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German Pages 396 [397] Year 2021
Schriften zum Steuerrecht Band 161
Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG
Von
Matthias Jakob Ziegert
Duncker & Humblot · Berlin
MATTHIAS JAKOB ZIEGERT
Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG
S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 161
Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG
Von
Matthias Jakob Ziegert
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT. Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 384 Alle Rechte vorbehalten
© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18126-1 (Print) ISBN 978-3-428-58126-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern Monika und Bernhard Sauer
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von Juni 2020. Allen voran darf ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Gregor Kirchhof, LL. M. für die Betreuung dieser Arbeit bedanken. Stets stand er mir mit wertvollem Rat und mit großer Diskussionsbereitschaft zur Seite und trug so wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Der steuerrechtliche Teil der Untersuchung entstand weitgehend während meines Forschungsaufenthalts am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München. Für die Möglichkeit, in einem solch bereichernden Umfeld forschen zu dürfen, bin ich Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön zu Dank verpflichtet. Schließlich danke ich meinem langjährigen akademischen Lehrer Herrn Professor Dr. Thomas M. J. Möllers mit seinem gesamten Lehrstuhlteam. Er hat mich über viele Jahre an seinem Lehrstuhl stets gefördert und ist mir noch immer ein wichtiger Ansprechpartner. Ihm gebührt auch der Dank für das Zweitgutachten. Danken möchte ich ferner meiner langjährigen Kollegin Dr. Natalie Höck, meinen seit Schulzeiten verbundenen Wegbegleitern und Freunden Dr. Sebastian Rupprecht und Dr. Thomas Zott, LL. M. (GWU) sowie meinem Bruder Franz Sauer und meiner Ehefrau Dr. Nora Ziegert. Dem Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT danke ich für die vollständige Übernahme der Druckkosten. Ohne meine lieben Eltern Monika und Bernhard Sauer wäre diese Arbeit nie geschrieben worden. Sie haben mich während meiner ganzen Ausbildung unermüdlich und in jedweder Hinsicht unterstützt. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Augsburg/München, im Januar 2021
Matthias Jakob Ziegert (geb. Sauer)
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Teil Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
32
§ 1 Ausgangspunkt und Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A. Die Stellung der Kapitalertragsteuer im System der Einkommensteuer . . . . . . . . 32 B. Die am Kapitalertragsteuerverfahren beteiligten Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge . . . . . . . . . A. Die Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge im 20. Jahrhundert . . . B. Die Einführung einer Abgeltungsbesteuerung durch das Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 – endgültige Abkehr vom System der synthetischen Einkommensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Änderungen im Kapitalertragsteuerverfahren durch das Steueränderungsgesetz von 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35 45 47 48
2. Teil Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus steuerrechtlicher Perspektive § 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren zwischen Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Hauptpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Nebenpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Pflichten der Kreditinstitute aufgrund internationaler Abkommen und Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen für das Kreditinstitut . . . . . . . . . . . C. Die strafrechtlichen Folgen bei Missbrauch im Kapitalertragsteuerverfahren . . . D. Die Belastung der Kreditinstitute durch Steuerverwaltungskosten . . . . . . . . . . . .
49 49 50 124 138 145 146 147 191 197 209
6
Inhaltsübersicht E. Die Belastung von Kreditinstituten durch Reputationsrisiken bzw. Reputationsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 F. Zusammenfassung und Ergebnis von § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Teil Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Perspektive
§ 5 Die verwaltungsrechtliche Qualifizierung des Verhältnisses zwischen Kreditinstitut und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe durch die Kreditinstitute . . . . . . . . B. Die Kreditinstitute als staatlich Beliehene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Kreditinstitute als Verwaltungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Kreditinstitute als indienstgenommene Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung und Ergebnis von § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die staatsorganisationsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die grundrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218 218 219 222 235 240 245 246 247 252 322 333
Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Verzeichnis der Schreiben der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1. Teil Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
32
§ 1 Ausgangspunkt und Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A. Die Stellung der Kapitalertragsteuer im System der Einkommensteuer . . . . . . . . . 32 B. Die am Kapitalertragsteuerverfahren beteiligten Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge . . . . . . . . . 35 A. Die Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge im 20. Jahrhundert . . . 35 I. Der Ausgangspunkt des Kapitalertragsteuerrechts – das Kapitalertragsteuergesetz vom 29. 3. 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Die Einführung eines Anrechnungsverfahrens der Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld mit dem Einkommensteuergesetz 1925 . . . . . . 37 III. Die Grundlage des heutigen EStG – das Einkommensteuergesetz 1934 . . . . 38 IV. Einführung und Abschaffung der sog. „kleinen Kapitalertragsteuer“ durch das Steuerreformgesetz 1990 und das Steuerreformänderungsgesetz 1989
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V. Erster Versuch der Beseitigung des strukturellen Vollzugsdefizits bei der Kapitalertragsteuer durch das Zinsurteil des Bundesverfassungsgerichts und das Zinsabschlaggesetz 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 VI. Zweiter Versuch der Beseitigung des strukturellen Vollzugsdefizits bei der Kapitalertragsteuer durch das „Tipke-Urteil“ und die Reaktionen seitens der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Die Einführung einer Abgeltungsbesteuerung durch das Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 – endgültige Abkehr vom System der synthetischen Einkommensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Die Änderungen im Kapitalertragsteuerverfahren durch das Steueränderungsgesetz von 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
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Inhaltsverzeichnis 2. Teil Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus steuerrechtlicher Perspektive
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§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren zwischen Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 A. Die Hauptpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung des Anwendungsbereichs des Kapitalertragsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Das Kreditinstitut als Entrichtungs- und Steuerpflichtiger . . . . . . . . . . . . 51 2. Die Pflicht des Kreditinstituts zur Ermittlung des Sachverhalts . . . . . . . . 53 3. Ermittlung der Abzugsverpflichtung nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . 55 a) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Subjektive Kapitalertragsteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Objektive Kapitalertragsteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Das Enumerationsprinzip des § 43 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Die Pflicht zur Ermittlung der einschlägigen Kapitalerträge . . . . . 58 (1) Die Kapitalmaßnahme der Google Inc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (2) Steuerrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (a) Qualifizierung als Sachdividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (b) Qualifizierung als Veräußerungsgewinn durch Anteilsverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (c) Qualifizierung als Bonusaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (d) Qualifizierung als Gratisaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (e) Qualifizierung als Spin-Off . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (f) Qualifizierung als Aktiensplit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (g) Bewertung der Kapitalmaßnahme durch die Kreditinstitute 64 (h) Bewertung der Kapitalmaßnahme durch das BMF . . . . . . . 64 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Die Pflicht zur Beachtung von Befreiungstatbeständen . . . . . . . . . . . . 65 aa) Die Befreiung von der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 2 EStG 66 bb) Die Befreiung von der Kapitalertragsteuer nach § 43b Abs. 1 EStG 67 4. Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere bei der Prüfung des Anwendungsbereichs der Kapitalertragsteuer durch die Kreditinstitute . . . . . . . . 68 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Die in der Abgabenordnung zur Verfügung stehenden Auskunftsvorschriften und sonstige Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 d) Das Lohnsteuerverfahren als Vergleichsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Die besondere Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren
70
Inhaltsverzeichnis
9
bb) Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (1) Inhalt und Rechtsschutzziel der Anrufungsauskunft . . . . . . . . 71 (2) Kostenfreiheit der Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 cc) Kodifizierung einer Anrufungsauskunft im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 e) Konkreter Änderungsvorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die abzuziehende Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Allgemeine Pflicht zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . 74 2. Die Pflicht zur Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Die Pflicht zur Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Die Pflicht zur Korrektur der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung der Höhe der Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Der gesonderte Steuersatz für Kapitalerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Die Ermäßigung der Kapitalertragsteuer bei anfallender Kirchenkapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Das ab VZ 2015 geltende Kirchensteuerabzugsverfahren . . . . . . . . . . 82 b) Konsequenzen für die Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Die Pflicht der Kreditinstitute zum Abzug, Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Der maßgebliche Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge . . . . . . . . . 86 2. Die Pflicht zur Vornahme des Steuerabzugs unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Der Abzug der Kapitalertragsteuer beim Gläubiger der Kapitalerträge und die Abführung an das Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 V. Die Pflichten der Kreditinstitute unter dem Einfluss der Abgeltungsbesteuerung und des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Die Wirkung der Abgeltungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Abgeltungsteuer als Form einer unionsrechtswidrigen mittelbaren Beihilfe zum Vorteil der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 VI. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Prüfung einer möglichen Abstandnahme vom Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Der Freistellungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Grundfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Form, Inhalt und zeitliche Geltung des Freistellungsauftrags . . . . . . . 100 d) Gemeinsamer Freistellungsauftrag und Freistellungsauftrag im Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 e) Mitteilungspflichten beim Freistellungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
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Inhaltsverzeichnis f) Verbesserungsmöglichkeiten beim Freistellungsauftrag . . . . . . . . . . . . 104 aa) Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Konkreter Änderungsvorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Konsequenzen der neuen Regelung für die Beteiligten im Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen bis 100 EUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen über 100 EUR, aber nicht über 801 EUR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (4) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen bei mehreren Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (a) Erste Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (b) Zweite Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (c) Dritte Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (d) Vierte Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (e) Fünfte Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Die Nichtveranlagungsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Sonstige Nichtabzugstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 VII. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Anmeldung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nach § 45a Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 VIII. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen 115 1. Die Bescheinigung eines nicht ausgeglichenen Verlusts nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Die Sammel-Steuerbescheinigung nach § 44a Abs. 10 Satz 4 EStG . . . . . 116 3. Die Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen nach § 45a Abs. 2 – 7 EStG . . . 117 4. Die Bescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer für die Kirchensteuerveranlagung nach § 51a Abs. 2d Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . 118 IX. Die Pflicht der Kreditinstitute zu bestimmten Anzeigen und Mitteilungen 118 1. Mitteilungen an das BZSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Anzeigen und Mitteilungen an das Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Mitteilungen an ein anderes Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Mitteilungen an die das Bundesschuldbuch führende Stelle bzw. an die Landesschuldenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 X. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B. Die Nebenpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens nach § 93b AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG . . . . . . . . . . . 124 II. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Wahrung des Bankgeheimnisses . . . . . . . 127 1. Das Bankgeheimnis im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Inhaltsverzeichnis
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2. Das Bankgeheimnis im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Die Pflichten der Kreditinstitute im Rahmen der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO i. V. m. § 50b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Der Zweck einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Der Anwendungsbereich der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung . . . . . . . 131 3. Die Mitwirkungspflichten der Kreditinstitute bei der KapitalertragsteuerAußenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Folgen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Die Pflicht der Kreditinstitute zu Dokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Aufgaben und Ausgangspunkt steuerlicher Dokumentationspflichten . . . 133 2. Die einzelnen Dokumentationspflichten im Kapitalertragsteuerrecht . . . . 134 V. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 C. Die Pflichten der Kreditinstitute aufgrund internationaler Abkommen und Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Der Common Reporting Standard (CRS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Tax Information Exchange Agreements (TIEA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 § 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 A. Die steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Steuerschuld und Haftungsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Die Haftung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren gegenüber dem Fiskus sowie sonstige Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Die Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Voraussetzungen einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Bestehen einer Abzugspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Verletzung der Abzugspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Verschulden der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (1) Originäres Verschulden der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (a) Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (b) Die grobe Fahrlässigkeit als Hauptanwendungsfall der Haftung nach der Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (c) Kritik an der Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (d) Kritik am Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Haftung für Fehlinformationen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
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Inhaltsverzeichnis b) Verfahren bei der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Erlass eines Haftungsbescheids gegen das Kreditinstitut . . . . . . . . 161 bb) Erlass eines Nachforderungsbescheids gegen das Kreditinstitut 162 cc) Erlass eines Nachforderungsbescheids gegen den Gläubiger der Kapitalerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Auswahl des Adressaten durch die Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . 163 c) Folgen einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Haftung nach § 44 Abs. 6 Satz 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Die Haftung nach § 44b Abs. 6 Satz 2 HS. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4. Die Haftung nach § 45a Abs. 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 5. Die Haftung von Vertretern der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6. Sonstige Konsequenzen für die Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Die Zuschätzung nach § 162 AO bzw. Zwangsgeld nach § 328 f. AO 168 b) Festsetzung von Verspätungszuschlägen nach § 152 AO . . . . . . . . . . . 170 c) Säumniszuschläge nach § 240 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Die Vollstreckung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung . . . . . . . . . . . . 171 III. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Gläubigers der Kapitalerträge gegen die Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Die Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Die Delta-Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 44b Abs. 5 EStG . . . . . 173 c) Die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach dem Bankvertrag . . . . . . 175 d) Weitere Möglichkeiten der Erstattung von Kapitalertragsteuer . . . . . . 175 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 f) Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen der Erstattung der Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Allgemeiner Bankvertrag als Schuldverhältnis i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Die Wirkung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten auf die Pflichten der Kreditinstitute aus dem Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Verletzung einer Nebenpflicht i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 180 aa) Die Ansicht der Rechtsprechung des BGH und BFH . . . . . . . . . . . 181 bb) Die Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Vertretenmüssen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
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3. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei sonstigem pflichtwidrigen Verhalten im Abzugsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 IV. Das Spannungsverhältnis zwischen Haftung gegenüber dem Fiskus und Schadensersatz gegenüber den Kunden bei fehlerhaftem Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Zusammenfassung und Ergebnis von § 4 A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen für das Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . 191 I. Die Gefährdung von Abzugsteuern nach § 380 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 III. Die Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 50e EStG . . . . . . . . . . . . . . 194 IV. Die zweckwidrige Verwendung des Identifikationsmerkmals nach § 383a AO i. V. m. § 139a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 V. Die Verletzung von Pflichten aus internationalen Abkommen . . . . . . . . . . . 196 VI. Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts . . . . . . . . 196 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 C. Die strafrechtlichen Folgen bei Missbrauch im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . 197 I. Individuelle Strafbarkeit der Vertreter der Kreditinstitute anstatt Unternehmensstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Die Steuerhinterziehung durch fehlerhafte Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Steuerhinterziehung durch aktives Tun nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO . . . . 199 2. Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO . . . . 200 3. Der Taterfolg der Steuerverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO 202 5. Die Verwirklichung von Regelbeispielen auf Ebene der Strafzumessung 203 III. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Ausstellung unrichtiger Steuerbescheinigungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 StGB i. V. m. § 369 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 IV. Die Untreuestrafbarkeit nach § 266 StGB durch zweckwidrige Verwendung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Die Erfüllung des objektiven Tatbestands der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Die Ansicht in Rechtsprechung und Teilen der Literatur . . . . . . . . 205 bb) Kritik an der Ansicht in Rechtsprechung und Teilen der Literatur 206 b) Eingetretener Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Die Erfüllung des subjektiven Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Die Verwirklichung von Regelbeispielen auf Ebene der Strafzumessung 209 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 D. Die Belastung der Kreditinstitute durch Steuerverwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . 209 I. Systematisierung von Steuerverwaltungskosten innerhalb eines Kreditinstituts – Mikroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
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Inhaltsverzeichnis II. Gesamtwirtschaftliche Belastung von Kreditinstituten durch Steuerverwaltungskosten – Makroebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Methodik und Leitfälle der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Gesamtkosten und Kostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Auswirkungen auf die Modernisierung des Kapitalertragsteuerrechts . . . 213 E. Die Belastung von Kreditinstituten durch Reputationsrisiken bzw. Reputationsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 F. Zusammenfassung und Ergebnis von § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
3. Teil Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Perspektive
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§ 5 Die verwaltungsrechtliche Qualifizierung des Verhältnisses zwischen Kreditinstitut und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 A. Die Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe durch die Kreditinstitute . . . . . . . . 219 B. Die Kreditinstitute als staatlich Beliehene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Beleihung . . . . 223 II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Beleihung Privater . . . . . . . . . . . . . 225 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als Beliehene im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Vertretene Auffassungen für die Annahme einer Beleihung . . . . . . . . . . . 227 2. Widerlegung der für eine Beleihung vertretenen Auffassungen . . . . . . . . 229 a) Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung als hoheitliche Verwaltungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Der Abzug und die Abführung der Kapitalertragsteuer als hoheitliche Verwaltungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Der TÜV als klassischer Fall der Beleihung im Vergleich . . . . . . . . . . 234 C. Die Kreditinstitute als Verwaltungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als Verwaltungshelfer im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Vertretene Auffassungen für die Annahme einer Verwaltungshilfe . . . . . 237 2. Widerlegung der für eine Verwaltungshilfe vertretenen Auffassungen . . . 238 a) Die unselbstständige Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe . . . . . 238 b) Die Weisungsgebundenheit bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Die Wahrnehmung einer untergeordneten, unterstützenden Tätigkeit
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d) Der Abschleppunternehmer als klassischer Fall der Verwaltungshilfe im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 D. Die Kreditinstitute als indienstgenommene Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Indienstnahme Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Indienstnahme Privater . . . . . . . . . 242 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als indienstgenommene Private . . . . . . . . 243 E. Zusammenfassung und Ergebnis von § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 A. Die staatsorganisationsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 I. Verstoß gegen die Kompetenzordnung nach Art. 20 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . 247 II. Verstoß gegen die Kompetenzordnung nach Art. 108 GG . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Die grundrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I. Ausgangslage: Die Kuponsteuer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. 11. 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit für Kreditinstitute 255 a) Das Kreditinstitut als persönlich Schutzberechtigter . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Das allgemeine Bankgeschäft als sachlich geschützter Beruf . . . . . . . 256 2. Die §§ 43 ff. EStG als staatlicher Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Die Normen der §§ 43 ff. EStG als in die Berufsfreiheit eingreifende Vorschriften mit berufsregelnder Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Das Kapitalertragsteuerverfahren als klassischer Anwendungsfall der Rechtsfigur des kumulativen Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Die Rechtsfigur des kumulativen Eingriffs als möglicher Lösungsweg einer grundrechtsdogmatischen Problemstellung . . . . . 262 (1) Das Grundproblem kumulativ auftretender Belastungen . . . . . 263 (2) Die Behandlung der Problematik in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (3) Die Voraussetzungen eines kumulativen Eingriffs und dessen Eingriffsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Das Kapitalertragsteuerverfahren als kumulativer Eingriff . . . . . . 267 3. Die Rechtfertigung des staatlichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
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Inhaltsverzeichnis b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Pflichtenreduzierung durch effizientere Gestaltung des Kapitalertragsteuerverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . 276 (2) Kein grundrechtliches Optimierungsgebot – die Verfassung als Rahmenordnung mit gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum 277 bb) Besteuerung von Kapitalerträgen im Wege eines Vorauszahlungsverfahrens bzw. Kombination mit dem sog. „Informationsmodell“ 279 cc) Finanzielle Entschädigung für die Tätigkeit der Kreditinstitute . . 281 (1) Der grundrechtsdogmatische Anknüpfungspunkt einer möglichen Entschädigung von indienstgenommenen Privaten . . . . . 282 (2) Die entschädigungspflichtige Indienstnahme der Kreditinstitute als milderes Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (3) Die Möglichkeit der Kostenabwälzung als Legitimationsgrund für eine entschädigungslose Indienstnahme der Kreditinstitute 287 (4) Ausgestaltung und Höhe einer de lege ferenda zu schaffenden staatlichen Entschädigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Der Nutzen der Indienstnahme von Kreditinstituten für Staat, Steuerschuldner und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Die Belastung der Kreditinstitute durch die staatliche Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (1) Die Belastung der Kreditinstitute durch die Erfüllung ihrer im Kapitalertragsteuerverfahren auferlegten Pflichten . . . . . . . . . 296 (a) Hauptpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (b) Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (c) Pflichten aus internationalen Abkommen und Verträgen . . . 298 (d) Belastungswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (2) Die Belastung der Kreditinstitute durch die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Kapitalertragsteuerverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (a) Steuer- und vertragsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . 299 (b) Ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . 299 (c) Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (d) Steuerverwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (e) Reputationsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (f) Belastungswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (3) Feststellung der Gesamtbelastung der Kreditinstitute durch die Indienstnahme im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . 301 cc) Die Abwägung der betroffenen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Inhaltsverzeichnis
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III. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Freiheit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . 303 IV. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Freiheit von Zwangsarbeit nach Art. 12 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . 304 V. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit für Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Die Konkurrenz zwischen Eigentumsfreiheit und Berufsfreiheit . . . . . . . 307 VI. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . 310 1. Feststellung einer Ungleichbehandlung von indienstgenommenen Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Bestimmung der Vergleichsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) In Betracht kommende Vergleichsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Bestimmung der Vergleichsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 cc) Bildung eines gemeinsamen Oberbegriffs – tertium comparationis und genus proximum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Feststellung einer Ungleichbehandlung von Kreditinstituten . . . . . . . . 315 2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Kreditinstituten . . . . . . . . . 316 a) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Rechtfertigung am Maßstab der Willkürformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 c) Rechtfertigung am Maßstab der neuen Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Das Kriterium der Interessenkongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Das Kriterium der Mitverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 C. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Die Verfassungsbeschwerde als prozessrechtliche Abwehrmöglichkeit für Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Beschwerdefähigkeit des Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Bestimmung des konkreten Beschwerdegegenstands und Beschwerdefrist 323 a) Vorgehen mittels einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . 323 aa) Fristbeginn bei positivem Gesetzgebungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 bb) Fristbeginn bei gesetzgeberischem Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Vorgehen mittels einer Urteilsverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . 327 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 II. Inhalt und Folgen der Entscheidung durch das BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Nichtigerklärung verfassungswidriger Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Beschränkung auf die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Erlass einer Appellentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
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Inhaltsverzeichnis D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Verzeichnis der Schreiben der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
Abkürzungsverzeichnis A. A. a. E. a. F. ABl. Abs. AcP AEAO AEUV AG AGB AktG Allg. Alt. Anm. AO AöR ArchivPT Art. AT Aufl. BAG BAGE BayObLG BayObLGSt BayVBl. BB BC BeckOGK BeckOK BeckRS Begr. Beih. Beil. BeitrRLUmsG ber. Beschl. betr. BFH BFHE BFH/NV
Andere/r Ansicht am Ende alte Fassung Amtsblatt Absatz/Absätze Archiv für die civilistische Praxis Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Amtsgericht/Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Allgemeinen Alternative (n) Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Post- und Telekommunikationsgeschichte Artikel Allgemeiner Teil Auflage Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Beck online-Großkommentar Beck online-Kommentar Beck online Rechtsprechung Begründer Beiheft Beilage Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz berichtigt Beschluss betreffend Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
20 BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BHO BKR BMF BR-Drs. BSG bspw. BStBl. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwGE BWGZ BZSt bzw. ca. Co. CRS DB DBA DepotG ders. Der Staat dies. Diss. DJT DM DÖV DSi DStJG DStR DStZ DV DVBl Ed. EDV EFG EG Einf.
Abkürzungsverzeichnis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Die Gemeinde, Zeitschrift des Gemeindetags Baden-Württemberg Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise circa Company Common Reporting Standard Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen Depotgesetz derselbe Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches Recht dieselbe (n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerzahlerinstitut Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Deutsche Verwaltung/Datenverarbeitung Deutsches Verwaltungsblatt Edition Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführung
Abkürzungsverzeichnis Einl. ErbStB EStB EStG etc. EU EuG EuGH EUR EUV EuZW f. FATCA ff. FG FGO FKAustG Fn. FR FS GBl. gem. GewArch GewStG GG ggf. GmbH GRC grds. GreifRecht GWG Hervorh. d. Verf. h. L. h. M. HGrG HPC HPE HPI hrsg. Hrsg. HS. i. d. S. i. H. v. i. S. d. i. S. e. i. S. v. i. Ü. i. V. m.
Einleitung Der Erbschaft-Steuer-Berater Der Ertrag-Steuer-Berater Einkommensteuergesetz et cetera (und so weiter) Europäische Union Gericht der Europäischen Union Gerichtshof der Europäischen Union Euro Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende/r Foreign Account Tax Compliance Act folgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzkontenaustauschgesetz Fußnote FinanzRundschau Festschrift Gesetzblatt gemäß Gewerbearchiv Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundsätzlich Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft Geldwäschegesetz Hervorhebung durch den Verfasser herrschende Lehre herrschende Meinung Haushaltsgrundsätzegesetz Hewlett-Packard Company Hewlett-Packard Enterprise Company Hewlett-Packard Inc. herausgegeben Herausgeber Halbsatz in diesem Sinne in Höhe von im Sinne der/des im Sinne einer/eines im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit
21
22 IDW IFSt Inc. insb. InvStG ISIN iStR IT JA JR JURA JurionRS JuS JZ Kap. KapErhStG
Abkürzungsverzeichnis
Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH Institut Finanzen und Steuern Incorporated insbesondere Investmentsteuergesetz International Security Identification Number Internationales Steuerrecht Informationstechnik (Bereich der Informations- und Datenverarbeitung) Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Jurion Rechtsprechung Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitel Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln KapErtrStG Kapitalertragsteuergesetz KapESt Kapitalertragsteuer KiSt Kirchensteuer KiStAM Kirchensteuerabzugsmerkmale KiStG Kirchensteuergesetz KStG Körperschaftsteuergesetz KWG Kreditwesengesetz Lfg. Lieferung LG Landgericht LHO Landeshaushaltsordnung lit. littera (Buchstabe) LKRZ Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/ Saarland LStR Lohnsteuer-Richtlinien m. w. N. mit weiteren Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mio. Millionen Mrd. Milliarden MVollzG Rh.-Pf. Maßregelvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz n. F. neue Fassung N. N. Nomen nominandum (der noch zu nennende Name) n. v. nicht veröffentlicht NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nr. Nummer/n NRW Nordrhein-Westfalen NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NV-Bescheinigung Nichtveranlagungs-Bescheinigung NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport
Abkürzungsverzeichnis NWB NZS NZWiSt o. g. OECD OFD OLG OVG OWiG QIA RdA RG RGBl. RGZ RIW Rn. RT-Drs. S. S. A. SEC SGb SGB IX Slg. sog. Soli SolZG Sonst. StB StBp StGB StEd SteuK SteuStud StuW StuZBl. StVZO SZ ThürVBl. TIEA TIEA-MA TÜV u. a. UA Ubg UmsV Urt.
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Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht oben genannten Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Oberfinanzdirektion Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Qualified Intermediary Agreement Recht der Arbeit Reichsgericht Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer/n Reichstagsdrucksache Seite/n/Satz/Sätze Société Anonyme United States Securities and Exchange Commission Die Sozialgerichtsbarkeit Neuntes Buch Sozialgesetzbuch Sammlung sogenannte/r/s Solidaritätszuschlag Solidaritätszuschlaggesetz Sonstige Der Steuerberater Die steuerliche Betriebsprüfung Strafgesetzbuch Steuer-Eildienst Steuerrecht kurzgefaßt Steuer und Studium Steuer und Wirtschaft Steuer- und Zollblatt Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Süddeutsche Zeitung Thüringer Verwaltungsblätter Tax Information Exchange Agreements Tax Information Exchange Agreements-Musterabkommen Technischer Überwachungsverein unter anderem/unter anderen/und andere Unterabsatz Die Unternehmensbesteuerung Umsetzungsverordnung Urteil
24 U. S. C. v. VerwArch Vfg. VGH Vorb. VVDStRL VwVfG VZ WD wistra WKN WM WuB z. B. ZAU ZBR ZIP ZJS ZLA ZPO ZRph
Abkürzungsverzeichnis United States Code vom/von Verwaltungsarchiv Verfügung Verwaltungsgerichtshof Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Veranlagungszeitraum Wirtschaftsdienst Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Kenn-Nummer Wertpapier-Mitteilungen Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für angewandte Umweltforschung Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für den Lastenausgleich Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtsphilosophie
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Entrichtungspflicht der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Abbildung 2: Das System des Kirchensteuerabzugs bei Kapitalerträgen . . . . . . . . . . . . . 84 Abbildung 3: Zahlungsströme im Kapitalertragsteuerverfahren am Beispiel einer Dividendenausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abbildung 4: Steueraufkommen aus der Abgeltungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abbildung 5: Die Anzahl der Kontenabrufe durch das BZSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildung 6: Die Trias der Primärpflichten von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Abbildung 7: Die Haftung der Kreditinstitute gegenüber Fiskus und Kunde bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug – ein neues Haftungsmodell . 188 Abbildung 8: Die Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
Einleitung A. Die Einbindung der Kreditinstitute in die Besteuerung privater Kapitalerträge Die Erhebung von Steuern ist eine genuin staatliche Aufgabe,1 die kraft Verfassung den Finanzbehörden zur Ausführung zugewiesen ist.2 Dieser Aufgabe entledigt sich der Staat weitgehend, wenn er die Steuern von einem Privaten für sich eintreiben lässt. Diese Art der Einbindung Privater in die Steuererhebung ist kein neues Phänomen.3 Bereits Athener4 und Römer5 waren sich der Vorteile dieser Erhebungsform bewusst und machten davon Gebrauch.6 Steuern direkt an der Quelle des Ertrags zu 1
K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 238; J. Hengstschläger, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL Band 54 1995, S. 165 (174); C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 771; richtigerweise darf sie aber nicht als alleinige Staatsaufgabe missverstanden werden, siehe K.-D. Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG Band 31 2008, S. 167 (168); siehe dazu ferner unten § 5 A. sowie § 6 A. II. 2 Siehe insbesondere Art. 108 Abs. 1 GG, der die Verwaltungskompetenz für die Besteuerung festlegt. 3 Siehe dazu grundlegend U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 585. 4 In Athen nahmen sog. Steuerpächter Aufgaben der Besteuerung wahr und bezahlten daraus einen festen Geldbetrag an die Gemeinde, da es sich für diese als einfachsten Weg darstellte, Kontrolle über die Besteuerung zu bewahren. Siehe C. Meier, Wie Athener ihr Gemeinwesen finanzierten, in: Schultz, Mit dem Zehnten fing es an, 1986, S. 25 (34 f.). 5 Die Römer folgten nahezu gleichem Wege. Auch hier verpachtete der römische Staat das Recht der Besteuerung bestimmter Abgaben an private Pächter bzw. Zöllner. Diese waren nun befugt, in eigener Verantwortung die Steuern einzutreiben. Für dieses Recht bezahlten sie einen im Voraus bestimmten Geldbetrag. Für den römischen Staat hatte dies den Vorteil, keinen entsprechenden Steuer-Verwaltungsapparat schaffen und aufrechterhalten zu müssen. Zudem konnten sie stets mit einem fixen Geldbetrag rechnen und damit planen. Auf der anderen Seite konnten die Steuerpächter durch ihre Tätigkeit einen Gewinn erzielen. Der Nachteil dieses Systems der Steuererhebung war allerdings seine Anfälligkeit für Korruption und Misswirtschaft. Siehe K. Bringmann, Steuern und Fremdherrschaft, in: Schultz, Mit dem Zehnten fing es an, 1986, S. 51 (56); W. Lotz, Studien über Steuerverpachtung, Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1935, S. 7 ff.; C. Hacke, Der Zehnte – ein Streifzug durch die Steuergeschichte, Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012, S. 12 (13). 6 H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (78).
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Einleitung
erheben, vermindert Steuerausfälle, sorgt für eine effektive Besteuerung und entlastet den Fiskus. Für diese Form der Besteuerung entschied sich der deutsche Gesetzgeber bereits Anfang der 1920er Jahre im Bereich des Kapitalertragsteuerrechts und unterwarf den Großteil der Einkünfte aus Kapitalvermögen einem Quellensteuerabzug. Von den erwirtschafteten Erträgen ziehen die Kreditinstitute bereits an der Quelle die entsprechende Kapitalertragsteuer ab, behalten sie ein und führen sie anschließend an das Finanzamt ab. Bekannt ist dieses Instrument der Steuererhebung vor allem aus dem Lohnsteuerrecht. Auch hier kürzt der Arbeitgeber den Lohn des Arbeitnehmers um die entsprechende Lohnsteuer und überweist nur noch den reduzierten Betrag auf das Konto des Arbeitnehmers. Während die Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren bereits Gegenstand mehrerer Monographien war,7 führte die vergleichbare Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerrecht bis dato ein Schattendasein.8 Aufgrund der Vielschichtigkeit dieser Rechtsmaterie, die sich durch einige jüngere Gesetzesänderungen nochmals spürbar erhöhte, und der wirtschaftlichen Bedeutung des Kapitalertragsteuerrechts in der Praxis9 ist dies durchaus bemerkenswert. Dieser Befund gibt daher Anlass, die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. Einkommensteuergesetz10 grundlegend zu untersuchen und damit einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten.
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O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005; O. Tillmann, Der Rechtschutz im Lohnsteuerverfahren, 2000; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998; B. Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1998; H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1989; F. Kloubert, Rechtliche Stellung beim Lohnsteuerabzug, 1988; H. Bäuerlen, Die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers, 1978; H. Mösch, Über die Erhebung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, 1968; J. Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1966. 8 So beschäftigten sich lediglich S. Peschges, Die Rechtsstellung der Bank im Steuerverfahren ihres Kunden, 2000, sowie H. Herrler, Mitwirkung der Banken bei der Besteuerung von Bankkunden, 1984, näher mit dieser Thematik. Beiden Arbeiten ist jedoch gemein, dass sie sich hauptsächlich auf steuerrechtliche Aspekte beschränken und damit die verwaltungswie verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute unbeachtet lassen. 9 Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Statistik über das Steueraufkommen in Deutschland) betrugen die im Wege der Abgeltungsteuer dem Fiskus zugeflossenen Steuereinnahmen im Jahr 2017 etwa 28,3 Mrd. EUR. Sie liegen damit nur knapp hinter den im Jahr 2017 zugeflossenen Steuereinnahmen aus der Körperschaftsteuer i. H. v. 29,3 Mrd. EUR (siehe dazu die Online Datenbank des Statistischen Bundesamts, abrufbar unter http://wwwgenesis.destatis.de/genesis/online, unter dem Auswahl Code 71211-0001). Siehe hierzu auch Fn. 435. 10 Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934 (RGBl. I S. 1005), in der Fassung der Bekanntmachung v. 8. 10. 2009 (BGBl. I S. 3366), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 26. 6. 2020 (BGBl. I S. 1512), im Folgenden EStG.
Einleitung
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B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands und Methodik der Untersuchung Untersuchungsgegenstand ist die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG. Diese Stellung kann nur dann hinreichend untersucht werden, wenn man verschiedene Perspektiven zur Begutachtung einnimmt. Das Kapitalertragsteuerrecht erschöpft sich bei Weitem nicht in einer rein steuerrechtlichen Erörterung der Problemstellungen. Es handelt sich vielmehr um eine echte Querschnittsmaterie, die aufgrund der Verfahrensbeteiligten insbesondere Bezüge zum Zivilrecht, dem Strafrecht, dem Europarecht sowie dem Verwaltungsund Verfassungsrecht aufweist und um ökonomische Aspekte zu ergänzen ist. Durch eine intradisziplinäre Herangehensweise können die Spannungsfelder des Kapitalertragsteuerrechts aufgezeigt, Probleme erörtert und einer entsprechenden Lösung zugeführt werden. So erfordert die verfassungsrechtliche Beurteilung der Einbindung der Kreditinstitute in das Kapitalertragsteuerverfahren zwingend eine vorherige Auseinandersetzung mit den aus dem Steuerrecht herrührenden Pflichten und Konsequenzen, die es erlaubt, Belastungen aufzudecken und verfassungsrechtlich einzuordnen. Schließlich werden die materiell-rechtlichen Ergebnisse fortwährend von prozessualen Erwägungen begleitet, um Fragen der Rechtsdurchsetzung beantworten zu können. In methodischer Hinsicht wird insbesondere auf die Vergleichsfallmethode zurückgegriffen. Aufgrund der Ähnlichkeit von Lohnsteuerverfahren und Kapitalertragsteuerverfahren können aus einem Vergleich dieser besonderen Verfahrensarten vielversprechende Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden. Ferner ist es Anspruch der Arbeit, das Kapitalertragsteuerrecht auch in rechtstatsächlicher Hinsicht weiter zu durchdringen, indem bankinterne Vorgänge, wie sie tagtäglich in der Praxis zu finden sind, sichtbar gemacht werden. Dieses Verständnis ist für die darauf aufbauenden rechtlichen Erörterungen von grundlegender Bedeutung. Die theoretischen Ausführungen werden schließlich durch einen Beispielsfall begleitet (die Kapitalmaßnahme der Google Inc.), der sich durch den steuerrechtlichen Teil der Untersuchung zieht und zur Veranschaulichung der Probleme beitragen soll. Um eine Ausuferung des Untersuchungsgegenstands zu vermeiden, bleiben einige Themenbereiche bei der Bearbeitung außer Betracht. So widmet sich die Untersuchung allein dem Kapitalertragsteuerverfahren nach den §§ 43 ff. EStG, sodass kapitalertragsteuerliche Aspekte, die aus dem Körperschaftsteuerrecht11 bzw. dem Investmentsteuerrecht12 herrühren, unberücksichtigt bleiben. Zudem kann nicht auf 11 Siehe § 32 Körperschaftsteuergesetz (v. 30. 3. 1920 (RGBl. S. 393), in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002 (BGBl. I S. 4144), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 21. 12. 2019 (BGBl. I S. 2875), im Folgenden KStG). 12 Siehe § 50 Investmentsteuergesetz (v. 19. 7. 2016 (BGBl. I S. 1730), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 12. 2019 (BGBl. I S. 2451)) sowie § 20 Abs. 1 Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (v. 28. 5. 2007 (BGBl. I S. 914), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 23. 6. 2017 (BGBl. I S. 1693)).
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Einleitung
die hochbrisante und die Gerichte in den kommenden Jahren beschäftigende CumEx- bzw. Cum-Cum-Problematik im Rahmen des sog. Dividendenstrippings eingegangen werden, die ihren wesentlichen Anknüpfungspunkt in der Erstattung von Kapitalertragsteuern findet.13
C. Zielsetzung und Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, die vielfältigen Pflichten und daraus resultierenden Belastungen der Kreditinstitute und deren Folgen im Kapitalertragsteuerverfahren ins Bewusstsein zu rufen. Schon ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich der Gesetzgeber nicht scheute, diese Pflichten stetig zu erweitern. Auch in Zukunft ist mit weiterer Gesetzgebung auf diesem Gebiet zu rechnen. Dass dieser Prozess nicht end- und folgenlos fortgeführt werden kann, liegt auf der Hand. Wo aber die Grenze zulässiger Belastung und übermäßiger, verfassungswidriger Belastung liegt, ist weitgehend ungeklärt. Daher ist es ein wesentliches Anliegen dieser Arbeit, jene Grenzen aufzuzeigen und die Frage zu beantworten, ob das Kapitalertragsteuerverfahren de lege lata verfassungswidrig ist. Gleichzeitig soll dem Gesetzgeber gewissermaßen der Spiegel vorgehalten werden, sich fortwährend dessen bewusst zu sein, dass jeder pflichtenerhöhende Eingriff in das Kapitalertragsteuerverfahren die Belastung für die Kreditinstitute verstärkt, die Stellung der Kreditinstitute in diesem Verfahren beeinflusst und damit eine Verfassungswidrigkeit begründen oder verfestigen kann. Ferner werden anhand von konkreten Gesetzentwürfen im Bereich der Kooperation von Kreditinstituten und Finanzbehörden sowie beim Freistellungsauftrag Möglichkeiten vorgeschlagen, das Verfahren de lege ferenda fortzuentwickeln. Dadurch bietet sich die Chance, das Verfahren insgesamt und für alle Beteiligten effektiver und interessengerechter zu gestalten. Dieses Anliegen lässt sich in Grenzen bereits durch die Auslegung des bestehenden Rechts erreichen. Von dieser Zielsetzung getragen unterteilt sich die Arbeit in drei Teile. Ausgehend von einem rechtlichen (§ 1) wie historischen Grundlagenteil (§ 2), der das Fundament der Untersuchung darstellt (1. Teil), wird in einem weiteren Teil die steuerrechtliche Perspektive beleuchtet (2. Teil). Dabei werden die Haupt- und Nebenpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren herausgearbeitet und auf Verbesserungsmöglichkeiten hin untersucht. Ergänzt wird dieser Teil durch eine Erörterung der stärker aufkommenden internationalen Pflichten (§ 3). Verstößt das Kreditinstitut gegen seine Pflichten, stellt sich die Frage nach den daraus resultierenden rechtlichen wie wirtschaftlichen Konsequenzen. Mit dieser Thematik beschäftigt sich der anschließende Teil der Arbeit (§ 4). Neben den steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen werden die intensiver wirkenden ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlichen Folgen untersucht. Der Teil schließt mit einer Be13
Siehe dazu auch unten Fn. 801.
Einleitung
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trachtung der Belastung der Kreditinstitute durch Steuerverwaltungskosten und möglichen Reputationsschäden. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse kann im letzten Teil der Arbeit eine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Einordnung vorgenommen werden (3. Teil). Das Erkenntnissinteresse besteht dabei zunächst in der Frage, für wen die Kreditinstitute vorwiegend tätig werden, um im Weiteren das Verhältnis zum Staat qualifizieren zu können (§ 5). Abschließend lässt sich hieraus beantworten, ob die Grenze zur Verfassungswidrigkeit bereits überschritten ist (§ 6). Diese Grenze wird gleichermaßen aus freiheits- und gleichheitsgrundrechtlicher Sicht gezeichnet und um Möglichkeiten der verfassungsrechtlichen Rechtsdurchsetzung ergänzt. Besondere Bedeutung kommt im Rahmen der grundrechtlichen Prüfung des Kapitalertragsteuerverfahrens der Rechtsfigur des kumulativen Eingriffs zu, die es ermöglicht, die verwaltungsrechtliche Qualifizierung spiegelbildlich in die verfassungsrechtliche Dogmatik einzufügen. Diese Ergebnisse vervollständigen das Gesamtbild der Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach den §§ 43 ff. EStG.
1. Teil
Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts Das Kapitalertragsteuerrecht entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Spezialmaterie des Steuerrechts. Den Kern dieser Materie bildet das Kapitalertragsteuerverfahren als gleichsam Ursprung und Ausgangspunkt der Besteuerung privater Kapitalerträge. Um die Stellung der Kreditinstitute in diesem besonderen Besteuerungsverfahren untersuchen zu können, bedarf es einiger Grundlagen, auf die das Gesetz und die vorliegende Arbeit fortwährend Bezug nehmen. Im folgenden Grundlagenteil wird daher neben einer Standortbestimmung zunächst auf einige Begrifflichkeiten eingegangen (§ 1) und daran anknüpfend ein Blick auf die historischen Wurzeln des Kapitalertragsteuerrechts und deren Entwicklung geworfen (§ 2).
§ 1 Ausgangspunkt und Begriffsbestimmungen A. Die Stellung der Kapitalertragsteuer im System der Einkommensteuer Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG der Einkommensteuer. Welche wirtschaftlichen Vorgänge als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren sind, normiert § 20 EStG. Darunter fallen insbesondere Gewinnanteile (Dividenden) und Zinserträge.14 Der Begriff der Kapitalertragsteuer wird dort nicht genannt. Er ergibt sich aus der Legaldefinition des § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach bei inländischen und bestimmten ausländischen Kapitalerträgen „die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben“ wird. Die §§ 43 ff. EStG knüpfen damit federführend unter dem Begriff der Kapitalertragsteuer an den sich aus § 20 EStG ergebenden Besteuerungsgegenstand an und bestimmen für die dort genannten Erträge ein spezielles Besteuerungsverfahren – das Kapitalertragsteuerverfahren. Herzstück des Kapitalertragsteuerverfahrens ist der Abzug, der Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer an das Finanzamt. Dieser Vorgang wird als Kapitalertragsteuerabzug bezeichnet.15 14
Siehe § 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 EStG. So bezeichnet in § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG. Häufig wird auch die Bezeichnung als Quellensteuerabzug verwendet, da in einigen Fällen die Kapitalertragsteuer bereits unmittelbar am Ort der Entstehung, also der Quelle der Kapitalerträge, abgezogen wird. Daraus 15
§ 1 Ausgangspunkt und Begriffsbestimmungen
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Zwar suggeriert der Begriff der Kapitalertragsteuer eine eigene Einkommensteuerart, doch handelt es sich, ähnlich wie bei der Lohnsteuer,16 nur um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer, bei der die Steuerpflicht nach § 20 EStG nicht erweitert, sondern bereits bestehen muss.17 Dies gilt gleichermaßen für den weiteren wichtigen Begriff der Bezeichnung der Kapitalertragsteuer als Abgeltungsteuer.18 Diese Terminologie knüpft an der Rechtsfolgenseite der Besteuerung an. Die Abgeltungsteuer setzt den Abzug der Steuer durch das Kreditinstitut voraus und beschreibt lediglich dessen Wirkung,19 die in § 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 1 EStG normiert ist. Danach ist für „Kapitalerträge im Sinne des § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, […] die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten.“ Der Steuerfall soll damit bereits an der Quelle bzw. Zahlstelle abgeschlossen werden, sodass die erwirtschafteten Erträge nicht mehr in der Einkommensteuererklärung deklariert werden müssen. Die aufgeführten Begriffe stehen in einer zeitlichen Abfolge zueinander. Wird ein kapitalertragsteuerlicher Tatbestand erfüllt, entsteht die Kapitalertragsteuer. Diese wird im Kapitalertragsteuerverfahren im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs vom Kreditinstitut abgezogen, einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Sofern kein Ausnahmetatbestand vorliegt, kommt diesem Abzug abgeltende Wirkung zu, da
resultiert auch die Bezeichnung einer solchen Steuer als Quellensteuer. Wird sie hingegen nicht an der Quelle abgezogen, spricht man von einer Zahlstellensteuer (siehe R. Hamacher/ J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 43 Rn. 3). Der Begriff der Quellensteuer wird im Gesetz nicht erwähnt. Es handelt sich um eine im internationalen Steuerrecht gebräuchliche Terminologie, die auch in vielen anderen Jurisdiktionen verwendet wird. In Deutschland ist er hingegen eher unüblich (M. Jachmann-Michel/ K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 43 EStG Rn. 9; S. Hörner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 293. Lfg. 2019, Vor § 43 EStG Rn. 8; J. Moritz/J. Strohm, Kapitalertragsteuerabzug und Veranlagungsverfahren, in: dies., Handbuch Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, S. 359 (363)). 16 Das Lohnsteuerabzugsverfahren als besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 19 EStG) ist in den §§ 38 ff. EStG normiert. 17 M. Jachmann-Michel/K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 43 EStG Rn. 8; J. Moritz/J. Strohm, Kapitalertragsteuerabzug und Veranlagungsverfahren, in: dies., Handbuch Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, S. 359 (362); BFH, Urt. v. 23. 8. 2000, I R 107/98, BFHE 193, S. 17 (18); BFH, Urt. v. 14. 2. 1973, I R 77/71, BFHE 108, S. 536 (537); BFH, Urt. v. 18. 2. 1970, I R 97/66, BFHE 98, S. 482 (485 f.). 18 H. Weber-Grellet, Die Abgeltungsteuer: Irritiertes Rechtsempfinden oder Zukunftschance?, NJW 2008, S. 545; M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 30. Die Abgeltungsteuer wird auch als Definitivsteuer bezeichnet, da sie eben definitiv gezahlt werden muss und bei keiner anderen Steuer mehr angerechnet werden kann (siehe W. Jakob, Einkommensteuer, 4. Aufl. 2008, S. 179; S. Hartrott, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 285. Lfg. 2018, § 43 EStG Rn. 3). 19 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 8 Rn. 501; M. Jachmann, Abgeltungsteuer, 2008, S. 37.
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
keine Veranlagung mehr vorzunehmen ist, der Steueranspruch erlischt und der Steuerfall damit bereits auf Ebene des Kreditinstituts vollständig abgeschlossen ist.20
B. Die am Kapitalertragsteuerverfahren beteiligten Akteure Das Kapitalertragsteuerverfahren kennzeichnet sich durch die Beteiligung verschiedener Akteure. In seiner Grundform ergibt sich eine Dreiecksbeziehung bestehend aus Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge.21 Zentrale Person dieses Verfahrens ist dabei das Kreditinstitut, das als maßgeblicher Adressat der kapitalertragsteuerlichen Vorschriften in die Besteuerung miteinbezogen wird.22 Daneben treffen Abzugspflichten u. a. auch Finanzdienstleistungsinstitute, Wertpapierhandelsunternehmen und Wertpapierhandelsbanken.23 Aus Gründen der Verständlichkeit beschränkt sich die vorliegende Untersuchung in terminologischer Hinsicht auf den Begriff der Kreditinstitute als vorwiegend von den §§ 43 ff. EStG Betroffene.24 Die Einbindung der beteiligten Akteure lässt sich am Beispiel von Zinserträgen veranschaulichen. Der Kunde erwirtschaftet bei seinem Kreditinstitut Zinserträge, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterliegen.25 In diesem Grundfall ist der Kunde gleichzeitig Gläubiger der Kapitalerträge, da ihm ein zivilrechtlicher Anspruch auf Auszahlung seiner Zinserträge gegen sein Kreditinstitut zusteht. Das Kreditinstitut hat die auf diese Erträge anfallende Kapitalertragsteuer abzuziehen, einzubehalten und fristgerecht an das Finanzamt abzuführen.26 Diese tripolare Beziehung bildet den Kreislauf des Kapitalertragsteuerverfahrens. In rechtstatsächlicher Hinsicht ist er jedoch komplexer und wird durch die Einschaltung externer Dienstleister sowie dem Bundeszentralamt für Steuern erweitert.27 Soweit keine abweichenden Konstellationen angesprochen werden, geht die vorliegende Untersuchung vom genannten Grundfall einer tripolaren Beziehung aus. 20
M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 94. Zur konkreten Ausgestaltung des Kapitalertragsteuerverfahrens in der Praxis siehe unten § 3 A. IV. 3. 22 So für das vergleichbare Lohnsteuerabzugsverfahren G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 92; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. V, die den abzugsverpflichteten Arbeitgeber als zentrale Person ansehen. 23 Siehe etwa § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. a) EStG. 24 Zum Begriff des Kreditinstituts siehe § 1 Abs. 1 Kreditwesengesetz (v. 10. 7. 1961 (BGBl. I S. 881), in der Fassung der Bekanntmachung v. 9. 9. 1998 (BGBl. I S. 2776), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 19. 6. 2019 (BGBl. I S. 1328), im Folgenden KWG). 25 Siehe § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. 26 Siehe § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 lit. b) EStG i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. 27 Siehe zur Einbindung externer Dienstleister wie den WM Datenservice und die Clearstream International S. A. unten § 3 A. I. 2./§ 3 A. IV. 3. sowie Fn. 397 und Fn. 520. 21
§ 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung
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§ 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge Der folgende Abschnitt geht auf die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge ein. Es wird untersucht, welche Beweggründe den Gesetzgeber im Jahre 2008 schließlich dazu veranlassten, private Kapitalerträge grundsätzlich mit abgeltender Wirkung zu besteuern und die Pflichten sowie die Verantwortung hierfür weitgehend den Kreditinstituten aufzuerlegen. Auf diese Erkenntnisse wird – gerade im verfassungsrechtlichen Teil der Untersuchung – fortwährend zurückzukommen sein. Der Fokus liegt auf den wichtigsten Änderungen im Entwicklungsprozess des Kapitalertragsteuerverfahrens in den Jahren 1920 bis 2015.28 Aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Veränderungen wurden die einschlägigen Vorschriften vielfach geändert und grundlegend reformiert. Auch veranlasste der stetig steigende internationale Steuerwettbewerb den deutschen Gesetzgeber immer wieder aufs Neue, entsprechende Regelungen zu schaffen, um insbesondere eine Kapitalflucht ins Ausland und eine damit einhergehende Senkung des Steueraufkommens auf dem Gebiet der Kapitaleinkünfte zu vermeiden.
A. Die Entwicklung der Besteuerung privater Kapitalerträge im 20. Jahrhundert I. Der Ausgangspunkt des Kapitalertragsteuerrechts – das Kapitalertragsteuergesetz vom 29. 3. 1920 Das Kapitalertragsteuergesetz vom 29. 3. 1920 kann als „Geburtsstunde“ der Kapitalertragsteuer bezeichnet werden.29 Nach § 1 KapErtrStG 1920 wird „von den Erträgen aus Kapitalvermögen […] für das Reich nach den Vorschriften dieses Gesetzes eine Steuer (Kapitalertragsteuer) erhoben.“ Sachlich fielen schon damals vor allem Dividenden und Zinsen in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften. Dabei wurde die Kapitalertragsteuer als zusätzliche Abgabe mit einem Steuersatz von 10 % ausgestaltet.30 28 Für eine detaillierte Auflistung sämtlicher Änderungen siehe S. Hartrott, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 285. Lfg. 2018, § 43 EStG Rn. 2; D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 197. Lfg. 2017, § 43 Rn. 1 ff.; M. Jachmann-Michel/K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 145. Lfg. 2018, § 43 EStG Rn. 2 ff.; E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. A 40 ff.; U. Richter, Einkommensbesteuerung privater Finanzanlagen in Deutschland, Europa und USA, 1995, S. 35 ff. 29 Kapitalertragsteuergesetz v. 29. 3. 1920 (RGBl. S. 345), im Folgenden KapErtrStG 1920; Vorläufige Vollzugsanweisung zum Kapitalertragsteuergesetz v. 29. 3. 1920 (RStBl. S. 219). 30 Siehe § 6 KapErtrStG 1920.
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
Nach der Gesetzesbegründung zum Kapitalertragsteuergesetz sollte vorwiegend die „trostlose[n] Finanzlage des Reichs“ verbessert werden.31 Dieses Ziel sollte durch ein neues Verfahren erreicht werden, das das Steueraufkommen sichert und voll ausschöpft. Man entschied sich für ein Verfahren der Besteuerung an der Quelle, bei dem der Schuldner der Kapitalerträge die Steuer abziehen und an das Finanzamt abführen soll.32 Dazu wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt: „Das Interesse des Gläubigers an der Abführung der ihm gekürzten Steuer einerseits und das mangelnde Interesse des Schuldners, dem Gläubiger statt der Steuerbehörde den Steuerbetrag zuzuführen, andererseits wird genügen, um selbsttätig ohne amtliches Eingreifen die Zuverlässigkeit des Steueraufkommens zu gewährleisten.“33 Dieses Quellenabzugsverfahren ist bis heute fester Bestandteil des Kapitalertragsteuerrechts. Gerade bei der Besteuerung von Kapitalerträgen ist dieses Verfahren besonders geeignet, da das Kapitalvermögen – anders als etwa Arbeitslohn – aufgrund seiner Beweglichkeit leichter der Steuer entzogen werden kann, indem es bspw. ins Ausland verlagert wird.34 Die Kreditinstitute wurden damit bereits im Jahre 1920 in das Besteuerungsverfahren eingebunden. Eine Anrechnung auf die Einkommensteuer war damals noch nicht vorgesehen. Begründet wurde dies mit der Theorie vom fundierten Einkommen.35 Ferner unterlag der Steuer der volle Kapitalertrag ohne Abzug von Schuldzinsen, Werbungskosten und Kapitalertragsteuer.36 Hier lassen sich schon Parallelen zur heutigen Kapital-
31 Begründung zum Entwurf eines Kapitalertragsteuergesetzes, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 340, 1919, RT-Drs. 1625, S. 9. 32 Siehe § 9 Abs. 1 KapErtrStG 1920. 33 Begründung zum Entwurf eines Kapitalertragsteuergesetzes, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 340, 1919, RT-Drs. 1625, S. 21. 34 Begründung zum Entwurf eines Kapitalertragsteuergesetzes, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 340, 1919, RT-Drs. 1625, S. 9 ff. 35 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Kapitalertragsteuergesetzes, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 340, 1919, RT-Drs. 1625, S. 7; G. Strutz, Kommentar zum EStG 1925 Band 2, 1929, § 68 Anm. 1, S. 1048; Fundiertes Einkommen ist Einkommen, das nicht von einer persönlichen Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen abhängt. Vielmehr fließt es unabhängig von Risiken wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit (E. Winter, Gabler Wirtschaftslexikon Buchstaben C-F, 18. Aufl. 2014, S. 1208; K. von Eheberg, Grundriß der Finanzwissenschaft, 3. und 4. Aufl. 1928, S. 80). Anders als bei Erwerbseinkünften müssen daher keine Rücklagen gebildet werden und es kann damit stärker belastet werden (K. von Eheberg, Grundriß der Finanzwissenschaft, 3. und 4. Aufl. 1928, S. 80), weshalb auf eine Anrechnung verzichtet werden kann. 36 Siehe § 5 KapErtrStG 1920.
§ 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung
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ertragsteuer erkennen. Denn nach § 20 Abs. 9 Satz 1 HS. 2 EStG ist der Abzug von Werbungskosten (bis auf den Pauschbetrag nach HS. 1) ebenfalls ausgeschlossen.37 II. Die Einführung eines Anrechnungsverfahrens der Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld mit dem Einkommensteuergesetz 1925 Mit dem Einkommensteuergesetz vom 10. 8. 192538 wurden die Vorschriften des Kapitalertragsteuergesetzes von 1920 in das EStG aufgenommen und modifiziert. Der Steuersatz in Höhe von 10 % blieb unverändert.39 Bedeutend ist, dass die Kapitalertragsteuer als zusätzliche Abgabe (so im KapErtrStG 1920) nun durch eine auf die Einkommensteuerschuld anrechenbare Vorauszahlung ersetzt wurde, sofern eine Veranlagung durchzuführen war.40 Diese Änderung war bereits durch die Zweite Steuernotverordnung vom 19. 12. 192341 eingeführt und größtenteils im EStG 1925 übernommen worden. Als Konsequenz wurden angerechnete Beträge, welche die Steuerschuld überstiegen, vom Finanzamt erstattet.42 Grund für die Abschaffung der Kapitalertragsteuer als Vorausbelastung und gleichzeitige Einführung derselben als anrechenbare Vorauszahlung war der volkswirtschaftliche Gedanke, die Bildung neuen Kapitalvermögens zu fördern, das durch die Inflation verloren ging.43 Ferner ist bemerkenswert, dass bereits 1925 eine Form der Abgeltungsbesteuerung im Einkommensteuergesetz normiert war. Nach § 89 EStG 192544 fand eine Veranlagung nicht statt, wenn das gesamte nach § 54 EStG 1925 abgerundete Ein37 Wegen der stark fortschreitenden Geldentwertung Anfang der 1920er Jahre wurde das Kapitalertragsteuergesetz mit Wirkung zum 4. 4. 1923 durch das Geldentwertungsgesetz vom 20. 3. 1923 suspendiert (siehe § 6 des Gesetzes über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen v. 20. 3. 1923 – Geldentwertungsgesetz (RGBl. I. S. 198)). Grund dafür war, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen kein Ausdruck erhöhter Leistungsfähigkeit mehr waren, da durch die Inflation ein großer Teil des Werts des Kapitalvermögens verloren gegangen war, sodass das Kapitalertragsteuersubstrat zusammenschmolz (E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. A 40; G. Strutz, Kommentar zum EStG 1925 Band 2, 1929, § 68 Anm. 1, S. 1048). 38 Einkommensteuergesetz v. 10. 8. 1925 (RGBl. I S. 189), im Folgenden EStG 1925. 39 Siehe § 83 Abs. 1 EStG 1925. 40 Siehe § 102 Abs. 1 EStG 1925. 41 Zweite Steuernotverordnung v. 19. 12. 1923 (RGBl. I S. 1205). 42 Siehe § 102 Abs. 3 EStG 1925. 43 Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 400, 1925, RT-Drs. 795, S. 36. 44 Auch § 90 EStG 1925 stellt einen Fall der Abgeltungsbesteuerung dar. Danach findet eine Veranlagung für Einkünfte, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur statt, wenn das gesamte nach § 54 EStG 1925 abgerundete Einkommen eines Steuerpflichtigen den Betrag von 8.000 Reichsmark übersteigt und es außer den Einkünften, die nach §§ 69, 83 EStG 1925 dem Steuerabzug unterlegen haben, aus sonstigem Einkommen über 500 Reichsmark besteht.
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
kommen eines Steuerpflichtigen nicht den Betrag von 8.000 Reichsmark überstieg und entweder aus Einkünften, die nach §§ 69, 83 EStG 1925 dem Steuerabzug unterlegen haben, oder aus solchen Einkünften und aus sonstigen Einkommen bis zu 500 Reichsmark bestand. War dies der Fall, war die Einkommensteuer auf Kapitalerträge mangels Veranlagung abgegolten. III. Die Grundlage des heutigen EStG – das Einkommensteuergesetz 1934 Das damals noch vom nationalsozialistischen Gedankengut geprägte Einkommensteuergesetz vom 16. 10. 193445 gilt als Grundlage des heute geltenden Einkommensteuergesetzes.46 Seit diesem Zeitpunkt sind die Vorschriften über den Steuerabzug vom Kapitalertrag in den §§ 43 ff. EStG geregelt. Auch im EStG 1934 wurden die auf den Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf die im Kalenderjahr bezogenen Einkünfte entfallen, weiter auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.47 Eine Besonderheit regelte allerdings § 47 Abs. 3 Satz 2 EStG 1934. Danach wurden Beträge, die durch Steuerabzug einbehalten worden sind, nicht erstattet. Es wurden also nur solche Beträge zurückgezahlt, die nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1934 als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld geleistet wurden, nicht aber solche Beträge (Nr. 2), die durch Steuerabzug einbehalten wurden. Als Motiv hierfür wurde die Verwaltungsvereinfachung angeführt.48 Dies ist deshalb aber inkonsequent, da auf der anderen Seite eine Nachforderung durch das Finanzamt (sog. Abschlusszahlung) möglich war, sofern die Einkommensteuerschuld größer war als die Summe der anzurechnenden Beträge.49 Im Ergebnis handelte es sich auch hier um eine Form einer – einseitigen – Abgeltungsbesteuerung zugunsten des Fiskus, obwohl sie nicht als solche bezeichnet wurde. Erst mit dem Militärregierungsgesetz Nr. 6450 vom 22. 6. 1948 wurde diese Unstimmigkeit im Einkommensteuergesetz wieder beseitigt.
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Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934 (RGBl. I S. 1005), im Folgenden EStG 1934. A. Raupach, Niedergang des deutschen Einkommensteuerrechts, Möglichkeiten der Neubesinnung, in: Niedergang oder Neuordnung des deutschen Einkommensteuerrechts?, 1985, S. 15 (89); das heutige EStG ist allerdings nicht mehr durch nationalsozialistisches Gedankengut geprägt. 47 Siehe § 47 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1934. 48 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (167). 49 Siehe § 47 Abs. 2 EStG 1934. 50 Militärregierungsgesetz Nr. 64, Vorläufige Neuordnung von Steuergesetzen v. 22. 6. 1948, StuZBl. 1948, S. 123 (128). 46
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IV. Einführung und Abschaffung der sog. „kleinen Kapitalertragsteuer“ durch das Steuerreformgesetz 1990 und das Steuerreformänderungsgesetz 1989 Mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25. 7. 198851 wurde die sog. „kleine Kapitalertragsteuer“52 in das EStG eingeführt. Dabei handelte es sich um eine Quellensteuer mit einem Steuersatz von 10 %,53 die grundsätzlich alle bis dahin nicht im Wege des Steuerabzugs erfassten Kapitalerträge einer Besteuerung unterwarf.54 Auch dieses Gesetz sah eine Anrechnungsmöglichkeit vor. Es sollte ein gerechteres und einfacheres Steuersystem geschaffen werden.55 Dies stellte sich allerdings als ein gesetzgeberischer Schnellschuss heraus, da die weitgelagerte Besteuerung von Kapitalerträgen an der Quelle in der Öffentlichkeit größtenteils auf Ablehnung stieß und eine Verlagerung von Vermögen ins Ausland verursachte. Es wurde damit einer Besteuerung weitgehend entzogen.56 Zudem brachte es einen unerwartet hohen Verwaltungsaufwand mit sich.57 In der Folge wurde die „kleine Kapitalertragsteuer“ durch das Steuerreformänderungsgesetz vom 30. 6. 198958 wieder abgeschafft.59 Dies führte jedoch nicht dazu, dass die Kapitalerträge nicht mehr zu versteuern waren. Sie unterlagen weiterhin der Einkommensteuerpflicht.60 Lediglich das Verfahren der Besteuerung an der Quelle wurde wieder rückgängig gemacht, wodurch die Kreditinstitute entlastet wurden. Auch im Steuerreformgesetz 1990 lassen sich Tendenzen des Gesetzgebers hin zu einer Abgeltungsbesteuerung – wie sie heute im Gesetz zu finden ist – erkennen. So ist nach § 45b Satz 1 EStG a. F.61 die Einkommensteuer durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag aus bestimmten Kapitalerträgen aus Lebensversicherungen abgegol51
Steuerreformgesetz 1990 v. 25. 7. 1988 (BGBl. I S. 1093). K. Lindberg, Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte, 1996, S. 132. 53 Siehe § 43a Abs. 1 Nr. 2 lit. a) aa) EStG (in der Fassung v. 25. 7. 1988). 54 G. Stuhrmann, Zum Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Wohnungsmietbaues, NJW 1989, S. 2110. 55 Begründung zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1990 v. 19. 4. 1988, BT-Drs. 11/ 2157, S. 1. 56 M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 25. 57 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. A 57. 58 Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten v. 30. 6. 1989 (BGBl. I S. 1267). 59 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten v. 5. 6. 1989, BT-Drs. 11/4688, S. 1; E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. A 55; die „kleine Kapitalertragsteuer“ wurde damit nur v. 1. 1. 1989 bis 1. 7. 1989 erhoben. 60 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 197. Lfg. 2017, § 43 Rn. 1a. 61 In der Fassung v. 25. 7. 1988. 52
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ten. Nach § 45b Satz 4 EStG a. F.62 ist sogar eine Antragsveranlagung möglich, sofern die Einkommensteuer niedriger ist als die auf die Lebensversicherungserträge einbehaltene Kapitalertragsteuer.63 Dies ist mit der sog. Günstigerprüfung zu vergleichen, wie sie heute nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG i. V. m. § 32d Abs. 5 Satz 1 EStG möglich ist. Die Vorschrift des § 45b EStG wurde jedoch durch das Steuerreformänderungsgesetz ebenfalls kurz nach Einführung wieder abgeschafft. V. Erster Versuch der Beseitigung des strukturellen Vollzugsdefizits bei der Kapitalertragsteuer durch das Zinsurteil des Bundesverfassungsgerichts und das Zinsabschlaggesetz 1992 Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung vom 9. 11. 199264 reagierte der Gesetzgebers auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die bis dato erfolgte Besteuerung von Kapitalerträgen.65 Insbesondere wegen der Verlagerung von Vermögen ins Ausland wurde es für die Finanzbehörden immer schwieriger, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern, sodass bis zum Jahr 1991 von einem erheblichen Vollzugsdefizit gesprochen werden kann.66 Nach Schätzungen der Deutschen Bundesbank wurde lediglich rund die Hälfte der eigentlich zu versteuernden Erträge aus Kapitalvermögen tatsächlich einer Besteuerung zugeführt.67 Dieses Vollzugsdefizit haben vor allem die Bankenerlasse von 194968 bzw. 197969 verursacht.70 Nach Nr. 1 Satz 1 des Bankenerlasses von 1979 ist auf das Vertrau62
In der Fassung v. 25. 7. 1988. Begründung zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1990 v. 19. 4. 1988, BT-Drs. 11/ 2157, S. 163. 64 Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung v. 9. 11. 1992 (BGBl. I S. 1853), im Folgenden Zinsabschlaggesetz. 65 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. A 59. 66 M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 24 f.; R. Kessler, Zum Nutzen von Steueramnestien, FR 1990, S. 273 f.; S. Friebe, Die steuerpolitischen Vorschläge in den Wahlprogrammen der Parteien, DStZ 1983, S. 91 (93 f.). 67 Schätzung der Deutschen Bundesbank, vgl. BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (276) – Zinsurteil; ähnlich auch bestätigt durch den Bundesrechnungshof in den Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes 1983) v. 11. 10. 1985 (BT-Drs. 10/4367, S. 92), wonach sich die Deklarierungsquote bei Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen 3,7 % und 47,7 % bewegte. 68 Erlass des Direktors für Verwaltung und Finanzen des vereinigten Wirtschaftsgebietes an die Oberfinanzpräsidenten, Landesämter und Finanzämter v. 2. 8. 1949, DStZ/B 1949, S. 242. 69 BMF Schreiben v. 31. 8. 1979 betr. Ermittlungen bei Kreditinstituten, S 2252, BStBl. I S. 590. 63
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ensverhältnis zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden besondere Rücksicht zu nehmen. Dies hatte nach Nr. 1 Satz 2 zur Folge, dass im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass die Angaben in der Steuererklärung vollständig und richtig sind. Ferner durften die Finanzämter nach Nr. 2 des Bankenerlasses von 1979 von den Kreditinstituten zum Zwecke der allgemeinen Überwachung keine einmalige oder periodische Mitteilung von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe verlangen. Diese Regelung öffnete einem Missbrauch durch die Gläubiger der Kapitalerträge Tür und Tor. Der Steuerverwaltung wurde eine Kontrolle der Angaben des Steuerpflichtigen praktisch unmöglich gemacht. Die Gefahr für den Gläubiger der Kapitalerträge, seine nicht deklarierten Einkünfte aus Kapitalerträgen könnten von den Finanzbehörden entdeckt werden, war damit sehr gering und schaffte entsprechende Anreize, auf eine Erklärung zu verzichten.71 Daran konnte auch die Nr. 3 des Bankenerlasses von 1979 wenig ändern, wonach Einzelauskunftsersuchen an die Kreditinstitute nach §§ 93 ff. Abgabenordnung72 zulässig waren. Hiermit konnten bestenfalls stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden, die gegenüber den Kreditinstituten auch nur subsidiär möglich waren, da zunächst Auskunft vom Gläubiger der Kapitalerträge selbst zu ersuchen war. Eine effektive Besteuerung konnte mit diesen Mitteln nicht sichergestellt werden. Mit dem Zinsurteil vom 27. 6. 199173 ist das Bundesverfassungsgericht diesem Vollzugsdefizit entgegengetreten. Darin stellte es fest, dass der Grundsatz der Besteuerungsgleichheit nicht nur eine rechtliche Besteuerungsgleichheit fordere, sondern auch eine tatsächliche.74 Das materielle Steuergesetz müsse so in ein „normatives Umfeld eingebettet sein“, dass „die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet“ werde.75 Diese tatsächliche Gleichheit der Belastung war u. a. aufgrund der erwähnten Bankenerlasse nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben, da nur rund die Hälfte der steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert wurden.76 In Bereichen, in denen die Durchführung der Besteuerung auf eine Mitwirkung des Gläubigers der Kapitalerträge angewiesen ist, die Richtigkeit seiner Erklärungen aus verfahrensrechtlichen Gründen – vorliegend aufgrund des Schutzes von Bankkunden – aber praktisch nicht überprüft werden kann, liege ein sog. strukturelles Erhebungs- bzw. 70
BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (278 f.) – Zinsurteil; M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 24 f. 71 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (278 f.) – Zinsurteil. 72 Abgabenordnung v. 1. 10. 2002 (BGBl. I S. 3866, ber. BGBl. I 2003 S. 61), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 29. 6. 2020 (BGBl. I S. 1512), im Folgenden AO. 73 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 – Zinsurteil. 74 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (268) – Zinsurteil. 75 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (271) – Zinsurteil. 76 Nach Einholung diverser Stellungnahmen von Verbänden kommt auch das Bundesverfassungsgericht zu diesem Ergebnis, siehe BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (265) – Zinsurteil.
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
Vollzugsdefizit77 vor.78 Bei einer Ausweitung der Erhebung der Steuer auf private Zinseinkünfte an der Quelle könne dieses Defizit hingegen beseitigt werden.79 Das Bundesverfassungsgericht forderte deshalb den Gesetzgeber auf, bis spätestens 1. 1. 1993 entsprechende Regelungen zu schaffen, die dem Grundsatz der Besteuerungsgleichheit auch in tatsächlicher Hinsicht gerecht würden.80 Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit dem erwähnten Zinsabschlaggesetz. Danach fielen nun insbesondere auch private Zinserträge unter die Quellenbesteuerung nach § 44 EStG. Die Erweiterung des Quellenabzugsverfahrens hat den Vorteil, dass der Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner nicht an der Ermittlung des steuerpflichtigen Sachverhalts mitwirkt und es damit auf seine Steuerehrlichkeit nicht mehr ankommt,81 wodurch das Besteuerungsverfahren erheblich effektiver gestaltet werden konnte. Diese Änderung beseitigte zunächst das vom Bundesverfassungsgericht attestierte strukturelle Vollzugsdefizit.82 VI. Zweiter Versuch der Beseitigung des strukturellen Vollzugsdefizits bei der Kapitalertragsteuer durch das „Tipke-Urteil“ und die Reaktionen seitens der Gesetzgebung Glaubte man zunächst, das strukturelle Vollzugsdefizit bei der Kapitalertragsteuer mit dem Zinsabschlaggesetz vollständig beseitigt zu haben, zeigte sich für die Jahre 1997 und 1998 ein weiteres Vollzugsdefizit – diesmal auf dem Gebiet der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren. Auch diesem Vollzugsdefizit ist das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 9. 3. 200483 im sog. „Tipke-Urteil“84 entgegengetreten.
77 Verfassungsdogmatisch bedeutet ein solches Erhebungs- bzw. Vollzugsdefizit die Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden materiellen Steuernorm; siehe D. Birk, Sanktionierung des Gebots gleichmäßigen Steuervollzugs, StuW 2004, S. 277 (280). 78 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band V, 2007, § 118 Rn. 28. 79 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (281) – Zinsurteil. 80 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (285) – Zinsurteil. 81 A. Musil, Steuerehrlichkeit als Problem des Besteuerungsverfahrens, DÖV 2006, S. 505 (506). 82 BVerfG, Beschl. v. 10. 3. 2008, 2 BvR 2077/05, NJW 2008, S. 2637 ff. für die Jahre 1994, 1995, 2000 und 2001; so auch der Bundesfinanzhof für das Jahr 1993, BFH, Urt. v. 18. 2. 1997, VIII R 33/95, BFHE 183, S. 45 ff.; BFH, Urt. v. 15. 12. 1998, VIII R 6/98, BFHE 187, S. 302 ff. 83 BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 – Tipke Urteil. 84 Klaus Tipke ist mittlerweile emeritierter Professor der Universität zu Köln und klagte damals gegen seinen eigenen Steuerbescheid vor dem FG Köln. Nach Zulassung der Revision legte der BFH die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor. Er selbst bezeichnete die Besteuerung von Kapitaleinkünften als „Sache der Dummen und der Skrupelhaften“, siehe K. Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 156.
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Ausgangspunkt war die Besteuerung von Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) des Einkommensteuergesetzes 1997.85 Das BVerfG stellte in seiner Entscheidung aufgrund mehrerer Stellungnahmen fest,86 dass ein Großteil dieser Spekulationsgewinne von den Steuerschuldnern nicht angegeben werden.87 Mitursächlich hierfür sei – wie schon beim Zinsurteil 1992 – die mangelnde Überprüfbarkeit dieser Einkünfte durch die Finanzämter, die auf der Norm des § 30a Abs. 3 AO 197788 beruhte.89 Danach durften nach Satz 1 u. a. Kundendepots anlässlich einer Außenprüfung eines Kreditinstituts nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung überprüft werden. Nach Satz 2 mussten insoweit auch Kontrollmitteilungen unterbleiben. Der Steuerschuldner sah sich kaum eines Risikos vor Entdeckung ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht erkannte hierin ein strukturelles Vollzugsdefizit und erklärte die Besteuerung von Spekulationsgewinnen für verfassungswidrig, da sie den Grundsatz der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz90 verletze. Ein gleichmäßiger Belastungserfolg sei durch diese Mängel im Besteuerungsverfahren nicht mehr sichergestellt.91 Letztlich würden nur die ehrlichen Steuerbürger belastet.92 Der Gesetzgeber reagierte darauf mit mehreren Gesetzesänderungen,93 unter anderem wurde § 45d EStG erweitert.94 In seiner damaligen Fassung betraf er die 85 Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934 (RGBl. I S. 1005), in der Fassung der Bekanntmachung v. 16. 4. 1997 (BGBl. I S. 821), im Folgenden EStG 1997. 86 In seiner Entscheidung bezieht sich das BVerfG maßgeblich auf die Berichte des Landesfinanzministeriums Nordrhein-Westfalen, der Finanzverwaltung und den Rechnungshöfen, BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (98 ff.) – Tipke Urteil. 87 Zwar lassen sich nach Aussage des BVerfG keine konkreten Zahlen hierzu nennen, doch handle es sich bei den Feststellungen in den Stellungnahmen um Indizien, die es nicht ausschließen, sie als Kriterium für die Feststellung eines Vollzugsdefizites heranzuziehen, siehe BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (117 f.) – Tipke Urteil. 88 Abgabenordnung v. 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 613), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 25. 7. 1988 (BGBl. I S. 1093), im Folgenden AO 1977. Die Norm folgte auf die oben erwähnten Bankenerlasse von 1949 und 1979. 89 BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (125 f.) – Tipke Urteil. So auch P. Bilsdorfer, Anm. zu BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 – Tipke Urteil, SteuStud 2004, S. 335 (338); D. Birk, Sanktionierung des Gebots gleichmäßigen Steuervollzugs, StuW 2004, S. 277 (279 f.). 90 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. 5. 1949 (BGBl. I S. 1), in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 15. 11. 2019 (BGBl. I S. 1546), im Folgenden GG. 91 BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (116) – Tipke Urteil. 92 So zutreffend der BFH als vorlegendes Gericht in seinem Urt. v. 16. 7. 2002, IX R 62/ 99, BFHE 199, S. 451 (472). 93 M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 28 f.
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
Mitteilungspflichten der Kreditinstitute an das damalige Bundesamt für Finanzen95 bei Kapitalerträgen, für die ein Freistellungsauftrag erteilt wurde. Zudem wurde mit § 24c EStG eine Regelung geschaffen,96 welche die Kreditinstitute verpflichtete, Jahresbescheinigungen über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne aus Finanzanlage an ihre Gläubiger zu senden, um diesen die Angabe in der Steuererklärung zu erleichtern.97 Schließlich ermöglichte das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit98 den Finanzbehörden nach §§ 93 Abs. 7, 93b Abs. 1, 2 AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG99 einen automatisierten Abruf von Kontoinformationen des Steuerschuldners. Dadurch konnten die Finanzbehörden beim Bundesamt für Finanzen100 die nach § 24c KWG zu speichernden Daten (u. a. Name, Geburtsdatum, Anschrift, Kontonummer) anlassbezogen101 abfragen.102 Diese Änderungen führten dazu, dass das Bundesverfassungsgericht103 und der Bundesfinanzhof104 – entgegen einiger Finanzgerichte105 – sowie Teile der Litera-
94 Eingeführt durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999 (BGBl. I S. 402 ff.). 95 Nach heutiger Rechtslage sind die Mitteilungen nach § 45d EStG an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. 96 Eingeführt durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) v. 15. 12. 2003 (BGBl. I S. 2645 ff.). 97 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) v. 23. 9. 2003, BT-Drs. 15/1562, S. 33. 98 Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit v. 23. 12. 2003 (BGBl. I S. 2928 ff.). 99 Die Norm des § 24c KWG wurde eingeführt durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v. 21. 6. 2002 (BGBl. I S. 2010). 100 Nach heutiger Rechtslage hat der Abruf nach § 93b Abs. 2 AO beim Bundeszentralamt für Steuern zu erfolgen. 101 BMF Schreiben v. 10. 3. 2005 betr. Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO); Regelungen zu §§ 92 und 93 AO (Auskunftsersuchen; Kontenabruf), IVA 4 – S 0062 – 1/05, BStBl. I S. 422 (424). 102 C. Steiger, Mangelnde Eignung des Kontenabrufs als Mittel zur Behebung eines strukturellen Vollzugsdefizits, DStR 2007, S. 2145 (2147). 103 BVerfG, Beschl. v. 25. 2. 2008, 2 BvL 14/05, BStBl. II S. 651 (VZ 2000 – 2002); BVerfG, Urt. v. 10. 3. 2008, 2 BvR 2077/05, NJW 2008, S. 2637 (VZ 1994, 1995, 2000, 2001); BVerfG, Beschl. v. 10. 1. 2008, 2 BvR 294/06, DStR 2008, S. 197 (VZ 1999). 104 BFH, Beschl. v. 29. 11. 2005, IX B 80/05, BFH/NV 2006, S. 719 (VZ 1995); BFH, Urt. v. 7. 9. 2005, VIII R 90/04, BFHE 211, S. 183 (VZ 1994, 1995, 2000, 2001); BFH, Urt. v. 29. 11. 2005, IX R 49/04, BFHE 211, S. 330 (VZ 1999). 105 FG Niedersachsen, Beschl. v. 16. 5. 2003, 13 V 184/03, EFG 2003, S. 1093 (VZ 1999, 2000); FG Köln, Beschl. v. 22. 9. 2005, 10 K 1880/05, DStRE 2005, S. 1398 (VZ 2000, 2001, 2002); FG Hessen, Beschl. v. 23. 11. 2004, 7 V 3590/04, BeckRS 2004, 26017102 (VZ 2003); FG München, Beschl. v. 1. 2. 2005, 15 V 4976/04, DStRE 2005, S. 699 (VZ 2003); anders hingegen FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23. 9. 1999, V 7/99, EFG 2000, S. 178 (VZ 1997).
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tur106 nach und nach von der Beseitigung des strukturellen Vollzugsdefizits bei der Besteuerung von Kapitalerträgen ausgingen.107
B. Die Einführung einer Abgeltungsbesteuerung durch das Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 – endgültige Abkehr vom System der synthetischen Einkommensbesteuerung Obgleich der Gesetzgeber das strukturelle Vollzugsdefizit bei der Kapitalertragsteuer stetig beseitigte, war er motiviert, das Besteuerungsverfahren weiter zu optimieren. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008108 wurden daher grundlegende Änderungen im Kapitalertragsteuerrecht vorgenommen. Als Zielsetzung nannte der Gesetzgeber vor allem die Gefahr der Verschiebung privaten Kapitals ins Ausland, um es einer Besteuerung zu entziehen,109 eine drastische Erleichterung des Verfahrensrechts110 sowie die Verringerung des Vollzugsdefizits bei der Besteuerung privater Kapitalanlagen111. Unter anderem wurde mit § 43 Abs. 5 EStG – als zentrale Vorschrift für die Abgeltungswirkung bei der Kapitalertragsteuer112 – die Abgeltungsbesteuerung auf private Kapitalerträge mit Wirkung zum 1. 1. 2009 eingeführt. Als Vorbild diente die seit längerem in Österreich normierte Abgeltungsteuer, die zu einer starken Erhöhung des Steueraufkommens beitrug.113 Diese Form der Besteuerung führt – neben der Entlastung der Finanzverwaltung – auch zu Vorteilen beim Gläubiger der Kapitalerträge, da er im Normalfall gegenüber dem Finanzamt keine Angaben zu seinen Kapitalerträgen mehr zu machen braucht und zudem seine Anonymität als Anleger 106 U. a. R. Eckhoff, Abgeltungsteuer, Steuersystematische und verfassungsrechtliche Aspekte, FR 2007, S. 989 (995 f.); a. A. C. Steiger, Mangelnde Eignung des Kontenabrufs als Mittel zur Behebung eines strukturellen Vollzugsdefizits, DStR 2007, S. 2145 (2148 f.). 107 M. Treml, Die Bruttobesteuerung bei der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, 2014, S. 29. 108 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14. 8. 2007 (BGBl. I S. 1912). 109 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 1. 110 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 35. 111 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 1, 83. 112 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 66. 113 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 30. Auch in vielen anderen europäischen Ländern wird eine Abgeltungsbesteuerung in unterschiedlicher Weise vorgenommen, vgl. H. Weber-Grellet, Die Funktion der Kapitalertragsteuer im System der Abgeltungsteuer (Teil I), DStR 2013, S. 1357 (1358).
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
geschützt wird.114 Auf Antrag bleibt es dem Gläubiger der Kapitalerträge aber unbenommen, seine Kapitalerträge im Rahmen einer Veranlagung der Besteuerung nach § 32d EStG zu unterwerfen. Dies gibt ihm die Möglichkeit, von der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG Gebrauch zu machen und damit eine niedrigere Besteuerung durch die tarifliche Einkommensteuer herbeizuführen. Begleitend dazu verabschiedete sich der Gesetzgeber endgültig vom System der synthetischen Einkommensbesteuerung, indem er eine besondere Tarifschedule für Einkünfte nach § 20 EStG schaffte.115 Der ursprünglich einheitliche, für alle Einkünfte geltende progressive Steuertarif wurde durch eine Pauschalbesteuerung bei Kapitalerträgen in Höhe von 25 % ersetzt,116 § 32d Abs. 1 EStG, § 43a Abs. 1 EStG.117 Nach § 2 Abs. 5b EStG sind diese Kapitalerträge bei der Ermittlung der Einkünfte, der Summe der Einkünfte, des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Einkommens und des zu versteuernden Einkommens nicht einzubeziehen. Sie bilden damit eine eigene Einkünftekategorie außerhalb des synthetischen Einkommensbegriffs.118 Der Gesetzgeber führte hierdurch einen Paradigmenwechsel von der synthetischen hin zu einer dualen Einkommensbesteuerung herbei, bei der die Besteuerung von Kapitalerträgen mit abgeltender Wirkung in einer eigenen Schedule vorgenommen wird.119 Die Kapitalertragsteuer wird daher zutreffend auch als sog. Schedulensteuer bezeichnet.120 Ferner wurde auch der Anwendungsbereich der Kapitalertragsteuer in § 43 Abs. 1 EStG erweitert. Durch die Ergänzungen um die Nummer 6 und Nummern 8 – 12 kann nun auch bei ausländischen Kapitalerträgen grundsätzlich ein Steuerabzug vorgenommen werden. Dies kann im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen zu Erstattungen führen.
114 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 33. 115 Das System der synthetischen Einkommensbesteuerung ist das Gegenstück zur sog. Schedulensteuer, bei der nicht alle Einkommensstränge synthetisiert und einheitlich an einem Strang besteuert werden, sondern nach verschiedenen, voneinander getrennten Schedulen mit unterschiedlichen Steuersätzen; siehe G. Kirchhof, in: Kirchhof/Kulosa/ Ratschow, BeckOK EStG, 7. Ed. 2020, § 2 Rn. 49, 179, 386. 116 Mit Ausnahme von § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b und 7c EStG. Dort beträgt die Kapitalertragsteuer 15 %. 117 J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 2. 118 J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 2. 119 J. Englisch, Verfassungsrechtliche und steuersystematische Kritik der Abgeltungsteuer, StuW 2007, S. 221 (222); F. Werth, Erste BFH-Rechtsprechung zur Abgeltungsteuer, DStR 2015, S. 1343 (1344); C. Stahl, Aktuelle Brennpunkte der Abgeltungsteuer, 2018, S. 113. 120 S. Bäuml/P. Gageur, Die geplante Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte – Aktuelles Beratungs-Know-How und potentielle Verfassungswidrigkeit, FR 2006, S. 213 (215).
§ 2 Die Geschichte und Entwicklung der Besteuerung
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Im Gesetzentwurf der Bundesregierung fällt auf, dass nicht auf die Mehrbelastung bei den Kreditinstituten eingegangen wird. Vielmehr geht es nahezu ausschließlich um die effizientere und erleichterte Steuererhebung zugunsten der Finanzbehörden und Bürger. Mit der Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 43 ff. EStG wurde der Quellenabzug ausgeweitet und somit die Pflichten der Kreditinstitute nochmals spürbar erhöht.
C. Die Änderungen im Kapitalertragsteuerverfahren durch das Steueränderungsgesetz von 2015 Schließlich normierte der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz 2015121 eine für die Kreditinstitute bedeutende Regelung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG haben diese nun „den Steuerabzug unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen“. Grund für diese Regelung war die Entscheidung des BFH vom 12. 12. 2012.122 Dort führte der BFH aus, dass ein Kreditinstitut zum Kapitalertragsteuerabzug berechtigt sei, wenn es sich auf ein Schreiben des BMF stützen könne.123 Allerdings gelte dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Ist nach Ansicht des Kreditinstituts von einem Steuerabzug Abstand zu nehmen, da Wortlaut und Zweck der einschlägigen Norm dies erfordern, so müsse das Kreditinstitut auch entgegen einem BMF Schreiben verfahren dürfen. Diese von der Finanzverwaltung kritisierte und mit einem Nichtanwendungserlass124 belegte Rechtsprechung führte schließlich dazu, dass der Gesetzgeber eine ausnahmslose Bindungswirkung der entsprechenden Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung125 in §§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG normierte. Mit diesem Verweis sorgte der Gesetzgeber für eine faktische Gesetzeskraft solcher Verwaltungsanweisungen.126 Ziel war es, eine gleichmäßige Besteuerung unabhängig der Tatsache, bei welchem Kreditinstitut der Steuerpflichtige sein Geld anlegt, sicherzustellen und
121
Steueränderungsgesetz 2015 v. 2. 11. 2015 (BGBl. I S. 1834). BFH, Urt. v. 12. 12. 2012, I R 27/12, BFHE 241, S. 151. 123 BFH, Urt. v. 12. 12. 2012, I R 27/12, BFHE 241, S. 151 (153). 124 BMF Schreiben v. 12. 09. 2013 betr. u. a. Steuerpflicht von Erträgen aus der Veräußerung von vor dem 1. Januar 2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussrechten; BFHUrteil vom 12. Dezember 2012 – I R 27/12, IV C 1 – S 2252/07/0002:010, BStBl. 2013 I S. 1167. 125 Das derzeit maßgebliche BMF Schreiben ist das Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85. 126 A. Konzelmann, BMF-Schreiben mit Gesetzesrang?, Publicus 2015, S. 26. 122
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1. Teil: Die Grundlagen des Kapitalertragsteuerrechts
damit Rechtsklarheit zu schaffen.127 Welche Probleme diese Gesetzesänderung jedoch mit sich bringt, wird später noch zu untersuchen sein.128
D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 2 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Anforderungen an die Kreditinstitute einhergehend mit den Entwicklungen auf dem Gebiet der Kapitalertragsteuer kontinuierlich stiegen. Mit der Einführung einer Besteuerung von Kapitalerträgen an der Quelle durch das Kapitalertragsteuergesetz von 1920 sind erstmals eine Reihe von Pflichten auf die Kreditinstitute zugekommen, die sich über die Jahre hinweg erhöhten. Die steuerpflichtigen Vorgänge wurden ausgeweitet und dadurch auch komplizierter. Das Bundesverfassungsgericht spielte bei der Weiterentwicklung des Kapitalertragsteuerrechts ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Mit dem Zinsurteil und dem Tipke-Urteil veranlasste es den Gesetzgeber, strukturelle Vollzugsdefizite zu beseitigen. Infolgedessen erweiterte dieser den Anwendungsbereich des Quellenabzugsverfahrens auf private Zinserträge und führte neue Informationspflichten ein, um Spekulationsgewinne bei Wertpapiergeschäften besser erfassen zu können. Damit trug auch die Rechtsprechung mittelbar zur Erhöhung der Pflichten für die Kreditinstitute bei. Schließlich führte vor allem der durch das Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 eingeführte Steuerabzug mit Abgeltungswirkung zu einem effizienteren Kapitalertragsteuerverfahren. Dadurch wurden jedoch die Pflichten und die Verantwortung für die Kreditinstitute insbesondere durch die fortschreitende Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs erneut erhöht.
127
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 44. 128 Siehe dazu auch unten § 3 A. IV. 3. sowie § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (c)/(d).
2. Teil
Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus steuerrechtlicher Perspektive Im zweiten Teil der Arbeit wird die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus steuerrechtlicher Perspektive betrachtet. Ziel dieses Abschnitts ist es, ein Gesamtbild aus Pflichten und Konsequenzen zu zeichnen, Belastungen für die Kreditinstitute zu bennenen und zu gewichten, um diese teilweise durch gezielte Gesetzesvorschläge, teilweise durch Auslegung bestehenden Rechts reduzieren zu können. Hierfür werden in einem ersten Schritt (§ 3) die Pflichten der Kreditinstitute in den jeweiligen Verfahrensabschnitten systematisch herausgearbeitet. Dabei wird neben den nationalen Pflichten (A. und B.) auch auf die immer stärker aufkommenden internationalen Pflichten (C.) eingegangen. Ausgehend von den gewonnenen Ergebnissen werden in einem zweiten Schritt (§ 4) die daraus resultierenden rechtlichen wie wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute abgeleitet und bewertet.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren zwischen Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge Das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG führt zu einer Dreiecksbeziehung zwischen Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge. Zentrale Person dieses Verfahrens ist dabei das Kreditinstitut,129 das als maßgeblicher Adressat dieser Vorschriften in die Besteuerung von Kapitalerträgen miteinbezogen wird. Dieses System ist im Rahmen der Einkommensteuer der Ausnahmefall.130 Grundsätzlich obliegt es allein dem Gläubiger der Kapitalerträge als Steuer129 So für das vergleichbare Lohnsteuerabzugsverfahren G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 92; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. V. 130 Neben dem Kapitalertragsteuerverfahren bildet das Lohnsteuerverfahren nach §§ 38 ff. EStG einen weiteren Ausnahmefall. Dort behält der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers ein (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und führt sie an das Finanzamt ab (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
schuldner,131 seinen Pflichten gegenüber dem Finanzamt selbstständig und in eigener Verantwortung nachzukommen. Bei der Kapitalertragsteuer hingegen werden die Finanzverwaltung und der Steuerschuldner durch das Kreditinstitut als eine Art Steuerintermediär entlastet. Gerade bei den Steuerabzügen mit abgeltender Wirkung132 wird der Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner aus dem Besteuerungsverfahren weitgehend herausgehalten. Das Kreditinstitut behält die Steuer für ihn ein133 und leitet sie an das Finanzamt weiter.134 Dabei trifft das Kreditinstitut eine Vielzahl verschiedener Pflichten, die als sog. Primärpflichten bezeichnet werden.135 Es wird vorgeschlagen, diese Pflichten weiter zu systematisieren und in Haupt- und Nebenpflichten aufzuteilen.136 Die Hauptpflichten (A.) umfassen solche Pflichten, welche die Kreditinstitute von der Verwirklichung des Steuertatbestands bis hin zur Abführung der Steuer an den Fiskus treffen. Nebenpflichten (B.) hingegen betreffen die Pflichten, die begleitend zum Besteuerungsverfahren einzuhalten sind, aber die Durchführung des Verfahrens nicht unmittelbar betreffen. Die Hauptpflichten ergeben sich weit überwiegend aus dem EStG, die flankierenden Nebenpflichten vorwiegend aus dem Mantelgesetz der AO. Diese nationalen Pflichten werden ergänzt durch die stetig wachsenden internationalen Pflichten und Verträge (C.). Durch die fortschreitende Vernetzung der Finanzmärkte ist eine internationale Zusammenarbeit unabdingbar, um Steuerumgehungen zu verhindern und Steuern effektiv und besteuerungsgleichheitswahrend erheben zu können. Diesem Zweck dienen die internationalen Abkommen wie der CRS, das FATCA-Abkommen, das TIEA-Abkommen und diverse Doppelbesteuerungsabkommen.
A. Die Hauptpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG Bevor das Kreditinstitut den Steuerabzug vornimmt, also in das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG einsteigt, hat es zu prüfen, ob überhaupt ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Ist dies der Fall, muss die richtige Bemessungsgrundlage ermittelt und die zutreffende Höhe der Kapitalertragsteuer137 be131
Zu diesem Begriff siehe unten § 4 A. I. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG. 133 § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. 134 § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG. 135 Zu dieser Unterscheidung siehe B. Heuermann, Was ist eigentlich Entrichtungssteuerschuld?, StuW 2006, S. 332 (335). Diese Primärpflichten werden durch die Sekundärpflichten (u. a. Haftung) abgesichert, siehe dazu unten § 4 A. II. 136 Eine solche Unterscheidung bereits andeutend H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (146). Er spricht von sog. „Hilfs- und Unterstützungspflichten“ einerseits und der „Hauptpflicht zur Einbehaltung und Abführung von Steuern“ andererseits. 137 § 43a Abs. 1 Satz 1 EStG. 132
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
51
rechnet werden. Ein Abzug kommt hingegen nicht in Betracht, wenn bspw. ein Freistellungsauftrag138 vorliegt, durch den der Steuerschuldner von seinem SparerPauschbetrag139 Gebrauch macht. Zudem sind ausländische Quellensteuern anzurechnen140 und Verluste zu verrechnen.141 Schließlich sind die Kreditinstitute auch verpflichtet, bestimmte Steuerbescheinigungen auszustellen142 und Mitteilungen bzw. Anzeigen vorzunehmen.143 I. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung des Anwendungsbereichs des Kapitalertragsteuerrechts Die Kreditinstitute sind im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet, wenn seitens ihrer Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge ein steuerpflichtiger Besteuerungstatbestand erfüllt wurde. Ihnen obliegen damit als potentiell Entrichtungspflichtige zunächst die Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts und die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung der Kapitalertragsteuer.144 1. Das Kreditinstitut als Entrichtungs- und Steuerpflichtiger Die Entrichtungspflicht ist in § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 43 Satz 2 AO normiert und führt zu einem Entrichtungsanspruch der Finanzbehörden gegen die Kreditinstitute.145 Das Gesetz sieht hier eine Dreiteilung vor. Entrichtungspflichtiger ist entweder (1) der Schuldner der Kapitalerträge146, (2) die für den Verkäufer der Wertpapiere den Verkaufsauftrag ausführende Stelle147 oder (3) die die Kapitalerträge auszahlende Stelle148. Letztere wird in § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG näher bestimmt. Unter diesen drei Entrichtungspflichtigen sind vor allem Kreditinstitute und Fi-
138
§ 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG. 140 § 43a Abs. 3 Satz 1 EStG. 141 § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG. 142 § 45a Abs. 2 Satz 1 EStG; dies geschieht vor allem in den Fällen, in denen es für den Gläubiger der Kapitalerträge günstiger ist, eine Veranlagung durchzuführen, um unter den progressiven (weil niedrigeren Steuersatz) zu fallen, § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG. 143 Insbesondere § 45a Abs. 2 – 7 EStG. 144 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (498). 145 Dieser Anspruch ist allerdings kein Haftungsanspruch; näher dazu BFH, Urt. v. 24. 3. 1998, I R 120/97, BFHE 186, S. 98 (100). 146 In den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 – 4 sowie 7a und 7b EStG. 147 In den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. 148 In den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, 5 – 7 und 8 – 12 sowie Satz 2 EStG. 139
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
nanzdienstleistungsinstitute häufig zu finden.149 Wie einleitend schon erwähnt, beschränkt sich die Arbeit auf den Terminus des ’Kreditinstituts’.150 Die Kreditinstitute haben damit nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen.
Abbildung 1: Die Entrichtungspflicht der Kreditinstitute151
Nicht der Entrichtungspflicht unterliegen hingegen ausländische Kreditinstitute und ausländische Zweigstellen von Inlandskreditinstituten, wohingegen inländische Zweigstellen von Auslandskreditinstituten den Abzugspflichten unterliegen.152 Die den Kapitalertrag generierende Quelle muss somit stets im Inland liegen. Von der Steuerentrichtungspflicht ist ferner die Steuerpflicht zu unterscheiden. Steuerpflichtiger ist nach § 33 Abs. 1 AO u. a., wer eine Steuer schuldet (sog. Steuerschuld153), für eine Steuer haftet (sog. Haftungsschuld154) oder eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat. Im Rahmen der Kapitalertragsteuer haben die Kreditinstitute die Steuer auf Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einzubehalten und abzuführen155 und haften für die vom Gläubiger der Kapitalerträge zu tragende Kapitalertragsteuer.156 Folglich sind sowohl der Gläubiger der Kapitalerträge als auch die Kreditinstitute Steuerpflichtige. In terminologischer Hinsicht wird im weiteren Fortgang der Arbeit – soweit erforderlich – der Terminus des ’Entrichtungspflichtigen’ verwendet, sofern das Kreditinstitut gemeint ist und der Terminus ’Steuerpflichtiger’, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge gemeint ist.
149
Daneben kommen auch Wertpapierhandelsunternehmen, Wertpapierhandelsbanken, Wertpapiersammelbanken etc. als Entrichtungspflichtige in Betracht, § 44 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG. 150 Siehe dazu oben § 1 B. 151 Angelehnt an M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 110. 152 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44 Rn. 9. 153 Siehe dazu unten § 4 A. I. 154 Siehe dazu unten § 4 A. I. 155 Siehe § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG. 156 Siehe § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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2. Die Pflicht des Kreditinstituts zur Ermittlung des Sachverhalts Die Ermittlung des steuerlich erheblichen Sachverhalts durch die Kreditinstitute ist der Ausgangspunkt für die anschließende rechtliche Einordnung. Sie ist bereits Teil der Rechtsanwendung.157 Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 88 AO ist sie eine originäre Aufgabe der Finanzbehörde. Diese darf einen steuerlich nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalt nicht der Besteuerung unterwerfen.158 Im Bereich des Kapitalertragsteuerverfahrens wird den Kreditinstituten nicht nur die Steuerentrichtungspflicht, sondern auch Pflicht zur Ermittlung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts als Bestandteil der nahezu vollständigen Übertragung des Steuervollzugs159 auferlegt. Hierbei kommt den Kreditinstituten – im Gegensatz zur Beurteilung noch nicht höchstrichterlich entschiedener Rechtsfragen – kein Beurteilungsspielraum zugute. Sie sind verpflichtet, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln.160 Die weitgehende Übertragung des Ermittlungsgrundsatzes auf die Kreditinstitute lässt sich mit dem Kriterium der Beweisnähe begründen.161 Demzufolge ist die Verantwortung des Steuerpflichtigen, an der Ermittlung des steuerlich erheblichen Sachverhalts mitzuwirken, umso größer (und für die Finanzbehörden umgekehrt umso geringer), je näher der Sachverhalt und die Beweismittel seiner Informationsund Tätigkeitssphäre zuzurechnen ist (sog. Sphärentheorie).162 Zwar sind die Kreditinstitute nicht Steuerschuldner,163 doch muss das Kriterium der Beweisnähe auch hier Anwendung finden, da sie als Entrichtungspflichtige mit in das Besteuerungsverfahren eingebunden sind. Die Kreditinstitute sitzen grundsätzlich an der Quelle der Kapitalerträge, können auf die Kontoinformationen ihrer Kunden zugreifen, damit den steuerlich erheblichen Sachverhalt ermitteln und diesen durch entsprechende Beweismittel (bspw. Depotauszüge) belegen. Um diese Pflicht zu erfüllen, greift ein Großteil der Kreditinstitute in der Praxis partiell auf externe Dienstleister zurück,164 da ihnen die Sachverhaltsermittlung für jeden Einzelfall in einem Massenverfahren wie dem Kapitalertragsteuerabzug an-
157
W. Birkenfeld, Sachverhaltsermittlung und Rechtsanwendung bei der Lohnsteuer inund ausländischer Arbeitnehmer, DStJG Band 9 1986, S. 245 (248). 158 Klein/B. Rätke, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 88 Rn. 1. 159 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 147. Lfg. 2017, § 88 AO Rn. 4. 160 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1345). 161 Klein/B. Rätke, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 88 Rn. 46. 162 H. Kobor, Kooperative Amtsermittlung im Verwaltungsrecht, 2007, S. 116 f.; zur Sphärentheorie siehe BFH, Urt. v. 6. 6. 2007, II R 17/06, BFHE 217, S. 398 (402); BFH, Urt. v. 9. 6. 2005, IX R 75/03, BFH/NV 2005, S. 1765 (1767); BFH, Urt. v. 15. 2. 1989, X R 16/86, BFHE 156, S. 38 (42). 163 Siehe dazu unten § 4 A. I. 164 R. Ronig, in: Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK InvStG, 14. Ed. 2019, § 7 Rn. 90.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
dernfalls schlichtweg unmöglich ist.165 Hauptanbieter ist der WM Datenservice aus Frankfurt. Dabei handelt es sich um eine umfassende globale Finanzdatenbank, die eigenen Angaben zufolge Daten und Informationen zu mehr als zwei Millionen166 nationalen und ausgewählten internationalen Finanzinstrumenten umfasst.167 Der Datenservice ist ferner zuständig für die Vergabe der deutschen WKN168 und der ISIN169. Durch entsprechende EDV Systeme ist es den Kreditinstituten möglich, die Informationen automatisiert in ihre eigenen Steuersysteme zu übertragen.170 Das Kreditinstitut darf sich allerdings nicht unbesehen auf die Terminologie des WM Datenservices verlassen, da sich die Bezeichnung des Finanzinstruments auch nach ausländischen Rechtsordnungen richten kann und diese Bezeichnung nicht immer mit der deutschen Terminologie übereinstimmt.171 Der WM Datenservice erleichtert die Sachverhaltsermittlung der Kreditinstitute, bringt aber auch finanzielle Belastungen mit sich.172 Den Finanzbehörden hingegen ist diese Ermittlung nur unter großem Aufwand möglich, da sie nicht über die für eine Besteuerung notwendigen Daten verfügen.173 Zwar können sie die Kreditinstitute zur Mitwirkung heranziehen (etwa durch das Kontenabrufverfahren, §§ 93b, 93 Abs. 7, 8 AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG174 sowie § 93 AO175), doch wäre dieser Weg ineffizient. Die Finanzbehörden müssten für sämtliche relevanten Sachverhalte Auskünfte bei den Kreditinstituten ersuchen, die durch die Bearbeitung der Anfragen ebenfalls belastet würden. Vor dem Hintergrund der Abzugsverpflichtung der Kreditinstitute ist es nur konsequent, den Kreditinstituten auch die Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts aufzuerlegen. Damit verbleiben die Sachverhaltsermittlung und der Steuerabzug in einer Hand. Anstatt in jedem Einzelfall den steuerlich relevanten Sachverhalt selbst zu ermitteln, ver165 P. Fölsing, Anm. zu AG Frankfurt/M., Urt. v. 17. 10. 2014, 32 C 1696/14 (18), DStR 2015, S. 1398 (1400). 166 Siehe dazu die Homepage des WM Datenservice: https://www.wmdaten.de/index. php?mid=5. 167 Siehe dazu die Homepage des WM Datenservice: https://www.wmgruppe.de/index. php?ansicht=kp_ds. 168 Wertpapier-Kenn-Nummer, https://www.wmdaten.de/index.php?mid=5. 169 International Security Identification Number, https://www.wmdaten.de/index.php? mid=5. 170 Siehe dazu die Homepage des WM Datenservice: https://www.wmdaten.de/index. php?mid=7. 171 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1345); ein anschauliches Beispiel bezüglich des Abweichens der Terminologie zwischen deutschem und US-amerikanischem Recht bietet die Kapitalmaßnahme der Google Inc. aus dem Jahre 2014; siehe dazu unten § 3 A. I. 3. C, bb, (2) (a). 172 Siehe dazu unten § 4 D. I. 173 J. Dahm, Banken im Spannungsfeld zwischen Staat und Kunden, WM 1996, S. 1285 (1287). 174 Siehe dazu unten § 3 B. I. 175 Siehe dazu unten § 3 B. II. 1.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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wirklicht die Finanzbehörden den Untersuchungsgrundsatz vielmehr durch eine fokussierte Überwachung der steuerabzugsverpflichteten Kreditinstitute.176 Die Einbindung der Kreditinstitute ändert aber nichts daran, dass die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung weiter bei den Finanzbehörden verbleibt.177 3. Ermittlung der Abzugsverpflichtung nach §§ 43 ff. EStG Nach Feststellung der Entrichtungspflicht und der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhalts muss das Kreditinstitut in die rechtliche Prüfung einsteigen und feststellen, ob das Abzugsverfahren nach §§ 43 ff. EStG eröffnet ist. Der Tatbestand des § 43 EStG erfasst den Großteil der in § 20 EStG normierten Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sind diese dort nicht aufgeführt, hat der Gläubiger der Kapitalerträge seine Erträge im Rahmen der Veranlagung (§§ 25 ff. EStG) selbst zu deklarieren. Im Übrigen greift das Kapitalertragsteuerverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens hat das Kreditinstitut zu untersuchen, ob (a) der zeitliche Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften eröffnet ist, der Gläubiger der Kapitalerträge subjektiv (b) und mit seinen Kapitalerträgen objektiv (c) steuerpflichtig ist. a) Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich ist vom Kreditinstitut in zweifacher Hinsicht zu prüfen, da sowohl die materiellen Steuernormen, vorliegend § 20 EStG, als auch die korrespondierenden Verfahrensnormen, §§ 43 ff. EStG, ständigen Änderungen unterliegen. Im Rahmen der zeitlichen Anwendung des § 20 EStG finden sich die entsprechenden Vorschriften in § 52 Abs. 28 EStG178. Dort ist detailliert aufgeführt, welche Rechtslage für das jeweilige Finanzprodukt in zeitlicher Hinsicht einschlägig ist. Bezüglich der anwendbaren Vorschriften über den Abzug der Kapitalerträge nach §§ 43 ff. EStG ist zunächst die Grundregel des § 52 Abs. 1 Satz 3 EStG vom Kreditinstitut zu beachten. Danach gilt eine Stichtagsregelung nach dem Zuflusszeit-
176
R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 147. Lfg. 2017, § 88 AO Rn. 4. H. Kobor, Kooperative Amtsermittlung im Verwaltungsrecht, 2007, S. 117. 178 Der zeitliche Anwendungsbereich für Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne wurde im Zuge der Einführung der Abgeltungsbesteuerung gesondert in § 52a EStG geregelt. Diese Regelung wurde durch Art. 2 Nr. 35 des Kroatienanpassungsgesetzes (Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25. 7. 2014 (BGBl. I S. 1266)) mit Wirkung zum 31. 7. 2014 aufgehoben, da das Konkurrenzverhältnis zwischen § 52a EStG und § 52 EStG zu Schwierigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Anwendung der einzelnen Vorschriften führte; siehe Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 26. 5. 2014, BTDrs. 18/1529, S. 60. Gleichzeitig wurden die Anwendungsbestimmungen wieder in § 52 EStG aufgenommen; siehe Art. 2 Nr. 34 des Kroatienanpassungsgesetzes. 177
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
punkt, sofern keine besondere Regelung in § 52 Abs. 28 EStG einschlägig ist.179 Es zeigt sich, dass bereits die Ermittlung der in zeitlicher Hinsicht anwendbaren materiell-rechtlichen Vorschriften und Verfahrensvorschriften zu einer komplizierten zweigleisigen Prüfung durch die Kreditinstitute führen kann. b) Subjektive Kapitalertragsteuerpflicht Ferner obliegt den Kreditinstituten die Prüfung der subjektiven Kapitalertragsteuerpflicht ihrer Kunden. Das Abzugsverfahren nach §§ 43 ff. EStG ändert daran nichts, da dort weitgehend auf § 20 EStG verwiesen wird, der seinerseits die Steuerpflicht nach § 1 EStG voraussetzt. Kapitaleinkünfte sind nur dann einkommensteuerpflichtig, sofern sie von natürlichen Personen, Einzelunternehmern oder Personengesellschaften erzielt werden. Fließen einer Kapitalgesellschaft Kapitaleinkünfte zu, so sind diese nach dem Körperschaftsteuergesetz zu versteuern.180 Handelt es sich bei dem Gläubiger der Kapitalerträge um eine natürliche Person mit Wohnsitz im Inland (unbeschränkte Einkommensteuerpflicht), wirft dies keine besonderen Schwierigkeiten auf, denn die Kreditinstitute kennen den Wohnsitz ihres Kunden. Dieser musste sich bei Eröffnung seines Kontos einer Legitimationsprüfung181 durch das Kreditinstitut unterziehen, § 154 Abs. 2 AO. Danach haben sich die Kreditinstitute vor der Eröffnung eines Kontos Gewissheit über die Person und Anschrift des Kunden zu verschaffen.182 Ergeben sich Änderungen beim Kunden, ist dieser nach Nr. 11 (1) der Muster AGB Banken,183 der grundsätzlich Bestandteil seines Vertrags mit dem Kreditinstitut wird, zur Mitteilung der Änderung verpflichtet. Kommt der Kunde dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das Kreditinstitut, wenn es seine Pflichten nach § 154 Abs. 2 EStG erfüllt hat, auf den Grundsatz der Kontenwahrheit vertrauen, also davon ausgehen, dass die Angaben des Kunden zutreffend sind.184 Eine nachträgliche Pflicht zur Überprüfung der Daten des
179 E. Ratschow, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 147. Lfg. 2019, § 20 EStG Rn. 14a. 180 H. Jochum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Pauschalisierung und Typisierung am Beispiel der Besteuerung privater Aktiengeschäfte, DStZ 2010, S. 309 (310). 181 Diese Identifizierungspflicht besteht auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1, 3 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (v. 23. 6. 2017 (BGBl. I S. 1822), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12.12. 2019 (BGBl. I S. 2602), im Folgenden GWG), zu der Kreditinstitute nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GWG verpflichtet sind. 182 Nach AEAO zu § 154 Nr. 4 gehört dazu auch das Geburtsdatum des Kunden. Ebenfalls reicht danach eine nur vorübergehende Anschrift nicht aus (Hoteladresse). 183 Abrufbar u. a. unter https://bankenverband.de/service/agb-und-klauselwerke. 184 Daneben gilt der Grundsatz der sog. „formellen Kontenwahrheit“. Dieser besagt, dass das Kreditinstitut nicht zu überprüfen hat, wem bspw. eine Forderung aus dem Konto tatsächlich materiell zusteht. Es muss nur geprüft werden, wer formell Inhaber des Kontos ist, siehe BGH, Urt. v. 18. 10. 1994, XI ZR 237/93, BGHZ 127, S. 229.
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Kunden besteht dabei nicht.185 Ändert der Kunde seinen Wohnsitz, ohne dies dem Kreditinstitut mitzuteilen, kann es vorkommen, dass das Kreditinstitut zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehält.186 Aufwändiger ist die Prüfung der subjektiven Kapitalertragsteuerpflicht, sofern Fälle der erweiterten unbeschränkten187, erweiterten beschränkten188, fiktiven unbeschränkten189 oder beschränkten Steuerpflicht190 vorliegen. Zunächst muss das Kreditinstitut überhaupt Kenntnis von den Umständen haben (z. B. Verlagerung des Wohnsitzes eines Kunden ins Ausland). Daran anknüpfend stellt sich die Frage nach der subjektiven Kapitalertragsteuerpflicht und später im Verfahren die der Anrechenbarkeit ausländischer Quellensteuern.191 c) Objektive Kapitalertragsteuerpflicht aa) Das Enumerationsprinzip des § 43 EStG Das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG ist schließlich nur eröffnet, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge auch objektiv steuerpflichtig ist. Diese objektive Steuerpflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG i. V. m. § 20 EStG.192 Allerdings bezieht sich § 43 EStG nur partiell auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG.193 Der Gesetzgeber hat enumerativ und abschließend geregelt,194 welche Kapitalerträge er dem Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG
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Dies wird aus dem Wortlaut des § 154 Abs. 2 Satz 1 EStG entnommen, der von „zuvor“ spricht. Im Umkehrschluss besteht keine nachträgliche Prüfpflicht; siehe Klein/ B. Rätke, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 154 Rn. 12. 186 Zu den Folgen, insbesondere der Korrektur eines unberechtigt vollzogenen Kapitalertragsteuerabzugs, siehe unten § 4 A. III. 1. 187 Siehe § 1 Abs. 2 EStG. 188 Siehe § 2 Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (v. 8. 9. 1972 (BGBl. I S. 1713), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 25. 3. 2019 (BGBl. I S. 357)). Der BFH behandelt die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht als selbstständige Form der Steuerpflicht; siehe BFH, Urt. v. 19. 12. 2007, I R 19/06, BFHE 220, S. 160 (167). 189 Siehe § 1 Abs. 3 EStG und § 1a EStG. 190 Siehe § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. 191 Siehe dazu unten § 3 A. II. 2. 192 Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG sind Kapitaleinkünfte, die zu den Einkünften aus Landund Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören, diesen Einkünften zuzurechnen, sog. Grundsatz der Subsidiarität der Kapitalerträge. Die Information, ob es eine solche Zurechnung in Betracht kommt, erlangt das Kreditinstitut durch entsprechende Abfrage im Kontoeröffnungsvertrag. 193 Beide Vorschriften sind allerdings einheitlich auszulegen, BFH, Urt. v. 23. 10. 1985, I R 248/81, BFHE 145, S. 175 (176). 194 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 43 Rn. 8; K. Obermüller, in: Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl. 1981, § 43 Rn. 18.
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unterwirft.195 Im Gesetzentwurf zum Unternehmensteuerreformgesetz von 2008196 wird hierzu ausgeführt: „Um zu gewährleisten, dass die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen – vor allem die Kreditinstitute – den Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 vornehmen können, bedarf es einer Aufzählung der einzelnen für den Steuerabzug maßgebenden Geschäftsvorfälle.“197 Damit weiß das Kreditinstitut – zumindest theoretisch – für welche Erträge es Kapitalertragsteuer einbehalten muss. Fallen die Erträge hingegen nicht unter § 43 EStG, müssen sie vom Gläubiger der Kapitalerträge im Rahmen der Veranlagung (§§ 25 ff. EStG) erklärt werden. bb) Die Pflicht zur Ermittlung der einschlägigen Kapitalerträge Anhand der Aufzählung in § 43 EStG sieht das Kreditinstitut, bei welchen Kapitalerträgen es einen Abzug vorzunehmen hat. Bei Zinserträgen198 wird dies keine größeren Schwierigkeiten aufwerfen. Die Prüfung kann aber schwieriger und damit aufwändiger werden, wenn nicht klar ist, ob ein Kapitalertrag vorliegt und falls dem so ein sollte, wie dieser Kapitalertrag steuerlich einzuordnen ist.199 Diese Einordnung hat für die Kreditinstitute aber bedeutende Konsequenzen. Ist der Tatbestand des § 43 EStG erfüllt, ist ein Abzug der Kapitalertragsteuer vorzunehmen. Ist er hingegen nicht erfüllt, dürfen sie den Abzug nicht vornehmen. Ziehen sie die Steuer dennoch ein, machen sie sich unter Umständen gegenüber ihren Kunden schadensersatzpflichtig,200 zumindest aber erstattungspflichtig.201 Ziehen sie die Steuer nicht ein, obwohl eine Pflicht nach § 43 EStG dafür bestand, haften sie für die nicht abgeführte Steuer.202 Auch können ordnungswidrigkeitenrechtliche,203 schlimmstenfalls strafrechtliche Konsequenzen204 drohen. § 43 EStG ist damit die Schlüsselstelle im Kapitalertragsteuerrecht. Die Kreditinstitute stehen im Spannungsverhältnis zwischen Abzugspflicht und Abstandnahme vom Abzug und den jeweils drohenden Konsequenzen. Dies zwingt sie im Zweifelsfall zu einer intensiven rechtlichen Prüfung, um derartige Konsequenzen zu vermeiden. Um zu zeigen, wie schwierig sich die Pflicht der Kreditinstitute zur Einordnung von Kapitalerträgen im Einzelfall gestalten kann, wird im Folgenden 195
Beispielsweise fallen Zinsen aus Privatdarlehen nicht unter den Kapitalertragsteuerabzug nach §§ 43 ff. EStG. 196 Siehe dazu oben § 1 B. 197 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 55. 198 § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG. 199 J. Dahm, Banken im Spannungsfeld zwischen Staat und Kunden, WM 1996, S. 1285 (1287). 200 Siehe dazu unten § 4 A. III. 2. 201 Siehe dazu unten § 4 A. III. 1 b) c) d). 202 Siehe dazu unten § 4 A. II. 1.-5. 203 Siehe dazu unten § 4 B. 204 Siehe dazu unten § 4 C.
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exemplarisch auf einen aus der jüngeren Vergangenheit bekannten Fall eingegangen. So stellte sich bei der Kapitalmaßnahme der Google Inc.205 aus dem Jahre 2014 das Problem der steuerrechtlichen Bewertung unentgeltlich zugewiesener Aktien. (1) Die Kapitalmaßnahme der Google Inc. Die Google Inc. führte im April 2014 eine Kapitalmaßnahme durch.206 Dabei teilten sie ihre Aktien, die zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von rund 1.200 Dollar aufwiesen, im Verhältnis 2:1. Jedem Aktionär wurden für die ursprünglichen sog. „Class A“ Aktien neue „Class A“ Aktien eingebucht, jedoch mit einem halbierten Wert von ca. 600 Dollar. Daneben wurden weitere sog. „Class C“ Aktien eingebucht, ebenfalls mit einem Wert von ca. 600 Dollar. Diese Aktien stellen Anteilsrechte an der Google Inc. dar, waren aber ohne Stimmrecht ausgestaltet. Bildhaft gesprochen war es, als ob man für einen 100 Dollar Schein zwei 50 Dollar Scheine getauscht bekommt.207 Das Ziel einer solchen Kapitalmaßnahme ist es, günstigere Aktien am Markt zu etablieren, um sie einem größeren Anlegerpublikum zugänglich zu machen.208 Das Kapital der Google Inc. blieb dabei allerdings unverändert.209 Ein Großteil der deutschen depotführenden Kreditinstitute ermittelte einen steuerpflichtigen Kapitalertrag von 600 Dollar je gesplitteter Aktie und zog die entsprechende Kapitalertragsteuer beim Kunden ab. Die inländischen Kreditinstitute waren verpflichtet, eine steuerliche Einordnung der Kapitalmaßnahme vorzunehmen. Denn nur, wenn die Maßnahme steuerbar ist, haben sie auch die Kapitalertragsteuer einzubehalten. Wie kompliziert die Einordnung in diesem Falle war und damit auch in anderen Fällen in Zukunft sein kann, zeigen die folgenden Lösungsansätze.
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Eine ähnliche Kapitalmaßnahme hatte die A. P. Møller-Mærsk A/S durchgeführt. Dort wurde ebenfalls im April 2014 eine Kapitalmaßnahme durchgeführt, bei der jeder Aktionär für eine Aktie im Wert von ca. 8.000 EUR fünf Aktien im Wert von je ca. 1.600 EUR erhielt. 206 Sachverhalt im Wesentlichen nach M. Hensel, Besteuerung der – ausländischen – Kapitalmaßnahmen unter dem Regime der Abgeltungsteuer: eine unendliche Geschichte, RdF 2018, S. 32 (36); P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342; ders., Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363; D. Hoffmann, Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen Kreditinstitute bei verpflichtender Umsetzung des Kapitalertragsteuerabzugs, DStR 2016, S. 1848. 207 So in einem ähnlichen bildhaften Vergleich das FG Nürnberg, Urt. v. 12. 6. 2013, 5 K 1552/11, DStRE 2014, S. 600 (602). 208 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342. 209 Google Inc. Internal Communications Documents Describing the Proposal, http://1. usa.gov/1kIAbvD: „If stockholders approve the proposal, this will effectively be a stock split – people who previously had one share will have two shares.“
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(2) Steuerrechtliche Einordnung (a) Qualifizierung als Sachdividende Zunächst liegt eine Einordnung als Sachdividende nahe. Die Google Inc. behandelte die Kapitalmaßnahme als sog. „Stock Dividend“ im Sinne des US-amerikanischen Rechts.210 Es handelt sich dabei um eine Ausgabe zusätzlicher kostenloser Aktien, die anstelle einer Barausschüttung im Wege einer Dividende vorgenommen wird.211 Nach US-amerikanischem Recht unterliegt eine solche Kapitalmaßnahme nicht der Einkommensbesteuerung.212 Es stellt sich die Frage, wie sie nach deutschem Steuerrecht zu qualifizieren ist. Da es sich gerade nicht um eine Barausschüttung handelt, kommt nur eine Behandlung als Sachdividende in Betracht, die ebenfalls unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG fällt. Voraussetzung dafür ist ein wirksamer Gewinnausschüttungsbeschluss nach § 20 Abs. 5 Satz 2 EStG. Vorliegend wurde im Ergebnis aber gerade kein tatsächlicher Gewinn ausgeschüttet. Der Aktionär hat wirtschaftlich gesehen keinen Vermögenszuwachs erlangt, da sich die Altaktie durch die Kapitalmaßnahme um genau den Wert reduzierte, den die neue Aktie aufwies.213 Letztlich handelt es sich um eine vermögensneutrale Kapitalmaßnahme, die keine Sachdividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG darstellt. Um nochmal den Vergleich zu den Dollarscheinen aufzugreifen: Jemand, der zwei 50 Dollar Scheine hat, hat nicht mehr als derjenige, der einen 100 Dollar Schein besitzt. (b) Qualifizierung als Veräußerungsgewinn durch Anteilsverkauf Ferner kommt eine Steuerpflichtigkeit der Kapitalmaßnahme durch einen erzielten Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft in Betracht. Dieser ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich steuerbar. Durch einen Aktiensplit214 selbst wird nur eine Aktie in (mindestens) zwei Aktien aufgespalten.215 Beide Aktien bleiben aber in einer Hand vereint – und zwar in der Hand des ursprünglichen Aktionärs. Er erwirbt nichts Neues, sondern erhält es nur in anderer Form. Auf der Kehrseite werden damit auch die bisherigen Aktien nicht 210 Google Inc. Internal Communications Documents Describing the Proposal, http://1. usa.gov/1kIAbvD: „We expect that for each vested, unexercised option you have, you will receive a vested unexercised Class C stock option. So, after the stock dividend for each Class A share, you would have one vested unexercised Class A option and one vested unexercised Class C option.“ 211 E. Winter, Gabler Wirtschaftslexikon Buchstaben Pf–S, 18. Aufl. 2014, S. 3025. 212 Google Inc. Internal Communications Documents Describing the Proposal, http://1. usa.gov/1kIAbvD: „For US taxpayers the stock dividend should not be taxable for Federal Income tax purposes […].“ 213 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363. 214 Siehe dazu unten § 3 A. I. 3. c) bb) (2) (f). 215 T. Rödder, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. 2009, § 13 Rn. 648.
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veräußert216 – vielmehr kann man von bereits erwähntem „Umtausch“ sprechen.217 Und ohne Veräußerung auf der einen und Erwerb auf der anderen Seite kann im Ergebnis kein steuerbarer Gewinn nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG entstehen.218 (c) Qualifizierung als Bonusaktien Eine weitere mögliche Einordnung der Kapitalmaßnahme ist die Annahme von Bonusaktien. Diese stellen als „sonstige Bezüge aus Aktien“ i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG219 Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Dabei werden Anteile an einem Unternehmen unentgeltlich an die Aktionäre ausgegeben, falls bestimmte Kriterien erfüllt wurden, etwa eine Mindesthaltefrist für bereits erworbene Aktien.220 Bonusaktien sind nach Rechtsprechung des BFH und nach Ansicht von Literatur und Finanzverwaltung grundsätzlich steuerpflichtige Entgelte bzw. Vorteile aus den bisher gehaltenen Anteilen.221 Ferner dürfen sie nicht aus einer Kapitalerhöhung durch den Einsatz eigener Gesellschaftsmittel stammen,222 da sich sonst lediglich die Zusammensetzung des Eigenkapitals der Gesellschaft ändert. Im Fall Google wurde keine Kapitalerhöhung unter Einsatz eigener Gesellschaftsmittel vorgenommen. Es wurden aber auch keine weiteren Unternehmensanteile unentgeltlich an die Aktionäre gegeben. Die ausgegebenen Aktien brachten für die Aktionäre wirtschaftlich keinen Mehrwert, sondern spiegelten nur das wider, was ihnen schon vorher zustand. Bei ihnen ist kein Vermögenszuwachs entstanden, der eine Besteuerung rechtfertigen könnte. Die neu zugeteilten „Class C“ Aktien stellen damit auch keine steuerbaren Bonusaktien dar.
216 T. Rödder, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. 2009, § 13 Rn. 649. 217 So auch O. Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG Band 2, 4. Aufl. 2019, § 221 Rn. 200. 218 So nach damaligem BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/10/10013, BStBl. I S. 953, Rn. 89. 219 Unter Umständen i. V. m. § 20 Abs. 3 EStG, siehe dazu E. Ratschow, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 147. Lfg. 2019, § 20 EStG Rn. 88. 220 So etwa bei Telekom Bonusaktien des zweiten Börsengangs; siehe BFH, Urt. v. 7. 12. 2004, VIII R 70/02, BFHE 208, S. 546; T. Rödder, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. 2009, § 13 Rn. 657. 221 Siehe u. a. BFH, Urt. v. 7. 12. 2004, VIII R 70/02, BFHE 208, S. 546; P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1343); so auch die Finanzverwaltung im BMF Schreiben v. 10. 12. 1999 betr. den Börsengang der Deutschen Telekom AG, IV C 6 – S 1900 – 228/991, BStBl. I S. 1129 und die OFD München/Nürnberg in ihrer Vfg. v. 2. 5. 2003 betr. Börsengang der Deutschen Telekom AG (DTAG); Ausgabe Bonusaktien, S 2252 – 84 St 41, S 2252 – 291 St 31, FR 2003, S. 634. 222 Siehe das damals geltende BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/10/10013, BStBl. I S. 953, Rn. 111; die Bonusaktien sind auch dann steuerbar, wenn sie nicht aus dem Bestand der Gesellschaft, sondern von einem Dritten stammen (z. B. Mehrheitsaktionär), BFH, Urt. v. 7. 12. 2004, VIII R 70/02, BFHE 208, S. 546.
