auch keine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung angezeigt sein. Demzufolge kann bei einer auf einer Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe kein Ausschluss der Vollstreckungsaussetzung wegen Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB in Betracht kommen. Im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafbildung gem. § 55 Abs. 1 StGB ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Prognosekriterien der der aktuellen Entscheidung und nicht der der letzten Vorverurteilung. Es können Umstände herangezogen werden, die dem ursprünglichen Tatrichter noch unbekannt waren oder die erst später entstanden sind.86 Demzufolge werden die Prognosekriterien des Abs. 1 angelegt. Diese allgemeinen Prognosekriterien sind bei einer auf Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe generell erfüllt. In diesem Zusammenhang muss es sich überdies nicht mehr um eine einmalige Tat handeln, sondern es könne sogar die Vollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.87 Auch hier kann damit argumentiert werden, dass prinzipiell keine Gesamtfreiheitsstrafe, sondern nur eine Gesamtgeldstrafe gegen den Täter verhängt wurde, dem somit generell eine positive Kriminalprognose zu stellen ist. Er bedarf aufgrund seiner Persönlichkeit gerade nicht der Einwirkung durch den Strafvollzug. Demzufolge ist auch eine Aussetzung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen bis zu zwei Jahren im Rahmen der Entscheidung über die Gesamtgeldstrafe gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB möglich. Für die Beurteilung der Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei grundsätzlich das Tatgericht zuständig. Nur das Tatgericht kennt die Akten und kann anhand derer die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung der Aussetzung auf den Täter gem. § 56 Abs. 1 S. 2 StGB beurteilen. Demnach hat das Tatgericht den Beschluss über die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 268a Abs. 1 StPO bei Verhängung der Geldstrafe zu treffen. Das Tatgericht kann bereits zu diesem Zeitpunkt eine Bewährungszeit (§ 56a StGB), Auflagen (§ 56b StGB), Weisungen (§ 56c StGB) und die Bewährungshilfe (§ 56d StGB) bestimmen. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe und somit auch die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei aufschiebend bedingt von der Zahlung auf die Geldstrafe gem. § 459e Abs. 4 StPO bzw. der Ableistung freier Arbeit gem. Art. 293 EGStGB abhängig. 86  BGHSt 87  BGHSt

7, 180, 182; BGH StV 2004, 480, 481; StV 1992, 417. 29, 370 ff.

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Wird nur auf einen Teil der Geldstrafe geleistet, so kommt diese Teilzahlung wohl der Erfüllung einer Zahlungsauflage gem. § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB gleich. Dem Gericht des ersten Rechtszuges steht es frei in einer nachträglichen Entscheidung gem. § 453 Abs. 1 StPO bei Auflagenerfüllung und günstiger Kriminalprognose die Bewährungszeit auf das Mindestmaß von zwei Jahren zu verkürzen.88 Auch kann in der nachträglichen Entscheidung gem. § 453 Abs. 1 StPO eine Anpassung von Auflagen (§ 56b StGB), Weisungen (§ 56c StGB) und der Bewährungshilfe (§ 56d StGB) vorgenommen werden. Nach § 56 Abs. 4 S. 1 StGB kann nur die gesamte Vollstreckung einer Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Somit kann auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht in Teilen, sondern lediglich vollständig ausgesetzt werden. Wird die Vollstreckungsaussetzung während der Bewährungszeit nicht nach § 56f StGB widerrufen, so bewährt sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer während dieser Zeit. In diesem Fall würde das Gericht die Ersatzfreiheitsstrafe und damit auch die Geldstrafe nach § 56g Abs. 1 S. 1 StGB erlassen. Fraglich ist, ob neben der direkten Anwendung des § 56 StGB auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auch eine analoge Anwendung des § 56 StGB in Bezug auf die Geldstrafe in Betracht kommt. Könnte bereits die Vollstreckung der Geldstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB ausgesetzt werden, wäre eine Vollstreckungsaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB obsolet. Allerdings hat der Gesetzgeber auf der Grundlage des Status quo von 1953 es abgelehnt, die Bewährungsvorschriften der §§ 56 ff. StGB auf die Vollstreckung der Geldstrafe Anwendung finden zu lassen. Es liegt somit eine bewusste Regelungslücke vor. Grundsätzlich delegiere der Normsetzer bei der bewussten Nichtregelung die Konfliktlösung an den Rechtsanwender.89 Jedoch ist von einer solchen „Delegation“ an der Rechtsanwender nur auszugehen, wenn der Gesetzgeber nicht implizit mit der Nichtregelung die Ablehnung der Anwendung auf den nichtgeregelten Fall verbunden hat.90 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge gerade nicht vorsieht, weil er die ohne jede Norm bestehende Rechtslage für angemessen hält.91

88  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg,

§ 56a Rn. 6. Juristische Methodenlehre, Rn. 572. 90  Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn.  573; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 281. 91  Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 281. 89  Reimer,



A. De lege lata195

Auch der Gesetzgeber hat bei der Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems im Jahr 2000 erneut den Regelungsbedarf bezüglich der Voll­ streckungsaussetzung der Geldstrafe gesehen92 und sich gegen die positive Normierung ausgesprochen. Damit sprechen sowohl der eindeutige Wortlaut des § 56 StGB als auch der Wille des Gesetzgebers gegen die Gewährung der Aussetzung der Vollstreckung einer Geldstrafe. § 56 StGB enthält damit die negative Anordnung, dass die Rechtsfolge für diesen scheinbar ungeregelten Fall nicht eintreten soll.93 Aufgrund der bewussten vom Gesetzgeber belassenen Regelungslücke in Bezug auf die Anwendung des § 56 StGB auf die Geldstrafenvollstreckung, ist kein Raum für eine analoge Normanwendung. Generell kommt neben der anfänglichen Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB auch die Aussetzung des Vollstreckungsrests der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB in Betracht. Vor allem für den Fall, dass die Geld­ strafen immanente Verurteilung zur Ersatzfreiheitsstrafe abgelehnt wird, würde die Vollstreckungsrestaussetzung eine weitere Möglichkeit eröffnen, dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer zumindest einen Teil seiner Haftzeit zu ersparen. Grundsätzlich befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer in der gleichen Situation wie der zu Freiheitsstrafe Verurteilte,94 womit zumindest für alle Ersatzfreiheitsstrafen über zwei Monaten die Vollstreckungsrestaussetzung zu diskutieren ist. Bei der Ersatzfreiheitsstrafe handelt es sich um eine zeitige Freiheitsstrafe i. S. d. § 57 Abs. 1 StGB. Die Entscheidung nach § 57 StGB trifft, anders als im Rahmen des § 56 StGB, nicht das Gericht des ersten Rechtszuges, sondern gem. § 462a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt. Wird die Vollstreckungsaussetzung während der Bewährungszeit nicht gem. § 57 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. § 56f StGB widerrufen, so bewährt sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer während dieser Zeit und die Ersatzfreiheitsstrafe und damit auch die Geldstrafe wird nach § 57 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. § 56g Abs. 1 S. 1 StGB erlassen. Die Frage, ob die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe im Hinblick auf das Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB verantwortet werden kann, ist eng verknüpft mit der Prog­ noseentscheidung über die Täterpersönlichkeit.95 92  Vgl.

auch Deutscher Juristentag, NJW 1992, 3016, 3022. als „beredtes Schweigen“ in Reimer, Juristische Methodenlehre,

93  Bezeichnung

Rn. 573. 94  OLG Koblenz NStZ 1987, 120  f.; NStZ 1995, 254; zustimmend BeckOKv. Heintschel-Heinegg, § 57 Rn. 3; Sch/Sch-Kinzig, § 57 Rn. 4; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7. 95  S/S-Kinzig, § 57 Rn. 15.

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Da die Ersatzfreiheitsstrafe nur im Rahmen von Bagatelldelikten und Delikten im Bereich der leichten Kriminalität in Betracht kommt, werden der Aussetzbarkeit der zu vollstreckenden Restersatzfreiheitsstrafe keine Sicherheitsinteressen der Gesellschaft entgegenstehen. Der geringe Schaden, der bei einem Rückfall des Verurteilten droht, kann nicht die Weitervollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtfertigen. Dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer ist grundsätzlich eine positive Legalprognose zustellen. Der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer hat eine Straftat begangen, weshalb die reine Bewährungszeit nicht als unverhältnismäßig angesehen wird. Auch bedarf die Restaussetzung der Strafvollstreckung nach § 57 Abs. 1 StGB der Zustimmung des Verurteilten, da diesem keine Auflagen oder Weisungen aufgedrängt werden sollen. Auch der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer müsste demnach in seine vorzeitige Entlassung gem. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB einwilligen. Der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer kann selbst darüber entscheiden, ob er den Rest der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig verbüßen will oder vorzeitig entweder durch Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB oder durch Zahlung der ausstehenden Geldstrafe entlassen werden möchte.

B. Handlungsvorschlag I. Gesetzgebungsvorschlag Neben der Strafverteidigervereinigung96 sprach sich, wie bereits erörtert97, auch die Fraktion DIE LINKE in ihrem Gesetztentwurf98 im Jahr 2016 für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe aus. Nach diesem Entwurf sollen freiheitsentziehende Sanktionen nur als ultima ratio in Betracht kommen, wenn andere Mittel keine hinreichende Wirksamkeit versprechen.99 Die Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe solle dabei mit einer Stärkung der freien Arbeit einhergehen. An die Stelle der Ersatzfreiheitsstrafe trete im Rahmen der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nach § 43 StGB die freie Arbeit, wobei ein Umrechnungsmaßstab von einem Tagessatz in 3 Stunden gemeinnützige Arbeit vorgesehen ist.100

96  Bremer Erklärung: Rechtspolitische Forderungen des 41. Strafverteidigertages vom 24.–26. März 2017 unter dem Titel „Der Schrei nach Strafe“. 97  2. Teil A. 98  BT-Drucks. 19/1689. 99  BT-Drucks. 19/1689, S. 1. 100  BT-Drucks. 19/1689, S. 3.



B. Handlungsvorschlag197

Dieser Entwurf wird überwiegend101 abgelehnt. Durch die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe verkomme die Strafdrohung der Geldstrafe zu einer leeren Hülle. Die Mittellosigkeit einer Person stelle keinen Grund dar, von einer spürbaren Bestrafung abzusehen. Auch stelle das StGB und die StPO genügend Möglichkeiten in Form von Zahlungserleichterungen, Härtefallklausel und gemeinnütziger Arbeit zur Verfügung, die Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung abzuwenden.102 Der Rechtsstaat büße seine Stärke ein, wenn er auf die Durchsetzung seines Strafanspruchs verzichte. Allerdings plädiert der Vertreter der CDU/CSU dafür, über Alternativen zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu beraten.103 Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages befasste sich 2018 mit dem Sachstand rund um das Thema „Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 43 StGB – Rechtsvergleich, Verfassungskonformität und Alternativen“104. Hierzu verglich er die Situation in Deutschland mit der in anderen EU-Staaten.

