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German Pages 415 Year 1999
JÜRGEN WEIDEMANN
Die Stellung der Beschwerde im funktionalen Zusammenhang der Rechtsmittel des Strafprozesses
Schriften zum Prozessrecht Band 147
Die Stellung der Beschwerde im funktionalen Zusammenhang der Rechtsmittel des Strafprozesses Von Jürgen Weidemann
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Weidemann, Jürgen: Die Stellung der Beschwerde im funktionalen Zusammenhang der Rechtsmittel des Strafprozesses / von Jürgen Weidemann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 147) Zugl.: Bochum, Univ., Habil.-Schr., 1998 ISBN 3-428-09674-6
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-09674-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §
Gewidmet meinem Vater Kurt Weidemann und meinem Schwiegervater und beruflichen Partner Hans Dahl
Vorwort Diese Arbeit ist im Sommersemester 1998 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Habilitationsschrift angenommen worden. Ihre Zielsetzung ergibt sich aus der Einleitung. Literatur konnte noch bis Ende 1997 berücksichtigt werden. Meinen besonderen Dank schulde ich meinem verehrten Mentor, Herrn Prof. Dr. Günter Warda, dessen Assistent ich vor langer Zeit sein durfte. Mit Ermutigung, Anregungen, positiver Kritik und nobler Nachsicht gegenüber den wissenschaftlichen Eskapaden seines Schülers bewirkte er, daß der erforderliche Antrieb zur "Beschwerde" trotz der Anforderungen von Beruf und Familie nie ganz erlahmte. Zudem widmete er mir die Zeit und Mühe einer ersten Durchsicht der Arbeit. Sehr zu danken habe ich Frau Prof. Dr. Ellen Schlüchter, die die Arbeit in ihrer Endphase durch scharfsinnige Denkanstöße förderte. Dank spreche ich auch der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, insbesondere Herrn Prof. Dr. Ulrich Berz, für die freundliche Unterstützung aus. Dankend erwähnen möchte ich den Auslöser der Idee zu dieser Arbeit, meinen Studienfreund Prof. Dr. Friedrich Dencker, Münster. Während der Anfertigung der Arbeit verlor ich meinen Vater und meinen Schwiegervater, beide gleichfalls Juristen, deren Gedenken ich die Schrift widme. Meiner Frau und meiner Tochter habe ich für langjähriges Verständnis und den Verzicht auf viel gemeinsame Zeit zu danken. Ein herzlicher Dank gilt meiner treuen und zuverlässigen Sekretärin, Frau Petra Dittmann, die loyal und geduldig die nicht immer einfache Niederschrift des Manuskripts in dessen ständiger Überarbeitung vornahm. Auch Frau Rosemarie Kruck hat in der Endphase bei der Gestaltung der Schrift sehr geholfen. Dortmund, im September 1998
Jürgen Weidemann
Inhaltsverzeichnis EiIütihrung
I. Das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde (die Prozeßbeschwerde) im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden" (den Rechtsmitteln eigener Art) ............
21
I. "Die Beschwerde", ein nicht homogenes Rechtsmittel........................
21
2. Die Verfahrensabschnitte der Prozeßbeschwerde (§ 304 I) ....................
23
3. Die unechte einfache Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art ...............
25
4. Die unechte sofortige Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art ...............
27
5. Gibt es eine "unechte weitere Beschwerde"? ..................................
29
6. Die Bestimmungen der §§ 304 ff. als ein in sich nicht geschlossenes System ..
30
H. Das Wesen der Prozeßbeschwerde im Verhältnis zu anderen Rechtsmitteln .......
31
I. Die Bestimmung des Beschwerdegegenstandes aus § 304 I ...................
31
2. Aus dem Beschwerdegegenstand resultierende Konkurrenzen zu anderen Rechtsmitteln ................................................................
33
III. Der Gang der Untersuchung .....................................................
34
Erster Teil
Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
I. Vom Entwurf I bis zum Gesetz ..................................................
36
I. Der Entwurf von Januar 1873 (Entwurf I) .................................... a) § 305 S. 1 im Verhältnis zu § 336 ........................................ b) § 305 S. 2 ...............................................................
36 36 40
2. Die späteren Entwürfe und das Gesetz ........................................
40
H. Die Rechtsprechung des RG zur Rechtsmittelkonkurrenz und die frühere gesetzliche Lage .......................................................................
45
1. Beschränkung des § 336 durch das RG auf Entscheidungen aus der Zeit nach Eröffnung des Hauptverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2. Aufgrund Gesetzes keine Rechtsmittelkonkurrenz hinsichtlich der Entscheidungen des erkennenden Gerichts ............................................
50
III. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime auf das Verfahren des erkennenden Gerichts .........................................................................
51
1. Revisionseinschränkung durch § 336 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
2. Zwang aus der Natur der Sache? .. . . ... .. ... . .. . . . . . . . . .. . . . . ... . .. . . .. . . . . .. .
57
10
Inhaltsverzeichnis
IV. Die Rechtsmittelabgrenzung im Zivilprozeß .....................................
58
V. § 336 S. 2: Die Alternativen "unanfechtbar" und "mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar" .......................................................... . . . . . . . . . . . .
62
I. Allgemeines . .. . . . .. . . . .. . .. . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . a) Folgen aus der Übernahme des § 548 ZPO an sich ........................ b) Folgen der bruchstückhaften Übernahme des § 548 ZPO ..................
62 63 65
2. Die richtige Anknüpfung zur Bestimmung der "Unanfechtbarkeit" . . . . . . . . . . . .
66
3. § 304 IV: Revisionsausschluß durch Beschwerdeausschluß? ................ . . a) Die herrschende Meinung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entstehungsgeschichte des § 304 IV 2 ................................ c) Die amtliche Begründung des Gesetzes vom 8. 9. 1969.................... d) Der Rechtsgedanke des § 548 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 68 69 70
4. Die "Revisionsbeschwerde" des § 28 11 2 .....................................
73
VI. Rechtskraftprobleme ............................................................
78
1. Formelle Rechtskraft der sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen.......... ..... ............. ............. .... .............. ................
78
2. Formelle Rechtskraft der Entscheidungen des Beschwerdegerichts ............ a) Rechtskraft aufgrund § 336 S. 2, 2. Alt. ("mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar") .............................................................. b) Rechtskraft infolge § 336 S. 2, 1. Alt. ("unanfechtbar") ................... c) Die Gleichstellungsproblematik ...........................................
81 81 81 82
3. Materielle Rechtskraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
4. Folgerungen für das Rechtskraftargument als Revisionsausschluß . . . . . . . . . . . . .
88
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung ..............................................
89
1. Die Bindung des judex a quo nach Zurückverweisung ........................
90
2. Die Bindung desjudex a quo nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens ......
91
3. Die Bindung des Revisionsgerichts ...........................................
95
4. Innerprozessuale Bindung durch positivrechtliche Anordnung: Die Entscheidungen nach § 28 I und § 46 11 ............................................... 97 a) Die Wiedereinsetzung .................................................... 97 b) Richterablehnung ......................................................... 100 c) Zusammenfassung: Rechtskraft - Bindungswirkung - res judicata ........ 103 5. Ergebnis ..................................................................... 104 VIII. Die synchrone Auslegung der §§ 305 und 336 ................................... 105 1. Der Ausgangspunkt.......................................................... 105
2. Die Beruhensmöglichkeit als Einschränkung des § 305 ....................... 107 3. Beschränkung des § 336 S. 1 auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts ...................................................................... 108 IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung: Der Beruhenszusammenhang mit dem Urteil. . . . . . . . .. . . .. . ... . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . ... .... . .. . . ... . .. . . 110 1. Der Begriff des Beruhens in § 336 S. 1 ist der des § 337 I ..................... 110
Inhaltsverzeichnis 2. § 337 I unterscheidet zwischen Verfahrens- und Sachrevision .. . . . . .... .. .. ..
11 112
a) Die Unterscheidung zwischen Verfahren und Urteil ...................... 112 b) Der Beruhenszusammenhang ist ausschließlich bei Fehlern des Verfahrens problematisch ...................................................... 117 c) Die Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht am Beispiel der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung ................... 122 3. § 336 ist eine Bestimmung der Verfahrensrevision ........................... 126 4. Vorentscheidungen werden nicht "angefochten" und nicht "aufgehoben" .... 128 5. Der Beruhenszusammenhang zwischen Vorentscheidung und Urteil ......... 128 a) In der Kausalitätsbetrachtung des historischen Gesetzgebers ............. 128 aa) Die Beschränkung auf mögliche Kausalität (die von Schwarzesche Beweisregel) ........................................................ 129 bb) Die Berücksichtigung hypothetischer Bedingungen ................. 131 b) Von der Kausalität zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang ................ 132 c) Die "Umkehr" des Grundsatzes "in dubio pro reo" im Prozeßrecht ....... 134 d) Gesetzesverletzung durch Handlung und Unterlassung................... 135 e) Psychische Kausalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 f) Die Konsequenz: Enthält § 337 ein durch das Revisionsgericht unerfüllbares Postulat? .......................................................... 142 g) Statt Kausalitätsbetrachtung Abstellen auf den normativen Zusammenhang ..................................................................... 147 h) Die Beruhenseignung der Mißachtung von Beweisverboten .............. 158 6. Verletzung des § 30611 als Revisionsgrund? ................................. 161 a) Bei der unbefristeten Beschwerde........................................ 161 b) Bei der sofortigen Beschwerde .......................................... 163 7. Das Kriterium der über das Verfahren hinausreichenden "weiteren Wirkungen" ........................................................................ 164 8. Entscheidungen nach § 305 S. 2 ............................................. 165 a) Grundsätzliches ......................................................... 165 b) Grundrechtsbeeinträchtigung als Voraussetzung für die Beschwerdefähigkeit? ..................................................................... 168 c) Konkurrenz zwischen Beschwerde gegen einen Beschluß nach § 111 a und Revision? ........................................................... 169 9. Die Entscheidungen des Beschwerdegerichts als Vorentscheidungen nach § 336 S. I? .................................................................. 170 10. Inwiefern ist der Grundsatz der Überprüfung der Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht selbstverständlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172 X. Der Grundsatz des § 336 S. 1 (Prüfung von Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht) außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO ..................... 174 1. Verfahrensrechtsmittel: Der Grundsatz des § 336 S. I gilt ................... 174 a) Der Rechtsgedanke des § 336 S. I ist im OWiG-Verfahren anzuwenden .. 174 b) Die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG ............................. 175
12
Inhaltsverzeichnis 2. Rechtsmittel ohne Verfahrensüberprüfung der Vorinstanz - Der Grundsatz des § 336 S. 1 gilt nicht und demzufolge auch nicht § 305 S. 1 .................... a) Das Beschwerdeverfahren ................................................ b) Die "Rechtsbeschwerde" des § 305 al .................................... c) Die Beschwerde im Vollstreckungsverfahren .............................. d) Das Wiederaufnahmeverfahren ...........................................
175 175 177 178 179
XI. Der Rechtsgedanke des § 305 S. 1 (keine Beschwerde gegen Vorentscheidungen des erkennenden Gerichts) außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO ........ 180 1. Allgemeines.................................................................. 180
2. Verfahren nach dem StVollzG ................... . ................. .. ......... 181 3. Das Wiederaufnahmeverfahren.................. . ............................ 182
Zweiter Teil Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung I. Regelungslücke im Rahmen der Berufungsvorschriften .......................... 184 II. Die Bedeutung des § 512 ZPO für den Zivilprozeß............................... 185 III. Strukturelle Unterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Die Altemativitätsmaxime ................................................... 186
2. Die Sprungrevision des i 335 I WIld die Wablrevision des i 55 III JGG ....... 187 3. Die revisionsähnliche Funktion der Berufung im Strafprozeß ................. 189 IV. Die Bedeutung des § 336 für das Berufungsverfahren unter Geltung des § 328 II a.F. .............................................................................. 190 1. Allgemeines...................................................... .. .......... 190
2. § 336 S. 2 in der Berufungsinstanz............................................ 192 a) Die unanfechtbaren Entscheidungen ...................................... 192 b) Mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidungen................... 193 V. Die Bedeutung des § 336 für das Berufungsverfahren nach Aufhebung der Zurückverweisungsmöglichkeit des § 328 II a.F. ................................. 194 1. Allgemeines.................................................................. 194
2. Fehlen von Sachentscheidungsvoraussetzungen ............................... 195 3. Innerprozessuale Bindungswirkung? ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Die Rechtskraft der mit sofortiger Beschwerde angreifbaren Entscheidungen in der Berufung .............................................................. 198 VI. Konkurrenz zwischen Beschwerde und Berufung? ............................... 199 1. Allgemeines.................................................................. 199
2. Abweichende Grenzziehung gegenüber den Bereichen Beschwerde/Revision? ......................................................................... 199
Inhaltsverzeichnis
13
Dritter Teil
Beschwerde und Zwischenverfahren I. Begriffsbestimmung............................................................. 201 1. Die Zwischenrechtsbehelfe ................................................... 202 2. Die Inzidentverfahren ........................................................ 205 11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV ...................... 205 1. Die Vorlage an das Verfassungsgericht nach Art. 100 GG ..................... a) Das Entscheidungsmonopol des Verfassungsgerichts ...................... b) Die Vorlagepflicht nach Art. 100 GG und die fehlende innerprozessuale Bindung: Ein Konflikt .................................................... c) Die Ablehnung der Vorlage............................................... d) Die mit der Vorlage verbundene Aussetzung ..............................
205 206
2. Die Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV ................................... a) Die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH (das Argument des urteilsvorbereitenden Charakters der Vorlage) ............................. b) Art. 100 GG und Art. 177 EGV: Unterschiede und Gemeinsamkeiten ..... c) Die Ablehnung der Vorlage............................................... d) Die Aussetzungsentscheidung .............................................
210
207 208 209
211 211 214 214
3. Schlußfolgerungen für die Diagnose eines echten Zwischenverfahrens (Inzidentverfahrens) ............................................................... 214 III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO ........................................ 1. Der Verteidigerausschluß ..................................................... a) Die Ausschließungsentscheidung ......................................... b) Die Vorlageentscheidung (§ 138 c 11 1) .................................... c) Die Ablehnung der Vorlage ............................................... d) Die Nichtbescheidung des Vorlageantrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Die begleitenden Anordnungen ........................................... f) Entscheidungen über die Aufhebung des Verteidigerausschlusses .... . . . . ..
215 215 215 216 217 223 224 224
2. Der Vorschlag Gössels: Zwischenverfahren zur Bestimmung der Unverwertbarkeit eines Beweismittels ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 3. Zuständigkeitsbestimmungen durch das gemeinschaftliche obere Gericht ..... 227 a) Die Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts ................ 227 b) Die Entscheidung des Instanzgerichts ........................ . ............ 228 4. Das Überwachungsverfahren ................................................. 231 Vierter Teil
Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art; besondere Verfahren; stillschweigender Beschwerdeausschluß; stillschweigende Beschwerdezulassung I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art ...................................... 233 1. Die Aufhebungsentscheidung nach § 51 11 3 .................................. 233
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 238 11) .......................... 236 3. Die Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (§§ 31911 1,34611 1) ....... 245
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Inhaltsverzeichnis 11. Besondere Verfahrensarten ...................................................... 247 1. Gerichtliche Vorlagen ........................................................ 247 2. Abhilfeverfahren ............................................................. 248
111. Die These vom stillschweigenden Ausschluß der Beschwerde ................... 249 IV. Stillschweigende Beschwerdezulassung ......................................... 250 V. Die Gegenvorstellung ........................................................... 251 Fünfter Teil
Die Beschwerdefahigkeit einzelner Entscheidungen I. Die Eröffnungsentscheidung ..................................................... 253 1. Die unterschiedlichen Meinungen ............................................ 253 a) Zur Beschwerdefähigkeit ................................................. 253 b) Zu den Auswirkungen auf die Revisibilität ................................ 254 2. Die Verzahnung der Probleme ................................................ 255 3. Die einfache Beschwerde gegen die Eröffnungsentscheidung ................. 258 4. Die sofortige Beschwerde .................................................... 261 5. Die Revision ................................................................. a) Wechselwirkung der Revision mit einfacher und sofortiger Beschwerde ... b) Der Erötfnungsbeschtufl als Prozeflvoraussetzung ......................... c) Der Zusammenhang zwischen §§ 210 I und 336 ........................... aa) Der Entwurf I ........................................................ bb) Das Gesetz........................................................... cc) Die Rechtsprechung des RG .......................................... dd) Die Einführung des § 336 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Eröffnungsbeschluß und Urteil ............................................
262 262 263 266 266 267 267 270 272
6. Exkurs: Die Behandlung des fehlerhaften Eröffnungsbeschlusses in der ersten Instanz und in der Berufung .................................................. a) Besonderheiten der Berufung ............................................. b) Fehlerberücksichtigung in der ersten Instanz .............................. c) Die hier vertretene Auffassung. . .. . . ... . ... . . . .... . . . . ... . . . .. . . .. . . . . .. ..
276 276 277 277
7. Konsequenz: Formelle Fehler des Eröffnungsbeschlusses entziehen dem weiteren Verfahren die Grundlage ................................................ 280 11. Entscheidungen im Hauptverfahren .................... .. . . .. .. .. . . . . . . . .. . . . . ... 282 1. Verbindungs- und Trennungsbeschlüsse .......................... . ........... a) Sach- und Verhandlungsverbindung ....................................... b) Das Verfahren bei der Sachverbindung .................................... c) Die Beschwerdefähigkeit der Entscheidungen vor Eröffnung.............. d) Die Entscheidungen des erkennenden Gerichts ............................ aa) Der Anknüpfungspunkt der h.M.: Innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung ........................................................ bb) Der hier vertretene Anknüpfungspunkt: Der Beruhenszusammenhang
283 283 283 284 285 285 286
Inhaltsverzeichnis
15
2. Zuständigkeitsfragen ......................................................... a) Die Anfechtbarkeit der den Unzuständigkeitseinwand verwerfenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Rechtskraftfragen ......................................................... aa) Rechtskraft der Zuständigkeitserklärung? .................. . . . ........ bb) Die Unzuständigkeitserklärung des § 16 .............................. c) Abgabe- und Übernahmeentscheidungen .................................. aa) Vor und mit Eröffnung ............................................... bb) Nach Eröffnung ......................................................
289
3. Entscheidungen über Befangenheit und Ausgeschlossenheit .................. a) Die Grundzüge ........................................................... b) Rechtskrafterwägungen ................................................... c) Entscheidungen nach § 30 ................................................ d) Zwei Verfahrenswege für die Ausschließung? ............................. e) Zusammenfassung........................................................
299 299 302 305 307 308
289 291 291 293 295 295 296
4. Entscheidungen über die Wiedereinsetzung ........................ . . . . . . . . . .. 308 a) Die Grundzüge ........................................................... 308 b) Zusammentreffen von Ablehnung wegen Befangenheit und Wiedereinsetzung ................................................................... 309 5. Entscheidungen über den Verfahrensgang: Aussetzung, Unterbrechung, Terminierung .................................................................... a) Die Grundzüge ........................................................... aa) Die Befugnisse des Vorsitzenden ..................................... bb) Die Wirkungen von Unterbrechnung, Aussetzung, Terrninierung ...... b) Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen zur Aussetzung....... 6. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bestellung eines Verteidigers .... a) Probleme des § 238 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Bestellung und Abberufung eines Pflichtverteidigers ...................... aa) Das Argument von der Gewährleistung eines justizförrnigen Verfahrens.................................................................. bb) Der Hinweis auf die "weiteren Verfahrenswirkungen" ................ cc) Der Hinweis auf die "nicht nochmalige Überprüfung bei der Urteilsfällung" .............................................................. c) Entscheidungen im Zwischenverfahren ................................... d) Zurückweisung des Verteidigers ..........................................
309 309 310 310 314 322 322 323 326 326 327 329 329
7. Entscheidungen nach §§ 81, 81 a ............................................. 331 a) Entscheidungen nach § 81 ................................................ 331 b) Entscheidungen nach 81 a ................................................ 335 8. Entscheidungen über den Inhalt des Protokolls und die Art der Protokollierung .......................................................................... a) Die herrschende Ansicht .................................................. b) Die hier vertretene Auffassung............................................ c) Exkurs: Die Beruhenseignung von Protokollentscheidungen .............. aa) Entscheidungen über die Art der Protokollierung (§ 273 III 2) ........ bb) Entscheidungen über den Inhalt des Protokolls .......................
336 336 337 337 337 340
9. Maßnahmen der Sitzungspolizei .............................................. 341
16
Inhaltsverzeichnis
III. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung ....................................... 343 1. Die Beschwerdefähigkeit der Einstellungsentscheidungen .................... 343 a) Der "stillschweigende" Beschwerdeausschluß (die einschränkende Auslegung des § 304 I in Bezug auf die Einstellung nach § 15411) ............ 344 b) "Stillschweigende" Beschwerdezulassung (die einschränkende Auslegung des § 153 114) ............................................................ 347 2. Die Beschwerdefähigkeit einzelner einstellender Entscheidungen ............. 349 3. Beschwerdefähigkeit der die Einstellung ablehnenden Entscheidungen ....... 352 4. Die Zustimmung des Gerichts ................................................ 358 5. Fortsetzungsbeschlüsse und ähnliche Entscheidungen......................... 361 IV. Sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs .......................................................................... 362 1. In der Strafprozeßordnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 362 2. Im OWiG .................................................................... 364 Sechster Teil
Die Beteiligung Dritter am Prozeß I. Die Folge des § 305 S. 2: Rechtsmittelkonkurrenz, doppelte Überprüfung, Rechtsfragendivergenz? ......................................................... 366
11. Die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers ...................................... 370 1. Die Grundzüge ............................................................... 370 2. Der richtige Ansatz (das Zusammenspiel von § 305 S. I und § 336 S. I) ...... 371 3. Rechtsmittel und Neuanschluß nach § 395 IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Beteiligung des Verletzten. ... . . ... . . ... . . .... . ... ... . ..... ... . . ... . .... .... ... .. 376 1. Vor Eröffnung ................................................................ 376 2. Nach Eröffnung .............................................................. 376 IV. Das Adhäsionsverfahren ......................................................... 377 Graphische Darstellung wesentlicher Ergebnisse der Arbeit (Strukturen) .......... 379 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 385 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 411
Abkürzungsverzeichnis Abg.
Abgeordneter
Abgg.
Abgeordnete (Mehrzahl)
abI.
ablehnend
a.F.
alte Fassung
AG
Amtsgericht
Alsberg
Die strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Alsberg und Friedrich (1927/28; zitiert nach Band und Nummer)
Alt.
Alternative
Amtsvonnund
Der Amtsvonnund (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)
Anm.
Anmerkung
AnwBI.
Anwaltsblatt (zitiert nach Jahr und Seite)
AO
Abgabenordnung
ArbGG
Arbeitsgerichtsgesetz
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BAG
Bundesarbeitsgericht
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht. Soweit Zahlen angegeben sind: Sammlung von Entscheidungen dieses Gerichts in Strafsachen [alte Folge zitiert nach Band (Jahr) und Seite, neue Folge nach Jahr und Seite]
BB
Betriebs-Berater (zitiert nach Jahr und Seite)
BFH
Bundesfinanzhof
BFHE
Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (zitiert nach Band und Seite)
BGBI.
Bundesgesetzblatt. Römische Zahlen geben den Teil an
BGH
Bundesgerichtshof. Soweit Zahlen angegeben sind, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)
BGHR
BGH-Rechtsprechung in Strafsachen (zitiert nach § und Stichwort)
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite)
BMJ
Bundesminister der Justiz
BT-Drucks.
Drucksache des Bundestags (die dahinter folgende erste Zahl bezeichnet die Wahlperiode)
2 Weidemann
18
Abkürzungsverzeichnis
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite)
BVerfGG
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zitiert nach Band und Seite)
DAR
Deutsches Autorecht (zitiert nach Jahr und Seite)
DB
Der Betrieb (zitiert nach Jahr und Seite)
Diss.
Dissertation
DJT
Deutscher Juristentag
DRiZ
Deutsche Richterzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
DRZ
Deutsche Rechtszeitschrift (zitiert nach Jahr und Seite)
DStR
Deutsches Steuerrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
DStZ
Deutsche Steuerzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt (zitiert nach Jahr und Seite)
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EuGH
Europäischer Gerichtshof (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften)
EuGHE
Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des EuGH
EuGRZ
Europäische Grundrechte (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
FGG
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
FGO
Finanzgerichtsordnung
FinG
Finanzgericht
FN
Fußnote
GA
Goltdammers Archiv für Strafrecht [ältere Ausgabe, bis 1933, zitiert nach Band (Jahr) und Seite, ab 1953 nach Jahr und Seite]
GenStA
Generalstaatsanwalt; Generalstaatsanwaltschaft
GG
Grundgesetz für die BundesrepubJik Deutschland
GS
Der Gerichtssaal [zitiert nach Band (Jahr) und Seite]
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
HESt
Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948 - 49; zitiert nach Band und Seite)
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung (zitiert nach Jahr und Nummer)
JA
Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen (zitiert nach Jahr und Seite)
Abkürzungsverzeichnis JGG
19
Jugendgerichtsgesetz
JMB!.
Justizministerialblatt
JMBlNW
Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen (zitiert nach Jahr und Seite)
JR
Juristische Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite)
Jura
Juristische Ausbildung (zitiert nach Jahr und Seite)
JuS
Juristische Schulung (zitiert nach Jahr und Seite)
Justiz
Die Justiz - Amtsblatt des Jusitzministeriums Baden-Württemberg (zitiert nach Jahr und Seite)
JW
Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite)
JZ
Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)
KG
Kammergericht
LG
Landgericht
LGe
Landgerichte (Mehrzahl)
LZ
Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Spalte)
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite)
Medizinrecht
Medizinrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)
MiiStO
Militärstrafprozeßordnung
NdsRpfl
Niedersächsische Rechtspflege (zitiert nach Jahr und Seite)
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite)
NStE
Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht (zitiert nach Paragraph und Nummer)
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NStZ-RR
NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
NZV
Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
OLG
Oberlandesgericht
OLGe
Oberlandesgerichte (Mehrzahl)
OLGSt
Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht (zitiert nach Paragraph und Seite, ab 1983 nach Paragraph und Nummer)
Opferschutzgesetz
Erstes Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Recht
Das Recht (zitiert nach Jahr und Nummer)
RG
Reichsgericht. Mit Zahlen: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)
RGB!.
Reichsgesetzblatt. Römische Zahlen geben den Teil an
RGRspr.
Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879 - 1888, zitiert nach Band und Seite)
2*
Abkürzungsverzeichnis
20 RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite)
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft I Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (zitiert nach Jahr und Seite)
RJM
Reichsjustizminister
RMilG
Reichsmilitärgericht. Soweit Zahlen angegeben sind, Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts (zitiert nach Band und Seite)
RS
Rechtssache
Rspr.
Rechtsprechung
SchlHA
Schleswig-Holsteinische Anzeigen (zitiert nach Jahr und Seite)
SJZ
Süddeutsche Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Spalte)
Slg.
Sammlung
StA
Staatsanwaltschaft; Staatsanwalt
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozeßordnung
StrK
Strafkammer
StV
Strafverteidiger (zitiert nach Jahr und Seite)
StVÄG
Strafverfahrensänderungsgesetz
StVollstrK
Strafvollstreckungskammer
StVoll.zG
Strafvollzugsgesetz
StVRGErgG
Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. 12. 1974
Tz.