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(d) Qualifizierung als Gratisaktien Ferner handelte es sich bei der Kapitalmaßnahme auch nicht um eine Zuteilung von Gratisaktien. Im Unterschied zu Bonusaktien werden Gratisaktien nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Umwandlung von offenen Rücklagen in Grundkapital an die Aktionäre ausgegeben (bei der AG bspw. nach §§ 207 ff. Aktiengesetz223).224 Die Kapitalerhöhung stellt sich in einem solchen Fall als reiner Umbuchungsvorgang dar.225 Der Aktionär erhält nicht mehr, als er ohnehin schon hatte.226 Nicht die Höhe des Eigenkapitals ändert sich, sondern nur dessen Zusammensetzung.227 Dieses Ergebnis entspricht auch § 1 KapErhStG.228 Danach gehört der Wert der neuen Anteile bei den Anteilseignern nicht zu den steuerbaren Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG, wenn eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ihr Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital erhöht. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 KapErhStG ist dieser Grundsatz auch auf ausländische Gesellschaften anzuwenden, die mit einer AG, KG oder GmbH vergleichbar sind. Die Kapitalmaßnahme der Google Inc. wurde allerdings ohne eine solche Kapitalerhöhung vorgenommen. (e) Qualifizierung als Spin-Off Schließlich erfüllt die Kapitalmaßnahme der Google Inc. auch nicht die Voraussetzungen für einen steuerpflichtigen Spin-Off. Bei einem Spin-Off wird eine Organisationseinheit aus einem bestehenden Unternehmen ausgegliedert und in eine rechtlich eigenständige, neue Organisation überführt.229 Dabei entsteht ein steuer223 Aktiengesetz v. 6. 9. 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 12. 2019 (BGBl. I S. 2637), im Folgenden AktG. 224 M. Jachmann-Michel/K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 145. Lfg. 2018, § 43 EStG Rn. 37. 225 FG Niedersachsen, Urt. v. 11. 6. 2013, 13 K 163/11, EFG 2013, S. 1836 (1837). 226 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1343). 227 FG Niedersachsen, Urt. v. 11. 6. 2013, 13 K 163/11, EFG 2013, S. 1836 (1837). 228 Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln v. 20. 12. 1959 (BGBl. I S. 834), in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. 10. 1967 (BGBl. I S. 977), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 7. 12. 2006 (BGBl. I S. 2782), im Folgenden KapErhStG. 229 E. Winter, Gabler Wirtschaftslexikon Buchstaben Pf-S, 18. Aufl. 2014, S. 2937; als klassischen Spin-Off qualifizierte die Finanzverwaltung im BMF Schreiben v. 20. 3. 2017 (betr. Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Co. (USA) im November 2015; Kapitalertragsteuerabzug auf die Ausgabe von Aktien der Hewlett-Packard Enterprise Company, IV C 1 – S 2252/15/10029:002, BStBl. I S. 431) die Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Co. vom November 2015. Die „Hewlett-Packard Company“ (HPC) änderte zum 31. 10. 2015 ihren Namen in „Hewlett-Packard Inc.“ (HPI). Zum 1. 11. 2015 übertrug die HPI ihr Unternehmenskundengeschäft im Wege eines Spin-Off auf die zuvor gegründete Tochtergesellschaft „Hewlett-Packard Enterprise Company“ (HPE). Dabei erhielten die Aktionäre der HPC für je eine Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI und zusätzlich eine Aktie der HPE. Die Finanzverwaltung erkannte in der Zuteilung der HPE Aktien eine steuerliche
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pflichtiger Kapitalertrag nach der Ansicht des BFH nur dann, wenn das Ursprungsunternehmen ihren Anteilseignern Aktien aus dem neu gegründeten Unternehmen (also dem Spin-Off) zuführt und sich die Zuteilung nach dem Recht des Auslandsstaats als Gewinnverteilung darstellt.230 Die Zuteilung neuer Aktien am Spin-Off führt dann zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege einer Barausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.231 Anders liegt der Fall hingegen, wenn es sich lediglich um eine steuerneutrale Neuverteilung bereits vorhandener Vermögenswerte handelt.232 Dies ist etwa dann gegeben, wenn nur vom bisherigen Aktienbestand des Ursprungsunternehmens abgespaltete Mitgliedschaftsrechte übertragen werden233 oder es sich um eine Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage handelt.234 Dafür ist nach BFH allein das ausländische Gesellschaftsrecht maßgeblich. Dies führt dazu, dass sogar Gutachten von den Gerichten über die Rechtslage nach US-amerikanischem Gesellschaftsrecht eingeholt werden müssen.235 Im Fall Google wurde jedoch keine neue Organisationseinheit gegründet. Zwar wurde die Anzahl der Aktien verdoppelt, doch handelte es sich auch bei den neuen Aktien ausschließlich um Aktien der Google Inc. Es wurden keine Anteile auf eine neue Gesellschaft übertragen. Die Kapitalmaßnahme stellte keinen Spin-Off dar. (f) Qualifizierung als Aktiensplit Richtigerweise ist die Kapitalmaßnahme der Google Inc. als Aktiensplit einzuordnen.236 Ein solcher liegt vor, wenn eine Aktie in zwei oder mehrere Aktien geteilt wird und das Grundkapital der Gesellschaft sowie der Gesellschaftsanteil, den der einzelne Aktionär hält, vor und nach dem Aktiensplit unverändert bleibt.237 Dies war bei Google der Fall. Google bezeichnete die Kapitalmaßnahme gegenüber den US Sachausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und ordnete eine Delta-Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 HS. 1 EStG an, sofern keine Kapitalertragsteuer von den depotführenden Kreditinstituten einbehalten wurde; siehe BMF Schreiben v. 20. 3. 2017 betr. Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Co. (USA) im November 2015; Kapitalertragsteuerabzug auf die Ausgabe von Aktien der Hewlett-Packard Enterprise Company, IV C 1 – S 2252/15/ 10029:002, BStBl. I S. 431. 230 BFH, Urt. v. 20. 10. 2010, I R 117/08, BFHE 232, S. 15 (16). 231 BFH, Urt. v. 13. 7. 2016, VIII R 47/13, BFHE 254, S. 390; BFH, Urt. v. 20. 10. 2010, I R 117/08, BFHE 232, S. 15 (19). 232 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1343). 233 BFH, Urt. v. 13. 7. 2016, VIII R 47/13, BFHE 254, S. 390 (392). 234 BFH, Urt. v. 20. 10. 2010, I R 117/08, BFHE 232, S. 15 (16). 235 BFH, Urt. v. 13. 7. 2016, VIII R 73/13, BFHE 254, S. 404 (407). 236 So auch M. Hensel, Besteuerung der – ausländischen – Kapitalmaßnahmen unter dem Regime der Abgeltungsteuer: eine unendliche Geschichte, RdF 2018, S. 32 (36); P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363 (2364); ders., Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342. 237 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 88.
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Börsenaufsichtsbehörde SEC238 explizit als Aktiensplit.239 Auch wenn sich die in den verschiedenen Rechtsordnungen verwendeten Begriffe teilweise unterscheiden, ist die verwendete Bezeichnung ein gewichtiges Indiz. Ein Aktiensplit führt damit zu keinem steuerpflichtigen Ertrag. (g) Bewertung der Kapitalmaßnahme durch die Kreditinstitute Bei der Google Kapitalmaßnahme mussten die Kreditinstitute eine steuerliche Einordnung vornehmen. Ein Großteil der Kreditinstitute ging dabei fälschlicherweise von einem kapitalertragsteuerpflichtigen Spin-Off bzw. einer steuerpflichtigen Ausgabe von Bonus- oder Gratisaktien aus.240 Die Steuerfreiheit aufgrund eines steuerneutralen Aktiensplits wurde weitestgehend verkannt. Viele Kreditinstitute vertrauten dem WM Datenservice, der von steuerpflichtigen Bonus- bzw. Gratisaktien ausging.241 Die Folge war, dass die Kreditinstitute zu Unrecht Kapitalertragsteuer vom Konto ihrer Kunden einbehielten und an die Finanzämter abführten. (h) Bewertung der Kapitalmaßnahme durch das BMF Die Finanzverwaltung äußerte sich erstmals mit Schreiben vom 8. 7. 2015242 zu der Kapitalmaßnahme, also über ein Jahr später. Danach erfülle die Kapitalmaßnahme die Voraussetzung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach §§ 1, 7 KapErhStG.243 Die Finanzverwaltung geht also davon aus, dass es sich um keinen steuerpflichtigen Kapitalertrag handle und eine Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG (sog. Delta-Korrektur) vorzunehmen sei.244 Dabei verwundert, dass die Fi238
United States Securities and Exchange Commission. Google Inc. Notes to consolidated financial statements (unaudited): https:// www.sec.gov/Archives/edgar/data/1288776/000128877614000040/goog10-qq12014.htm: „On April 2, 2014, the Company completed a two-for-one stock split effected in the form of a stock dividend.“ Google Inc. Internal Communications Documents Describing the Proposal, http://1.usa.gov/1kIAbvD: „This is effectively a stock split – people who previously had one share would have two shares in what we expect would be very liquid markets.“ 240 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363. 241 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363; siehe dazu auch oben § 3 A. I. 3. c) bb) (2) (c). 242 BMF Schreiben v. 8. 7. 2015 betr. Kapitalmaßnahme von Google Inc. (USA) und von A. P. Moeller/Maersk A/S (Dänemark) im April 2014, IV C 1 – S 2252/09/10004:003, BStBl. I S. 543. 243 Auch bei den Kapitalmaßnahmen von China Petroleum & Chemical Corporation und Sinopec Shanghai Petrochemical Company Limited (China) im Juni 2013 sowie Air Liquide S. A. (Frankreich) im Mai 2014 sah die Finanzverwaltung die Voraussetzungen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach §§ 1, 7 KapErhStG als gegeben an und verneinte folglich die Steuerbarkeit der zugrundeliegenden Kapitalmaßnahmen. Die Finanzverwaltung brauchte über zwei Jahre, bis sie zu diesem Ergebnis kam. 244 Siehe unten § 4 A. III. 1. a); zu Fällen, in denen eine solche Korrektur nicht zu einer vollständigen Erstattung führte, siehe BMF Schreiben v. 23. 3. 2016, betr. Kapitalmaßnahme von Google Inc. (USA) im April 2014 u. a., IV C 1 - S 2252/09/10004:003, BStBl. I S. 457. 239
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nanzverwaltung von einer Kapitalerhöhung ausgeht, da eine solche von Google gerade nicht vorgenommen wurde.245 Durch die Kapitalmaßnahme erhöhte sich das Grundkapital der Gesellschaft nicht. Vielmehr halbierte sich der Aktienkurs durch die Verdopplung der Anteile.246 Konsequenterweise ist damit von oben beschriebenem Aktiensplit auszugehen. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen macht es letztlich keinen Unterschied, ob man die Kapitalmaßnahme als steuerfreie Kapitalmaßnahme aus Gesellschaftsmitteln oder als Aktiensplit einordnet. In beiden Fällen liegt kein steuerpflichtiger Ertrag vor. Die Kreditinstitute hätten die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abführen dürfen. (3) Zwischenfazit Das Beispiel der Google Inc. Kapitalmaßnahme aus dem Jahre 2014 zeigt, dass die steuerrechtliche Einordnung eines Kapitalertrags erhebliche rechtliche Unklarheiten mit sich bringen kann. Wenn schon die Finanzbehörden über ein Jahr benötigen, um eine im Ergebnis abzulehnende, weil unzutreffende rechtliche Einordnung vorzunehmen, verwundert es nicht, dass der Großteil der Kreditinstitute ebenfalls von einem steuerpflichtigen Kapitalertrag ausging und Kapitalertragsteuer einbehielt. So ist auch die Ansicht von Philip Fölsing247 abzulehnen, wonach der Depotbank die Rechtsprüfung nicht allzu schwer fallen dürfte, wenn sie den Sachverhalt, also insbesondere den Charakter des Finanzinstruments, vollständig ermittelt hat. Diese Aussage ist unzutreffend, weil sie verkennt, dass die Schwierigkeit für die Kreditinstitute gerade darin liegt, den „Charakter eines Finanzinstruments“ zu ermitteln. Das hat das Beispiel der Kapitalmaßnahme der Google Inc. gezeigt. Gerade die zutreffende Einordnung ausländischer Kapitalmaßnahmen steigert die komplexe Einordnung aufgrund unterschiedlicher Terminologien zusätzlich. Zugegeben wird der Großteil der Kapitalerträge keine besondere rechtliche Prüfung erfordern. Aber letztlich können auch nur wenige Zweifelsfälle erhebliche Konsequenzen für die Kreditinstitute haben. Und wenn sich dann noch die Finanzbehörden in Zurückhaltung mit einer rechtlichen Einordnung üben, ist die Gefahr für die Kreditinstitute virulent. d) Die Pflicht zur Beachtung von Befreiungstatbeständen Schließlich muss das Kreditinstitut Befreiungen von der Kapitalertragsteuerpflicht beachten. Liegt ein solcher Ausnahmetatbestand vor, darf es keine Kapitalertragsteuer abziehen. Die maßgeblichen Befreiungstatbestände sind in § 43 Abs. 2 EStG und § 43b Abs. 1 EStG normiert. 245 Siehe oben § 3 A. I. 3. c) bb) (2) (f); P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363 (2364). 246 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363 (2364). 247 P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1345).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
aa) Die Befreiung von der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 2 EStG § 43 Abs. 2 EStG nennt drei persönliche Befreiungstatbestände. Diese gelten ausweislich ihres Wortlauts jedoch nicht für die Fälle des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und 7c EStG. Ergänzt werden die Befreiungstatbestände von § 44a EStG und einer nicht gesetzlich normierten finanzbehördlichen Ausnahme bei losen Personenzusammenschlüssen. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 EStG ist ein Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge oder die auszahlende Stelle im Zeitpunkt des Zuflusses dieselbe Person sind. Dabei ist allein eine rechtliche Sichtweise maßgebend und keine wirtschaftliche. Personenidentität liegt demnach nur vor, wenn physische Identität (bei natürlichen Personen) bzw. eine Identität der juristischen Rechtspersönlichkeit vorliegt.248 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein depotführendes Kreditinstitut auszahlende Stelle hinsichtlich seines eigenen Wertpapierbestandes ist.249 Ferner ist das sog. Bankenprivileg nach § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG bei Interbankengeschäften zu berücksichtigen. Danach ist bei bestimmten Kapitalerträgen, bei denen der Gläubiger ein inländisches Kreditinstitut bzw. Finanzdienstleistungsinstitut oder eine inländische Kapitalverwaltungsgesellschaft ist, kein Steuerabzug vorzunehmen. Es genügt hier, wenn die Kapitalerträge in die Körperschaftsteuer einfließen.250 Auch sieht § 43 Abs. 2 Satz 3 EStG noch weitere Befreiungen für Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 – 12 EStG vor. Nr. 1 knüpft dabei an die Rechtsform des Gläubigers der Kapitalerträge an. Im Rahmen der Nr. 2 müssen die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs darstellen, der dies gegenüber dem Kreditinstitut nach amtlich vorgeschriebem Muster zu erklären hat. Schließlich ergeben sich weitere gesetzlich normierte Befreiungsvorschriften aus § 44a EStG251 und aufgrund einer verwaltungsinternen Bagatellregelung für lose Personenzusammenschlüsse.252 Dabei ist stets zu beachten, dass eine Abstandnahme 248
E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. L 8. 249 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 113. Lfg. 2019, § 43 Rn. 89. 250 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. L 18. 251 Die Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG wird noch ausführlich erläutert; siehe dazu unten § 3 A. VI. 252 Siehe BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/10/10013, BStBl. I S. 953, Rn. 291 ff. Danach kann ein Kreditinstitut vom Steuerabzug Abstand nehmen (Rn. 291), wenn es sich im lose Personenzusammenschlüsse wie z. B. Sparclubs, Schulklassen, Sportgruppen etc. handelt und das Konto neben dem Namen des Kontoinhabers einen Zusatz enthält, der auf den Personenzusammenschluss hinweist, die Kapitalerträge bei den einzelnen Guthaben des Personenzusammenschlusses im Kalenderjahr den Betrag von 10 EUR, vervielfältigt mit der Anzahl der Mitglieder, höchstens 300 EUR
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vom Abzug der Kapitalertragsteuer nichts an der Steuerpflichtigkeit der Kapitalerträge ändert.253 Es wird lediglich auf das besondere Abzugsverfahren nach §§ 43 ff. EStG durch die Kreditinstitute verzichtet, nicht aber auf die Steuererhebung an sich. Im Rahmen der Veranlagung sind die vom Kapitalertragsteuerverfahren ausgenommenen Erträge zu erklären. bb) Die Befreiung von der Kapitalertragsteuer nach § 43b Abs. 1 EStG Eine weitere Befreiungsvorschrift ist die Nichterhebung der Kapitalertragsteuer bei bestimmten Gesellschaften nach § 43b Abs. 1 EStG. Danach wird nach Satz 1 auf Antrag die Kapitalertragsteuer auf Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, oder einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gelegenen Betriebsstätte dieser Muttergesellschaft, aus Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft zufließen, nicht erhoben. Es handelt sich dabei also um eine Quellensteuerbefreiung der inländischen Tochtergesellschaft.254 Kapitalerträge der Muttergesellschaft (insbesondere Dividenden) bleiben nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bei der Ermittlung deren Einkommens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG außer Ansatz. Verfahrensrechtlich werden diese Normen von § 50d EStG flankiert, die in Abs. 1 das Erstattungsverfahren und in Abs. 2 das Freistellungsverfahren vorsehen.255 Das Kreditinstitut ist bei diesem Verfahren kaum belastet, da der Antrag auf Befreiung nach § 50d Abs. 1 Satz 3, HS. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 HS. 1 EStG vom Gläubiger der Kapitalerträge beim BZSt gestellt werden muss. Das Kreditinstitut hat nach Erhalt des Freistellungsbescheids vom BZSt lediglich den Steuerabzug zu unterlassen oder, sofern die Kapitalertragsteuer schon einbehalten wurde, den entsprechenden Betrag zu erstatten. Es bleibt festzuhalten, dass die Befreiungen vom Kapitalertragsteuerabzug nicht zu einer Entlastung der Kreditinstitute führen. Zwar reduzieren die Ausnahmen die Anzahl der kapitalertragsteuerabzugspflichtigen Vorgänge, doch wird diese Entlastung durch die oftmals komplizierte Prüfung der Befreiungstatbestände wieder aufgezehrt. Hinzu kommt der Verwaltungsmehraufwand bspw. bei der Entgegennahme und Bearbeitung der Mustererklärungen nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HS. 1 EStG.
im Kalenderjahr, nicht übersteigen und Änderungen der Anzahl der Mitglieder dem Kreditinstitut zu Beginn eines Kalenderjahres mitgeteilt werden. Ein loser Personenzusammenschluss liegt in diesem Sinne aber nicht vor (Rn. 294), wenn es sich um Grundstücksgemeinschaften, Erbengemeinschaften, Wohnungseigentümergemeinschaften oder Mietern im Hinblick auf gemeinschaftliche Mietkautionskonten handelt. 253 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 197. Lfg. 2017, § 43 Rn. 169. 254 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 43b Rn. 4 f. 255 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43b Rn. 43; J.-H. Kister, in: Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht Kommentar, 2019, § 43 Rn. 20.
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4. Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere bei der Prüfung des Anwendungsbereichs der Kapitalertragsteuer durch die Kreditinstitute a) Ausgangslage Die Konsequenzen, die den Kreditinstituten bei einer falschen rechtlichen Einordnung einer Kapitalmaßnahme drohen, können von einer Erstattung bzw. Korrektur der Steuer256 über Haftung257 und Schadensersatz258 bis hin zu ordnungswidrigkeiten-259 sowie strafrechtlichen Sanktionen260 reichen. Hier zeigt sich ein Phänomen, das nicht nur im Bereich der Kapitalertragsteuer anzutreffen ist. Man möchte seinen steuerlichen Pflichten nachkommen, weiß aber aufgrund einer komplizierten und teils verworrenen Rechtslage oft nicht, welche diese genau sind. Es stellt sich daher die Frage, welche Möglichkeiten den Kreditinstituten offenstehen, bei Zweifelsfragen über das Abzugsverfahren Auskunft bei den Finanzbehörden einholen zu können, um diesem Problem entgegenzuwirken. b) Die in der Abgabenordnung zur Verfügung stehenden Auskunftsvorschriften und sonstige Instrumente De lege lata kennt die Abgabenordnung mit § 89 AO und § 204 AO gesetzlich normierte Auskunftsvorschriften, die gleichermaßen für das Kapitalertragsteuerverfahren gelten. Ferner stehen den Kreditinstituten mit der sog. „tatsächlichen Verständigung“ bzw. der „schlichten Auskunft“ zwei gesetzlich nicht normierte Instrumente zur Verfügung, ihren steuerlichen Pflichten auch bei Unklarheiten in rechtmäßiger Weise nachkommen zu können. Die verbindliche Zusage nach §§ 204 ff. AO wird nur im Anschluss an eine Außenprüfung erteilt. Sie enthält darüber hinaus keine allgemeine Regelung über die Zusage oder Auskunft261 und ist deshalb im Großteil der Fälle für die Kreditinstitute ungeeignet. Diese benötigen eine verlässliche Auskunft vor allem bei der Frage, ob sie bei einem konkret vorliegenden Sachverhalt überhaupt verpflichtet sind, Kapitalertragsteuer einzubehalten. Erhalten sie lediglich Auskunft darüber, wie ein zukünftiger Sachverhalt zu behandeln ist, hilft ihnen das beim konkret zu entscheidenden Sachverhalt nicht weiter.262
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Siehe dazu unten § 4 A. III. 1. Siehe dazu unten § 4 A. II. 1. – 5. 258 Siehe dazu unten § 4 A. III. 2. 259 Siehe dazu unten § 4 B. 260 Siehe dazu unten § 4 C. 261 Klein/R. Rüsken, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 204 Rn. 1. 262 Siehe dazu § 206 Abs. 1 AO und auch der BFH in ständiger Rechtsprechung, u. a. in BFH, Urt. v. 22. 7. 2008, IX R 74/06, BFHE 222, S. 458 (462). 257
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Bei der gesetzlich nicht geregelten „tatsächlichen Verständigung“ kann mit der Finanzbehörde ausschließlich eine bindende Einigung über den für die Besteuerung zugrundeliegenden Sachverhalt in einem konkreten Besteuerungsverfahren erzielt werden.263 Auch das hilft den Kreditinstituten nicht weiter, da es häufig nicht um eine Sachverhaltsunklarheit geht, sondern vielmehr um die Frage der rechtlichen Behandlung diverser Finanzprodukte. Für diesen Fall ist keine Verständigung möglich. Unbenommen bleibt es den Kreditinstituten zudem, eine sog. „schlichte Auskunft“ bei den Finanzbehörden einzuholen. Darunter werden bloße Mitteilungen der Finanzbehörden verstanden, die keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen erzielen.264 Es werden lediglich unverbindliche Rechtsmitteilungen265 gegeben, auf die sich die Kreditinstitute im Zweifelsfall jedoch nicht verlassen können, da die Finanzbehörde ihre Meinung zu einem bestimmten steuerlichen Sachverhalt später ohne Weiteres ändern kann. Schließlich kommt noch die Auskunft nach § 89 AO in Betracht. Nach § 89 Abs. 1 Satz 2 AO erteilt die Finanzbehörde Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Darunter fallen hingegen keine Auskünfte über die materiell-rechtliche Bewertung eines Sachverhalts.266 Solche können nur über die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO erlangt werden. Danach können die Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.267 Zwar können hier materiell-rechtliche Fragen geklärt werden, doch geht dies ähnlich wie bei der verbindlichen Zusage nach §§ 204 ff. AO nur für die Zukunft. Sofern ein Sachverhalt bereits im Wesentlichen abgeschlossen ist, hat allein eine Entscheidung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu erfolgen.268 Denn in diesem Fall kann der Antragsteller aufgrund der angestrebten Auskunft keine Dispositionen mehr treffen, die einen Vertrauensschutz rechtfertigen könnten.269 Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Erteilung der verbindlichen Auskunft, nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung.270 Im oben aufgeführten Google-Fall muss davon ausgegangen 263
Koenig/D. Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 88 Rn. 47; u. a. in BFH, Beschl. v. 15. 3. 2000, IV B 44/99, BFH/NV 2000, S. 1073. 264 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 151. Lfg. 2018, § 89 AO Rn. 13. 265 Mitteilung des 44. Deutschen Juristentages in Hannover, NJW 1962, S. 1854 (1855). 266 Koenig/D. Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 89 Rn. 16. 267 Zu den konkreten inhaltlichen Anforderungen siehe die Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (Steuer-Auskunftsverordnung) v. 30. 11. 2007 (BGBl. I S. 2783), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 12. 7. 2017 (BGBl. I S. 2360). 268 AEAO v. 31. 1. 2014, IV A 3 – S 0062/14/10002, Anm. Nr. 3.5.2 zu § 89. 269 G. Bruschke, Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, DStZ 2007, S. 267 (269). 270 Klein/B. Rätke, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 89 Rn. 18; H. Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO Kommentar, 239. Lfg. 2016, § 89 AO Rn. 228.
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werden, dass der Sachverhalt mit Zufluss der zusätzlichen Aktien weitestgehend abgeschlossen ist. Den Kreditinstituten blieb ab diesem Zeitpunkt die Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO verwehrt. Selbst wenn sie vorab Kenntnis von der Kapitalmaßnahme der Google Inc. erhalten hätten, wären sie jedenfalls verpflichtet, die Kosten für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu tragen.271 c) Zwischenfazit Damit ist festzuhalten, dass den Kreditinstituten bei einem komplizierten gegenwärtigen Sachverhalt de lege lata kein effektives und kostenfreies Mittel zur Verfügung steht, von den Finanzbehörden eine verbindliche Auskunft zu erlangen, wie sie diesen rechtlich einzuordnen haben. Dieser Umstand bedarf einer Änderung, vor allem im Hinblick auf die drohenden Konsequenzen einer falschen Einordnung. Im Folgenden wird deshalb ein möglicher Lösungsweg vorgeschlagen, die derzeit bestehende Situation der Kreditinstitute zu verbessern. d) Das Lohnsteuerverfahren als Vergleichsmaterie Der Weg führt über einen Vergleich zum Lohnsteuerverfahren nach §§ 38 ff. EStG, das als Quellenabzugsverfahren dem Kapitalertragsteuerverfahren in einigen Teilen in dessen Zweck und Funktionsweise ähnlich ist. Dort findet sich mit der in § 42e EStG geregelten Anrufungsauskunft eine speziell für das Lohnsteuerverfahren zugeschnittene Auskunftsnorm.272 aa) Die besondere Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren Im Lohnsteuerverfahren hat die Rechtsprechung die besondere Stellung des Arbeitgebers als Intermediär bei der Steuererhebung zwischen Fiskus und Arbeitnehmer schon in einigen Entscheidungen verdeutlicht. Früh erkannte sie die Bedeutung des Lohnsteuerabzugs für den Arbeitgeber. So formulierte der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1959, es liege „auf der Hand, daß das finanzielle Risiko, das mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Vornahme des Steuerabzugs verbunden ist, dem Arbeitgeber nur zugemutet werden kann, wenn das Finanzamt in Zweifelsfällen eine verbindliche Auskunft über die Handhabung des Lohnsteuerrechts geben muß.“273 In einer neueren Entscheidung aus dem Jahre 2009, in der es um die Frage ging, ob ein Arbeitgeber eine erteilte Anrufungsauskunft nach § 42e EStG anfechten kann, führte der BFH aus, „dass es mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens schwerlich vereinbar erscheint, dem vom Fiskus in die Pflicht genom271
Siehe § 89 Abs. 3 – 4 AO; lediglich in Fällen, in denen der Gegenstandswert weniger als 10.000 EUR beträgt, wird nach § 89 Abs. 5 Satz 2 AO keine Gebühr erhoben. 272 Die Regelung ist lex specialis gegenüber § 89 Abs. 2 AO; siehe S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 214 2015, § 42e Rn. 4. 273 BFH, Urt. v. 13. 11. 1959, VI 124/59 U, BFHE 70, S. 290 (292 f.).
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menen Arbeitgeber, der mit dem Inhalt einer Anrufungsauskunft nicht einverstanden ist, anheim zu stellen, die Lohnsteuer zunächst (rechtswidrig) einzubehalten und abzuführen, den einschlägigen Rechtsschutz jedoch erst später durch Anfechtung entsprechender Lohnsteuer- bzw. Haftungsbescheide zu suchen.“274 Die Entscheidung zeigt, dass das Lohnsteuerverfahren in diesem Bereichen weiter entwickelt ist als das vergleichbare Kapitalertragsteuerverfahren. Der BFH betont die verfahrensrechtliche Stellung des Arbeitgebers und räumt ihm sogar das Recht ein, gegen eine erteilte Anrufungsauskunft klagen zu können. Der Arbeitgeber ist daher deutlich besser geschützt als ein Kreditinstitut. Er kann bei einer rechtlichen Unklarheit zunächst mittels Anrufungsauskunft eine verbindliche Auskunft bei der Finanzbehörde erlangen. Überzeugt ihn diese Auskunft rechtlich nicht, kann er mittels einer Anfechtungsklage eine gerichtliche Überprüfung herbeiführen. bb) Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG (1) Inhalt und Rechtsschutzziel der Anrufungsauskunft Mit der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG findet sich im Lohnsteuerverfahren eine Regelung, wonach das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben hat, ob und inwieweit im Einzelfall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist ein Korrelat zu den dem Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren auferlegten Pflichten, ähnlich eines fiskalischen Treuhänders bei jeder Zahlung von Arbeitslohn die Lohnsteuer abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen.275 Die Norm dient einem doppelten Zweck.276 Zunächst hilft sie dem Abzugsverpflichteten, seine Haftungsrisiken zu minimieren.277 Denn durch die verbindliche Auskunft kann er vom Finanzamt erfahren, ob er bei Zweifelsfällen einen Abzug vorzunehmen hat oder nicht. Dies verhindert bereits präventiv Konflikte zwischen den Beteiligten und beugt möglichen Streitigkeiten vor.278 Ferner soll die Norm insgesamt dem rechtmäßigen Vollzug des Lohnsteuerabzugs dienen.279 Gegenstand der Anrufungsauskunft sind solche Fragen des Arbeitgebers, die mit dem lohnsteuerlichen Abzugsverfahren zusammenhängen, also insbesondere Fra274 BFH, Urt. v. 30. 4. 2009, VI R 54/07, BFHE 225, S. 50 (57); in dieser Entscheidung stellte der BFH zudem fest, dass es sich bei der Anrufungsauskunft von der Rechtsnatur gesehen um einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO handelt, der vom Arbeitgeber angefochten werden kann; u. a. bestätigt in BFH, Urt. v. 29. 2. 2012, IX R 11/11, BFHE 237, S. 9 (13 f.) sowie BFH, Urt. v. 27. 2. 2014, VI R 23/13, BFHE 244, S. 572 (573). 275 S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 239 2018, § 42e Rn. 3. 276 B. Heuermann, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 143. Lfg. 2018, § 42e EStG Rn. 2. 277 BFH, Urt. v. 27. 02. 2014, VI R 23/13, BFH/NV 2014, S. 1141 (1143); BFH, Urt. v. 30. 4. 2009, VI R 54/07, BFHE 225, S. 50 (56 f.). 278 BFH, Urt. v. 27. 02. 2014, VI R 23/13, BFH/NV 2014, S. 1141 (1142). 279 B. Heuermann, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 143. Lfg. 2018, § 42e EStG Rn. 2; S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 214 2015, § 42e Rn. 4.
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gen, ob bzw. inwieweit lohnsteuerliche Vorschriften im Einzelfall anwendbar sind und wie sie der Arbeitgeber auszuführen hat. Dabei kommen sowohl materiellrechtliche als auch verfahrensrechtliche Fragen in Betracht.280 Nach dem Wortlaut in § 42e Satz 1 EStG „im einzelnen Fall“ müssen sich die Fragen auf einen konkret definierten betrieblichen Vorgang beziehen und dürfen nicht nur allgemeiner Natur sein.281 Es kann etwa gefragt werden, ob es sich bei einem bestimmten Zufluss eines Vorteils an den Arbeitnehmer um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt. Wie bei der verbindlichen Auskunft entscheidet die Finanzbehörde auch bei der Anrufungsauskunft weder über den materiellen Steueranspruch, noch setzt sie die Einkommensteuerschuld fest. Die Regelungsauskunft beschränkt sich darin, wie die Finanzbehörde einen ihr zur Prüfung gestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig beurteilt.282 Aus dieser Feststellung folgt, dass die Anrufungsauskunft nur eine Bindungswirkung hinsichtlich der Anwendung der lohnsteuerlichen Pflichten entfaltet, aber ihr keine Bindungswirkung im Veranlagungsverfahren zukommt.283 Der entscheidende Vorteil der Anrufungsauskunft liegt vielmehr bei der Frage der Haftung.284 Denn wenn sich der Arbeitgeber an die ihm von der Finanzbehörde erteilte Auskunft hält, lässt sich eine Haftung auch dann nicht rechtfertigen, wenn er aufgrund einer materiell-rechtlich unrichtig erteilten Auskunft die Lohnsteuer abzieht und an die Finanzbehörden abführt.285 In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber kein Vorwurf gemacht werden. (2) Kostenfreiheit der Anrufungsauskunft Im Gegensatz zur verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO werden bei der Anrufungsauskunft keine Kosten erhoben.286 Dieser Aspekt bietet neben der Haftungsvermeidung einen weiteren Vorteil für die anfragenden Arbeitgeber. Schließlich führt die Kostenfreiheit zu einer Verbesserung des kooperativen Zusammenarbeitens zwischen Finanzbehörden und Abzugsverpflichteten. Denn im Rahmen solcher Auskünfte können die eingangs bereits erwähnten nachgelagerten Streitigkeiten bereits im Vorfeld weitestgehend vermieden werden.
280
S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 214 2015, § 42e Rn. 11. Schmidt/R. Krüger, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 42e Rn. 6; S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 214 2015, § 42e Rn. 13. 282 BFH, Urt. v. 27. 2. 2014, VI R 23/13, BFHE 244, S. 572 (574). 283 S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 239 2018, § 42e Rn. 32. 284 Siehe § 42d EStG. 285 BFH, Urt. v. 20. 3. 2014, VI R 43/13, BFHE 245, S. 53 (55); BFH, Urt. v. 27. 2. 2014, VI R 23/13, BFHE 244, S. 572 (575); BFH, Urt. v. 17. 10. 2013, VI R 44/12, BFHE 243, S. 266 (269); S. Martin, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 239 2018, § 42e Rn. 30. 286 Siehe auch LStR 2015, R 42e Abs. 1 Satz 1. 281
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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cc) Kodifizierung einer Anrufungsauskunft im Kapitalertragsteuerverfahren Unter den vorgenannten Aspekten erschließt sich insgesamt nicht, warum der Gesetzgeber im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens auf ein vergleichbares Instrument verzichtete, sind doch die Interessenlagen im Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerverfahren sehr ähnlich. Deshalb wäre es nur im Sinne eines fairen Verfahrens,287 eine Anrufungsauskunft de lege ferenda auch im Kapitalertragsteuerrecht zu verankern, um den Kreditinstituten die Einhaltung ihrer steuerlichen Verpflichtungen zu erleichtern. Dies käme schließlich auch den Gläubigern der Kapitalerträge – die ebenso als Beteiligte am Besteuerungsverfahren anrufungsberechtigt wären – sowie den Finanzbehörden zugute. Auch kann die Gefahr, dass die Kreditinstitute diese Auskunft ausnutzen, als gering eingeschätzt werden. Im Großteil der Fälle können sie ihre Abzugsverpflichtung ohnehin selbst prüfen. Nur für die übrigen, komplizierteren Fälle – wie etwa im Fall Google – werden sie eine verbindliche Auskunft seitens der Finanzbehörden in Anspruch nehmen wollen. Und genau für solche Fälle sollte die Anrufungsauskunft im Kapitalertragsteuerverfahren geschaffen werden. e) Konkreter Änderungsvorschlag de lege ferenda Es wird deshalb de lege ferenda vorgeschlagen, einen neuen Paragraphen in das EStG einzufügen, der dem § 42e EStG ähnlich ist. Die Änderung kann als neuer (und einst weggefallener288) § 45b EStG erfolgen und könnte wie folgt vorgenommen werden: „§ 45b EStG Anrufungsauskunft. 1
Das in den Fällen des § 44 Absatz 1 Satz 5 erster Halbsatz für die Besteuerung nach dem Einkommen jeweils zuständige Finanzamt hat auf Anfrage eines Beteiligten innerhalb einer Frist von drei Monaten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Kapitalertragsteuer anzuwenden sind. 2Sind danach mehrere Finanzämter zuständig, so erteilt das Finanzamt die Auskunft, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung (§ 10 der Abgabenordnung) des zum Steuerabzug Verpflichteten im Inland befindet. […].“
Durch diese Änderung können die Beteiligten am Kapitalertragsteuerverfahren in Zweifelsfällen eine kostenfreie Auskunft beim zuständigen Finanzamt erhalten. Das jeweils für die Auskunft zuständige Finanzamt richtet sich kraft Rechtsgrundverweisung nach § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG, um einen Gleichlauf der Zuständigkeiten herzustellen. Danach ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abzuführen, das für die Besteuerung des Schuldners der Kapitalerträge, der den 287 BFH, Urt. v. 27. 2. 2014, VI R 23/13, BFHE 244, S. 572 (574) sowie u. a. BVerfG, Urt. v. 18. 1. 2000, 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, S. 397 (405); BVerfG, Urt. v. 8. 10. 1974, 2 BvR 747/73 u. a., BVerfGE 38, S. 105 (111). 288 Aufgehoben durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26. 6. 2013 (BGBl. I S. 1809).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Verkaufsauftrag ausführenden Stelle oder der die Kapitalertragsteuer auszahlenden Stelle nach dem Einkommen zuständig ist. Zusätzlich bietet es sich an, die Auskunft mit einer Frist auszugestalten, um die Auskunft praxistauglich zu gestalten, indem es dem Kreditinstitut eine zeitnahe Information seitens der Finanzverwaltung garantiert.289 Eine Frist von drei Monaten scheint hier angemessen. II. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die abzuziehende Kapitalertragsteuer Hat das Kreditinstitut festgestellt, dass der Anwendungsbereich des Kapitalertragsteuerverfahrens eröffnet ist, muss es anschließend die zutreffende Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer nach § 43a EStG ermitteln (1.). Denn erst dann kann es anhand des einschlägigen Steuersatzes die entsprechende Kapitalertragsteuer errechnen und abziehen. Da durch das System der Abgeltungsbesteuerung eine vollständige Erledigung des Steuerfalls bereits auf Ebene des Kreditinstituts erfolgen soll, muss im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine Anrechnung von ausländischen Steuern (2.) und eine Verrechnungsfähigkeit von Verlusten (3.) mitberücksichtigt werden.290 Wird die Bemessungsgrundlage fehlerhaft ermittelt, ist sie vorwiegend im Wege der sog. Delta-Korrektur zu berichtigen (4.). 1. Allgemeine Pflicht zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage Nach § 43a Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt sich die Bemessungsgrundlage aus den vollen Kapitalerträgen ohne Abzug. Es sind daher die Bruttoeinnahmen anzusetzen. Werbungskosten, Betriebsausgaben, Sonderausgaben und die Kapitalertragsteuer selbst bleiben außer Betracht.291 Allerdings ist der Sparer Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG i. H. v. 801 EUR schon bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, sofern dem Kreditinstitut ein Freistellungsauftrag nach § 44a Abs. 1, 2 EStG erteilt wurde.292 Die für die Feststellung der Bemessungsgrundlage zu betrachtenden Einnahmen können sich unterschiedlich darstellen. Bei Geldzuwendungen richtet sich die Be-
289
So vorgeschlagen für das Lohnsteuerverfahren; siehe A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (220). 290 Es kann dann auf eine Veranlagung allein zum Zweck der Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuer verzichtet werden; siehe A. Storg, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 209. Lfg. 2019, § 43a Rn. 90. 291 Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 43a Rn. 5; C. Stahl, Aktuelle Brennpunkte der Abgeltungsteuer, 2018, S. 48 f. 292 M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 96; zum Freistellungsauftrag siehe unten § 3 A. VI. 1.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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messungsgrundlage nach dem Barbetrag.293 Bestehen sie nicht in Geld, sondern in einem Sachbezug, ist dieser gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort zu bestimmen.294 Das kann für die Kreditinstitute bereits eine intensivere Prüfung erfordern. Handelt es sich um in Fremdwährung ausgewiesene Kapitalerträge, ist der jeweilige Devisenkurs der Fremdwährung am Zuflusstag maßgebend.295 In Veräußerungsfällen bemisst sich die Bemessungsgrundlage nach § 43a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG i. V. m. § 20 Abs. 4 EStG. Danach ist der Gewinn der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Sind die Anschaffungskosten nicht bekannt, sind nach § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG als Ersatzbemessungsgrundlage296 30 % der Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung der Wirtschaftsgüter anzusetzen.297 Auch bei Veräußerungseinkünften ist der Sparer Pauschbetrag, sofern er erteilt wurde, nach § 20 Abs. 9 EStG zu berücksichtigen. 2. Die Pflicht zur Anrechnung ausländischer Steuern Nach § 43a Abs. 3 Satz 1 EStG hat die auszahlende Stelle ausländische Steuern auf Kapitalerträge nach § 32d Abs. 5 EStG zu berücksichtigen, indem sie sie auf die deutsche Kapitalertragsteuer entsprechend anrechnet.298 Dies ist bei der Abgeltungsteuer nach § 43 Abs. 5 EStG aber nur möglich, wenn es sich bei den ausländischen Einkünften auch um solche aus Kapitalertrag handelt. Ist dies nicht der Fall, liegt also eine andere Einkunftsart vor, kann die ausländische Steuer erst im Rahmen der Veranlagung angerechnet werden, § 34c EStG.299
293
J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 39; das gilt auch dann, wenn die Zuwendung mit einer Auflage oder Zweckbindung belastet ist und somit den Wert wirtschaftlich betrachtet schmälert. Auf die Bemessungsgrundlage hat dies dennoch keinen Einfluss. Es kann deswegen kein niedrigerer Wert angesetzt werden; siehe BFH, Urt. v. 29. 3. 1954, I 178/53 U, BFHE 59, S. 32 (35). 294 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 112. Lfg. 2018, § 43a Rn. 7. 295 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 38. 296 Die korrekte Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage kann vom Steuerschuldner auch im Rahmen einer Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG hinsichtlich Grund und Höhe des Steuereinbehalts überprüft werden. 297 M. Jachmann-Michel/K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 43a EStG Rn. 56. 298 Allerdings erfolgt eine Anrechnung der auf ausländische Kapitalerträge festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf die deutsche Steuer bis zur Höhe von 25 % auf den einzelnen Kapitalertrag, § 32d Abs. 5 Satz 1 a. E. EStG. 299 A. Storg, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 209. Lfg. 2019, § 43a Rn. 93; siehe dazu auch M. Jachmann-Michel, Zur Abgeltungsteuer: Erste Rechtsprechungslinien und offene Fragen, StuW 2018, S. 9 (25 f.).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Die für ausländische Kapitalerträge im Ausland erhobene Steuer muss mit der deutschen Kapitalertragsteuer vergleichbar sein, was im Einzelfall durch die Kreditinstitute festzustellen ist.300 Diese Information lässt sich im Großteil der Fälle unschwer aus Anhang 12 des Amtlichen Einkommensteuerhandbuchs301 entnehmen. Im Übrigen muss auch diese Frage im Veranlagungsverfahren geklärt werden.302 Bei Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen wurde, stellt sich das Problem der Vergleichbarkeit nicht, da die dort getroffenen Vereinbarungen vorrangig sind, § 32d Abs. 5 Satz 3 EStG.303 Das BZSt veröffentlich jedes Jahr zum 1. Januar eine Übersicht zur Anrechenbarkeit der Quellensteuer auf Dividenden und Zinsen von Staaten, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat.304 Dort können die Kreditinstitute zumindest für Quellensteuern auf Dividenden und Zinsen die nötigen Informationen (etwa der anrechenbare Prozentsatz einer in einem bestimmten Land erzielten Dividende) für deren Anrechnung im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens entnehmen. Liegen Kapitalerträge aus anderen Finanzinstrumenten vor, bei denen ebenfalls eine Anrechnung einer bereits geleisteten ausländischen Steuer in Betracht kommt, müssen die Kreditinstitute eine mögliche Anrechnung selbst prüfen bzw. den Kunden auf das Veranlagungsverfahren verweisen. Nach § 32d Abs. 4 a. E. EStG kann der Steuerpflichtige ausdrücklich eine Veranlagung zur Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, dem Grunde und der Höhe nach beantragen. 3. Die Pflicht zur Verlustverrechnung Die Verlustverrechnung hat unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Bemessungsgrundlage. Daher sind Kreditinstitute verpflichtet, sog. Steuerverrechnungstöpfe für ihre Kunden zu führen. Diese Verlustverrechnung erfolgt allerdings nur innerhalb eines Kreditinstituts und nicht kreditinstitutsübergreifend.305 Ziel soll wiederum eine abschließende Berechnung der Steuer auf Ebene der Kreditinstitute sein,306 um eine Veranlagung möglichst zu vermeiden. Daher sollen Gewinne und 300
J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 91. Amtliches Einkommensteuerhandbuch des BMF 2016, S. 1572 ff. 302 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 91. 303 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 201. 304 Siehe http://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Auslaendische_Quellensteuer/ Anrechenbare_Ausl_Quellensteuer_2017.pdf?__blob=publicationFile. 305 T. Arntz, in: Steuerberater-Jahrbuch 2010/2011, 2011, S. 381 (408). 306 Die Verrechnung von Verlusten aus Kapitalvermögen findet auf zwei Ebenen statt, zum einen auf der Ebene der Kreditinstitute im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens nach §§ 43 ff. EStG, und zum anderen auf der Ebene der Veranlagung; siehe U. Delp, Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, SteuK 2012, S. 407 (408); H. Schäfer/M. Scholz, Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgeltungsteuer, DStR 2012, S. 1885 (1890 ff.). Daher kann die korrekte Ermittlung der 301
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Verluste größtenteils bereits bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer verrechnet werden.307 Mit der daraus ermittelten Bemessungsgrundlage kann dann die zutreffende Höhe der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer errechnet werden. So bestimmt § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG, dass das Kreditinstitut im laufenden Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen hat. Dabei ist § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG zu berücksichtigen, wonach Verluste aus Kapitalvermögen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, auch nur mit solchen Gewinnen verrechnet werden dürfen. Dies hat für die Kreditinstitute die Konsequenz, dass sie für jeden steuerpflichtigen Kunden zwei Verrechnungstöpfe zu führen haben, einen für die Veräußerung von Aktien (sog. Aktien-Verrechnungstopf mit innerem horizontalen Verlustausgleich308) und einen anderen für sonstige Kapitalerträge (sog. allgemeiner Verrechnungstopf mit horizontalem Verlustausgleich309).310 Werden Gewinne aus der Veräußerung von Aktien erzielt, die nicht durch Verluste derselben ausgeglichen werden können, kann dieser Überhang insoweit in den allgemeinen Verlusttopf eingestellt und mit dortigen Verlusten ausgeglichen werden.311 Daneben müssen die Kreditinstitute auch erteilte Freistellungsaufträge312 beachten. Ein solcher ist aber erst auf einen zeitlich nach einer Verlustverrechnung verbleibenden steuerpflichtigen Kapitalertrag anzuwenden.313 Über eine Verlustverrechnung kann im Ergebnis erreicht werden, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten wird und/oder innerhalb eines Kalenderjahres abgeführte Kapitalertragsteuer wieder erstattet wird.314 Bleibt nach dieser Verlustverrechnung ein nicht ausgeglichener Verlust übrig, ist dieser auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.315 Hierfür hat das Kreditinstitut dem Gläubiger der Kapitalerträge eine entsprechende Bescheinigung auszustellen.316
Bemessungsgrundlage vom Steuerschuldner auch im Rahmen einer Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG hinsichtlich Grund und Höhe des Steuereinbehalts überprüft werden. 307 M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 98. 308 U. Delp, Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, SteuK 2012, S. 407 (408). 309 U. Delp, Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, SteuK 2012, S. 407 (408). 310 So die geläufige Bezeichnung der Kreditinstitute; siehe R. Philipowski, Abgeltungsteuer, Die unterschiedliche Behandlung der Altverluste verstößt gegen Art. 3 GG, DStR 2014, S. 2051 (2052). 311 BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 10/10013, BStBl. I S. 953, Rn. 229. 312 Siehe dazu unten § 3 A. VI. 1. 313 BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 10/10013, BStBl. I S. 953, Rn. 230. 314 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 112. Lfg. 2018, § 43a Rn. 35. 315 Siehe § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG. 316 Siehe § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG.
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4. Die Pflicht zur Korrektur der Bemessungsgrundlage Die Ausführungen insbesondere zu den Verlustverrechnungen zeigen, dass es für das Kreditinstitut oftmals schwierig sein kann, die zutreffende Bemessungsgrundlage zu ermitteln. Deshalb kommt es regelmäßig zu Fehlern, die – sofern sie überhaupt aufgedeckt werden – zu korrigieren sind.317 Vorwiegend kommen hierbei die Korrekturnormen des § 43a Abs. 3 Satz 7 HS. 1 EStG318 (sog. Delta-Korrektur) sowie des § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG319 zur Anwendung. III. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung der Höhe der Kapitalertragsteuer Während § 43 EStG die Kapitalertragsteuer dem Grunde nach regelt, bestimmt § 43a Abs. 1 EStG die Höhe der Kapitalertragsteuer.320 Hat das Kreditinstitut die zutreffende Bemessungsgrundlage ermittelt, kann es nun die Höhe der Kapitalertragsteuer anhand der Formel in § 32d Abs. 1 Satz 4, 5 EStG berechnen, die nach § 43a Abs. 1 Satz 3 EStG auch im Kapitalertragsteuerverfahren entsprechend anwendbar ist. Dabei hat es auch zu berücksichtigen, ob der Gläubiger der Kapitalerträge einer Kirchensteuerpflicht unterliegt. 1. Der gesonderte Steuersatz für Kapitalerträge Im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes von 2008321 entschied sich der Gesetzgeber – in Abkehr vom System der synthetischen Einkommensbesteuerung hin zur Schedulenbesteuerung322 – für die Einführung eines gesonderten Steuertarifs für private Einkünfte aus Kapitalvermögen. Gemäß § 43a Abs. 1 Satz 1 EStG (bzw. korrespondierend § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG323) beträgt diese je nach Kapitalertrag 25 %324 bzw. 15 % und liegt damit deutlich unter dem progressiven Einkommen317
Zur Korrektur bei Fehlern im Kapitalertragsteuerverfahren siehe ausführlich unten § 4 A. III. 1. 318 Die Norm wurde durch das Jahressteuergesetz 2010 v. 8. 12. 2010 (BGBl. I S. 1768) eingeführt und gilt gemäß § 52a Abs. 1 EStG (in der ab 1. 1. 2009 geltenden Fassung) für Korrekturen betreffend zugeflossene Kapitalerträge ab dem Jahre 2009. Siehe dazu auch unten § 4 A. III. 1 a). 319 Siehe dazu unten § 4 A. III. 1 b). 320 A. Storg, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 209. Lfg. 2019, § 43a Rn. 1. 321 Siehe dazu oben § 2 B. 322 Siehe zu diesen Begriffen oben § 2 B. sowie Fn. 115. 323 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 21. 324 Der relativ niedrige Steuersatz soll der Gesetzesbegründung zufolge einen Ausgleich schaffen für die Versagung von Werbungskosten und dem Wegfall des Teileinkünfteverfahrens im privaten Bereich; siehe Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes v. 27. 3. 2007, BT-Drs. 16/4841, S. 57; H. Jochum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Pauschalisierung und Typisierung am Beispiel der Besteuerung privater Aktiengeschäfte, DStZ 2010,
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steuertarif nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG von bis zu 45 %.325 Es werden daher alle Bezieher von Kapitaleinkünften „über einen Kamm geschoren“326 und nach dem Einheitssteuersatz und nicht dem progressiv steigenden Steuersatz besteuert. Auf eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit wird dadurch verzichtet.327 Die Bevorzugung von Kapitaleinkünften gegenüber sonstigen Einkünften ist ein absolutes Reizthema und wird in der Literatur im Hinblick auf deren Verfassungsmäßigkeit heiß diskutiert.328 Diese Diskussion hat auch Auswirkungen auf die Pflichten der Kreditinstitute. Denn sollte sich die pauschale Besteuerung als verfassungswidrig erweisen, so ändern sich die Pflichten der Kreditinstitute grundlegend. Folge wäre, dass eine abgeltende Besteuerung auf Ebene der Kreditinstitute praktisch nicht mehr möglich wäre, da das Kreditinstitut den progressiven EinS. 309 (311). Kapitalerträge sind gekennzeichnet von kurzfristigen, erheblichen Verlusten oder Gewinnen, die maßgeblich auf die Volatilität von Börsenkursen zurückzuführen sind. Die Gemeinschaft soll nicht durch hierdurch mögliche hohe Verluste belastet werden. Dies wird durch Verlustabzugsbeschränkungen erreicht. Gleichzeit ist es folgerichtig, solche Kapitalerträge geringer zu belasten als andere Einkünfte. Siehe G. Kirchhof, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 297. Lfg. 2020, Einf. zum EStG Rn. 271. 325 So formulierte der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am 25. 5. 2007 im Bundestag: „Es ist besser, 25 Prozent auf X zu haben, statt 42 Prozent auf gar nix. So simpel ist die Rechnung“, Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages v. 25. 5. 2007, BTPlenarprotokoll 16/101, S. 10364. 326 H. Weber-Grellet, Die Abgeltungsteuer: Irritiertes Rechtsempfinden oder Zukunftschance?, NJW 2008, S. 545 (548). 327 H. Weber-Grellet, Die Abgeltungsteuer: Irritiertes Rechtsempfinden oder Zukunftschance?, NJW 2008, S. 545 (548). Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn vom steuerpflichtigen Gläubiger der Kapitalerträge ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG i. V. m. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG gestellt wird. Dann kommt der progressive Einkommensteuertarif nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG zu Anwendung. Zur Günstigerprüfung siehe auch unten § 3 A. V. 1. sowie Fn. 414. 328 Eine Verfassungswidrigkeit bejahend u. a. J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 87; C. Klotz, Die Abgeltungsteuer, 2016, S. 186 ff.; H. Jochum Verfassungsrechtliche Grenzen der Pauschalisierung und Typisierung am Beispiel der Besteuerung privater Aktiengeschäfte, DStZ 2010, S. 309 (315); in diese Richtung auch J. Hey, Verletzung fundamentaler Besteuerungsprinzipien durch die Gegenfinanzierungsmaßnahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BB 2007, S. 1303 (1307); G. Schick, Die Abgeltungsteuer löst keine Probleme, sondern ist selbst ein Problem, WD 2016, S. 97 ff.; Cropp hingegen schlägt einen Mittelweg vor, wonach der Abgeltungsteuersatz auf 32 % erhöht werden soll; O. Cropp, Ungleichbesteuerung durch Abgeltungsteuer – Plädoyer gegen eine leistungsfähigkeitswidrige Einkommensbesteuerung, FR 2015, S. 878 (886); verneinend u. a. J. Strohm, Abgeltungsteuer, 2010, S. 139 f., 180 f., 305; M. Jachmann-Michel, Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte, 2. Aufl. 2020, S. 127 ff.; dies., Folgerichtigkeit in der Schedule, in: FS Lehner, 2019, S. 418 f.; H. Weber-Grellet, Die Funktion der Kapitalertragsteuer im System der Abgeltungsteuer (Teil I), DStR 2013, S. 1357 (1359); ders., Die Funktion der Kapitalertragsteuer im System der Abgeltungsteuer (Teil II), DStR 2013, S. 1412 (1417); A. Musil, Abzugsbeschränkungen bei der Abgeltungsteuer als steuersystematisches und verfassungsrechtliches Problem, FR 2010, S. 149 (153).
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kommensteuertarif bei der Bemessung der Höhe der Kapitalertragsteuer zu Grunde legen müsste, ihnen hierfür aber schon die nötigen Informationen bezüglich der anderen Einkünfte fehlen. Folge wäre eine Rückkehr zum Anrechnungsverfahren, wie es vor der Unternehmensteuerreform 2008 bestand.329 Aus diesem Grunde kommt dem Streit enorme Bedeutung zu. Exemplarisch geht Joachim Englisch330 von einem verfassungswidrigen Sondertarif aus, der einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß „gegen die gleichheitsrechtlich verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Einkommensleistungsfähigkeit“ darstelle.331 Dagegen hält Joachim Strohm332 den Sondertarif für Kapitaleinkünfte insgesamt noch als gerechtfertigt, da sich die Ungleichbehandlung der Steuertarife sachlich rechtfertigen lasse. Unter anderem werde „die Kapitalertragsbesteuerung auf Ebene des Steuertatbestands und der Steuerbemessungsgrundlage deutlich vereinfacht, eine Verbesserung der rechtlichen und der tatsächlichen Belastungsgleichheit herbeigeführt“ und ein „Beitrag zur Förderung des Kapitalstandorts Deutschland“ geleistet.333 Auch die Rechtsprechung befasste sich schon eingehend mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Sondertarifs. So erachtet der BFH334 die Ungleichbehandlung von Einkünften, die dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegen, mit Kapitaleinkünften, die pauschal besteuert werden, als verfassungsgemäß und folgt den Ausführungen des BVerfG im Zinsurteil aus dem Jahre 1991.335 Dort führte das BVerfG aus:336 „Es bliebe auch im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums, wenn der Gesetzgeber die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geographisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage „Finanzkapital“ dadurch erfaßte, daß er alle Kapitaleinkünfte – unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen Erfassung – an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet, die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert.“ Es kann aber damit gerechnet werden, dass sich – sofern der Gesetzgeber nicht schon vorher tätig wird – das BVerfG noch explizit mit dieser Frage beschäftigen müssen wird.
329
Siehe dazu oben § 2 B. J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016; ders., Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Sondersteuersatzes, Gutachten für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen v. 4. 3. 2015. 331 J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 87. 332 J. Strohm, Abgeltungsteuer, 2010, S. 121 ff. 333 J. Strohm, Abgeltungsteuer, 2010, S. 180 f. 334 BFH, Urt. v. 29. 4. 2014, VIII R 9/13, BFHE 245, S. 343 (349 f.). 335 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 – Zinsurteil; siehe dazu oben § 2 A. V. 336 BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (282 f.) – Zinsurteil. 330
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Zudem ist der Sondertarif für Kapitaleinkünfte zunehmend wieder in den Fokus der politischen Diskussion gelangt. So hat das Land Brandenburg337 einen Antrag an den Bundesrat auf Entschließung zur Abschaffung der Abgeltungsteuer gerichtet.338 Dieser wurde vom Finanzausschuss und dem Wirtschaftsausschuss des Bundesrates auch angenommen,339 allerdings durch Abstimmung im Bundesrat nicht mehrheitlich befürwortet. Es ist aber ein deutliches Zeichen, dass der Sondertarif bei der Abgeltungsteuer auch in Zukunft Gegenstand weiterer politischer Diskussionen sein wird.340 Der kürzlich vereinbarte Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD bestätigt diese Aussicht.341 Danach soll die Abgeltungsteuer für private Zinserträge mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches342 abgeschafft werden. Sollte sich dieser tatsächlich – wie es bis dato zu beobachten ist – als effektives Mittel erweisen, um Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern, lässt sich der Sondertarif für die Einkünfte aus Kapitalvermögen kaum noch rechtfertigen.343 Für die hier zu untersuchende Stellung der Kreditinstitute wirft der derzeitige gesonderte Steuersatz keine besonderen Schwierigkeiten auf. Im Gegenteil: Durch die Aufhebung der vor dem VZ 2009 geltenden „Vielfalt“ der Steuersätze344 von 10 % 337
Dem Antrag sind die Länder Berlin und Bremen beigetreten, siehe Stenografischer Bericht des Bundesrats v. 12. 5. 2017, Plenarprotokoll 957, S. 237. 338 Antrag des Landes Brandenburg auf Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer v. 27. 10. 2016, BR-Drs. 643/16. 339 Empfehlungen der Ausschüsse zum Antrag des Landes Brandenburg auf Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer v. 24. 2. 2017, BR-Drs. 643/1/16. 340 Auch der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble äußerte jüngst, man könne „in der nächsten Legislaturperiode darüber nachdenken, ob wir die Steinbrücksche Steuerreform bei der Kapitalertragsteuer, die ja mit der Unvollkommenheit der Erfassung von Kapitaleinkünften begründet war, zur Disposition stellen“, SZ v. 10. 11. 2015, S. 17. Zur aktuellen Entwicklung und Folgen der Abschaffung der Abgeltungsteuer siehe auch C. Dürr, Die Abschaffung der Abgeltungsteuer – und was kommt dann?, BB 2017, S. 854 ff. 341 Siehe Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 12. 3. 2018 für die 19. Legislaturperiode, Rn. 3050 f. 342 Siehe dazu unten § 3 C. I. 343 Siehe zu dieser Diskussion nun immer stärker aufkommenden Diskussion u. a. für eine Abschaffung der Abgeltungsteuer: J. Hey, Steuerrecht zwischen Umverteilung und Standortpolitik, DStZ 2017, S. 632 (635 f.); H. Schwab, Zur Zukunft der Abgeltungsteuer: Worauf es ankommt, DB 2017, Heft 33 M 4 f.; W. Scheffler/R. Christ, Abschaffung der Abgeltungsteuer: Folgewirkungen auf die Unternehmensbesteuerung, Ubg 2016, S. 157; G. Schick, Die Abgeltungsteuer löst keine Probleme, sondern ist selbst ein Problem, WD 2016, S. 97 ff.; gegen eine Abschaffung: M. Jachmann-Michel, Zur Abgeltungsteuer: Erste Rechtsprechungslinien und offene Fragen, StuW 2018, S. 9 (27); dies., BB-Rechtsprechungsreport zur Besteuerung der Kapitaleinkünfte 2017, BB 2018, S. 854 (864); J. Lemmer, Abgeltungsteuer erhalten: Mehrbelastungen für Sparer vermeiden, DSi Sonderinformation Nr. 4 2016, S. 1 (26 ff.); C. Fuest/C. Spengel, Abschaffung der Abgeltungsteuer – gerechter und steuersystematisch einheitlicher?, WD 2016, S. 83 ff.; differenzierend: C. Dürr, Die Abschaffung der Abgeltungsteuer – und was kommt dann?, BB 2017, S. 854 ff. 344 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 112. Lfg. 2018, § 43a Rn. 4.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
bis 53,84 %345 reduzierte sich der Aufwand der Kreditinstitute, den richtigen Steuersatz zu ermitteln und die anschließende Berechnung vorzunehmen. Entscheidend für die Berechnung ist allein die zutreffende vorherige Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Liegt diese vor, muss das Kreditinstitut lediglich noch eine Berechnung anhand der Formel in § 32d Abs. 1 Satz 4, 5 EStG vornehmen. Der Aufwand hält sich in diesem Bereich daher insgesamt in Grenzen. 2. Die Ermäßigung der Kapitalertragsteuer bei anfallender Kirchenkapitalertragsteuer Neben der Feststellung des zutreffenden Tarifs von 25 bzw. 15 %346 hat das Kreditinstitut auch die Kirchensteuerpflicht ihrer Kunden zu überprüfen, um die entsprechende Kirchenkapitalertragsteuer an der Quelle abziehen zu können.347 Denn nach § 51a Abs. 2b EStG hat es bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer auch die darauf entfallende Kirchenkapitalertragsteuer nach dem Kirchensteuersatz der Religionsgemeinschaft, der der Kirchensteuerpflichtige angehört, als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer zu erheben. Zusätzlich hat die Kirchensteuerpflicht Auswirkungen auf die Berechnung der Höhe der Kapitalertragsteuer. Denn nach § 43a Abs. 1 Satz 2 EStG ermäßigt sich diese um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer.348 a) Das ab VZ 2015 geltende Kirchensteuerabzugsverfahren Das bis zum VZ 2014 geltende Verfahren349 wurde mit Wirkung zum 1. 1. 2015350 durch ein neues Verfahren ersetzt. Ziel dieses Verfahrens ist es, auch die Kirchenkapitalertragsteuer möglichst bereits an der Quelle zu erheben, um die steuerlichen 345
Siehe § 43 Abs. 1 EStG a. F. (in der Fassung v. 18. 8. 2007). Siehe § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG. 347 R. Walter, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 193. Lfg. 2016, § 51a Rn. 78. 348 Durch diese Regelung wird die Abzugsfähigkeit der Kirchenkapitalertragsteuer als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) bereits im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens berücksichtigt; siehe M. Jachmann-Michel/K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 43a EStG Rn. 21. 349 Das bis zum VZ 2014 geltenden Kirchensteuerabzugsverfahren war dem heute geltenden Verfahren sehr ähnlich. Der Unterschied bestand hauptsächlich darin, dass der Gläubiger der Kapitalerträge ein Wahlrecht hatte, ob er dem Kreditinstitut seine Religionszugehörigkeit mitteilt oder nicht. Teilte er sie mit, führte es neben der Kapitalertragsteuer auch die Kirchenkapitalsteuer ab. Wurde das Kreditinstitut hingegen nicht in Kenntnis gesetzt, führte es nur die Kapitalertragsteuer ab. Die Kirchenkapitalertragsteuer wurde dann im Rahmen einer für den Gläubiger der Kapitalerträge verpflichtenden Steuererklärung erhoben. Letztlich wurde das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgedreht. Musste früher ein Antrag an das Kreditinstitut vom Gläubiger der Kapitalerträge gestellt werden, auch die Kirchenkapitalertragsteuer abzuführen, ist dies heute der Regelfall. 350 Eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 7. 12. 2011 (BGBl. I S. 2592). 346
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Pflichten von Gläubigern von Kapitalerträgen und Kreditinstituten zu reduzieren.351 Seit Anfang 2015 bestehen für den Gläubiger der Kapitalerträge nun zwei Wege, die Kirchenkapitalertragsteuer abzuführen. Das Kreditinstitut kann zum einen einmal jährlich im Zeitraum vom 1.9. bis 31.10. beim BZSt anfragen, ob der Schuldner der Kapitalertragsteuer am 31.8. des betreffenden Jahres (Stichtag) kirchensteuerpflichtig ist (sog. Regelabfrage).352 Durch diese Abfrage können die Kreditinstitute die für die Feststellung der Kirchensteuerpflicht erforderlichen Daten (sog. KiStAM353) automatisiert abrufen.354 Über diesen Abruf und auch die Möglichkeit eines Widerspruchsrechts beim BZSt haben sie den Gläubiger der Kapitalerträge zumindest einmal während der andauernden Geschäftsbeziehung mit diesem rechtzeitig vor der Regelabfrage355 hinzuweisen.356 Besteht danach am Stichtag oder im Zuflusszeitpunkt eine Kirchensteuerpflicht, haben sie den Kirchensteuerabzug für die steuererhebende Religionsgemeinschaft durchzuführen und den Kirchensteuerbetrag an das hierfür zuständige Finanzamt abzuführen.357 Zum anderen kann der Gläubiger der Kapitalerträge beim BZSt schriftlich beantragen, dass der automatisierte Datenabruf seiner rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft bis auf schriftlichen Widerruf unterbleibt (sog. Sperrvermerk).358 Dies führt dazu, dass die Kreditinstitute die Kirchenkapitalertragsteuer nicht einbehalten und der Gläubiger der Kapitalerträge seine Kapitalerträge im Rahmen einer Veranlagung erklären und dann an die steuererhebende Religionsgemeinschaft abführen muss.359 In diesem Fall hat das Kreditinstitut dem Gläubiger der Kapitalerträge auf dessen Verlangen hin eine Bescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erteilen.360 Das derzeitige System des Kirchenkapitalertragsteuerabzugs durch die Kreditinstitute lässt sich anhand der folgenden Abbildung veranschaulichen.
351
Bericht des Finanzausschusses v. 26. 10. 2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, BTDrs. 17/7524, S. 14. 352 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 1 EStG. 353 Sog. Kirchensteuerabzugsmerkmale; dabei handelt es sich um einen sechsstelligen Schlüssel, in dem die Religionszugehörigkeit, der zugehörige Steuersatz und das Gebiet der Religionsgemeinschaft abgebildet wird; siehe den Monatsbericht des BMF v. 21. 2. 2014, S. 23. 354 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. 355 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 8 EStG. 356 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 5 EStG. 357 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG; das Abzugsverfahren bezüglich der Kirchenkapitalertragsteuer entspricht dann nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG dem Verfahren bei der Kapitalertragsteuer; siehe auch R. Ettlich, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 51a EStG Rn. 84. 358 Siehe § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG. 359 Siehe § 51a Abs. 2d Satz 1 HS. 1 EStG. 360 Siehe § 51a Abs. 2d Satz 2 EStG.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Abbildung 2: Das System des Kirchensteuerabzugs bei Kapitalerträgen361
b) Konsequenzen für die Kreditinstitute Schließlich stellt sich erneut die Frage nach den Konsequenzen für die Kreditinstitute. Mussten sie vor dem VZ 2015 die Kirchenkapitalertragsteuer nur dann einziehen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge ihnen seine Kirchensteuerpflichtigkeit mitgeteilt hatte, drehte sich dieses Verhältnis mit den Verfahrensänderungen ab dem VZ 2015 um. Denn nun müssen die Kreditinstitute grundsätzlich die Abfrage beim BZSt vornehmen und nicht nur, wenn ihnen ein Auftrag seitens ihres Kunden erteilt wurde. Neben dem Verwaltungsaufwand, den die Abfrage beim BZSt an sich schon mit sich bringt, muss das Kreditinstitut, bevor es eine Abfrage überhaupt stellen kann, das Geburtsdatum und die Steueridentifikationsnummer seines Kunden kennen.362 Das Geburtsdatum wird hier keine größeren Schwierigkeiten aufwerfen, da es bereits bei der Kontoeröffnung abgefragt wurde.363 Die Steueridentifikationsnummer hingegen muss, sofern sie nicht anderweitig bekannt
361
Abgeändert aus dem Monatsbericht des BMF v. 21. 2. 2014, S. 22. Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 1 EStG. 363 Diese Pflicht besteht für das Kreditinstitut nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 GWG; siehe zur Legitimationsprüfung auch oben § 3 A. I. 3. b) sowie Fn. 181. 362
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ist (z. B. durch einen bereits erteilten Freistellungsauftrag364), ebenfalls beim BZSt angefragt werden.365 Man kann das seit dem VZ 2015 geltende Kirchensteuerabzugsverfahren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die einer Abgeltungsbesteuerung unterliegen, daher durchaus als „Zwangsabzug“ bezeichnen.366 Zwar brachte es eine Verfahrensvereinfachung zugunsten der Finanzbehörden mit sich, müssen diese nun weniger Veranlagungen bezüglich der Kirchenkapitalertragsteuer durchführen. Allerdings geht diese Vereinfachung zulasten der Kreditinstitute,367 bei denen sich der Verwaltungsaufwand u. a. durch die Abfragen der KiStAM beim BZSt spürbar erhöhte. IV. Die Pflicht der Kreditinstitute zum Abzug, Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer Die Abführung der Steuer an den Fiskus ist wesentlicher Bestandteil eines jeden Abzugsverfahrens. Dadurch verwirklicht sich die maßgebliche Intention des Gesetzgebers, eine für den Fiskus einfache, kostengünstige und effiziente Steuererhebung sicherzustellen. Um den Steuerabzug ordnungsgemäß, insbesondere fristgerecht vornehmen zu können, müssen die Kreditinstitute darauf achten, wann die Kapitalerträge tatsächlich zufließen (1.). Mit der Feststellung des Zuflusszeitpunkts haben sie den Steuerabzug unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffent-
364 F. Schmidt, Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit des Kirchensteuerabzugs bei Kapitaleinkünften ab 2015, NWB 2014, S. 2112 (2115 f.). 365 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. 366 A. Wittkowski, Kirchensteuerabzug bei Kapitalerträgen: Änderungen für Kapitalgesellschaften und deren Gesellschafter ab 2015, BC 2014, S. 274 (276). 367 Nach S. Meyering und J. Serocka stellt die Abschaffung des früher geltenden Antragsverfahrens für die auszahlenden Stellen (also vorwiegend für die Kreditinstitute) eine Erleichterung dar, da die Kreditinstitute nun nicht mehr jeden Kunden nach dessen Religionszugehörigkeit befragen müssen, was neben dem rein bürokratischen Aufwand auch mühevolle Diskussionen um den sensiblen Bereich der Religionszugehörigkeit erspart (S. Meyering/J. Serocka, Abgeltungsteuer nach dem BeitrRLUmsG: Automatisiertes Verfahren für den Kirchensteuerabzug, DStR 2012, S. 1378 (1379)). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass eine Abfrage der Religionszugehörigkeit durch die Kreditinstitute gerade nicht zwingend war. Wurde kein Antrag vom Gläubiger der Kapitalerträge auf Einbehalt der Kirchenkapitalertragsteuer gestellt, waren die Kreditinstitute nicht verpflichtet, von ihren Kunden einen solchen Antrag zu verlangen, § 51a Abs. 2c Satz 1 EStG a. F. Vielmehr unterließen sie es lediglich, auch die entsprechende Kirchenkapitalertragsteuer einzubehalten (siehe H. Kußmaul/S. Meyering, Abgeltungsteuer: Der Umgang mit der Kirchensteuer am Beispiel von Zinseinnahmen und Dividenden, DStR 2008, S. 2298 (2299 f., 2302); S. Meyering/J. Serocka, Kirchensteuer im Rahmen der Abgeltungsteuer – Analyse der Wirkungen eines unterjährigen Kirchenein- oder -austritts am Beispiel des KiStG NRW, DStR 2013, S. 2608 (2609)). Von einer Erleichterung für die Kreditinstitute kann vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
lichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung vorzunehmen (2.) und die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abzuführen (3.). 1. Der maßgebliche Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Es gilt das allgemeine Zuflussprinzip nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Kapitalerträge sind zugeflossen, wenn der Gläubiger wirtschaftlich frei über sie verfügen kann.368 Dabei ist die Kapitalertragsteuer – anders als die Einkommensteuer nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG – keine Jahressteuer.369 Vielmehr ist bei jedem einzelnen Kapitalertrag der zur Steuerpflicht führende Zuflusszeitpunkt zu bestimmen.370 Eine Zusammenfassung mehrerer Kapitalerträge zu einer einheitlichen Bemessungsgrundlage oder die Verrechnung untereinander schließt sich hier aus.371 Davon ausgehend hat das Kreditinstitut zu prüfen, wann der einzelne Kapitalertrag tatsächlich zugeflossen ist. Dies wirft insbesondere bei einer Gutschrift eines Geldbetrags auf einem Konto keine größeren Schwierigkeiten auf. Die Kreditinstitute müssen allein den Zufluss der Kapitalerträge betrachten. Ob der Gläubiger der Kapitalerträge diese unter Umständen wieder zurückzahlen muss, so z. B. bei Anfechtung372 eines Gewinnausschüttungsbeschlusses,373 ist für die Kreditinstitute unbeachtlich.374 Der einmal erfolgte Zufluss bleibt davon unberührt.375 Abweichend von dieser Grundregel werden in § 43 Abs. 2 – 4 EStG besondere Zuflusszeitpunkte genannt. So bestimmt sich etwa bei Dividenden und anderen Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Zuflusszeitpunkt gemäß 368
BFH, Urt. v. 30. 4. 1974, VIII R 123/73, BFHE 112, S. 355 (358). BFH, Urt. v. 13. 11. 1985, I R 275/82, BFHE 145, S. 202 (204). 370 BFH, Urt. v. 20. 12. 2006, I R 13/06, BFHE 216, S. 259; J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 32. 371 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. B 7. 372 Neben der Anfechtung berührt auch die Nichtigkeit, Änderung und Aufhebung eines Gewinnausschüttungsbeschlusses die Abzugsverpflichtung nicht; siehe R. Hamacher/ J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 113. Lfg. 2019, § 44 Rn. 5; so auch BFH, Urt. v. 13. 11. 1985, I R 275/82, BFHE 145, S. 202 (204 f.). 373 FG Münster, Urt. v. 18. 4. 1974, VII 852/73 E, EFG 1974, S. 521. 374 BFH, Urt. v. 5. 9. 2001, I R 60, 61/00, BFH/NV 2002, S. 222; BFH, Urt. v. 17. 2. 1993, I R 21/92, BFH/NV 1994, S. 83; BFH, Urt. v. 30. 7. 1997, I R 11/96, BFH/NV 1998, S. 308. 375 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 113. Lfg. 2019, § 44 Rn. 5; so auch BFH, Urt. v. 1. 3. 1977, VIII R 106/74, BFHE 122, S. 60 (62 f.), wonach ein Zufluss von Einnahmen auch dann vorliegt, wenn noch nicht zweifelsfrei feststeht, ob diese dem Empfänger endgültig verbleiben, er aber zumindest vorübergehend darüber wirtschaftlich verfügen kann. Das Behaltendürfen ist nicht Voraussetzung für einen Zufluss nach § 11 Abs. 1 EStG und damit auch nicht des § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG; siehe BFH, Urt. v. 30. 7. 1997, I R 11/96, BFH/NV 1998, S. 308. 369
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§ 44 Abs. 2 Satz 1 EStG nach dem Tag, der im Beschluss der ausschüttenden Körperschaft als Tag der Auszahlung bestimmt worden ist. Sofern ein solcher Auszahlungstag nicht bestimmt wurde, gilt nach Satz 2 als Zeitpunkt des Zuflusses der Tag der Beschlussfassung. Auch diese Zeitpunkte lassen sich für die Kreditinstitute unschwer ermitteln. 2. Die Pflicht zur Vornahme des Steuerabzugs unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung Der Zeitpunkt des Zuflusses des Kapitalertrags hat Doppelwirkung. In diesem Moment entsteht nicht nur die Kapitalertragsteuer an sich, sondern auch die Pflicht für das Kreditinstitut, diese vom Kapitalertrag des Gläubigers abzuziehen und an den Fiskus abzuführen.376 Die Abzugspflicht regelt § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. Danach haben die für den Steuerabzug zuständigen Stellen377 „den Steuerabzug unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen.“378 Für eine Auslegung des Wortlauts „beachten“ ist hier kaum Spielraum. Man könnte einwenden, der Gesetzgeber habe nicht „befolgen“ geschrieben und damit zum Ausdruck gebracht, das Kreditinstitut könne nach „Beachtung“ der Verwaltungsvorschrift auch eine andere Ansicht vertreten. Allerdings steht einer solchen Auslegung der eindeutige Zweck der Änderung entgegen. Der Gesetzesbegründung zufolge sollte gerade eine gleichmäßige Gesetzesanwendung sichergestellt werden.379 Diese lässt sich nur erreichen, wenn alle Abzugsverpflichteten der Ansicht der Finanzverwaltung folgen. Auch war die Gesetzesänderung Antwort auf eine Entscheidung des BFH, der eine Pflicht zur Anwendung von Verwaltungsvorschriften für Kreditinstitute nicht ausnahmslos stellte.380 So ergibt sich auch aus der Historie, dass die Kreditinstitute zur Anwendung verpflichtet sind.381 Zugegeben wird der Zweck der gleichmäßigen Gesetzesanwendung erreicht, wenn sich alle Kreditinstitute an die Verwaltungsvorschriften halten. Allerdings kann dies auch zur Folge haben, dass von allen ein fehlerhafter Abzug vorgenommen wird. Teilen Gläubiger der Kapitalerträge und Kreditinstitut eine von der Finanzverwaltung abweichende 376 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 16. 377 Zu den für den Steuerabzug zuständigen Stellen siehe oben § 3 A. I. 1. 378 Der Verweis auf Verwaltungsvorschriften wurde erst durch das Steueränderungsgesetz 2015 normiert. Siehe dazu oben § 2 C. 379 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 13. 5. 2015, BT-Drs. 18/4902, S. 44. 380 Siehe dazu oben § 2 C. 381 A. A. H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (95 f.);
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Ansicht, muss der Gläubiger der Kapitalerträge dennoch eine Steuererklärung abgeben und ggf. in ein Rechtsbehelfsverfahren gehen,382 da das Kreditinstitut grundsätzlich nicht von der Verwaltungsvorschrift abweichen darf.383 Diese Verweisungstechnik hat zur Konsequenz, dass die Kreditinstitute stets die im jeweiligen Veranlagungszeitraum anwendbaren Verwaltungsvorschriften im Blick haben müssen, denen faktische Gesetzeskraft zukommt.384 Anders als Gesetze, die erst ein längeres Gesetzgebungsverfahren zu durchlaufen haben und man letztlich mit einer entsprechenden Änderung rechnen kann, erscheinen Verwaltungsvorschriften oftmals unerwartet. Mangels Übergangsfristen (wie bei förmlichen Gesetzen üblich) können die Kreditinstitute gezwungen sein, von einem auf den anderen Tag ihren Steuerabzug auf eine neue Verwaltungsvorschrift anzupassen – ein offensichtlich schwieriges, gar teilweise unmögliches Unterfangen.385 Betrachtet man hierzu das derzeitig geltende 120-seitige BMF Schreiben zur Abgeltungsteuer, wird dies offensichtlich.386 Liegt hingegen keine entsprechende Verwaltungsvorschrift vor, hat sich das Kreditinstitut eine eigene Rechtsauffassung zu bilden und danach zu verfahren. 3. Der Abzug der Kapitalertragsteuer beim Gläubiger der Kapitalerträge und die Abführung an das Finanzamt Es wird nicht der volle Kapitalertrag auf dem Konto gutgeschrieben, sondern nur der um die Kapitalertragsteuer (sowie Solidaritätszuschlag387 und Kirchenkapital382 U. Delp, Aktuelle Problemstränge zwischen Abgeltungsteuer und Einkommensteuererklärung, DB 2015, S. 1919 (1923); K. Hahne, Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens zur Abgeltungsteuer: wesentliche Neuregelungen und verbleibende Zweifelsfragen, RdF 2016, S. 156 (162). 383 Siehe dazu auch unten § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (d). 384 A. Konzelmann, BMF-Schreiben mit Gesetzesrang?, Publicus 2015, S. 25 (26). 385 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieser Norm siehe H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (93 f.); A. Konzelmann, BMF-Schreiben mit Gesetzesrang?, Publicus 2015, S. 25 f.; K. Hahne, Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens zur Abgeltungsteuer: wesentliche Neuregelungen und verbleibende Zweifelsfragen, RdF 2016, S. 156 (162); J. Dahm/R. Hamacher, Export der Abgeltungsteuer, IFSt-Schrift Nr. 478 2012, S. 49. 386 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, zuletzt geändert durch das BMF Schreiben v. 16. 9. 2019 betr. Ergänzung des BMF Schreibens v. 18. Januar 2018 (BStBl. I S. 85), IV C 1 – S 2252/08/ 10004:027, BStBl. I S. 889. 387 Nach § 1 Abs. 1 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (v. 23. 6. 1993 (BGBl. I S. 944), in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 10. 2002 (BGBl. I S. 4130), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 10. 12. 2019 (BGBl. I S. 2115), im Folgenden SolZG 1995) i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 EStG wird ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Kapitalertragsteuer erhoben. Er beträgt gemäß § 4 Satz 1 SolZG 1995 derzeit 5,5 % der Bemessungsgrundlage. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags folgt der Behandlung der abzuziehenden und ab-
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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ertragsteuer388) verminderte Kapitalertrag. Der Gläubiger erlangt somit zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsgewalt über den auf Steuern entfallenden Betrag, sodass auch sein Steuerwiderstand gering ist.389 Gerade dies ist eine der wesentlichen Gesichtspunkte bei der Besteuerung an der Quelle, weil die Missbrauchsgefahr minimiert wird und das Steueraufkommen effektiv gesichert werden kann. Anschließend ist die einbehaltene Steuer nach § 44 Abs. 1 Satz 5 HS. 1 EStG jeweils bis zum zehnten des folgenden Monats an das Finanzamt abzuführen, das für die Besteuerung des Schuldners der Kapitalerträge, der den Verkaufsauftrag ausführenden Stelle oder der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle nach dem Einkommen zuständig ist.390 In diesem Fall kann sich je nach Zuflusszeitpunkt eine sehr unterschiedliche Zeitspanne ergeben, in der die einbehaltene Kapitalertragsteuer dem Kreditinstitut zur Verfügung steht. So muss es im günstigsten Fall eine Kapitalertragsteuer, die auf eine am 1. März eines Jahres zugeflossene Dividende anfällt, erst zum 10. April an das Finanzamt abführen. Fließt die Dividende hingegen am 31. März zu, muss ebenfalls bis zum 10. April abgeführt werden. In Abweichung davon sind Kapitalerträge i. S. v. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG (also insb. Dividenden) in dem Zeitpunkt abzuführen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen.391 Sie sind damit an dem Tag abzuführen, an dem die Kapitalerträge ausbezahlt werden.392 Werden sie nicht rechtzeitig abgeführt, entstehen qua Gesetz und verschuldensunabhängig Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 zuführenden Kapitalertragsteuer. Siehe D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 44 Rn. 18. 388 Siehe dazu oben § 3 A. III. 2. 389 B. Heuermann, Steuern erheben durch Beleihen?, StuW 1999, S. 349. 390 Die Abführung der Kapitalertragsteuer an das Finanzamt kann zudem nicht gestundet werden. Dies gilt selbst dann, wenn dem Kreditinstitut objektiv ein mit Sicherheit bestehender Steuererstattungsanspruch zusteht. Denn eine Stundung nach § 222 Satz 1 AO setzt voraus, dass es sich um Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis handelt. Das Steuerschuldverhältnis ist in § 37 AO normiert. Da der Anspruch des Fiskus gegen das Kreditinstitut auf Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer dort nicht genannt ist, stellt er damit kein stundungsfähiges Steuerschuldverhältnis dar. Siehe D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 44 Rn. 49. 391 Diese sofortige Abführungspflicht wurde erst durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze v. 21. 7. 2004 (BGBl. I S. 1753) eingeführt. Hintergrund war die Feststellung des Bundesrechnungshofs, dass Kreditinstitute aufgrund von automatisierten Datenverarbeitungssystemen in der Lage sind, die Kapitalerträge des Gläubigers schon am Tag des Zuflusses dem Konto des Gläubigers gutzuschreiben. Es wurde ferner festgestellt, dass durch die Ausnutzung des Zahlungszeitraums – die einer tatsächlichen Steuerstundung gleichkommt – Zinsaufwendungen beim Fiskus in Millionenhöhe anfallen. Durch eine sofortige Abführung können diese Aufwendungen vermieden werden. Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu einem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung v. 16. 6. 2004, BT-Drs. 15/3339, S. 13, Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof v. 18. 11. 2002, BT-Drs. 15/60, S. 232 f. 392 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 44 Rn. 51; OFD Koblenz v. 2. 2. 2005 betr. Kurzinformation der Steuergruppe St 3 – Einkommensteuer Nr. 015/05, S 2407 A, DB 2005, S. 531.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
AO.393 Bestehen Kapitalerträge ganz oder teilweise nicht in Geld (§ 8 Abs. 2 EStG) und reicht der in Geld geleistete Kapitalertrag nicht zur Deckung der Kapitalertragsteuer aus, hat der Gläubiger der Kapitalerträge dem zum Steuerabzug Verpflichteten (i. d. R. dem Kreditinstitut) den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen.394 Die Kreditinstitute trifft eine Anzeigepflicht an das für sie zuständige Betriebsstättenfinanzamt, sofern der Gläubiger dieser Verpflichtung nicht nachkommt.395 Das Finanzamt fordert die zu wenig entrichtete Steuer dann direkt vom Gläubiger nach.396 Exemplarisch soll das System des Kapitalertragsteuerabzugs anhand der folgenden Abbildung veranschaulicht werden. Dabei handelt es sich um ein Beispiel aus der Praxis, wie der Kapitalertragsteuerabzug in rechtstatsächlicher Hinsicht verwirklicht wird. Im Gegensatz zum Abzug von Kapitalertragsteuer bei Zinserträgen ist ein Abzug bei Dividendenzahlung deutlich komplexer, da mehrere Personen in das Verfahren eingebunden sind. Erläuterung: Die X-AG schüttet eine Dividende an ihre Aktionäre aus. Die Aktionäre sind damit Gläubiger der Kapitalerträge. Gleichzeitig haben sie ein Depot bei ihrem jeweiligen Kreditinstitut. Die Aktiendividende ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbares Kapitalvermögen. Es unterliegt nach § 43 Abs. 1 Nr. 1a EStG dem Steuerabzug vom Kapitalertrag, da die Aktien in der Praxis bei einem externen Dienstleister (Clearstream Banking AG397) liegen, und diesem als Wertpapiersammelbank398 zur Sammelverwahrung nach § 5 DepotG (Zentralverwahrung) anvertraut sind. Die Kosten dieser Dienstleistung sind vom Kreditinstitut zu tragen. Die Dividende fließt damit von der ausschüttenden X-AG an den externen Dienstleister (Clearstream) für die von diesem in Sammelverwahrung gehaltenen Aktien (physischer Zahlungsstrom mittels Überweisung). Von dort aus werden die Dividenden an die jeweiligen Kreditinstitute ausgezahlt (buchhalterischer Zahlungsstrom auf ein Dividendenabwicklungskonto beim Kreditinstitut), bei denen die Konten der Gläubiger der Kapitalerträge liegen. Damit befindet sich das steuerverstrickte Kapitalvermögen zunächst auf einem Konto des Kreditinstituts. Mit dem Zahlungsstrom geht gleichzeitig ein Informationsstrom einher. Die X-AG meldet hierbei die auszuschüttende Dividende an den WM Datenservice399, der sämtliche Informationen rund um die verschiedenen Finanzprodukte und Kapitalmaßnahmen verarbeitet und aufbereitet an die jeweiligen Kreditinstitute weiterleitet. Auch hierfür 393
Siehe dazu unten § 4 A. II. 6. c). Siehe § 44 Abs. 1 Satz 5 HS. 2 EStG. 395 Siehe § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG. 396 Siehe § 44 Abs. 1 Satz 9 EStG. 397 Die Clearstream Banking AG ist eine Tochtergesellschaft der Clearstream International S. A. und nimmt in Deutschland die Rolle einer Wertpapiersammelbank wahr. Insbesondere verwahrt sie in Deutschland zugelassene Wertpapiere deutscher Emittenten in Form von Sammelurkunden im Rahmen einer Girosammelverwahrung. Siehe dazu Kundenhandbuch für Kunden der Clearstream Banking Frankfurt, 2018, Teil 1 S. 1, 3, 5. 398 Siehe § 1 Abs. 3 DepotG. 399 Siehe oben § 3 A. I. 2. 394
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Abbildung 3: Zahlungsströme im Kapitalertragsteuerverfahren am Beispiel einer Dividendenausschüttung
haben die Kreditinstitute die Kosten zu tragen. Anschließend ist das Kreditinstitut zusammen mit seinen eigenen ermittelten Daten (z. B. ein erteilter Freistellungsauftrag) in der Lage, die entsprechende Kapitalertragsteuer (sowie Solidaritätszuschlag und Kirchenkapitalertragsteuer) zu berechnen und abzuziehen. Die Verpflichtung zum Abzug ergibt sich in diesem Fall aus § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 lit. a) EStG. Danach hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle400 den Steuerabzug vorzunehmen. Die abgezogene Steuer wird auf ein internes Konto „KapESt/Soli/ KiSt“ gebucht und zu den jeweiligen Stichtagen an das Finanzamt abgeführt. Daneben wird die um Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchenkapitaler400
Siehe oben § 3 A. I. 1.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
tragsteuer reduzierte Dividende dem Sichteinlagenkonto des Gläubigers der Kapitalerträge gutgeschrieben, auf das er jederzeit zugreifen kann.401 V. Die Pflichten der Kreditinstitute unter dem Einfluss der Abgeltungsbesteuerung und des Europarechts Wurde der Anwendungsbereich der Kapitalertragsbesteuerung vom Kreditinstitut geprüft, die zutreffende Bemessungsgrundlage und die daraus resultierende Höhe der Kapitalertragsteuer ermittelt, die Steuer abgezogen, einbehalten und letztlich an das Finanzamt abgeführt, stellt sich nun die Frage nach der Wirkung dieses Abzugs für das Besteuerungsverfahren für den Gläubiger der Kapitalerträge und das Kreditinstitut (1.). In diesem Zusammenhang ergeben sich Berührungspunkte zum Europarecht, die einer näheren Betrachtung bedürfen (2.). 1. Die Wirkung der Abgeltungsbesteuerung Die Wirkung der Abgeltungsbesteuerung ist ein weiteres Kernelement des Kapitalertragsteuerrechts. Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 1 EStG402 ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, „mit dem Steuerabzug abgegolten“. Dies bedeutet, dass eine Veranlagung im Grundsatz nicht mehr durchgeführt werden muss, der Gläubiger der Kapitalerträge demnach bezüglich seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen keine Steuererklärung mehr abzugeben braucht und insofern gegenüber dem Fiskus auch anonym bleiben kann.403 § 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 1 EStG fungiert daher als erhebungstechnisches „Scharnier“ zwischen dem Kapitalertragsteuerverfahren und dem Veranlagungsverfahren.404 Der Formulierung des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG entsprechend muss der Steuerabzug auch tatsächlich vorgenommen worden sein. Es reicht nicht, wenn ein solcher nur theoretisch möglich gewesen ist, das Kreditinstitut aber von einem Abzug abgesehen hat, da es irrtümlicherweise von einem Befreiungstatbestand ausgegangen ist.405 Auf der anderen Seite reicht es dem Wortlaut nach für 401 T. Schürmann/O. Langner, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 70 Rn. 2. 402 Neben dem gesonderten Steuersatz für private Kapitaleinkünfte (siehe dazu oben § 3 A. III. 1.) wird teilweise auch die darauf basierende abgeltende Wirkung nach § 43 Abs. 5 EStG als verfassungswidriger Verstoß gegen die „gleichheitsrechtlich verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Einkommensleistungsfähigkeit“ bewertet, siehe J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 87. 403 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. O 15. 404 C. Schmidt, Die Konturen der Abgeltungsteuer gemäß § 2 Abs. 5b, § 25 Abs. 1 und § 43 Abs. 5 S. 1 EStG, DStR 2018, S. 1201 (1203). 405 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 206. Lfg. 2010, § 43 Rn. O 14.
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die abgeltende Wirkung aus, wenn das Kreditinstitut den Steuerabzug vorgenommen, die Steuer aber nicht an das Finanzamt abgeführt hat. In einem solchen Fall kommt eine Haftung des Kreditinstituts für den nicht abgeführten Betrag in Betracht.406 Im Gegensatz zur vor der Einführung der Abgeltungsteuer geltenden Rechtslage407 handelt es sich ferner nicht mehr um eine anrechenbare Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld. Vielmehr erlischt der Steueranspruch des Fiskus und bringt den Steuerfall zum Abschluss.408 Die Veranlagung wird dabei nicht komplett verdrängt, was beispielweise der Antrag auf Günstigerprüfung sogleich zeigt. Vielmehr besteht ein Gleichlauf zwischen Kapitalertragsteuerabzugsverfahren nach §§ 43 ff. EStG und Veranlagungsverfahren nach §§ 25 ff. EStG,409 der die Abgeltungswirkung erst ermöglicht.410 Diese Regelungstechnik bringt damit die Erkenntnis, dass der Steuerabzug faktisch zu einer Veranlagung durch die Kreditinstitute führt.411 Dies war seitens des Gesetzgebers auch so gewollt. Das Verfahren sollte vereinfacht, die Finanzbehörden und der Gläubiger der Kapitalerträge entlastet werden.412 Gleichzeitig wurde damit die Verantwortung der Kreditinstitute erheblich gesteigert, werden sie doch in weiten Teilen ähnlich und anstelle einer Finanzbehörde tätig. Die abgeltende Wirkung greift allerdings nicht in allen Fällen. So kann sie ausgeschlossen sein, wenn ein Fall des § 43 Abs. 5 Satz 1 – 3 EStG vorliegt, also insbesondere, wenn die Kapitaleinkünfte nicht zum Privatvermögen gehören413 oder ein Antrag auf Günstigerprüfung414 gestellt wird. Dann hat der Gläubiger der Kapital406
Siehe dazu unten § 4 A. II. Siehe dazu oben § 2 A. 408 M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 114. 409 M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 91; J. Moritz/ J. Strohm, Kapitalertragsteuerabzug und Veranlagungsverfahren, in: dies., Handbuch Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, S. 359 (361). 410 M. Jachmann, Ermittlung von Vermögenseinkünften – Abgeltungsteuer, DStJG Band 34 2011, S. 251 (254 f.). 411 So auch Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 43 Rn. 4. 412 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 33; M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 11. 413 Siehe § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG. 414 Siehe § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG; der Antrag auf Günstigerprüfung bewirkt, dass gemäß § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften i. S. d. § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt. Dies ist dann der Fall, wenn der individuelle Steuersatz des Gläubigers der Kapitalerträge unter dem pauschalen Steuersatz für Kapitaleinkünfte von 25 % liegt. Bei der Vorschrift handelt es sich lediglich um eine gesetzgeberische Billigkeitsmaßnahme und nicht um eine Korrekturvorschrift bei rechtswidriger Einkommensteuerfestsetzung. Siehe BFH, Urt. v. 12. 5. 2015, VIII R 14/13, BFHE 250, S. 64 (67); BFH, Urt. v. 28. 1. 2015, VIII R 13/13, BFHE 249, S. 125 (128). 407
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
erträge eine Veranlagung durch Abgabe einer Steuererklärung durchzuführen.415 Sie greift auch dann nicht ein, wenn der Steuerabzug wegen fehlender Liquidität beim Gläubiger der Kapitalerträge nicht vom Kreditinstitut an das Finanzamt abgeführt werden kann416 und das Kreditinstitut dies dem Finanzamt angezeigt417 hat. Eine Abgeltungswirkung für Fehlbeträge kann dann nicht eintreten.418 2. Abgeltungsteuer als Form einer unionsrechtswidrigen mittelbaren Beihilfe zum Vorteil der Kreditinstitute Die nationale Gesetzgebung wird in immer größerem Maße vom europäischen Recht beeinflusst. Auch das deutsche Steuerrecht kann sich dieses Einflusses nicht erwehren. Wurden früher nationales Steuerrecht und Europarecht noch als „getrennte Hemisphären“ angesehen, steht heute außer Frage, dass auch das Steuerrecht kein europarechtsfreier Raum mehr ist.419 Zwar zählt die Steuergewalt als einer der Hauptbestandteile der Finanzhoheit zu den Kernbereichen mitgliedstaatlicher Souveränität,420 doch lässt sich durch geschickte Steuergesetzgebung der freie Verkehr im Binnenmarkt erheblich lenken und damit beeinträchtigen.421 Eine solche Beeinträchtigung des Binnenmarkts kann sich aus dem Sondertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen ergeben, der durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008422 eingeführt wurde. Problematisch ist dabei die im Gesetzentwurf angesprochene Förderung der Finanzbranche. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung der Abgeltungsteuer „die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes […] verbessern.“423 Das Abwandern von Kapital ins Ausland sollte verhindert und die Finanzbranche dadurch gestärkt werden.424 Dieser wirtschaftspolitisch motivierte Lenkungszweck ist an sich nicht unzulässig, beruht er durch die Angabe im Gesetzentwurf auf einer vom BVerfG geforderten eindeutigen 415
Zu weiteren Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz siehe M. Jachmann-Michel, Zur Abgeltungsteuer: Erste Rechtsprechungslinien und offene Fragen, StuW 2018, S. 9 (22 ff.). 416 Siehe § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG. 417 Siehe § 44 Abs. 1 Satz 10 EStG. 418 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 197. Lfg. 2017, § 43 Rn. 199. 419 J. Kokott/H. Ost, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, EuZW 2011, S. 496. 420 EuGH, Urt. v. 27. 2. 1985, 55/83, Slg. 1985, S. 691 (694 f.); T. Oppermann/C. Classen/ M. Nettesheim, Europarecht, 8. Aufl. 2018, S. 587. 421 T. Oppermann/C. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 8. Aufl. 2018, S. 577 f. 422 Siehe dazu oben § 2 B. 423 Gesetzentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 27. 3. 2007, BTDrs. 16/4841, S. 60. 424 Siehe dazu auch K. Tipke, Steuergerechtigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Folgerichtigkeitsgebots, StuW 2007, S. 201 (209), der diesen Zweck als „nicht ausreichende[n], zu unbestimmte[n] Gemeinplatz“ beschreibt.
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Bekundung dieses Zwecks durch den Gesetzgeber.425 Bedenklich ist dabei allerdings, dass der Lenkungszweck ausschließlich auf eine Förderung der inländischen Finanzbranche abzielt.426 Mit der Einführung der Abgeltungsteuer sollen Privatkunden wieder vermehrt dazu ermutigt werden, ihr Kapital bei inländischen Kreditinstituten anzulegen. Dieser Lenkungszweck zieht den Blick des europäischen Beihilfenrechts auf sich. Das Beihilferecht führte lange Zeit ein Schattendasein im nationalen Steuerrecht.427 Denn sofern steuerliche Normen belastende Wirkung entfalten, sind sie beihilferechtlich grundsätzlich irrelevant. Anders kann es sich hingegen verhalten, wenn einem bestimmten Adressatenkreis (sog. Selektivität der begünstigenden Maßnahme) Steuererleichterungen gewährt werden.428 In diesem Fall kann auch nationales Steuerrecht „durch die Hintertür des Beihilferechts“ Prüfungsgegenstand europäischen Rechts werden. Unter Beihilfen i. S. v. Art. 107 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union429 werden gemeinhin Maßnahmen beschrieben, die gleich in welcher Form (Tun oder Unterlassen) die Belastungen verringern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.430 Dabei hat das EuG entschieden, dass eine staatliche Beihilfe auch dann vorliegen kann, wenn sie nicht direkt an ein Unternehmen fließt, sondern indirekt über eine entsprechende Schaffung von Anreizen beim Verbraucher, hier also beim potentiellen Anleger.431 Zudem kommt es 425
Siehe u. a. BVerfG, Urt. v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 (357 f.); BVerfG, Beschl. v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 (151 f.); BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1 (32). 426 J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 63. 427 A. Schnitger, Der Einfluss des Beihilferechts auf die direkten Steuern in Deutschland, iStR 2017, S. 421. 428 A. Musil, Europäisches Beihilferecht und nationales Steuerrecht, FR 2014, S. 953. 429 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union v. 1. 12. 2009 (Abl. EG Nr. C 115, S. 47), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft v. 24. 4. 2012 (ABl. EU L 112, S. 21), im Folgenden AEUV. 430 W. Cremer, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 Rn. 10; inzwischen hat die Europäische Kommission mit Bekanntmachung v. 19. 7. 2016, ABl. Nr. C 262, S. 1, Auslegungshinweise zum Beihilfebegriff erlassen, in denen sie auf alle einzelnen Tatbestandsmerkmale ausführlich eingeht (siehe Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Die Auslegung der Kommission kann aber keine Verbindlichkeit hervorrufen. Sie ist in der Praxis allerdings eine wichtige Erkenntnisquelle und kann bei der Auslegung herangezogen werden, siehe U. Soltész, Die Entwicklung des europäischen Beihilferechts in 2016, EuZW 2017, S. 51 (55). 431 Siehe dazu EuG, Urt. v. 15. 6. 2010, T-177/07, Slg. 2010 II, S. 2347 ff. – Mediaset; das EuG entschied in diesem Fall, dass auch ein staatlich gewährter Zuschuss an Verbraucher zu deren Erwerb eines digitalen terrestrischen Decoders eine unzulässige Beihilfe zugunsten der entsprechenden Anbieter solcher Fernsehsignale darstellen kann. Die Entscheidung zeigt einen klassischen Fall einer nur mittelbaren Beihilfe, die von der Wirkung her einer un-
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bei der Qualifizierung als Beihilfe maßgeblich auf die erzielte Wirkung an und nicht auf die eigentlichen Gründe und Ziele deren Gewährung.432 Legt man den genannten Beihilfebegriff zugrunde, stellt sich die Frage, inwieweit sich die gesetzgeberische Intention der Förderung der Finanzbranche, insbesondere der Kreditinstitute, tatsächlich verwirklichte. Es müsste nachgewiesen werden, dass die für potentielle Kapitalanleger durch den gesonderten Steuersatz i. H. v. 25 % geschaffenen Anreize, Kapitalvermögen bei inländischen Kreditinstituten anzulegen, zu einer erhöhten Auftragslage bei den Kreditinstituten führten, die dadurch einen finanziellen Vorteil erlangten. Dieser Nachweis kann mangels konkreter, empirisch belastbarer Zahlen nicht erfolgreich geführt werden.433 Die Erwartungen an die Abgeltungsteuer blieben in dieser Hinsicht unerfüllt.434 Das verdeutlicht die folgende Abbildung, die sich auf die Steuereinnahmen aus der Abgeltungsteuer in den vergangenen Jahren bezieht.
mittelbaren Beihilfe gleichkommen kann und sich an den beihilferechtlichen Regelungen der Art. 107 ff. AEUV messen lassen muss. 432 W. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 Rn. 10. 433 J. Englisch, Die Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge – ein verfassungswidriger Sondertarif, 2016, S. 65; C. Schmidt/A.-K. Eck, Quo vadis, Abgeltungsteuer? – eine Zwischenbilanz auf Basis von zehn Thesen zu den Zielen ihrer geistigen Väter, RdF 2012, S. 251 (261). Solche indirekten Beihilfen zutreffend zu quantifizieren, ist eine in der Praxis äußerst schwierige Aufgabe. Die Behandlung dieses Problems ist noch weitgehend ungelöst (siehe U. Soltész/M. Hellstern, „Mittelbare Beihilfen“ – Indirekte Begünstigungen im EU-Beihilferecht, EuZW 2013, S. 489 (493)). 434 So im Ergebnis auch der Antrag des Landes Brandenburg auf Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer v. 27. 10. 2016, BR-Drs. 643/16 in dem es heißt: „Die Einführung der Abgeltungssteuer hat nicht zu den ihr ursprünglich zugeschriebenen positiven fiskalischen Effekten geführt. Vielmehr konnten Steuermehreinnahmen aus Kapitalvermögen in erster Linie deshalb generiert werden, weil den Finanzbehörden wiederholt Kontodaten von in- und ausländischen Banken bekannt wurden“ und ferner: C. Klotz, Die Abgeltungsteuer, 2016, S. 240, wonach sich der Steuersatz für Einkünfte aus Kapitalvermögen bei einem EU Vergleich ohnehin im oberen Bereich befindet, so dass auch aus dieser Perspektive keine Anreize bestehen, Kapital nach Deutschland zu verlegen.
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Abbildung 4: Steueraufkommen aus der Abgeltungsteuer435
Es zeigt sich, dass die Einnahmen trotz Einführung der Abgeltungsteuer weitgehend konstant blieben. Eine nachhaltige Steigerung der Einnahmen blieb aus. Dies stellt ein Indiz dafür dar, dass sich die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, potentiellen Anlegern einen Anreiz zu schaffen, Kapital zu inländischen Kreditinstituten zu verschieben, nicht verwirklicht hat und demnach auch die Finanzbranche in finanzieller Hinsicht nicht in einem messbaren Umfang mittelbar gestärkt wurde. In der Konsequenz ist die Annahme einer Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV abzulehnen. Für die Kreditinstitute ist dieses Ergebnis letztlich positiv. Denn sie sehen sich keinen Rückforderungsansprüchen wegen rechtswidrig erlangter Beihilfen ausgesetzt. Solche Ansprüche wären bei Bejahung einer Beihilfe die Folge. Die EU Kommission würde den Mitgliedstaat im Wege einer Rückforderungsentscheidung (sog. Negativbeschluss) gemäß Art. 16 Abs. 1 VerfVO436 dazu verpflichten, die Beihilfe – samt Zinsen437 – nach nationalem Verwaltungsverfahrens435
Angelehnt an C. Dürr, Die Abschaffung der Abgeltungsteuer – und was kommt dann?, BB 2017, S. 854 (855); Daten entnommen aus der Zusammenstellung der kassenmäßigen Steuereinnahmen nach Steuerarten in den Kalenderjahren 2010 – 2017; siehe http://www.bun desfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Ste-uerschaetzun gen_und_Steuereinnahmen/2017-05-05-steuereinnahmen-nach-steuerarten-2010-2016. pdf;jsessionid=5C251F4 A68 A168563952B6952D93B0B9?blob=publicationFile&v=5 sowie Online Datenbank des Statistischen Bundesamts, abrufbar unter www-genesis.destatis.de/genesis/online, unter dem Auswahl Code 71211-0001. Eine exakte Bestimmung der Höhe der Abgeltungsteuer ist nicht möglich, da das Statistische Bundesamt einen Teil der hier aufgeführten Beträge unter der Steuerart „Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ behandelt. Darunter fallen zwar größtenteils Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer nach §§ 43 ff. EStG unterliegen, doch sind auch Erträge u. a. aus der Bauabzugsteuer bzw. der Aufsichtsratsteuer enthalten. Laut BMF beträgt die auf Dividenden anfallende Kapitalertragsteuer allerdings ca. 98 bis 99 %; siehe J. Lemmer, Abgeltungsteuer erhalten: Mehrbelastungen für Sparer vermeiden, DSi Sonderinformation Nr. 4 2016, S. 1 (14). 436 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates der Europäischen Union über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union v. 13. 7. 2015, Abl. Nr. L 248/9 v. 24. 9. 2015, S. 1. 437 Gemäß Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 des Rates der Europäischen Union über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
recht zurückzufordern,438 wodurch bei den betroffenen Kreditinstituten erhebliche finanzielle Belastungen hervorgerufen werden könnten. Zudem könnte sich das betroffene Kreditinstitut nur schwer auf Vertrauensschutz berufen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH trifft den Empfänger einer Beihilfe die Pflicht, sich bei der Kommission zu informieren, ob es sich um eine zu notifizierende Beihilfe handelt.439 Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, ist die Berufung auf Vertrauensschutz grundsätzlich präkludiert. VI. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Prüfung einer möglichen Abstandnahme vom Steuerabzug Kreditinstitute sind nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG verpflichtet, bei einem steuerpflichtigen Vorgang die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen.440 Daneben gibt es Reihe von Fällen, in denen das Kreditinstitut – trotz Erfüllung eines Besteuerungstatbestands441 – keinen Steuerabzug vorzunehmen hat. Diesen ist gemeinsam, dass von vornherein berücksichtigt wird, dass am Ende keine Kapitalertragsteuer anfallen wird.442 Wurde etwa seitens des Gläubigers der Kapitalerträge ein Freistellungsauftrag (1.) erteilt oder liegt eine Nichtveranlagungsbescheinigung (2.) vor, müssen die Kreditinstitute vom Steuerabzug Abstand nehmen. Daneben bestehen noch weitere Tatbestände, bei denen ein Steuerabzug ebenfalls zu unterbleiben hat (3.). 1. Der Freistellungsauftrag a) Grundfunktion Der Freistellungsauftrag nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG hat zwei Wirkungen. Im Großteil der Fälle ist er ein Auftrag des Gläubigers der Kapitalerträge an das Kreditinstitut, bis zu dem im Antrag angegebenen Betrag (maximal 801 EUR443) keine Kapitalertragsteuer bei den in § 44a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten begüns-
über die Arbeitsweise der Europäischen Union v. 13. 7. 2015, Abl. Nr. L 248/9 v. 24. 9. 2015, S. 1. 438 T. Oppermann/C. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 8. Aufl. 2018, S. 380 f. 439 EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997, C-24/95, Slg. 1997 I, S. 1607 (1617) – Alcan; danach ist es „einem sorgfältigen Gewerbetreibenden […] regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, daß dieses Verfahren eingehalten wurde.“ 440 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. 441 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44a Rn. A 3. 442 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44a Rn. A 1. 443 Siehe § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG, sog. Sparer-Pauschbetrag.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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tigten Kapitalerträgen444 abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen.445 Alternativ kann das Kreditinstitut auch beauftragt werden, die Erstattung der Kapitalertragsteuer beim BZSt zu beantragen. Dabei muss jeweils eine Identität des Kontoinhabers mit dem Gläubiger der Kapitalerträge im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge bestehen.446 Dem Freistellungsauftrag kommt eine verfahrenstechnisch wichtige Funktion zu. Durch die Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags bereits auf Ebene des Kreditinstituts sollen Veranlagungen, die lediglich zu einer Kapitalertragsteuererstattung bzw. einer Anrechnung auf eine möglicherweise verbleibende, noch zu entrichtende Einkommensteuer führen, bestenfalls schon vorab verhindert werden.447 Diese Verfahrensvereinfachung auf Seiten der Finanzverwaltung bedeutet aber gleichzeitig einen erheblichen Mehraufwand auf Seiten der Kreditinstitute, die für die Bearbeitung der Freistellungsaufträge verantwortlich sind.448 Die Kosten dieses Mehraufwands können sie auch nicht direkt an ihre Kunden weitergeben.449 Der Gläubiger der Kapitalerträge ist jedoch nicht verpflichtet, einen Freistellungsauftrag zu erteilen. Erteilt er ihn nicht, zieht das Kreditinstitut die volle Kapitalertragsteuer ab. Der Sparer-Pauschbetrag kann dann im Wege der Veranlagung beim Finanzamt geltend gemacht werden. Erteilt er den Freistellungsauftrag, wird vom Steuerabzug in Höhe des erteilten Betrags Abstand genommen und nur der Betrag abgeführt, der über den Freistellungsauftrag hinausgeht. b) Rechtliche Einordnung Früher war umstritten, wie der Freistellungsauftrag an das Kreditinstitut rechtlich zu qualifizieren ist. Zum einen wurde angenommen, es handle sich um ein privatrechtliches Auftragsverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde.450 Immerhin spricht der Wortlaut des § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG von einem „Auftrag“. Andere
444 445
Rn. 3.
Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 44a Rn. 2. Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44a
446 Siehe § 44a Abs. 6 Satz 1 EStG. Ist dem Kreditinstitut die Identität nicht bekannt, so etwa bei Tafelgeschäften, ist eine Abstandnahme vom Steuerabzug unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorgelegt wird; siehe M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 44a EStG, Rn. 47. 447 Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 44a Rn. 1. 448 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44a Rn. A 4. Siehe dazu auch unten § 4 D. II. 3. 449 So der BGH für die Erhebung einer Gebühr für die Bearbeitung von Freistellungsaufträgen in AGB; siehe BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261. Danach hat das Kreditinstitut diese Kosten vielmehr durch die im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreise zu erwirtschaften. Siehe dazu auch unten § 6 B. II. 3. c) cc) (3). 450 So das LG Mannheim, Urt. v. 25. 8. 1995, 5 O 174/95, ZIP 1995, S. 1506.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
gingen von einem öffentlich-rechtlichen Charakter aus.451 Diese Einordnung ist nicht nur rein theoretischer Natur, da sich daran die Frage anschließt, ob Kosten für die Entgegennahme und Bearbeitung des Freistellungsauftrags erhoben werden können.452 Der BGH hat letzterer Ansicht den Vorzug gegeben.453 Mit der Verwaltung von Freistellungsaufträgen erfüllen die Kreditinstitute eine vom Staat im öffentlichen Interesse auferlegte Pflicht. Die Verpflichtung zum Abzug und Einbehalt der Kapitalertragsteuer schließt die Pflicht, Freistellungsaufträge zu bearbeiten, mit ein.454 Diese einfachrechtliche Fragestellung ist von der Frage, ob diese Verpflichtung der Kreditinstitute noch zulässig ist, zu trennen. Denn letztere ist allein anhand des Verfassungsrechts zu beurteilen.455 c) Form, Inhalt und zeitliche Geltung des Freistellungsauftrags Der Freistellungsauftrag muss dem Kreditinstitut schriftlich und nach amtlich vorgeschriebenem Muster456 erteilt werden, wobei jede Änderung des Freistellungsauftrags gleichermaßen dieser Form Bedarf.457 Auch kann ein Freistellungsauftrag mit Wirkung zum Ende eines Kalenderjahres befristet oder widerrufen werden.458 Wird er unterjährig geändert, muss das Kreditinstitut darauf achten, dass die Änderung nur so weit reicht, wie das Freistellungsvolumen noch nicht ausgeschöpft wurde. Soweit es bereits ausgeschöpft wurde, kann es nicht mehr geändert werden.459 Wird ein Freistellungsauftrag auf mehrere Kreditinstitute verteilt, muss pro Kreditinstitut jeweils ein eigener Freistellungsautrag erteilt werden. Jeder Freistellungsauftrag muss nach § 44a Abs. 3 EStG vom Kreditinstitut aufbewahrt 451
So M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997 S. 1997 (1999), der von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Kontrahierungszwang ausgeht. Nach Hey soll es sich hingegen nicht um einen öffentlichrechtlichen Vertrag handeln. Vielmehr erweise sich der Freistellungsauftrag als Teil des zivilrechtlichen Vertrags des Kreditinstituts mit dem Kunden, der sich aus der öffentlichrechtlichen Verpflichtung im Wege eines Kontrahierungszwangs ergibt. Siehe J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (502). 452 S. Eisendick, Der Freistellungsauftrag – gesetzliches Niemandsland, FR 1998, S. 49 (50); zur Frage der Abwälzbarkeit der Kosten auf den Kunden siehe auch unten § 6 B. II. 3. c) cc) (3). 453 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261. 454 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 (265). 455 BVerfG, Beschl. v. 28. 8. 2000, 1 BvR 1821/97, NJW 2000, S. 3635 ff.; siehe dazu unten § 6. 456 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Anlage 2. 457 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 260. 458 U.-C. Dißars, in: Lademann, EStG, Nachtrag 245 2019, § 44a Rn. 115; F. Steinlein/ A. Storg/H.-J. Tischbein, Die Abgeltungsteuer in der Praxis, 2009, S. 152. 459 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 258.
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werden.460 Allein schon aus diesen Möglichkeiten ist ersichtlich, welcher Verwaltungsaufwand dadurch hervorgerufen wird. Die inhaltlichen Anforderungen des Freistellungsauftrags ergeben sich vorwiegend aus dem amtlichen Muster.461 Neben den üblichen Angaben ist darüber hinaus nach § 44a Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend die Identifikationsnummer462 des Gläubigers der Kapitalerträge erforderlich.463 Liegt sie nicht vor, ist der Freistellungsauftrag unwirksam und darf von den Kreditinstituten nicht ausgeführt werden. Dabei sind die Kreditinstitute aber nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Identifikationsnummer zu überprüfen. Auch bei fehlerhafter Angabe der Nummer durch den Gläubiger darf der Freistellungsauftrag ausgeführt werden.464 Zwar haben die Kreditinstitute darauf zu achten, dass der Freistellungsauftrag richtig ausgefüllt wird, doch dürfen sie bezüglich der Angaben des Gläubigers der Kapitalerträge dessen Angaben vertrauen. Haftungsfolgen nach § 44 Abs. 5 EStG treten erst ein, sofern dem Kreditinstitut die fehlerhaften Angaben positiv bekannt oder grob fahrlässig unbekannt geblieben sind.465 Ferner stellt sich für das Kreditinstitut die Frage, wie lang ein erteilter Freistellungsauftrag seine Gültigkeit behält. Maßgeblich ist dabei, was der Gläubiger der Kapitalerträge im Freistellungsauftrag angekreuzt hat. Hat er ein konkretes Geltungsdatum angegeben, ist der zeitliche Geltungsbereich unproblematisch. Meist wird er jedoch die Variante wählen, dass der Freistellungsauftrag „so lange [gilt], bis Sie einen anderen Auftrag von mir/uns erhalten“.466 Er läuft damit unbefristet und verlängert sich jedes Jahr erneut.467 Wird die Kundenbeziehung beendet, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf den – unbefristet weiterlaufenden – Freistellungsauftrag hat. 460 Dabei ist grundsätzlich das Original bzw. eine beglaubigte Kopie des Freistellungsauftrags aufzubewahren; siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 256. Eine einfache Kopie reicht nur aus, wenn der Mitarbeiter des Kreditinstituts das Original zumindest selbst gesehen hat und die Übereinstimmung von Original und Kopie bescheinigt, siehe OFD Karlsruhe Vfg. v. 24. 06. 2002 betr. Ausstellung von Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungsbescheiden, S 2299a – A – St 335, StEd 2002, S. 606. 461 Siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Anlage 2. 462 Siehe § 139b AO. 463 Denn nach § 44a Abs. 2 Satz 2 EStG ist ein Freistellungsauftrag ab dem 1. 1. 2016 unwirksam, wenn dem BZSt keine Identifikationsnummer des Gläubigers der Kapitalerträge vorliegt. 464 A. Storg, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 185. Lfg. 2015, § 44a Rn. 43e. 465 Siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 263. 466 Siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Anlage 2. 467 S. Eisendick, Der Freistellungsauftrag – gesetzliches Niemandsland, FR 1998, S. 49 (53).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Nach Ansicht der Finanzverwaltung, die sich der Empfehlung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände anschloss, soll das Kreditinstitut zunächst beim Kunden anfragen, ob es den erteilten Freistellungsauftrag ebenfalls mit Ende des Kalenderjahres, in dem die Kundenbeziehung endet, auslaufen lassen soll.468 Erst falls dies erfolglos sein sollte, dürfe das Kreditinstitut von einer konkludenten Rücknahme des Freistellungsauftrags ihres Kunden für die Folgejahre ausgehen. Bis dahin habe jedoch eine Meldung an das BZSt469 noch zu erfolgen. Dieser Ansicht ist entgegenzutreten. Zum einen stellt sich schon die Frage der Praktikabilität dieser Lösung in der Praxis. Ab wann kann das Kreditinstitut von einem erfolglosen Kontaktieren ihres Kunden ausgehen? Wie und wie oft muss es den Kunden zu erreichen versuchen? Schon diese Aspekte rufen eine nicht notwendige Unsicherheit hervor. Zum anderen obliegt die steuerliche Gestaltung allein dem Gläubiger der Kapitalerträge. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, wie und vor allem wann er seine Freistellungsaufträge welchen Kreditinstituten erteilt. Das ist nicht die Aufgabe der Kreditinstitute. Diese sind für die Einhaltung des Verfahrens zuständig. Die Beendigung eines Freistellungsauftrags hat wie die Erteilung als actus contrarius ausschließlich vom Gläubiger der Kapitalerträge zu erfolgen. Eine Pflicht des Kreditinstituts, beim Kunden nachfragen zu müssen, wie er mit seinem Freistellungsauftrag weiter verfahren wolle, kann dem Gesetz nicht entnommen werden und ist daher abzulehnen. Schließlich spricht auch die schlichte Auslegung der Willenserklärung für eine Beendigung auch des Freistellungsauftrags mit Beendigung der Kundenbeziehung, zumindest, wenn es sich um eine Kündigung seitens des Kunden handelt. Aus Sicht des Kreditinstituts ist die Äußerung des Kunden so zu verstehen, dass alle Beziehungen beendet werden, wobei der Freistellungsauftrag einen Teil dieser Rechtsbeziehung darstellt. Dies hat letztlich die Konsequenz, dass das Kreditinstitut vom Freistellungsauftrag ab Beendigung des Vertrags mit dem Kunden keinen Gebrauch mehr machen darf und dazu verpflichtet ist, die Kapitalertragsteuer abzuziehen, sofern der Kunde keinen ausdrücklich anderen Willen äußert. Anders als nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt dies nicht erst für die Folgejahre. d) Gemeinsamer Freistellungsauftrag und Freistellungsauftrag im Todesfall Die Behandlung von gemeinsamen Freistellungsaufträgen470 und der Freistellungsauftrag im Todesfall471 können weitere Probleme bei den Kreditinstituten 468 OFD München Vfg. v. 27. 9. 1996 betr. Beendigung eines Freistellungsauftrags, S 2404 – 20 St 42, DB 1996, S. 2204. 469 Nach § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) EStG; siehe dazu auch unten § 3 A. IX. 1. 470 Nach § 20 Abs. 9 Satz 2 EStG haben Ehegatten ein gemeinsames Freistellungsvolumen i. H. v. 1.602 EUR und können daher einen gemeinsamen Freistellungsauftrag erteilen. Dieser gilt dann sowohl für Gemeinschaftskonten als auch für Konten und Depots, die nur auf
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hervorrufen.472 Beispielhaft sei hier in Bezug auf den Freistellungsauftrag insbesondere auf den gemeinsamen Freistellungsauftrag als Voraussetzung für die Verlustverrechnung nach § 43a Abs. 3 Satz 2 HS. 2 EStG473 und die Behandlung von Freistellungsaufträgen im Jahr der Eheschließung bzw. Ehebeendigung474 hingewiesen. Beim Tod eines Gläubigers der Kapitalerträge erlischt der Freistellungsauftrag. Erfährt das Kreditinstitut erst nach Abzug der Kapitalertragsteuer vom Tod des Gläubigers, muss der Abzug nicht nachgeholt werden.475 e) Mitteilungspflichten beim Freistellungsauftrag Nach § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat das Kreditinstitut dem BZSt regelmäßige Mitteilungen zu machen. Danach müssen an das BZSt die Kapitalerträge übermittelt werden, für die ein Freistellungsauftrag erteilt und deshalb vom Steuerabzug Abstand genommen wurde oder bei denen aufgrund des Freistellungsauftrags gemäß § 44b Abs. 6 Satz 4 EStG die Kapitalertragsteuer erstattet wurde.476 Darüber hinaus müssen auch solche Kapitalerträge mitgeteilt werden, bei denen die Erstattung von Kapitalertragsteuer beim BZSt beantragt worden ist.477 Die Regelung bezweckt eine Überprüfung der in Anspruch genommenen Freistellungsvolumina478 und will verhindern, dass mehr als der gesetzlich vorgegebene Freistellungsbetrag geltend gemacht wird.479 Der inhaltliche und zeitliche Rahmen dieser Verpflichtung ergibt sich mittels Verweisung aus § 93c Abs. 1 AO. Danach muss das Kreditinstitut die relevanten Daten nach Ablauf des Besteuerungszeitraums bis zum letzten Tag des Monats Februar des folgenden Jahres an das BZSt übermitteln.
den Namen eines Ehegatten geführt werden, siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 261. 471 Siehe dazu insbesondere F. Harenberg, Freistellungsaufträge im Erbfall, ErbStB 2003, S. 134. 472 Zur näheren Beleuchtung dieser Problemkreise siehe u. a. BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 266 ff.; E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44a Rn. C 4 ff. 473 Siehe dazu oben § 3 A. II. 3. 474 S. Eisendick, Der Freistellungsauftrag – gesetzliches Niemandsland, FR 1998, S. 49 (56 ff.). 475 BMF Schreiben v. 2. 2. 1993 betr. Einzelfragen zur Anwendung des Zinsabschlaggesetzes, IV B 4 – S 2000 – 280/92, DB 1993, S. 813 (814). 476 § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) EStG. 477 § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) EStG. 478 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2020, § 45d EStG Rn. 1. 479 Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 45d Rn. 1.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
f) Verbesserungsmöglichkeiten beim Freistellungsauftrag Es lässt sich konstatieren, dass die mit den Freistellungsaufträgen zusammenhängende Bearbeitung, Verwaltung und Durchführung eine erhebliche Belastung für die Kreditinstitute darstellt.480 Im Hinblick auf die Bestrebungen, das Steuerrecht zu modernisieren und zu vereinfachen, muss auch in diesen Bereichen nach Lösungen gesucht werden, die Lasten der Kreditinstitute zu reduzieren. Der dem Freistellungsauftrag zugrundeliegende Gedanke, niedrige Kapitalerträge keinem Steuerabzug zu unterstellen, ist völlig richtig. Man kann diesen Gedanken allerdings weiterdenken und das Verfahren insoweit fortentwickeln. Daher wird im Folgenden ein neues Modell zur Diskussion gestellt, das einen Beitrag zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Bereich der Besteuerung privater Kapitalerträge leisten soll. aa) Ausgangsüberlegung Ausgangsüberlegung ist die Konstellation, dass eine Vielzahl von Bürgern durch ein Konto bei einem Kreditinstitut – gerade in Zeiten von Niedrigzinsen – nur sehr geringe Zinserträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG generieren. Diese Zinsen unterliegen de lege lata nach § 43 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Kapitalertragsteuer,481 sodass das Kreditinstitut verpflichtet ist, sie abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen.482 Diese Pflicht besteht unabhängig von der Höhe der erzielten Einkünfte und damit auch bei nur minimalsten Erträgen, die in der Praxis jedoch häufig vorkommen. Gerade für diese Fälle wurde der Freistellungsauftrag geschaffen, der einen Abzug der Kapitalertragsteuer bis zu einem Betrag von 801 EUR ausschließt. Das Kreditinstitut nimmt vom Steuerabzug aber nur dann Abstand, wenn ein Freistellungsauftrag erteilt wurde. Die Praxis zeigt jedoch auch, dass von vielen Gläubigern ein solcher nicht erteilt wird, da vielen Bürgern die Existenz, der Sinn und Zweck eines Freistellungsauftrags sowie der formale Weg zur Erteilung eines Freistellungsauftrags nicht bekannt sind. Die Konsequenz ist, dass das Kreditinstitut auch bei niedrigen Kapitalerträgen einen Steuerabzug vornehmen muss und sich der Gläubiger die für ihn abgeführte Steuer wieder im Rahmen einer Veranlagung vom Finanzamt zurückholt. Und selbst wenn ein Freistellungsaufwand für solche Kleinbeträge gestellt wird, muss dieser vom Kreditinstitut verarbeitet werden, wodurch ebenfalls ein Aufwand entsteht. Dadurch entsteht letztlich für alle am Besteuerungsverfahren Beteiligte ein Mehraufwand, der vermeidbar ist. 480
Zu den entsprechenden Steuerverwaltungskosten siehe unten § 4 D. Die vor dem Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 geltende Fassung des § 43 EStG sah in Abs. 1 Nr. 7 lit. b) a. E. noch Ausnahmen bzw. Bagatellregelungen vor, bei denen vom Steuerabzug Abstand genommen wurde. Diese sind aber vom hier vorgestellten Modell zu unterscheiden, da von einem Sparer-Pauschbetrag Gebrauch gemacht wird und die erfassten Kapitalerträge – im Gegensatz zu den Bagatellregelungen – auch nicht im Rahmen einer Veranlagung erklärt werden müssen, sofern das Freistellungsvolumen eingehalten wurde. 482 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3./IV. 481
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bb) Konkreter Änderungsvorschlag de lege ferenda Um diesen Mehraufwand zu reduzieren, kann erneut ein Gedanke aus dem Lohnsteuerverfahren herangezogen werden. Dort bestimmt § 9a Satz 1 Nr. 1 a) EStG, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit ein Arbeitnehmerpauschbetrag von 1.000 EUR für Werbungskosten abgezogen wird, sofern nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Ausweislich der Gesetzesformulierung muss hierfür kein Antrag gestellt werden. Der ArbeitnehmerPauschbetrag wird vom Arbeitgeber unabhängig vom Mitwirken des Arbeitnehmers beim Lohnabzug berücksichtigt. Die Norm dient der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens483 und kann vom Grundgedanken her modifiziert auf das Kapitalertragsteuerverfahren übertragen werden. Es wird daher de lege ferenda vorgeschlagen, eine Pauschalabstandnahme von 100 EUR in das Gesetz einzufügen. Dieser Betrag erscheint angemessen, um einerseits den Großteil der geringen Kapitalerträge zu erfassen, und andererseits dem Gläubiger der Kapitalerträge noch genügend Flexibilität hinsichtlich der Verteilung seiner Freistellungsvolumina auf mehrere Kreditinstitute zu belassen. Die Änderung hat in § 44a EStG zu erfolgen und könnte wie folgt vorgenommen werden: „§ 44a Abstandnahme vom Steuerabzug. […] (2) 1Voraussetzung für die Abstandnahme vom Steuerabzug nach Absatz 1 ist, dass dem nach § 44 Absatz 1 zum Steuerabzug Verpflichteten in den Fällen 1. des Absatzes 1 Satz 1 ein Freistellungsauftrag des Gläubigers der Kapitalerträge für Kapitalerträge, die den Betrag von 100 Euro übersteigen, nach amtlich vorgeschriebenem Muster oder 2. […] vorliegt. 2 In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 ist vom Steuerabzug insoweit Abstand zu nehmen, als der Gläubiger der Kapitalerträge dies beim zum Steuerabzug Verpflichteten beantragt; in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 ist die Bescheinigung unter dem Vorbehalt des Widerrufs auszustellen.“
Daneben bedarf es seitens der Finanzverwaltung einer entsprechenden Anpassung des amtlichen Musters eines Freistellungsauftrags. Insbesondere ist der Gläubiger der Kapitalerträge darauf hinzuweisen, dass ein gesetzliches Grundfreistellungsvolumen i. H. v. 100 EUR besteht und darauf zu achten ist, dass – sofern das volle Freistellungsvolumen i. H. v. 801 EUR bereits erreicht wurde – eine entsprechende Anpassung der bereits erteilten Freistellungsaufträge erfolgt, bevor ein neues Konto bei einem anderen Kreditinstitut eröffnet wird, wodurch wiederum ein gesetzliches Freistellungsvolumen i. H. v. 100 EUR entstünde. Aus der neuen Formulierung wird e contrario deutlich, dass die zum Steuerabzug Verpflichteten von einem Kapitalertragsteuerabzug unabhängig von einem erteilten Freistellungsauftrag Abstand nehmen können, sofern die vom Gläubiger erzielten Kapitalerträge den Betrag 483 B. Thürmer, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 142. Lfg. 2018, § 9a EStG Rn. 3.