II. Exemplarischer Vergleich mit einzelnen EU-Ländern 1. Österreich In Österreich wird die Geldstrafe nach § 19 Abs. 1 österreichisches Strafgesetzbuch (öStGB) ebenso wie in Deutschland in Tagessätzen bemessen, deren Höhe nach § 19 Abs. 2 öStGB an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten anzupassen ist. Da­ neben ist allerdings gem. § 19 Abs. 3 öStGB, anders als im deutschen Recht, vom Gericht für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Dabei wird ein Umrechnungsmaßstab von zwei Tagessätzen Geldstrafe in einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe angewandt.105 Auch kann anders als im deutschen Strafrecht die Geldstrafe nach § 43a Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 1 öStGB bedingt ausgesetzt werden. Hierbei ist eine vollumfängliche Vollstreckungsaussetzung bei Geldstrafe nicht vorgesehen. 101  Kubiciel, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689; Baur, Stellungnahme zu BTDrucks. 19/1689; Jäger, Stellungnahme zu BT-Drucks. 19/1689; Radtke, ZRP 2018, 58; so auch Ullrich, in seiner Rede im BT am 28.06.2018, abrufbar: www.cducsu.de/ themen/innen-recht-sport-und-ehrenamt/dr-volker-ullrich-eine-ausgesprochene-strafemuss-auch-vollstreckt-werden. 102  Jäger, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Faktion DIE LINKE vom 2. April 2019. 103  Ullrich, in seiner Rede im BT am 28.06.2018, abrufbar: https://www.cducsu. de/themen/innen-recht-sport-und-ehrenamt/dr-volker-ullrich-eine-ausgesprochenestrafe-muss-auch-vollstreckt-werden. 104  BT-WD 7-3000-035/18. 105  Seiler, Strafrecht AT II, S. 25.

198

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Nach § 43a Abs. 1 öStGB kann die Vollstreckung von höchstens drei Viertel der Geldstrafe bedingt ausgesetzt werden. Einer darüberhinausgehenden Aussetzbarkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bedarf es aus diesem Grund nicht ­ mehr. Auch wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht generell bedingt ausgesetzt werden kann, so bleibt gem. § 46 öStGB eine Restaussetzung der Vollstreckung nach der Hälfte bzw. nach zwei Dritteln der Verbüßungszeit möglich.106 2. Dänemark Wie in Deutschland und Österreich wird auch in Dänemark die Geldstrafe im Tagessatzsystem gem. § 51 Abs. 1 Straffeloven (Strfl) verhängt. Ebenfalls entscheidet die Schuld des Täters über die Anzahl der Tagessätze und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit über deren Höhe. Die Geldstrafe kann wie im deutschen Recht durch Strafbefehl oder im Urteil verhängt werden.107 Auch das dänische Strafrecht kennt wiederum eine Ersatzstrafe nach § 53 Strfl in Form von Gefängnis, wenn die Geldstrafe nicht eingeht. Hierbei entspricht wie im deutschen Strafrecht ein Tagessatz einem Tag Ersatzhaft gem. § 54 Abs. 1 S. 2 Strfl. Trotz des festen Umrechnungsmaßstabs wird die Ersatzstrafe bereits im Urteil über die Geldstrafe nach § 54 Abs. 1 S. 1 Strfl festgesetzt. Überdies besteht in Dänemark die Besonderheit, dass Geldstrafen gem. § 55 Abs. 1 Strfl auch von der Polizei angeordnet werden können, womit die Ersatzstrafe von der Polizeibehörde nach dem festen Umrechnungsmaßstab bestimmt wird.108 Als eigene Sanktionsform ist dabei die bedingte Verurteilung gem. § 56 Strfl ausgestaltet. Diese kann gem. § 56 Abs. 1 Strfl als reiner Schuldspruch, bei dem die Straffestsetzung für die Dauer einer bestimmten Bewährungszeit ausgesetzt wird, ausgestaltet sein. Außerdem kann das Gericht gem. § 56 Abs. 2 Strfl eine konkrete Strafe – Strafen sind nach § 31 Strfl Gefängnis und Geldstrafe – festlegen und deren Vollstreckung für die Dauer einer Bewährungszeit aussetzen.109 3. Frankreich Geldstrafen kommen im französischen Strafrecht gem. Art. 131-3 Code pénal (P.C.) nur im Bereich der Vergehen in Betracht, für Verbrechen ist stets 106  Seiler,

Strafrecht AT II, S. 26. Das dänische Strafgesetz, S. 27. 108  Ermgassen, in: Jescheck/Grebing, Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, S. 855, 935; Weitzmann, Kriminalsanktionen in Europa, S. 206. 109  Cornils/Greve, Das dänische Strafgesetz, S. 27. 107  Cornils/Greve,



B. Handlungsvorschlag199

eine Freiheitsstrafe gem. Art. 131-1 P.C. zu verhängen. Dabei werden Geldstrafen für Vergehen in Tagessätzen nach Art. 131-5 P.C. verhängt, wohingegen Übertretungen gem. Art. 131-13 P.C. mit einer gesetzlich festgelegten Geldstrafe geahndet werden. Im Falle der Geldstrafen für Vergehen ist der Verurteilte bei Nichtzahlung für die Dauer der nichtentrichteten Tagessätze nach Art. 131-25 P.C. zu inhaftieren, wobei diese Haft den Regelungen über die Gefängnisstrafe unterliegt. In Frankreich können sowohl Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren als auch Geldstrafen nach Art. 132-31 P.C. ausgesetzt werden. Während dieser ein­ fachen Strafaussetzung wird der Betroffene keinerlei staatlichen Betreuung unterstellt.110 Die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder Vergehens gilt bei der einfachen Strafaussetzung gem. Art. 132-35 P.C. als nicht erfolgt, wenn der Verurteilte innerhalb von fünf Jahren nicht erneut straffällig wird. Von der Strafaussetzung zur Bewährung bei der ein Bewährungshelfer bestellt und dem Betroffenen verschiedene Verpflichtungen auferlegt werden können, macht das erkennende Gericht gem. Art. 132-40 P.C. nur im Rahmen von Gefängnisstrafen Gebrauch. 4. Schweden In Schweden wird die Geldstrafe in Kap. 25 § 1 Brottsbalk (BrB) geregelt, der bestimmt, dass sie nach Tagessätzen, als Geldbetragsstrafe oder als normierte Geldstrafe zu verhängen ist. Eine Geldstrafe, die nicht bezahlt wird, kann gem. Kap. 25 § 8 Abs. 2 BrB nach den Vorschriften des Geldstrafenvollstreckungsgesetzes in eine Gefängnisstrafe von 14 Tagen und höchsten drei Monaten umgewandelt werden. Dabei kommt die Ersatzfreiheitsstrafe in Schweden lediglich als ultima ratio in Betracht, wenn alle anderen Möglichkeiten von Zahlungserleichterungen bis Ratenzahlung ausgeschöpft sind. Überdies kann die Ersatzfreiheitsstrafe nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch ein gerichtliches Verfahren verhängt werden.111 Hierbei findet eine Umwandlung von Geld- in Ersatzfreiheitsstrafe nur statt, wenn offensichtlich ist, dass der Verurteilte die Geldstrafe aus Aufsässigkeit nicht gezahlt hat oder wenn die Umwandlung aus besonderen Gründen im öffentlichen Inte­ resse geboten ist.112 Praktisch kommt die Ersatzfreiheitsstrafe in Schweden heute nicht mehr vor.113 Dies lässt sich darauf zurückführen, dass sie nicht mehr gegen unverschuldet vermögenslos gewordene Geldstrafenschuldner vollstreckt wird, sondern nur gegen Personen, die sich durch unlautere Maß110  Zieschang,

Das Sanktionensystem, S. 169. ZStW 111 (1999), 929, 939. 112  Cornils/Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, S. 24. 113  Hamdorf/Wölber, ZStW 111 (1999), 929, 939. 111  Hamdorf/Wölber,

200

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

nahmen der Betreibung entziehen oder in offenkundiger Weis rückfällig und erneut zu einer Geldstrafe verurteilt werden.114 Es wird angeführt, ungerecht sei, den Betroffenen eine Freiheitsstrafe abdienen zu lassen, obwohl ein Gericht die Geldstrafe als adäquates Sanktionsmittel erachtet hat. Bestraft werde hier nicht die Tat, sondern die Tatsache, dass der Verurteilte nicht zahlen könne.115 5. Schlussfolgerung Dieser exemplarische Vergleich mit Österreich, Dänemark, Frankreich und Schweden zeigt, dass die Ersatzfreiheitsstrafe an sich bzw. deren Vollstreckung im Gegensatz zur deutschen Strafrechtspraxis in diesen Ländern deutlich zurückgedrängt wurde, ohne das Institut der Geldstrafe dabei preiszugeben. Auch in Deutschland sollte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ultima ratio sein.116 Da in Österreich, Dänemark und Frankreich bereits die Vollstreckung der Geldstrafe aussetzungsfähig ist, muss die Aussetzungs­ fähigkeit der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe nicht diskutiert werden. Allerdings zeigt der Vergleich mit Österreich weiter, dass die Ersatzfreiheitsstrafe – so sie als echte Freiheitsstrafe angesehen wird – auch wie jede reguläre Freiheitsstrafe nach der Hälfte bzw. zwei Dritteln der Verbüßungszeit aussetzungsfähig sein sollte. In Schweden ist eine Aussetzung der Strafvollstreckung bei der Ersatzfreiheitsstrafe deshalb unnötig, weil bereits von der Möglichkeit ihrer Verhängung sporadisch Gebrauch gemacht wird und wenn es zur Anordnung einer solchen kommt, diese von einem Gericht vorgenommen wird. In Schweden soll die Ersatzfreiheitsstrafe nicht den Zahlungsunfähigen, sondern ausschließlich den Zahlungsunwilligen treffen. Die Ersatzfreiheitsstrafe sollte demnach auch in Deutschland das „letzte Mittel“ darstellen, wenn es um die Beitreibung der Geldstrafe geht. Da es trotz der restriktiveren Anwendung der Ersatzfreiheitsstrafe in anderen EULändern nicht zu einer Entwertung der Geldstrafe gekommen ist, ist mit einer solchen Entwicklung auch für Deutschland nicht zu rechnen. Wie in Österreich sollte in Deutschland eine Restaussetzung nach § 57 StGB im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung möglich sein. Überdies wäre eine Änderung in den Anordnungsmodalitäten der Ersatzfreiheitsstrafe in dem Sinne wünschenswerte, dass diese wie in Dänemark bereits im Urteil über die Geldstrafe mit ausgesprochen wird oder wie in Schweden einer neuer­ 114  Cornils/Jareborg,

Das schwedische Kriminalgesetzbuch, S. 24. ZStW 111 (1999), 929, 937. 116  So auch Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 80. 115  Hamdorf/Wölber,



B. Handlungsvorschlag201

lichen richterlichen Entscheidung bedarf. Eine solche Änderung würde den Weg zur Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB eröffenen.