Textziffer
VRS
Verkehrsrechts-Sammlung (zitiert nach Band und Seite)
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
wistra
Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
ZfS
Zeitschrift für Schadensrecht (zitiert nach Jahr und Seite)
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik (zitiert nach Jahr und Seite)
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Jahr und Seite)
ZZP
Zeitschrift für Zivilprozeß (zitiert nach Jahr Seite)
Einführung I. Das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde (die Prozeßbeschwerde) im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden" (den Rechtsmitteln eigener Art) 1. ,,Die Beschwerde", ein nicht homogenes Rechtsmittel
Wer sich über die Beschwerde im Strafprozeß unterrichten will, wird seinen Blick zunächst auf das Dritte Buch der StPO richten. Dessen Zweiter Abschnitt wird ihn dazu verleiten, die Bestimmungen über die Beschwerde als ein in sich geschlossenes System zu betrachten. Er wird die Beschwerde an die Seite von Berufung und Revision stellen, gleichsam als weiteres ordentliches Rechtsmittel, das sich von den beiden anderen durch gewisse Spezialitäten des Verfahrens und die Art des Angriffsobjektes unterscheidet. Er wird § 304 I mit §§ 312 und 333 1 vergleichen und - dem Drang des Juristen zur Klassifizierung folgend - Berufung und Revision als "Urteilsrechtsmittel" und die Beschwerde als Rechtsmittel gegen Beschlüsse und Verfügungen bezeichnen. Aufgrund der weiteren Voraussetzungen des § 304 I wird er nur gerichtliche Entscheidungen als beschwerdefähig ansehen und hiervon nur solche, die im Vorverfahren, im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassen sind, da doch § 304 I den Anwendungsbereich der Beschwerde hierauf begrenzt. Der Eindruck eines geschlossenen Systems verblaßt jedoch angesichts der in der StPO (abgesehen vom Dritten Buch) und anderen Gesetzen über die Beschwerde enthaltenen Sonderbestimmungen. Derartige Spezialvorschriften lassen die Beschwerde auch ausserhalb von Vorverfahren, erstem Rechtszug und Berufungsverfahren zu, beispielsweise im Strafvollstreckungsverfahren (§§ 453 11, 454 11, 462 III). Besondere Bestimmungen unterwerfen nicht nur Beschlüsse und Verfügungen, sondern auch Urteile und deren Bestandteile der Beschwerde (§ 464 III, § 59 I JGG). Selbst der in § 304 I ausgesprochene Grundsatz, wonach die Beschwerde nur gegen gerichtliche Entscheidungen statthaft ist, erfährt durch § 172 I, der die Beschwerde auch gegen Entscheidungen der StA zuläßt, eine Ausnahme. Werden die in anderen Gesetzen enthaltenen Beschwerderegelungen in die Betrachtung einbezogen, scheint dieses Rechtsmittel seine einheitlichen Konturen vollends zu verlieren. Hier richtet es sich gegen Beschlüsse und Verfügungen (§ 304 I), dort I Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche der StPO. Vorschriften aus Entwürfen und älteren Fassungen der StPO werden, soweit nicht anders angegeben, nach der Paragraphenbezeichnung der entsprechenden Bestimmungen der heute geltenden StPO zitiert.
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Einführung
auch gegen Urteilsbestandteile (§§ 8 III StEG, 59 I, II JGG), hier ist es Verfahrensrechtsmittel (§ 304 I), dort bekämpft es Sachentscheidungen (§ 464 III 1, § 59 I, II JGG), im einen Fall ist es berufungsähnlich, im anderen eher der Revision verwandt (§ 305 a I 2, § 453 II 2), mitunter bindet es den judex ad quem an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 464 III 2), in anderen Fällen erläßt das Beschwerdegericht die in der Sache erforderliche Entscheidung (§ 309 II). Das anfangs homogen erscheinende Rechtsmittel der Beschwerde scheint seine Gestalt nicht aus den Grundzügen der §§ 304 ff. abzuleiten, sondern eher aus Spezialvorschriften. Das Rechtsmittel gibt sich schillernd, indem es sich an die Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens anpaßt. Es erscheint gleichsam als Chamäleon unter den Rechtsmitteln, so daß sich die Frage stellt, welche Bedeutung den §§ 304 ff. angesichts der vielfaltigen Spezialregelungen noch zukommt. Des Rätsels Lösung liegt in der Erkenntnis, daß die §§ 304 ff. das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde, im folgenden als die "Prozeßbeschwerde" bezeichnet, regeln. 2 Soweit das Gesetz an anderer Stelle Rechtsbehelfe als "Beschwerde" bezeichnet, sind diese nicht der Gattung der Prozeßbeschwerde zuzurechnen, sondern sind Rechtsbehelfe eigener Art, die der Prozeßbeschwerde teils näher, teils ferner stehen, je nachdem wie eng sie sich an die Verfahrens gestaltung der Prozeßbeschwerde anlehnen. 3 Charakteristisch für die Prozeßbeschwerde ist, daß sie ihre Statthaftigkeit aus § 304 I herleitet. 4 Demgegenüber gehören die Rechtsmittel, die zwar auch den Namen der Beschwerde tragen, ihre Zulässigkeit aber nicht auf § 304 I gründen, nicht zur Gattung der Prozeßbeschwerde, sondern sind Rechtsmittel eigener Art. Ihr Wesensmerkmal ist, daß ihre Statthaftigkeit anderen Bestimmungen als der des § 304 I zu entnehmen ist. 2 Die Bezeichnung stammt von Gollwitzer, vgl. LR-Gollwitzer § 304 Tz. 86 ("eigentliche Prozeßbeschwerde"). 3 LR-Gollwitzer (§ 304 Tz. 86) führt als Beispiel für derartige Sondervorschriften § 159 I 3 GVG an. Das darin vorgesehene Rechtsmittel ist keine "Beschwerde im engeren Sinn", also keine Prozeßbeschwerde. Ihr eigenständiger Charakter tritt schon aufgrund des besonderen Instanzenzuges deutlich zu Tage. Näheres bei Katholnigg § 159 Tz. 1 und Kissel § 159 Tz. 1. § 159 I 3 GVG ist allerdings nicht der einzige Fall der "Beschwerde im weiteren Sinn". Die Bestimmungen der §§ 304 ff. sind z.T. auch auf die Beschwerde gegen staatsanwaltschaftliche Entscheidungen anzuwenden. Das erörtert BischojJNJW 1986,2097 ff. für die Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdefrist des § 172 I. Vgl. auch BGH MDR 1993, 460 (der Antrag des Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung gegen die Gewährung von Akteneinsicht seitens der StA an den Verletzten ist in entsprechender Anwendung des § 406 e IV 2, 1. Halbs. statthaft). In der Terminologie der vorliegenden Arbeit sind Beschwerden im weiteren Sinn Rechtsmittel eigener Art. 4 Der Begriff der Statthaftigkeit wird in dieser Arbeit im Sinn von § 511 ZPO verstanden. Es wird zwischen Zulässigkeit im weiteren Sinn und Zulässigkeit im engeren Sinn unterschieden. Erstere ist identisch mit der Statthaftigkeit, letztere ist der Statthaftigkeit logisch nachrangig und umfaßt die Zulässigkeitsvoraussetzungen im engeren Sinn (Einhaltung der Form, Wahrung der Frist usw.). Statthaftigkeit bedeutet "nach der Art der Entscheidung (abgesehen von weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen) grundSätzlich zulässig." In diesem Sinn verwendet die StPO den Begriff "zulässig" in § 464 III 1, vgl. dazu LR-Hilger § 464 Tz. 50; Schwentker, S. 21; Gössel § 35 B II a und § 36 A; Seier, Nebenentscheidungen, S. 58.
I. Das Rechtsmittel der Beschwerde im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden"
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2. Die Verfahrensabschnitte der Prozeßbeschwerde (§ 304 I)
Die Prozeßbeschwerde nach § 304 I ist gegen Verfügungen im Vorverfahren und gegen Beschlüsse im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren statthaft. Die h.M. versteht unter dem "ersten Rechtszug" das Verfahren, das sich erstmals mit dem Beschwerdegegenstand befaßt. 5 Mit dem Wortlaut des § 304 I verträgt sich dies nicht, denn dieser stellt den "ersten Rechtszug" dem "Berufungsverfahren" gegenüber, so daß beide Begriffe die Instanz beschreiben, in der sich das Verfahren befindet. ,,Erster Rechtszug" ist demnach das Verfahren des Gerichts nach Klageerhebung, also das Erkenntnisverfahren erster Instanz, ebenso wie "Berufungsverfahren" das Erkenntnisverfahren zweiter Instanz bezeichnet. Die gegenteilige Auffassung der h.M., die den Begriff des "ersten Rechtszugs" nicht instanzbeschreibend versteht, widerspricht dem Gesetzeswortlaut und würde bei folgerichtiger Anwendung zu Konsequenzen führen, die die h.M. selbst nicht zieht. Ihr geht es lediglich darum, die im Wiederaufnahmeverfahren erlassenen Beschlüsse und die im Beschwerdeverfahren selbst erfolgte Ablehnung der Wiedereinsetzung der Beschwerde zu unterwerfen. 6 Dazu ist es aber nicht erforderlich, den § 304 I gegen seinen Wortlaut auszulegen. 7 Das Wiederaufnahmeverfahren wurde den Gerichten erster Instanz zugewiesen, und die in seinem Verlauf erlassenen Entscheidungen sind solche "im ersten Rechtszug" i.S. des § 304 I. Wird im Verfahren der (sofortigen) Beschwerde dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben, so ist diese Entscheidung durchaus nach § 46 III beschwerdefähig, ohne daß dem Wortlaut des § 304 I Gewalt angetan werden müßte. Es ist nicht einmal notwendig, die im Beschwerdeverfahren erlassene Wiedereinsetzungsentscheidung "funktional einer Entscheidung in der Berufungsinstanz" gleichzuordnen. 8 Vielmehr kommt es darauf an, in welcher Instanz sich der Prozeß befindet. Wurde Wiedereinsetzung gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß versagt, handelt es sich um eine ,Jm Berufungsverfahren" erlassene Entscheidung. Geht es um Wiedereinsetzung gegen einen Beschluß erster Instanz, ist dies eine Entscheidung "im ersten Rechtszug" - auch wenn das Beschwerdegericht entschieden hat, denn § 304 I stellt darauf ab, daß die Entscheidungen "von den Gerichten" im ersten Rechtszug 5 Ellersiek, S. 64; KK-Engelhardt, § 304 Tz. 4; KMR-Paulus § 304 Tz. 2; Eh. Schmidt, Nachtrag I § 304 Tz. 2; wie hier dagegen AK StPO-AltenhainlGünther § 304 Tz. 25 mit ausführlicher Begründung. 6 OLG Köln OLGSt § 304 StPO, S. 5 (7), zum Wiederaufnahmeverfahren; BayObLG 1949/51, S. 340 und 1952, S. 8, zum Beschwerdeverfahren. 7 LR-Gollwitzer § 304 Tz. 11 bemerkt zu Recht: "Um zu diesem sachgerechten Ergebnis zu kommen, erscheint es jedoch nicht notwendig, den instanzbeschreibenden Begriffen "erster Rechtszug" und "Berufungsverfahren" eine unterschiedliche Bedeutung beizulegen. Auch bei funktionaler Betrachtung, die nicht auf den isolierten Beschwerdegegenstand, sondern auf die verfahrensrechtliche Zuordnung des jeweiligen Rechtszuges abstellt, wird man das den Gerichten der ersten Instanz zugewiesene Wiederaufnahmeverfahren dem ersten Rechtszug i. S. des § 304 zuordnen können ... ". 8 So aber LR-Gollwitzer § 304 Tz. 11.
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Einführung
oder im Berufungsverfahren getroffen wurden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß als Gericht des ersten Rechtszuges nur dasjenige in Betracht kommt, das im ersten Rechtszug mit dem Hauptverfahren befaßt ist. Vielmehr gehört zum jeweiligen Rechtszug auch die Beschwerdeentscheidung, denn das Beschwerdegericht erläßt (für den jeweiligen Rechtszug) "die in der Sache erforderliche Entscheidung" (§ 30911).9 Würde die h.M., die dem "ersten Rechtszug" stets die Entscheidung zurechnet, die erstmals über den Beschwerdegegenstand befunden hat, konsequent zu Ende geführt, müßten Entscheidungen der Amts- und Landgerichte (die der Oberlandesgerichte sind im Rahmen des § 304 IV der Beschwerde entzogen), auch soweit sie außerhalb des Erkenntnisverfahrens erster und zweiter Instanz ergangen sind, der Beschwerde unterliegen. Diese Folgerung wird jedoch von der h.M. - zu Recht nicht gezogen. \0 Nicht zum ersten Rechtszug gehören nämlich nach übereinstimmender Ansicht die Entscheidungen im Rahmen des § 1211 und § 14. 11 Außerhalb der Rechtszüge verläuft ferner das Vollstreckungsverfahren. Hier gilt das Enumerationsprinzip. Danach sind Vollstreckungsentscheidungen nur in den Fällen beschwerdefähig, in denen das Gesetz ein Rechtsmittel ausdrücklich zur Verfügung stellt. 12 Nicht zum ersten Rechtszug oder zum Berufungsverfahren zu zählen sind die Zwischenverfahren, mit denen sich der dritte Teil dieser Untersuchung befaßt. Wie hier HK-Rmaenberg § 304 T~ 09. Richtig daher OLG Celle MDR 1996, 1284. Auf die Beschwerde der StA hatte das LG als Beschwerdegericht (erstmals) die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Weitere Beschwerde ist in einern derartigen Fall, wie das OLG Celle zutreffend ausführt, nach § 310 11 ausgeschlossen, denn die Entziehung ist ein Beschluß, der "auf die Beschwerde hin erlassen worden" ist; daran ändert sich nichts dadurch, daß das Beschwerdegericht erstmals die Entziehung angeordnet hat. Daß weitere Beschwerde unstatthaft ist, folgt also ganz klar aus § 310. - Wer dagegen die Definition der h. M. übernimmt und dem "ersten Rechtszug" die Entscheidungen zurechnet, die "erstmals über den Beschwerdegegenstand befinden," könnte leicht auf den Gedanken verfallen, hierunter auch die Entscheidungen zu zählen, die vorn Beschwerdegericht erlassen sind und eine Erstbeschwer enthalten. Daß dies zu einer Aushebe1ung des § 310 führen würde, liegt auf der Hand. Auch aus diesem Grund ist die Sicht der h. M., die den "ersten Rechtszug" als denjenigen definiert, der sich erstmals mit dem Beschwerdegegenstand befaßt, abzulehnen. 11 KK-Engelhardt § 304 Tz. 5; KleinknechtlMeyer-Goßner § 304 Tz. 2. 12 OLG Harnm NStE Nr. 7 zu § 304 StPO; OLG Zweibrücken JR 1983, 168; OLG Stuttgart NStZ 1989, 492 (493) mit zustimmender Anmerkung Katholnigg; OLG Bremen NStE Nr. 6 zu § 454 StPO; für LR-Gollwitzer § 304 Tz. 24, der die Begriffe "erster Rechtszug" und ,,Berufungsverfahren" wie diese Untersuchung als "instanzbeschreibend" (§ 304 Tz. 11) betrachtet, ergibt sich diese Ansicht von selbst; aber auch KleinknechtIMeyer-Goßner; der zum ersten Rechtszug den erstmals entschiedenen Beschwerdegegenstand rechnet, nimmt gleichwohl die Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren von der Beschwerdefähigkeit des § 304 I aus (§ 304 Tz. 2); mißverständlich Ellersiek, S. 42: Die sofortige Beschwerde im Vollstreckungsverfahren unterliege den Regeln der §§ 304 ff., "so daß insoweit das Beschwerderecht auch im Rahmen der Strafvollstreckung Anwendung findet". Letzteres stimmt nicht, denn die sofortige Beschwerde im Strafvollstreckungsverfahren ist Rechtsmittel eigener Art und kein Unterfall der einfachen Prozeßbeschwerde des § 304 I. 9
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I. Das Rechtsmittel der Beschwerde im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden"
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Der moderne Gesetzgeber macht sich die im § 304 I enthaltene Beschrävkung der Prozeßbeschwerde auf das Erkenntnisverfahren erster und zweiter Instanz zunutze in der Absicht, bestimmte Entscheidungen jedem ordentlichen Rechtsmittel zu entziehen. Das geschieht dadurch, daß diese einem Zwischenverfahren zugewiesen werden, das gleichsam "zwischen den Instanzen" liegt mit der Folge, daß die in ihm ergangenen Entscheidungen nicht nach § 304 I beschwerdefahig sind, sondern nur dann, wenn das Gesetz die Beschwerde ausdrücklich gegen die jeweilige Entscheidung zuläßt. Hierauf wird im dritten Teil dieser Untersuchung gesondert eingegangen.
3. Die unechte einfache Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art
Die unechte Beschwerde unterscheidet sich von der Prozeßbeschwerde des
§ 304 I dadurch, daß sie ihre Statthaftigkeit nicht aus § 304 I herleitet, sondern -
außerhalb des Dritten Buches der StPO - enumerativ zugelassen ist.
So ist beispielsweise gegen die Nachtragsentscheidungen i.S. des § 453 I die Beschwerde nur deshalb zulässig, weil § 453 11 dies bestimmt, denn die Entscheidungen des § 453 I werden nicht in den Verfahrensstadien erlassen, auf die sich § 304 I bezieht, so daß ohne § 453 11 die Beschwerde nicht eröffnet wäre. 13 Die Entscheidung des OLG Düsseldorf, wonach gegen einen Abgabebeschluß der Strafvollstreckungskammer die Beschwerde nach § 304 I zulässig ist,14 ist deshalb unrichtig. Das OLG verkennt, daß die Beschwerde eben nicht "gegen alle richterlichen Entscheidungen, die keine Urteile sind", statthaft ist, sondern daß dieser Grundsatz nur für die Prozeßbeschwerde, d. h. in den von § 304 I angesprochenen Verfahrens stadien gilt. Darüber hinaus ist die Beschwerde nur enumerativ als Rechtsmittel eigener Art eröffnet. Da das Gesetz gegen den Abgabebeschluß der Strafvollstreckungskammer ein Rechtsmittel nicht vorsieht, ist die Beschwerde unzulässig. Solche Abgrenzung der unechten Beschwerde von der Prozeßbeschwerde bereitet mitunter Probleme. So ist z. B. fraglich, woraus sich die Beschwerdefähigkeit einer Anordnung nach § 453 c herleitet. Daß das Gesetz von der Beschwerdefähigkeit derartiger Anordnungen ausgeht, ergibt sich aus § 304 IV Nr. 5. Diese Bestimmung läßt allerdings die Beschwerde nicht konstitutiv zu, sondern ordnet nur eine "Ausnahme von der Ausnahmeregelung" an, indem sie den Ausschluß der Beschwerde für bestimmte OLG-Entscheidungen aufhebt. Sie setzt also die 13 Das übersieht Funck NStZ 1989,46, wenn er es für selbstverständlich hält, daß die unbefristete Beschwerde nicht nach § 453 11 2 hinsichtlich der Beschwerdegründe beschränkt sei. Das wäre (vielleicht) dann richtig, wenn die Statthaftigkeit der Beschwerde aus § 304 I folgte. Aber selbst bei dieser Sicht müßte wohl die Einschränkung des § 453 11 2 für dieses Rechtsmittel gelten. 14 OLG Düsseldorf NStE Nr. 2 zu § 304 StPO.
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Einführung
Beschwerdefähigkeit voraus und schafft sie nicht selbst. In den Kommentaren wird in diesem Zusammenhang auf "die Beschwerde nach § 304" verwiesen. 15 Da aber das Vollstreckungsverfahren nicht zu den in § 304 I erwähnten Verfahrensabschnitten gehört, gilt § 304 I nicht unmittelbar. Das Problem wird in der Literatur nicht erörtert. Die Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde gegen Entscheidungen nach § 453 c wird aus § 304 I entnommen, ohne daß die Verweisungskette aufgezeigt wird. Wendisch erörtert die Frage der Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde und leitet diese aus der Verweisung des § 453 c 11 2 auf § 119 her. Durch diese Verweisung stelle das Gesetz klar, daß der in Haft Genommene wie ein Untersuchungsgefangener zu behandeln ist. Diese Gleichstellung gebiete es, ihm dann auch die gleichen Anfechtungsmöglichkeiten wie einem solchen zu geben. 16 Die Frage wird unten (Einführung I. 5.) näher erörtert. Immerhin kann die Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde zumindest aus der Verweisung auf § 115 abgeleitet werden, nach dessen Abs. 4 "der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde... zu belehren" ist. Damit wäre allerdings nur die Beschwerdefähigkeit des Sicherungshaftbefehls begründet, nicht aber die der übrigen vorläufigen Maßnahmen, die § 453 c I zuläßtY Richtig dürfte sein, die vorläufigen Maßnahmen des § 453 c als besondere Fälle der nachträglichen Entscheidungen i.S. des § 453 I anzusehen und sie aus diesem Grunde der Beschwerde nach § 453 11 1 zu unterwerfen. Gleichgültig jedenfalls, wie die Verweisungskette beschaffen ist, die Beschwerde gegen Maßnahmen nach § 453 c ist jedenfalls nicht Prozeßbeschwerde, sondern Rechtsmittel eigener Art. Eine eigenartige Kombination zwischen prozessualem und "sachlichem" Rechtsmittel stellt die Beschwerde nach § 305 all dar. Formell richtet sie sich gegen einen Beschluß, sachlich jedoch gegen die Entscheidung von Fragen materiellen Rechts. Der Beschluß betrifft nämlich die Entscheidungen nach §§ 56 abis d, 59 a StGB sowie weitere, die das Gesetz in § 268 a I, 11 nicht dem Urteil, sondern einem gesonderten Beschluß zuweist. Die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 268 a I, 11 wäre auch ohne § 305 all statthaft, denn der Beschluß gemäß § 268 a ergeht im ersten Rechtszug bzw. im Berufungsverfahren, so daß § 304 I einschlägig wäre. Allerdings fügt sich die Beschwerde nach § 305 a nicht in die Gattung der Prozeßbeschwerde ein. Das liegt zum einen an dem andersartigen Beschwerdegegenstand (materielles Recht statt wie bei der Prozeßbeschwerde Verfahrensrecht) und zum anderen an der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts. Dieses erläßt zwar "die in der Sache erforderliche Entscheidung" (§ 309 11), überprüft aber lediglich die Entscheidung des judex a quo auf ihre Gesetzmäßigkeit (§ 305 aI 2).18 Den besonderen Charakter dieser Beschwerde bringt 15 KK-Fischer § 453 c Tz. 10; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 453 c Tz. 17; Burmann, S.117. 16 LR-Wendisch § 453 c Tz. 16 und Wendisch, Dünnebier-Fschr., S. 243 ff. (245); LR 23 Dünnebier § 112 Tz. 22 und § 114 Tz. 61; Burmann, S. 117 ff. 17 Nach KK-Fischer, § 453 c Tz. 10, läßt sich aus der Verweisung des § 453 c auf § 119 hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit nichts herleiten.
1. Das Rechtsmittel der Beschwerde im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden"
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das Gesetz dadurch zum Ausdruck, daß es ihre Statthaftigkeit in § 305 all gesondert anordnet. Das Rechtsmittel ist daher Beschwerde eigener Art und nicht Prozeßbeschwerde i.S. des § 304 I. Dem § 305 a I entspricht - abgesehen von dem Zusatz in § 59 11 2 (1. Halbsatz) im JGG die Vorschrift des § 5911 JGG.
4. Die unechte sofortige Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art
Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten diese Ausführungen entsprechend. Es gibt kein einheitliches Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Diese ist vielmehr entweder eine Unterart der Prozeßbeschwerde oder Rechtsmittel eigener Art, dessen Verfahren sich nach Maßgabe spezialgesetzlicher Bestimmungen enger oder weiter an das Verfahrensrecht der (sofortigen) Prozeßbeschwerde anlehnt. 19 Soweit die sofortige Beschwerde zur Gattung der Prozeßbeschwerde gehört, hebt sie sich hier durch ihre Befristung und die daraus resultierenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten hervor, die das Gesetz in § 311 aufzählt. Die Befristung wirkt sich bei der sofortigen Prozeßbeschwerde auf die Zulässigkeit im engeren Sinne aus; sie betrifft dagegen nicht die Statthaftigkeit. Wenn beispielsweise § 124 11 2 gegen die Entscheidung über den Verfall einer Sicherheit die sofortige Beschwerde zuläßt, so ist diese Bestimmung hinsichtlich der Statthaftigkeit nicht konstituierend, sondern deklaratorisch, denn ohne § 12411 2 wäre die unbefristete Beschwerde nach § 304 I eröffnet. § 124 11 2 regelt also einen Fall der sofortigen Prozeßbeschwerde. Vergleichbares gilt für die sofortige Beschwerde, die in den folgenden Bestimmungen vorgesehen ist: §§ 206 a 11,210 11,270 III 2,32211,372 S. 1,379 a III 2,38311 3, 390 IV, 431 V 2, 440 III, 441 11,444 11 2, III 1. In all diesen Fällen wäre ohne die betreffende Vorschrift Beschwerde nach § 304 I statthaft. Die Anordnung der sofortigen Beschwerde bedeutet lediglich eine Einschränkung der Zulässigkeitsvoraussetzung in Gestalt der Befristung. Demgegenüber regeln die Bestimmungen, die die sofortige Beschwerde im Vollstreckungsverfahren einräumen, Rechtsmittel eigener Art. Das gilt für die §§ 453 11 1, 3, 454 11 1,462 III 1, 463, 463 c III 3, 464 III 1. Diese Vorschriften eröffnen die sofortige Beschwerde konstitutiv. Ohne sie wäre das Rechtsmittel als einfache Beschwerde nicht statthaft. 18 Ergibt die Überprüfung keine Gesetzwidrigkeit i. S. von § 305 a I 2, ist die Beschwerde unbegründet, insbesondere darf das Beschwerdegericht in diesem Fall, auch wenn es die Auflagen oder Weisungen für unzweckmäßig hält, das tatrichterliche Ermessen nicht durch sein eigenes ersetzen. Nur dann, wenn eine Gesetzwidrigkeit festgestellt wird, entscheidet das Beschwerdegericht in der Sache selbst und übt dabei sein eigenes Ermessen aus, vgl. LRGollwitzer § 305 aTz. 9 f.; KK-Engelhardt § 305 aTz. 9 f. 19 Die Ausführungen von Schuler, S. 28, Wronker, S. 24, Fezer 19 Tz. 98 (S. 271), LRGollwitzer § 311 Tz. 1 und AK StPO-RenzikowskilGünther § 311 Tz. 2, worin die sofortige Beschwerde als Unterart der einfachen bezeichnet wird und demzufolge für sie grundsätzlich die allgemeinen Regeln der Beschwerde gelten sollen, treffen daher nur auf die sofortige Prozeßbeschwerde zu.
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Einführung
§ 453 11 sieht die einfache Beschwerde in Satz 1 und die sofortige in Satz 3 vor. Die einfache Beschwerde führt nur zur eingeschränkten Überprüfung nach § 453 11 2. Wäre die sofortige Beschwerde des Satzes 3 eine Unterart der einfachen Beschwerde des Satzes 1, würde diese Einschränkung auch für die sofortige Beschwerde gelten. Diese ist jedoch ein eigenständiges Rechtsmittel, das seine Statthaftigkeit nicht aus § 453 11 1 herleitet, sondern allein aus Satz 3 dieser Vorschrift. Das OLG Braunschweig grenzt die beiden Rechtsmittel zutreffend dahingehend ab, daß gegen Anordnungen von geringerer Bedeutung die - nur beschränkte Überprüfung gestattende - einfache Beschwerde eröffnet ist, gegen die bedeutsameren Entscheidungen aber die sofortige Beschwerde, die zur uneingeschränkten Überprüfung führt?O Entsprechendes gilt für die sofortige Beschwerde des § 454 11 1. Beide Rechtsmittel sind daher weder Unterfälle der einfachen Beschwerde des § 304 I (Prozeßbeschwerde) noch der einfachen Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art nach § 453 11 1, sondern ihrerseits eigenständige Rechtsmitte1. 21 Mit der sofortigen Beschwerde des § 453 11 3 ist die des § 59 III JGG vergleichbar.
Rechtsmittel eigener Art und nicht Prozeßbeschwerde ist die sofortige Beschwerde nach § 231 a III 3. Mit ihr kann der Beschluß des Gerichts, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, angefochten werden. Diese Entscheidung nach § 231 a III 1 ergeht zwar in den Verfahrensstadien der Prozeßbeschwerde, d. h. im ersten Rechtszug bzw. im Berufungsverfahren (§ 304 I), wird jedoch vom erkennenden Gericht erlassen und betrifft revisiblen Prozeßstoff. 22 Sofortige Beschwerde dagegen kann ihre Statthaftigkeit nicht aus § 304 I ableiten, denn dann wäre sie nach § 305 S. 1 unzulässig. Zulässig ist sie nur dann, wenn auf sie § 305 S. 1 keine Anwendung findet. Da § 305 S. 1 aber für alle Fälle der Prozeßbeschwerde gilt, kann das Rechtsmittel des § 231 a III 3 dem § 305 S. 1 konstruktiv nur dadurch vorenthalten werden, daß es auch dem § 304 I entzogen wird. Folglich muß es seine Statthaftigkeit aus einer anderen Quelle als der des § 304 I herleiten, und diese ist § 231 a III 3 unmittelbar. 20 OLG Braunschweig NJW 1963,2182; zu der Streitfrage, ob die Ablehnung des Widerrufs der Strafaussetzung der einfachen Beschwerde nach § 453 11 1 oder der sofortigen nach § 453 11 3 unterliegt, vgl. OLG Stuttgart MDR 1994, 195 (mwN). Der Entscheidung, die auf die Ablehnung des Widerrufs § 453 11 1 anwendet, ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn die der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen sind in § 453 11 3 enumerativ aufgeführt. Die Rücknahme des Widerrufs gehört nicht zu den bedeutenden Entscheidungen, die, wie es § 453 11 3 vorsieht, vollständig überprüft werden müßten. Mit der Rechtsprüfung des § 453 11 1 wird der Bedeutung der Entscheidung vielmehr Genüge getan. Leider hat das OLG Stuttgart diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben, und zwar auf Veranlassung des 4. Strafsenats, vgl. OLG Stuttgart MDR 1995, 303; ebenso OLG Hamburg MDR 1990,564, OLG Hamm NStZ 1988, 291; OLG Düsseldorf MDR 1989,666, jeweils mit weiteren Nachweisen; AK StPO-Rössner § 453 Tz. 7; KleinknechtlMeyer-Goßner § 453 Tz. 13; wie hier dagegen Funck NStZ 1989,46; KK-Fischer § 453 Tz. 10; OLG Köln MDR 1995, 302 (unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gegenansicht). 21 Allgemeine Meinung im Anschluß an OLG Braunschweig NJW 1963,2182. 22 Näher vgl. unten, I. Teil III. I.