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von 100 EUR nicht übersteigen. Auf das gesetzlich vorgesehene Mindestfreistellungsvolumen kann der Gläubiger der Kapitalerträge durch entsprechenden Antrag an das Kreditinstitut nach § 44a Abs. 2 Satz 2 HS. 1 EStG n. F. auch verzichten. Dann hat das Kreditinstitut auch bei diesen Kapitalerträgen einen Steuerabzug vorzunehmen. Dem Gläubiger der Kapitalerträge gewährt dies einen gewissen steuerlichen Gestaltungsspielraum, vor allem in den Fällen, in denen er erwartet, mit seinen Kapitalerträgen unter dem Mindestfreistellungsvolumen zu bleiben. cc) Konsequenzen der neuen Regelung für die Beteiligten im Besteuerungsverfahren Eine solche Gesetzesänderung hat Auswirkungen für alle am Besteuerungsverfahren Beteiligten und bedarf einer näheren Beleuchtung. Deshalb werden im Folgenden zunächst die Konsequenzen anhand eines Vergleichs der derzeit geltenden Rechtslage mit der unter Berücksichtigung des vorgestellten Entwurfs in Zukunft möglicherweise geltenden Rechtslage dargestellt. Dabei muss differenziert werden zwischen Kapitalerträgen bis 100 EUR (1), über 100 EUR, aber nicht über 801 EUR (2) und Kapitalerträgen über 801 EUR (3). Diese drei Varianten müssen schließlich noch bei einer Erzielung von Kapitalerträgen bei mehreren Kreditinstituten überprüft werden (5). Diese Prüfung wird anhand verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten vorgenommen. Dadurch kann die Praxistauglichkeit des Entwurfs festgestellt werden, um eine abschließende Gesamtbewertung der sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile des neuen Systems vornehmen zu können. (1) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen bis 100 EUR Der ersten Variante wird als Sachverhalt zu Grunde gelegt, dass der Gläubiger der Kapitalerträge bei einem Kreditinstitut steuerpflichtige Zinserträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. H. v. 100 EUR erwirtschaftet und keinen Freistellungsauftrag nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG erteilte. Unter derzeit geltender Rechtslage setzt eine Abstandnahme vom Steuerabzug durch das Kreditinstitut voraus, dass ein Freistellungsauftrag des Gläubigers der Kapitalerträge nach amtlich vorgeschriebenem Muster erteilt wird. Da im vorliegenden Fall ein solcher nicht erteilt wurde, hat das Kreditinstitut den Steuerabzug unabhängig von der Höhe der erzielten Kapitalerträge vorzunehmen. Es zieht daher Kapitalertragsteuer i. H. v. 25 EUR484 ab und leitet sie an das Finanzamt weiter. Da der Gläubiger keine weiteren steuerpflichtigen Kapitalerträge erwirtschaftete, bleibt er unter dem Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG und kann sich die abgeführte Kapitalertragsteuer im Rahmen einer Veranlagung wieder vom Finanzamt erstatten lassen – mit allen bürokratischen Konsequenzen, vor allem für die Finanzverwaltung. 484 Solidaritätszuschlag und Kirchenkapitalertragsteuer bleiben aus Vereinfachungsgründen außer Betracht, da sich hieraus keine spezifischen Besonderheiten ergeben.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Unter Berücksichtigung des vorgestellten Entwurfs ergibt sich hier ein anderes Bild. Da der Betrag von 100 EUR nicht überschritten wird, bedarf es keines Freistellungsauftrags, um vom Sparer-Pauschbetrag Gebrauch machen zu können. Das Kreditinstitut nimmt vom Steuerabzug auch ohne Vorliegen eines Freistellungsauftrags Abstand und schreibt seinem Kunden die vollen 100 EUR auf seinem Konto gut. Der Vereinfachungseffekt liegt in dieser Ausgangsvariante auf der Hand. Der Gläubiger der Kapitalerträge muss keinen Freistellungsauftrag erteilen, das Kreditinstitut muss keinen Freistellungsauftrag bearbeiten und die Finanzverwaltung wird entlastet, da der Gläubiger der Kapitalerträge – abgesehen von einer möglichen Günstigerprüfung485 – kein Veranlagungsverfahren durchführen muss. (2) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen über 100 EUR, aber nicht über 801 EUR Der zweiten Variante wird als Sachverhalt zu Grunde gelegt, dass der Gläubiger der Kapitalerträge bei einem Kreditinstitut steuerpflichtige Zinserträge i. H. v. 500 EUR erwirtschaftet und keinen Freistellungsauftrag erteilte. Unter derzeit geltender Rechtslage hat das Kreditinstitut wiederum mangels erteiltem Freistellungsauftrag die Kapitalertragsteuer i. H. v. 125 EUR abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen. Insoweit ergeben sich keine Änderungen im Vergleich zur Ausgangsvariante. Will der Gläubiger der Kapitalerträge von seinem SparerPauschbetrag Gebrauch machen, muss er auch hier eine Veranlagung durchführen lassen. Legt man wiederum den vorgestellten Entwurf zugrunde, ergeben sich keine Unterschiede. Da der Betrag von 100 EUR überschritten wurde, verlangt auch § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n. F. für eine Abstandnahme vom Steuerabzug einen Freistellungsauftrag. Das Ergebnis deckt sich in diesem Fall mit der derzeit geltenden Rechtslage. Handelt es sich daher um Beträge, die den vorgeschlagenen Betrag von 100 EUR übersteigen, ergibt sich ein Gleichlauf von derzeit geltendem Recht und dem eingebrachten Diskussionsvorschlag. (3) Zwischenfazit Es zeigt sich, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung seine Wirkung lediglich im Bereich von niedrigen Kapitalerträgen bis 100 EUR entfaltet. In diesem häufig vorkommenden Bereich ist die vorgeschlagene Lösung der geltenden Rechtslage überlegen: Sie schafft einen Vereinfachungseffekt bei gleichem Ergebnis. Dadurch könnte in der Praxis auf eine Vielzahl von Freistellungsaufträgen verzichtet werden, ohne Abstriche bei der gesetzgeberseits intendierten Lösung machen zu müssen. 485
Siehe dazu oben § 3 A. V. 1. sowie Fn. 414.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Beträge, die darüber hinausgehen, bleiben davon unberührt und es gilt die derzeitige Rechtslage unverändert fort. (4) Auswirkungen auf die Beteiligten bei Kapitalerträgen bei mehreren Kreditinstituten Nun muss untersucht werden, ob sich aus diesem – auf den ersten Blick schlüssigen Ergebnis – Unstimmigkeiten ergeben, wenn Kapitalerträge bei mehreren Kreditinstituten erwirtschaftet werden. Denn das materiell zutreffende Ergebnis darf nicht durch geschickte Steuergestaltung unterlaufen und umgangen werden. Dies gebietet der sich aus Art. 3 GG ergebende Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung. Der Sparer-Pauschbetrag kann auf mehrere Kreditinstitute mittels Freistellungsauftrags verteilt werden. Insgesamt darf er in Summe den in § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG festgelegten Betrag i. H. v. 801 EUR pro steuerpflichtigem Gläubiger der Kapitalerträge aber nicht übersteigen. Es muss daher auch unter der vorgeschlagenen Gesetzesänderung einen Kontrollmechanismus geben, der eine unzulässige Kumulierung von erteilten bzw. wegen nicht Überschreitens der vorgeschlagenen Grenze von 100 EUR nicht erforderlichen Freistellungsaufträgen verhindert. Dies ist anhand der folgenden Gestaltungsmöglichkeiten zu überprüfen. (a) Erste Gestaltungsvariante In der ersten Gestaltungsvariante wird davon ausgegangen, dass der Anleger (A) bei drei Kreditinstituten (K1, K2, K3) jeweils steuerpflichtige Kapitalerträge erzielt. Das Kreditinstitut K1 ermittelt Kapitalerträge i. H. v. 20 EUR, K2 i. H. v. 100 EUR und K3 i. H. v. 2.000 EUR. An keines der Kreditinstitute wurde ein Freistellungsauftrag erteilt. Da keine Freistellungsaufträge erteilt wurden, müssen unter Berücksichtigung der derzeit geltenden Rechtslage alle drei Kreditinstitute die entsprechende Kapitalertragsteuer abziehen und an die Finanzbehörden abführen. Der Gläubiger der Kapitalerträge muss seinen Sparer-Pauschbetrag dann im Wege einer Veranlagung geltend machen. Im Ergebnis führt dies bei zusammengerechnet 2.120 EUR an Kapitalerträgen nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags (2.120 EUR Kapitalerträge ./. 801 EUR Freistellungsvolumen x 0,25 Steuersatz486) zu einer Kapitalertragsteuerbelastung i. H. v. 329 EUR.487 Unter Anwendung des vorgestellten Entwurfs ergibt sich bei K3 kein Unterschied zur derzeit geltenden Rechtslage. K3 muss in Ermangelung eines Freistellungsauftrags Kapitalertragsteuer abziehen und abführen. K1 und K2 hingegen dürfen von einem Steuerabzug Abstand nehmen, da bei beiden Kapitalerträgen ein Freistellungsauftrag nicht nötig ist. Denn die Grenze von 100 EUR wird nicht überschritten. Die materiell zutreffende Kapitalertragsteuer muss auch hier gleich sein, mithin also 486
Siehe § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach § 44 Abs. 1 Satz 6 EStG ist die Kapitalertragsteuer jeweils auf den nächsten vollen EUR abzurunden. 487
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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329 EUR. Abgezogen und abgeführt wurden 500 EUR (2.000 EUR Kapitalerträge x 0,25 Steuersatz). Im Wege der Veranlagung würde daher unter Anrechnung488 der bereits abgeführten 500 EUR an Kapitalertragsteuer eine Erstattung i. H. v. 171 EUR erfolgen. Im Ergebnis wäre die zutreffende Steuer entrichtet. In beiden Fällen muss mangels erteilter Freistellungsaufträge eine Veranlagung durchgeführt werden, um zur materiell zutreffenden Kapitalertragsteuer zu gelangen. Der vorgestellte Entwurf hat hier aber den Vorteil, dass die Kreditinstitute K1 und K2 jeweils keine Freistellungsaufträge bearbeiten müssen und der Gläubiger der Kapitalerträge keine erteilen muss. Damit ist der Aufwand – bei gleichbleibendem Ergebnis – insgesamt geringer als unter der de lege lata bestehenden Rechtslage. (b) Zweite Gestaltungsvariante In der zweiten Gestaltungsvariante ermittelt das Kreditinstitut K1 Kapitalerträge i. H. v. 20 EUR, K2 i. H. v. 100 EUR und K3 i. H. v. 2.000 EUR. A hat K1 und K2 jeweils einen Freistellungsauftrag i. H. v. 200 EUR erteilt und K3 i. H. v. 400 EUR. Dies führt nach derzeitig geltender Rechtslage dazu, dass K1 und K2 keinen Steuerabzug vornehmen, da entsprechende Freistellungsaufträge erteilt wurden. K3 hingegen muss nach Abzug des erteilten Freistellungsvolumens (2.000 EUR Kapitalerträge ./. 400 EUR Freistellungsvolumen) noch Kapitalertragsteuer i. H. v. 400 EUR (1.600 EUR x 0,25 Steuersatz) abziehen und abführen. Der Gläubiger der Kapitalerträge muss sich wiederum im Rahmen einer Veranlagung seine zu viel entrichtete Kapitalertragsteuer i. H. v. 71 EUR (400 EUR Kapitalerträge ./. 329 EUR489) erstatten lassen. Die steuerliche Behandlung dieser Variante kommt auch unter Anwendung der vorgeschlagenen Änderung zum identischen Ergebnis, da die erteilten Freistellungsaufträge ohnehin den Betrag von 100 EUR übersteigen. In diesem Fall wirkt sich die Änderung nicht aus. (c) Dritte Gestaltungsvariante Auch in der dritten Gestaltungsvariante ermittelt das Kreditinstitut K1 erneut Kapitalerträge i. H. v. 20 EUR, K2 i. H. v. 100 EUR und K3 i. H. v. 2.000 EUR. Im Unterschied zu den vorherigen Varianten erteilte A dem Kreditinstitut K1 und K2 jeweils einen Freistellungsauftrag in Höhe von 50 EUR und K3 einen Freistellungsauftrag i. H. v. 700 EUR. Nach derzeit geltender Rechtslage würde K1 keine Kapitalertragsteuer abziehen, K2 nur i. H. v. 12 EUR (100 EUR Kapitalerträge ./. 50 EUR Freistellungsvolumen x 0,25 Steuersatz) und K3 i. H. v. 325 EUR (2.000 EUR Kapitalerträge ./. 700 EUR Freistellungsvolumen x 0,25 Steuersatz).
488
Siehe § 36 Abs. 2 Nr. 2 a) EStG. Die Berechnung der materiell zutreffenden Steuer entspricht der oben unter § 3 A. VI. 1. f) cc) (4) (a) durchgeführten Berechnung. 489
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Legt man den Änderungsvorschlag zugrunde, ergibt sich ein anderes Ergebnis. Der dem Kreditinstitut K1 erteilte Freistellungsauftrag geht ins Leere, da das de lege ferenda vorgegebene Mindestfreistellungsvolumen i. H. v. 100 EUR nicht erreicht wird. Allein aus diesem Grund wird K1 schon keinen Steuerabzug vornehmen und dies unabhängig vom erteilten Freistellungsauftrag. Das Kreditinstitut könnte sich natürlich auch auf den Freistellungsauftrag berufen. Das Ergebnis würde jedoch das gleiche bleiben. K2 wird ebenfalls keinen Steuerabzug vornehmen, da die Kapitalerträge den Betrag von 100 EUR nicht übersteigen. Dass lediglich ein Freistellungsauftrag i. H. v. 50 EUR erteilt wurde, ist auch hier irrelevant, da das gesetzliche Mindestfreistellungsvolumen höher ist. In diesem Fall kann sich das Kreditinstitut entweder voll auf das Mindestfreistellungsvolumen berufen oder anteilig. Auch hier macht dies im Ergebnis keinen Unterschied. K3 wird wie unter derzeit geltendem Recht vorgehen und Kapitalertragsteuer i. H. v. 325 EUR abziehen und abführen. Das neue Modell führt zu dem Unterschied, dass K2 nach geltendem Recht Kapitalertragsteuer abzieht, nach dem vorgeschlagenen Entwurf aber kein Abzug vorzunehmen ist. Das ändert jedoch nichts an der materiell zutreffenden Steuer. Diese bleibt weiterhin gleich und es erfolgt eine entsprechende Erstattung, sofern eine Veranlagung durchgeführt wird. Der Unterschied, den das neue Modell in dieser Konstellation verursacht, führt zu keiner Schlechterstellung. (d) Vierte Gestaltungsvariante In der vierten Gestaltungsvariante wird die zeitliche Komponente hinzugefügt. Kapitalerträge können dem Gläubiger im ganzen Veranlagungszeitraum unregelmäßig zufließen. Da sich das Kreditinstitut an die Abführungsfrist nach § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG halten muss, muss es fortlaufend überprüfen, inwieweit die Freistellungsvolumina bereits ausgeschöpft wurden. In der vierten Gestaltungsvariante ermittelt das Kreditinstitut K1 für den Monat Februar Kapitalerträge i. H. v. 10 EUR, für April i. H. v. 10 EUR, K2 im Monat März i. H. v. 100 EUR und K3 im Monat September i. H. v. 1.500 EUR und im Oktober i. H. v. 500 EUR. A hat K1 und K2 jeweils einen Freistellungsauftrag i. H. v. 200 EUR erteilt und K3 i. H. v. 400 EUR. Diese Variante entspricht in der Addition der Kapitalerträge der Variante 2. Unterschiedlich sind nur die Zuflusszeitpunkte. Sie ist aber identisch zu lösen. Das Kreditinstitut hat lediglich zu prüfen, inwieweit ein erteilter bzw. der im neuen Modell gesetzlich vorgesehene Freistellungsauftrag schon aufgebraucht wurde. Ist er vollständig aufgebraucht, ist es verpflichtet, Kapitalertragsteuer abzuziehen und abzuführen. Das ist unter derzeitiger Rechtslage ohnehin schon der Fall, sofern ein Freistellungsauftrag erteilt wurde, der die zufließenden Erträge nicht deckt. (e) Fünfte Gestaltungsvariante In der fünften Gestaltungsvariante ermittelt das Kreditinstitut K1 Kapitalerträge i. H. v. 1.000 EUR, K2 i. H. v. 100 EUR und K3 i. H. v. 200 EUR. A hat lediglich einen Freistellungsauftrag an K1 i. H. v. 800 EUR erteilt. Nach derzeit geltender Rechts-
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lage zieht K1 Kapitalertragsteuer i. H. v. 50 EUR ab (1.000 EUR Kapitalerträge ./. 800 EUR Freistellungsvolumen x 0,25 Steuersatz), K2 Kapitalertragsteuer i. H. v. 25 EUR (100 EUR Kapitalerträge x 0,25 Steuersatz) und K3 i. H. v. 50 EUR (200 EUR Kapitalerträge x 0,25 Steuersatz). Insgesamt wird daher Kapitalertragsteuer i. H. v. 125 EUR abgeführt. Die materiell zutreffende Kapitalertragsteuer wäre unter Berücksichtigung des vollen Sparer-Pauschbetrags 124 EUR (1.300 EUR Kapitalerträge ./. 801 EUR Freistellungsvolumen x 0,25 Steuersatz). Unter dem vorgeschlagenen Modell ergibt sich hier ein anderes Bild. Der Abzugsbetrag bei K1 bleibt gleich (50 EUR). K2 hingegen zieht keine Kapitalertragsteuer ab, da die Grenze von 100 EUR nicht überschritten wurde. K3 zieht nach Abzug der 100 EUR Grenze nur noch Kapitalertragsteuer i. H. v. 25 EUR ab. Insgesamt wird jetzt nur noch Kapitalertragsteuer i. H. v. 75 EUR abgezogen und an die Finanzbehörden abgeführt und damit 50 EUR weniger als unter derzeit geltendem Recht. Das Problematische an diesem Fall ist, dass in Summe das gesetzlich vorgesehene Freistellungsvolumen i. H. v. 801 EUR überschritten wird. Aus Gründen der bereits genannten Besteuerungsgleichheit darf jedoch kein Steuerpflichtiger diesen Betrag überschreiten. Es stellt sich daher die Frage, wie dieses Problem des neuen Modells zu lösen ist. Ein Lösungsansatz kann sein, den Gläubiger der Kapitalerträge bereits im Muster des Freistellungsauftrags darauf hinzuweisen, dass je Kreditinstitut ein Freistellungsvolumen bis zu dem Betrag von 100 EUR besteht und darauf zu achten ist, dass die gesetzlich vorgesehenen Freistellungsvolumina zusammen mit den erteilten Freistellungsaufträgen den Gesamtbetrag von 801 EUR nicht übersteigen. In der aufgeführten Variante würde dies bedeuten, dass A an K1 einen maximalen Freistellungsauftrag über 601 EUR erteilt. Zusammen mit dem gesetzlich vorgesehenen Mindestfreistellungsvolumen ergibt sich dann der volle Betrag von 801 EUR. In diesem Fall kann schon im Vorhinein eine Nachforderung der Kapitalertragsteuer durch die Finanzbehörden im Wege der Veranlagung verhindert werden. Ein weiterer Lösungsansatz stellt die Änderung bereits erteilter Freistellungsaufträge dar, sofern der Gläubiger der Kapitalerträge merkt, dass er in Summe die Freistellungsvolumina übersteigen wird. Dies kann etwa dadurch eintreten, dass er ein neues Konto eröffnet und damit ein weiteres Mindestfreistellungsvolumen von 100 EUR hinzukommt. Gerade für diesen Fall soll es nach dem vorgeschlagenen Modell (§ 44a Abs. 2 Satz 2 HS. 1 EStG n. F.) per Antrag an das Kreditinstitut möglich sein, auf das gesetzliche Mindestfreistellungsvolumen auch verzichten zu können. Dies sorgt für mehr Flexibilität beim Gebrauch der Freistellungsaufträge. Schließlich besteht die Möglichkeit einer Steuerfestsetzung nach § 155 Abs. 1 AO. Wird das Gesamtfreistellungsvolumen i. H. v. 801 EUR überschritten, erfährt dies das Finanzamt durch die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 45a Satz 1 EStG490 und wird den Gläubiger der Kapitalerträge zur Abgabe einer Steuererklärung 490
Siehe dazu unten § 3 A. VII.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
auffordern, um die zutreffende Steuer festsetzen zu können. Denn in diesem Fall führt die Festsetzung der Steuer zu einer anderen Steuer, als sie sich aus den Kapitalertragsteuer-Anmeldungen ergibt, § 167 Abs. 1 Satz 1 AO. Hat das Finanzamt die zutreffende Steuer festgesetzt, fordert sie den zu wenig entrichteten Betrag vom Gläubiger der Kapitalerträge nach, § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG. Dass unter dem neuen Modell Kapitalertragsteuer in manchen Fällen nachgefordert werden muss, wird aus Sicht der Finanzbehörden voraussichtlich kritisch gesehen. Denn im Zweifel erfolgte eine Überzahlung zu ihren Gunsten, die zu einer Erstattung bzw. Anrechnung führte. Dieser Umstand ist jedoch kein Argument, sich einer Verbesserung des Verfahrens zu verschließen. dd) Fazit Die verschiedenen Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten haben gezeigt, dass das vorgeschlagene Modell der jetzigen Rechtslage in den Konstellationen (1) und (4)(a) überlegen ist und sich in den Konstellationen (2) sowie (4)(b-d) jedenfalls keine Nachteile ergeben. Einzig die zuletzt genannte Variante (4)(e), in der das Freistellungsvolumen überschritten wird, erweist sich als problematisch. Es muss aber beachtet werden, dass eine solche Überschreitung auch unter der jetzigen Rechtslage möglich ist, namentlich dann, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge mehr als die vorgesehenen 801 EUR per Freistellungsauftrag an seine Kreditinstitute verteilt. Aber auch diese Konstellation lässt sich im Wege der Veranlagung korrigieren. Schließlich muss stets bedacht werden, dass eine Ideallösung für sämtliche Fälle kaum zu erreichen ist. Das vorgestellte Modell kann aber einen Beitrag dazu leisten, die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle zu erfassen und die Arbeit für Kreditinstitute, Finanzverwaltung und Gläubiger der Kapitalerträge zu erleichtern. So wird eine große Zahl an Freistellungsaufträgen, die nur für Kleinstbeträge gestellt werden, wegfallen. Neben der Entlastung der Kreditinstitute bringt dies auch den Gläubigern der Kapitalerträge Vorteile. Da ein Freistellungsauftrag oftmals nicht gestellt wird, müssen die Finanzbehörden unnötige Veranlagungen durchführen, in denen die Betroffenen ihre zu Unrecht entrichteten Kapitalertragsteuern zurückverlangen, was der Grundidee der Abgeltungsteuer491 zuwiderläuft. Dies kann durch das vorgestellte Modell vermieden werden. 2. Die Nichtveranlagungsbescheinigung Neben dem Freistellungsauftrag hat das Kreditinstitut auch von einem Steuerabzug Abstand zu nehmen, wenn eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung (NV-Bescheinigung) nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des vorzunehmenden
491
Siehe dazu oben § 2 B.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Quellensteuerabzugs492 vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Bescheinigung des für den Gläubiger der Kapitalerträge zuständigen Wohnsitzfinanzamts, nach der auch für Fälle einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG493 eine Veranlagung voraussichtlich nicht in Betracht kommt.494 Wie schon beim Freistellungsauftrag sollen auch hier unnötige Erstattungen im Vorhinein vermieden werden. Dabei obliegt es allein dem zuständigen Finanzamt, diese Bescheinigung zu erteilen. Das Kreditinstitut muss hier nicht prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Liegt eine NV-Bescheinigung vor, muss es vom Steuerabzug Abstand nehmen. Ob die NV-Bescheinigung zu Recht erteilt wurde, hat für das Kreditinstitut keine Bedeutung. Die Steueridentifikationsnummer muss e contrario § 44a Abs. 2a Satz 1 EStG nicht vorgelegt werden. Wie beim Freistellungsauftrag muss auch die NVBescheinigung vom Kreditinstitut aufbewahrt werden. Zudem hat es nach § 44a Abs. 3 EStG in seinen Unterlagen das die Bescheinigung ausstellende Finanzamt, den Tag der Ausstellung und die in der Bescheinigung angegebene Steuer- und Listennummer zu vermerken. Daneben gelten auch hier die Mitteilungspflichten nach § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. 3. Sonstige Nichtabzugstatbestände Neben den häufiger vorkommenden Abstandnahmen durch Freistellungsaufträge und NV-Bescheinigungen kommen noch weitere Nichtabzugstatbestände in § 44a Abs. 4 – 10 EStG hinzu. Zu nennen sei hier lediglich noch die Abstandnahme vom Steuerabzug bei Kapitalertragsteuerüberhängen nach § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG.495 Danach ist bei den dort genannten Kapitalerträgen ein Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer bei ihm auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer. Denn dies hätte wiederum eine Erstattung zur Folge, die gerade wegen des zusätzlichen Mehraufwands vermieden werden soll. Das Kreditinstitut sieht erst von einem Abzug der Kapitalertragsteuer ab, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge seine dauerhaften Kapitalertragsteuerüberhänge durch eine Bescheinigung seines Finanzamts nachweisen kann, § 44a Abs. 5 Satz 4 EStG.
492 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44 Rn. C 33. 493 Siehe § 44a Abs. 1 Satz 4 EStG. 494 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44a Rn. 2. 495 Siehe dazu vertiefend L. Jansen, Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG für Unternehmen der Finanzbranche, FR 2012, S. 667.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
VII. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Anmeldung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nach § 45a Abs. 1 EStG Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 HS. 1 EStG ist dem Finanzamt seitens der Kreditinstitute die Anmeldung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer496 innerhalb der in §§ 44 Abs. 1 Satz 5 bzw. Abs. 7 Satz 2 EStG bestimmten Fristen497 nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Wege498 zu übermitteln. Dies gilt für die Kreditinstitute selbst dann, wenn ein Steuerabzug nicht oder nicht in voller Höhe vorzunehmen ist, wobei der Grund für die Nichtabführung anzugeben ist.499 Handelt es sich bei den Kapitalerträgen um solche nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG, sind diese gesondert für das Land, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Schuldners befindet, anzugeben.500 Dies dient dazu, die Kapitalerträge dem Bundesland zuzuweisen, in dem der Ort der Leitung des Schuldners der Kapitalerträge liegt.501 Hintergrund der Steueranmeldung ist die erleichterte Überwachung des Kapitalertragsteuereinbehalts durch die Finanzverwaltung.502 Bei der Steueranmeldung an das Finanzamt handelt es sich um eine Steuererklärung nach § 150 Abs. 1 Satz 3 AO, bei der die Steuer durch den Steuerentrichtungspflichtigen503 – also dem Kreditinstitut – selbst zu berechnen ist. Die Angaben darin sind nach § 150 Abs. 2 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Falsche Angaben bzw. Berechnungen können ordnungswidrigkeitenrechtliche504 bzw. strafrechtliche505 Konsequenzen nach sich ziehen oder zu einer Festsetzung eines Verspätungszuschlags506 führen.507 Nach § 168 Satz 1 AO steht die 496 Samt entsprechend abgezogenem Solidaritätszuschlag, § 1 Abs. 1 SolZG 1995; siehe dazu auch oben § 3 A IV. 3. 497 Regelmäßig bis zum 10. des Folgemonats, siehe dazu oben § 3 A. IV 3. 498 Die frühere, in § 45a Abs. 1 Satz 1 HS. 1 EStG genannte Form der Übermittlung „nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung“ wurde durch den Wegfall der bisherigen Verordnungsermächtigung in § 150 Abs. 7 AO und die Übernahme der bis dato in der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung angesiedelten Regelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18. 7. 2016 (BGBl. I S. 1679) in der AO gestrichen. Die neu eingeführten § 72a Abs. 1 – 3 AO, § 87a Abs. 6 AO sowie den §§ 87b-87d AO gelten nun für die Steueranmeldung nach § 45a Abs. 1 EStG unmittelbar; siehe Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 3. 2. 2016, BT-Drs. 18/ 7457, S. 104. 499 Siehe § 45a Abs. 1 Satz 2, 3 EStG. 500 Siehe § 45a Abs. 1 Satz 1 HS. 2 EStG. 501 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 45a EStG Rn. 3. 502 M. Jachmann-Michel/J. Strohm, Abgeltungsteuer, 6. Aufl. 2018, S. 115. 503 Zu diesem Begriff siehe oben § 3 A. I. 1. 504 Siehe dazu unten § 4 B. 505 Siehe dazu unten § 4 C. 506 Siehe dazu unten § 4 A. II. 6. b). 507 U.-C. Dißars, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 252 2020, § 45a Rn. 20.
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Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung508 gleich. Dies führt aber – rein formal betrachtet – nicht dazu, dass eine Steuerfestsetzung durch das Kreditinstitut stattfindet. Denn dazu sind allein die Finanzbehörden berechtigt.509 Die Steueranmeldung ist für das Kreditinstitut bindend, doch kann es eine zunächst abgegebene Anmeldung innerhalb der Festsetzungsfrist noch selbst berichtigen.510 Erkennt das Kreditinstitut nachträglich, aber vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, ist es nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Sofern die Berichtigung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung führt, bedarf es nach § 168 Satz 2 AO noch der Zustimmung der Finanzbehörde. Daneben steht es dem Kreditinstitut offen, auch mittels Einspruchs nach § 347 Abs. 1 AO gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung aus eigenem Recht vorzugehen.511 VIII. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen Das Kapitalertragsteuerverfahren kennt eine Reihe von Bescheinigungspflichten, die unterschiedliche Zwecke erfüllen. Vorwiegend dienen die Bescheinigungen als Nachweis für den Gläubiger der Kapitalerträge bei einem durchzuführenden Veranlagungsverfahren. Zudem ermöglichen sie diesem auch, den Steuereinbehalt durch das Kreditinstitut zu überprüfen, um dann ggf. eine Einkommensteuererklärung abzugeben oder in ein anschließendes Rechtsbehelfsverfahren gehen zu können. Die Bescheinigungen wahren hierdurch die Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge.512 Neben dem Verwaltungsaufwand führen auch unrichtig erteilte Bescheinigungen zu einer Belastung der Kreditinstitute, da diese dafür haftbar gemacht werden können.513 Im Folgenden wird auf die für die Kreditinstitute maßgeblichen Bescheinigungspflichten im Kapitalertragsteuerverfahren eingegangen.
508
Siehe § 164 AO. Siehe dazu unten § 5 B. III. 2. a). 510 Klein/R. Rüsken, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 168 Rn. 10, 16 ff. So z. B. im Falle des § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG. 511 Das Kreditinstitut als Steuerentrichtungspflichtiger und der Gläubiger der Kapitalerträge können beide mittels Einspruchs nach § 347 Abs. 1 AO gegen die Steueranmeldung vorgehen; siehe dazu auch Klein/R. Rüsken, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 168 Rn. 16. 512 U. Delp, Aktuelle Problemstränge zwischen Abgeltungsteuer und Einkommensteuererklärung, DB 2015, S. 1919 (1923). 513 Siehe dazu unten § 4 A. II. 4. 509
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
1. Die Bescheinigung eines nicht ausgeglichenen Verlusts nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG Ein nicht ausgeglichener Verlust ist nach § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.514 Um diesen Verlustvortrag zu ermöglichen, hat das Kreditinstitut über die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlusts auf Verlangen des Gläubigers515 der Kapitalerträge eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster516 zu erteilen, von dem die Kreditinstitute nicht abweichen dürfen.517 Ausweislich des Gesetzeswortlauts besteht keine Pflicht zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung, sofern der Gläubiger der Kapitalerträge eine solche nicht verlangt. Diese Pflicht besteht selbst dann nicht, wenn überhaupt kein Steuerabzug vorgenommen wurde.518 Überträgt der Gläubiger der Kapitalerträge seine im Depot befindlichen Wirtschaftsgüter vollständig auf ein anderes Depot, darf die Bescheinigung eines nicht ausgeglichenen Verlusts nach § 43a Abs. 3 Satz 6 HS. 2 EStG vom Kreditinstitut nicht erteilt werden. 2. Die Sammel-Steuerbescheinigung nach § 44a Abs. 10 Satz 4 EStG Eine weitere für die Kreditinstitute zu beachtende Bescheinigungspflicht findet sich in § 44a Abs. 10 Satz 4 EStG vorwiegend für die ausländische Zwischenverwahrung von Aktien.519 Danach hat die auszahlende Stelle520 im Falle der Auszahlung von Kapitalerträgen521 an eine ausländische Stelle über den von ihr vor der Zahlung in das Ausland von diesen Kapitalerträgen vorgenommenen Steuerabzug der letzten inländischen auszahlenden Stelle in der Wertpapierverwahrkette, welche die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt,522 auf deren Antrag hin eine Sammel-
514
Siehe dazu oben § 3 A. II. 3. Siehe § 43a Abs. 3 Satz 4 HS. 1 EStG. 516 BMF Schreiben v. 3. 12. 2014 betr. Die Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG, IV C 1 – S 2401/08/10001:011, BStBl. I S. 1586, Muster I. 517 BMF Schreiben v. 3. 12. 2014 betr. Die Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG, IV C 1 – S 2401/08/10001:011, BStBl. I S. 1586, Rn. 1. 518 Siehe dazu die vergleichbare Kommentierung R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 119. Lfg. 2019, § 45a Rn. 4. 519 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 248. Lfg. 2014, § 44a Rn. O 7. 520 I. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 EStG; häufig die Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 lit. b) EStG. 521 I. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG. 522 Regelmäßig das depotführende Kreditinstitut des Gläubigers der Kapitalerträge. 515
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Steuerbescheinigung für die Summe der eigenen und der für Kunden verwahrten Aktien nach amtlich vorgeschriebenem Muster523 auszustellen. Die Vorschrift dient der Erleichterung des Verfahrens für den steuerpflichtigen Gläubiger der Kapitalerträge. Ansonsten müsste er über die verschiedenen Stufen der Verwahrkette hinweg bei der letzten inländischen Stelle eine Einzel-Steuerbescheinigung beantragen, um damit in eine Veranlagung gehen zu können. Dieses für den Gläubiger der Kapitalerträge mit großen Mühen verbundene und teilweise wegen Geringfügigkeit der zu erstattenden Beträge unwirtschaftliche Vorgehen wird durch die Sammel-Steuerbescheinigung beseitigt. Das inländische, die Kapitalerträge auszahlende Kreditinstitut hat Sammel-Steuerbescheinigungen für sämtliche Bezüge aus von ihr verwahrten Aktien mit Zwischenverwahrung im Ausland zu beantragen, um anschließend für den Steuerpflichtigen Verlustverrechnungen, Freistellungsaufträge und Nichtveranlagungsbescheinigungen wie bei selbst vorgenommenem Steuerabzug berücksichtigen zu können.524 3. Die Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen nach § 45a Abs. 2 – 7 EStG Die Kernvorschrift über Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen ist § 45a EStG. In den Absätzen 2 – 7 finden sich für die Kreditinstitute der Großteil der Bescheinigungspflichten. Exemplarisch wird im Folgenden auf § 45a Abs. 2 EStG eingegangen. Danach sind die Kreditinstitute nach Satz 1 verpflichtet, dem Gläubiger der Kapitalerträge auf dessen Verlangen hin eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster525 auszustellen, die inhaltlich die nach § 32d EStG erforderlichen Angaben enthält und von denen das Kreditinstitut nach Inhalt, Aufbau und Reihenfolge der Angaben nicht abweichen darf.526 Diese Angaben sind für den Gläubiger der Kapitalerträge nötig, da die Vorlage dieser Bescheinigung Voraussetzung für die Anrechnung von bereits entrichteten Kapitalertragsteuern in der Veranlagung ist.527 Sie ist insoweit materielle Voraussetzung der Anrechnung.528 Das Kreditinstitut ist dem Wortlaut der Norm zufolge aber auch hier nicht verpflichtet, 523 BMF Schreiben v. 29. 12. 2011 betr. u. a. Sammelsteuerbescheinigungen nach § 44a Abs. 10 Satz 4 EStG, IV C 1 – S 2401/08/100001:007, BStBl. I S. 45, Anlage. 524 So die Begründung im Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26. 10. 2011, BT-Drs. 17/7524, S. 13. 525 Siehe dazu die Muster I bis III im BMF Schreiben v. 3. 12. 2014 betr. Die Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG, IV C 1 – S 2401/08/10001:011, BStBl. I S. 1586. 526 BMF Schreiben v. 3. 12. 2014 betr. Die Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG, IV C 1 – S 2401/08/10001:011, BStBl. I S. 1586, Rn. 1. 527 Siehe § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 und 2 EStG. 528 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 45a EStG Rn. 7.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
die Bescheinigung automatisch zu erstellen. Es ist nur dann zur Ausstellung verpflichtet, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge dies beantragt.529 Werden unrichtige Bescheinigungen ausgestellt, hat sie das Kreditinstitut nach § 45a Abs. 6 Satz 1 EStG durch eine berichtigte Bescheinigung, die als solche zu kennzeichnen ist,530 zu ersetzen und im Falle der Übermittlung in Papierform531 zurückzufordern. Erfolgt innerhalb eines Monats keine Rückgabe der unrichtigen Bescheinigung an das ausstellende Kreditinstitut, ist dieses verpflichtet, das nach seinen Unterlagen zuständige Finanzamt schriftlich zu benachrichtigen.532 4. Die Bescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer für die Kirchensteuerveranlagung nach § 51a Abs. 2d Satz 2 EStG Schließlich regelt § 51a Abs. 2d Satz 2 EStG die Erteilung der Steuerbescheinigung für die Veranlagung des kirchensteuerpflichtigen Gläubigers der Kapitalerträge. Diese ist durchzuführen,533 wenn die Kirchensteuer nicht als Zuschlagsteuer534 bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten535 einbehalten und abgeführt wurde.536 Auf Verlangen des kirchensteuerpflichtigen Gläubigers der Kapitalerträge hat das Kreditinstitut als Kirchensteuerabzugsverpflichteter eine Bescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erteilen. IX. Die Pflicht der Kreditinstitute zu bestimmten Anzeigen und Mitteilungen Neben den aufgeführten Bescheinigungspflichten ergeben sich im Kapitalertragsteuerverfahren auch eine Vielzahl von Anzeige- und Mitteilungspflichten. Diese können nach dem Adressaten der Bescheinigung systematisiert werden. Denn das Kreditinstitut trifft solche Pflichten gegenüber dem BZSt (1.), dem Finanzamt (2.), anderen Kreditinstituten (3.) und der das Bundesschuldbuch führenden Stelle bzw. einer Landesschuldenverwaltung (4.). Die Anzeige- und Mitteilungspflichten dienen vornehmlich dazu, das Besteuerungsverfahren transparent und 529
R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 119. Lfg. 2019, § 45a Rn. 4. 530 Siehe § 45a Abs. 6 Satz 2 EStG. 531 Grundsätzlich werden die Bescheinigungen elektronisch übermittelt. Nur sofern der Gläubiger der Kapitalerträge dies ausdrücklich anfordert, müssen sie vom Kreditinstitut noch in Papierform übersendet werden; siehe § 45a Abs. 2 Satz 2 EStG. 532 Siehe § 45a Abs. 6 Satz 3 EStG. 533 Siehe § 45a Abs. 2d Satz 1 EStG. 534 Siehe § 51a Abs. 1 EStG. 535 Siehe § 51a Abs. 2c Satz 1 EStG. 536 Siehe dazu auch oben § 3 A. III. 2. a).
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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überprüfbar zu machen und andere Behörden bzw. Kreditinstitute mit den für sie notwendigen Informationen zu versorgen. 1. Mitteilungen an das BZSt Ist ein Kreditinstitut nach § 44 Abs. 1 EStG zum Steuerabzug verpflichtet, hat es gemäß § 45d Abs. 1 EStG dem BZSt nach Maßgabe des § 93c AO neben den in § 93c Abs. 1 AO genannten Angaben537 weitere Angaben bis zum letzten Tag des Monats Februar des auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge folgenden Jahres538 zu übermitteln. Darunter fallen insbesondere Angaben über die Höhe der Kapitalerträge, bei denen aufgrund eines Freistellungsauftrags vom Steuerabzug Abstand genommen wurde, Angaben über Kapitalerträge, bei denen die Erstattung der Kapitalertragsteuer beim BZSt beantragt wurde, und Angaben über Kapitalerträge, bei denen aufgrund einer Nichtveranlagungs-Bescheinigung Abstand vom Steuerabzug genommen oder eine Erstattung vorgenommen wurde. Dadurch können die Finanzbehörden kontrollieren, ob der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG in Grund und Höhe rechtmäßig genutzt539 und bei einer Aufteilung auf mehrere Kreditinstitute nicht überschritten wurde. Über die an die Finanzbehörden übermittelten Daten hat das Kreditinstitut den Gläubiger der Kapitalerträge zu informieren.540 Verfahrenstechnisch sind sie vom Kreditinstitut elektronisch an die Finanzbehörden zu übermitteln.541 Diese können nun nach § 93c Abs. 4 Satz 1 AO anhand der Daten überprüfen, ob die Kreditinstitute ihren Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Ist dies nicht der Fall, drohen ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen.542 2. Anzeigen und Mitteilungen an das Finanzamt Neben den gesondert normierten Mitteilungspflichten in § 45d EStG an das BZSt finden sich in §§ 43 Abs. 1 Satz 6 EStG, § 43 Abs. 2 Satz 7 EStG und § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG weitere Mitteilungs- und Anzeigepflichten an die zuständigen Finanzämter. Letztere Norm ist für die Kreditinstitute besonders wichtig, da sie eine Haftung des Kreditinstituts nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG herbeiführen bzw. vermeiden kann. Liegen steuerpflichtige Erträge vor, sind die Kreditinstitute ver537 Unter die in § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 AO genannten Daten fallen insbesondere Name, Anschrift, Ordnungsmerkmal und Kontaktdaten der mitteilungspflichtigen Stelle sowie deren Identifikationsnummer (§ 93c Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AO) und auf Seiten des Steuerpflichtigen Familienname, Vorname, Tag der Geburt, Anschrift und Steueridentifikationsnummer (§ 93c Abs. 1 Nr. 2 lit. c) AO). 538 Siehe § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO. 539 U.-C. Dißars, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 252 2020, § 45d Rn. 23. 540 Siehe § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 AO. 541 Siehe § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 AO. 542 Siehe dazu unten § 4 B.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
pflichtet, Kapitalertragsteuer in entsprechender Höhe abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen.543 Bei Kapitalerträgen, die in Geld zufließen, ist dies unproblematisch, da die Steuer direkt beim Eingang des Geldes beim Kreditinstitut abgezogen werden kann. Handelt es sich hingegen um Kapitalerträge, die ganz oder teilweise nicht in Geld bestehen, hat der Gläubiger der Kapitalerträge dem Kreditinstitut den entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung zu stellen.544 An dieser Stelle greift nun die Anzeigepflicht nach § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG. Danach ist das Kreditinstitut verpflichtet, dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt anzuzeigen, wenn ein Gläubiger dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Erfolgt die Anzeige, hat das Finanzamt die zu wenig erhobene Kapitalertragsteuer vom Gläubiger der Kapitalerträge nachzufordern.545 Erfolgt die Anzeige hingegen nicht, muss sich das Kreditinstitut den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gefallen lassen, der zu einer Haftung für die fehlende Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG führen kann.546 Je nach Kapitalertrag (etwa die Ausgabe von Bonusaktien547) kann dies erhebliche finanzielle Konsequenzen für das Kreditinstitut zur Folge haben. 3. Mitteilungen an ein anderes Kreditinstitut Darüber hinaus sieht das Gesetz Mitteilungen vor, die an andere Kreditinstitute gerichtet sind. So hat beim Depotwechsel gemäß § 43a Abs. 2 Satz 3 EStG die abgebende inländische auszahlende Stelle der übernehmenden inländischen auszahlenden Stelle die Anschaffungsdaten mitzuteilen, sofern ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut in ein anderes Depot überträgt. Durch diese Mitteilung kann die übernehmende Stelle nach § 43a Abs. 2 Satz 2 EStG i. V. m. § 20 Abs. 4 EStG die Bemessungsgrundlage für den Fall einer Veräußerung ermitteln.548 An diese Mitteilung knüpft die Norm des § 43a Abs. 3 Satz 6 EStG für die Verlustverrechnung an. Danach ist im Falle einer vollständigen Übertragung549 der Wirtschaftsgüter auf ein anderes Depot auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge auch die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlusts (der Saldo des Verlustverrechnungstopfes550) mitzuteilen. Eine Bescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4
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Siehe dazu ausführlich oben § 3 A. IV. Siehe § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG. 545 Siehe § 44 Abs. 1 Satz 9 EStG. 546 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. B 98. 547 Dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (2) (c). 548 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 52. 549 Eine Verlustübertragung ist ohne gleichzeitige Übertragung der Wirtschaftsgüter nicht möglich, siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 235. 550 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 43a EStG Rn. 90. 544
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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EStG darf dann nicht erteilt werden,551 um keine doppelte Verlustberücksichtigung zu ermöglichen.552 Dadurch kann der Gläubiger der Kapitalerträge auch seinen Verlustverrechnungstopf bei der übernehmenden Stelle fortführen. Macht er davon keinen Gebrauch, hat ihm die abgebende Stelle den Verlust hingegen zu bescheinigen.553 Denn dann droht gerade keine doppelte Verlustberücksichtigung. 4. Mitteilungen an die das Bundesschuldbuch führende Stelle bzw. an die Landesschuldenverwaltung Schließlich regelt § 43a Abs. 4 Satz 2 EStG Mitteilungen der Kreditinstitute an die das Bundesschuldbuch führende Stelle oder an eine Landesschuldenverwaltung. Die das Bundesschuldbuch führende Stelle ist nach § 1 Bundesschuldenwesengesetz554 die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH. Diese oder eine Landesschuldenverwaltung agieren mit ihrem Wertpapiergeschäft grundsätzlich nicht am Markt. Statt An- und Verkauf von Wertpapieren steht die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere im Vordergrund.555 Vereinzelt gibt es mittlerweile aber auch von der das Bundeschuldbuch führenden Stelle erworbene Bundeswertpapiere, die unter Einschaltung eines Kreditinstituts erworben werden.556 Dann greifen die Sonderregelungen des § 43a Abs. 4 EStG. Durch die Mitteilung des Kreditinstituts an die das Bundesschuldbuch führende Stelle erhält diese die nötigen Informationen, um die Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer zutreffend berechnen557 und abziehen zu können.558 X. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 A. Die Hauptpflichten umfassen solche Pflichten, die die Kreditinstitute von der Verwirklichung des Steuertatbestands bis hin zur Abführung der Steuer an den Fiskus treffen.
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Siehe § 43a Abs. 4 Satz 6 HS. 2 EStG. M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2020, § 43a EStG Rn. 90. 553 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 119. 554 Bundesschuldenwesengesetz v. 12. 7. 2006 (BGBl. I S. 1466), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 13. 9. 2012 (BGBl. I S. 1914). 555 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 136. 556 Siehe § 43a Abs. 4 Satz 2 EStG und F. Harenberg, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, § 43a EStG, Jahreskommentierung 2009, Rn. J 08-7. 557 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 150. Lfg. 2019, § 43a EStG Rn. 122. 558 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 163. Lfg. 2006, § 43a Rn. F 4; J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 138. 552
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
1. Das Kreditinstitut nimmt als Entrichtungs- und Steuerpflichtiger einen Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vor, wenn es durch die Vorschriften des Kapitalertragsteuerrechts nach §§ 43 ff. EStG dazu verpflichtet ist. Dafür muss das Kreditinstitut zunächst prüfen, ob der Anwendungsbereich der Kapitalertragsteuer eröffnet ist. Dies kann es nur dann feststellen, wenn es den steuerlich erheblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat. Häufig bedienen sich die Kreditinstitute hierbei externer Dienstleister. 2. Daran anknüpfend erfolgt die rechtliche Einordnung des ermittelten Sachverhalts. Dies ist im Gros der Fälle unproblematisch, kann aber in Einzelfällen auch eine intensive rechtliche Prüfung erfordern, wie es das Beispiel der Google Kapitalmaßnahme zeigt. 3. Ist der Anwendungsbereich eröffnet, ermittelt das Kreditinstitut in einem weiteren Schritt die zutreffende Bemessungsgrundlage. Dabei hat es ausländische Steuern anzurechnen und Verluste zu verrechnen. Fehler in diesem Bereich führen zu einer Korrektur der Bemessungsgrundlage. 4. Anhand der ermittelten Bemessungsgrundlage berechnet das Kreditinstitut die Höhe der Kapitalertragsteuer. Seit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 gilt hier grundsätzlich der gesonderte Steuersatz i. H. v. 25 %. Diese Sonderbehandlung, mit der eine Durchbrechung des Prinzips der synthetischen Einkommensbesteuerung einhergeht, wirft verfassungsrechtliche Streitigkeiten auf, deren Ausgang Auswirkungen auf die Pflichten der Kreditinstitute haben kann. 5. Der Ermittlung der Bemessungsgrundlage folgt das Herzstück der Kapitalertragsbesteuerung: die Abführung der abgezogenen Steuer an den Fiskus mit Abgeltungswirkung. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, indem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Mit Zufluss entsteht gleichzeitig die Pflicht des Kreditinstituts, die Steuer abzuziehen und zu den Fälligkeitszeitpunkten an das Finanzamt abzuführen. Somit erfolgt beim Gläubiger der Kapitalerträge lediglich eine Gutschrift, vermindert um Kapitalertragsteuer und die Zuschlagsteuern Solidaritätszuschlag und – sofern einschlägig – Kirchenkapitalertragsteuer. 6. Der Abzug der Steuer und die Abführung an das Finanzamt haben abgeltende Wirkung. Dies bedeutet, dass grundsätzlich keine Veranlagung mehr durchgeführt werden muss. Im Gegensatz zur vor dem Unternehmensteuerreformgesetz geltenden Rechtslage handelt es sich nicht mehr um eine anrechenbare Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld. Der Steuerfall ist hinsichtlich der Kapitalertragsteuer abgeschlossen. „Hauptinstanz“ der Besteuerung ist damit das Kreditinstitut, mit einer entsprechend einhergehenden Verantwortung. Das Kreditinstitut wird damit faktisch wie ein Finanzamt tätig. Das System der Abgeltungsbesteuerung hat ferner Bezüge zum Europarecht. Ein Verstoß gegen das europäische Beihilferecht liegt im Ergebnis nicht vor. Eine Beihilfe kommt in Betracht, da der Gesetzgeber mit dem niedrigen Abgeltungsteuersatz von 25 % die Auftragslage bei den Kreditinstituten erhöhen wollte. Ein solcher Effekt lässt
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sich jedoch nicht nachweisen, sodass Kreditinstitute keine Rückforderungsansprüche zu befürchten haben. 7. Selbst wenn eine Verpflichtung des Kreditinstituts zum Abzug und zur Abführung der Kapitalertragsteuer besteht, gibt es eine Reihe von Fällen, in denen es dennoch davon Abstand zu nehmen hat. Neben der sog. Nichtveranlagungsbescheinigung und sonstigen Nichtabzugstatbeständen kommt hier insbesondere der in der Praxis äußerst bedeutsame Freistellungsauftrag in Betracht. Dieser führt dazu, dass entweder schon keine Kapitalertragsteuer in Höhe des erteilten Freistellungsauftrags abgezogen und abgeführt wird, oder das Kreditinstitut vom Gläubiger der Kapitalerträge beauftragt wird, eine Erstattung der bereits abgeführten Kapitalertragsteuer beim BZSt vorzunehmen. 8. Zudem haben die Kreditinstitute den Finanzbehörden Kapitalertragsteuer-Anmeldungen zu den vorgegebenen Fristen zu übermitteln, um den Finanzbehörden zu ermöglichen, die ordnungsgemäße Einhaltung des Verfahrens zu überwachen. Hinzu kommen die Ausstellung von Bescheinigungen für bestimmte Verfahrenshandlungen sowie Anzeige- und Mitteilungspflichten vorwiegend an das BZSt, an Finanzämter und an andere Kreditinstitute. 9. Die Fülle an Verfahrensnormen einzuhalten, bedeutet eine große Belastung für die Kreditinstitute. Vor allem im Rahmen zweier Verfahrensabschnitte können hier durch Gesetzesänderungen de lege ferenda spürbare Erleichterungen erzielt werden. a) Zum einen wird vorgeschlagen, eine Anrufungsauskunft vergleichbar zum Lohnsteuerverfahren einzuführen. Anhand dieser Auskunft können die Kreditinstitute bei schwieriger und verworrener Rechtslage die Finanzbehörden um eine verbindliche und kostenfreie Auskunft anrufen. Dies ermöglicht es den Kreditinstituten, ihren verfahrensrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen, was auch den Finanzbehörden und dem Gläubiger der Kapitalerträge zugutekommt. Denn dadurch lassen sich viele Streitigkeiten bereits im Vorfeld lösen und nicht erst auf Ebene einer dann nötigen Veranlagung. Dies würde insgesamt das kooperative Zusammenwirken zwischen Finanzbehörden und Kreditinstituten fördern. b) Zum anderen können die Kreditinstitute im Bereich des Freistellungsauftrags entlastet werden. Erteilt der Gläubiger der Kapitalerträge seinem Kreditinstitut einen Freistellungsauftrag, ist dieses verpflichtet, vom Steuerabzug in der Höhe des erteilten Freistellungsauftrags Abstand zu nehmen. Wird ein solcher Freistellungsauftrag hingegen nicht erteilt, muss das Kreditinstitut die entsprechende Kapitalertragsteuer auch dann abziehen und abführen, wenn es sich nur um Kleinstbeträge handelt. In der Praxis kommt dies häufig vor, da viele Gläubiger von Kapitalerträgen keine Kenntnis davon haben, welche Funktion ein Freistellungsauftrag erfüllt und wie er formal zu erteilen ist. Aus diesem Grund wird de lege ferenda vorgeschlagen, dass Kreditinstitute bis zu einem Betrag von 100 EUR grundsätzlich keine Kapitalertragsteuer abzu-
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
ziehen haben. Dadurch können schließlich Veranlagungen vermieden werden, die ohnehin nur zu einer Steuererstattung führen würden. Neben den Kreditinstituten werden somit auch die Finanzverwaltung sowie die Gläubiger von Kapitalerträgen entlastet, die keine Steuererklärung mehr abzugeben hätten, um noch von ihrem Sparer-Pauschbetrag Gebrauch machen zu können.
B. Die Nebenpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG Die vorstehend erläuterten Hauptpflichten umfassen Pflichten, die die Kreditinstitute von der Verwirklichung des Steuertatbestands bis hin zur Abführung der Steuer an den Fiskus treffen. Die folgend zu untersuchenden steuerlichen Nebenpflichten treten begleitend dazu. Sie ergeben sich vorwiegend aus der Rechtsquelle der AO, aber auch aus anderen Gesetzen wie etwa aus dem Kreditwesengesetz. Insbesondere die Pflicht der Kreditinstitute zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens (I.) und die Pflicht zur Wahrung des Schutzes von Bankkunden (II.) sind hier von großer Bedeutung. Hinzu kommen Pflichten der Kreditinstitute im Rahmen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung (III.) sowie steuerliche Dokumentationspflichten (IV.). I. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens nach § 93b AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG Ein Kontenabrufverfahren ermöglicht staatlichen Stellen, bestimmte Kontoinformationen eines Kunden von dessen Kreditinstitut zu erlangen. Der eigentliche automatisierte Abruf von Kontoinformationen ist in § 24c KWG geregelt. Über die Verweisung in § 93b Abs. 1 AO gilt diese Vorschrift auch für steuerliche Zwecke.559 Es wird demnach keine neue Pflicht begründet, sondern auf eine ohnehin schon bestehende Pflicht Bezug genommen.560 Allerdings werden die Voraussetzungen eines steuerlich veranlassten Kontenabrufs in § 93b AO modifiziert. Inhaltlich sind nach § 24c Abs. 1 KWG lediglich die Kontostammdaten vom Kreditinstitut zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen insbesondere die Konto-
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Siehe Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit v. 15. 8. 2003, BRDrs. 542/03, S. 20; durch die Erweiterung des Kontenabrufverfahrens auch für steuerliche Zwecke sollte ein Beitrag zur Verbesserung der Steuerehrlichkeit geleistet werden. Dazu dient der Datenaustausch, der das Entdeckungsrisiko für Steuerhinterzieher erhöht (S. 8 des Entwurfs). 560 Klein/B. Rätke, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 93b Rn. 2.
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nummer und der Name des Konteninhabers.561 Kontostand und Zahlungsströme werden hingegen nicht erfasst.562 Sobald eine Änderung der Kontostammdaten erfolgt, hat das Kreditinstitut unverzüglich einen neuen Datensatz anzulegen.563 Es hat zu gewährleisten, dass das BZSt die bereitgestellten Daten jederzeit abrufen kann564 und muss durch technische sowie organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass ihm Abrufe nicht zur Kenntnis gelangen.565 Andernfalls könnte das Kreditinstitut anhand der Kontenabrufe bestimmte Schlüsse ziehen, etwa auf die Kreditwürdigkeit seines Kunden.566 Der Kontenabruf für steuerliche Zwecke567 ist nach § 93b Abs. 1 AO nur möglich, sofern die Voraussetzungen nach § 93 Abs. 7 AO vorliegen.568 Nach § 93 Abs. 7 Satz 1 AO ist ein Kontenabruf insbesondere dann zulässig, soweit der Gläubiger der Kapitalerträge eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 EStG beantragt und der Abruf in diesen Fällen zur Festsetzung der Einkommensteuer erforderlich ist.569 In diesen Fällen ist es auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nötig, die Angaben des Gläubigers der Kapitalerträge zu verifizieren, da der Steuerpflichtige im Rahmen einer Günstigerprüfung sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen dem allgemeinen Einkommensteuertarif zu unterwerfen hat.570 Soweit sie mit abgeltender Wirkung besteuert wurden, können sie hingegen anonym bleiben, da dann keine Besteuerungsausfälle drohen.571 Abrufungsberechtigt ist für steuerliche Zwecke aus561 Siehe § 24c Abs. 1 Satz 1 KWG; zusätzlich zu diesen Daten sind nach § 93b Abs. 1a AO für jeden Verfügungsberechtigten und jeden wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des Geldwäschegesetzes auch die Adressen sowie die in § 154 Abs. 2a AO bezeichneten Daten zu speichern und zur Verfügung zu stellen. 562 AEAO v. 31. 1. 2014, IV A 3 –S 0062/14/10002, Anm. Nr. 2.1. zu § 93. 563 Siehe § 24c Abs. 1 Satz 2 KWG. 564 Siehe § 24c Abs. 1 Satz 5 KWG. 565 Siehe § 24c Abs. 1 Satz 6 KWG. 566 Information des BZSt bzgl. des Kontenabrufverfahrens nach § 93 Abs. 7 – 10 und § 93b der Abgabenordnung, http://www.bzst.de/DE/Steuern_National/Kontenabrufverfah ren/kontenabrufverfahren_node.html. 567 Ein Kontenabruf für nichtsteuerliche Zwecke ist möglich nach § 93 Abs. 8 Satz 3 AO. 568 Mit BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2007, 1 BvR 1550/03 u. a., BVerfGE 118, S. 168 wurde das Kontenabrufverfahren im Grundsatz für verfassungskonform erachtet. 569 Beim automatisierten Abruf von Kontoinformationen nach § 93b Abs. 1 AO i. V. m. § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 AO gelten die Grundsätze der Erforderlichkeit und Subsidiarität. Ein Auskunftsersuchen ist demnach dann erforderlich, „wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht“, BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2007, 1 BvR 1550/03 u. a., BVerfGE 118, S. 168 (193); daneben tritt das Subsidiaritätsprinzip nach § 93 Abs. 7 Satz 2 HS. 2 AO, wonach ein Abrufersuchen nur dann erfolgen darf, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. 570 Koenig/D. Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 93 Rn. 32. 571 Information des BZSt bzgl. des Kontenabrufverfahrens nach § 93 Abs. 7 – 10 und § 93b der Abgabenordnung, http://www.bzst.de/DE/Steuern_National/Kontenabrufverfah ren/kontenabrufverfahren_node.html.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
schließlich das BZSt. Eine ersuchende Behörde muss sich daher an das BZSt wenden, das die Auskunft einholt und dann an sie übermittelt.572 Das Kreditinstitut hat in seinem Verantwortungsbereich alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, die für den automatisierten Abruf erforderlich sind.573 Dazu gehören auch die Anschaffung der zur Sicherstellung der Vertraulichkeit und des Schutzes vor unberechtigten Zugriffen erforderlichen Geräte, die Einrichtung eines geeigneten Telekommunikationsanschlusses und die Teilnahme an dem geschlossenen Benutzersystem sowie die laufende Bereitstellung dieser Vorkehrungen.574 Daneben hat das Kreditinstitut dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der abgerufenen und weiter übermittelten Daten gewährleisten.575 Um diese Anforderungen zu erfüllen, bedienen sich viele Kreditinstitute auch hier externer Dienstleister. So betreut etwa die Bank-Verlag GmbH eine sog. Kontenevidenzzentrale für den automatisierten Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG. Nach eigenen Angaben erfüllen dadurch rund 130 Kreditinstitute ihre Pflicht zur Einrichtung des vorgeschriebenen Verfahrens.576 Der rasante technische Fortschritt erfordert eine ständige Anpassung an den von Gesetzes wegen geforderten Stand der Technik. Zudem verursachen die steigenden Zahlen bei den Kontenabrufen insbesondere durch die Erweiterung des Kreises der Kontenabrufberechtigten577 die Anforderungen an eine belastbare elektronische Datenverarbeitung.
572
Siehe § 93b Abs. 2 AO. Siehe § 24c Abs. 5 Satz 1 KWG. 574 Siehe § 24c Abs. 5 Satz 2 KWG. 575 Siehe § 24c Abs. 6 Satz 1 KWG. 576 Siehe die Homepage der Bank-Verlag GmbH unter https://www.bank-verlag.de/in dex.php?id=141. 577 So zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze (Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz) v. 3. 5. 2013 (BGBl. I S. 1108), wonach nun auch im Rahmen der Auskunftspflichten beim Unterhaltsvorschuss von der Möglichkeit des Kontenabrufs nach § 93b Abs. 1 AO Gebrauch gemacht werden kann. 573
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Abbildung 5: Die Anzahl der Kontenabrufe durch das BZSt578
Die Abbildung zeigt den enormen Anstieg an Kontenabrufen durch BZSt in den Jahren 2005 bis 2016, die nach § 93 Abs. 7 AO durchgeführt wurden. Während die Zahl der Kontenabrufe im Jahr 2005 noch bei 8.610 lag, erhöhte sie sich in den folgenden Jahren konstant und lag Ende 2016 bei 98.916. Aufgrund dieser Entwicklung ist nicht damit zu rechnen, dass die Kontenabrufe in Zukunft wieder zurückgehen. Dabei sind die Kosten, die diese Dienstleistungen verursachen, allein von den Kreditinstituten zu tragen.579 II. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Wahrung des Bankgeheimnisses Im Folgenden stellt sich die Frage, ob die Kreditinstitute spezifische Schutzpflichten bezüglich ihrer Kunden aus dem sog. Bankgeheimnis treffen. Der Begriff wird häufig verwendet, doch ist seine rechtliche Bedeutung eher gering. Allgemein
578 Daten nach Auskunft des BZSt v. 18. 8. 2017: Anzahl der in 2005 nach § 93 Abs. 7 AO erledigten Anfragen: 8.610; in 2006: 25.283; in 2007: 27.440; in 2008: 31.510; in 2009: 37.291; in 2010: 48.558; in 2011: 54.090; in 2012: 61.629; in 2013: 68.648; in 2014: 79.719; in 2015: 97.631; in 2016: 98.916. 579 Siehe § 24c Abs. 5 Satz 1 KWG. Im Gesetzentwurf zur Einführung eines Kontenabrufverfahrens wird davon ausgegangen, dass den Kreditinstituten durch die Erweiterung des Verfahrens auf den steuerlichen Abruf keine zusätzlichen Kosten oder Aufwendungen entstehen, müssen die Daten doch schon aufgrund der kreditrechtlichen Vorschriften bereitgestellt werden; siehe Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit v. 15. 8. 2003, BR-Drs. 542/03, S. 20. Dem ist insbesondere aus zwei Gründen zu widersprechen. Zum einen steigen durch die Zahl der Kontenabrufe für steuerliche Zwecke insgesamt die Anforderungen an die technische Gewährleistung eines solchen Verfahrens, zum anderen erfordert § 93b Abs. 1a AO i. V. m. § 154 Abs. 2a AO weitere Daten, die über die kreditrechtlich zur Verfügung zu stellenden Daten hinausgehen. Dies führt insgesamt zu einem höheren Aufwand und damit zu erhöhten, dem steuerlichen Kontenabrufverfahren geschuldeten Kosten. Siehe dazu auch die Studie „Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft“ der IW Consult GmbH v. 26. 9. 2008 im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, S. 74 und zu den Steuerverwaltungskosten unten § 4 D.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
versteht man darunter das Berufs- und Geschäftsgeheimnis im Kreditgewerbe.580 Es muss aber weiter differenziert werden zwischen dem steuerrechtlichen Bankgeheimnis (1.) und dem zivilrechtlichen Bankgeheimnis (2.). 1. Das Bankgeheimnis im Steuerrecht Im Steuerrecht ist der Begriff des Bankgeheimnisses gesetzlich nicht geregelt. Lange Zeit wurde diskutiert, ob sich ein solches nicht aus § 30a AO581 ergebe,582 da die Finanzbehörden bei der Ermittlung des Sachverhalts (§ 88 AO) auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstituten und deren Kunden besondere Rücksicht zu nehmen haben. Dieser Streit hat sich spätestens mit der schon seit langem geforderten Aufhebung583 des § 30a AO durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz584 endgültig erledigt. Es gilt damit die Auskunftspflicht der Beteiligten nach § 93 AO, wonach die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen haben.585 Die Grenzen dieser Auskunftspflichten ergeben sich aus den Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechten nach §§ 101 – 106 AO. Diese enthalten jedoch keine spezifischen, nur für Kreditinstitute geltende Verweigerungsrechte. Vielmehr sind gemäß § 105 Abs. 1 AO sogar öffentliche Stellen, insbesondere die Deutsche Bundesbank trotz ihrer beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht,586 zur Auskunft gegenüber den Finanzbehörden verpflichtet.587 Zudem zeigt sich auch im Instrument des Kontenabrufverfahrens,588 dass die Bedeutung des Schutzes von Bankkunden geringer wurde.589 Unter anderem aus diesen Gründen lässt sich schlussfolgern, dass das Steuerrecht den Begriff des Bankge-
580 D. Hoffmann/R. Fahr/D. Pick, Bankgeheimnis und Bankauskunft in der Praxis, 8. Aufl. 2016, S. 13. 581 Dabei handelt es sich um die gesetzliche Normierung des Bankenerlasses von 1979, BMF Schreiben v. 31. 8. 1979 betr. Ermittlungen bei Kreditinstituten, S 2252, BStBl. I S. 590, siehe dazu auch oben § 2 A. V. 582 Siehe m. w. N. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht 22. Aufl. 2015, § 21 Rn. 199. 583 Siehe dazu u. a. J. Hey, Vollzugsdefizite bei Kapitaleinkommen: Rechtsschutzkonsequenzen und Reformoptionen, DB 2004, S. 724 (725); R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 126. Lfg. 2011, § 208 AO Rn. 34. 584 Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) v. 23. 6. 2017 (BGBl. I S. 1682). 585 Siehe § 93 Abs. 1 Satz 1 AO. 586 Siehe § 67 Bundesbeamtengesetz (v. 5. 2. 2009 [BGBl. I S. 160], zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20. 11. 2019 [BGBl. I S. 1626]). 587 J. Kretschmer, Das Bankgeheimnis in der deutschen Rechtsordnung – ein Überblick, wistra 2009, S. 180 (182). 588 Siehe dazu oben § 3 B. I. 589 J. Kretschmer, Das Bankgeheimnis in der deutschen Rechtsordnung – ein Überblick, wistra 2009, S. 180 (182).
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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heimnisses nicht kennt.590 Davon unberührt bleibt jedoch das Steuergeheimnis nach § 30 AO, das indes nur die Finanzbehörden und nicht die Kreditinstitute bindet. 2. Das Bankgeheimnis im Zivilrecht Das Zivilrecht hingegen kennt ein Bankgeheimnis.591 Es ist zwar nicht explizit als solches gesetzlich normiert, doch gehen Banken, Kunden sowie der Gesetzgeber selbst u. a. in § 9 Abs. 1 KWG, § 32 Gesetz über die Deutsche Bundesbank592 und Art. 172 Abs. 1 lit. e UA 3 Verordnung (EU) Nr. 575/2013593 von der Existenz des Bankgeheimnisses aus.594 Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Bankgeheimnis eine „selbstverständliche Nebenpflicht“595 und bezieht sich „nur auf kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die einem Kreditinstitut aufgrund, aus Anlaß bzw. im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind.“596 Ähnlich definiert auch Nr. 2 der Muster AGB Banken597 das Bankgeheimnis, wonach die Bank zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet ist, von denen sie Kenntnis erlangt. Die AGB Banken sind allerdings nur deklaratorischer Natur, da sich die dort geregelten Verschwiegenheitspflichten gegenüber Dritten schon aus dem Bankvertrag598 selbst ergeben.599
590
So auch S. Wagner, Möglichkeiten bei der Fertigung von Kontrollmitteilungen anlässlich von Außenprüfungen bei Kreditinstituten, DStZ 2010, S. 69 (70); J. Melchior, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 42. Ed. 2018, Rn. 1 zum Begriff „Bankgeheimnis“; J. Kretschmer, Das Bankgeheimnis in der deutschen Rechtsordnung – ein Überblick, wistra 2009, S. 180 (183); S. Brinkschulte, Bankgeheimnis und Steuerstrafrecht, 2013, S. 17. 591 Ausführlich hierzu D. Hoffmann, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, 125. Lfg. 2016, Rn. 2/840 ff. 592 Gesetz über die Deutsche Bundesbank v. 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 745), in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 10. 1992 (BGBl. I S. 1782), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1328). 593 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 v. 26. 6. 2013, Abl. Nr. L 176/1 v. 27. 6. 2013. 594 H.-M. Krepold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, Rn. 7; ferner G. Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, S. 1537 (1539 f.). 595 BGH, Urt. v. 12. 5. 1958, II ZR 103/57, BGHZ 27, S. 241 (246). 596 BGH, Urt. v. 24. 1. 2006, XI ZR 384/03, BGHZ 166, S. 84 (91 f.). 597 Abrufbar u. a. unter https://bankenverband.de/service/agb-und-klauselwerke. 598 Siehe dazu unten § 4 A. III. 2. a). 599 K. Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018, AGB-Banken 2 Bankgeheimnis und Bankauskunft, Rn. 1; nach Schwab handelt es sich um eine gesetzliche Rücksichtspflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, die schon bei der Vertragsanbahnung beginnt und auch die Wirksamkeit des Bankenvertrags nicht zwingend voraussetzt; siehe M. Schwab, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht Band 2/2, 3. Aufl. 2016, § 675 Rn. 31.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Informationen über den Kunden darf die Bank nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. Die Formulierung „wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten“ öffnet das Tor zu den steuerlichen Auskunftspflichten. Gegenüber den Finanzbehörden können sich die Kreditinstitute insofern nicht auf das zivilrechtliche Bankgeheimnis berufen.600 Es bleibt damit festzuhalten, dass das Zivilrecht ein Bankgeheimnis kennt, an das die Kreditinstitute auch gebunden sind. Ein spezifisches steuerrechtliches Bankgeheimnis gibt es hingegen nicht, sodass sich hieraus keine gesteigerten Belastungen für die Kreditinstitute ergeben. III. Die Pflichten der Kreditinstitute im Rahmen der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO i. V. m. § 50b EStG 1. Der Zweck einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung Bei der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung handelt es sich um ein Instrument der Finanzverwaltung, die vollständige und korrekte steuerliche Erfassung aller steuerrelevanten Vorgänge zu kontrollieren, damit das Steueraufkommen zu sichern601 und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten.602 Sie wird in der Praxis etwa alle zwei bis drei Jahre durchgeführt. Es kann das ganze Verfahren – von der Ermittlung der Bemessungsgrundlage bis hin zu Steuerermittlung und zum Steuerabzug – samt der technischen Implementierung des Kapitalertragsteuerabzugs überprüft werden.603 Vor Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 war die Kapitalertragsteuer – wie die Lohnsteuer – lediglich eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld.604 Durch die nunmehr geltende Abgeltungsbesteuerung nach § 43 Abs. 5 EStG605 bedarf es im Großteil der Steuerfälle jedoch keiner Veranlagung mehr. Durch diese Art der anonymen Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen werden den Finanzbehörden die steuerlichen Sachverhalte grundsätzlich nicht mehr sichtbar, sodass sie sich einer anderen Kontrolle bedienen müssen – der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung.
600
R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 21 Rn. 195. C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751. 602 Siehe § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung v. 15. 3. 2000 (BStBl. I S. 368), zuletzt geändert durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift v. 20. 7. 2011 (BStBl. I S. 710). 603 P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2398). 604 Siehe § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. 605 Siehe dazu oben § 3 A. V. I. 601
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2. Der Anwendungsbereich der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung Die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung ist im Grundsatz eine Außenprüfung nach den §§ 193 ff. AO, die nach § 50b Satz 2 EStG entsprechend auch für abzugsverpflichtete Kreditinstitute im Rahmen der Kapitalertragsteuer modifiziert für anwendbar erklärt wird. Die Norm erweitert einerseits die Prüfungsadressaten um die im Kapitalertragsteuerverfahren Beteiligten,606 beschränkt andererseits aber auch den Prüfungsgegenstand. Denn nach § 50b Satz 1 EStG sind die Finanzbehörden nur berechtigt, Verhältnisse, die für die Anrechnung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer, für die Nichtvornahme des Steuerabzugs oder für die Mitteilungen an das Bundeszentralamt für Steuern nach § 45e EStG von Bedeutung sind, bei den am Verfahren Beteiligten zu prüfen. Darüber hinaus kann diesbezüglich keine Kapitalertragsteuer-Außenprüfung erfolgen.607 Dabei nennt das Gesetz keinen Zeitpunkt, zu welchem eine solche Prüfung zu erfolgen hat. Es liegt damit im pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 AO) der Finanzbehörde, wann sie eine Prüfung vornehmen möchte.608 3. Die Mitwirkungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung Die zu prüfenden Kreditinstitute treffen eine Reihe von Mitwirkungspflichten, zu deren Einhaltung sie bereits im Vorfeld entsprechende Vorkehrungen treffen sollten.609 Die Kreditinstitute befinden sich hier im Spannungsfeld zwischen der Offenlegung der Daten, die sie den Finanzbehörden qua Gesetz zur Verfügung stellen müssen610 und gleichzeitig dem Schutz der Bankdaten ihrer Kunden.611 Sie müssen 606
Damit ist allerdings nicht der Beteiligtenbegriff nach § 78 AO gemeint, der deutlich enger ist. Beteiligter ist vielmehr jeder, der von den in § 50b EStG genannten Verfahrenshandlungen unmittelbar oder nur mittelbar betroffen ist. Andernfalls würde der Sinn und Zweck des § 50b EStG, eine umfassende Aufklärung aller dort genannten Verfahrensabschnitte, nicht erreicht; siehe FG Hessen, Beschl. v. 7. 8. 2010, 4 V 3084/11, JurionRS 2012, 21137, Rn. 19; R. Schupp, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 216 2016, § 50b Rn. 16; von einem engeren Verfahrensbegriff hingegen geht Desens aus, der im Ergebnis fordert, dass Beteiligte nach § 50b EStG nur solche sind, die in einem dort genannten Verfahren gesetzlich berechtigt oder verpflichtet werden; siehe M. Desens, Wer ist ein „am Verfahren Beteiligter“ i. S. d. § 50b EStG?, FR 2012, S. 946 (950). Bezüglich der Erfassung von Kreditinstituten bestehen hier aber keine Unstimmigkeiten. 607 Die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung kann – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – allerdings mit der allgemeinen Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO verbunden werden; siehe W. Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 291. Lfg. 2019, § 50b EStG Rn. 19. 608 W. Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 291. Lfg. 2019, § 50b EStG Rn. 19. 609 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1752 f.). 610 Zu den steuerlichen Dokumentationspflichten im Kapitalertragsteuerverfahren siehe unten § 3 B. IV.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
die steuerlich relevanten Daten identifizieren und den Zugriff hierauf beschränken.612 Das bedeutet für die Kreditinstitute, dass sie so wenig wie möglich Daten zur Verfügung stellen, aber gerade so viel wie nötig. Dieser Spagat erfordert eine sehr sorgfältige Prüfung der Unterlagen.613 So sind etwa Angaben zur Höhe der Abstandnahme vom Steuerabzug durch Freistellungsaufträge oder zu Verlustverrechnungstöpfen mitteilungspflichtige Daten, da diese für die Finanzbehörden nötig sind, um die entsprechende Überprüfung nach §§ 193 ff. AO i. V. m. § 50b EStG vornehmen zu können. Hingegen sind beispielsweise der Name, die Adresse oder das Geburtsdatum des Gläubigers der Kapitalerträge für eine solche Überprüfung nicht von Relevanz und müssen im Interesse des Schutzes der Kunden zurückgehalten werden.614 4. Folgen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung Die Folgen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung können vielseitig sein. Stellen die Prüfer fest, dass zu wenig Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, ist die konkrete Ermittlung dieses Betrags aber nicht möglich, kann seitens der Finanzbehörden eine Zuschätzung nach § 162 AO615 vorgenommen werden. Für den die Kapitalertragsteuer-Anmeldung übersteigenden Betrag kann das Kreditinstitut nach § 44 Abs. 5 EStG in Haftung616 genommen werden.617 Sofern die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG vorliegen, besteht für die Finanzbehörden auch die Möglichkeit, sich direkt an den Gläubiger der Kapitalerträge zu wenden und im Wege eines Nachforderungsbescheids die zu wenig entrichtete Kapitalertragsteuer nachzufordern.618 Schließlich kann die fehlende Steuer im Wege eines Veranlagungsverfahrens erhoben werden. 611 S. Groß/P. Matheis/B. Lindgens, Rückstellung für Kosten des Datenzugriffs der Finanzverwaltung, DStR 2003, S. 921 (922); C. Schmidt/A.-K. Eck, Die KapitalertragsteuerSonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1753). 612 S. Groß, Die Anpassung der Unternehmens-EDV an die Vorgaben zum Datenzugriff der Finanzverwaltung, DStR 2002, S. 1121 (1122). 613 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1753). 614 P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2398); C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1754); A. Herzberg, Zu einem neuen Verständnis der §§ 30a, 93 AO und des § 50b EStG, DStR 2014, S. 1535 (1537). 615 Siehe dazu unten § 4 A. II. 6. a). 616 Siehe dazu unten § 4 A. II. 1. 617 P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2399). 618 Siehe dazu unten § 4 A. II. 1. b) cc).
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Die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung stellt von der Vorbereitung, der Durchführung bis hin zum Abschluss einen enormen Aufwand für die betroffenen Kreditinstitute dar. Neben juristischer Beratung erfordert das Kapitalertragsteuerverfahren vor allem ein enormes Know-How an die Umsetzung der rechtlichen Anforderungen in der EDV. Dadurch, dass oftmals noch externe Dienstleister in die Prozesse eingebunden sind, wird die Komplexität des ganzen Systems zusätzlich erhöht. Die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung gereicht den Kreditinstituten allerdings insoweit zu einem Vorteil, als mögliche Fehler im System der Abzugsbesteuerung bei den Kreditinstituten aufgedeckt und noch rechtzeitig behoben werden können. Dies kann letztlich auch dem Schutz der Abzugsverpflichteten dienen, da hierdurch Haftungsfolgen vermieden werden können.619 IV. Die Pflicht der Kreditinstitute zu Dokumentationen 1. Aufgaben und Ausgangspunkt steuerlicher Dokumentationspflichten Die Vielzahl von einzuhaltenden Pflichten macht es für die Kreditinstitute erforderlich, diese zu dokumentieren und zu archivieren.620 Sie erfüllen damit mehrere Aufgaben. Zum einen benötigen sie die Daten, um feststellen zu können, ob ein bestimmter Vorgang einen kapitalertragsteuerlichen Tatbestand erfüllt. Denn nur anhand der dafür notwendigen Daten können sie ihre Abzugsverpflichtung bestimmen und den Steuerabzug vornehmen. Zum anderen ist die steuerliche Dokumentation unabdingbare Voraussetzung der Verifikation des Verfahrens durch die Finanzbehörden, um ein die Besteuerungsgleichheit sicherndes Verfahren zu gewährleisten.621 Schließlich erleichtert die Dokumentation die Beweisführung in streitigen Verfahren.622 Die Menge an Vorschriften, die (steuerliche) Dokumentati619 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1760). Ein weiterer positiver Nebeneffekt für die Kreditinstitute ist die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 AO. Denn eine KapitalertragsteuerAnmeldung (§ 45a Abs. 1 EStG) steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steueranmeldung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 164 AO), der nach durchgeführter Außenprüfung grundsätzlich aufzuheben ist. Dadurch ist eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen nur noch im Ausnahmefall möglich (etwa bei einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung), § 173 Abs. 2 Satz 1 AO. Das Ergebnis der Außenprüfung bringt diesbezüglich Rechtssicherheit für die betroffenen Kreditinstitute. Siehe P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2401). 620 Ausführlich zu den konkreten Dokumentations- und Archivierungsmöglichkeiten siehe T. Brand/S. Groß/I. Geis/B. Lindgens/B. Zöller, Steuersicher archivieren, 2. Aufl. 2013. 621 Siehe dazu BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 – Zinsurteil. 622 So G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 114, für das insoweit vergleichbare Lohnsteuerverfahren.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
onspflichten zum Gegenstand haben, macht eine Eingrenzung erforderlich. Deshalb beschränken sich die folgenden Ausführungen vorwiegend auf die spezifischen, für das Kapitalertragsteuerrecht geltenden Dokumentationspflichten. Ausgangspunkt für die steuerlichen Dokumentationspflichten bildet § 140 AO. Danach hat derjenige, der bereits nach anderen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegenden Verpflichtungen auch für die Besteuerung zu erfüllen. Da Kreditinstitute schon nach den Regelungen des Handelsrechts623 bzw. des Geldwäscherechts624 zu bestimmten steuerlich relevanten Dokumentationen verpflichtet sind, bestehen diese Pflichten schon aus diesem Grund. Die Pflichten umfassen allerdings nur Besteuerungsvorgänge, die für das Kreditinstitut selbst von Bedeutung sind und keine Vorgänge, die nur Dritte betreffen.625 Denn man ist grundsätzlich nur das aufzubewahren verpflichtet, was man in den eigenen steuerlichen Angelegenheiten nachzuweisen hat. Sofern Dokumentationspflichten dazu dienen, Dokumente aufbewahren zu müssen, die steuerliche Angelegenheiten eines Dritten betreffen, muss der Gesetzgeber solche Pflichten explizit normieren.626 2. Die einzelnen Dokumentationspflichten im Kapitalertragsteuerrecht Im Kapitalertragsteuerrecht finden sich hierzu entsprechende Regelungen, wonach die Kreditinstitute verpflichtet sind, steuerliche Angelegenheiten Dritter (also ihrer Kunden) zu dokumentieren.627 Der Chronologie des Besteuerungsverfahrens folgend hat sich das Kreditinstitut im Rahmen der Legitimationsprüfung nach § 154 AO zunächst Gewissheit über die Person und die Anschrift des Verfügungsberechtigten zu verschaffen und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form festzuhalten.628 Diese Angaben haben nach Ansicht der Finanzverwaltung auf dem Kontostammblatt zu erfolgen.629 Zudem müssen sie nach § 24c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG u. a. auch die Nummer des Kontos speichern.
623
Siehe §§ 238 ff. HGB. Siehe § 8 GWG. 625 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1753). 626 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 142. Lfg. 2015, § 140 AO Rn. 16; Koenig/T. Cöster, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 140 Rn. 14; a. A. U.-C. Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 188. Lfg. 2019, § 140 AO Rn. 8. 627 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1753). 628 Siehe § 154 Abs. 2 Satz 1 AO. 629 Siehe AEAO v. 31. 1. 2014, IV A 3 – S 0062/14/10002, Anm. Nr. 5 zu § 154. 624
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Handelt es sich bei der Frage des Steuerabzugs um Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 – 12 EStG (z. B. eine ausländische Dividende), ist ein solcher nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind und der Gläubiger der Kapitalerträge dies gegenüber der auszahlenden Stelle nach amtlich vorgeschriebenem Muster630 erklärt (sog. Freistellungserklärung).631 Diese Fälle hat die auszahlende Stelle gesondert aufzuzeichnen.632 Daneben hat sie zusätzlich die Konto- oder Depotbezeichnung oder die sonstige Kennzeichnung des Geschäftsvorgangs, Vor- und Zunamen des Gläubigers der Kapitalerträge sowie die Identifikationsnummer nach § 139b AO bzw. bei Personenmehrheit den Firmennamen und die zugehörige Steuernummer nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu speichern und durch Datenfernübertragung zu übermitteln.633 Eine weitere Dokumentationspflicht findet sich bei der Abstandnahme vom Steuerabzug in § 44a Abs. 3 EStG.634 Sofern dem Kreditinstitut ein Freistellungsauftrag oder eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung vorliegt, hat es keinen Steuerabzug vorzunehmen. Zudem hat es in seinen Unterlagen das Finanzamt, das die Bescheinigung erteilt hat, den Tag der Ausstellung der Bescheinigung und die in der Bescheinigung angegebene Steuer- und Listennummer zu vermerken sowie die Freistellungsaufträge aufzubewahren.635 Die Kreditinstitute sind in vielen Fällen verpflichtet, dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Verlangen eine Kapitalertragsteuer-Bescheinigung auszustellen, welche die nach § 32d EStG erforderlichen Angaben enthält.636 Werden bestimmte Kapitalerträge637 nicht unter dem Namen des Gläubigers der Kapitalerträge beim Kreditinstitut verwahrt oder verwaltet, muss die Bescheinigung mit einem entsprechenden Hinweis gekennzeichnet sein.638 Über die zu kennzeichnenden Bescheinigungen haben die Kreditinstitute Aufzeichnungen zu führen,639 die auch einen Hinweis auf den Buchungsbeleg über die Auszahlung an den Empfänger der Bescheinigung enthalten.640 Sind die Urschrift bzw. die elektronisch übermittelten Daten nach den Angaben des Gläubigers der Kapitalerträge abhandengekommen 630
BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Anlage 1. 631 Siehe § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HS. 1 EStG; zur Freistellungserklärung siehe Kirchhof/ F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 43 Rn. 22. 632 Siehe § 43 Abs. 2 Satz 6 HS. 1 EStG. 633 Siehe § 43 Abs. 2 Satz 7 EStG. 634 Siehe dazu auch oben § 3 A. VI. 1. c) sowie § 3 A. VI. 2. 635 Siehe § 44a Abs. 3 EStG. 636 Siehe § 45a Abs. 2 Satz 1 EStG und oben § 3 A. VIII. 3. 637 Nach § 45a Abs. 2 Satz 4 EStG i. V. m. § 44a Abs. 6 Satz 1 EStG bei Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 sowie Satz 2 EStG. 638 Siehe § 45a Abs. 2 Satz 4 HS. 1 EStG i. V. m. § 44a Abs. 6 Satz 1, 2 EStG. 639 Siehe § 45a Abs. 2 Satz 4 HS. 2 EStG. 640 Siehe § 45a Abs. 2 Satz 5 EStG.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
oder vernichtet, kann das Kreditinstitut eine Ersatzbescheinigung ausstellen, die als solche gekennzeichnet sein muss. Wird eine Ersatzbescheinigung ausgestellt, hat das Kreditinstitut hierüber Aufzeichnungen zu führen.641 Zudem haben die Kreditinstitute Mitteilungen an das BZSt642 über bestimmte in § 45d Abs. 1 Satz 2 EStG genannte Daten des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen. Eine ausdrückliche Dokumentationspflicht bezüglich dieser Daten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Allerdings ist der Norm immanent, dass die Daten zunächst gespeichert werden müssen, bevor sie an das BZSt übermittelt werden können. Insoweit regelt auch § 45d EStG eine Dokumentationspflicht.643 Abschließend stellt sich die Frage nach dem zeitlichen Rahmen der Dokumentationspflichten. Umso länger Dokumente aufzubewahren sind, umso mehr Kosten fallen dafür an. Ausdrücklich regelt nur § 43 Abs. 2 Satz 6 EStG eine sechsjährige Aufbewahrungspflicht. Im Übrigen finden sich im Kapitalertragsteuerrecht hierzu keine Regelungen.644 Daher kann auf die allgemeine Dokumentationsfrist nach § 147 Abs. 3 Satz 1 AO zurückgegriffen werden, wonach Unterlagen sechs bzw. zehn Jahre aufzubewahren sind. Die konkrete Dauer der Aufbewahrungsfrist richtet sich nach der Art der Unterlage.645 § 147 Abs. 1 AO unterscheidet hier insbesondere zwischen Büchern und Aufzeichnungen, die zehn Jahre aufzubewahren sind646 und sonstigen Unterlagen, die sechs Jahre aufzubewahren sind.647 Dabei beginnt die Frist mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.648 Ein Freistellungsauftrag ist demnach als „sonstige Unterlage“ nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO einzuordnen und sechs Jahre vom Kreditinstitut aufzubewahren. Betrachtet man allein die aufgeführten spezifischen Dokumentationspflichten aus dem Kapitalertragsteuerrecht, wird deutlich, dass diese einen nicht zu unterschätzenden Aufwand für die Kreditinstitute verursachen. Diese müssen sich zunächst fragen, für welche Dokumente überhaupt eine Dokumentationspflicht besteht. Anschließend müssen sie dafür Sorge tragen, dass eine ordnungsgemäße, sichere und 641
Siehe § 45a Abs. 5 Satz 1 – 3 EStG. Siehe dazu oben § 3 A. IX. 1. 643 C. Schmidt/A.-K. Eck, Die Kapitalertragsteuer-Sonderprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer – rechtliche Aspekte und praxisorientierte Hinweise, BB 2011, S. 1751 (1753). 644 Der im Rahmen des Kontenabrufverfahrens nach § 93b AO relevante § 24c KWG kennt in Absatz 1 Satz 2 (i. V. m. § 93b Abs. 4 AO) eine zehnjährige Dokumentationsfrist hinsichtlich der dort genannten Daten, die mit der Auflösung des Kontos bzw. des Depots zu laufen beginnt. 645 Siehe § 147 Abs. 3 Satz 1 AO, der für Unterlagen i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 4a eine Frist von zehn Jahren vorsieht und bei allen anderen dort genannten Unterlagen eine Frist von sechs Jahren. 646 Siehe § 147 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 AO. 647 Siehe § 147 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 AO. 648 Siehe § 147 Abs. 4 AO. 642
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nachhaltige Dokumentation erfolgt. Bei Dokumentationszeiträumen von bis zu zehn Jahren haben die Kreditinstitute entsprechend hohe Datenmengen zu erfassen. Die Kosten hierfür haben sie wiederum selbst zu tragen.649 Denn die Kostentragungspflicht ist Ausfluss der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Beteiligten im Besteuerungsverfahren.650 V. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 B. Steuerliche Nebenpflichten im Kapitalertragsteuerverfahren sind Pflichten, die von den Kreditinstituten nicht unmittelbar mit der Durchführung des Besteuerungsverfahrens zusammenhängen, sondern begleitend zum Besteuerungsverfahren hinzutreten. 1. Teil dieser Nebenpflichten ist die Pflicht zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens nach § 93b AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG. Es ermöglicht dem BZSt, Kontoinformationen eines Kunden bei dessen Kreditinstitut einzuholen, um bestimmte Angaben des steuerpflichtigen Gläubigers der Kapitalerträge überprüfen zu können. Die Kreditinstitute haben zu gewährleisten, dass ein jederzeitiger Datenabruf möglich ist und müssen hierfür die entsprechenden technischen Voraussetzungen schaffen, deren Kosten sie zu tragen haben. Häufig bedienen sie sich hier externer Dienstleister. Das BZSt hat von der Möglichkeit des Kontenabrufs in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maße Gebrauch gemacht. 2. Eine Pflicht zur Wahrung des steuerlichen Bankgeheimnisses gibt es für die Kreditinstitute nicht. Da spätestens mit der Aufhebung des § 30a AO keine entsprechenden Regelungen hierzu existieren, ist daraus zu folgern, dass das Steuerrecht ein spezifisches Bankgeheimnis nicht kennt. Unberührt davon bleibt jedoch das zivilrechtliche Bankgeheimnis, das allerdings nur gegenüber Privaten wirkt und nur eingeschränkt gegenüber den Finanzbehörden. 3. Im Wege der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung, die im Grundsatz eine Außenprüfung nach §§ 193 ff. EStG darstellt, aber für das Kapitalertragsteuerrecht über § 50b Satz 2 EStG modifiziert wird, können die Finanzbehörden die Einhaltung der steuerlichen Pflichten überprüfen. Die Kreditinstitute treffen hier einige Mitwirkungspflichten. Dabei befinden sie sich in einem Spannungsfeld zwischen der Offenlegung der Daten und der Wahrung der schutzwürdigen In649
Siehe insbesondere § 147 Abs. 5 und 6 Satz 3 AO. Nach BFH, Urt. v. 19. 8. 2002, VIII R 30/01, BFHE 199, S. 561, ist auch für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen nach § 147 AO verpflichtet ist, im Jahresabschluss eine Rückstellung zu bilden. Diese Rechtsprechung kann auch auf die im Kapitalertragsteuerrecht normierten Dokumentationspflichten übertragen werden, da sie den in § 147 AO genannten Pflichten gleichwertig sind. 650 Siehe explizit § 107 Satz 2 AO und S. Schmitz, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Zugriffsrecht der Finanzverwaltung auf DV-gestützte Buchführungssysteme, Teil III, StBp 2002, S. 253 (254).
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teressen ihrer Kunden. Daher müssen sie sich bereits im Vorfeld sorgfältig auf eine solche Prüfung vorbereiten und prüfen, welche Unterlagen sie wirklich vorzulegen haben. Die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung kann dem Kreditinstitut aber auch insoweit zu einem Vorteil gereichen, als dadurch Fehler in dessen System aufgedeckt werden, die insoweit noch rechtzeitig, vor dem Eintritt eines möglichen Schadens, behoben werden können. 4. Schließlich treffen die Kreditinstitute steuerliche Dokumentationspflichten. Insbesondere im Hinblick auf eine Außenprüfung ist eine sorgfältige Dokumentation unabdingbar. Auch können die Kreditinstitute ihre eigenen Pflichten nur erfüllen, sofern sie die Daten ihrer Kunden kennen und jederzeit abrufen können. Sofern Besteuerungsvorgänge für das Kreditinstitut selbst von Bedeutung sind, ergibt sich die Pflicht zur Dokumentation aus § 140 AO. Hinsichtlich Dritter (Kunden) muss eine explizite Regelung seitens des Gesetzgebers bestehen, um Dokumentationspflichten begründen zu können. Im Kapitalertragsteuerrecht finden sich hier einige Regelungen wie etwa § 44a Abs. 3 EStG bezüglich der Pflicht, Freistellungsaufträge aufzubewahren.
C. Die Pflichten der Kreditinstitute aufgrund internationaler Abkommen und Verträge Die Globalisierung der Wirtschaftswelt schreitet rasch voran und bietet Unternehmen die Möglichkeit, durch grenzüberschreitende Geschäftsmodelle eine effizientere Steuergestaltung zu erreichen651 und dabei insbesondere durch zwischengeschaltete Gesellschaften Zahlungsströme zu verschleiern.652 Im Rahmen dieser Geschäftsmodelle werden auch Kreditinstitute in die Steuergestaltung eingebunden. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, wurden in den vergangenen Jahren einige internationale Abkommen und Verträge abgeschlossen. Ziele dieser Vereinbarungen sind insbesondere die Bekämpfung der Steuerhinterziehung sowie die Sicherstellung einer gleichmäßigen, angemessenen und möglichst wettbewerbsneutralen Besteuerung im Bereich von grenzüberschreitenden Steuersachverhalten.653 Aus diesen bilateralen bzw. multilateralen Vereinbarungen ergeben sich mittelbar eine Reihe von spezifischen Pflichten für die Kreditinstitute, die sie im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens neben den originär nationalen Regelungen zusätzlich zu
651 Siehe Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 5. 9. 2016, BT-Drs. 18/9536, S. 24. 652 R. Seer/A. Wilms, Der automatische Informationsaustausch als neuer OECD-Standard zur steuerlichen Erfassung des Finanzkapitals im Spannungsverhältnis zu Maßnahmen der Geldwäschebekämpfung, StuW 2015, S. 118. 653 M. Marquardt/M. Betzinger, Internationaler Informationsaustausch in Steuersachen, BB 2014, S. 3033.
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beachten haben. Die Kreditinstitute werden daher in immer stärker zunehmendem Maße auch von internationalen Abkommen und Verträgen betroffen und belastet. I. Der Common Reporting Standard (CRS) Die Vereinbarung eines Common Reporting Standard654 („gemeinsamer Meldestandard”) ist eine der bedeutendsten Übereinkünfte auf dem Gebiet der internationalen Kapitalertragsbesteuerung. Der CRS findet seine Grundlage in der „Mehrseitige[n] Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten“ vom 29. 10. 2014.655 Dabei handelt es sich um ein zu diesem Zeitpunkt von 51 OECD-Partnerstaaten656 unterzeichnetes multilaterales Abkommen.657 Es verpflichtet zunächst nur die Finanzbehörden, die auf Grund des CRS zu erhebenden Daten mit den anderen Behörden auszutauschen.658 Durch diesen automatischen Austausch wird es den Finanzbehörden erheblich erleichtert, die für einen konkreten steuerlichen Fall notwendigen Informationen aus dem Ausland zu erlangen.659 Auf Ebene der EU wurde der CRS durch die EU-Amtshilferichtlinie umgesetzt.660 Die inhaltlichen Anforderungen an die auszutauschenden Daten661 wurden durch das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz662 in nationales Recht transformiert. Aus dieser Umsetzung des CRS im nationalen Recht ergeben sich unmittelbar für die Kreditinstitute geltende Pflichten. So sind sie nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 8 FKAustG verpflichtet, einer Vielzahl von Informationspflichten unter Einhaltung der Melde654
Im Folgenden CRS. Der Bundestag hat dieser Vereinbarung gemäß Art. 59 Abs. 2 GG mit Zustimmung des Bundesrats in der Form des Gesetzes zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten v. 21. 12. 2015 zugestimmt; siehe BGBl. II S. 1630. 656 Die Abkürzung OECD steht für Organization for Economic Co-operation and Development („Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“). Dabei handelt es sich um die bedeutendste Organisation der westlichen Industrieländer zur Koordinierung der Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik. Siehe K. Duden, Wirtschaft von A bis Z, 4. Aufl. 2010, S. 234. 657 Die Vereinbarung wurde mittlerweile bereits von mehr als 90 Staaten und Gebieten unterzeichnet. 658 Siehe § 2 Ziff. 1.1. 659 E. Czakert, Seminar B: Automatic Exchange of Information: a New Standard?, iStR 2017, S. 663 (664). 660 Richtlinie 2014/107/EU des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung v. 9. 12. 2014, ABl. Nr. L 359 v. 16. 12. 2014, S. 1. 661 Diese finden sich in: Standard for Automatic Exchange of Financial Account Information in Tax Matters, OECD, 2. Aufl. 2017, S. 29 ff. 662 Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen v. 21. 12. 2015 (BGBl. I S. 2531), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 12. 2019 (BGBl. I S. 2451), im Folgenden FKAustG. 655
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und Sorgfaltspflichten gegenüber dem BZSt nachzukommen. Insbesondere müssen sie neben den Stammdaten des Kunden u. a. den Gesamtbruttobetrag melden, der in Bezug auf das Konto während des Kalenderjahres oder eines anderen geeigneten Meldezeitraums an den Kontoinhaber gezahlt oder ihm gutgeschrieben wurde und für den das meldende Kreditinstitut Schuldner ist, einschließlich der Gesamthöhe aller Einlösungsbeträge, die während des Kalenderjahres oder eines anderen geeigneten Meldezeitraums an den Kontoinhaber geleistet wurden.663 Darunter fallen vor allem Zinsen und Dividenden. Die zu erhebenden Daten und Informationen müssen von den Kreditinstituten zehn Jahre aufbewahrt werden.664 Darüber hinaus darf sich ein meldendes Kreditinstitut nicht auf eine Selbstauskunft oder auf Belege verlassen, wenn ihm bekannt ist oder ihm bekannt sein müsste, dass diese Informationen nicht zutreffend oder unglaubwürdig sind.665 Dies verpflichtet schließlich dazu, weitere Nachforschungen anzustellen. Der sich aus rein nationalem Recht ergebende Grundsatz der formellen Kontenwahrheit666 gilt hier demnach nicht. Die Pflichten aus dem FKAustG gelten für die Kreditinstitute erstmals für das Steuerjahr 2016. Sie haben dazu die meldepflichtigen Daten bis zum 31. 7. 2017 an das BZSt zu übermitteln. Auch in den Folgejahren müssen sie die Daten zum jeweils 31.7. melden.667 Die bis dato geltende EU-Zinsrichtlinie,668 die ebenfalls Meldepflichten beinhaltete, wurde damit ab dem Meldezeitraum 2016 vom CRS abgelöst. II. Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) Ein weiteres bilaterales internationales Abkommen über den Austausch steuererheblicher Daten über Kapitalerträge ist das Foreign Account Tax Compliance Abkommen,669 das am 31. 5. 2013 zwischen Deutschland und den USA abgeschlossen wurde.670 Hintergrund dieses Abkommens bilden Regelungen des US663
Siehe § 8 Abs. 1 Nr. 7 FKAustG. Siehe § 3 Abs. 2, 3 FKAustG sowie ergänzend BMF Schreiben v. 1. 2. 2017 betr. Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen, IV B 6 – S 1315/13/10021:044, BStBl. I S. 305, Rn. 251 ff. 665 Siehe § 17 Abs. 1 FKAustG. 666 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. b) sowie Fn. 184. 667 Siehe § 6 Abs. 3 FKAustG. 668 Die EU-Zinsrichtlinie (Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen v. 3. 6. 2003, ABl. L 157 v. 26. 6. 2003, S. 38) wurde in Deutschland durch die Zinsinformationsverordnung (Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen v. 26. 1. 2004 (BGBl. I S. 128; 2005 I S. 1695), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 18. 7. 2016 (BGBl. I S. 1722)) in nationales Recht umgesetzt, jedoch durch die Richtlinie EU 2015/2060 des Rates vom 10. November 2015 zur Aufhebung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl. L 301 v. 18. 11. 2015, S. 1, wieder aufgehoben. 669 Im Folgenden FATCA-Abkommen. 670 Siehe Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit 664
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amerikanischen Internal Revenue Codes.671 Diese Vorschriften traten am 18. 3. 2010 durch den US-amerikanischen „Hiring Incentives to Restore Employment Act“ in Kraft672 und sollten das bereits geltende Qualified-Intermediary-System673 ergänzen, wonach deutsche Kreditinstitute bis dato einen zivilrechtlichen Vertrag mit der USamerikanischen Steuerbehörde, dem Internal Revenue Service,674 schließen mussten, um mit bestimmten Kapitalerträgen nicht einem Quellensteuerabzug in den USA zu unterliegen. Insoweit stellt das FATCA-Abkommen für die Kreditinstitute eine Erleichterung dar, da eine solche individuelle Vereinbarung nun nicht mehr zwingend nötig ist, sofern sie als „FATCA-compliant“675 gelten.676 Die Umsetzung des FATCAAbkommens in nationales Recht erfolgte durch die FATCA-USA-Umsetzungsver-
bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen v. 10. 10. 2013 (BGBl. II S. 1362 (1363)). 671 26 U. S. C. §§ 1471 – 1474 (2016). 672 Hiring Incentives to Restore Employment Act of 2010, H. R. 2847, 111. Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika (2010). 673 Den US-amerikanischen Steuerbehörden stand keine Möglichkeit zur Verfügung, ausländische Kreditinstitute zur Offenlegung von Kundendaten von US Bürgern zu zwingen. Daher hat man den Quellensteuerabzug bei Kapitalerträgen seit 1. 1. 2001 so gestaltet, dass das ausländische Kreditinstitut bei Zahlungen in das Ausland grds. einen Quellensteuerabzug i. H. v. 30 % vorzunehmen hat (26 U. S. C. § 1471 lit. a) (2016)), was einer „Straf-Quellensteuer“ gleichkommt (zu diesem Begriff siehe M. Krismanek, USA: Neue „Straf-Quellensteuer“ für ausländische Fonds – „Foreign Account Tax Compliance“ oder „Super Qualified Intermediary“?, BB 2010, S. 2143). Dies kann dadurch verhindert werden, indem das ausländische Kreditinstitut einen Vertrag mit der US-amerikanischen Steuerbehörde IRS (siehe dazu Fn. 674) schließt. Faktisch wurden ausländische Kreditinstitute daher gezwungen, ein solches Qualified Intermediary Agreement (QIA) abzuschließen, das insbesondere bestimmte Identitätsprüfungspflichten vorsieht. Siehe R. Pinkernell, Zuckerbrot und Peitsche: Änderung des US-Quellensteuerabzugs durch Einführung des Qualified Intermediary Agreement (QIA), iStR 2001, S. 242 (244); D. Eimermann, Das FATCA-Abkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten – ein Überblick, iStR 2013, S. 774 (775). 674 Der Internal Revenue Service (IRS) ist eine US-amerikanische Bundessteuerbehörde, die dem Finanzministerium („US Department of the Treasury“) unterstellt ist. 675 Diese sog. FATCA-Konformität richtet sich nach Art. 4 Abs. 1 des FATCA-Abkommens i. V. m. 26 U. S. C. § 1471 lit. b) (2016). Wird ein Kreditinstitut den Anforderungen aus dem FATCA-Abkommen in erheblichem Maße nicht gerecht, kann es den FATCA-compliant Status verlieren (siehe Art. 5 Abs. 2 des FATCA-Abkommens). Dies hat dann wiederum einen Abzug der 30 %igen Quellensteuer bei Zahlungen an ein deutsches Kreditinstitut zur Folge. Siehe dazu auch A. Demleitner, Das Abkommen zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zwischen Deutschland und den USA, iStR 2013, 564 (565 f.); M. Marquardt/M. Betzinger, Internationaler Informationsaustausch in Steuersachen, BB 2014, S. 3033 (3036). 676 M. Lappas/A. Ruckes, Die praktische Umsetzung von FATCA in Deutschland, iStR 2013, S. 929; N. Beier/M. Schulte, Die Auswirkungen des deutschen FATCA-Abkommens auf internationale Finanzinstitute im Kontext aktueller EU-Initiativen, RIW 2013, S. 527 (532).
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ordnung,677 die ihre Grundlage in der Verordnungsermächtigung des § 117c Abs. 1 AO findet. Nach der FATCA-USA-UmsV fallen Deutsche Kreditinstitute insbesondere als Verwahr- bzw. Einlageninstitute in deren Anwendungsbereich.678 Aus dieser Verordnung treffen sie eine Reihe von Pflichten, die hauptsächlich Identifizierungs- und Sorgfaltspflichten darstellen.679 Im Rahmen der Einhaltung dieser Pflichten verweist die Verordnung ergänzend auf die Anlage 1 des FATCA-Abkommens.680 Dort richtet sich das entsprechende Überprüfungsverfahren für meldepflichtige Konten danach, ob es sich um ein Bestandskonto einer natürlichen Person mit hohem bzw. geringem Wert handelt, um ein Neukonto einer natürlichen Person oder um ein Bestandskonto oder Neukonto eines Rechtsträgers. Das von der FATCA-USA-UmsV betroffene Kreditinstitut muss sich zudem beim IRS registrieren und bei diesem eine internationale Identifikationsnummer für Intermediäre („Global Intermediary Identification Number“ – GIIN) beantragen. Der Inhalt der Meldepflicht ergibt sich aus § 8 FATCA-USA-UmsV. Die zu erhebenden Daten sind weitgehend identisch mit denen des CRS Standards.681 Neben den Kontostammdaten sind insbesondere die USamerikanische Steueridentifikationsnummer jeder spezifizierten Person der USA, die Inhaber eines Kontos ist,682 sowie deren Kontonummer zu erheben.683 Die Komplexität des FATCA-Abkommens wird insbesondere an diesem Begriff der „spezifizierten Person der USA“ deutlich. Denn die Kreditinstitute müssen bei der Subsumtion dieses Tatbestandsmerkmals US-amerikanisches Recht anwenden und dementsprechend auch ständig dessen Änderungen im Blick haben.684 Darüber hinaus ist der Name und die Identifikationsnummer des meldenden deutschen Kreditinstituts anzugeben sowie etwa bei Einlagekonten der Gesamtbruttoertrag der Zinsen, die während des Kalenderjahres oder während eines anderen geeigneten
677 Verordnung zur Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informationsund Meldebestimmungen v. 23. 7. 2014 (BGBl. I S. 1222), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20. 12. 2016 (BGBl. I S. 3000), im Folgenden FATCA-USA-UmsV. 678 Siehe § 2 Abs. 3 FATCA-USA-UmsV. 679 Siehe dazu auch BMF Schreiben v. 1. 2. 2017 betr. Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen, IV B 6 – S 1315/13/10021:044, BStBl. I S. 305, Rn. 205 ff. 680 Siehe § 5 Abs. 2 FATCA-USA-UmsV. 681 BMF Schreiben v. 1. 2. 2017 betr. Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen, IV B 6 – S 1315/13/10021:044, BStBl. I S. 305, Rn. 1 682 Siehe § 2 Abs. 4 Nr. 1 FATCA-USA-UmsV i. V. m. Art. 1 Abs. 1 lit. gg) des FATCAAbkommens. 683 Siehe § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 FATCA-USA-UmsV. 684 N. Beier/M. Schulte, Die Auswirkungen des deutschen FATCA-Abkommens auf internationale Finanzinstitute im Kontext aktueller EU-Initiativen, RIW 2013, S. 527 (529).
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Meldezeitraums auf das Konto eingezahlt oder dem Konto gutgeschrieben wurden.685 Diese Daten hat das Kreditinstitut jeweils bis zum 31.7. des folgenden Kalenderjahres an das BZSt zu übermitteln.686 Das BZSt speichert diese Daten und leitet sie entsprechend an den IRS weiter.687 Es erfolgt allerdings keine direkte Meldung des Kreditinstituts an den IRS. Durch diesen Mechanismus wird es für Gläubiger der Kapitalerträge schwierig, Einkünfte aus Kapitalvermögen am deutschen oder USamerikanischen Fiskus vorbeizuschleusen. Für die Kreditinstitute stellen die Regelungen des FATCA-Abkommens eine große Herausforderung dar, da sie zum einen inhaltlich kompliziert und unterschiedlich auslegungsfähig sind und zum anderen eine gewissenhafte IT-Implementierung erfordern.688 Werden hier Fehler seitens des Kreditinstituts begangen, kann dies nach deutschem Recht ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen zur Folge haben689 und nach US-amerikanischem Recht zu einer Haftung für die entsprechende Steuer führen.690 Um diese Pflichten zu erfüllen, verfügen manche Kreditinstitute über eigene FATCA Abteilungen. III. Tax Information Exchange Agreements (TIEA) Ferner werden vorwiegend von Staaten, zwischen denen kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)691 besteht, sog. Tax Information Exchange Agreements692 geschlossen, um Steueroasen weiter einzudämmen.693 Insoweit kommt es auch zu keinem Konkurrenzverhältnis zu DBA.694 Die Bundesrepublik Deutschland hat u. a. mit Monaco,695 den Cayman Islands und den Bahamas TIEAs abgeschlossen. Dabei 685
Siehe § 8 Abs. 1 Nr. 6 FATCA-USA-UmsV. Siehe § 8 Abs. 3 FATCA-USA-UmsV. 687 Siehe § 9 Abs. 1 FATCA-USA-UmsV. 688 M. Lappas/A. Ruckes, Die praktische Umsetzung von FATCA in Deutschland, iStR 2013, S. 929 (938); M. Krismanek, USA: Neue „Straf-Quellensteuer“ für ausländische Fonds – „Foreign Account Tax Compliance“ oder „Super Qualified Intermediary“?, BB 2010, S. 2143 (2147). 689 Siehe dazu unten § 4 B. V. 690 Siehe 26 U. S. C. § 1474 lit. a) (2016). 691 Beziehungsweise kein DBA, das eine große Auskunftsklausel i. S. v. Art. 26 des DBAOECD-Musterabkommens aufweist. Siehe R. Seer/I. Gabert, „Tax Information Exchange Agreements“ (TIEA) und das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz 2009 als neue Instrumente zur Bekämpfung von Steueroasen, Ubg 2010, S. 358. 692 Im Folgenden TIEA. 693 M. Marquardt/M. Betzinger, Internationaler Informationsaustausch in Steuersachen, BB 2014, S. 3033 (3036); R. Seer/I. Gabert, „Tax Information Exchange Agreements“ (TIEA) und das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz 2009 als neue Instrumente zur Bekämpfung von Steueroasen, Ubg 2010, S. 358. 694 M. Engelschalk, in: Vogel/Lehner, DBA Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 6. Aufl. 2015, Art. 26 Rn. 11. 695 Siehe beispielhaft für Monaco das Gesetz zu dem Abkommen vom 27. Juli 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco über die Unter686
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
handelt es sich um bilaterale internationale Abkommen, die zum Ziel haben, die internationale Steuerflucht einzudämmen. Sie bieten die Möglichkeit, behördliche Unterstützung durch Informationsaustausch auf Ersuchen im Einzelfall für Zwecke des Besteuerungsverfahrens oder des Steuerstraf- und Bußgeldverfahrens in Anspruch zu nehmen, ohne aber – wie bei DBA regelmäßig möglich – einen automatischen Datenaustausch zu ermöglichen.696 Die TIEA basieren auf dem von der OECD im Jahre 2002 veröffentlichten OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen.697 Nach Art. 5 Abs. 2 TIEA-MA ergreift eine Vertragspartei nach eigenem Ermessen alle geeigneten Maßnahmen zur Beschaffung von Informationen, die erforderlich sind, um der ersuchenden Vertragspartei die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Diese Pflicht der Vertragsparteien wird in Art. 5 Abs. 4 lit. a) TIEA-MA nochmals dahingehend konkretisiert, dass insbesondere gewährleistet werden muss, dass die Finanzbehörden die Befugnis haben, Informationen von Banken und anderen Finanzinstituten, also insbesondere Kreditinstituten, einzuholen. Nationale Kreditinstitute werden durch TIEA folglich mittelbar betroffen, indem sie den Finanzbehörden Auskünfte über steuerliche Sachverhalte solcher Kunden erteilen müssen, über die eine TIEA Vertragspartei eine Auskunft erwünscht. IV. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schließlich regeln auch zahlreiche bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen den internationalen Austausch steuerlicher Daten und begründen damit weitere Pflichten für die Kreditinstitute. Ausgangspunkt der konkreten DBA ist dabei das OECDMusterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen aus dem Jahre 2014.698 Die für die Kreditinstitute im Rahmen der Besteuerung von Kapitalerträgen maßgebliche Norm bildet der Informationsaustausch nach Art. 26 OECD-DBA-MA. Danach tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die insbesondere zur Durchführung dieses Abkommens voraussichtlich erheblich sind.699 Dabei darf die Erteilung von Informationen nicht deshalb abgelehnt werden, weil sich die Information im Besitz einer Bank oder einer anderen Finanzinstitution befindet.700 Die Norm verpflichtet die stützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch v. 22. 6. 2011 (BGBl. II S. 653). 696 BMF Schreiben v. 10. 11. 2015 betr. Anwendung der Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch (Tax Information Exchange Agreement – TIEA), IV B 6 – S 1301/11/ 10002, BStBl. I S. 138. 697 Im Folgenden TIEA-MA. 698 Im Folgenden OECD-DBA-MA. Zur Unterscheidung zwischen sog. Kleiner und Großer Auskunftsklausel siehe u. a. Haase/F. Foddanu, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl. 2016, Art. 26 Rn. 11 f. 699 Siehe Art. 26 Abs. 1 Satz 1 OECD-DBA-MA. 700 Siehe Art. 26 Abs. 5 OECD-DBA-MA.
§ 3 Die Dreiecksbeziehung im Kapitalertragsteuerverfahren
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Finanzbehörden nicht nur, diese Informationen an den anfragenden Staat zu übermitteln, sondern auch, die Informationen zu beschaffen.701 Im Rahmen dieser Beschaffungspflicht haben die deutschen Finanzbehörden gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 AO dieselben Befugnisse wie zur Durchführung der deutschen Besteuerung.702 Sie können alle Instrumente der innerstaatlichen Sachaufklärung nutzen, also insbesondere die §§ 93 ff. AO.703 Die Kreditinstitute sind damit verpflichtet, die entsprechenden steuerlich relevanten Informationen an die deutschen Finanzbehörden herauszugeben, die diese dann an den anfragenden Staat übermitteln. Ohne ein DBA wäre dies nicht möglich, da es einem anderen Staat aus anerkanntem Völkergewohnheitsrecht nicht erlaubt ist, über die Grenzen hinweg auf fremdem Staatsgebiet hoheitlich tätig zu werden.704 Dies ist nur durch die nationalen Finanzbehörden als verlängerten Arm des anfragenden Staats möglich.705 Durch Regelungen über den Informationsaustausch in DBA werden nationale Kreditinstitute daher zugunsten einer effektiven Besteuerung in einem anderen Staat zusätzlich belastet. V. Zwischenergebnis Insgesamt kann damit konstatiert werden, dass sich insbesondere die aus den internationalen Abkommen ergebenden Melde- und Informationspflichten nur teilweise mit den genuin nationalen Regelungen decken, im Übrigen jedoch in weiten Teilen über diese hinausgehen und damit die Kreditinstitute zusätzlich belasten.
D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 3 Das System des Kapitalertragsteuerrechts ist geprägt von einem Zusammenspiel von nationalen steuerlichen Haupt- und Nebenpflichten sowie ergänzenden internationalen Regelungen. Diese Trias bildet die Primärpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren. Für die Kreditinstitute stellt es eine große Herausforderung dar, all diesen Pflichten nachzukommen. Sie können wie folgt graphisch zusammengefasst werden: 701 Siehe Art. 26 Abs. 4 OECD-DBA-MA sowie M. Hendricks, in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 122. Lfg. 2013, Art. 26 Rn. 37, 81; H. Höppner, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, 29. Lfg. 2016, Art. 26 Rn. 124. 702 H. Höppner, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, 29. Lfg. 2016, Art. 26 Rn. 124, 126. 703 H. Höppner, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, 29. Lfg. 2016, Art. 26 Rn. 126 f.; zur Ermittlung des Sachverhalts siehe auch oben § 3 A. I. 2. 704 M. Engelschalk, in: Vogel/Lehner, DBA Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 6. Aufl. 2015, Art. 26 Rn. 2. 705 H. Höppner, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, 29. Lfg. 2016, Art. 26 Rn. 6, 9.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Abbildung 6: Die Trias der Primärpflichten von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren Nachdem die rechtlichen Pflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren herausgearbeitet wurden, können im Folgenden die daraus resultierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute untersucht werden. Ziel dieses Abschnitts ist insbesondere, die Gefahren und damit die Belastung für die Kreditinstitute sichtbar zu machen. Diese Erkenntnisse sind zum einen nötig, um die Frage der übermäßigen Belastung auf Ebene der Verfassung beantworten zu können, zum anderen können sie helfen, das Bewusstsein bei den Kreditinstituten für Pflichtverstöße und deren Konsequenzen zu schärfen. Wissen Kreditinstitute, in welchen Bereichen des Kapitalertragsteuerverfahrens sie zu besonderer Vorsicht aufgerufen sind, kann diesen erleichtert werden, Maßnahmen zu treffen, um solche Konsequenzen bereits im Vorfeld zu vermeiden. Die rechtlichen
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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Konsequenzen betreffen insbesondere die Frage nach der Haftung der Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug (A.). Daneben können ordnungswidrigkeitenrechtliche (B.) oder sogar strafrechtliche Folgen (C.) drohen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Konsequenzen ist vorwiegend auf die Belastung der Kreditinstitute durch die entstehenden Steuerverwaltungskosten einzugehen (D.). Schließlich wird gefragt, inwieweit Kreditinstitute durch ein fehlerhaft vorgenommenes Kapitalertragsteuerverfahren auch nachhaltige Reputationsschäden erleiden können (E.).