III. Kriminologische Kontraindikatoren Das Feld der Sanktionsforschung befasst sich mit der empirischen Analyse der strafrechtlichen Rechtsfolge der Tat. Der Begriff Sanktion bezieht sich dabei auf alle in einem förmlichen Verfahren verhängten staatlichen Mittel – neben den Hauptstrafen auch die Maßnahmen der Besserung und Sicherung, Nebenfolgen sowie alle weiteren im Kontext des Strafverfahrens angesiedelten Maßnahmen.117 Der Erfolg einer Sanktion beurteile sich anhand der Rückfälligkeit des Betroffenen. Vor allem freiheitsentziehende Sanktionen bergen ein besonders hohes Rückfallrisiko in sich. Auch sollten die Einwirkungsmöglichkeiten durch Freiheitsentzug nicht überschätzt und von dieser Sanktion eher zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.118 Martinson119 attestierte in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts dem amerikanischen Strafvollzug mit Blick auf den Resozialisierungsgedanken, dass „nothing works“. Dabei ist sein Ansatzpunkt dahingehend auch für den deutschen Strafvollzug interessant, als alle Therapieansätze an der Prämisse ausgerichtet seien, dass Kriminalität einer „Krankheit“ gleicht, die es zu behandeln gilt. Dabei würde allerdings übersehen, dass es sich bei Kriminalität um ein normales Phänomen in jeder Gesellschaft handele. Dies zeige sich besonders durch Straftaten wie der Steuerhinterziehung, dem Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss oder dem Erschleichen von Leistungen.120 Dieser Befund wurde von Dünkel/Drenkhahn121 Anfang der 2000er Jahre mit der These angegriffen, dass „something works“. Denn in Deutschland gebe es nach dem damaligen Stand der Forschung begründete Anhaltspunkte dafür, dass ein Gesamtkonzept von Ausbildung, Vollzugslockerung, Entlassungsvorbereitung und Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung die Wiedereingliederung des Betroffenen erheblich verbessere.122 Unabhängig davon zeige sich eine weitgehende Korrelation zwischen langfristiger Arbeitslosig117  Meier,

in: Schneider, Internationales Handbuch der Kriminologie, S. 971 f. Kriminologie, 14. Kap. Rn. 13. 119  Martinson, The Public Interest 35 (1974), 22 ff. 120  Martinson, The Public Interest 35 (1974), 22, 49. 121  Dünkel/Drenkhahn, in: Bereswill/Greve, Forschungsthema Strafvollzug, S. 387, die allerdings auch darauf hinweisen, dass die These von Martionson nicht so apodiktisch gemeint war, wie sie in der Sanktionsforschung aufgenommen wurden ist. 122  Dünkel/Drenkhahn, in: Bereswill/Greve, Forschungsthema Strafvollzug, S. 387, 393. 118  Neubacher,

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

keit und krimineller Karriere, weshalb vor allem auf den Arbeitsbereich bezogene Wiedereingliederungsprogramme auszubauen seien.123 Wenn somit gerade ein Beschäftigungsverhältnis positiv spezialpräventiv wirkt, ist die Ersatzfreiheitsstrafe kriminologisch kontraproduktiv, wenn der Betroffene hierdurch Gefahr läuft, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Meier formuliert das Statement in die Frage „what works?“ um.124 Da nach § 2 S. 1 StVollzG der Strafvollzug den Betroffenen dazu befähigen soll, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen, stelle sich die Frage, wie das Rückfallrisiko gesenkt werden könnte. Prinzipiell geht Meier dabei von der Prämisse der Austauschbarkeit der Sanktionen aus.125 Aus diesem Grund seien individualisierte Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen. Mit dem Risikoprinzip, das auf die Gefährlichkeit des Täters abstellt, sei die Interven­ tionstiefe einer Behandlungsmaßnahme an der Gefährlichkeit des Betroffenen zu orientieren. Maßnahmen, die intensiv in die Lebensführung des Verurteilten einwirken, sollten Hochrisikoprobanden vorbehalten bleiben, während Probanden mit geringerem Risiko keinen oder nur geringfügigen Eingriffen zu unterwerfen seien.126 Im Zentrum des staatlichen Strafens stehe nach Foucault127 das Individuum. Aus diesem Grund sei immer zu fragen: „Welche Maßnahmen sind angemessen? Wie läßt sich die Entwicklung des Individuums voraussehen? Auf welche Weise wird es am sichersten gebessert werden können?“128

Eine jede Maßnahme bzw. Strafe sei auf den Betroffenen als Bezugspunkt anzupassen. Der Mensch sei die legitime Grenze der Strafgewalt. Deshalb dürfe diese den Menschen nicht angreifen und verändern, sondern sie sei dazu angehalten, den Menschen intakt zu lassen und zu respektieren. Der Mensch sei nicht das Maß der Dinge, sondern das Maß der Macht.129 Die ideale Bestrafung werde auf das von ihr sanktionierte Verbrechen vollkommen transparent sein. Wenn also das jeweilige Verbrechen der Bezugspunkt der Sanktion sei, ließe sich daraus eine gewisse Gleichförmigkeit der beiden ableiten.130

123  Dünkel/Drenkhahn,

392.

in: Bereswill/Greve, Forschungsthema Strafvollzug, S. 387,

124  Meier,

JZ 2010, 112. JZ 2010, 112, 113. 126  Meier, JZ 2010, 112, 116. 127  Foucault, Überwachen und 128  Foucault, Überwachen und 129  Foucault, Überwachen und 130  Foucault, Überwachen und 125  Meier,

Strafen. Strafen, S. 29. Strafen, S. 94. Strafen, S. 134.



B. Handlungsvorschlag203

IV. Eigener Vorschlag Zwischen der Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und deren Vollstreckung könnte gerade die Strafaussetzung zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB den „goldenen Mittelweg“ bilden. Die Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe zu erstrecken, würde sich in die kriminalpolitische Forderung einfügen, den Anwendungsbereich ambulanter Sanktionen auszubauen, um eine differenziertere sowie effizientere Reaktionen im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität zu schaffen.131 Kubink bezeichnet die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung nach den §§ 56 ff. StGB als das Ideal der Sanktionsalternativen im sozialen Rechtsstaat, da sie die Synthese zwischen Freiheitsgewährung und Vermittlung sozialer Kompetenz repräsentiere.132 Wird wie in dieser Arbeit vorstehend erörtert von den Prämissen ausgegangen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe eine echte (Freiheits-)Strafe ist, freiheitsentziehende Sanktionen die ultima ratio darstellen und die Interven­ tionstiefe einer Maßnahme an der Gefährlichkeit des Täters auszurichten ist, dann ergibt sich folgender Vorschlag: In jedem Urteil und Strafbefehl wird neben der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen. Dabei wird der Verurteilte darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Zahlung auf die Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit abbedungen werden kann. Überdies ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 56 StGB unter Auflagen und Weisungen auszusetzen. Erst wenn die dem Verurteilten gewährte Bewährung nach § 56f StGB widerrufen wird, ist die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken. Hierbei kann der Verurteilte das Unterbleiben der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe beim Vollstreckungsgericht beantragen, wenn die Voraussetzungen nach § 459f StPO vorliegen. Wird die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt, ist nach zwei Dritteln, mindestens jedoch nach zwei Monaten der Vollstreckung deren Aussetzung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB zu prüfen. Nach diesem Vorschlag sind vier Stufen der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – gestaffelt nach ihrer Interven­ tionstiefe – zu durchlaufen: 1. Stufe: Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Zahlung auf die Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit 2. Stufe: Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unter Auflagen und Weisungen nach §§ 56 ff. StGB 3. Stufe: Bei Widerruf der Bewährung nach 56f StGB Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe oder Anordnung nach § 459f StPO 131  Verrel,

BRJ 02/2014, 135. Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 468.

132  Kubink,

204

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

4. Stufe: Aussetzung des Restes der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB 1. Stufe: Zahlung der Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit Dem Verurteilten muss grundsätzlich die Wahlmöglichkeit zwischen Zahlung der Geldstrafe und Ableistung freier Arbeit nach Art. 293 Abs. 1 S. 1 EGStGB zustehen. Die jeweiligen Landesregierungen haben Regelungen zu erlassen, wonach die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten gestatten muss, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB durch freie Arbeit abzuwenden. In Schleswig-Holstein wird die Vollstreckungsbehörde gem. § 1 Abs. 1 ErsFrhStrAbwV SH dazu ermächtigt, die Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit zu ersetzen. Über die Möglichkeit der Ersetzung wird der Verurteilte spätestens mit Ladung zum Strafantritt der Ersatzfreiheitsstrafe hingewiesen. Dabei muss der Verurteilte den Antrag innerhalb einer Woche nach Zu­ stellung der Ladung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH bei der Vollstreckungsbehörde stellen. Diese entscheidet dann nach § 3 Abs. 1 S. 1 ­ErsFrhStrAbwV SH über die Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit. Bei dieser Umrechnung entspricht regelmäßig ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe sechs Stunden freier Arbeit nach § 7 Abs. 1 S. 1 ­ErsFrhStrAbwV SH. Von diesem festen Umrechnungsmaßstab ist nur in Ausnahmefällen nach § 7 Abs. 1 S.2 ErsFrhStrAbwV SH abzusehen, wobei ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht weniger als drei Stunden freier Arbeit entsprechen darf. Der Verurteilte sollte bereits im Strafbefehl bzw. Urteil über die Geldstrafe auf die Ersatzfreiheitsstrafe und die Möglichkeit der Ersetzung dieser durch freie Arbeit hingewiesen werden. Hierbei muss dem Verteilten auch der allgemeine Umrechnungsmaßstab nach § 7 Abs. 1 ErsFrhStrAbwV SH mitgeteilt werden. Eine solche Mitteilung erfordert nur geringen Verwaltungsaufwand und führt zu einer höheren Transparenz der Geldstrafen- sowie der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung beim Verurteilten. Überdies würde ein flexibler Umrechnungsmaßstab der Vollstreckungsbehörde einen größeren Spielraum eröffnen, die freie Arbeit an die Lebensumstände des jeweiligen Verurteilten anzupassen. Dabei sollten sechs Stunden freie Arbeit für einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe die obere Grenze des Umrechnungsmaßstabes bilden. Damit die freie Arbeit zur echten Alternative zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wird, sind Zugeständnisse an den Verurteilten hinzunehmen. Da die freie Arbeit von der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abhängig ist, endet ihre Vollstreckung wie auch die der Ersatzfreiheitsstrafe mit



B. Handlungsvorschlag205

Zahlung der Geldstrafe nach § 4a Abs. 1 S. 2 ErsFrhStrAbwV SH. Das mecklenburg-vorpommerische Projekt „Ausweg“ zeigt überdies, dass die Einsparungen, die durch die Nichtvollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erreicht wurden, die Kosten des Projekts (Personal- und Sachkosten der Vermittler, finanzierte Fachleistungsstunden, Finanzierung der Arbeit der Untervermittlungsstellen) weit übersteigen.133 Auch konnte in diesem Projekt die freie Arbeit als Alternative zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach Haftbeginn etabliert werden.134 Der Ausbau der freien Arbeit gem. Art. 293 EGStGB in allen Bundesländern ist im Hinblick auf die Haftvermeidung wünschenswert. Allerdings suspendiert die freie Arbeit anderes als die Aussetzung gem. §§ 56 ff. StGB die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nur in der Höhe, in der sie tatsächlich erbracht wurde. Ihr kommt demnach nicht die gleiche Wirkung zu wie der Vollstreckungsaussetzung gem. §§ 56 ff. StGB, die vollumfänglich für die gesamte Ersatzfreiheitsstrafe erlassen werden kann. Der Verurteilte trägt damit auch hier das Risiko, wenn er aufgrund seiner körperlichen oder psychischen Verfassung nicht oder nicht mehr in der Lage sein sollte, der freien Arbeit nachzugehen. 2. Stufe: Aussetzung gem. § 56 StGB Wird der Wille des historischen Gesetzgebers, die Ersatzfreiheitsstrafe als echte Freiheitsstrafe von den originären Zwangsmitteln abzugrenzen135, als Ausgangspunkt angenommen, so ist die Ersatzfreiheitsstrafe wie jede originäre Freiheitsstrafe im Strafbefehlsverfahren gem. § 407 StPO bzw. im Urteil gem. § 260 StPO auszusprechen. a) Zeitpunkt der Anordnung Dies kann an zwei Stellen im Prozess geschehen. Als erster Zeitpunkt für die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe – der in dieser Arbeit präferiert wird – kommt der Strafbefehl oder das Urteil, in dem die Geldstrafe ausgesprochen wird, in Betracht. Hierbei wäre in der Entscheidung über die Geldstrafe und die etwaige Ersatzfreiheitsstrafe anzuordnen sowie über die Aussetzung der Vollstreckung dieser nach § 56 Abs. 1 StGB zu befinden. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bzw. deren Aussetzung ist in diesem 133  Dünkel/Scheel/Grosser, 134  Dünkel/Scheel,

BewHi 2002, 56, 70. Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige

Arbeit, S. 169. 135  BT-Drucks. IV/650, S. 173; BT-Drucks. 7/550, S. 195 f.