I. Das Rechtsmittel der Beschwerde im Gegensatz zu den "unechten Beschwerden"
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Keinen Fall der Prozeßbeschwerde nach § 304 I, sondern ein Rechtsmittel eigener Art regelt ferner § 138 d VI 1. Die Entscheidung über den Verteidigerausschluß ergeht nämlich weder im ersten Rechtszug noch im Berufungsverfahren, sondern in einern gesonderten Zwischenverfahren. Diesem eigenständigen Rechtsmittel der ,,zwischenbeschwerde" widmet sich die Untersuchung im dritten Teil zu III 1. Fälle von "Normspaltung" enthalten die §§ 28 11 1, 46 III und 81 IV 1. 23 Sie eröffnen nämlich einerseits die sofortige Prozeßbeschwerde, soweit die Entscheidung in den Verfahrensabschnitten des § 304 I ergangen ist, andererseits die unechte sofortige Beschwerde als eigenständiges Rechtsmittel bei Anfechtung von Entscheidungen außerhalb der Verfahrensabschnitte des § 304 I. Wenn beispielsweise im Vollstreckungsverfahren eine erfolglose Richterablehnung oder Versagung der Wiedereinsetzung bzw. eine Anordnung nach § 81 I angegriffen werden, hat die Eröffnung der sofortigen Beschwerde durch §§ 46 III, 28 11 1 bzw. 81 IV 1 nicht deklaratorische, sondern konstitutive Wirkung, ohne diese Bestimmungen wäre die Beschwerde (als unbefristete) nicht statthaft, auch nicht unter Berücksichtigung des § 453 11 1, denn diese Bestimmung läßt die Beschwerde nur gegen Entscheidungen nach § 453 I zu. 5. Gibt es eine "unechte weitere Beschwerde"?
Die weitere Beschwerde als eigenständiges Rechtsmittel, das seine Statthaftigkeit nicht aus § 310 I ableitet, sieht das Gesetz nicht vor. Sie ist vielmehr eine Unterart der Prozeßbeschwerde nach § 304 I und nur in den Grenzen des § 310 eröffnet. Nach § 310 I kann der auf Beschwerde hin erlassene Beschluß nur angefochten werden, wenn er die Verhaftung oder einstweilige Unterbringung betrifft. 24 So ist z. B. fraglich, ob die den Sicherungshaftbefehl nach § 453 c bestätigende Beschwerdeentscheidung mit der weiteren Beschwerde angefochten werden kann. Die h.M. verneint dies mit dem Hinweis, die Anordnung der Sicherungshaft sei keine Verhaftung i.S. des § 310 I,z5 Das ist im Ergebnis richtig, allerdings muß die Argumentation nicht (erst) bei der Frage der Gleichstellung der Sicherungshaft mit der Untersuchungshaft ansetzen, sondern (logisch vorrangig) an dem Charakter des Rechtsmittels, das gegen Entscheidungen nach § 453 c eröffnet ist. Wie oben (unter 3.) ausgeführt, ist das Rechtsmittel gegen die vorläufigen Entscheidungen nach § 453 c I die unechte Beschwerde des § 453 11 1, also Rechtsmittel eigener Näheres dazu unten 5. Teil 11.7. a). Die heiden Begriffe werden in § 304 IV 2 Nr. I, § 305 S. 2 und § 310 I gleichlautend gebraucht. Hierauf weist Baumann, Pfeiffer-Fschr., S. 258 ff. (260) hin. 25 OLG Düsseldorf NStE Nr. 7 zu § 310 StPO im Anschluß an die in dieser Entscheidung wiedergegebene Rechtsprechung; KK-Engelhardt § 310 Tz. 10 und KK-Fischer § 453 c Tz. 10; LR-Gollwitzer § 310 Tz. 19; AK StPO-Rössner § 453 c Tz. 10; KMR-Müller § 453 c Tz. 11; anders allerdings LR-Wendisch § 453 c Tz. 16, der die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde aus der Verweisung auf § 119 folgert; ebenso Burmann, S. 117 ff.; vgl. o. Einführung I. 3. 23
24
30
Einführung
Art, und nicht die Prozeßbeschwerde nach § 304 I. Damit scheidet die unmittelbare Anwendung des § 310 I aus. Nun folgt hieraus sicherlich nicht, daß eine analoge Anwendung des § 310 I nicht in Betracht käme, denn die unechte Beschwerde lehnt sich - je nach der Einzelausgestaltung ihres Verfahrens - an die Prozeßbeschwerde an und kann in ihrem Verfahrensrecht durchaus die Bestimmung des § 310 I,,rezipieren". Die analoge Anwendung des § 310 I auf die Beschwerde nach § § 453 c, 453 II 1 ist jedoch nicht sinnvoll, weil schon die Beschwerde aus § 453 II 1 nach Satz 2 dieser Vorschrift - abgesehen VOn der Verlängerung der Bewährungszeit - nur darauf gestützt werden kann, daß die Anordnung gesetzwidrig ist. Auch die Maßnahmen nach § 453 c, selbst wenn es um den Sicherungshaftbefehl geht, gehören zu den ,,Entscheidungen von geringerer Bedeutung", gegen die Beschwerde nur aus bestimmten (schwerwiegenden) Gründen statthaft ist. 26 Führt aber die einfache Beschwerde nur zu einer eingeschränkten Nachprüfung der Entscheidung, ist es nicht geboten, zusätzlich auch noch die weitere Beschwerde zu eröffnen.
6. Die Bestimmungen der §§ 304 ff. als ein in sich nicht geschlossenes System
Unter Nr. 1 dieser Einführung wurde die Beschwerde als ein nicht homogenes Rechtsmittel vorgestellt und die Prozeßbeschwerde VOn der Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art geschieden. Die Regelungen der Prozeßbeschwerde finden, sich in den §§ 304 ff. Allerdings sind diese Bestimmungen ebensowenig aus einem Guß, wie die Beschwerde ein homogenes Rechtsmittel ist. In die §§ 304 ff. sind nämlich im Laufe der Zeit Neuerungen eingeflossen, die nicht auf die Prozeßbeschwerde, sondern auf die Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art zielen. Dazu gehören nicht nur die bereits erörterte Vorschrift des § 305 a, sondern auch § 304 IV 2 Nr. 3 und Nr. 5. Nach § 304 IV 2 ist gegen Beschlüsse und Verfügungen der OLGe die Beschwerde nicht statthaft. Abweichend hiervon ist in Sachen, in denen die OLGe im ersten Rechtszug zuständig sind, die Beschwerde doch eröffnet, wenn eine der Voraussetzungen der Nm. 1 bis 5 der genannten Vorschrift vorliegt. Die Nm. 1, 2 und 4 beziehen sich auf die Prozeßbeschwerde, denn die darin angeführten Entscheidungen ergehen in den von § 304 I genannten Verfahrensstadien. Die in Nr. 3 erwähnte sofortige Beschwerde nach § 231 a III 3 ist Rechtsmittel eigener Art (wie oben unter 4. ausgeführt). Entsprechend verhält es sich mit Nr. 5, soweit hierin Bestimmungen aus dem Vollstrekkungsverfahren bezeichnet sind, die die Beschwerde zulassen. Das gleiche gilt für die Regelung des § 304 IV 2 letzter Halbsatz, der klarstellt, daß die sofortige Beschwerde gegen den Verteidigerausschluß (§ 138 d VI) von der Beschwerdebeschränkung nicht betroffen wird. Auch hierdurch wird nicht die Prozeßbeschwerde, sondern das Verfahrensrecht der ,,zwischenbeschwerde" als Rechtsmittel eigener Art geregelt. 26
OLG Braunschweig NJW 1963,2182.
11. Das Wesen der Prozeßbeschwerde im Verhältnis zu anderen Rechtsmitteln
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Die vorliegende Untersuchung befaßt sich in erster Linie mit der Prozeßbeschwerde, denn hauptsächlich bei dieser ergeben sich Konkurrenz- und Abgrenzungsfragen zur funktionalen Stellung der Beschwerde im System der Rechtsmittel. Auf die Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art wird hingewiesen, soweit es der Zweck dieser Arbeit erfordert.
11. Das Wesen der Prozeßbeschwerde im Verhältnis zu anderen Rechtsmitteln 1. Die Bestimmung des Beschwerdegegenstandes aus § 304 I
Die StPO kennt - wie andere Prozeßordnungen - Sachentscheidungen und Prozeßentscheidungen. 27 Die Sachentscheidung betrifft "die in der Anklage bezeichnete Tat" (§ 264 I), die Prozeßentscheidung das Verfahren. Ob Gegenstand eines Rechtsmittels die Sache oder das Verfahren ist, hängt von der Entscheidung ab, die diesem Rechtsmittel unterliegt. Die Urteilsrechtsmittel, Berufung und Revision, können sich auf das Verfahren, auf die Sache oder auf beides beziehen, weil all dies der Gegenstand der diesen Rechtsmitteln zugänglichen Entscheidungen ist. Der Streitgegenstand des Rechtsmittels im Zivilprozeß kann weiter reichen als der der angefochtenen Entscheidung. Wird z. B. durch Prozeßurteil die Klage (als unzulässig) abgewiesen, so darf das Berufungsgericht gleichwohl in der Sache entscheiden. 28 Daß Gegenstand des angefochtenen Urteils das Verfahrensrecht ist, schließt nicht aus, daß sich das Rechtsmittel (und damit das Urteil des Rechtsmittelgerichts) auch mit der Sache befaßt, sofern der judex a quo - fälschlich - nur die Prozeßentscheidung getroffen hat, richtig aber zur Sache hätte entscheiden müssen. Maßgebend ist also nicht der konkrete Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, sondern der potentielle: alles, was ihr unterliegen könnte, ist auch geeignet, Gegenstand des Rechtsmittels zu sein. Nur wenn das Rechtsmittel, wie es bei der Beschwerde der Fall ist, das sachliche Recht nicht betrifft, kann auch der Gegenstand des Rechtsmittels nicht weiter reichen als der der angefochtenen Entscheidung. Ob auch im Strafprozeß im Fall der Anfechtung eines Prozeßurteils eine Sachentscheidung ergehen kann, ist fraglich. Dafür spricht, daß nach dem Wortlaut des § 328 dem Berufungsgericht heute die ZUfÜckverweisung nicht mehr möglich ist, dagegen, daß der Angeklagte eine Instanz verliert. 29 Schlüchter Tz. 584.1; Roxin § 46 A; KK-Hürxthill § 260 Tz. 16. BaumbachlAlbers § 537 Tz. 5; das folgt aus §§ 538 I Nr. 1,2,540 ZPO: § 538 I Nr. I, 2 ZPO sieht grundsätzlich die ZUfÜckverweisung vor, wenn nur über Zulässigkeitsfragen entschieden wurde (etwa der Einspruch als unzulässig verworfen, die Klage als unzulässig abgewiesen wurde, vgl. ZöllerlGummer § 538 Tz. 8,9). Nach § 540 ZPO ,,kann" das Berufungsgericht selbst entscheiden, wenn es dies für sachdienlich hält. Zu den Voraussetzungen der eigenen Sachentscheidung in diesen Fällen vgl. Egon Schneider MDR 1991,22; Walchshöfer, Schwab-Fschr. S. 531 f., zu dem vergleichbaren Problem des "Durchentscheidens", wenn die I. Instanz als "zur Zeit unzulässig" abgewiesen hatte. 29 Dieses allgemeine Problem wird meist im Rahmen des besonderen Falls der Anfechtung eines Verwerfungsurteils erörtert (vgl. LR-Gollwitzer § 328 Tz. 3). Eigene Sachentschei27
28
32
Einführung
Nicht jedes Urteil enthält eine Sachentscheidung. Nicht über die Sache befindet das Prozeßurteil. Sein Gegenstand ist das Verfahren.
Im Unterschied zu den beiden anderen ordentlichen Rechtsmitteln Berufung und Revision richtet sich die Beschwerde gemäß § 304 I gegen "Beschlüsse und Verfügungen". Durch Beschluß oder Verfügung entscheidet das Gericht aber in der Regel 30 nicht in der Sache, sondern nur über das Verfahren. Charakteristisch für die Beschwerde ist deshalb, daß ihr Gegenstand meist nicht "die Sache", sondern das Verfahren zur Überprüfung stellt. Die Beschwerde ist als "Berufung gegen Zwischenentscheidungen,,31 bezeichnet worden. Damit ist dieses Rechtsmittel insofern treffend charakterisiert, als der Bezug zur jeweiligen Verfahrens lage hervorgehoben wird. Die Beschwerde entscheidet regelmäßig nicht "die Sache", sondern die Prozeßlage: im Sinne Goldschmidts hebt sie den Prozeß in eine neue Rechtslage. 32. 33 Dennoch beleuchtet die Bezeichnung "Berufung gegen Zwischenentscheidungskompetenz des Berufungsgerichts scheint KMR6 -Müller, § 412 Anm. 4 b, anzunehmen (nur "regelmäßig" Zurückverweisung). KMR-Fezer § 412 Tz. 18 dagegen mit Nachdruck für Zurückverweisung. Für Zurückverweisung (in bestimmten Fällen) auch nach Aufhebung des § 328 Ir a. F. KleinknechtlMeyer-Goßner § 412 Tz. 10 und Meyer-Goßner NJW 1987, 1165 und NStZ 1988, 290; KK-Ruß § 328 Tz. 7; LR-Gössel § 412 Tz. 45 und Gössel JR 1990, 302, sowie Wemy NJW 1988, 187f. Nach dieser Auffassung reicht der "Streitgegenstand" des Berufungsurteils nicht weiter als der der angefochtenen Entscheidung. Ist nur ein Prozeßurteil angefochten, ist Gegenstand der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts jedenfalls nicht die Sache selbst. Für Zurückverweisung auch nach Aufhebung des § 328 11 a. F. OLG Koblenz NStZ 1990, 296 (Einstellung durch Urteil nach § 260 III durch das AmtsG, dagegen Berufung seitens der StA. Die Berufungskammer verweist - wegen des andernfalls dem Angeklagten entstehenden Instanzverlustes - zurück und findet Billigung des OLG als Revisionsinstanz); für die Rechtsprechung ist die Frage nunmehr geklärt durch BGH 36, 139, ergangen auf Vorlage des OLG Hamm gegen OLG Düsseldorf NStZ 1988,290; die Aufhebung des § 328 11 a. F. hindere die Zurückverweisungsmöglichkeit nicht. Allgemein zu Zulässigkeitsfragen im Strafprozeß vgl. Gössel, Ged.Schrift für Hilde Kaufmann, S. 977 ff. 30 Diese Einschränkung ist notwendig, weil selbst mit der Prozeßbeschwerde anfechtbare Entscheidungen materielles Recht berühren können, so z. B. einige Entscheidungen, die die Verfahrenseinstellung nach §§ 153 ff. betreffen (vgl. unten 1. Teil IX. 2. c) und 5. Teil III. 2. und 3.). Des weiteren hat die Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art mitunter materielles Recht zum Gegenstand, so etwa das Rechtsmittel nach § 305 all (vgl. oben Einführung 1. 3.). 31 Binding, S. 280. 32 Zur "Rechtslage" vgl. Kohler, Rechtsverhältnis, S. 62: "Aus einem fortschreitenden Rechtsverhältnis ergeben sich Rechte und rechtliche Situationen. Der Unterschied zwischen bei den besteht darin, daß in der rechtlichen Situation zwar ein Element ... aber noch kein fixes Recht erworben ist. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Erklärung des Prozesses unentbehrlich ... Jeder Zug des Schachspie1ers, jeder Stich des Kartenspielers schafft eine rechtliche Situation, auf welche neue Situationen folgen können: erst der Schluß, in weichem sämtliche Situationen kulminieren, schafft ein Recht ... ", vgl. auch Beiträge, S. 219 f. Weitergehend Goldschmidt, S. 255: "Rechtslage ist der Stand der Angelegenheit einer Person, betrachtet unter dem Gesichtspunkt des nach Maßgabe des Rechts zu erwartenden richterlichen Urteils, kürzer: die rechtlich begründete Aussicht auf ein günstiges oder ungünstiges richterliches Urteil ... Darin liegt nicht nur das "Unfertige", sondern auch das "Unsichere" der prozessualen Rechtslage, da sich das richterliche Urteil ... nicht mit Sicherheit berechnen läßt." Zur Kritik an Goldschmidt vgl. Schwinge, Hartmann-Fschr., S. 295 ff. (298).
II. Das Wesen der Prozeßbeschwerde im Verhältnis zu anderen Rechtsmitteln
33
dungen" nur eine Teilansicht der Beschwerde, denn nicht jede der Beschwerde unterliegende Entscheidung ist ,,zwischenentscheidung". Zwischenentscheidungen betreffen den Fortgang des Verfahrens, liegen zeitlich vor dem Urteil, aber schliessen das Verfahren nicht ab. Der Beschwerde hingegen unterfallen durchaus auch verfahrensabschließende Entscheidungen, 34 wie z. B. die Eröffnungsablehnung, die Berufungsverwerfung durch Beschluß, die Einstellungsentscheidung. Nicht der Angriff gegen Zwischenentscheidungen macht das Wesen der Beschwerde aus, sondern das Fehlen der Sachentscheidung und ihre Beschränkung auf das Verfahrensrecht. Demgegenüber sind alle anderen Unterscheidungen, die herkömmlich herausgestellt werden, nur Folge dieses Wesensunterschiedes, so beispielsweise, daß sich die Berufung gegen Urteile, die Beschwerde gegen Verfügungen richtet. 3~ Die von der Beschwerde zu entscheidende "Sache", gleichsam der Streitgegenstand, liegt ausschließlich auf verfahrensrechtlichem Gebiet.
Gegenstand der Beschwerde ist der Prozeßgang, und zwar dessen Beginn, Fortgang, Modalitäten und Abschluß. So betreffen den Beginn des Verfahrens die mit der Eröffnung in Zusammenhang stehenden Entscheidungen; die die Eröffnung ablehnende Beschwerdeentscheidung beendet das Verfahren, bevor dieses das Stadium des Hauptverfahrens erreicht hat; die eröffnende Beschwerdeentscheidung hebt das Verfahren in eine neue Rechtslage, indem sie den Prozeß vom Zwischen- in das Hauptverfahren befördert, ist also eine Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens; verfahrensabschließenden Charakter haben demgegenüber die Bestätigung der Berufungsverwerfung oder die Versagung der Wiedereinsetzung.
2. Aus dem Beschwerdegegenstand resultierende Konkurrenzen zu anderen Rechtsmitteln
Aus dem verfahrensrechtlichen Charakter der Beschwerde ergeben sich Konkurrenzprobleme mit anderen Rechtsmitteln. Ist nämlich deren Gegenstand identisch mit dem der Beschwerde, betrifft er also ebenfalls das Verfahrensrecht, so stellen sich Abgrenzungsfragen. Greift die Revision einen bestimmten Verfahrensfehler auf, der Gegenstand der Beschwerde war oder hätte sein können, so erhebt sich die Frage, inwieweit das eine Rechtsmittel durch das andere ausgeschlossen ist. 33 Die von Goldschmidt, S. 259 ff., vertretene eher materiell als formell geprägte Prozeßkennzeichnung, wie sie in dem Verständnis vom Prozeß als Anspruch, der wesenseigen für eine Rechtslage sei, zum Ausdruck kommt, wird von dieser Untersuchung nicht geteilt. Ob es sich demgegenüber um ein Prozeßrechtsverhältnis, in dem die Beteiligten untereinander verbunden sind, oder ob sich der Prozeß "als der rechtlich geordnete, von Lage zu Lage entwickelnde Vorgang" darstellt (Eb. Schmidt I Tz. 56), ist letztlich nicht von Belang. Jedenfalls wird der Prozeß von den Prozeßsubjekten und deren Prozeßhandlungen geprägt. Das Gegeneinander- und Zusammenwirken, die Interaktion, macht die Struktur des Strafprozesses aus (zum Problem vgl. Schlüchter Tz. 1 und 129). 34 Darauf weist mit Recht Ellersiek, S. 37, bei der Erörterung der Bindingschen Kennzeichnung der Beschwerde als "Berufung gegen Zwischenentscheidungen" hin. 35 Vgl. Minhardt, S. 7.
3 Weidemann
34
Einführung
So ist für den Beginn des Hauptverfahrens der Eröffnungsbeschluß Prozeßvoraussetzung. Da die Ablehnung der Eröffnung der (sofortigen) Beschwerde unterliegt, andererseits die positive Eröffnung für den Angeklagten nicht anfechtbar ist, wird problematisch, inwieweit durch diese Regelung die auf einen behaupteten Mangel des Eröffnungsbeschlusses gestützte Revision ausgeschlossen ist, insbesondere im Hinblick auf § 336 S. 2, wonach die unanfechtbaren und die der sofortigen Beschwerde zugänglichen Entscheidungen von der Revision ausgenommen sind.
Die Beschwerde konkurriert mit den Rechtsmitteln, die sich wie sie auf das Verfahrensrecht beziehen. Die Entscheidung der Sache selbst ist hingegen nicht ihr Metier, weshalb ihr Verhältnis zur Berufung weniger gespannt ist als zur Revision, denn Gegenstand der Berufung ist nun einmal vorrangig die Sachentscheidung 36 und nicht der Prozeßgang, so daß sich Konkurrenzprobleme zwischen Beschwerde und Berufung, von Ausnahmen abgesehen, nicht ergeben. Anders zeigt sich das Verhältnis der Beschwerde zur Revision. Indifferent steht die Beschwerde lediglich dem materiellen Recht gegenüber, dessen Auslegung ist nicht ihr Gegenstand. Das Prozeßrecht jedoch wird ihr von der Revision streitig gemacht. Der moderne Gesetzgeber hat die Relation zwischen Beschwerde und Revision zusätzlich problematisiert, indem er die (sofortige) Beschwerde dazu ausersehen hat, dü: Revision auf dem Gebiet des Verfahrensrechts zurückzudrängen. Das geschieht durch den 1979 neu geschaffenen § 336 S. 237 in Verbindung mit der Unterwerfung bestimmter Entscheidungen des erkennenden Gerichts unter die sofortige Beschwerde, womit sie kraft § 336 S. 2 der Revision entzogen sind. Damit ist die Beschwerde in den Entscheidungsbereich des erkennenden Gerichts eingedrungen und hat damit Terrain auf einem Gebiet gewonnen, welches bis dahin allein für Berufung und Revision offenstand.
III. Der Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit will den Bereich der Beschwerde gegen die anderen Rechtsmittel, die Zwischenverfahren und die Rechtsbehelfe eigener Art abstecken. Die Abgrenzungskriterien sucht sie aus der Struktur der Rechtsmittel zu gewinnen. Um diese freizulegen, ist es nötig, die Moränenlandschaft abzutragen, die sich im Lauf der Zeit über der ursprünglichen gesetzgeberischen Konzeption abgelagert hat, eine Mischung aus Rechtsprechung und herrschender Lehrmeinung, die hin und wieder in das Konglomerat einer Novellierung gegossen wurde. 38 36 Insbesondere nach Aufhebung des § 328 11 a. F., der dem Berufungsgericht die Zurückverweisung ermöglichte. 37 § 336 S. 2 ist durch Art. I Nr. 28 StVÄG 1979 eingefügt worden. 38 V gl. beispielhaft dazu im einzelnen unten 1. Teil 11., III.
111. Der Gang der Untersuchung
35
Die Untersuchung wendet sich zunächst dem Rechtsmittel zu, das in erster Linie mit der Beschwerde konkurriert, der Revision. Ein Blick auf die Gesetzesentwicklung soll die Notwendigkeit verdeutlichen, zu den Anfängen zurückzukehren, denn nirgendwo war die Abgrenzung beider Rechtsmittel derart folgerichtig an sachlogischen Strukturen ausgerichtet wie im Entwurf von 1873 (Entwurf I). Sodann wird das Verhältnis der Beschwerde zur Berufung, zu den Zwischenverfahren und zu den Rechtsbehelfen eigener Art untersucht, deren Gegenstand ebenfalls das Verfahren ist. Durch die systemgerechte Abgrenzung der Beschwerde von den übrigen Rechtsmitteln, den Zwischenverfahren und den Rechtsbehelfen lösen sich Einzelprobleme, die sich bisher einer grundlagenorientierten dogmatischen Betrachtung entzogen und stattdessen eine unübersehbare Kasuistik hervorgebracht haben. Derartigen Spezialfragen widmet sich die Untersuchung in ihrem fünften Teil. Im letzten Teil geht es um die Beteiligung Dritter am Prozeß. Der Rückgriff auf die Gesetzgebungsgeschichte ist mitunter notwendig. Die einzelnen Entwürfe der RStPO werden in der Form bezeichnet, wie es in der Literatur mittlerweile üblich geworden ist,39und zwar wie folgt: Entwurf I:
Entwurf im Auftrag des preußischen Iustizministers auf Ersuchen des Bundeskanzlers vom 12. 7. 1869, verfaßt von dem späteren Reichsjustizminister Dr. Friedberg;40
Entwurf 11: Erstellt von der durch den Bundesrat eingesetzten Kommission aus 11 Mitgliedem;41 Entwurf III: Reichstagsvorlage vom 29. 10. 1874. 42
Vgl. LR 12, Einleitung, S. XVlff. Veröff. 1873, Berlin, bei R. v. Decker; Wortlaut auch abgedruckt in GA 21 (1873), S. 5 ff.; zur Gesetzgebungsgeschichte allgemein vgl. die Einleitungen bei Thilo und von Schwarze; ferner Behr, S. 79 ff. (165 ff.); lohn, S. 19 f. 41 Durch Beschluß des Bundesrats vorn 13. 3. 1873 wurde der Entwurf I einer Kommission zur Beratung und Feststellung überwiesen, vgl. von Schwarze S. X und Thilo, S. XVIII (auch zur Zusammensetzung dieser Kommission). 42 Drucksachen des Reichstags 1874 H. Session Anlage 5 (Band 111, S. 101 ff.); Wortlaut in GA 22 (1874), S. 326ff. und Hahn 111/1, S. 3 ff. 39
40
3*
Erster Teil
Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision I. Vom Entwurf I bis zum Gesetz 1. Der Entwurf von Januar 1873 (Entwurf I)
a) § 305 S. 1 im Verhältnis zu § 336
Nach der dem Entwurf I zugrundeliegenden Konzeption schien Rechtsmittelkonkurrenz zwischen Revision und Beschwerde ausgeschlossen, weil § 305 einerseits und § 336 andererseits offenbar synchron aufeinander abgestimmt waren. Die der Urteilsflillung vorausgehenden Entscheidungen l des erkennenden Gerichts waren nach § 305 der Beschwerde entzogen, und die gleichen Entscheidungen sollten nach der Ansicht der Motive der Beurteilung des Revisionsgerichts unterworfen sein. Die eine Bestimmung war als die notwendige Ergänzung der anderen konzipiert: Sperrung des Beschwerdewegs durch § 305 und Revisionseröffnung durch § 336. Die Motive kennzeichnen diese Wechselbeziehung zwischen beiden Rechtsmitteln wie folgt: Im Abschnitt über die Beschwerde: " ... schließt der Entwurf bei den meisten der Urteilsfällung vorausgehenden Entscheidungen der erkennenden Gerichte zwar nicht jede Anfechtung, wohl aber die Beschwerde aus (§ 305). Es beruht dies darauf, daß diese Entscheidungen regelmäßig in irgend welchem inneren Zusammenhange mit der nachfolgenden Urteilsfällung stehen und zur Vorbereitung der letzteren dienen, daß sie demzufolge aber ... bei der Urteilsfällung selbst nochI Daß nur a) gerichtliche und b) Entscheidungen von § 336 erfaßt werden, wird in dieser Untersuchung vorausgesetzt. Das von Rieß (GA 1976,9 und 21) angesprochene Problem der Revisibilität der Zuständigkeitsabgrenzung nach § 74 a I, 11 GVG ist keine Frage der §§ 305, 336. Erhebt der GenStA Anklage vor der Staatsschutzkammer, kann diese nicht "entscheiden", ob sie zuständig ist (oder dem OLG vorlegen soll), weil sie keine Entscheidungsmöglichkeit hat, vielmehr an die in der Anklage getroffene Zuständigkeitsbestimmung gebunden ist - solange der GenBA nicht nach § 74 a 11 GVG übernimmt. Der Entschluß, eine Übernahme durch den GenBA anzuregen oder nicht (Rieß GA 1976,9, Anm. 53), ist keine ,,Entscheidung", ebensowenig wie die des GenStA, nicht dem GenBA vorzulegen und stattdessen Anklage zu erheben. - Die Eröffnung durch das OLG vor der Staatsschutzkammer ist zwar eine richterliche Entscheidung und wäre an sich gemäß § 210 11 der (sofortigen) Beschwerde unterworfen, ist ihr jedoch entzogen (weil § 304 IV Nr. 2 sofortige Beschwerde nur gegen die Ablehnung der Eröffnung, nicht aber gegen die Eröffnung vor einem Gericht niederer Ordnung zuläßt).