A. Die steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug Die Einhaltung der kapitalertragsteuerlichen Primärpflichten durch die Kreditinstitute wird durch entsprechende Konsequenzen, wie insbesondere der Haftung auf Sekundärebene, abgesichert. Sinn und Zweck einer Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch schuldhafte Pflichtverletzungen der Abzugsverpflichteten entstanden sind.706 Ausgehend von den Begriffen der Steuerschuld und der Haftungsschuld (I.) ist bei der Haftung der Kreditinstitute weiter zu differenzieren. Für die einzubehaltende und abzuführende Kapitalertragsteuer haften sie gegenüber dem Fiskus (II.), sofern sie nicht nachweisen, die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt zu haben.707 Daneben können noch weitere Konsequenzen drohen, wie etwa die Verhängung von Säumnis- und Verspätungszuschlägen. Die Haftung gegenüber dem Fiskus ist zu unterscheiden von der Haftung gegenüber den Kunden der Kreditinstitute als Gläubiger der Kapitalerträge (III.). Auch diesen gegenüber können sich die Kreditinstitute bei zu vertretenden Pflichtverletzungen schadensersatzpflichtig, jedenfalls erstattungspflichtig machen. Dies führt zur Frage, wie sich dieses Spannungsverhältnis im Bereich der Haftung, in welchem sich die Kreditinstitute als Abzugsverpflichtete befinden, aufzulösen ist (IV.). I. Steuerschuld und Haftungsschuld Die Kapitalertragsteuer wird vom Kreditinstitut als Steuerentrichtungspflichtigem708 von den Kapitalerträgen ihrer Kunden abgezogen und an das Finanzamt abgeführt. Diese besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer709 ändert aber nichts an der Steuerschuld. Die Steuerschuld ist die vermögensrechtliche Pflicht des 706 707 708 709
Klein/R. Rüsken, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 69 Rn. 1. Siehe § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. Siehe dazu oben § 1 A.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Steuerschuldners im Steuerschuldverhältnis, den Steueranspruch des Steuerberechtigten zu erfüllen.710 Wer Steuerschuldner ist, wird durch die Steuergesetze bestimmt.711 Im Recht der Kapitalertragsteuern bestimmt § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG, dass der Gläubiger der Kapitalerträge der alleinige Schuldner der Kapitalertragsteuer ist. Nur er muss die Steuer letztlich wirtschaftlich tragen. Der Gläubiger der Kapitalerträge ist wiederum derjenige, dem die Erträge aus Kapitalvermögen steuerlich zugerechnet werden, also derjenige, durch den der Tatbestand des Erzielens von Einkünften aus Kapitalvermögen erfüllt wird.712 Davon zu unterscheiden ist die Frage der Haftungsschuld. Unter einer Haftung im steuerrechtlichen Sinn versteht man das Einstehen für eine fremde Schuld.713 Für den Gläubiger der Kapitalerträge kommt eine Haftung daher nicht in Betracht, da er bereits Steuerschuldner ist.714 Steuerschuld und Haftungsschuld können sich grundsätzlich nicht in einer Person vereinen. Haftungsschuldner im Kapitalertragsteuerverfahren ist somit das abzugsverpflichtete Kreditinstitut, da es insbesondere nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG für die einzubehaltende und abzuführende Steuer einstehen muss. Sofern die Voraussetzungen der Steuerschuld und der Haftungsschuld gleichzeitig vorliegen, kann sich das Finanzamt grundsätzlich sowohl an den Gläubiger der Kapitalerträge als auch an das Kreditinstitut wenden.715 Dabei ist allerdings richtigerweise – und entgegen der Ansicht des BFH und der h. M. im Schrifttum – nicht von einer Gesamtschuldnerschaft zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner nach § 44 AO auszugehen, da die Haftung zur Steuerschuld akzessorisch ist.716 710
E. Winter, Gabler Wirtschaftslexikon Buchstaben Pf-S, 18. Aufl. 2014, S. 3011. Siehe § 43 Satz 1 AO. 712 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 44 Rn. 8. 713 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 25. 714 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 30. 715 Zum Verfahren im Rahmen der Haftung nach § 44 Abs. 5 EStG siehe unten § 4 A. II. 1. b). 716 Der BFH und die h. M. im Schrifttum bezeichnen das Verhältnis zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner als ein Verhältnis der Gesamtschuld (siehe BFH, Urt. v. 18. 3. 1987, II R 35/86, BFHE 149, S. 267 (270); BFH, Urt. v. 8. 8. 1991, V R 19/88, BFHE 165, S. 307 (309 f.); BFH, Beschl. v. 11. 7. 2001, VII R 28/99, BFHE 195, S. 510 (514) sowie zum Schrifttum B. Schwarz, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 132. Lfg. 2009, § 44 AO Rn. 13; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 149. Lfg. 2017, § 44 AO Rn. 8 ff.). Dies ist allerdings abzulehnen, da die Steuerschuld zur Haftungsschuld akzessorisch ist (siehe Fn. 720 m. w. N. und unten § 4 A. II. 1. c) sowie Fn. 796). Eine Akzessorietät liegt vor, wenn das Hauptrecht (hier der Steueranspruch) mit dem Nebenrecht (hier der Haftungsanspruch) so miteinander verknüpft sind, dass sich dieses Rechte gegenseitig unmittelbar in ihrer Entstehung, ihrem Fortbestand und ihrem Inhalt beeinflussen (siehe M. Habersack, Der Regreß bei akzessorischer Haftung, AcP 198 1998, S. 152 (153)). Folge einer akzessorischen Haftung ist das Fehlen des für eine Gesamtschuldnerschaft notwendigen (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen 711
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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II. Die Haftung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren gegenüber dem Fiskus sowie sonstige Konsequenzen Die Einhaltung der steuerlichen Pflichten durch die Kreditinstitute wird durch eine Vielzahl von Sanktionsmitteln bzw. Instrumenten gewährleistet. Dahinter steht immer das Ziel der effektiven und die Besteuerungsgleichheit wahrenden Steuererhebung und der Sicherung des Steueraufkommens. Als Adressaten dieser Maßnahmen ist es für die Kreditinstitute von besonderer Bedeutung, ihre Pflichten einzuhalten, da gerade die Haftung hohe Schäden verursachen kann, die nicht immer beim Gläubiger der Kapitalerträge regressiert werden können. 1. Die Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG Die Norm des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG bildet den zentralen Haftungstatbestand im Kapitalertragsteuerverfahren. Danach haften die Kreditinstitute für die von ihnen einzubehaltende und abzuführende Kapitalertragsteuer, es sei denn, sie weisen nach, die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt zu haben. Dieser Haftungsanspruch717 begründet ein eigenes Steuerschuldverhältnis i. S. d. § 37 Abs. 1 Satz 1 AO zwischen dem Kreditinstitut als Haftungsschuldner und dem Fiskus, das neben dem Steuerschuldverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zum Fiskus besteht.718 Es bestehen daher zwei Steuerschuldverhältnisse. Dies hat zur Konsequenz, dass der Haftungsschuldner bei einer Leistung auf die Haftungsschuld eine eigene, aber gleichzeitig auch eine fremde Schuld, namentlich die des originär steuerpflichtigen Gläubigers der Kapitalerträge, erfüllt.719
(ständige Rechtsprechung des BGH; siehe exemplarisch BGH, Urt. v. 28. 11. 2006, VI ZR 136/05, NJW 2007, S. 1208 (1209 f.) sowie B. Kreße, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, BeckOGK BGB, 1. 3. 2019, § 421 Rn. 41.). Diese aus dem Zivilrecht entnommene, gefestigte Erkenntnis muss auch im Steuerrecht Geltung beanspruchen (so auch Klein/E. Ratschow, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 44 Rn. 7; Koenig/ders., Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 44 Rn. 2). 717 Hingegen begründet der Anspruch des Fiskus gegen das Kreditinstitut auf Abführung der abgezogenen und einbehaltenen Kapitalertragsteuer keinen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis i. S. v. § 37 Abs. 1 AO; siehe Klein/E. Ratschow, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 37 Rn. 3; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 135. Lfg. 2014, § 37 AO Rn. 7. 718 BFH, Urt. v. 24. 3. 1998, I R 120/97, BFHE 186, S. 98 (99). 719 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 44 Rn. 23; E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 3.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
a) Voraussetzungen einer Haftung aa) Bestehen einer Abzugspflicht Der Tatbestand des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG setzt für eine Haftung zunächst voraus, dass das Kreditinstitut eine ihm auferlegte Pflicht zum Abzug und zur Abführung der Kapitalertragsteuer verletzt hat. Er setzt also voraus, dass eine solche Pflicht besteht. Ferner ist nach dem Grundsatz der Akzessorietät eine Haftung nur möglich, wenn auch eine Steuerschuld besteht.720 Es muss daher ein Tatbestand des § 43 EStG erfüllt sein, der beim Gläubiger der Kapitalerträge zu kapitalertragsteuerlichen Einkünften führt und die Kreditinstitute deshalb verpflichtet, die Kapitalertragsteuer abzuziehen und abzuführen. Die Haftung umfasst dabei auch die Zuschlagsteuern der Kirchenkapitalertragsteuer721 sowie des Solidaritätszuschlags722. Daneben dürfen keine Ausnahmen vorliegen, wonach die Kreditinstitute vom Steuerabzug Abstand zu nehmen haben (wie es bspw. beim Freistellungsauftrag723 bzw. bei der Nichtveranlagungs-Bescheinigung724 der Fall ist).725 Schließlich muss auch der Haftungsanspruch selbst noch bestehen und nicht schon etwa durch Verjährung (§§ 47, 191 Abs. 3 Satz 1 AO) erloschen sein.726 bb) Verletzung der Abzugspflicht Bei der Feststellung, ob eine Abzugspflicht durch ein Kreditinstitut verletzt wurde, kommen folgende Varianten in Betracht:727 Zunächst kann es sein, dass eine Kapitalertragsteuer weder abgezogen noch abgeführt wurde, das Kreditinstitut also völlig untätig blieb. Auch ist es möglich, dass entweder zu wenig Kapitalertragsteuer abgezogen und abgeführt wurde oder die Kapitalertragsteuer zwar zutreffend abgezogen, aber zu wenig oder keine Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abgeführt wurde.728 In all diesen Fällen wurde die Kapitalertragsteuer nicht ordnungsgemäß 720 Diese Akzessorietät zwischen Haftungs- und Steuerschuld ergibt sich u. a. aus § 191 Abs. 5 AO und § 219 Satz 1 AO. Siehe dazu auch Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44 Rn. 18; M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 35 sowie oben Fn. 716 m. w. N. 721 Siehe § 51a Abs. 1, 2b EStG. 722 Siehe § 1 Abs. 1 SolZG 1995. 723 Siehe dazu oben § 3 A. VI. 1. 724 Siehe dazu oben § 3 A. VI. 2. 725 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 5. 726 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44 Rn. 17. 727 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 4. 728 Der Haftungsanspruch besteht auch, sofern ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer besteht; siehe BFH, Urt. v. 20. 12. 2006, I R 13/06, BFHE 216, S. 259 (265). Er besteht sogar selbst dann, wenn der Kapitalertrag, der dem Haftungsanspruch als akzessorische Steuerschuld zugrunde liegt, steuerfrei ist. Das Kreditinstitut kann demnach in Haf-
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abgezogen und abgeführt, was eine Pflichtverletzung begründet. Dies kann die Finanzbehörde allerdings erst feststellen, wenn sie sich ihrer gewiss ist, welche Steuer objektiv zutreffend ist. Anschließend kann sie in einem zweiten Schritt dem Kreditinstitut den Vorwurf machen, die Kapitalertragsteuer nicht entsprechend abgezogen und abgeführt zu haben. cc) Verschulden der Pflichtverletzung Das Verschulden der Pflichtverletzung ist unabdingbare Voraussetzung einer Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Kreditinstitut selbst schuldhaft gehandelt hat (1) oder ob es aufgrund Fehlinformationen aus dritter Hand die Pflichtverletzung zu verschulden hat (2). (1) Originäres Verschulden der Kreditinstitute (a) Verschuldensmaßstab Nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haftet ein Kreditinstitut bei der Verletzung einer Abzugspflicht, es sei denn, es weist nach, dass es die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Den Begriff des Verschuldens verwendet das Gesetz hingegen nicht. Im Umkehrschluss zu diesem Haftungsausschluss ergibt sich, dass eine Haftung für die Kapitalertragsteuer ohne Verschulden nicht in Betracht kommt.729 Mit der Formulierung „es sei denn“ geht das Gesetz von der widerlegbaren Vermutung aus, dass das Verschulden grundsätzlich gegeben ist, sofern objektiv eine Pflichtverletzung vorliegt. Kann das Finanzamt dem Kreditinstitut eine solche Verletzung nachweisen, hat sich insofern das Kreditinstitut zu exkulpieren, indem es den Nachweis erbringt, weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt zu haben.730 Eine Haftung des Kreditinstituts bei leichter bis mittlerer Fahrlässigkeit kommt folglich nicht in Betracht. Der Haftungsausschluss soll dazu
tung genommen werden, obwohl ein steuerfreier Kapitalertrag vorliegt. Denn es kommt nach h. M. nur darauf an, dass er wenigstens steuerbar ist und nicht, ob das Finanzamt die Steuer schlussendlich behalten darf (siehe u. a. Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 43 Rn. 1; R. Hasselmann, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 122. Lfg. 2017, § 43 Rn. 5). Dem wird von der a. A. zu Recht entgegengehalten, dass u. a. die der Haftung zugrundeliegende Sicherungsfunktion hier leer läuft, da keine Steuer gesichert werden kann, die schon nicht anfällt (E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 7; Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44 Rn. 18). 729 BFH, Urt. v. 24. 3. 1998, I R 120/97, BFHE 186, S. 98 (100); E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 11, F 20. 730 BFH, Urt. v. 20. 12. 2006, I R 13/06, BFHE 216, S. 259 (264); BFH, Urt. v. 3. 11. 2010, I R 98/09, BFHE 232, S. 22 (26).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
dienen, das Risiko der Kreditinstitute bei der steuerlichen Beurteilung von oftmals neuen und komplexen Finanzinstrumenten zu minimieren.731 Vorsätzlich handelt jedenfalls, wer seine Pflicht zum Abzug und zur Abführung der Steuer kennt, aber dennoch den ungekürzten Betrag an den Gläubiger auszahlt.732 Gleichwohl reicht es für die Bejahung von Vorsatz nach allgemeinen Grundsätzen auch aus, dass es das Kreditinstitut vorausgesehen, aber billigend in Kauf genommen hat, eine ihm obliegende Abzugspflicht zu verletzen.733 Die Fälle des Vorsatzes sind in der Praxis jedoch kaum bedeutsam, da die Kreditinstitute ihren steuerlichen Pflichten für gewöhnlich nachzukommen pflegen. (b) Die grobe Fahrlässigkeit als Hauptanwendungsfall der Haftung nach der Rechtsprechung des BFH Relevanter sind daher die Fälle der groben Fahrlässigkeit, die in der Rechtsprechung des BFH und einiger Finanzgerichte konkretisiert wurden. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine solche vor, wenn das Kreditinstitut die ihm nach seinen Möglichkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat.734 Dies sei aber nicht schon dann zu bejahen, sofern gewöhnliche Fehler vorliegen, wie etwa Irrtümer oder Verwechslungen, die regelmäßig vorkommen und mit denen gerechnet werden muss.735 Grobe Fahrlässigkeit sei hingegen zu bejahen, wenn der Abzugsverpflichtete sich der allgemeinen Pflichten des Steuerrechts nicht bewusst ist.736 Auch dies ist bei den Kreditinstituten regelmäßig nicht der Fall, da vor allem die großen Kreditinstitute eigene Rechtsabteilungen unterhalten bzw. sich externen Rechtsrat einholen. Die Hauptanwendungsfälle bilden daher Sachverhalte, bei denen sich das Kreditinstitut nicht sicher ist, ob ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliegt. In diesen Fällen tendierte die Rechtsprechung schon früh dazu, dass die Kreditinstitute zur Vermeidung ihrer eigenen Haftung im Zweifel einen Steuerabzug vornehmen sollten
731 Der Haftungsausschluss wurde im Rahmen des Zinsabschlaggesetzes (siehe dazu oben § 2 V.) eingeführt; siehe Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Zinsbesteuerung v. 30. 4. 1992, BT-Drs. 12/2501, S. 18. 732 BFH, Beschl. v. 12. 7. 1983, VII B 19/83, BFHE 138, S. 424 (426). 733 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 27. 734 BFH, Urt. v. 6. 10. 2009, I R 25/09, BFH/NV 2010, S. 620 (622); BFH, Urt. v. 28. 4. 1992, VII B 100/91, BFH/NV 1992, S. 785 (786); BFH, Urt. v. 21. 7. 1989, III R 303/84, BFHE 157, S. 489 (492); BFH, Urt. v. 10. 8. 1988, IX R 219/84, BFHE 154, S. 481 (483); BFH, Urt. v. 12. 5. 1989, III R 200/85, BFHE 157, S. 22 (27). 735 FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, Urt. v. 4. 7. 1986, IX 231/82, EFG 1987, S. 158 (159). 736 BFH, Beschl. v. 7. 3. 1995, VII B 172/94, BFH/NV 1995, S. 941 (942); BFH, Urt. v. 28. 4. 1992, VII B 100/91, BFH/NV 1992, S. 785 (786).
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und sie hierzu auch berechtigt seien.737 Wird ein Steuerabzug hingegen nicht vorgenommen, weil das Kreditinstitut einem entschuldbaren Rechtsirrtum738 unterliegt, schließe dies eine grobe Fahrlässigkeit aus, sofern „eine nicht ganz einfach zu beurteilende Rechtsfrage“ falsch beurteilt wird.739 Denn gerade im Kapitalertragsteuerrecht, wo aufgrund der engen Fristen740 oftmals eine ad-hoc Beurteilung getroffen werden muss, weil die endgültige Klärung der Rechtslage nicht abgewartet werden kann, müssen die Anforderungen an eine Haftung höher sein.741 Diese vormals für die Kreditinstitute noch mildere Rechtsprechung verschärfte der BFH in einigen jüngeren Entscheidungen. Danach sei die grobe Fahrlässigkeit anders zu beurteilen, wenn das Kreditinstitut entgegen einer in einem BMF Schreiben veröffentlichten Meinung der Finanzverwaltung einen Abzug nicht vornimmt. Denn in einem solchen Fall setze sich das Kreditinstitut bewusst über die Meinung der Finanzverwaltung hinweg und nehme damit ein entsprechend hohes Risiko einer fehlerhaften Bewertung eines Kapitalertrags in Kauf. Es könne sich dann auch nicht auf einen Irrtum über die Rechtslage berufen.742 Diese strengere Rechtsprechung setzte der BFH fort, indem er nun davon ausgeht, dass ein Steuerabzugsverpflichteter regelmäßig grob fahrlässig handelt, wenn er bei einer umstrittenen Rechtslage seiner Abzugsverpflichtung nicht nachkommt. Andernfalls könne das Quellenabzugsverfahren erheblich unterlaufen werden, sollten die Kreditinstitute bei jeder zweifelhaften Rechtslage zunächst keinen Kapitalertragsteuerabzug vornehmen müssen. Daran ändern auch Rechtsausführungen „namhafter Autoren“ nichts, die die Ansicht des Kreditinstituts vertreten, sofern andere Autoren auch Gegenteiliges vertreten.743 Will das Kreditinstitut Haftungsfolgen vermeiden, müsse es im Zweifelsfall einen Steuerabzug vornehmen. Nimmt es dennoch davon Abstand, könne ihm ein grobes Verschulden vorgeworfen werden.744 In seinem Urteil aus dem Jahre 2012745 bestätigte der BFH diese Rechtsprechung zunächst. Er führt aus, dass das Kreditinstitut einen Steuerabzug auch dann vornehmen dürfe, wenn die Voraussetzungen hierfür zweifelhaft seien. Das gelte ins737 BFH, Beschl. v. 8. 4. 2009, I B 78/08, BeckRS 2009, 25015282; FG Niedersachsen, Urt. v. 17. 1. 2008, 10 K 391/02, EFG 2008, S. 1041 (1042). 738 Ein solcher ist methodisch über eine analoge Anwendung von § 17 StGB zu lösen und kann einen Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch ausschließen, wenn zuvor Rechtsrat eingeholt wurde, der zu einer abweichenden steuerlichen Beurteilung führte; siehe R. Hamacher/ J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 44 Rn. 23; dies., Export der Abgeltungsteuer, IFSt-Schrift Nr. 478 2012, S. 50. 739 BFH, Urt. v. 5. 11. 1971, VI R 207/68, BFHE 103, S. 472 (477). 740 Siehe dazu etwa oben § 3 A. IV. 3. 741 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 44 Rn. 23. 742 BFH, Urt. v. 20. 8. 2008, I R 29/07, BFHE 222, S. 500 (508 f.). 743 BFH, Urt. v. 3. 11. 2010, I R 98/09, BFHE 232, S. 22 (26 f.). 744 BFH, Urt. v. 17. 2. 2010, I R 85/08, BFHE 229, S. 114 (121). 745 BFH, Urt. v. 12. 12. 2012, I R 27/12, BFHE 241, S. 151.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
besondere, wenn es sich auf ein entsprechendes BMF Schreiben stützen könne. Gleichzeitig nahm der BFH in dieser Entscheidung jedoch teilweise eine bemerkenswerte Kehrtwende zu dieser gefestigten Rechtsprechung vor, indem er diese Grundsätze nicht ausnahmslos stellt. Eine Durchbrechung sei dann angebracht, wenn die Ansicht des Gläubigers der Kapitalerträge „dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entspricht und auch aus deren Entstehungsgeschichte und Zweck kein Anhalt für ein abweichendes Regelungsverständnis besteht.“746 Dies hat zur Konsequenz, dass sich ein Kreditinstitut in einem solchen Fall bei Widerspruch seines Kunden gegen das BMF Schreiben zu stellen hat und keinen Steuerabzug vornehmen darf.747 Der BFH räumt den Kreditinstituten damit ein von der Rechtsansicht der Finanzverwaltung unabhängiges Beurteilungsrecht ein. Das FG Köln hat diese Rechtsprechung in einem Urteil jüngst konkretisiert. Danach soll das Kreditinstitut nur dann von einem Steuerabzug Abstand nehmen dürfen, wenn ein Steuereinbehalt „eindeutig rechtswidrig“ wäre.748 Diesen Maßstab bestätigte der BFH in seiner auf das Urteil des FG Köln ergangenen Revisionsentscheidung.749 Die neuere Rechtsprechung des BFH, wonach das Kreditinstitut auf den berechtigten Widerspruch eines Kunden unter den aufgeführten Voraussetzungen von der Ansicht der Finanzverwaltung abweichen dürfe, sorgte bei diesen für einige Unsicherheiten.750 Denn sie konnten sich nicht mehr ohne Weiteres auf die Ansicht der Finanzverwaltung verlassen. Der Gesetzgeber trug diesem Umstand Rechnung, indem er die Norm des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG änderte, wonach das Kreditinstitut nunmehr den Steuerabzug „unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung“ für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen hat.751 Der Gesetzgeber traf dadurch eine eindeutige Regelung, die es den Kreditinstituten erlaubt, auf die Ansicht der Finanzverwaltung bei der Vornahme des Steuerabzugs vertrauen zu dürfen. Handelt das Kreditinstitut im Sinne der Finanzverwaltung, kann insofern kein Vorwurf des Verschuldens gemacht werden. Allerdings gilt § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG nur, wenn eine entsprechende Auslegungsvorschrift der Finanzverwaltung überhaupt vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, muss sich das Kreditinstitut weiter an die Rechtsprechung des BFH halten, wonach sie im Zweifel einen Steuerabzug vorzunehmen haben.
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BFH, Urt. v. 12. 12. 2012, I R 27/12, BFHE 241, S. 151 (153). R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 44 Rn. 23. 748 FG Köln, Urt. v. 5. 8. 2015, 3 K 1040/15, EFG 2016, S. 93 (95). 749 BFH, Urt. v. 20. 11. 2018, VIII R 45/15, BFHE 263, S. 175 ff. 750 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 27. 3. 2015, BR-Drs. 121/15, S. 48. 751 Siehe Art. 3 Nr. 7 lit. a) Steueränderungsgesetz (v. 2. 11. 2015 (BGBl. I S. 1834)) sowie oben § 2 C. 747
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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(c) Kritik an der Rechtsprechung des BFH Der Fiskus überträgt die Aufgaben der Steuererhebung im Bereich der Kapitalertragsteuer nahezu vollständig auf die Kreditinstitute. Er belegt sie zudem mit der Bürde einer Haftung, sofern die Kapitalertragsteuer nicht ordnungsgemäß abgezogen und abgeführt wurde. Gleichzeitig setzt der BFH in seiner Rechtsprechung die Schwelle zur Haftung zusehends niedriger und fordert schon bei einer umstrittenen Rechtslage einen Steuerabzug. Diese Rechtsprechung ist zu kritisieren. Den Ausgangspunkt der Kritik bildet die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit. Wie eben erläutert, liegt eine solche nach Ansicht des BFH vor, wenn das Kreditinstitut die ihm nach seinen Möglichkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat.752 Da viele Kreditinstitute eigene Rechtsabteilungen unterhalten, haben sie die Kapazität und die Kompetenz, steuerliche Sachverhalte sorgfältig zu prüfen. Diese Kompetenz muss den Kreditinstituten auch zuerkannt und von ihnen genutzt werden können. Dafür spricht auch der Sinn und Zweck der Abgeltungsteuer. Diese soll vorwiegend dazu dienen, den Steuerfall bereits auf Ebene der Kreditinstitute vollständig zu erledigen. Der Fall wird aber nur dann erledigt, wenn der entsprechende Kapitalertrag rechtlich richtig eingeordnet wird. Denn ist dies nicht der Fall, bedarf es einer Korrektur im Veranlagungsverfahren bzw. beim Kreditinstitut, die das Besteuerungsverfahren insgesamt verlängert.753 Eine pauschale Abzugsverpflichtung im Sinne eines „in dubio pro fisco“754 würde dem zuwiderlaufen, da es den Kreditinstituten kaum Raum lässt, die objektiv richtige Rechtslage zu ermitteln und danach zu handeln. Sie wären sonst gehalten, einen Steuerabzug auch dann vorzunehmen, wenn sie einen solchen vom Gesetz her nicht als gefordert betrachten, aber bei ihrer Entscheidung Restzweifel verbleiben. In einem solchen Fall kann den Kreditinstituten der Vorwurf der „groben“ Fahrlässigkeit nicht entgegengehalten werden. Auch bei der steuerlichen Einordnung bestimmter Kapitalerträge durch die Finanzverwaltung werden sich Restzweifel nicht ausräumen lassen. So hatte die Finanzverwaltung etwa im Fall Google755 mehr als ein Jahr benötigt, um eine (im Ergebnis unzutreffende756) steuerliche Beurteilung der Kapitalmaßnahme vorzunehmen. Hier den Kreditinstituten, die einen Steuerabzug nicht vorgenommen haben, den Vorwurf einer grob fahrlässigen Verletzung der Abzugspflichten zu machen, erscheint mehr als fragwürdig und ist abzulehnen. Den Kreditinstituten muss ein gewisser Spielraum bei der Bewertung von Kapitalerträgen verbleiben, 752
Siehe oben § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (b) sowie Fn. 734. Denn dann wird der Gläubiger der Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG eine Steuerfestsetzung zur Überprüfung des Steuereinbehalts dem Grunde nach verlangen und hiergegen möglicherweise noch mittels eines Einspruchs oder einer Klage vorgehen. 754 R. Hamacher/J. Dahm, in: Korn, Einkommensteuergesetz Kommentar, 122. Lfg. 2020, § 44 Rn. 23. 755 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1). 756 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (2) (f). 753
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
damit sie auch den Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden aus dem allgemeinen Bankvertrag nachkommen können.757 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Kreditinstitute an die Ansicht der Finanzverwaltung gebunden sind, sofern eine solche im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde. Ist dem nicht so, sollte den Kreditinstituten der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nur dann gemacht werden, wenn sie erhebliche Zweifel an ihrer steuerlichen Bewertung haben und nicht nur – wie von der Rechtsprechung gefordert – „normale“ Zweifel. Ein Indiz für solche erheblichen Zweifel kann etwa sein, dass die Rechtsansicht des Kreditinstituts im Schrifttum überhaupt nicht vertreten wird bzw. Gerichte schon anderweitig zu dieser Frage Stellung bezogen haben. Dieser Maßstab ist sachgerecht, um es den Kreditinstituten zu ermöglichen, auch den Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden ausreichend nachkommen zu können.758 (d) Kritik am Gesetzgeber Zudem ist die Änderung des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG durch den Gesetzgeber zu kritisieren.759 Der Gesetzesbegründung zufolge ist es erforderlich, dass die Kreditinstitute „als Organe der Steuererhebung“ die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich des Kapitalertragsteuereinbehalts einheitlich anwenden.760 Es dürfe für den Gläubiger der Kapitalerträge keinen Unterschied machen, bei welchem Kreditinstitut er sein Kapital anlegt.761 Die Gesetzesbegründung klingt zunächst plausibel. Sie kann jedoch argumentativ entkräftet werden. Zunächst sollten Kreditinstitute nicht als Organe der Steuererhebung bezeichnet werden, da sie keine Organe der Steuererhebung sind. Organe der Steuererhebung sind die Finanzbehörden wie etwa das Finanzamt.762 Sie kennzeichnen sich dadurch, dass unabhängige Finanzbeamte ein die Besteuerungsgleichheit wahrendes Verfahren fernab jeglicher Einflussnahme von außen sicherstellen. Bei Kreditinstituten ist dies nicht der Fall. Grundsätzlich handelt es sich dabei um private Rechtssubjekte, die gewinnorientiert (da mitunter auch börsennotiert) am Markt tätig sind. Sie 757
Siehe dazu unten § 4 A. III. 2. a). Zu diesem Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus und den Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden siehe unten § 4 A. IV. 759 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieser Norm siehe oben Fn. 385. 760 Ob die Kreditinstitute diesem Erfordernis in vollem Umfang nachgekommen sind, kann im Rahmen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung überprüft werden. Siehe dazu oben § 3 B. III. 761 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 27. 3. 2015, BR-Drs. 121/15, S. 48; auch die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Kreditinstitute als „Organe der Steuererhebung“ die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich des Kapitalertragsteuereinbehalts anzuwenden haben; siehe BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 63, Rn. 151a. 762 Siehe § 6 Abs. 2 AO. 758
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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werden von vielen (vor allem externen) Faktoren beeinflusst, da sie vorwiegend als Dienstleister für ihre Kunden tätig werden. Dies bedeutet freilich nicht, dass sie deswegen auch bei der Einordnung steuerlicher Sachverhalte beeinflusst sind. Sie haben sich wie jeder andere Adressat steuerlicher Vorschriften an diese zu halten. Dennoch kann man ihnen eine den Finanzbehörden entsprechende Neutralität nicht zusprechen. Eine solche Neutralität ist allerdings unverzichtbares Wesensmerkmal eines „Organs der Steuererhebung“. Zudem geht die Bezeichnung des Organs der Steuererhebung auch systematisch fehl. Denn nach § 33 Abs. 1 AO ist das Kreditinstitut Steuerpflichtiger, da es eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat.763 Konsequent zu Ende gedacht, wäre das Kreditinstitut damit als Organ des Staats seiner selbst gegenüber verpflichtet – ein Widerspruch. Auch das Argument, dass es für den Gläubiger der Kapitalerträge keinen Unterschied machen darf, bei welchem Kreditinstitut er sein Geld anlegt, trägt nicht. Das wesentliche Interesse des Gläubigers der Kapitalerträge ist das Interesse an einer sachgerechten Entscheidung. Er möchte keine Steuer abgezogen bekommen, wenn sich ein solcher Abzug nicht aus dem Gesetz selbst ergibt. Wendet man die neue Norm des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG jedoch strikt an, müssten die Kreditinstitute einen Steuerabzug selbst dann vornehmen, wenn die Finanzverwaltung eine falsche Beurteilung des steuerlichen Sachverhalts in einem BMF Schreiben vorgenommen hat.764 Zudem wird sich im Großteil der steuerpflichtigen Kapitalerträge die Frage nach dem Steuerabzug nicht stellen, da es ohnehin eindeutig ist (etwa bei Zinserträgen). Lediglich in wenigen Zweifelsfällen kann es zu einer unterschiedlichen Beurteilung zwischen den Kreditinstituten kommen. Diese Zweifelsfälle rechtfertigen aber nicht eine generell aufoktroyierende Meinung der Finanzverwaltung. Sinnvoller wäre es, die kooperative Zusammenarbeit von Kreditinstituten und Finanzbehörden durch die oben vorgeschlagene Einführung einer Anrufungsauskunft zu stärken, um gemeinsam zu der objektiv richtigen Rechtslage zu gelangen.765 (e) Zwischenergebnis Es bleibt damit festzuhalten, dass sich die maßgeblichen Problemstellungen im Rahmen des Verschuldens im Bereich der groben Fahrlässigkeit abspielen. Hier wurde die zunächst noch mildere Rechtsprechung des BFH über die Jahre hinweg schärfer und profiskalischer. Dies trägt dem Umstand der immer komplizierter werdenden steuerlichen Beurteilung von Kapitalerträgen nicht ausreichend Rechnung. Zudem müssen die Interessen der Kreditinstitute in den Fällen berücksichtigt werden, in denen keine im Bundessteuerblatt veröffentlichte Ansicht der Finanzverwaltung existiert. Dann muss es den Kreditinstituten – vor allem im Hinblick auf die Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden – möglich sein, auch in Zweifelsfällen 763 764 765
Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. J. Dahm/R. Hamacher, Export der Abgeltungsteuer, IFSt-Schrift Nr. 478 2012, S. 49. Siehe dazu oben § 3 A. I. 4.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
einen Steuerabzug nicht vornehmen zu müssen. Die ursprüngliche Intention, die Kreditinstitute durch die einschränkende Haftungsnorm des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG auf „grobe Fahrlässigkeit“ zu privilegieren, hat in der Praxis seinen Zweck weitgehend verfehlt. Die Rechtsprechung ist hinsichtlich dieses Haftungsmaßstabs zu kritisieren und im Ergebnis abzulehnen. Ferner ist auch die Erweiterung des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG durch den Gesetzgeber zu kritisieren. Die Rechtslage sollte wieder in den status quo ante versetzt werden. Schließlich sollte von der Verwendung des Begriffs der „Organe der Steuererhebung“ in Zukunft Abstand genommen werden. (2) Haftung für Fehlinformationen Dritter Kreditinstitute bedienen sich bei der Informationsbeschaffung häufig Dritter. So versorgt sie der bereits angesprochene WM Datenservice766 mit allen relevanten Daten rund um die Finanzprodukte ihrer Kunden. Aufgrund dieser Einbindung eines Dritten bei der Informationsbeschaffung stellt sich die Frage, inwieweit sich ein Kreditinstitut dem Vorwurf der grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen lassen muss, wenn es auf diese Daten vertraut und einen Steuerabzug deshalb vornimmt bzw. nicht vornimmt, weil der WM Datenservice ein Produkt unzutreffend eingeordnet bzw. fehlerhafte Informationen geliefert hat.767 Höchstrichterlich wurde diese Problematik noch nicht beurteilt. Das AG Frankfurt am Main entschied jüngst, dass ein Kreditinstitut die ihm marktüblich zur Verfügung gestellten Mitteilungen eines kostenpflichtigen externen Dienstleisters nicht auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen hat. Vielmehr dürfe es sich auf die inhaltliche Richtigkeit der Mitteilungen verlassen.768 Diese Entscheidung beruht allerdings auf einem Schadensersatzverlangen des Gläubigers der Kapitalerträge gegenüber seinem Kreditinstitut. Da im Rahmen von § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch769 jedoch schon leichte Fahrlässigkeit ausreicht, kann diese Rechtsprechung auch auf eine mögliche Haftung des Kreditinstituts gegenüber dem Fiskus nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG übertragen werden, bei der grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist. Das Gericht beruft sich in seiner Urteilsbegründung auch auf eine ältere Entscheidung des OLG Karlsruhe, wonach das 766
Siehe dazu oben § 3 A. I. 2. Diese Problematik stellt sich gleichfalls bei der Haftung der Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge aus Vertragsrecht; siehe dazu unten § 4 A. III. 2. 768 AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17. 10. 2014, 32 C 1696/14 (18), DStR 2015, S. 1398 (1399). Nach Ansicht des AG ergibt sich dies u. a. aus Ziffer 5 lit. b) der „Bekanntmachungen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht v. 21. 12. 1988. Danach gehört es zur Verwaltung der Kundenwertpapiere, u. a. Maßnahmen zur Überwachung beim Drittverwahrer anhand der Wertpapier-Mitteilungen durchzuführen. 769 Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. 8. 1896 (RGBl. S. 195), in der Fassung der Bekanntmachung v. 2. 1. 2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909, ber. BGBl. I 2003, S. 738), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 6. 2020 (BGBl. I S. 1245), im Folgenden BGB. 767
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Kreditinstitut eine objektiv falsche Information in den Wertpapier-Mitteilungen des WM Datenservices jedenfalls nicht zu vertreten habe.770 Beiden Entscheidungen ist allerdings zu widersprechen. Die steuerliche Beurteilung eines Kapitalertrags ist für die Kreditinstitute – und gerade nicht für den WM Datenservice als externen Dienstleister – als Abzugsverpflichtete eine Kernaufgabe im Kapitalertragsteuerverfahren.771 Anhand dieser Einordnung entscheidet sich, ob ein Steuerabzug vorzunehmen ist oder nicht. Dass sich die Kreditinstitute dabei der Hilfe Dritter bedienen, ist nachvollziehbar. Die Einschaltung eines Dritten darf aber nicht dazu führen, sein eigenes Haftungsrisiko zu Lasten des Fiskus (bzw. ihrer Kunden772) zu minimieren, indem man die zur Verfügung gestellten Daten unbesehen übernimmt. Zur Begründung kann ein Gedanke aus der zivilrechtlichen Zurechnungsnorm des § 278 Abs. 1 BGB herangezogen werden.773 Diese Zurechnungsnorm hat zum Gegenstand, dass sich der Schuldner einer zivilrechtlichen Verpflichtung ein Verschulden von Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Maße zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist der Gedanke, dass derjenige, der sich die Vorteile einer Arbeitsteilung zunutze macht, auch die Gefahren, die dabei entstehen können, zu tragen hat.774 Dieser Gedanke lässt sich auf die Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG übertragen. Das Kreditinstitut darf bei einer Verletzung seiner Abzugspflicht, die darauf beruht, dass fehlerhafte Informationen bzw. eine Bewertung Dritter unbesehen übernommen wurden, nicht besser stehen als ein Kreditinstitut, das sich die Informationen selbst beschafft und auch selbst eine Einordnung des Kapitalertrags vornimmt. Eine Zurechnung von Verschulden in analoger Anwendung des § 278 Satz 1 BGB kommt jedoch nicht in Betracht, da der WM Datenservice nur bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Leistung mitwirkt,775 aber nicht bei der Erbringung der Leistung gegenüber dem Finanzamt selbst. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob der externe Dienstleister selbst grob fahrlässig gehandelt hat. Das Verschulden der Kreditinstitute bleibt ein eigenes Verschulden. Ein eigenes Verschulden kann aber nicht bei jeder fehlerhaften Mitteilung oder Bewertung seitens eines externen Dienstleisters vorgeworfen werden. Denn es müssen auch die Gepflogenheiten des Wirtschaftsverkehrs ausreichend berück770
OLG Karlsruhe, Urt. v. 20. 12. 1989, 1 U 103/89, WM 1991, S. 276 (278). Siehe § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG und oben § 3 A. I. 3. 772 Siehe zur vergleichbaren Problematik unten § 4 A. III. 2. d). 773 So bereits Schick zum vergleichbaren Lohnsteuerverfahren, W. Schick, Steuerschuld und Steuerhaftung im Lohnsteuerverfahren, BB 1983, S. 1041 (1046). 774 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich Band 2, Recht der Schuldverhältnisse, S. 30. 775 S. Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB Band 2, 7. Aufl. 2015, § 278 Rn. 23; K. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Band I, Allgemeiner Teil, 12. Aufl. 1979, S. 246 f.; a. A. nun S. Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB Band 2, 8. Aufl. 2019, § 278 Rn. 23. 771
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sichtigt werden, nach denen ein Outsourcing im Sinne einer ökonomisch sinnvollen Unternehmensführung in manchen Bereichen unabdingbar ist. Zudem würde es für die Kreditinstitute einen kaum zu bewältigenden Mehraufwand bedeuten, müssten sie sämtliche Mitteilungen und Bewertungen nochmals überprüfen. Dann könnten sie auf den externen Service auch verzichten. Es wird daher vorgeschlagen, eine erneute Prüfungspflicht anhand bestimmter Kriterien festzulegen.776 Solche Kriterien können etwa die Häufigkeit bestimmter Kapitalerträge sein (in quantitativer Hinsicht) und die wirtschaftliche Bedeutung eines Kapitalertrags (in qualitativer Hinsicht). Es muss erreicht werden, dass die Kooperation zwischen externen Dienstleistern und Kreditinstituten in diesem Bereich dahingehend verbessert wird, dass Kreditinstitute auf Kapitalerträge, bei denen die gerade erwähnten Kriterien zutreffen, hingewiesen werden. Dann können sie eine eigene Prüfung vornehmen und ihren Pflichten aus dem Kapitalertragsteuerrecht in vollem Umfang gerecht werden. Exemplarisch kann wieder der Fall Google herangezogen werden.777 Da viele Anleger betroffen waren und auch die (vermeintlichen) Kapitalerträge hoch waren, wären die Kriterien hier erfüllt. Der WM Datenservice hat in diesem Fall eine fehlerhafte Bewertung der Kapitalmaßnahme der Google Inc. vorgenommen. Viele Kreditinstitute folgten dieser Bewertung und behielten ohne eigene Prüfung (fehlerhaft) Kapitalertragsteuer ein.778 Nach dem vorgeschlagenen Haftungsmodell wäre den Kreditinstituten hier der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit erst zu machen, wenn sie sich unbesehen auf die Mitteilungen und Bewertungen des externen Dienstleisters verlassen hätten, obwohl sie von diesem auf die Unsicherheiten hingewiesen wurden. Wurden sie hingegen darauf hingewiesen und nahmen daraufhin eine eigene, im Ergebnis fehlerhafte Beurteilung vor, kann ihnen der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht aus dem Grunde gemacht werden, sie hätten ihrer Abzugsentscheidung unbesehen die Informationen ihres externen Dienstleisters übernommen. Dieses System ist interessengerecht, da es einerseits den Kreditinstituten ermöglicht, sich im Großteil der Fälle auf die Mitteilungen und Bewertungen Dritter verlassen zu können und andererseits der Fiskus bzw. der Gläubiger der Kapitalerträge darauf vertrauen kann, dass die Kreditinstitute bei der Erfüllung bestimmter Kriterien auch eine eigene Bewertung vornehmen und ihre Haftung nicht durch Outsourcing komplett umgehen.
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Alternativ dazu wäre auch denkbar, den Kreditinstituten die Pflicht zur stichprobenartigen Überprüfung der Informationen des WM Datenservices aufzuerlegen, die sie im Haftungsfalle zu ihrer Exkulpation vorzutragen hätten. Das vorgeschlagene System, eine Überprüfung anhand bestimmter Kriterien vorzunehmen, ist allerdings sinnvoller. Es beschränkt sich auf die wirklich wichtigen Fälle und führt – anders als bei Stichproben – am Ende nicht dazu, dass die vielen unproblematischen Fälle erfasst werden, die wenigen problematischen Fälle hingegen nicht. 777 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1). 778 Dies betrifft das Verhältnis der Haftung des Kreditinstituts gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge, siehe dazu unten § 4 A. III. 2.
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Zuletzt sei auch darauf hingewiesen, dass der WM Datenservice auch rechtlich (nach dem RDG779 bzw. dem StBerG780) nicht berechtigt ist, externen Rechtsrat an die Kreditinstitute zu erteilen, sodass sich auch aus dieser Perspektive eine verbindliche steuerliche Beurteilung gegenüber den Kreditinstituten verbietet.781 b) Verfahren bei der Haftung Verletzt das Kreditinstitut seine Abzugspflichten im Kapitalertragsteuerverfahren und kann es sich nicht erfolgreich exkulpieren, haftet es für die einzubehaltende und abzuführende Kapitalertragsteuer. Dem Finanzamt stehen dabei verfahrensrechtlich mehrere Wege zur Verfügung, den Anspruch auf die noch fehlende Steuer durchzusetzen. Zum einen kann es einen Haftungsbescheid nach § 191 AO an das Kreditinstitut erlassen ((aa), zum anderen kann es die fehlende Steuer im Wege eines Nachforderungsbescheids782 vom Kreditinstitut verlangen ((bb). Schließlich kann sie sich auch an den Gläubiger der Kapitalerträge wenden ((cc). aa) Erlass eines Haftungsbescheids gegen das Kreditinstitut In der Regel wird es das Haftungsverfahren nach § 191 AO wählen.783 Der Haftungsbescheid hat schriftlich zu ergehen,784 muss als solcher bezeichnet sein und die konkrete Haftungsschuld aufführen.785 Rechtsfolge eines Haftungsbescheids ist die Erhebung der Haftungsschuld beim Kreditinstitut nach § 219 AO. Der dort in Satz 1 geregelte primäre Vollstreckungsversuch beim Steuerschuldner ist explizit nach Satz 2 ausgenommen, sofern – wie hier der Fall – der Haftungsschuldner gesetzlich verpflichtet ist, die Steuern einzubehalten und abzuführen. Das Kreditinstitut kann damit unmittelbar und nicht nur subsidiär in Anspruch genommen werden. Da auch Haftungsbescheide Verwaltungsakte darstellen, durch die eine Geldleistung gefordert wird,786 ist eine zwangsweise Vollstreckung nach §§ 249 ff. AO 779 Rechtsdienstleistungsgesetz v. 12. 12. 2007 (BGBl. I S. 2840), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20. 11. 2019 (BGBl. I S. 1724). 780 Steuerberatungsgesetz v. 16. 8. 1961 (BGBl. I S. 1301), in der Fassung der Bekanntmachung v. 4. 11. 1975 (BGBl. I S. 2735), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1403). 781 P. Fölsing, Anm. zu AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17. 10. 2014, 32 C 1696/14 (18), DStR 2015, S. 1398 (1399 f.). 782 Zuweilen wird auch der Begriff des „Nacherhebungsbescheids“ verwendet; siehe K.-D. Drüen, Zum Wahlrecht der Finanzbehörde zwischen Steuerschätzung und Haftungsbescheid bei unterbliebener Steueranmeldung, DB 2005, S. 299 (300); C. Stahl, Aktuelle Brennpunkte der Abgeltungsteuer, 2018, S. 102. 783 R. Hasselmann, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 125. Lfg. 2017, § 44 Rn. 37. 784 Siehe § 191 Abs. 1 Satz 3 AO. 785 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 51; siehe auch § 119 Abs. 1 AO. 786 Klein/F. Werth, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 249 Rn. 4.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
möglich, sofern das Kreditinstitut der Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen sollte. Eines Haftungsbescheids bedarf es nach § 44 Abs. 5 Satz 3 EStG hingegen nicht, wenn das Kreditinstitut die einbehaltene Kapitalertragsteuer richtig nacherklärt oder soweit es seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Finanzamt oder dem Prüfungsbeamten des Finanzamts schriftlich anerkennt.787 In diesen Fällen wird lediglich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 249 Abs. 1 Satz 2 AO vollzogen.788 bb) Erlass eines Nachforderungsbescheids gegen das Kreditinstitut Daneben kann das Finanzamt auch mittels eines Nachforderungsbescheids nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 155 AO gegen das Kreditinstitut vorgehen. Danach ist eine Festsetzung der Steuer nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führen würde oder das Kreditinstitut als Haftungsschuldner eine Steueranmeldung nicht abgibt. Dies ist gegeben, wenn die Kapitalertragsteuer vom Kreditinstitut nicht oder nicht in zutreffender Höhe einbehalten und angemeldet wird. Dabei stehen nach Ansicht des BFH Haftungs- und Nachforderungsbescheid nebeneinander und begründen für die Finanzverwaltung ein Wahlrecht.789 Wird ein Nachforderungsbescheid erlassen, ändert dies aber nichts daran, dass materiellrechtlich ein Haftungsanspruch geltend gemacht wird. Das Kreditinstitut wird auch hier in seiner Funktion als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Das bedeutet, dass auch für einen Nachforderungsanspruch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Haftungsanspruch vorliegen müssen.790 Da die Anforderungen gleich sind, bedarf es auch keiner Begründung im Bescheid, warum von dem ge787 Nach § 167 Abs. 1 Satz 3 AO steht ein solches Anerkenntnis einer Steueranmeldung gleich, wenn der Haftungsschuldner nach Abschluss einer Außenprüfung i. S. d. § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt. 788 R. Hasselmann, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 125. Lfg. 2017, § 44 Rn. 41. 789 BFH, Urt. v. 21. 9. 2017, VIII R 59/14, BFHE 259, S. 411 (418); BFH, Urt. v. 19. 12. 2012, I R 81/11, BFH/NV 2013, S. 698 (699); BFH, Urt. v. 13. 12. 2011, II R 52/09, BFH/NV 2012, S. 695 (696); BFH, Urt. v. 3. 11. 2010, I R 98/09, BFHE 232, S. 22 (27); BFH, Urt. v. 18. 3. 2009, I B 210/08, BFH/NV 2009, S. 1237 (1238); BFH, Urt. v. 20. 8. 2008, I R 29/07, BFHE 222, S. 500 (508); BFH, Urt. v. 13. 9. 2000, I R 61/99, BFHE 193, S. 286 (290); a. A. J. Schulze-Osterloh, Der Steuerbescheid nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO gegen den Haftungsschuldner, in: Gedächtnisschrift für Christoph Trzaskalik, 2005, S. 151 (152, 154). Danach solle gerade wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Haftungs- und Nachforderungsbescheid kein Wahlrecht bestehen. Denn beim Nachforderungsbescheid gelten die §§ 172 ff. AO, also insbesondere § 164 AO, wonach der Nachforderungsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden und somit eine jederzeitige Abänderung erfolgen könne. Beim Haftungsbescheid sei dies nicht möglich. Vielmehr gelten hier die Vorschriften der §§ 130 ff. AO über die Rücknahme und den Widerruf. Für den Adressaten – hier also das Kreditinstitut – mache dies einen bedeutenden Unterschied. Mit der Systematik des Gesetzes argumentierend hält Schulze-Osterloh damit einen Nachforderungsbescheid für vorrangig. 790 BFH, Urt. v. 19. 12. 2012, I R 81/11, BFH/NV 2013, S. 698 (700); BFH, Urt. v. 13. 12. 2011, II R 52/09, BFH/NV 2012, S. 695 (696); BFH, Urt. v. 18. 3. 2009, I B 210/08, BFH/NV 2009, S. 1237 (1239); BFH, Urt. v. 13. 9. 2000, I R 61/99, BFHE 193, S. 286 (290 f.).
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wählten Verfahren Gebrauch gemacht wurde.791 Kann sich das Kreditinstitut allerdings erfolgreich exkulpieren, darf es auch nicht im Rahmen eines Nachforderungsbescheids in Anspruch genommen werden. cc) Erlass eines Nachforderungsbescheids gegen den Gläubiger der Kapitalerträge Das Finanzamt kann schließlich auch vom Gläubiger der Kapitalerträge als originärem Steuerschuldner die fehlende Kapitalertragsteuer durch Erlass eines Kapitalertragsteuer-Nachforderungsbescheids verlangen.792 Diese Art der Nachforderung vom Gläubiger der Kapitalerträge hängt allerdings gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG von besonderen Voraussetzungen ab. dd) Auswahl des Adressaten durch die Finanzbehörde Bei der Frage, wer primär in Anspruch zu nehmen ist, bestimmt der soeben erwähnte § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG, dass im Grundsatz das Kreditinstitut vorrangig in Anspruch zu nehmen ist, sofern kein dort genannter Ausnahmefall vorliegt. Aber selbst im Falle des Vorliegens eines Ausnahmefalls kann das Finanzamt dennoch ermessensfehlerfrei793 das Kreditinstitut in Haftung nehmen, sofern hierfür entsprechende Gründe bestehen. Ein solcher Grund kann etwa vorliegen, wenn dem Finanzamt die Adressen der Gläubiger der Kapitalerträge nicht bekannt sind und das Kreditinstitut diese zur Vermeidung der eigenen Haftung nicht herausgibt.794 Im Ergebnis bedeutet dies, dass grundsätzlich das Kreditinstitut in Anspruch zu nehmen 791 BFH, Urt. v. 19. 12. 2012, I R 81/11, BFH/NV 2013, S. 698 (699); BFH, Urt. v. 7. 7. 2004, VI R 171/00, BFHE 206, S. 562 (566); BFH, Urt. v. 7. 7. 2004, VI R 168/01, BFH/NV 2005, S. 357 (358); der BFH beruft sich in dieser Entscheidung auch auf den Wortlaut des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach „die Festsetzung der Steuer nach § 155 nur erforderlich [ist], wenn […] der […] Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt.“ Sofern eine Steueranmeldung daher nicht abgegeben wurde, lässt sich dem Wortlaut der Norm nicht die Voraussetzung entnehmen, den Erlass eines Nachforderungsbescheids explizit begründen zu müssen. A. A. G. Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 170. Lfg. 2016, § 167 AO Rn. 25; B. Heuermann, Was ist eigentlich eine Entrichtungssteuerschuld?, StuW 2006, S. 332 (335); die Kritik an der Rechtsprechung des BFH fußt maßgeblich auf der lohnsteuerrechtlichen Norm des § 42d Abs. 3 EStG, wonach dem Finanzamt ein Ermessen bei der Auswahl eingeräumt wird, ob es die Steuerschuld oder Haftungsschuld gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer geltend macht. Diese Ermessensentscheidung dürfe nicht durch die Wahl des Verfahrens – Haftungsbescheid oder Nachforderungsbescheid – beeinflusst werden. Da die im Kapitalertragsteuerrecht geltende Norm des § 44 Abs. 5 EStG kein Ermessen vorsieht, kann hier richtigerweise auch nicht verlangt werden, die Behörde müsste im jeweiligen Bescheid darlegen, warum es von welchem Verfahren Gebrauch gemacht hat. 792 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 44 Rn. 15; E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 226. Lfg. 2012, § 44 Rn. F 40. 793 Siehe § 5 AO. 794 BFH, Urt. v. 3. 11. 2010, I R 98/09, BFHE 232, S. 22 (27 f.).
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ist. Liegt ein Fall des § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht vor, ist dies zwingend. Liegt ein solcher Fall vor, kann der Gläubiger der Kapitalerträge in Anspruch genommen werden, sofern keine Gründe vorliegen, das Kreditinstitut in Anspruch zu nehmen. Damit steht das Kreditinstitut hier insgesamt schlechter als der Gläubiger der Kapitalerträge, obwohl dieser der originäre Steuerschuldner ist. c) Folgen einer Haftung Erhält das Kreditinstitut einen Haftungs- bzw. einen Nachforderungsbescheid, den es als rechtswidrig erachtet, kann es gegen diesen zunächst mittels eines Einspruchs vorgehen. Ist dieser erfolglos, bleibt schließlich die Möglichkeit einer Klage.795 Hält es den Bescheid dagegen für rechtmäßig und entrichtet daraufhin die geforderte Kapitalertragsteuer aus eigenem Vermögen, kann sich das Kreditinstitut diese Steuer im Wege eines Regresses wieder vom Gläubiger der Kapitalerträge zurückholen. Nach einer älteren Entscheidung des BFH richtet sich der Ausgleichsanspruch richtigerweise nach § 267 BGB.796 Somit kann nach § 268 Abs. 3 Satz 1 BGB der Nachforderungsanspruch im Wege einer cessio legis auf das Kreditinstitut übergehen und von diesem nun gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge als originärem Steuerschuldner geltend gemacht werden.797 Kann der Gläubiger der Kapitalerträge den Regressanspruch des Kreditinstituts allerdings nicht befriedigen – etwa wegen einer zwischenzeitlichen Insolvenz – hat letztlich das Kreditinstitut die Steuer faktisch zu tragen. In diesem Fall realisiert sich die Haftung der Kreditinstitute.
795 Siehe dazu entsprechend Schmidt/R. Krüger, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 42d Rn. 58 ff.; M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 34. 796 BFH, Urt. v. 13. 11. 1974, I R 166/72, BFHE 114, S. 19 (21); zum grundsätzlichen Bestehen eines Regressanspruchs in diesem Verhältnis siehe BFH, Urt. v. 25. 9. 1970, VI R 122/67, BFHE 100, S. 301 (304); ein Regress nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nach der hier vertretenen Ansicht (siehe dazu oben § 4 A. I. sowie Fn. 716), wonach zwischen Haftungsschuldner und Steuerschuldner keine Gesamtschuld vorliegt, konsequenterweise abzulehnen. Ein solcher Anspruch im Innenverhältnis kann sich aber auch aus dem allgemeinen Bankvertrag des Gläubigers der Kapitalerträge mit dem Kreditinstitut ergeben. 797 Die Norm des § 268 Abs. 3 Satz 1 BGB gilt auch für öffentlich-rechtliche Forderungen (siehe BGH, Beschl. v. 6. 10. 2011, V ZB 18/11, NJW-RR 2012, S. 87; BGH, Urt. v. 18. 6. 1979, VII ZR 84/78, BGHZ 75, S. 23 (24)). Zahlt das Kreditinstitut daher die vom Gläubiger der Kapitalerträge geschuldete Kapitalertragsteuer, erlischt diese Steuerschuld (siehe RG, Urt. v. 21. 12. 1931, VIII 349/31, RGZ 135, S. 25 (30)) und wird gleichzeitig beim Übergang auf das Kreditinstitut aus ihrer hoheitlichen Beziehung gelöst (siehe RG, Urt. v. 18. 1. 1935, V 347/34, RGZ 146, S. 317 (319)). Der Steueranspruch des Fiskus gegen den Gläubiger der Kapitalerträge wandelt sich dabei in eine privatrechtliche Forderung (siehe BGH, Urt. v. 18. 6. 1979, VII ZR 84/78, BGHZ 75, S. 23 (24)).
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2. Die Haftung nach § 44 Abs. 6 Satz 5 EStG Eine weitere Haftungsvorschrift bildet die Norm des § 44 Abs. 6 EStG. Sie enthält einige Sonderbestimmungen für die Fälle des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG. Hier fallen Gläubiger und Schuldner der Kapitalertragsteuer zivilrechtlich zusammen. Deshalb fingiert § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts und die von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als Gläubiger der Kapitalerträge und der Betrieb gewerblicher Art und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Schuldner der Kapitalerträge gilt. In § 44 Abs. 6 Satz 5 EStG wird diesen Schuldnern der Kapitalerträge eine Haftung auferlegt, wonach sie für die Kapitalertragsteuer haften, soweit sie auf verdeckte Gewinnausschüttungen und auf Veräußerungen i. S. d. § 22 Abs. 4 Umwandlungssteuergesetz798 entfällt. Aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs ist diese Haftungsvorschrift weit weniger bedeutsam als die des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. 3. Die Haftung nach § 44b Abs. 6 Satz 2 HS. 1 EStG Anknüpfend an den Erstattungstatbestand des § 44b Abs. 6 Satz 1 EStG findet sich auch in § 44b Abs. 6 Satz 2 HS. 1 EStG ein Haftungstatbestand. In entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 5 EStG haften die Kreditinstitute für zu Unrecht vorgenommene Kapitalertragsteuer-Erstattungen. Die Haftung, die den Abzug und die Abführung der Kapitalertragsteuer und damit das Steueraufkommen an sich absichert, wird hier auf Ebene der Erstattungen folgerichtig und konsequent fortgesetzt. Führt das Kreditinstitut eine Erstattung zu Gunsten des Gläubigers der Kapitalerträge durch, muss es insoweit für diesen Betrag einstehen, sollte sich herausstellen, dass eine Erstattung nicht hätte erfolgen dürfen. Der Maßstab der Haftung ist dabei identisch mit dem Maßstab des § 44 Abs. 5 EStG. Eine Exkulpation bei einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstattung von Kapitalertragsteuer ist möglich, sofern das Kreditinstitut darlegt, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben. Daneben gilt nach § 44 Abs. 5 Satz 2 HS. 1 EStG für die Zahlungsaufforderung § 219 Satz 2 AO entsprechend. Somit kann auch hier der Haftungsschuldner ohne vorherigen Versuch der Vollstreckung beim Steuerschuldner in Anspruch genommen werden.799
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Umwandlungssteuergesetz v. 28. 10. 1994 (BGBl. I S. 3267), in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 10. 2002 (BGBl. I S. 4133, ber. BGBl. I 2003, S. 738), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1385). 799 Siehe hierzu auch oben § 4 A. II. 1. b) dd).
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4. Die Haftung nach § 45a Abs. 7 EStG Schließlich findet sich in § 45a Abs. 7 EStG ein spezieller Haftungstatbestand im Rahmen der Ausstellung von Steuerbescheinigungen (sog. Ausstellerhaftung800). Die Gefahr einer solchen Haftung zeigt sich vor allem im Hinblick auf die milliardenschweren Kapitalertragsteuer-Erstattungen im Rahmen der Cum-Ex-Geschäfte, die auf von Kreditinstituten erteilten Steuerbescheinigungen beruhen.801 Nach § 45a Abs. 7 Satz 1 EStG haftet der Aussteller einer fehlerhaft erteilten Bescheinigung für die auf Grund der Bescheinigung verkürzten Steuern oder zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Eine Bescheinigung ist fehlerhaft, wenn sie den Voraussetzungen des § 45a Abs. 2 – 5 EStG nicht entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn sie überhaupt nicht hätte erteilt werden dürfen oder inhaltlich unrichtige Angaben enthält.802 Die Haftung ist – anders als bei § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG – verschuldensunabhängig.803 Als Korrelat dieser strengen Haftung sieht das Gesetz in § 45a Abs. 7 Satz 3 EStG Erleichterungen vor. So haftet der Aussteller einer Steuerbescheinigung insbesondere804 dann nicht, wenn er die nach § 45a Abs. 6 EStG vorgesehenen Pflichten erfüllt hat.805 Dafür muss das ausstellende Kreditinstitut die fehlerhafte Bescheinigung durch eine berichtigte – und als solche gekennzeichnete – Bescheinigung806 800 C. Habammer, Die Haftung der Depotbanken bei Cum/Ex-Fällen, DStR 2017, S. 1958 (1961). 801 Siehe zu dieser Problematik grundlegend W. Schön, Cum-/Ex-Geschäfte – materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Fragen, RdF 2015, S. 115 ff. sowie zur aktuellen Diskussion u. a. M. Jachmann-Michel, Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte, 2. Aufl. 2020, S. 115 ff.; S. Behnes, Haftung der Verwahrstellen bei Cum/Cum-Transaktionen nach dem BMF-Schreiben vom 17. 7. 2017, RdF 2018, S. 40 ff.; B. Spilker, Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei Cum/Ex-Geschäften gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, FR 2017, S. 469 ff.; dies., Rechtsstaatliche Grenzen für die steuerliche und steuerstrafrechtliche Würdigung von Cum/ Cum- und Cum/Ex-Transaktionen, FR 2017, S. 138 ff.; C. Habammer, Die Haftung der Depotbanken bei Cum/Ex-Fällen, DStR 2017, S. 1958 ff.; C. Jehke/M. Blank, „Cum/ExGeschäfte“ mit inländischer Depotbank auf Verkäuferseite: Vorrang der Haftung vor der Rücknahme der Anrechnungsverfügung?, DStR 2017, S. 905 ff.; hinsichtlich der Rechtsprechung siehe u. a. FG Kassel, Urt. v. 10. 2. 2016, 4 K 1684/14, EFG 2016, S. 761 ff. und dazu G. Weitbrecht/C. Wahlster, Handhabbarkeit und Rechtsdogmatik des „cum/ex-Urteils“ des FG Kassel vom 10. 2. 2016, RdF 2017, S. 59 ff. sowie FG Hessen, Urt. v. 10. 3. 2017, 4 K 977/14, EFG 2017, S. 656 ff. und dazu T. Müller/L. Schade, Das große Missverständnis der Kapitalertragsteuererstattung, BB 2017, S. 1239 ff.; hinsichtlich der Ansicht der Finanzverwaltung siehe BMF Schreiben v. 17. 7. 2017 betr. Steuerliche Behandlung von „Cum/ Cum-Transaktionen“, IV C 1 – S 2252/15/10030:005, BStBl. I S. 1324. 802 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 45a Rn. 143. 803 M. Geurts, in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz Kommentar, 410. Lfg. 2018, § 45a Rn. 112. 804 Daneben kommt auch eine Haftung eines nach § 45a Abs. 3 Satz 1 EStG zur Ausstellung verpflichteten Kreditinstituts gemäß § 44 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 EStG nicht in Betracht, wenn es eine unrichtige Bescheinigung aufgrund falscher Angaben des Schuldners der Kapitalerträge erteilt. In diesem Fall haftet dieser selbst; siehe § 45a Abs. 7 Satz 2 EStG. 805 Siehe § 45a Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 EStG. 806 Siehe § 45a Abs. 6 Satz 2 EStG.
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ersetzen und eine bereits in Papierform übermittelte Bescheinigung zurückfordern.807 Wird die zurückgeforderte Bescheinigung allerdings nicht innerhalb eines Monats nach Zusendung der berichtigten Bescheinigung an das ausstellende Kreditinstitut zurückgegeben, ist das Kreditinstitut verpflichtet, das zuständige Finanzamt über diesen Umstand zu informieren.808 5. Die Haftung von Vertretern der Kreditinstitute Neben der Haftung der Kreditinstitute selbst kann auch den Vertreter desselben eine persönliche unbeschränkte und verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung treffen.809 Diese Haftung ist insbesondere dann wichtig, wenn das Kreditinstitut von einer Insolvenz betroffen ist. Dann stellt eine Inanspruchnahme des Vertreters eine wichtige Möglichkeit dar, unabhängig von der Insolvenzmasse einen Haftungsanspruch effektiv durchsetzen zu können. Nach §§ 69 Satz 1, 34 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG haften etwa die Vorstände eines in Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführten Kreditinstituts für eine nicht ordnungsgemäß abgeführte Kapitalertragsteuer, sofern sie ihre diesbezüglichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen. Dabei umfasst die Haftung auch die zu zahlenden steuerlichen Nebenleistungen810 wie etwa Säumniszuschläge.811 Das Finanzamt trifft hier die Darlegungs- und Beweislast.812 Liegen die Voraussetzungen einer Haftung sowohl beim abzugsverpflichteten Kreditinstitut als auch bei dessen Vorstand vor, haften sie gegenüber dem Fiskus nebeneinander – und nicht i. S. e. Ausfallhaftung813 – als Gesamtschuldner gemäß § 44 AO.814 Wen das Finanzamt in Anspruch nimmt, liegt wiederum in seinem Ermessen.815 Der BFH geht in jüngerer Rechtsprechung davon aus, dass eine grobe Fahrlässigkeit eines Vertreters schon dann in Betracht kommt, wenn er Zweifel an der Rechtslage hat und keinen Rechtsrat einholt bzw. seine Zweifel gegenüber dem Finanzamt nicht offen legt.816 Der BFH legt hier konsequentermaßen die gleichen Maßstäbe an wie bei der Beurteilung der groben 807 808 809
Rn. 6. 810
Siehe § 45a Abs. 6 Satz 1 EStG. Siehe § 45a Abs. 6 Satz 3 EStG. F. Müller, in: Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 69 AO
Siehe § 3 Abs. 4 AO. Siehe § 69 Satz 2 AO. 812 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 44 EStG Rn. 33. 813 F. Müller, in: Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 69 AO Rn. 7. 814 Anders als im Verhältnis zwischen Haftungsschuldner und Steuerschuldner (siehe dazu oben § 4 A. I. sowie Fn. 716) liegt hier keine akzessorische Abhängigkeit vor, da es sich um zwei Haftungsschuldner handelt. Deswegen haften sie als Gesamtschuldner. 815 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. b) dd). 816 Siehe BFH, Urt. v. 6. 10. 2009, I R 25/09, BFH/NV 2010, S. 620 (622). 811
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Fahrlässigkeit bei der Haftung des Kreditinstituts selbst.817 Verfahrenstechnisch muss gegenüber dem Vertreter des Kreditinstituts ebenfalls ein Haftungsbescheid ergehen. Letztlich werden durch diese persönliche Haftung fremde Steuerschulden zu eigenen Haftungsschulden des Vertreters des Kreditinstituts.818 Wird dieser in Haftung genommen und erfüllt er die Steuerschuld, kann der Vertreter diesen Betrag beim Steuerschuldner regressieren.819 6. Sonstige Konsequenzen für die Kreditinstitute Neben der Haftung der Kreditinstitute für nicht ordnungsgemäß abgeführte Kapitalertragsteuer können noch weitere Konsequenzen drohen. Wird etwa eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht rechtzeitig abgegeben, kann das Finanzamt dem Kreditinstitut entweder ein Zwangsgeld auferlegen oder eine Zuschätzung vornehmen (a)) bzw. auch Verspätungszuschläge festsetzen (b)). Erfolgte hingegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung, wird die angemeldete Steuer aber nicht rechtzeitig an das Finanzamt abgeführt, entstehen kraft Gesetzes Säumniszuschläge (c)). Entrichtet das Kreditinstitut daraufhin die Kapitalertragsteuer weiter nicht, können schließlich Vollstreckungsmaßnahmen durch die Finanzbehörden eingeleitet werden (d)). a) Die Zuschätzung nach § 162 AO bzw. Zwangsgeld nach § 328 f. AO Für den Fall, dass keine Kapitalertragsteuer-Anmeldung abgegeben wird, stehen die Finanzbehörden vor dem Problem, dass sie schlicht nicht wissen, wie hoch die Steuerschuld ist, sodass sie auch keinen hinreichend bestimmten Haftungsbescheid erlassen können. Diesem Umstand können sie im Wesentlichen mit zwei Mitteln entgegenwirken: Zum einen können sie die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO schätzen, zum anderen können sie die Abgabe einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung durch die Androhung oder die Verhängung von Zwangsgeld nach §§ 328 f. AO herbeizuführen versuchen.820 Beide Wege stehen dabei grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander.821 Die Finanzbehörde muss nicht erst versucht haben, die
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Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. a) cc) (b). H. Pump/H. Fittkau, Die Vermeidung der Haftung für Steuerschulden, 2009, S. 36. 819 Zum Regress siehe entsprechend oben § 4 A. II. 1. c). 820 Siehe K.-D. Drüen, Zum Wahlrecht der Finanzbehörde zwischen Steuerschätzung und Haftungsbescheid bei unterbliebener Steueranmeldung, DB 2005, S. 299 (300). 821 BFH, Urt. v. 11. 8. 1992, VII R 90/91, BFH/NV 1993, S. 346 (347); BFH, Urt. v. 12. 1. 1966, I 269/63, BFHE 85, S. 51 (53); BFH, Urt. v. 23. 10. 1958, IV 203/57 U, BFHE 68, S. 25 (27); RFH, Urt. v. 4. 1. 1922, VA 287/21, RFHE 8, S. 6 (8); FG Hessen, Urt. v. 15. 3. 2001, 13 K 1061/00, EFG 2001, S. 798 (799); Koenig/C. Cöster, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 162 Rn. 29; a. A. G. Rößler, Zur Schätzung wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen, DStZ 1988, S. 199 f. 818
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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Steueranmeldung vom Kreditinstitut durch Zwangsmittel zu erwirken.822 In der Praxis machen die Finanzbehörden von Zwangsgeldern nahezu keinen Gebrauch. Vielmehr nehmen sie eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO vor. Diese birgt für das Kreditinstitut das Risiko, dass die Besteuerungsgrundlagen höher geschätzt werden, als sie tatsächlich sind. Denn das Finanzamt hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums einen Schätzungsrahmen, den es durch den Ansatz von Unsicherheitszuschlägen im Zweifel zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausfüllen wird.823 Allerdings darf die Schätzung nicht als eine Art Zwangsmittel zweckentfremdet werden, um den Steuerpflichtigen zur Erfüllung seiner Pflichten aufzufordern.824 Hierfür stehen den Finanzbehörden die Zwangsmittel der §§ 328 ff. AO zur Verfügung, die anderen Voraussetzungen unterliegen. Eine Schätzung soll auch erst erfolgen, wenn zuvor der ernsthafte Versuch seitens der Finanzbehörde unternommen wurde, den Steuerpflichtigen zu einer Abgabe seiner Steueranmeldung anzuhalten.825 Bei den hohen Summen an Kapitalerträgen, die durch die Kreditinstitute verwaltet werden, kann sich schon bei einer Zuschätzungsquote von zwei Prozent ein sechsstelliger Nachforderungsbetrag ergeben.826 Zudem kann es bei pauschalen Zuschätzungen vorkommen, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht einem bestimmten Steuerschuldner zugeordnet werden, sondern eine Zuschätzung verschiedener Kapitalerträge für verschiedene Steuerschuldner vorgenommen wird. Lässt sich daraus für das Kreditinstitut der konkret für einen Kunden entrichtete Betrag nicht ermitteln, schneidet es sich die zivilrechtlichen Regressmöglichkeiten827 ab.828 Fehler bei der Steueranmeldung können für das Kreditinstitut daher empfindliche finanzielle Nachteile zur Folge haben. Neben einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen können die Finanzbehörden auch durch Zwangsmaßnahmen gegen die Kreditinstitute vorgehen, wenn sie keine Kapitalertragsteuer-Anmeldung abgeben. Die ordnungsgemäße und fristgerechte Abgabe einer verpflichtenden Steueranmeldung ist eine nach § 328 AO grundsätzlich erzwingbare Handlung.829 Liegen die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor,830 kann ein konkretes Zwangsmittel in Form eines 822
R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 150. Lfg. 2017, § 162 AO Rn. 36. BFH, Urt. v. 29. 3. 2001, IV R 67/99, BFHE 195, S. 261 (264 f.); BFH, Urt. v. 20. 12. 2000, I R 50/00, BFHE 194, S. 1 (4 f.); BFH, Urt. v. 1. 10. 1992, IV R 34/90, BFHE 169, S. 503 (506); BFH, Urt. v. 9. 3. 1967, IV 184/63, BFHE 88, S. 212 (214). 824 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 150. Lfg. 2017, § 162 AO Rn. 13. 825 W. Schick, Die Steuererklärung, StuW 1988, S. 301 (327). 826 P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2399). 827 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. c). 828 P. Findeis, Kapitalertragsteuer – Außenprüfung unter dem Regime der Abgeltungsteuer, DB 2009, S. 2397 (2400). 829 BFH, Urt. v. 10. 10. 1951, IV 216/51 S, BFHE 55, S. 513 (515 f.). 830 Insbesondere ist das konkrete Zwangsmittel gemäß § 332 Abs. 1 Satz 1 AO vorher anzudrohen. Bei einem Zwangsgeld bedarf es darüber hinaus auch der Androhung in be823
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Zwangsgeldes nach § 329 AO in einer Höhe von bis zu 25.000 EUR verhängt werden. Dieser Höchstbetrag kann für die Durchsetzung auch mehrfach hintereinander festgesetzt werden, wobei jede einzelne Festsetzung diesen Höchstbetrag nicht übersteigen darf.831 b) Festsetzung von Verspätungszuschlägen nach § 152 AO Als weitere Konsequenz der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung steuerlicher Pflichten kann gegen das Kreditinstitut ein Verspätungszuschlag nach § 152 AO festgesetzt werden. Der Verspätungszuschlag ist ein Druckmittel eigener Art und dient dazu, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Vornahme seiner steuerlichen Verpflichtungen anzuhalten.832 Es ist möglich, ihn auch neben einem Zwangsgeld zu verhängen.833 Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist,834 ein Verspätungszuschlag bis zu zehn Prozent der anzumeldenden Steuer – jedoch maximal 25.000 EUR – verhängt werden,835 sofern die Säumnis nicht entschuldigt werden kann.836 Ein Verspätungszuschlag kann sogar dann festgesetzt werden, wenn letztlich eine Erstattung der Kapitalertragsteuer erfolgt.837 Der Verspätungszuschlag trifft das Kreditinstitut selbst, da es gegen eigene Pflichten aus dem Besteuerungsverfahren verstoßen hat. Insofern kann diesbezüglich auch kein Regress beim Gläubiger der Kapitalerträge erfolgen.838 c) Säumniszuschläge nach § 240 AO Schließlich kann das Kreditinstitut durch Säumniszuschläge nach § 240 AO belastet werden, wenn es die Kapitalertragsteuer nicht fristgerecht an das Finanzamt abführt. Hier geht es also um eine verspätete Abführung einer angemeldeten Kapitalertragsteuer. Im Gegensatz zum Verspätungszuschlag erfordert der Säumnisstimmter Höhe; siehe § 332 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Androhung kann bereits mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den das Kreditinstitut zur Abgabe der Kapitalertragsteuer-Anmeldung aufgefordert wird; siehe § 332 Abs. 2 Satz 1 AO. 831 Klein/F. Werth, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 329 Rn. 2; Koenig/ G. Zöllner, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 329 Rn. 5. 832 BFH, Urt. v. 23. 9. 2009, XI R 56/07, BFH/NV 2010, S. 12 (14); BFH, Urt. v. 26. 6. 2002, IV R 63/00, BFHE 198, S. 399 (401). 833 BFH, Urt. v. 29. 3. 2007, IX R 9/05, BFH/NV 2007, S. 1617 (1618). 834 Wobei die Kapitalertragsteuer-Anmeldung eine Steuererklärung darstellt; siehe § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. 835 Siehe § 152 Abs. 2 Satz 1 AO. 836 Siehe § 152 Abs. 1 Satz 2 AO. 837 BFH, Urt. v. 26. 6. 2002, IV R 63/00, BFHE 198, S. 399 (402 f.); BFH, Beschl. v. 10. 4. 1997, II B 120/96, BFH/NV 1997, S. 731 (732); BFH, Urt. v. 25. 11. 1988, VI R 137/85, BFH/ NV 1989, S. 279 (280). 838 Ein Regress vom Gläubiger der Kapitalerträge wäre u. U. dann möglich, wenn die verspätete Steueranmeldung gerade auf eine Versäumnis von diesem zurückzuführen wäre.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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zuschlag nach eindeutigem Gesetzeswortlaut kein Verschulden.839 Denn nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten. Können deshalb etwa wegen unverschuldeter Fehler in der EDV Steuerbeträge nicht rechtzeitig weitergeleitet werden, entsteht kraft Gesetzes und verschuldensunabhängig ein Säumniszuschlag, der aufgrund der oft hohen Steuerbeträge, die von den Kreditinstituten weiterzuleiten sind, einen entsprechend großen Schaden anrichten kann. Allerdings sind geringe Fristüberschreitungen unbeachtlich. So räumt § 240 Abs. 3 Satz 1 AO den Kreditinstituten eine Schonfrist von drei Tagen ein. d) Die Vollstreckung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung Wird eine Kapitalertragsteuer angemeldet, aber der Betrag nicht abgeführt, kann ohne besonderes Leistungsgebot unmittelbar nach § 249 Abs. 1 Satz 2 AO, § 254 Abs. 1 Satz 4 AO beim Kreditinstitut vollstreckt werden.840 Dies kann so weit gehen, dass die Vollstreckungsbehörden eine Kontopfändung beim Kreditinstitut nach §§ 309 ff. AO vornehmen. III. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Gläubigers der Kapitalerträge gegen die Kreditinstitute Nachdem vorangehend die Folgen von Pflichtverletzungen der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus untersucht wurden, widmen sich die folgenden Ausführungen dem Verhältnis der Kreditinstitute zu ihren Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge. Denn die Kreditinstitute sind nicht nur gegenüber dem Fiskus zur Einhaltung der steuerlichen Vorschriften verpflichtet. Aus dem allgemeinen Bankvertrag treffen sie auch gegenüber ihren Kunden eine Reihe zivilrechtlicher Verpflichtungen. Sie sehen sich damit sowohl öffentlich-rechtlichen als auch zivilrechtlichen Verpflichtungen ausgesetzt, die nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang zu bringen sind und daher ein Spannungsverhältnis hervorrufen. Der Kunde des Kreditinstituts hat als Gläubiger der Kapitalerträge sowohl nach den Regelungen des Steuerrechts als auch aus dem Bankvertrag einen Anspruch gegen das Kreditinstitut auf ordnungsgemäße Durchführung des kapitalertragsteuerlichen Abzugsverfahrens. Wird eine Steuer zu Unrecht einbehalten, kann er zum einen eine Korrektur verlangen (1.), zum anderen aber auch Schadensersatzansprüche geltend machen (2.), sofern ihm ein entsprechender kausaler Schaden entstanden ist. Um jedoch von solchen Rechten Gebrauch machen zu können, muss der Gläubiger der Kapitalerträge zunächst Kenntnis davon erlangen, dass eine Steuer zu 839 BFH, Urt. v. 17. 7. 1985, I R 172/79, BFHE 145, S. 1 (2); BFH, Urt. v. 17. 1. 1964, I 256/59 U, BFHE 79, S. 385 (388). 840 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 45a Rn. 38.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Unrecht einbehalten und abgeführt wurde. Diese Kontrolle erfolgt etwa durch eine Kapitalertragsteuer-Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO i. V. m. § 50b EStG841 oder auf Veranlassung des Gläubigers der Kapitalerträge durch einen Antrag auf Veranlagung.842 Dadurch können Fehler im Abzugsverfahren aufgedeckt werden, die in einem weiteren Schritt zu entsprechenden Korrekturen bzw. Schadensersatzansprüchen führen können. 1. Die Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug Anders als bei Schadensersatzansprüchen führen Korrekturen bzw. Erstattungen grundsätzlich zu keiner Vermögenseinbuße beim Kreditinstitut.843 Wie auch der Einbehalt der Kapitalertragsteuer ist auch die Korrektur bei fehlerhaftem Einbehalt weitgehend auf die Kreditinstitute verlagert und entlastet somit die Finanzverwaltung.844 Auf Seiten der Kreditinstitute können solche Korrekturen einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand hervorrufen, den sie unabhängig von einem Verschulden zu bewältigen verpflichtet sind. Sie sind allerdings unabdingbar, um ein ordnungsgemäßes Besteuerungsverfahren sicherzustellen und es dem Gläubiger der Kapitalerträge zu ermöglichen, schnellstmöglich wieder an seine zu Unrecht abgezogenen Beträge zu kommen.845 Die Bedeutung von Kapitalertragsteuer-Erstattungen hat durch die Problematik der Cum-Ex-Fälle enorm an Bedeutung gewonnen.846 a) Die Delta-Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG Die sog. Delta-Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 HS. 1 EStG gilt für Korrekturen bei einer unzutreffend ermittelten Bemessungsgrundlage (so auch im Fall Google angewandt847). Sie dient der Sicherstellung der abgeltenden Besteuerung auf Ebene der Kreditinstitute.848 Denn um das Besteuerungsverfahren bereits möglichst 841
Siehe dazu oben § 3 B. III. H. Weber-Grellet, Die Abgeltungsteuer – Irritiertes Rechtsempfinden oder Zukunftschance?, NJW 2008, S. 545 (549). 843 Sofern nicht eine Haftungsnorm im Rahmen des Erstattungsverfahrens greift; siehe etwa § 43a Abs. 3 Satz 7 HS. 2 EStG. 844 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 257. Lfg. 2015, § 44b Rn. A 2, A 42. 845 K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 146. Lfg. 2019, § 44b EStG Rn. 7; M. Geurts, in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz Kommentar, 412. Lfg. 2018, § 44b Rn. 2. 846 Siehe dazu oben Fn. 801. 847 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. C) bb) (2) (h). 848 C. Anemüller, Korrekturverfahren nach § 43a Abs. 3 S. 7 EStG: Anwendungsbereich, Auswirkungen und Grenzen (I), EStB 2017, S. 121 (126). 842
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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in diesem Verfahrensstadium abschließen zu können, bedarf es für die Kreditinstitute Korrekturmöglichkeiten. Dadurch können auch sonst nachgelagerte Veranlagungen reduziert werden. Erfährt ein Kreditinstitut nach Ablauf des Kalenderjahres von der Veränderung der Bemessungsgrundlage oder einer zu erhebenden Kapitalertragsteuer, hat es die entsprechende Korrektur erst zum Zeitpunkt seiner Kenntnisnahme vorzunehmen.849 Dem Kreditinstitut kommt ausweislich des Wortlauts kein Ermessensspielraum zu. Liegen die Voraussetzungen vor, hat es kein Wahlrecht und muss zwingend korrigieren.850 Die Korrektur erfolgt damit nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft und nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Fehlers.851 Dies bringt eine gewisse Erleichterung für die Kreditinstitute mit sich, da eine rückwirkende Abwicklung immense verwaltungstechnische Belastungen zur Folge hätte.852 Fehler bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die im laufenden Jahr entdeckt werden, können ohne Einschränkung und unabhängig von der o. g. Regelung korrigiert werden.853 Auch ist den Kreditinstituten eine Korrektur unabhängig von einem etwaigen Verschulden möglich, da ein solches von der Norm nicht gefordert wird. Allerdings befreit diese Korrekturmöglichkeit nicht von der nach HS. 2 angeordneten verschuldensabhängigen Haftungsmöglichkeit.854 Die verschuldensunabhängige Korrekturmöglichkeit ist ein zweischneidiges Schwert und kann gleichsam belastend wirken. Denn das Kreditinstitut muss eine Korrektur auch dann vornehmen, wenn es ohne eigenes Verschulden gehandelt hat, die materiell-rechtlich zutreffende Steuer aber dennoch falsch war und es davon erfährt.855 b) Die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 44b Abs. 5 EStG Daneben ist den Kreditinstituten eine Erstattung nach § 44b Abs. 5 EStG möglich, die bei allen Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 EStG in Betracht kommen kann.856 849 Die materiell-rechtlich korrespondierende Vorschrift für das Veranlagungsverfahren findet sich in § 20 Abs. 3a EStG; zur Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 HS. 1 EStG siehe auch oben § 3 A. II. 4. 850 C. Anemüller, Korrekturverfahren nach § 43a Abs. 3 S. 7 EStG: Anwendungsbereich, Auswirkungen und Grenzen (I), EStB 2017, S. 121 (123). 851 BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 241; Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2010 v. 28. 5. 2010, BR-Drs. 318/10, S. 89. 852 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 209. Lfg. 2019, § 43a Rn. 106b; J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 126. 853 C. Anemüller, Korrekturverfahren nach § 43a Abs. 3 S. 7 EStG: Anwendungsbereich, Auswirkungen und Grenzen (I), EStB 2017, S. 121 (122). 854 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. 855 J. Heß, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 242 2018, § 43a Rn. 126. 856 K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 146. Lfg. 2019, § 44b EStG Rn. 21; R. Hasselmann, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 141. Lfg. 2020, § 44b Rn. 33.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Dieses Erstattungsverfahren geht dabei dem allgemeinen Erstattungsverfahren nach § 37 Abs. 2 AO als Sonderregelung vor.857 Nur wenn eine Korrektur durch das Kreditinstitut nach § 44b Abs. 5 EStG nicht durchgeführt wurde, kann der Gläubiger der Kapitalerträge subsidiär einen Steuererstattungsanspruch gegen den Fiskus nach § 37 Abs. 2 AO geltend machen.858 Primär sind damit wiederum die Kreditinstitute für die Korrektur zuständig – und dies ebenfalls unabhängig von einem Verschulden. Das Gesetz nennt hier drei Korrekturtatbestände. Insbesondere ist nach der ersten Variante eine Korrektur möglich, wenn Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt wurde, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestand. Darunter fallen vor allem Fälle, in denen schon kein steuerpflichtiger Vorgang verwirklicht wurde,859 so z. B., wenn zu Unrecht eine Gewinnausschüttung angenommen wird, obwohl es sich tatsächlich um eine Kapitalrückzahlung handelte.860 Variante zwei sieht u. a. eine Korrektur vor, wenn dem Kreditinstitut ein Freistellungsauftrag zu einem Zeitpunkt vorgelegt wird, zu dem die Kapitalertragsteuer bereits abgeführt wurde bzw. in Variante drei die Erklärung nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG861 erst nach diesem Zeitpunkt abgegeben wird.862 Ist danach ein Erstattungstatbestand erfüllt, bestehen zwei Wege, die Erstattung durchzuführen. Da das Gesetz hier keine Vorgaben macht, stehen die Wege wahlweise nebeneinander. Zunächst kann auf Antrag des Kreditinstituts die Steueranmeldung insoweit geändert werden.863 Der Gläubiger der Kapitalerträge kann diesen Antrag nicht stellen.864 Da die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 168 Abs. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht und als solche Rechtsgrundlage für die Abführung der Steuer ist, ist sie zu ändern, bevor eine Erstattung erfolgen kann.865 Die Erstattung – also eine Rücküberweisung der zu viel abgeführten Steuer – erfolgt dann durch das Finanzamt an das Kreditinstitut als nach 857
Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 44b Rn. 2. BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/ 08/10004:017, BStBl. I S. 85, Rn. 307. 859 BFH, Urt. v. 18. 2. 1970, I R 97/66, BFHE 98, S. 482 (484). 860 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 257. Lfg. 2015, § 44b Rn. F 2. 861 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. d) aa). 862 Zudem darf kein Ausschluss der Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 45 EStG vorliegen. Danach ist eine Erstattung insbesondere dann ausgeschlossen, wenn eine Dividende an einen anderen als an den Anteilseigner ausgezahlt wird, der Ertragsanspruch und das Stammrecht also voneinander getrennt sind; siehe Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 45 Rn. 1. 863 Siehe § 44b Abs. 5 Satz 1 HS. 1 EStG. 864 Dies hat den Zweck, dem Finanzamt den Verkehr mit einer Vielzahl von Gläubigern zu ersparen, mit denen das Kreditinstitut ohnehin in Verbindung steht; siehe BFH, Urt. v. 14. 7. 2004, I R 100/03, BFHE 207, S. 159 (161 f.). 865 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 257. Lfg. 2015, § 44b Rn. F 10; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 136. Lfg. 2014, § 168 AO Rn. 1. 858
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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§ 44b Abs. 5 Satz 2 EStG Erstattungsberechtigten.866 Diese hat den Betrag dann entsprechend dem Gläubiger der Kapitalerträge gutzuschreiben.867 Alternativ kann das Kreditinstitut bei der folgenden Steueranmeldung die Steuer entsprechend kürzen.868 Diese Möglichkeit ist im Gegensatz zur ersten Möglichkeit nur für die Zukunft möglich. Wird aufgrund der folgenden Steueranmeldung weniger Kapitalertragsteuer vom Kreditinstitut abgeführt und erfolgte dies zu Unrecht, haftet es für die fehlende Steuer.869 Wurde im Veranlagungszeitraum noch keine Steuerbescheinigung nach § 45a EStG erteilt, ist das Kreditinstitut sogar verpflichtet, ein Korrekturverfahren nach § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG zu betreiben.870 Diese Regelung hat den Zweck, die Finanzverwaltung zu entlasten, indem bereits im Vorhinein Veranlagungen vermieden werden sollen, die lediglich zu Erstattungen von Kapitalertragsteuern führen würden.871 Im Umkehrschluss ergibt sich damit, dass eine Korrektur vom Kreditinstitut nicht mehr zwingend durchgeführt werden muss, sobald die Bescheinigungen erteilt wurden.872 c) Die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach dem Bankvertrag Schließlich kann es auch vorkommen, dass das Kreditinstitut zwar die zutreffende Bemessungsgrundlage ermittelt, eine korrekte Steueranmeldung abgibt und daraufhin die entsprechende Steuer abzieht, jedoch fälschlicherweise zu viel Steuer beim Gläubiger der Kapitalerträge abzieht und ohne diese an das Finanzamt abzuführen, einbehält. Dieser Fall ist in den §§ 43 ff. EStG nicht geregelt. Im Falle einer solchen schlichten Fehlbuchung ergibt sich ein Anspruch auf Rückbuchung der zu viel abgezogenen Beträge aus dem allgemeinen Bankvertrag. Das Kreditinstitut hat den zu viel abgezogenen Betrag selbst an seine Kunden zurückzuzahlen. d) Weitere Möglichkeiten der Erstattung von Kapitalertragsteuer Im Kapitalertragsteuerrecht finden sich noch weitere Korrekturmöglichkeiten, die eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zulassen. So sieht etwa § 44b Abs. 6 EStG eine Erstattungsmöglichkeit in Verwahrungsfällen durch die Kreditinstitute selbst 866
K. Lindberg, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 146. Lfg. 2019, § 44b EStG Rn. 23; BFH, Urt. v. 14. 7. 2004, I R 100/03, BFHE 207, S. 159 (161). 867 Siehe BFH, Urt. v. 7. 7. 2015, VII R 49/13, BFH/NV 2015, S. 1683 (1685). 868 Siehe § 44b Abs. 5 Satz 1 HS. 2 EStG. 869 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 257. Lfg. 2015, § 44b Rn. F 14. 870 Siehe § 44b Abs. 5 Satz 3 EStG. 871 Siehe Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 3. 12. 2014, BT-Drs. 18/ 3441, S. 58. 872 E.-M. Gersch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 257. Lfg. 2015, § 44b Rn. F 17.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
vor. Diese Form der Erstattung ist der des § 44b Abs. 5 EStG vorrangig.873 Sind die dort genannten Voraussetzungen gegeben (liegen also insbesondere die entsprechenden Bescheinigungen vor874), verrechnet das Kreditinstitut die Erstattungssumme mit der von ihm auf andere Kapitalerträge zu entrichtende Kapitalertragsteuer.875 Für die ordnungsgemäße Erstattung der Kapitalertragsteuer sieht § 44b Abs. 6 Satz 2 EStG wiederum eine entsprechende Anwendung der Haftungsnorm des § 44 Abs. 5 EStG vor. Möchte eine Gesamthandsgemeinschaft Kapitalertragsteuern erstattet bekommen, muss sie dies nach § 44b Abs. 7 Satz 1 EStG direkt beim für die gesonderte Feststellung ihrer Einkünfte zuständigen Finanzamt beantragen. Kreditinstitute bleiben hier außen vor. Zuletzt sei noch auf die Erstattungsverfahren aus internationalen Abkommen (DBA) nach § 50d EStG hingewiesen. Danach ist ein Steuerabzug in einem ersten Schritt grundsätzlich auch bei solchen Einkünften vorzunehmen, die im Ergebnis nach einem DBA, nach § 43b EStG876 oder nach § 50g EStG keiner oder nur einer niedrigeren Besteuerung unterliegen.877 Die Steuer kann in zweiten Schritt anschließend auf Antrag beim BZSt wieder erstattet werden (zweistufiges Verfahren).878 e) Zwischenergebnis Die aufgeführten Korrekturmöglichkeiten sind kompliziert und führen bei den Kreditinstituten zu einem erhöhten Aufwand. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig bereits die richtige rechtliche Einordnung der Kapitalerträge beim Steuerabzug ist. Denn dadurch lassen sich aufwendige Korrektur- bzw- Erstattungsverfahren bereits im Vorfeld vermeiden. Fehler im Abzugsverfahren lassen sich nicht vollständig verhindern. Das macht es nötig, auch im Bereich der Korrekturen von fehlerhaften Steuerabzügen nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.
873
Siehe § 44b Abs. 5 Satz 4 EStG. Siehe § 44b Abs. 6 Satz 1 a. E. EStG. 875 Kirchhof/F. Knaupp, EStG Kommentar, 19. Aufl. 2020, § 44b Rn. 3; § 44b Abs. 6 Satz 3 EStG. 876 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. d) bb). 877 Siehe § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG. 878 Siehe § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG; zum zweistufigen Verfahren siehe K. Salomon/B. Riegler, Die Entlastung ausländischer Kapitalanleger von Abzugssteuern nach Doppelbesteuerungsabkommen, DB 2002, S. 2671 (2678). Dieses zweistufige Verfahren hat den Sinn, einen zunächst vermeintlich bestehenden Steueranspruch zu sichern und die letztliche Entscheidung, ob eine Freistellung aufgrund eines internationalen Abkommens erfolgt, dem BZSt zu überlassen. Durch dieses Verfahren werden schließlich die Kreditinstitute von der komplizierten Prüfung und Beurteilung internationaler Sachverhalte herausgehalten. Siehe K. Wagner, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 1151. Lfg. 2020, § 50d EStG Rn. 25. 874
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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f) Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen der Erstattung der Kapitalertragsteuer Einen Vorschlag hierzu bieten Heribert Hirte und Nicolai Mertz, indem sie eine automatische Steuererstattung fordern, sofern sich nach einem finanzgerichtlichen Verfahren herausstellen sollte, dass Kapitalertragsteuer zu Unrecht erhoben wurde. Ein solches automatisiertes Verfahren sei schließlich nur die konsequente Weiterentwicklung der Erhebung der Kapitalertragsteuer. Wenn schon diese automatisch an der Quelle erfolgt, solle dies auch bei Erstattungen der Fall sein.879 Der Tenor einer finanzgerichtlichen Entscheidung solle automatisch auch auf vergleichbare Fälle angewendet werden, die zwar nicht Teil des Verfahrens waren und in denen auch nicht eine Aussetzung oder ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 AO beantragt wurde, bei denen aber ein vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Daran anknüpfend wäre zu Unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer auch in diesen Fällen zu erstatten.880 Die effizientere Gestaltung dieser Lösung liegt vorwiegend darin, die Finanzverwaltung zu entlasten. Da der ganz überwiegende Teil von Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen, von einem Steuerberater vertreten werden,881 ist davon auszugehen, dass von diesen auch entsprechende Einsprüche verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens eingelegt werden, sollte eine Rechtsfrage eines Mandanten Gegenstand eines vergleichbaren finanzgerichtlichen Verfahrens sein. Dies hat zur Konsequenz, dass die Finanzverwaltung sich mit einer Vielzahl von zu bearbeitenden Einsprüchen konfrontiert sieht. Dies kann durch die von Hirte/Mertz vorgeschlagene Lösung vermieden werden.882 Danach ist das Kreditinstitut berechtigt, die Erstattung der Kapitalertragsteuer vom zuständigen Finanzamt zu fordern, wenn ein deutsches Finanzgericht oder das Bundesverfassungsgericht rechtskräftig entschieden hat, dass eine Kapitalertragsteuer rechtsgrundlos einem Steuerabzug unterlegen hat. Es ist ferner verpflichtet, dem Gläubiger der Kapitalerträge die zu erstattende Kapitalertragsteuer unverzüglich gutzuschreiben oder auszuzahlen.883
879 H. Hirte/N. Mertz, Eine Abgeltungsteuer, die ihren Namen verdient, DStR 2013, S. 331 (332). 880 H. Hirte/N. Mertz, Eine Abgeltungsteuer, die ihren Namen verdient, DStR 2013, S. 331 (332). 881 Hirte/Mertz gehen davon aus, dass ca. 90 % der Steuerpflichtigen, die abgeltungsteuerpflichtige Kapitalerträge erzielen, von einem Steuerberater vertreten werden; siehe H. Hirte/N. Mertz, Eine Abgeltungsteuer, die ihren Namen verdient, DStR 2013, S. 331 (334). 882 Hirte/Mertz schlagen hierzu vor, einen neuen § 44c EStG einzufügen und das automatische Erstattungsverfahren im Rahmen von finanzgerichtlichen bzw. bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren eigenständig zu regeln; siehe H. Hirte/N. Mertz, Eine Abgeltungsteuer, die ihren Namen verdient, DStR 2013, S. 331 (333). 883 Siehe § 44c Abs. 1 EStG des Entwurfs.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Im Hinblick auf die Ziele der Abgeltungsteuer, ein effizientes Verfahren für die Besteuerung von Kapitaleinkünften zu schaffen, das den Steuerfall bestenfalls bereits abschließend an der Quelle abschließt, also auf Ebene des Kreditinstituts, überzeugt der Vorschlag von Hirte/Mertz, da hierdurch eine Vielzahl von Veranlagungen vermieden werden können. Kritisch bedacht werden muss allerdings, dass durch diese Lösung – so sinnvoll sie auch ist – wieder eine Erhöhung der Pflichten der Kreditinstitute resultiert. 2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Bankvertrag Während Erstattungen von Kapitalertragsteuer lediglich einen Rückfluss des zu Unrecht abgeführten Kapitals zum ursprünglichen Inhaber herbeiführen, erleidet das Kreditinstitut bei einer Schadensersatzhaftung gegenüber ihrem Kunden einen Verlust eigenen Vermögens. Im Folgenden wird daher untersucht, ob bzw. wann eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Bankvertrag in Betracht kommt. Ausgehend vom Allgemeinen Bankvertrag als maßgeblichem Schuldverhältnis i. S. v. § 280 Abs. 1 BGB (a)) wird auf die Frage eingegangen, ob die Pflichten der Kreditinstitute aus dem Kapitalertragsteuerrecht auch in das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde hineinwirken oder die originär privatrechtlichen Pflichten insoweit von den steuerlichen Pflichten überlagert werden (b)). Darauf aufbauend kann schließlich beurteilt werden, ob dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch des Kunden gegen sein Kreditinstitut bei fehlerhaft erfolgtem Kapitalertragsteuerabzug in Betracht kommt, das Kreditinstitut demnach eine Pflichtverletzung begangen hat (c)), die es zu vertreten hat (d)) und dem Kunden daraus ein kausaler Schaden (e)) entstanden ist. a) Allgemeiner Bankvertrag als Schuldverhältnis i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB Die Grundnorm des Schadensersatzrechts, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, bestimmt, dass der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Als Schuldverhältnis i. d. S. dient bei der Haftung der Kreditinstitute für fehlerhaft einbehaltene Kapitalertragsteuer grundsätzlich der allgemeine Bankvertrag.884 Dies gilt jedenfalls für den oben beschriebenen Ausgangsfall der Erzielung von Zinserträgen.885 Daneben können speziellere Verträge (wie etwa der Depotvertrag) Grundlage einer Schadensersatzhaftung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.
884 Zu diesem umstrittenen Begriff siehe etwa P. Heermann, in: Münchener Kommentar zum BGB Band 5/2, 7. Aufl. 2017, § 675 Rn. 52. 885 Siehe dazu oben § 1 C.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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b) Die Wirkung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten auf die Pflichten der Kreditinstitute aus dem Privatrecht Ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Bankvertrag wegen der Verletzung von kapitalertragsteuerlichen Abzugspflichten kommt nur in Betracht, wenn diesbezüglich überhaupt privatrechtliche Verpflichtungen zwischen Gläubiger der Kapitalerträge und dem Kreditinstitut bestehen. Bestehen solche nicht, können sie auch nicht verletzt werden. Es stellt sich die Frage, wie die öffentlichrechtlichen Vorschriften der §§ 43 ff. EStG in das privatrechtliche Verhältnis hineinwirken bzw. diese sogar überlagern. Hierzu werden verschiedene Positionen vertreten, die zum Lohnsteuerrecht entwickelt wurden und auf das vergleichbare Kapitalertragsteuerrecht übertragen werden können.886 Zum einen wird die sog. dienstrechtliche Theorie (bzw. allgemeiner: die privatrechtliche Theorie887) vertreten.888 Danach werden die sich originär aus den Steuergesetzen ergebenden Verpflichtungen zugleich zu (Neben-)Pflichten des Arbeitgebers als arbeitsrechtliche Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Man spricht insoweit auch von einer Transformation der steuerrechtlichen Pflichten hin zu arbeitsrechtlichen (bzw. allgemeiner: privatrechtlichen) Pflichten.889 In der Folge kann bei Fehlern beim Lohnsteuerabzugsverfahren gegen den Arbeitgeber privatrechtlich vorgegangen werden.890 Dieser Theorie wird die sog. öffentlich-rechtliche Theorie entgegengehalten, wonach die Pflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerrecht allein öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind.891 Als Argument wird angeführt, dass der Arbeitgeber beim 886 B. Heuermann, Steuern erheben durch Beleihen?, StuW 1999, S. 349 (350, 356); ders., Der Arbeitgeber als Beliehener, ThürVBl. 1999, S. 153. 887 Letztlich bildet das Arbeitsrecht lediglich den Ausgangspunkt dieser Diskussion. Die Problematik tritt jedoch auch bei anderen Abzugsverfahren auf. Daher ist bietet sich eine allgemeine Formulierung an. 888 B. Heuermann, Steuern erheben durch Beleihen?, StuW 1999, S. 349 (350); Schmidt/ R. Krüger, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 38 Rn. 1; A. Meyer, in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK EStG, 7. Ed. 2020, § 38 Rn. 31; J. Lang, Arbeitsrecht und Steuerrecht, RdA 1999, S. 64 (65); O. Tillmann, Rechtsschutz im Lohnsteuerverfahren, 2000, S. 137 ff.; BAG, Beschl. v. 11. 6. 2003, 5 AZB 1/03, NJW 2003, S. 2629; BAG, Urt. v. 19. 1. 1979, 3 AZR 330/77, BAGE 31, S. 236 (238); BAG, Urt. v. 14. 6. 1974, 3 AZR 456/73, BAGE 26, S. 187 (189 f.); in diese Richtung auch A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (187 ff., 198 f.); mit Abweichungen auch K. Ko, Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan, 2007, S. 70 ff. 889 J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (178 ff.). 890 So auch H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (160). 891 C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 130. Lfg. 2003, § 38 Rn. D 5; K.-D. Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG Band 31 2008, S. 167 (193); C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 33 ff., 49 ff.; F. Kloubert, Rechtliche Stellung
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Lohnsteuerabzug partiell öffentliche Gewalt ausübe.892 Übertragen auf das Kapitalertragsteuerrecht wäre nach dieser Theorie ein Schadensersatzanspruch des Kunden gegen das Kreditinstitut nicht möglich, da keine privatrechtlichen Verpflichtungen verletzt werden konnten. Es bliebe nur der Versuch, über einen eventuell bestehenden Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gegen den Staat vorzugehen. Der erstgenannten dienst- bzw. privatrechtlichen Theorie ist im Ergebnis zuzustimmen. Dem Kreditinstitut kommt im Kapitalertragsteuerverfahren eine Doppelstellung zu.893 Einerseits ist es aus dem Bankvertrag gegenüber seinem Kunden verpflichtet, andererseits gegenüber dem Fiskus im Rahmen der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Die eine Verpflichtung schließt die andere Verpflichtung aber nicht aus.894 Es bedarf keiner Exklusivität der Verpflichtungen. Denn andernfalls bliebe eines der Verhältnisse unbeachtet. Genau das geschieht aber bei einer Anwendung der öffentlich-rechtlichen Theorie. Sie trägt der zugrundliegenden privatrechtlichen Beziehung zwischen Kreditinstitut und Kunde nicht ausreichend Rechnung, indem diese überlagert wird. Eine solche Vorrang- bzw. Überlagerungswirkung der öffentlich-rechtlichen Normen ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und ergibt sich ferner auch nicht aus allgemein methodischen Grundsätzen wie etwa dem lex-specialis-Grundsatz oder der lex-superior-Regel. Denn es handelt sich bei den Regelungen des Kapitalertragsteuerrechts weder um spezielleres Recht noch sind diese Regelungen gegenüber dem Privatrecht höherrangig. Die dienst- bzw. privatrechtliche Theorie ist hier ausgewogener. Sie ignoriert den öffentlichen Charakter der Abzugspflichten nicht, sondern bewirkt, dass diese öffentlich-rechtlichen Pflichten in das Privatrechtsverhältnis hineinwachsen und dieses ergänzen. c) Verletzung einer Nebenpflicht i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB Um eine Pflichtverletzung bejahen zu können, muss zunächst das konkrete Pflichtenprogramm der Kreditinstitute bestimmt werden. Dieses ergibt sich vorwiegend aus dem allgemeinen Bankvertrag. Dieser Vertrag begründet ein Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde. Daraus resultieren allgemeine Schutz- und Verhaltenspflichten der Bank, insbesondere die Pflicht, den Kundenbedürfnissen im des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 29 ff.; H. Mösch, Über die Erhebung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, 1968, S. 39 ff.; A. Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, 1933, S. 69. 892 C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 130. Lfg. 2003, § 38 Rn. A 12. 893 J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (191 ff.); H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 70 ff. (102); R. Walz, Steuerrechtsbezogene Nebenpflichten im Recht der Leistungsstörungen, BB 1991, S. 880 (883). 894 J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (192).
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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Rahmen des Banküblichen zu entsprechen.895 Darunter fällt insbesondere die Pflicht, die Vermögensinteressen der Kunden zu wahren und nicht zu beeinträchtigten.896 Diese Pflichten sind als sog. Rücksichtspflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB897 und damit als Nebenpflichten zu qualifizieren. Überträgt man diese Grundsätze auf das Kapitalertragsteuerrecht, bedeutet dies für die Kreditinstitute, dass sie auf die Vermögensinteressen ihrer Kunden in diesem Verfahren besonders zu achten haben, mithin also keinen Steuerabzug vornehmen, wo ein solcher gesetzlich nicht gefordert ist. Denn schließlich geht es um die Liquiditätsinteressen der Kunden, die nach Abzug der Steuer keinen Zugriff mehr auf diese Gelder haben und diese nicht mehr anderweitig einsetzen können. Die Frage, wann ein Steuerabzug gesetzlich gefordert ist, ist von den Kreditinstituten als Adressaten der Vorschriften898 selbst zu beantworten. Dabei sind sie grundsätzlich verpflichtet, eine eigene Prüfung des jeweiligen steuerlichen Sachverhalts vorzunehmen, um das Vermögen ihrer Kunden nicht zu Unrecht zu belasten. Nehmen sie eine Prüfung nicht bzw. fehlerhaft vor, und ziehen sie daraufhin zu Unrecht Kapitalertragsteuern ein, kommt eine Pflichtverletzung in Betracht. Allerdings ist umstritten, ob dies auch dann gilt, wenn die Pflichtverletzung im Rahmen der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Pflichten begangen wird. aa) Die Ansicht der Rechtsprechung des BGH und BFH In der Rechtsprechung des BGH und des BFH wird davon ausgegangen, dass eine Pflichtverletzung ausscheidet, wenn der Verpflichtete lediglich den ihm auferlegten öffentlich-rechtlichen Vorschriften nachkommt. So führt der BGH u. a. in einer Entscheidung zur vergleichbaren Bauabzugsteuer nach § 48 Abs. 1 EStG aus: „Sofern der Leistungsempfänger seiner bestehenden Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt des Leistenden zur Vermeidung einer Haftung nach § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG nachkommt, verhält er sich im Verhältnis zum Leistenden nicht vertragswidrig.“899 Demnach komme schon keine Pflichtverletzung in Betracht, die einen Schadensersatz zur Folge haben könnte. Nach dem BGH gilt dies sogar für Fälle, in denen eine Steuerpflicht zweifelhaft ist. So formulierte er in einem vergleichbaren Fall zum umsatzsteuerlichen Abzugsverfahren: „Das Entscheidungsrecht über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung liegt nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei den Finanzbehörden. Nur diese treffen eine verbindliche Entscheidung über das Bestehen der Steuerpflicht. Meinungsunterschiede sind zwischen dem Steuerschuldner (Unternehmer) und dem Steuergläubiger (Steuerfiskus) zu klären.“ Aus diesen Gründen „kommt der Zahlung an den Steuergläubiger jedenfalls auch dann Erfüllungswirkung zu, wenn die umsatzsteuerliche Rechtslage ungeklärt
895 896 897 898 899
H.-P. Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, Kap. 1 Rn. 34. Erman/K. Berger, BGB Band 1, 15. Aufl. 2017, § 675 Rn. 29. Palandt/C. Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl. 2020, § 241 Rn. 6. Siehe § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. BGH, Urt. v. 12. 5. 2005, VII ZR 97/04, BGHZ 162, S. 103 (106).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
ist.“900 Auch der BFH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass im Zweifel ein Steuerabzug zu erfolgen hat, der für das Kreditinstitut keine finanziellen Folgen habe. Denn die abzugspflichtige Stelle solle nicht das Risiko zu tragen haben, „die Abzugsbeträge aus eigenem Vermögen entrichten zu müssen. Sie soll die Abzugsbeträge von den Vergütungen einbehalten, die dem Vergütungsgläubiger zustehen. Entsprechend muss sie schon dann zur Anmeldung und Abführung berechtigt sein, wenn die steuerliche Beurteilung der sachlichen Steuerpflicht der Vergütung zweifelhaft ist.“901 Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist in diesem Punkt recht eindeutig. Besteht eine (zumindest vermeintliche) Pflicht zum Abzug von Steuern, dürfen diese vom Kreditinstitut auch in Zweifelsfällen abgezogen werden, ohne eine Pflichtverletzung im zivilrechtlichen Verhältnis zum Kunden zu begründen. bb) Die Ansichten in der Literatur Für die Ansicht der Rechtsprechung argumentiert auch Hoffmann. Eine Pflichtverletzung könne nicht vorliegen, wenn sich der Schuldner lediglich an seine gesetzlichen Verpflichtungen halte.902 Nach Fölsing verletzt das Kreditinstitut hingegen seine aus dem Vertragsverhältnis mit dem Kunden resultierenden Pflichten, wenn es einen Steuerabzug aufgrund einer Verwaltungsanweisung ohne eigene Prüfung vornimmt und sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Steuerabzug nicht hätte erfolgen dürfen. Die Kreditinstitute haben die Pflicht, eine eigene tatsächliche wie rechtliche Prüfung vorzunehmen und danach zu handeln.903 Das bedeutet, dass sie auch im Zweifelsfall zugunsten ihrer Kunden keine Steuer einbehalten dürfen, wenn sie der Ansicht sind, es sei kein steuerpflichtiger Vorgang verwirklicht. Ziehen sie die Steuer dennoch ein, hätte dies zur Konsequenz, dass die Kreditinstitute ihre Kunden so zu stellen haben, wie sie stünden, wäre ein Steuerabzug nicht erfolgt.904 cc) Kritische Würdigung Letztlich geht es um die Entscheidung, welche Interessen bei Zweifeln über einen vorzunehmenden Steuerabzug vorrangig sind – die des Kunden oder die des Fiskus. Das Kreditinstitut steht insoweit zwischen den Stühlen. Auch hier sollte man sich wie 900
BGH, Urt. v. 17. 7. 2001, X ZR 13/99, NJW-RR 2002, S. 591 (592). BFH, Beschl. v. 13. 8. 1997, I B 30/97, BFHE 184, S. 92 (97). 902 D. Hoffmann, Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen das Kreditinstitut bei verpflichtender Umsetzung des Kapitalertragsteuerabzugs, DStR 2016, S. 1848 (1851); in diese Richtung argumentierend auch Vortmann, der es für nicht sachgerecht hält, die Kreditinstitute in Haftung gegenüber seinen Kunden zu nehmen. Es könne von ihnen nicht verlangt werden, komplexe steuerliche Sachverhalte ähnlich einer Finanzbehörde zu prüfen; siehe J. Vortmann, Anm. zu AG Wolfsburg, Urt. v. 15. 5. 2013, 22 C 549/12, WuB 2016, S. 212 (213). 903 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363 (2365); ders., Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342 (1346). 904 Siehe dazu unten § 4 A. III. 2. e). 901
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schon bei der Frage der Haftung gegenüber dem Fiskus905 einen der Kernpunkte des Abgeltungsteuerrechts vor Augen halten. Ziel sollte es sein, bereits auf Ebene der Kreditinstitute die rechtlich zutreffende Lösung zu ermitteln, um den Steuerfall abschließen zu können. Aus diesem Grund sind die Kreditinstitute auch nicht gänzlich aus ihrer Verantwortung zu entlassen, auch in zweifelhaften Fällen eine eigene Entscheidung zu treffen und dafür einzustehen. Zudem überzeugt das Argument der Rechtsprechung nicht, das steuerliche Verhältnis sei allein zwischen Steuerschuldner und Fiskus zu klären. Denn diese rein formale Sichtweise trägt der Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nicht ausreichend Rechnung. Denn diese agieren als Zentralfigur und sind das Bindeglied in der Besteuerung. Auch das Argument, den Kreditinstituten könne kein Vorwurf gemacht werden, sofern sie sich lediglich an die gesetzlichen Verpflichtungen halten, ist zu kritisieren. Denn Verpflichtungen bestehen nicht nur gegenüber dem Fiskus, sondern auch gegenüber den Kunden des Kreditinstituts. Sie bestehen qua Gesetz (§ 241 Abs. 2 BGB), schützen den Kunden vor einem unrechtmäßigen Steuerabzug und können damit nicht ignoriert werden. Wird dem vertraglichen Schutz nicht entsprochen, muss es für den Kunden möglich sein, das Kreditinstitut hieraus in Haftung zu nehmen. Letztlich handelt es sich bei diesem Ergebnis um die konsequente Fortsetzung der oben genannten privatrechtlichen Theorie.906 d) Vertretenmüssen der Pflichtverletzung Wird die Steuer vom Kreditinstitut abgezogen, obwohl sie objektiv nicht hätte abgezogen werden dürfen, liegt eine Pflichtverletzung vor. Entscheidendes Kriterium für eine Haftung des Kreditinstituts gegenüber seinem Kunden ist darüber hinaus das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung. Nach dem allgemein anwendbaren Maßstab des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt nach der Legaldefinition des § 276 Abs. 2 BGB zufolge, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Übertragen auf das kapitalertragsteuerliche Abzugsverfahren entspricht es der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eines Kreditinstituts, dass es einen Steuerabzug nur vornimmt, wenn es nach rechtlicher Prüfung vertretbar davon ausgehen kann, dass ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliegt. In diesem Fall kann dem Kreditinstitut kein Vorwurf gemacht werden. Hinsichtlich der Einschaltung externer Dienstleister (insb. dem WM Datenservice) müssen die gleichen Kriterien gelten wie bei der Haftung der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus. Danach können die Kreditinstitute im Grundsatz auf die Einordnung des Kapitalertrags durch den WM Datenservice vertrauen, ohne sich dem Vorwurf der fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen zu müssen. Ergibt sich
905 906
Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (c). Siehe dazu oben § 4 A. III. 2. b).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
nach den oben aufgestellten Kriterien eine Prüfpflicht,907 müssen sie dieser auch gegenüber dem Kunden nachkommen. Ergänzend dazu trifft sie auch dann eine Prüfpflicht, wenn sie vom Kunden aufmerksam gemacht werden, dass sich die Einordnung eines Kapitalertrags als problematisch erweisen könnte.908 Prüfen sie daraufhin nicht, oder nur unzureichend, kann ihnen der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht haben. Dies gilt auch dann, wenn sie eine unvertretbare Rechtsauffassung vertreten. Ein solcher Vorwurf kann ihnen hingegen nicht gemacht werden, wenn sie prüfen und mit einer vertretbaren Argumentation zu dem Ergebnis kommen, einen Steuerabzug vornehmen zu müssen und die Steuer daraufhin abziehen. Denn ein gewisser haftungsfreier Beurteilungsspielraum bei der Einordnung steuerlicher Sachverhalte muss ihnen aufgrund der oftmals hohen Komplexität der Materie eingeräumt werden. Exemplarisch kann an dieser Stelle nochmals der Fall Google909 aufgegriffen werden. Dort handelte es sich bei der Kapitalmaßnahme um keine steuerpflichtige Kapitalmaßnahme. Dennoch haben viele Kreditinstitute Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Eine Pflichtverletzung ist hier zu bejahen, da sie objektiv keine Steuer hätten einbehalten dürfen. Das Kreditinstitut kann sich aber exkulpieren (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn es darlegt, eine rechtliche Prüfung mit einem vertretbaren Ergebnis vorgenommen und deshalb Steuern abgezogen zu haben. Dann haftet es nicht für einen eventuell beim Kunden entstandenen Schaden. e) Kausaler Schaden Ist schließlich auch die Hürde des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung übersprungen, bedarf es noch eines kausalen Schadens beim Gläubiger der Kapitalerträge. Dieser richtet sich nach den allgemeinen Schadensnormen der §§ 249 ff. BGB. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Das Kreditinstitut hat den Kunden daher so zu stellen, wie er stünde, wäre die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Einbehalts nicht einbehalten worden. Das bedeutet in erster Linie, dass jedenfalls die abgezogenen Steuern zurückzubuchen sind und auch ein darüber hinausgehender Zinsschaden zu ersetzen wäre.910 Nach § 252 BGB kann ferner ein entgangener Gewinn geltend gemacht werden, so etwa, wenn der Kunde nachweist, dass er die Mittel, die ihm durch den zu Unrecht erfolgten 907
Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. a) cc) (2). So etwa in dem Fall, in dem der Kunde seine Depotbank darauf hinwies, der Aktiensplit im Fall Google (siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1)) sei steuerneutral. Siehe dazu LG Frankfurt am Main, Urt. v. 19. 10. 2017, 2-19 O 91/17, n.v. S. 2. 909 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1). 910 P. Fölsing, Google-Aktiensplit: Kein Fall für die sog. Delta-Korrektur, DStR 2015, S. 2363 (2365). 908
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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Kapitalertragsteuerabzug bis zu deren Erstattung fehlten, anderweitig investiert und dadurch einen Gewinn erzielt hätte.911 Dem wird entgegengebracht, dass einem ersatzfähigen Schaden jedenfalls ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB entgegenstehen könne.912 Danach ist der Anspruch des Beschädigten zu kürzen, sollte es dieser unterlassen haben, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (sog. Schadensgeringhaltungsobliegenheit). Stehe noch nicht sicher fest, ob ein Steuerabzug hätte vorgenommen werden dürfen, müsse dies vom Kunden zunächst im Rahmen einer Veranlagung geklärt werden, da die Festsetzung der Steuer als hoheitlicher Akt die Aufgabe des Finanzamts und nicht des Kreditinstituts sei.913 Komme das Finanzamt in der Veranlagung zu dem Ergebnis, dass der Steuerabzug zu Recht erfolgte, müsse der Kunde dagegen weiter mittels eines Einspruchs vorgehen. Ist auch dieser erfolglos, bedarf es einer finanzgerichtlichen Klage, wobei der Rechtsweg auszuschöpfen sei.914 Das hat letztlich zur Konsequenz, dass ein Mitverschulden erst ausgeschlossen werden kann, wenn der BFH entschieden hat, dass die Kapitalertragsteuer vom Kreditinstitut tatsächlich zu Unrecht einbehalten und abgeführt wurde. Erst dann liege ein ersatzfähiger kausaler Schaden vor. Dieser Ansicht ist in ihrer Pauschalität zu widersprechen. Die Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln zur Abwendung des Einwands des Mitverschuldens war bereits Gegenstand einiger höchstrichterlicher Entscheidungen. Nach dem BGH ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs grundsätzlich erforderlich, wenn dadurch ein Schaden abgewendet oder gemildert werden kann.915 Er ist allerdings nur insoweit erforderlich, sofern es einem „vernünftigen Prozessverhalten“ entspricht. Dies ist jedenfalls nicht der Fall, wenn ein „aussichtsloses Rechtsmittel“ nicht eingelegt wird. Der Einwand des Mitverschuldens kann dem Geschädigten „allenfalls dann vorgeworfen werden, wenn für diesen klar zu Tage liegt, dass das Rechtsmittel Erfolg haben würde und er gleichwohl davon keinen Gebrauch macht.“916 Der Geschädigte ist aber gerade nicht gehalten, jeder theoretischen 911
Siehe dazu LG Frankfurt am Main, Urt. v. 19. 10. 2017, 2-19 O 91/17, n.v. S. 2. Siehe AG Celle, Urt. v. 20. 2. 2013, 14 C 1362/12 (9), WM 2015, S. 2160; AG Wolfsburg, Urt. v. 15. 5. 2013, 22 C 549/12, WM 2015, S. 2161; obergerichtlich wurde diese Rechtsfrage – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden; D. Hoffmann, Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen das Kreditinstitut bei verpflichtender Umsetzung des Kapitalertragsteuerabzugs, DStR 2016, S. 1848 (1851). 913 AG Wolfsburg, Urt. v. 15. 5. 2013, 22 C 549/12, WM 2015, S. 2161. 914 AG Wolfsburg, Urt. v. 15. 5. 2013, 22 C 549/12, WM 2015, S. 2161. 915 BGH, Urt. v. 20. 1. 1994, IX ZR 46/93, NJW 1994, S. 1211 (1212); BGH, Urt. v. 24. 9. 1992, IX ZR 217/91, NJW 1993, S. 522 (524); BGH, Urt. v. 12. 3. 1990, II ZR 179/89, BGHZ 110, S. 323 (330); BGH, Urt. v. 26. 1. 1984, III ZR 216/82, BGHZ 90, S. 17 (32). 916 BGH, Urt. v. 6. 10. 2005, IX ZR 111/02, NJW 2006, S. 288 (289); in diese Richtung auch argumentierend: BGH, Urt. v. 23. 5. 1991, III ZR 73/90, NJW-RR 1991, S. 1458; BGH, Urt. v. 6. 12. 1984, III ZR 141/83, MDR 1985, S. 1000; BSG, Urt. v. 13. 10. 1967, 12 RJ 456/ 65, NJW 1968, S. 1006 (1008); LG Rostock, Urt. v. 16. 6. 2005, 9 O 328/04, NJW-RR 2006, S. 90. 912
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Möglichkeit nachzugehen.917 Nur bei diesem Maßstab kann es dem Geschädigten zugemutet werden, das mit hohen Kosten verbundene Prozessrisiko einzugehen. Diese Rechtsprechung kann auf die Haftung für fehlerhaften Steuerabzug übertragen werden. Besteht demnach eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Rechtsmittel gegen die Steuerfestsetzung durch das Finanzamt erfolgreich sein würde (etwa weil ein vergleichbarer Sachverhalt bereits entschieden wurde), ist dieses durch den geschädigten Kunden einzulegen. Genau aus diesem Grund wird aber zusätzlich vorgeschlagen, dass ein Einspruch stets zumutbar ist, da dieser gerade kostenfrei ist. f) Zwischenergebnis Es bleibt damit festzuhalten, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Gläubigers der Kapitalerträge als Kunde gegen sein Kreditinstitut nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. allgemeinen Bankvertrag möglich ist, wenn das Kreditinstitut zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehält und an das Finanzamt abführt. Allein dieser Umstand vermag bereits eine Pflichtverletzung zu begründen. In Abkehr von der Ansicht der Rechtsprechung scheidet eine Pflichtverletzung nicht deshalb aus, weil die zivilrechtlichen Regelungen von den steuerrechtlichen Regelungen überlagert werden. Denn eine solche Sichtweise würde der Stellung der Kreditinstitute als zweiseitig verpflichtetes Bindeglied nicht gerecht werden. Denn es ist auch gegenüber seinen Kunden verpflichtet, die vor fehlerhaftem Abzug von Kapitalertragsteuern durch einen „vorauseilenden Gehorsam“918 der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus zu schützen sind. Ob ein Schadensersatzbegehren des Kunden tatsächlich erfolgreich ist, entscheidet sich vielmehr bei der Frage des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung. Ein solches ist dann zu verneinen, wenn das Kreditinstitut eine eigene rechtliche Prüfung vorgenommen hat und in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliege. Schließlich kann dem Kunden der Einwand des Mitverschuldens entgegengehalten werden, wenn er es unterlässt, einen zumutbaren Rechtsbehelf nicht einzulegen. Ein solcher Rechtsbehelf ist zumutbar, wenn es einem vernünftigen Prozessverhalten entspricht, diesen einzulegen, wobei nicht jeder theoretischen Möglichkeit nachzugehen ist. Aufgrund der Kostenfreiheit des Einspruchsverfahrens ist ein solcher stets einzulegen. 3. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei sonstigem pflichtwidrigen Verhalten im Abzugsverfahren Neben einer Verletzung der Pflicht zum ordnungsgemäßen Abzug der Kapitalertragsteuer kann sich das Kreditinstitut noch durch die Verletzung anderer im Besteuerungsverfahren bestehender Pflichten gegenüber seinen Kunden schadens917 918
H. Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB Band 2, 8. Aufl. 2019, § 254 Rn. 96. P. Fölsing, Aktiensplits: Was Depotbanken keinesfalls dürfen, DStR 2014, S. 1342.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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ersatzpflichtig machen. Beispielhaft genannt sei hier die Problematik rund um die verzögert ausgestellten Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen. So wurden im Jahre 2010 mehrere hunderttausend Steuerbescheinigungen über Monate nicht verschickt, weil interne Umstellungen der Abrechnungssysteme bei vielen Kreditinstituten erhebliche Probleme verursachten.919 Die Kreditinstitute sind nach § 45a Abs. 2 ff. EStG verpflichtet, dem Gläubiger der Kapitalerträge auf dessen Verlangen Steuerbescheinigungen auszustellen.920 Denn diese Bescheinigungen benötigt der Gläubiger, um seine Kapitalerträge im Rahmen einer Veranlagung angeben zu können. Solange er diese nicht vorlegen kann, können auch keine Steuererstattungen beantragt werden. Dies kann dazu führen, dass der Gläubiger Liquiditäts- und Zinsnachteile erleiden kann, die er ebenfalls im Rahmen eines Schadensersatzbegehrens nach §§ 280 ff. BGB i. V. m. allgemeinen Bankvertrag geltend machen kann. IV. Das Spannungsverhältnis zwischen Haftung gegenüber dem Fiskus und Schadensersatz gegenüber den Kunden bei fehlerhaftem Kapitalertragsteuerabzug Das Kreditinstitut sieht sich bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug zwei potentiell Anspruchsberechtigten ausgesetzt. Einerseits kann es gegenüber dem Fiskus insbesondere nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haften, andererseits kann auch der Kunde als Gläubiger der Kapitalerträge Schadensersatzansprüche erheben. Es stellt sich daher die Frage, wie diese beiden Haftungssysteme im Hinblick auf den Steuerabzug durch das Kreditinstitut sachgerecht in Einklang zu bringen sind. Diese Frage lässt sich anhand des Maßstabs bei der Haftung beantworten. Legt man die vorangehenden Ausführungen zugrunde, ergibt sich dabei folgendes Bild: Im Rahmen der Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG kommt es darauf an, ob das Kreditinstitut einen Steuerabzug trotz normaler Zweifel921 vertretbar abgelehnt hat. Ist dies der Fall, haftet es nicht, falls doch ein Steuerabzug hätte erfolgen sollen, da ihm der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit dann nicht gemacht werden kann. Bei der vertraglichen Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Bankvertrag muss der gleiche Maßstab gelten. Hat das Kreditinstitut, sofern eine Prüfung des Steuerfalls erforderlich war, eine solche vorgenommen und sich daraufhin eine vertretbare Meinung gebildet, handelt es nicht fahrlässig, hat einen fehlerhaften Steuerabzug damit nicht zu vertreten und haftet im Ergebnis nicht. Aufgrund dieses Maßstabs verbleibt dem Kreditinstitut „in der Mitte“ ein gewisser Beurteilungsspielraum, den es bei der rechtlichen Prüfung ausnutzen kann, ohne Gefahr zu laufen, von einer der beiden Seiten in Haftung genommen zu werden. Dadurch ist es den Kreditinstituten möglich, die objektiv zutreffende Lösung zu 919
Siehe Bericht der Financial Times Deutschland v. 4. 5. 2010, Computer-Chaos bei Deutschlands Banken – Hundertausende Steuerbelege für Kunden noch nicht verschickt – Monatelange Verzögerungen. 920 Siehe dazu auch oben § 3 A. VIII. 3. 921 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (c).