206

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Fall aufschiebend bedingt von der Zahlung auf die Geldstrafe bzw. der Ableistung freier Arbeit abhängig. Als zweiter Zeitpunkt kommt der Moment der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe in Betracht. Hieran könnte sich eine neuerliche richterliche Entscheidung über die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe anschließen. Im Rahmen dieser Entscheidung hätte dann das Gericht über die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 56 StGB zu befinden. Gegen diese Varianten spricht, dass die Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung nach § 56 StGB prinzipiell dem Tatgericht gem. § 260 Abs. 3 S. 4 StPO und nicht dem Vollstreckungsgericht zusteht.136 b) Erteilung von Auflagen und Weisungen Das Tatgericht kann die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe mit einer Auflage nach § 56b StGB oder eine Weisung nach § 56c StGB verbinden. Demnach kann die Vollstreckungsaussetzung von Beginn an mit der Erbringung einer gemeinnützigen Leistung nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB verbunden werden. Hierbei obliegt es dem Richter, die Anzahl der abzuleistenden Arbeitsstunden und die Frist für ihre Erfüllung anzugeben.137 Erfasst werden wie bei der Erbringung von Arbeitsleistungen gem. Art. 293 EGStGB Handlungen, die der Allgemeinheit zu Gute kommen, wie zum Beispiel der Dienst in Kranken, Kinder-, Alten- und Pflegeeinrichtungen.138 Überdies bietet die Arbeitsauflage nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB den Vorteil, dass der Richter von dem festen Umrechnungsmaßstab139 der Ersatzfreiheitsstrafe in freie Arbeit abweichen und so flexibler auf die vorhandenen Dispositionen des Verurteilten eingehen kann. Auch kann bei körperlich oder psychisch benachteiligten Täters ganz von einer Auflage nach § 56b StGB abgesehen und lediglich eine Weisung nach § 56c StGB erteilt werden. Ferner besteht die Möglichkeit, zugunsten des Verurteilten sowohl auf Auflagen als auch Weisungen zu verzichten und ihm lediglich eine Bewährungszeit nach § 56a StGB aufzugeben.

dazu die Schwurgerichtslösung des BVerfGE 86, 288, 320 ff. § 56b Rn. 19. 138  S/S-Kinzig, § 56b Rn. 13. 139  Der Umrechnungsmaßstab beträgt in Schleswig-Holstein 6 Stunden freie Arbeit für einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 7 Abs. 1 S. 1 ErsFrhStrAbwV SH. 136  Vgl.

137  LK-Hubrach,



B. Handlungsvorschlag207

3. Stufe: Unterbleiben der Vollstreckung gem. § 459f StPO Neben der Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. §§ 56 ff. StGB, sollte für Härtefälle die Unterbleibensanordnung der Vollstreckung nach § 459f StPO erhalten bleiben. Diese Anordnung wäre dann als Korrektiv den absoluten Ausnahmefällen vorbehalten, in denen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine „unbillige Härte“ darstellt. Wie bereits diskutiert,140 stellt bereits die unverschuldete Mittellosigkeit keine „unbillige Härte“ nach § 459f StPO für den Betroffenen dar. Vielmehr müssen darüber hinausgehende Umstände hinzutreten, die es dem Betroffenen auch bei äußerster Anstrengung seiner Kräfte (strikte Sparsamkeit, Nebenverdienste oder drastische Reduzierung des eigenen Lebensstandards)141 unmöglich machen, sich die nötigen Mittel für die ratenweise Geldstrafenzahlung zu beschaffen.142 Diese besonderen Umstände müssen die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe geradezu „ungerecht“ erscheinen lassen.143 Dies wird regelmäßig angenommen, wenn die Vollstreckung eine außerhalb des Strafzweckes liegende Härte für den Betroffenen bedeutet.144 Wenn es um strikte Sparsamkeit, Nebenverdienstmöglichkeiten und eine drastische Reduzierung des Lebensstandards geht, dann beziehen sich diese Parameter auf die Geldstrafe. Mit der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe ist die Geldstrafe bereits uneinbringlich, weshalb der Bezugspunkt der unbilligen Härte, wie auch der Wortlaut des § 459f StPO nahe legt, nur die Ersatzfreiheitsstrafe sein kann. Hierbei ist die Frage, wann die Vollstreckung dieser „ungerecht“ erscheint und für den Betroffenen eine außerhalb der Strafzwecke liegende Härte darstellt. a) „Ungerecht“ als unbestimmter Rechtsbegriff Allgemein145 wird die Beurteilung der Ungerechtigkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe mit dem Umstand verknüpft, dass der Betroffene auch bei äußersten Anstrengungen nicht in der Lage sein darf, die Geldstrafe wenigstens ratenweise zu begleichen. Allerding geht es im Rahmen des 140  1.  Teil

B. III. 2. MüKo-Nestler, § 459f Rn. 4. 142  KK/StPO-Appl, § 459f Rn. 2; Bringewat, Strafvollstreckung, § 459f Rn. 4. 143  LR-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 5. 144  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG Oldenburg StraFo 2006, 124; OLG Düsseldorf VRS 77 (1989), 454, 455; OLG München GA 1984, 185, 187; Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 570. 145  LR-Graalmann-Scheerer, § 459f Rn. 5; Bringewat, Strafvollstreckung, § 459f Rn. 4. 141  Vgl.

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4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

§ 459f StPO nicht um die Vollstreckung der Geld-, sondern der Ersatzfreiheitsstrafe. Demnach ist der Ausgangspunkt der Betrachtung die Ersatzfreiheitsstrafe. Wann diese als „ungerecht“ anzusehen ist, wird sich wohl nur über die Schuld des Betroffenen evaluieren lassen. Demzufolge stellt sich die Frage, ob der Täter in schuldhafter Weise nicht auf die Geldstrafe geleistet hat, sich der freien Arbeit entzogen oder gegen Bewährungsauflagen und – weisungen verstoßen hat, sodass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe als „gerecht“ empfunden wird. Ob die Vollstreckung somit gerecht oder ungerecht ist, sollte sich nach dem Verschulden des Verurteilten richten. Denn erst, wenn in diesem Zusammenhang ein vorwerfbares Verhalten festgestellt wird, erscheint die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gerechtfertigt. b) Terminus der „unbilligen“ Härte Der Terminus der „unbilligen Härte“ wurde früher auch in § 73c Abs. 1 S. 1 StGB a. F. wie auch in § 74f Abs. 3 StGB a. F. verwandt. In § 73c Abs. 1 S. 1 StGB a. F. hieß es: „Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre.“

Die Rechtsprechung nahm eine unbillige Härte nach der alten Fassung an, wenn die Anordnung des Verfalls als schlechthin ungerecht empfunden werde und das Übermaßverbot verletzt würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssten im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssten besondere Umstände hinzutreten, die zu einer außerhalb des Verfallszwecks liegenden zusätzlichen Härte des Betroffenen führten und die dem Betroffenen auch nicht unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls zuzumuten seien. Eine unbillige Härte läge nicht schon darin, dass der Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden könne oder der Betroffene vermögenslos würde.146 Allerdings wurde die Härtevorschrift des § 73c StGB a. F. nach der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung durch einen neuen § 73c StGB, der die Einziehung des Wertes von Taterträgen regelt, ersetzt.147 Dabei wurde die vormals in § 74f StGB a. F. geregelte Entschädigungsvorschrift nicht übernommen, sondern fand lediglich als Rückausnahme Eingang in § 74b Abs. 2 StGB. In dessen Abs. 2 heißt es: „1Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn […]. 2Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.“ 146  BGH

StV 2010, 19, 20. I 2017, S. 873.

147  BGBl.



C. Kurzer Ausblick209

Bereits im Rahmen der Vorgängervorschrift, dem § 74f Abs. 3 StGB a. F.148, ging es darum, ungerechte Folgen, die durch die Einziehung beim Betroffenen zu entstehend drohen, zu vermeiden.149 Es kommt demnach auch beim heutigen § 74b Abs. 3 S. 2 StGB darauf an, ob Gründe der Billigkeit dafür sprechen, trotz der grundsätzlichen Versagung der Entschädigung eine Rückausnahme hiervon zu treffen.150 Durch die Abschaffung des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB a. F. und die Eindämmung der Entschädigungsvorschrift § 74f StGB a. F. kann geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber generell nach Billigkeitserwägungen zu prüfende Härteklauseln einschränken und härte Fälle auf absolute Ausnahmefälle begrenzen möchte. Zu einer solchen Ausnahmevorschrift könnte § 459f StPO werden, wenn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe immer die Aussetzung nach § 56 StGB vorgehe. 4. Stufe: Restaussetzung gem. § 57 StGB Wird die Ersatzfreiheitsstrafe regulär im Urteil bzw. im Strafbefehl über die Geldstrafe ausgesprochen, so steht auch einer Aussetzung der Restvollstreckung nach § 57 StGB nichts im Wege. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kann dann wie jede andere reguläre kurze Freiheitsstrafe, die durch ein Gericht verhängt wurde, nach zwei Dritteln gem. § 57 Abs. 1 StGB oder der Hälfte gem. § 57 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Neben der anfänglichen Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB wird der Restvollstreckungsaussetzung gem. § 57 StGB im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB nur wenig praktische Bedeutung zukommen.

C. Kurzer Ausblick Wenn es in der modernen Sanktionslehre darum geht, stationäre Sanktionen zurückzudrängen und ambulante Sanktionen auszubauen, dann muss diese Zielsetzung nicht nur für die Freiheitsstrafe als originäre und gewöhnliche Art des Freiheitsentzuges gelten, sondern auch für die Ersatzfreiheitsstrafe als modernere Form des Entzuges der Bewegungsfreiheit.

148  Der fast Wortlaut gleich formuliert war: „In den Fällen des Absatzes 2 kann eine Entschädigung gewährt werden, soweit es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.“ 149  BT-Drucks. V/1319, S. 60. 150  Fischer, StGB, § 74b Rn. 17.

210

4. Teil: Anwendbarkeit der Bewährungsvorschriften

Als Verknüpfung zwischen Freiheitsgewährung und Vermittlung sozialer Kompetenz151 stellt dabei vor allem die Aussetzung der Vollstreckung nach §§ 56 ff. StGB einen „goldenen Mittelweg“ dar. Bevor in der Politik darüber gestritten wird, die Ersatzfreiheitsstrafe generell und ersatzlos abzuschaffen, wäre gerade die Aussetzung ihrer Vollstreckung eine Möglichkeit, dem Institut die Bedeutung zukommen zu lassen, die es rechtsdogmatisch und kriminologisch hat. Als ultima ratio sollte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe das letzte Mittel bilden, wenn die Abwendung der Vollstreckung durch Zahlung auf die Geldstrafe, Leistung freier Arbeit und erfolgreicher Bewährung gescheitert ist.

151  Kubink,

Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 468.