1. Vom Entwurf I bis zum Gesetz
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mals der Prüfung des Gerichts unterliegen. Hier würde ein ... Eingreifen des höheren Gerichts in das Verfahren mit der Stellung und Aufgabe des Gerichts erster Instanz unvereinbar sein. Dies gilt vor allem von solchen Beschlüssen, welche eine Beweisaufnahme anordnen oder ablehnen. In allen diesen Fällen bleibt demjenigen, der sich durch die Entscheidung beschwert fühlt, die Geltendmachung seiner Beschwerdegründe insofern vorbehalten, als dieselben zur Begründung der Revision gegen das demnächst ergehende Urteil benutzt werden können. Die Beschwerde geht hier also in dem Rechtsmittel der Revision auf. (vgl. § 336).,,2
In dem Abschnitt über die Revision heißt es sodann: "Daß dem Revisionsrichter auch die Prüfung der Entscheidungen zustehen muß, welche das erkennende Gericht vor der Urteilsfällung erlassen hat (§ 336), folgt schon daraus, daß diese Entscheidungen entweder sich als ein antizipierter Bestandteil des Urteils darstellen (so z. B. wenn ein angetretener Beweis für unerheblich erachtet wird) oder das Verfahren des erkennenden Gerichts betreffen. Vgl. das zu § 305 Bemerkte. ,,3
Die Absicht des Entwurfs war damit deutlich herausgearbeitet: Die Rechtsmittel Revision und Beschwerde sollten einander ausschließen. Die Abgrenzung sollte funktional vorgenommen werden, nämlich nach dem jeweiligen Stand des Verfahrens. Urteilsvorbereitende Entscheidungen unterlagen der Revision, alle anderen der Beschwerde. Diese Intention des Entwurfs wird klar zum Ausdruck gebracht, bedauerlicherweise allerdings nur in den Motiven, nicht in den vorgeschlagenen Bestimmungen selbst. Deren Wortlaut hat nämlich einen entscheidenden Mangel: Die §§ 305 und 336 sind nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. Im einzelnen: § 305 lautet: ,,Entscheidungen der erkennenden Gerichte, welche der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, Beschlagnahmen oder Straffestsetzungen.,,4
und § 336: "Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen auf einer Verletzung des Gesetzes beruhenden Entscheidungen, welche in der Hauptverhandlung vor der Urteilsfällung erlassen worden sind."s
§ 305 spricht die Entscheidungen des erkennenden Gerichts an, § 336 hingegen die ,,in der Hauptverhandlung" erlassenen.
Bei der Bezeichnung der Entscheidungen, die nach § 305 der Beschwerde entzogen und durch § 336 der Beurteilung des Revisionsgerichts unterworfen sind, 2 Entwurf I, S. 213; vgl. die fast wörtliche Übereinstimmung mit den Motiven Entwurf III (bei Hahn III/l, S. 247ff.). Wahlberg, S. 89, bezeichnet die "einfache Gestaltung des Beschwerderechts" als mustergültig. 3 Entwurf I, S. 220; bezüglich des Entwurfs III vgl. Hahn III /1, S. 252. 4 § 240 Entwurf I; Wortlaut in GA 21 (1873), S. 27. 5 § 251 Entwurf I; Wortlaut in GA 21 (1873), S. 28.
1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
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könnte im Entwurf I eine Divergenz entstanden sein. Meint nämlich § 305 Entwurf I alle Entscheidungen nach Eröffnung, auch die ausserhalb und vor der Hauptverhandlung ergangenen, so deckt sich dies nicht mit der Bestimmung des § 336 Entwurf I, der (nur) die in der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen der Beurteilung des Revisionsgerichts offenhält. Hierdurch würde allerdings nicht Rechtsrnittelkonkurrenz, wohl aber (teilweise) Rechtsrnittelabstinenz entstehen, denn es wären alle Entscheidungen des erkennenden Gerichts der Beschwerde entzogen, aber nur ein Teil davon (die in der Hauptverhandlung erlassenen) der Beurteilung des Revisionsgerichts unterworfen. Die übrigen wären schlechthin unanfechtbar. Was den Verfassern des Entwurfs I in diesem Zusammenhang vorschwebte, kann nur vermutet werden. Möglich ist, daß § 305 Entwurf I tatsächlich alle Entscheidungen nach Eröffnung beschwerdefähig machen wollte - nicht nur die in der Hauptverhandlung ergangenen. Diese Auffassung könnte sich durch die folgende Begründung des Entwurfs I bestätigt sehen: 6 "Der Entwurf bezeichnet mit dem Ausdruck Eröffnung des Hauptverfahrens diejenige richterliche Anordnung, durch welche eine Strafsache zur Hauptverhandlung vor ein erkennendes Gericht verwiesen wird."
Erkennendes Gericht ist hiernach dasjenige, an welches durch die Eröffnung "verwiesen wird".7 Wenn nun § 305 Entwurf I an diesen Begriff des erkennenden Gerichts anknüpft, so könnte einiges dafür sprechen, daß die Vorschrift nicht nur die während, sondern auch die vor und außerhalb der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen der Beschwerde entzieht. Auf der anderen Seite wird noch bei den Beratungen des Entwurfs III, dessen Fassung in § 305 mit der des Entwurfs I übereinstimmt, von Hanauer die Auffassung vertreten, § 305 Entwurf III betreffe nur die Entscheidungen "nach Einleitung der Hauptverhandlung". 8 Auch nach Inkrafttreten der StPO war die Frage, ob unter der Beschwerde entzogenen Entscheidungen "des erkennenden Gerichts" alle Entscheidungen nach Eröffnung oder nur die in der Hauptverhandlung ergangenen zu verstehen sind, lange Zeit streitig. 9 Erst RG 43, 179 \0 hat die Frage im Sinn der heute herrschenEntwurf I, S. 129. Vgl. Schlüchter Tz. 656. Zum Begriff des erkennenden Gerichts vgl. die eingehende Erörterung von Schwentker, S. 32 ff. Er untersucht den Begriff in zeitlicher und funktionaler Sicht und sieht wie hier als erkennendes das Gericht des Hauptverfahrens (nicht lediglich der Hauptverhandlung) an (S. 42). 8 Hierauf weist Voitus I, S. 353, hin: vgl. Hahn III/1, S. 989. Die Begründung des Entwurfs III zur Frage der Definition des erkennenden Gerichts (Hahn III11, S. 165) entspricht wörtlich der des Entwurfs I (S. 129), so daß auch insoweit die gleichen Ausgangspositionen gegeben sind: Das erkennende Gericht wird durch den Entwurf III nicht anders bestimmt als durch den Entwurf I. 9 Vgl. die Übersicht bei Stenglein § 347, Anm. 1 und Voitus I, S. 345 ff. 6 7
1. Vom Entwurf I bis zum Gesetz
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den Auffassung ll dahin entschieden, daß § 305 alle Entscheidungen nach Eröffnung, also auch die außerhalb der Hauptverhandlung erlassenen, umfaßt. Dem Entwurf I zu unterstellen, er habe die §§ 305, 336 asynchron gefaßt, flillt angesichts der in der Begründung deutlich ausgesprochenen Absicht, beide Bestimmungen aufeinander abzustimmen, schwer. Offensichtlich ist, daß § 336 Entwurf I nur die Entscheidungen in der Hauptverhandlung erfaßt. Zu vermuten ist, daß § 305 Entwurf I entsprechend zu verstehen ist, sich also ebenfalls nur auf diese bezieht. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Interpretation findet sich in dem angeführten Beispielsfall des Entwurfs (Ablehnung eines Beweisantrages), 12 einer Entscheidung, die in der Hauptverhandlung ergeht. Dies spricht dafür, daß § 305 Entwurf I (wie § 336) nur derartige Entscheidungen der Beschwerde vorenthalten will. Vielleicht gingen die Verfasser des Entwurfs davon aus, daß Entscheidungen des erkennenden Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung ohnehin nicht den geforderten inneren Zusammenhang mit dem Urteil aufweisen und daß deshalb der Beschwerde nur die innerhalb der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen zu entziehen waren. Damit wäre der Gleichklang zwischen beiden Bestimmungen des Entwurfs hergestellt. Angesichts der Bemühungen, die Vorschriften aufeinander abzustimmen, liegt eine derartige Lösung nahe. Die andere Interpretation
10 RG 43, 179 (181): Erkennendes Gericht ist dasjenige, vor welchem nach dem Eröffnungsbeschluß die Hauptverhandlung stattfinden soll. Der Gedankengang dieser Entscheidung ist recht eigenartig, und zwar nicht deshalb, weil die Entscheidung des Vorsitzenden nach Eröffnung, aber vor der Hauptverhandlung, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger nicht zu bestellen, wegen § 305 nicht für beschwerdefähig gehalten wird, sondern weil das RG die Begründetheit der Revision von der Statthaftigkeit der Beschwerde abhängig macht. Die Revision führt nach Ansicht des RG deshalb nicht zum Erfolg, weil die gegen den Beschluß eingelegte Beschwerde nicht statthaft war, im Umkehrschluß könnte dies bedeuten: War die Beschwerde statthaft, wäre auch die Revision begründet gewesen. Das ist geradezu eine Verkehrung des in §§ 305, 336 zum Ausdruck gelangenden Grundsatzes. Die Beschwerde ist deshalb nicht eröffnet, weil die Entscheidung (im konkreten Fall: Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung) der Revision unterliegt. Deren Erfolg hängt nun aber nicht davon ab, daß die Beschwerde zulässig war. Vielmehr ist die Unzulässigkeit der Beschwerde der Grund für die Statthaftigkeit der Revision. Das RG hätte deshalb die in der Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung liegende selbständige Beschwer prüfen und erörtern müssen, ob hierauf das Urteil beruhte. Verneint wurde das Beruhen aber deshalb, weil die Beschwerde nicht zulässig war. Die in der Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung liegende (Revisions-)Beschwer wurde gar nicht erst geprüft. Diese - aus dem Jahre 1909 stammende - Entscheidung des RG macht bereits deutlich, daß schon kurz nach dem Erlaß der StPO das Verhältnis zwischen den §§ 305, 336 gründlich verkannt wurde. 11 KleinknechtlMeyer-Goßner § 305 Tz. 2; § 28 Tz. 6; Sieg, StV, 1990,283; KK-Paulus § 305 Tz. 2. Heute ist nur noch umstritten, ob (schon) die das Hauptverfahren eröffnende Entscheidung eine solche des erkennenden Gerichts ist - auch wenn sie vor einem anderen Gericht eröffnet - oder ob § 305 nur die Entscheidungen des die Hauptverhandlung durchführenden Gerichts erfaßt. Vgl. einerseits OLG Bremen JR 1958, 189, andererseits KG JR 1979, 479 gegen OLG Schleswig SchlHA 1954, 64 (Ablehnung der Verbindung im Eröffnungsbeschluß, der vor einem anderen Gericht eröffnet). 12 Entwurf I, S. 213.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
(wonach der Entwurf I in § 305 weiter greift als in § 336) ist freilich nicht ganz von der Hand zu weisen. b) § 305 S. 2
Vom Beschwerdeausschluß nach § 305 S. 1 sind gemäß § 305 S. 2 die darin erwähnten Entscheidungen ausgenommen. Der Grund hierfür ist nach den Motiven,13 daß diese Entscheidungen nicht mit der Urteilsfallung im Zusammenhang stehen. 14 § 305 S. 2 enthält nach der den Entwürfen I bis III zugrundeliegenden Konzeption keine Durchbrechung des in § 305 S. 1 ausgesprochenen Grundsatzes, daß revisible Entscheidungen des Erkenntnisverfahrens der Beschwerde nicht unterfallen. § 305 S. 2 sollte hiernach einen von Satz 1 nicht umfaßten Bereich regeln, sich also nicht als Spezialvorschrift, sondern als Alternative zu Satz 1 darstellen. 15 Ob diese Sicht noch heute aufrechterhalten werden kann, mag diskussionswürdig erscheinen. Es wird darauf noch eingegangen. 16 Dem Entwurf I liegt jedenfalls bei der Synchronisierung der §§ 336, 305 ein geschlossenes System zugrunde, das auch nicht durch § 305 S. 2 gestört wird. 2. Die späteren Entwürfe und das Gesetz
Die Entwürfe der Folgezeit bezogen die Entscheidungen zwischen Eröffnung und Hauptverhandlung in den Bereich der Revision ein. im einzelnen verlief die Entwicklung wie folgt: Der Entwurf II strich den § 336 als überflüssig. 17 § 305 wurde jedoch beibehalten. Der Verzicht auf § 336, der nach heutiger Ansicht ohnehin nur etwas Selbstverständliches aussagt und im Grunde als überflüssig angesehen wird,18 war für sich genommen kein Fehler. Das Wesentliche drückt § 305 aus: die Sperrung des Beschwerdewegs gegen Entscheidungen des erkennenden GeEntwurf I, S. 213; Ferdinand, S. 164; Hahn III/l, S. 248. Zur Entstehungsgeschichte des § 305 S. 2 vgl. Wendisch, Fschr. f. Dünnebier, S. 240ff.; AK StPO Altenhain / Günther § 305 Tz. 28. 15 Bei dieser Sicht würde die heutige Diskussion darüber, ob § 305 S. 2 die Entscheidungen enumerativ oder nur beispielhaft aufzählt (vgl. Schwentker, S. 130ff.; Ellersiek, S. 124; Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 20; Giesler, S. 126; LR-Gollwitzer § 305 Tz. 21), müßig; denn wenn die Entscheidungen apriori nicht § 305 S. 1 unterliegen, ist es überflüssig zu fragen, ob es daneben noch weitere gibt, die das ebenfalls nicht tun. Vorn Boden der Auffassung, die S. 2 als Alternative - nicht als Spezialregelung - gegenüber S. 1 ansieht, ist das Problem, ob noch weitere - etwa grundrechtseinschränkende - Entscheidungen des erkennenden Gerichts der Beschwerde offenstehen, nicht über die Auslegung des S. 2, sondern nur über die des S. 1 zu lösen. Instruktiv der Hinweis von Kühne Tz. 636 auf den Sinn des § 305 S. 1 (keine unnötige Doppelung des Rechtsschutzes). 16 Vgl. unten IX. 8. 17 Vgl. die Gegenüberstellung der Entwürfe bei LR 12 vor § 375, im übrigen den Wortlaut des Entwurfs 11 in der Veröffentlichung bei Decker (S. 42, §§ 255 ff. Entwurf 11). 18 LR-Hanack § 336 Tz. 1. 13
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richts. Gleichwohl sollte sich der Verzicht auf § 336 in der Folgezeit als verhängnisvoll erweisen, denn durch seine Streichung ging das Bewußtsein dafür verloren, warum Entscheidungen des erkennenden Gerichts der Beschwerde nicht zugänglich sein sollten. Dieser Grund liegt in der gleichzeitigen Eröffnung des Revisionswegs. Beschwerdeentzug und Revisionszuweisung bedingten einander, und so war auch das Zusammenspiel zwischen § 305 einerseits und § 336 andererseits durch den Entwurf I abgestimmt. Keiner der späteren Entwürfe, auch nicht das Gesetz, vermochte diesen Zusammenhang durch das organische Zusammenspiel der §§ 305,336 so sinnfällig darzustellen, wie dies dem Entwurf I gelungen war - selbst bei Berücksichtigung des redaktionellen Mangels, der dem Entwurf I bei der Fassung des § 305 (keine ausdrückliche Beschränkung auf die Entscheidungen in der Hauptverhandlung) unterlaufen sein mag. Wahrend der Entwurf III die Streichung des § 336 beibehielt, besann sich erst die Reichstagskommission auf diese Vorschrift, und in der ersten Lesung wurde § 336 - unter Hinweis auf die entsprechende Regelung der ZPO - wieder eingefügt. 19 Damit wäre die Konzeption des Entwurfs I übernommen worden - wenn sich nicht in der zweiten Lesung eine für das spätere Verständnis folgenschwere Änderung eingeschlichen hätte, die nach dem Willen der Kommission zwar der KlarsteIlung dienen sollte, in Wirklichkeit aber den Keim der späteren Interpretationsschwierigkeiten in sich trug. Vorgeschlagen war in der ersten Lesung eine der Fassung des Entwurfs I fast wortgleiche Formulierung, wonach der Beurteilung des Revisionsgerichts auch die Entscheidungen unterliegen sollten, "welche in der Hauptverhandlung vor der Urteilsfallung erlassen sind.,,20
In dieser Fassung wurde § 336 in der ersten Lesung angenommen. 21 In der 2. Lesung wurde hieraus "welche vor der Hauptverhandlung erlassen sind, sofern das Urteil als auf denselben beruhend sich darstellt".22. 23 Hahn 11111, S. 1029 (Anträge der Abgg. Becker, Bähr, von Schwarze). Hahn III 11, S. 1029; gestrichen gegenüber dem Entwurf I sind lediglich die Worte "auf einer Verletzung des Gesetzes beruhenden". Materiell-rechtlich ist dies keine Änderung, lediglich eine Richtigstellung: Das Revisionsgericht überprüft nicht nur die rechtsverletzenden Entscheidungen, sondern es überprüft jede Vorentscheidung, und zwar daraufhin, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. 21 Hahn IIIll, S. 1030. In der Zusammenstellung bei Hahn III/2, S. 2310 wird als Ergebnis der 1. Lesung § 305 wie folgt wiedergegeben: "Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche in dem Hauptverfahren vor der Hauptverhandlung erlassen sind". Das ist eine Abweichung gegenüber dem Ergebnis der 1. Lesung im Text bei Hahn IIIll, S. 1029, die keinen Sinn ergibt - es sei denn, man sieht in dieser Änderung die Absicht, nur die Entscheidungen des erkennenden Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung der Revision zu unterwerfen, was aber in der Debatte keine Stütze findet, so daß als Erklärung nur ein Redaktionsversehen in der synoptischen Übersicht verbleibt. Vgl. auch von Schwarze, zu § 375 (S. 523), der als Ergebnis der 1. Lesung die Formulierung des Antrags Becker I Bähr I von Schwarze wie oben im Text zitiert. 19
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Noch in der ersten Lesung hatte von Schwarze darauf hingewiesen, "daß alle im Vorverfahren etwa vorgekommenen Nullitäten ... durch das spätere Verfahren saniert werden, soweit sie nicht ... durch ihre Wiederholung als selbständige Nullitäten gegen das Endurteil zu verwenden seien. ,,24 Die Kommission war jedoch in der zweiten Lesung der Meinung, daß, wenn auch nur in beschränktem Umfang, ebenfalls Entscheidungen vor der Hauptverhandlung Revisionsgründe abgeben könnten,25 wobei hierunter nicht nur die Entscheidungen nach Eröffnung (also des erkennenden Gerichts) gezählt wurden, sondern alle "des der Hauptverhandlung vorhergehenden Verfahrens".26 Dem Wortlaut nach umfaßt dies auch Entscheidungen aus dem Vorverfahren. 27 Damit wird die Revision - zumindest theoretisch 22 Hahn III/2, S. 1416; vgl. dort die Ausführungen von Hanauer: § 336 sei teils zu weit, teils zu eng. Zu eng, weil die in der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen ausgeschlossen sein könnten und andererseits möglicherweise Entscheidungen aus dem Vorverfahren einen solchen Zusammenhang mit dem Urteil gewinnen könnten, "daß dieses sich als auf ihnen beruhend darstellt. In solchem Falle könne das Revisionsgericht wohl in die Lage kommen, die Gesetzlichkeit einer im Vorverfahren ergangenen Entscheidung prüfen zu müssen". Das ist eine Befürchtung, die sich später bewahrheiten sollte, denn tatsächlich setzt sich das RG verschiedentlich mit Verfahrensfehlern vor Eröffnung auseinander, läßt aber die Revision nicht, wie es angezeigt wäre, am Beruhensmerkmal scheitern, sondern am Grundsatz der Priorität der Beschwerde. Hierauf wird im Text unten noch eingegangen. Vgl. die Stellungnahme Hanauers zu § 305 (Hahn III/I, S. 989): § 305 betreffe "nur die von den erkennenden Gerichten, also nach Einleitung der Hauptverhandlung, getroffenen Entscheidungen". Daraus leitet Paulus (NStZ 1985, S. 520, Anm. 16) die Auffassung her, daß § 305 S. I nur die in der Hauptverhandlung ergangenen Entscti.eidungen meine. Indessen beruht die Auffassung von Hanauer erkennbar auf einer anderen (zu engen) Bestimmung des Begriffs des erkennenden Gerichts, da Hanauer offenbar hierunter nur das Gericht ab Beginn der Hauptverhandlung versteht. 23 Zur Entstehungsgeschichte des § 305 vgl. Schmid, S. 268: Die Volksvertreter hatten bei dem Eingriff in den Entwurf ,,keine glückliche Hand". Schmid erstreckt den § 336 nur auf Entscheidungen vor und außerhalb der Hauptverhandlung (S. 268). Diese Auffassung kann angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 336 nicht richtig sein. Zutreffend aber die Bemerkung von Schmid, daß Fehler in der Hauptverhandlung natürlich auch ohne § 336 Gegenstand der Revisionsrüge sein können. Das deckt sich mit der Bemerkung bei LR-Hanack § 336 Tz. I, daß § 336 im Grunde selbstverständlich ist. So schon v. Amsberg, Hahn 11111, S.1030. 24 Hahn III/I, S. 1030 1. Abs. 25 Hahn III/2, S. 1605: Alle gerichtlichen Entscheidungen in demselben Verfahren ohne Unterschied des Stadiums; vgl. RG 7, 175: § 336 beschränkt sich nicht grundsätzlich auf die in der Hauptverhandlung verkündeten Entscheidungen, greift allerdings nicht über das Stadium vor der Eröffnung hinaus; BayObLG JW 1929, 1064 (Nr. 6) und OLG Dresden JW 1927, 2076 (Nr. 34), jeweils mit kritischer Anmerkung Mannheim, dehnen den Anwendungsbereich des § 336 auf alle Entscheidungen vor der Hauptverhandlung aus, auch auf das Vorund Zwischenverfahren. 26 Formulierung von Lasker bei Hahn III/2, S. 1416. Vgl. demgegenüber die vorangegangenen Ausführungen von Hanauer daselbst. 27 Das wird bereits von Hanauer (Hahn III/2, S. 1416) erkannt. Nach heutiger Auffassung kommt die Anwendung des § 336 S. I auf Entscheidungen aus dem Vorverfahren grundsätzlich nicht in Betracht. Das liegt daran, daß der Eröffnungsbeschluß als die alleinige Grundlage des späteren Verfahrens angesehen wird, BGH 15, 40 (44). Nur ausnahmsweise, wenn
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auf einen Bereich ausgedehnt, der bis dahin der Beschwerde vorbehalten war, nämlich auf die Entscheidungen, die nicht nur vor der Hauptverhandlung, sondern vor Eröffnung - und damit nicht durch das erkennende Gericht - erlassen wurden. Dieser Einbruch der Revision in den bis dahin der Beschwerde vorbehaltenen Bereich stört das organische Zusammenspiel beider Rechtsmittel. Erstmals stellt sich jetzt die Frage der Rechtsmittelkonkurrenz; nunmehr unterliegen Entscheidungen vor Eröffnung, da sie nicht nach § 305 der Beschwerde entzogen sind, sowohl der Beschwerde als auch - zumindest theoretisch, sofern der Beruhenszusammenhang festgestellt werden kann - der Revision. Mit einer geringfügigen redaktionellen Änderung wird der Entwurf Gesetz: Die Formulierung ,,Entscheidungen, welche vor der Hauptverhandlung erlassen sind .....28
wird ersetzt durch "Entscheidungen, welche dem Urteile vorausgegangen sind ...... 29
Eine Inhaltsänderung ist damit nicht verbunden. 3o Vielmehr unterliegen nach dem Bericht der Kommission nicht nur die in der Hauptverhandlung ergangenen Zwischenentscheidungen, sondern "alle gerichtlichen Entscheidungen in demselben Verfahren, ohne Unterschied des Stadiums" der Revision?l Interessanterweise beginnt die Störung des funktionalen Zusammenspiels beider Rechtsmittel mit dem Einbruch der Revision in das Terrain der Beschwerde. Die Revision dringt in den bis dahin allein der Beschwerde zugänglichen Bereich des Vorverfahrens ein. In der Folgezeit sollte sich dies zu einem "vernichtenden Gegenschlag" der Beschwerde zu Lasten der Revision auswirken. Die Revision verliert nicht nur das ihr ursprünglich durch den Entwurf theoretisch zugestandene Gebiet des Vorverfahrens endgültig, sie wird auch im Hauptverfahren, der ihr vorbehaltenen Domäne, von der Beschwerde zurückgedrängt. Was der Revision durch die Änderung des Entwurfs I theoretisch zugestanden wurde, sich aber praktisch mangels Beruhens nicht auswirkte, wurde ihr später nicht nur im Bereich des Vorverfahrens, sondern vor allem auf dem Gebiet des Hauptverfahrens genommen; ersteres geschah durch die Rechtsprechung des RG die Entscheidung bis zum Urteil "fortwirkt", soll dies nach § 336 überprüfbar sein. Die Anwendung dieser Bestimmung auch auf vor Eröffnung ergangene Entscheidungen wird zumindest nicht ganz ausgeschlossen, vgl. LR-Hanack § 336 Tz. 6; KleinknechtlMeyer-Goßner § 336 Tz. 3; KK-Pikart § 336 Tz. 5; Eb. Schmidt § 336 Tz. 5 f. und Hilger NStZ 1983,428 (zur Frage der Voraussetzungen des § 336 im Rahmen des § 328 II a.F.). Zum Problem insgesamt vgl. Schmid, S. 175 ff. 28 Hahn 111/2, S. 1416. 29 Hahn 111/2, S. 1605 und die synoptische Übersicht S. 2310, 2311. 30 Vgl. Schmid. S. 269. 31 Vgl. Hahn III/2, S. 1605.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
zur Frage der Rechtsmittelkonkurrenz, letzteres durch den modemen Gesetzgeber, der die sofortige Beschwerde in das Verfahren des erkennenden Gerichts einführte, und zwar als Mittel zur Eindämmung der Revisibilität bestimmter Entscheidungen. Darauf wird noch einzugehen sein. Zunächst ist noch auf eine weitere Änderung in der 1. Lesung des Entwurfs hinzuweisen, die möglicherweise die bisherige Grundkonzeption der nahtlosen Abgrenzung beider Rechtsmittel in Frage stellt: § 305 S. 2 wurde nämlich gegenüber den Entwürfen I bis III dahingehend abgeändert,32 daß vom Beschwerdeausschluß die Entscheidungen ausgenommen wurden, durch die dritte Personen betroffen sind. Dies würde zu einer Überschneidung von Revision und Beschwerde führen, sofern nunmehr diesen "Dritten" beide Rechtsmitteloffenstehen. Indessen bezog sich nach den Beratungen der Reichstagskommission der Erweiterungsantrag zu § 305 S. 2 nur auf Zeugen und Sachverständige, also auf solche Personen, die keine Möglichkeit zur Urteilsanfechtung haben. 33 Wer aber gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen kann, ist nicht "Dritter" i.S. von § 305. Die Vorschrift ist insbesondere nicht auf den Nebenkläger und - erst recht nicht - auf den Angeklagten anwendbar. 34 Mit der Entstehungsgeschichte vereinbar ist demnach nur die Auslegung, die unter "dritten Personen" i.S. des § 305 S. 2 allein solche versteht, die zur Urteilsanfechtung nicht berechtigt sind. Wenn diese auch Entscheidungen des erkennenden Gerichts mit der Beschwerde angreifen können, so kann es hierdurch zu Divergenzen zwischen Beschwerde- und Revisionsentscheidung kommen. Hieraus resultiert indessen nicht Rechtsmittelkonkurrenz: Divergenz und Konkurrenz sind zu trennen. Beispiel: Der Zeuge beanstandet die an ihn gerichtete Frage mit der Beschwerde. Das Beschwerdegericht hält die Frage für unzulässig. Die Revision des Angeklagten rügt an dem daraufhin - ohne die Beantwortung dieser Frage - ergangenen Urteil, die Frage sei zuzulassen gewesen.