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
finden. Dies sollte der Anspruch eines funktionierenden Abgeltungsteuersystems sein. Denn dann wird dessen Ziel erreicht, das Verfahren möglichst an der Quelle auf Ebene des Kreditinstituts abzuschließen und damit eine effektive Steuererhebung zu gewährleisten, ohne dabei die Interessen von Fiskus und Kunden zu vernachlässigen. Damit verschafft dieser Weg dem öffentlich-rechtlichen wie privatrechtlichen Verhältnis gleichermaßen Geltung. Das vorgeschlagene Haftungsmodell lässt sich anhand folgender Abbildung veranschaulichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass keine entsprechende Verwaltungsanweisung vorliegt (denn sonst müssten sie diese Anweisung wegen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG zwingend beachten, sodass insofern schon kein Beurteilungsspielraum eröffnet ist922) und das Kreditinstitut eine Pflicht zur Einordnung des Kapitalertrags (unabhängig von der Einordnung des WM Datenservices) trifft. Ferner beschränkt sie sich auf den Fall der Fahrlässigkeit und in Bezug auf die Haftung gegenüber dem Fiskus auf die Haftungsnorm des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.
Abbildung 7: Die Haftung der Kreditinstitute gegenüber Fiskus und Kunde bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug – ein neues Haftungsmodell
V. Zusammenfassung und Ergebnis von § 4 A. 1. Die Haftung der Kreditinstitute für fehlerhaft vorgenommenen Kapitalertragsteuerabzug dient vorwiegend dazu, das Steueraufkommen zu sichern. In diesem 922
Siehe dazu oben § 3 A. IV. 2.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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Verfahren wird dem Kreditinstitut eine Haftungsschuld auferlegt. Die Haftungsschuld ist dabei zu unterscheiden von der Steuerschuld. Diese verbleibt beim Gläubiger der Kapitalerträge. Wird die Kapitalertragsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt, muss das Kreditinstitut für diese fremde Schuld einstehen. 2. Das Kreditinstitut muss nur dann für eine fremde Schuld gegenüber dem Fiskus einstehen, wenn die Voraussetzungen eines Haftungstatbestands gegeben sind. Den zentralen Haftungstatbestand bildet hierbei die Norm des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. Besteht nach § 43 EStG eine Einbehaltungspflicht und wird diese Pflicht vom Kreditinstitut verletzt, kommt es für eine Haftung maßgeblich auf die Frage des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung an. Das Gesetz geht davon aus, dass ein Verschulden dann vorliegt, wenn das Kreditinstitut seine diesbezüglichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Reichweite des Begriffs der groben Fahrlässigkeit, der in der Rechtsprechung des BFH immer weiter konkretisiert und zulasten der Kreditinstitute verschärft wurde. Liegen die Voraussetzungen einer Haftung vor, kann das Kreditinstitut als Haftungsschuldner mittels eines Haftungsbescheids in Anspruch genommen werden. Alternativ kann das Finanzamt auch einen Nachforderungsbescheid gegen das Kreditinstitut erlassen. Daneben bleibt es ferner möglich, auch eine Nachforderung vom Gläubiger der Kapitalerträge als originärem Steuerschuldner zu verlangen. Haftet das Kreditinstitut für die fehlende Steuer, kann es vom Gläubiger der Kapitalerträge nach § 267 BGB Regress nehmen. Die Haftung eines Kreditinstituts kann nach § 69 Satz 1 AO auch die Vertreter desselben treffen und damit persönliche Konsequenzen zur Folge haben. Schließlich können den Kreditinstituten über die Haftung hinaus noch weitere Konsequenzen drohen (u. a. Zuschätzung und Säumniszuschläge). 3. Fehler im Abzugsverfahren haben zudem Konsequenzen im Hinblick auf die Beziehung zum Gläubiger der Kapitalerträge als Kunde des Kreditinstituts. Neben die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen treten hier solche aus dem privatrechtlichen Vertragsverhältnis. Es kommen sowohl verschiedene Korrekturmöglichkeiten als auch Schadensersatzansprüche in Betracht. a) Bedeutsam ist die Möglichkeit der sog. Delta-Korrektur nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG, die bei einer Veränderung einer Bemessungsgrundlage oder einer zu erhebenden Kapitalertragsteuer vom Kreditinstitut mit Wirkung für die Zukunft durchzuführen ist. Daneben kann u. a. eine Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 44b Abs. 5 EStG erfolgen, die dem allgemeinen Erstattungsverfahren des Gläubigers der Kapitalerträge nach § 37 Abs. 2 AO vorgeht. Auch im Bereich der Erstattung von Kapitalertragsteuern gibt es die Möglichkeit, das Verfahren weiter zu optimieren. So wäre es spiegelbildlich zum automatischen Abzug der Kapitalertragsteuer an der Quelle sinnvoll, de lege ferenda eine automatische Erstattung auf dieser Ebene einzuführen.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
b) Wird Kapitalertragsteuer zu Unrecht vom Kreditinstitut einbehalten und abgeführt, kommen Schadensersatzansprüche des Kunden nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. allgemeinen Bankvertrag in Betracht. Problematisch ist hier insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung, da umstritten ist, ob eine Pflichtverletzung überhaupt begangen werden kann, sofern das Kreditinstitut lediglich seinen steuerlichen Pflichten nachkommt. Dies ist zu bejahen, da die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Pflichten gleichwertig nebeneinanderstehen. c) Das Kreditinstitut steht beim Abzug der Kapitalertragsteuer im Spannungsverhältnis zwischen einer Haftung gegenüber dem Fiskus und einem möglichen Schadensersatzverlangen seitens seines Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich am Maßstab des Verschuldens in der jeweiligen Haftungsbeziehung auflösen, indem den Kreditinstituten ein haftungsfreier Beurteilungsspielraum zuerkannt wird. Die Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug lassen sich wie folgt zusammenfassend veranschaulichen:
Abbildung 8: Die Konsequenzen für die Kreditinstitute bei fehlerhaft vorgenommenem Kapitalertragsteuerabzug
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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B. Die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen für das Kreditinstitut Die Einhaltung der steuerlichen Primärpflichten durch das Kreditinstitut wird neben den erörterten steuerlichen Konsequenzen auch durch das Ordnungswidrigkeitenrecht der Abgabenordnung abgesichert, indem Verstöße im Abzugsverfahren sanktioniert werden. Kenntnis von solchen Verstößen erhält die Finanzbehörde insbesondere im Rahmen von Kapitalertragsteuer-Außenprüfungen.923 Die AO und das EStG kennen neben den allgemeinen Bußgeldvorschriften der §§ 377 ff. AO eigene speziell auf das Kapitalertragsteuerverfahren zugeschnittene Regelungen, die den allgemeinen Bußgeldvorschriften insoweit vorgehen. I. Die Gefährdung von Abzugsteuern nach § 380 AO Die Gefährdung von Abzugsteuern ist in der AO in § 380 eigens als bußgeldbewehrtes, echtes Unterlassungsdelikt normiert.924 Die zuverlässige und schnelle Erfassung der Steuer an der Quelle rechtfertigt diesen besonderen Schutz durch einen speziellen Tatbestand.925 Nach § 380 Abs. 1 AO handelt demnach ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig seiner Verpflichtung, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. Der objektive Tatbestand setzt dabei nach dem Wortlaut eine Verletzung der Doppelpflicht des Einbehaltens und des Abführens voraus, wobei es schon ausreicht, wenn nur eine der beiden Pflichten verletzt wurde.926 Bei der Gefährdung von Abzugsteuern handelt es sich um ein Sonderdelikt.927 Täter kann nur derjenige sein, der durch die Einzelsteuergesetze unmittelbar zum Abzug verpflichtet ist, also insbe923 924
Rn. 9.
Siehe dazu oben § 3 B. III. M. Matthes, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 57. Lfg. 2017, § 380 AO
925 F. Heerspink, in: Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 380 AO Rn. 3; M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 1. 926 Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 380 Rn. 1; S. Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, S. 195. Nach dem reinen Wortlaut „und“ müsste die Pflicht zum Einbehalt und die Pflicht zur Abführung kumulativ verletzt werden, um den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit zu erfüllen. Eine solche Auslegung widerspricht allerdings dem Sinn und Zweck des § 380 AO, der sicherstellen will, dass die Steuerabzugsbeträge auch an das Finanzamt abgeführt werden. Denn sonst könnte man denjenigen, der die Kapitalertragsteuer ordnungsgemäß einbehält und anmeldet, aber dann anderweitig verbraucht, nicht durch eine Ordnungswidrigkeit belangen. Siehe M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/ Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 Rn. 21; K. Webel, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 185. Lfg. 2018, § 380 AO Rn. 30. 927 D. Hunsmann, in: Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2016, § 380 AO Rn. 43; M. Matthes, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 57. Lfg. 2017, § 380 AO Rn. 13; M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 30.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
sondere ein Kreditinstitut bzw. dessen Vertreter, sofern diese selbst ordnungswidrig handelten.928 Da ein Kreditinstitut regelmäßig als juristische Person (Aktiengesellschaft) am Markt tätig ist, verletzt es seine Pflichten durch das Tätigwerden bzw. Unterlassen seiner Organe. Organisiert und überwacht der Vorstand929 eines Kreditinstituts daher die Abläufe des vorzunehmenden Kapitalertragsteuerverfahrens nicht ausreichend und werden dadurch Pflichten verletzt, verwirklicht das Kreditinstitut selbst den Tatbestand der Abzugsgefährdung. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den nachfolgend zu erörternden strafrechtlichen Konsequenzen.930 Der subjektive Tatbestand ist erfüllt, wenn die Pflicht vorsätzlich oder leichtfertig verletzt wurde. Es ist auch hier auf die Organe des Kreditinstituts abzustellen. Vorsatz ist zu bejahen, sofern das Kreditinstitut die rechtswidrige Nichtabführung der Steuer gewollt oder zumindest eine solche Möglichkeit gebilligt hat.931 Unter dem Begriff der Leichtfertigkeit versteht man einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit.932 Diese ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn „ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den sich aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen.“933 Aufgrund der komplizierten und teils unübersichtlichen Vorschriften im Kapitalertragsteuerrecht dürfen die Anforderungen an die Bejahung von Leichtfertigkeit nicht zu niedrig angesetzt werden. Sie sind daher nicht schon deshalb anzunehmen, weil sich der Abzugsverpflichtete nicht über die einschlägige Rechtsprechung des BFH informierte.934 Dies kann zwar ausreichen, um eine Haftung zu begründen,935 doch sind die Voraussetzungen im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts aufgrund der härteren Konsequenzen ungleich höher. Nimmt ein Kreditinstitut seine kapitalertragsteuerlichen Pflichten daher ernst, dürften ihm nur in wenigen Fällen ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen drohen. Ein Restrisiko verbleibt dennoch. Rechtswidrigkeit und Schuld entfallen nicht schon deshalb, weil es dem Kreditinstitut aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht möglich ist, die Steuer an das Finanzamt
928 Dabei richtet sich die Haftung von Vertretern nach § 9 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO; siehe Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 380 Rn. 6. 929 Siehe § 78 AktG. 930 Siehe dazu unten § 4 C. I. 931 M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 35. 932 BFH, Beschl. v. 18. 11. 2013, X B 82/12, BFH/NV 2014, S. 292 (293); BFH, Urt. v. 24. 4. 1996, II R 73/93, BFH/NV 1996, S. 731 (732); BFH, Urt. v. 31. 10. 1989, VIII R 60/ 88, BFHE 160, S. 7 (8); BFH, Urt. v. 4. 2. 1987, I R 58/86, BFHE 149, S. 109 (113). 933 BFH, Beschl. v. 18. 11. 2013, X B 82/12, BFH/NV 2014, S. 292 (293); BFH, Urt. v. 17. 11. 2011, IV R 2/09, BFH/NV 2012, S. 1309 (1312). 934 So zum insoweit vergleichbaren Lohnsteuerabzugsverfahren: M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 36. 935 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (b)/(c).
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abzuführen.936 Denn die an der Quelle beim Gläubiger der Kapitalerträge abgezogenen Steuern sind vom Kreditinstitut treuhänderisch zu verwalten937 und dürfen nicht zu anderen Zwecken als die der Begleichung der Steuerschuld eingesetzt werden.938 Wurde der Tatbestand des § 380 Abs. 1 AO rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht, kann dies nach § 380 Abs. 2 AO mit einer Geldbuße bis zu 25.000 EUR geahndet werden. Kriterien für die Festlegung der Höhe der Geldbuße sind insbesondere die Bedeutung und der Vorwurf, den das Kreditinstitut trifft939 und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditinstituts.940 Dabei soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den das Kreditinstitut aus dem Verstoß gezogen hat, übersteigen.941 Eine befreiende Selbstanzeige ist in § 380 AO nicht vorgesehen und daher auch nicht möglich. Konkurrenzrechtlich ist § 380 AO als besonderer Steuergefährdungstatbestand vorrangig gegenüber § 379 AO,942 jedoch subsidiär gegenüber § 370 AO (Steuerhinterziehung) und § 378 AO (Leichtfertige Steuerverkürzung).943 Scheiden letztere aufgrund einer wirksamen Selbstanzeige944 aus oder wird ein Steuerstrafverfahren bzw. Bußgeldverfahren aus Opportunitätsgründen (§ 398 Satz 1 AO, §§ 153, 153a Strafprozessordnung945 bzw. § 47 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz946) nicht weiter verfolgt, kann auf den subsidiären § 380 AO zurückgegriffen werden.947 936 M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 29; C. Wegner, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht Handbuch, 6. Aufl. 2013, S. 696. 937 So zum insoweit vergleichbaren Lohnsteuerabzugsverfahren: BFH, Urt. v. 20. 4. 1982, VII R 96/79, BFHE 135, S. 416 (418); BFH, Urt. v. 21. 1. 1972, VI R 187/68, BFHE 104, S. 294 (298); BGH, Urt. v. 11. 3. 1952, 1 StR 296/51, BGHSt 2, S. 183 (186 f.). 938 Siehe dazu unten § 4 C. IV. 1. a). 939 Siehe § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO. 940 Siehe § 17 Abs. 3 Satz 2 HS. 1 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO. 941 Siehe § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO. 942 O. Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 379 AO Rn. 91. 943 Ausdrücklich geregelte Subsidiarität des § 380 Abs. 1 AO gegenüber § 378 AO nach § 380 Abs. 2 AO; i. Ü. siehe Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 380 Rn. 17; M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 5. 944 Siehe § 371 AO bzw. § 378 Abs. 3 Satz 1 AO. 945 Strafprozessordnung v. 1. 2. 1877 (RGBl. S. 253), in der Fassung der Bekanntmachung v. 7. 4. 1987 (BGBl. I S. 1074, ber. 1319), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 6. 2020 (BGBl. I S. 1247). 946 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten v. 24. 5. 1968 (BGBl. I S. 481), in der Fassung der Bekanntmachung v. 19. 2. 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1328), im Folgenden OWiG. 947 BayObLG, Urt. v. 3. 3. 1980, 4 St 266/79, BayObLGSt 1980, S. 18 (19 f.); S. Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, S. 199.
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Darüber hinaus ist dies auch in dem Fall möglich, in dem die Kapitalertragsteuer vom Kreditinstitut zwar angemeldet, aber schlicht nicht abgeführt wurde.948 II. Die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO Das Kreditinstitut kann durch Fehler im Abzugsverfahren ferner den Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO verwirklichen. Es ist als Steuerpflichtiger insoweit auch hier tauglicher Täter dieses Sonderdelikts.949 Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.950 Es müssen damit alle objektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 Abs. 1 AO erfüllt sein.951 Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Kreditinstitut seiner Pflicht, die Steuern richtig und vollständig anzumelden,952 nicht nachgekommen ist.953 Der Unterschied zur strafbaren Steuerhinterziehung liegt hier in einem unterschiedlichen Maß der Vorwerfbarkeit. Während die Steuerhinterziehung Vorsatz voraussetzt, reicht bei der leichtfertigen Steuerverkürzung bereits eine leichtfertige Verwirklichung des Tatbestands aus, um die Ordnungswidrigkeit zu begründen. Insofern stellt § 378 AO einen Auffangtatbestand zu § 370 AO dar.954 Nach § 378 Abs. 2 AO kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden.955 Eine solche kann das Kreditinstitut durch eine rechtzeitige Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 Satz 1 AO vermeiden. III. Die Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 50e EStG Eine weitere speziell auf das Kapitalertragsteuerverfahren zugeschnittene Bußgeldvorschrift findet sich in § 50e Abs. 1 EStG. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG956 oder § 45d Abs. 3 Satz 1 EStG eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig abgibt. Damit werden Verstöße gegen die Mitteilungspflichten der Kreditinstitute eigens sanktioniert. Es soll zum einen eine doppelte Inanspruch-
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S. Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, S. 199. O. Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 378 AO Rn. 4; B. Groß, in: Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2016, § 378 AO Rn. 4. 950 Zu den Möglichkeiten der Verwirklichung des Tatbestands des § 370 Abs. 1 AO siehe unten § 4 C. II. 1.-3. 951 Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 378 Rn. 16. 952 Siehe § 45d Abs. 1 EStG. 953 Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 380 Rn. 8. 954 BGH, Urt. v. 8. 9. 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, S. 465 (466). 955 Zur Bemessung der Bußgeldhöhe siehe entsprechend oben § 4 B. I. 956 Siehe dazu oben § 3 A. IX. 1. 949
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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nahme der Freistellung verhindert werden957 und zum andere ein gewisser Druck auf die Kreditinstitute ausgeübt werden, die Mitteilungen rechtzeitig dem BZSt zu übermitteln,958 um letztlich das Quellensteuerabzugsverfahren zu sichern.959 Adressat dieser Bußgeldvorschrift ist regelmäßig das Kreditinstitut, da es nach § 45d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG960 als zum Steuerabzug Verpflichteter die entsprechenden Mitteilungen an das BZSt abzugeben hat. Das Kreditinstitut muss die Mitteilungspflicht mindestens leichtfertig begangen haben. Einfache Fahrlässigkeit reicht auch hier nicht aus.961 Bei dieser Beurteilung muss wiederum auf die Organe der juristischen Person abgestellt werden.962 Die Möglichkeit einer Selbstanzeige kommt nicht in Betracht, da eine solche gesetzlich nicht vorgesehen ist. Als Folge der Verwirklichung dieser Ordnungswidrigkeit kann ein Bußgeld von bis zu 5.000 EUR verhängt werden.963 Da die AO keine Aussage zur konkurrenzrechtlichen Stellung zu § 50e Abs. 1 EStG trifft, geht die Norm den allgemeinen Bußgeldtatbeständen der AO als lex-specialis insoweit vor. IV. Die zweckwidrige Verwendung des Identifikationsmerkmals nach § 383a AO i. V. m. § 139a AO Ferner findet sich in § 383a AO eine spezielle Bußgeldvorschrift, die auch für die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerrecht relevant ist. Danach handelt ordnungswidrig, wer als nicht öffentliche Stelle vorsätzlich oder leichtfertig das Identifikationsmerkmal nach § 139a AO zweckwidrig verwendet. Dieser Ordnungswidrigkeitentatbestand ist Ausfluss des Schutzes der informationellen Selbstbestimmung des Kunden, da die Steueridentifikationsnummer zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen genutzt werden kann.964 Das Kreditinstitut kommt im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens mit den Steueridentifikationsnummern ihrer Kunden in Berührung, da es neben der Kapitalertragsteuer auch die Kirchenkapitalertragsteuer einzubehalten hat. Dies ist aber nur dann möglich, wenn es Kenntnis davon hat, ob sein Kunde einer Kirchengemeinschaft angehört. Um dies erfahren zu können, muss es beim BZSt eine Abfrage stellen, welche die Angabe der Steueridentifika957
M. Ebner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 301. Lfg. 2019, § 50e Rn. A 13; G. Frotscher, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 174. Lfg. 2013, § 50e Rn. 9. 958 W. Boochs, in: Lademann, EStG Kommentar, Nachtrag 218 2016, § 50e Rn. 6. 959 M. Ebner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 301. Lfg. 2019, § 50e Rn. A 15. 960 Siehe dazu oben § 3 A. IX. 1. 961 M. Ebner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 301. Lfg. 2019, § 50e Rn. B 11. 962 W. Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG Kommentar, 289. Lfg. 2018, § 50e EStG Rn. 4. 963 Siehe § 50e Abs. 1 Satz 2 EStG. 964 A. Lipsky, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 383a AO Rn. 2.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
tionsnummer des Kunden erfordert.965 Bei zweckwidriger Verwendung droht dem Kreditinstitut nach § 383a Abs. 2 AO ein Bußgeld bis zu 10.000 EUR. V. Die Verletzung von Pflichten aus internationalen Abkommen Schließlich werden die sich aus internationalen Abkommen für die Kreditinstitute ergebenden Pflichten durch Bußgelder abgesichert. So kann ein Verstoß gegen die Meldepflichten des CRS966 durch § 28 Abs. 1 FKAustG mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 EUR geahndet werden, wenn das Kreditinstitut vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 FKAustG eine Meldung nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt. Wird gegen die Pflichten aus der FATCAUSA-UmsV967 verstoßen, kann dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 379 Abs. 2 Nr. 1b AO darstellen und nach § § 379 Abs. 4 AO mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 EUR geahndet werden VI. Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts Das Kreditinstitut kann sich gegen Bußgeldbescheide wehren. Der Rechtsschutz gegen solche Maßnahmen richtet sich durch die Verweisung in § 410 Abs. 1 AO weitgehend nach den Vorschriften des OWiG. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG kann das Kreditinstitut damit gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch bei der Finanzbehörde einlegen, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Hält die Finanzbehörde den Einspruch für zulässig und begründet, kann sie den Bußgeldbescheid im Zwischenverfahren zurücknehmen.968 Nimmt sie den Bußgeldbescheid hingegen nicht zurück, dann übersendet sie die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht.969 Die Staatsanwaltschaft entscheidet sodann, ob sie das Verfahren einstellt oder noch weitere Ermittlungen anstellt. Ist dies nicht der Fall, legt sie die Akten dem Richter beim Amtsgericht vor,970 der in einer Hauptverhandlung eine Entscheidung trifft.971 VII. Fazit Das Ordnungswidrigkeitenrecht sichert die Einhaltung der einzelnen steuerlichen Primärpflichten durch die Kreditinstitute weitgehend ab. Dabei sind die Anforde965 966 967 968 969 970 971
Siehe dazu oben § 3 A. III. 2. b). Siehe dazu oben § 3 C. I. Siehe dazu oben § 3 C. II. Siehe § 69 Abs. 2 Satz 1 OWiG. Siehe § 69 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Siehe § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG Siehe §§ 71 ff. OWiG.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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rungen an die Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit hoch. Einem Kreditinstitut, das versucht, seinen Pflichten bestmöglich nachzukommen, wird regelmäßig kein Vorwurf gemacht werden können. Insoweit hält sich diese Gefahr in Grenzen. Sofern tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit verwirklicht wird, hält sich auch die Höhe der Bußgelder im Rahmen und dürfte ein Kreditinstitut in der Regel nur wenig belasten.
C. Die strafrechtlichen Folgen bei Missbrauch im Kapitalertragsteuerverfahren Das Strafrecht bildet das schärfste Schwert des Rechtsstaats. Für die Betroffenen kann es existenzbedrohende Wirkung entfalten. Im Steuerrecht dient das Strafrecht vor allem der Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, also dem öffentlichen Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart.972 Insoweit sind Steuerrecht und Steuerstrafrecht untrennbar miteinander verbunden.973 Auch im Kapitalertragsteuerrecht stellen sich steuerstrafrechtliche Fragen. Ausgehend von der Frage, ob sich ein Kreditinstitut selbst strafbar machen kann (I.) kommt eine Strafbarkeit der Vertreter des Kreditinstituts insbesondere dann in Betracht, wenn fehlerhafte Kapitalertragsteuer-Anmeldungen vom Kreditinstitut abgegeben werden (II). Aufgrund des Steuerabzugs mit abgeltender Wirkung ist die steuerstrafrechtliche Relevanz in Bezug auf die Gläubiger der Kapitalerträge vergleichsweise gering, da es grundsätzlich zu keiner Veranlagung durch Abgabe einer Steuererklärung mehr kommt. Dennoch verbleibt auch hier ein Raum für die Begehung von Steuerstraftaten. Da die Kreditinstitute in das Besteuerungsverfahren eingebunden sind, kann sich diesbezüglich eine Beihilfestrafbarkeit ergeben (III.). Zudem kommt auch eine Untreuestrafbarkeit nach § 266 Strafgesetzbuch974 in Betracht (IV.), da das Kreditinstitut durch den Einbehalt der Kapitalertragsteuer zeitweise über erhebliche finanzielle Mittel verfügt. Werden die einbehaltenen Steuern in dieser Zeit zweckwidrig eingesetzt, stellt sich die Frage, ob dieses Verhalten den Tatbestand der Untreue verwirklicht.
972 Siehe dazu u. a. BGH, Urt. v. 19. 12. 1997, 5 StR 569/96, BGHSt 43, S. 381 (404); BGH, Urt. v. 25. 1. 1995, 5 StR 491/94, BGHSt 41, S. 1 (5); BGH, Beschl. v. 23. 3. 1994, 5 StR 91/94, BGHSt 40, S. 109 (111); BGH, Urt. v. 31. 1. 1989, 3 StR 179/88, BGHSt 36, S. 100 (102). 973 R. Mellinghoff, Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht, DStJG Band 38 2015, S. 1 (4). 974 Strafgesetzbuch v. 15. 5. 1871 (RGBl. S. 127), in der Fassung der Bekanntmachung v. 13. 11. 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 6. 2020 (BGBl. I S. 1247), im Folgenden StGB.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
I. Individuelle Strafbarkeit der Vertreter der Kreditinstitute anstatt Unternehmensstrafbarkeit Vorab sei klargestellt, dass dem deutschen Strafrecht eine Unternehmensstrafbarkeit derzeit noch unbekannt ist. Juristische Personen sind zwar rechtsfähig, sie können sich als eigenes Rechtsubjekt jedoch nicht strafbar machen.975 Es fehlt an der Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit eines Verbands.976 Eine Sanktion eines Unternehmens selbst ist lediglich mittels einer Geldbuße nach den ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften möglich.977 Allerdings können sich, wie § 14 StGB zeigt, die für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen, also insbesondere die vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person, in Bezug auf das Unternehmen strafbar machen. Dies ist dann möglich, wenn ein besonderes persönliches Merkmal beim Unternehmen vorliegt, beim Vertreter hingegen nicht.978 Durch § 14 StGB wird dann das besondere Tätermerkmal vom Vertretenen auf den Vertreter übergewälzt.979 Daneben können sich die Vertreter eines Kreditinstituts auch selbst und unabhängig von einer Anwendung von § 14 StGB strafbar machen, wenn sie Adressat eines Straftatbestands sind. II. Die Steuerhinterziehung durch fehlerhafte Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach § 370 AO Die Steuerhinterziehung nach § 370 AO bildet den zentralen Straftatbestand im Steuerstrafrecht.980 Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO wird bestraft, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Dies gilt explizit auch für Steueranmeldungen.981 Im Kapitalertragsteuerrecht sind die Kreditinstitute nach 975
C. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, § 8 Rn. 59. Die Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit wird zwar immer wieder diskutiert (siehe dazu u. a. G. Ortmann, Für ein Unternehmensstrafrecht Sechs Thesen, sieben Fragen, eine Nachbemerkung, NZWiSt 2017, S. 241 ff.), doch steht dahingehend gesetzgeberseits noch nichts Konkretes in Aussicht. Mit dem jüngst veröffentlichten Kölner Entwurf eines Verbandssanktionsgesetzes der Forschungsgruppe Verbandsstrafrecht könnte sich dies bald ändern. Siehe dazu M. Henssler/E. Hoven/M. Kubiciel/T. Weigend, Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, NZWiSt 2018, S. 1 ff. 976 C. Laue, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden, JURA 2010, S. 339 f. 977 Siehe dazu oben § 4 B. I. 978 G. Trüg, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 14 StGB Rn. 2. 979 W. Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 30. Aufl. 2019, § 14 Rn. 1. 980 W. Dumke/K. Webel, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 152. Lfg. 2013, § 370 AO Rn. 1. 981 Siehe § 370 Abs. 4 Satz 1 HS. 2 AO.
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§ 45a Abs. 1 EStG verpflichtet, Kapitalertragsteuern fristgerecht beim Finanzamt anzumelden.982 Diese Pflicht wird über § 34 Abs. 1 AO zu einer eigenen Pflicht für die Vertreter der Kreditinstitute. Sie gehören damit zum tauglichen Täterkreis einer Steuerhinterziehung,983 obwohl weder sie noch das Kreditinstitut Steuerschuldner sind. Als Tathandlungen kommen vor allem die folgenden zwei Möglichkeiten in Betracht. 1. Steuerhinterziehung durch aktives Tun nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Der Tatbestand ist gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zum einen erfüllt, wenn das Kreditinstitut bei der Kapitalertragsteuer-Anmeldung unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht, also etwa geringere Kapitalertragsteuern ausweist, als tatsächlich angefallen sind. Hier stellt sich allerdings das Problem, wann es sich bei einer Angabe in der Steueranmeldung um eine Tatsache handelt und wann um eine rechtliche Würdigung. Während Tatsachen dem Beweis zugänglich sind,984 ist dies bei Rechtsauffassungen gerade nicht möglich, da sie auf einer Wertung von Tatsachen beruhen.985 Diese Problematik wurde vom BFH ausdrücklich offengelassen.986 Die Strafgerichte lösen solche Fälle meist nicht auf Ebene des objektiven, sondern des subjektiven Tatbestands.987 Im Muster der Kapitalertragsteuer-Anmeldung sind die anfallenden Kapitalertragsteuern anzugeben („Kapitalerträge mit Steuerabzug nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (25 %)“). Dem liegt aber bereits eine rechtliche Würdigung seitens des Kreditinstituts zugrunde,988 da der Steuerpflichtige (hier also das Kreditinstitut)989 bei einer Steueranmeldung seine Steuer selbst berechnen muss, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Bemüht man erneut den Fall Google,990 stellt sich die Frage, was die Kreditinstitute, die von einer nicht steuerbaren Kapitalmaßnahme ausgingen, in diesem Fall dem Finanzamt hätten mitteilen müssen, um sich nicht in die Gefahr des Vorwurfes einer Steuerhinterziehung zu begeben. Es müssen jedenfalls die Tatsachen mitgeteilt werden, die der behaupteten Rechtsauffassung zugrunde liegen, also für die Sub-
982
Siehe dazu oben § 3 A. VII. A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 370 AO Rn. 5. 984 J. Wessels/M. Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, 42. Aufl. 2019, S. 274. 985 A. Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 65. Lfg. 2019, § 370 AO Rn. 237. 986 BFH, Urt. v. 10. 8. 1988, IX R 219/84, BFHE 154, S. 481 (485). 987 A. Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 65. Lfg. 2019, § 370 AO Rn. 241 m. w. N. 988 A. Merkt, Die verdeckte Gewinnausschüttung im Steuerstrafrecht, BB 1991, S. 313 (314). 989 Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. 990 Siehe dazu oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1). 983
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
sumtion unter einen Tatbestand nötig sind.991 Ausgehend davon stellt sich die Frage, welcher Maßstab an die Rechtsauffassung zu stellen ist. Hier ist zunächst der – weitgehend unstreitigen – Auffassung zuzustimmen, wonach die Zugrundelegung einer unvertretbaren Rechtsauffassung den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.992 Denn in diesem Fall muss der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass es zu einer Verkürzung von Steuern kommt. Problematischer sind hingegen Fälle, in denen eine bestimmte Rechtsauffassung vertretbar ist. Die Rechtsprechung geht hier davon aus, dass der Steuerpflichtige nicht nur das Ergebnis seiner rechtlichen Auffassung durch die Eintragung in ein Formular samt deren zugrundeliegenden Tatsachen mitteilen darf, sondern darüber hinaus auch solche tatsächlichen Angaben machen muss, die grundsätzlich für eine rechtliche Beurteilung erforderlich sein können.993 Ihm stehe es frei, die jeweils für sich günstigste steuerliche Einordnung zu wählen, solange er es den Finanzbehörden durch die Übermittlung der entsprechenden Tatsachen ermöglicht, zu einer anderen rechtlichen Einordnung zu gelangen.994 Geht ein Kreditinstitut bei der steuerlichen Einordnung einer Kapitalmaßnahme davon aus, dass sie nicht steuerbar ist, hegt es zeitgleich jedoch Zweifel an dieser Rechtsauffassung, sollte es den Finanzbehörden in jedem Fall alle Tatsachen mitteilen, die nötig sind, um im Rahmen der Subsumtion zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen. 2. Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Der Tatbestand der Steuerhinterziehung kann zum anderen auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Un991
A. Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 65. Lfg. 2019, § 370 AO Rn. 242. 992 H.-G. Pipping, Die „steuerlich erheblichen Tatsachen“ im Rahmen der Steuerhinterziehung, 1998, S. 119 f.; J. Krieger, Täuschung über Rechtsauffassungen im Steuerstrafrecht, 1987, S. 32 ff. (48); J. Bachmann, Vorsatz und Irrtum im Allgemeinen Strafrecht und im Steuerstrafrecht, 1992, S. 155; F. Hardtke, Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung, 1995, S. 33; R. Schmitz/M. Wulf, in: Münchener Kommentar zum StGB Band 7, 3. Aufl. 2019, § 370 AO Rn. 241; a. A. Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 370 Rn. 44, wonach Angaben, die unrichtig bzw. unvollständig sind, weil sie auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung beruhen, stets auch unrichtig bzw. unvollständig i. S. d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind. Erkennt sie der Täter allerdings nicht, so fehle ihm jedenfalls der Tatvorsatz. 993 BGH, Urt. v. 23. 2. 2000, 5 StR 570/99, NStZ 2000, S. 320 (321); BGH, Urt. v. 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, NStZ 2000, S. 203 (204); BGH, Urt. v. 19. 12. 1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, S. 266 (284 ff.); FG München, Urt. v. 16. 8. 2007, 13 V 1918/07, BeckRS 2007, 26024137; siehe ausführlich zum weiteren Streitstand u. a. R. Schmitz/M. Wulf, in: Münchener Kommentar zum StGB Band 7, 3. Aufl. 2019, § 370 AO Rn. 240 ff. 994 BGH, Urt. v. 23. 2. 2000, 5 StR 570/99, NStZ 2000, S. 320 (321); so auch die Lehre vom typisierten Empfängerhorizont der Finanzverwaltung; siehe S. Rolletschke, in: Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 370 AO Rn. 33 ff.; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 23 Rn. 24.
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kenntnis lässt.995 Nach der Rechtsprechung kann tauglicher Täter des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist.996 Durch die Anmeldungspflicht nach § 45a Abs. 1 EStG ist diese Anforderung bei Kreditinstituten gegeben.997 Der Tatbestand ist insbesondere dann erfüllt, wenn etwa eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung überhaupt nicht abgegeben wird. Dabei gelten die vom BGH aufgestellten Maßstäbe zur Mitteilung der steuerlich erheblichen Tatsachen auch dann, wenn aufgrund einer rechtlichen Würdigung des Steuerpflichtigen überhaupt keine Anmeldung vorgenommen wird.998 Zudem ist der Tatbestand erfüllt, wenn die Anmeldung lediglich verspätet erfolgt.999 Die Abgabefrist richtet sich dabei nach den Einzelgesetzen,1000 im Rahmen der Kapitalertragsteuer-Anmeldung folglich nach §§ 44 Abs. 1 Satz 5 bzw. Abs. 7 Satz 2 EStG.1001 3. Der Taterfolg der Steuerverkürzung Als Taterfolg nennt § 370 Abs. 1 AO die Verkürzung von Steuern. Eine solche liegt vor, wenn der Steuergläubiger die ihm gebührende Steuer nicht, nicht voll-
995 Bei der in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO normierten Pflicht handelt es sich nach überwiegender Ansicht nicht um ein besonderes persönliches, strafbegründendes Merkmal (BGH, Beschl. v. 8. 2. 2011, 1 StR 651/10, BGHSt 56, S. 153 (155); BGH, Urt. v. 25. 1. 1995, 5 StR 491/94, BGHSt 41, S. 1 ff.; K. Hoffmann-Holland/T. Singelnstein, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 28 Rn. 17; M. Hake, Anm. zu BGH, Urt. v. 25. 1. 1995, 5 StR 491/94, JR 1996, S. 162 (164); a. A. B. Grunst, § 370 I Nr. 2 AO – Sonderdelikt und besonderes persönliches Merkmal (§ 28 I StGB), NStZ 1998, S. 548 (550 f.); W. Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 369 AO Rn. 84). Es bedarf daher keiner Anwendung des § 14 StGB, um eine Strafbarkeit der Vertreter des Kreditinstituts zu begründen. Vielmehr führt auch hier die Norm des § 34 Abs. 1 AO dazu, dass eine Pflicht der juristischen Person zu einer eigenen Pflicht ihrer gesetzlichen Vertreter wird und zu deren Strafbarkeit führen kann. 996 BGH, Urt. v. 9. 4. 2013, 1 StR 586/12, BGHSt 58, S. 218 (227 ff.); BGH, Beschl. v. 22. 7. 2004, 5 StR 85/04, NJW 2004, S. 2990 (2992); BGH, Urt. v. 22. 5. 2003, 5 StR 520/02, NJW 2003, S. 2924; BayObLG, Beschl. v. 28. 3. 2001, 4 St RR 29/2001, NStZ 2001, S. 487 (488). 997 Eine weitere auch die Kreditinstitute betreffende Pflicht ist die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, die ebenfalls zu einer Strafbarkeit der Vertreter des Kreditinstituts führen kann. Siehe dazu u. a. S. Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 370 AO Rn. 292 ff.; zur Berichtigungspflicht siehe auch oben § 3 A. VII. 998 BGH, Urt. v. 23. 2. 2000, 5 StR 570/99, NStZ 2000, S. 320 (321). 999 T. Rudolph, Hinterziehung von Kapitalerträgen im System der Abgeltungsteuer, NZWiSt 2017, S. 459 (461); A. Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 65. Lfg. 2019, § 370 AO Rn. 323. 1000 A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 370 AO Rn. 21. 1001 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 3. sowie § 3 A. VII.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
ständig oder nicht rechtzeitig erhält.1002 Dies gilt auch dann, wenn eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht,1003 wie es bei der Kapitalertragsteuer-Anmeldung der Fall ist. Eine Vermögensschädigung des Staats durch verminderte Steuereinnahmen ist dabei nicht erforderlich.1004 Es reicht aus, wenn die Steuern auch nur vorübergehend vorenthalten werden.1005 Der Taterfolg tritt demnach schon dann ein, wenn die Frist zur Abgabe einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung auch nur um einen Tag überschritten wird, da der Fiskus als Steuergläubiger die Steuer nicht rechtzeitig erhält. 4. Der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO erfordert eine vorsätzliche Tatbegehung, also einen Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis all seiner objektiven Tatbestandsmerkmale.1006 Für die Verwirklichung des § 370 Abs. 1 AO genügt dabei jede Vorsatzform.1007 Der Täter muss wissen, dass seine Angaben in der Steueranmeldung unrichtig oder unvollständig sind und im Rahmen des Unterlassens, dass eine Pflicht zum Handeln besteht.1008 Letztere ist einem Vertreter eines Kreditinstituts bewusst. Er kennt die Pflicht zur Steueranmeldung nach § 45a Abs. 1 EStG. Ferner muss der Täter wissen, dass gegen ihn ein Steueranspruch besteht und es durch sein Handeln/Unterlassen zu einer Verkürzung von Steuern kommt.1009 Dass ein Vertreter eines Kreditinstituts absichtlich (i. S. e. dolus directus) handelt, kommt kaum in Betracht. Relevanter sind vielmehr die Fälle von bedingtem Vorsatz (dolus eventualis). Dabei reicht es aus, wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält und den Erfolg billigt.1010 Dies 1002 Siehe § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sowie BGH, Urt. v. 20. 5. 1981, 2 StR 666/80, BGHSt 30, S. 122 (123); BGH, Beschl. v. 3. 9. 1970, 3 StR 155/69, BGHSt 23, S. 319 (322). 1003 S. Rolletschke, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 370 AO Rn. 105 f.; A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 370 AO Rn. 35. 1004 A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 370 AO Rn. 35. 1005 BGH, Urt. v. 26. 9. 1978, 1 StR 293/78, BeckRS 1978, 31113425. 1006 T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 15 Rn. 4. 1007 BGH, Urt. v. 8. 8. 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, S. 465 (466 f.); Klein/M. Jäger, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 370 Rn. 175. 1008 A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 370 AO Rn. 62. 1009 BGH, Urt. v. 8. 9. 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, S. 465 (466 f.); BGH, Urt. v. 17. 2. 1998, 5 StR 624/97, wistra 1998, S. 225 (226); BGH, Urt. v. 24. 1. 1990, 3 StR 290/89, wistra 1990, S. 193 (194); BGH, Urt. v. 5. 3. 1986, 2 StR 666/85, wistra 1986, S. 174; BGH, Urt. v. 24. 5. 1977, 5 StR 257/76, BeckRS 1977, 31114081; BGH, Urt. v. 13. 11. 1953, 5 StR 342/53, BGHSt 5, S. 90 (92). 1010 BGH, Urt. v. 22. 4. 1955, 5 StR 35/55, BGHSt 7, S. 363 (368 f.); T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 15 Rn. 9 ff. m. w. N.
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schließt einen Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB aus.1011 Auch im Rahmen des subjektiven Tatbestands stellt sich die bereits oben aufgeworfene Problematik der Abgrenzung zwischen Tatsachen und Rechtsauffassungen. Anknüpfend an diese Ausführungen kann ein Vorsatz bejaht werden, wenn die steuerliche Einordnung einer Kapitalmaßnahme eine zwar vertretbare Rechtsauffassung darstellt, aber die Tatsachen, die nötig sind, um auch eine andere Rechtsauffassung vertreten zu können, bewusst nicht mitgeteilt werden. Denn in diesem Fall wird es den Finanzbehörden faktisch unmöglich gemacht, zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen und entsprechend Steuern nachfordern zu können. Ein Vorsatz kann ebenfalls bejaht werden, wenn eine Steueranmeldung nicht fristgemäß erfolgt und dies dem Vertreter des Kreditinstituts bewusst ist. Kann ein Vorsatz diesbezüglich nicht nachgewiesen werden, verbleibt stets die Möglichkeit der Verwirklichung eines Ordnungswidrigkeitentatbestands nach § 378 AO bzw. § 380 AO. 5. Die Verwirklichung von Regelbeispielen auf Ebene der Strafzumessung Im Rahmen der Strafzumessung kann ein Regelbeispiel bedeutsam werden, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO vorliegt. Werden Steuern in großem Ausmaß verkürzt, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren ausgesprochen werden. Eine Steuerverkürzung von großem Ausmaß ist nach aktueller Rechtsprechung des BGH einheitlich ab dem Schwellenwert von 50.000 EUR anzuwenden.1012 Da gerade im Bereich von Kapitalerträgen oftmals hohe Beträge im Umlauf sind, wird dieser Schwellenwert in vielen Fällen überstiegen werden. III. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Ausstellung unrichtiger Steuerbescheinigungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 StGB i. V. m. § 369 Abs. 2 AO Ferner kommt eine Beihilfe-Strafbarkeit eines Vertreters des Kreditinstituts nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 StGB i. V. m. § 369 Abs. 2 AO in Betracht, sofern unrichtige Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen vom Kreditinstitut ausgestellt werden. Wird vom Gläubiger der Kapitalerträge ein Veranlagungsverfahren durchgeführt, ist die Kapitalertragsteuer-Bescheinigung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG materiellrechtliche Voraussetzung für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer.1013 Denn danach wird die durch den Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nur angerechnet, wenn die in § 45a Abs. 2 oder Abs. 3 EStG bezeichnete Bescheinigung vorgelegt 1011
BGH, Urt. v. 8. 9. 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, S. 465 (466 f.). Rechtsprechungsänderung in BGH, Urt. v. 27. 10. 2015, 1 StR 373/15, BGHSt 61, S. 28 (30 ff.) in Abkehr zur bis dato ständigen Rechtsprechung u. a. in BGH, Urt. v. 2. 12. 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, S. 71 (84 ff.). 1013 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 45a EStG Rn. 7. 1012
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wurde.1014 Legt der Gläubiger der Kapitalerträge wissentlich unrichtige Bescheinigungen seines Kreditinstituts vor, um in den Genuss einer Anrechnung zu kommen, erfüllt er mit seinem Verhalten den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Stellt ein Kreditinstitut seinem Kunden unrichtige Bescheinigungen zur Verfügung und handelt es dabei zumindest mit dolus eventualis, kann daraus bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Beihilfestrafbarkeit des Vertreters des Kreditinstituts resultieren. Denn die Ausstellung einer unrichtigen Steuerbescheinigung stellt eine Hilfeleistung zur Haupttat dar, da diese ermöglicht, jedenfalls aber erleichtert bzw. gefördert wird.1015 Kreditinstitute sollten daher auch vor diesem Hintergrund darauf achten, korrekte Steuerbescheinigungen auszustellen, um sich keines solchen Risikos auszusetzen. IV. Die Untreuestrafbarkeit nach § 266 StGB durch zweckwidrige Verwendung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer Die Kreditinstitute sind verpflichtet, die einbehaltene Steuer nach § 44 Abs. 1 Satz 5 HS. 1 EStG jeweils bis zum zehnten des folgenden Monats an das Finanzamt abzuführen. Im günstigsten Fall muss eine Kapitalertragsteuer, die auf eine am 1. März eines Jahres zugeflossene Dividende anfällt, erst zum 10. April vom Kreditinstitut an das Finanzamt abgeführt werden.1016 In dieser Zwischenzeit stehen dem Kreditinstitut nicht unerhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung. Es stellt sich die Frage, ob sich über den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 380 AO1017 hinaus auch eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB ergeben kann, wenn die einbehaltene Kapitalertragsteuer zweckwidrig verwendet wird. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die einbehaltenen Steuern vorübergehend anderweitig eingesetzt werden, indem Verbindlichkeiten bedient oder anderweitige Investments getätigt werden, um Erträge aus den vorhandenen Mitteln zu erwirtschaften. Diese Thematik wurde lange nicht mehr erörtert.1018 Sie sollte aber gerade im Hinblick auf die Compliance eines Kreditinstituts wieder einer näheren Betrachtung zugeführt werden. Vertreter von Kreditinstituten sollten wissen, welche strafrechtlichen Folgen bei Missbrauch des Kapitalertragsteuerrechts drohen können, um diese bereits im Vorfeld zu vermeiden. Dies gilt vor allem beim Delikt der Untreue als klassischem Wirtschaftsstraftatbestand.
1014
Siehe dazu auch oben § 3 A. VIII. 3. A. Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 65. Lfg. 2019, § 370 AO Rn. 153. 1016 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 3. 1017 Siehe dazu oben § 4 B. I. 1018 Ausführlicher dazu zuletzt J. Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1966, S. 83 f.; N. N. Maaßen, Die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge als Straftatbestand, DStZ 1952, S. 8. 1015
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1. Die Erfüllung des objektiven Tatbestands der Untreue § 266 Abs. 1 StGB enthält zwei streng voneinander zu unterscheidende Tatbestände, zum einen den spezielleren Missbrauchstatbestand (Alt. 1), zum anderen den Treuebruchtatbestand (Alt. 2).1019 Letzterer kommt im vorliegenden Fall in Betracht. Er setzt voraus, dass eine Vermögensbetreuungspflicht (a)) verletzt wird, die zu einem Vermögensnachteil (b)) führt. a) Die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht aa) Die Ansicht in Rechtsprechung und Teilen der Literatur In Rechtsprechung und Literatur wird eine Strafbarkeit wegen Untreue bei Missbrauch eines Steuerabzugsverfahrens weitgehend abgelehnt.1020 Im Verhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zum Kreditinstitut kann dem zugestimmt werden. Zwar muss das Kreditinstitut die Steuerschuld des Gläubigers der Kapitalerträge gegenüber dem Fiskus tilgen,1021 doch ist es das Kreditinstitut, das für die fehlende Kapitalertragsteuer – grundsätzlich vorrangig – zu haften hat.1022 Daher fehlt es in diesem Fall regelmäßig an einem eingetretenen Vermögensschaden beim Gläubiger der Kapitalerträge. Für das Verhältnis des Abzugsverpflichteten zum Fiskus entschied der BGH einst zum insoweit vergleichbaren Lohnsteuerverfahren, dass eine Untreuestrafbarkeit deswegen ausscheide, weil es an einem „Treueverhältnis zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und dem Staat“ in dem Sinne fehle, „dass dem Arbeitgeber die besondere Verpflichtung auferlegt wäre, die staatlichen Steuerinteressen wie ein Steuerbeamter wahrzunehmen.“1023 Weitere stichhaltige Argumente nannte der BGH hierzu nicht. Die einschlägige Literatur übernahm diese Rechtsprechung weitgehend, ohne sie näher zu begründen.
1019
R. Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 20. Aufl. 2018, S. 359. So für das vergleichbare Lohnsteuerabzugsverfahren: OLG Hamburg, Urt. v. 17. 12. 1952, Ss 72/52, NJW 1953, S. 478; M. Jäger/M. Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rn. 54; A. Hadamitzky/L. Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Lfg. 2014, § 380 AO Rn. 8; J. Bülte, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, FGO Kommentar, 231. Lfg. 2015, § 380 AO Rn. 11; O. Sahan/S. Heine, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 380 AO Rn. 28; J. Hoffmann, Haftung des GmbH-Geschäftsführers für einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer, DB 1986, S. 467 (468 f.); J. Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1966, S. 83 f.; a. A. N. N. Maaßen, Die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge als Straftatbestand, DStZ 1952, S. 8 (10); G. Mattern, Anm. zu BGH, Urt. v. 3. 4. 1952, 3 StR 630/51, NJW 1952, S. 945 (947). 1021 M. Matthes, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 57. Lfg. 2017, § 380 AO Rn. 4. 1022 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1023 BGH, Urt. v. 3. 4. 1952, 3 StR 630/51, BGHSt 2, S. 338 (344). 1020
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bb) Kritik an der Ansicht in Rechtsprechung und Teilen der Literatur Die Rechtsprechung zum Verhältnis des Fiskus zum Abzugsverpflichteten und die darauf beruhenden Auffassungen in der Literatur sind zu kritisieren. Legt man das geltende Kapitalertragsteuerrecht zu Grunde, kann sich durchaus eine Untreuestrafbarkeit für Vertreter des Kreditinstituts ergeben. Voraussetzung für die Erfüllung des objektiven Tatbestands ist die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht.1024 Darunter versteht man die „besonders herausgehobene Pflicht“ des Befugnisinhabers, die Vermögensinteressen desjenigen zu betreuen, über dessen Vermögen ihm Rechtsmacht eingeräumt ist.1025 Dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zufolge kann sich eine Vermögensbetreuungspflicht u. a. aus einem zugrundeliegenden Treueverhältnis ergeben. Ein solches Treueverhältnis ergibt sich nicht schon aus dem allgemeinen Steuerrechtsverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Fiskus, sofern Steuerschulden aus eigenen Mitteln beglichen werden. Anders ist dies allerdings zu beurteilen, wenn ein Steuerpflichtiger fremde Steuergelder verwaltet, die er selbst abgezogen und einbehalten hat,1026 wie es gerade beim Kapitalertragsteuerrecht der Fall ist.1027 Denn in diesem Fall gelangt ein letztlich dem Fiskus zustehender Geldbetrag vorübergehend in die Hand eines Kreditinstituts, das im Dienste des Staats tätig wird und die Steuern an diesen auszukehren verpflichtet ist. Ein Treueverhältnis mit daraus folgender Vermögensbetreuungspflicht kann auch mit dem Pönalisierungszweck der Untreue begründet werden. Dieser besteht in der Absicherung einer an der Zuordnung von Vermögen orientierten Erwartungssicherheit.1028 Es soll gerade das Vermögen des Treugebers geschützt werden.1029 Als Treugeber kann im Kapitalertragsteuerverfahren der Fiskus angesehen werden, auch wenn das Geld beim Gläubiger der Kapitalerträge abgezogen wird. Denn mit Zufluss des steuerpflichtigen Kapitalertrags beim Gläubiger der Kapitalerträge entsteht die Kapitalertragsteuer.1030 Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich damit um Steuergelder des Fiskus auf Konten des Kreditinstituts. Der Fiskus ist durch die Einbindung der Kreditinstitute in die Besteuerung von Kapitalerträgen besonders auf deren ord1024 Diese Vermögensbetreuungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal, sodass eine Zurechnung dieses Merkmals nach § 14 Abs. 1 StGB grundsätzlich zu einer Strafbarkeit des Vertreters eines Kreditinstituts führen kann. Siehe dazu auch oben § 4 C. I. 1025 BGH, Beschl. v. 3. 5. 2012, 2 StR 446/11, NStZ 2013, S. 40; T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 266 Rn. 21; BGH, Urt. v. 8. 5. 1951, 1 StR 171/51, BGHSt 1, S. 186 (188). 1026 So auch N. N. Maaßen, Die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge als Straftatbestand, DStZ 1952, S. 8 (10). 1027 D. Hoffmann, in: Frotscher/Geurts, EStG Kommentar, 215. Lfg. 2020, § 44 Rn. 106. 1028 T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 266 Rn. 2. 1029 BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012, 3 StR 118/11, NJW 2012, S. 2366 (2369); BGH, Urt. v. 20. 7. 1999, 1 StR 668/98, NJW 2000, S. 154 (155); BGH, Urt. v. 4. 11. 1997, 1 StR 273/97, BGHSt 43, S. 293 (297); BGH, Urt. v. 17. 11. 1955, 3 StR 234/55, BGHSt 8, S. 254 ff. 1030 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 1.
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nungsgemäßes Handeln angewiesen, zumal es sich um erhebliche Steuerbeträge1031 handelt. Der Untreuetatbestand entfaltet gerade in einer solchen Konstellation seinen Schutzzweck.1032 Schließlich geht der BGH in einer anderen Entscheidung selbst davon aus, dass im Verfahren zwischen Arbeitgeber und Staat zumindest „treuhänderische Pflichten“ bestehen.1033 Auch der BFH betont in Entscheidungen zum Lohnsteuerrecht, dass der Arbeitgeber „in einer Art treuhänderischen Stellung für den Steuerfiskus tätig“1034 ist bzw. „die Lohnsteuer gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus“ einzieht und diese Gelder „für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremde Gelder“ sind, die er „nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden“ darf.1035 Diese Rechtsprechung kann wiederum auf das insoweit vergleichbare Kapitalertragsteuerrecht übertragen werden. Bei diesen treuhänderischen Pflichten handelt es sich nicht nur um reine Nebenpflichten. Denn um ein effektives Besteuerungsverfahren zu gewährleisten, ist es neben dem Abzug und der Abführung der Steuer an den Fiskus unabdingbar, dass die Steuer in der Zwischenzeit nicht zweckwidrig verwendet wird und dadurch unter Umständen verloren geht. Insgesamt lässt sich damit ein Treueverhältnis zwischen Kreditinstitut und Fiskus in Bezug auf die einbehaltene Kapitalertragsteuer feststellen, aus dem eine Vermögensbetreuungspflicht erwächst. b) Eingetretener Vermögensnachteil Durch die zweckwidrige Verwendung der einbehaltenen Steuern muss dem Fiskus ein Vermögensnachteil entstanden sein. Geht man – wie hier vertreten – davon aus, dass bereits mit Abzug der Steuer beim Gläubiger der Kapitalerträge Vermögen des Fiskus entsteht, tritt ein Vermögensnachteil jedenfalls dann ein, wenn die einbehaltenen Beträge unwiederbringlich anderweitig eingesetzt wurden und zum Fälligkeitstag nicht mehr entrichtet werden können. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Steuern erst mit Abführung an den Fiskus dessen Vermögen zugerechnet werden könnten, handelt es sich dennoch um eine nach der Rechtsprechung und herrschenden Auffassung in der Literatur geschützte konkrete Erwartung einer Vermögensmehrung. Diese Erwartung erlangt Vermögenswert, wenn sie sich als sichere oder zumindest wirtschaftlich realistische Gewinnerwartung 1031
Siehe dazu oben Fn. 9. So auch N. N. Maaßen, Die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge als Straftatbestand, DStZ 1952, S. 8 (10). 1033 BGH, Urt. v. 11. 3. 1952, 1 StR 296/51, BGHSt 2, S. 183 (186 f.); so auch E. Henneberg, Anmerkungen zur Verteidigung bei Lohnsteuerverkürzungen, DStR 1980, S. 63 (68); G. Mattern, Anm. zu BGH, Urt. v. 3. 4. 1952, 3 StR 630/51, NJW 1952, S. 945 (947). 1034 BFH, Urt. v. 28. 4. 1961, VI 301/60 U, BFHE 73, S. 289 (294). 1035 BFH, Urt. v. 20. 4. 1982, VII R 96/79, BFHE 135, S. 416 (418). Ähnlich so bereits in BFH, Urt. v. 21. 1. 1972, VI R 187/68, BFHE 104, S. 294 (298). 1032
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darstellt.1036 Im Rahmen der Kapitalertragsteuer ist dies zu bejahen, da es sich um allein dem Fiskus aufgrund dessen Steueranspruchs zustehende Gelder handelt. Wird die einbehaltene Kapitalertragsteuer anderweitig verwendet, ohne dass bereits ein konkreter Verlust eingetreten ist (z. B. wenn bis zum Fälligkeitszeitpunkt anderweitige Mittel frei werden, die an den Fiskus abgeführt werden können), kann dennoch ein Vermögensnachteil im Sinne einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ vorliegen. Denn darin liegt eine bereits gegenwärtige Minderung des Gesamtvermögens durch die naheliegende Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensteils.1037 Verfügt das Kreditinstitut gleichzeitig allerdings über entsprechende anderweitige finanzielle Mittel, um die Kapitalertragsteuer jederzeit und vollständig zu den Fälligkeitstagen entrichten zu können und haben sie auch einen ständigen Willen, dieses Vermögen zur Kompensation bereitzuhalten und einzusetzen, fehlt es an einem Vermögensschaden (sog. „schadensverhindernde Kompensation“).1038 Große Kreditinstitute werden regelmäßig über solche Mittel verfügen, sodass eine Vermögensschaden hier eher selten anzunehmen sein dürfte. Anders ist dies hingegen bei notleidenden Kreditinstituten. Und gerade bei diesen ist die Gefahr besonders groß, auf fremde Steuergelder zuzugreifen. 2. Die Erfüllung des subjektiven Tatbestands Im subjektiven Tatbestand erfordert der Untreuetatbestand vorsätzliches Handeln. Da der Vertreter eines Kreditinstituts von seinen steuerlichen Pflichten Kenntnis hat, wird ihm regelmäßig vorsätzliches Handeln nachzuweisen sein, wenn er Anweisungen erteilt, die einbehaltenen Steuerbeträge vorübergehend anderweitig einzusetzen. Denn dann nimmt er es zumindest billigend in Kauf, dass sich ein Vermögensnachteil realisiert.1039
1036 BGH, Urt. v. 19. 1. 1965, 1 StR 497/64, BGHSt 20, S. 143 (145); BGH, Urt. v. 20. 2. 1962, 1 StR 496/61, BGHSt 17, S. 147 f.; T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 266 Rn. 111; W. Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 30. Aufl. 2019, § 266 Rn. 46. 1037 BGH, Beschl. v. 2. 4. 2008, 5 StR 354/07, BGHSt 52, S. 182 (188); BGH, Urt. v. 15. 11. 2001, 1 StR 185/01, BGHSt 47, S. 148 (156 f.); BGH, Urt. v. 17. 2. 1999, 5 StR 494/ 98, BGHSt 44, S. 376 (384); T. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 266 Rn. 150. 1038 BGH, Urt. v. 29. 8. 2008, 2 StR 587/07, BGHSt 52, S. 323 (337 f.); BGH, Urt. v. 17. 4. 2002, 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, S. 237 (238); BGH, Beschl. v. 13. 12. 1994, 1 StR 622/ 94, NStZ 1995, S. 233 (234); BGH, Urt. v. 6. 4. 1982, 5 StR 8/82, NStZ 1982, S. 331; BGH, Urt. v. 16. 12. 1960, 4 StR 401/60, BGHSt 15, S. 342 (344); H. Schmidt, Die zweckwidrige Verwendung von Fremdgeldern durch einen Rechtsanwalt, NStZ 2013, S. 498 (499 f.); a. A. K. Labsch, Die Strafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers im Konkurs der GmbH, wistra 1985, S. 1 (8); ders., Grundprobleme des Mißbrauchstatbestands der Untreue (Schluß), Jura 1987, S. 411 (417 f.). 1039 N. N. Maaßen, Die Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge als Straftatbestand, DStZ 1952, S. 8 (11).
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3. Die Verwirklichung von Regelbeispielen auf Ebene der Strafzumessung Kraft Verweisung in § 266 Abs. 2 StGB gelten die Regelbeispiele des Betrugs nach § 263 Abs. 3 StGB entsprechend. Danach liegt ein besonders schwerer Fall vor, wenn der Täter einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt.1040 Die Rechtsprechung sieht dies bei einem Betrag von etwa 50.000 EUR als gegeben an. Wie schon bei den oben genannten Regelbeispielen des § 370 AO1041 ist diese Grenze auf dem Gebiet der Kapitalerträge und der sich dort im Umlauf befindlichen Summen keine besonders hohe Hürde. V. Fazit Strafrechtliche Konsequenzen stellen im Regelfall keine besondere Gefahr für die Kreditinstitute dar, wenn sie ihren Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen versuchen. Aufgrund der harten Folgen sind sie dennoch zu besonderer Vorsicht aufgerufen. Das Strafrecht spielt demnach vornehmlich im Bereich der Prävention (Compliance) eine Rolle, indem bereits im Vorfeld durch entsprechende Vorkehrungen Risiken minimiert werden können. Die für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten verantwortlichen Geschäftsführer und Vorstände sollten sich dieser Gefahren bewusst sein, um keine persönliche Strafbarkeit zu riskieren.1042 So empfiehlt es sich etwa in Bezug auf den Tatbestand der Untreue, separate Konten ausschließlich für einbehaltene Kapitalertragsteuern zu führen, um die fremden Steuergelder nicht zweckwidrig einzusetzen.
D. Die Belastung der Kreditinstitute durch Steuerverwaltungskosten Neben den rechtlichen Belastungen treffen die Kreditinstitute im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens auch tatsächliche Belastungen. Dabei stellen die sog. Steuerverwaltungskosten1043 die bedeutendste Belastung dar.1044 Grund dafür ist, dass 1040
Siehe § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB. Siehe oben § 4 C. II. 5. 1042 T. Rudolph, Hinterziehung von Kapitalerträgen im System der Abgeltungsteuer, NZWiSt 2017, S. 459 (465). 1043 In der ökonomischen Steuerwissenschaft wird diese Thematik unter dem Begriff der „tax compliance costs“ diskutiert. Darunter versteht man den finanziellen Aufwand, der mit der Erfüllung verfahrensrechtlicher Steuerpflichten – insbesondere Buchführungs-, Nachweis- und Erklärungspflichten – verbunden ist. Siehe W. Schön, Steuervereinfachung: Vermeidbare und unvermeidbare Hindernisse, StuW 2002, S. 23 (25); zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten siehe ferner W. Franke, Zur Fixkostenstruktur betrieblicher Steuerverwaltungskosten, 1980, S. 3 ff. 1044 W. Franke, Zur Fixkostenstruktur betrieblicher Steuerverwaltungskosten, 1980, S. 42 f. 1041
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
sich der Fiskus an diesen Kosten nicht beteiligt und sie sich damit bei einem auf Profit orientierten Unternehmen unmittelbar auf den Gewinn auswirken.1045 Unter Steuerverwaltungskosten werden solche Kosten verstanden, die durch die Erfüllung von Pflichten im Besteuerungsverfahren verursacht werden und keine originäre Steuerbelastung darstellen.1046 Diese Kosten erhöhen sich, wenn zu den Kosten für die Erfüllung der eigenen Steuerpflichten noch Steuerpflichten für Dritte übernommen werden müssen, wie dies im Kapitalertragsteuerverfahren der Fall ist. Da Steuerverwaltungskosten im Rechnungswesen nicht gesondert erfasst werden, gestaltet sich ihre Bestimmung schwierig und erfordert einen hohen Aufwand.1047 Sie können allerdings durch bestimmte Kriterien auf Ebene des Kreditinstituts systematisiert werden (I.). Daneben kann aus empirischen Untersuchungen auch der Versuch unternommen werden, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Steuerverwaltungskosten näher zu beleuchten (II.). Aus der Gesamtschau dieser Methoden ist es möglich, die tatsächlichen Belastungen für die Kreditinstitute näher zu bestimmen. Gerade bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Kapitalertragsteuerverfahrens wird dies von besonderer Bedeutung sein.1048 I. Systematisierung von Steuerverwaltungskosten innerhalb eines Kreditinstituts – Mikroebene Die Höhe von Steuerverwaltungskosten kann nicht allgemeingültig bestimmt werden, da sie zu sehr von individuellen Parametern beeinflusst ist (z. B. der Unternehmensgröße1049).1050 Es bedarf daher einer systematisierten Einzelfallbetrachtung, um jedenfalls die verschiedenen Formen der Belastungen innerhalb eines Kreditinstituts definieren zu können.1051 Eine erste Unterscheidung kann auf der zeitlichen Ebene getroffen werden, indem regelmäßig auftretende Kosten von ein1045 Zur Frage der Abwälzbarkeit von Steuerverwaltungskosten auf den Kunden des Kreditinstituts siehe unten § 6 B. II. 3. c) cc) (3). 1046 V. Breithecker/C. Garden/M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361. 1047 S. Eichfelder, Steuerliche Bürokratiekosten: Eine Analyse der empirischen Literatur, StuW 2011, S. 38 (39); V. Breithecker/C. Garden/M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361 (366); K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 380 ff. 1048 Siehe dazu unten § 6 B. II. 1049 S. Eichfelder, Steuerliche Bürokratiekosten: Eine Analyse der empirischen Literatur, StuW 2011, S. 38 (41); S. Eichfelder/F. Vaillancourt, Tax compliance costs: A review of costs burdens and cost structures, 2014, S. 27. 1050 Siehe dazu auch C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 128, der hierzu ausführt: „Es kann aber festgehalten werden, daß sich das Kapitalertragsteuerverfahren für die Kreditinstitute, die Wertpapiere verwalten, als außerordentlich aufwendig erwiesen hat. Insbesondere für Privatbanken ist ein erheblicher Kostenfaktor gegeben.“ 1051 V. Breithecker/C. Garden/M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361 (363).
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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maligen Kosten getrennt werden.1052 Einmalige Kosten können etwa solche Kosten sein, die im Rahmen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung anfallen. Laufende Kosten sind insbesondere Kosten für den Betrieb der EDV Anlagen, die notwendig sind, um den Steuerabzug weitgehend maschinell bearbeiten zu können. Ferner kann nach der Belastungsquelle differenziert werden, also nach dem Auftreten von Kosten in bestimmten Verfahrensabschnitten.1053 Hier können Kosten insbesondere im allgemeinen oder besonderen Ermittlungsverfahren, Kosten im Rahmen des Quellensteuerabzugsverfahrens oder sonstige Kosten entstehen.1054 Kreditinstitute werden hierbei vor allem durch Kosten beim Quellensteuerabzug belastet. Schließlich lässt sich noch nach Art der Kosten unterscheiden. Es muss gefragt werden, welche Kosten in einem Kreditinstitut entstehen, die mit dem Kapitalertragsteuerverfahren ursächlich im Zusammenhang stehen. Dies sind vor allem Personalkosten, EDV Kosten, Raumkosten, Kosten für externe Dienstleister (z. B. WM Datenservice1055), weitere Sachkosten, Steuerberatungskosten und sonstige Kosten (z. B. Kommunikationskosten).1056 In diesen Bereichen fallen für die Kreditinstitute insbesondere hohe Kosten für Personal und EDV an.1057 Die Steuerung von Prozessen im Kapitalertragsteuerverfahren und die rechtliche Bewertung von Kapitalerträgen verlangen den Einsatz hochqualifizierten Personals. Da der Quellenabzug weitgehend automatisch erfolgt, muss auch eine belastbare IT Struktur geschaffen werden, welche die Anschaffung und ständige Wartung und Modernisierung der EDV Systeme umfasst. Fehler in diesen Bereichen können zur Haftung führen.1058 Daneben verlangen die bereits genannten Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten1059 entsprechende Räumlichkeiten zur Archivierung. Es kumulieren damit eine Vielzahl von Kosten in sämtlichen Bereichen des Kreditinstituts. Die aufgrund des Kapitalertragsteuerverfahrens kausal anfallenden Kosten können durch diese systematisierte Kostenstruktur im konkreten Einzelfall für ein Kreditinstitut näher bestimmt werden. Damit ist es möglich, eine individuelle Belastung feststellen und gegebenenfalls (z. B. durch partielles Outsourcing) auch optimieren zu können.
1052 R. Floehr/K. Tiepelmann, Belastungen der Unternehmen im Rahmen der Abgabenerhebung, WD 1985, S. 478 (479). 1053 V. Breithecker/C. Garden/M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361 (363). 1054 V. Breithecker/C. Garden/M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361 (363 f.). 1055 Siehe dazu oben § 3 A. I. 2. 1056 S. Eichfelder/P. Gurr, Komplexitätsbewältigung durch Steuerberatung? – Strategien zur Senkung steuerlicher Bürokratiekosten, DStR 2016, S. 429; V. Breithecker/C. Garden/ M. Thönnes, Steuerbelastung jenseits der Steuerbelastung, DStR 2007, S. 361 (365). 1057 S. Eichfelder, Steuerliche Bürokratiekosten: Eine Analyse der empirischen Literatur, StuW 2011, S. 38 (42). 1058 Siehe dazu oben § 4 A. III. 3. 1059 Siehe dazu oben § 3 B. IV.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
II. Gesamtwirtschaftliche Belastung von Kreditinstituten durch Steuerverwaltungskosten – Makroebene Die Belastungen der Kreditinstitute durch Steuerverwaltungskosten können zudem aus der Makroebene betrachtet werden, wodurch sich eine Gesamtbelastung der deutschen Kreditwirtschaft in Bezug auf die Normen des Kapitalertragsteuerrechts feststellen lässt. Diese Kosten wurden im Jahre 2006 erstmals umfassend in einer im Auftrag des Zentralen Kreditausschusses vorgenommenen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft ermittelt.1060 Dabei beschränkt sich die Studie nicht nur auf die Kostenhöhe, sondern untersucht ferner, welche Prozesse innerhalb des Kapitalertragsteuerrechts besonders kostenintensiv sind. Daraus lassen sich wertvolle Schlüsse ziehen, die es ermöglichen, das Kapitalertragsteuerrecht insoweit punktuell effizienter zu gestalten und Kosten zu reduzieren. 1. Methodik und Leitfälle der Studie Grundlage der Untersuchung bildet das Standardkostenmodell,1061 das allerdings leicht modifiziert wurde, um den Spezifika der Kreditwirtschaft gerecht zu werden. Im Rahmen von Befragungen wurde untersucht, wie hoch der zeitliche Aufwand eines Kreditinstituts zur Befolgung einer bestimmten steuerlichen Norm ist. Anschließend wurde der ermittelte zeitliche Rahmen mit den durchschnittlichen Lohnkosten eines Kreditinstituts multipliziert und noch durch sonstige Kosten (z. B. Sachkosten) erweitert. Um die Belastung der gesamten Kreditwirtschaft in dieser Branche ermitteln zu können, wurden diese Kosten mit der Zahl der betroffenen Kreditinstitute multipliziert.1062 Die Studie beschränkt sich auf bestimmte spezifische gesetzliche Pflichten und bezeichnet sie als sog. „Leitfälle“. Einer der untersuchten Leitfälle widmet sich der „Verpflichtung der Kreditinstitute, von bestimmten Kapitalerträgen Zinsabschlag/Kapitalertragsteuer einzubehalten, an das Finanzamt abzuführen und Steuerbescheinigungen auszustellen. Dabei sind erteilte Freistellungsaufträge und Nicht-Veranlagungsbescheinigungen zu berücksichtigen.“1063 Diese Verpflichtungen stellen den Kernbereich der Pflichten im Kapitalertragsteu1060
Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IDW) zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, abrufbar unter: https://www.fpmi.de/files/ fpmi/downloads/de/themen/Gutachten_Buerokratieabbau.pdf; zu Bedenken hinsichtlich dieser Studie siehe S. Eichfelder, Steuerliche Bürokratiekosten: Eine Analyse der empirischen Literatur, StuW 2011, S. 38 (43). 1061 Beim sog. Standardkostenmodell handelt es sich um eine aus den Niederlanden stammende wissenschaftliche Methode zur Berechnung von Bürokratiekosten, die auch von der Bundesregierung (insb. Statistisches Bundesamt) anerkannt ist. Siehe Handbuch der Bundesregierung zur Ermittlung und Reduzierung der durch bundesstaatliche Informationspflichten verursachten Bürokratielasten, 2006, S. 5 ff. 1062 Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, S. 5. 1063 Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, S. 8.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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errecht dar und können vorliegend als Grundlage weiterer Bewertungen herangezogen werden. 2. Gesamtkosten und Kostenverteilung Laut der Studie ergeben sich für den genannten Leitfall pro Jahr Bürokratiekosten in Höhe von 628 Mio. EUR. Die der Beurteilung zugrundeliegenden Daten stammen allerdings bereits aus dem Jahre 2005. Durch die Einführung der seit 2009 geltenden Abgeltungsbesteuerung sind die Pflichten weiter angestiegen,1064 sodass auch von einer weiteren erheblichen Steigerung der Kosten ausgegangen werden kann. Neben dem Leitfall der Kapitalertragsteuer wurden noch fünf weitere Leitfälle untersucht, bei denen es sich ebenfalls um branchenspezifische Aufgabenbereiche der Kreditinstitute handelt. So werden die Kreditinstitute auch in Bereichen der Geldwäsche, des statistischen Meldewesens, der Umsatzsteuer, der Ausstellung von Jahresbescheinigungen und durch das Kontenabrufverfahren durch Steuerverwaltungskosten belastet.1065 Insgesamt ermittelte das IDW in seiner hierbei eine Gesamtbelastung für die Kreditinstitute in Höhe von 2.005 Mio. EUR.1066 Verglichen mit der allein auf die Bewältigung des im Leitfall gegenständlichen Teils des Kapitalertragsteuerverfahrens anfallenden Kosten von knapp einem Drittel der Gesamtkosten wird die besondere Belastung in diesem Bereich noch sichtbarer. 3. Auswirkungen auf die Modernisierung des Kapitalertragsteuerrechts Geht man der Frage nach, wie ein Besteuerungsverfahren effizienter gestaltet werden kann, muss man sich zunächst mit den einzelnen bankinternen Prozessen beschäftigen. Hat man hier die Kostentreiber analysiert, kann man in einem weiteren Schritt versuchen, diese punktuell durch eine Änderung von Vorschriften zu modernisieren, indem weniger arbeitsintensive, aber gleich wirksame Lösungen gefunden werden. Die Studie ist hierzu aufschlussreich. Darin wurde festgestellt, dass insbesondere die Bearbeitung von Freistellungsaufträgen einen „wesentlichen kostentreibenden Faktor“ darstellt. Die Kreditinstitute müssen diese zur Verfügung stellen, entgegennehmen, in die Systeme einpflegen bzw. löschen oder ggfs. ändern. Dabei müssen sie geschultes Personal einsetzen und ein belastbares EDV System installieren und betreiben.1067 Hier schließt sich der Kreis zum oben vorgestellten Modell der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Rahmen des Freistel-
1064
Siehe dazu oben § 2 A. B. Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, S. 8 f. 1066 Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, S. 9. 1067 Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH zu den Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft, 2006, S. 63 f. 1065
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
lungsauftrags.1068 Es zeigt sich, dass das Kapitalertragsteuerrecht gerade in diesem Bereich ein erhebliches Verbesserungspotential bietet, das genutzt werden sollte. Das neue Modell leistet nicht nur einen Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts, es entbürokratisiert gleichzeitig und verringert zudem die Steuerverwaltungskosten.
E. Die Belastung von Kreditinstituten durch Reputationsrisiken bzw. Reputationsschäden Ein wichtiges, aber bisweilen eher wenig diskutiertes Risiko für Unternehmen sind Belastungen durch sog. Reputationsschäden.1069 Unter Reputation versteht man gemeinhin das auf Erfahrungen gestützte Ansehen und Vertrauen, das einem Unternehmen von anderen Akteuren entgegengebracht wird.1070 Es handelt sich dabei um Wahrnehmungen, die entweder bewusst oder unbewusst mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werden1071 und damit wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung desselben haben. Gerade der Bereich des Kreditwesens stellt einen sehr sensiblen Bereich dar, in dem der Ruf eines Unternehmens für die Entscheidung eines Kunden von besonderer Bedeutung ist (z. B. bei der Anlage zur Altersvorsorge). Wie die Reputation einer ganzen Branche leiden kann, zeigte sich vor allem in der im Jahre 2007 beginnenden Wirtschaftskrise, in der viele Kreditinstitute in existenzbedrohende Situationen verfielen.1072 Ausgangspunkt von Reputationsverlusten sind dabei meist öffentliche Berichterstattungen über eine Geschäftspraxis oder -beziehung.1073 Ein solches sog. Reputationsereignis1074 kann auch Bereiche des Kapitalertragsteuerverfahrens erfassen. So berichtete etwa die Financial Times Deutschland im Jahre 2010, dass hunderttausende Steuerbelege für Kunden noch nicht verschickt wurden und es dadurch zu monatelangen Verzögerungen kommen wird. Betroffen seien vor allem Depotinhaber der Deutschen Bank, Commerzbank, Dresdner Bank 1068
Siehe dazu oben § 3 A. VI. 1. f). G. Waschbusch/J. Knoll/D. Weyers de Vasconcelos, Reputationsrisiken in der Bankbranche – Eine ernstzunehmende Gefahr?!, StB 2013, S. 396; I. Brosig, BenchmarkManipulation, 2018, S. 45. 1070 E. Winter, Gabler Wirtschaftslexikon Buchstaben Pf-S, 18. Aufl. 2014, S. 2728. 1071 J. Süchting, Bankmanagement, 2. Aufl. 1987, S. 405. 1072 Mitteilung der KPMG AG, Management und Controlling von Reputationsrisiken, abrufbar unter: https://kpmg.de/docs/factsheet_Reputationsrisiken.pdf; K. Füser/M. Dörr/ T. Stetter/K. Fischer, Reputationsrisiken im Risikomanagement (Teil 1), Risiko-Manager 2008, S. 1 (6). 1073 T. Grützner/A. Jakob, Compliance von A-Z, 2. Aufl. 2015, S. 198. 1074 Siehe dazu die Übersicht bei G. Waschbusch/J. Knoll/D. Weyers de Vasconcelos, Reputationsrisiken in der Bankbranche – Eine ernstzunehmende Gefahr?!, StB 2013, S. 396 (401) und K. Füser/M. Dörr/T. Stetter/K. Fischer, Reputationsrisiken im Risikomanagement (Teil 1), Risiko-Manager 2008, S. 1 (7). 1069
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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und Targobank. Grund für diese Verzögerungen waren Umstellungsprobleme in den Abrechnungssystemen der Kreditinstitute.1075 Solche Ereignisse können bei den betroffenen Kreditinstituten – neben Schadensersatzansprüchen1076 – auch zu Reputationsschäden führen1077 und damit doppelt belastend wirken. Denn der Kunde erwartet, dass ein Kreditinstitut entsprechende Qualitätsstandards erfüllt und insbesondere die steuerliche Abwicklung ordnungsgemäß vornimmt.1078 Wird ein Kreditinstitut diesem Anspruch nicht gerecht, kann es vorkommen, dass entweder Kunden zu anderen Instituten wechseln bzw. potentielle Kunden abgeschreckt werden. Dies führt zu einem Kundenrückgang und schließlich zu Umsatzeinbußen. Daneben kann eine schlechte Reputation auch Probleme im Bereich des Recruiting verursachen. Denn ist ein Unternehmen erst einmal negativ in den Schlagzeilen, wirkt sich das auch auf potentielle Interessenten aus.1079 Das Reputationsrisiko verwirklicht sich in diesen Fällen in einem Reputationsschaden.1080 Auf der anderen Seite können sich durch eine gute Reputation auch Wettbewerbsvorteile gegenüber einem Konkurrenten ergeben.1081 Allerdings zeigt die Erfahrung, dass ein Vertrauensverlust bereits durch ein einmaliges Ereignis eintreten kann, wohingegen der Aufbau einer guten Reputation einen langwierigen, über mehrere Jahre andauernden Prozess darstellen kann.1082 Insgesamt ist das Reputationsrisiko ein weniger sichtbares, aber nicht minder gefährliches Risiko für ein Kreditinstitut.
F. Zusammenfassung und Ergebnis von § 4 1. Unterlaufen dem Kreditinstitut Fehler im Kapitalertragsteuerverfahren, hat es mit Konsequenzen zu rechnen. Vorwiegend droht dabei eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gegenüber dem Fiskus für die zu wenig entrichtete Kapital1075 Siehe Bericht der Financial Times Deutschland v. 4. 5. 2010, Computer-Chaos bei Deutschlands Banken – Hundertausende Steuerbelege für Kunden noch nicht verschickt – Monatelange Verzögerungen; C. Böing/T. Kaiser/I. Schäl, in: Kaiser, Wettbewerbsvorteil Risikomanagement, 2007, S. 229. 1076 Siehe dazu oben § 4 A. III. 2./3. 1077 So auch K. Füser/M. Dörr/T. Stetter/K. Fischer, Reputationsrisiken im Risikomanagement (Teil 1), Risiko-Manager 2008, S. 1 (8). 1078 G. Waschbusch/J. Knoll/D. Weyers de Vasconcelos, Reputationsrisiken in der Bankbranche – Eine ernstzunehmende Gefahr?!, StB 2013, S. 396 (398). 1079 K. Moosmayer, Compliance, 3. Aufl. 2015, Rn. 69. 1080 Ist ein Kreditinstitut börsennotiert, kann sich ein solches Ereignis auch direkt auf den Unternehmenswert (Aktienkurs) auswirken; siehe C. Böing/T. Kaiser/I. Schäl, in: Kaiser, Wettbewerbsvorteil Risikomanagement, 2007, S. 229. 1081 C. Sieler, Präventives Reputationsmanagement, Risiko-Manager, 2007 Heft 11, S. 1; G. Waschbusch/J. Knoll/D. Weyers de Vasconcelos, Reputationsrisiken in der Bankbranche – Eine ernstzunehmende Gefahr?!, StB 2013, S. 396 (400). 1082 H. Pontzen/F. Romeike, Risks of risks, Risk, Compliance & Audit 2009, Heft 1, S. 5.
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2. Teil: Die steuerrechtliche Stellung der Kreditinstitute
ertragsteuer. Daneben können noch weitere Konsequenzen hinzukommen wie etwa Zwangsgelder, Verspätungszuschläge oder Säumniszuschläge. Diese Instrumente dienen der Sicherung des Abzugsverfahrens und belasten gleichzeitig die Kreditinstitute. Diese Belastung erhöht sich ferner durch die Rechtsschutzmöglichkeiten ihrer Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge. Denn auch sie können bei Fehlern im Abzugsverfahren gegen das Kreditinstitut vorgehen. Insoweit befinden sich die Kreditinstitute im Spannungsverhältnis zwischen zwei potentiellen Haftungsgläubigern. Wird ein Fehler im Verfahren begangen, ist die Wahrscheinlichkeit daher hoch, zumindest von einem der beiden in Anspruch genommen zu werden. 2. Fehler im Abzugsverfahren können auch im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts sanktioniert werden. Das Kreditinstitut kann hier selbst Adressat eines entsprechenden Bußgelds sein. Die AO kennt mit der Gefährdung von Abzugsteuern nach § 380 AO und der Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 50e EStG auch spezielle auf das Kapitalertragsteuerrecht zugeschnittene Tatbestände. 3. Die härtesten Konsequenzen birgt jedoch das Strafrecht. Da dem deutschen Strafrecht eine Unternehmensstrafbarkeit fremd ist, kommt nur eine individuelle Strafbarkeit der Vertreter des Kreditinstituts in Betracht. Wird eine Kapitalertragsteuer fehlerhaft oder zu spät angemeldet, kann sich eine strafbare Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO ergeben. Werden zu Unrecht Steuerbescheinigungen ausgestellt, die der Gläubiger der Kapitalerträge einsetzt, um im Rahmen der Veranlagung Steuererstattungen zu erlangen, kann dies eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung darstellen. Schließlich kann sich auch eine Untreuestrafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB ergeben, wenn einbehaltene Kapitalertragsteuern vom Kreditinstitut zweckwidrig verwendet werden. Die strafrechtlichen Konsequenzen können für die betroffenen Vertreter der Kreditinstitute existenzvernichtende Wirkung haben. 4. Neben den rechtlichen Konsequenzen werden die Kreditinstitute auch durch wirtschaftliche Konsequenzen belastet. Um ihren aus dem Kapitalertragsteuerrecht erwachsenden Pflichten nachkommen zu können, müssen sie einen enormen Aufwand betreiben, der sich in entsprechenden Steuerverwaltungskosten niederschlägt. Innerhalb eines Kreditinstituts sind vor allem die Personal- und EDV-Kosten die wesentlichen Kostentreiber. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ergab eine Studie des IDW für den untersuchten Leitfall eine Gesamtbelastung der Kreditinstitute im Bereich der Erfüllung ihrer kapitalertragsteuerlichen Pflichten i. H. v. 628 Mio. EUR für das Jahr 2005. Es wurde festgestellt, dass die Bearbeitung von Freistellungsaufträgen hier besonders aufwändig ist. Daher bieten sich gerade in diesem Bereich – bereits vorgeschlagene – Modernisierungen an. Da die Pflichten rund um die Einführung der Abgeltungsbesteuerung im Jahre 2009 nochmal gestiegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Kosten weiter erhöhten.
§ 4 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für die Kreditinstitute
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5. Schließlich dürfen die mit dem Kapitalertragsteuerabzug im Zusammenhang stehenden Reputationsrisiken nicht unberücksichtigt bleiben. Werden Fehler im Verfahren gemacht, kann dies in der Öffentlichkeit schnell zu einem Vertrauensverlust bezüglich des betroffenen Kreditinstituts führen. Verliert das Kreditinstitut dadurch Kunden, realisiert sich das Reputationsrisiko in einem Reputationsschaden. 6. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es ein Konvolut von Konsequenzen gibt, das einem Kreditinstitut bei Fehlern im Kapitalertragsteuerverfahren droht. Dies führt dazu, dass sie sehr genau darauf zu achten haben, ihren steuerlichen Pflichten bestmöglich nachzukommen, um die drohenden Risiken gering zu halten. Daneben werden sie unvermeidlich durch hohe Steuerverwaltungskosten belastet.
3. Teil
Die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Perspektive Der vorangehende Teil der Untersuchung beschäftigte sich mit der steuerrechtlichen Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren. Die Stellung der Kreditinstitute hat darüber hinaus noch zwei weitere Dimensionen, eine verwaltungsrechtliche (§ 5) und eine verfassungsrechtliche (§ 6). Die verwaltungsrechtliche Dimension wurzelt in der Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Staat und privatem Kreditinstitut darstellt. Insbesondere ist hierbei problematisch, ob die Kreditinstitute ihre Pflichten vorwiegend für den Steuerschuldner oder für den Staat erfüllen, ob sie selbst hoheitlich tätig werden oder lediglich ihren durch Gesetz auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten nachkommen und welche Folgen sich aus dieser Einordnung für die am Besteuerungsverfahren Beteiligten ergeben. Die verfassungsrechtliche Perspektive ist eine Konsequenz der verwaltungsrechtlichen Einordnung und beleuchtet die Frage, ob bzw. inwieweit eine Einbindung von Kreditinstituten in die Besteuerung von Kapitalerträgen rechtlich zulässig ist. Hier geht es darum, die verfassungsrechtlichen Grenzen der Heranziehung von Kreditinstituten zur Steuererhebung zu definieren und den jetzigen de lege lata bestehenden Zustand einer grundrechtlichen Prüfung zu unterziehen.
§ 5 Die verwaltungsrechtliche Qualifizierung des Verhältnisses zwischen Kreditinstitut und Staat Um das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat beantworten zu können, stellt sich als Ausgangsfrage, für wen das Kreditinstitut überhaupt tätig wird (A.). Denn wird es nur für den Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner tätig, wird schon keine staatliche Aufgabe wahrgenommen und eine verwaltungsrechtliche Qualifizierung damit obsolet. Wird hingegen (zumindest partiell) eine staatliche Aufgabe vom Kreditinstitut wahrgenommen, stellt sich im Weiteren die Frage nach der dogmatischen Einordnung dieser Rechtsbeziehung. Eine gesetzliche Kodifikation fehlt insoweit.1083 Über die Jahre hinweg wurden hierfür einige Rechtsinstitute entwickelt, um diesem Verhältnis rechtliche Konturen 1083
J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (499).
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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zu verleihen.1084 Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Intensität der Einbindung des Privaten in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben.1085 Diese Rechtsinstitute können als Gewohnheitsrecht eingestuft werden.1086 Das bekannteste und zugleich älteste Rechtsinstitut ist das der Beleihung (B.). Die Beleihung ist abzugrenzen von den Rechtsinstituten der Verwaltungshilfe (C.) und der Indienstnahme Privater (D.). Eine trennscharfe Einordnung und Abgrenzung dieser Institute kann schwierig sein und führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen.1087 Sie ist aber notwendig vorzunehmen, da an die einzelnen Institute unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen1088 und sie zudem unterschiedlich stark in die Grundrechte der Privaten – vorliegend der Kreditinstitute – eingreifen.
A. Die Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe durch die Kreditinstitute Den Rechtsinstituten der Beleihung, der Verwaltungshilfe und der Indienstnahme ist gemein, dass jeweils – wenn auch in unterschiedlichem Umfang – eine staatliche Aufgabe einem Privaten zugewiesen ist und von diesem ausgeführt wird. Ordnet man die Tätigkeit der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerrecht hingegen als originär private Aufgabe ein, so bedürfe es keiner verwaltungsrechtlichen Qualifizierung mehr. Es handelte sich dann schlichtweg um eine im subordinativen Verhältnis auferlegte Pflicht zu einem bestimmten Tätigwerden. Wie die Rechtsnatur der Tätigkeit eines Entrichtungspflichtigen im Rahmen eines Steuerabzugsverfahrens zu qualifizieren ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Einordnung des Steuerabzugs als originär private Aufgabe wird von einigen Autoren zum vergleichbaren Lohnsteuerverfahren vertreten.1089 Dabei wird argu1084 A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 266 (275 f.). 1085 M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997, S. 1997 (1998). 1086 Recht kann als Gewohnheitsrecht eingestuft werden, wenn es auf einer lang andauernden tatsächlichen Übung beruht (longa invetereta consuetudo) und nach allgemeiner Überzeugung auch rechtsverbindlich ist (opinio necessitatis), siehe T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 23. Bei den Rechtsinstituten der Beleihung, Verwaltungshilfe und Indienstnahme Privater kann dies bejaht werden. Sie wurden bereits vor vielen Jahrzehnten entwickelt und in Literatur und Rechtsprechung angewandt und fortentwickelt. Dies zeigen insbesondere die folgenden Ausführungen. 1087 A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 266 (299 ff.); G. Kiefer, Regelungsbedarf und Gestaltungsspielräume bei der Beleihung, LKRZ 2009, S. 441 (442). 1088 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (500). 1089 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 67 ff.; G. Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerabführungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, S. 1233, wonach sich die Tätigkeit der
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
mentiert, dass der Arbeitgeber durch den Steuerabzug im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Steuern zu bezahlen, erfülle. Zwar liege dieses Anliegen im Interesse des Staats, doch war der Steuerabzug nie öffentliche Aufgabe, sondern nur die Erhebung und die Festsetzung der Einkommensteuer.1090 Begründet wird diese Ansicht insbesondere damit, dass die Aufgabe des Steuerabzugs seit seinem Bestehen durch den Arbeitgeber und nicht vom Staat ausgeführt oder dem Arbeitgeber später zugewiesen wurde. Die Aufgabe wurde auch nicht bei ihrer Entstehung dem Arbeitgeber zugewiesen. Dies ergebe sich u. a. aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG, wonach der Arbeitgeber die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ einbehält und damit nicht für den Staat.1091 Diese Formulierung findet sich inhaltsgleich in § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach die Kreditinstitute den Steuerabzug „für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge“ vorzunehmen haben. Daneben sei der Steuerabzug dem Staat nicht durch den steuerlichen Untersuchungsgrundsatz1092 übertragen. Zwar trage die Finanzbehörde die Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts, doch gebe es Bereiche, in denen den Steuerschuldner aufgrund seiner Nähe zum Sachverhalt eine eigene Mitverantwortung trifft, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Beim Lohnsteuerabzug sei genau dies der Fall. Ohne die Mitwirkung des Steuerschuldners wäre es den Finanzbehörden nicht möglich, den besteuerungsrelevanten Sachverhalt aufzuklären. Diese Pflicht erstrecke sich aufgrund seiner Sachnähe gleichermaßen auf den Arbeitgeber als Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers.1093 Es handle sich also um eine im Interesse des Arbeitnehmers stehende private Pflicht zur Mitwirkung, die vom Arbeitgeber partiell wahrgenommen wird, sich aber nicht in eine Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe wandele und damit eine private Aufgabe bleibe. Dieser Ansicht wird im Schrifttum weitgehend entgegengetreten.1094 Es wird vorgebracht, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Steuerabzugs eine staatliche Kreditinstitute beim Steuerabzug „noch völlig in der Sphäre der dem Steuerschuldner obliegenden Verpflichtungen“ halte; vermittelnd K.-D. Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG Band 31 2008, S. 167 (169 ff., 172), der den Steuerabzug nicht als „staatliche Alleinaufgabe“ (Hervorh. d. Verf.) beschreibt. 1090 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 67. 1091 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 68 f. 1092 Siehe dazu auch oben unter § 3 A. I. 2. 1093 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 68 ff. 1094 O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 21 ff.; so auch siehe A. Meyer, in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK EStG, 7. Ed. 2020, § 38 Rn. 32; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 87, 94 f., der ausführt, dass der „Arbeitgeber Aufgaben der Steuerverwaltung wahrzunehmen hat“ und ihm daher „ein Stück öffentlicher Verwaltung im Sinne einer staatlichen Aufgabe zur Ausübung übertragen“ ist. Ferner stellen „die mit dem Lohnsteuerabzugsverfahren zusammenhängenden Aufgaben bereits kraft Verfassungsrechts staatliche Verwaltungsaufgaben“ dar; siehe zudem C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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Aufgabe wahrnimmt. Der Aussagegehalt des § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG erschöpfe sich darin, dass die Steuer für den Steuerschuldner, also den Arbeitnehmer, einbehalten wird, um eine spätere Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG zu ermöglichen. Damit sei aber nicht gesagt, dass es sich beim Einbehalt um eine originär private Aufgabe handle.1095 Ferner wird darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber gerade nicht im Auftrag des Arbeitnehmers tätig werde, sondern aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung gemäß §§ 38 ff. EStG. Andernfalls würde der Staat den Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmers zur Durchführung des Steuereinbehalts verpflichten, wobei nicht ersichtlich sei, woraus sich ein solches Interesse des Staats ergeben solle. Schließlich liege es aus rein egoistischen Gründen nicht im Interesse des Arbeitnehmers, überhaupt besteuert zu werden, sodass er auch kein Interesse habe, dass der Arbeitgeber für ihn die Steuern an den Fiskus abführt.1096 Die Argumente beider Ansichten halten sich die Waage, wobei letzterer aus nachfolgenden Erwägungen gefolgt wird. Bei der Verwaltung und der Erhebung von Steuern handelt es sich um eine genuine Staatsaufgabe.1097 Diese Grundaussage findet in Art. 108 Abs. 1 GG seinen Anker.1098 Einfach-rechtlich weist § 85 AO den Finanzbehörden insbesondere die Pflicht zur Erhebung der Steuern zu. Wie aber das Kapitalertragsteuerverfahren zeigt, erfüllen die Finanzbehörden größtenteils nur noch überwachende Funktion. Die Kerntätigkeiten der Besteuerung werden von den Kreditinstituten vorgenommen. Diese umfassen nicht nur den Steuerabzug, der nur einen kleinen Teil des Verfahrens darstellt, sondern gehen viel weiter und beginnen schon bei der Prüfung der Steuerpflicht des Gläubigers der Kapitalerträge. Die Kreditinstitute erfüllen damit partiell Aufgaben, die eigentlich der Staat zu erfüllen hätte. Dies kann anhand der folgenden Hypothese belegt werden: Denke man sich das Kapitalertragsteuerverfahren hinweg, müsste das Besteuerungsverfahren von den Finanzbehörden – und damit unstreitig als staatliche Aufgabe – ausgeführt werden. Allein der Umstand, dass mit den Kreditinstituten eine dritte Person in dieses Verfahren eingeschaltet wird, kann damit nicht zu einer Umqualifizierung einer staatlichen Aufgabe in eine private Aufgabe führen. Dass der Steuerabzug „für Rechnung“ des Steuerschuldners erfolgt, steht dem nicht entgegen, da diese Formulierung nur besagt, dass durch die Abführung der Steuer vom Kreditinstitut an den Fiskus die Verpflichteten, 2010, S. 50 ff.; D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater am Beispiel der entschädigungslosen Inanspruchnahme der Kreditinstitute für das Kontenabrufverfahren, WM 2010, S. 193 (194); J. Dahm, Banken im Spannungsfeld zwischen Staat und Kunden, WM 1996, S. 1285 (1286 f.). 1095 O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 21. 1096 O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 22; so auch C. Seiler, Indienstnahme Privater im Besteuerungsverfahren, in: FS BFH, 2018, S. 1761 (1771), der ausführt, dass „Steuern stets im Alleininteresse des Staates erhoben werden.“ 1097 Siehe oben unter Fn. 1. 1098 Siehe dazu auch unten § 6 A. II.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Steuerschuld (als Bringschuld1099) des Gläubigers der Kapitalerträge getilgt wird. Die gesetzliche Formulierung muss so lauten, da das Kreditinstitut die Steuer selbst gerade nicht schuldet. Zugegebenermaßen kann aus dieser Formulierung zwar herausgelesen werden, der Abzug werde für den Steuerschuldner, also in dessen Interesse, ausgeführt, doch schließt dies im Gegenzug nicht aus, dass damit – zumindest auch – eine staatliche Aufgabe erfüllt wird. Denn das Kreditinstitut erfüllt durch den Steuerabzug primär seine eigene, ihm als Entrichtungspflichtiger nach den §§ 43 ff. EStG i. V. m. § 33 Abs. 1 AO auferlegte Pflicht1100 und nicht eine private Pflicht gegenüber dem Steuerschuldner, von dem er auch nicht zum Steuerabzug beauftragt wurde. Aus diesen Gründen ist die Ausübung einer staatlichen Aufgabe durch die Kreditinstitute im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens zu bejahen. Dieser Befund wird durch die Kuponsteuerentscheidung gestärkt, worin das BVerfG – wenn auch ohne nähere Begründung – die Tätigkeit der Kreditinstitute beim Kapitalertragsteuerabzug als Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe bezeichnet.1101 Gleicher Ansicht ist der BGH, der in der Wahrnehmung des Steuerabzugs durch die Kreditinstitute die „Erfüllung staatlicher Aufgaben“ erblickt.1102
B. Die Kreditinstitute als staatlich Beliehene Beim Rechtsinstitut der Beleihung handelt es sich um ein besonders traditionsreiches Modell der Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft.1103 Ob sie eine Form der Privatisierung darstellt, ist umstritten,1104 kann hier jedoch offen bleiben. Jedenfalls ist Kennzeichen der Beleihung, dass staatlich verwaltete Bereiche „an die freie, in den Bahnen des Privatrechts organisierte Gesellschaft“ zurückgegeben werden.1105 Ferner dient die Beleihung insbesondere der Entlastung der
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Klein/E. Ratschow, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 47 Rn. 6. Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. 1101 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386) – Kuponsteuer. 1102 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 (265). 1103 M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (584); M. Heintzen, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 220 (240). 1104 Eine Privatisierung verneinend G. Kirchhof, Rechtsfolgen der Privatisierung, AöR 2007, S. 215 (222 f.); M. Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 52. Lfg. 2008, Art. 86 Rn. 76; bejahend M. Droege, Bundeseigenverwaltung durch Private?, DÖV 2006, S. 861 (864); M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (585 f.); U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 585 (S. 589). 1105 U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 585. 1100
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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Verwaltung von komplexen und ressourcenaufwändigen staatlichen Aufgaben.1106 In einer rechtsfolgenorientierten Betrachtung werden zunächst die Konsequenzen einer Einordnung von Kreditinstituten als staatlich Beliehene erörtert (I.), um im Anschluss anhand des jetzigen Begriffsverständnisses der Beleihung (II.) untersuchen zu können, ob das Verhältnis von Kreditinstituten zum Staat als ein solches zu qualifizieren ist (III.). Dieser Methodik folgt auch die nachfolgende Einordnung als Verwaltungshilfe1107 bzw. als Indienstnahme Privater1108. I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Beleihung Der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Beliehene zählt zur vollziehenden Gewalt nach Art. 1 Abs. 3 GG.1109 Soweit er öffentlich-rechtlich tätig wird, tritt er als Verwaltungsträger1110 – und nicht als klassische Behörde1111 – i. S. d. § 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz1112 auf und kann von hoheitlichen Maßnahmen Gebrauch machen, also insbesondere Verwaltungsakte erlassen.1113 Ordnet man Kreditinstitute als Beliehene ein, ergeben sich daraus mehrere Konsequenzen. Zunächst würde das bedeuten, dass das Kreditinstitut im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens aufgrund staatlicher Hoheitsgewalt tätig wird, sodass es als Amtswalter in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt. Dies eröffnet die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG.1114 Unterlaufen dem Kreditinstitut Fehler im Kapitalertragsteuerverfahren, 1106 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 668; A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 266 (268); M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (584). 1107 Siehe dazu unten § 5 C. 1108 Siehe dazu unten § 5 D. 1109 G. Kiefer, Regelungsbedarf und Gestaltungsspielräume bei der Beleihung, LKRZ 2009, S. 441 (444). 1110 Dies hat zudem zur Folge, dass die Befangenheitsregelungen der §§ 20 f. VwVfG anwendbar sind (siehe M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 30). Kreditinstitute müssten dann prüfen, ob sie bei bestimmten Kunden überhaupt hoheitlich tätig werden dürften, was in der Praxis nur schwer möglich sein dürfte. 1111 M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (593). 1112 Verwaltungsverfahrensgesetz v. 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253), in der Fassung der Bekanntmachung v. 23. 1. 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 21. 6. 2019 (BGBl. I S. 846). 1113 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 669; H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 359. 1114 G. Kiefer, Regelungsbedarf und Gestaltungsspielräume bei der Beleihung, LKRZ 2009, S. 441 (445); B. Schmidt am Busch, Die Beleihung: Ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, S. 533 (541 ff.); M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (593).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
müsste grundsätzlich der Staat als beleihende Stelle gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge haften1115 und nicht das Kreditinstitut nach dem Schadensersatzrecht des Privatrechts. Sofern das Kreditinstitut grob fahrlässig handelte, käme ein Regressanspruch des Staats gegen das Kreditinstitut nach Art. 34 Satz 2 GG in Betracht.1116 Ferner endet die staatliche Erfüllungsverantwortung für öffentliche Aufgaben nicht mit der Übertragung dieser Aufgaben an ein Subjekt des Privatrechts.1117 Aus dem Demokratie- bzw. dem Rechtsstaatsprinzip1118 folgt, dass der Staat dieser Verantwortung im Wege der Fach- bzw. Rechtsaufsicht gerecht werden muss.1119 Er muss die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben durch den Beliehenen kontinuierlich überprüfen und sicherstellen.1120 Schließlich kennzeichnet die Beleihung, dass der Beliehene hinsichtlich seiner finanziellen Aufwendungen, die er im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung zu tragen hatte, entschädigt wird.1121 Dies geschieht vorwiegend auf zwei Wegen. Entweder der Staat nimmt einen finanziellen Ausgleich selbst vor oder er ermächtigt den Beliehenen zugleich, seine Aufwendungen durch die Erhebung von Gebühren zu decken.1122 Die Annahme einer Beleihung im Kapitalertragsteuerrecht hätte gerade hinsichtlich der Aufwandsentschädigung enorme Konsequenzen. Denn dann 1115 BGH, Urt. v. 2. 2. 2006, III ZR 131/05, NVwZ 2006, S. 966; BGH, Urt. v. 16. 9. 2004, III ZR 346/03, BGHZ 160, S. 216 (228); BGH, Urt. v. 4. 6. 1992, III ZR 93/91, BGHZ 118, S. 304 (311); BGH, Urt. v. 11. 1. 1973, III ZR 32/71, NJW 1973, S. 458; BGH, Urt. v. 30. 11. 1967, VII ZR 34/65, BGHZ 49, S. 108 (115 ff.); T. v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 2, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 121. 1116 T. v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar Band 2, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 122 ff.; G. Kiefer, Regelungsbedarf und Gestaltungsspielräume bei der Beleihung, LKRZ 2009, S. 441 (445). 1117 M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 29. 1118 B. Schmidt am Busch, Die Beleihung: Ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, S. 533 (539); J. Klement, Ungereimtes in der Beleihungsdogmatik des BGH, VerwArch 2010, S. 112 (117); F. Kirchhof, Die Rechtsinstitute von Verwaltungshilfe und Beleihung im Sog zunehmender funktionaler Privatisierung, in: FS Rengeling, 2008, S. 127 (137 f.); D. Ehlers/ J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 276. 1119 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 668; B. Schmidt am Busch, Die Beleihung: Ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, S. 533 (539 f.). 1120 B. Schmidt am Busch, Die Beleihung: Ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, S. 533 (539); H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 668; B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 33; R. Michaelis, Der Beliehene, 1969, S. 154 ff. 1121 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 668 f.; O. Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, 2004, S. 205 ff. 1122 B. Schmidt am Busch, Die Beleihung: Ein Rechtsinstitut im Wandel, DÖV 2007, S. 533 (539); O. Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, 2004, S. 207 f.
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müssten die Kreditinstitute für ihre Tätigkeit schon nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts entschädigt werden, was bis dato nicht der Fall ist. II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Beleihung Privater Die Grundidee des Rechtsinstituts der Beleihung stammt ursprünglich aus der Feder von Otto Mayer, der diese Theorie erstmals in seiner Schrift „Deutsches Verwaltungsrecht“ von 1896 in den rechtswissenschaftlichen Diskurs einführte.1123 Dort spricht er von der sog. „Verleihung öffentlicher Unternehmungen“.1124 Schon damals betonte er die noch heute weitgehend geltenden – wenngleich auch näher präzisierten – Voraussetzungen einer Beleihung.1125 Maßgebliche Kriterien sind demnach „die Macht, eine gewisse Thätigkeit zu üben“, die nicht „nur im Namen und in Vertretung des Staates geübt“ wird, sondern „im eigenen Namen des Beliehenen und für eigene Rechnung“. Maßgebliches Kennzeichen einer Beleihung ist nach Mayers Grundvorstellung, dass „ein Stück der öffentlichen Verwaltung“ an einen Beliehenen übertragen wird.1126 Bis dato hat sich kein uniformes Verständnis dieses Rechtsinstituts herausgebildet, sodass auch die Voraussetzungen der Beleihung nicht ganz einheitlich sind.1127 Im Wesentlichen werden zwei Theorien vertreten: Der sog. Aufgabentheorie liegt zugrunde, dass lediglich staatliche Aufgaben auf natürliche oder juristische Personen des Privatrechts übertragen werden.1128 Dieses sehr weite Begriffsverständnis führt allerdings zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zum Rechtsinstitut der Indienstnahme.1129 Daher folgt die h. M. zu Recht der sog. Rechtstellungs- bzw. Be1123
O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Band 2, 1896, S. 294 ff. Die „Verleihung“ meint nach den Ausführungen Otto Mayers „einen Verwaltungsakt, durch welchen einem Unterthanen Macht gegeben wird über einen Gegenstand der öffentlichen Verwaltung“. Denjenigen, der öffentliche Unternehmungen übertragen bekommt, nennt er Beliehener. Über die Jahre hinweg hat sich allein der Begriff der Beleihung durchgesetzt. 1125 Die von Mayer entwickelten Grundsätze der Beleihung wurden in den fünfziger Jahren durch Ernst Rudolf Huber und Klaus Vogel maßgeblich weiterentwickelt. Huber schränkte dabei insbesondere den Kreis der Beleihungsadressaten auf Subjekte des Privatrechts ein (E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 1953, S. 533 ff.). Vogel hingegen kritisierte den unternehmerisch geprägten Beliehenenbegriff und plädierte für dessen Auflösung (K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, 1959, S. 60 ff.). Diese Weiterentwicklungen finden sich auch noch im derzeit herrschenden Begriffsverständnis der Beleihung. Siehe dazu ausführlich H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 73 ff. 1126 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Band 2, 1896, S. 295. 1127 G. Kiefer, Regelungsbedarf und Gestaltungsspielräume bei der Beleihung, LKRZ 2009, S. 441 (442); H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1989, S. 71. 1128 U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 49. 1129 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 275; D. Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch 1124
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fugnistheorie, wonach eine Beleihung vorliegt, wenn natürliche oder juristische Personen des Privatrechts Verwaltungsaufgaben erfüllen, wobei ihnen kraft eines Beleihungsakts die Befugnis verliehen wurde, diese selbstständig und im eigenen Namen nach den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen.1130 Dadurch werden Verwaltungs- und Entscheidungskompetenzen übertragen. Der Beliehene trifft eine eigene Entscheidung, in eigener Kompetenz und mit Bindungswirkung für den Bürger und auch die Verwaltung.1131 Er erbringt eine funktional abgetrennte Verwaltungstätigkeit „aus einer Hand“.1132 Dabei unterliegt der Beleihungsakt, durch den hoheitliche Befugnisse auf einen Privaten übertragen werden, einem ungeschriebenem Gesetzesvorbehalt.1133 Der Beliehene bleibt jedoch Subjekt des Privatrechts und wird lediglich als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung tätig.1134 Gegenüber Dritten handelt er daher insoweit öffentlich-rechtlich, als ihm hierzu Befugnisse übertragen wurden. Diesbezüglich ist er auch grundrechtsverpflichtet.1135 Im Übrigen wird er privatrechtlich tätig.1136 Die Beleihung findet ihre Verwaltungshelfer, 1997, S. 17; S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 33; zum Rechtsinstitut der Indienstnahme siehe unten § 5 D. 1130 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 667 f.; M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 24; H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 359; D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 275; B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31; G. Kirchhof, Rechtsfolgen der Privatisierung, AöR 2007, S. 215 (223); M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (585 ff.); BVerwG, Urt. v. 22. 11. 1994, 1 C 22.92, BVerwGE 97, S. 117 (119 f.); BVerwG, Beschl. v. 6. 3. 1990, 7 B 120.89, DVBl 1990, S. 712 (713); BVerwG, Urt. v. 14. 8. 1986, 3 C 17/86, ZLA 1987, S. 22 (24). 1131 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1992, S. 451 f.; J. Dahm, Banken im Spannungsfeld zwischen Staat und Kunden, WM 1996, S. 1285 (1286); U. Steiner, Der „beliehene Unternehmer“, JuS 1969, S. 69 (71); F. Kirchhof, Die Rechtsinstitute von Verwaltungshilfe und Beleihung im Sog zunehmender funktionaler Privatisierung, in: FS Rengeling, 2008, S. 127 (129). 1132 M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 25. 1133 M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (588 ff.); G. Kiefer, Die Beleihung: (K)ein unbekanntes Wesen?, NVwZ 2011, S. 1300 f.; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 169 f.; H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 247; BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2010, 3 C 35/09, BVerwGE 137, S. 377 (382 f.); OVG Münster, Urt. v. 27. 9. 1979, XVI A 2693/78, NJW 1980, S. 1406 (1407 f.). 1134 B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31; M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 24. 1135 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 276; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 232; BVerfG, Beschl. v. 10. 2. 1960, 1 BvR 526/53 u. a., BVerfGE 10, S. 302 (327); siehe dazu auch unten Fn. 1294.
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Grenze im verfassungsrechtlichen Wahrnehmungsmonopol bzw. im Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG.1137 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als Beliehene im Kapitalertragsteuerverfahren Die Qualifizierung von Kreditinstituten dient nicht nur einem rein theoretischen Selbstzweck. Gerade hinsichtlich der oben aufgeführten Rechtsfolgen zeigt sich, welche praktische Bedeutung dieser Einordnung zukommt. Im Schrifttum wird die Beleihung gerade im Hinblick auf den zum Lohnsteuerabzug verpflichteten Arbeitgeber vielfach diskutiert. Hier plädieren einige Autoren dafür, eine Beleihung anzunehmen.1138 Diese Erwägungen können in weiten Teilen auf das vergleichbare Kapitalertragsteuerverfahren übertragen werden.1139 Ausgehend von den vertretenen Argumenten für eine Beleihung (1.) wird anschließend anhand einer Subsumtion unter deren Voraussetzungen gezeigt, warum eine solche im Ergebnis jedoch abzulehnen ist (2.). Dabei werden verschiedene Abschnitte des Kapitalertragsteuerverfahrens untersucht. Erst durch den Blick von den übertragenen Aufgaben auf die rechtlichen Konsequenzen dieser Aufgaben für den Gläubiger der Kapitalerträge und die Finanzbehörden gelangt man zu dem Ergebnis, Kreditinstitute nicht als Beliehene einzuordnen. 1. Vertretene Auffassungen für die Annahme einer Beleihung Das Rechtsinstitut der Beleihung wurde im Rahmen des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber eingängig untersucht, aber immer wieder unterschiedlich bewertet. Eine Einordnung des Kapitalertragsteuerverfahrens wurde hingegen nur von wenigen Autoren vorgenommen, wobei auch hier die Meinungen auseinandergehen. 1136 B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31; H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 359. 1137 A. Hense, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 33 Rn. 29, 31; S. Werres, Der Funktionsvorbehalt für das Berufsbeamtentum – Deutungen und Entwicklungen des Art. 33 Absatz 4 GG, ZBR 2017, S. 109; M. Jachmann/T. Strauß, Berufsbeamtentum, Funktionsvorbehalt und der „Kaperbrief für den Landeinsatz“, ZBR 1999, S. 289 (291, 295). Siehe dazu unten im verfassungsrechtlichen Teil § 6 A. III. 1138 J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (191 f.); H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1989, S. 86 ff.; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 190 ff.; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 64 ff., 87 f.; R. von Groll, Zur Rechtsverwirklichung im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 9 1986, S. 431 (445 f.); J. Giloy, Ersetzung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer?, FR 1987, S. 444, Fn. 18; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 430, Fn. 367. 1139 Zum Vergleich des Kapitalertragsteuerrechts mit dem Lohnsteuerrecht siehe oben Einl. A. sowie § 3 A. I. 4. d) aa).
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So qualifiziert Dahm das Tätigwerden der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren als solches der Beleihung. Maßgeblich verweist er auf die Wirkung einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung, die einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe und damit einen Verwaltungsakt darstelle, dem Bindungswirkung gegenüber den Finanzbehörden und dem Gläubiger der Kapitalerträge zukomme. Sofern eine Veranlagung durchzuführen ist, käme es zudem allein auf die Steuerbescheinigungen an, die das Kreditinstitut ausstellt. Auch im Rahmen der Sachverhaltsermittlung seien die Finanzbehörden praktisch außen vor, da es ihnen kaum möglich sei, an die relevanten Informationen zu gelangen. Die Kreditinstitute hingegen verfügten über die nötigen Informationen. Die Breite dieser Tätigkeiten seitens der Kreditinstitute führe dazu, dass nicht lediglich Pflichten gegenüber dem Fiskus erfüllt werden, sondern ein selbstständiges hoheitliches Handeln vorliege. Die Kreditinstitute würden insoweit als „Organe der Finanzverwaltung“ tätig.1140 Mit ähnlichen Gründen vertritt auch Geurts eine Einordnung der Kreditinstitute als staatliche Beliehene. Neben der Wirkung der Steueranmeldung führt er an, dass die Kreditinstitute – wenn auch nur vorläufig – die Höhe der Kapitalertragsteuer berechnen können.1141 Zudem fokussiert Geurts seine Ausführungen insbesondere auf das Tätigwerden der Kreditinstitute im Rahmen des Freistellungsauftrags. Dieser Freistellungsauftrag führe zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Kreditinstitut und Kunde, sodass hoheitliches Handeln vorliege.1142 Einen anderen Weg geht hingegen Hey, die den Klassifikationskonflikt rund um die Einbindung der Kreditinstitute in das Kapitalertragsteuerverfahren „am ehesten […] als eigene Kategorie“ versteht, da eine Einordnung in Beleihung oder Indienstnahme aufgrund der „Zwitterstellung des Steuerentrichtungspflichtigen im Steuerabzugsverfahren“ nicht eindeutig möglich sei. Die vom Kreditinstitut zu erfüllenden Pflichten seien einerseits Pflichten, die den Gläubiger der Kapitalerträge unterstützen und in dessen Interesse stehen, und andererseits Pflichten, die gerade dem staatlichen Interesse etwa zur Verhinderung von Steuerhinterziehung dienen. Sie bezeichnet die Kategorie als „Inanspruchnahme als Entrichtungspflichtiger“.1143 Zu den im Lohnsteuerrecht eine Beleihung bejahenden Vertretern gehören insbesondere Stolterfoht und Schäfer. Nach Stolterfoht ist der Arbeitgeber, soweit er die Lohnsteuer für den Fiskus erhebt, der Staatsorganisation angegliedert, wodurch er „begrenzte staatliche Kompetenzen auf dem Gebiet der Besteuerung im eigenen Namen“ wahrnimmt, die normale steuerliche Verpflichtungen übersteigen. Die Ei1140
(1287).
J. Dahm, Banken im Spannungsfeld zwischen Staat und Kunden, WM 1999, S. 1285
1141 Zur Zeit der Begutachtung durch Geurts gab es noch eine Vielzahl verschiedener Steuersätze in § 43a EStG. Aber auch unter derzeit geltendem Recht bestehen noch zwei unterschiedliche Steuersätze, sodass die Argumentation insoweit noch als vergleichbar angesehen und im heutigen Diskurs beachtet werden kann. 1142 M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997, S. 1997 (1998 f.). 1143 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (501).
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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genschaft des Arbeitgebers als Steuerentrichtungspflichtiger stünde nicht der Möglichkeit entgegen, gleichzeitig als „Hilfsorgan der Finanzverwaltung“ tätig zu sein. Vielmehr sei er insoweit „funktionell Verwaltungsbehörde“.1144 Er begründet dies vorwiegend mit dem Argument, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, den verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsanspruch des Arbeitnehmers auf seinen Bruttolohn um den Lohnsteuerbetrag zu kürzen und diesen Betrag an einen Dritten – das Finanzamt – abzuführen. Darin liege hoheitliches Handeln.1145 Schließlich bejaht auch Schäfer eine sich aus dem Lohnsteuerrecht ergebende Selbständigkeit des Arbeitgebers. Zunächst geht er – anders als Stolterfoht – davon aus, dass der Arbeitgeber gerade nicht organisationsrechtlich an die Finanzverwaltung angegliedert ist, da er nach § 33 Abs. 1 AO selbst Steuerpflichtiger sei.1146 Jedoch erfülle er dennoch hoheitliche Aufgaben, da er durch den Einbehalt und die Abführung der Lohnsteuer zu einer Tätigkeit berechtigt und verpflichtet ist, zu der „ein Privater in keinem Fall berechtigt wäre“.1147 2. Widerlegung der für eine Beleihung vertretenen Auffassungen Eine Beleihung liegt nach derzeit herrschender Auffassung vor, wenn einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts staatliche Aufgaben kraft eines Beleihungsakts übertragen werden und der Private die übertragene Verwaltungsaufgabe im eigenen Namen, in eigener Kompetenz und nach den Handlungsformen des öffentlichen Rechts mit Bindungswirkung für Bürger und Verwaltung vornimmt.1148 Legt man diese Voraussetzungen einer Subsumtion zugrunde, kann zunächst das Merkmal der Übertragung einer staatlichen Aufgabe an eine Person des Privatrechts kraft Beleihungsakts bejaht werden.1149 Die Aufgaben der Kreditinstitute sind in den §§ 43 ff. EStG explizit normiert. In diesen Normen vollzieht sich der staatliche Beleihungsakt, indem den Kreditinstituten entsprechende Verpflichtungen auferlegt werden. Im Übrigen sind die Voraussetzungen der Beleihung entgegen der oben aufgeführten Meinungen abzulehnen. Den Kernpunkt dieser Diskussion bildet das 1144
J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (191 f.) 1145 J. Stolterfoht, Einwirkungen des Lohnsteuerrechts auf das Arbeitsverhältnis, DStJG Band 9 1986, S. 175 (193 f.). 1146 H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1989, S. 86 ff. 1147 H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1989, S. 97. 1148 Siehe dazu oben Fn. 1130. 1149 Dies bereits ablehnend, A. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO Kommentar, 251. Lfg., 2019, § 6 AO Rn. 12; siehe dazu oben § 5 A.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Merkmal der Erfüllung einer hoheitlichen Verwaltungsaufgabe, die im eigenen Namen, nach eigener Kompetenz und nach den Handlungsformen des öffentlichen Rechts mit Bindungswirkung für Bürger und Verwaltung getroffen wird. Dies ist anhand der Steueranmeldung (a)) und des Steuerabzugs (b)) zu untersuchen. Ein Vergleich mit dem TÜV als klassischem Beispiel einer Beleihung (c)) zeigt schließlich plastisch, welche Unterschiede zum Kapitalertragsteuerverfahren bestehen und warum eine Beleihung hier abzulehnen ist. a) Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung als hoheitliche Verwaltungsaufgabe Zunächst stellt sich die Frage, ob die Kreditinstitute ihre Pflichten aus dem Kapitalertragsteuerrecht nach den Handlungsformen des öffentlichen Rechts dergestalt erfüllen, als sie selbst eine Steuerfestsetzung vornehmen. Dieser Gedanke liegt nahe, werden die Kreditinstitute seit Einführung der Abgeltungsteuer faktisch wie ein Finanzamt tätig.1150 Denn mit Abschaffung der Einkommensteuer-Vorauszahlung im Kapitalertragsteuerverfahren findet eine Veranlagung grundsätzlich nicht mehr statt. In der Vielzahl der Fälle muss der Steuerschuldner die Steuer entrichten, die das Kreditinstitut beim Finanzamt angemeldet hat.1151 Der Kapitalertragsteuerabzug ähnelt einer Veranlagung durch die Kreditinstitute mit der subsidiären Möglichkeit der staatlichen Überprüfung.1152 Dabei werden Steuern nach § 155 Abs. 1 Satz 1, 2 AO von den Finanzbehörden durch Steuerbescheide festgesetzt, die Verwaltungsakte i. S. d. § 108 AO darstellen. Der Erlass von Verwaltungsakten ist eine originär hoheitliche Verwaltungsaufgabe,1153 die nur im Wege einer Beleihung durch ein Subjekt des Privatrechts ausgeübt werden kann. Im Kapitalertragsteuerrecht besteht die Besonderheit, dass grundsätzlich keine eigene Steuerfestsetzung mehr durch die Finanzbehörde erfolgt, sondern die Steuern aufgrund einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung erhoben werden, zu der die Kreditinstitute nach § 45a Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet sind.1154 Eine solche Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Der Steuerschuldner wird durch diese Steueranmeldung in gleicher Weise verpflichtet, als würde das Finanzamt die Steuer selbst gegen ihn festsetzen.1155 Dies wirft die Frage auf, ob nun das Kreditinstitut die Steuer festsetzt, indem es eine Steueranmeldung abgibt. 1150
Siehe dazu auch oben § 3 A. V. 1. H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (87). 1152 H. Weber-Grellet, Die Funktion der Kapitalertragsteuer im System der Abgeltungsteuer (Teil I), DStR 2013, S. 1357 (1360). 1153 Siehe dazu oben Fn. 1. 1154 Siehe dazu oben § 3 A. VII. 1155 Klein/R. Rüsken, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 168 Rn. 1. 1151
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Dies ist mit der Rechtsprechung des BFH zu Recht zu verneinen.1156 Eine Steueranmeldung führt lediglich zu einem vollziehbaren Steueranspruch des Fiskus gegen den Steueranmelder.1157 Aus einer Steueranmeldung kann jedoch nicht gegen den eigentlichen Steuerschuldner vorgegangen werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Steueranmeldung keine gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge vollziehbare Steuerfestsetzung beinhaltet.1158 Erst durch einen KapitalertragsteuerNachforderungsbescheid,1159 der auf einer Steuerfestsetzung des Finanzamts beruht, kann gegen den Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner vorgegangen werden. Das Kreditinstitut hat rechtlich keine Steuerfestsetzungskompetenz,1160 auch wenn die Steueranmeldung in den meisten Fällen in tatsächlicher Hinsicht einer Steuerfestsetzung identisch ist. Daran ändert auch die Rechtsfolge des § 168 Satz 1 AO nichts. Denn danach steht die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung „gleich“. Wäre die Steueranmeldung gleichzeitig eine Steuerfestsetzung, müsste der Wortlaut vielmehr „ist“ lauten. Das Gesetz unterscheidet gerade terminologisch zwischen Steuerfestsetzung und Steueranmeldung. Die Steueranmeldung führt lediglich dazu, dass die Wirkungen einer Steuerfestsetzung eintreten. Eine Steuerfestsetzung liegt darin aber nicht.1161 Gegen eine Steuerfestsetzung durch die Kreditinstitute kann ferner das Konfusionsargument ins Feld geführt werden.1162 Steueranmeldungen sind im Steuerrecht weit verbreitet. So muss etwa im Umsatzsteuerrecht der Unternehmer seine Steuer nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz1163 selbst anmelden. Auch hier steht die Anmeldung nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Würde man in diesem Fall hoheitliches Handeln in Gestalt einer Steuerfestsetzung annehmen, würde der Unternehmer „als Behörde gegen sich selbst 1156 BFH, Beschl. v. 7. 11. 2007, I R 19/04, BFHE 219, S. 300 (301); BFH, Beschl. v. 13. 8. 1997, I B 30/97, BFHE 184, S. 92 (95). 1157 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, 136. Lfg., 2014, § 168 AO Rn. 8. 1158 BFH, Beschl. v. 25. 11. 2002, I B 69/02, BFHE 201, S. 114 (115); BFH, Beschl. v. 13. 8. 1997, I B 30/97, BFHE 184, S. 92 (95). 1159 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. b) cc). 1160 Dafür spricht auch § 155 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach werden Steuern von der Finanzbehörde festgesetzt. Finanzbehörden sind in § 6 Abs. 2 AO abschließend definiert, wobei Kreditinstitute nicht genannt sind. Sollten diese die Befugnis besitzen, Verwaltungsakte erlassen zu können, müsste dies explizit normiert sein wie das etwa bei den „Familienkassen“ (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) durch den Gesetzgeber geschehen ist. Siehe B. Heuermann, Steuern erheben durch Beleihen?, StuW 1999, S. 349 (353). 1161 So auch G. Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 170. Lfg. 2016, § 168 AO Rn. 2. 1162 So H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (88). 1163 Umsatzsteuergesetz v. 26. 11. 1979 (BGBl. I S. 1953), in der Fassung der Bekanntmachung v. 21. 2. 2005 (BGBl. I S. 386), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 29. 6. 2020 (BGBl. I S. 1512).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
tätig“ und „sich selbst gegenüber grundrechtsverpflichtet“1164 – ein in sich unstimmiges Ergebnis. Es zeigt, dass eine Steueranmeldung keine Steuerfestsetzung sein kann. Dies gilt ebenfalls im Kapitalertragsteuerrecht, da auch hier § 168 Satz 1 AO Rechtsfolge einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung ist1165 und nicht aufgrund eines unterschiedlichen Tatbestands anders auszulegen ist. Damit führt die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht zu einer Steuerfestsetzung durch das Kreditinstitut und stellt insoweit keine Ausübung hoheitlicher Kompetenz dar.1166 Mangels einer Steuerfestsetzung durch die Kreditinstitute fehlt es damit am Kernelement der Beleihung, der Übernahme einer Verwaltungsaufgabe mit eigenen Kompetenzen. Das Kreditinstitut, das nur Steuern für den Fiskus anmeldet, und dabei selbst keine verbindliche Festsetzung gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge und den Finanzbehörden vornehmen kann,1167 handelt gerade nicht mit solch einer eigenen Kompetenz. Sie verbleibt nach wie vor bei den Finanzbehörden. b) Der Abzug und die Abführung der Kapitalertragsteuer als hoheitliche Verwaltungsaufgabe Ferner stellt sich die Frage, ob das Kreditinstitut durch den Abzug und die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer1168 eine hoheitliche Verwaltungsaufgabe wahrnimmt. Hoheitliche Verwaltungsaufgaben werden vorwiegend durch Erlass eines Verwaltungsakts als klassisches staatliches Eingriffsmittel wahrgenommen. Sie können aber auch durch sog. schlicht-hoheitliches Handeln vorgenommen werden. Auch dies ist eine Handlungsform des öffentlichen Rechts. Hierunter werden insbesondere Realakte verstanden, denen keine Regelungsqualität zukommt,1169 also keine verbindliche Rechtsfolge für den Gläubiger gesetzt wird,1170 jedoch eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt.1171 1164 H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (88). 1165 M. Jachmann-Michel, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG Kommentar, 151. Lfg. 2020, § 45a EStG Rn. 3. 1166 So auch J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (501); H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (87 f.). 1167 So auch C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 63. 1168 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 3. 1169 F. v. Alemann/F. Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 42. Ed. 2019, § 35 Rn. 145; H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 144. 1170 F. v. Alemann/F. Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 42. Ed. 2019, § 35 Rn. 141. 1171 H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 144.