5. Teil

Zusammenfassung Die Ersatzfreiheitsstrafe ist gem. § 43 S. 1 StGB grundsätzlich von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe abhängig. Somit wirken sich die rechtsstaatlichen Probleme, die bei der Verhängung und Vollstreckung der Geldstrafe virulent werden, mittelbar auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe aus, da sie für den Geldstrafenschuldner das Risiko steigern, dass die Geldstrafe vom Betroffenen nicht beigebracht werden kann. Die rechtsstaatlichen Probleme der Geldstrafe sind dabei eng mit dem Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB verknüpft.1 Dieses erlaubt dem Gericht bei der Bemessung der Tagessatzhöhe nicht nur vom durchschnittlichen Nettoeinkommen auszugehen, sondern auch das potenzielle Nettoeinkommen, das der Angeklagte an einem Tag haben könnte und das Vermögen mit in die Berechnung der Tagessatzhöhe einzustellen. Macht der Täter zum Nettoeinkommen oder Vermögen keine, unvollständige oder falsche Angaben, so können beide Bemessungsgrundlagen nach § 40 Abs. 3 StGB geschätzt werden. Grundvoraussetzung für eine Schätzung ist, dass vom Gericht mindestens der Berufsstand des Angeklagten und die Art seiner Tätigkeit ermittelt wird. Bei der eigent­ lichen Schätzung kommt dem Gericht dann ein Ermessenspielraum zu.2 Einen weiteren Problemkreis bilden bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe die Personen, die am Existenzminimum leben oder Sachbezüge erhalten.3 Nach dem Nettoeinkommensprinzip zählen auch Transferleistungen, die der Leistungsempfangende zur Deckung seines Lebensbedarfs erhält, zum anzurechnenden Einkommen. Da durch diese Leistungen ein Existenzminimum gesichert wird, sollte die Tagessatzhöhe maximal 30 % des Regelsatzes umfassen.4 Bei jeder über die 30 % des Regelsatzes hinausgehenden Sanktion sind strenge Maßstäbe an die Verhältnismäßigkeit anzulegen und vom Gericht zu prüfen. Auch Sachbezüge von Transferleistungsempfangenden nach dem ALG II bzw. nach dem AsylbLG sind nach dem Nettoeinkommensprin1  Vgl.

dazu 1.  Teil A. I. 2. a). Koblenz NJW 1976, 1275, 1276; NK-Albrecht, § 40 Rn. 49 f.; MüKoRadtke, § 40 Rn. 121. 3  Vgl. dazu 1.  Teil A. I. 2. a) dd). 4  BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rn. 214; OLG Braunschweig NdsRpfl 2014, 258, 259. 2  OLG

212

5. Teil: Zusammenfassung

zip als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Die Grenze der Berücksichtigung liegt wie beim Vermögen in der Kapitalisierungsfähigkeit der Naturalleistungen. Oft wird im Rahmen der Geldstrafenbestimmung bei Transferleistungsempfangenden darauf verwiesen, die Geldstrafe durch Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters anzupassen.5 Wenn die Zahlungserleichterungen so zu bemessen sind, dass ein empfindliches Strafübel beim Betroffenen verbleibt,6 dann ist davon auszugehen, dass in all diesen Fällen die Tagessatzhöhe zu hoch angesetzt ist. Auch bei einer verschuldeten Zahlungsunfähigkeit (beispielsweise im Rahmen einer drohenden Insolvenz) sind grundsätzlich Zahlungserleichterungen gem. § 42 StGB zu gewähren.7 Anrechnungsfähig auf die Tagessatzhöhe sind Schulden nur, wenn sie aus einer angemessenen sowie vorausschauenden Lebensplanung resultieren und es sich um überdurchschnittliche Belastungen handelt, die die wirtschaftliche Situation des Betroffenen nachhaltig beeinflussen.8 Hierdurch nimmt die Lebensführung des Angeklagten zumindest auf diesen Teilakt der Strafzumessung Einfluss und schlägt sich auf die Strafe nieder,9 was vor dem Hintergrund einer dem Strafrecht fremden Lebensführungs- bzw. Charakterschuld des Angeklagen problematisch ist.10 Überdies befindet sich der Geldstrafenschuldner bei Zahlung vor der Insolvenz in einem Dilemma.11 Er muss, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden, auf die Geldstrafe leisten, allerdings ist er dazu nicht in der Lage, ohne eine Gläubigerbenachteiligung nach § 130 Abs. 1 InsO bzw. § 133 Abs. 1 InsO zu begehen. Selbst wenn die Benachteiligung der Gläubiger, wie im Falle der Leistung auf eine Geldstrafe, nicht die gewollte oder mutmaßliche Folge ist, so reicht es aus, dass der Betroffene sie als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten Vorteils erkannt und gebilligt hat.12 In diesem Fall hat der Schuldner keine reelle Chance, die Anordnung 5  OLG Köln NJW 1977, 307  f.; BayObLG NJW 1956, 1166; OLG Bremen NJW 1954, 522, 523; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 85. 6  BGHSt 26, 325, 330; SK-Wolters, § 42 Rn. 3. 7  Vgl. dazu 1.  Teil A. I. 2. b). 8  OLG Köln 64 (1983) 114, 115; OLG Braunschweig VRS 53 (1977), 262, 263; Fischer, § 40 Rn. 15, 17; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 100; LK-Häger, § 40 Rn. 57. 9  NK-Albrecht, § 40 Rn. 34. 10  BGH NJW 1988, 1153, 1154; BGH StV 1999, 312; 1986, 15; Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 105/106; SK-Rogall, Vor § 19 Rn. 42; Stratenwerth, Tatschuld und Strafzumessung, S. 36; Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 226; Günther, JZ 1989, 1025, 1027. 11  Vgl. dazu 1.  Teil A. I. 2. c). 12  BGH NZI 2014, 863, 864.



5. Teil: Zusammenfassung213

und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB gegen sich abzuwenden. Hieraus wird erkennbar, dass das Kernproblem der Geldstrafe die Bemessung der Tagessatzhöhe bei wirtschaftlich schwachen Personen bildet.13 Die Geldstrafe trifft damit den Täter, der eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt, härter als den gut situierten Täter.14 Die Ersatzfreiheitsstrafe wird dann zu einer sozial ungerechten Sanktion, wenn ihre Anordnung und Vollstreckungswahrscheinlichkeit mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe steigt. Die Geldstrafe wird gem. § 43 S. 2 StGB im 1:1-Umrechnungsmaßstab in die Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt, das heißt, ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitsstrafe. Grundvoraussetzung einer solchen 1:1-Umwandlung ist, dass Geld- und Freiheitsstrafe grundsätzlich vergleichbar sind, was allerdings einheitlich15 abgelehnt wird.16 Nach der Spielraumtheorie verbleibt nicht die eine, sondern mehrere schuldangemessene Strafen, aus denen sich die eine feste Strafgröße aufgrund der Präventionsentscheidung (Vereini­ gungstheorie17)18 ergibt. Die eigentliche Strafe ist dann immer mit dem Ausspruch der Missbilligung über ein vorwerfbares bzw. schuldhaftes Verhalten (Schuldfeststellung) und die Zufügung eines Übels, das die Schuld des Täters ausgleicht (Strafübel), verbunden.19 Fraglich ist, ob der Umrechnungsmaßstab 1:1 im Hinblick auf Strafgerechtigkeits- und Strafübelsäquivalenz beider Sanktionen überzeugt. Das StGB bestimmt selbst, dass die Geldstrafe die mildere Sanktion20 im Vergleich zur Freiheitsstrafe darstellt, wenn das Gericht gem. § 49 Abs. 2 StGB nach seinem Ermessen mildern und so bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt einer Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen darf. Überdies normiert § 12 StGB die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen. Der Gesetzgeber bewertet durch die 13  NK-Albrecht,

§ 40 Rn. 38. § 40 Rn. 1; Lorenz/Sebastian, KriPoZ 2017, 352, 356. 15  Sch/Sch-Kinzig, §  46 Rn. 60; LK-Häger, Vor §§ 40 bis 43 Rn. 2; Bruns/ Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Grebing, ZStW 88 (1976), 1049, 1109. 16  Vgl. dazu ausführlich 1. Teil A. II. 17  BGHSt 20, 264, 267; MüKo-Radtke, Vor § 38 Rn. 51; Schild, in: FS-Lenckner, S. 287, 300; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 33 ff.; ausführlich Koriath, Jura 1995, 625 ff. 18  Vgl. zu den Straftheorien insgesamt Brüning, Das Verhältnis des Strafrechts zum Disziplinarrecht, S. 194 ff. 19  BVerfGE 109, 133, 172; 128, 326, 377; 131, 268, 306; 134, 33, 81. 20  Vgl. dazu 1.  Teil. A. II. 2. b) aa). 14  HK/GS-Hartmann,

214

5. Teil: Zusammenfassung

Vorgabe der unterschiedlichen Strafrahmen die typisierte Unrechtsmaterie.21 Weshalb sich die Steigerung im Erfolgs- und Handlungsunwert einer Tat in den gestaffelten Strafrahmen niederschlägt.22 Vergehen sind damit Straf­taten, die der Gesetzgeber für relativ geringer strafwürdig hält.23 Es handelt sich insoweit um eine aus dem Sanktionssystem des StGB ableitbare Wertentscheidung, dass die Geldstrafe als mildere Sanktion gegenüber der Freiheitsstrafe eingestuft wird.24 Überdies ist die Geldstrafe mit einem geringeren Übel als die Freiheitsstrafe verbunden.25 Die Geldstrafe entzieht dem Betroffenen nach dem Nettoeinkommensprinzip gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB seine Tageseinkünfte. Der Freiheitsstrafenverbüßer gem. § 38 StGB verliert demgegenüber seine Bewegungsfreiheit und seine Tageseinkünfte.26 Auch Personen, die Transferleistungen nach SBG II empfangen, sind während der Zeit des Strafvollzuges von der Leistungsgewährung ausgeschlossen.27 Die Freiheitsstrafe stellt damit ein Mehr an Übelzufügung im Vergleich zur Geldstrafe dar.28 Die Ersatzfreiheitsstrafe ist auf der Grundlage dieses Befundes kein Ersatzübel, sondern ein Zusatzübel29. Damit führt der 1:1-Umrechnungsmaßstab in § 43 S. 2 StGB zu einer Überschuldstrafe beim Verurteilten. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird gem. § 459e Abs. 1 StPO vom Rechtspfleger angeordnet, womit sich die Geldstrafe gem. § 43 StGB praktisch „automatisch“ qua Anordnung in eine Freiheitsstrafe wandelt. Der ihr zugrundeliegende Strafbefehl bzw. das Urteil erkennt allerdings nur auf die Geldstrafe, weshalb den Betroffenen eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe trifft, die nicht das Ergebnis einer begründeten Strafzumessung darstellt und damit der richterlichen Tätigkeit entzogen ist.30 Eine solche Freiheitsstrafe ohne Richter-

21  Zipf/Dölling,

in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 63 Rn. 17. Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 579. 23  Fischer, § 12 Rn. 2. 24  BT-Drucks. IV/650, S. 173; BGHSt 37, 106, 133; vgl. auch Redlich, Die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe, S. 34; mit anderer Begründung NK-Albrecht, § 40 Rn. 7; MüKo-Radtke, § 40 Rn. 27; LK-Häger, Vor §§ 40 bis 43 Rn. 1; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, Kap. 5 Rn. 6; Mösl, NStZ 1983, 493, 495. 25  Vgl. dazu 1.  Teil A. II. 2. c). 26  Tröndle, ZStW 86 (1974), 545, 576. 27  BSG, Urt. v. 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R. 28  Schall, NstZ 1985, 104, 106; Tröndle, JR 1976, 162, 163; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525. 29  Tröndle, JR 1976, 162, 163; ders., ZStW 86 (1974), 545, 576; sich anschließend: Seebode, in: FS-Böhm, S. 519, 525; Weber, in: GS-Schröder, S. 175, 184; von einem „qualitativen Sprung“ spricht: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 775. 30  Tiedemann, GA 1964, 359, 368. 22  Schäfer



5. Teil: Zusammenfassung215

spruch31 ist im Hinblick auf den in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG normierten Richtervorbehalt problematisch.32 Allerdings wird einen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG durch die Anordnung und Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe dahingehend abgelehnt, dass der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der Tagessätze trifft.33 Dem Gericht ist bei der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt.34 Der Richter muss bei der Geldstrafenzumessung die hypothetische Überlegung anstellen, wie vielen Tagen Freiheitsstrafe die Tat des Täters entspricht.35 Gerade weil das Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 vorgibt, ist die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich.36 Mit der Zumessung der Anzahl der Tagessätze erkläre das Gericht zugleich die Vollstreckung einer bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe für den Uneinbringlichkeitsfall für zulässig.37 Nach § 459f Abs. 1 StPO kann die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte bedeuten würde.38 Eine unbillige Härte stellt die Vollstreckung für den Betroffenen nicht schon dann dar, wenn der Verurteilte auch unverschuldet, mittellos wird,39 weshalb ein Leben am Existenzminimum oder die Insolvenz des Schuldners für die Anwendung des § 459f StPO grundsätzlich nicht ­ausreichen.40 Überdies ist das Merkmal der „unbilligen Härte“ restriktiv auszulegen,41 womit die Abwendbarkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit gem. Art. 293 EGStGB grundsätzlich vorrangig

31  Lüderssen,

in: FS-Böhm, S. 553, 561. dazu 1. Teil B. II. 33  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKoRadtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5. 34  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 35  BGHSt 27, 70, 72. 36  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141. 37  LK-Häger, § 43 Rn. 5. 38  Vgl. dazu 1. Teil B. III. 2. 39  BVerfG NJW 2006, 3626, 3627; BGHSt 27, 90, 93; OLG Jena NStZ-RR 2006, 286, 287; OLG Düsseldorf VRS 77 (1989), 454, 455; MDR 1985, 76; 1983, 341; Schädler, ZRP 1983, 5, 7. 40  BVerfG NJW 2006, 3626; 3627; LG Göttingen wistra 2016, 167, 168; LG Osnabrück Rpfleger 2007, 111, 112; LG Leipzig ZIP 2002, 142. 41  Pfordte, StV 2010, 591, 595 f. 32  Vgl.