Hahn III/ 1, S. 989 (Anträge der Abgg. Struckmann und Becker). So mit Recht Ellersiek, S. 127; näher hierzu unten, 6. Teil. 34 Das ist heute selbstverständlich und wird in der neueren Literatur - abgesehen von Amelunxen, Nebenkläger, S. 40, dazu vgl. unten 6. Teil 11 - nicht mehr erörtert, vgl. nur LR-Wendisch § 396 Tz. 17ff.: Es kommt nur auf die Frage des § 305 S. 1, den urteilsvorbereitenden Charakter der Entscheidung, an. Curiosa liefert lediglich die ältere Rechtsprechung. So sieht beispielsweise KG bei Alsberg III Nr. 131 a = GA 57 (1910), S. 234 den Nebenkläger als Dritten an, leitet daraus aber nicht etwa dessen Beschwerdeberechtigung, sondern die des Angeklagten her, wodurch wiederum das OLG Braunschweig (Alsberg III Nr. 131 b) veranlaßt wird, seIbst den Angeklagten als "Dritten" anzusehen; vgl. hierzu die ablehnende Stellungnahme von Eb. Schmidt § 396 Tz. 18 und OLG Saarbrücken NJW 1963, 1513; RG 59, 100 (104) bejaht obiter die Beschwerdefähigkeit der negativen Anschlußentscheidung, hält die Unterlassung der Beschwerde indessen nicht für revisionsschädlich und eröffnet letztlich - für den Nebenkläger - beide Rechtsmittel; ähnlich Mannheim JW 1929, 1064; so betrachtet entsteht tatsächlich Rechtsmittelkonkurrenz. Indessen wird die Beschwerdefähigkeit der ablehnenden Entscheidung des erkennenden Gerichts durch RG 59, 100 (104) nur am Rande erwähnt und nicht weiter begründet. Sie steht zu den Motiven in Widerspruch. 32 33
11. Die Rechtsprechung des RG zur Rechtsmittelkonkurrenz
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In derartigen Fällen entstehen Bindungsfragen, 35 nicht aber ergibt sich Rechtsmittelkonkurrenz. Zwar geht es um dieselbe Entscheidung (Zulassung der Frage an den Zeugen), und diese wird sowohl durch das Beschwerde- als auch das Revisionsgericht überprüft, indessen sind die Rechtsmitte1führer verschiedene Prozeßbeteiligte, Angeklagter bzw. Zeuge. Es stehen also nicht etwa einer Person zwei Rechtsmittel zu. Daß die Beschwerde des Zeugen und die Revision des Angeklagten dieselbe Entscheidung betreffen, führt nicht dazu, daß die Rechtsmittel ,,konkurrieren".36
11. Die Rechtsprechung des RG zur Rechtsmittelkonkurrenz und die frühere gesetzliche Lage 1. Beschränkung des § 336 durch das RG auf Entscheidungen aus der Zeit nach Eröffnung des Hauptverfahrens
Bereits die Reichstagskommission war sich darüber im klaren, daß sich aus den Entscheidungen vor der Hauptverhandlung "nur in beschränktem Umfang,,37 Revisionsgründe herleiten lassen, und der Bericht der Kommission unterstreicht die Notwendigkeit der Beruhensprüfung. 38 Der Anwendungsbereich der Revision wurde durch ihre Erstreckung auch auf Vorverfahrensentscheidungen wohl theoretisch, nicht aber praktisch ausgedehnt. Für das Merkmal des Beruhens ist die Eröffnung eine Zäsur: Die bis dahin begangenen Rechtsfehler werden geheilt, sofern sie nach Eröffnung nicht wiederholt werden 39 - eine Erkenntnis, die Hanauer schon bei den Beratungen der Kommission dargelegt hatte,40 was diese jedoch nicht hinderte, den § 336 auf die vor der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen auszudeh35 Bindung des erkennenden Gerichts und des Revisionsgerichts an die Beschwerdeentscheidung? V gl. unten im Text VII. 36 Näher 6. Teil. 37 So wörtlich in zweiter Lesung der Abgeordnete Dr. Lasker, vgl. Hahn III/2, S. 1416. 38 Hahn III/2 , S. 1605 sowie die Diskussion in zweiter Lesung (Hahn III/2, S. 1416). 39 RG 55, 225 (226): Der Eröffnungsbeschluß als alleinige Grundlage des weiteren Verfahrens; LR-Wendisch § 16 Tz. 18; LR-Hanack § 336 Tz. 6; Eh. Schmidt § 336 Tz. 5 - freilich wird der Zusammenhang mit Mängeln aus dem Vorverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen. So offenbar auch BGH NStZ 1998,49, wonach die Statthaftigkeit der Revisionsrüge nicht daran scheitern soll, daß die Verteidigerbeiordnung schon im Ermittlungsverfahren abgelehnt worden ist und diese Entscheidung des Vorsitzenden dem § 336 unterworfen wird. Das darf aber wohl als obiter dictum verstanden werden, denn im konkreten Fall war der Antrag in der Hauptverhandlung erneut gestellt worden. 40 Sehr klarsichtig die Bemerkung von Schwarzes (Hahn III/1, S. 1030): Aus der Aufnahme des § 336 in das Gesetz folgt, daß alle im Vorverfahren "vorgekommenen Nullitäten ... durch das spätere Verfahren saniert werden". Diese Schlußfolgerung trifft für die in erster Lesung konzipierte Fassung des § 336 zu ("Entscheidungen, welche in der Hauptverhandlung vor der Urteilsflillung erlassen sind"). Vgl. im übrigen auch die Kommentierung von Schwarze zu § 375 (a.F.).
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nen. Die Bemerkung von Hanauer in der 2. Lesung,41 das Revisionsgericht könne in die Lage kommen, "die Gesetzlichkeit einer im Vorverfahren ergangenen Entscheidung prüfen zu müssen", sollte alsbald Realität werden. Zum RG gelangten nämlich Revisionen, in denen Verfahrensfehler vor Eröffnung gerügt wurden, insbesondere Mängel der Voruntersuchung. Das RG sah sich zu Ausführungen über eine - vermeintlich bestehende - Rechtsmittelkonkurrenz zwischen Revision und Beschwerde veranlaßt, die besser ungesagt oder zumindest in den Bereich der obiter dicta verwiesen worden wären. Anstatt nämlich, was nahe lag, die Revision in derartigen Fällen am Beruhensmangel scheitern zu lassen,42 stellte das RG grundsätzliche Erwägungen über das Verhältnis zwischen Revision und Beschwerde an, die in späterer Zeit ein Eigenleben entfalten sollten, indem sie zur Revisionseinschränkung schlechthin herangezogen wurden. 43 Eingeleitet wurde diese Rechtsprechung durch RG 2, 19. Der Entscheidung aus dem Jahre 1880 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Revision rügte die Verletzung des damaligen § 199. Hiernach hatte der Vorsitzende die Anklageschrift dem Angeschuldigten mitzuteilen und ihn aufzufordern, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären, ob er eine Voruntersuchung oder die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen wolle. Die Eröffnung des Hauptverfahrens war vor Ablauf der in der Aufforderung gesetzten Frist beschlossen worden, obwohl der Angeklagte innerhalb der Frist beantragt hatte, weitere Beweise zu erheben. Das RG behandelt die auf Verletzung des damaligen § 199 gestützte Revisionsrüge unter zwei Gesichtspunkten. Es ~ieht die Eröffnung vor Fristablauf als Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Voruntersuchung. Dieser Rüge versagt das RG den Erfolg mit der Begründung, dem Angeklagten habe insoweit die sofortige Beschwerde zugestanden, "und damit" sei eine anderweitige Anfechtung des Beschlusses in der Revisionsinstanz ausgeschlossen. Das RG verweist auf den damaligen § 510 ZPO, den Vorläufer des heutigen § 548 ZPO, wonach der Beurteilung des Revisionsgerichts auch die dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen unterlagen, soweit sie nicht unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar waren. Die strafrechtliche Praxis lehnt sich damit nicht, wie Schmid und Nelles44 meinen, "unausgesprochen" an die entspreHahn III/2, S. 1416. So z. B. RG 44,380 (381): "Soweit die Strafkammer" - im Vorverfahren - "die Anträge auf Erhebung einzelner Beweise übergangen hat, beruht das Urteil keinesfalls auf dem Prozeßverstoße ... Denn es war dem Angeklagten unbenommen, diese seine Beweisanträge in der Hauptverhandlung zu erneuern ... "; ähnlich RG Rspr. 1, 136 (137). 43 Die Entscheidung BGH 6, 326 (328) interpretiert die ständige Rspr. des RG ganz richtig, wenn sie diese so darstellt: "Das Urteil beruht auf der Hauptverhandlung und nicht auf dem Vorverfahren. Für das Hauptverfahren ist der Eröffnungsbeschluß alleinige Grundlage des weiteren Verfahrens .. '" Mängel des Vorverfahrens können deshalb nicht mit der Revision gerügt werden. Auf Fehlern des Ermittlungsverfahrens, der gerichtlichen Voruntersuchung oder der Anklage kann das Urteil nicht beruhen. Dieser Grundsatz ist in RG 2, 33 (37 f.) ausgesprochen, auf welche Entscheidung sich BGH 6, 326 (328) zu Recht bezieht. Allerdings stellt die in diesem Zusammenhang gleichfalls zitierte Entscheidung RG 55, 225 (zusätzlich) auf ein weiteres Argument ab: Der Angeklagte hatte von der sofortigen Beschwerde keinen Gebrauch gemacht, so daß er in der Revision "daher mit seinem Vorbringen nicht mehr gehört werden" könne. Vgl. Schmid, S. 175; dazu weiter unten im Text. 44 Schmid, S. 164; Nelles NStZ 1982,98 (l Sp.). 41
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chende Regelung des § 548 ZPO an, denn bereits RG 2, 19, die früheste Entscheidung des RG zu dieser Frage, greift ausdrücklich und ohne nähere Begründung, wie selbstverständlich, auf die dem § 548 ZPO zugrundeliegende Alternativitätsmaxime zurück, wenn in der Entscheidung ausgeführt wird: "Dem Angeklagten ist ... gegen den gerichtlichen Beschluß ... die sofortige Beschwerde gegeben ... und damit eine anderweitige Anfechtung des Beschlusses in der Revisionsinstanz ausgeschlossen (vgl. § 548 ZPO)." Die Entscheidung führt sodann zur Ablehnung der Beweisanträge im Zwischenverfahren ein weiteres Argument ins Feld: ,,Es kann nicht in der Absicht des Gesetzes gelegen haben, für den Fall, in welchem es sich nur um die Vornahme einzelner Beweishandlungen, also um eine Befugnis des Angeklagten von geringerer Bedeutung handelt, demselben zwar die sofortige Beschwerde zu versagen, nichts destoweniger aber die Anfechtung des Beschlusses in der Revisionsinstanz zuzulassen. ,,45
Mit anderen Worten: Weil die sofortige Beschwerde verschlossen ist, ist auch die Revision nicht gegeben. Oder anders ausgedrückt: Weil die Ablehnung eines Beweisantrages vor Eröffnung unanfechtbar ist, kann hierauf auch die Revision nicht gestützt werden. Das ist der Grundsatz des § 510 ZPO a.F. Unanfechtbare Entscheidungen sind der Revision nicht zugänglich. Das RG hat damit bereits in dieser frühen Entscheidung die Regelung des damaligen § 510 ZPO (der die unanfechtbaren und die mit der Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen der Revision entzog) auf den Strafprozeß übertragen, freilich mit der Variation, daß im Strafprozeß nur die sofortige Beschwerde die Revision ausschließt. Der Rückgriff auf § 548 ZPO lag für das RG so nabe, daß es sich mit einem Zitat dieser Vorschrift begnügte, ohne dies näher zu begründen: zu Recht, wenn man die Beratungen der Entwürfe betrachtet. Schon in erster Lesung hatte von Schwarze auf § 548 ZPO hingewiesen,46 und letztlich wurde § 336, der aus dem Entwurf schon gestrichen worden war, auch deshalb in das Gesetz aufgenommen, um Gleichklang mit der ZPO zu erzielen. Dabei entging der Kommission allerdings, daß die Übereinstimmung mit der ZPO nicht vollständig erreicht war, eben weil die Frage der Rechtsmittelkonkurrenz zwischen Beschwerde und Revision im Strafprozeß nicht gelöst war, jedenfalls nicht nach dem Wortlaut des Gesetzes. Die Kommission hatte offenbar eine Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision nicht gesehen, weil sie beide Rechtsmittel als ihrer Natur nach alternativ betrachtete. Das RG läßt in den Fällen, in denen Mängel vor Eröffnung gerügt werden, die Revision am Grundsatz der Alternativität der Rechtsmittel scheitern: 47 Eine EntRG 2, 19 (20). Hahn 11111, S. 1029; vgl. den Hinweis von Nelles NStZ 1982,98. 47 RG 7, 175 (176): Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs vor Eröffnung. Die Revision scheitert an der Alternativitätsmaxime, denn die sofortige Beschwerde wird als das "vom Gesetz zugelassene Rechtsmittel" betrachtet; auf die Beruhensfrage wird nicht eingegangen. Ebenso BGH NJW 1962, 260 (261): Richterab1ehnung vor Eröffnung: "Dieser Beschluß 45
46
48
1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
scheidung könne nur durch eines der beiden Rechtsmittel angefochten werden, nicht aber kumulativ sowohl der Beschwerde als auch der Revision unterliegen. Da der Gesetzgeber in diesen Fällen die (sofortige) Beschwerde eröffnet hat, scheidet nach der Rechtsprechung des RG "damit" die Revision aus. 48 Zusätzlich wird auf den ebenfalls aus dem Zivilprozeß übernommenen Grundsatz abgestellt, wonach eine der Beschwerde entzogene Entscheidung auch nicht der Revision offensteht. Vom Ergebnis her ist diese Rechtsprechung nicht zu beanstanden, denn die Revision mußte in den genannten Fällen auch deshalb erfolglos bleiben, weil das Urteil nicht auf der im Zwischenverfahren begangenen Rechtsverletzung beruhte. 49 Allerdings erscheint die Begründung des RG zweifelhaft. Die dem Zivilprozeß entlehnte Alternativitätsmaxime, die sich im Strafprozeß zum Grundsatz der Priorität der Beschwerde gegenüber der Revision auswächst, hat nämlich im Gesetz keine Stütze und steht, betrachtet man Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 336, sogar contra legern. Wenn Entscheidungen aus der Zeit vor Eröffnung des Hauptverfahrens der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen sein sollten, hätte die Kommission den früheren Wortlaut beibehalten können, wonach nur die ,,in der Hauptverhandlung erlassenen" Entscheidungen der Revision unterliegen sollten. Dann wäre allenfalls noch die Frage der Revisibilität der zwischen Eröffnung und Beginn der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen unterlag der sofortigen Beschwerde ... der Angeklagte hat ihn jedoch nicht angefochten. Er kann sich daher nicht mit der Revision gegen jenen längst rechtskräftigen Ablehnungsbeschluß wenden". RG 4, 402 (403): Bindung an Wiederaufnahmeentscheidung wegen deren Unanfechtbarkeit info1ge der Möglichkeit der sofortigen Beschwerde; ebenso RG 20, 46 (48). Rechtskrafterwägungen stehen auch bei BGH NJW 1952,234 im Vordergrund. Mit der Beschwerdeentscheidung war das Ablehnungsgesuch "endgültig erledigt"; entsprechend die Entscheidungen RG Rspr. 6, 161 (Mängel der Voruntersuchung); RG 22, 97 (98); RG 44,380 (382): Übergehen des Antrags auf Voruntersuchung. Verwiesen wird auf die "prozessuale Erledigung" durch die Eröffnung; RG 55,225 (226); anders zur Rechtskraft: RG 75,171 (172): Ein durch den unzuständigen Richter erlassener Beschluß, der die Wiedereinsetzung ablehnt, hindert das Revisionsgericht nicht, der Wiedereinsetzung stattzugeben, trotz "Rechtskraft" des ablehnenden Beschlusses (gegen den sofortige Beschwerde nicht eingelegt war). Die Entscheidung fallt aus dem Rahmen; vgl. Eb. Schmidt § 46 Tz. 5. 48 Wie sehr sich das RG andererseits bemühte, die Beschwerde auf den ihr systemgerecht zukommenden Bereich zu beschränken, zeigt RG 20, 378: Die Revision rügte Unterlassung der Begutachtung nach § 81. Mit Rücksicht auf die §§ 305, 336 (die auch im Zusammenhang zitiert werden) sieht das RG die Entscheidung des erkennenden Gerichts als Vorentscheidung und damit der Revision, nicht der Beschwerde, unterliegend an. Daran zeigt sich, wie wenig sich die schon vor Einführung des § 336 S. 2 als "herrschend" ausgegebene Meinung auf das RG berufen kann, wenn sie die Revision mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde ausschließen will. Gerade umgekehrt ist es richtig: Den Wortlaut des § 81 korrigierend wendet das RG § 81 IV nicht auf Entscheidungen des erkennenden Gerichts an. Auf § 81 wird noch unten im Text eingegangen, 5. Teil 11. 7. a). 49 LR-Wendisch § 16 Tz. 18; LR-Hanack § 336 Tz. 6; anders, wenn sich der Verfahrensfehler des Vorverfahrens noch im Hauptverfahren auswirkt, dazu Schmid, S. 178 ff. und Krekeler, S. 38.
11. Die Rechtsprechung des RG zur Rechtsmittelkonkurrenz
49
offengeblieben. Die Kommission erstreckte jedoch die Revision auf alle Entscheidungen "ohne Unterschied des Stadiums".50 Unter dem Blickwinkel funktionsgerechter Abgrenzung der Rechtsmittel Beschwerde und Revision ist die Rechtsprechung des RG allerdings zutreffend. Sie korrigiert den der Reichstagskommission - durch die Ausweitung des § 336 auf Entscheidungen des Vorverfahrens - unterlaufenen Fehler, indem sie den Anwendungsbereich der Revision gegen den Wortlaut des Gesetzes auf die im Hauptverfahren erlassenen Entscheidungen reduziert. 51 Damit kann das RG das Verdienst für sich beanspruchen, das organische Zusammenspiel beider Rechtsmittel, wie es dem Entwurf I vorschwebte, gegen die (fehlerhafte) Konzeption des Gesetzgebers wieder hergestellt zu haben. Der Kreis der revisiblen Vorentscheidungen nach § 336 ist damit auf die des Hauptverfahrens verengt. 52 Obwohl diese Korrektur eines gesetzgeberischen Redaktionsfehlers Beachtung verdient, hat sie doch in der Folgezeit "Böses gezeugt", indem sie dem modemen Gesetzgeber ihre hilfreiche Hand zu einer - wenig sachgerechten - Einschränkung der Revision bot. Darauf wird zurückzukommen sein. Zunächst ist auf einen Fleck hinzuweisen, der sich an dem weißen Gewand der an sich löblichen Gesetzeskorrektur durch das RG findet: Die Rechtsprechung zur örtlichen Zuständigkeit paßt nicht in den bisher geschilderten Rahmen korrigierender Auslegung des § 336 durch das RG. 53 Die zuvor berichtete Rechtsprechung versagte die Revision gegen Entscheidungen aus der Zeit vor Eröffnung mit dem Hinweis, der Angeklagte habe diese ,.Anträge" im Hauptverfahren wiederholen und notfalls gegen deren Ablehnung Revision einlegen können. 54 Der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit verwehrt das RG jedoch die Wiederholung des ,.Einwands".55 Hatte der Beschwerdeführer Hahn ID/2, S. 1605. 51 Sehr deutlich in diesem Sinn RG 7, 175 (Richterablehnung vor Eröffnung): Nach dieser Entscheidung beschränkt sich § 336 zwar "nicht grundSätzlich auf die in der Hauptverhandlung verkündeten Entscheidungen", im gegebenen Fall wird die Beschränkung aber auf das Hauptverfahren angenommen, weil "über die angegebene Grenze hinaus" nicht die Revision, sondern die sofortige Beschwerde das zugelassene Rechtsmittel sei. Das ist nichts anderes als der Versuch einer funktionalen Abgrenzungbeider Rechtsmittel - wobei sich das RG allerdings über die Entstehungsgeschichte des § 336 im Interesse einer sachgerechten Auslegung des Gesetzes hinwegsetzt. 52 Mit der grundSätzlichen Feststellung, daß die Entscheidungen vor Eröffnung der Revision entzogen und der Beschwerde zugewiesen sind, hat die heute diskutierte Frage nichts zu tun, ob aus gesetzwidrigen Entscheidungen des Vorverfahrens Verwertungsverbote folgen können (vgl. AK StPO - Stern § 137 Tz. 49; StratelVentzke StV 1986, 30ff.; Nelles StV 1986, 74ff. (78ff.»; denn wenn die Verwertung verboten ist und das Gericht dennoch sein Urteil auf die Verwertung gründet, beruht das Urteil auf der Verwertung, nicht der "Vorentscheidung" im Ermittlungsverfahren. Näher unten I. Teil IX. 5. g). 53 Zur früheren Rechtslage vgl. LR-Wendisch § 16 Tz. 15. 54 So insbes. RG 2, 19 (21), im Anschluß hieran RG 34,215 (216). 55 Dieser Begriff wird von RG 34, 215 gebraucht und ist vielleicht ein Ausdruck der von Wendisch festgestellten "gewissen Unempfindlichkeit" des Gesetzgebers gegenüber der Wahl des Gerichts (LR-Wendisch § 16 Tz. 11), so als müsse der Angeklagte gleichsam wie im Zivilprozeß eine Einrede erheben, vgl. LR 23 - Dünnebier § 16 Tz. 8; LR-Wendisch § 6 a 50
4 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
ihn schon im Zwischenverfahren erhoben, war der Einwand verbraucht, gleichgültig, ob die Beschwerde erfolglos geblieben oder ob sie gar nicht eingelegt, ja sogar dann, wenn über den Einwand nicht einmal durch gesonderten Beschluß entschieden worden war. 56 Das ist keine Korrektur des Gesetzes mehr, sondern mit dem Bestreben zu erklären, den Zuständigkeitseinwand ein für allemal kurz abtun zu wollen.
2. Aufgrund Gesetzes keine Rechtsmittelkonkurrenz hinsichtlich der Entscheidungen des erkennenden Gerichts
Der Entscheidungsbereich des erkennenden Gerichts war schon nach der ursprünglichen Fassung der StPO, also vor Einfügung des § 336 S. 2, durchaus nicht allein der Revision zugänglich. 57 Vielmehr unterlag an sich revisibler Prozeßstoff der Beschwerde. Dennoch benötigte das frühere Recht nicht eine Vorschrift wie den heutigen § 336 S. 2, um Beschwerde und Revision voneinander abzugrenzen. Die Abgrenzung ergab sich aus dem organischen Zusammenspiel beider Rechtsmittel, wobei von vornherein eine Doppelanfechtung ausschied. Diese hatte das frühere Recht dadurch vermieden, daß die der (sofortigen) Beschwerde unterworfenen Entscheidungen des erkennenden Gerichts nur diesem Rechtsmittel offenstanden, nicht hingegen der Revision. So war die (sofortige) Beschwerde schon nach früherem Recht gegen folgende Entscheidungen statthaft: die Ablehnung der Wiedereinsetzung (§ 46 III), die Einstellung wegen Verfahrenshindernisses (§ 206 a 11), die Berufungsverwerfung (§ 32211), die Zurückweisung der Privatklage mangels Vorschusses (§ 379 a III 2) sowie gegen weitere Entscheidungen, von denen im einzelnen strittig ist, inwieweit sie überhaupt revisiblen Prozeßstoff berühren. Doppelanfechtung dieser Entscheidungen kommt nicht in Betracht, weil sie das Verfahren abschließen. Wird beispielsweise die Berufungsverwerfung oder die Versagung der Wiedereinsetzung durch das Beschwerdegericht bestätigt, ist damit das Verfahren beendet, ohne daß es zu einer revisiblen Endentscheidung kommt, die aber Voraussetzung für die Anwendung des § 336 ist. Die - der (sofortigen) Beschwerde unterliegende - Entscheidung des judex a quo kann deshalb niemals Vorentscheidung i.S. des § 336 sein. Ändert das Beschwerdegericht ab, erachtet es beispielsweise die Berufung als rechtzeitig oder gewährt es die Wiedereinsetzung, ist gleichermaßen eine Doppelanfechtung ausgeschlossen, denn als revisible Vorentscheidung kommt nicht die des erkennenden Gerichts, sondern die Beschwerdeentscheidung in Betracht. Diese unterliegt - im Fall der Überprüfung durch die Revision - erstmals diesem RechtsTz. 12. Nur wenn der Einwand erstmals nach Eröffnung erhoben war, galten für die Entscheidung hierüber §§ 305, 336 (Überprüfung mit der Revision), vgl. RG JW 1933,444. 56 RG LZ 1916, 335 (Nr. 32), wobei im konkreten Fall allerdings hinzukam, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung den Einwand nicht erhoben hatte. 57 § 336 S. 2 wurde eingefügt durch Art. 1 Nr. 28 StVÄG 1979 vom 5. 10. 1978.
III. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime
51
mittel. Konkurrenz beider Rechtsmittel besteht nicht, weil der Beschwerde die eine Entscheidung (des erkennenden Gerichts), der Revision hingegen die andere (des Beschwerdegerichts) unterworfen ist. Das mag Bindungsfragen aufwerfen, hat aber mit Konkurrenz der Rechtsmittel nichts zu tun. 58 Die echte sofortige Beschwerde, d. h. die befristete Prozeßbeschwerde, die das Gesetz seit seiner ersten Fassung vorsieht, entspricht unter zwei Gesichtspunkten einer Notwendigkeit: dem Surrogatsgedanken und dem Rechtskrafterfordemis. Einerseits sind verfahrensbeendende Entscheidungen nicht revisibel, eben weil es wegen ihrer beendenden Wirkung nicht zu einem Urteil kommt. Deshalb müssen derartige Beschlüsse und Verfügungen, wenn sie überprüft werden sollen - und das Gesetz sieht hierfür offenbar ein Bedürfnis -, einem anderen Rechtsmittel unterworfen werden, welches gleichsam als Surrogat der Revision eröffnet wird. Andererseits ist die einfache Beschwerde als solches Ersatzrechtsmittel insofern ungeeignet, als sie mangels Befristung nicht zu einer formell rechtskräftigen Entscheidung führen kann. Dieses Ziel läßt sich nur durch die Befristung des Rechtsmittels, mithin durch die sofortige Beschwerde, erreichen. Zur Möglichkeit der Doppelanfechtung kommt es erst, wenn diese funktional bedingte Abgrenzung beider Rechtsmittel aufgegeben wird, d. h. wenn Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die das Verfahren nicht beenden, der Beschwerde zugewiesen werden. Ein Beispiel hierfür bietet § 231 a m. Der Beschluß, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, ist durch (sofortige) Beschwerde anfechtbar. Gäbe es § 336 S. 2 nicht, wäre Doppelanfechtung denkbar, denn ohne § 336 S. 2 würde der Beschluß nach § 231 am gemäß § 336 S. 1 als Vorentscheidung revisibel sein. Die infolge § 231 am 3 (künstlich) geschaffene Rechtsmittelkonkurrenz mußte demnach durch § 336 S. 2 beseitigt werden, um den erwünschten "Kanalisierungseffekt" zu erzielen: Wegführung von der Revision und Hinführung zur Beschwerde. Hierauf ist näher einzugehen.