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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Im Kapitalertragsteuerrecht kommt dies beim Steuerabzug in Betracht. Der Abzug stellt für sich isoliert betrachtet lediglich einen Teil des Verfahrens dar, mit dem keine Rechtsfolge verbunden ist. Erst das Gesetz knüpft in einem weiteren Schritt mit der Abgeltungswirkung in § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eine Rechtsfolge an den Abzug. Der Abzug beinhaltet also nicht die Rechtsfolge, sondern er ist lediglich Voraussetzung für die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der abgeltenden Wirkung. Er ist damit zwar nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, doch kann er als Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe durch schlicht-hoheitliches Handelns eingeordnet werden. Ein solch schlicht-hoheitliches Handeln ist jedoch abzulehnen. Das Kreditinstitut übt durch den Steuerabzug keine hoheitliche Gewalt aus, da diese allein vom Staat durch die in den §§ 43 ff. EStG normierten Pflichten ausgeht. Denn es ist der Staat, der einerseits den Gläubiger der Kapitalerträge verpflichtet, den Steuerabzug zu dulden und andererseits die Kreditinstitute als nach § 33 Abs. 1 AO Steuerpflichtige verpflichtet, den Abzug vorzunehmen.1172 Dem Kreditinstitut verbleibt in den rechtlich komplizierten, aber eindeutigen Vorgaben des Kapitalertragsteuerrechts keine eigene Kompetenz hinsichtlich des Abzugs. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, muss es abziehen. Die Abzugsentscheidung trifft damit nicht das Kreditinstitut, sondern das Gesetz,1173 auch wenn dem Kreditinstitut ein haftungsfreier Spielraum bei Zweifelsfällen zur Verfügung steht.1174 Dies gilt auch für die Frage, ob bei einem Freistellungsauftrag von einem Steuerabzug Abstand genommen werden muss. Das Kreditinstitut kommt lediglich seinen eigenen steuerlichen Pflichten nach.1175 Damit stehen letztlich zwei Steuerpflichtige nebeneinander, die beide – wenn auch in unterschiedlicher Form – ihre steuerlichen Pflichten gegenüber dem Staat erfüllen. Folglich fehlt es auch hier wieder an dem die Beleihung konstituierenden Merkmal der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit eigener Kompetenz. Eine Beleihung im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs kann zudem aus einem weiteren Grund abgelehnt werden. Die Beleihung setzt nicht nur voraus, dass die Verwaltungsaufgabe hoheitlich nach den Handlungsformen des öffentlichen Rechts vorgenommen wird, sie setzt zudem voraus, dass die Aufgabe im eigenen Namen ausgeübt wird. Nun spricht das Gesetz in § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG davon, dass der Steuerabzug „für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen“ ist. Wäre das Kreditinstitut ein Beliehener und damit ein öffentlich-rechtlicher Ver-
1172 H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (88); B. Heuermann, Steuern erheben durch Beleihen?, StuW 1999, S. 349 (352). 1173 So für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 47 f. 1174 Siehe zu diesem Problem oben § 4 A. III. 2. d) sowie § 4 A. IV. 1175 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (501).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
waltungsträger,1176 würde es nicht Steuern „für Rechnung“ einen anderen erheben, sondern kraft Obrigkeit „von“ einem anderen.1177 Schließlich spricht auch das Fehlen einer staatlichen Aufsicht gegen die Annahme einer Beleihung.1178 Die Möglichkeit der Überprüfung anhand des Instrumentariums der Kapitalertragsteuer-Außenprüfung kommt dem nicht gleich. Denn es handelt sich dabei lediglich um eine schlicht behördliche Überprüfung.1179 Die Finanzbehörde kann nicht – wie bei der Fachaufsicht üblich – dem Kreditinstitut etwa individuelle Weisungen erteilen, wie es im steuerlichen Abzugsverfahren im Einzelfall zu verfahren hat.1180 Die klassischen fachaufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnisse1181 sind im Kapitalertragsteuerrecht nicht verankert. Die Verantwortung, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, verbleibt beim Kreditinstitut. c) Der TÜV als klassischer Fall der Beleihung im Vergleich Die aufgeführten Argumente gegen eine Beleihung können anhand eines Vergleichs mit dem Technischen Überwachungsverein (TÜV) als „klassischem Repräsentanten“1182 der Beleihung noch plastischer dargestellt werden.1183 Nach § 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2, Abs. 3 Satz 1, 2 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung1184 ist der TÜV berechtigt, eine Prüfplakette zu erteilen, wenn die Vorschriften der Anlage VIII der StVZO eingehalten sind. Bei der Erteilung einer Prüfplakette handelt es sich – neben einer Vielzahl von anderen Anordnungen und Entscheidungen – um hoheitliche Aufgabenerfüllung in Form eines Verwaltungsakts,1185 da sie unmittelbare 1176
Siehe dazu oben § 5 B. I. H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (88). 1178 Siehe dazu oben § 5 B. I. 1179 So auch G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 47 f. 1180 Die Möglichkeit, nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mittels im Bundessteuerblatt veröffentlichter Auslegungsvorschriften Einfluss auf das Kapitalertragsteuerverfahren zu nehmen, stellt ebenfalls keine Weisung im Sinne einer Fachaufsicht dar. Denn hier werden Auslegungsvorschriften veröffentlicht, die allgemein für alle mit dem Abzug befassten Adressaten gelten. Dadurch kann aber nicht gezielt auf einen Einzelfall eingewirkt werden. Siehe dazu auch oben § 3 A. IV. 2. sowie unten § 5 C. III. 2. b). 1181 Siehe u. a. H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 649. 1182 M. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 10 Rn. 23. 1183 Zu dieser Art des Vergleichs siehe G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 50 f. 1184 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung v. 26. 4. 2012 (BGBl. I S. 679), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 26. 11. 2019 (BGBl. I S. 2015), im Folgenden StVZO. 1185 U. Steiner, Der „beliehene Unternehmer“, JuS 1969, S. 69 (72 f.). 1177
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Außenwirkung für den Halter des Kfz entfaltet, indem es ihm gestattet wird, sein Kfz im öffentlichen Verkehrsraum zu nutzen. Dabei kommt dem TÜV ein großer Beurteilungsspielraum bei der Frage zu, ob das Kfz den Anforderungen der StVZO entspricht. Ihm ist damit ein Teil staatlicher Verwaltungskompetenz übertragen. Da der TÜV die Plakette selbst erteilt, handelt er zudem im eigenen Namen. Darin liegt gerade der Unterschied zum Kapitalertragsteuerverfahren. Denn dort setzt gerade nicht das Kreditinstitut die Steuer fest – vergibt also die Plakette –, sondern mit letzter Entscheidungskompetenz die Finanzbehörde.1186 Im Gegensatz zum TÜV darf das Kreditinstitut für den Steuerabzug auch keine Entgelte von ihren Kunden erheben. Schließlich sieht das Kapitalertragsteuerrecht – anders als die StVZO bzw. andere klassische Fälle der Beleihung – keinen Tauglichkeitsnachweis für die betroffenen Kreditinstitute vor.1187
C. Die Kreditinstitute als Verwaltungshelfer Bei der Verwaltungshilfe handelt es sich um einen weiteren typischen Anwendungsfall der Einbindung Privater in die Erfüllung staatlicher Verwaltungsaufgaben.1188 Der Verwaltungshelfer erbringt wie ein Beliehener Dienstleistungen für einen Träger öffentlicher Verwaltung.1189 Auch bei der Verwaltungshilfe fehlt eine gesetzliche Normierung bzw. ein einheitliches Begriffsverständnis.1190 I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Verwaltungshilfe Betrachtet man die Rechtsfolgen einer Verwaltungshilfe, ergeben sich gewisse Ähnlichkeiten zu den Rechtsfolgen einer Beleihung, aber auch grundlegende Unterschiede.1191 Anders als bei der Beleihung wird der Verwaltungshelfer durch seine Tätigkeit nicht zu einem Verwaltungsträger und damit nicht Teil der vollziehenden 1186 So zum vergleichbaren Lohnsteuerverfahren G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 50 f. 1187 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (502). 1188 H. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 91 Rn. 2. 1189 B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 37. 1190 B. Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, 2003, S. 260; D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 280; dabei differiert auch die Terminologie dieses Rechtsinstituts. Verwaltungshelfer werden auch als „Hilfsorgane“, „Erfüllungsgehilfen“ bzw. „Vollzugshelfer“ bezeichnet; siehe B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 37. 1191 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 670.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Gewalt.1192 Vielmehr handelt er lediglich für eine Behörde1193 und gibt Erklärungen nur als Bote der Behörde ab.1194 Deshalb wird sein Handeln auch dem Verwaltungsträger zugerechnet.1195 Dies führt aber nicht dazu, dass sich der Staat durch die Einbindung privater Dritter in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben seiner Verantwortung für die von ihm zu erledigenden Aufgaben entledigen kann, also eine „Flucht ins Privatrecht“ vornimmt.1196 Es kommt daher auch hier – wie bei der Beleihung – ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG in Betracht.1197 Bedeutend ist auch die Frage der Kosten für die vom Privaten vorgenommene Verwaltungstätigkeit. Denn in der Regel liegt der Verwaltungshilfe ein privatrechtlicher Vertrag zwischen der Behörde und dem Verwaltungshelfer zugrunde.1198 Dies spricht schon an dieser Stelle gegen eine Einordnung der Kreditinstitute als Verwaltungshelfer, da der Steuerabzug unabhängig von einem privatrechtlichen Vertrag zum Fiskus vorgenommen wird. II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Verwaltungshilfe Nach dem vorherrschenden „engen Begriff“ sind Verwaltungshelfer „natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die nicht selbstständig, sondern für eine Behörde nach außen, im Auftrag, im Namen und nach Weisung der Behörde tätig werden und die Behörde im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit vorbereitend oder rein ausführend bei der Wahrnehmung der weiterhin der Behörde zugewiesenen Aufgaben unterstützen. Sie handeln ohne eigene verwaltungsrechtliche Kompetenz, üben also keine eigene Hoheitsmacht aus, weshalb ihre Handlungen der Verwaltung zugerechnet werden.“1199 Daneben werden Verwaltungshelfer nur punktuell nach 1192
D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 285. 1193 OVG Greifswald, Urt. v. 30. 1. 2013, 3 L 93/09, NordÖR 2013, S. 525 (527); VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 1. 10. 2009, 6 S 99/09, BWGZ 2011, S. 613 (615); OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15. 3. 2006, 2 LB 9/05, NordÖR 2006, S. 263 (264 f.); H. Wolff/ O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 91 Rn. 2. 1194 Eyermann/K. Rennert, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 55. 1195 U. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 19. Aufl. 2018, § 1 Rn. 66; M. Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2009, S. 105. 1196 H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 366 f. 1197 BGH, Urt. v. 21. 1. 1993, III ZR 189/91, BGHZ 121, S. 161 (164 f., 167). 1198 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 670 f.; U. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 19. Aufl. 2018, § 1 Rn. 65a. 1199 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 281; T. Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 190 ff.; D. Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, 1997, S. 18 ff.; S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 130; C. Sellmann, Privatisierung mit oder ohne gesetzliche Ermächtigung, NVwZ 2008, S. 817 (818); U. Stelkens, Die Stellung des Beliehenen innerhalb der Verwaltungs-
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Maßgabe eines konkreten Auftrags eingesetzt.1200 Legt man dieses Begriffsverständnis zu Grunde, wird der Unterschied zur Beleihung deutlich. Er besteht hauptsächlich im Grad der Unabhängigkeit zum Staat – also der Verlagerung von Verantwortung aus staatlicher in private Hand. Während der Beliehene weitgehend selbstständig und in eigener Kompetenz tätig wird, wird der Verwaltungshelfer nur unterstützend und nach Weisung einer Behörde tätig, wobei die abschließende rechtliche Entscheidung stets bei der Verwaltung verbleibt.1201 Schließlich kennzeichnet sich der Verwaltungshelfer durch eine meist nur vorübergehende Wahrnehmung staatlicher Aufgabenerfüllung.1202 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als Verwaltungshelfer im Kapitalertragsteuerverfahren Neben der Einordnung der Tätigkeit von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren als Beleihung wird vereinzelt auch vertreten, dass Kreditinstitute als Verwaltungshelfer Aufgaben für den Staat erfüllen.1203 Dies ist abzulehnen. 1. Vertretene Auffassungen für die Annahme einer Verwaltungshilfe Nach Musil handeln Kreditinstitute im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs lediglich „technisch-mechanisch bei der Realisierung einer staatlichen Entscheidung und vermitteln dem Steuerschuldner die staatliche Belastungsentscheidung“. Ihnen stehe selbst keine Entscheidungskompetenz zu, wodurch sie als reiner „Beitreibungsmittler“ fungieren. Für die Annahme einer Beleihung fehle es damit an der nötigen selbstständigen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, sodass sie als organisation – dargestellt am Beispiel der Beleihung nach § 44 III BHO/LHO, NVwZ 2004, S. 304 (305 ff., Fn. 17); J. Klement, Ungereimtes in der Beleihungsdogmatik des BGH, VerwArch 2010, S. 112 (114 ff.); M. Heintzen, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 220 (254 f.); H. Bonk, Rechtliche Rahmenbedingungen einer Privatisierung im Strafvollzug, JZ 2000, S. 435 (437 f.); H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 365; Eyermann/K. Rennert, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 55; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15. 3. 2006, 2 LB 9/05, NordÖR 2006, S. 263 (264 f.); VGH München, Urt. v. 17. 2. 1999, 4 B 96.1710, NVwZ 1999, S. 1122 (1124). 1200 C. Sellmann, Privatisierung mit oder ohne gesetzliche Ermächtigung, NVwZ 2008, S. 817 (818); G. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band III, 3. Aufl. 2018, Art. 86 Rn. 35. 1201 H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 670. 1202 M. Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 77. 1203 A. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO Kommentar, 251. Lfg., 2019, § 6 AO Rn. 12; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 258 f.; ohne Unterscheidung des Abzugsverpflichteten C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 64 ff.; H. Stadie, Allgemeines Steuerrecht, 2003, S. 149 f.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Verwaltungshelfer tätig würden.1204 Burgi bejaht für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren ebenfalls eine Stellung als Verwaltungshelfer, ohne dies jedoch konkret zu begründen.1205 Er stellt dabei – unter einem verfassungsrechtlichen Blickwinkel – weniger auf die Kompetenz bezüglich der Aufgabenwahrnehmung ab, sondern vielmehr auf die Nähe der aufgetragenen Tätigkeit zur unternehmerischen Tätigkeit. Diese Nähe bestehe zwischen der Auszahlung des Lohns durch den Arbeitgeber und der Durchführung des Lohnsteuerabzugs.1206 2. Widerlegung der für eine Verwaltungshilfe vertretenen Auffassungen Legt man den derzeit vorherrschenden Begriff der Verwaltungshilfe einer Subsumtion zugrunde, ist eine Verwaltungshilfe abzulehnen. Zu diesem Befund gelangt man vor allem anhand der Merkmale der Nicht-Selbstständigkeit, der Weisungsgebundenheit und der Wahrnehmung einer untergeordneten Tätigkeit. Schließlich stützt dieses Ergebnis auch ein Vergleich zum klassischen Fall einer Verwaltungshilfe, dem Abschleppunternehmer. a) Die unselbstständige Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe Eine wesentliche Voraussetzung der Verwaltungshilfe ist die unselbstständige Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe. Dies unterscheidet sie maßgeblich vom Rechtsinstitut der Beleihung. Im Kapitalertragsteuerverfahren werden die zu erfüllenden Pflichten von den Kreditinstituten weitgehend selbstständig und in eigener Verantwortung wahrgenommen. Die Normen der §§ 43 ff. EStG verpflichten die Kreditinstitute gerade dazu, das Abzugsverfahren durchzuführen. Sie erschöpfen sich nicht darin, den Kreditinstituten nur eine den Finanzbehörden unterstützende Funktion aufzuerlegen. Vielmehr erfüllen die Kreditinstitute – abgesehen von einer grundsätzlich nicht mehr durchzuführenden Veranlagung – das komplette Besteuerungsverfahren für Kapitalerträge von Anfang bis Ende, auch wenn sie dabei keine hoheitlichen Kompetenzen wahrnehmen.1207 Dies beinhaltet die Bearbeitung komplexer Aufklärungs-, Bewertungs- und Subsumtionsfragen, um feststellen zu können, ob ein steuerpflichtiger Ertrag vorliegt.1208 Dieser Umstand kann nicht mehr als unselbständige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bewertet werden. Gegen ein 1204
A. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO Kommentar, 251. Lfg., 2019, § 6 AO Rn. 12. 1205 Auch Christoph Trzaskalik geht ohne Begründung von einer Stellung als Verwaltungshelfer aus; siehe C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 ff. 1206 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 258 f. 1207 Siehe dazu oben bei der Ablehnung einer Beleihung § 5 B. II. 1208 So für das insoweit vergleichbare Lohnsteuerverfahren F. Kloubert, Rechtliche Stellung beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 45 f.; so auch J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1988, S. 497 (500).
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unselbstständiges Auftreten spricht ferner, dass die Kreditinstitute weitgehend1209 im eigenen Namen dem Gläubiger der Kapitalerträge gegenüber auftreten. Diese Breite an Aufgaben führt zu einer organisationsrechtlichen Verselbstständigung des Kreditinstituts.1210 b) Die Weisungsgebundenheit bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe Weiteres Kennzeichen einer Verwaltungshilfe ist die Weisungsgebundenheit des Verwaltungshelfers. Eine solche Weisungsgebundenheit könnte sich aus der Norm des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG ergeben, wonach die Kreditinstitute den Steuerabzug „unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge“ vorzunehmen haben.1211 Hierdurch besteht für die Finanzverwaltung die Möglichkeit, einen einheitlichen Verwaltungswillen mit Bindungswirkung für die Kreditinstitute durchzusetzen.1212 Dies führt aber noch nicht zu einer Weisungsgebundenheit der Kreditinstitute. Denn dafür ist die Einflussmöglichkeit zu gering. Es kann lediglich auf die Auslegung materieller Steuergesetze eingewirkt werden. Die verfahrensrechtlichen Regelungen sind davon unberührt.1213 Die Finanzverwaltung kann sich nicht über die Normen der §§ 43 ff. EStG hinwegsetzen und Weisungen erteilen, wie das Kreditinstitut im Einzelfall zu verfahren hat. c) Die Wahrnehmung einer untergeordneten, unterstützenden Tätigkeit Auch handelt es sich bei der Tätigkeit der Kreditinstitute nicht um eine nur untergeordnete, die Finanzbehörden unterstützende Tätigkeit. Das Kapitalertragsteuerrecht überantwortet den Kreditinstituten ein komplexes Besteuerungsverfahren zur weitgehend vollständigen und selbstständigen Erledigung. Mit der Besteuerung haben die Finanzbehörden bis auf wenige Fälle der Veranlagung kaum noch etwas zu tun. Dazu ist das Kreditinstitut selbst Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO, da es die
1209 Anders hingegen im Rahmen des Steuerabzugs nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG; siehe dazu oben § 5 B. III. 2. b). 1210 So für das insoweit vergleichbare Lohnsteuerverfahren G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 64. 1211 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 2. 1212 H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (89). 1213 H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (89).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Steuer für einen Dritten einzubehalten hat.1214 Es ist damit nicht nur Helfer eines behördlichen Verfahrens, sondern Teil des Verfahrens. d) Der Abschleppunternehmer als klassischer Fall der Verwaltungshilfe im Vergleich Schließlich stützt dieses Ergebnis auch ein Vergleich zum Musterfall des Verwaltungshelfers, dem Abschleppunternehmer.1215 In einem solchen Fall beauftragt eine Behörde (meistens die Polizei) einen privaten Unternehmer mit dem Abschleppen eines vorschriftswidrig geparkten Fahrzeugs.1216 Der Unternehmer wird hier nur in den Verwaltungsvollzug eingeschaltet, indem er der behördlichen Weisung Folge leistet und das Fahrzeug in deren Auftrag abschleppt. Die zugrundeliegende Entscheidung, das Fahrzeug abzuschleppen, trifft allein die Behörde. Hier wird der Unterschied zum Kapitalertragsteuerverfahren deutlich. Denn dort ist es das Kreditinstitut, das entscheidet, ob eine Kapitalertragsteuer einbehalten, also die Voraussetzungen der §§ 43 ff. EStG vorliegen, und abgeführt wird, und nicht die Finanzbehörde. Bildlich gesprochen erschöpft sich die Tätigkeit des Kreditinstituts nicht nur im Vollzug, also im „Abschleppen“ der Steuer an den Fiskus, sondern umfasst vielmehr nahezu das komplette Besteuerungsverfahren.
D. Die Kreditinstitute als indienstgenommene Private Schließlich stellt sich die Frage, ob die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren als gesetzliche Indienstnahme Privater1217 zu begreifen ist. Die Indienstnahme stellt neben der Beleihung und der Verwaltungshilfe die dritte bedeutsame Form der Einbeziehung Privater in die öffentliche Aufgabenerfüllung dar und ist als eigenständiges Rechtsinstitut und nicht nur als Oberbergiff1218 für die Einbindung Privater in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben anerkannt.1219 Im Hin1214
Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 670. 1216 BGH, Urt. v. 21. 1. 1993, III ZR 189/91, BGHZ 121, S. 161 ff.; BGH, Urt. v. 16. 1. 2006, I ZR 83/03, NJW 2006, S. 1804 (1805). 1217 Dieses Rechtsinstitut wird auch als Inpflichtnahme bezeichnet. So etwa bei B. Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 38. 1218 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 88, wonach die „Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben […] nicht mit einem Oberbegriff der Indienstnahme Privater im weiteren Sinne identifiziert werden“ sollte (Hervor. d. Verf.). 1219 M. Heintzen, Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 220 (259); K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 95; A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 266 (277, 299 f.).; D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwal1215
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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blick auf die Kompetenz und die Reichweite der übertragenen Aufgaben kann dieses Rechtsinstitut zwischen Beleihung und Verwaltungshilfe eingeordnet werden. I. Rechtsfolgenorientierte Betrachtung des Rechtsinstituts der Indienstnahme Privater Der Indienstgenommene agiert allein als Privater auf Basis seiner privatrechtlichen Handlungsbefugnisse. Auch wenn er staatliche Aufgaben wahrnimmt und dadurch in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zum Staat steht,1220 wird er – im Gegensatz zur Beleihung1221 – nicht partiell selbst zu einem Verwaltungsträger.1222 Sein Handeln wird auch – anders als bei der Verwaltungshilfe1223 – nicht der Verwaltung zugerechnet.1224 Aus diesem Grund scheidet eine Amtshaftung des Staats für Fehler des Indienstgenommenen aus.1225 Der Indienstgenommene ist vielmehr im Rahmen des Privatrechts in Anspruch zu nehmen.1226 Die Indienstnahme eines Privaten befreit den Staat zudem nicht von der Pflicht, die Einhaltung der Pflichten desselben zu beaufsichtigen. Es muss sichergestellt sein, dass für den Staat entsprechende hoheitliche Aufsichtsmittel existieren, um die Erfüllung der Pflichten durch den Privaten überprüfen bzw. auf deren Einhaltung hinwirken zu können.1227 Im Kapitalertragsteuerrecht sind solche Aufsichtsmittel vorhanden. Exemplarisch sei die Kapitalertragsteuer-Außenprüfung erwähnt.1228
tungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 290; J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (499 f.). 1220 S. von Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 39. 1221 Siehe dazu oben § 5 B. II. 1222 A. Nünke, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme des Sicherheitsgewerbes, 2005, S. 108; D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 292. 1223 Siehe dazu oben § 5 C. II. 1224 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 292. 1225 Hans Peter Ipsen hingegen hält eine Staatshaftung für grundsätzlich möglich, siehe H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (151, 161). 1226 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 292; M. Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht, 1992, S. 89; Eyermann/K. Rennert, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 56, 88; zur Haftung der Kreditinstitute für fehlerhaften Kapitalertragsteuerabzug siehe oben § 4 A. II./III. 2. 1227 H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (151). Dabei sind die Anforderungen an das Aufsichtsmittel nicht so hoch anzusetzen wie bei der Beleihung (siehe dazu oben § 5 B. I./III. 2. b)), da die Intensität der Aufgabenerfüllung geringer ist. 1228 Siehe dazu oben § 3 B. III.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Ein staatlicher Aufwendungsersatz für die Erfüllung der übertragenen Tätigkeiten geht mit der Einordnung der Kreditinstitute als Indienstgenommene nicht automatisch einher. Ein solcher Ersatz ist nur möglich, wenn er gesetzlich vorgesehen ist1229 oder ein Vorenthalten einer angemessenen Entschädigung unzumutbar wäre.1230 De lege lata ist eine Ersatzpflicht im Kapitalertragsteuerrecht nicht vorhanden. Es muss aber darüber nachgedacht werden, eine solche einzufügen.1231 Das BVerfG ging in seiner Entscheidung zur Kuponsteuer1232 jedenfalls noch davon aus, dass die Kreditinstitute durch die Mehrkosten nicht erheblich und unzumutbar belastet werden.1233 II. Phänomenologie des Rechtsinstituts der Indienstnahme Privater Das Rechtsinstitut der Indienstnahme Privater geht zurück auf Hans Peter Ipsen, der dieses Institut erstmals 1950 in seinem Beitrag „Gesetzliche Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben“ einführte.1234 Er wollte der steigenden Tendenz des Staats, Verwaltungsaufgaben in Ermangelung bzw. zur Schonung der eigenen Ressourcen in private Hände zu geben, weitere rechtliche Konturen verleihen.1235 Schon damals hat er das steuerliche Quellenabzugsverfahren als Musterfall einer Indienstnahme auserkoren.1236 Die Voraussetzungen der Indienstnahme wurden von Ipsen erstmals angedeutet und später durch Rechtsprechung und Literatur weiter 1229
So z. B. in § 4 Abs. 2 Wirtschaftssicherstellungsgesetz (v. 24. 8. 1965 (BGBl. I S. 920), in der Fassung der Bekanntmachung v. 3. 10. 1968 (BGBl. I S. 1069), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 31. 8. 2015 (BGBl. I S. 1474)). Vereinzelt werden aber auch Ansätze für eine Kostenerstattung bei der Indienstnahme Privater vertreten, so bspw. ein Aufopferungsanspruch, ein Anspruch aus § 670 BGB analog bzw. Amtshaftungsansprüche. Die Rechtsprechung hat sich dem bisher nicht angeschlossen. Siehe K.-D. Drüen, Indienstnahme des Arbeitgebers? – Verfassungsrechtliche Rechtfertigung und Grenzen, Beih. zu DStR 2017, S. 91 (93); H. Ferger, Ausgleichsansprüche bei der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, 1979, S. 131 ff.; H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (154 ff., 158). 1230 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1980, 1 BvR 349/75 u. a., BVerfGE 54, S. 251 (271); H. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 91 Rn. 51; R. Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 474 f. 1231 Siehe zu einem entsprechenden Vorschlag unten § 6 B. II. 3. c) cc) sowie § 6 B. VI. 3. 1232 Siehe dazu ausführlich unten § 6 B I. 1233 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386) – Kuponsteuer. Es führt hierzu aus: „die Durchführung des Steuerabzugs belastet die Kreditinstitute nicht mit einer schlechthin unternehmensfremden Tätigkeit, bindet nur einzelne Betriebsmittel, die für die Betriebsführung nicht von ausschlaggebendem Gewicht sind, und beeinflußt ihren gewerblichen Gesamtgewinn nicht in maßgeblicher Weise.“ 1234 H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141. 1235 H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141. 1236 H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (145 f.).
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konkretisiert. Nach heutigem Verständnis liegt eine Indienstnahme Privater vor, wenn einem Privaten gegen seinen Willen im Rahmen einer grundrechtlich geschützten Freiheitsausübung die Erfüllung gemeinwohlbezogener Pflichten („Bürgerpflichten“) kraft Gesetzes auferlegt wird, die der Private eigenverantwortlich und aus eigenen Mitteln erledigt, wobei er keine öffentlich-rechtlichen Kompetenzen ausübt.1237 Kennzeichnend ist, dass einem privaten Unternehmer nicht-hoheitliche Pflichten übertragen werden, die nach Form und Inhalt zu dem Bereich der vom Unternehmer ausgeübten Tätigkeit gehören.1238 Zu der Erfüllung dieser Pflichten sind die Unternehmer deshalb besonders geeignet, weil sie den pflichtbegründenden Umständen näher stehen als der staatliche Verwaltungsapparat.1239 III. Qualifizierung der Kreditinstitute als indienstgenommene Private Es wurde bereits erörtert, dass die Tätigkeit der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren weder als Beleihung noch als Verwaltungshilfe zu qualifizieren ist. Subsumiert man die von den Kreditinstituten zu erfüllenden Aufgaben unter die Voraussetzungen einer Indienstnahme Privater, ist eine solche im Ergebnis zu bejahen.1240 1237
D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 290; H. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 91 Rn. 48 ff.; A. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts Band I, 2006, § 1 Rn. 60; ausführlich K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 49 ff., 95; R. Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 474; A. Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL Band 62 2003, S. 266 (299 f. Fn. 139); M. Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 52. Lfg. 2008, Art. 86 Rn. 120; BVerfG, Urt. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (311 f.); BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240 (244). 1238 BVerfG, Urt. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (311). 1239 H. Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 364. 1240 So auch H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (145 f.); H. Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 77 (90 f.); A. Meyer, in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK EStG, 7. Ed. 2020, § 38 Rn. 32; D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater am Beispiel der entschädigungslosen Inanspruchnahme der Kreditinstitute für das Kontenabrufverfahren, WM 2010, S. 193 (194); F. Schmidt, Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit des Kirchensteuerabzugs bei Kapitaleinkünften ab 2015, NWB 2014, S. 2112 (2115); A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002, S. 16 f.; R. Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 474 f., 917; J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung, DVBl 2001, S. 1469 (1475); S. Peschges, Die Rechtsstellung der Bank im Steuerverfahren ihres Kunden, 2000, S. 89 ff.; H. Herrler, Mitwirkung der Banken bei der Besteuerung von Bankkunden, 1984, S. 24 ff.; zum vergleichbaren Lohnsteuerverfahren: K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuerge-
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Die §§ 43 ff. EStG enthalten die Verpflichtung der Kreditinstitute zur Durchführung des Kapitalertragsteuerverfahrens. In diesen Vorschriften werden kraft Gesetzes staatliche Aufgaben an ein Subjekt des Privatrechts delegiert. Fällt ein Kreditinstitut in den Anwendungsbereich der kapitalertragsteuerlichen Vorschriften, ist es nach § 44 Abs. 1 Satz 3, 5 EStG insbesondere verpflichtet, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und an den Fiskus abzuführen. Bei diesen Pflichten handelt es sich um gemeinwohlbezogene Pflichten, die dem Kreditinstitut gegen dessen Willen aufgebürdet werden. Die Gemeinwohlbezogenheit ergibt sich überwiegend aus dem Fiskalzweck von Steuern, der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines Staats. Erst die Vereinnahmung von Steuern ermöglicht es dem Staat, seiner Funktion in der Gesellschaft gerecht zu werden. Es liegt daher im Gemeinwohl, dass Steuern möglichst effektiv und ressourcenschonend erhoben werden, um einen funktionsfähigen und leistungsstarken Staat gewährleisten zu können. Die Kreditinstitute erfüllen diesen Zweck, indem sie ihren Pflichten im Kapitalertragsteuerverfahren nachkommen und die Steuern für den Fiskus erheben. Diese Pflichten werden ihnen gegen ihren Willen aufgebürdet, da sie die damit einhergehenden rechtlichen wie wirtschaftlichen Belastungen allein zu tragen haben. Ferner erfüllen sie die kapitalertragsteuerlichen Pflichten eigenverantwortlich und aus eigenen Mitteln. Die Eigenverantwortlichkeit zeigt sich zum einen, wenn man die Rechtsfolgen bei Fehlern im Kapitalertragsteuerverfahren betrachtet.1241 Denn hier haften die Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus bzw. dem Gläubiger der Kapitalerträge. Die Haftung wird nicht auf den Staat übergeleitet, sondern trifft die Kreditinstitute selbst. Die Eigenverantwortlichkeit kommt zum anderen auch in den rechtlichen Prüfpflichten zum Ausdruck.1242 Die Kreditinstitute müssen selbst prüfen, ob ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliegt, der sie zu einem Abzug verpflichtet. Mangels gesetzlicher Verankerung können sie – derzeit1243 – auch keine Auskunft von der Finanzbehörde mittels einer Anrufungsauskunft erlangen. Nehmen sie eine fehlerhafte Einordnung vor, haben sie die Konsequenzen dafür selbst zu tragen. Zudem erfüllen sie alle Verpflichtungen im Kapitalertragsteuerverfahren aus
setzen, 2012, S. 109 f.; ders., Indienstnahme des Arbeitgebers? – Verfassungsrechtliche Rechtfertigung und Grenzen, Beih. zu DStR 2017, S. 91 (92 f.); A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (197); F. Kloubert, Rechtliche Stellung beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 47 f.; S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 40; J. Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 1966, S. 41 ff.; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (140 ff.). 1241 Siehe dazu oben § 4 A. 1242 Siehe dazu oben § 3 A. I. 1243 Zur vorgeschlagenen Einführung einer solchen Anrufungsauskunft im Kapitalertragsteuerverfahren siehe oben § 3 A. I. 4.
§ 5 Das verwaltungsrechtliche Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Staat
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eigenen Mitteln, da ein Entschädigungsanspruch für diese Tätigkeit de lege lata nicht existiert.1244 Schließlich nehmen die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren keine hoheitlichen Kompetenzen bei ihrer Aufgabenerfüllung war, sondern erfüllen nur die ihnen auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen. Beim Merkmal der Wahrnehmung hoheitlicher Kompetenzen handelt es sich um das maßgebliche Kriterium bei der Abgrenzung der Indienstnahme von der Beleihung.1245 Weder die Kapitalertragsteuer-Anmeldung durch die Kreditinstitute noch der Steuerabzug als solcher sind dahingehend zu qualifizieren. Dies wurde im Rahmen der Widerlegung der für eine Bejahung einer Beleihung vertretenen Ansichten ausführlich dargelegt.1246
E. Zusammenfassung und Ergebnis von § 5 Bei der Untersuchung der Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren aus verwaltungsrechtlicher Sicht kommen drei Formen der Einordnung in Betracht: die Beleihung, die Verwaltungshilfe und die Indienstnahme Privater. Es handelt sich dabei um ungeschriebene und eigenständige Rechtsinstitute, die mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Allen ist gemein, dass Private zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben vom Staat herangezogen werden. Sie unterscheiden sich vornehmlich durch die Intensität der Aufgabenübertragung. 1. Die Kreditinstitute nehmen durch ihre Tätigkeit im Kapitalertragsteuerverfahren eine staatliche Aufgabe und keine originär private Aufgabe wahr. Hauptargument dafür ist, dass die Erhebung von Steuern qua Verfassung eine genuine staatliche Aufgabe ist, die nicht deswegen zu einer privaten Aufgabe wird, weil sie weitgehend von einem privaten Kreditinstitut ausgeführt wird. Denn würden die Kreditinstitute diese Aufgaben nicht wahrnehmen, müssten die Finanzbehörden das komplette Verfahren allein durchführen. 2. Zunächst kommt eine Einordnung als Beleihung in Betracht. Vertreter dieser Ansicht verweisen maßgeblich auf die Wirkung einer von den Kreditinstituten abzugebenden Kapitalertragsteuer-Anmeldung, die eine Steuerfestsetzung durch die Kreditinstitute beinhalte und damit eine Form der Ausübung hoheitlicher Kompetenzen darstelle. Dieser Ansicht ist entgegenzutreten. Denn aufgrund einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung kann lediglich gegen das anmeldende Kreditinstitut vorgegangen werden, nicht aber gegen den Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner. Diesem gegenüber müsste ein Nachforderungsbescheid ergehen, der auf einer Steuerfestsetzung des Finanzamts beruht. Die Steuerfestsetzungskompetenz verbleibt damit allein bei den Finanzbehörden. Unter anderem aus diesem Grund ist eine Beleihung abzulehnen. 1244 1245 1246
Siehe zu einem entsprechenden Vorschlag unten § 6 B. II. 3. c) cc) sowie § 6 B. VI. 3. S. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 38. Sie hierzu oben § 5 B. III. 2.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
3. Die Kreditinstitute können durch ihre Tätigkeit im Kapitalertragsteuerverfahren auch nicht als Verwaltungshelfer eingeordnet werden – auch dies wird vertreten. So wird vorgebracht, dass die Kreditinstitute nur dabei helfen, die Steuer einzutreiben, also im Rahmen des staatlichen Vollzugs ohne eigene Kompetenz und unselbstständig tätig werden. Dem ist ebenfalls entgegenzutreten, da die von den Kreditinstituten zu erledigenden Aufgaben die reine Hilfe beim Vollzug deutlich übersteigen. Zum einen liegt das schon an der Masse der nach den §§ 43 ff. EStG zu erfüllenden Pflichten, zum anderen aber vor allem am weitgehend eigenverantwortlichen Tätigwerden. Denn die Kreditinstitute müssen zunächst prüfen, ob ein bestimmter Kapitalertrag vorliegt, der einem Kapitalertragsteuerabzug unterliegt und anschließend einen ordnungsgemäßen Abzug vornehmen. Von einer Hilfstätigkeit beim Vollzug kann hier nicht mehr gesprochen werden. 4. Die verwaltungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute als Beliehene bzw. als Verwaltungshelfer wurde verneint. Ihre Stellung ist vielmehr als Indienstnahme Privater zu begreifen. Sie erfüllen die Pflichten der §§ 43 ff. EStG eigenverantwortlich, aus eigenen Mitteln und zum Wohle der Allgemeinheit, ohne dabei hoheitliche Kompetenzen auszuüben. Die hoheitlichen Kompetenzen (insbesondere die Steuerfestsetzung) verbleiben bei den Finanzbehörden. Die Allgemeinwohlbezogenheit ergibt sich überwiegend aus dem Fiskalzweck von Steuern. Die Kreditinstitute handeln in diesem Verfahren eigenverantwortlich, da sie u. a. selbst entscheiden müssen, wann sie einen Steuerabzug vorzunehmen haben und wann nicht. All diese Aufgaben müssen sie ersatzlos erfüllen, sodass sie eigene Mittel dafür einzusetzen haben.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG Die vorangehende verwaltungsrechtliche Qualifizierung der Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren kam zum Ergebnis, diese als Indienstgenommene Private zu begreifen. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, diesen Befund nun in eine verfassungsrechtliche Überprüfung zu überführen. Dabei sind zwei grundlegende Fragen zu beantworten. Zum einen ist zu untersuchen, ob es grundsätzlich zulässig ist, die Steuererhebung als genuin staatliche Aufgabe weitgehend von privater Hand ausführen zu lassen (A.). Zum anderen muss sich die Indienstnahme eines Kreditinstituts an den Grundrechten messen lassen (B.). Diese sind aus zwei Perspektiven zu betrachten. Zunächst sorgen in ihrer Funktion als klassische Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe (status negativus1247) für einen Schutz der Kreditinstitute vor überbürdenden Aufgaben. Gleichzeitig disziplinieren sie die 1247 R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 111 ff.; T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 35. Aufl. 2019, S. 43.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 247
Legislative, die Grundrechtsberechtigten nicht über Gebühr zu belasten. Dieser Schutzmechanismus bewirkt einen effektiven Grundrechtsschutz. Als mögliches verletztes Grundrecht kommt vorliegend zuvörderst die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG in Betracht, die um Erwägungen hinsichtlich der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ergänzt wird. Abschließend wird der Frage der Rechtsdurchsetzung nachgegangen. Es werden Wege aufgezeigt, wie Kreditinstitute gerichtlichen Rechtsschutz erlangen können, wenn sie im Ergebnis tatsächlich verfassungswidrig in Dienst genommen werden (C.).
A. Die staatsorganisationsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren Die staatsorganisationsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen bilden eine Trennungslinie zwischen den eigenen Angelegenheiten des Privaten und den staatlichen Aufgaben.1248 Dass die Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren staatliche Aufgaben wahrnehmen, wurde bereits erläutert.1249 Eine solche Delegation von Verwaltungsaufgaben ist aber nur zulässig, sofern keine Verfassungsschranken entgegenstehen. Als mögliche Verfassungsschranken kommen hier die Kompetenzvorschriften der Art. 20 Abs. 2, 108 GG sowie der Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG in Betracht. I. Verstoß gegen die Kompetenzordnung nach Art. 20 Abs. 2 GG Nach Art. 20 Abs. 2 GG geht die Staatsgewalt vom Volke aus und wird durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. In dieser Norm ist das Prinzip der Gewaltenteilung verankert.1250 Sie hat zum Ziel, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen.“1251 Wird die Besteuerung von Kapitaleinkünften weitgehend den Kreditinstituten als Private überlassen, wird sie insoweit nicht mehr von staatlichen Organen ausgeführt, worin ein Verfassungsverstoß zu erblicken sein kann. Die Norm des Art. 20 Abs. 2 GG darf aber nicht im Sinne eines Verbots verstanden werden, 1248
(160). 1249
C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157
Siehe dazu oben § 5 A. Jarass/Pieroth, in: dies., Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 32. 1251 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984, 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1 (86); BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1996, 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, S. 1 (15); BVerfG, Urt. v. 14. 7. 1998, 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, S. 218 (252). 1250
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Private überhaupt in die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einzubinden. Sie verlangt lediglich eine demokratische Legitimation des die Staatsgewalt ausübenden Rechtssubjekts.1252 Die Ausübung der Staatsgewalt muss durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf einen Volkswillen zurückführbar sein.1253 Der Begriff des staatlichen „Organs“ ist nicht in einem bestimmten technischen Sinne zu verstehen.1254 Im Kapitalertragsteuerrecht ist dieser Voraussetzung Genüge getan. Die Finanzbehörden sind nach Art. 108 GG zur Erhebung von Steuern legitimiert.1255 Nur diese haben die Kompetenz, Steuern festsetzen zu können. Trotz der weitgehenden Erledigung der Besteuerung durch die Kreditinstitute bleibt die Finanzbehörde Herrin des Besteuerungsverfahrens1256 und als solche demokratisch legitimiert. Die privaten Kreditinstitute leiten für die ihnen obliegenden Aufgaben ihre demokratische Legitimation von den Finanzbehörden im Wege der kooperativen Zusammenarbeit im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ab. Ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Art. 20 Abs. 2 GG liegt daher nicht vor.1257 II. Verstoß gegen die Kompetenzordnung nach Art. 108 GG Die organisationsrechtliche Einbindung Privater in die Steuererhebung ist ferner unter dem Blickwinkel der Kompetenznorm des Art. 108 GG zu untersuchen. Durch diese Vorschrift wird die Steuerhebung als staatliche Aufgabe ausgewiesen und der Vollzug der Steuergesetze den Finanzbehörden aufgetragen, die nach § 85 Satz 1 AO die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben.1258 Allen voran regelt Art. 108 GG, wann Steuern durch die Bundesfinanzbehörden (Abs. 1) und wann durch die Landesfinanzbehörden (Abs. 2) verwaltet werden. Es stellt sich die Frage, ob dieser Norm über die reine Zuordnung von Kompetenzen hinaus auch institutionelle Bedeutung zukommt, also Steuern aus1252 F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (159 f.). 1253 U. Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL Band 56 1997, S. 262 (263 f.); BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, S. 37 (67 f.). 1254 F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (159 f.); H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 76; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 257. 1255 Zu Art. 108 GG siehe sogleich unten § 6 A. II. 1256 W. Dumke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, 144. Lfg. 2011, Vor. §§ 78 ff. AO Rn. 57a. 1257 So auch für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 76; C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 151; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 60 f. 1258 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (160).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 249
schließlich von Bundes- oder Landesfinanzbehörden im Wege der unmittelbaren Staatsverwaltung zu verwalten sind. Dies ist umstritten. Nach Schäfer komme den Vorschriften des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG keine institutionelle, sondern nur eine funktionelle Bedeutung zu. Würde man diesen Vorschriften eine institutionelle Bedeutung beimessen, so wäre die Einbindung Privater in die Finanzverwaltung schon aus diesem Grunde verfassungswidrig.1259 Vielmehr erschöpfe sich Art. 108 GG in der Zuweisung einer Zuständigkeit an Bund und Länder.1260 Schick hingegen ist deutlich zurückhaltender. Nach seiner Auffassung dürfe die Steuerhebung nur von „reinen“ Verwaltungsbehörden ausgeübt werden, da es bei Einbindung eines privaten Rechtsträgers im Bereich der Besteuerung „notwendigerweise zu Unklarheiten und Interessenvermischungen“ komme. Eine Übertragung solcher Aufgaben auf einen privaten Rechtsträger scheide schon aus diesem Grunde aus.1261 Einen weiteren Ansatz verfolgt Winter. Zum einen habe die Steuerverwaltung durch Behörden stattzufinden. Art. 108 GG verwende diese Terminologie und bringe damit zum Ausdruck, dass die Steuerverwaltung als unmittelbare Staatsaufgabe ausgestaltet sein müsse. Zum anderen komme Art. 108 GG eine über die reine Zuweisung von Zuständigkeiten hinausgehende Bedeutung zu, da das Gesetz ausdrücklich vorschreibe, dass die Steuerverwaltung ausschließlich von Finanzbehörden vorzunehmen sei. Insoweit käme Art. 108 GG institutionelle Bedeutung zu.1262 Dem letztgenannten Ansatz ist zuzustimmen. Art. 108 GG definiert die Steuerverwaltung als unmittelbare Staatsaufgabe und weist den Bundes- und Landesfinanzbehörden institutionelle Bedeutung zu. Dass es sich um eine unmittelbare Staatsverwaltung handelt, ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Grundgesetzes. Denn sofern das Grundgesetz eine mittelbare Staatsverwaltung1263 zulässt, spricht es – wie etwa in Art. 86 Satz 1 GG – von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts und nicht von Behörden, wie es in Art. 108 Abs. 1, 2 GG der Fall ist.1264 Im Umkehrschluss scheidet eine mittelbare Staatsverwaltung im Bereich der Besteuerung aus. Die institutionelle Bedeutung ergibt sich bereits aus 1259 H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 76. 1260 H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 77. 1261 W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 15. 1262 G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 172. 1263 Eine staatliche Aufgabenerfüllung in Form der mittelbaren Staatsverwaltung liegt vor, wenn Verwaltungsaufgaben nicht selbst vom Staat durch eigene Behörden erfüllt werden, sondern von rechtlich selbstständigen, in die Staatsorganisation einbezogenen Verwaltungsträgern; siehe H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, S. 628. 1264 So auch K. Schwarz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 87. Lfg. 2019, Art. 108 Rn. 12 f.; V. Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 3, 6. Aufl. 2010, Art. 108 Rn. 38 f.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
dem Wortlaut der Norm. Die Steuerverwaltung ist dort explizit an die Bundes- bzw. Landesfinanzbehörden adressiert. Dies zeigt, dass Steuern von der Institution „Finanzbehörde“ zu verwalten sind und eben nicht durch „private Steuerkollektoren“1265. Dem Gesetz kommt es gerade auf die Institution der Finanzbehörde an und nicht auf ein funktionelles Tätigwerden. Letzteres ist der Norm nicht zu entnehmen. Art. 108 GG erschöpft sich damit nicht allein in einer Zuweisung von Kompetenzen. Dieser Befund steht einer Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren jedoch nicht per se entgegen. Ein Grund dafür ist, dass – rein formal gesehen – die Steuern weiterhin ausschließlich von den Finanzbehörden verwaltet werden. Die Kreditinstitute erledigen zwar einen Großteil dieser Aufgaben, doch machen sie das gerade ohne finale Entscheidungskompetenz. Diese liegt nach wie vor bei der Finanzbehörde. Und „verwalten“ kann nur derjenige, dem auch die damit notwendigerweise einhergehenden Kompetenzen zustehen. Im Rahmen dieser Verwaltung wird den Finanzbehörden eine weite Gestaltungsfreiheit bei der Art und Weise ihrer Aufgabenerledigung zugestanden. So führt das BVerfG hierzu aus, dass den zuständigen Verwaltungsorganen „auch mit Blick auf die normierten Verwaltungsarten […] ein weiter Spielraum bei ihrer organisatorischen Ausgestaltung allgemein und im Einzelfall“ verbleibt.1266 Dadurch ist es ihnen möglich, weite Teile des Besteuerungsverfahrens von Privaten erfüllen zu lassen, ohne dabei die „Verwaltung an sich“ aus der Hand zu geben. Schließlich schweigt Art. 108 GG zur Einbindung Privater in die Steuererhebung. Es besagt nur positiv-rechtlich, dass Finanzbehörden zuständig sind. Aus diesem Schweigen kann jedoch kein Verbot dahingehend entnommen werden, Private in das originär finanzbehördliche Verfahren miteinzubeziehen. Daher steht Art. 108 GG einer Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nicht entgegen.1267
1265
(1175). 1266
So T. Puhl, Besteuerungsverfahren und Verfassung (Teil II), DStR 1991, S. 1173
BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983, 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, S. 1 (40 f.). Im Ergebnis so auch K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 248 ff.; C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 151 f.; H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 77; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 172; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 37 Fn. 62; O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 35 f.; siehe zur vergleichbaren Fragestellung bzgl. Art. 83 GG: F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (163); U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 257 ff.; F. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 54. Lfg. 2009, Art. 83 Rn. 37. 1267
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 251
III. Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG Schließlich ist die Einbindung Privater in die Steuererhebung am Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG zu messen. Danach ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.1268 Dies gilt vor allem für Aufgaben, „die zur Sicherung des fachlichen Niveaus, der Funktionsfähigkeit, der rechtlichen Integrität des Staats oder der Kontinuität der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben unerlässlich sind und deshalb ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat erfordern.“1269 Es handelt sich dabei also um die Kernaufgaben staatlichen Handelns. Die Erhebung von Steuern ist ein Fall klassischer Eingriffsverwaltung. Der Staat tritt hier dem Bürger obrigkeitlich gegenüber, indem er einseitig und mit Zwang einen Steueranspruch durchsetzt.1270 Es würde dem Sinn des Funktionsvorbehaltes zuwiderlaufen, könnte man diesen Kernbereich staatlichen Handelns an Private delegieren.1271 Davon kann jedoch nach h. M. eine Ausnahme gemacht werden, sofern ein sachlicher Grund vorliegt, der eine Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Private zu rechtfertigen vermag.1272 Wesentlich hierfür ist, dass das Schwergewicht der hoheitlichen Aufgabenerfüllung noch beim Beamten liegt, diese also die Aufgabenerfüllung prägen1273 und die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen.1274
1268 Als „Angehörige des öffentlichen Dienstes“ zählen dabei nur Beamte, nicht aber nur Angestellte im öffentlichen Dienst; siehe B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 40. 1269 F. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 33 Rn. 151. 1270 V. Haug, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum als Privatisierungsschranken, NVwZ 1999, S. 816 (817 f.). 1271 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (160); A. Krölls, Rechtliche Grenzen der Privatisierungspolitik, GewArch 1995, S. 129 (135); F.-J. Peine, Der Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums, DV 1984, S. 415 (436). 1272 M. Jachmann-Michel/A.-B. Kaiser, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 2, 7. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 37; M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (590); V. Haug, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum als Privatisierungsschranken, NVwZ 1999, S. 816 (818 f.); dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der Norm, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse „in der Regel“ Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist. 1273 M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (591); C. Gramm, Schranken der Personalprivatisierung bei der inneren Sicherheit, VerwArch 1999, S. 329 (336 f.). 1274 M. Jachmann-Michel/A.-B. Kaiser, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 2, 7. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 37.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Die Indienstnahme des Kreditinstituts im Rahmen des Kapitalertragsteuerrechts scheitert nicht an diesem Funktionsvorbehalt.1275 Der Grund dafür ist, dass gerade keine hoheitlichen Kompetenzen – anders als bei der Beleihung – übertragen werden, sodass die Entscheidungskompetenz, also insbesondere die Steuerfestsetzungskompetenz als maßgebliche staatliche Maßnahme – weiterhin bei den Finanzbehörden und deren Finanzbeamten liegt.1276 Auch bei abgeltender Besteuerung der Kapitalerträge auf Ebene der Kreditinstitute kann eine Veranlagung durchgeführt bzw. ein Einspruch eingelegt und damit eine Entscheidung der Finanzbehörden herbeigeführt werden. Damit verbleibt die Kernentscheidung in staatlicher Hand, auch wenn die Kreditinstitute in hohem Maße in die Besteuerung miteingebunden werden. Auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes kommt es mithin nicht an. Ein solcher könnte allerdings im Gebot effektiven Verwaltungshandelns1277 bzw. in der Sachnähe des Kreditinstituts zum Steuerschuldner1278 gesehen werden. Insgesamt stehen der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG keine staatsorganisationsrechtlichen Bedenken entgegen.
B. Die grundrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren Weit stärker als die staatsorganisationsrechtlichen Bedenken rücken grundrechtliche Fragen in den Vordergrund der Betrachtung. Kreditinstitute werden durch die Indienstnahme in ihren verfassungsrechtlichen Freiheiten beschränkt. Gerade in solchen Situationen entfalten die Grundrechte ihre volle Kraft, dienen als Schutzschild vor ungerechtfertigten staatlichen Beeinträchtigungen.1279 Vorliegend kommt ein Schutz durch die Grundrechte aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit), Art. 14 GG (Eigentumsfreiheit) sowie Art. 3 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) in Betracht.
1275
So auch K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 247 f.; M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 201 ff.; C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 153 ff.; so auch für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren: H. Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 82 f.; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 175 ff.; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 63 ff.; mit Bedenken W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 38 ff. 1276 Siehe dazu ausführlich bereits oben § 5 B. III. 2. 1277 So G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 177. 1278 So C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 156. 1279 Grundlegend dazu M. Jachmann, Freiheitsgrundrechtliche Grenzen steuerlicher Belastungswirkungen, in: FS Schiedermair, 2001, S. 391 ff.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 253
Ausgangspunkt der folgenden Begutachtung bildet eine Grundsatzentscheidung des BVerfG, das zu dieser Problematik einst Stellung bezog. I. Ausgangslage: Die Kuponsteuer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. 11. 1967 Das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich erstmals und bis dato einmalig im Jahre 1967 mit der Indienstnahme von Kreditinstituten im Rahmen der Einbehaltung und Abführung von Kuponsteuer.1280 Die damals von einem Kreditinstitut eingereichte Verfassungsbeschwerde erachtete es insoweit als unbegründet.1281 Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Verpflichtungen sei dem Gericht zufolge die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.1282 Der Schutz der Berufsfreiheit entfalte sich grundsätzlich „nur für solche Normen […], die sich gerade auf die berufliche Betätigung beziehen und diese unmittelbar zum Gegenstand haben.“1283 Bei der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Kuponsteuer sei dies gerade nicht der Fall, da sie sich nicht auf die „Art und Weise der Durchführung von Bankgeschäften“ beziehe.1284 Aber auch in einem solchen Fall „könne nicht ausnahmslos gefordert werden, daß die berufliche Betätigung unmittelbar Regelungsobjekt einer Norm sein müsse, um sie an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Der besondere Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, kann auch durch solche Vorschriften berührt werden, die mit der Ausübung eines Berufs eine zusätzliche, außerhalb der eigentlichen Berufsausübung liegende Tätigkeit verknüpfen, wenn diese Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit dem Beruf steht und Rückwirkungen auf die Berufsausübung hat.“1285 Diese Voraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht in der damaligen Verfassungsbeschwerde für gegeben erachtet. Dieser Grundrechtseingriff sei allerdings aus zwei Gründen gerechtfertigt. Zum einen aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls. Die Kuponsteuerpflicht 1280
Die Kuponsteuer ist lediglich eine Sonderform der Kapitalertragsteuer und wurde 1965 in das EStG eingefügt; siehe Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes v. 25. 3. 1965 (BGBl. I S. 147). Dazu ausführlich R. Philipowski, Kuponsteuer, 1979, S. 1 ff. 1281 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 – Kuponsteuer. 1282 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (383 f.) – Kuponsteuer; die Eigentumsfreiheit wird hingegen nur kurz angesprochen. Sie halte sich, „wenn sie überhaupt an Art. 14 GG zu messen ist, jedenfalls in dem Bereich der Inhaltsbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG)“; siehe BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386 f.) – Kuponsteuer. 1283 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384) – Kuponsteuer. 1284 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384) – Kuponsteuer. 1285 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384) – Kuponsteuer.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
bestehe für Gläubiger, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland haben. Diese Informationen stehen den Kreditinstituten zur Verfügung, weswegen es zweckmäßig sei, diesen auch den Einbehalt und den Abzug der Steuer aufzuerlegen.1286 Zum anderen sei die „zusätzliche Belastung der Kreditinstitute […] weder unangemessen hoch noch unzumutbar.“ Die Kreditinstitute müssten zwar die persönlichen Verhältnisse ihrer Kunden prüfen, was zu einem Mehraufwand führe, doch sei diese „Inanspruchnahme […] erträglich, zumal sie sich an die übliche Banktätigkeit anlehnt.“1287 Mit dieser recht knappen Begründung lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung von Grundrechten des Kreditinstituts ab. Seit dieser Entscheidung sind nun über 50 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich das Kapitalertragsteuerrecht in erheblichem Maße weiterentwickelt und verkompliziert.1288 Die Pflichten der Kreditinstitute sind gestiegen und damit auch die Belastungen durch die daraus resultierenden Konsequenzen. Dies wurde im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit untersucht. Die Entscheidung des BVerfG zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren ist damit keine res iudicata. Es ist vielmehr an der Zeit, diese Frage unter Zugrundelegung des derzeit geltenden Rechts neu zu stellen.1289 II. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Die Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren ist allen voran am Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG als klassischem Abwehrrecht1290 zu messen. Hieraus ergeben sich die Grenzen der Belastbarkeit eines Unternehmers.1291 Eine Indienstnahme wäre danach 1286
BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384 f.) – Kuponsteuer. 1287 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (385) – Kuponsteuer. 1288 Siehe zur historischen Entwicklung des Kapitalertragsteuerrechts oben § 2. 1289 Zur vergleichbaren verfassungsrechtlichen Problematik im Lohnsteuerrecht schreibt Drüen zutreffend, dass die „freiheitsbeschränkenden Regelungen „nicht ein für alle Mal“ gerechtfertigt“ werden können, sondern „immer wieder auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden“ müssen; siehe K.-D. Drüen, Grenzen der Steuerentrichtungspflichten – Verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme angesichts intensivierter Arbeitgeberpflichten beim Lohnsteuerabzug, FR 2004, S. 1134 (1148). 1290 J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 59; Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 16. 1291 So das Bundesverfassungsgericht neben der Entscheidung zur Kuponsteuer auch in der bekannten Entscheidung zur Erdölbevorratung; siehe BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (311 f.) – Erdölbevorratung; siehe zudem BVerfG,
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unzulässig und damit verfassungswidrig, wenn sie in den Schutzbereich (1.) dieses Grundrechts eingreift (2.) und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann (3.). 1. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit für Kreditinstitute a) Das Kreditinstitut als persönlich Schutzberechtigter Die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst seinem Wortlaut nach natürliche Personen. Über Art. 19 Abs. 3 GG können sich auch inländische juristische Personen auf einen Grundrechtsschutz berufen, sofern die einschlägigen Grundrechte ihrem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar sind. Im Rahmen des Art. 12 GG ist dies nach h. M. für juristische Personen des Privatrechts anzunehmen.1292 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Schutzgut bei Art. 12 Abs. 1 GG im Hinblick auf juristische Personen „die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann.“1293 Im Kapitalertragsteuerverfahren ist dies zu bejahen, da sich die in §§ 43 ff. EStG aufgestellten Pflichten explizit an Kreditinstitute als Adressaten wenden. Diese Normen sind ihrem Wesen und ihrer Art nach gerade auf juristische Personen ausgerichtet. In der Praxis handelt es sich um den Normalfall, dass Kreditinstitute als juristische Personen am Markt auftreten. Problematisch könnte allerdings sein, dass die Kreditinstitute im Rahmen ihrer Indienstnahme staatliche Aufgaben im Bereich der Besteuerung erfüllen. Es stellt sich damit die Frage, ob sie diesbezüglich nicht grundrechtsberechtigt, sondern Beschl. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240 (244); H. Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hennecke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 10. 1292 BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 2016, 1 BvR 3102/13, BVerfGE 121, S. 121 (132); BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1987, 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, S. 129 (148 f.); BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1983, 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, S. 196 (209 f.); BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (361 ff.); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (312) – Erdölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/ 66, BVerfGE 22, S. 380 (383) – Kuponsteuer; BVerfG, Urt. v. 4. 4. 1967, 1 BvR 84/65, BVerfGE 21, S. 261 (266); R. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 47. Lfg. 2006, Art. 12 Rn. 101, 106; K. Meessen, Ausländische juristische Personen als Träger von Grundrechten, JZ 1970, S. 602; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 13; G. Leibholz/H.-J. Rinck, Grundgesetz, 74. Lfg. 2017, Art. 12 Rn. 6; umstritten ist allerdings, ob dabei auf das „personale Substrat“ hinter der juristischen Person abzustellen ist oder den juristischen Personen selbst Grundrechtsschutz zusteht, sofern sie sich in einer sog. „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befinden; siehe dazu T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 35. Aufl. 2019, S. 69 f. und grundlegend A. v. Mutius, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 32. Lfg. 1974, Art. 19 Rn. 100 und 34. Lfg. 1975, Art. 19 Rn. 29, 33, 114. 1293 BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (312) – Erdölbevorratung.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
grundrechtsverpflichtet sind. Bei der Beleihung ist dies grundsätzlich der Fall,1294 da der Beliehene selbst teilweise zur Verwaltungsbehörde wird.1295 Bei der Indienstnahme ist dies jedoch abzulehnen. Zwar rückt das Kreditinstitut durch die Indienstnahme partiell in die Sphäre des Staats,1296 doch bleibt es stets Subjekt des Privatrechts,1297 dem – anders als dem Beliehenen1298 – keine hoheitlichen Kompetenzen zustehen. Als solches bleibt es gegenüber dem Staat uneingeschränkt grundrechtsberechtigt. Das Kreditinstitut ist daher im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahren in persönlicher Hinsicht schutzberechtigt. b) Das allgemeine Bankgeschäft als sachlich geschützter Beruf Daneben muss der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit für die konkrete Tätigkeit der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren eröffnet sein. Nach Art. 12 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen, wobei die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden kann. Es handelt sich dabei um ein einheitliches Grundrecht der Berufswahl und der Berufsfreiheit, da diese zwei Phasen eines Berufs untrennbar miteinander verknüpft sind.1299 Damit gilt der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Berufswahl.1300 Der Begriff des „Berufs“ bildet das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Art. 12 Abs. 1 GG. Darunter versteht man grundsätzlich jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist 1294
Sofern der Beliehene öffentlich-rechtlich im Rahmen seines übertragenen Hoheitsbereichs handelt, kann er sich nicht auf Grundrechte berufen. Wird er allerdings in seiner nicht-öffentlich-rechtlichen Stellung betroffen, kann er als Subjekt des Privatrechts Grundrechtsschutz für sich beanspruchen; siehe H. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 90 Rn. 50; D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/ Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 276; M. Burgi, Der Beliehene – ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer, 2001, S. 581 (592); F. Schnapp/M. Kaltenborn, Grundrechtsbindung nichtstaatlicher Institutionen, JuS 2000, S. 937 (938); J. Klement, Ungereimtes in der Beleihungsdogmatik des BGH, VerwArch 2010, S. 112 (117); siehe dazu auch oben § 5 B. II. 1295 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 276, 292. 1296 U. Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 585 (588). 1297 D. Ehlers/J.-P. Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Lfg. 2015, § 40 Rn. 292. 1298 Siehe dazu oben § 5 B. 1299 BVerfG, Beschl. v. 21. 10. 1981, 1 BvR 802/78 u. a., BVerfGE 59, S. 172 (205 f.); BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 1976, 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, S. 251 (261 f.); BVerfG, Beschl. v. 25. 6. 1974, 1 BvL 11/73, BVerfGE 37, S. 342 (352 f.); BVerfG, Urt. v. 18. 7. 1972, 1 BvL 32/70 u. a., BVerfGE 33, S. 303 (329 f.); BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (401 f.) – Apothekenurteil. 1300 BVerfG, Beschl. v. 25. 3. 1992, 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, S. 28 (40); G. Leibholz/ H.-J. Rinck, Grundgesetz, 57. Lfg. 2011, Art. 12 Rn. 236; Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 14, 107; Sodan/ders., Grundgesetz, 4. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 1, 25.
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und in ideeller wie in materieller Hinsicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient bzw. dazu beiträgt.1301 Berufen sich juristische Personen auf die Berufsfreiheit, muss dieses Begriffsverständnis, das auf die natürliche Person abzielt, in einem weiteren Sinne verstanden werden. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass der Beruf „nicht nur die auf Grund einer persönlichen „Berufung“ ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit [ist], sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung“1302 bzw. sich der Schutz auf die „Erwerbszwecken dienende Tätigkeit“1303 bezieht. Einer auf Erwerb gerichteten Beschäftigung kann auch eine juristische Person nachkommen, indem für sie handelnde Personen beschäftigt werden. Diese tragen durch ihr Tätigwerden zum wirtschaftlichen Fortkommen des Unternehmens bei. Darin kommt gerade die im persönlichen Anwendungsbereich nach Art. 19 Abs. 3 GG bei juristischen Personen geforderte Anwendbarkeit des Grundrechts ihrem Wesen nach auch in sachlicher Hinsicht zum Ausdruck. Das Merkmal der „Ausübung“ des Berufs in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG hat zum Gegenstand, in welcher Art und Weise die Berufstätigkeit im Einzelnen gestaltet wird, ohne dabei an die eigentliche Berufstätigkeit an sich anzuknüpfen.1304 Es wird die gesamte berufliche Tätigkeit geschützt, insbesondere in Form, Mittel und Umgang1305 sowie die Organisation von Betriebsabläufen.1306 Sie ist damit weit zu interpretieren.1307 Ein Kreditinstitut erfüllt mit seinen Tätigkeiten diese Voraussetzungen eines „Berufs“, indem es seinen alltäglichen Bankgeschäften nachkommt und durch diese Tätigkeit auf Dauer einen Gewinn zu erwirtschaften versucht. Die „Ausübung“ des Berufs umfasst insbesondere die für das Kapitalertragsteuerrecht maßgebliche Tätigkeit der Verwaltung von Kundenkonten samt der damit im Zusammenhang ste-
1301 BVerfG, Urt. v. 28. 3. 2006, 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, S. 276 (300); BVerfG, Urt. v. 9. 6. 2004, 1 BvR 636/02, BVerfGE 111, S. 10 (28); BVerfG, Beschl. v. 20. 4. 2004, 1 BvR 838/01 u. a., BVerfGE 110, S. 304 (321); BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, S. 252 (265); BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (397) – Apothekenurteil; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 5; Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 43 ff. 1302 BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, S. 228 (253). 1303 BVerfG, Urt. v. 13. 9. 2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, S. 196 (244); BVerfG, Urt. v. 17. 12. 2002, 1 BvL 28/95 u. a., BVerfGE 106, S. 275 (298); BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, S. 252 (265). 1304 G. Leibholz/H.-J. Rinck, Grundgesetz, 72. Lfg. 2016, Art. 12 Rn. 296. 1305 H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 10; R. Breuer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band VIII, 3. Aufl. 2010, § 170 Rn. 82; M. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rn. 38. 1306 G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 67. 1307 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (397) – Apothekenurteil; G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 67.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
henden Bearbeitung von Zahlungseingängen (z. B. Dividenden) und die einhergehende Organisation dieser Betriebsabläufe. 2. Die §§ 43 ff. EStG als staatlicher Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Kreditinstitute Als notwendiger nächster Schritt der Verfassungsprüfung ist zu untersuchen, ob durch die §§ 43 ff. EStG in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Kreditinstitute eingegriffen wird. Hierbei sind zwei Fragen voneinander zu trennen. Zunächst müssen überhaupt die Grundvoraussetzungen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit an sich vorliegen (a)). Kann dies bejaht werden, stellt sich die Folgeproblematik der rechtlichen Qualität dieses Eingriffs. Hierbei gilt es, die Indienstnahme in die verfassungsrechtliche Grundrechtsdogmatik zu übertragen und den herkömmlichen Eingriffsbegriff hieran zu messen und gegebenenfalls zu modifizieren (b)). a) Die Normen der §§ 43 ff. EStG als in die Berufsfreiheit eingreifende Vorschriften mit berufsregelnder Tendenz Unter einem Eingriff versteht man nach dem derzeit herrschenden „modernen Eingriffsbegriff“ jede faktische oder zumindest mittelbar wirkende staatliche Maßnahme, die dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, teilweise unmöglich macht oder erschwert.1308 Dabei kann die staatliche Maßnahme individuell eingreifen (z. B. durch Verwaltungsakt) oder generell (z. B. durch Gesetz).1309 Im Rahmen des Grundrechts der Berufsfreiheit ist dieser Begriff zusätzlich um das Erfordernis der sog. berufsregelnden Tendenz des Eingriffs zu erweitern, um eine Ausuferung von Eingriffen einzudämmen. Der Eingriff muss demnach ausschließlich oder zumindest hauptsächlich an die Berufstätigkeit anknüpfen und damit in einem engen Zusammenhang zu dieser stehen.1310 Legt man diese Anforderungen an einen Eingriff dem Kapitalertragsteuerverfahren zugrunde, ist zunächst festzuhalten, dass die staatliche Maßnahme der Ein1308 BVerfG, Beschl. v. 11. 7. 2006, 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, S. 202 (222); BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, S. 63 (76); BVerfG, Urt. v. 17. 3. 2004, 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, S. 177 (191); BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279 (300 f.); A. Voßkuhle/A.-B. Kaiser, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundrechtseingriff, JuS 2009, S. 313; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Vorb. vor Art. 1 Rn. 28. 1309 T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 35. Aufl. 2019, S. 82. 1310 BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, S. 1 (58, 81 ff.); BVerfG, Beschl. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, S. 29 (48); BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (383 f.) – Kuponsteuer; BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (185 f.); G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 74; Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 95.
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bindung von Kreditinstituten durch die Vorschriften der §§ 43 ff. EStG erfolgt und damit unmittelbar wirkend durch Gesetz. Daraus resultiert allerdings kein Eingriff in das von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Recht der Kreditinstitute auf freie Berufswahl. Denn das Kreditinstitut wird durch die Regelungen des Kapitalertragsteuerrechts weder in der grundsätzlichen Entscheidung beeinträchtigt, ihren Kunden gegenüber steuerpflichtige Dienstleistungen anzubieten, noch führen die Regelungen dazu, dass der Beruf faktisch nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden kann. Der Zugang zu dieser Tätigkeit des Kreditinstituts – also das „ob“ – wird damit nicht eingeschränkt.1311 Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Normen der §§ 43 ff. EStG in das Recht auf freie Berufsausübung – also in das „wie“ – eingreifen, sofern Abzugsverpflichtete lediglich ihren steuerlich auferlegten Pflichten nachkommen. Ein Teil der Literatur verneint dies bereits,1312 so insbesondere Christoph Trzaskalik. Ihm zufolge verfolge das Steuerrecht „nicht den Zweck, für eine gemeinverträgliche Berufsausübung zu sorgen, behandelt deshalb z. B. private und staatliche Arbeitgeber nach gleichen Maßstäben.“1313 Des Weiteren gehöre es nicht zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit, „als Hilfsorgan der Finanzverwaltung zu fungieren“.1314 Vielmehr habe das „Einbehalten von Steuern […] ebensowenig mit der Berufsausübung zu tun, wie das Zahlen von Steuern. Und deshalb ist aus grundrechtlicher Sicht Art. 2 Abs. 1 und nicht Art. 12 GG einschlägig“.1315 Er verneint damit bereits einen Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübung.
1311 So auch D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater, WM 2010, S. 193 (197). 1312 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (504), die vielmehr den Schutzbereich von Art. 14 GG als einschlägig erachtet, stelle man im Rahmen der Indienstnahme auf die Inanspruchnahme der Betriebseinrichtungen des Steuerentrichtungspflichtigen ab. Jedenfalls sei zumindest Art. 2 Abs. 1 GG als Auffangtatbestand gegeben, sodass keine Notwendigkeit bestehe, auf den nicht präzise passenden Art. 12 Abs. 1 GG abzustellen; letzteres ebenfalls bejahend, C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 162; G. Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerabführungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, S. 1233 (1234 f.); C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 127; A. v. Mutius, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Schranken der öffentlichen Indienstnahme Privater, VerwArch 1972, S. 329 (332 f.); ohne nähere Begründung hierzu für das Umsatzsteuerrecht auch H. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 185. Lfg. 2020, Einf. Rn. 405. 1313 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (163). 1314 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (163). 1315 C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (163).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Dieser Ansicht ist zu widersprechen.1316 Um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bejahen zu können, muss man sich zunächst die konkrete Tätigkeit der Kreditinstitute vor Augen führen. Diese besteht insbesondere in der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (sog. Depotgeschäft).1317 Die §§ 43 ff. EStG regeln hingegen nicht, wie diese Verwahrung und Verwaltung rechtlich genau zu erfolgen hat. Dies ist allen voran im Depotgesetz1318 normiert. Das Kapitalertragsteuerrecht widmet sich den steuerlichen Konsequenzen von erwirtschafteten Kapitalerträgen. Aber auch hierin wird das Kreditinstitut in der Berufsausübung beeinträchtigt. Dies zeigt sich etwa beim Steuerabzug, der einen von vielen in den §§ 43 ff. EStG normierten Eingriffe darstellt. So bestimmt § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, dass sie einen Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen haben. Denn denke man sich die Vorschrift hinweg, so würde es eine Verwahrung und Verwaltung ohne Steuerabzug vornehmen. Der Steuerabzug steht mit dem Depotgeschäft in einem inhaltlich engen Zusammenhang, da bspw. Aktiendividenden grundsätzlich als steuerpflichtige Kapitalerträge auch Kapitalertragsteuer auslösen, die von den Kreditinstituten einzubehalten ist.1319 Das Depotgeschäft ist damit mit dem Kapitalertragsteuerabzug derart verknüpft, dass dieser nicht außer1316 So auch D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater, WM 2010, S. 193 (197); G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 180 f.; ders., Die Überforderung der Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug, FR 2015, S. 773 (778); O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 38 ff.; A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2001, S. 93; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 69; H. Herrler, Mitwirkung der Banken bei der Besteuerung von Bankkunden, 1984, S. 219 f.; D. Plewa, Die Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben am Beispiel des Gesetzes über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 09. 09. 1965 in der Fassung vom 04. 09. 1975, 1978, S. 105 ff.; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 119 ff.; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 59 Rn. 68; ders., Abgaben und Grundrechte, in: Merten/Papier, Grundsatzfragen der Grundrechtsdogmatik, 2007, S. 35 (50); Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (143); J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1475); M. Burgi, Finanzieller Ausgleich für Bürokratielasten – ein Verfassungsgebot!, GewArch 1999, S. 393 (397); B. Heuermann, Leistungspflichten im Lohnsteuerverfahren, StuW 1998, S. 219 (224); H. Hahn, Verfassungsrechtliche Aspekte der Haftung des Arbeitgebers für einzubehaltende Lohnsteuer, NJW 1988, S. 20 (26); R. Schneider, Rechtsnorm und Individualakt im Bereiche des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, VerwArch 1967, S. 301 (355); zur Ansicht der Rechtsprechung siehe unten in Fn. 1325. 1317 Siehe § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG. 1318 Siehe das Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren v. 4. 2. 1937 (RGBl. I S. 171), in der Fassung der Bekanntmachung v. 11. 1. 1995 (BGBl. I S. 34), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 30. 6. 2016 (BGBl. I S. 1514, 2017 I S. 559), im Folgenden DepotG. 1319 In diese Richtung argumentierend auch H. Herrler, Mitwirkung der Banken bei der Besteuerung von Bankkunden, 1984, S. 219 f.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 261
halb der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren zu verorten, sondern als Teil dessen anzusehen ist. Es werden zusätzliche Verwaltungspflichten auf das Kreditinstitut übertragen.1320 Die Verpflichtung zum Steuerabzug greift folglich in die Art und Weise der Gestaltung der Verwahrung von Wertpapieren durch ein Kreditinstitut ein und weist die notwendige berufsregelnde Tendenz in Bezug auf die Berufsausübung auf. Selbst wenn man diese Auffassung nicht zu teilen vermag, kann dem Bundesverfassungsgericht folgend dennoch ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bejaht werden. Diesem zufolge „kann nicht ausnahmslos gefordert werden, daß die berufliche Betätigung unmittelbares Regelungsobjekt einer Norm sein müsse, um sie an Art. 12 Abs. 1 GG messen zu können.“1321 Vielmehr könne der „besondere Freiheitsraum […], den Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, […] auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Freiheit der Berufswahl mittelbar zu beeinträchtigen, obwohl sie keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter tragen.“1322 Dies gelte auch für steuerliche Vorschriften, „wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen.“1323 Diese Rechtsprechung bestätigte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Kuponsteuer1324 und konkretisierte sie ferner auf die Berufsausübungsfreiheit.1325 Danach könne der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG „auch durch solche Vorschriften berührt werden, die mit der Ausübung des Berufs eine zusätzliche, außerhalb der eigentlichen Berufsausübung liegende Tätigkeit verknüpfen, wenn diese Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit dem Beruf steht und Rückwirkungen auf die Berufsausübung hat.“1326 Dies sah es bei den Vorschriften des Kapitalertragsteuerverfahrens als gegeben an, da die Kreditinstitute steuerpflichtige Kapitalerträge üblicherweise einziehen und sich deshalb insbesondere der Steuerabzug noch in der Sphäre deren Berufsausübung befinde.1327 1320
Rn. 68. 1321
F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 59
BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (185). BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (185 f.) – Hervorh. d. Verf. 1323 BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (186). 1324 Siehe dazu oben § 6 B. I. 1325 Diese Rechtsprechung wurde vom BVerfG in einigen Folgeentscheidungen weiter bestätigt. So u. a. in BVerfG, Beschl. v. 11. 2. 1992, 1 BvR 1531/90, BVerfGE 85, S. 248 (256); BVerfG, Urt. v. 26. 5. 1981, 1 BvL 56/78 u. a., BVerfGE 57, S. 139 (158); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (312) – Erdölbevorratung, wonach es ausreicht, dass die Pflichten „in irgendeiner Weise an die wirtschaftliche Tätigkeit der Vorratspflichtigen Unternehmer anknüpfen“. 1326 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384) – Kuponsteuer. 1327 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (384) – Kuponsteuer. 1322
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist damit ein Eingriff der §§ 43 ff. EStG – insbesondere durch die Verpflichtung zum Steuerabzug – in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit der Kreditinstitute nach Art. 12 Abs. 1 GG zu bejahen. b) Das Kapitalertragsteuerverfahren als klassischer Anwendungsfall der Rechtsfigur des kumulativen Eingriffs Ausgehend von der beantworteten Frage, ob ein Eingriff vorliegt, stellt sich daran anschließend die Frage wie sich dieser Eingriff rechtsdogmatisch einordnen lässt. Denn das Ergebnis dieser Einordnung ist der Ausgangspunkt und Maßstab für die folgende Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs.1328 aa) Die Rechtsfigur des kumulativen Eingriffs als möglicher Lösungsweg einer grundrechtsdogmatischen Problemstellung Die klassische Grundrechtsdogmatik beschäftigt sich schon lange mit dem Begriff des „Eingriffs“. Ging man früher noch vom sog. klassischen Grundrechtseingriff1329 aus, wurde zunehmend erkannt, dass dieses Begriffsverständnis zu eng sei und ein effektiver Grundrechtsschutz ein weiter zu erfassendes Verständnis erfordere. So bildete sich der derzeit herrschende sog. moderne Grundrechtseingriff1330 heraus. Beiden Begriffen ist gemein, dass sie sich in einem punktuellen, also einmaligen staatlichen Eingriff erschöpfen.1331 Diese Betrachtung wird allerdings den vielen Formen staatlicher Einflussnahme in grundrechtsrelevante Bereiche nicht ausreichend gerecht. Gerade bei der Indienstnahme Privater wird dies offensichtlich.1332 Bei einer solchen Indienstnahme – wie sie bei der Einbindung von Kredit1328
Zutreffend führt Kromrey hierzu aus (Hervorh. d. Verf.): „Dogmatisch richtig ist die Rechtsfigur der Belastungskumulation auf Eingriffsebene als Spielart des Grundrechtseingriffs einzuordnen. Hier entscheidet sich, wogegen die Grundrechte ihren Schutz entfalten, welches Verhalten der Staat also zu rechtfertigen hat.“ Siehe I. Kromrey, Belastungskumulation, 2018, S. 87. 1329 Diesem Begriffsverständnis folgend ist ein Eingriff gegeben, wenn die Beeinträchtigung „unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt.“ Siehe u. a. BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279 (300); grundlegend dazu H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL Band 57 1968, S. 7 (38 f.). 1330 Siehe dazu oben Fn. 1308. 1331 Zur Punktualität des Eingriffsdenkens siehe D. Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, S. 881 (883); M. Kloepfer, Belastungskumulationen durch Normenüberlagerungen im Abwasserrecht, VerwArch 1983, S. 201 (210). 1332 J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1474 f.); F.-J. Peine, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 57 Rn. 53; K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 147, 382.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 263
instituten in das Kapitalertragsteuerverfahren zu bejahen ist1333 – sieht sich der Grundrechtsträger einer Vielzahl von Pflichten konfrontiert, die ihn jeweils einzeln in seinen Grundrechten beeinträchtigen. Daraus kann eine erhebliche Gefahr für den Raum grundrechtlich geschützter Freiheiten erwachsen.1334 (1) Das Grundproblem kumulativ auftretender Belastungen Es ergibt sich folgendes Problem: Beurteilt man mehrere inhaltlich zusammenhängende Eingriffe jeweils separat auf ihre Grundrechtskonformität, lassen sich diese für sich genommen unter Umständen rechtfertigen. Denn je kleiner man einen Eingriff definiert, desto niedriger sind grundsätzlich die Hürden, diesen verfassungsrechtlich zu legitimieren. Allerdings verbietet sich eine solche unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts bzw. eine Pulverisierung von Grundrechtseingriffen. Denn dadurch würde letztlich ein effektiver Grundrechtsschutz, wie er der Verfassung immanent ist, und sich auch im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips widerspiegelt, konterkariert. Aus gleichem Grund verbietet es sich zudem, auf den Schwerpunkt einer Indienstnahme abzustellen (etwa den Steuerabzug nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG als Kernelement des Kapitalertragsteuerverfahrens), da hierdurch andere Grundrechtsbeeinträchtigungen unberücksichtigt blieben. Ein inhaltlich zusammenhängender Sachverhalt muss demnach in der Gesamtheit seiner einzelnen Belastungen betrachtet werden, da diesen im Zusammenspiel eine höhere Eingriffsintensität zuzusprechen ist als bei einer isolierten Betrachtung der Belastungen.1335 Diese höhere Eingriffsintensität kann für den Grundrechtsberechtigten eine größere Gefahr darstellen als ein einzelner besonders intensiver Eingriff. Zutreffend formuliert Nils Schaks hierzu: „Es spricht sogar einiges dafür, dass die Belastungskumulation das für die Grundrechte gefährlichere Phänomen ist: Die schleichende Kumulation von Belastungen ist weniger sichtbar, weniger spektakulär als ein äußerst intensiver Einzeleingriff.“1336 Mehrere weniger intensive Einzeleingriffe erschweren „auch die Kontrolle und damit die Wahrung eines möglichst hohen Niveaus an grundrechtlicher Freiheit.“1337 Klaus-Dieter Drüen bezeichnet das Problem der Kumulation verschiedener Pflichten gar als „offene Flanke des Verfassungstaates“.1338 Aus diesen Gründen muss man sich dieser erhöhten Eingriffsintensität bewusst werden, um sie 1333
Siehe dazu oben § 5 D. III. G. Kirchhof, Kumulative Belastung durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, S. 732 (736). 1335 J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1476). 1336 N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (821). 1337 N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (821). 1338 K.-D. Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG Band 31 2008, S. 167 (200). 1334
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
schließlich als Maßstab der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugrunde zu legen. Nur so wird dem Interesse des Betroffenen auf effektiven Schutz seiner Grundrechte ausreichend Rechnung getragen. (2) Die Behandlung der Problematik in Literatur und Rechtsprechung Dieses grundrechtsdogmatische Problem führte lange Zeit ein Schattendasein, wird aber mittlerweile in der Literatur als kumulative(r)1339 bzw. additiver1340 Grundrechtseingriff/-belastung diskutiert.1341 Beide Begriffe beschreiben letztlich das gleiche Grundproblem,1342 wobei der von Gregor Kirchhof eingeführte Begriff der kumulativen Belastung vorzugswürdig ist. Terminologisch trifft er die Problemstellung präziser, da eine Belastung auch durch sich ergänzende Begünstigungen von Konkurrenten entstehen kann und nicht nur durch einen Eingriff.1343 Anders als der Begriff „additiver Grundrechtseingriff“ suggeriert, werden schließlich nicht einzelne Eingriffe (mathematisch) zusammengerechnet,1344 sondern stehen 1339 Der Begriff der „kumulativen Belastung“ wurde erstmals eingeführt von G. Kirchhof, Kumulative Belastung durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, S. 732; ders., Grundrechte und Wirklichkeit, 2007, S. 27; ders., Die Überforderung der Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug, FR 2015, S. 773 (778); ders., Renaissance der Soll-Ertragsbesteuerung, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, S. 99 (106); der Begriff des „kumulativen Grundrechtseingriffs“ wurde erstmals angedeutet von F. Hufen in der Aussprache zum Vortrag von H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL Band 57 1968, S. 7 (131); Wallerath benennt dieses Phänomen „kumulative Betroffenheit“, siehe M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 240. 1340 A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020, S. 23 ff.; H. Ruschemeier, Der additive Grundrechtseingriff, 2019, S. 17 ff.; D. Dürrschmidt, „Additiver“ bzw. „kumulativer“ Grundrechtseingriff bei einer Kumulation von Belastungen, in: FS Lehner, 2019, S. 396 ff.; J. Kaltenstein, Kernfragen des „additiven“ Grundrechtseingriffs unter besonderer Berücksichtigung des Sozialrechts, SGb 2016, S. 365 ff.; F. Kirchhof, Die Entwicklung des Sozialverfassungsrechts, NZS 2015, S. 1 (7); D. Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, S. 881; J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1470 ff.); H. Sodan/J. Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2018, S. 218; in diese Richtung auch M. Kloepfer, Belastungskumulationen durch Normenüberlagerungen im Abwasserrecht, VerwArch 1983, S. 201 (214), der von „Eingriffsaddition“ spricht. 1341 Siehe dazu grundlegend I. Kromrey, Belastungskumulation, 2018, S. 9 ff. 1342 Siehe N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (818) und N. Bernsdorff, Einschnitte in das Rentenniveau – Der „additive“ Grundrechtseingriff und das Bundesverfassungsgericht, SGb 2011, S. 121 (122), die die Begriffe synonym verwenden. 1343 G. Kirchhof, Kumulative Belastung durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, S. 732, Fn. 9; ders., Grundrechte und Wirklichkeit, 2007, S. 27, Fn. 84. 1344 G. Kirchhof, Kumulative Belastung durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, S. 732, Fn. 9; ders., Grundrechte und Wirklichkeit, 2007, S. 27, Fn. 84; J. Klement, Die Kumulation von Grundrechtseingriffen im Umweltrecht, AöR 2009, S. 35 (41).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 265
vielmehr inhaltlich wirkend nebeneinander. Da die Kreditinstitute vorliegend keiner solchen Begünstigungssituation ausgesetzt sind, sondern sich in der klassischen Abwehrsituation vor staatlichem Handeln befinden, wird im Folgenden der Begriff des „kumulativen Grundrechtseingriffs“ verwendet.1345 Ein neuerer Ansatz verortet das Verbot unzumutbarer kumulativer Belastungen dogmatisch an der Wesensgehaltsgarantie nach Art. 19 Abs. 2 GG. Die Wesensgehaltsgarantie verfolge wie auch das Verbot der Belastungskumulation einen gleichen Zweck, die Verhinderung des Leerlaufens von Grundrechten, mithin also effektiven Grundrechtsschutz.1346 Damit schütze die Wesensgehaltsgarantie nicht nur vor besonders intensiven, sondern auch vor besonders zahlreichen Eingriffen.1347 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Denn das „Wesen eines Grundrechts“ geht seinem Wortlaut nach nicht nur „in die Tiefe“, sondern auch „in die Breite“, erfasst also auch mehrere, kumulative Eingriffe. Eine solche Auslegung wird auch dem Sinn und Zweck der Wesensgehaltstheorie gerecht, den Kern eines Grundrechts zu schützen.1348 Und dieser Kern kann nur dann effektiv geschützt werden, wenn auf die Gesamtbelastung abgestellt wird und nicht nur auf einen einzelnen Eingriff. Auch die Rechtsprechung hat dieses Problem u. a. in seiner Entscheidung zur privaten Krankenversicherung1349 erkannt und die Rechtsfigur des kumulativen Grundrechtseingriffs anerkannt. Dazu führte das BVerfG aus, dass es grundsätzlich möglich sei, „dass verschiedene einzelne, für sich betrachtet geringfügige Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche in ihrer Gesamtwirkung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreitet.“1350 Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht erneut festgestellt, dass dem kumulativen Grundrechtseingriff ein „spezifisches Gefährdungspotential für grundrechtlich geschützte Freiheiten“ inne wohnt und damit seine Rechtsprechung hierzu bestätigt.1351
1345 Den Begriff des „kumulativen Grundrechtseingriffs“ hat nun auch das Bundesverfassungsgericht rezipiert; siehe BVerfG, Beschl. v. 27. 3. 2012, 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, S. 372 (392); dazu auch J. Klement, Die Kumulation von Grundrechtseingriffen im Umweltrecht, AöR 2009, S. 35 (42, 63). 1346 N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (818, 820 ff.). 1347 N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (825). 1348 H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 9. 1349 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009, 1 BvR 706/08 u. a., BVerfGE 123, S. 186 – private Krankenversicherung. 1350 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009, 1 BvR 706/08, BVerfGE 123, S. 186 (266) – private Krankenversicherung; daneben auch in BVerfG, Urt. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, S. 304 (313, 319 f.); BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, S. 196 (247); BVerfG, Beschl. v. 3. 6. 2014, 1 BvR 79/09 u. a., NJW 2014, S. 3634 (3638). 1351 BVerfG, Beschl. v. 27. 3. 2012, 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, S. 372 (392).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
(3) Die Voraussetzungen eines kumulativen Eingriffs und dessen Eingriffsqualität Die Voraussetzungen eines kumulativen Eingriffs sind noch nicht einheitlich erörtert.1352 Auf Grundlage des bisherigen Schrifttums und zurückhaltender Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts hierzu, kann ein solcher kumulativer Eingriff angenommen werden, wenn mehrere staatliche Maßnahmen den gleichen Adressaten in sachlichem wie zeitlichem Zusammenhang betreffen und dadurch beim Grundrechtsträger eine Gesamtbelastung1353 hervorrufen, wobei die Maßnahmen weder demselben Ziel zu dienen bestimmt sein müssen, noch sich auf das gleiche Grundrecht1354 zu beziehen haben.1355 Können diese Voraussetzungen bejaht werden, stellt sich die Folgefrage, ob es sich beim kumulativen Eingriff nun um einen einzelnen Eingriff handelt oder um einen zusammenzufassenden Gesamteingriff. Dies wird unterschiedlich beurteilt.1356 Einerseits wird vorgeschlagen, dass es sich lediglich um einen spezifischen Eingriff von mehreren handle, der das „Fass buchstäblich zum Überlaufen bringt“1357 und bei dessen Begutachtung die verfassungsrechtliche Perspektive so zu weiten sei, dass kumulative Belastungen dadurch erörtert werden könnten.1358 Diese Sichtweise gebiete auch das Verfassungsprozessrecht,1359 da das Bundesverfassungsgericht nur über einen Antragsgegenstand entscheiden dürfe.1360 Es bietet sich an, diese Ansicht als „erweiterten Eingriff“ zu beschreiben. Nach anderer Auffassung bündeln sich mehrere Einzel-Eingriffe zu einem mehrteiligen Gesamteingriff.1361 Die grund1352 N. Schaks, Das Verbot der Belastungskumulation als Bestandteil der Wesensgehaltsgarantie, DÖV 2015, S. 817 (818, 820). 1353 Siehe dazu unten § 6 B. II. 3. d) bb) (3). 1354 So J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1470, 1472); F.-J. Peine, in: Merten/ Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 57 Rn. 53. 1355 In diese Richtung auch G. Kirchhof, Kumulative Belastung durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen, NJW 2006, S. 732 (734 f.); N. Bernsdorff, Einschnitte in das Rentenniveau – Der „additive“ Grundrechtseingriff und das Bundesverfassungsgericht, SGb 2011, S. 121 (122). 1356 Siehe dazu grundlegend I. Kromrey, Belastungskumulation, 2018, S. 67 ff. 1357 F. Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, S. 2913 (2916); D. Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, S. 881 (886); O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 221. 1358 G. Kirchhof, Grundrechte und Wirklichkeit, 2007, S. 30; F. Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, S. 2913 (2916); J. Klement, Die Kumulation von Grundrechtseingriffen im Umweltrecht, AöR 2009, S. 35 (42, 64 ff.); R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 329 f. 1359 Siehe zum prozessualen Vorgehen unten § 6 C. 1360 G. Kirchhof, Grundrechte und Wirklichkeit, 2007, S. 30; F. Hufen, Berufsfreiheit – Erinnerung an ein Grundrecht, NJW 1994, S. 2913 (2916). 1361 J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1470, 1476). In diese Richtung auch
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sätzliche Punktualität des Eingriffs werde durch die Rechtsfigur des kumulativen Grundrechtseingriffs relativiert, sodass mehrere Maßnahmen einer Gesamtbetrachtung zugeführt werden können.1362 Nur die Betrachtung als „ganzheitlich gearteter Eingriffstyp“ werde den potenzierten Beeinträchtigung für den Grundrechtsträger gerecht.1363 Beide Ansichten führen – auf unterschiedlichen Wegen – zum gleichen Ziel, dennoch ist letztgenannter aus mehreren Gründen zu folgen. Der Gesamteingriff ist ebenso wie die Indienstnahme ein juristischer Terminus zur Erfassung mehrerer einzelner Vorgänge, wobei der letztere Begriff der verwaltungsrechtlichen, der erstere Begriff der verfassungsrechtlichen Dogmatik entspringt. Beiden Begriffen ist gemein, dass sie eine Wertungseinheit bilden, indem sie zusammengehörige Vorgänge zu einer dogmatischen Figur verknüpfen. Die Indienstnahme beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher Pflichten, die sie – zusammenfassend betrachtet und bewertet – gerade als eine solche qualifizieren lassen. Diese dogmatische Figur der Indienstnahme kann auch in die Grundrechtsdogmatik überführt werden, ohne sie dabei wieder in ihre einzelnen Bestandteile aufspalten zu müssen. Sie ist vielmehr als ein Eingriff zu erfassen. Nur eine solche Gesamtbetrachtung wird diesem Phänomen ausreichend gerecht. Die Indienstnahme und der Gesamteingriff sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille – die Medaille der staatlichen Maßnahme. Schließlich steht dieser Betrachtungsweise auch der prozessuale Einwand des Antragsgegenstands nicht entgegen, da das Bundesverfassungsgericht – insbesondere im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde – weiterhin nur über einen bestimmten Antrags-/ bzw. Beschwerdegegenstand zu befinden hat.1364 Dieser Gegenstand ist der eine Gesamteingriff. bb) Das Kapitalertragsteuerverfahren als kumulativer Eingriff Nach oben aufgeführter Definition liegt ein kumulativer Eingriff vor, wenn mehrere staatliche Maßnahmen den gleichen Adressaten in sachlichem wie zeitliE. Hofmann, Grundrechtskombinationen in der Fallbearbeitung – Konkurrenzen, Kollisionen, Verstärkungswirkungen, JURA 2008, S. 667 (669); M. Kloepfer, Zu den neuen umweltrechtlichen Handlungsformen des Staates, JZ 1991, S. 737 (744); ders., Umweltschutz zwischen Ordnungsrecht und Anreizpolitik: Konzeption, Ausgestaltung, Vollzug, ZAU 1996, S. 200 (207 f.) spricht insoweit von einem „Instrumentenverbund“; nach M. Holoubek, Der Grundrechtseingriff – Überlegungen zu einer grundrechtsdogmatischen Figur im Wandel, in: Merten/Papier, Grundsatzfragen der Grundrechtsdogmatik, 2007, S. 17 (33) könne „der Grundrechtseingriff natürlich nicht nur jeweils isoliert in einer bestimmten gesetzlichen Regelung liegen […], sondern […] sich […] oft erst aus einer Mehrzahl von Regelungen“ zusammensetzen. Differenzierend hierzu I. Kromrey, Belastungskumulation, 2018, S. 67, der diese Form des Eingriffs „als neue Spielart des (modernen) Eingriffs“ versteht. 1362 D. Winkler, Der „additive Grundrechtseingriff“: Eine adäquate Beschreibung kumulierender Belastungen?, JA 2014, S. 881 (884). 1363 J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1470 f.). 1364 Siehe zu den verfassungsprozessualen Fragestellungen unten § 6 C.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
chem Zusammenhang betreffen und dadurch beim Grundrechtsträger eine Gesamtbelastung hervorrufen. Dies ist bei der Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren der Fall. Die §§ 43 ff. EStG stellen als Akt der Legislative einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Kreditinstitute durch Gesetz dar. Dabei haben diese Normen eine Vielzahl unterschiedlicher staatlicher Verpflichtungen zum Gegenstand.1365 Beispielhaft kann hier die Pflicht der Kreditinstitute zur Ermittlung ihrer Abzugsverpflichtung1366 genannt werden. Dabei sind die Kreditinstitute verpflichtet, zu prüfen, ob ein Gläubiger der Kapitalerträge einen Ertrag erwirtschaftet, der subjektiv wie objektiv eine Kapitalertragsteuerpflicht innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens auslöst. Ferner sind sie daran anschließend verpflichtet, anhand der ermittelten Bemessungsgrundlage1367 die zutreffende Höhe der Kapitalertragsteuer zu berechnen,1368 diese beim Gläubiger der Kapitalerträge abzuziehen und zu den entsprechenden Zeitpunkten an das Finanzamt abzuführen.1369 Die Pflichten, eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung abzugeben,1370 Steuerbescheinigungen auszustellen1371 und gewissen Anzeige- und Mitteilungspflichten nachzukommen,1372 zählen ebenso zu den Hauptpflichten der Kreditinstitute. Diese werden ergänzt durch zahlreiche Nebenpflichten,1373 insbesondere durch die Pflicht zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens1374 und steuerliche Dokumentationspflichten1375 sowie weitere Pflichten, die auf internationale Abkommen und Verträge zurückzuführen sind.1376 All diese sich vorwiegend aus den §§ 43 ff. EStG ergebenden Haupt- und Nebenpflichten stellen mehrere staatliche Maßnahmen dar. Sie richten sich an das jeweils verpflichtete Kreditinstitut und damit an den gleichen Adressaten. Der sachliche Zusammenhang dieser Normen ergibt sich schon aus der gesetzgeberseits einheitlich geregelten Rechtsmaterie, die im Gesetz als „Steuerabzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer)“ beschrieben und in einem eigenen Abschnitt kodifiziert ist. Alle in diesem Abschnitt aufgeführten Normen haben allein die Besteuerung von Kapitalerträgen zum Gegenstand und bilden ein in sich abgeschlossenes Regelungswerk auf diesem Gebiet. Die unterschiedlichen Pflichten treten dabei nicht zeitgleich auf. Vielmehr entstehen sie im Verlauf des
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Siehe ausführlich zu den unterschiedlichen Verpflichtungen der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren oben § 3. 1366 Siehe dazu oben § 3 A. I. 1367 Siehe dazu oben § 3 A. II. 1368 Siehe dazu oben § 3 A. III. 1369 Siehe dazu oben § 3 A. IV. 1370 Siehe dazu oben § 3 A. VII. 1371 Siehe dazu oben § 3 A. VIII. 1372 Siehe dazu oben § 3 A. IX. 1373 Siehe dazu oben § 3 B. 1374 Siehe dazu oben § 3 B. I. 1375 Siehe dazu oben § 3 B. IV. 1376 Siehe dazu oben § 3 C.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 269
Besteuerungsverfahrens, bauen aufeinander auf und stehen in zeitlicher Hinsicht in einem Zusammenhang. Damit treffen die Kreditinstitute eine Vielzahl von sachlich wie zeitlich unterschiedlichen Pflichten, die jeweils in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen. Alle Pflichten haben jedoch mit der Besteuerung von Kapitalerträgen eine gemeinsame innere Verknüpfung, die es ermöglicht, sie als Gesamtheit zu begreifen. Die Pflichten werden im Rahmen einer Indienstnahme zu einer Einheit verschmolzen und rufen damit beim Kreditinstitut als „Bündel von Normen“ eine einheitliche Gesamtbeeinträchtigung1377 durch einen Gesamteingriff hervor. Die Belastung, die von diesem Gesamteingriff ausgeht, ist schließlich Maßstab für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung.1378 3. Die Rechtfertigung des staatlichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Kreditinstitute Ein Grundrechtseingriff führt nicht zwingend zu einer Grundrechtsverletzung. Vielmehr entspricht es der Regel, dass der Staat in vielfältiger Weise in Grundrechte der Bürger eingreift, diese Eingriffe aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind. Im Rahmen der Berufsfreiheit gibt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dem Staat durch Anordnung eines einfachen Gesetzesvorbehalts die Möglichkeit, die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einzuschränken. Ein solches die Freiheit des Einzelnen beschränkendes Gesetz vermag eine Rechtfertigung nur dann herbeizuführen, wenn es den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.1379 Danach ist ein staatlicher Eingriff verhältnismäßig, wenn er einem legitimen Zweck zu dienen bestimmt ist (a)), zur Erreichung dieses Zwecks ferner geeignet (b)), erforderlich (c)) sowie angemessen (d)) ist.1380 Entspricht ein eingreifendes Gesetz diesen Anforderungen nicht, ist es verfassungswidrig und der Grundrechtsträger in seiner Freiheit in unzulässiger Weise verletzt. 1377 J. Lücke, Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl 2001, S. 1469 (1470). 1378 Siehe dazu unten § 6 B. II. 3. d) bb) (3). 1379 Siehe u. a. in BVerfG, Beschl. v. 17. 6. 2004, 2 BvR 383/03, BVerfGE 111, S. 54 (82); BVerfG, Beschl. v. 9. 3. 1994, 2 BvL 43/92 u. a., BVerfGE 90, S. 145 (173); BVerfG, Beschl. v. 27. 10. 1970, 1 BvR 557/68, BVerfGE 29, S. 312 (316); BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1965, 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, S. 342 (348 f.); S. Huster/J. Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 20 Rn. 189 f. 1380 Siehe u. a. in BVerfG, Urt. v. 27. 2. 2008, 1 BvR 370/07 u. a., BVerfGE 120, S. 274 (318 f.); BVerfG, Urt. v. 3. 3. 2004, 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, S. 279 (335); BVerfG, Beschl. v. 26. 4. 1995, 1 BvL 19/94 u. a., BVerfGE 92, S. 262 (273); BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, S. 137 (159 ff.); BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1985, 1 BvL 17/ 83 u. a., BVerfGE 70, S. 278 (286); BVerfG, Beschl. v. 20. 6. 1984, 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, S. 157 (173); BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, S. 1 (54); BVerfG, Beschl. v. 15. 1. 1970, 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, S. 344 (352); B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 48. Lfg. 2006, Art. 20 VII Rn. 110 ff.; S. Huster/ J. Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 20 Rn. 192 ff.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung wird im Rahmen der Berufsfreiheit durch die sog. Drei-Stufen-Theorie konkretisiert, die das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Apothekenurteil1381 entwickelte. In dieser Entscheidung spezifizierte es die jeweiligen Anforderungen an die vierstufige Prüffolge der Verhältnismäßigkeit, schnitt sie explizit auf das Grundrecht der Berufsfreiheit zu. Danach sind in steigender Eingriffsintensität die Stufen der Regelung einer Berufsausübung,1382 subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen1383 und objektive Berufszulassungsvoraussetzungen1384 zu unterscheiden.1385 Je höher die Stufe, desto höher sind die Anforderungen an eine Rechtfertigung des jeweiligen Eingriffs. Vorliegend handelt es sich durch die in den §§ 43 ff. EStG normierten Pflichten lediglich um Regelungen, die die Kreditinstitute in ihrer Berufsausübung betreffen,1386 da sie lediglich bestimmen, in welcher Art und Weise die Tätigkeit der Besteuerung von Kapitalerträgen im Rahmen des allgemeinen Bankverkehrs von den Kreditinstituten wahrzunehmen ist. Sie bestimmen hingegen nicht, ob sie überhaupt einer solchen Tätigkeit nachgehen dürfen. Eine solche allgemeine Berufsausübungsregel lässt sich bereits mit „vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls“ rechtfertigen,1387 sofern die Ausübungsregel den Betroffenen nicht übermäßig oder unzumutbar belastet.1388 1381 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (401 f.) – Apothekenurteil. 1382 Eine Berufsausübungsregel liegt vor, wenn nicht auf die Freiheit der Berufswahl Einfluss genommen wird, sondern lediglich eine Regelung getroffen wird, in welcher Art und Weise die Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten ist; siehe BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (405 f.) – Apothekenurteil. 1383 Eine subjektive Berufszulassungsvoraussetzung knüpft an persönliche Voraussetzungen des Berufstätigen an, also insbesondere an die Vor- und Ausbildung; siehe BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (406) – Apothekenurteil. 1384 Objektive Berufszulassungsvoraussetzungen stehen auf höchster Stufe und betreffen Voraussetzungen, die unabhängig der Eigenschaften des Berufstätigen sind, er darauf also keinen Einfluss hat; siehe BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (406) – Apothekenurteil. 1385 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (405 ff.) – Apothekenurteil. 1386 Siehe dazu oben § 6 B. II. 2. a). 1387 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (405) – Apothekenurteil; so auch bestätigt in u. a. BVerfG, Beschl. v. 4. 10. 1983, 1 BvR 1633/82 u. a., BVerfGE 65, S. 116 (125); BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1988, 1 BvR 111/77, BVerfGE 78, S. 155 (162); eine subjektive Berufszulassungsvoraussetzung kann mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit dahingehend legitimiert werden, dass „die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen“; siehe BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (407) – Apothekenurteil; eine objektive Berufszulassungsvoraussetzung hingegen kann nur gerechtfertigt werden, wenn dadurch nachweisbare oder höchstwahrscheinlich schwere Gefahren für ein Gemeinschaftsgut von überragender Bedeutung abgewehrt werden können; siehe BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (408) – Apothekenurteil. 1388 Für die Anforderungen des BVerfG an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Berufsfreiheit im Rahmen der Rechtfertigung einer Berufsausübungsregel siehe BVerfG,
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 271
Ausgehend von diesem Rechtfertigungsmaßstab ist eine Prüfung der Indienstnahme der Kreditinstitute im Rahmen der §§ 43 ff. EStG vorzunehmen. Dabei kann auf den Gesamteingriff abgestellt werden.1389 Zwar wäre die Indienstnahme a fortiori schon verfassungswidrig, wenn nur ein Bestandteil von dieser (etwa der Steuerabzug) verfassungswidrig wäre, doch kann die Prüfung e contrario auch eine Verfassungsmäßigkeit aller Einzelbestandteile zum Gegenstand haben, wenn die Indienstnahme insgesamt als verfassungsgemäß zu beurteilen ist. a) Legitimer Zweck Die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren muss einem legitimen Zweck dienen. Dem Gesetzgeber kommt bei der Bestimmung dieser Zwecke ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu.1390 Liegt ein legitimer Zweck nicht vor, ist eine staatliche Maßnahme schon aus diesem Grunde verfassungswidrig.1391 Das Erfordernis des legitimen Zwecks ruft allgemein zwei Fragen hervor – zum einen, worin der Zweck dieses besonderen Verfahrens liegt, zum anderen, ob dieser Zweck auch rechtlich zulässig ist.1392 Das Kapitalertragsteuerrecht erfolgt mit der Einbindung der Kreditinstitute in das Besteuerungsverfahren eine Vielzahl verschiedener Zwecke. Diese Zwecke lassen sich allen voran aus den Materialen der verschiedenen Gesetzgebungsverfahren entnehmen.1393 Insbesondere führt eine Besteuerung an der Quelle zu einer Sicherung des Steueraufkommens durch gegenwartsnahen und effektiven Gesetzesvollzug, erschwert den Steuerbetrug und führt zu einer Steigerung der Steuergerechtigkeit.1394 Ferner sollen die §§ 43 ff. EStG für ein effizientes Besteuerungsverfahren sorgen, indem die verstärkte Einbindung der Kreditinstitute zu einer Reduzierung der Beschl. v. 11. 2. 1992, 1 BvR 1531/90, BVerfGE 85, S. 248 (259); BVerfG, Beschl. v. 22. 5. 1996, 1 BvR 744/88 u. a., BVerfGE 94, S. 372 (390); BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1999, 1 BvR 1904/95 u. a., BVerfGE 101, S. 331 (347); für die Verhältnismäßigkeitsanforderungen allgemein siehe bereits oben Fn. 1380. 1389 Siehe dazu oben § 6 B. II. 2. b) bb). 1390 BVerfG, Beschl. v. 7. 3. 2017, 1 BvR 1694/13 u. a., NVwZ 2017, S. 1111; BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 2010, 1 BvR 2011/07 u. a., BVerfGE 126, S. 112 (141); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (317) – Erdölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1968, 1 BvL 5/64 u. a., BVerfGE 25, S. 1 (17). 1391 S. Huster/J. Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 20 Rn. 193. 1392 M. Klatt/M. Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, S. 193 (194). 1393 Siehe dazu ausführlich oben im geschichtlichen Teil § 2; dazu auch grundlegend zu den Motiven einer Quellenbesteuerung, C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 117 ff. 1394 C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 118; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (140); H. Rehm, Zur Quellenbesteuerung von Kapitalerträgen, StuW 1984, S. 230 (232, 243).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Pflichten auf Seiten von Steuerschuldnern und Finanzverwaltung führt. Dadurch können staatliche Ressourcen geschont werden. Diese Zwecke sind auch rechtlich zulässig, also „legitim“. Bei der Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren handelt es sich um hoheitliche Gesetzgebung und damit um einen Akt der Legislative. Anders als Verwaltung und Rechtsprechung ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung legitimer Zwecke weitgehend frei1395 und kann selbst öffentliche Interessen definieren.1396 Dies gilt vor allen für Ziele aus dem Bereich der Arbeits-, Sozial- oder Wirtschaftspolitik.1397 Die Legitimität kann vermutet werden, solange Grundrechte oder Kompetenzbestimmungen einem bestimmten Zweck nicht ausdrücklich1398 entgegenstehen1399 und damit der „Wertordnung des Grundgesetzes“1400 widersprechen. Problematisch ist vorliegend der Zweck, staatliche Ressourcen zu schonen, da sich der Zweck eines Gesetzes nicht allein darauf beschränken darf, Kosten auf einen Privaten zu verlagern.1401 Denn hierfür ist von Verfassungs wegen die Steuer das vorgesehene Mittel.1402 Bei der Indienstnahme der Kreditinstitute steht jedoch nicht die Kostenüberlagerung im Vordergrund, sondern vielmehr der Gedanke, ein effizientes Verwaltungsverfahren einzurichten,1403 wozu der Staat schon aus dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist1404. Dabei handelt es sich um ein von der 1395 BVerfG, Urt. v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, S. 136 (188); B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht Band 2, 2001, S. 445 (450); J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 100; R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 329 f. 1396 R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 183. 1397 BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990, 1 BvL 44/86 u. a., BVerfGE 81, S. 156 (189); J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 100. 1398 So etwa nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, verfassungswidrig sind. Ein entsprechendes Gesetz würde hier schon am legitimen Zweck scheitern. 1399 B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht Band 2, 2001, S. 445 (450); D. Merten, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 68 Rn. 54; zum Entgegenstehen des verfassungsrechtlichen Allgemeinheitspostulats an ein die Grundrechte einschränkendes Gesetz siehe G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S. 377 ff. 1400 BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1961, 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, S. 97 (107); BVerfG, Beschl. v. 19. 3. 1975, 1 BvL 20/73 u. a., BVerfGE 39, S. 210 (225). 1401 A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2001, S. 106. 1402 O. Depenheuer, Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, S. 1218 (1219). 1403 A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2001, S. 106. 1404 Dieser ergibt sich unter anderem aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 6 Abs. 1 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (v. 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 14. 8. 2017 (BGBl. I S. 3122), im Folgenden
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Verfassung gefordertes Gebot. Die Schonung staatlicher Ressourcen durch Kostenreduzierung zulasten der Kreditinstitute erfüllt damit die Anforderungen eines legitimen Zwecks. Im Übrigen handelt es sich um eine Frage der Angemessenheit. Darüber hinaus stehen einer Indienstnahme auch sonst keine weiteren Regelungen des Grundgesetzes entgegen. Sowohl der hier in Betracht kommende Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG als auch die Verbote von Arbeitszwang bzw. Zwangsarbeit nach Art. 12 Abs. 2, 3 GG werden durch die Indienstnahme der Kreditinstitute nicht verletzt.1405 Vielmehr werden mit der Einbindung der Kreditinstitute in die Besteuerung von Kapitalerträgen mitunter wirtschaftspolitische Ziele verfolgt,1406 sodass die §§ 43 ff. EStG sogar eine positiv feststellbare legitime Zwecksetzung zum Inhalt haben. b) Geeignetheit Die Indienstnahme der Kreditinstitute ist ferner geeignet, die aufgeführten legitimen Gesetzesziele zu erreichen. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Ziele vollumfänglich erreicht werden. Es genügt, dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass sie zumindest teilweise erreicht werden.1407 Dem Gesetzgeber wird auch hier ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden.1408 Die Schwelle der Geeignetheit ist damit eine niedrige.1409 Sie ist aber nicht schon dann überschritten, wenn durch Gesetzesänderungen Erleichterungen für die am Besteuerungsverfahren Beteiligten erreicht werden können bzw. das Verfahren effizienter gestaltet werden könnte.1410 Es muss sich nicht um die optimale Maßnahme handeln.1411 Dies ist vielmehr eine Frage der Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs.1412 HGrG) sowie § 7 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung (v. 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1328)). 1405 Siehe zum Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte oben § 6 A. III., zum Verbot von Arbeitszwang unten § 6 B. III. und zum Verbot von Zwangsarbeit ebenfalls unten § 6 B. IV. Auch diese Normen haben verfassungsillegitime Ziele zum Inhalt; siehe D. Merten, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 68 Rn. 54. 1406 Siehe dazu auch C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 122 f. 1407 BVerfG, Urt. v. 28. 3. 2006, 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, S. 276 (308); BVerfG, Beschl. v. 10. 4. 1997, 2 BvL 45/92, BVerfGE 96, S. 10 (23); BVerfG, Beschl. v. 20. 6. 1984, 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, S. 157 (173); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (316) – Erdölbevorratung. 1408 BVerfG, Beschl. v. 29. 6. 2016, 1 BvR 1015/15, BVerfGE 142, S. 268 (286); BVerfG, Urt. v. 3. 3. 2004, 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, S. 279 (336); BVerfG, Beschl. v. 9. 3. 1994, 2 BvL 43/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, S. 145 (173); BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84 (106). 1409 M. Klatt/M. Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, S. 193. 1410 Siehe zu den Verbesserungsvorschlägen de lege ferenda oben § 3 A. I. 4./§ 3 A. VI. 1. f) sowie § 3 A. III. 1. f). 1411 BVerfG, Urt. v. 4. 7. 2007, 2 BvE 1/06 u. a., BVerfGE 118, S. 277 (374); BVerfG, Beschl. v. 3. 4. 2001, 1 BvL 32/97, BVerfGE 103, S. 293 (307); BVerfG, Urt. v. 31. 1. 1989, 1
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Die Sicherung des Steueraufkommens wird erreicht, da der Steuerschuldner nur noch den um die Steuer reduzierten Ertrag ausgezahlt bekommt und damit nicht mehr Gefahr läuft, den auf Steuern anfallenden Betrag anderweitig auszugeben. Dies hat auch einen steuerpsychologischen Vorteil. Die Belastung wird vom Gläubiger weniger schmerzlich empfunden,1413 da er die Steuer nicht aktiv (etwa durch Überweisung) selbst bezahlen muss. Somit wird das Risiko von Steuerausfällen reduziert. Durch die weitgehende Erledigung der Pflichten durch die Kreditinstitute wird dem einzelnen Steuerschuldner auch ein Steuerbetrug erheblich erschwert, da er kaum Einfluss auf die Prozesse des Kapitalertragsteuerverfahrens nehmen kann. So kann er Kapitalerträge (etwa Zinsen) nicht mehr „bewusst“ vergessen und nicht angeben. Dies führt auch bei häufig vorkommendem wirklichen Vergessen nicht zu Steuerausfällen und steigert die Steuergerechtigkeit.1414 Eine Steigerung der Verfahrenseffektivität folgt aus der sachlichen und örtlichen Nähe der Kreditinstitute zum Kapitalertragsfluss und der daraus erwachsenden Kompetenz im Umgang mit Kapitalerträgen. Im Gegensatz zu den Finanzämtern sitzen die Kreditinstitute gerade an der Quelle des Kapitalertrags und haben entsprechend leichten Zugang zu den notwendigen Informationen für eine Besteuerung. Dadurch werden gleichzeitig die Pflichten der anderen am Besteuerungsverfahren Beteiligten minimiert. So muss der Steuerschuldner wegen der abgeltenden Besteuerung grundsätzlich keine Einkommensteuererklärung bzgl. solcher Kapitalerträge mehr abgeben und die Finanzämter entsprechend weniger Erklärungen bearbeiten, da es nur noch in Ausnahmefällen zu einer Veranlagung kommt. Die Tätigkeit der Finanzbehörden reduziert sich größtenteils auf die Erstattung von Kapitalertragsteuer und die Überwachung des Verfahrens. Dies führt zu einer Schonung staatlicher Ressourcen. Insgesamt sind die Regelungen der §§ 43 ff. EStG damit geeignet, die Zwecke der Indienstnahme zu erreichen bzw. zumindest zu fördern. c) Erforderlichkeit Ferner muss die Indienstnahme der Kreditinstitute erforderlich sein, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt, dass der Staat aus mehreren gleich wirksamen Mitteln dasjenige wählt, das den Grundrechtseingriff so gering wie möglich gestaltet. Dabei muss es sich um eine Alternative handeln, die eindeutig die Erfolgswahrscheinlichkeit zu einer gleichwertigen BvL 17/87, BVerfGE 79, S. 256 (270 f.); G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 135; D. Merten, in: Merten/ Papier, Handbuch der Grundrechte Band III, 2009, § 68 Rn. 65; G. Manssen, Staatsrecht I Grundrechtsdogmatik, 1995, S. 183. 1412 Siehe dazu unten § 6 B. II. 3. c) aa) (2). 1413 C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 119, S. 126. 1414 C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 118; K. Lindberg, Die neue Quellensteuer, 1989, S. 24.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 275
Zweckerreichung erhöht.1415 An einer Gleichwertigkeit der Alternative fehlt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, wenn zwar der Grundrechtsbetroffene weniger belastet wird, diese Belastung aber gleichzeitig zu einer Mehrbelastung des Staats – und damit der Allgemeinheit – bzw. Dritter führt.1416 Diesen Grundsätzen folgend bedarf es zunächst der Untersuchung, inwiefern gleich wirksame, weniger intensiv eingreifende Mittel zum derzeitigen Kapitalertragsteuerrecht überhaupt bestehen. In einem weiteren Schritt ist zu fragen, ob diese Mittel eindeutig die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen, die Ziele der Indienstnahme der Kreditinstitute gleichermaßen zu erreichen. Als gleich wirksame, weniger belastende Alternativen kommen vorliegend eine Pflichtenreduzierung aufgrund gezielter Änderungen im Kapitalertragsteuerrecht (aa)), eine Besteuerung von Kapitalerträgen durch Veranlagungsverfahren (bb)) sowie eine finanzielle Entschädigung der Kreditinstitute für deren Tätigkeit (cc)) in Betracht. aa) Pflichtenreduzierung durch effizientere Gestaltung des Kapitalertragsteuerverfahrens Das Kapitalertragsteuerrecht ist eine komplexe Rechtsmaterie. Die §§ 43 ff. EStG kennzeichnen sich sowohl durch eine inhaltliche als auch gesetzessystematisch anspruchsvolle Regelungsvielfalt und Regelungstechnik. Sie sind durchzogen von Verweisungen und Ausnahmen.1417 Regelmäßige Gesetzesänderungen samt zuge1415 BVerfG, Urt. v. 27. 2. 2008, 1 BvR 370/07 u. a., BVerfGE 120, S. 274 (321); BVerfG, Urt. v. 14. 7. 1999, 1 BvR 2226/94 u. a., BVerfGE 100, S. 313 (375); BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1989, 1 BvL 14/85 u. a., BVerfGE 81, S. 70 (90 f.); BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84 (109); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (319) – Erdölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1968, 1 BvL 5/ 64 u. a., BVerfGE 25, S. 1 (19 f.); M. Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1985, S. 66; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/2, 1994, S. 780; Sachs/ders., Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 152; die Rechtsprechung beschränkt sich auch wegen des weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers zur Wirkungsprognose des gleichwertigen Mittels (u. a. BVerfG, Urt. v. 27. 2. 2008, 1 BvR 370, 595/07, BVerfGE 120, S. 274 (321)) nur auf eine Beanstandung solcher Fälle, bei denen die Erforderlichkeit eindeutig fehlt; siehe Sachs/ders., Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 153 m. w. N. 1416 BVerfG, Beschl. v. 30. 3. 1993, 1 BvR 1045 u. a., BVerfGE 88, S. 145 (164); BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1989, 1 BvL 14/85 u. a., BVerfGE 81, S. 70 (91 f.); BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84 (110 f.); B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 48. Lfg. 2006, Art. 20 VII Rn. 113. 1417 Roman Seer formuliert hierzu treffend: „Die ertragsteuerlichen Vorschriften haben […] mittlerweile eine Komplexität erhalten, die weder von Finanzbeamten noch von den Steuerpflichtigen und ihren Beratern beherrscht werden kann. Das Einkommensteuerrecht […] ist dadurch zu einer unüberschaubaren Materie verkommen, die selbst für Spezialisten kaum mehr verständlich ist. Dieser Befund gilt gerade auch für die […] Kapitalertragsteuer. Wer sich den […] 43 – 45e EStG nähert, wird nicht nur aufgrund der Bandwurmlänge der Vorschriften abgestoßen. Vielmehr findet er sich in einem ungeordneten Vorschriftendschungel wieder, den vermeintlich nur noch ein […] Kapitalertragsteuerspezialist beherrscht.“ Siehe R. Seer, Reform des (Lohn-)Steuerabzugs, FR 2004, S. 1037.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
höriger Übergangsvorschriften sowie neue BMF Schreiben machen es den Kreditinstituten immer schwieriger, ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen zu können. Daher drängt sich in diesem Bereich des EStG die Frage nach einer Verfahrensvereinfachung besonders auf. Eine solche Vereinfachung könnte ein milderes Mittel zur derzeitigen, de lege lata bestehenden Indienstnahme der Kreditinstitute darstellen. (1) Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda Durch gezielte Gesetzesänderungen lassen sich im Kapitalertragsteuerrecht spürbare Erleichterungen zugunsten der Beteiligten erreichen, ohne dabei den Zweck dieser Regelungen zu gefährden. Vielmehr führen die Änderungen sogar dazu, den Zwecken – insbesondere im Hinblick auf ein effizientes Besteuerungsverfahren – in noch höherem Maße gerecht werden zu können. Vorliegend lassen sich in den Bereichen der behördlichen Auskunft und dem Freistellungsauftrag Verbesserungen erzielen. Im Gegensatz zum Lohnsteuerrecht (§ 42e EStG) ist eine Anrufungsauskunft im Kapitalertragsteuerrecht1418 nicht geregelt. Das Kreditinstitut ist daher auf die allgemeinen in der Abgabenordnung zur Verfügung stehenden Auskunftsvorschriften und -instrumente beschränkt, die dem komplizierten Kapitalertragsteuerrecht jedoch nicht ausreichend gerecht werden.1419 Für den Arbeitgeber hingegen stellt die Möglichkeit einer Anrufungsauskunft eine wesentliche Erleichterung bei der Erfüllung seiner aus dem Lohnsteuerverfahren erwachsenen Pflichten dar. Durch eine solche Auskunft ist es ihm möglich, sich kostenfrei bei schwierigen Rechtsfragen mittels einer behördlichen Stellungnahme abzusichern. Dies reduziert sein Haftungsrisiko, verhindert schon im Vorfeld Konflikte zwischen den Beteiligten und führt mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer zutreffenden rechtlichen Einordnung. Letztlich kommt die Konfliktreduzierung auch den Finanzbehörden und den Arbeitnehmern zu Gute. Der durch die Auskunft bei den Finanzbehörden anfallende Mehraufwand kann kaum gegen die Anrufungsauskunft angeführt werden, da dieser Aufwand dazu führt, dass sich im späteren Verfahren der Aufwand minimiert, da dadurch Fehler schon früh vermieden werden können. Dieser Vorteil sollte auch für das Kapitalertragsteuerrecht fruchtbar gemacht werden, indem eine entsprechende Anrufungsauskunft de lege ferenda eingeführt wird.1420 Eine weitere Optimierungsmöglichkeit bietet die Abstandnahme vom Steuerabzug durch Freistellungsauftrag.1421 Nach derzeitig geltendem Recht sind Kreditinstitute unabhängig der Höhe eines Kapitalertrags verpflichtet, die entsprechend anfallende Kapitalertragsteuer einzubehalten, soweit kein Freistellungsauftrag erteilt wurde. Fließen einem Kunden daher nur Kleinstbeträge zu, ist das Kreditinstitut 1418 1419 1420 1421
Siehe dazu ausführlich oben § 3 A. I. 4. d) bb). Zu den Gründen siehe oben § 3 A. I. 4. b)/c). Zum konkreten Gesetzesvorschlag siehe oben § 3 A. I. 4. e). Siehe dazu ausführlich oben § 3 A. VI. 1. f).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 277
auch hier zum Steuereinbehalt und zur Abführung dieses Betrags an den Fiskus verpflichtet. Hat der Kunde sein gesetzlich vorgesehenes Freistellungsvolumen nicht ausgeschöpft, kann er sich diesen Betrag von den Finanzbehörden erstatten lassen, muss hierfür aber eine Steuererklärung abgeben, um eine Veranlagung herbeizuführen. Dadurch fällt für alle Beteiligten – insbesondere für die Kreditinstitute – ein vermeidbarer Mehraufwand an. Dieses Problem lässt sich lösen, indem die Abstandnahme vom Steuerabzug im Rahmen eines Freistellungsauftrags modifiziert wird. Durch Einführung einer pauschalen Abstandnahme von 100 EUR pro Kreditinstitut1422 lässt sich dieser Mehraufwand vermeiden und eine Reduzierung der Pflichten der Kreditinstitute herbeiführen. Denn dann müsste bei Kleinstbeträgen kein Steuerabzug mehr vorgenommen und kein Freistellungsauftrag bearbeitet werden. Die vorgeschlagenen Verbesserungen sind eine jedenfalls gleich wirksame Alternative zum derzeitigen, de lege lata bestehenden Zustand, greifen aber weniger intensiv in das Grundrecht der Kreditinstitute auf Berufsausübungsfreiheit ein, da die Pflichten der Kreditinstitute reduziert werden. Sie erfüllen damit grundsätzlich die Voraussetzungen eines milderen Mittels. Neben der gleichen Wirksamkeit muss das mildere Mittel zusätzlich die Erfolgswahrscheinlichkeit der Zweckerreichung durch den Eingriff eindeutig erhöhen. An dieser Hürde scheitern die Verbesserungsvorschläge vorliegend. Sie führen zwar zu einem effizienteren Verfahren, doch kann dadurch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, das bestehende Verfahren sei ineffizient und erreiche die Ziele der Besteuerung von Kapitalerträgen nur unzureichend. Um Eindeutigkeit bejahen zu können, müsste es sich dem Gesetzgeber gerade aufdrängen, dass sich das Verfahren durch eine Gesetzesänderung grundlegend vereinfachen ließe. Da hier auf den Gesamteingriff der Indienstnahme abzustellen ist, und sich die Vorschläge nur punktuell auf abgrenzbare Teile dieses Eingriffs beziehen, ist deren Verbesserungspotential insgesamt als zu gering zu bewerten, als dass eine Erforderlichkeit aus diesem Grunde abgelehnt werden könnte. (2) Kein grundrechtliches Optimierungsgebot – die Verfassung als Rahmenordnung mit gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum Daran schließt sich die Frage an, ob eine Verfassungswidrigkeit zu bejahen ist, wenn ein in die Grundrechte eingreifendes Gesetz den Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht am nächsten kommt, also nicht „grundrechtsoptimal“ bzw. „grundrechtsnah“ ist. Schließlich ist die Gesetzgebung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden, woraus man folgern könnte, sie müsste Gesetze jeweils so ausgestalten, dass sie mit den Grundrechten bestmöglich in Einklang stehen,1423 um 1422
Zum konkreten Gesetzesvorschlag siehe oben § 3 A. VI. 1. f) bb). S.-P. Hwang, Grundrechtsoptimierung durch (Kelsensche) Rahmenordnung, Der Staat 2010, S. 456 (458); M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 494 ff.; M. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 117 ff. spricht insoweit von einer „staatlichen Grundrechtsverwirklichungspflicht“. 1423
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
sich nicht in die Gefahr des Vorwurfes einer Verfassungswidrigkeit zu begeben.1424 Ein solches verfassungsrechtliches Optimierungsgebot,1425 das den Gesetzgeber in seiner politischen Gestaltungsfreiheit derart einengt, ihm eine bestimmte Umsetzung geradezu aufoktroyiert, ist mit den Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie jedoch unvereinbar1426 und auch praktisch kaum durchführbar1427. Die Verfassung ist vielmehr als Rahmenordnung zu verstehen, die das Grundverhältnis des Bürgers zum Staat regelt.1428 Innerhalb dieses Rahmens ist der Gesetzgeber in der Wahl seines
1424 Zutreffend formuliert Ernst-Wolfgang Böckenförde hierzu: „Wenn nämlich die Grundrechte Prinzipiennormen mit Optimierungstendenz darstellen, ist das Verfassungsgericht gehalten, dem darin liegenden normativen Gehalt auch Geltung zu verschaffen.“ Siehe E.-W. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 196. 1425 Das grundrechtliche Optimierungsgebot geht im Wesentlichen zurück auf Robert Alexy. Dieser begründete in seiner Schrift „Theorie der Grundrechte“ die sog. Prinzipientheorie. Ausgehend von einer Unterscheidung von Normen in Regeln und Prinzipien sieht er die Grundrechte u. a. aufgrund ihres hohen Generalitätsgrades als Prinzipien an. Aus diesen Prinzipen folge ein Optimierungsgebot, da Prinzipien „gebieten, daß etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohem Maße realisiert wird.“ Siehe R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 71 ff., 414; ders., Die Konstruktion der Grundrechte, in: Clérico/Sieckmann, Grundrechte, Prinzipen und Argumentation, 2009, S. 9; ders. Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, in: Alexy/Koch/Kuhlen/ Rüßmann, Elemente einer juristischen Begründungslehre, 2003, S. 217 (218, 223 ff.); so auch M. Borowski, Grundrechte als Prinzipen, 2. Aufl. 2007, S. 76 ff.; P. Lerche, Die Verfassung als Quelle von Optimierungsgeboten?, in: Scholz u. a., Ausgewählte Abhandlungen, 2004, S. 72 ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/ 1, 1988, S. 502 ff.; H. Dreier, Der Begriff des Rechts, NJW 1986, S. 890 (892); ausdrücklich ablehnend J.-R. Sieckmann, Grundrechte als Prinzipien, in: ders., Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, S. 17 (19 ff., 25). 1426 W. Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 279; R. Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003, S. 145 f., der bildlich ausführt, „die Optimierung – streng durchgeführt – müßte jeglichen politischen Gestaltungsspielraum notwendigerweise aufsaugen“ (S. 145); M. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 291 f.; R. Breuer, Staatsrecht und Gerechtigkeit, in: FS Redeker, 1993, S. 11 (52 f.); G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 177 f.; ders., Die Überforderung der Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug, FR 2015, S. 773 (778); BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, S. 167 (234). 1427 T. Vesting, Von der liberalen Grundrechtstheorie zum Grundrechtspluralismus, in: Grabenwarter/Hammer/Pelzl/Schulev-Steindl/Wiederin, Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, 1994, S. 9 (23), schreibt dazu zutreffend: „Optimierung im Sinne einer fortwährenden Anpassung an letztlich vorgegebene Prinzipien setzt die vollständige Kenntnis aller relevanten Umstände voraus, auf die hin das Grundrecht optimiert werden soll. Über ein derartiges Wissen verfügt der Staat in der Informations- und Wissensgesellschaft nicht mehr.“ 1428 E.-W. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 159 (197 f.); ders., Die Methoden der Verfassungsinterpretation. Bestandsaufnahme und Kritik, NJW 1976, S. 2089 (2091, 2099); R. Wahl, Der Vorrang der Verfassung, Der Staat 1981, S. 485 (502 ff., 507 f.); ders., Der Vorrang der Verfassung und die Selbstständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, S. 401 (403, 406); J. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band VII, 1992, § 162 Rn. 43 ff.