216

5. Teil: Zusammenfassung

zur Unterbleibensanordnung ist.42 Ein solch pauschaler Verweis vermag allerding nicht zu überzeugen, da die freie Arbeit in ihrer momentanen Ausgestaltung gegen das Grundrecht des Verurteilten aus Art. 12 Abs. 2 GG verstößt und sich als Arbeitszwang darstellt. Nach all dem ist fraglich, ob das Institut der Ersatzfreiheitsstrafe in seiner aktuellen Ausgestaltung noch zeitgemäß ist.43 Hiergegen spricht vor allem ein von der Partei DIE LINKE eingebrachter Gesetzesvorschlag44 zur alternativlosen Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Eine solch generelle Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe hätte den unbestreitbaren Vorteil, dass der Strafvollzug eine finanzielle wie personelle Entlastung erfahren würde. Auch könnten die negativen Folgen kurzer Freiheitsstrafe für den Verurteilten vermieden werden. Allerdings birgt die vollumfängliche Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe das Risiko, dass sich die Schuldner, die die Geldstrafe grundsätzlich bezahlen könnten, vorsätzlich in einen Zustand der Zahlungsunfähigkeit versetzen. In diesem Fall würde die Geldstrafe nicht nur bei den Zahlungsunfähigen (die DIE LINKE privilegieren will), sondern auch bei den Zahlungsunwilligen ins Leere laufen. Aus diesem Grund ist nach Alternativen im Rahmen der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen zu suchen. Insoweit drängt sich der Gedanke auf, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe wie die anderer Freiheitsstrafen nach §§ 56 ff. StGB auszusetzen. Die Argumente von Bublies verdeutlichen dabei bereits das Kernproblem, weil er die Ersatzfreiheitsstrafe einerseits als echte (Freiheits-)Strafe begreift. Diese echte (Freiheits-)Strafe beurteilt er jedoch andererseits als abhängig von der ihr zugrundeliegenden Geldstrafe und somit lediglich als Zwangselement zu deren Durchsetzung. Eine solche „Zwitterstellung“ kommt sonst keinem anderen Sanktionsmittel zu. Folglich scheint unklar, ob es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine echte (Freiheits-)Strafe handelt und die Bewährungsvorschriften gem. §§ 56 ff. StGB Anwendung finden können oder ob sie eher ein Beugemittel zur Durchsetzung der Geldstrafe ist, auf das die §§ 56 ff. StGB nicht anzuwenden wären. Wenn die Ersatzfreiheitsstrafe eine echte (Freiheits-)Strafe ist, dann befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer aufgrund seiner positiven Legalprognose (§§ 56 ff. StGB) in einer vergleichbaren Lage wie der von Anfang an zu Freiheitsstrafe Verurteilte. Eine Besserstellung des zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung Verurteilten gegenüber dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer ist in diesem Fall nicht zu rechtfertigen, weshalb die Vorschriften über

42  LG

Leipzig ZIP 2002, 142. zu den vorgebrachten Meinungen ausführlich 2. Teil. 44  BT-Drucks. 19/1689. 43  Vgl.



5. Teil: Zusammenfassung217

die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe Anwendung finden müssten. Die Aussetzungsfähigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe und damit die Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB hängt damit entscheidend von der Einordnung dieser als echter Freiheitsstrafe ab. Daraus folgt das Kernproblem, auf welche Rechtsnatur – Freiheitsstrafe oder Beugemittel – die Ersatzfreiheitsstrafe zurückzuführen ist. Im Wortlaut45 des § 43 S. 1 StGB finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe um eine irgendwie geartete „verlängerte“ Geldstrafe handelt. Auch findet sich kein Anzeichen dafür, dass die Geldstrafe weiterhin fortbesteht oder sich lediglich sukzessive in eine entsprechende Freiheitsstrafe umwandelt. Wenn es sich bei der Freiheitsstrafe gem. § 38 StGB um die anstaltsmäßige Einschränkung der Bewegungsfreiheit handelt,46 so gilt dies auch für die Ersatzfreiheitsstrafe. § 38 StGB bezieht sich allerdings nur auf Freiheitsstrafe im engeren Sinne, wobei sich die Abgrenzung zwischen Freiheitsstrafen im engeren und weiteren Sinne nach der Zielsetzung der Bestimmung richtet.47 Grundsätzlich schließt § 38 Abs. 2 StGB Freiheitsstrafen unter einem Monat Verbüßungsdauer aus. Allerding besteht rein faktisch auch bei den „echten“ Freiheitsstrafe die Möglichkeit, dass die tatsächliche Verbüßungsdauer durch Anrechnung gem. § 450 Abs. 1 StPO unter dieser einmonatigen Grenze liegt. Demzufolge ist die in § 38 Abs. 2 StGB vorgegebene zeitliche Dimension kein valides Abgrenzungskriterium zwischen der regulären Freiheitsstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe. Nach § 2 S. 1 StVollzG soll der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dem Straftäter wird sogar ein Anspruch auf Resozialisierung48 zugesprochen. Darüber hinaus dient der Vollzug der Freiheitsstrafe gem. § 2 S. 2 StVollzG auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Physische Gewalt wird über den Täter ausgeübt, um ihn so von weiteren Taten abzuhalten.49 Dagegen kann der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer sich selbst „entlassen“, wenn er gem. § 459e Abs. 4 StPO während der Haft auf die noch ausstehende Geldstrafe leistet. Die Aufgabe der Ersatzfreiheitsstrafe ist es die Geldstrafe abzusichern.50 Demnach würde es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe nach deren Zielsetzung wohl eher um eine 45  Vgl.

zur Wortlautauslegung des § 43 StGB ausführlich 3. Teil A. § 38 Rn. 23; Seebode, in: FS-Küper, S. 577, 583; Walter, Strafvollzug, Rn. 22. 47  Fischer, § 38 Rn. 2; NK-Dünkel, § 38 Rn. 22. 48  BVerfGE 45, 187, 239. 49  Jakobs, Strafrecht AT, 1. Abschn. Rn. 36. 50  MüKo-Radtke, § 43 Rn. 2. 46  NK-Dünkel,

218

5. Teil: Zusammenfassung

Freiheitsstrafe im weiteren Sinne handeln, die nicht ohne weiteres unter § 38 StGB zu subsumieren ist. Demgegenüber handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund der Historie51 des § 43 StGB um eine echte (Freiheits-)Strafe. Ausgangspunkt für die Ersatzfreiheitsstrafe, wie wir sie heute kennen, ist § 17 PStGB von 1851, welcher 20 Jahre später (1871) Eingang in § 28 RStGB fand. Die Diskussion um die Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung geht dabei auf allgemeine Reformansätze52 am Ausgang des 19. Jahrhundert zurück, deren erklärtes Ziel es war, die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen. Parallel zur Vollstreckungsaussetzung der kurzen Freiheitsstrafen entwickelte sich dabei auch die Diskussion um die Aussetzbarkeit der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. Da es sich bei der Vollstreckungsaussetzung von kurzen Freiheitsstrafen zur Bewährung um einen Akt der Gnade handelte, fehlte es an einer einheitlichen Regelung im deutschen Reich. Vielmehr konnte jeder Staat im Rahmen der eigenen Gnadenordnungen Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung erlassen. In diesem Zusammenhang war auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach dem weitüberwiegenden Teil der landesrechtlichen Regelungen aussetzbar. Dieser Zustand der Rechtszersplitterung in Bezug auf die Bewährungsvorschriften hielt bis zur Neugestaltung der §§ 23–25 StGB durch das 3. StrÄG 1953 an. Hierbei wurde die Möglichkeit der Strafaussetzung für Ersatzfreiheitsstrafen verworfen, da die Bewährungsvorschriften nur auf im Urteil verhängte Freiheitsstrafen Anwendung finden sollten. Dies markiert den Bruch zwischen der Aussetzbarkeit der Vollstreckung einer richterlich verhängten Freiheitsstrafe und der Nichtaussetzbarkeit der Vollstreckung einer durch Gesetz umgewandelten Ersatzfreiheitsstrafe. Somit wurden Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen erst seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in Bezug auf die Aussetzbarkeit ihrer Vollstreckung unterschiedlich behandelt. Dies ändert jedoch nichts an der historischen Bewertung der Ersatzfreiheitsstrafe als Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung aussetzbar war. Überdies sprechen systematische53 Erwägungen dafür, die Ersatzfreiheitsstrafe als echte (Freiheits-)Strafe zu bewerten. Bereits der historische Gesetzgeber hat ein Klarstellungsbedürfnis bezüglich des Mindesmaßes der Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber dem in § 38 Abs. 2 StGB Geregelten gesehen. Um Wertungswidersprüche in Bezug auf andere ambulante Sanktionen wie dem Fahrverbot nach § 44 StGB und den freiheitsentziehenden Sanktionen zu 51  Vgl.

zur historischen Auslegung des § 43 StGB ausführlich 3. Teil B. statt vieler Liszt, ZStW 9 (1889), 737 ff. 53  Vgl. zur systematischen Auslegung des § 43 StGB ausführlich 3. Teil C. 52  Vgl.