IU. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime auf das Verfahren des erkennenden Gerichts
Die berichtigende Auslegung des § 336 durch das RG zu referieren, wäre - 100 Jahre nach der ersten einschlägigen Entscheidung 59 - nicht der Mühe wert, wenn sie nicht noch heute Folgen zeitigen würde, die über ihre ursprüngliche Konzeption hinausreichen. Der durch das RG eingeführte Alternativitätsgrundsatz, besser als "Prioritätsmaxime zugunsten der Beschwerde" bezeichnet, ist nämlich in der Folgezeit mißverstanden worden, indem der Beschwerde nicht nur im Vorverfahren, sondern auch im Hauptverfahren Priorität zugestanden wurde. Im einzelnen:
58 59
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Auf das Problem der innerprozessualen Bindung wird noch eingegangen, vgl. u. VII. RG 2,19.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 1. Revisionseinschränkung durch § 336 S. 2
Die Prioritätsmaxime findet Eingang in Rechtsprechung und Literatur - allerdings ohne die der RG-Rechtsprechung immanente Einschränkung (Beschränkung auf das Vor- und Zwischenverfahren).6o So entfaltet dieser Grundsatz infolge unkritischer Übernahme alsbald ein Eigenleben, vermengt sich mit Rechtskrafterwägungen61 und wird so zu einer tragenden Säule des Revisionsrechts, genauer gesagt zu einem Instrument der Revisionsbegrenzung. Der erste Schritt in diese Richtung ist die Einführung des § 231 a durch Art. 1 Nr. 10 des StVRGErgG vom 20. 12. 1974,62.63 der zweite die Einfügung des
60 LR 23 - Meyer § 336 Tz. 4 gibt die RG-Rspr. richtig wieder, indem er sie auf Entscheidungen vor Erlaß des Eröffnungsbeschlusses beschränkt. Daraus wird bei LR-Hanack § 336 Tz. 11 ff. die Behauptung, daß schon vor Einführung des § 336 S. 2 die unanfechtbaren und die der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen "in der Regel" nicht der Revision zugänglich waren, ohne daß dieser Grundsatz auf die Entscheidungen vor Eröffnung begrenzt wird. Die Ausdehnung der RG-Rechtsprechung, die sich (weil es sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts (noch) nicht gab) zwangsläufig nur auf das Vor- und Zwischen verfahren bezog, wird also nicht referiert. Kleinknecht, 31. Auf!. 1974, - § 336 Anm. 3 (also vor Erlaß der Novelle vom 20. 12. 1974) - verneint Statthaftigkeit der Revision generell bei Beschwerdemöglichkeit und zitiert u. a. RG 44, 380 (382), eine Entscheidung, die sich mit Rügen aus dem Stadium vor Eröffnung befaßt. 61 SO Z. B. in RG 4, 402, wenn auf die Unanfechtbarkeit von der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen hingewiesen wird (hier: Anordnung der Wiederaufnahme). Ebenso RG 20, 46 (48), ohne allerdings die "Unanfechtbarkeit" dieser Entscheidungen zu erwähnen und unter bloßer Verweisung auf RG 4, 402 unter Betonung der Alternativitätsmaxime. Ferner RG 22,97 (98) zum Wiederaufnahmeverfahren. RG 44,380 (384): Der Antrag auf Voruntersuchung sei "endgültig abgetan", wenn sofortige Beschwerde nicht eingelegt oder zurückgewiesen werde. Ebenso RG 55, 225; zum Wiederaufnahmeverfahren ferner RG 29, 278 (280). 62 Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. 12. 1974 (BGBl. I 3686); hierzu Dünnebier, Dreher-Fschr., S. 669 ff., Bohnert, S. 159 ff., Parigger, Koch-Festgabe, S. 202 ff. Für die durch das gleiche Gesetz eingefügten §§ 138 a ff. gilt anderes: Die Frage der Rechtsmittelkonkurrenz ist hier nicht berührt, denn die Revision ist nicht - worauf Bohnert, S. 130, hinweist - wegen § 336 S. 2 ausgeschlossen, sondern wegen des obergerichtIichen Inzidentverfahrens, welches nicht Teil des Erkenntnisverfahrens i. S. von § 264 I ist. Dennoch liegt diese Änderung auf der gleichen revisionseinschränkenden Linie. Holtz, IR 1973, 367, will neben sofortiger Beschwerde Revision (für den Angeklagten, nicht für den Verteidiger) gewähren, vorausgesetzt, der Verteidiger habe sofortige Beschwerde gegen die Ausschließung eingelegt. Die Ausführungen von Holtz stammen aus der Zeit vor dem 20. 12. 1974 und gehen davon aus, daß für die Anfechtung der Ausschließung nicht ein besonderes "Querrechtsmittel" (Holtz, S. 366) geschaffen wird, sondern daß das erkennende Gericht über die Ausschließung selbst befindet, so daß das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ein "normales" Beschwerdeverfahren und kein vom Erkenntnisverfahren losgelöstes Zwischenverfahren betrifft. Um so erstaunlicher, daß Holtz neben der sofortigen Beschwerde die Revision eröffnet wissen will - ohne Rücksicht auf eine mögliche Rechtsmittelkonkurrenz. Interessant ist die von ihm gewählte Konstruktion: Er will die Beschwerdeentscheidung der Revision unterwerfen, gleichsam als Entscheidung des erkennenden Gerichts. Revision soll nach Holtz offenbar "Rechtswegerschöpfung" durch
III. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime
53
§ 336 S. 2 durch das StVÄG 1979, wodurch die unanfechtbaren und die mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Vorentscheidungen von der Beurteilung durch das Revisionsgericht ausgenommen wurden. 64 Im einzelnen:
Nach § 231 a kann die Hauptverhandlung unter gewissen Voraussetzungen in Abwesenheit des Angeklagten geführt werden. Hierzu bedarf es eines Beschlusses des - erkennenden - Gerichts. Gegen den Beschluß ist nach § 231 a III 3 die sofortige Beschwerde zulässig. Beabsichtigt mit dieser Rechtsmittelbewehrung des Beschlusses nach § 231 a war nicht etwa eine Stärkung der Verteidigung, sondern, wie die Motive offen bekennen, eine Einschränkung der Revision: "Hat das Beschwerdegericht die Beschwerde verworfen, so kann das nachfolgende Revisionsverfahren nicht auf eine Verletzung des § 231 a gestützt werden, denn nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Wissenschaft sind solche Entscheidungen des erkennenden Gerichts der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen, die entgegen der Grundregel des § 305 StPO gesondert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden können ... ,,65
Zur Einfügung des § 336 S. 2 heißt es in der amtlichen Begründung des StVÄG 1979:66 "Der neue Satz 2 ist zur KlarsteIlung geboten, weil sein Regelungsgehalt im Zusammenhang mit der Neuordnung der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit und der Zuständigkeit besonderer Strafkammern besondere Bedeutung erlangt. Inhaltlich entspricht der neue Satz 2 der von Rechtsprechung und Wissenschaft einhellig vertretenen Rechtsauffassung."
Die Motive beider Gesetze, des StVRGErgG und des StVÄG 1979, berufen sich auf eine einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Wissenschaft. sofortige Beschwerde voraussetzen, da die Revision davon abhängen soll, daß von der sofortigen Beschwerde zuvor Gebrauch gemacht wurde. 63 Im Gegensatz hierzu die - aus der Sicht der Verteidigung abgegebene - Stellungnahme von Lantzke, die erstaunlicherweise empfiehlt, die Entscheidung über den Ausschluß der sofortigen Beschwerde zu unterwerfen (JR 1973, 357 (362», damit sie qua Rechtskraft der Revision entzogen ist. 64 Art. 1 Nr. 28 StVÄG 1979 vom 5. 10. 1978; vg!. hierzu die amt!. Begründung (BTDrucks. 8/976, S. 59f.). 65 Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 7/2989, S. 6 (r.Sp.). Bemerkenswert ist die Wendung "entgegen der Grundregel des § 305". Eine Ausnahme von dieser Grundregel, wonach gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfallung vorausgehen, die Beschwerde nicht statthaft ist, hat es bis zu der Einfügung des § 231 a III 3 nicht gegeben. Entscheidungen des erkennenden Gerichts unterlagen nämlich - soweit das Verfahren nicht durch eben diese Entscheidungen auch beendet war - vor der Novelle vom 20. 12. 1974 nicht der (sofortigen) Beschwerde. Die Grundregel des § 305 galt vielmehr ausnahmslos, weshalb es schlechterdings auch keine "einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Wissenschaft" über die Ausnahme von der Grundregel geben konnte. Den ersten Ausnahmetatbestand hat die Novelle 1974 selbst geschaffen. 66 BT-Drucks. 8/976, S. 59.
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I. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Diese Voraussetzung ist falsch, denn zu der Frage, ob die Entscheidungen des erkennenden Gerichts wegen der Beschwerdemöglichkeit generell der Revision entzogen sind, hatten sich bis dahin weder Rechtsprechung noch Wissenschaft ausdrücklich geäußert. Dazu bestand auch keine Veranlassung, da bis zum Jahre 197467 das Gesetz Entscheidungen des erkennenden Gerichts - soweit sie der Überprüfung des Revisionsgerichts unterlagen 68 - nicht der sofortigen Beschwerde unterworfen hatte. Der einfachen Beschwerde waren diese Entscheidungen bereits nach § 305 S. 1 verschlossen. Die Kommentarliteratur hatte lediglich die durch das RG aufgestellte Prioritätsmaxime übernommen,69 ohne freilich herauszuarbeiten, daß diese nur für Entscheidungen aus dem Vor- und Zwischenverfahren entwickelt worden war. Die amtliche Begründung des Gesetzes vom 20. 12. 197470 beruft sich also auf eine herrschende Meinung, die es in Wirklichkeit (noch) nicht gab. Die Literatur übernahm die als herrschend dargestellte These, daß auch im Erkenntnisverfahren (Hauptverfahren) die Beschwerde Priorität vor der Revision habe. Die Entwicklung bei Löwe 1Rosenberg verläuft wie folgt: Die 22. Aufl. (vor der Novelle vom 20. 12. 1974 erschienen) beschränkt den Prioritätsgrundsatz auf Entscheidungen vor Eröffnung. 71 In der 23. Auflage von 1978 wird diese Unterscheidung grundSätzlich beibehalten. n Allerdings hat sich bei der Erörterung der Revisionssperre im Hinblick auf den Verteidigerausschluß 73 das Wörtchen "daher" eingeschlichen, wobei auf Tz. 4 verwiesen wird, die sich aber nur auf die Entscheidungen vor Eröffnung bezieht. In der 24. Auflage (also nach Einführung des § 336 S. 2) behält Hanack die aus den Vorauflagen überkommene Differenzierung zwischen Entscheidungen vor und nach Eröffnung bei,74 läßt den Revisionsausschluß kraft eingeräumter sofortiger Beschwerde in beiden Fällen durchgreifen (was nach Einfüh67 Erst 1974 wurde in Gestalt des § 231 a III 3 die erste Bestimmung eingeführt, die nicht verfahrensbeendende Entscheidungen des erkennenden Gerichts der sofortigen Beschwerde unterwarf. 68 Peters, Gutachten S. 66, bezeichnet den erwähnten Ausgangssatz als keinesfalls so gewiß, wie es in der amtlichen Begründung dargelegt wird; wäre er dies, würde sich ohnehin eine gesetzliche Regelung erübrigen. In der Tat: Wenn die vom Entwurf beschriebene Auffassung so eindeutig wäre, warum dann die gesetzliche Regelung in Gestalt des § 336 S. 2? 69 LR 23 - Meyer, § 336 Tz. 4, bezieht den Revisionsausschluß (vor Einfügung des § 336 S. 2) auf "Entscheidungen vor Erlaß des Eröffnungsbeschlusses" - zu einer Erwähnung der Entscheidungen nach Eröffnung bestand kein Anlaß, da z. Zt. der 23. Aufl. das Gesetz unanfechtbare oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare - nicht verfahrensbeendende - Entscheidungen des erkennenden Gerichts nicht vorsah. Gleichwohl wird dieser von Meyer für Entscheidungen aus dem Vor- und Zwischenverfahren berichtete Grundsatz in der Folgeauflage von Hanack verallgemeinernd dargestellt und - der amtlichen Begründung (BTDrucks. 7/2989, S. 6) folgend - auf alle Vorentscheidungen ausgedehnt, vgl. LR-Hanack § 336 Tz. 11. 70 Vgl. BT-Drucks. 7/2526 und 7/2989. 71 LR 22-Meyer § 336 Anm. 2 bund c. 72 LR 23-Meyer § 336 Tz. 3 - 5. 73 LR 23-Meyer § 336 Tz. 16. 74 LR-Hanack § 336 Tz. 6 - 8.
III. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime
55
rung des § 336 S. 2 richtig ist), stellt aber diesen Revisionsausschluß als schon vor dessen Kodifizierung in Gestalt des § 336 S. 2 herrschend dar. Er stützt sich dabei auf die Vorauflage in der Bearbeitung von Meyer, wobei allerdings auf die FundsteIle verwiesen wird, die sich auf die Entscheidungen vor Eröffnung bezieht, auf die Tz. 4 zu § 336 der 23. Auflage in der Bearbeitung von Meyer. Auch Schmid nimmt in seiner vor Einführung des StVÄG 1979 erschienenen Monographie die Ergebnisse des erst mit dem erwähnten Gesetz eingeführten § 336 S. 2 vorweg, indem er der (sofortigen) Beschwerde gegenüber der Revision Priorität zuerkennt, auch soweit Entscheidungen des erkennenden Gerichts betroffen sind. 75 Allerdings sind die hierzu angegebenen FundsteIlen aus der RG-Rechtsprechung nicht einschlägig. 76 Die Auffassung von Schmid wird übernommen von Rieß. 77 Schon vor Schmid hatte Eb. Schmidt78 den allgemeinen Grundsatz ausgesprochen, daß mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidungen nicht der Überprüfung nach § 336 unterliegen. Dieser Satz wird zwar nicht ausdrücklich auf das Vor- und Zwischenverfahren beschränkt, jedoch damit begründet, daß der Eröffnungsbeschluß "alles Vorhergegangene erledigt", worin immerhin ein Indiz dafür zu sehen ist, daß die (sofortige) Beschwerde jedenfalls nicht im Hauptverfahren Priorität genießen soll. Ganz allgemein vermag die Berufung auf RG-Entscheidungen und überhaupt Rechtsprechung aus der Zeit vor 1974 die Geltung des Prioritätsgrundsatzes für das Hauptverfahren nicht zu rechtfertigen, weil bis dahin Entscheidungen des erkennenden Gerichts79 nicht der sofortigen Beschwerde (natürlich erst recht nicht - wegen § 305 S. 1 - der einfachen Beschwerde) unterworfen waren. Das geschah erstmals mit dem 1974 eingeführten § 231 a m 3. So hatten das RG und auch bis 1974 der BGH keine Veranlassung, etwas über ein im Hauptverfahren herrschendes Konkurrenzverhältnis zwischen Beschwerde und Revision zu bemerken, einfach deshalb nicht, weil es keine Konkurrenz beider Rechtsmittel gab. Infolgedessen kann sich die amtliche Begründung zur Einführung des § 336 S. 2 schlechterdings nicht auf eine h.M. in der Rechtsprechung berufen (vielleicht: in der Literatur, da der Grundsatz aus dem Vorverfahren möglicherweise unbeabsichtigt, jedenfalls aber unkritisch, auf das Hauptverfahren übertragen worden war). Schmid, S. 163 ff. Was sie auch gar nicht sein können, weil es bis 1974 (Einführung des § 231 a) revisible Prozeßentscheidungen, die zugleich der Beschwerde unterliegen konnten, nicht gab. RG 20, 46 (48) und 29, 278 (280): Stattgebende Wiederaufnahmeentscheidungen, also unanfechtbar nach § 372 S. 2. RMilG 7, 265 (266) betrifft die - kraft Gesetzes unanfechtbare - gewährende Wiedereinsetzung, also keinen Fall der sofortigen Beschwerde, sondern der Unanfechtbarkeit; RMilG 11, 170 (173) befaßt sich mit einer durch selbständige Rechtsbeschwerde nach der damaligen MilStO anfechtbaren Entscheidung, also einem Fall der Unanfechtbarkeit (in diesem Verfahren). In RG JW 1936, 1921 (Nr. 43) ist der Sachverhalt nicht mitgeteilt; die Entscheidung erstreckt § 320 MilStO (der dem heutigen § 336 S. 1 entsprach) auf alle Vorentscheidungen, soweit sie ,,keiner selbständigen Rechtskraft fähig sind". 77 Rieß GA 1976, 20; ebenso Henkel, S. 378 (unter Erörterung der Monographie von Schmid (S. 379»; Dünnebier, Dreher-Fschr. S. 671 ff. 78 Eb. Schmidt § 336 Tz. 5 - 8. 79 Gemeint sind solche Entscheidungen, die den Prozeß nicht beendeten und folglich als Vorentscheidungen nach § 336 in Betracht kamen. Andere (prozeßbeendende) waren freilich schon in der ersten Fassung der StPO der sofortigen Beschwerde unterworfen, aber sie schlossen das Verfahren ab, so daß Rechtsmittelkonkurrenz zwischen Revision und Beschwerde nicht entstehen konnte, vgl. o. zu H. 2. 75
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Demgegenüber hat Holtz 80 - vor der Einführung des § 336 S. 2 - keine Bedenken,81 die kumulative Anfechtung des Verteidigerausschlusses, sowohl durch sofortige Beschwerde als auch durch Revision, zu gestatten. Eigenartigerweise wird aus Verteidigersicht die erneute Überprüfung der ,,rechtskräftigen" Ausschlußentscheidung durch die Revision abgelehnt. 82
Damit ist die durch die amtliche Begründung postulierte, aber noch nicht existente h.M. durch die Behauptung ihrer Existenz tatsächlich Wirklichkeit geworden: Die amtliche Begründung des Gesetzes vom 20. 12. 1974 hat sie ins Leben gerufen. Von nun an wird die Prioritätsmaxime für jedes Stadium des Verfahrens, also auch hinsichtlich der Entscheidungen des erkennenden Gerichts, vorausgesetzt. Mit der Einführung des § 336 S. 2, wonach die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren und die unanfechtbaren Entscheidungen der Revision entzogen sind, erlangt sie schließlich Gesetzeskraft. 83, 84 Die Unterwerfung bestimmter Entscheidungen des erkennenden Gerichts unter die sofortige Beschwerde verfolgt den Zweck, den Rechtsmittelweg zu "kanalisieren", indem die Anfechtung von der Revision zur Beschwerde hin verlagert wird. Die Revision ist in jedem Fall verschlossen, gleichgültig ob von der Beschwerdemöglichkeit Gebrauch gemacht wird oder nicht. 85 Das Gesetz hat damit die sofortige Beschwerde in solchen Fällen eröffnet, in denen der Surrogatsgedanke dieses Rechtsmittel nicht erfordert. Die nicht verfahrensbeendenden Entscheidungen des erkennenden Gerichts wären nämlich an sich der Revision unterworfen, so daß es der Einräumung eines Ersatzrechtsmittels nicht bedarf. Die gegen diese Entscheidungen statthafte sofortige Beschwerde unterscheidet sich von den ,,klassischen" Fällen dieses Rechtsmittels, also von der echten sofortigen Beschwerde (Prozeßbeschwerde),86 dadurch, daß das Gesetz die Rechtsmittelkonkurrenz geradezu künstlich schafft, um sie alsdann sogleich durch das Postulat des später in § 336 S. 2 niedergelegten Prioritätsgrundsatzes wieder aufzulösen. Holtz IR 1973, 366f.: Das Nebeneinander beider Rechtsmittel sei unentbehrlich. 81 Bemerkenswert der Vorschlag von Waller, DRiZ 1974, 182, sofortige Beschwerde gegen die Ausschließung, allerdings Entscheidung durch das Revisionsgericht. Damit wird in der Tat einerseits Doppelanfechtung vermieden, andererseits (ohne § 336 S. 2 zu bemühen) Rechtsmittelkonkurrenz ausgeschlossen, allerdings nur dann, wenn auch zugleich Bindung des Revisionsgerichts an diese seine frühere Entscheidung angeordnet wird. 82 Lantzke IR 1973, 362 (wie die zuvor Erwähnten im Rahmen einer Diskussion de lege ferenda). 83 StVÄG 1979 vorn 5. 10. 1978 (BGBI. I 1645; zur Entstehungsgeschichte vgl. Nelles NStZ 1982, 97). 84 Damit soll § 336 S. 2 nur klarstellende Bedeutung haben, vgl. Rieß ZRP 1983,263. 85 LR-Hanack § 336 Tz. 13 (völlig h. M., im Anschluß an die amtliche Begründung, BTDrucks. 8/976, S. 59f.). 86 Vgl. o. Einführung 1. 4. 80
111. Die Ausdehnung der Prioritätsmaxime
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2. Zwang aus der Natur der Sache?
Die Revisionseinschränkung durch die sofortige Beschwerde neuer Art ist oft beklagt worden,87 ohne daß allerdings die Wurzel des Übels genannt wird: die Eröffnung der Beschwerde gegen nicht verfahrensabschließende Entscheidungen des erkennenden Gerichts und die Lösung des daraus resultierenden Konkurrenzproblems durch gleichzeitige Annahme des Vorrangs von Beschwerde gegenüber Revision. 88 Dabei ist keinesfalls zwingend, daß Beschwerde und Revision nur alternativ statthaft sein können. Da das Beschwerdegericht lediglich "die in der Sache erforderliche Entscheidung" (§ 309 11) erläßt, könnte seine Entscheidung ebenso wie die des judex a quo der Revision unterworfen sein. 89 Für die einfache Beschwerde wird dies anerkannt. 90 Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde soll deshalb anderes gelten, weil den der sofortigen Beschwerde zugänglichen Entscheidungen Rechtskraftfähigkeit zugeschrieben wird. 91 Indessen mündet diese Argumentation in eine petitio principii, weil vorausgesetzt wird, was zu beweisen ist: Rechtskraftfähig ist die der sofortigen Beschwerde unterliegende Entscheidung nur dann, wenn sie kein weiteres Rechtsmittel zuläßt. Ein solches ist aber auch die Revision. Thr Ausschluß kann nicht mit der angeblichen Rechtskraft der zur Debatte stehenden Entschei87 Nelles NStZ 1982, 96; Peters, Lehrbuch, S. 662 und Gutachten, S. 66, will jedenfalls § 336 S. 2 im Fall von Grundrechtsverletzungen nicht anwenden. Das ist der entgegengesetzte Ansatz zu Amelung, der bei Grundrechtsverletzung die Beschwerde - und nicht wie Peters die Revision - eröffnen will (Rechtsschutz, S. 20ff. und NJW 1979, 1687ff.; JZ 1987, 737 ff.; AnwBI. 1979, 321 ff.); kritisch ferner Schroeder NJW 1979, 1530; Schlüchter Tz. 724.2. 88 Wie sehr sich die ursprünglich durch den Entwurf I vorgesehene Rechtsmittelsystematik aufgelöst hat, zumindest nach Einführung des § 336 S. 2, wird aus der Bemerkung bei LRHanack § 336 Tz. 18 deutlich: Die Unanfechtbarkeit von Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 305 S. I hindert die Revisionsrüge nicht; ebenso Schlüchter Tz. 724.1 und 724.4; F. C. Schroeder NJW 1979, 1530 und Schwentker, S. 70. Fraglos ist der Satz im Ergebnis richtig, aber er stellt die Zusammenhänge auf den Kopf. Die Unanfechtbarkeit nach § 305 S. 1 ist nicht nur kein Hindernis, sondern systemimmanente Voraussetzung für die Revisibilität. Vgl. auch die Kritik zur Systematik bei F. C. Schroeder NJW 1979, 1530. Ebenso die Bemerkung von Ellersiek, S. 124: § 305 S. 1 normiere nicht etwa einen Instanzverlust dadurch, daß eine Entscheidung weder mit Beschwerde noch mit Berufung I Revision anfechtbar ist. Darin kommt der falsche Ansatz zum Ausdruck: Keine Entscheidung ist wegen § 305 S. 1 schlechterdings jedem Rechtsmittel entzogen, denn die Vorschrift versagt nicht jedes Rechtsmittel, sondern verlagert nur die Anfechtbarkeit von der Beschwerde auf die Revision. 89 Vgl. Z. B. BGH 21,334 (359f.): Es müsse dem Revisionsführer die Möglichkeit eröffnet sein, die (einfache) Beschwerdeentscheidung in gleicher Weise zur Überprüfung zu steilen wie eine Zwischenentscheidung des erkennenden Gerichts. 90 BayObLG 28 (1929), 272 (273): Kein Verlust der Revisionsrüge des zurückgewiesenen Nebenklägers durch Unterlassen der (einfachen) Beschwerde; vgl. auch die vorangegangene Fußnote. 91 Ellersiek, S. 73 ff.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
dung begründet werden, wenn die Rechtskraftfähigkeit wiederum vom Revisionsausschluß abhängt. Rechtskraftprobleme werden unten im Zusammenhang behandelt (1. Teil VI). Eine bemerkenswerte Variante zur Entstehungsgeschichte des § 336 S. 2 und der damit verbundenen Revisionseinschränkung stellt die Entwicklung des § 81 dar, nach dessen Abs. 4 gegen die Anordnung nach Abs. 1 (Verbringung des Beschuldigten in ein psychiatrisches Krankenhaus) die sofortige Beschwerde zulässig ist. Nach heutiger Auffassung ist der Beschluß wegen § 336 S. 2 der Revision entzogen. 92 Im Entwurf I war § 81 nicht enthalten; er fand vielmehr erst in 2. Lesung Eingang in die Kommissionsberatungen,93 ohne daß indessen der Gedanke einer Rechtsmittelkonkurrenz geäußert wurde. Die ältere Kommentarliteratur ließ die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung zu. 94 RG 20, 378 sieht § 81 IV für den Bereich des Erkenntnisverfahrens als durch § 336 modifiziert an. Damit räumt das RG nicht der Beschwerde, sondern der Revision Priorität bei Anfechtung von im Hauptverfahren getroffenen Entscheidungen ein. Der Vorrang des § 336 gegenüber § 81 IV wird als selbstverständlich vorausgesetzt, eine in sich folgerichtige Abstimmung der §§ 305, 336.