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Weges zur Erreichung eines bestimmten Ziels grundsätzlich1429 frei.1430 Mögliche Effizienzgewinne reichen nicht aus, ein Gesetz deswegen für verfassungswidrig zu erklären.1431 Andernfalls würde zu sehr in die Kernkompetenz des Parlaments eingegriffen.1432 Das Grundrecht der Berufsfreiheit gibt hier diesen Rahmen vor. Innerhalb dieses Rahmens obliegt es dem parlamentarischen Gesetzgeber, eine Gesetzesänderung vorzunehmen, um einem bestimmten Zweck (insb. Effektivität der Steuererhebung) gerecht zu werden. Durch die §§ 43 ff. EStG hat sich der Gesetzgeber für ein Quellenabzugsverfahren entschieden, dies nach seinen Vorstellungen ausgestaltet und damit den Rahmen insoweit ausgefüllt. Dass Möglichkeiten bestehen, dieses Verfahren effizienter zu gestalten, ändert nichts an der Erforderlichkeit dieses Grundrechteingriffs, da die Verfassung den Gesetzgeber nicht zur bestmöglichen Lösung zwingen kann. Vielmehr handelt es sich um eine eigenverantwortliche politische Entscheidung, die dem Parlament kraft seiner Souveränität im Rechtsstaat zukommt. Insgesamt führt damit die Möglichkeit, das Kapitalertragsteuerverfahren effizienter gestalten zu können, nicht dazu, die Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs abzulehnen. bb) Besteuerung von Kapitalerträgen im Wege eines Vorauszahlungsverfahrens bzw. Kombination mit dem sog. „Informationsmodell“ Grundsätzlich sollte der Fiskus seine ihm kraft Verfassung zugewiesenen Aufgaben selbstständig wahrnehmen. Daraus ergibt sich die Frage, ob auf die Einbindung der Kreditinstitute in das Besteuerungsverfahren nicht weitgehend verzichtet 1429 Eine Ausnahme besteht dann, wenn es nur einen Weg gibt, der mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Siehe E. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, NJW 1989, S. 1633 (1637). 1430 BVerfG, Urt. v. 17. 3. 2004, 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, S. 177 (194); BVerfG, Beschl. v. 9. 3. 1994, 2 BvL 43/92 u. a., BVerfGE 90, S. 145 (173); BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993, 2 BvF 2/90 u. a., BVerfGE 88, S. 203 (262); BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990, 1 BvL 44/86 u. a., BVerfGE 81, S. 156 (192 f.); BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84 (106); BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (332 f.); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (319) – Erdölbevorratung; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, S. 140; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 397 f.; differenzierend P. Lerche, Die Verfassung als Quelle von Optimierungsgeboten?, in: FS Stern, 1997, S. 197 (206): „In vorsichtig zu dosierendem Maße kann tatsächlich gewissen Verfassungsaussagen ein Gebot zur Optimierung entlockt werden: „Optimierung“ gemeint nicht im Sinn der möglichsten Annäherung an einen ideellen Punkt, sondern als Verpflichtung des Gesetzgebers, sich in vorgegebener Richtung „nach besten Kräften“ zu bemühen.“ 1431 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 178. 1432 So formuliert C. Starck, Praxis der Verfassungsauslegung, 1994, S. 159 f., zutreffend, dass ein Optimierungsgebot „den Gesetzgeber unter politische Vormundschaft des Verfassungsgerichts“ stelle.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
werden kann. Zu erreichen wäre dies durch eine Besteuerung von Kapitalerträgen im Wege eines Vorauszahlungsverfahrens als milderes, grundrechtschonenderes Mittel, wie es auch bei anderen Einkunftsarten der Fall ist.1433 So könnte man – anstatt eines Quellensteuerabzugs durch die Kreditinstitute – den Gläubigern von Kapitalerträgen nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG Vorauszahlungen auf ihre für den Veranlagungszeitraum voraussichtliche Steuerschuld mit anschließender Selbstveranlagung auferlegen.1434 Dies hätte eine erhöhte Eigenverantwortung der Gläubiger der Kapitalerträge zur Folge, die aber gerade in Bezug auf die Sicherung des Steueraufkommens kritisch zu sehen ist. Die Gefahr, dass solche Erträge nicht ordnungsgemäß deklariert und die Steuer abgeführt wird, kann – so zeigt es insbesondere ein Blick in die Vergangenheit1435 – im Vergleich zu anderen Einkunftsarten als bedeutend höher eingestuft werden. Schon aus diesem Grund ist ein solches Verfahren gegenüber dem jetzigen Verfahren weniger effektiv und damit nicht gleich wirksam. Diesem Umstand könnte man mit dem in der Literatur diskutierten Instrumentarium des „Informationsmodells“1436 entgegenwirken. Danach sollen die Abzugsverpflichteten die entsprechenden Einkünfte an die zuständigen Finanzämter melden,1437 um diesen die Realisierung des Steueranspruchs zu ermöglichen.1438 1433
G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 189. Die Vorauszahlung nach § 37 EStG soll eine Benachteiligung von Steuerschuldnern ausgleichen, die ihre Steuer durch Steuerabzug entrichten (siehe Schmidt/F. Loschelder, Einkommensteuergesetz Kommentar, 39. Aufl. 2020, § 37 Rn. 1). Auch aus diesem Grunde liegt die Erwägung nahe, im Kapitalertragsteuerrecht auf dieses Verfahren umzusteigen. 1435 Siehe zum damaligen strukturellen Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Zinseinkünften oben § 2 A. V./VI. 1436 Diesen Begriff verwendet A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (219 f.). Siehe ferner zu dieser Diskussion J. Isensee, Referat, in: Verhandlungen des 57. DJT Band 2 1988, S. N 32 (N 53), der ein „System für Kontrollmitteilungen für alle steuerrelevanten Kapitaleinkünfte“ fordert, wodurch die Kapitalertragsbesteuerung in der jetzigen Form „entbehrlich“ gemacht werden könnte und die Kreditinstitute, „wenn die neue Mitteilungspflicht auf sie zukäme, aus der Abzugspflicht entlassen werden“ könnten sowie K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 285; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 174 f.; R. Seer, Reform des (Lohn-)Steuerabzugs, FR 2004, S. 1037 (1042); C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, 130. Lfg. 2003, § 38 Rn. A 112 ff.; K. Tipke, Steuerliche Ungleichbelastung durch einkunfts- und vermögensartdifferente Bemessungsgrundlagenermittlung und Sachverhaltsverifizierung, in: FS Kruse, 2001, S. 215 (224 f.); H. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, IFSt-Schrift Nr. 359 1997, S. 56; S. Halldorn, Der Unternehmer als Erfüllungsgehilfe des Staates, 1997, S. 131 ff. 1437 Eine solche Meldepflicht führt allerdings zu dem Problem, dass auch die Mitteilung entsprechender Informationen, die die Finanzämter benötigen, eine besondere Kenntnis des materiellen Steuerrechts erfordert, da der konkrete Lebenssachverhalt ein ständiges Hin- und Herwandern des Blickes zwischen Sachverhalt und Norm (siehe K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 15) erfordert (siehe K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 285). Aus diesem 1434
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 281
Gleichzeitig würden die Steuerschuldner motiviert, ihre Einkünfte zu deklarieren, um sich nicht in die Gefahr der Steuerhinterziehung zu begeben. Eine solche Lösung führt aber nicht zu einer gleichwertigen Besteuerung von Kapitalerträgen. Maßgeblicher Gegeneinwand ist der dem Kapitalertragsteuerrecht zugrundeliegende Effektivitätsgedanke. Der Abzug an der Quelle hat sich sowohl im Lohnsteuer- als auch im Kapitalertragsteuerrecht über viele Jahre hinweg bewährt. Es handelt sich um ein seit Jahrzenten praktiziertes, höchst effektives Verfahren, bei dem kaum Steuerausfälle drohen, ein Steuerbetrug nur schwerlich möglich ist und das Steueraufkommen dadurch in hohem Maße gesichert wird.1439 Eine Besteuerung von Kapitalerträgen im Wege eines Vorauszahlungsverfahrens kombiniert mit einer Informationspflicht durch das Kreditinstitut würde nicht das Maß dieser Effektivität erreichen1440 und kann folglich schon unter diesem Gesichtspunkt nicht als milderes, gleich wirksames Mittel eingestuft werden. cc) Finanzielle Entschädigung für die Tätigkeit der Kreditinstitute Schließlich kommt als weiteres milderes Mittel eine staatliche finanzielle Entschädigung der Kreditinstitute für deren Tätigkeit in Betracht, folglich eine entschädigungspflichtige Indienstnahme. Eine solche ist derzeit weder de lege- noch de constitutione lata vorgesehen und lässt sich auch nicht auf anderen Wegen (z. B. öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch) herleiten.1441 Insbesondere ist es auch Blickwinkel würden die Kreditinstitute nur bedingt entlastet, da sie sich die steuerliche Expertise dennoch anzueignen bzw. einzukaufen haben. 1438 J. Isensee, Referat, in: Verhandlungen des 57. DJT Band 2 1988, S. N 32 (N 53). 1439 A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (219); B. Heuermann, Entrichtungspflicht – Steuerpflicht – Grundpflicht?, FR 2013, S. 354 (358 f.); K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 314; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 174 f.; J. Hey, Mitteilungspflichten oder Quellenabzug – Maßnahmen zur Sicherung von Steueransprüchen, in: FS Kruse, 2001, S. 269 (279); B. Heuermann, Leistungspflichten im Lohnsteuerverfahren, StuW 1998, S. 219; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 259; das BVerfG, Beschl. v. 10. 4. 1997, 2 BvL 77/ 92, BVerfGE 96, S. 1 (7 f.), bezieht sich sogar ausdrücklich auf die Kapitalertragsteuer und beschreibt den diesbezüglichen Quellensteuerabzug als die „wirksamste Form eines gegenwartsnahen Gesetzesvollzugs“. 1440 So im Ergebnis auch: A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (219 f.); Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (141); R. Seer, Reform des (Lohn-)Steuerabzugs, FR 2004, S. 1037 (1042); C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 166 f.; A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2001, S. 112; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 190 f. 1441 Siehe zu den Versuchen, eine solche Entschädigungspflicht zu konstruieren, grundlegend H. Ipsen, Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: FS Kaufmann, 1950, S. 141 (153 ff., 158) sowie ders., Gesetzliche Bevorratungspflichten Privater, AöR 1965, S. 393 (426 ff.); Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 177; D. Strauß, Verfassungsfragen der Kostenüberwälzung bei staatlichen Indienst-
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
nicht möglich, die in Art. 14 Abs. 3 Satz 2, 3 GG geregelte Enteignungsentschädigung analog1442 auf die vorliegende an Art. 12 Abs. 1 GG zu messende Indienstnahmesituation zu übertragen, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber entschied sich bewusst dafür, eine solche Entschädigungspflicht nur im Rahmen der Eigentumsfreiheit zu normieren.1443 Eine Milderung des Grundrechtseingriffs wäre damit nur de lege- bzw. de constitutione ferenda möglich, indem entweder eine einfachgesetzliche Entschädigungspflicht in die §§ 43 ff. EStG aufgenommen würde oder – in Anlehnung an Art. 14 Abs. 3 Satz 2, 3 GG – durch eine Verfassungsänderung. Letzteres ist allein eine politische Entscheidung. Ob die Verfassung eine einfachgesetzliche Entschädigungspflicht von indienstgenommenen Kreditinstituten fordert, ist aus verschiedenen Perspektiven zu beurteilen. (1) Der grundrechtsdogmatische Anknüpfungspunkt einer möglichen Entschädigung von indienstgenommenen Privaten Die Problematik einer möglichen Entschädigung von indienstgenommenen Privaten wird in Rechtsprechung und Literatur an unterschiedlicher Stelle diskutiert. Maßgeblich geht es dabei um die Frage, ob eine fehlende Entschädigung in der Rechtfertigung des Eingriffs der Indienstnahme in die Berufsfreiheit zu verankern ist, oder vielmehr isoliert von dieser als gleichheitsrechtliche Fragestellung zu verstehen und zu prüfen ist. Für das Bundesverfassungsgericht1444 und Teile der Literatur1445 ist die Frage der finanziellen Entschädigung integraler Bestandteil des Grundrechtseingriffs der Innahmen privater Unternehmen, 2009, S. 168 ff., 181 ff.; F. Peterek, Eigentumsschutz durch Ausgleichsregelungen, 2000, S. 65 ff.; H. Ferger, Ausgleichsansprüche bei der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, 1979, S. 131 ff. 1442 Siehe zu den hier zugrunde gelegten Voraussetzungen einer Analogie, K. Larenz/ C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 202 ff. 1443 Dazu führte der BGH in einer Grundsatzentscheidung ausdrücklich aus, dass es schon für „eine Ausdehnung des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs auch auf den durch Art. 12 GG gegebenenfalls gewährleisteten Erwerbsschutz […] keine Grundlage“ gibt, siehe BGH, Urt. v. 14. 3. 1996, III ZR 224/94, BGHZ 132, S. 181 (188). Treffend fordert auch Mann, dass „der Wortlaut des Art. 12 die Entschädigungsfrage noch nicht mal streift“. Nötig sei daher „ein umfassendes dogmatisches Konzept“, das die Rechtsfortbildungskompetenz der Judikative übersteige und damit Aufgabe der Legislative sei; siehe Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 178. 1444 BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011, 1 BvR 3171/10, NJW 2011, S. 3019 (3080); BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, S. 228 (258 f., 263); BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1987, 1 BvR 563/85 u. a., BVerfGE 77, S. 308 (337); BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984, 1 BvL 18/82 u. a., BVerfGE 68, S. 155 (170 ff.) – Behindertenbeförderung; BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1980, 1 BvR 349/75 u. a., BVerfGE 54, S. 251 (270 ff.) – Vormundschaftsentschädigung; BVerfG, Beschl. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240 (244) – Sachverständigenentschädigung; BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (312 ff., 325 f.) – Erdölbevorratung. 1445 M. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 344; K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 213; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren,
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 283
dienstnahme und dort im Rahmen der Rechtfertigung zu erörtern.1446 Indienstnahme und Entschädigung seien danach gemeinsam auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen. In seiner Entscheidung zu einer staatlichen Entschädigung für die Tätigkeiten eines Sachverständigen führte das Bundesverfassungsgericht hierzu exemplarisch aus: „Die Verpflichtung zur Gutachtenerstattung darf nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr ist zu beachten, daß der Sachverständige zur Gutachtenerstattung unter Beschränkung der Höhe seines Entschädigungsanspruchs verpflichtet ist. Die Gesamtregelung stellt sich also als eine Indienstnahme Privater zu öffentlichen Aufgaben dar, so daß bei der verfassungsrechtlichen Prüfung auch der Entschädigungsregelung für Sachverständige vor allem Art. 12 Abs. 1 GG heranzuziehen ist.“1447 Dieser Ansicht folgen auch Teile der Literatur. So sei beispielhaft Möstl genannt, der die Frage der Aufgabenübertragung (Indienstnahme) und die Frage der Entschädigung ebenfalls einer einheitlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung zuführt. Diese zwei Komponenten könnten „sinnvoll nur gemeinsam betrachtet werden“, da andernfalls die Grenze zum unzumutbaren Sonderopfer überschritten würde.1448 Dieser Auffassung wird von der Mehrzahl der Literaturstimmen entgegengetreten.1449 Danach sei die Frage der Indienstnahme von der Frage der Entschädigung 2005, S. 178 ff.; O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 46 f.; A. Meyer, Die Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, DStJG Band 40 2017, S. 177 (181 f.); O. Depenheuer, Arbeitgeber als Zahlstelle des Sozialstaates, BB 1996, S. 1218 (1219); H. Schäfer/M. Bock, Überwachung des Fernmeldeverkehrs mittels privater Netzbetreiber, ArchivPT 1996, S. 19 (21); H.-J. Kanzler, Die sog. Arbeitgeberlösung bei Auszahlung des Kindergelds, FR 1996, S. 473 (478 f.); C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (181); W. Berg, Hilfsdienste der Wirtschaft für den Staat, in: FS Scupin, 1983, S. 519 (533); G. Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerabführungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, S. 1233 (1236); H. Ipsen, Gesetzliche Bevorratungspflichten Privater, AöR 1965, S. 393 (433 f.). 1446 Siehe dazu ausführlich M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 221 ff. sowie C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (181). 1447 BVerfG, Beschl. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240 (244) – Sachverständigenentschädigung (Hervorh. d. Verf.). 1448 M. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 344. 1449 D. Strauß, Verfassungsfragen der Kostenüberwälzung bei staatlichen Indienstnahmen privater Unternehmen, 2009, S. 290 ff.; M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 224 ff.; A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002, S. 109 f.; F. Peterek, Eigentumsschutz durch Ausgleichsregelungen, 2000, S. 65 ff., 75 f.; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 260; M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997, S. 1997 (1999); J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (506 ff.); R. Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungsund Umweltrechts, 1989, S. 916; M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 261 f.; B. Tiemann, Verfassungsrechtliche und Finanzwirtschaftliche Aspekte der Entstaatlichung öffentlicher Leistungen, Der Staat 1977, S. 171 (190); K.-H.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
strikt zu unterscheiden und einer getrennten verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Als Hauptargument wird vorgebracht, eine Indienstnahme gegen Entschädigung sei stets ein milderes Mittel gegenüber einer entschädigungslosen Indienstnahme und würde dazu führen, jede entschädigungslose Indienstnahme schon allein deswegen für unverhältnismäßig zu begreifen.1450 Die Frage nach dieser Prüffolge sei deshalb von elementarer Bedeutung, weil sich daraus ein unterschiedlicher Maßstab an eine mögliche Entschädigungsplicht richte.1451 Ferner ergebe sich eine solche Entschädigungspflicht des Staats jedenfalls nicht aus dem Freiheitsgrundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern vielmehr aus dem Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 GG.1452 Insoweit werde der Gleichheitssatz zur lex specialis gegenüber der Berufsfreiheit.1453 Diese Diskussion muss jedoch nicht streng alternativ geführt werden. Vielmehr stehen die zwei Betrachtungsweisen weitgehend nebeneinander, schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich, werden gerade einem umfassenden Grundrechtsschutz gerecht und sind sowohl aus freihheits- wie gleichheitsrechtlicher Perspektive gleichermaßen zu betrachten und zu untersuchen.1454 Entscheidend ist an Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: FS Jahrreiß, 1974, S. 45 (65 f.); H.-U. Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch unentgeltliche Dienstleistung Privater, BayVBl. 1971, S. 245 (247); F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (180 ff.). 1450 M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 262; B. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 85; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (181). 1451 M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 222, 224. 1452 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 261, 265 ff.; K.-H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: FS Jahrreiß, 1974, S. 45 (62 ff.); U. Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch unentgeltliche Dienstleistung Privater, BayVBl. 1971, S. 245 (247); F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (181 f.); C. Heinze, Autonome und heteronome Verteilung, 1970, S. 100 ff. 1453 K.-H. Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: FS Jahrreiß, 1974, S. 45 (65). 1454 Dass dieses Vorgehen möglich ist, zeigt das BVerfG u. a. in einer Entscheidung zur Übertragung von Vormundschaften an einen Rechtsanwalt. Dort führt es aus: „Wenn aber der Staat für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, Staatsbürger beruflich in Anspruch nimmt, dann erweist es sich als übermäßige, durch keine Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der freien Berufsausübung, den derart Belasteten eine angemessene Entschädigung für ihre Inanspruchnahme vorzuenthalten. In einem solchen Fall ist der Grundsatz der Unentgeltlichkeit nicht nur mit Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch mit dem im Rahmen dieses Grundrechts zu berücksichtigenden Gleichheitsgebot unvereinbar.“ Siehe BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1980, 1 BvR 349/75 u. a., BVerfGE 54, S. 251 (271) – Vormundschaftsentschädigung (Hervorh. d. Verf.). Siehe ferner auch den Beschl. des BVerfG, v. 17. 10. 1984, 1 BvL 18/82 u. a., BVerfGE 68, S. 155 (170) – Behindertenbeförderung, in dem die Entgeltlichkeit der Indienstnahme an „Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist“, also eine gemeinsame Prüfung vorge-
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diesem Punkt die Erkenntnis, dass eine entgeltliche Indienstnahme nicht stets als milderes Mittel zur Verfügung steht. Denn ein Entgelt darf nicht dazu führen, dass dem Grundrechtsträger seine Grundrechte abgekauft werden können. Eine solche Möglichkeit würde der Existenz der Grundrechte den Boden entziehen und der Schutzfunktion der Verfassung zutiefst entgegenlaufen. Nur in Ausnahmefällen kann ein Entgelt erforderlich und geboten sein, um einen Grundrechtseingriff abzumildern.1455 Ist ein solcher Fall nicht gegeben, kann eine Entschädigungspflicht des Staats schließlich an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sein. Daraus lässt sich folgern, dass sowohl Art. 12 Abs. 1 GG als auch Art. 3 Abs. 1 GG ein entsprechender Anwendungsbereich im Gesamtkomplex des Grundrechtsschutzes bei der Begutachtung der Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme von Kreditinstituten im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens zukommt. Kann eine Indienstnahme gegen Entschädigung als milderes Mittel bejaht werden, ist der Eingriff schon aus diesem Grunde verfassungswidrig. Kommt eine entschädigungspflichtige Indienstnahme als milderes Mittel hingegen nicht in Betracht, eröffnet sich die Frage nach der gleichheitsrechtlichen Beurteilung der Vorenthaltung einer Entschädigung im Vergleich zu anderen Indienstgenommenen. Erst wenn beide Hürden genommen wurden, kann das Verfahren – abgesehen von anderen möglicherweise verletzten Grundrechten – als verfassungsgemäß erachtet werden. (2) Die entschädigungspflichtige Indienstnahme der Kreditinstitute als milderes Mittel Die freiheitsrechtliche Perspektive ist aus dem Blickwinkel der Berufsausübungsfreiheit zu erörtern. Es ist zu fragen, ob die entgeltliche Indienstnahme der Kreditinstitute ein milderes Mittel zur derzeitigen Rechtslage darstellt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ausnahmsweise eine Entschädigung den Grundrechtseingriff in zulässigerweise abmildern könnte, ohne dabei dem Kreditinstitut seine grundrechtlich garantierte Freiheit abzukaufen. Eine Grundrechtsverletzung durch Zahlung einer Entschädigung abzumildern oder gar zu heilen, ist im Gros der Fälle ausgeschlossen. Deutlich wird dies, wenn man sich etwa einen Polizisten vor Augen führt, der einen Demonstranten in rechtswidriger Weise niederschlägt. In einem solchen Fall den Grundrechtseingriff durch Zahlung einer Entschädigung zu kompensieren, würde den Grundrechtsschutz ad absurdum führen, seiner Abwehrfunktion nicht mehr gerecht werden und keinen effektiven Schutz vor staatlichem Handeln mehr garantieren. Die Zahlung eines Geldbetrags würde den Schlag auch nicht weniger schmerzhaft machen. Dies machte das Bundesverfassungsgericht u. a. in seiner berühmten Nassauskiesungsentscheidung1456 aus dem Jahre 1981 deutlich, in der es davon ausging, dass nommen wird. In diese Richtung auch R. Scholz, Zur Kostenerstattungspflicht des Staates für gesetzliche Maßnahmen der Telefonüberwachung, ArchivPT 1995, S. 169 (187 f.). 1455 Dazu sogleich unter § 6 B. II. 3. c) cc) (2). 1456 BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, S. 300 – Nassauskiesung.
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eine Grundrechtsverletzung nicht dadurch in den Zustand der Rechtmäßigkeit zurückgeführt werden könne, indem eine Entschädigung dafür geleistet würde. Liegt eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung hinsichtlich des Eigentums vor, sei der Eingriff verfassungswidrig und zwar unabhängig davon, ob eine Entschädigung gezahlt würde oder nicht. Der Betroffene habe sich mittels Primärrechtsschutzes dagegen zu wehren. Er könne jedoch nicht den verfassungswidrigen Zustand „dulden“ und dann auf Sekundärebene „liquidieren“.1457 Das verbietet aber nicht, dass eine Entschädigung, die im Vorhinein gesetzlich geregelt wurde, einen Grundrechtseingriff mildern und dadurch eine Grundrechtsverletzung verhindern kann. Davon geht das Bundesverfassungsgericht u. a. in seiner Entscheidung zu den Pflichtexemplaren1458 aus. Dort führte es aus, dass „die allgemeine Ablieferungspflicht bei unterschiedslosem Ausschluß einer Kostenerstattung auch diejenigen Druckwerke erfaßt, die mit großem Aufwand und zugleich nur in kleiner Auflage hergestellt werden. Es liegt auf der Hand, daß die Pflicht zur unentgeltlichen Abgabe von Belegstücken solcher Druckwerke im Gegensatz zu den Billig- und Massenproduktionen eine ins Gewicht fallende Belastung darstellt. Art. 14 Abs. 2 GG vermag nicht zu rechtfertigen, daß der Verleger eine solche Belastung im Interesse der Allgemeinheit tragen muß.“ 1459 Das Bundesverfassungsgericht sah in dieser unterschiedslos geltenden Ablieferungspflicht des Verlegers die Grenze einer noch zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung als überschritten an1460 und eröffnete gleichzeitig die Möglichkeit, diese unverhältnismäßige Belastung durch Zahlung einer Entschädigung in ein verfassungsgemäßes Maß zurückzuführen1461 – sog. ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese Entscheidung zeigt, dass eine Entschädigungsleistung einen Grundrechtseingriff mildern und so eine Verletzung vermeiden kann.1462
1457 BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, S. 300 (320) – Nassauskiesung; BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, S. 226 (241) – Denkmalschutzgesetz; so auch vom Bundesverfassungsgericht vor dem Nassauskiesungsbeschluss entschieden, siehe BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, S. 1 (28) – Kleingarten: „Eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung kann auch nicht […] durch Zubilligung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Entschädigung „geheilt“ werden.“ 1458 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137 – Pflichtexemplare. 1459 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137 (149) – Pflichtexemplare. 1460 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137 (150) – Pflichtexemplare. 1461 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137 (147 ff., 152) – Pflichtexemplare. 1462 So auch in der Entscheidung zum Denkmalschutzgesetz, siehe BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, S. 226 (244 ff.) – Denkmalschutzgesetz, wonach „Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die für sich genommen unzumutbar wären, aber vom Gesetzgeber mit Ausgleichsmaßnahmen verbunden sind, […] ausnahmsweise mit Art. 14 Abs. 1 GG im Einklang stehen [können]. […] Durch einen solchen Ausgleich kann in bestimmten Fallgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer sonst unverhältnismä-
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Diese eigentumsrechtlich geprägte Rechtsprechung lässt sich auf die vorliegend zu untersuchende Berufsfreiheit der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren übertragen.1463 Die Problemstellung ist vergleichbar. In beiden Fällen besteht der Grundrechtseingriff vorwiegend in einer zusätzlichen finanziellen Belastung des Betroffenen. Anders als beim oben aufgeführten Beispiel des Schlags eines Polizisten besteht der „Schmerz“ bei einem Kreditinstitut in der finanziellen Belastung, die sich aus der Erfüllung seiner Pflichten ergibt. Die Kreditinstitute müssen sich entsprechende steuerliche Expertise einkaufen, eine verlässliche EDV einrichten, Sachbearbeiter einstellen und von externen Leistungen – wie etwa dem WM Datenservice – Gebrauch machen.1464 Dies verursacht bei den Kreditinstituten hohe Ausgaben, die ein noch zuträgliches Maß insgesamt übersteigen. Diese Kosten können durch entsprechende Entschädigungsregelungen gemildert werden. Eine solche Entschädigung kann gewissermaßen als „actus contrarius“ zu den finanziellen Belastungen gesehen werden, die den Kreditinstituten im Rahmen des Grundrechtseingriffs durch ihre Indienstnahme auferlegt werden. Dadurch werden keine Grundrechte abgekauft. Vielmehr wird ihnen durch ein solches Mittel ausreichend Geltung verschafft.1465 (3) Die Möglichkeit der Kostenabwälzung als Legitimationsgrund für eine entschädigungslose Indienstnahme der Kreditinstitute Eine staatliche Entschädigungspflicht als milderes Mittel könnte allerdings dann ausscheiden bzw. zumindest Auswirkungen auf die Höhe einer solchen Entschädigung haben, wenn die Kreditinstitute die ihnen durch das Kapitalertragsteuerverfahren zusätzlich anfallenden Kosten an ihre Kunden weitergeben könnten und schon dadurch ein mildernder Effekt eintritt. So könnte verhindert werden, die Allgemeinheit mit diesen Kosten zu belasten. Zu dieser Möglichkeit hat der BGH im Bereich der Freistellungsaufträge eindeutig Stellung bezogen.1466 Er hatte die Frage zu entscheiden, ob es für ein Kreditinstitut zulässig sei, für die Bearbeitung eines Freistellungsauftrags ein Entgelt i. H. v. 12,00 DM pro Jahr zu verlangen. Eine ßigen oder gleichheitswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herbeigeführt werden.“ 1463 So auch Kirchhof in Bezug auf die vergleichbare Problematik beim Lohnsteuerabzug; siehe G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 179 ff. 1464 Siehe dazu oben bei den Erläuterungen zu den Steuerverwaltungskosten § 4 D. 1465 Auch die Rechtsprechung des BVerfG zur Vergütung von Pflichtverteidigern zeigt, dass eine Entschädigung einen Grundrechtseingriff (Indienstnahme durch Verteidigung eines Angeklagten) abmildern kann bzw. eine Entschädigung sogar von der Verfassung gefordert sein kann; siehe dazu BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011, 1 BvR 3171/10, NJW 2011, S. 3079 (3080); BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 2007, 2 BvR 51/07, NJW 2007, S. 3420; BVerfG, Beschl. v. 6. 11. 1984, 2 BvL 16/83, BVerfGE 68, S. 237 (255); bzw. für die Entschädigung von Notaren BVerfG, Beschl. v. 1. 3. 1978, 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, S. 285 (321 f.). 1466 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 – Freistellungsauftrag; grundlegend dazu auch S. Hofauer, Bankentgelte – Was dürfen Banken berechnen und was nicht?, BKR 2015, S. 397.
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entsprechende Regelung wurde in die AGB aufgenommen. Der BGH führte hierzu aus: „Die Berechnung eines Entgelts für die Verwaltung von Freistellungsaufträgen ist vielmehr mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung nicht vereinbar […] und benachteiligt die betroffenen Kapitalanleger in unangemessener Weise. […] Mit der den Gegenstand der Vergütungsregelung bildenden Verwaltung von Freistellungsaufträgen erfüllt die beklagte Bank eine ihr vom Staat im öffentlichen Interesse auferlegte Pflicht.“1467 Ob die dadurch entstehende zusätzliche Belastung für die Kreditinstitute noch angemessen ist, sei eine rein verfassungsrechtliche Frage. Weiter führt der BGH aus, dass „jeder Rechtsunterworfene die Aufwendungen, die ihm durch die Erfüllung seiner dem Staat gegenüber bestehenden Pflichten erwachsen, als Teil seiner Gemeinkosten selbst zu tragen [hat]. Er kann sie nicht unter Berufung auf das Verursacherprinzip offen auf Dritte abwälzen, indem er die ihm durch staatliche Organe aufgebürdeten Verwaltungsaufgaben in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber denjenigen erklärt, die unmittelbar oder mittelbar daraus Nutzen ziehen. Vielmehr muß er wie jeder andere diese Gemeinkosten durch die im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreise erwirtschaften.“1468 Der BGH macht damit deutlich, dass die Kosten für die Erfüllung steuerlicher Pflichten nicht offen auf den Kunden abgewälzt werden können. Zwar entschied dies der BGH lediglich für die Bearbeitung von Freistellungsaufträgen, doch lässt sich der Allgemeinheit der Ausführungen dieser Entscheidung eine grundsätzliche Richtung erkennen. Die Argumentation kann auch auf die Erfüllung der sonstigen Pflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren übertragen werden. Der Rechtsprechung des BGH, die auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde,1469 ist zuzustimmen1470 – zunächst aus einer praktischen, verfahrensökonomischen Erwägung heraus. Um nochmal den der Entscheidung des BGH zu Grunde liegenden Freistellungsauftrag aufzugreifen: Würde der Gläubiger der Kapitalerträge keinen Freistellungsauftrag erteilen und stattdessen nach erfolgtem Steuer1467 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 (265) – Freistellungsauftrag. 1468 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 (266) – Freistellungsauftrag. 1469 Siehe BVerfG, Beschl. v. 28. 8. 2000, 1 BvR 1821/97, NJW 2000, S. 3635. In diesem Nichtannahmebeschluss entschied das BVerfG, der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass „Aufwendungen, die dem Indienstgenommenen durch die Erfüllung seiner dem Staat gegenüber bestehenden Pflichten erwachsen, nicht offen auf die unmittelbar oder mittelbar aus der Pflichterfüllung Nutzen ziehenden Kunden abgewälzt werden können, […] nachvollziehbar begründet [ist] und […] weder eine grundlegende Verkennung von Bedeutung und Tragweite der Berufsausübungsfreiheit noch sachfremde Erwägungen im Sinne von Willkür […] sichtbar werden [lässt].“ 1470 So auch G. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, S. 185 (189); A. A. C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 170 ff.; J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (508); M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997, S. 1997 (1999).
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abzug seinen Sparer-Pauschbetrag im Wege der Veranlagung geltend machen, würde er kein Entgelt für die Bearbeitung seines sonst nötigen Freistellungsauftrags durch das Kreditinstitut zu entrichten haben. Würde er hingegen einen Freistellungsauftrag erteilen, müsste er ein Entgelt entrichten. Wie der Gläubiger vor diesem Hintergrund verfahren wird, liegt auf der Hand. Dieses Vorgehen liefe der ureigentlichen Intention einer möglichst vollständigen Erledigung des Steuerfalls an der Quelle zuwider. Das Ergebnis kann ferner um eine kompetentielle Erwägung ergänzt werden. Die Steuererhebung ist eine staatliche Aufgabe,1471 die aus dem Staatshaushalt zu finanzieren ist (sog. Steuerstaatsprinzip).1472 Würde man die Kosten für die Besteuerung von Kapitalerträgen auf die Gläubiger der Kapitalerträge abwälzen, müssten diese teilweise die Kosten ihres eigenen Besteuerungsverfahrens tragen, andere Steuerschuldner (z. B. Selbstständige) hingegen nicht. Würden die Finanzbehörden die Besteuerung hingegen selbst vornehmen, also ohne Quellenabzug beim Kreditinstitut, dann müssten die Gläubiger der Kapitalerträge fraglos keine Gegenleistung für ihre eigene Besteuerung erbringen. Der „Umweg“ der Besteuerung über das Kreditinstitut darf an der Frage, wer für die Kosten des Besteuerungsverfahrens aufzukommen hat, nichts ändern. Diese Rechtsprechung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BVerfG zur Erdölbevorratung. Dort stellte das Gericht klar, dass es den Kreditinstituten nicht verwehrt sei, die Kosten „über den Preis auf den Verbraucher“ abzuwälzen.1473 Der BGH untersagte lediglich, die Kosten nach dem Verursacherprinzip „offen“1474 auf den Kunden abzuwälzen. Dies schließe aber – wie das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss hierzu ausführte – nicht die Möglichkeit aus, diese Kosten in die Entgelte einzurechnen, „die von den Kunden insgesamt verlangt werden.“1475 Bleibt letztlich die Frage, ob die Kreditinstitute also doch die Kosten einfach an ihre Kunden weitergeben können. Dem ist nicht so. Die durch die steuerlichen Pflichten verursachten Kosten können nur als Teil der Gemeinkosten auf den Kunden im Wege eines Entgelts umgelegt werden, aber nicht vollumfänglich, da eine solche Preisgestaltung am freien Markt aus tatsächlichen Gründen nicht ohne Weiteres durchgesetzt werden kann. Der Kunde zahlt nicht jeden Preis. Außerdem würde eine vollständige Weiterleitung der Kosten wieder zu dem Ergebnis führen, dass der Steuerschuldner die Kosten seines eigenen Besteuerungsverfahrens selbst zu 1471
Siehe insb. Art. 108 GG. BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990, 1 BvL 12/88 u. a., BVerfGE 82, S. 159 (178); BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1988, 2 BvL 9/85 u. a., BVerfGE 78, S. 249 (266 f.); J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS Ipsen, 1977, S. 409 (422); M. Elicker, Der Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben, Inpflichtnahmen und Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, S. 304. 1473 BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (326) – Erdölbevorratung. 1474 BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261 (266) – Freistellungsauftrag. 1475 BVerfG, Beschl. v. 28. 8. 2000, 1 BvR 1821/97, NJW 2000, S. 3635 (3637) – Hervorh. d. Verf. 1472
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tragen hätte. Diese Kosten sind aber aus dem steuerfinanzierten Staatshaushalt zu entrichten. Schließlich könnte man mit dem Argument, die Kosten können nach unten abgewälzt werden, nahezu jede finanzielle Belastung eines Indienstgenommenen legitimieren und eine diesbezügliche Belastung verneinen.1476 Damit ist festzuhalten, dass der Großteil der durch das Kapitalertragsteuerverfahren entstehenden Kostenlast von den Kreditinstituten zu tragen ist, sie dadurch belastet werden und deshalb weiterhin die Möglichkeit einer staatlichen Entschädigung als milderes entlastendes Mittel eröffnet bleibt. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Ansicht der Rechtsprechung des BVerfG entgegen,1477 wonach es an einer Gleichwertigkeit einer Alternative fehle, wenn zwar der Grundrechtsbetroffene weniger belastet wird, diese Belastung aber gleichzeitig zu einer Mehrbelastung des Staats – und damit der Allgemeinheit – führt.1478 Denn dieser Ausschluss hat insbesondere zum Hintergrund, solche milderen Mittel auszuscheiden, die eine punktuelle Beeinträchtigung durch einen unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand ausgleichen könnten. Vorliegend ist aber eine gesamte Branche betroffen, die täglich durch die Indienstnahme im Kapitalertragsteuerverfahren aufs Neue belastet wird. (4) Ausgestaltung und Höhe einer de lege ferenda zu schaffenden staatlichen Entschädigungspflicht Schließlich stellt sich die Frage nach der konkreten Ausgestaltung und Höhe in einer de lege ferenda zu schaffenden Entschädigungsvorschrift. Hier kommen zwei Wege in Betracht: eine Pauschallösung und eine Entschädigung der einzelnen Leistungen. Eine Abrechnung anhand von Einzelleistungen könnte man dergestalt einführen, als für einzelne Pflichten im Kapitalertragsteuerverfahren bestimmte Entschädigungen geltend gemacht werden können und sich die Höhe der Entschädigung jeweils an der Komplexität der einzelnen Pflicht (z. B. Steuerabzug/Freistellungsauftrag/Kontenabruf) bemisst. Dies hat den Vorteil, die Belastungen der Bank realitätsgerecht erfassen und auf den Einzelfall hin entsprechend entschädigen zu können. Für den Gesetzgeber hätte dies auch eine gewisse Signalfunktion, wenn er stets eine Entschädigungspflicht im Auge behalten müsste, sollte er die Pflichten der
1476 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137 (151) – Pflichtexemplare; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (142). 1477 Siehe dazu oben § 6 B. II. 3. c) sowie Fn. 1416. 1478 Dazu führt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84 (110 f.)) aus, dass der „Einzelne im Blick auf seine Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit […] doch nicht erwarten [kann], daß zur Vermeidung grundrechtsbeschränkender Maßnahmen mit dem Ziel der Bewältigung sozialer Mißstände die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus zum Ausbau der für die Bekämpfung dieser Mißstände zuständigen Behörde verwendet werden.“
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Kreditinstitute erneut erweitern.1479 Eine solche Lösung ist jedoch nicht zielführend. Die jeweils anteiligen Kosten für Pflicht und Aufwand (sachliche wie personell), die nur in Bezug auf die Indienstnahme der Kreditinstitute im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens anfallen, sind kaum ermittelbar bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand. Teilweise überschneiden sich diese Pflichten mit Pflichten aus anderen Rechtsgebieten bzw. mit schlichtem Tätigwerden aus eigenem Interesse der Kreditinstitute. Praktikabler scheint deshalb eine Lösung anhand einer Entschädigungspauschale, wie sie bereits vom Kirchensteuereinzug1480 bekannt ist. Dort lässt sich der Fiskus die Erhebung der Kirchenkapitalertragsteuer von den Kirchen im Wege eines pauschalen Ansatzes zwischen zwei und fünf Prozent vergüten.1481 Eine solche Pauschallösung wird auch im Schrifttum favorisiert und soll sich ebenfalls an einem prozentualen Anteil an der erhobenen Steuersumme orientieren.1482 Bei der Bestimmung der Höhe einer solchen Entschädigungspauschale sind insbesondere zwei Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst muss kostenmindernd berücksichtigt werden, dass derjenige, der die ihm von staatlicher Seite übertragene Tätigkeit mit Bezug zu seiner eigenen originären Tätigkeit ausführt, geringere Kosten zu tragen hat als ein komplett externer Dienstleister.1483 Ferner können Kreditinstitute ihre durch die Erfüllung der steuerlichen Pflichten als Betriebsaus-
1479 Siehe D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater, WM 2010, S. 193 (201), der vorschlägt, für jeden Kontenabruf nach § 93b AO i. V. m. § 24c Abs. 1 KWG (siehe dazu oben § 3 B. I.) eine eigene Entschädigung verlangen zu können. 1480 Siehe zum Einzug der auf die Kapitalertragsteuer als Zuschlagsteuer anfallende Kirchenkapitalertragsteuer oben § 3 A. III. 2. a). 1481 Siehe dazu H. Weber, Kirchenfinanzierung im religionsneutralen Staat – Staatskirchenrechtliche und rechtspolitische Probleme der Kirchensteuer, NVwZ 2002, S. 1443 (1445) m. w. N.; G. Felix, Unentgeltliche private Steuervollstreckungshilfe für entgeltliche staatliche Steuervollstreckung zugunsten der Kirchen?, BB 1995, S. 1929 m. w. N. 1482 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 383; O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 47 f.; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 182 f.; H. Kruse, Über Dienstleistungspflichten und Haftung, in: Gedächtnisschrift für Christoph Trzaskalik, 2005, S. 169 (175); H. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, IFSt-Schrift Nr. 359 1997, S. 70 ff.; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, Der Arbeitgeber als kostenloses Hilfsorgan der Finanzverwaltung?, DB 2013, S. 139 (143 f.); R. Seer, Reform des (Lohn-)Steuerabzugs, FR 2004, S. 1037 (1042); das BVerfG sieht in solchen pauschalisierten Entschädigungen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken; siehe BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984, 1 BvL 18/82 u. a., BVerfGE 68, S. 155 (172); BVerfG, Beschl. v. 9. 2. 1982, 2 BvL 6/78 u. a., BVerfGE 60, S. 16 (48 f.); BVerfG, Beschl. v. 19. 4. 1977, 1 BvL 17/75, BVerfGE 44, S. 283 (288); eine andere Lösung hingegen vertritt H.-P. Neuhoff, Die Erhebungskosten der deutschen Lohnsteuer und die Problematik einer „Lohnsteuerprovision“, 1969, S. 156 ff., 168, der hinsichtlich des vergleichbaren Lohnsteuerverfahrens die Kostenpflicht von der Anzahl der beschäftigten Lohnsteuerpflichtigen abhängig machen will. 1483 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 271.
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gaben steuerlich ansetzen, wodurch sich die Kostenlast ebenfalls reduziert.1484 Schließlich kann ein gewisser Teil der Kosten im Rahmen der Gemeinkosten an den Kunden abgewälzt werden.1485 In Anbetracht dessen und mit dem Blick auf das erwähnte pauschale Entgelt, das die Kirchen an den Fiskus zu entrichten haben, wird eine Entschädigung von 2 % der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer als angemessene Entschädigung vorgeschlagen. Ein anderer sachgerechter Weg ist die Bestimmung der Entschädigung anhand einer Berechnung der Kosten, die sich der Staat durch die Indienstnahme der Kreditinstitute erspart.1486 Allerdings dürfte eine solche Berechnung in der Praxis nur schwer möglich sein. dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass der Gesamteingriff der entschädigungslosen Indienstnahme nicht erforderlich ist, das Kapitalertragsteuerverfahren insoweit nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Um einen Eingriff als erforderlich einstufen zu können, darf kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Verfügung stehen. Ein solches steht vorliegend mit einer entschädigungspflichtigen Indienstnahme zur Verfügung. Dass Grundrechtseingriffe durch Geldzahlungen abgemildert werden können, ist die Ausnahme. Eine Ausnahme ist dann möglich, wenn der Eingriff den Grundrechtsberechtigten primär auf finanzieller Ebene trifft und die Entschädigung tatsächlich zu einer Abmilderung führt. Beim Kapitalertragsteuerverfahren trifft dies zu, da sich die Hauptlast auf finanzieller Ebene der Kreditinstitute widerspiegelt. Dabei darf nicht verkannt werden, dass das Kapitalertragsteuerverfahren als solches ein erforderliches Mittel ist, die gesetzgeberseits intendierten Ziele zu erreichen. Lediglich die entschädigungslose Ausgestaltung der Indienstnahme überschreitet das zuträgliche Maß. d) Angemessenheit Schließlich stellt sich – eine entsprechende Entschädigung wie vor vorausgesetzt – die Frage nach der Angemessenheit der Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren. Hier schließt sich der Kreis zu den untersuchten Pflichten und Konsequenzen der Kreditinstitute. Die Prüfung der Angemessenheit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Indienstnahme für Staat und Gesellschaft und den durch die Indienstnahme verursachten Belastungen für die Kreditinstitute.1487 Anders formuliert ist das Mittel der Indienstnahme zur Erreichung 1484 C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 170 f.; K.-D. Drüen, Grenzen der Steuerentrichtungspflichten, FR 2004, S. 1134 (1138). 1485 Siehe dazu oben § 6 B. II. 3. c) cc) (3). 1486 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 182 1487 B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 48. Lfg. 2006, Art. 20 VII Rn. 117. Die Terminologie ist uneinheitlich. Es werden auch die Begriffe der Zumutbarkeit,
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 293
des gesetzgeberischen Ziels angemessen, wenn sich das Maß der Belastungen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit daraus erwachsenden Vorteilen bewegt.1488 Beim hier vorliegenden Eingriff der §§ 43 ff. EStG auf Ebene der Berufsausübung ist dieses Verhältnis nach der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG1489 gewahrt, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen.1490 Die Anforderungen an diese Erwägungen sind dabei umso höher, je intensiver der Eingriff beim Betroffenen wirkt.1491 Daher müssen die sich gegenüberstehenden Belange zunächst gewichtet werden, um abschließend eine Abwägungsentscheidung treffen zu können. Die jeweilige Gewichtung wird anhand der von Robert Alexy entwickelten triadischen Skalierung vorgenommen.1492 Danach werden sowohl der Nutzen als auch die korrespondierenden Belastungen nach den Stufen leicht/gering/ schwach, mittel und schwer/hoch/stark bewertet. Dieses Modell trägt dazu bei, den Abwägungsvorgang rational und transparent zu gestalten, um damit das Abwägungsergebnis nachvollziehbarer zu machen. aa) Der Nutzen der Indienstnahme von Kreditinstituten für Staat, Steuerschuldner und Gesellschaft Das EStG sieht für die Besteuerung privater Kapitalerträge in den §§ 43 ff. ein besonderes Verfahren vor, das dem allgemeinen Veranlagungsverfahren der §§ 25 ff. EStG vorgeht.1493 Der Gesetzgeber entschied sich für dieses Verfahren, da es eine Reihe grundlegender Vorteile gegenüber dem normalen Besteuerungsverfahren bietet.1494 Der größte Vorteil liegt dabei in der Sicherung des staatlichen Steuerder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Proportionalität und des Übermaßverbots verwendet; siehe S. Huster/J. Rux, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 20 Rn. 197; u. a. BVerfG, Beschl. v. 5. 2. 2002, 2 BvR 305/93 u. a., BVerfGE 105, S. 17 (36). 1488 So u. a. BVerfG, Beschl. v. 3. 7. 2007, 1 BvR 2186/06, BVerfGE 119, S. 59 (87); BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 1987, 2 BvR 1226/83 u. a., BVerfGE 76, S. 1 (51); BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65 u. a., BVerfGE 38, S. 281 (302). 1489 Siehe dazu oben § 6 B. II. 3. 1490 BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (405) – Apothekenurteil; BVerfG, Beschl. v. 5. 12. 1995, 1 BvR 2011/94, BVerfGE 93, S. 362 (369); BVerfG, Beschl. v. 25. 11. 2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, S. 190 (206). 1491 Sog. Abwägungsgesetz von R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 8. Aufl. 2018, S. 146; ders., Die Konstruktion der Grundrechte, in: Clérico/Sieckmann, Grundrechte, Prinzipen und Argumentation, 2009, S. 9 (15); ders., Die Gewichtsformel, GreifRecht 2010, S. 69. 1492 Siehe zu diesem Modell R. Alexy, Die Konstruktion der Grundrechte, in: Clérico/ Sieckmann, Grundrechte, Prinzipen und Argumentation, 2009, S. 9 (15); ders., Die Gewichtsformel, GreifRecht 2010, S. 69 (72); M. Klatt/M. Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, S. 193 (196); kritisch T. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, 2006, S. 66 ff. 1493 Siehe §§ 25 Abs. 1 a. E. i. V. m. § 43 Abs. 5 EStG 1494 Siehe dazu grundlegend C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 117 ff.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
aufkommens als Fundament des Staats,1495 um den allgemeinen Finanzbedarf des staatlichen Gemeinwesens zu decken (sog. Fiskalzweck),1496 wozu der Staat nach der Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG verpflichtet ist. Dieser Zweck wird durch die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren in besonderem Maße erreicht. So minimiert v. a. der Abzug der Steuer an der Quelle das Risiko von Steuerhinterziehung, da es auf eine Deklaration der Einkünfte durch den Steuerschuldner grundsätzlich nicht mehr ankommt. Dadurch gehen dem Staat in diesem Bereich kaum Steuereinnahmen verloren. Soweit die Steuer durch eine im Inland befindliche Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts als auszahlende Stelle vorgenommen wird,1497 werden sogar ausländische Kapitalerträge von der deutschen Kapitalertragsteuer erfasst1498 und sorgen auch in dieser Hinsicht für ein gesichertes Steueraufkommen. Mit dem Zweck der Sicherung des allgemeinen Finanzbedarfs geht der Zweck der Sicherung des Grundsatzes der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG als einer der „obersten Besteuerungsgrundsätze“1499 einher. Dieser besagt insbesondere, dass Steuerpflichtige rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise zu belasten sind.1500 Durch die weitgehende Besteuerung von Kapitalerträgen an der Quelle wird diesem Gebot Genüge getan, da kaum mehr – wie es früher der Fall war1501 – Vollzugsdefizite bestehen und damit alle Kapitalertragsteuerschuldner gleich behandelt werden. Die Besteuerung an der Quelle hat weiter den Vorteil, dass sich der Steuerwiderstand des Gläubigers der Kapitalerträge gering hält, da er den vollen Betrag nicht auf sein Konto erhält und davon selbst die Steuer entrichten müsste.1502
1495 P. Kirchhof, Die Gleichheit vor dem Steuergesetz – Maßstab und Missverständnisse, StuW 2017, S. 3 (15). 1496 BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005, 2 BvR 2335/95 u. a., BVerfGE 113, S. 128 (146); BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994, 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, S. 186 (201); BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990, 1 BvL 12/88 u. a., BVerfGE 82, S. 159 (178); Klein/E.-M. Gersch, Abgabenordnung Kommentar, 14. Aufl. 2018, § 3 Rn. 7. Siehe auch die Definition von Steuern in § 3 Abs. 1 HS. 1 AO; siehe zum Fiskalzweck Koenig/ders., Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 25; W. Jakob, Einkommensteuer, 4. Aufl. 2008, S. 16. 1497 Siehe dazu oben § 3 A. I. 1. 1498 Schmidt/C. Levedag, Einkommensteuergesetz Kommentar, 38. Aufl. 2019, § 44 Rn. 7. 1499 B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern Band 4, 1902, S. 7. 1500 BVerfG, Urt. v. 10. 4. 2018, 1 BvL 11/14 u. a., DStR 2018, S. 791 (797); BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (134); BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (268 f.); siehe dazu auch J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: FS Ipsen, 1977, S. 409 (418) sowie M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9. 1501 Siehe dazu oben § 2 A. V./VI. 1502 C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 119; H. Haller, Die Steuern, 2. Aufl. 1971, S. 374 f. sowie bereits oben § 3 A. IV. 3.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 295
Zudem entlastet das Kapitalertragsteuerverfahren die Finanzverwaltung und schont dadurch Haushaltsmittel.1503 Die Verlagerung von Aufgaben der Besteuerung auf die Kreditinstitute trägt damit dem in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 6 Abs. 1 HGrG verankerten Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung Rechnung.1504 Ferner führt diese Form der Besteuerung nicht nur zu einer Entlastung auf Seiten der Finanzverwaltung. Auch die Gläubiger der Kapitalerträge als Steuerschuldner werden entlastet, indem das Verfahren entbürokratisiert wird. Denn aufgrund der abgeltenden Wirkung des Steuerabzugs bedarf es grundsätzlich keiner Veranlagung mehr, sodass keine Steuererklärung bezüglich solcher Einkünfte mehr abgegeben werden braucht.1505 Mangels Pflicht zur Einreichung einer Steuererklärung werden gleichzeitig die Grundrechte der Steuerschuldner (Art. 2 Abs. 1 GG) geschont. Schließlich ist der Effizienzgedanke anzuführen. Dieser ist zwar nicht (juristisch) in der Verfassung verankert,1506 doch handelt es sich um ein ökonomisches Prinzip, das als in die Abwägungsentscheidung einzustellender Vorteil herangezogen werden kann. Die Kreditinstitute sitzen grundsätzlich nicht nur an der Quelle der Kapitalerträge, sie sitzen zudem auch an der Quelle der für eine Besteuerung notwendigen Informationen.1507 Sie besitzen – wie auch der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren1508 – damit eine besondere Sachnähe zum Besteuerungssubstrat, wodurch eine Besteuerung wesentlich effizienter und damit gesamtwirtschaftlich betrachtet insgesamt kostengünstiger durchgeführt werden kann als bei einer alleinigen Besteuerung durch die Finanzbehörden. Unter Berücksichtigung aller aufgeführten Vorteile handelt es sich beim Kapitalertragsteuerverfahren nach den §§ 43 ff. EStG um ein höchst sinnvolles und effizientes Instrument der Besteuerung privater Kapitalerträge. Insgesamt kann diesem Verfahren unter Zugrundelegung der triadischen Skalierung ein hoher Nutzen für Staat, Steuerschuldner und damit für die Gesellschaft attestiert werden. bb) Die Belastung der Kreditinstitute durch die staatliche Indienstnahme Dem Nutzen der Indienstnahme von Kreditinstituten für Staat, Steuerschuldner und Gesellschaft steht die Belastung derselben gegenüber, die es im Folgenden zu ermitteln gilt. Die Frage, ob eine Belastung leicht/gering/schwach, mittel oder schwer/hoch/stark wiegt/ist, kann anhand der Kriterien der Häufigkeit, der Dauer 1503 C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 121 f. 1504 Siehe dazu oben § 6 B. II. 3. c) cc) (3) sowie Fn. 1404. 1505 Siehe dazu oben § 3 A. V. 1. 1506 H. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 443 ff.; W. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, Recht und Staat Heft 402/403 1971, S. 24 f. 1507 Siehe dazu oben § 3 A. I. 2. 1508 Siehe dazu G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 183 f.; O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 49.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
und des Ausmaßes bzw. der Schwere einer Belastung weiter konkretisiert und damit genauer gefasst werden.1509 Dabei werden inhaltlich zusammenhängende Belastungen in Belastungseinheiten wertungsmäßig zusammengefasst und gewürdigt ((1) und (2)), um eine in die abschließende Abwägung einzustellende Gesamtbelastung der Kreditinstitute durch die Indienstnahme feststellen zu können (3). (1) Die Belastung der Kreditinstitute durch die Erfüllung ihrer im Kapitalertragsteuerverfahren auferlegten Pflichten Die einzelnen Belastungen wurden bereits in § 3 der Arbeit herausgearbeitet und bewertet, sodass sich die folgenden Ausführungen unter Zugrundelegung der oben festgestellten Belastungen auf die Einordnung der Intensität im Rahmen der jeweiligen Belastungseinheiten beschränken. Als Belastungseinheiten sind vorliegend die Erfüllung der Hauptpflichten (a), die Erfüllung der Nebenpflichten (b) und die Pflichten aus internationalen Abkommen und Verträgen (c) zu qualifizieren. (a) Hauptpflichten Die Hauptpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren umfassen die Pflichten von der Verwirklichung des Steuertatbestands bis hin zur Abführung der Steuer an den Fiskus. Als hoch ist die Ermittlung der Abzugsverpflichtung1510 einzustufen. Zwar handelt es sich größtenteils um unproblematische Fälle, doch erfordern die selten vorkommenden problematischen Fälle eine hohe steuerliche Expertise. Ebenfalls als hoch ist die Belastung der Kreditinstitute durch Freistellungsaufträge1511 einzuordnen, da diese häufig erteilt werden, einen enormen Verwaltungsaufwand verursachen und auch regelmäßig geändert oder widerrufen werden. Eine mittlere Belastung kennzeichnet hingegen die Pflicht zur Ermittlung der zutreffenden Bemessungsgrundlage.1512 Gerade bei Kapitalerträgen, die nicht in Geld, sondern in einem Sachbezug bestehen, kann die Bewertung kompliziert sein. Zudem gestalten sich die Vorgänge der Anrechnung ausländischer Steuern und die Verlustverrechnung schwierig, auch wenn sie nicht so häufig vorkommen. Die restlichen Hauptpflichten wirken indes leicht belastend. So bedeutet die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts1513 nur eine geringe Belastung, da die Kreditinstitute regelmäßig ohnehin über die notwendigen Informationen über ihren Kunden verfügen und diese daher nicht ständig neu ermittelt werden müssen. Ebenfalls nur leicht belastend wirkt die Pflicht zur Beachtung von Befreiungstatbeständen,1514 da diese nur selten in Betracht kommen. Ferner kann auch die Höhe der Kapitalertragsteu1509 BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, S. 63 (80); M. Wienbracke, Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ZJS 2013, S. 148 (153). 1510 Siehe oben § 3 A. I. 3. 1511 Siehe oben § 3 A. VI. 1. 1512 Siehe oben § 3 A. II. 1513 Siehe oben § 3 A. I. 2. 1514 Siehe oben § 3 A. I. 3. d).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 297
er1515 insgesamt noch mit geringem Aufwand bestimmt werden. Zwar sorgt das jüngst geänderte Kirchensteuerabzugsverfahren für eine gewisse Erhöhung der Pflichten der Kreditinstitute, doch gleicht dies der Umstand, dass mittlerweile nur noch zwei Steuersätze (15 % und 25 %) von den Kreditinstituten zu beachten sind, wieder aus. Das Herzstück des Kapitalertragsteuerverfahrens, der Abzug, Einbehalt und die Abführung der Steuer an das Finanzamt,1516 ist gleichfalls als gering belastend einzuordnen, da es sich letztlich um vollautomatisierte Buchungsvorgänge handelt. Auch die Pflichten der Kreditinstitute zur Steueranmeldung,1517 zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen1518 und zu bestimmten Anzeigen und Mitteilungen1519 sind als nur leicht belastend zu bewerten. Ihnen ist gemein, dass sie weitgehend formalisiert und ebenfalls automatisch an die entsprechenden Empfänger gesendet werden, sodass meist keine individuelle Prüfung mehr zu erfolgen hat. Schließlich führt das Europarecht zu keiner Mehrbelastung für die Kreditinstitute.1520 Die durch die Einführung der Abgeltungsteuer intendierte Förderung der Finanzbranche blieb aus, sodass Europäisches Beihilfenrecht nicht verletzt wurde. (b) Nebenpflichten Die Nebenpflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren betreffen die Pflichten, die begleitend zum Besteuerungsverfahren einzuhalten sind, aber die Durchführung des Verfahrens nicht unmittelbar betreffen. Die Pflicht zur Einrichtung eines Kontenabrufverfahrens1521 stellt für die Kreditinstitute eine leichte Belastung dar. Die Belastung fällt zwar dauerhaft an, doch sind diese Vorgänge automatisiert und erfordern nach der Ersteinrichtung hauptsächlich einen sich im Rahmen haltenden Instandhaltungsaufwand. Ebenfalls nur leicht belastend wirkt die Pflicht der Kreditinstitute zur Wahrung des zivilrechtlichen Bankgeheimnisses.1522 Mangels steuerrechtlichem Bankgeheimnis1523 ergibt sich hieraus keine spezifische Belastung. Zudem sind die Pflichten im Rahmen einer Kapitalertragsteuer-Außenprüfung1524 als gering einzuschätzen. Eine solche Prüfung bedeutet einen großen Aufwand für das Kreditinstitut. Allerdings muss dem entgegengehalten werden, dass sie nur selten stattfindet und zudem mögliche Fehlerquellen beim Kreditinstitut aufdecken kann, wodurch kostenintensive Konsequenzen im Vorhinein verhindert
1515 1516 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524
Siehe oben § 3 A. III. Siehe oben § 3 A. IV. Siehe oben § 3 A. VII. Siehe oben § 3 A. VIII. Siehe oben § 3 A. IX. Siehe oben § 3 A. V. 2. Siehe oben § 3 B. I. Siehe oben § 3 B. II. 2. Siehe oben § 3 B. II. 1. Siehe oben § 3 B. III.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
werden können. Schließlich ist auch die Pflicht zur Dokumentation der steuerlichen Vorgänge1525 noch als gering einzuordnen. (c) Pflichten aus internationalen Abkommen und Verträgen Schließlich sind die Pflichten der Kreditinstitute aus internationalen Abkommen und Verträgen einer Belastungswürdigung zu unterziehen. Der mit dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz in nationales Recht umgesetzte CRS1526 bedeutet für die Kreditinstitute aufgrund der weitreichenden und detaillierten Meldepflichten eine mittlere Belastung. Das durch die FATCA-USA-Umsetzungsverordnung in das deutsche Recht implementierte FATCA-Abkommen1527 wirkt hingegen nur leicht belastend, da sich die daraus ergebenden Pflichten nur auf solche Besteuerungssachverhalte beziehen, die einen Bezug zu den USA aufweisen. Dies gilt insgesamt auch für TIEA1528 und DBA1529. (d) Belastungswürdigung Damit können die Belastungen der Kreditinstitute durch die kapitalertragsteuerlichen Hauptpflichten insgesamt als mittel bewertet werden. Die Nebenpflichten treffen die Kreditinstitute weniger und sind damit ebenso wie die Pflichten aus den internationalen Abkommen als leicht einzuordnen. Da die Hauptpflichten jedoch den Kern des Kapitalertragsteuerverfahrens ausmachen und in Häufigkeit und Dauer die anderen Pflichten überwiegen, sind sie als gewichtiger einzuordnen. Eine Gesamtschau der Belastungen der Kreditinstitute durch die ihnen im Kapitalertragsteuerverfahren auferlegten Pflichten ergibt daher eine noch mittlere Belastung. (2) Die Belastung der Kreditinstitute durch die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Kapitalertragsteuerverfahrens Verletzen die Kreditinstitute ihre Pflichten aus dem Kapitalertragsteuerverfahren, löst dies entsprechende Konsequenzen aus, und damit auch eine weitere Belastung, die zur Belastung durch die Pflichten hinzutritt. Die möglichen Konsequenzen wurden in § 4 der Arbeit untersucht, sodass sich die folgenden Ausführungen – wie schon bei den Pflichten – auf die Einordnung der Intensität im Rahmen der jeweiligen Belastungseinheiten konzentriert. Die Belastungseinheiten sind vorliegend die steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen (a), die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen (b), die strafrechtlichen Konsequenzen (c), die Steuerverwaltungskosten (d) sowie schließlich die Reputationsschäden (e). 1525 1526 1527 1528 1529
Siehe oben § 3 B. IV. Siehe oben § 3 C. I. Siehe oben § 3 C. II. Siehe oben § 3 C. III. Siehe oben § 3 C. IV.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 299
(a) Steuer- und vertragsrechtliche Konsequenzen Verletzen die Kreditinstitute ihre Pflichten im Kapitalertragsteuerverfahren, hat dies steuerrechtliche wie vertragsrechtliche Konsequenzen1530 gegenüber dem Fiskus und ihren Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge. Dabei stellt die Haftung gegenüber dem Fiskus1531 die bedeutendste Konsequenz dar. Liegen die Voraussetzungen einer Haftung vor, haften sie unbeschränkt für die volle Steuerschuld. Auch wenn eine solche Haftung nur in Ausnahmefällen – siehe etwa den Fall Google1532 – und damit selten in Betracht kommt, kann auch ein einziger Haftungsfall aufgrund der oftmals hohen Kapitalerträge beträchtliche finanzielle Konsequenzen, insbesondere für kleinere Kreditinstitute, bedeuten. Die aus der Haftung gegenüber dem Fiskus herrührende Belastung ist daher als hoch einzustufen. Daneben steht die Haftung der Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden.1533 Ebenso wie bei der Haftung gegenüber dem Fiskus werden diese Fälle selten vorkommen. Allerdings ist das Ausmaß der Haftung hier etwas geringer, da nicht für die Steuerschuld gehaftet wird, sondern für aus einem zu Unrecht erfolgten Steuerabzug resultierende Schäden (Zinsschaden, entgangener Gewinn). Aus diesem Grund ist diesbezüglich von einer mittleren Belastung auszugehen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei sonst pflichtwidrigem Verhalten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren1534 gegenüber ihren Kunden stellt hingegen eine nur leichte Belastung dar, da diese Fälle noch seltener vorkommen. Aus gleichen Gründen wirken auch die sonstigen Konsequenzen der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus1535 nur leicht belastend. Die Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Steuerabzug1536 führen anders als bei der Haftung nicht zu einer Vermögenseinbuße beim Kreditinstitut. Sie müssen aber unabhängig von einem Verschulden vorgenommen werden, kommen häufig vor und bedeuten damit einen höheren Verwaltungsaufwand. Sie stellen eine mittlere Belastung für die Kreditinstitute dar. (b) Ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen Die Erfüllung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten wird zudem durch die Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts1537 abgesichert, die Fehlverhalten im Abzugsverfahren insoweit sanktionieren. Die Voraussetzungen an die Erfüllung einer Ordnungswidrigkeit sind hoch und werden nur sehr selten erfüllt sein, wenn ein Kreditinstitut versucht, seinen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Ferner
1530 1531 1532 1533 1534 1535 1536 1537
Siehe oben § 4 A. Siehe oben § 4 A. II. Siehe oben § 3 A. I. 3. c) bb) (1). Siehe oben § 4 A. III. 2. Siehe oben § 4 A. III. 3. Siehe oben § 4 A. II. 6. Siehe oben § 4 A. III. 1. Siehe oben § 4 B.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
hält sich auch die Höhe der Geldbuße im Rahmen, sodass insgesamt von einer niedrigen Belastung ausgegangen werden kann. (c) Strafrechtliche Konsequenzen Anders verhält es sich bei den strafrechtlichen Konsequenzen.1538 Zwar kommen auch diese nur selten vor, doch kann schon eine einmalige Verwirklichung eines Straftatbestands existentielle Folgen für die betroffenen Personen und damit mittelbar für das Kreditinstitut entfalten. Daher wirkt das Strafrecht stärker belastend als das Ordnungswidrigkeitenrecht. Um das Risiko solcher drohenden Folgen zu minimieren, sollten die Kreditinstitute entsprechende Compliance Vorkehrungen treffen, die sie ebenfalls belasten. Die durch strafrechtliche Konsequenzen herrührende Belastung ist demnach insgesamt als mittel einzustufen. (d) Steuerverwaltungskosten Als problematisch erweist sich die Belastungswürdigung im Rahmen der Steuerverwaltungskosten.1539 Die Steuerverwaltungskosten dürfen nicht als Belastung in die Abwägung eingestellt werden. Denn dann würden Belastungen doppelt berücksichtigt und das Ergebnis insoweit verfälscht. Der Grund dafür ist, dass die Steuerverwaltungskosten letztlich ein Abbild der Erfüllung der steuerlichen Pflichten sind, da die Pflichten nicht ohne entsprechende Kosten erfüllt werden können. Die Kosten sind demnach die logische Konsequenz der Erfüllung der Pflichten und stellen damit keinen eigenen Belastungsposten dar. Vielmehr ist die Kostenbelastung den Pflichten bereits immanent und muss daher im Rahmen der Abwägung unberücksichtigt bleiben. (e) Reputationsrisiko Schließlich kann ein Kreditinstitut auch durch Reputationsrisiken mit daraus resultierendem Reputationsschaden1540 belastet werden. Eine solche spezifisch auf Pflichtverletzungen im Kapitalertragsteuerverfahren zurückzuführende Belastung kommt nur selten vor. Allerdings können die hiervon ausgehenden Folgen bedeutende Konsequenzen haben und einen entsprechend großen Schaden auslösen. Daher sind Reputationsrisiken als mittlere Belastung zu qualifizieren. (f) Belastungswürdigung Die Belastung der Kreditinstitute durch die steuer- und vertragsrechtlichen Konsequenzen ist die bedeutendste Belastung im Gefüge der Konsequenzen und insgesamt als hoch zu bewerten. Zusammen mit den mittleren Belastungen durch die strafrechtlichen Konsequenzen und dem Reputationsrisiko sowie der leichten Be1538 1539 1540
Siehe oben § 4 C. Siehe oben § 4 D. Siehe oben § 4 E.
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lastung durch ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen ergibt sich in einer Gesamtschau insgesamt eine hohe Belastung. (3) Feststellung der Gesamtbelastung der Kreditinstitute durch die Indienstnahme im Kapitalertragsteuerverfahren Im Rahmen der Frage nach dem konkreten Eingriff wurde die Problematik des kumulativen Eingriffs1541 diskutiert, die sich nun im Rahmen der Angemessenheit als Folgewirkung in einer kumulativen Belastung niederschlägt. Die kumulative Belastung ist damit das Pendant des kumulativen Eingriffs auf Ebene der Angemessenheit. Ausgangspunkt dieser Diskussion war dabei die Feststellung, dass mehrere Einzelbelastungen in ihrem Zusammenwirken eine stärkere Belastung beim Betroffenen hervorrufen als eine isolierte Betrachtung und diese Gesamtbelastung den Maßstab für die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs bildet. Daher müssen vorliegend die einzelnen der Indienstnahme der Kreditinstitute innewohnenden Belastungen in ihrer Gesamtbelastungswirkung final gewürdigt werden. Dadurch lässt sich das Maß der von der Indienstnahme ausgehenden Belastung für die folgende Abwägungsentscheidung ermitteln. Die Belastungswürdigung ergab hinsichtlich der Belastungen der Kreditinstitute durch die ihnen im Kapitalertragsteuerverfahren auferlegten Pflichten eine mittlere Belastung und hinsichtlich der Belastungen durch die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen eine hohe Belastung. Im Zusammenwirken dieser beiden Belastungseinheiten ergibt sich aufgrund der Vielzahl von Pflichten und daran anknüpfenden Konsequenzen insgesamt eine höhere Gesamtbelastungswirkung, sodass im Ergebnis von einer hohen Belastung der Kreditinstitute auszugehen ist. cc) Die Abwägung der betroffenen Interessen Anhand der vorangehenden Ergebnisse kann nun eine Abwägung der betroffenen Interessen vorgenommen werden. Diese Abwägung hat in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst erfolgt eine abstrakte Abwägung der sich gegenüberstehenden Verfassungspositionen.1542 Dabei ist auf das Gewicht abzustellen, das einer Verfassungsposition unabhängig vom konkreten Fall in Relation zu anderen Verfassungspositionen zukommt.1543 Der abstrakten Abwägung kommt aber lediglich eine Indizwirkung zu,1544 in welche Richtung das Abwägungspendel ausschlägt, da der Ver1541
Siehe oben § 6 B. II. 2. b) aa). T. Riehm, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, 2006, S. 61 f.; F. Ossenbühl, Abwägung im Verfassungsrecht, in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/ Schulte, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S. 25 (33); M. Wienbracke, Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ZJS 2013, S. 148 (153); L. Michael, Grundfälle zur Verhältnismäßigkeit, JuS 2001, S. 654 (659). 1543 M. Klatt/M. Meister, Verhältnismäßigkeit als universelles Verfassungsprinzip, Der Staat 2012, S. 159 (165). 1544 Auch wird vertreten, es handle sich um einen „Abwägungsvorsprung“ bzw. „Primafacie-Vorrang“ (M. Klatt/M. Meister, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2014, 1542
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
fassungsgeber keine Wertehierarchie vorgeben wollte.1545 Daran anschließend folgt die konkrete Abwägung zwischen Nutzen der Indienstnahme für Staat, Steuerschuldner und Gesellschaft und der ermittelten Belastungen der Kreditinstitute. In die abstrakte Abwägung sind folgende Verfassungspositionen einzustellen: Der Nutzen der Indienstnahme ergibt sich aus den Verfassungspositionen nach §§ 105 ff. GG (Sicherung des staatlichen Steueraufkommens), Art. 3 Abs. 1 GG (Sicherung der Besteuerungsgleichheit), Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung) sowie Art. 2 Abs. 1 GG (grds. keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung durch den Steuerschuldner). Auf Seiten der Kreditinstitute sind die Verfassungspositionen nach Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG einzustellen. In quantitativer Hinsicht überwiegen die Verfassungspositionen zugunsten einer Indienstnahme, doch kann diesem Befund keine Wertung entnommen werden.1546 Sie überwiegen allerdings in qualitativer Hinsicht. Gerade die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens ist für einen funktionierenden Rechtsstaat von existentieller Bedeutung und daher als besonders hoch einzuordnen. Zudem handelt es sich bei der Sicherung der Besteuerungsgleichheit um einen Eckpfeiler des Steuerrechts. Er ist Grundlage eines funktionierenden Steuersystems, da er die Steuermoral der Bürger festigt. Die abstrakte Abwägung ergibt daher ein leichtes Überwiegen der für eine Indienstnahme sprechenden Verfassungspositionen. Dieser Befund bestätigt sich im Rahmen der konkreten Abwägung. Hier stehen sich ein hoher Nutzen der Indienstnahme und eine hohe Belastung der Kreditinstitute durch die Indienstnahme gegenüber. Insgesamt überwiegt hierbei der Nutzen die Belastung, sodass sich das Maß der Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen bewegt. Allerdings rückt die Grenze der Belastung der Kreditinstitute stetig näher. Die Linie zur Unangemessenheit der Indienstnahme ist bereits sichtbar. Um nicht weiter auf diese Linie zuzulaufen, gar ein Überschreiten zu riskieren, sollte der Gesetzgeber tätig werden. In zweifacher Hinsicht kann er dies tun: Zum einen können die Belastungen der Kreditinstitute abgemildert werden, indem das Besteuerungsverfahren effizienter gestaltet wird.1547 Zum anderen sollte der Gesetzgeber die Kreditinstitute für ihre Tätigkeit für den Staat gesetzlich entschädigen.1548 S. 193 (197); V. Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung, 2014, S. 241) bzw. um eine „widerlegbare Ausgangsvermutung“ (L. Michael, Grundfälle zur Verhältnismäßigkeit, JuS 2001, S. 654 (659)). 1545 V. Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung, 2014, S. 241; a. A. T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl. 2020, § 4 Rn. 120; ders., Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, 1996, S. 144 ff. 1546 Dies würde dem Grundsatz des „Iudex non calculat“ in seiner Ausprägung widersprechen, wonach nicht die Anzahl der Argumente entscheidend ist, sondern allein deren Qualität. 1547 Zu entsprechenden Vorschlägen de lege ferenda siehe oben § 3 A. I. 4., § 3 A. VI. 1. f) sowie § 3 A. III. 1. f). 1548 Siehe dazu auch oben § 6 B. II. 3. c) cc) sowie unten § 6 B. VI. 3.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 303
III. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Freiheit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Neben einer Verletzung der Kreditinstitute in ihrem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit kommt eine Verletzung ihrer Freiheit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG in Betracht. Danach darf niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Das Kapitalertragsteuerverfahren verpflichtet die Kreditinstitute, einen Steuerabzug vorzunehmen.1549 Nehmen sie ihn nicht vor, haften sie für die nicht abgeführte Steuer.1550 Darin kann auf den ersten Blick dem Wortlaut nach eine Art Abzugszwang zu sehen sein. Die Kreditinstitute können sich im Ergebnis allerdings nicht auf Art. 12 Abs. 2 GG berufen,1551 da weder der persönliche noch der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Das Grundrecht der Freiheit von Arbeitszwang ist ein stark historisch geprägtes Grundrecht,1552 weshalb es eines Blickes in die Vergangenheit bedarf. Der entstehungsgeschichtliche Hintergrund entspringt den Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, in der Arbeitszwang der Tagesordnung entsprach. Der Verfassungsgeber wollte die damit einhergehende menschliche Herabwürdigung in 1549
Siehe dazu oben § 3 A. IV. 3. Siehe dazu oben § 4 A II. 1551 So auch K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 215; C.-H. Sauer, Die rechtliche Stellung des zur Einbehaltung von Steuern Verpflichteten, 2010, S. 159 f.; M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 227 f.; A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2001, S. 85 ff.; O. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, 2001, S. 208; J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (504); M. Geurts, Private als Erfüllungsgehilfen des Staats am Beispiel des Freistellungsauftrags, DB 1997, S. 1997 (2000); C. Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 148 f.; C. Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Privater, DStJG Band 12 1989, S. 157 (161); G. Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerabführungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, S. 1233 (1234); H. Göppel, Die Zulässigkeit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, 1967, S. 103 f.; BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (119 f.) – Erziehungsmaßregel; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (383) – Kuponsteuer; für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren O. Ellers, Die gesetzliche Verpflichtung privater Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt, 2010, S. 36 f.; G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 183 ff.; F. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1988, S. 67 f.; W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 45; a. A. für das vergleichbare Lohnsteuerverfahren, G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 145 ff., 157 ff., der den Schutzbereich als eröffnet erachtet, aber eine Rechtfertigung im Wege der herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflichten annimmt; so auch J. Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1966, S. 76 ff. sowie der BFH, Urt. v. 5. 7. 1963, VI 270/62 U, BFHE 77, S. 408 (410). 1552 Siehe dazu grundlegend C. Gusy, Arbeitszwang – Zwangsarbeit – Strafvollzug – BVerfGE 74, 102, JuS 1989, S. 710 (711 f.). 1550
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Zukunft ausschließen.1553 Das Grundrecht knüpft an diese persönliche Erniedrigung an und konkretisiert damit insoweit den Grundsatz der Menschenwürde.1554 Genau aus diesem Aspekt ist die Geltung für juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) zu verneinen, da das Grundrecht dem Wesen nach nicht auf sie anwendbar ist.1555 Eine juristische Person als rechtliches Konstrukt kann keine Menschenwürde für sich in Anspruch nehmen. Auch in sachlicher Hinsicht darf nicht bereits „jede hoheitlich gegen den Willen einer Person geforderte Tätigkeit“ als Arbeitszwang aufgefasst werden.1556 Vielmehr muss es sich um erzwungene Arbeiten handeln, welche „in einer die Menschenwürde mißachtenden Weise unter gleichzeitigem Verstoß gegen bestimmte Grundrechte gefordert werden.“1557 Zudem darf sich der Zwang nicht auf eine Tätigkeit beziehen, die bereits dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht,1558 wie es vorliegend der Fall ist. Mangels eröffneten Anwendungsbereichs kommt es auf eine mögliche Rechtfertigung i. S. e. „herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht“ nicht mehr an. IV. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Freiheit von Zwangsarbeit nach Art. 12 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Art. 12 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG schützt den Grundrechtsberechtigten vor Zwangsarbeit. Dieses Grundrecht fußt auf der gleichen historischen Grundlage 1553 G. Leibholz/H.-J. Rinck, Grundgesetz, 16. Lfg. 1989, Art. 12 Rn. 1122; BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1990, 2 BvR 1462/87, BVerfGE 83, S. 119 (126); BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (116) – Erziehungsmaßregel; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (383) – Kuponsteuer. 1554 BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (120 f.) – Erziehungsmaßregel; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 113. 1555 So auch M. Ruffert, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 138; M. Nolte, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 12 Rn. 64; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 114; M. Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, 2010, § 70 Rn. 114; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band IV/1, 2006, S. 1031; a. A. G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 315; J. Kämmerer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 12 Rn. 84; W. Rüfner, Zur Bedeutung und Tragweite des Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes, AöR 1964, S. 261 (311 f.). 1556 BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (119 f.) – Erziehungsmaßregel; BVerfG, Beschl. v. 1. 3. 1978, 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, S. 285 (319). 1557 BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (121) – Erziehungsmaßregel. 1558 H. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 97; Sachs/T. Mann, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 180; H.-P. Schneider, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Band V, 2013, § 113 Rn. 166.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 305
wie das Grundrecht der Freiheit von Arbeitszwang. Im Unterschied zum Arbeitszwang bezieht sich die Zwangsarbeit auf eine Bereitstellung der gesamten Arbeitskraft und nicht nur auf die Abnötigung einer bestimmten Leistung.1559 Das Grundrecht scheidet in persönlicher wie sachlicher Hinsicht aus gleichen bereits im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 GG genannten Gründen aus.1560 Ohnehin wäre eine Zwangsarbeit expressis verbis nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.1561 V. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Eingriff in die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Die Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren ist facettenreich. Die davon ausgehendenden Belastungen treffen den Grundrechtsberechtigten nicht nur in seiner Berufsfreiheit. Auch eine Verletzung im Grundrecht der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG rückt in den Fokus der Betrachtung. Die Indienstnahme befindet sich an der Schnittstelle dieser Grundrechte. Dabei ist streitig, ob die Eigentumsfreiheit im Wege der Grundrechtskonkurrenz von der Berufsfreiheit verdrängt wird oder ihr ein selbstständiger Anwendungsbereich zukommt. Diese konkurrenzrechtliche Fragestellung bedarf aber nur dann einer näheren Erörterung, wenn die Indienstnahme der Kreditinstitute überhaupt in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit fällt. 1. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit für Kreditinstitute In persönlicher Hinsicht ist dies ohne Weiteres zu bejahen. Die Eigentumsfreiheit ist ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG).1562 In 1559 M. Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, 2010, § 70 Rn. 112 f.; G. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 296 f., 310; J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 54 f.; H. Rittstieg, in: Denninger/Hoffman-Riem/Schneider/Stein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 2001, Art. 12 Rn. 153; BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102 (115 ff.) – Erziehungsmaßregel; nach a. A. handelt es sich beim Verbot von Arbeitszwang und Zwangsarbeit um ein einheitliches Grundrecht; siehe H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 113; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 47. Lfg. 2006, Art. 12 Rn. 490; D. Umbach, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Band I, 2002, Art. 12 Rn. 126. 1560 Siehe dazu oben § 6 B. III. 1561 So etwa im Strafvollzug, siehe BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1998, 2 BvR 441/90 u. a., BVerfGE 98, S. 169 ff. 1562 BVerfG, Beschl. v. 25. 1. 1984, 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, S. 116 (130); BVerfG, Beschl. v. 12. 3. 1980, 1 BvR 643/77 u. a., BVerfGE 53, S. 336 (345); BVerfG, Beschl. v. 20. 7. 1954, 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, S. 7 (17); H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 22.
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sachlicher Hinsicht erfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich „alle vermögenswerte Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen.“1563 Darunter fällt neben dem klassischen Bestandsschutz1564 auch die sich aus der Eigentumsposition ergebende Nutzungsmöglichkeit.1565 Sofern es um Betriebe geht, kommt der spezielle Schutz durch das von der Rechtsprechung entwickelte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb1566 in Betracht.1567 Dieses Recht umfasst insbesondere den Schutz der Nutzungsmöglichkeiten von Betriebsmitteln. Soweit man nur auf die zusätzliche finanzielle Belastung des Betroffenen abstellt, gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hierfür keinen Schutz, da das Vermögen als solches nicht erfasst wird.1568 Der Staat möchte im Wege der Indienstnahme primär auf die Nutzung privater Apparaturen zugreifen,1569 um so die Besteuerung von Kapitaleinkünften zu erleichtern. Dabei wird das Eigentum weder in seiner Substanz verletzt, noch dem Berechtigten entzogen. Vielmehr mischt sich der Staat in die Dispositionsfreiheit der Kreditinstitute ein, indem er den Kreditinstituten abverlangt, ihre Betriebsmittel 1563
BVerfG, Beschl. v. 8. 5. 2012, 1 BvR 1065/03 u. a., BVerfGE 131, S. 66 (79); BVerfG, Beschl. v. 18. 1. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97 (110 f.); BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2004, 1 BvR 1804/03, BVerfGE 112, S. 93 (107); H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 83. Lfg. 2018, Art. 14 Rn. 160. 1564 BVerfG, Beschl. v. 7. 1. 2009, 1 BvR 312/08, NJW 2009, S. 1259; BVerfG, Beschl. v. 16. 2. 2000, 1 BvR 242/91 u. a., BVerfGE 102, S. 1 (23); H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 16. 1565 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1999, 1 BvR 995/95 u. a., BVerfGE 101, S. 54 (75); BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1998, 1 BvR 1680/93 u. a., BVerfGE 98, S. 17 (35); BVerfG, Beschl. v. 25. 5. 1993, 1 BvR 345/83, BVerfGE 88, S. 366 (377); Sachs/R. Wendt, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 41. 1566 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde richterrechtlich entwickelt und als sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es soll dem Schutz des Betriebs in seiner Gesamtheit gerecht werden. Siehe dazu Jauernig/A. Teichmann, BGB Kommentar, 17. Aufl. 2018, § 823 Rn. 95a ff. 1567 BGH, Beschl. v. 28. 6. 2001, III ZR 286/00, WM 2001, S. 1734 (1735); BGH, Urt. v. 28. 6. 1984, III ZR 35/83, BGHZ 92, S. 34 (37); BGH, Urt. v. 4. 6. 1981, III ZR 31/80, BGHZ 81, S. 21 (33); H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 83. Lfg. 2018, Art. 14 Rn. 200; P. Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2019, Art. 14 Rn. 51 ff.; H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 9, 21; vom BVerfG allerdings ausdrücklich offengelassen, siehe u. a. BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009, 1 BvR 706/08 u. a., BVerfGE 123, S. 186 (259); BVerfG, Beschl. v. 31. 10. 1984, 1 BvR 35/82 u. a., BVerfGE 68, S. 193 (222 f.). 1568 BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267 (300); BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1994, 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, S. 207 (220); BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954, 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, S. 7 (17); H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 83. Lfg. 2018, Art. 14 Rn. 160; J.-R. Sieckmann, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 44. Lfg. 2014, Art. 14 Rn. 53. 1569 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 218; H. Ipsen, Gesetzliche Bevorratungspflichten Privater, AöR 1965, S. 393 (418).
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entsprechend den Anforderungen des Kapitalertragsteuerverfahrens einzusetzen.1570 Im Rahmen dieses Verfahrens werden eine Vielzahl von Betriebsmitteln benötigt. Das Kreditinstitut muss insbesondere über Räumlichkeiten verfügen, Arbeitsplätze und EDV Anlagen bereitstellen sowie Kommunikationstechnik vorhalten. Dadurch werden Betriebsmittel gebunden und der freien Verfügung für privatwirtschaftliche Zwecke entzogen.1571 Die Eigentumsfreiheit schützt eben diese Freiheit, seine Betriebsmittel für eigene Zwecke nutzen zu wollen. Sie ist Bestandteil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und des Eigentumsrechts selbst, das es dem Inhaber grundsätzlich erlaubt, mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren zu dürfen.1572 Die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren fällt damit in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit. In diesen Schutzbereich wird durch die §§ 43 ff. EStG eingegriffen. 2. Die Konkurrenz zwischen Eigentumsfreiheit und Berufsfreiheit Dies macht eine Erörterung grundrechtlicher Konkurrenzen erforderlich. Es ist umstritten, ob sich der Private bei einer Indienstnahme neben der einschlägigen Berufsfreiheit auch auf die Eigentumsfreiheit berufen kann. Allgemein wird bei der Abgrenzung zwischen Art. 12 GG und Art. 14 GG vorgeschlagen, auf den Schwerpunkt des Eingriffs abzustellen, also danach zu fragen, ob die Maßnahme eher in die „Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit“ (Art. 12 GG) eingreife oder die „Innehabung und Verwendung vorhandener Güter“ (Art. 14 GG) betreffe.1573 Diese Formulierung wurde gemeinhin dahingehend auf seine Kernaussage reduziert, als dass Art. 12 GG den Erwerb und Art. 14 GG das Erworbene schütze.1574 Interessant ist schließlich der Ansatz, spiegelbildlich zur Berufsfreiheit auch bei der Eigentumsfreiheit eine „eigentumsregelnde Tendenz“ zu verlangen.1575 Während man sich in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich dieser Abgren1570 G. Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerabführungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, S. 1233 (1235). 1571 J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (504). 1572 B. Brückner, in: Münchener Kommentar zum BGB Band 7, 7. Aufl. 2017, § 903 Rn. 22. 1573 BVerfG, Urt. v. 30. 7. 2008, 1 BvR 3262/07 u. a., BVerfGE 121, S. 317 (345); BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1991, 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, S. 133 (157); BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (335) – Erdölbevorratung; BGH, Urt. v. 9. 12. 2004, III ZR 263/04, BGHZ 161, S. 305 (312); BGH, Urt. v. 7. 6. 1990, III ZR 74/88, BGHZ 111, S. 349 (357 f.); H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 4. 1574 Erstmals so formuliert von P. Wittig, Bundesverfassungsgericht und Grundrechtssystematik, in: FS Müller, 1970, S. 575 (590, Fn. 67); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht AT, 1990, S. 130; M. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rn. 98. 1575 H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 4; siehe zu diesem Vorschlag auch P. Lerche, Fragen des Verhältnisses zwischen Berufs- und Eigentumsfreiheit, in: FS R. Schmidt, 2006, S. 377 (380).
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zungsversuche weitgehend einig ist, wird die Abgrenzung im Rahmen der Indienstnahme unterschiedlich beurteilt. Das BVerfG geht dieser Diskussion meist aus dem Weg, indem es Art. 14 GG – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt, aber im Übrigen auf Art. 12 GG als sachnäheres Grundrecht abstellt.1576 So führte es in der Kuponsteuerentscheidung1577 aus, dass – sofern der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit eröffnet sei1578 – jedenfalls keine unzumutbare Belastung vorliege.1579 Auch in seiner Entscheidung zur Erdölbevorratung1580 betonte das BVerfG: „Die Pflicht zur Vorratshaltung trifft sie in ihrer Eigenschaft als Unternehmer, nicht in ihrer Eigenschaft als Eigentümer eines Unternehmens. Indem das Gesetz den Betroffenen ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten zur Pflicht macht, regelt es ihre gewerbliche Tätigkeit, nicht die Ausübung von Eigentümerbefugnissen.“1581 Das BVerfG legt der Abgrenzung damit einerseits einen quantitativen Ansatz zugrunde, indem es nach der Intensität des Eingriffs in das jeweilige Grundrecht abstellt, und stellt andererseits auf den Schwerpunkt des Eingriffs ab. Von einer Idealkonkurrenz geht es nur dann aus, wenn sich kein Schwerpunkt eines Grundrechts ermitteln lässt.1582 Da dies aber nur selten der Fall ist, misst es den Eingriff durch Indienstnahme im Ergebnis nahezu ausschließlich an Art. 12 GG.1583 In der Literatur stößt diese Vorgehensweise vorwiegend auf Kritik.1584 Es wird vorgebracht, dass zwischen den beiden Grundrechten keine Trennung vorzunehmen 1576 Am Rande erwähnt in BVerfG, Beschl. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240 (247) – Sachverständigenentschädigung; BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (334 f.) – Erdölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386 f.) – Kuponsteuer; hingegen überhaupt nicht thematisiert in BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984, 1 BvL 18/82 u. a., BVerfGE 68, S. 155 – Behindertenbeförderung; BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1980, 1 BvR 349/75 u. a., BVerfGE 54, S. 251 – Vormundschaftsentschädigung. 1577 Siehe dazu ausführlich bereits oben § 6 B. I. 1578 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386) – Kuponsteuer. 1579 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386 f.) – Kuponsteuer. 1580 Siehe dazu auch oben § 6 B. II. 3. c) cc) (3), § 6 B. V. 2. sowie § 6 B. VI. 2. c) aa). 1581 BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (335) – Erdölbevorratung. 1582 BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, S. 1 (81 f.); BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (361 f.); P. Lerche, Fragen des Verhältnisses zwischen Berufs- und Eigentumsfreiheit, in: FS R. Schmidt, 2006, S. 377 (381 f.); H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 3. 1583 So auch M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 243. 1584 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 217 ff.; D. Hoffmann, Die verfassungsrechtliche Problematik der Inpflichtnahme Privater, WM 2010, S. 193 (200 f.); M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 241 ff.; A. Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 309
sei, wenn Grundrechtseingriffe – wie bei der Indienstnahme der Fall – sowohl tätigkeits- als auch erwerbsbezogen seien. Bei solchen Überschneidungen stünden die Grundrechte vielmehr ergänzend nebeneinander.1585 Gerade bei Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liege eine gleichzeitige Berührung der Berufs- und Eigentumsfreiheit vor.1586 Eine Trennung beider Schutzbereiche führe zu einer künstlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs.1587 Auch ein stärker betroffenes Grundrecht dürfe einem weniger betroffenen Grundrecht nicht dessen Existenz entziehen.1588 Dadurch würde dem Indienstgenommenen insbesondere der Schutz durch das Institut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs genommen und seine grundrechtlichen Abwehrrechte verkürzt.1589 Im Ergebnis überzeugt dennoch die vom BVerfG vorgenommene Abgrenzungsmethode.1590 Der Verfassungsgeber entschied sich bei Schaffung der Grundrechte bewusst dafür, bestimmte Lebenssachverhalte unter einen speziellen grundrechtlichen Schutz zu stellen. Das jeweilige Schutzniveau orientiert sich dabei an den Wertvorstellungen der Gesellschaft und den Erlebnissen aus der vorkonstitutionellen Zeit. Jedem Grundrecht kommt damit eine bestimmte Schutzrichtung und Schutzintensität zu. So sieht etwa die Eigentumsfreiheit in Art. 14 Abs. 3 GG eine Enteignungsentschädigung vor, während dies bei Art. 12 GG nicht der Fall ist. Wird ein Lebenssachverhalt von keinem speziellen Grundrecht erfasst, so steht mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ein Auffanggrundrecht zur Verfügung. Dieses ausdifferenzierte System darf nicht durch ein Nebeneinander verSteuerstaatsprinzips, 2001, S. 93 ff., 99; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 38 f.; R. Seer, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, DStJG Band 23 2000, S. 87 (95); G. Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998, S. 187; M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 239; W. Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 48; D. Plewa, Die Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben am Beispiel des Gesetzes über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 09. 09. 1965 in der Fassung vom 04. 09. 1975, 1978, S. 179 ff.; R. Krüger, Verfassungsrechtliche Aspekte einer gesetzlichen Pflicht zur Eigentumssicherung von Betrieben, DÖV 1977, S. 263 (264); W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 45. 1585 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 83. Lfg. 2018, Art. 14 Rn. 353; so auch W. Leisner, Eigentümer als Beruf, JZ 1972, S. 33 f. 1586 W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 45. 1587 M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 239. 1588 M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 228. 1589 M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 246. 1590 So auch Teile der Literatur: siehe J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 203; M. Nolte, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 12 Rn. 106; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, S. 187 ff.; D. Umbach, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Band I, 2002, Art. 12 Rn. 26 ff.; differenzierend C.-D. Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, 1987, S. 171 f.; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (178 f.).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
schiedener Grundrechte umgangen werden, auch wenn die Versuchung gerade bei Mischformen – wie der vorliegenden Indienstnahme von Kreditinstituten – groß sein mag. Eine Vermengung von Grundrechten ist aus Gründen dogmatischer Klarheit abzulehnen und führt auch nicht zu einem stärkeren Grundrechtsschutz.1591 Sofern sich ein Schwerpunkt des Eingriffs in ein Grundrecht ermitteln lässt, hat sich die Prüfung daher allein anhand dieses Grundrechts zu orientieren. Grundrechtskonkurrenzen sichern insoweit den Willen des Verfassungsgebers. Unter Anwendung dieser Grundsätze lässt sich für die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren konstatieren, dass diese schwerpunktmäßig in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit betroffen sind.1592 Zwar werden durch die kapitalertragsteuerlichen Pflichten auch Betriebsmittel gebunden, doch überwiegen hier die Auswirkungen auf die Art und Weise der Berufsgestaltung und damit der Anwendungsbereich der Berufsfreiheit. Folglich bedarf es aus grundrechtskonkurrenzrechtlichen Gründen keiner Prüfung einer möglichen Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 14 GG.1593 Die Eigentumsfreiheit der Kreditinstitute wird durch die Indienstnahme im Kapitalertragsteuerverfahren nicht verletzt. VI. Die Indienstnahme von Kreditinstituten als Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Freiheitsgrundrechte werden von Gleichheitsgrundrechten ergänzt, nicht verdrängt1594 und sorgen somit für einen vollumfänglichen Grundrechtsschutz. Die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG verstoßen, wenn andere Indienstgenommene in nicht zu rechtfertigender Weise gegenüber den Kreditinstituten bevorzugt werden. Wesensmäßig ist der allgemeine Gleichheitssatz auf juristische Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG).1595 Eine 1591 J. Wieland, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 203. 1592 Siehe dazu ausführlich oben § 6 B. II. 1./2. 1593 Würde man eine nach h. L. vertretene Idealkonkurrenz, also ein Nebeneinander von Art. 12 GG und Art. 14 GG annehmen, so führt ein gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit in den meisten Fällen auch zu einer Rechtfertigung des Eingriffs in die Eigentumsfreiheit, da die Schrankenregelungen weitgehend identisch sind. Siehe H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 83. Lfg. 2018, Art. 14 Rn. 353; B.-O. Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 109; so auch das BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (364 f.); BVerfG, Beschl. v. 14. 2. 1967, 1 BvL 17/63, BVerfGE 21, S. 150 (160); BVerfG, Urt. v. 13. 2. 1964, 1 BvL 17/61 u. a., BVerfGE 17, S. 232 (248 f.). 1594 U. Kischel, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 4; W. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 17. 1595 BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, S. 1 (13 ff.); BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1976, 1 BvR 631/69 u. a., BVerfGE 41, S. 126 (149); BVerfG, Beschl. v. 6. 3.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 311
gleichheitswidrige Besserstellung kann sich ergeben, wenn andere, vergleichbare Indienstgenommene für ihre Tätigkeiten eine staatliche Entschädigung erhalten, die Kreditinstitute hingegen nicht. Die Schutzrichtung des allgemeinen Gleichheitssatzes erschöpft sich nicht nur in der Abwehr einer gleichheitswidrigen Belastung, sondern kann auch im Begehren einer gleichheitswidrig verwehrten Leistung liegen,1596 also einer Begünstigung, die einem anderen in einer vergleichbaren Situation gewährt wurde.1597 1. Feststellung einer Ungleichbehandlung von indienstgenommenen Kreditinstituten Nach der Rechtsprechung des BVerfG liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn entweder wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt wird.1598 Aus dem Merkmal „wesentlich“ ergibt sich dabei, dass keine Identität gefordert ist,1599 sondern vielmehr eine Gleichheit i. S. e. Vergleichbarkeit.1600 Voraussetzung für eine solche Feststellung ist zunächst die Bildung von Vergleichsgruppen, also die Frage, welche Gruppen Gegenstand einer vergleichenden Betrachtung sind. Die Vergleichsgruppen wiederum sind durch Vergleichsmerkmale zu ermitteln,1601 die zu einem übergeordneten Vergleichsgesichtspunkt führen (sog. tertium comparationis) und unter einen gemeinsamen
1968, 1 BvR 975/58, BVerfGE 23, S. 153 (163); J. Englisch, in: Stern/Becker, GrundrechteKommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 102. 1596 J. Ipsen, Staatsrecht II, 22. Aufl. 2019, S. 228; M. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 10; H. Erichsen, Freiheit – Gleichheit – Teilhabe, DVBl 1983, S. 289 (295). 1597 BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 2013, 2 BvR 909/06 u. a., BVerfGE 133, S. 377 (407); BVerfG, Urt. v. 18. 7. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, S. 179 (188); BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, S. 239 (255); BVerfG, Beschl. v. 7. 2. 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240 (252 f.); BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, S. 412 (431); H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 14. 1598 BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 2013, 2 BvR 909/06 u. a., BVerfGE 133, S. 377 (407); BVerfG, Urt. v. 18. 7. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, S. 179 (188); BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, S. 239 (255); BVerfG, Beschl. v. 21. 7. 2010, 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, S. 400 (416); BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1988, 1 BvR 777/85 u. a., BVerfGE 79, S. 1 (17). 1599 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 383; H. Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hennecke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 24; Sodan/ders., Grundgesetz, 4. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 10. 1600 V. Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, S. 389. 1601 BVerfG, Beschl. v. 12. 3. 1996, 1 BvR 609/90 u. a., BVerfGE 94, S. 241 (260); BVerfG, Beschl. v. 19. 2. 1991, 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, S. 395 (401); BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1985, 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, S. 255 (271); BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (202).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Oberbegriff (genus proximum) gefasst werden können.1602 Werden diese Vergleichsgruppen bei einem vergleichbaren Sachverhalt unterschiedlich hinsichtlich der Rechtsfolgen behandelt (sog. differentia specifica), liegt ein Gleichheitsverstoß vor.1603 a) Bestimmung der Vergleichsgruppen Um die für eine Feststellung einer Ungleichbehandlung erforderlichen Vergleichsgruppen zu ermitteln, muss auf Sachverhalte Bezug genommen werden, die möglichst viele Gemeinsamkeiten zum Vergleichsobjekt aufweisen, aber eben unterschiedlich zu diesem behandelt werden.1604 Vergleichsgruppen sind demnach solche Gruppen, die so behandelt werden, wie es das betroffene Vergleichsobjekt für sich beansprucht.1605 Das zu begutachtende Vergleichsobjekt ist vorliegend die entschädigungslose Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren. Es müssen daher Vergleichsgruppen gesucht werden, die vergleichbar für den Staat tätig werden, hierfür aber eine staatliche Entschädigung erhalten, also auf Rechtsfolgenseite unterschiedlich behandelt werden. Hierzu kommen folgende Vergleichsgruppen in Betracht. aa) In Betracht kommende Vergleichsgruppen Als erste Vergleichsgruppe kommen Telekommunikationsdienstleister in Betracht. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Artikel-10-Gesetz1606 sind diese unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, einer staatlichen Stelle auf Anordnung Auskunft über die näheren Umstände einer durchgeführten Telekommunikation zu erteilen, Sendungen, die ihnen zur Übermittlung auf dem Telekommunikationsweg anvertraut sind, auszuhändigen, sowie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen.1607 Für diese Leistungen haben die berechtigten staatlichen 1602 G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufl. 1973, S. 122; M. Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, S. 945 (948); F. Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Kommentar zum Grundgesetz Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 80; W. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 19, 23; U. Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 43. Ed. 2020, Art. 3 Rn. 14.4. 1603 H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 21; Sodan/ders., Grundgesetz, 4. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 9; W. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 24; BVerfG, Beschl. v. 4. 5. 1960, 1 BvL 17/57, BVerfGE 11, S. 64 (71). 1604 H. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, Grundgesetz Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 24. 1605 V. Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, S. 390. 1606 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses v. 26. 6. 2001 (BGBl. I S. 1254, ber. S. 2298, 2017 I S. 154), zuletzt geändert durch die Verordnung v. 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1328), im Folgenden Artikel-10-Gesetz. 1607 Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Artikel-10-Gesetz gelten entsprechende Pflichten auch für Postdienste.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 313
Stellen den Telekommunikationsdienstleistern nach § 20 Artikel-10-Gesetz eine Entschädigung zu gewähren. Diese Entschädigung bezieht sich allerdings nur auf die Tätigkeit im Rahmen einer konkret durchgeführten Überwachungsmaßnahme. Im Übrigen haben Telekommunikationsdienstleister gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung gesetzlich vorgesehener Überwachungsmaßnahmen vorzuhalten. Als zweite Vergleichsgruppe sind gerichtlich bestellte Sachverständige anzuführen. Aufgabe eines Sachverständigen ist es, dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Kenntnisse auf bestimmten Wissensgebieten zu vermitteln,1608 um die fehlende Sachkunde des Gerichts auszugleichen.1609 Als öffentlich bestellter Sachverständiger ist er als Gehilfe und Berater des Gerichts1610 zur Auskunft verpflichtet.1611 Er steht in keiner vertraglichen Beziehung zum Gericht oder Staat und wird öffentlich-rechtlich tätig.1612 Sachverständige üben einen Hauptberuf aus (z. B. als Arzt in einer psychiatrischen Klinik) und erstatten mit dem aus ihrer Tätigkeit herrührenden Fachwissen ihr Gutachten (z. B. hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Straftäters). Für diese Tätigkeit erhalten sie nach §§ 8 ff. Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz1613 eine Entschädigung. Als drittes Beispiel sei die Pflicht zum unentgeltlichen Behindertentransport genannt. Nach § 228 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch1614 werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, unentgeltlich befördert. Die Kosten für diese Beförderungsleistung werden den Verkehrsunternehmen gemäß §§ 231 ff. SGB IX nach einem bestimmten Prozentsatz der Fahrgeldeinnahmen erstattet.
1608
S. Scheuch, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 37. Ed. 2020, § 402 Rn. 1. M. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 402 Rn. 2. 1610 BGH, Beschl. v. 27. 7. 2006, VII ZB 16/06, BGHZ 168, S. 380 (383); BGH, Urt. v. 3. 3. 1998, X ZR 106-96, NJW 1998, S. 3355 (3356); S. Scheuch, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 37. Ed. 2020, § 402 Rn. 2. 1611 Siehe § 407 Abs. 1 Zivilprozessordnung (v. 30. 1. 1877 (RGBl. S. 83), in der Fassung der Bekanntmachung v. 5. 12. 2005 (BGBl. I S. 3202, ber. 2006 I S. 431, ber. 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 12. 2019 (BGBl. I S. 2633)). 1612 BGH, Beschl. v. 15. 12. 1975, X ZR 52/73, NJW 1976, S. 1154 (1155); BGH, Urt. v. 5. 10. 1972, III ZR 168/70, BGHZ 59, S. 310 (311); W. Zimmermann, in: Münchener Kommentar zur ZPO Band 2, 5. Aufl. 2016, § 404a Rn. 2. 1613 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz v. 5. 5. 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 11. 10. 2016 (BGBl. I S. 2222). 1614 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch v. 19. 6. 2001 (BGBl. I S. 1046), in der Fassung der Bekanntmachung v. 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 14. 12. 2019 (BGBl. I S. 2789), im Folgenden SGB IX. 1609
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
bb) Bestimmung der Vergleichsmerkmale Die drei angeführten Beispiele stammen zwar aus verschiedenen Lebensbereichen, sind also nicht unbedingt inhaltlich vergleichbar, doch haben sie mit dem Vergleichsobjekt der entschädigungslosen Indienstnahme mehrere wesentliche Vergleichsmerkmale gemein und sind somit in funktioneller Hinsicht vergleichbar. Zunächst werden alle grundsätzlich als Private tätig und nehmen Aufgaben war, die in staatlichem Interesse liegen. Zudem werden sie durch gesetzliche Regelungen zu diesen Tätigkeiten einheitlich hoheitlich verpflichtet und nicht etwa im Wege eines privatrechtlichen Vertrags. Die Erfüllung dieser Pflichten bedeutet für alle einen spürbaren Mehraufwand, der sich insbesondere in erhöhten Kosten für Betriebsmittel und Personal widerspiegelt. Das bedeutendste Vergleichsmerkmal liegt aber im Berufsbezug. Die zusätzlichen staatlichen Pflichten knüpfen an die Berufstätigkeit der Privaten an. Ihnen werden keine sachfremden Leistungen abverlangt, sondern hauptsächlich solche, die in engem Bezug zu der Tätigkeit stehen, die sie ohnehin schon ausführen. So ist die Expertise eines Arztes bei der Begutachtung eines Straftäters genauso gefragt wie die Expertise eines Kreditinstituts bei der steuerlichen Einordnung von bestimmten Kapitalerträgen. Der Staat greift damit gleichermaßen auf externe, staatsferne Private zurück, um sich in bestimmten Situationen bei seiner öffentlichen Aufgabenerfüllung unterstützen zu lassen. Die aufgeführten Fälle sind nicht identisch mit dem Vergleichsobjekt, aber „vergleichbar“ und damit „wesentlich gleich“ i. S. d. Rechtsprechung des BVerfG.1615 cc) Bildung eines gemeinsamen Oberbegriffs – tertium comparationis und genus proximum Die nebeneinanderstehenden Vergleichsgruppen müssen ein tertium comparationis hervorbringen, also einen übergeordneten Vergleichspunkt schaffen,1616 der unter einen gemeinsamen Oberbegriff gefasst werden kann (genus proximum) und so die Vergleichsgruppen miteinander verbindet. Dieser Oberbegriff ist der Bezugspunkt der weiteren gleichheitsrechtlichen Prüfung. Er muss alle Vergleichsgruppen gleichermaßen einhegen und dies so eng wie möglich und so weit wie nötig.1617 Vorliegend kommen zwei Oberbegriffe in Betracht. Zum einen der Begriff des „staatlich veranlassten Tätigwerdens im öffentlichen Interesse“1618 und zum anderen die „Indienstnahme Privater für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben“. Beide erfassen auf den ersten Blick die oben genannten Vergleichsmerkmale und führen diese in
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Siehe dazu bereits oben § 6 B. VI. 1. M. Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, S. 945 (948); T. Möllers, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 122. 1617 V. Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, S. 390. 1618 So M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 264 f.; M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 282. 1616
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 315
einem tertium comparationis zusammen. Dennoch muss eine weitere Differenzierung vorgenommen werden. Die Rechtsinstitute der Indienstnahme, der Beleihung und der Verwaltungshilfe sind verwaltungsrechtliche Institute, die vorwiegend dazu beitragen, Rahmenbedingungen für das Handeln Privater zu schaffen. Aus diesen gewohnheitsrechtlich anerkannten Einordnungsmöglichkeiten können dann weitere Konsequenzen (wie etwa Staatshaftung oder Klagegegner etc.) abgeleitet werden, die für das Verwaltungsrecht von elementarer Bedeutung sind. Für eine gleichheitsrechtliche Überprüfung erweisen sich diese Kategorien allerdings als zu eng. Das Gleichheitsverständnis muss hier weiter gefasst werden, um das Problem der entschädigungslosen Indienstnahme einer sachgerechten Verfassungsprüfung zuführen zu können. Stellte man nur auf Indienstnahmen ab, würde der Vergleichskreis zu eng. Es fehlte an einer kritischen Masse, das Ergebnis könnte die Gefahr der Zufälligkeit und Beliebigkeit in sich bergen. Nicht die verwaltungsrechtliche Qualifizierung, sondern die Tatsache, dass ein Privater in engem Bezug zu der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit von staatlicher Seite in die Pflicht genommen wird, ist das entscheidende Kriterium der verfassungsrechtlichen Gleichheitsprüfung.1619 Abzustellen ist damit auf den Oberbegriff des „staatlich veranlassten Tätigwerdens im öffentlichen Interesse“. Dieser umfasst inhaltlich alle festgestellten Vergleichsmerkmale. Der Begriff ist weder zu eng noch zu weit, sondern vereinigt diese Merkmale in einem tertium comparationis. b) Feststellung einer Ungleichbehandlung von Kreditinstituten Legt man den gemeinsamen Oberbegriff als Bezugspunkt der Frage nach einer Ungleichbehandlung zugrunde, liegt eine Ungleichbehandlung (sog. differentia specifica) auf der Hand. Während in den Vergleichsgruppen grundsätzlich die Möglichkeit einer staatlichen Entschädigung besteht, fehlt diese im Rahmen der Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren gänzlich, obwohl Vergleichsgruppe und Vergleichsobjekt gleichermaßen auf Grundlage einer gesetzlichen Verpflichtung für den Staat tätig werden. Eine Ungleichbehandlung liegt damit vor, da wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Die entschädigungslose Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
1619 So im Ergebnis auch M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 282 f.
316
3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Kreditinstituten a) Prüfungsmaßstab Ist eine Ungleichbehandlung festzustellen, führt diese nicht per se zu einer Grundrechtsverletzung. Liegt ein hinreichend gewichtiger Grund vor, kann ein Gleichheitsverstoß sachlich gerechtfertigt sein.1620 Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes entwickelten sich im Laufe der Jahre. Zunächst ging das BVerfG in seinen früheren Judikaten von der Willkürformel aus. Danach ist der Gleichheitssatz verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.“1621 Diese Formel verschärfte das BVerfG mit seiner im Jahre 1980 entwickelten neuen Formel,1622 die sich strenger an einer Verhältnismäßigkeitsprüfung orientiert.1623 Sie besagt, dass eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere dann vorliegt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“1624 Nach dieser Formel genügt demnach nicht mehr jeder sachliche Grund, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.1625 Mittlerweile wird nach h. M.1626 davon ausgegangen, dass sich Willkürformel und neue Formel nicht dichotomisch gegenüberstehen, sondern vielmehr parallel nebeneinander anwendbar sind und sich ergänzende Anforderungen für die Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes auf1620
BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999, 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, S. 138 (174). BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951, 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, S. 14 (52); bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, S. 1 (22); BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2006, 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, S. 135 (161); BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, S. 15 (22 f.); BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980, 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72 (90). 1622 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980, 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72 (88). Der Begriff geht – soweit ersichtlich – zurück auf R. Zuck, Blick in die Zeit, MDR 1986, S. 723 (724). 1623 Sodan/ders., Grundgesetz, 4. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 14. 1624 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980, 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72 (88); bestätigt in BVerfG, Urt. v. 14. 3. 2000, 1 BvR 284/96 u. a., BVerfGE 102, S. 41 (54); BVerfG, Urt. v. 28. 1. 2003, 1 BvR 487/01, BVerfGE 107, S. 133 (141); BVerfG, Urt. v. 28. 2. 2007, 1 BvL 5/03, BVerfGE 117, S. 316 (325); BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, S. 239 (256). 1625 V. Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, S. 396. 1626 M. Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, S. 945; M. Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 61 f.; H. Jarass, Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung des BVerfG für die Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 I GG, NJW 1997, S. 2545 ff.; W. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 27 m. w. N. in Fn. 183 f.; a. A. F. Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl 1988, S. 863 (875); Sachs/A. Nußberger, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 33; M. Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 14. 1621
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 317
stellen.1627 Das BVerfG führt hierzu aus, dass die Anforderungen, die an eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu stellen sind, „je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen […] vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.“1628 Seit seiner Entscheidung aus dem Jahre 20101629 integriert das BVerfG die Willkürprüfung nunmehr in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, sodass ein einheitlicher Prüfungsmaßstab entsteht.1630 Letztlich führen beide Wege zu einer Prüfung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Willkür als auch der neuen Formel, wenn auch an unterschiedlicher Stelle. Für die zugrundeliegende Beurteilung der Ungleichbehandlung von Kreditinstituten bedeutet dies, dass eine Überprüfung anhand beider Maßstäbe erfolgen kann. b) Rechtfertigung am Maßstab der Willkürformel Legt man zunächst den Maßstab der Willkürformel einer Rechtfertigung zugrunde,1631 bedarf es eines vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonstwie sachlich einleuchtenden Grundes für die Ungleichbehandlung, um eine Verletzung des Gleichheitssatzes abwenden zu können. Betrachtet man die aufgeführten Vergleichsgruppen, fallen keine solchen Gründe ins Auge. Am ehesten könnte man einen Differenzierungsgrund noch aus der Fallgruppe des unentgeltlichen Behindertentransports erwägen. Man könnte mit der besonderen Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am öffentlichen Leben argumentieren. Durch die Entschädigung der Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, kann die zusätzliche Belastung abgemildert und die besondere Leistung der Unternehmen zur Integration behinderter Menschen in gewissem Maße honoriert werden. Andererseits kann auch diese Erwägung wieder ins Gegenteil verkehrt werden. So könnte man gleichsam argumentieren, dass den Unternehmen eine entschädigungslose Verpflichtung, behinderte Menschen unentgeltlich zu befördern, erst recht zugemutet werden kann, da sie dem Gemeinwohl in besonderem Maße dient und die Belastung auch nicht besonders hoch sein dürfte. Schon diese Argumentations-
1627
W. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 27. BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993, 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, S. 87 (96); bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, S. 15 (22); BVerfG, Beschl. v. 10. 1. 1995, 1 BvL 20/87 u. a., BVerfGE 91, S. 389 (401); BVerfG, Beschl. v. 13. 2. 2008, 2 BvL 1/ 06, BVerfGE 120, S. 125 (144); BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2015, 1 BvL 13/11 u. a., BVerfGE 139, S. 285 (309). 1629 BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, S. 49 (58). Dazu führt es aus: „Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.“ – Hervorh. d. Verf. 1630 G. Britz, Der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2014, S. 346 (347); V. Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, S. 396. 1631 Siehe dazu oben Fn. 1621. 1628
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
möglichkeiten zeigen, dass sich kein einleuchtender sachlicher Grund für eine Differenzierung aufdrängt. Einen anderen sachlichen Differenzierungsgrund könnte man noch über die Art des Eingriffs vorbringen. So ließe sich argumentieren, dass in den oben genannten Beispielen die Adressaten der staatlichen Maßnahme in ihrer Kerntätigkeit betroffen werden, etwa der Arzt, zu dessen Kernaufgabe die schriftliche Stellungnahme zu einem Gesundheitszustand eines Menschen gehört (Arztbriefe) oder das Transportunternehmen, dessen Aufgabe eine Beförderung von Menschen umfasst. Im Gegensatz dazu gehört der Abzug der Kapitalertragsteuer an der Quelle nicht zu den Hauptaufgaben eines Kreditinstituts, sondern betrifft diese nur als Begleiterscheinung. Einer solchen Argumentation kann allerdings nicht gefolgt werden. Zum einen kann man durchaus argumentieren, dass der Steuerabzug zu den Kerntätigkeiten eines Kreditinstituts gehört, da er untrennbar mit dem Kerngeschäft der Geldanlage und der Erwirtschaftung von Kapitalerträgen verknüpft ist. Sollte man dem nicht folgen und die steuerlichen Pflichten der Kreditinstitute lediglich als Begleiterscheinung der allgemeinen Banktätigkeiten ansehen, kann auch auf die faktische Wirkung dieser Pflichten abgestellt werden. Wie sich aus dem zweiten Teil dieser Untersuchung ergibt, wirken diese Pflichten so intensiv auf die Tätigkeit der Kreditinstitute ein, dass sie in der Wirkung eines direkten Eingriffs in die Kerntätigkeit desselben gleichkommen. Diese Wirkungsgleichheit steht einem möglichen sachlichen Differenzierungsgrund nach der Art des Eingriffs jedenfalls entgegen. Ferner handelt es sich bei den immer wieder vorgebrachten Argumenten der „Geringfügigkeit der Kostenlast“1632 und der „Abwälzbarkeit der Kosten auf die Kunden“1633 nicht um taugliche Gründe zur Rechtfertigung der hiesigen Ungleichbehandlung.1634 Zum einen kann heutzutage nicht mehr von einer nur geringfügigen Kostenlast gesprochen werden, da die Kosten der Kreditinstitute im Laufe der Jahre erheblich stiegen.1635 Zum anderen können die Kreditinstitute diese Kosten auch nur partiell auf ihre Kunden umlegen. Die Hauptkostenlast verbleibt bei ihnen.1636 Im Ergebnis kommen auch sonst keine besonderen Gründe in Betracht, die eine Ungleichbehandlung der Kreditinstitute durch die entschädigungslose Indienstnahme zu rechtfertigen vermögen. Legt man den Fokus auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten, erscheint es vielmehr willkürlich, warum der Gesetzgeber bei den Vergleichsgruppen eine Entschädigung vorsieht, bei den Kreditinstituten für ihre 1632
So BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380 (386) – Kuponsteuer; BVerfG, Beschl. v. 17. 2. 1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103 (104). 1633 BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (325 f.) – Erdölbevorratung; M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 277; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (183 f.). 1634 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 266 f. 1635 Siehe dazu ausführlich oben § 4 D. 1636 Siehe zur Möglichkeit der Kostenabwälzung auf die Kunden oben § 6 B. II. 3. c) cc) (3).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 319
Tätigkeit im Kapitalertragsteuerverfahren hingegen nicht. Mangels sachlichen Grundes kann dieser Gleichheitsverstoß nicht gerechtfertigt werden. Die entschädigungslose Indienstnahme der Kreditinstitute führt damit auch aus diesem Grunde zu einer Verfassungswidrigkeit des Kapitalertragsteuerverfahrens. c) Rechtfertigung am Maßstab der neuen Formel Legt man nunmehr den Maßstab der neuen Formel einer Rechtfertigung zugrunde,1637 bedarf es „Gründe von solcher Art und solchem Gewicht“,1638 die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Bei der Frage, ob einem bestimmten Grund ein solches Gewicht beizumessen ist, haben sich im Bereich des Tätigwerdens Privater auf staatliche Veranlassung vorrangig zwei Kriterien in der Judikatur herausgebildet, die eine tragende Rolle für die hiesige Beurteilung spielen. Martin Burgi führt hierzu treffend aus:1639 „Bei der Beurteilung, ob die unterschiedliche Handhabung der Honorierung staatlich veranlaßten Tätigwerdens im öffentlichen Interesse in diesem Sinne durch nachvollziehbare Gründe gerechtfertigt werden kann, kommt es dann auf die Beschaffenheit der jeweiligen Aufgabenstruktur an, genauer, auf die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, in denen die Privaten vor ihrer Heranziehung durch den Staat zu dem jeweils berührten öffentlichen Interesse bzw. zu der jeweils betroffenen Staatsaufgabe standen.“1640 Diese Beziehung des Privaten zum öffentlichen Interesse bzw. zur betroffenen Staatsaufgabe ist durch die Kriterien der Interessenkongruenz und der Mitverantwortung zu ermitteln.1641 aa) Das Kriterium der Interessenkongruenz Eine Interessenkongruenz ist dem Begriff nach gegeben, wenn der Private im Rahmen der Erfüllung seiner gesetzlich auferlegten Pflicht auch eigene Interessen
1637
Siehe dazu oben Fn. 1622 sowie Fn. 1624. So explizit BVerfG, Beschl. v. 13. 3. 2007, 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, S. 79 (100); BVerfG, Urt. v. 2. 3. 1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, S. 367 (389); BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267 (317); BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993, 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, S. 87 (97); ähnlich BVerfG, Beschl. v. 6. 7. 2004, 1 BvL 4/97 u. a., BVerfGE 111, S. 160 (170). 1639 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 266. 1640 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 266. 1641 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 266; so auch: M. Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, 2006, S. 290 ff.; M. Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, 1988, S. 278; in diese Richtung auch V. Götz, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL Band 41 1983, S. 7 (35) sowie K. Waechter, Bereitstellungspflicht für Fernmeldeanlagenbetreiber, VerwArch 1996, S. 68 (76 f.), der die Kriterien unten den Begriff der „Sachnähe“ fasst. So auch J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (507 f.). 1638
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
verfolgt, also nicht ausschließlich fern eigener Interessen handelt.1642 Es erscheint angemessen, eine staatliche Entschädigungspflicht umso eher zu verneinen, je mehr ein Eigeninteresse des Betroffenen hinzutritt und somit das öffentliche Interesse in den Hintergrund drängt. Hierfür lassen sich einige Beispiele finden. So ist ein Kreditinstitut gesetzlich zur Einlagensicherung verpflichtet,1643 um das Vertrauen in das Finanzwesen und seine Stabilität zu stärken (sog. Systemschutz).1644 Mit dieser Einlagensicherung schafft es bei seinen Kunden ein erhöhtes Vertrauen, indem Einlagen hierdurch sicherer werden. Da neben öffentlichen auch beachtliche Eigeninteressen verfolgt werden, bedarf es keiner staatlichen Entschädigung für die Kosten der Einlagensicherung. Ein weiteres Beispiel bildet die 1965 eingeführte Erdölbevorratungspflicht, wonach die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallenden Unternehmer verpflichtet wurden, eine gewisse Menge an Erdölerzeugnissen als Vorrat zu halten.1645 Die Bevorratung von Erdöl diente nicht nur dem öffentlichen Interesse der Sicherstellung der nationalen Energieversorgung bei Engpässen, sondern auch dem eigenen Interesse der Unternehmen, ihre Kunden im Notfall mit Erdöl versorgen zu können. Eine solche Interessenkongruenz liegt bei den Kreditinstituten hinsichtlich des Kapitalertragsteuerverfahrens nicht vor. Ihnen fehlt ein ersichtliches Interesse an der ordnungsgemäßen Besteuerung ihrer Kunden, da sich daraus keine Vorteile für die Kreditinstitute ergeben. Zwar könnte man auf die Idee kommen, einen Vorteil der Kreditinstitute darin zu erkennen, dass Kunden, die sich nicht um die Besteuerung ihrer Erträge kümmern müssen, auch eher zu steuerpflichtigen Finanzanlagen greifen und sich daraus eine erhöhte Auftragslage ergibt. Insgesamt handelt es sich dabei allerdings um ein schwaches Argument, da der Großteil der Anleger dem professionellen Bereich zuzuordnen ist und diese ohnehin steuerlich beraten werden, sodass eine eigene Steuererklärung bezüglich aller steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte nicht mehr besonders ins Gewicht fallen dürfte und sie nicht davon abhalten wird, entsprechend am Kapitalmarkt tätig zu werden. Auch wenn Kreditinstitute die Besteuerung von Kapitalerträgen für ihre Kunden nicht mehr vornehmen würden, wird sich daraus kein spürbarer Nachteil ergeben. bb) Das Kriterium der Mitverantwortung Daneben ist zur Ermittlung der Beziehung des Privaten zum öffentlichen Interesse bzw. zur betroffenen Staatsaufgabe das Kriterium der Mitverantwortung heranzuziehen. Es ist zu fragen, ob der Private durch die Erfüllung seiner Pflichten dazu 1642
M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 267; F. Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL Band 29 1971, S. 137 (182 f.). 1643 Siehe § 1 Einlagensicherungsgesetz (v. 28. 5. 2015 (BGBl. I S. 786), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20.11. 2019 (BGBl. I S. 1626)). 1644 L. Gramlich/P. Gluchowski/A. Horsch/K. Schäfer/G. Waschbusch, Gabler BankLexikon, 14. Aufl. 2012, S. 447. 1645 Siehe Gesetz über die Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen v. 9. 9. 1965 (BGBl. I S. 1217).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 321
beiträgt, eine Aufgabe zu erfüllen, für die ihn selbst zumindest eine Mitverantwortung trifft. Auch hier gilt wiederum: Je höher die Mitverantwortung, desto weniger kommt eine Entschädigung hierfür in Betracht. Zu einer solchen Mitverantwortung hat das BVerfG in Bezug auf das Lohnsteuerverfahren bereits Stellung genommen und ausgeführt, dass die ordnungsgemäße Besteuerung der Arbeitnehmer Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sei.1646 Möge man – was zu bezweifeln ist – tatsächlich eine solche weite Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer annehmen, so kann dies keinesfalls auch auf das Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde übertragen werden. Die besondere Nähebeziehung in einem Arbeitsverhältnis liegt bei Bankgeschäften nicht vor. Hier ist das Verhältnis weit distanzierter, Kunde und Berater bekommen sich oftmals überhaupt nicht zu sehen. Eine Mitverantwortung des Kreditinstituts für die Besteuerung ihres Kunden kann hieraus nicht abgeleitet werden. Auch wird bzgl. des Arbeitgebers vorgebracht, ihn träfe eine Mitverantwortung für die Besteuerung seines Arbeitnehmers aus Gründen der Verhinderung von Steuerhinterziehung.1647 Dies Gedanke lässt sich zumindest auf das Kapitalertragsteuerverfahren übertragen. Jedoch würde durch eine solche Argumentation eine jahrzehntelange Entwicklung von Verhaltens- über Zustandsstörerschaft bis zur Figur des Zweckveranlassers völlig unterlaufen.1648 Diesen Rechtsfiguren zufolge ließe sich eine Pflicht der Kreditinstitute zur Verhinderung von Steuerhinterziehung allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Zweckveranlassung begründen. Diese Voraussetzungen werden jedoch regelmäßig nicht vorliegen, sodass das Kriterium der Mitverantwortung zu verneinen ist. Auch sonst liegen keine Gründe vor, die eine Mitverantwortung der Kreditinstitute für ihre Beteiligung an der Kapitalertragsbesteuerung begründen könnten.1649 Zwar schaffen die Kreditinstitute durch ihr Angebot den Ausgangspunkt für die Besteuerung der erzielten Erträge, da sonst keine entsprechenden Erträge generiert werden könnten, doch liegt die Verantwortung, sich nicht steuerstrafwürdig zu verhalten, beim Steuerschuldner und eben nicht beim Kreditinstitut. 3. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Sie ist willkürlich und ohne sachlichen Grund. Weder das Kriterium der Interessenkongruenz noch das Interesse der Mitverantwortung beim Kreditinstitut kann bejaht werden. Die entschädigungslose Einbindung der Kreditinstitute in die Besteuerung von Kapitalerträgen nach §§ 43 ff. EStG verletzt die Kreditinstitute in ihrem Grundrecht aus Art. 3 1646 BVerfG, Beschl. v. 17. 2. 1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103 (104). Diese Argumentation als möglich erachtend M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 269. 1647 K. Waechter, Bereitstellungspflichten für Fernmeldeanlagenbetreiber, VerwArch 1996, S. 68 (91). 1648 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 268. 1649 So auch J. Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, S. 497 (507 f.).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Abs. 1 GG. Um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen, muss der Gesetzgeber eine Entschädigungspflicht normieren.1650
C. Gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren Das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG verletzt die betroffenen Kreditinstitute in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Um diese Verletzung abzuwehren, könnten die Kreditinstitute die Möglichkeit in Betracht ziehen, nach über 50 Jahren erneut den Gang vor das Bundesverfassungsgericht zu wagen und dagegen vorzugehen. Ausgehend von den zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten für ein solches Vorhaben (I.) wird ein Blick auf den Inhalt einer möglichen Entscheidung durch das BVerfG und deren Rechtsfolgen geworfen (II.). I. Die Verfassungsbeschwerde als prozessrechtliche Abwehrmöglichkeit für Kreditinstitute Will man gegen ein förmliches Gesetz – wie das EStG – vorgehen, bietet das Grundgesetz hierzu einige prozessuale Möglichkeiten. In Betracht kommt vorliegend neben einer abstrakten Normenkontrolle1651 und einer konkreten Normenkontrolle1652 vor allem die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde. Diese kann nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG1653 von jedermann mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein. Aus der Perspektive des Kreditinstituts kommt lediglich der Verfassungsbeschwerde praktische Relevanz zu, da nur diese allein von den Kreditinstituten erhoben werden kann und keine anderweitige Mitwirkung erforderlich ist. Auch die KuponsteuerEntscheidung hatte eine Verfassungsbeschwerde zum Gegenstand. Sollte ein Kreditinstitut eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erheben, hat es einige Besonderheiten zu beachten, um keine Verwerfung als bereits unzulässig zu riskieren. Daher wird im Folgenden lediglich auf die zentralen Punkte im Rahmen der Zulässigkeit eingegangen. 1650
Zur Ausgestaltung siehe bereits oben § 6 B. II. 3. c) cc) (4). Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (v. 12. 3. 1951 (BGBl. I S. 243), in der Fassung der Bekanntmachung v. 11. 8. 1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 20. 11. 2019 (BGBl. I S. 1724), im Folgenden BVerfGG). 1652 Siehe Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG. 1653 I. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG. 1651
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 323
1. Beschwerdefähigkeit des Kreditinstituts Die Kreditinstitute sind als juristische Personen des Privatrechts beschwerdefähig1654 und können sich sowohl auf Art. 12 Abs. 1 GG als auch auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen, da diese Grundrechte dem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind.1655 2. Bestimmung des konkreten Beschwerdegegenstands und Beschwerdefrist Schwieriger wird es, den Beschwerdegegenstand konkret zu bestimmen, der – in praktischer Hinsicht – auch mit der Einhaltung der Beschwerdefrist zusammenhängt. Grundsätzlich erfasst der Beschwerdegegenstand alle Akte der öffentlichen Gewalt,1656 insbesondere Gerichtsurteile (sog. Urteilsverfassungsbeschwerde) und Akte der Gesetzgebung (sog. Rechtssatzverfassungsbeschwerde).1657 Übertragen auf das Kapitalertragsteuerrecht ergeben sich daraus drei mögliche Beschwerdegegenstände. Zum einen könnte ein Kreditinstitut gegen die §§ 43 ff. EStG vorgehen, zum anderen aber auch gegen ein Änderungsgesetz zum EStG (so z. B. gegen das Unternehmensteuerreformgesetz von 20081658). Schließlich könnten sie auch gegen die Anwendung der §§ 43 ff. EStG im Rahmen eines konkret ergangenen Einzelakts der Finanzbehörden klagen. a) Vorgehen mittels einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde Ein Vorgehen direkt gegen die §§ 43 ff. EStG scheidet schon aus Gründen der Beschwerdefrist aus, sofern eine Verfassungsbeschwerde allein aus dem Grund der Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG eingereicht wird. Eine solche Beschwerde wäre nur gegen die Erstfassung bzw. eine Neubekanntmachung möglich. In allen anderen Fällen ist die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG bereits abgelaufen. Es bleibt damit nur der Weg über ein Änderungsgesetz zum EStG, das in die §§ 43 ff. EStG eingreift. Liegt ein solches vor, stellt sich weitergehend die Frage, in welchem Umfang das BVerfG zur Prüfung berechtigt und verpflichtet ist, ob es nun ausschließlich die durch das Änderungsgesetz eingeführten bzw. geänderten Vorschriften überprüft oder auch die Rechtsmaterie der §§ 43 ff. EStG in ihrer durch das Änderungsgesetz neu erfahrenen Gesamtheit. 1654
Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG. Siehe dazu bereits oben unter § 6 B. II. 1. a) und § 6 B. VI. 1656 Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG. 1657 H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 90 Rn. 118, 124 ff., 142 ff.; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 165 f.; R. Fleury, Verfassungsprozessrecht, 10. Aufl. 2015, S. 55, 57 f.; umfassend zur Rechtssatzverfassungsbeschwerde M. van den Hövel, Zulässigkeits- und Zulassungsprobleme der Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze, 1990. 1658 Siehe dazu oben § 2 B. 1655
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
aa) Fristbeginn bei positivem Gesetzgebungsakt Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Jahresfrist nur für die geänderten Vorschriften neu ausgelöst werde, die nach Form, Inhalt und materiellem Gewicht unverändert gebliebenen Vorschriften dagegen keinen neuen Fristbeginn herbeiführen.1659 Andernfalls könnte man praktisch zeitlich unbegrenzt gegen sämtliche bereits normierte Vorschriften vorgehen, sofern nur irgendeine Gesetzesänderung vorliegt. Die Tragweite einer solchen Möglichkeit wäre mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren.1660 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hingegen anerkannt, wenn die Gesetzesänderung die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm begründet.1661 Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch die Änderung stärker wirkende Belastungen auf den Adressaten der Norm ausgehen, als es bisher der Fall war, also das materielle Gewicht einer Regelung verändert wird.1662 Denn dann kommt dem Eingriff durch Gesetz eine neue Gesamtqualität zu, die eine neue Beschwer begründet und die Beschwerdefrist neu in Gang setzt.1663 Vorliegend ist ein entsprechendes Änderungsgesetz derzeit nicht ersichtlich. Es ist aber gerade im Hinblick auf die über Jahre anhaltende Erhöhung der Pflichten der
1659 BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 2011, 2 BvR 236/08 u. a., BVerfGE 129, S. 208 (234); BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 2000, 1 BvR 630/93, NJW 2001, S. 3402 wonach die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG mangels neuer Beschwer nicht zu laufen beginnt, „wenn ein bereits bestehendes Gesetz unverändert neu bekannt gemacht, nur berichtigt, lediglich in der Paragraphenzählung neu gefasst, mit kleinen Änderungen an andere Vorschriften angepasst oder sonst wie in einer so unbedeutenden Weise geändert wird.“; so auch BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, S. 137 (149); B. Grünewald, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, 6. Ed. 2018, § 93 Rn. 87; M. Kleine-Cosack, Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerden, 2. Aufl. 2007, S. 119; G. Robbers, Verfassungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 2. Aufl. 2005, S. 35. 1660 BVerfG, Beschl. v. 22. 2. 2017, 1 BvR 2875/16, NVwZ-RR 2017, S. 433; BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2009, 1 BvR 3479/08, NVwZ 2010, S. 181 (182); BVerfG, Beschl. v. 30. 7. 2003, 1 BvR 646/02, NVwZ 2004, S. 96; BVerfG, Beschl. v. 6. 3. 1968, 1 BvR 975/58, BVerfGE 23, S. 153 (164). 1661 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2009, 1 BvR 3479/08, NVwZ 2010, S. 181 (182); BVerfG, Urt. v. 26. 10. 2004, 2 BvE 1/02 u. a., BVerfGE 111, S. 382 (411); BVerfG, Beschl. v. 30. 7. 2003, 1 BvR 646/02, NVwZ 2004, S. 96; BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 1988, 2 BvR 638/84, BVerfGE 78, S. 350 (356); M. Sachs, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2016, S. 163 f.; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 85; C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. 2020, S. 101. 1662 BVerfG, Beschl. v. 22. 2. 2017, 1 BvR 2875/16, NVwZ-RR 2017, S. 433 (434); BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2009, 1 BvR 3479/08, NVwZ 2010, S. 181 (182); BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 2000, 1 BvR 630/93, NJW 2001, S. 3402; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 85. 1663 BVerfG, Beschl. v. 24. 1. 2012, 1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, S. 151 (177); BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2009, 1 BvR 3479/08, NVwZ 2010, S. 181 (182); BVerfG, Urt. v. 27. 2. 2008, 1 BvR 370/07 u. a., BVerfGE 120, S. 274 (298); B. Hartmann, in: Pieroth/Silberkuhl, Die Verfassungsbeschwerde, 2008, § 93 BVerfGG Rn. 80.