5. Teil: Zusammenfassung219

vermeiden, ist es angezeigt, auch auf Ebene des Vollstreckungsrechts nach innovativen Lösungen zu suchen. Denn für den juristischen Laien ist es nicht nachvollziehbar, warum der Geldstrafenschuldner bei wirtschaftlichem Unvermögen in den Strafvollzug gehen, der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte jedoch durch eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB nicht den Strafvollzug antreten muss. Zudem würde eine Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach §§ 56 ff. StGB mit der ursprünglichen Ausnahmestellung kurzer Freiheitsstrafe nach § 47 StGB korrelieren. Denn in diesem Zusammenhang geht nicht nur die Geldstrafe der Freiheitsstrafe vor, sondern auch die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ihrem Vollzug. Überdies kann nach § 59 StGB bereits die reguläre Geldstrafe vorbehaltlich verhängt und ihre Vollstreckung auf diesem Wege suspendiert werden. Auch kann zu Gunsten des Täters nach § 60 StGB auf die Verhängung eines Strafübels verzichtete werden. Wie bei § 60 StGB geht es auch bei der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB auf die Ersatzfreiheitsstrafe um eine Rechtsanwendung zu Gunsten des Täters. Davon abgesehen weist die Ersatzfreiheitsstrafe strukturelle Unterschiede zu den Beugemitteln wie der Erzwingungs- (§ 96 OWiG), der Ordnungs(§ 51 Abs. 1 S. 2 StPO) oder der Zwangshaft (§ 334 AO) auf. Ziel dieser Zwangsmittel ist die Durchsetzung anderer Maßnahmen, die nicht durch den Freiheitsentzug substituiert werden. Vielmehr bleiben die Anordnungsgegenstände (Erfüllung einer Mitwirkungspflicht bzw. Zahlung einer Geldschuld) auch nach Verbüßung der Haft bestehen. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der Ersatzfreiheitsstrafe als echter Strafe und der Ordnungsund Zwangshaft als reinen Beugemitteln. Aus der Stellung der Ersatzfreiheitsstrafe im Abschnitt über die Geldstrafe und der Möglichkeit, während der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe weiterhin auf die Geldstrafe leisten zu können, wird der Schluss gezogen, die Ersatzfreiheitsstrafe sei lediglich eine verlängerte Geldstrafe. Umgekehrt müsste allerdings auch die Beitreibung der Geldstrafe noch während der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe möglich bleiben, wenn es sich bei ihr um eine verlängerte Geldstrafe handeln würde. Dies ist allerdings gerade nicht der Fall. Jede weitere Beitreibungshandlung durch die Strafvollstreckungsbehörde ist nach dem Haftantritt unzulässig.54 Somit funktioniert dieses System nur einseitig zu Gunsten des Ersatzfreiheitsstrafenverbüßers. Darin ein Argument für das Weiterbestehen der Geldstrafe zu sehen, greift

54  Wagner, in: Röttle/Wagner, Strafvollstreckung, Rn. 276; Laubenthal/Nestler, Strafvollstreckung, V. Rn. 287.

220

5. Teil: Zusammenfassung

nicht durch. Überdies liegt eine vollstreckungsrechtliche Gleichstellung von Ersatzfreiheitsstrafe und originärer Freiheitsstrafe vor. Auch der Telos55 spricht für die Einordnung der Ersatzfreiheitsstrafe als echte (Freiheits-)Strafe. Dem historischen Gesetzgeber ging es bei Aufnahme der Ersatzfreiheitsstrafe in das StGB um die Abwehr eines Normgeltungsschadens. Sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe erfolgt ein Strafausspruch. Der Unterschied besteht in der Durchsetzbarkeit des Strafübels beim Betroffenen, die bei der Geldstrafe nicht immer gewährleistet ist. Deshalb wird das Strafübel der Geldstrafe (Entzug von Handlungsmöglichkeiten) gegen das Strafübel der Ersatzfreiheitsstrafe (Entzug der Bewegungsfreiheit) ausgetauscht, da dieses sich unabhängig von der Mitwirkung des Verurteilten effektuieren lässt. Dies spricht dafür, dass es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe sowohl nach dem historischen Gesetzgeber als auch nach objektiver Sicht um eine echte Freiheitsstrafe handelt. Wird angeführt, dass die Geldstrafe oft erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt werde, dann spricht dies eher dafür, dass die vollstreckungsrechtlichen Mittel zur Beitreibung nicht vollumfänglich ausgeschöpft wurden.56 Auch fehlt der Ersatzfreiheitsstrafe der für Beugemittel essenzielle Finalzusammenhang. Demzufolge handelt es sich bei der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB um eine echte (Freiheits-)Strafe. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein Strafübel, welches vor allem der Normbekräftigung dient, dazu führen kann, dass das Strafrecht zum reinen „Demonstrationsstrafrecht“ verkommt. Den spezialpräventiven Aspekten könnte dabei vor allem durch die Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung gem. §§ 56 ff. StGB Rechnung getragen werden. Auf der Grundlage dieser Betrachtung ist der Weg zur Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. §§ 56 ff. StGB eröffnet.57 Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht gem. § 56 Abs. 1 StGB die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteile sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Mit dem OLG Bremen ist davon auszugehen, dass der Richter die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ersatzfreiheitsstrafe bereits durch die Festsetzung der Zahl der 55  Vgl.

zur teleologischen Auslegung des § 43 StGB ausführlich 3. Teil D. § 43 Rn. 2; Dolde, in: FS-Böhm, S. 581, 582; Köhne, JR 2004,

56  NK-Albrecht,

453, 454. 57  Vgl. zur Anwendbarkeit der §§ 56 ff. StGB auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB gesamt 4. Teil.



5. Teil: Zusammenfassung221

Tages­sätze trifft.58 Dem Richter ist bereits im Rahmen der Zumessung der Tagessätze bewusst, dass sich im Falle der Uneinbringlichkeit ein Tagessatz der Geldstrafe gem. § 43 S. 2 StGB in einen Tag Freiheitsstrafe umwandelt.59 Auch der BGH spricht sich bei der Bestimmung der Tagessätze für die hypothetische Überlegung aus, wie vielen Tagen Freiheitsstrafe die Tat des Täters entsprechen würde.60 Hinzu kommt, dass das Gesetz den festen Umrechnungsmaßstab von 1:1 vorgibt, womit die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe neben der Geldstrafe in der Entscheidung entbehrlich ist.61 Die Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB ist der Verurteilung zu einer Geldstrafe gem. § 40 StGB immanent,62 weshalb die Aussetzung ihrer Vollstreckung bereits in der Entscheidung über die Geldstrafe gem. § 56 StGB erfolgen kann.63 Für eine Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 Abs. 1 StGB muss dem Verurteilten eine positive Legalprognose gestellt werden können. Die Prognose­ indizien für die Aussetzung der Strafvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe ergeben sich dabei aus der Entscheidung über die Verhängung einer Geldstrafe. Wenn das Gericht sich für die Geldstrafe und kongruent für die Ersatzfreiheitsstrafe entscheidet, lehnt es gem. § 47 Abs. 1 StGB besondere Umstände, die in der Tat oder Persönlichkeit des Täters liegen, ab, die die Einwirkung durch Freiheitsstrafe unerlässlich machen. Gleichzeitig wird damit erklärt, dass es gerade keiner Einwirkung durch eine Freiheitsstrafe auf den Täter bedarf. § 47 Abs. 1 StGB gibt damit den umgekehrten Beurteilungshorizont zu § 56 Abs. 1 StGB vor. Es wäre somit widersprüchlich, nach der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe davon auszugehen, dass die Einwirkung durch Freiheitsentzug plötzlich notwendig wird. Denn die Uneinbringlichkeit bezeichnet einen Zeitpunkt nach der Tat, der keinen Einfluss auf die vom Tatgericht anzuordnende Aussetzung der Vollstreckung nach § 56 StGB haben kann. Als Umkehrschluss aus § 47 Abs. 1 StGB ergibt sich ebenfalls, dass eine Geldstrafe nach § 40 Abs. 1 StGB nur dann verhängt werden darf, wenn es keiner Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung bedarf. Wenn es allerding schon keiner Freiheitsstrafe zum Erhalt und zur Stärkung des Rechtsvertrauens bedarf, kann auch keine Vollstreckung der Ersatzfreiheits58  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525; so auch SK-Wolters, § 43 Rn. 3; MüKoRadtke, § 43 Rn. 10; LK-Häger, § 43 Rn. 5. 59  OLG Bremen NJW 1975, 1524, 1525. 60  BGHSt 27, 70, 72. 61  Horstkotte, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1974, 1519, 1523; Zipf, JuS 1974, 137, 141. 62  Baur, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vom 3. ­April 2019, S. 8. 63  Vgl. zur direkten Anwendung des § 56 StGB auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB 4. Teil A. I.

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5. Teil: Zusammenfassung

strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung angezeigt sein. Demzufolge kann bei einer auf einer Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe kein Ausschluss der Vollstreckungsaussetzung wegen der Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB angezeigt sein. Im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafbildung gem. § 55 Abs. 1 StGB ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Prognosekriterien der der aktuellen Entscheidung und nicht der der letzten Vorverurteilung. Es können Umstände herangezogen werden, die dem ursprünglichen Tatrichter noch unbekannt waren oder die erst später entstanden sind.64 Demzufolge werden die Prognosekriterien des Abs. 1 angelegt. Diese allgemeinen Prognosekriterien sind bei einer auf Geldstrafe beruhenden Ersatzfreiheitsstrafe generell erfüllt. In diesem Zusammenhang muss es sich überdies nicht mehr um eine einmalige Tat handeln, sondern es kann sogar die Vollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.65 Auch hier kann damit argumentiert werden, dass prinzipiell keine Gesamtfreiheitsstrafe, sondern nur eine Gesamtgeldstrafe gegen den Täter verhängt wurde, dem somit generell eine positive Kriminalprognose zu stellen ist. Er bedarf aufgrund seiner Persönlichkeit gerade nicht der Einwirkung durch den Strafvollzug. Demzufolge ist auch eine Aussetzung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen bis zu zwei Jahren im Rahmen der Entscheidung über die Gesamtgeldstrafe gem. § 56 Abs. 2 S. 1 StGB möglich. Für die Beurteilung der Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei grundsätzlich das Tatgericht zuständig. Nur das Tatgericht kennt die Akten und kann anhand derer die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkung der Aussetzung auf den Täter gem. § 56 Abs. 1 S. 2 StGB beurteilen. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe und somit auch die Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB ist dabei aufschiebend bedingt von der Zahlung auf die Geldstrafe gem. § 459e Abs. 4 StPO bzw. der Ableistung freier Arbeit gem. Art. 293 EGStGB abhängig. Wird nur auf einen Teil der Geldstrafe geleistet, so kommt diese Teilzahlung wohl der Erfüllung einer Zahlungsauflage gem. § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB gleich. Dem Gericht des ersten Rechtszuges steht es frei in einer nachträglichen Entscheidung gem. § 453 Abs. 1 StPO bei Auflagenerfüllung und günstiger Kriminalprognose die Bewährungszeit auf das Mindestmaß von zwei Jahren zu verkürzen.66 64  BGHSt

7, 180, 182; BGH StV 2004, 480, 481; StV 1992, 417. 29, 370 ff. 66  BeckOK-v. Heintschel-Heinegg, § 56a Rn. 6. 65  BGHSt



5. Teil: Zusammenfassung223

Nach § 56 Abs. 4 S. 1 StGB kann nur die gesamte Vollstreckung einer Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Somit kann auch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht in Teilen, sondern lediglich vollständig ausgesetzt werden. Wird die Vollstreckungsaussetzung während der Bewährungszeit nicht nach § 56f StGB widerrufen, so bewährt sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer während dieser Zeit. In diesem Fall würde das Gericht die Ersatzfreiheitsstrafe und damit auch die Geldstrafe nach § 56g Abs. 1 S. 1 StGB erlassen. Fraglich ist, ob neben der direkten Anwendung des § 56 StGB auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auch eine analoge Anwendung des § 56 StGB in Bezug auf die Geldstrafe in Betracht kommt.67 Könnte bereits die Vollstreckung der Geldstrafe zur Bewährung gem. § 56 StGB ausgesetzt werden, wäre eine Vollstreckungsaussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 56 StGB obsolet. Allerdings hat der Gesetzgeber auf der Grundlage des Status quo von 1953 es abgelehnt, die Bewährungsvorschriften der §§ 56 ff. StGB auf die Vollstreckung der Geldstrafe Anwendung finden zu lassen. Es liegt somit eine bewusste Regelungslücke vor. Auch hat der Gesetzgeber bei der Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems im Jahr 2000 erneut den Regelungsbedarf bezüglich der Vollstreckungsaussetzung der Geldstrafe gesehen68 und sich gegen die positive Normierung ausgesprochen. Damit stehen der eindeutige Wortlaut des § 56 StGB und der Wille des Gesetzgebers gegen die Gewährung der Aussetzung der Vollstreckung einer Geldstrafe. § 56 StGB enthält damit die negative Anordnung, dass die Rechtsfolge für diesen scheinbar ungeregelten Fall nicht eintreten soll.69 Aufgrund der bewussten vom Gesetzgeber belassenen Regelungslücke bezüglich der Anwendung des § 56 StGB auf die Geldstrafenvollstreckung, ist kein Raum für eine analoge Norm­anwendung. Generell kommt neben der anfänglichen Vollstreckungsaussetzung gem. § 56 StGB auch die Aussetzung des Vollstreckungsrests der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB in Betracht.70 Vor allem für den Fall, dass die Geldstrafen immanente Verurteilung zur Ersatzfreiheitsstrafe abgelehnt wird, würde die Vollstreckungsrestaussetzung eine weitere Möglichkeit eröffnen,

67  Vgl. zur analogen Anwendung der Bewährungsvorschriften gem. §§ 56 ff. StGB auf die Vollstreckung der Geldstrafe nach § 40 StGB 4. Teil A. II. 68  Vgl. auch Deutscher Juristentag, NJW 1992, 3016, 3022. 69  Bezeichnung als „beredtes Schweigen“ in Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 573. 70  Vgl. zur Vollstreckungsrestaussetzung gem. § 57 StGB im Rahmen der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB 4. Teil A. III.