IV. Die Rechtsmittelabgrenzung im Zivilprozeß95 § 336 findet im heutigen Zivilprozeßrecht seine Entsprechung nur noch in § 512 ZPO, wonach der Beurteilung des Berufungsgerichts auch die dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen offenstehen, sofern sie nicht unanfechtbar oder mit (einfacher) Beschwerde anfechtbar sind. Diese Bestimmung der ZPO ist unverändert aus den vorangegangenen Entwürfen übernommen worden und hatte bis zu der Novelle aus dem Jahre 191096 ihr Pendant in § 548 ZPO. Nach dieser Vorschrift unterlagen der Beurteilung des Revisionsgerichts die dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen, soweit sie nicht unanfechtbar oder mit Beschwerde anfechtbar waren. Die Novelle vom 22. 5. 1910 schaffte die Beschwerde gegen Beschlüsse der OLGe ab, und die Folge hiervon war, daß die Entscheidungen des Berufungsgerichts, die bis dahin beschwerdefähig waren, nunmehr zu den unanfechtbaren Entscheidungen zählten,97 so daß § 548 ZPO seine heutige Vgl. Bohnert, S. 137 bis 146; LR-Dahs § 81 Tz. 43; KK-Pelchen § 81 Tz. 14. 93 Vgl. Hahn III/2, S. 1256ff. 94 SO Z. B. Stenglein § 81 Anm. 9, S. 218, was damit zusammenhängt, daß Stenglein den § 336 nur auf Entscheidungen in der Hauptverhandlung angewandt wissen will. Deshalb entsteht hierdurch keine Konkurrenz zur sofortigen Beschwerde, vgl. Stenglein § 375 Anm. 3. Demgegenüber differenzieren RG 20, 378 und OLG Colmar GA 39 (1891), 361 zwischen Entscheidungen vor und nach Eröffnung und nicht wie Stenglein zwischen solchen innerhalb und außerhalb der Hauptverhandlung. Weitere Nachweise bei LR 17 Anm. 9 zu § 81 und Bohnert, S. 137 ff. 95 Zum folgenden vgl. Dünnebier, Dreher-Fschr. S. 669 ff. 96 Gesetz betreffend die Zuständigkeit des Reichsgerichts vom 22. 5. 1910 (RGBl, 767). 97 Förster/Kann § 548 Anm. 3; Dünnebier, S. 676f. 92
IV. Die Rechtsmittelabgrenzung im Zivilprozeß
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Fassung erhielt, wonach der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht diejenigen dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen unterliegen, die unanfechtbar sind. 98 Im Unterschied zum Straf- genießt im Zivilprozeß die Beschwerde Priorität vor den Urteilsrechtsmitteln Berufung und Revision. Von diesem Grundsatz wird das Rechtsmittelsystem der ZPO geradezu geprägt. Er liegt sämtlichen Entwürfen der ZPO zugrunde,99 ist in den Motiven der ZPO ausdrücklich ausgesprochen 1OO und im Gesetz verankert, sowohl bei der Berufung (§ 512 ZPO) als auch bei der Revision (§ 548 ZPO).101 Der Berufung unterliegen die Vorentscheidungen nicht, soweit sie der Beschwerde zugänglich sind. Das Entsprechende galt bis zur Novelle von 1910 für die Revision, d. h. beschwerdefähige Vorentscheidungen der OLGe waren nicht revisibel. Der Zivilprozeß grenzt die Rechtsmittel formal ab. Bereits die Statthaftigkeit des Prioritätsrechtsmittels (Beschwerde) schließt die Revision aus. Das ist ein formelles Abgrenzungskriterium, bei dem es auf Strukturelemente nicht ankommt. Anders die Abgrenzung im Strafprozeß: Sie orientiert sich an Strukturen, die Rechtsmittel sollen sich schon von der Systematik her nicht überschneiden - jedenfalls nach der dem Entwurf I zugrundeliegenden Konzeption. Erreicht wird dies durch das Zusammenspiel der §§ 305, 336, wenn sie die von der Eröffnung an erlassenen Vorentscheidungen als vorgezogene Urteilsbestandteile der Beschwerde entziehen und der Revision unterwerfen. Freilich bleibt auch die ZPO - trotz ihrer formellen Rechtsmittelabgrenzung - nicht von Kontroversen verschont, die dem "Streitgegenstand" nach eher auf den Strafprozeß bezogen sein könnten. Das gilt etwa für die Frage der Revisibilität der Entscheidungen nach § 355 I Vgl. Dünnebier; S. 676. In Anlehnung an Struckmann, S IX: N - Entwurf Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund, Berlin 1870; E I ZPO Entwurf einer deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung. Im königl. Preuß. Iustizministerium ausgearbeitet, Berlin 1871; EIl ZPO Entwurf einer deutschen Civilprozeßordnung, Berlin 1872 (nach den Beschlüssen der Sachverständigenkommission); E III ZPO Entwurf einer Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich, Berlin 1874 (nach den Beschlüssen des Bundesrats dem Reichstage vorgelegt). 100 Dünnebier; S. 672; vgl. die Motive zur ZPO im Rahmen der Begründung der Berufung (Hahn Il/l, S. 350): "Daß diejenigen Vorentscheidungen, welche dem Rechtsmittel der Beschwerde unterliegen, von der Anfechtung mit der Berufung ausgeschlossen sind, ist ein Hauptzweck der Zulassung der Beschwerde". Ferner die Motive im Rahmen der Begründung der Beschwerde (Hahn Il/l, (S. 374): "Die Zulassung der Anfechtung einer Entscheidung durch Beschwerde gestattet zugleich den Ausschluß der Einwirkung jedes anderen Rechtsmittels (§§ 512, 548»"; vgl. Barazetti, S. 196ff., insbes. S. 198. 101 Dem heutigen § 512 ZPO entsprach: Dem heutigen § 548 ZPO entsprach: N - Entwurf § 769 § 835 EIZPO § 430 § 463 § 478 EIIZPO § 447 § 486. E III ZPO § 453 98
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
ZPO, der die Art der Beweisaufnahme regelt und bestimmt, daß diese unmittelbar vor dem Prozeßgericht und nur in Ausnahmefällen vor einem Mitglied des Prozeßgerichts oder vor einem anderen Gericht stattfinden darf. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift findet "eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird", nicht statt. 102 Daraus ist nun verschiedentlich der Schluß gezogen worden, ein Verstoß gegen den in § 355 I ZPO niedergelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme könne auch nicht mit der Revision gerügt werden: wegen § 548 ZPO, der - entsprechend § 336 S. 2 - die unanfechtbaren Entscheidungen von der Beurteilung des Revisionsgerichts ausnimmt. 103 Angesichts der Bedeutung des § 355 I ZPO wird dieses Ergebnis für unrichtig gehalten; die Frage ist nur, wie trotz § 548 ZPO der nach dem Wortlaut des § 355 11 ZPO unanfechtbare Beschluß über die Art der Beweisaufnahme gleichwohl durch das Revisionsgericht überprüft werden soll. Das zivilprozessuale Schrifttum hebt das praktische Bedürfnis nach einer Sanktion der Verletzung des § 355 I hervor. 104 Bosch verweist darauf, daß mit der Verfahrensrüge in der Revision "nicht der Beweisbeschluß als solcher angefochten, sondern ein Rechtsmittel gegen das Urteil" mit der Verfahrensrüge begründet werden soll.105 Der Gedanke ist richtig und trifft gleichermaßen auf §§ 512, 548 ZPO wie auch auf § 336 zu. In der Tat wird nicht die Vorentscheidung, sondern das Urteil angefochten, und die Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung ist Grundlage der Verfahrensrüge. 106 Indessen: § 548 ZPO hindert eben die auf die Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung gestützte Verfahrensrüge, sofern die Vorentscheidung "unanfechtbar" ist. Der Hinweis von Bosch, durch § 548 ZPO werde die Vorentscheidung selbst nicht "angefochten", hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Des Rätsels Lösung liegt in der richtigen Auslegung des § 355 11 ZPO. Diese Bestimmung enthält den Beschluß über die Art der Beweisaufnahme nicht jedem Rechtsmittel vor, sondern nur der Beschwerde. "Unanfechtbar" bedeutet nur "der Beschwerde entzogen, aber revisibel" oder besser gesagt "der Beschwerde entzogen, weil revisibel". Die Parallele zum Strafprozeß liegt auf der Hand. Die Verwandtschaft des § 355 11 ZPO mit § 305 wird offenbar, denn auch § 305 S. I entzieht die Vorentscheidungen der Beschwerde, damit sie durch § 336 der Revision unterworfen werden können. 107 Zum folgenden Bosch, S. 108 ff. 103 RGZ 149, 286 (291) unter Hinweis auf § 558 ZPO: Der Gesetzgeber habe jedoch die klare Vorschrift des § 355 nicht beseitigt und im Vertrauen auf eine nunmehr strenge Befolgung des Grundsatzes wohl auch nicht beseitigen wollen, daher gelte keine Ausnahme von § 548 ZPO, wonach die unanfechtbaren Entscheidungen der Revision nicht unterliegen; ähnlich RGZ 159, 235 (242); vgl. im einzelnen die Nachweise bei Bosch, S. 109ff.; Schneider DRiZ 1977, 15. 104 Stein/ Jonas / Schumann (20. Aufl.) § 355 Tz. 25, aus dem älteren Schrifttum vgl. die Übersicht bei Bosch, S. 110. 105 Bosch, S. 108 ff. Bemerkenswert sind die Ausführungen auch wegen des von Bosch empfohlenen Seitenblicks auf die StPO - wohingegen aus der Sicht der StPO doch immer gern die ZPO als Vorbild angeführt wird! 106 Vgl. LR-Hanack § 336 Tz. 1; grundlegend zur Verfahrensrevision Schwinge, S. 115. 107 Gleiches gilt für § 360 S. 1 ZPO, der den Beweisbeschluß der Beschwerde entzieht (RG JW 1905, 116 (Nr. 17»; Wieczorek § 358 Tz. All. Von einigen wird die Unanfechtbarkeit des Beweisbeschlusses mit Beschwerde aus § 355 11 ZPO abgeleitet (Stein/ Jonas / Schumann (20. Aufl.) § 358 Tz. 7, Fußn. 2 unter Hinweis auf OLG Köln, Amtsvormund 1972, 350 (Anfechtung eines Beschlusses im Vaterschaftsprozeß, durch den der Beklagte verpflich102
IV. Die Rechtsmittelabgrenzung im Zivilprozeß
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Die Gründe für die vom Strafprozeß abweichende Rechtsrnittelabschichtung des Zivilprozesses liegen in der strukturellen Verschiedenheit von Zivil- und Strafprozeß: Letzteren regiert die Offizialmaxime, ersteren die Disposition der Parteien. 108 Der Zivilrichter erkennt über den von den Parteien unterbreiteten Streitstoff; er urteilt nicht zwingend "über die Sache selbst", sondern nur insoweit, als ihn die Parteien hierzu in die Lage versetzen und dem Gericht nicht durch ihr prozessuales Verhalten (Anerkenntnis, Verzicht, Behauptungen, Geständnisse, Nichtbestreiten) ganz oder teilweise den Zugang zur Entscheidung der Sache selbst versperren. 109 Dem Zivilprozeß sind Zwischenverfahren, die einen bestimmten Streitstoff abschließend regeln, nicht schädlich, weil ohnehin das am Ende ergehende Urteil von der Disposition der Parteien geprägt wird. l1O Anders verhält es sich im Strafprozeß. Hier geht es "um die Sache selbst", über die das Gericht "erkennen" soll und zwar ganz und zur gleichen Zeit, d. h. nicht "auf Raten". Die Freiheit des erkennenden Gerichts bis zum Urteil verlangt gleichsam zwingend als Pendant die volle Überprüfbarkeit des Spruchs, d. h. der Erkenntnisfreiheit steht kongruent das Risiko der Spruchkorrektur gegenüber. Das Rechtsmittelgericht prüft demzufolge das gesamte Verfahren und nicht nur abgetrennte Teile. Es ist - in den Worten von Schwarzes und von Amsbergs - "Herrin über alles". 111 Die vom Entwurf I erarbeitete Abschichtung der Rechtsmittelbereiche entsprach deshalb voll und ganz der Struktur des Strafprozesses. Es war ein Mißgriff, daß das RG zur Begründung der Alternativität zwischen Beschwerde und Revision im Strafprozeß auf den zweiten Halbsatz des § 548 ZPO zurückgriff und anstelle der dem Strafprozeß immanenten strukturellen Rechtsmittelabgrenzung die formalen tet wurde, die Blutentnahme zu dulden. Die Beschwerdeflihigkeit wird verneint, weil die höhere Instanz vor einer Sachentscheidung auf die Prozeßentscheidung keinen Einfluß nehmen dürfe, was aus § 355 11 ZPO hergeleitet wird); ferner Baumbachl Hartmann § 355 Tz. 8 ff. und § 358 Tz. 1; ZöllerlGreger § 358 Tz. 4; Esser MDR 1952,537 (r. Sp.». 108 Zur Dispositionsmaxime und deren Entwicklung vgl. Damrau, S. 31, 163,260, 291, 346,375,397,457,519, jeweils ff.; Künzl, S. 189ff., 238ff.; A. Blomeyer, S. 89ff.; Zeiss Tz. l70ff. 109 Daß sich der Zivilrichter von derartigen "Sperren" nur allzugern leiten läßt, ist jedem Praktiker geläufig; ist die Sperre nicht wirklich vorhanden, besteht zuweilen Neigung zu großer Erfindungsgabe, indem etwa ein Vortrag als nicht substantiiert und damit eine Behauptung als unstrittig oder zugestanden angesehen wird. Um die Möglichkeiten des Vergleichsschlusses (wobei etwa dem Kläger dargelegt wird, daß seine Klage unschlüssig und dem Beklagten, daß sein Verteidigungsvorbringen nicht erheblich sei) braucht indessen ein mehr dem Pensenschlüssel als dem Gesetz verpflichteter Strafrichter seinen Zivilkol1egen künftig nicht mehr zu beneiden: Der "Deal" wird auch in das Strafverfahren das erforderliche Maß an dynamischer Flexibilität tragen, um erwünschte Sperren gegen die gesetzlich geforderte Sachaufklärung zu errichten, mit der Folge, daß das "Hard Law" für die "Armen und Dummen" gilt und insbesondere Groß verfahren nach dem "Soft Law" ablaufen (Schlüchter, Form, S.205). 110 Vgl. Schröder, Nikisch-Fschr., S. 218: Der Zivilprozeß beruht auf dem Dualismus der Parteien. 111 Vgl. Hahn 11/ I, S. 708.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Kriterien der ZPO heranzog (Revisionsausschluß, soweit Beschwerde gegeben war). Damit wurden strukturfremde Elemente auf den Strafprozeß übertragen. Verkannt wurde dabei vor allem die verschiedenartige Funktion des erkennenden Gerichts in Straf- und Zivilprozeß, damit auch des jeweiligen Rechtsmittelgerichts. Die formalen Rechtsmittelabgrenzungskriterien der ZPO sind dem Strafprozeß wesensfremd, weil sie im Widerspruch zu der "Herrin-über-alles-Maxime" des Rechtsmittelgerichts stehen. Nicht das RG hat freilich die Strukturprinzipien des Strafprozesses aufgelöst, indem es aus § 548 ZPO den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Beschwerde in den Strafprozeß übernahm, sondern der Gesetzgeber, als er den vom Entwurf I vorgesehenen Wortlaut des § 336 änderte. Allerdings hat die RG-Rechtsprechung "Böses fortgezeugt", indem sie in neuerer Zeit die "Mißgeburt" des § 336 S. 2 auslöste. 112 Von der Sache her ist die durch das RG vorausgesetzte und in Gestalt des § 336 S. 2 auch im Strafprozeß Wirklichkeit gewordene Alternativitätsmaxime ohnehin in einem Punkt kaum zu erklären, nämlich insofern, als von der Revision nur die der sofortigen Beschwerde unterworfenen Entscheidungen ausgeschlossen sein sollen. 113 Begründet wird dies mit der Rechtskraftfähigkeit derartiger Entscheidungen. Woher diese These stammt, läßt sich nicht ausmachen. Dem Zivilprozeß ist sie jedenfalls nicht abgeschaut, denn dort gilt anderes; auch die einfache Beschwerde schließt jedes weitere Rechtsmittel aus, ohne daß indessen hierzu das Institut der Rechtskraft bemüht wird.
V. § 336 S. 2: Die Alternativen "unanfechtbar" und "mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar" 1. Allgemeines
Nach § 336 S. 2 stehen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die unanfechtbaren und die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen offen. Die Begründung des Regierungsentwurfs bemerkt hierzu: "Die Entscheidung des Gesetzgebers, daß eine bestimmte Maßnahme unanfechtbar sei, soll nicht im Revisionsverfahren unterlaufen werden können.,,114 112 Zumindest in der Kritik von § 336 S. 2 1. Alt. ist die hier vertretene Ansicht nicht allein, vgl. Schlüchter Tz. 724. 2: ,,Nicht zu billigen ist es dagegen, wenn § 336 S. 2 StPO 1. Alt. vom Gesetz ausdrücklich für unanfechtbar erklärte Entscheidungen den mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschlüssen gleichstellt. Damit wird nämlich die Korrektur auch eines solchen Rechtsfehlers ausgeschlossen, der möglicherweise das Urteil beeinflußt und den vom Gesetz gewollten Ausgleich der widerstreitenden Prozeßziele verhindert hat. Einen solchen Mangel ungerügt hinzunehmen, gebietet § 336 S. 2 StPO 1. Alt. Die Bestimmung wird zu Recht kritisiert." 1I3 V gl. Ellersiek, S. 73 f. 114 BT-Drucks. 8/976, S. 59.
V. § 336 S. 2
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In diesem Satz kehrt das bereits von Bosch angesprochene Problem wieder:!l5 Dem Urteilsrechtsmittel unterliegt nicht die Vorentscheidung (§ 548 ZPO, § 336 S. 1), sondern nur das Urteil. Das ist die von der amtlichen Begründung 1l6 angesprochene "Inzidentkontrolle". Diese Terminologie ist im Ergebnis richtig, ändert aber nichts daran, daß die Vorentscheidung der Hebel zur Urteilsautbebung ist, sofern ihre Fehlerhaftigkeit mit Erfolg gerügt wird. Vereinfachend wird im folgenden mitunter davon gesprochen, daß "die Vorentscheidung" der Revision unterliegt. Die Untersuchung ist sich dabei darüber im klaren, daß selbstverständlich nicht die Vorentscheidung gesonderter Anfechtung zugänglich ist, sondern nur das ihr nachfolgende Urteil. ll7 Der Entwurf hat anscheinend - ebenso wie schon Bosch - diese KlarsteIlung für erforderlich gehalten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Konsequenz etwas Selbstverständliches: Entzieht das Gesetz eine Entscheidung ausdrücklich einer Anfechtung, so ist sie damit jeder Anfechtung, also auch der Inzidentkontrolle in der Revision verschlossen. Der Entwurf versäumt es, den Begriff der Unanfechtbarkeit zu definieren und verweist stattdessen darauf, daß das Gesetz die Vorentscheidung "einer Anfechtung entzieht". Damit beginnen die Probleme. Sie resultieren zum einen daraus, daß die StPO - der RG-Rechtsprechung folgend 11 8 - überhaupt die auf die formale (nicht strukturelle) Rechtsmittelabgrenzung abzielende Regelung des § 548 ZPO übernommen hat, und zum zweiten aus deren nur bruchstückhafter Übertragung. a) Folgen aus der Übernahme des § 548 ZPO an sich
Die amtliche Begründung nennt unanfechtbare Entscheidungen solche, die "ausdrücklich als unanfechtbar bezeichnet sind".l19 Diese Umschreibung führt nicht weiter, weil sie den Begriff der Unanfechtbarkeit nicht absteckt. Der Entwurf hält eine Definition offenbar für überflüssig, was daran liegen mag, daß er eine "von Rechtsprechung und Wissenschaft einhellig vertretene Rechtsauffassung" zu übernehmen glaubt. Der Definitionsmangel wäre für eine Verfahrensordnung wie die ZPO hinnehmbar, denn der Begriff der Unanfechtbarkeit läßt sich anband der formalen Abgrenzungskriterien der einzelnen Rechtsmittel auffinden. 12o In der StPO macht sich das Fehlen einer genauen Umschreibung der Unanfechtbarkeit nachteilig bemerkbar, weil die StPO die Rechtsmittel eben nicht formal, sondern strukturell trennt. Ein Beispiel hierfür bietet § 305 S. 1. Hiernach unterliegen bestimmte I\S Basch, S. 108 ff., bei der Erörterung der Frage, inwieweit ein rechtsfehlerhafter Beschluß nach § 355 I ZPO Grundlage für die Verfahrensrüge nach § 548 ZPO sein kann, vgl. o. IV. 116 BT-Drucks. 8/976, S. 59. 117 Vgl. näher unten IX. 4. 118 Vgl. oben 1. Teil IV. 119 BT-Drucks. 8/976, S. 59. 120 Wenn auch mit Schwierigkeiten, wie die Diskussion um §§ 355, 360 ZPO anzeigt.
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I. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Entscheidungen der erkennenden Gerichte nicht der Beschwerde, weder der sofortigen noch der einfachen. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, derartige Entscheidungen, weil nicht beschwerdefähig, als unanfechtbar anzusehen. Das trifft freilich nicht zu. Zu Recht wird § 305 S. 1 nicht als eine die Revision ausschließende Bestimmung angesehen. 121 Allerdings sind gewisse Begründungsschwierigkeiten nicht zu verkennen. So fonnuliert Hanack wie folgt: "Die Unanfechtbarkeit von Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 305 Satz I hindert die Revisionsrüge nicht. Denn die Vorschrift wird durch § 336 S. I dahin ergänzt, daß diese Entscheidungen mit der Revision angefochten werden können ... ; ihre Anfechtbarkeit mit der Revision ist daher durch § 336 Satz 2 nicht ausgeschlossen ... 122
Der Hinweis, daß § 305 S. 1 durch § 336 S. 1 ergänzt wird, trägt das Ergebnis indessen nicht, denn § 336 S. 1 wird seinerseits durch Satz 2 modifiziert, so daß Entscheidungen i.S. von § 305 S. 1, wären sie unanfechtbar, der Überprüfung des Revisionsgerichts nicht unterliegen würden. Die Zuordnung des § 336 zu § 305 S. 1 ist also nicht das Entscheidende. Die Argumentation muß vorher einsetzen, bei der Frage, ob die Entscheidungen des erkennenden Gerichts wirklich "unanfechtbar" sind. Und eben diese Frage muß verneint werden, denn § 305 S. 1 entzieht die Entscheidungen des erkennenden Gerichts nur der (einfachen und sofortigen) Beschwerde, nicht aber der Revision. Was mit der Fonnulierung von Hanack gemeint ist, ist folgendes: Nicht die Ergänzung des § 305 durch § 336 ist maßgeblich, sondern die ratio für die in § 305 S. 1 angeordnete Sperrung des Beschwerdewegs. § 305 S. 1 entzieht die Entscheidungen des erkennenden Gerichts deshalb der Beschwerde, weil sie durch § 336 der Revision unterworfen werden sollen. Nur wenn dies so verstanden wird, kann die ,,Ergänzung" des § 305 S. 1 in Gestalt des § 336 S. 1 überhaupt greifen. Voraussetzung für die Überprüfungsmöglichkeit nach § 336 ist nämlich, daß diese Entscheidungen nicht unanfechtbar sind, denn im Fall der Unanfechtbarkeit fallen sie unter § 336 S. 2 und sind der Revision entzogen. Der Hinweis auf die Ergänzung des § 305 S. 1 durch § 336 S. 1 ist deshalb nur die halbe Wahrheit. Er betrifft nur die fonnale Struktur der Vorschriften, nicht deren sachlichen Gehalt und vor allem nicht deren ratio. Durch diese beiden wird der Blick auf das funktionale Zusammenspiel zwischen § 305 S. 1 einerseits und § 336 S. 1 andererseits freigelegt. § 305 S. 1 sperrt den Beschwerdeweg um der Revision willen, d. h. die Entscheidungen des erkennenden Gerichts unterliegen der Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht, obwohl sie mit Beschwerde nicht anzufechten sind, sondern umgekehrt: Sie sind der Beschwerde entzogen, damit sie (ohne die Gefahr einer Doppelanfechtung) der Revision unterworfen werden können. 123 121 Völlig herrschende Meinung, Gegenstimmen nicht ersichtlich, vgl. z. B. KK-Pikart § 336 Tz. 12; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 336 Tz. 6; Rieß NStZ 1981,447. 122 LR-Hanack § 336 Tz. 18; Schlüchter Tz. 724.4. 123 Im Zivilprozeß stellt sich das entsprechende Problem für § 355 11 ZPO, dazu vgl. o. IV.; trotz § 355 11 ZPO, wonach eine Anfechtung des Beschlusses über die Art der Beweisaufnahme nicht stattfindet, wird der Beschluß i. S. von § 355 I ZPO als revisibel angesehen (Zöller/Greger § 356 Tz. 7). § 355 11 ZPO paßt ebensowenig in das formale Rechtsmittel-
V. § 336 S. 2
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Das Beispiel des § 305 S. 1 verdeutlicht, daß die Sperrung des Beschwerdewegs keinesfalls ein Kriterium für die Unanfechtbarkeit der betreffenden Entscheidung iSt. 124 Vielmehr muß jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob der Beschwerdeausschluß die Unanfechtbarkeit durch Revision nach sich zieht. Die von der h.M. vorausgesetzte Automatik 125 existiert nicht. b) Folgen der bruchstückhaften Übernahme des § 548 ZPO
Während § 548 ZPO a.F. und § 512 ZPO die mit der Beschwerde schlechthin (also unter Einschluß der einfachen Beschwerde) anfechtbaren Entscheidungen von den Urteilsrechtsmitteln ausnehmen, ordnet § 336 S. 2 diese Konsequenz für den Strafprozeß nur für die durch sofortige Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen an. Hierdurch entsteht eine eigentümliche Wechselwirkung zwischen Beschwerde, sofortiger Beschwerde und Revision. 126 Einfache und sofortige Beschwerde haben hiernach unterschiedliche Auswirkungen auf die Revisibilität. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde schließt die Revision aus, während die Möglichkeit einfacher Beschwerde der Revision nicht entgegensteht. Damit hebt sich die sofortige Beschwerde von dem bisher als homogen gesehenen Rechtsmittel der "Beschwerde,,127 ab und nimmt spezielle Konturen an, indem sie eigene Rechtswirkungen im Hinblick auf die Revision zeitigt. Nach h.M. hat die einfache Beschwerde geradezu den gegenteiligen Effekt, indem sie kraft vorausgesetzter Automatik die Revision eröffnet. Nach der hier vertretenen Auffassung ist diese These unrichtig. Gleichwohl bleibt als Konsequenz des positiven Rechts: Revisionsversagende Wirkung hat nur die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. Die Zulässigkeit einfacher Beschwerde ist für die Revision indifferent - weil sie weder für noch gegen die Statthaftigkeit der Revision spricht. Auch muß in jedem Einzelfall überprüft werden, ob der Ausschluß der einfachen Beschwerde zugleich die Unanfechtbarkeit i.S. von § 336 S. 2 zur Folge hat.
abgrenzungssystem der ZPO wie § 336 S. 2 in das strukturelle der StPO. Beide Bestimmungen sind in der jeweiligen Prozeßordnung Fremdkörper und können nur durch korrigierende Auslegung der jeweiligen Verfahrensordnung angepaßt werden. Dabei hat die ZPO mit der Behauptung der Revisibilität der Beschlüsse nach § 355 I ZPO ähnliche Probleme wie die StPO mit der Definition der Unanfechtbarkeit i. S. von § 336 S. 2. 124 Im Gegensatz hierzu sieht die h. M. indessen in der Unanfechtbarkeit mit Beschwerde auch die Sperrung für die Revision nach § 336 S. 2, wodurch die Wechselwirkung zwischen einfacher Beschwerde und Revision entsteht. Die Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde eröffnet die Revision, während die sofortige Beschwerde die Revision ausschließt (Rieß NStZ 1981,447). Näheres unten zu V 2. 125 Rieß NStZ 1981,447; AK StPO - Maiwald § 336 Tz. 5; näher bei der Rechtsmittelfähigkeit des Eröffnungsbeschlusses, unten 5. Teil I. I. - 3. 126 Vgl. Rieß NStZ 1981,447 und LR-Rieß § 210 Tz. 5. 127 Vgl. Fezer 1119 Tz. 188. 5 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Ein weiterer Grund für die Verselbständigung der sofortigen Beschwerde wird bei den Zwischenverfahren aufgezeigt werden. Sofortige Beschwerde wird (zum Zweck der Revisionseinschränkung) durch das Gesetz in den Fällen eröffnet, in denen nach § 305 S. I einfache Beschwerde ausgeschlossen ist. Das in Gestalt der sofortigen Beschwerde hier ausdrücklich eingeräumte Rechtsmittel dient dazu, bestimmte - an sich revisible - Rechtsfragen aus der Revision auszuklammern und einem gesonderten Zwischenverfahren zuzuführen, in welchem diese Fragen vorab bindend auch für die Revision entschieden werden.
2. Die richtige Anknüpfung zur Bestimmung der "Unanfechtbarkeit"
Statthaftigkeit einfacher Beschwerde ist kein Kriterium für Unanfechtbarkeit nach § 336 S. 2. "Unanfechtbar" i.S. dieser Vorschrift bedeutet nichts anderes als "der Revision entzogen". Die gegenteilige Ansicht, die mit der oben beschriebenen "Automatik" aus der Statthaftigkeit einfacher Beschwerde die Zulässigkeit der Revision folgert, ist im Ansatz unrichtig. Sie beruht auf einer recht absonderlichen Auslegungsmethode, die in keine andere Verfahrensordnung Eingang gefunden hat. Die Statthaftigkeit des einen Rechtsmittels (der Revision) wird von der eines anderen (der einfachen Beschwerde) abhängig gemacht. Durch diese unglückliche Prämisse entstehen weitere, gleichsam ,,hausgemachte" Probleme, denn: Wenn die einfache Beschwerde die Revision eröffnet, andererseits ihre Unzulässigkeit auch den Revisionsweg sperrt, dann ist die Statthaftigkeit der Revision im Einzelfall stets abhängig davon, daß die einfache Beschwerde gegen die betreffende Entscheidung auch eröffnet ist. Wird hingegen - etwa durch eine Gesetzesreform - der Beschwerdeweg gesperrt, ist damit auch zugleich gegen die Revision entschieden. Diese Konsequenz hat die h.M. tatsächlich im Hinblick auf Entscheidungen der OLGe nach § 304 IV gezogen, worauf noch einzugehen sein wird. Zusammenfassend bedeutet also "unanfechtbar" i.S. von § 336 S. 2 "mit der Revision nicht anfechtbar", wobei dieser Begriff nicht mit Hilfe der Beschwerdestatthaftigkeit zu definieren ist. § 336 S. 2 entzieht also nicht der einfachen Beschwerde nicht zugängliche Entscheidungen zusätzlich der Revision, und die Sperre des Beschwerdewegs ist keinesfalls die causa für den Ausschluß der Revision. Vielmehr hat die Revisionssperre ihren eigenen Grund, und der Revisionsausschluß muß anband der jeweiligen Einzelvorschrift, die die Rechtsmittelfähigkeit der zur Überprüfung anstehenden Entscheidung regelt, bestimmt werden. Ob die (einfache) Beschwerde statthaft ist oder nicht, gibt für die Frage der Revisibilität nichts her. So ist etwa die gewährende Wiedereinsetzung der Revision entzogen, ebenso die stattgebende Richterablehnung. Der Grund liegt nicht etwa darin, daß die Entscheidungen nach § 46 II bzw. § 28 I (auch) der Beschwerde nicht zugänglich sind, sondern einzig darin, daß die genannten Bestimmungen von ihrer Konzeption her nicht nur Beschwerde, sondern darüber hinaus auch Revision ausschließen. Letz-
v. § 336 S. 2
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teres folgt nicht aus der Versagung der Beschwerdemöglichkeit, sondern aus der Auslegung der §§ 46 11, 28 1. 128 Sinn dieser Bestimmungen ist, daß eine einmal gewährte Wiedereinsetzung bzw. eine dem Ablehnungsgesuch stattgebende Entscheidung durch die Revision nicht korrigiert werden soll. Das ist eine Willensentscheidung des Gesetzgebers im Interesse einer zügigen Abwicklung des Prozesses. Die Irrevisibilität folgt demnach nicht aus § 336 S. 2 (1. Alt.), sondern unmittelbar aus § 46 11 und § 28 I. § 336 S. 2 (1. Alt.) hat nur deklaratorischen Charakter, 129 indem er etwas Selbstverständliches ausspricht: Nicht revisibel ist die Entscheidung, die - aufgrund anderer Vorschriften - der Revision nicht unterliegt. 130 Ob die in Einzelvorschriften angeordnete "Unanfechtbarkeit" der Entscheidung auch zum Revisionsausschluß führt, ist jeweils durch Auslegung der betreffenden Bestimmung zu ermitteln, was im Fall gewährender Wiedereinsetzung und stattgebender Ablehnung l3l verhältnismäßig einfach ist, in anderen Fällen hingegen Probleme bereitet, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden.