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Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren1664 damit zu rechnen, dass ein solches Gesetz auch in nächster Zeit wieder erlassen werden wird. Das Unternehmensteuerreformgesetz von 20081665 kann jedoch als Beispiel angeführt werden. Durch dieses Gesetz wurde insbesondere der sachliche Anwendungsbereich der steuerpflichtigen Erträge erweitert. Diese weitere Pflichtenerhöhung verstärkt die Belastung der Kreditinstitute durch die Regelungen der §§ 43 ff. EStG in toto, sodass diesen Normen in ihrer Gesamtheit eine neue Eingriffsqualität zukommt. Um nochmals die oben genannte Metapher aufzugreifen:1666 Das Änderungsgesetz, das erneut das Pflichtenprogramm der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren erhöht, ist der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen kann. Dieser letzte Tropfen ist der prozessuale Anknüpfungspunkt, um auch eine Überprüfung des gesamten Fasses (Gesamteingriff bzw. Indienstnahme1667) zu ermöglichen. Richtiger Beschwerdegegenstand ist nach dieser Auffassung – abstrahiert vom genannten Beispiel – damit das Normenkonvolut der §§ 43 – 45e EStG in seiner Gestalt, die es durch das Gesetz zur Änderung des EStG v. (…) erfahren hat. bb) Fristbeginn bei gesetzgeberischem Unterlassen Anders gestaltet sich diese Problematik, wenn zugleich – oder allein – aus der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG mittels einer Verfassungsbeschwerde vorgegangen wird. Der Gleichheitsverstoß liegt dann im Fehlen einer Entschädigungsregel für die Tätigkeit der Kreditinstitute. Dieses Fehlen einer gesetzlichen Normierung ist rechtlich als gesetzgeberisches Unterlassen einzuordnen, da der Gesetzgeber bewusst oder unbewusst keine solche von der Verfassung geforderte Entschädigungspflicht normierte. Dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt.1668 Es ist aber anerkannt, dass § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht zur Anwendung kommen kann, da schon in praktischer Hinsicht ein Fristbeginn nicht bestimmt werden kann.1669 Solange das gesetzgeberische Unterlassen andauert, solange kann auch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde dagegen erhoben werden.1670 Voraussetzung dafür ist allerdings, 1664
Siehe zu dieser Entwicklung oben § 2. Siehe dazu oben § 2 B. 1666 Siehe dazu oben § 6 B. II. 2. b) aa) (3) sowie Fn. 1357. 1667 Zum Verhältnis dieser Begrifflichkeiten siehe oben § 6 B. II. 2. b) aa) (3). 1668 R. Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006, S. 290. 1669 BVerfG, Beschl. v. 29. 10. 1987, 2 BvR 624/83 u. a., BVerfGE 77, S. 170 (214); BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1981, 2 BvR 1194/80, BVerfGE 58, S. 208 (218); BVerfG, Urt. v. 14. 5. 1963, 2 BvR 516/62, BVerfGE 16, S. 119 (121); BVerfG, Beschl. v. 20. 2. 1957, 1 BvR 441/53, BVerfGE 6, S. 257 (266); D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 89; G. Scherer, Die Verfassungsbeschwerde in ihrer Bedeutung für den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Grundrechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt, 1959, S. 349; G. Pfeiffer, Die Verfassungsbeschwerde in der Praxis, 1959, S. 44. 1670 BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09 u. a., NJW 2010, S. 1943 (1944); BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 1985, 2 BvR 1145/83, BVerfGE 69, S. 161 (167); BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, S. 54 (70); BVerfG, Beschl. v. 14. 5. 1963, 2 BvR 1665
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
dass es sich um ein „echtes“ gesetzgeberisches Unterlassen handelt.1671 Ein solches liegt nicht vor, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Materie positiv geregelt hat, aber die Art und Weise der Regelung für den Betroffenen einen negativen Rechtsreflex bedeutet.1672 Sieht ein Gesetz etwa eine Entschädigungsregel vor, ist diese dem Betroffenen jedoch zu niedrig, kann er nicht mit dem Einwand durchdringen, der Gesetzgeber habe es unterlassen, eine weitergehende Entschädigungsregel zu normieren, da diese Materie abschließend positiv geregelt wurde.1673 Echtes Unterlassen liegt daher nur vor, wenn Gesetzgeber völlig untätig geblieben ist, obgleich die Verfassung ein Tätigwerden erfordert.1674 Nach diesen Grundsätzen kann im Kapitalertragsteuerrecht durchaus von einem gesetzgeberischen Unterlassen ausgegangen werden. Eine Entschädigungsregel 516/62, BVerfGE 16, S. 119 (121); BVerfG, Beschl. v. 10. 2. 1960, 1 BvR 526/53 u. a., BVerfGE 10, S. 302 (308); C. Lenz/R. Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2015, § 93 Rn. 38; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 89; A. Scherzberg, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 13 Rn. 49, 107. 1671 BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09, 2685/09, NJW 2010, S. 1943 (1944); A. Scherzberg, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Teil 1), JURA 2004, S. 373 (378); M. Möstl, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV 1998, S. 1029 (1030 f.); teils auch als „absolutes Unterlassen“ bezeichnet, siehe C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. 2020, S. 101. 1672 BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09 u. a., NJW 2010, S. 1943 (1944); BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 2008, 2 BvR 2338/07 u. a., NJW 2009, S. 1805 (1805 f.); BVerfG, Beschl. v. 4. 12. 1998, 2 BvR 2126/96, NVwZ-RR 1999, S. 281 (282); BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, S. 54 (71); BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 1970, 1 BvR 690/70 u. a., BVerfGE 29, S. 268 (273); BVerfG, Beschl. v. 9. 1. 1962, 1 BvR 662/59, BVerfGE 13, S. 284 (287); D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 90; T. Spranger, Die Verfassungsbeschwerde im Korsett des Prozeßrechts, AöR 2002, S. 27 (66 f.). 1673 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09 u. a., NJW 2010, S. 1943 (1944); dazu führt das BVerfG aus: „Enthält ein Gesetz eine Regelung zu den geltend gemachten Ansprüchen, hat der Gesetzgeber nicht „unterlassen“, über diese Ansprüche zu entscheiden […]. In einem solchen Fall ist eine auf Grundrechtsverletzungen gestützte Verfassungsbeschwerde gegen die – existente – gesetzliche Vorschrift zu erheben […]. Wer eine solche Regelung als unzureichend ansieht, ist gehalten, sie im Rahmen der Anfechtung eines Vollziehungsakts oder – sofern die Voraussetzungen vorliegen – unmittelbar mit einer Verfassungsbeschwerde innerhalb der Frist anzugreifen […], die auch durch eine spätere Änderung der Regelung prinzipiell nicht berührt wird.“ 1674 BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09 u. a., NJW 2010, S. 1943 (1944); BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 2008, 2 BvR 2338/07 u. a., NJW 2009, S. 1805; BVerfG, Beschl. v. 23. 8. 1999, 1 BvR 2164/98, NJW 1999, S. 3478 (3479); BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, S. 54 (71); BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 1970, 1 BvR 690/70 u. a., BVerfGE 29, S. 268 (273); B. Grünewald, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, 6. Ed. 2018, § 93 Rn. 90; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 41. Lfg. 2013, § 93 Rn. 90; C. Gusy, Die Verfassungsbeschwerde, 1991, S. 131 f.; a. A. M. Möstl, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung gesetzgeberischer Schutzpflichten, DÖV 1998, S. 1029 (1030 f.), der diese Anforderung als zu weitgehend kritisiert.
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fehlt gänzlich, obwohl sie von Verfassungs wegen (Art. 3 Abs. 1 GG) gefordert ist.1675 Auch ergibt sich aus den anderen Regelungen keine positive Entscheidung des Gesetzgebers, auf eine solche Regelung bewusst zu verzichten. Da keine Frist zu laufen begann, kann diesbezüglich auch direkt gegen die §§ 43 ff. EStG vorgegangen werden und nicht nur nach erfolgter Änderung im Wege eines Änderungsgesetzes. b) Vorgehen mittels einer Urteilsverfassungsbeschwerde Eine weitere Möglichkeit für die Kreditinstitute, sich gegen die Grundrechtsverletzung zu wehren, bietet sich mit der Urteilsverfassungsbeschwerde. Eine solche unterliegt allerdings deutlich höheren Voraussetzungen als eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde, da sie insbesondere eine vorherige Erschöpfung des Rechtswegs erfordert.1676 Zudem ist der Weg durch die Instanzen ein langer, beschwerlicher und kostenintensiver Weg. Vorteilhaft ist bei einem solchen Vorgehen, dass kein Änderungsgesetz abgewartet werden müsste, sondern es im Ausgang nur eines Steuerverwaltungsakts bedarf, der vom Kreditinstitut angefochten werden kann. Dieser stellt als „Akt der öffentlichen Gewalt“1677 einen tauglichen Beschwerdegegenstand für die Verfassungsbeschwerde dar. Es wird hier also unmittelbar gegen die Anwendung der Normen der §§ 43 ff. EStG vorgegangen und mittelbar gegen die §§ 43 ff. EStG selbst, da eine Anwendung rechtswidrig wäre, wenn sie auf einer verfassungswidrigen Grundlage beruhen würde. Als Beispiel seien hier der Haftungs- bzw. Nachforderungsbescheid bzgl. nicht abgeführter Kapitalertragsteuer genannt,1678 die von den Kreditinstituten nach erfolglosem Einspruch nach § 40 Abs. 1 Alt. 1 der Finanzgerichtsordnung1679 angefochten werden können. Dann müsste gegen das ergangene Urteil des Finanzgerichts Revision1680 und gegen die Revisionsentscheidung Verfassungsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts eingelegt werden. c) Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, dass neben einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde auch eine Urteilsverfassungsbeschwerde für die Kreditinstitute möglich ist. Letztere ist aus genannten Gründen insgesamt als aufwendiger einzustufen, vor allem im Hinblick auf die Verfahrensdauer. Es empfiehlt sich daher eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde. Um die Erfolgsaussichten möglichst hoch zu gestalten, sollte auf 1675
Siehe dazu oben § 6 B. VI. 3. Siehe § 90 Abs. 1 BVerfGG. 1677 Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG. 1678 Siehe dazu oben § 4 A. II. 1. b) aa)/bb). 1679 Finanzgerichtsordnung v. 6. 10. 1965 (BGBl. I S. 1477), in der Fassung der Bekanntmachung v. 28. 3. 2001 (BGBl. I S. 442, ber. S. 2262, ber. BGBl. 2002 I S. 679), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 12. 12. 2019 (BGBl. I S. 2633). 1680 Siehe §§ 115 ff. FGO. 1676
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ein pflichtenerhöhendes Änderungsgesetz gewartet und gegen die Umsetzung in den §§ 43 ff. EStG vorgegangen werden. Dies hat den Vorteil, dass neben der fristunabhängigen Beschwerdemöglichkeit aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch die Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG gerügt werden kann. II. Inhalt und Folgen der Entscheidung durch das BVerfG Wird die Schwelle der Zulässigkeit passiert, so bedarf es für eine Sachentscheidung noch einer Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung. Nach § 93a Abs. 2 lit. a) BVerfGG ist sie zur Entscheidung anzunehmen (sog. GrundsatzAnnahme1681), soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Im vorliegenden Fall dürfte dies aufgrund der Reichweite und der Folgen einer solchen Entscheidung anzunehmen sein. Der Einwand, dass diese Frage in der Kuponsteuer-Entscheidung bereits durch das BVerfG geklärt wurde, steht dem nicht entgegen, da seit dieser Entscheidung die Normen des Kapitalertragsteuerrecht vielfach geändert wurden1682 und dadurch auch die inhaltlichen Anforderungen nicht mehr mit der damaligen Rechtslage vergleichbar sind. Nimmt das BVerfG die zu präferierende Rechtssatzverfassungsbeschwerde daher an und entscheidet es im Sinne der hier vertretenen Rechtsauffassung, stellt sich die Frage nach dem Inhalt und den Folgen dieser Entscheidung. Hierbei bieten sich dem BVerfG mehrere Möglichkeiten, die sich in ihren Rechtswirkungen teils erheblich unterscheiden und daher einer näheren Betrachtung bedürfen. Gemein ist ihnen jedoch die Entscheidungsformel.1683 So ist nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes verletzt wurde und durch welche Handlung oder durch welches Unterlassen dies geschah. Im Übrigen entscheidet das BVerfG regelmäßig zwischen der Anordnung der Nichtigkeit der als verfassungswidrig festgestellten Normen (1.) und einer Beschränkung auf die Unvereinbarerklärung der als verfassungswidrig festgestellten Normen (2.). 1. Nichtigerklärung verfassungswidriger Normen Hält das BVerfG ein Gesetz im Rahmen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde für verfassungswidrig, erklärt es das Gesetz nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG grundsätzlich für nichtig.1684 Diese Erklärung ist lediglich deklaratorischer Natur 1681
H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 93a Rn. 6. Siehe zur Geschichte und Entwicklung des Kapitalertragsteuerrecht oben § 2. 1683 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 311 f. 1684 So tenoriert das BVerfG etwa in seinem Beschl. v. 23. 3. 2011, 2 BvR 882/09, BVerfGE 128, S. 282 (321 f.) – Hervorh. d. Verf.: „Die festgestellten Verfassungsverstöße betreffen § 6 Abs. 1 Satz 2 MVollzG Rh.-Pf. insgesamt […]. Daher ist § 6 Abs. 1 Satz 2 MVollzG Rh.-Pf. insgesamt für nichtig zu erklären.“ Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG gilt das gleiche, wenn einer Urteilsverfassungsbeschwerde stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. 1682
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(sog. Nichtigkeitslehre).1685 Das entsprechende Gesetz wird nicht erst dadurch – konstitutiv – aufgehoben oder vernichtet.1686 Konsequenz ist die ex-tunc und ipso iure eintretende Rechtsunwirksamkeit, die vom BVerfG mit Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG und mit Gesetzeskraft nach § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG erga omnes festgestellt wird.1687 Allerdings bezieht sich diese Nichtigerklärung nur in seltenen Fällen auf das ganze Gesetz. In der Regel werden nur einzelne Normen bzw. Absätze für nichtig erklärt.1688 Sollte ein Kreditinstitut im Rahmen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde erfolgreich gegen die §§ 43 ff. EStG vorgehen, und sollte das BVerfG mittels einer Nichtigkeitserklärung agieren, ist das Kreditinstitut ex-tunc nicht mehr an diese Vorschriften und die daraus resultierenden Pflichten gebunden. Da der Entscheidung Bindungswirkung und Gesetzeskraft zukommt, wären auch andere Kreditinstitute nicht mehr daran gebunden, wodurch ein Rechtsvakuum mit erheblicher Rechtsunsicherheit entstünde. Die daraus resultie1685 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 313 f.; R. Fleury, Verfassungsprozessrecht, 10. Aufl. 2015, S. 73; H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 78 Rn. 4; R. Gaier, Die Durchsetzung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, JuS 2011, S. 961 (964); BVerfG, Urt. v. 25. 7. 2012, 2 BvF 3/11 u. a., BVerfGE 131, S. 316 (375 f.). 1686 D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 39; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 314; W. Löwer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 114 ff.; M. Jachmann, Die Nichtanwendbarkeit des Vermögensteuergesetzes ab dem 1. 1. 1997, JA 1998, S. 235 (236); a. A. F. Riechelmann, Teilnichtige Gesetze, ZRph 2009, S. 83 (85 ff.); M. Breuer, Nichtiges Gesetz und vernichtbarer Verwaltungsakt, DVBl 2008, S. 555 (560 ff.); D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S. 55 ff., 410; R. Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006, S. 336; H. Götz, Der Wirkungsgrad verfassungswidriger Gesetze, NJW 1960, S. 1177 (1179 ff.); dieser Streit ist allerdings rein dogmatischer Natur und hat keine verfassungsprozessuale Bedeutung, siehe C. Lenz/R. Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2015, § 78 Rn. 10. 1687 P. Stark, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 95 Rn. 127; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 39; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 313 f.; M. Graßhof, in: Umbach/Clemens/ Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2005, § 78 Rn. 14; K. Stern, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 44. Lfg. 1982, Art. 93 Rn. 271; grundlegend D. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S. 49 ff.; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, S. 69 ff.; BVerfG, Beschl. v. 14. 2. 1968, 2 BvR 557/62, BVerfGE 23, S. 98 (106); BVerfG, Urt. v. 3. 7. 1962, 2 BvR 15/62, BVerfGE 14, S. 174 (190); BVerfG, Urt. v. 11. 6. 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (387) – Apothekenurteil. 1688 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 315 f.; P. Stark, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 95 Rn. 122 ff.; W. Löwer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 115; BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 2014, 1 BvR 2998/11 u. a., BVerfGE 135, S. 90 (91 f.); BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 2009, 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, S. 148 (149); BVerfG, Beschl. v. 6. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, S. 325 (358); BVerfG, Urt. v. 16. 6. 1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, S. 295 (334).
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
rende Gesetzeslücke müsste durch ein rückwirkendes Gesetz seitens der Legislative geschlossen werden – gerade im Hinblick auf die damit einhergehenden Aspekte des Vertrauensschutzes ein schwieriges Unterfangen.1689 Diese Entscheidungsvariante des BVerfG hätte daher weitreichende Folgen. 2. Beschränkung auf die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Normen Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen einer Entscheidung des BVerfG durch Nichtigerklärung der betreffenden Normen rückt die sog. Unvereinbarerklärung in den Fokus der Betrachtung. Diese ist gesetzlich nicht normiert, sondern wurde im Laufe der Zeit richterrechtlich entwickelt1690 und kann mittlerweile – gerade in Fällen des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz – als Regelentscheidung angesehen werden.1691 Daneben kommt sie insbesondere auch dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen.1692 Wie bei der Nichtigerklärung kommt auch der Unvereinbarerklärung Bindungswirkung und Gesetzeskraft zu.1693 Im Unterschied zur Nichtigerklärung 1689
D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 39. 1690 A. Scherzberg, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 13 Rn. 192; W. Löwer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 121; M.-E. Geis/S. Thirmeyer, Grundfälle zur Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG, JuS 2012, S. 316 (322); R. Seer, Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG am Beispiel seiner Rechtsprechung zum Abgabenrecht, NJW 1996, S. 285; C. Starck, Verfassungen, 2009, S. 161, spricht davon, das BVerfG habe die Unvereinbarerklärung „erfunden“; T. Yang, Die Appellentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 2003, S. 118; P. Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht, 1988, S. 39. 1691 F. Riechelmann, Teilnichtige Gesetze, ZRph 2009, S. 83 (84); U. Steiner, Der Richter als Ersatzgesetzgeber – Richterliche Normenkontrolle – Erfahrungen und Erkenntnisse, NJW 2001, S. 2919 (2922); P. Stark, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 95 Rn. 132; BVerfG, Urt. v. 4. 5. 2011, 2 BvR 2365/09 u. a., BVerfGE 128, S. 326 (404); BVerfG, Beschl. v. 11. 6. 2010, 1 BvR 170/06, DVBl 2010, S. 1098 (1099); BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 (138). 1692 BVerfG, Beschl. v. 13. 2. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, S. 125 (167); BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1 (69); BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280 (298). 1693 M. Dietz, Verfassungsgerichtliche Unvereinbarerklärungen: Zulässigkeit, Voraussetzungen und Rechtsfolgen, 2011, S. 201 f.; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1985, S. 528; D. Hömig, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 50; R. Gaier, Die Durchsetzung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, JuS 2011, S. 961 (964); W. Rupp-von Brünneck, Verfassungsgerichtsbarkeit und gesetzgeberische Gewalt – Wechselseitiges Verhältnis zwischen Verfassungsgericht und Parlament, AöR 1977, S. 1 (20); BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 1991, 1 BvR 1425/90, BVerfGE 85, S. 117 (121); a. A. J. Maiwald, Anwendbarkeit für verfassungswidrig erklärter Gesetze?, BayVBl. 1971, S. 90 (93).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 331
verhindert sie gerade ein „rechtliches Vakuum“,1694 indem das für unvereinbar erklärte Gesetz noch als Rechtsnorm „minderer Qualität“ seine Wirkungen entfaltet, Teil der Rechtsordnung bleibt und damit weiter existiert.1695 Eine solche Anordnung der Weitergeltung und weiteren Anwendbarkeit der als verfassungswidrig festgestellten Normen erlässt das BVerfG allerdings nur, wenn eine andere Entscheidung zu schwer erträglichen Konsequenzen führen würde. Zur näheren Konkretisierung dieser Hürde hat das BVerfG in seiner Judikatur mehrere Fallgruppen gebildet.1696 Ohne im Einzelnen auf all diese Fallgruppen einzugehen, können jedenfalls zwei als einschlägig erachtet werden. Anerkannt ist vom BVerfG zum einen, dass eine Unvereinbarerklärung unter Weitergeltung der bisher geltenden Normen zum Schutze überragender Gemeinwohlinteressen möglich sei.1697 Dies gelte insbesondere, wenn die Gemeinwohlinteressen verfassungsrechtlichen Rückhalt genießen, wie es etwa bei der Aufrechterhaltung des Staatswesens durch eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung, die wiederum auf einer gesicherten Besteuerung basiert, der Fall ist.1698 Denn andernfalls würde ein Haushaltsloch entstehen, das für den Staatshaushalt und damit für den Steuerzahler enorme Kosten bedeuten würde.1699 Zum anderen erlässt das BVerfG regelmäßig eine Unvereinbarerklärung samt Weitergeltungsanordnung im Falle der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes.1700 In 1694 BVerfG, Urt. v. 7. 10. 2014, 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, S. 108 (171); BVerfG, Beschl. v. 17. 4. 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108 (133); BVerfG, Beschl. v. 21. 5. 1974, 1 BvL 22/71 u. a., BVerfGE 37, S. 217 (261). 1695 J. Blüggel, Unvereinbarerklärung statt Normkassation durch das Bundesverfassungsgericht, 1998, S. 91; H. Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen?, 1974, S. 51 f.; D. Hömig, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 50; P. Gerber, Die Rechtssetzungsdirektiven des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1989, S. 698 (700); a. A. S. Meyer, Erweiterter bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsschutz nach einer Unvereinbarerklärung, JZ 2012, S. 434 (440), wonach Unvereinbarerklärung und Nichtigerklärung identische Wirkung entfalten und daher auch ein für unvereinbar erklärtes Gesetz „völlig bedeutungslos“ sei. 1696 Siehe dazu ausführlich D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 53, 44 ff.; H. Lechner/R. Zuck, BVerfGG Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 95 Rn. 22 ff. 1697 BVerfG, Urt. v. 24. 4. 2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, S. 277 (376); BVerfG, Beschl. v. 24. 1. 2012, 1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, S. 151 (210); BVerfG, Urt. v. 10. 2. 2004, 2 BvR 834/02 u. a., BVerfGE 109, S. 190 (235 f.). 1698 BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 2009, 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, S. 104 (136); BVerfG, Beschl. v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, S. 191 (224 f.); BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165 (178); D. Hömig, in: Maunz/SchmidtBleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 48. 1699 D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 53. 1700 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, S. 322; D. Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 50. Lfg. 2017, § 95 Rn. 45; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit für Norm und Einzelakt, 1980, S. 110 f.
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
beiden Fällen wird der Gesetzgeber aufgefordert, binnen einer angemessenen Frist dem Verfassungsverstoß durch Erlass eines neuen, verfassungskonformen Gesetzes abzuhelfen.1701 Denn die Urteile des BVerfG stellen nur fest, was Recht ist, aber schaffen oder ändern es nicht.1702 Dies obliegt allein der Legislative Sollte das BVerfG von einer Begründetheit der Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen die §§ 43 ff. EStG ausgehen, wird es nach diesen Grundsätzen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Unvereinbarerklärung mit Weitergeltungsanordnung wählen und den Gesetzgeber auffordern, den Verfassungsverstoß binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen. Denn sonst würde durch den Wegfall der kapitalertragsteuerlichen Regelungen ein Besteuerungsvakuum entstehen, das erhebliche Folgen für den Staatshaushalt mit sich brächte. Der Schutz des für das Funktionieren eines Staats notwendigen Steueraufkommens gebietet eine solche Lösung. 3. Erlass einer Appellentscheidung Sollte das BVerfG im Verfahren einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen die §§ 43 ff. EStG feststellen, dass die Grenzen der Verfassung noch gewahrt sind, die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit jedoch kurz bevorsteht, kann es auch eine sog. Appellentscheidung erlassen.1703 Diese Form der Entscheidung dient dazu, an den Gesetzgeber zu appellieren, die Entwicklung zu beobachten, die entsprechenden Normen kritisch zu hinterfragen und dafür Sorge zu tragen, dass sich der Zustand nicht weiter von der Verfassung entfernt.1704 Die Appellentscheidung hat damit einen präventiven Charakter und soll den Eintritt der Verfassungswidrigkeit bereits im Vorfeld verhindern.1705
1701 BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, S. 239 (265); BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1 (70); BVerfG, Beschl. v. 18. 1. 2000, 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, S. 397 (410); BVerfG, Beschl. v. 30. 5. 1990, 1 BvL 2/83 u. a., BVerfGE 82, S. 126 (155 f.); C. Willers, Verfassungsgerichtliche Übergangsfristen im Mehrebenensystem, 2011, S. 53; S. Kreutzberger, Die gesetzlich nicht geregelten Entscheidungsvarianten des Bundesverfassungsgerichts, 2007, S. 159 ff.; C. Moench, Verfassungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, 1977, S. 172. 1702 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 105. 1703 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 12. 2. 2003, 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, S. 218 (255 f.); BVerfG, Urt. v. 12. 3. 1975, 1 BvL 15/71 u. a., BVerfGE 39, S. 169. 1704 M. Graßhof, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 78 Rn. 12. 1705 M. Schulte, Appellentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in: Hoppe/Krawietz/Schulte, Rechtsprechungslehre, 1992, S. 179 f.; W. Rupp-von Brünneck, Darf das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber appellieren?, in: FS G. Müller, 1970, S. 355 (369).
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 333
D. Zusammenfassung und Ergebnis von § 6 1. Die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG begegnet im Ergebnis keinen staatsorganisationsrechtlichen Einwänden. Wird originär staatliches Handeln – wie die Besteuerung von Kapitalerträgen – in private Hände verlagert, sind solche Erwägungen anzustellen. a) In concreto verstößt die Indienstnahme der Kreditinstitute nicht gegen die in Art. 20 Abs. 2 GG normierte Kompetenzordnung, wonach staatliche Gewalt auch von staatlichen Organen auszuführen ist. Zwar sind die Kreditinstitute in diesem Bereich der Besteuerung erheblich eingebunden und handeln weitgehend anstelle des Staats, doch bleibt die Finanzbehörde als demokratisch legitimiertes staatliches Organ Herrin des Besteuerungsverfahrens. Soweit die Kreditinstitute tätig werden, leiten sie diese Legitimation von den Finanzbehörden ab. b) Ferner liegt kein Verstoß gegen die Kompetenzordnung nach Art. 108 GG vor. In dieser Vorschrift wird die Steuererhebung als staatliche Aufgabe ausgewiesen und der Vollzug der Steuergesetze den Finanzbehörden aufgetragen. Ob dieser Norm eine institutionelle Bedeutung zukommt, ist umstritten, im Ergebnis aber zu bejahen. Maßgebliches Argument ist der Wortlaut, der die Aufgaben der Besteuerung expressis verbis der Institution Finanzbehörde zuweist. Dennoch verstößt die Indienstnahme der Kreditinstitute nicht gegen diese Aufgabenzuweisung, da formal gesehen weiterhin die Finanzbehörde die Steuern verwaltet und damit „das letzte Wort“ hat. c) Schließlich wird durch die Indienstnahme der Kreditinstitute auch nicht der Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG verletzt. Dieser besagt, dass hoheitliche Befugnisse grundsätzlich durch Bedienstete des Staats auszuüben sind, sofern es sich um staatliche Kernaufgaben handelt und eben nicht durch Private. Die Besteuerung ist als Grundlage für das Funktionieren eines Staats durch Schaffung eines stabilen Haushaltes als eine solche Kernaufgabe zu fassen. Allerdings steht der Funktionsvorbehalt der Indienstnahme im Ergebnis nicht entgegen, weil die Kreditinstitute gerade keine hoheitlichen Kompetenzen ausüben, sondern die letztliche Entscheidungsbefugnis stets bei den Finanzbehörden verbleibt. 2. Die Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt jedoch partiell gegen Grundrechte und ist insofern verfassungswidrig. Sie ist an den Freiheitsgrundrechten der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit sowie am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen. a) Die Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt insoweit gegen Art. 12 Abs. 1 GG, als sie keine Entschädigung für die Erfüllung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten durch die Kreditinstitute vorsieht. Soweit die Indienstnahme unter Berücksichtigung einer Entschädigung beurteilt wird, ist die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit nahe, aber noch nicht überschritten. Die Kredit-
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
institute können sich im Rahmen ihrer Banktätigkeiten auf den persönlichen wie sachlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Schwieriger ist die Frage des Eingriffs in den Schutzbereich des Grundrechts zu beantworten. Hier stellen sich vor allem zwei Probleme. Zunächst ist umstritten, ob die §§ 43 ff. EStG überhaupt in das Recht der Kreditinstitute auf freie Berufsausübung eingreifen. Im Ergebnis ist dies zu bejahen, da die Vorschriften des Kapitalertragsteuerrechts – etwa beim Steuerabzug – unmittelbar die Art und Weise der Verwaltung und Durchführung von Bankgeschäften durch die Kreditinstitute beeinflussen. Ferner stellt sich das grundrechtsdogmatische Problem, worin genau der Eingriff zu erblicken ist. Ausgangspunkt ist hierbei die Feststellung, dass im Rahmen der Indienstnahme der Kreditinstitute eine Vielzahl einzelner Pflichten zu erfüllen sind und diese in ihrer Gesamtheit zu einer höheren Belastung beim Betroffenen führen als isoliert betrachtet für sich (sog. Belastungskumulation). Auf diesem Verständnis aufbauend ist die Frage nach der Eingriffsqualität zu beantworten, die zum Gegenstand hat, die kumulierenden Eingriffe als einheitlichen Gesamteingriff zu erfassen oder um einen einzelnen Eingriff, bei dem die gleichzeitig auftretenden Eingriffe mitberücksichtigt werden müssen (sog. erweiterter Eingriff). Dies wird unterschiedlich beurteilt. Insgesamt ist die Ansicht der Einordnung als Gesamteingriff vorzugswürdig, da dem Rechtsinstitut der Indienstnahme als eine dem Verwaltungsrecht entspringende Rechtsfigur auch auf grundrechtlicher Ebene zur Geltung verholfen wird. Der Grundrechteingriff kann nicht gerechtfertigt werden. Zwar dient er einem legitimen Zweck und ist zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, doch ist er nicht erforderlich, da eine staatliche Entschädigung ein milderes, grundrechtsschonenderes Mittel darstellt. Dabei ist zunächst umstritten, ob diese Frage der entgeltlichen Indienstnahme aus freiheitsrechtlicher oder gleichheitsrechtlicher Perspektive zu erörtern ist. Richtigerweise ist sie gleichermaßen aus beiden Perspektiven zu beurteilen. Die freiheitsrechtliche Perspektive ist aus dem Blickwinkel der Berufsfreiheit zu erörtern. Wichtig ist dabei die Feststellung, dass Grundrechte nicht abgekauft werden können. Das BVerfG anerkennt jedoch Situationen, in denen eine Entschädigung einen Grundrechtseingriff abmildern kann, ohne Gefahr zu laufen, dem Betroffenen dessen Grundrechte abzukaufen (Entscheidung zu Pflichtexemplaren). Dies ist in Fällen möglich, in denen der Eingriff dem Betroffenen gerade eine finanzielle Leistung abverlangt. Bei der Erfüllung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten durch die Kreditinstitute ist dies der Fall. Die Einführung einer staatlichen Entschädigung würde die Indienstnahme der Kreditinstitute wieder in ein verfassungswahrendes Maß zurückführen, da sich der mit der Indienstnahme im Übrigen zusammenhängende Freiheitsverlust insgesamt noch rechtfertigen ließe. Dies ergibt eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Indienstnahme für Staat, Steuerschuldner und Gesellschaft und der Belastung der Kreditinstitute. Allerdings rückt die Grenze der Belastung auch hier näher.
§ 6 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten 335
b) Die Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 2 GG und Art. 12 Abs. 3 GG. Ein Blick in die Historie zeigt, dass der Gesetzgeber solche Konstellation nicht vom Verstoß gegen die Freiheit von Arbeitszwang und Zwangsarbeit umfasst haben wollte. c) Die Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, da dieses Grundrecht konkurrenzrechtlich ausgeschlossen ist. d) Die Indienstnahme der Kreditinstitute verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Um eine Ungleichbehandlung feststellen zu können, müssen vergleichbare Indienstgenommene herangezogen werden, die eine Entschädigung erhalten. Vorliegend sind dies Telekommunikationsdienstleister, gerichtlich bestellte Sachverständige und Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs. Diesen ist gemein, dass sie als Private vom Staat für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Rahmen der Ausübung ihrer Berufstätigkeit in Dienst genommen werden. Eine Ungleichbehandlung liegt damit vor. Sie kann auch nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Eine Rechtfertigung anhand der Willkürformel scheitert, da kein vernünftiger, sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung zu erkennen ist. Aber auch unter dem Maßstab der neuen Formel ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die für eine Rechtfertigung hier maßgeblichen Kriterien der Interessenkongruenz und der Mitverantwortung liegen nicht vor. 3. Die Indienstnahme der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren ist de lege lata verfassungswidrig. Wollen sich die Kreditinstitute hiergegen wehren, müssen sie vor das BVerfG ziehen, um die Verfassungswidrigkeit gerichtlich feststellen zu lassen. a) Die Verfassungsbeschwerde bietet hierfür den geeigneten Rechtsbehelf. Nötig ist ein Vorgehen gegen ein Änderungsgesetz, das in die §§ 43 ff. EStG eingreift. Dann kann nicht nur gegen die neu geänderten Vorschriften vorgegangen werden, sondern gegen das Normenkonvolut der §§ 43 – 45e EStG in seiner durch das Änderungsgesetz neu erfahrenen Gesamtheit. Bildlich gesprochen wird damit gegen den letzten Tropfen (Änderungsgesetz) vorgegangen, wodurch auch das ganze Fass (Gesamteingriff bzw. Indienstnahme), das zum Überlaufen gebracht wird, überprüft werden kann. Anders gestaltet sich die Beschwerdesituation, wenn zugleich – oder allein – wegen der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor das BVerfG gezogen wird und das Fehlen einer entsprechenden Entschädigungsnorm gerügt wird. Da dann ein Fall sog. echten gesetzgeberischen Unterlassens vorliegt, kann eine Frist schon nicht zu laufen begonnen haben. Sinnvoll erscheint es deshalb – gerade im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde – sowohl aus Art. 12 Abs. 1 GG als auch aus Art. 3 Abs. 1 GG gegen die verfassungswidrige Indienstnahme vorzugehen. b) Entscheidet das BVerfG in der Sache, stellt es fest, welche Vorschriften des Grundgesetzes verletzt wurden und durch welche Handlung oder welches
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3. Teil: Die verwaltungs- und verfassungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute
Unterlassen dies geschah. Anschließend entscheidet es ferner, welche rechtlichen Folgen sich aus dieser Entscheidung ergeben. Dazu stellt es regelmäßig entweder die Nichtigkeit der beschwerdegegenständlichen Normen fest oder beschränkt sich darauf, diese Normen als unvereinbar mit der Verfassung zu erklären. Wählt das BVerfG die Nichtigerklärung, so sind die entsprechenden Normen ex-tunc und ipso iure mit Bindungswirkung erga omnes und Gesetzeskraft rechtsunwirksam. Dadurch würde ein Rechtsvakuum entstehen, das erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich brächte. Im Hinblick auf diese Folgen spricht vieles dafür, dass es von einer Nichtigerklärung eher absehen und eine Unvereinbarerklärung aussprechen wird. Dabei würde es die Weitergeltung der entsprechenden Vorschriften anordnen und gleichzeitig den Gesetzgeber binnen einer bestimmten Frist auffordern, den Verfassungsverstoß zu beseitigen.
Zusammenfassung in Thesen Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, die Stellung der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG grundlegend zu untersuchen. Dafür war es notwendig, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Ausgehend von einigen Grundlagen und Begriffsbestimmungen (§ 1) wurde die historische Entwicklung des Kapitalertragsteuerrechts in den Blick genommen (§ 2). Darauf aufbauend konnten die Pflichten (§ 3) und die Konsequenzen aus der Erfüllung der Pflichten (§ 4) erörtert werden. Im Weiteren wurde die verwaltungsrechtliche Stellung der Kreditinstitute bestimmt (§ 5), um die Arbeit mit einer verfassungsrechtlichen Würdigung (§ 6) abzuschließen. Die Untersuchung lässt sich wie folgt in Thesen zusammenfassen:1706 §1 1. Das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG ist gekennzeichnet von einer Dreiecksbeziehung zwischen Kreditinstitut, Finanzamt und Gläubiger der Kapitalerträge. In diesem tripolaren Verhältnis steht das Kreditinstitut als Hauptadressat der kapitalertragsteuerlichen Vorschriften im Mittelpunkt des Besteuerungsverfahrens.1707 §2 2. Die Pflichten und die Anforderungen im Kapitalertragsteuerverfahren sind für die Kreditinstitute im Laufe der Jahre durch die Fortentwicklung des Kapitalertragsteuerrechts, insbesondere durch die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs, stetig gestiegen.1708 Das Unternehmensteuerreformgesetz von 2008 stellt einen Meilenstein in der historischen Entwicklung dieses Rechtsgebiets dar.1709
1706 Daneben sei auf die einzelnen Zusammenfassungen am Ende der jeweiligen Paragraphen bzw. Teile der Arbeit hingewiesen. 1707 Siehe § 1. 1708 Siehe § 2. 1709 Siehe § 2 B.
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Zusammenfassung in Thesen
§3 3. Die Stellung der Kreditinstitute ist zunächst aus steuerrechtlicher Perspektive zu erörtern.1710 Die Pflichten der Kreditinstitute im Kapitalertragsteuerverfahren sind nach Hauptpflichten, Nebenpflichten und Pflichten aufgrund internationaler Abkommen und Verträge zu systematisieren (Trias der Primärpflichten).1711 Diese Pflichten treffen die Kreditinstitute als Entrichtungs- und Steuerpflichtige.1712 4. Im Rahmen der Erfüllung der Hauptpflichten sind die Kreditinstitute zunächst zur Ermittlung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts verpflichtet und greifen dabei in der Praxis größtenteils auf externe Anbieter wie den WM-Datenservice zurück, der sie mit entsprechenden Informationen versorgt.1713 Anschließend steigen sie in die rechtliche Prüfung ein, um ihre Pflicht zum Steuerabzug festzustellen.1714 Als besonders problematisch erweist sich hier die Feststellung der objektiven Kapitalertragsteuerpflicht des Gläubigers der Kapitalerträge.1715 Diese kann im Einzelfall äußerst kompliziert sein wie es das Beispiel der Kapitalmaßnahme der Google Inc. zeigt.1716 Dabei ist es den Kreditinstituten de lege lata kaum möglich, bei schwierigen Rechtsfragen eine verbindliche Auskunft seitens der Finanzbehörden zu erhalten. Um das Risiko einer fehlerhaften Einordnung einer Kapitalmaßnahme zu reduzieren, wird daher de lege ferenda vorgeschlagen, eine dem Lohnsteuerrecht entsprechende Anrufungsauskunft auch im Kapitalertragsteuerrecht zu kodifizieren.1717 Im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind die Kreditinstitute verpflichtet, ausländische Steuern anzurechnen1718 und Verluste zu verrechnen.1719 Anhand der Bemessungsgrundlage ist die Höhe der Kapitalertragsteuer zu berechnen.1720 Höchst umstritten ist dabei die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Sondertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sollte sich dieser als verfassungswidrig erweisen, hätte dies bedeutende Auswirkungen für die Kreditinstitute.1721 Um die Höhe der Kapitalertragsteuer berechnen zu können, müssen sich die Kreditinstitute Kenntnis über eine mögliche Kirchensteuerpflicht der Gläubiger der Kapitalerträge verschaffen.1722 Dabei führte das geänderte Kirchensteuerabzugsverfahren zu einer 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 1722
Siehe 2. Teil. Siehe § 3 A. Siehe § 3 A. I. 1. Siehe § 3 A. I. 2. Siehe § 3 A. I. 3. Siehe § 3 A. I. 3. c). Siehe § 3 A. I. 3. c) bb). Siehe § 3 A. I. 4. Siehe § 3 A. II. 2. Siehe § 3 A. II. 3. Siehe § 3 A. III. Siehe § 3 A. III. 1. Siehe § 3 A. III. 2. a).
Zusammenfassung in Thesen
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Erhöhung des Verwaltungsaufwands bei den Kreditinstituten.1723 Die Pflicht der Kreditinstitute zum Abzug, Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer an den Fiskus ist das Herzstück des Kapitalertragsteuerverfahrens.1724 Den Abzug haben sie unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen. Die jeweiligen Auslegungsvorschriften zeitnah umzusetzen, kann sich für die Kreditinstitute schwierig gestalten.1725 Der Steuerabzug hat grundsätzlich abgeltende Wirkung. Eine Veranlagungsverfahren ist diesbezüglich nur im Ausnahmefall durchzuführen. Der Steuerabzug führt faktisch zu einer Veranlagung durch die Kreditinstitute. Sie werden wie eine Finanzbehörde tätig.1726 Das Kreditinstitut hat von einem Steuerabzug – trotz Steuerpflichtigkeit – Abstand zu nehmen, wenn ein Freistellungsauftrag vorliegt.1727 Die Bearbeitung und Verwaltung von Freistellungsaufträgen bedeutet für die Kreditinstitute einen enormen Verwaltungsaufwand.1728 Dieser Aufwand lässt sich durch eine Gesetzesänderung de lege ferenda reduzieren, indem eine gesetzliche Abstandnahme für Kapitalerträge bis 100 EUR eingeführt wird. Dadurch kann die Besteuerung privater Kapitalerträge insgesamt effizienter gestaltet werden, da auch die Finanzämter keine anschließenden Veranlagungen mehr durchführen müssten, die wegen des Sparer-Pauschbetrags ohnehin zu einer Erstattung führen würden.1729 5. Das Kapitalertragsteuerverfahren hat ferner Berührungspunkte zum Europarecht, das im Ergebnis aber nicht verletzt wird. Der Sondertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen führt nicht zu einer unionswidrigen mittelbaren Beihilfe zugunsten der Kreditinstitute, indem die deutsche Finanzbranche wirtschaftlich gestärkt wird.1730 6. Im Rahmen der Erfüllung der Nebenpflichten sind die Kreditinstitute insbesondere zur Einrichtung eines automatisierten Kontenabrufverfahrens verpflichtet. Die Anzahl der Kontenabrufe stieg in den vergangenen zehn Jahren erheblich an und erhöhte damit auch die Kosten für die Kreditinstitute.1731 Es gibt kein spezifisch steuerrechtliches Bankgeheimnis, das die Kreditinstitute im Rahmen ihrer Nebenpflichten im Kapitalertragsteuerverfahren zu beachten haben.1732 Hingegen ergibt
1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732
Siehe § 3 A. III. 2. b). Siehe § 3 A. IV. Siehe § 3 A. IV. 2. Siehe § 3 A. V. 1. Siehe § 3 A. VI. 1. Siehe § 3 A. VI. 1. a) – e). Siehe § 3 A. VI. 1. f). Siehe § 3 A. V. 2. Siehe § 3 B. I. Siehe § 3 B. II. 1.
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Zusammenfassung in Thesen
sich aus dem Zivilrecht ein Bankgeheimnis, das im Steuerrecht aber kaum Wirkung entfaltet.1733 7. Es bestehen zudem Pflichten aus internationalen Abkommen und Verträgen. Die immer schneller voranschreitende Vernetzung der Wirtschaftswelt ruft das Bedürfnis grenzüberschreitender Regeln hervor, um Steuermissbrauch einzudämmen.1734 Der Common Reporting Standard, der durch das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz in nationales Recht transformiert wurde, stellt dabei eine der bedeutendsten Übereinkünfte auf dem Gebiet der internationalen Kapitalertragsbesteuerung dar. Danach obliegen den Kreditinstituten eine Vielzahl von Melde- und Sorgfaltspflichten.1735 Ähnliche Pflichten ergeben sich aus FATCA-, TIEA- und DBA-Abkommen.1736 §4 8. Das Kreditinstitut ist abgabenrechtlich Haftungsschuldner. Der Gläubiger der Kapitalerträge ist Steuerschuldner. Sie sind dabei entgegen der Ansicht des BFH und der h. M. keine Gesamtschuldner.1737 9. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG bildet den zentralen Haftungstatbestand bei Verletzung der Abzugspflichten der Kreditinstitute gegenüber dem Fiskus.1738 Dieser setzt zumindest grobe Fahrlässigkeit voraus.1739 Liegt kein entsprechendes BMF Schreiben vor, ist grobe Fahrlässigkeit entgegen der Ansicht des BFH nicht schon dann zu bejahen, wenn das Kreditinstitut Zweifel an seiner Abzugspflicht hat, sondern erst, wenn es erhebliche Zweifel hat.1740 Liegt ein BMF Schreiben vor, ist dieses nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG verpflichtend zu beachten.1741 Diese durch das Steueränderungsgesetz von 2015 vorgenommene Änderung ist rückgängig zu machen.1742 Bei der steuerlichen Einordnung von Kapitalerträgen dürfen Kreditinstitute die ihnen von externen Dienstleistern (WM Datenservice) übermittelten Daten zu einem Finanzprodukt nicht unbesehen übernehmen. Sie trifft hier eine eigene Prüfpflicht anhand bestimmter Kriterien.1743 Die Haftung der Kreditinstitute erstreckt sich auch
1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743
Siehe § 3 B. II. 2. Siehe § 3 C. Siehe § 3 C. I. Siehe § 3 C. II – IV. Siehe § 4 A. I. Siehe § 4 A. II. 1. Siehe § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (a). Siehe § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (c). Siehe oben § 3 A. IV. 2. Siehe § 4 A. II. 1. a) cc) (1) (d). Siehe § 4 A. II. 1. a) cc) (2).
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auf ihre Vertreter, sofern diese ihre Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt haben.1744 10. Die Kreditinstitute sind ihren Kunden als Gläubiger der Kapitalerträge zu einer ordnungsgemäßen Durchführung des Kapitalertragsteuerverfahrens verpflichtet.1745 Fehler in diesem Verfahren sind zu korrigieren.1746 Der Vorschlag von Hirte/Mertz, im Bereich der Erstattungen ein automatisches Erstattungsverfahren im Nachgang zu finanzgerichtlichen Streitigkeiten zu etablieren, ist zu unterstützen.1747 Ist eine Korrektur bzw. eine Erstattung nicht mehr möglich, kommt ein Haftung des Kreditinstituts nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Bankvertrag in Betracht.1748 Die privatrechtlichen Pflichten werden durch die steuerrechtlichen Normen nicht überlagert, sondern von diesen ergänzt und sind neben diesen anwendbar.1749 Aus dem allgemeinen Bankvertrag ergibt sich für die Kreditinstitute die Nebenpflicht, einen Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen ist.1750 Entgegen der Rechtsprechung des BFH und BGH sowie Teilen der Literatur verletzt das Kreditinstitut diese Pflicht, wenn es in zweifelhaften Fällen zu Unrecht einen Steuerabzug vornimmt.1751 Die Pflichtverletzung hat das Kreditinstitut nicht zu vertreten, wenn es – sofern eine Prüfpflicht vorlag – zu einem vertretbaren Ergebnis kam.1752 Der Vorwurf des Mitverschuldens wegen unterlassener Rechtsbehelfe kann nur gemacht werden, wenn ein solcher mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gebracht hätte. Ein Einspruch hingegen ist stets zumutbar.1753 11. Die Kreditinstitute befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der Haftung gegenüber dem Fiskus und einem möglichen Schadensersatzverlangen gegenüber ihren Kunden. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, als den Kreditinstituten nach dem vorgeschlagenen neuen Haftungsmodell ein haftungsfreier Beurteilungsspielraum bei der Einordnung von Kapitalerträgen zugestanden wird.1754 12. Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten wird ferner durch das Ordnungswidrigkeitenrecht abgesichert.1755 Die Abgabenordnung kennt mit § 380 einen
1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755
Siehe § 4 A. II. 5. Siehe § 4 A. III. Siehe § 4 A. III. 1. Siehe § 4 A. III. 1. f). Siehe § 4 A. III. 2. Siehe § 4 A. III. 2. b). Siehe § 4 A. III. 2. c). Siehe § 4 A. III. 2. c) cc). Siehe § 4 A. III. 2. d). Siehe § 4 A. III. 2. e). Siehe § 4 A. IV. Siehe § 4 B.
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Zusammenfassung in Thesen
speziellen auf Abzugsteuern zugeschnittenen Tatbestand.1756 Daneben kommen weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände in Betracht.1757 13. Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten wird schließlich auch durch das Strafrecht abgesichert.1758 Diese Sanktionen treffen die Vertreter der Kreditinstitute und – anders als im Ordnungswidrigkeitenrecht – nicht das Kreditinstitut selbst.1759 Eine strafbare Steuerhinterziehung kommt dabei insbesondere dann in Betracht, wenn eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung unrichtig1760 oder zu spät1761 abgegeben wird. Entgegen der Rechtsprechung und Teilen der Literatur kann sich im Verhältnis zum Fiskus auch eine Strafbarkeit aus Untreue ergeben, wenn die einbehaltenen Steuern zweckwidrig eingesetzt werden.1762 Zwischen Kreditinstitut und Fiskus besteht ein für die Untreue notwendiges Treueverhältnis, aus dem eine Vermögensbetreuungspflicht erwächst.1763 14. Die Erfüllung der kapitalertragsteuerlichen Pflichten schlägt sich für die Kreditinstitute in einer finanziellen Belastung, den sog. Steuerverwaltungskosten, nieder.1764 Diese sind nach Belastungen innerhalb eines Kreditinstituts (Mikroebene)1765 und gesamtwirtschaftlich bezüglich der Kreditinstitute insgesamt (Makroebene)1766 zu systematisieren. Die Bearbeitung von Freistellungsaufträgen erweist sich hier als wesentlicher Kostenfaktor. Dieser Befund bestärkt die de lege ferenda vorgeschlagene Änderung im Bereich der Freistellungsaufträge.1767 15. Kreditinstitute tragen ein Reputationsrisiko. Machen sie Fehler im Kapitalertragsteuerverfahren, die publik werden, kann sich daraus eine nicht zu unterschätzende Gefahr eines Reputationsverlusts ergeben, die sich letztlich in einem Reputationsschaden für ein Kreditinstitut niederschlagen kann.1768
1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768
Siehe § 4 B. I. Siehe § 4 B. II. – V. Siehe § 4 C. Siehe § 4 C. I. Siehe § 4 C. II. 1. Siehe § 4 C. II. 2. Siehe § 4 C. IV. Siehe § 4 C. IV. 1. a) bb). Siehe § 4 D. Siehe § 4 E. I. Siehe § 4 E. II. Siehe § 4 E. II. 3. Siehe § 4 F.
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§5 16. Die Stellung der Kreditinstitute ist im Verhältnis zum Staat aus der Perspektive des Verwaltungs- und des Verfassungsrechts zu erörtern.1769 Die Kreditinstitute nehmen im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens eine staatliche Aufgabe und keine originär private Aufgabe wahr.1770 Die verwaltungsrechtliche Qualifizierung ist damit nach den ungeschriebenen, aber als Gewohnheitsrecht anerkannten Rechtsinstituten der Beleihung, der Verwaltungshilfe und der Indienstnahme Privater vorzunehmen.1771 Das Verhältnis zwischen Kreditinstituten und Staat im Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG ist nicht als Beleihung einzuordnen.1772 Die Kreditinstitute üben insoweit keine hoheitliche Tätigkeit eigenverantwortlich aus.1773 Insbesondere haben sie keine Befugnis zur Steuerfestsetzung.1774 Das Verhältnis ist auch nicht als ein solches der Verwaltungshilfe zu qualifizieren.1775 Sie nehmen öffentliche Aufgaben nicht nur unselbstständig vor1776 und handeln dabei nicht weisungsabhängig.1777 Die Stellung der Kreditinstitute ist vielmehr als Indienstnahme Privater zu begreifen.1778 Die Kreditinstitute erfüllen gegen ihren Willen, eigenverantwortlich und aus eigenen Mitteln gemeinwohlbezogene Pflichten, ohne dabei hoheitliche Kompetenzen auszuüben.1779 §6 17. Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Indienstnahme von Kreditinstituten ist aus der Sicht des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte vorzunehmen.1780 Die weitgehende Übertragung des Besteuerungsverfahrens auf die Kreditinstitute verstößt nicht gegen die Kompetenzordnung nach Art. 20 Abs. 2 GG.1781 Ebenso wenig verstößt sie gegen die Kompetenzordnung aus Art. 108 GG. Zwar kommt dieser Norm institutionelle Bedeutung zu, doch verbleibt die Verwaltung der Steuern auch bei Einbindung der Kreditinstitute in das Verfahren noch immer bei den
1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781
Siehe 3. Teil. Siehe § 5 A. Siehe § 5. Siehe § 5 B. Siehe § 5 B. III. 2. Siehe § 5 B. III. 2. a). Siehe § 5 C. III. 2. Siehe § 5 C. III. 2. a). Siehe § 5 C. III. 2. b). Siehe § 5 D. Siehe § 5 D. III. Siehe § 6 A./B. Siehe § 6 A. I.
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Zusammenfassung in Thesen
Finanzbehörden.1782 Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt für Berufsbeamte nach Art. 33 Abs. 4 GG vor.1783 18. Die Indienstnahme von Kreditinstituten im Kapitalertragsteuerverfahren verletzt die Kreditinstitute in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, soweit die Kreditinstitute für ihre Tätigkeit nicht entschädigt werden. Im Übrigen steht die Indienstnahme als solche noch mit der Verfassung in Einklang.1784 19. Die §§ 43 ff. EStG greifen mit berufsregelnder Tendenz in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Kreditinstitute ein.1785 Sie werden dabei in ihrer Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt.1786 Von der Frage „ob“ ein Eingriff erfolgt, ist die Frage „wie“ der Eingriff erfolgt, zu unterscheiden.1787 Im Rahmen des „wie“ stellt sich das grundrechtsdogmatische Problem des kumulativen Eingriffs.1788 Ein solcher liegt vor, wenn in einen Sachverhalt mehrmals einzeln eingegriffen wird. Diesen einzelnen Eingriffen kommt in einer Gesamtbetrachtung eine höhere Belastung zu als im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung.1789 Beim kumulativen Eingriff handelt es sich nicht um einen Eingriff, bei dem die kumulierend einhergehenden Eingriffe mit zu berücksichtigen sind, sondern um einen einheitlichen Gesamteingriff.1790 Dieser Gesamteingriff überträgt die verwaltungsrechtliche Indienstnahme als gleichsame Wertungseinheit in die Dogmatik des Verfassungsrechts.1791 Die Indienstnahme von Kreditinstituten stellt einen solchen Fall eines kumulativen Eingriffs dar.1792 20. Der Eingriff lässt sich nur teilweise verfassungsrechtlich rechtfertigen.1793 Er dient einem legitimen Zweck1794 und ist zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet.1795 Er ist jedoch nicht erforderlich.1796 Die Möglichkeit, die Schwere des Eingriffs durch Einführung einer Ausrufungsauskunft und Änderungen im Bereich der Freistellungsaufträge abzumildern, reicht vorliegend allerdings nicht aus, um eine Erforderlichkeit ablehnen zu können,1797 da das Grundgesetz kein Optimie1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797
Siehe § 6 A. II. Siehe § 6 B. III. Siehe § 6 B. II. Siehe § 6 B. II. 2. Siehe § 6 B. II. 2. a). Siehe § 6 B. II. 2. b). Siehe § 6 B. II. 2. b) aa). Siehe § 6 B. II. 2. b) aa) (1). Siehe § 6 B. II. 2. b) aa) (2). Siehe § 6 B. II. 2. b) aa) (3). Siehe § 6 B. II. 2. b) bb). Siehe § 6 B. II. 3. Siehe § 6 B. II. 3. a). Siehe § 6 B. II. 3. b). Siehe § 6 B. II. 3. c). Siehe § 6 B. II. 3. c) aa) (1).
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rungsgebot kennt1798. Die Besteuerung von Kapitalerträgen mittels eines Vorauszahlungsverfahrens kombiniert mit dem sog. Informationsmodell führt ebenfalls nicht dazu, die Erforderlichkeit des Eingriffs zu verneinen.1799 21. Der Grundrechtseingriff ist jedoch insoweit nicht erforderlich, als eine staatliche Entschädigungspflicht den Eingriff abmildern könnte.1800 Die Frage der Entschädigungspflicht ist gleichermaßen aus freiheits- und gleichheitsrechtlicher Perspektive zu beantworten.1801 Eine staatliche Entschädigung für die Indienstnahme kann ausscheiden, wenn die Kosten auf Dritte (Kunden) abgewälzt werden könnten. Dies ist im Kapitalertragsteuerverfahren jedoch nicht möglich.1802 Im Ergebnis wird daher vorgeschlagen, de lege ferenda eine Entschädigungsvorschrift in das EStG aufzunehmen, bei der die Höhe der Entschädigung 2 % der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer beträgt.1803 22. Der Freiheitsverlust der Kreditinstitute durch die Indienstnahme im Übrigen ist – unter Berücksichtigung einer staatlichen Entschädigung – insgesamt noch angemessen und zu rechtfertigen.1804 Beim Kapitalertragsteuerverfahren handelt es sich um ein höchst sinnvolles und effizientes Instrument der Besteuerung von Kapitalerträgen. Es ist von hohem Nutzen für Staat und Gesellschaft.1805 Diesem Nutzen steht die Belastung der Kreditinstitute durch die Pflichten und Konsequenzen aus diesem Verfahren gegenüber, die ebenfalls als hoch einzuordnen ist.1806 Insgesamt überwiegt der Nutzen die Belastung. Allerdings ist die Grenze der Belastung der Kreditinstitute nicht mehr weit entfernt.1807 23. Die Indienstnahme verletzt die Kreditinstitute nicht in ihrer Freiheit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG.1808 24. Die Indienstnahme verletzt die Kreditinstitute nicht in ihrer Freiheit von Zwangsarbeit nach Art. 12 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG.1809 25. Die Indienstnahme verletzt die Kreditinstitute nicht in ihrer Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG.1810 Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ist eröffnet. Sie schützt auch das vorliegend einschlägige Recht am 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1807 1808 1809 1810
Siehe § 6 B. II. 3. c) aa) (2). Siehe § 6 B. II. 3. c) bb). Siehe § 6 B. II. 3. c) cc). Siehe § 6 B. II. 3. c) cc) (1). Siehe § 6 B. II. 3. c) cc) (3). Siehe § 6 B. II. 3. c) cc) (4). Siehe § 6 B. II. 3. d). Siehe § 6 B. II. 3. d) aa). Siehe § 6 B. II. 3. d) bb). Siehe § 6 B. II. 3. d) cc). Siehe § 6 B. III. Siehe § 6 B. IV. Siehe § 6 B. V.
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eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.1811 Die Anwendung von Art. 14 GG scheidet jedoch aus konkurrenzrechtlichen Gründen aus.1812 26. Die Indienstnahme verletzt die Kreditinstitute in ihrem Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG.1813 Ein Gleichheitsverstoß liegt auch vor, wenn eine Leistung gleichheitswidrig verwehrt wird.1814 Es liegt eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Indienstgenommenen vor, die eine Entschädigung für ihre Tätigkeit erhalten.1815 Diese Ungleichbehandlung kann nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden.1816 Sie ist willkürlich.1817 Sie kann auch nicht am Maßstab der neuen Formel gerechtfertigt werden.1818 Die für eine Bejahung eines sachlichen Grundes maßgeblichen Kriterien der Interessenkonkurrenz1819 und der Mitverantwortung1820 können nicht bejaht werden.1821 27. Kreditinstitute können sich gegen eine verfassungswidrige Indienstnahme wehren und mittels einer Verfassungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.1822 Tauglicher Beschwerdegegenstand ist (bei einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde) aus Gründen der Beschwerdefrist ein Änderungsgesetz, das in die §§ 43 ff. EStG eingreift und die Pflichten der Kreditinstitute erneut erhöht.1823 Daneben kann auch wegen gesetzgeberischen Unterlassens einer entsprechenden Entschädigungsregel wegen Verletzung aus Art. 3 Abs. 1 GG vorgegangen werden, wobei hier – anders als bei einem positiven Gesetzgebungsakt – keine Frist gilt.1824 Eine weitere prozessuale Möglichkeit bietet ein Vorgehen gegen einen Steuerverwaltungsakt mittels einer Urteilsverfassungsbeschwerde, sofern zunächst der Rechtsweg erschöpft wurde.1825 28. Hält das BVerfG die Verfassungsbeschwerde mit der hier vertretenen Ansicht für begründet, kommen zwei Entscheidungsmöglichkeiten in Betracht.1826 Das BVerfG könnte die entsprechenden Normen für nichtig erklären. Eine Nichtigerklärung hätte die ex-tunc Nichtigkeit dieser Normen zur Folge und würde zu einem 1811 1812 1813 1814 1815 1816 1817 1818 1819 1820 1821 1822 1823 1824 1825 1826
Siehe § 6 B. V. 1. Siehe § 6 B. V. 2. Siehe § 6 B. VI. Siehe § 6 B. VI. Siehe § 6 B. VI. 1. Siehe § 6 B. VI. 2. Siehe § 6 B. VI. 2. b). Siehe § 6 B. VI. 2. c). Siehe § 6 B. VI. 2. c) aa). Siehe § 6 B. VI. 2. c) bb). Siehe § 6 B. VI. 3. Siehe § 6 C. I. Siehe § 6 C. I. 2. a) aa). Siehe § 6 C. I. 2. a) bb). Siehe § 6 C. I. 2. b). Siehe § 6 C. II.
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Rechtsvakuum führen.1827 Wahrscheinlicher ist daher die Möglichkeit der sog. Unvereinbarerklärung der verfassungswidrigen Normen. Die Normen würden für unvereinbar mit der Verfassung erklärt und der Gesetzgeber binnen einer bestimmten Frist aufgefordert, für einen verfassungskonformen Zustand zu sorgen. Bis dahin behielten die für unvereinbar erklärten Normen noch ihre Wirksamkeit, wodurch ein rechtliches Vakuum verhindert würde.1828 Sollte das BVerfG feststellen, dass die Grenzen der Verfassung noch gewahrt sind, die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit jedoch nahe ist, wird es eine sog. Appellentscheidung erlassen.
1827 1828
Siehe § 6 C. II. 1. Siehe § 6 C. II. 2.
Schlusswort Die Erhebung von Steuern ist eine genuin staatliche Aufgabe – lautete der Beginn dieser Arbeit – und sie soll es nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich bleiben. Der Staat darf sich seiner Aufgaben nicht nach und nach entledigen, indem er den Kreditinstituten immer weitere Pflichten aufbürdet. Die Entwicklung des Kapitalertragsteuerrechts in der Vergangenheit lässt dies allerdings auch in Zukunft vermuten. Den derzeitigen Pflichten nachzukommen, ist schon schwierig genug. Es ist daher an der Zeit, diesem Umstand entgegenzuwirken. Aus diesem Befund erwächst die erste Kernforderung dieser Arbeit, die Belastung der Kreditinstitute durch die ihnen im Kapitalertragsteuerverfahren auferlegten Pflichten zu reduzieren und das Verfahren gleichzeitig effizienter zu gestalten. Die Einbindung der Kreditinstitute in die Besteuerung privater Kapitalerträge verletzt diese in ihren Grundrechten. Ohne die Möglichkeit einer staatlichen Entschädigung müssen sie die Kosten, die durch die Erfüllung ihrer Pflichten entstehen, selbst tragen. Die Anfang der 1920er Jahre vom einstigen Staatssekretär Johannes Popitz getätigte Aussage, ein Abzugsverpflichteter begreife die ihm überantwortete Pflicht als „nobile officium“, weshalb es keiner Entschädigung bedürfe,1829 kann heute aufgrund der Masse und Komplexität der Regelungen keine Geltung mehr für sich beanspruchen. Zudem verhält sich der Staat selbst widersprüchlich, wenn er sich die Erhebung der Kirchenkapitalertragsteuer von den Kirchengemeinschaften entlohnen lässt,1830 obwohl er die Tätigkeit selbst kaum wahrnimmt, sondern seinerseits von den Kreditinstituten ausführen lässt.
1829
Siehe Bericht des 6. Ausschusses (Steuerfragen) des Reichstags über den Entwurf eines Einkommensteuergesetzes, in: Verhandlungen des Reichstags, Anlagen zu den stenographischen Berichten Band 403, 1924, RT-Drs. 1229, S. 29. 1830 So sind etwa in Baden-Württemberg die Landesfinanzbehörden nach § 20a Abs. 3 Kirchensteuergesetz des Bundeslandes Baden-Württemberg (v. 18. 12. 1969 (GBl. 1979 S. 1), in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 6. 1978 (GBl. S. 369), zuletzt geändert durch das Gesetz v. 18. 12. 2018 (GBl. S. 1561)) verpflichtet, die Kirchenkapitalertragsteuer an die jeweils steuererhebenden Religionsgemeinschaften abzuführen. Als Gegenleistung ist nach § 23 dieses Gesetzes eine „angemessene Verwaltungskostenvergütung“ von den Religionsgemeinschaften zu leisten, die vom Finanzministerium im Einvernehmen mit der Religionsgemeinschaft festgesetzt wird. Nach derzeitiger Kostenvereinbarung werden 3 % der vereinnahmten Kapitalertragsteuern einbehalten. Sie kann aber auch darüber liegen (siehe H. Kruse, Rechtshistorische und rechtsvergleichende Prolegomena zum Lohnsteuerrecht, DStJG Band 9 1986, S. 1 (7)).
Schlusswort
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Daher lautet die zweite Kernforderung dieser Arbeit, die Kreditinstitute für ihre Tätigkeit im Rahmen der Einbindung in das Kapitalertragsteuerverfahren nach §§ 43 ff. EStG staatlich zu entschädigen. Diese Forderungen sollen jedoch nicht am Kapitalertragsteuerverfahren an sich zweifeln. Denn es handelt sich dabei um ein höchst sinnvolles Instrument der Besteuerung. Doch gibt es die Grenzen der Verfassung, die es zu beachten gilt. Änderungen sind unumgänglich. Diese können aber dazu führen, die Balance auf dem Drahtseilakt zwischen individueller Freiheit und staatlichen Interessen auch in Zukunft zu wahren.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfG, Beschl. v. 27. 10. 1970, 1 BvR 557/68, BVerfGE 29, S. 312. BVerfG, Urt. v. 16. 3. 1971, 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292. BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1972, 1 BvL 34/70, BVerfGE 33, S. 240. BVerfG, Beschl. v. 25. 6. 1974, 1 BvL 11/73, BVerfGE 37, S. 342. BVerfG, Urt. v. 18. 7. 1972, 1 BvL 32/70 u. a., BVerfGE 33, S. 303. BVerfG, Beschl. v. 21. 5. 1974, 1 BvL 22/71 u. a., BVerfGE 37, S. 217. BVerfG, Urt. v. 8. 10. 1974, 2 BvR 747/73 u. a., BVerfGE 38, S. 105. BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1974, 1 BvR 430/65 u. a., BVerfGE 38, S. 281. BVerfG, Urt. v. 12. 3. 1975, 1 BvL 15/71 u. a., BVerfGE 39, S. 169. BVerfG, Beschl. v. 19. 3. 1975, 1 BvL 20/73 u. a., BVerfGE 39, S. 210. BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1976, 1 BvR 631/69 u. a., BVerfGE 41, S. 126. BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 1976, 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, S. 251. BVerfG, Beschl. v. 17. 2. 1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103. BVerfG, Beschl. v. 19. 4. 1977, 1 BvL 17/75, BVerfGE 44, S. 283. BVerfG, Beschl. v. 1. 3. 1978, 1 BvR 786/70 u. a., BVerfGE 47, S. 285. BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290. BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 12. 3. 1980, 1 BvR 643/77 u. a., BVerfGE 53, S. 336. BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1980, 1 BvR 349/75 u. a., BVerfGE 54, S. 251. BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980, 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72. BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, S. 54. BVerfG, Urt. v. 26. 5. 1981, 1 BvL 56/78 u. a., BVerfGE 57, S. 139. BVerfG, Urt. v. 16. 6. 1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, S. 295. BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, S. 137. BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, S. 300. BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1981, 2 BvR 1194/80, BVerfGE 58, S. 208. BVerfG, Beschl. v. 21. 10. 1981, 1 BvR 802/78 u. a., BVerfGE 59, S. 172. BVerfG, Beschl. v. 9. 2. 1982, 2 BvL 6/78 u. a., BVerfGE 60, S. 16. BVerfG, Beschl. v. 4. 10. 1983, 1 BvR 1633/82 u. a., BVerfGE 65, S. 116. BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1983, 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, S. 196. BVerfG, Beschl. v. 6. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, S. 325. BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 25. 1. 1984, 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, S. 116. BVerfG, Beschl. v. 20. 6. 1984, 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, S. 157.
Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984, 1 BvL 18/82 u. a., BVerfGE 68, S. 155. BVerfG, Beschl. v. 31. 10. 1984, 1 BvR 35/82 u. a., BVerfGE 68, S. 193. BVerfG, Beschl. v. 6. 11. 1984, 2 BvL 16/83, BVerfGE 68, S. 237. BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984, 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 1985, 2 BvR 1145/83, BVerfGE 69, S. 161. BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1985, 1 BvL 17/83 u. a., BVerfGE 70, S. 278. BVerfG, Beschl. v. 10. 12. 1985, 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, S. 255. BVerfG, Beschl. v. 13. 1. 1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102. BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 1987, 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, S. 129. BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 1987, 2 BvR 1226/83 u. a., BVerfGE 76, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, 1 BvR 1086/82 u. a., BVerfGE 77, S. 84. BVerfG, Beschl. v. 29. 10. 1987, 2 BvR 624/83 u. a., BVerfGE 77, S. 170. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1987, 1 BvR 563/85 u. a., BVerfGE 77, S. 308. BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1988, 1 BvR 111/77, BVerfGE 78, S. 155. BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1988, 2 BvL 9/85 u. a., BVerfGE 78, S. 249. BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 1988, 2 BvR 638/84, BVerfGE 78, S. 350. BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1988, 1 BvR 777/85 u. a., BVerfGE 79, S. 1. BVerfG, Urt. v. 31. 1. 1989, 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, S. 256. BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, S. 137. BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1989, 1 BvL 14/85 u. a., BVerfGE 81, S. 70. BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990, 1 BvL 44/86 u. a., BVerfGE 81, S. 156. BVerfG, Beschl. v. 30. 5. 1990, 1 BvL 2/83 u. a., BVerfGE 82, S. 126. BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990, 1 BvL 12/88 u. a., BVerfGE 82, S. 159. BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1990, 2 BvR 1462/87, BVerfGE 83, S. 119. BVerfG, Beschl. v. 19. 2. 1991, 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, S. 395. BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1991, 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, S. 133. BVerfG, Urt. v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239. BVerfG, Beschl. v. 19. 11. 1991, 1 BvR 1425/90, BVerfGE 85, S. 117. BVerfG, Beschl. v. 11. 2. 1992, 1 BvR 1531/90, BVerfGE 85, S. 248. BVerfG, Beschl. v. 25. 3. 1992, 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, S. 28. BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993, 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, S. 87. BVerfG, Beschl. v. 30. 3. 1993, 1 BvR 1045 u. a., BVerfGE 88, S. 145. BVerfG, Beschl. v. 25. 5. 1993, 1 BvR 345/83, BVerfGE 88, S. 366. BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993, 2 BvF 2/90 u. a., BVerfGE 88, S. 203.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1993, 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, S. 15. BVerfG, Beschl. v. 9. 3. 1994, 2 BvL 43/92 u. a., BVerfGE 90, S. 145. BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994, 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, S. 186. BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1994, 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, S. 207. BVerfG, Beschl. v. 10. 1. 1995, 1 BvL 20/87 u. a., BVerfGE 91, 389. BVerfG, Beschl. v. 26. 4. 1995, 1 BvL 19/94 u. a., BVerfGE 92, S. 262. BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, S. 37. BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121. BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165. BVerfG, Beschl. v. 5. 12. 1995, 1 BvR 2011/94, BVerfGE 93, S. 362. BVerfG, Beschl. v. 12. 3. 1996, 1 BvR 609/90 u. a., BVerfGE 94, S. 241. BVerfG, Beschl. v. 22. 5. 1996, 1 BvR 744/88 u. a., BVerfGE 94, S. 372. BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1996, 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, S. 1. BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267. BVerfG, Beschl. v. 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 10. 4. 1997, 2 BvL 45/92, BVerfGE 96, S. 10. BVerfG, Urt. v. 17. 2. 1998, 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, S. 228. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1998, 1 BvR 1680/93 u. a., BVerfGE 98, S. 17. BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1998, 2 BvR 441/90 u. a., BVerfGE 98, S. 169. BVerfG, Urt. v. 14. 7. 1998, 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, S. 218. BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280. BVerfG, Beschl. v. 4. 12. 1998, 2 BvR 2126/96, NVwZ-RR 1999, S. 281. BVerfG, Urt. v. 2. 3. 1999, 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, S. 367. BVerfG, Beschl. v. 2. 3. 1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, S. 226. BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999, 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, S. 138. BVerfG, Urt. v. 14. 7. 1999, 1 BvR 2226/94 u. a., BVerfGE 100, S. 313. BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1999, 1 BvR 995/95 u. a., BVerfGE 101, S. 54. BVerfG, Beschl. v. 23. 8. 1999, 1 BvR 2164/98, NJW 1999, S. 3478. BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1999, 1 BvR 1904/95 u. a., BVerfGE 101, S. 331. BVerfG, Urt. v. 18. 1. 2000, 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, S. 397. BVerfG, Beschl. v. 16. 2. 2000, 1 BvR 242/91 u. a., BVerfGE 102, S. 1. BVerfG, Urt. v. 14. 3. 2000, 1 BvR 284/96 u. a., BVerfGE 102, S. 41. BVerfG, Beschl. v. 28. 8. 2000, 1 BvR 1821/97, NJW 2000, S. 3635. BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 2000, 1 BvR 630/93, NJW 2001, S. 3402.
Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG, Beschl. v. 3. 4. 2001, 1 BvL 32/97, BVerfGE 103, S. 293. BVerfG, Beschl. v. 5. 2. 2002, 2 BvR 305/93 u. a., BVerfGE 105, S. 17. BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, S. 252. BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, S. 279. BVerfG, Urt. v. 17. 12. 2002, 1 BvL 28/95 u. a., BVerfGE 106, S. 275. BVerfG, Urt. v. 28. 1. 2003, 1 BvR 487/01, BVerfGE 107, S. 133. BVerfG, Beschl. v. 12. 2. 2003, 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, S. 218. BVerfG, Beschl. v. 30. 7. 2003, 1 BvR 646/02, NVwZ 2004, S. 96. BVerfG, Urt. v. 10. 2. 2004, 2 BvR 834/02 u. a., BVerfGE 109, S. 190. BVerfG, Urt. v. 3. 3. 2004, 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, S. 279. BVerfG, Urt. v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94. BVerfG, Urt. v. 17. 3. 2004, 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, S. 177. BVerfG, Beschl. v. 20. 4. 2004, 1 BvR 838/01 u. a., BVerfGE 110, S. 304. BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, S. 412. BVerfG, Urt. v. 9. 6. 2004, 1 BvR 636/02. BVerfGE 111, S. 10. BVerfG, Beschl. v. 17. 6. 2004, 2 BvR 383/03, BVerfGE 111, S. 54. BVerfG, Beschl. v. 6. 7. 2004, 1 BvL 4/97 u. a., BVerfGE 111, S. 160. BVerfG, Beschl. v. 13. 7. 2004, 1 BvR 1298/94 u. a., BVerfGE 111, S. 191. BVerfG, Urt. v. 26. 10. 2004, 2 BvE 1/02 u. a., BVerfGE 111, S. 382. BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2004, 1 BvR 1804/03, BVerfGE 112, S. 93. BVerfG, Beschl. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, S. 29. BVerfG, Urt. v. 12. 4. 2005, 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, S. 304. BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, S. 63. BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005, 2 BvR 2335/95 u. a., BVerfGE 113, S. 128. BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, S. 167. BVerfG, Urt. v. 13. 9. 2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, S. 196. BVerfG, Beschl. v. 18. 1. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97. BVerfG, Urt. v. 28. 3. 2006, 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, S. 276. BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2006, 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, S. 135. BVerfG, Beschl. v. 11. 7. 2006, 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, S. 202. BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1. BVerfG, Urt. v. 28. 2. 2007, 1 BvL 5/03, BVerfGE 117, S. 316. BVerfG, Beschl. v. 13. 3. 2007, 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, S. 79. BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 2007, 2 BvR 51/07, NJW 2007, S. 3420.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2007, 1 BvR 1550/03 u. a., BVerfGE 118, S. 168. BVerfG, Beschl. v. 3. 7. 2007, 1 BvR 2186/06, BVerfGE 119, S. 59. BVerfG, Urt. v. 4. 7. 2007, 2 BvE 1/06 u. a., BVerfGE 118, S. 277. BVerfG, Beschl. v. 10. 1. 2008, 2 BvR 294/06, DStR 2008, S. 197. BVerfG, Beschl. v. 13. 2. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, S. 125. BVerfG, Beschl. v. 25. 2. 2008, 2 BvL 14/05, BStBl. II 2008, S. 651. BVerfG, Urt. v. 27. 2. 2008, 1 BvR 370/07 u. a., BVerfGE 120, S. 274. BVerfG, Beschl. v. 10. 3. 2008, 2 BvR 2077/05, NJW 2008, S. 2637. BVerfG, Beschl. v. 17. 4. 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108. BVerfG, Urt. v. 30. 7. 2008, 1 BvR 3262/07 u. a., BVerfGE 121, S. 317. BVerfG, Beschl. v. 25. 11. 2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, S. 190. BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 2008, 2 BvR 2338/07 u. a., NJW 2009, S. 1805. BVerfG, Beschl. v. 7. 1. 2009, 1 BvR 312/08, NJW 2009, S. 1259. BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 2009, 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, S. 148. BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009, 1 BvR 706/08 u. a., BVerfGE 123, S. 186. BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2009, 1 BvR 3479/08, NVwZ 2010, S. 181. BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 2009, 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, S. 104. BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2010, 1 BvR 1541/09 u. a., NJW 2010, S. 1943. BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 2010, 1 BvR 2011/07 u. a., BVerfGE 126, S. 112. BVerfG, Beschl. v. 11. 6. 2010, 1 BvR 170/06, DVBl 2010, S. 1098. BVerfG, Beschl. v. 21. 7. 2010, 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, S. 400. BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, S. 1. BVerfG, Beschl. v. 23. 3. 2011, 2 BvR 882/09, BVerfGE 128, S. 282. BVerfG, Urt. v. 4. 5. 2011, 2 BvR 2365/09 u. a., BVerfGE 128, S. 326. BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011, 1 BvR 3171/10, NJW 2011, S. 3019. BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, S. 49. BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 2011, 2 BvR 236/08 u. a., BVerfGE 129, S. 208. BVerfG, Beschl. v. 24. 1. 2012, 1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, S. 151. BVerfG, Beschl. v. 7. 2. 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240. BVerfG, Beschl. v. 27. 3. 2012, 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, S. 372. BVerfG, Beschl. v. 8. 5. 2012, 1 BvR 1065/03 u. a., BVerfGE 131, S. 66. BVerfG, Urt. v. 25. 7. 2012, 2 BvF 3/11 u. a., BVerfGE 131, S. 316. BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, S. 239. BVerfG, Urt. v. 18. 7. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, S. 179.
Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, S. 1. BVerfG, Urt. v. 24. 4. 2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, S. 277. BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 2013, 2 BvR 909/06 u. a., BVerfGE 133, S. 377. BVerfG, Beschl. v. 14. 1. 2014, 1 BvR 2998/11 u. a., BVerfGE 135, S. 90. BVerfG, Beschl. v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126. BVerfG, Beschl. v. 3. 6. 2014, 1 BvR 79/09 u. a., NJW 2014, S. 3634. BVerfG, Urt. v. 7. 10. 2014, 2 BvR 1641/11, BVerfGE 137, S. 108. BVerfG, Urt. v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350. BVerfG, Urt. v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, S. 136. BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2015, 1 BvL 13/11 u. a., BVerfGE 139, S. 285. BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 2016, 1 BvR 3102/13, BVerfGE 121, S. 121. BVerfG, Beschl. v. 29. 6. 2016, 1 BvR 1015/15, BVerfGE 142, S. 268. BVerfG, Beschl. v. 22. 2. 2017, 1 BvR 2875/16, NVwZ-RR 2017, S. 433. BVerfG, Beschl. v. 7. 3. 2017, 1 BvR 1694/13 u. a., NVwZ 2017, S. 1111. BVerfG, Urt. v. 10. 4. 2018, 1 BvL 11/14 u. a., DStR 2018, S. 791.
Bundesverwaltungsgericht BVerwG, Urt. v. 14. 8. 1986, 3 C 17/86, ZLA 1987, S. 22. BVerwG, Beschl. v. 6. 3. 1990, 7 B 120.89, DVBl 1990, S. 712. BVerwG, Urt. v. 22. 11. 1994, 1 C 22.92, BVerwGE 97, S. 117. BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2010, 3 C 35/09, BVerwGE 137, S. 377.
Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof OVG Münster, Urt. v. 27. 9. 1979, XVI A 2693/78, NJW 1980, S. 1406. VGH München, Urt. v. 17. 2. 1999, 4 B 96.1710, NVwZ 1999, S. 1122. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15. 3. 2006, 2 LB 9/05, NordÖR 2006, S. 263. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 1. 10. 2009, 6 S 99/09, BWGZ 2011, S. 613. OVG Greifswald, Urt. v. 30. 1. 2013, 3 L 93/09, NordÖR 2013, S. 525.
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Rechtsprechungsverzeichnis
Bundesfinanzhof BFH, Urt. v. 10. 10. 1951, IV 216/51 S, BFHE 55, S. 513. BFH, Urt. v. 29. 3. 1954, I 178/53 U, BFHE 59, S. 32. BFH, Urt. v. 23. 10. 1958, IV 203/57 U, BFHE 68, S. 25. BFH, Urt. v. 13. 11. 1959, VI 124/59 U, BFHE 70, S. 290. BFH, Urt. v. 28. 4. 1961, VI 301/60 U, BFHE 73, S. 289. BFH, Urt. v. 5. 7. 1963, VI 270/62 U, BFHE 77, S. 408. BFH, Urt. v. 17. 1. 1964, I 256/59 U, BFHE 79, S. 385. BFH, Urt. v. 12. 1. 1966, I 269/63, BFHE 85, S. 51. BFH, Urt. v. 9. 3. 1967, IV 184/63, BFHE 88, S. 212. BFH, Urt. v. 18. 2. 1970, I R 97/66, BFHE 98, S. 482. BFH, Urt. v. 25. 9. 1970, VI R 122/67, BFHE 100, S. 301. BFH, Urt. v. 5. 11. 1971, VI R 207/68, BFHE 103, S. 472. BFH, Urt. v. 21. 1. 1972, VI R 187/68, BFHE 104, S. 294. BFH, Urt. v. 14. 2. 1973, I R 77/71, BFHE 108, S. 536. BFH, Urt. v. 30. 4. 1974, VIII R 123/73, BFHE 112, S. 355. BFH, Urt. v. 13. 11. 1974, I R 166/72, BFHE 114, S. 19. BFH, Urt. v. 1. 3. 1977, VIII R 106/74, BFHE 122, S. 60. BFH, Urt. v. 20. 4. 1982, VII R 96/79, BFHE 135, S. 416. BFH, Beschl. v. 12. 7. 1983, VII B 19/83, BFHE 138, S. 424. BFH, Urt. v. 17. 7. 1985, I R 172/79, BFHE 145, S. 1. BFH, Urt. v. 23. 10. 1985, I R 248/81, BFHE 145, S. 175. BFH, Urt. v. 13. 11. 1985, I R 275/82, BFHE 145, S. 202. BFH, Urt. v. 4. 2. 1987, I R 58/86, BFHE 149, S. 109. BFH, Urt. v. 18. 3. 1987, II R 35/86, BFHE 149, S. 267. BFH, Urt. v. 10. 8. 1988, IX R 219/84, BFHE 154, S. 481. BFH, Urt. v. 15. 2. 1989, X R 16/86, BFHE 156, S. 38. BFH, Urt. v. 12. 5. 1989, III R 200/85, BFHE 157, S. 22. BFH, Urt. v. 21. 7. 1989, III R 303/84, BFHE 157, S. 489. BFH, Urt. v. 31. 10. 1989, VIII R 60/88, BFHE 160, S. 7. BFH, Urt. v. 8. 8. 1991, V R 19/88, BFHE 165, S. 307. BFH, Urt. v. 28. 4. 1992, VII B 100/91, BFH/NV 1992, S. 785. BFH, Urt. v. 11. 8. 1992, VII R 90/91, BFH/NV 1993, S. 346. BFH, Urt. v. 1. 10. 1992, IV R 34/90, BFHE 169, S. 503.
Rechtsprechungsverzeichnis BFH, Urt. v. 17. 2. 1993, I R 21/92, BFH/NV 1994, S. 83. BFH, Beschl. v. 7. 3. 1995, VII B 172/94, BFH/NV 1995, S. 941. BFH, Urt. v. 24. 4. 1996, II R 73/93, BFH/NV 1996, S. 731. BFH, Urt. v. 18. 2. 1997, VIII R 33/95, BFHE 183, S. 45. BFH, Urt. v. 30. 7. 1997, I R 11/96, BFH/NV 1998, S. 308. BFH, Beschl. v. 13. 8. 1997, I B 30/97, BFHE 184, S. 92. BFH, Urt. v. 24. 3. 1998, I R 120/97, BFHE 186, S. 98. BFH, Urt. v. 15. 12. 1998, VIII R 6/98, BFHE 187, S. 302. BFH, Beschl. v. 15. 3. 2000, IV B 44/99, BFH/NV 2000, S. 1073. BFH, Urt. v. 13. 9. 2000, I R 61/99, BFHE 193, S. 286. BFH, Urt. v. 20. 12. 2000, I R 50/00, BFHE 194, S. 1. BFH, Urt. v. 29. 3. 2001, IV R 67/99, BFHE 195, S. 261. BFH, Beschl. v. 11. 7. 2001, VII R 28/99, BFHE 195, S. 510. BFH, Urt. v. 5. 9. 2001, I R 60, 61/00, BFH/NV 2002, S. 222. BFH, Urt. v. 26. 6. 2002, IV R 63/00, BFHE 198, S. 399. BFH, Urt. v. 16. 7. 2002, IX R 62/99, BFHE 199, S. 451. BFH, Urt. v. 19. 8. 2002, VIII R 30/01, BFHE 199, S. 561. BFH, Beschl. v. 25. 11. 2002, I B 69/02, BFHE 201, S. 114. BFH, Urt. v. 14. 7. 2004, I R 100/03, BFHE 207, S. 159. BFH, Urt. v. 7. 7. 2004, VI R 171/00, BFHE 206, S. 562. BFH, Urt. v. 7. 7. 2004, VI R 168/01, BFH/NV 2005, S. 357. BFH, Urt. v. 7. 12. 2004, VIII R 70/02, BFHE 208, S. 546. BFH, Urt. v. 9. 6. 2005, IX R 75/03, BFH/NV 2005, S. 1765. BFH, Urt. v. 7. 9. 2005, VIII R 90/04, BFHE 211, S. 183. BFH, Urt. v. 29. 11. 2005, IX R 49/04, BFHE 211, S. 330. BFH, Beschl. v. 29. 11. 2005, IX B 80/05, BFH/NV 2006, S. 719. BFH, Urt. v. 20. 12. 2006, I R 13/06, BFHE 216, S. 259. BFH, Urt. v. 29. 3. 2007, IX R 9/05, BFH/NV 2007, S. 1617. BFH, Urt. v. 6. 6. 2007, II R 17/06, BFHE 217, S. 398. BFH, Beschl. v. 7. 11. 2007, I R 19/04, BFHE 219, S. 300. BFH, Urt. v. 19. 12. 2007, I R 19/06, BFHE 220, S. 160. BFH, Urt. v. 22. 7. 2008, IX R 74/06, BFHE 222, S. 458. BFH, Urt. v. 20. 8. 2008, I R 29/07, BFHE 222, S. 500. BFH, Urt. v. 18. 3. 2009, I B 210/08, BFH/NV 2009, S. 1237.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BFH, Beschl v. 8. 4. 2009, I B 78/08, BeckRS 2009, 25015282. BFH, Urt. v. 30. 4. 2009, VI R 54/07, BFHE 225, S. 50. BFH, Urt. v. 23. 9. 2009, XI R 56/07, BFH/NV 2010, S. 12. BFH, Urt. v. 6. 10. 2009, I R 25/09, BFH/NV 2010, S. 620. BFH, Urt. v. 17. 2. 2010, I R 85/08, BFHE 229, S. 114. BFH, Urt. v. 20. 10. 2010, I R 117/08, BFHE 232, S. 15. BFH, Urt. v. 3. 11. 2010, I R 98/09, BFHE 232, S. 22. BFH, Urt. v. 17. 11. 2011, IV R 2/09, BFH/NV 2012, S. 1309. BFH, Urt. v. 13. 12. 2011, II R 52/09, BFH/NV 2012, S. 695. BFH, Urt. v. 29. 2. 2012, IX R 11/11, BFHE 237, S. 9. BFH, Urt. v. 12. 12. 2012, I R 27/12, BFHE 241, S. 151. BFH, Urt. v. 19. 12. 2012, I R 81/11, BFH/NV 2013, S. 698. BFH, Urt. v. 17. 10. 2013, VI R 44/12, BFHE 243, S. 266. BFH, Beschl. v. 18. 11. 2013, X B 82/12, BFH/NV 2014 S. 292. BFH, Urt. v. 27. 2. 2014, VI R 23/13, BFHE 244, S. 572. BFH, Urt. v. 20. 3. 2014, VI R 43/13, BFHE 245, S. 53. BFH, Urt. v. 29. 4. 2014, VIII R 9/13, BFHE 245, S. 343. BFH, Urt. v. 28. 1. 2015, VIII R 13/13, BFHE 249, S. 125. BFH, Urt. v. 12. 5. 2015, VIII R 14/13, BFHE 250, S. 64. BFH, Urt. v. 7. 7. 2015, VII R 49/13, BFH/NV 2015, S. 1683. BFH, Urt. v. 13. 7. 2016, VIII R 47/13, BFHE 254, S. 390. BFH, Urt. v. 21. 9. 2017, VIII R 59/14, BFHE 259, S. 411. BFH, Urt. v. 20. 11. 2018, VIII R 45/15, BFHE 263, S. 175.
Reichsfinanzhof RFH, Urt. v. 4. 1. 1922, V A 287/21, RFHE 8, S. 6.
Finanzgericht FG Münster, Urt. v. 18. 4. 1974, VII 852/73 E, EFG 1974, S. 521. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 4. 7. 1986, IX 231/82, EFG 1987, S. 158. FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23. 9. 1999, V 7/99, EFG 2000, S. 178. FG Hessen, Urt. v. 15. 3. 2001, 13 K 1061/00, EFG 2001, S. 798.
Rechtsprechungsverzeichnis FG Niedersachsen, Beschl. v. 16. 5. 2003, 13 V 184/03, EFG 2003, S. 1093. FG Hessen, Beschl. v. 23. 11. 2004, 7 V 3590/04, BeckRS 2004, 26017102. FG München, Beschl. v. 1. 2. 2005, 15 V 4976/04, DStRE 2005, S. 699. FG Köln, Beschl. v. 22. 9. 2005, 10 K 1880/05, DStRE 2005, S. 1398. FG München, Urt. v. 16. 8. 2007, 13 V 1918/07, BeckRS 2007, 26024137. FG Niedersachsen, Urt. v. 17. 1. 2008, 10 K 391/02, EFG 2008, S. 1041. FG Hessen, Beschl. v. 7. 8. 2010, 4 V 3084/11, JurionRS 2012, 21137. FG Niedersachsen, Urt. v. 11. 6. 2013, 13 K 163/11, EFG 2013, S. 1836. FG Nürnberg, Urt. v. 12. 6. 2013, 5 K 1552/11, DStRE 2014, S. 600. FG Köln, Urt. v. 5. 8. 2015, 3 K 1040/15, EFG 2016, S. 93. FG Kassel, Urt. v. 10. 2. 2016, 4 K 1684/14, EFG 2016, S. 761. FG Hessen, Urt. v. 10. 3. 2017, 4 K 977/14, EFG 2017, S. 656.
Bundesgerichtshof BGH, Urt. v. 8. 5. 1951, 1 StR 171/51, BGHSt 1, S. 186. BGH, Urt. v. 11. 3. 1952, 1 StR 296/51, BGHSt 2, S. 183. BGH, Urt. v. 3. 4. 1952, 3 StR 630/51, BGHSt 2, S. 338. BGH, Urt. v. 13. 11. 1953, 5 StR 342/53, BGHSt 5, S. 90. BGH, Urt. v. 22. 4. 1955, 5 StR 35/55, BGHSt 7, S. 363. BGH, Urt. v. 17. 11. 1955, 3 StR 234/55, BGHSt 8, S. 254. BGH, Urt. v. 12. 5. 1958, II ZR 103/57, BGHZ 27, S. 241. BGH, Urt. v. 16. 12. 1960, 4 StR 401/60, BGHSt 15, S. 342. BGH, Urt. v. 20. 2. 1962, 1 StR 496/61, BGHSt 17, S. 147. BGH, Urt. v. 19. 1. 1965, 1 StR 497/64, BGHSt 20, S. 143. BGH, Urt. v. 30. 11. 1967, VII ZR 34/65, BGHZ 49, S. 108. BGH, Beschl. v. 3. 9. 1970, 3 StR 155/69, BGHSt 23, S. 319. BGH, Urt. v. 5. 10. 1972, III ZR 168/70, BGHZ 59, S. 310. BGH, Urt. v. 11. 1. 1973, III ZR 32/71, NJW 1973, S. 458. BGH, Beschl. v. 15. 12. 1975, X ZR 52/73, NJW 1976, S. 1154. BGH, Urt. v. 24. 5. 1977, 5 StR 257/76, BeckRS 1977, 31114081. BGH, Urt. v. 26. 9. 1978, 1 StR 293/78, BeckRS 1978, 31113425. BGH, Urt. v. 18. 6. 1979, VII ZR 84/78, BGHZ 75, S. 23. BGH, Urt. v. 20. 5. 1981, 2 StR 666/80, BGHSt 30, S. 122.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BGH, Urt. v. 4. 6. 1981, III ZR 31/80, BGHZ 81, S. 21. BGH, Urt. v. 6. 4. 1982, 5 StR 8/82, NStZ 1982, S. 331. BGH, Urt. v. 26. 1. 1984, III ZR 216/82, BGHZ 90, S. 17. BGH, Urt. v. 28. 6. 1984, III ZR 35/83, BGHZ 92, S. 34. BGH, Urt. v. 6. 12. 1984, III ZR 141/83, MDR 1985, S. 1000. BGH, Urt. v. 5. 3. 1986, 2 StR 666/85, wistra 1986, S. 174. BGH, Urt. v. 31. 1. 1989, 3 StR 179/88, BGHSt 36, S. 100. BGH, Urt. v. 24. 1. 1990, 3 StR 290/89, wistra 1990, S. 193. BGH, Urt. v. 12. 3. 1990, II ZR 179/89, BGHZ 110, S. 323. BGH, Urt. v. 7. 6. 1990, III ZR 74/88, BGHZ 111, S. 349. BGH, Urt. v. 19. 12. 1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, S. 266. BGH, Urt. v. 23. 5. 1991, III ZR 73/90, NJW-RR 1991, S. 1458. BGH, Urt. v. 4. 6. 1992, III ZR 93/91, BGHZ 118, S. 304. BGH, Urt. v. 24. 9. 1992, IX ZR 217/91, NJW 1993, S. 522. BGH, Urt. v. 21. 1. 1993, III ZR 189/91, BGHZ 121, S. 161. BGH, Urt. v. 20. 1. 1994, IX ZR 46/93, NJW 1994, S. 1211. BGH, Beschl. v. 23. 3. 1994, 5 StR 91/94, BGHSt 40, S. 109. BGH, Urt. v. 18. 10. 1994, XI ZR 237/93, BGHZ 127, S. 229. BGH, Beschl. v. 13. 12. 1994, 1 StR 622/94, NStZ 1995, S. 233. BGH, Urt. v. 25. 1. 1995, 5 StR 491/94, BGHSt 41, S. 1. BGH, Urt. v. 14. 3. 1996, III ZR 224/94, BGHZ 132, S. 181. BGH, Urt. v. 15. 7. 1997, XI ZR 269/96, BGHZ 136, S. 261. BGH, Urt. v. 4. 11. 1997, 1 StR 273/97, BGHSt 43, S. 293. BGH, Urt. v. 19. 12. 1997, 5 StR 569/96, BGHSt 43, S. 381. BGH, Urt. v. 17. 2. 1998, 5 StR 624/97, wistra 1998, S. 225. BGH, Urt. v. 3. 3. 1998, X ZR 106/96, NJW 1998, S. 3355. BGH, Urt. v. 17. 2. 1999, 5 StR 494/98, BGHSt 44, S. 376. BGH, Urt. v. 20. 7. 1999, 1 StR 668/98, NJW 2000, S. 154. BGH, Urt. v. 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, NStZ 2000, S. 203. BGH, Urt. v. 23. 2. 2000, 5 StR 570/99, NStZ 2000, S. 320. BGH, Beschl. v. 28. 6. 2001, III ZR 286.00, WM 2001, S. 1734. BGH, Urt. v. 17. 7. 2001, X ZR 13/99, NJW-RR 2002, S. 591. BGH, Urt. v. 15. 11. 2001, 1 StR 185/01, BGHSt 47, S. 148. BGH, Urt. v. 17. 4. 2002, 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, S. 237.
Rechtsprechungsverzeichnis BGH, Urt. v. 22. 5. 2003, 5 StR 520/02, NJW 2003, S. 2924. BGH, Beschl. v. 22. 7. 2004, 5 StR 85/04, NJW 2004, S. 2990. BGH, Urt. v. 16. 9. 2004, III ZR 346/03, BGHZ 160, S. 216. BGH, Urt. v. 9. 12. 2004, III ZR 263/04, BGHZ 161, S. 305. BGH, Urt. v. 12. 5. 2005, VII ZR 97/04, BGHZ 162, S. 103. BGH, Urt. v. 6. 10. 2005, IX ZR 111/02, NJW 2006, S. 288. BGH, Urt. v. 16. 1. 2006, I ZR 83/03, NJW 2006, S. 1804. BGH, Urt. v. 24. 1. 2006, XI ZR 384/03, BGHZ 166, S. 84. BGH, Urt. v. 2. 2. 2006, III ZR 131/05, NVwZ 2006, S. 966. BGH, Beschl. v. 27. 7. 2006, VII ZB 16/06, BGHZ 168, S. 380. BGH, Beschl. v. 2. 4. 2008, 5 StR 354/07, BGHSt 52, S. 182. BGH, Urt. v. 29. 8. 2008, 2 StR 587/07, BGHSt 52, S. 323. BGH, Urt. v. 2. 12. 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, S. 71. BGH, Beschl. v. 8. 2. 2011, 1 StR 651/10, BGHSt 56, S. 153. BGH, Urt. v. 8. 9. 2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, S. 465. BGH, Beschl. v. 6. 10. 2011, V ZB 18/11, NJW-RR 2012, S. 87. BGH, Beschl. v. 3. 5. 2012, 2 StR 446/11, NStZ 2013, S. 40. BGH, Beschl. v. 15. 5. 2012, 3 StR 118/11, NJW 2012, S. 2366. BGH, Urt. v. 9. 4. 2013, 1 StR 586/12, BGHSt 58, S. 218. BGH, Urt. v. 27. 10. 2015, 1 StR 373/15, BGHSt 61, S. 28.
Bundesarbeitsgericht BAG, Urt. v. 14. 6. 1974, 3 AZR 456/73, BAGE 26, S. 187. BAG, Urt. v. 19. 1. 1979, 3 AZR 330/77, BAGE 31, S. 236. BAG, Beschl. v. 11. 6. 2003, 5 AZB 1/03, NJW 2003, S. 2629.
Bundessozialgericht BSG, Urt. v. 13. 10. 1967, 12 RJ 456/65, NJW 1968, S. 1006.
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Rechtsprechungsverzeichnis
Reichsgericht RG, Urt. v. 21. 12. 1931, VIII 349/31, RGZ 135, S. 25. RG, Urt. v. 18. 1. 1935, V 347/34, RGZ 146, S. 317.
Oberlandesgericht OLG Hamburg, Urt. v. 17. 12. 1952, Ss 72/52, NJW 1953, S. 478. BayObLG, Urt. v. 3. 3. 1980, 4 St 266/79, BayObLGSt 1980, S. 18. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20. 12. 1989, 1 U 103/89, WM 1991, S. 276. BayObLG, Beschl. v. 28. 3. 2001, 4 St RR 29/2001, NStZ 2001, S. 487.
Landgericht LG Mannheim, Urt. v. 25. 8. 1995, 5 O 174/95, ZIP 1995, S. 1506. LG Rostock, Urt. v. 16. 6. 2005, 9 O 328/04, NJW-RR 2006, S. 90. LG Frankfurt am Main, Urt. v. 19. 10. 2017, 2-19 O 91/17, n. v.
Amtsgericht AG Celle, Urt. v. 20. 2. 2013, 14 C 1362/12 (9), WM 2015, S. 2160. AG Wolfsburg, Urt. v. 15. 5. 2013, 22 C 549/12, WM 2015, S. 2161. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17. 10. 2014, 32 C 1696/14 (18), DStR 2015, S. 1398.
Verzeichnis der Schreiben der Finanzverwaltung Schreiben des Bundesfinanzministeriums BMF Schreiben v. 31. 8. 1979 betr. Ermittlungen bei Kreditinstituten, S 2252, BStBl. I S. 590. BMF Schreiben v. 2. 2. 1993 betr. Einzelfragen zur Anwendung des Zinsabschlaggesetzes, IV B 4 – S 2000 – 280/92, DB 1993, S. 813. BMF Schreiben v. 10. 12. 1999 betr. Börsengang der Deutschen Telekom AG, IV C 6 – S 1900 – 228/991, BStBl. I S. 1129. BMF Schreiben v. 10. 3. 2005 betr. Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO); Regelungen zu §§ 92 und 93 AO (Auskunftsersuchen; Kontenabruf), IV A 4 – S 0062 – 1/05, BStBl. I S. 422. BMF Schreiben v. 29. 12. 2011 betr. u. a. Sammelsteuerbescheinigungen nach § 44a Abs. 10 Satz 4 EStG, IV C 1 – S 2401/08/100001:007, BStBl. I S. 45, Anlage. BMF Schreiben v. 9. 10. 2012 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/10/ 10013, BStBl. I S. 953. BMF Schreiben v. 12. 09. 2013 betr. u. a. Steuerpflicht von Erträgen aus der Veräußerung von vor dem 1. Januar 2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussrechten; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 – I R 27/12, IV C 1 – S 2252/07/0002:010, BStBl. 2013 I S. 1167. BMF Schreiben v. 3. 12. 2014 betr. Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG, IV C 1 – S 2401/08/10001:011, BStBl. I S. 1586, Muster I. BMF Schreiben v. 8. 7. 2015 betr. Kapitalmaßnahme von Google Inc. (USA) und von A. P. Moeller/Maersk A/S (Dänemark) im April 2014, IV C 1 – S 2252/09/10004:003, BStBl. I S. 543. BMF Schreiben v. 10. 11. 2015 betr. Anwendung der Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch (Tax Information Exchange Agreement – TIEA), IV B 6 – S 1301/11/ 10002, BStBl. I S. 138. BMF Schreiben v. 18. 1. 2016 betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, IV C 1 – S 2252/08/ 10004:017, BStBl. I S. 85. BMF Schreiben v. 23. 3. 2016, betr. u. a. Kapitalmaßnahme von Google Inc. (USA) im April 2014, IV C 1 – S 2252/09/10004:003, BStBl. I S. 457. BMF Schreiben v. 1. 2. 2017 betr. Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen, IV B 6 – S 1315/13/10021:044, BStBl. I S. 305. BMF Schreiben v. 20. 3. 2017, betr. Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Co. (USA) im November 2015; Kapitalertragsteuerabzug auf die Ausgabe von Aktien der Hewlett-Packard Enterprise Company, IV C 1 – S 2252/15/10029:002, BStBl. I S. 431.
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Verzeichnis der Schreiben der Finanzverwaltung
BMF Schreiben v. 17. 7. 2017 betr. Steuerliche Behandlung von „Cum/Cum-Transaktionen“, IV C 1 – S 2252/15/10030:005, BStBl. I S. 1324. BMF Schreiben vom 16. 9. 2019 betr. Ergänzung des BMF Schreibens vom 18. Januar 2018 (BStBl. I S. 85), IV C 1 - S 2252/08/10004:027, BStBl. I S. 889.
Schreiben der Oberfinanzdirektionen OFD München Verfügung v. 27. 9. 1996 betr. Beendigung eines Freistellungsauftrags, S 2404 – 20 St 42, DB 1996, S. 2204. OFD Karlsruhe Verfügung v. 24. 06. 2002 betr. Ausstellung von Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungsbescheiden, S 2299a – A – St 335, StEd 2002, S. 606. OFD München/Nürnberg Verfügung v. 2. 5. 2003 betr. Börsengang der Deutschen Telekom AG (DTAG); Ausgabe Bonusaktien, S 2252 – 84 St 41, S 2252 – 291 St 31, FR 2003, S. 634. OFD Koblenz v. 2. 2. 2005 betr. Kurzinformation der Steuergruppe St 3 – Einkommensteuer Nr. 015/05, S 2407 A, DB 2005, S. 531.
Sachverzeichnis Abgeltungsteuer 33, 45, 81, 92 ff., 155, Additiver Grundrechtseingriff 264 Allgemeiner Bankvertrag 129, 156, 171 ff., 178 ff., 187, 341 Allgemeiner Gleichheitssatz 247, 284, 310 ff., 330 Amtshaftung 180, 223, 236, 241 Anrufungsauskunft 70 ff., 157, 244, 276, 338 Anzeigepflichten 90, 118 ff., 268 Appellentscheidung 332, 347 Arbeitszwang 273, 303 ff., 345 Bankgeheimnis 127 ff., 297, 339 f. Befreiungstatbestände 65 ff., 92, 296 Beihilferecht 94 ff., 297, 339 Beihilfestrafbarkeit 197, 203 f. Beliehene/Beleihung 219, 222 ff., 256, 343 Bemessungsgrundlage 50, 74 ff., 86, 92, 120 f., 130, 172 f., 296, 338 Berufsfreiheit 247, 252 ff., 306 ff., 344 Common Reporting Standard (CRS) 50, 140 f., 196, 298 Delta-Korrektur 64, 74, 78, 172 f. Dokumentationspflichten 124, 133 ff., 268, 298, Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 143 ff., 176, 298, 340 Eingriff 30 f., 245, 253 ff., 258 ff., 274 ff., 282 ff., 292, 301 ff., 318, 324 f., 344 f. Eigentumsfreiheit 247, 252, 282, 305 ff., 345 Entschädigungspflicht 281 ff., 290 ff., 320 ff., 325, 345
Finanzamt 28, 32 ff., 49, 84, 88 ff., 337 Fiskus 28, 70, 85 ff., 92 f., 147, 149, 155 ff., 171, 181 ff., 187 f., 205 ff., 244, 296, 299, 339 ff. Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) 50, 140 ff., 196, 298, 340 Freistellungsauftrag 30, 74, 98 ff., 119, 135 f., 150, 212 f., 276 f., 287 ff., 296, 339, 342, 344 Gesamteingriff 266 ff., 292, 325, 334 f., 344 Gesonderter Steuersatz 78 ff., 81, 96 Gläubiger der Kapitalerträge 34, 49 ff., 84 f., 88 ff., 337 Grobe Fahrlässigkeit 101, 120, 147, 149, 151 ff., 165, 167, 187 f., 224, 340 f. Grundrechtliches Optimierungsgebot 277 ff. Haftung 68, 72, 120 f., 132 f., 147 ff., 187 ff., 190, 192, 244, 299, 340 f. Haftungsmodell 160, 188, 341 Haftungsbescheid 71, 161 f., 168 Haftungsschuld 52, 147 ff., 161 ff., 167 f., 340 Hauptpflichten 50, 124, 146, 268, 296 ff., 338 Indienstgenommene Private/Indienstnahme Privater 219, 240 ff., 246, 251 ff., 282 ff., 293 ff. Informationsmodell 279 ff., 345 Kapitalertragsteuer 28 ff., 32 ff., 35 ff. Kapitalertragsteuerabzug 32, 49, 147 ff., 172 ff., 178 ff., 187 Kapitalertragsteueraußenprüfung 68, 124, 130 ff., 172, 191, 211, 241, 297 Kapitalertragsteuer-Anmeldung 132, 168 f., 171, 197, 198 ff., 230 ff., 342
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Sachverzeichnis
Kapitalertragsteuererstattung 68, 99, 103, 165, 173 ff., 339, 341 Kapitalertragsteuerverfahren 29 ff., 32 ff., 49 ff., 145 f., 337 f., 348 f. Kirchenkapitalertragsteuer 82 ff., 91, 150, 195, 348 Kompetenzordnung 247 f., 343 Kontenabrufverfahren 124 ff., 213, 268, 297, 339 Kreditinstitut 27 ff., 34, 337 Kuponsteuer 222, 253 f., 261, 308, 322, 328 Kumulative Belastung 263 ff. Kumulativer Eingriff 266 ff. Leichte Fahrlässigkeit 151 f., 158, 183 f., 188, 192, 195 Lohnsteuerverfahren 28 f., 70 ff., 219 f., 238, 276, 295, 321 Mitteilungspflichten 194 f., 268
43 f., 103, 118 ff.,
Nachforderungsbescheid 132, 161 ff., 231, 327 Nebenpflichten 30, 50, 124 ff., 146, 181, 207, 268, 296 ff., 338 f. Nichtveranlagungsbescheinigung 98, 112 f., 117 Rechtsschutz 71, 196, 247, 322 ff. Reputationsrisiko 215, 300 f., 342 Reputationsschaden 31, 147, 214 f., 298, 300, 342 Säumniszuschlag 89 f., 167 f., 170 f. Schadensersatz 58, 68, 147, 158, 167, 171 f., 178 ff., 184 ff., 299, 341 Solidaritätszuschlag 88, 91, 150 Steueraufkommen 28, 35 f., 45, 89, 97, 130, 271 ff., 302, 332 Steuerbescheinigungen 51, 115 ff., 166, 187, 203 f., 212, 228, 268, 297
Steuerhinterziehung 138, 193 f., 198 ff., 228, 281, 294, 321, 342 Steuerpflicht 33, 52, 56 f., 86, 181 f., 221 Steuerschuld 147 f., 150, 168, 193, 205, 222, 280, 299 Steuerverkürzung 193 f., 201 ff. Steuerverwaltungskosten 31, 147, 209 ff., 298, 300, 342 Strukturelles Vollzugsdefizit 40 ff., 294 Synthetische Einkommensbesteuerung 45 f., 78 ff. Tax Information Exchange Agreements (TIEA) 50, 143 ff., 298, 340 Tipke-Urteil 42 ff. Unternehmensteuerreformgesetz 45 ff., 58, 78 f., 94, 130, 323, 325, 337 Untreue 197, 204 ff., 342 Unvereinbarerklärung 328, 330 ff., 336, 347 Verfassungsbeschwerde 253 f., 267, 322 ff., 346 f. Verhältnismäßigkeit 263, 269 ff., 283, 316 ff. Verlustverrechnung 76 ff., 103, 117, 120 f., 132, 296 Vermögensbetreuungspflicht 205 ff., 342 Verspätungszuschlag 114, 147, 168, 170 f. Vertreter 167, 192, 197 ff., 208, 341 f. Verwaltungshelfer 235 ff., 315, 343 Vollstreckung 161, 165, 168 ff. Vorsatz 147, 149 ff., 167, 183, 191 ff., 196, 202 f., 208 Zahlungsströme 91, 125, 138 Zinsurteil 40 ff., 80 Zuschätzung 132, 168 ff. Zwangsarbeit 273, 304 f., 345 Zwangsgeld 168 ff.