224

5. Teil: Zusammenfassung

dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer zumindest einen Teil seiner Haftzeit zu ersparen. Grundsätzlich befindet sich der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer in der gleichen Situation wie der zu Freiheitsstrafe Verurteilten,71 womit zumindest für alle Ersatzfreiheitsstrafen über zwei Monaten die Vollstreckungsrestaussetzung zu diskutieren ist. Bei der Ersatzfreiheitsstrafe handelt es sich um eine zeitige Freiheitsstrafe i. S. d. § 57 Abs. 1 StGB. Die Entscheidung nach § 57 StGB trifft, anders als im Rahmen des § 56 StGB, nicht das Gericht des ersten Rechtszuges, sondern gem. § 462a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 S. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer. Die Frage, ob die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe im Hinblick auf das Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB verantwortet werden kann, ist eng verknüpft mit der Prog­ noseentscheidung über die Täterpersönlichkeit.72 Da die Ersatzfreiheitsstrafe nur im Rahmen von Bagatelldelikten und Delikten im Bereich der leichten Kriminalität in Betracht kommt, werden der Aussetzbarkeit der zu vollstreckenden Restersatzfreiheitsstrafe keine Sicherheitsinteressen der Gesellschaft entgegenstehen. Der geringe Schaden, der bei einem Rückfall des Verurteilten droht, kann nicht die Weitervollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtfertigen. Dem Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer ist grundsätzlich eine positive Legalprognose zustellen. Die Restaussetzung der Strafvollstreckung nach § 57 Abs. 1 StGB bedarf der Zustimmung des Verurteilten, da diesem keine Auflagen oder Weisungen aufgedrängt werden sollen. Auch der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer müsste demnach in seine vorzeitige Entlassung gem. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB einwilligen. Der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer kann selbst darüber entscheiden, ob er den Rest der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig verbüßen will oder vorzeitig entweder durch Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB oder durch Zahlung der ausstehenden Geldstrafe entlassen werden möchte. Wird in andere europäische Länder geblickt, zeigt sich, dass die Ersatzfreiheitsstrafe bzw. deren Vollstreckung deutlich zurückgedrängt wurde, ohne das Institut der Geldstrafe dabei preiszugeben.73 Auch in Deutschland sollte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ultima ratio sein. In Österreich, Dänemark und Frankreich ist bereits die Vollstreckung der Geldstrafe ausset71  OLG Koblenz NStZ 1987, 120  f.; NStZ 1995, 254; zustimmend BeckOKv. Heintschel-Heinegg, § 57 Rn. 3; Sch/Sch-Kinzig, § 57 Rn. 4; NK-Albrecht, § 43 Rn. 7. 72  S/S-Kinzig, § 57 Rn. 15. 73  Vgl. dazu 4. Teil B. II.



5. Teil: Zusammenfassung225

zungsfähig. Überdies ist in Österreich die Ersatzfreiheitsstrafe wie jede reguläre Freiheitsstrafe nach der Hälfte bzw. zwei Dritteln der Verbüßungszeit aussetzungsfähig. In Schweden wird bereits von der Möglichkeit der Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe nur sporadisch Gebrauch gemacht. Auch obliegt die Anordnung einer solchen anders als in Deutschland dem Richter. In Schweden soll die Ersatzfreiheitsstrafe nicht den Zahlungsunfähigen, sondern ausschließlich den Zahlungsunwilligen treffen. In Deutschland wird seit Jahren kriminalpolitisch74 gefordert, den Anwendungsbereich stationärer Sanktionen einzuschränken und den ambulanter Sanktionen auszubauen, um differenziertere sowie effizientere Reaktionen im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität zu schaffen.75 Zwischen den beiden Extrempositionen der Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe und deren Vollstreckung könnte gerade die Strafaussetzung zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB den „goldenen Mittelweg“ bilden. Wird von der Prämisse ausgegangen, dass freiheitsentziehende Sanktionen die ultima ratio darstellen und die Interventionstiefe einer Maßnahme an der Gefährlichkeit des Täters auszurichten ist, dann ergibt sich folgender Vorschlag76 einer vierstufigen Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe: 1. Stufe: Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Zahlung auf die Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit 2. Stufe: Aussetzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unter Auflagen und Weisungen nach §§ 56 ff. StGB 3. Stufe: Bei Widerruf der Bewährung nach 56f StGB Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe oder Anordnung nach § 459f StPO 4. Stufe: Aussetzung des Restes der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 57 StGB. Dies heißt im Detail, dass in jedem Urteil und Strafbefehl neben der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen wird. Dabei wird der Verurteilte darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Zahlung auf die Geldstrafe oder Ableistung freier Arbeit abbedungen werden kann. Überdies ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 56 StGB unter Auflagen und Weisungen auszusetzen und erst, wenn die dem Verurteilten gewährte Bewährung nach § 56f StGB widerrufen wird, ist die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken. Hierbei kann der Verurteilte das Unterbleiben der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe beim Vollstreckungsgericht beantragen, wenn die Voraussetzungen nach § 459f StPO vorliegen. Wird die Er74  Vgl.

dazu 4. Teil B. III. BRJ 02/2014, 135. 76  Vgl. dazu ausführlich 4. Teil B. IV. 75  Verrel,

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5. Teil: Zusammenfassung

satzfreiheitsstrafe vollstreckt, ist nach zwei Dritteln, mindestens jedoch nach zwei Monaten der Vollstreckung deren Aussetzung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB zu prüfen. Die Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB ist als Synthese zwischen Freiheitsgewährung und Vermittlung sozialer Kompetenz die ideale Sanktionsalternative im sozialen Rechtsstaat,77 weshalb sie auf alle Freiheitsentziehungen gleichermaßen Anwendung finden sollte.

77  Kubink,

Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, S. 468.

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Stichwortverzeichnis Analogie  19 f. Arbeit, freie  79 ff., 88, 113 ff., 142, 185, 196, 204 ff., 215 f. Ausblick, kurzer  209 f. Beugemittel  23, 97, 99, 120, 124, 130 f., 138, 148, 156, 159, 161, 166 f., 170, 173 f., 216 f., 219 f. Constitutio Criminalis Carolina  106 ff. Dänemark  198, 200, 224 Ersatzfreiheitsstrafe, Abschaffung der  24, 89 ff., 112, 196, 203, 216, 225 Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung  29, 69 ff., 92 f., 96, 116, 121, 200, 204 Erzwingungshaft  124 f., 148 f., 156, 167, 170 Existenzminimum  24, 36 ff., 41, 43, 47, 62, 73, 78 f., 84, 88 ff., 211, 215 Fahrverbot  139, 172, 218 Frankreich  140, 198 f., 200, 224 Freiheitsstrafe, echte  19, 23 f., 94, 96 ff., 99, 110, 112, 120, 130, 138, 147, 164 f., 167, 170 ff., 175 f., 200, 205, 216, 218, 220 Freiheitsstrafe, Verhängung kurzer  91, 140 ff., 219 Freiheitsstrafe, zeitige  96, 100, 111, 138, 162, 186, 195, 224 Geldstrafengesetz  113 ff. Geldstrafenvollstreckung  21, 23, 26, 29, 47, 69 f., 72, 161, 163, 195, 223 Gesamtstrafenbildung  71, 142, 184 Härte, unbillige  77 f., 87, 127 f., 165, 185, 207 ff., 215

Historie  24, 40, 103 ff., 138, 164 f., 169 ff., 205, 218, 220 Insolvenz  24, 29, 30, 45 ff., 72, 78, 79, 84, 85, 88, 185 f., 212, 215 Meinungsstand  91 ff. Mittelalter  105 f. Nettoeinkommensprinzip  30, 36, 67, 83 f., 211, 214 Ordnungshaft  148, 156 ff. Österreich  140, 197 f., 200, 224 f. Preußisches Allgemeines Landrecht  108 ff. Prognoseentscheidung  189 f. Prognoseindizien  177 ff. Reichsstrafgesetzbuch  110 ff., 119 ff. Schuldprinzip  24, 52, 65 f. Schweden  199 f., 225 Spielraumtheorie  55 ff., 59 f., 66, 85, 213 Strafartwahl  57, 60 f., 65, 67, 180 Strafe, Absehen von  146 f. Strafgesetzbuch ab 1975  130 ff. Strafgesetzbuch, Entwurf von 1962  126 ff. Strafrechtsänderungsgesetz, drittes  125 f. Strafrechtsreform, große  91, 129 Strafübel  20, 30, 32, 38, 42, 45, 47, 50 ff., 67 f., 78, 84, 86, 91, 135, 147, 154, 156, 167 f., 170, 173 f., 212 f., 219 f.

250 Stichwortverzeichnis Strafvollstreckung, Aussetzung der  18, 20 ff., 24, 93 ff., 99, 114, 116 ff., 121 ff., 125 f., 128 ff., 135 ff., 140, 143, 145 f., 161 ff., 172 ff., 175 ff., 217 ff. Strafvollstreckung, Restaussetzung der  24, 94, 135, 187 f., 190, 196, 200, 209, 224 Strafvollstreckungskammer  187, 195, 224 Strafvorbehalt, Verwarnung mit  143 ff. Surrogation  15, 24, 30, 49, 92, 100, 211 Systematik  24, 114, 137 ff., 172 Tatgericht  36, 40 f., 111, 134 f., 179, 182, 192 f., 206, 221 f. Telos  24, 164 ff., 173, 220

Transferleistungen  36, 37, 40 f., 84 Umwandlungsmaßstab  66, 68, 119 Uneinbringlichkeit  15, 26, 30, 48, 51, 73, 75, 77, 83, 85, 109, 117, 120 ff., 130, 141, 159, 167 f., 170, 174 f., 179, 183, 191 f., 196 f., 206, 211, 215, 221 Vorschlag, eigener  25, 203 ff. Wortlaut  19, 21, 23 f., 57 ff., 63, 65 f., 70, 72, 95, 99 ff., 103, 121, 129, 133 ff., 137, 171, 195, 207, 217, 223 Zahlungserleichterungen  30, 43 ff., 63, 69 f., 84, 90, 92, 116, 126, 197, 199, 212 Zwangshaft  50, 148, 159 ff., 173, 219