Näher vgl. unten 1. Teil VII. 4. a) und b). Das wird herkömmlich anders gesehen. Vgl. z. B. Katholnigg § 171 b Tz. 7: Die in § 171 bIII GVG angeordnete Unanfechtbarkeit soll "wegen § 336 S. 2" auch die Revisibilität einschließen. So der allgemeine Sprachgebrauch zu den die Unanfechtbarkeit anordnenden Bestimmungen, vgl. auch Katholnigg § 52 Tz. 8; Böttcher JR 1987, 135 zu § 39611 2. Der Hinweis "wegen § 336 S. 2" ist nach der hier vertretenen Auffassung überflüssig und unrichtig, weil er dazu verleitet, aus jeder Unanfechtbarkeit den Revisionsausschluß herauszulesen, während dieser doch richtigerweise nur durch Auslegung der die Unanfechtbarkeit anordnenden Bestimmungen gewonnen werden kann. Dann bedürfte es auch nicht derartiger "KlarsteIlungen", wie sie LR-Hanack § 336 Tz. 18 verwendet, § 305 S. 2 hindere die Revision nicht: § 336 S. 2 kann die Revisionsrüge schon deshalb nicht hindern, weil er leerläuft, und wenn - was offensichtlich ist - § 305 S. 2 die Revision nicht ausschließt, dann ebensowenig § 336 S. 2. Am Ergebnis ändert diese Diktion nichts, zeigt aber den Mangel in der Synchronisierung der §§ 305, 336 auf. 130 Die Entscheidung BGH NStZ 1982,291 (292; zustimmend Schlüchter Tz. 48) wird zu Recht kritisiert, vgl. KleinknechtlMeyer-Goßner § 28 Tz. 1; Krey I, Tz. 327 und JA 1984, 577. Der BGH ließ die Besetzungsrüge des Angeklagten durchgreifen. "Das erkennende Gericht war nach der Ablösung des Schöffen X durch den Ergänzungsschöffen Y nicht mehr vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO). Der Schöffe X hätte nicht ausscheiden dürfen. Der gegen ihn gerichtete Ablehnungsantrag (der StA) ist zwar für begründet erklärt worden. Dies war jedoch fehlerhaft; denn er hätte ohne Sachprüfung als unzulässig verworfen werden müssen ... " Das verträgt sich nicht mit § 28 I. Richtig dagegen RMilG 7, 265 (266): Die gewährende Wiedereinsetzung nach § 149 III der damaligen MilStO (die Bestimmung entspricht § 46 11) ist endgültig und damit unanfechtbar, d. h. der Revision entzogen. Ebenso RG 4, 402 (403) hinsichtlich der positiven Wiederaufnahmeentscheidung, wenn die Frist zur sofortigen Beschwerde verstrichen ist. 131 Für die Selbstablehnung gelten die gleichen Grundsätze, vgl. BGH GA 1962, 338 im Anschluß an RG 30, 123. 128 129
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 3. § 304 IV: Revisionsausschluß durch Beschwerdeausschluß?
Einen besonderen Fall der "Unanfechtbarkeit" i.S. von § 336 S. 2 entnimmt die h.M. dem § 304 IV. Nach dieser Bestimmung ist gegen die Beschlüsse der OLGe (von Ausnahmen abgesehen) die Beschwerde nicht statthaft.
a) Die herrschende Meinung Die h.M. ordnet die Bestimmung des § 304 IV unter § 336 S. 2, 1. Alt. ein. Dies wird aus dem Wortlaut des § 304 IV 2 abgeleitet,132 teilweise gestützt durch die Materialien des Gesetzes vom 8. 9. 1969. 133 Lediglich Dünnebier entnimmt den Revisionsausschluß dem Rechtsgedanken des § 548 ZPO.134
b) Die Entstehungsgeschichte des § 304 N 2 Der Beschwerdeausschluß gegen Entscheidungen der OLGe war in den Entwürfen I-III nicht enthalten und wurde erst in zweiter Lesung eingefügt. 135 Von einem hierdurch bedingten Revisionsausschluß ist in den Motiven nichts zu finden. Das ist auch leicht zu erklären, denn nach der Konzeption des Entwurfs I war Rechtsmittelkonkurrenz nicht denkbar, weil es nicht um identische Entscheidungen ging; gegen Entscheidungen aus dem Vorverfahren t36 war zwar Beschwerde, nicht aber Revision eröffnet. Mit der damaligen Fassung des § 336 betraf die Revision nur Entscheidungen in der Hauptverhandlung; andererseits waren diese als solche des erkennenden Gerichts durch § 305 der Beschwerde entzogen. Schon deshalb konnte sich die Frage, ob durch eine Sperrung des Beschwerdewegs die Revision 132 Schlüchter Tz. 724.3; KK-Pikart § 336 Tz. 11; LR-Hanack § 336 Tz. 16 (arn Ende); Kleinknecht/Meyer-Goßner § 336 Tz. 6; HK-Lemke § 28 Tz. 10; HK-Temming § 336 Tz. 7 (Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen). 133 Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vorn 8. 9. 1969 BGBL I, 1582; vgL LR-Hanack § 336 Tz. 16 (Anm. 29). 134 Dünnebier, S. 675 ff. 135 VgL die Änderung des Entwurfs von der 1. zur 2. Lesung (oben L Teil unter 11.). 136 Nach Eb. Schrnidt fallen unter § 336 S. I, da die Vorschrift nicht nur die dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen des erkennenden Gerichts anspricht, auch Entscheidungen aus dem Vorverfahren, Eb. Schmidt § 336 Tz. 2 ff. (Tz. 6) unter Hinweis auf RG 32, 79 (Ablehnung des Antrages auf Voruntersuchung, hiergegen sofortige Beschwerde und zu Unrecht erfolgte Verwerfung als unzulässig); RG 10, 56 (Mangel des Eröffnungsbeschlusses, Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters). Beide Entscheidungen betreffen also nicht das Vor-, sondern das Zwischenverfahren. Ebenso LR bis zur 21. Aufl., vgL LR 21 - Jagusch § 336 Nr. 1; anders LR-Hanack § 336 Tz. 6; KK-Pikart § 336 Tz. 5; BGH 6,326 (328): Der Eröffnungsbeschluß als alleinige Grundlage des Verfahrens. Auf Fehlern des Ermittlungsverfahrens, der Voruntersuchung oder der Anklage kann das Urteil nicht beruhen; ebenso HK-Temming § 336 Tz. 3.
V. § 336 S. 2
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eingeschränkt würde, nicht stellen, zumal § 336 noch nicht um seinen heutigen Satz 2 ergänzt war. Freilich hatte das Gesetz durch die aufgrund des Entwurfs III veranlaßte Änderung des § 336 die ursprüngliche Konzeption nicht vollständig beibehalten, so daß bei der unglücklichen Fassung des § 336, der die Revision auf alle dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen erstreckte, Rechtsmittelkonkurrenz nunmehr möglich wurde. Durch die - gegenüber den Entwürfen I und 11 geänderte - Formulierung des § 336 war es von jetzt an möglich, daß der in § 304 IV angeordnete Ausschluß des Beschwerdewegs auch solche Entscheidungen betraf, die - zumindest theoretisch - als revisibel in Betracht kamen. Unter dieser Prämisse hätte sich aus heutiger Sicht eine Äußerung zu den Auswirkungen der Vorschrift auf die Statthaftigkeit der Revision angeboten. Die Frage, ob der in § 304 IV 2 ausgesprochene Beschwerdeausschluß zugleich die Unanfechtbarkeit im Sinne des Revisionsrechts nach sich zog, hätte geregelt werden müssen. Das Schweigen des Gesetzes und auch der Motive hierzu mag einerseits daran liegen, daß die durch Änderung des § 336 verursachte Rechtsmittelüberschneidung nicht erkannt wurde, andererseits aber auch daran, daß den Motiven eine Revisionseinschränkung durch Sperrung des Beschwerdewegs zu fern lag, um hierüber ein Wort zu verlieren.
c) Die amtliche Begründung des Gesetzes vom 8. 9. 1969
Durch Art. 2 Nr. 12 des Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen wurde der zweite Teilsatz des § 304 IV 2 eingeführt, wonach die Beschwerde beschränkt zulässig wurde. Die amtliche Begründung des Gesetzes spricht von der "Unanfechtbarkeit" der Beschlüsse und Verfügungen der OLGe. 137, 138 Ob mit diesem Begriff der Unanfechtbarkeit ge137 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen, BT-Drucks. V 4086 v. 14.4. 1969, zu Nr. 12 (S. 11 des Entwurfs): ,,Nach der Übertragung der vollen erstinstanzlichen Zuständigkeit des BGH auf die Oberlandesgerichte haben manche erstinstanzliche Entscheidungen dieser Gerichte ein so starkes Gewicht ... , daß an dem Grundsatz des geltenden Rechts, wonach Entscheidungen der OLGe in Strafsachen unanfechtbar sind (vgl. § 304 Abs. 4 StPO) auch insoweit nicht allgemein festgehalten werden kann, als es sich um Entscheidungen handelt, die nach den allgemeinen Vorschriften mit der Beschwerde anfechtbar sind." Auch der Bericht des Sonderausschusses (Abg. Bühler, BT-Drucks. V /4269) geht von der Unanfechtbarkeit der Beschlüsse und Verfügungen des BGH und der OLGe aus (zu Nr. 12, S. 6 des Berichts). 138 Insofern hat BVerfG vom 21. 6. 1977 Recht (NJW 1977, 1815,1816), wenn darin von "dieser allein möglichen Deutung des § 304 IV" gesprochen wird, obwohl zweifelhaft ist, ob das BVerfG damit schlechterdings von revisionsrechtlicher Unanfechtbarkeit ausgeht (so LRHanack § 336 Tz. 16 ,,Beschränkung der Revision") oder ob nicht lediglich der Ausschluß der Beschwerde gemeint ist - und damit für den konkreten zu entscheidenden Fall des § 28 11 Ausschluß der Revision, denn das BVerfG überläßt die Auslegung des einfachen Rechts (§ 28 11) der Fachgerichtsbarkeit. Die Interpretation, die Hanack (LR § 336 Tz. 16) der Entscheidung des BVerfG gibt, dürfte zu weit gehen. Jedenfalls betreffen die tragenden Gründe
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
meint ist, daß diese Beschlüsse dem Rechtsmittel der Revision nicht unterliegen sollen, darf bezweifelt werden. Die Beschlüsse und Entscheidungen werden zwar wiederholt als "unanfechtbar" bezeichnet, jedoch wohl nicht im Hinblick auf die Revision, sondern im Zusammenhang mit dem Verfahren der Beschwerde, deren Statthaftigkeit durch das Gesetz nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden sollte, indem in gewissen Fällen (§ 304 IV 2 Nr. 1- 5) die Beschwerde zugelassen wurde. Aus den Materialien ist letztlich nicht mehr herauszulesen, als daß der Gesetzgeber die "Unanfechtbarkeit" der OLG-Entscheidungen voraussetzte. Ob dieser Begriff auch auf die Revision bezogen war, ist fraglich, denn das Revisionsverfahren stand nicht im Vordergrund des Gesetzes vom 8. 9. 1969, vielmehr die Einführung einer zweiten Tatsacheninstanz. In der amtlichen Begründung findet die These von der Revisionseinschränkung durch Sperrung des Beschwerdewegs gegen Entscheidungen der OLGe keine Stütze. Abgesehen davon kann es nicht maßgeblich darauf ankommen, wie die Materialien eines heutigen Gesetzes eine Bestimmung verstehen, die seit Einführung der StPO in Kraft ist. Die amtliche Begründung eines Gesetzes aus dem Jahre 1969 ist sicherlich nicht zwangsläufig eine authentische Interpretation der StPO, der Gesetzgeber spricht durch das Gesetz und nicht durch "Glossen" zu Gesetzesbestimmungen, die durch das Änderungsgesetz nicht einmal berührt werden. d) Der Rechtsgedanke des § 548 ZPO
Dünnebier entnimmt den Revisionsausschluß für Entscheidungen nach § 304 IV 2 dem Rechtsgedanken des § 548 ZPO. 139 Der Hinweis auf diese dem § 336 vergleichbare Regelung der ZPO ist in der Tat die einzige Begründung, die die Revision gegen von § 304 IV 2 betroffene Entscheidungen mit dem Anspruch auf Schlüssigkeit einzuschränken vermag. Der Wortlaut des § 336 S. 2 gibt, für sich betrachtet, für einen Revisionsausschluß nichts her. Der Begriff "unanfechtbar" bedeutet nämlich in diesem Zusammenhang, daß die Entscheidung nicht der Revision unterliegt. Infolgedessen muß der Revisionsausschluß gesetzlich angeordnet sein. § 304 IV 2 betrifft indessen nur die Sperrung der Beschwerde. Aus dieser Vorschrift folgt hingegen nicht - und darin unterscheidet sich die Bestimmung beispielsweise von § 28 I und § 46 11 -, nur den Sonderfall des § 28 11. Das BVerfG sagt letztlich nur: Beschwerde ist außerhalb des Katalogs von § 304 IV 2 nicht vorgesehen. Das ist in der Tat selbstverständlich und insofern wirklich "die alleinmögliche Deutung". Ob freilich das Rechtsmittel nach § 28 11 seiner Natur nach Beschwerde bleibt, ist durch das BVerfG nicht entschieden, denn diese (einfachrechtliche) Frage überläßt das BVerfG dem Fachgericht. Wenn es dessen Auslegung für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, ist über deren Richtigkeit damit nichts gesagt. V gl. auch die Vorauflagen von LR (LR 23 - Meyer § 336 Tz. 4 und LR 23 - Gollwitzer § 304 Tz. 67), wo unter Unanfechtbarkeit der Beschwerdeausschluß angeführt wird, ohne daß die Revisionssperre erwähnt wird. 139 Dünnebier; S. 677.
v. § 336 S. 2
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daß die betreffende Entscheidung schlechthin unanfechtbar und damit auch der Revision entzogen ist. Die Parallele zum Zivilprozeß zeigt dies deutlich. Der Begriff "unanfechtbar" in dem heutigen § 548 ZPO bedeutet nicht dasselbe wie in § 336 S. 2. Er hat im Zivilprozeß eine Erweiterung erfahren. "Unanfechtbar" i.S. von § 548 ZPO heißt zweierlei: zum einen Unanfechtbarkeit, wie sie § 336 S. 2 in der ersten Alternative voraussetzt. Das ist die - an sich überflüssige - Verweisung auf andere Vorschriften, die die Bestandskraft der Entscheidung gegenüber jedem Rechtsmittel anordnen. Der heutige § 548 ZPO enthält aber noch einen weiteren Begriff der Unanfechtbarkeit, der allein gesetzeshistorisch zu erklären ist. Es ist das Verdienst von Dünnebier, diesen Zusammenhang aufgezeigt zu haben. 140 Bis zur Novelle von 1910 entsprach § 548 ZPO der heutigen Fassung des § 512 ZPO, wonach der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts sowohl die unanfechtbaren als auch die mit der Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen entzogen sind. Beide Bestimmungen grunden auf der Alternativitätsmaxime, d. h. auf der formalen (nicht wie im Strafprozeß funktionalen) Abgrenzung der Rechtsmittel Beschwerde / Berufung und Beschwerde / Revision. § 512 ZPO setzt den Alternativitätsgrundsatz um und schließt demzufolge die Berufung für all die Entscheidungen aus, die mit der Beschwerde anfechtbar oder durch das Gesetz für unanfechtbar erklärt worden sind. § 548 a.F. ZPO übernahm diese Regelung für die Revision. Beide Bestimmungen stellen klar, daß, sofern eine Entscheidung mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar ist, diese Unanfechtbarkeit auch für Berufung bzw. Revision gilt. Letztlich besagt dies nicht mehr, als daß eine unanfechtbare Entscheidung eben unanfechtbar ist. Den Motiven zur ZPO erschien dies so selbstverständlich, daß sie eine Begründung für § 548 ZPO nicht geben und § 512 ZPO nur mit geringer Aufmerksamkeit bedenken. Einen Bedeutungswandel erfährt § 548 ZPO durch die Novelle von 1910. Diese entzieht die Entscheidungen der OLGe der Beschwerde, ohne für den schon damals gegebenen Revisionsausschluß etwas anderes anzuordnen. Damit bleiben die Entscheidungen der Revision unzugänglich und unterliegen fortan auch nicht mehr der Beschwerde. Hierdurch werden sie "unanfechtbar". Die Revisionseinschränkung war also bereits vorher gegeben, und der Beschwerdeausschluß wird durch die Novelle von 1910 ausgesprochen. § 548 ZPO trifft also, vollständig gelesen, folgende Regelung: "Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind oder nach früherem Recht mit der Beschwerde anfechtbar waren.,,141 Der Unterschied zum Strafprozeß ist folgender: Beschlüsse und Verfügungen der OLGe waren im Zivilprozeß niemals nach § 548 ZPO revisibel. Das Gesetz von 1910 nimmt ihnen auch noch die Beschwerdefähigkeit, so daß sie unanfechtbar werden, weshalb sich § 548 ZPO auch im Hinblick auf den Revisionsausschluß auf die Erwähnung der "unanfechtbaren" Entscheidungen beschränken kann. Anders verhält es sich im Strafprozeß. Der Revisionsausschluß kraft Beschwerdefähigkeit wird erst durch den neu eingeführten § 336 S. 2 angeordnet. Dieser Ausschluß vermag indessen die OLG-Entscheidungen nicht zu erfassen, da diese 140 Dünnebier; S. 676. 141 Vgl. Dünnebier; S. 676ff.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
seit Einführung der StPO niemals der Beschwerde unterlagen. Der Bedeutungswandel des § 548 ZPO läßt sich deshalb auf § 336 nicht übertragen. Diese Vorschrift unterscheidet vielmehr nach wie vor zwischen "unanfechtbaren" und "mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren" Entscheidungen. Einen historisch gewachsenen gesonderten Begriff der Unanfechtbarkeit gibt es in § 336 S. 2 nicht. Vielmehr verlangt diese Bestimmung in der 1. Alt. nach wie vor die Anordnung der Unanfechtbarkeit in einer außerhalb § 336 S. 2 liegenden Vorschrift. § 304 IV 2 macht die OLG-Entscheidungen nicht unanfechtbar - nicht etwa, weil die Novelle von 1910 kein Pendant im Strafprozeß hätte, denn durch sie wurde nur die Beschwerdefähigkeit der OLG-Entscheidungen aufgehoben, während der Revisionsausschluß von Anfang an bestand -,sondern weil § 336 a.F. von Anfang an anders konzipiert war als § 548 ZPO: § 336 a.F. nahm die OLG-Entscheidungen von den revisiblen Vorentscheidungen nicht aus.
Die Auslegung anband des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte spricht also gegen einen aus § 304 IV 2 resultierenden Revisionsausschluß. Das wird auch von Dünnebier anerkannt, der sich in der Interpretation des § 336 (bereits vor Einführung von Satz 2 dieser Bestimmung) an § 548 ZPO anlehnt, indern er den Revisionsausschluß für die Vorentscheidungen der OLGe aus § 304 IV 2 folgert: Unzulässigkeit der (sonst zulässigen) Beschwerde bedeute auch Unanfechtbarkeit durch die Revision. 142 Diese Auslegung ist indessen systemwidrig. Straf- und Zivilprozeß grenzen - wie schon ausgeführt - beide Rechtsmittel auf verschiedene Weise ab: formal bzw. strukturell. Im Zivilprozeß schließt schon nach dem Entwurf I ZPO die Beschwerde als Rechtsmittel "von nur minderer Bedeutung" jedes andere Rechtsmittel aus. Dieser Grundsatz kommt in den Motiven zweifelsfrei zum Ausdruck und darf als Maxime der ZPO vorausgesetzt werden. Beschwerde und Revision laufen gleichsam auf zwei getrennten Schienen. Wird die eine durch den Ausschluß der Beschwerde versperrt, ist darum nicht die andere eröffnet und umgekehrt; wird die Beschwerdemöglichkeit genommen, ändert sich dadurch nichts an der Revisibilität. Der Zivilprozeß kennt rechtskräftige Zwischenentscheidungen, dem Strafprozeß sind sie grundsätzlich fremd. Wie das Instanzgericht über "alles und zu gleicher Zeit" entscheidet, ist auch das Rechtsmittelgericht "Herrin über alles". Seiner Beurteilung ist nichts entzogen - es sei denn, das Gesetz ordnete dies an. Die der ZPO zugrundeliegende formale Abschichtung der Rechtsmittel gegeneinander ist dem Strafprozeß strukturfremd. § 336 S. 1 duldet keine rechtskräftigen Zwischenentscheidungen - abgesehen von der positiv-rechtlichen Ausnahme des Satzes 2. Diese stört schon hinreichend das funktionale System der Rechtsmittelabgrenzung im Strafprozeß, weil sie Strukturelemente des Zivilprozesses in Gestalt der Alternativitätsmaxime in diesen übernimmt. Nichts spricht jedoch dafür, die Folgen dieses Mißgriffs des Gesetzgebers zu verschlimmern, indem weitere Rechtsgedanken aus dem Zivilprozeß in das Strafverfahren übertragen werden. § 304 IV 2 schränkt die Revisibilität der von dieser Vorschrift betroffenen Entscheidungen nicht ein.
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Dünnebier, S. 676ff. (677).
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4. Die "Revisionsbeschwerde,,143 des § 28 11 2
Mit Hilfe des § 304 N 2 gewinnt die h.M. eine weitere Revisionsbeschränkung im Fall der erfolglosen Ablehnung eines erkennenden Richters. Sie sieht § 28 11 2 als einen Fall der Beschwerde, nicht der Revision an. Die Beschwerdemöglichkeit soll kraft § 304 N 2 verschlossen sein, wenn ein OLG entschieden hat. Im einzelnen: Gegen versagende Ablehnung l44 eines nichterkennenden Richters ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 28 11 1), im Fall der Ablehnung eines erkennenden Richters kann die Entscheidung "nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden" (§ 28 11 2).145 Die h.M. sieht Satz 2 dieser Vorschrift als Unterfall der Regelung in Satz 1, mithin als einen Fall der Beschwerde, wobei "aus Zweckmäßigkeitsgründen" die Entscheidung nur zusammen mit dem Urteil anzufechten sei. 146 Anfechtung mit dem Urteil kommt aber nicht in Betracht, wenn der Beschwerdeweg verschlossen ist, wie es durch § 304 N 2 angeordnet ist. Das hat zur Konsequenz, daß die versagende Ablehnung eines erkennenden OLG-Richters unanfechtbar sein SOll.147 Diese Auslegung geht letztlich auf RG 7, 340 zurück. 148 In dieser Entscheidung ging es um den Umfang des Nachprüfungsrechts des Revisionsgerichts. Nicht Rechtsrnittelversagung jedoch, sondern Ausdehnung des Prüfungsrechts in der Revisionsinstanz wurde durch das RG behandelt. Die vorn RG hier erörterte Frage betrifft
143 Die Bezeichnung stammt von Bohnert, S. 85. 144 Darunter ist die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig und die Zurückweisung als unbegründet zu verstehen (§ 2811 I). 145 OLG DüsseldorfNStE Nr. I zu § 28; OLG Düsseldorf JMBINW 1986,32 (33) wendet § 28 (ebenso wie § 305) entsprechend auf das Verfahren vor der Strafvollstreckungskarnrner an, und zwar wegen der Rechtsähnlichkeit dieses Verfahrens und des Erkenntnisverfahrens. 146 LR-Wendisch § 28 Tz. 27; LR-Hanack § 336 Tz. 16; KK-Pikart § 28 Tz. 4; Krey JA 1984,577; Hamm Tz. 357 ff.; Fezer 10 Tz. 40 (S. 133). 147 Vgl. hierzu die Motive zu § 2811 2, Hahn 111/1, S. 92 (Ausschluß der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung eines erkennenden Richters: Die Zulassung der Beschwerde "würde zu großen Weitläufigkeiten und Mißbräuchen führen", da ihr, falls sie Sinn haben sollte, aufschiebende Wirkung beigelegt werden müßte). Als Ersatz für die Versagung der Beschwerde wird die Revision gegeben (RG 7,175 (176». Das ist - gegenüber der heute h. M. - geradezu die gegenteilige Argumentation, denn die Anfechtbarkeit der Entscheidungen soll von der Beschwerde hin zur Revision verlagert werden. - Nach LR-Wendisch (§ 28 Tz. 18) könnte dem erkennenden Gericht eine Entscheidung des Beschwerdegerichts "erwünscht" sein, um die Hauptverhandlung von der Belastung durch die Aufhebungsgefahr zu befreien. Mit anderen Worten: Lieber jetzt die sofortige Beschwerde als später Liquidation durch die Revision. Das gewünschte Ergebnis wird allerdings nur dann erreicht, wenn zugleich die Folge des -zur Zeit dieser Kommentierung noch nicht eingeführten, aber im Ergebnis von der h. M. vorausgesetzten - § 336 S. 2 mitgedacht wird (Revisionsausschluß wegen der Möglichkeit sofortiger Beschwerde). Der moderne Gesetzgeber hat von der Revisionseinschränkung durch die Unterwerfung bestimmter Entscheidungen unter die sofortige Beschwerde in der Tat Gebrauch gemacht. 148 Ebenso RG Rspr. 4, 854; RG 13, 302 (303); Rspr. 8, 89; RG 22, 135 (136); dazu Schuler; S. 62, der § 28 11 als "Sonderfall des § 305 S. I" betrachtet.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
nicht die Auswahl des Rechtsmittels (alternativ: Beschwerde oder Revision) sondern die Leistungsfähigkeit der Revision. 149 Bei Prüfung der Ablehnungsgründe darf sich das Revisionsgericht nicht auf deren rechtliche Würdigung beschränken, sondern muß seine Ermittlungen auf das "tatsächliche Gebiet" ausdehnen. Untersucht wurde also nicht eigentlich eine Revisionsbegrenzung, sondern die Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten. 150 RG 30, 273 (277) faßt die Grundsätze zusammen: Das Beschwerderecht soll durch die Anfechtung zusammen mit dem Urteil nicht "qualitativ beschränkt" werden, vielmehr soll das Revisionsgericht die Ablehnungsgründe im gleichen Umfang nachprüfen können, wie dies im Fall des § 28 I dem Beschwerdegericht obliegt. Diese Rechtsprechung wird durch das RG und den BGH fortgesetzt. 151 , 152 Sie ist in sich schlüssig, weil sie die Leistungsfähigkeit der Revision letztlich an der Art der Rüge orientiert. Geht es, wie im Fall der Ablehnung, um tatsächliche Zusammenhänge, müssen diese Tatsachen im Wege des Freibeweises nach den Grundsätzen des Beschwerderechts ermittelt und verwertet werden - eine auf das Rechtliche beschränkte Revisionsprüfung liefe praktisch leer. Die Revision ist also hiernach mit den besonderen Beweismöglichkeiten des Beschwerderechts ausgestattet. Nach heutigem Verständnis ist es indessen nicht erforderlich, der Revision Beschwerdecharakter zuzusprechen, um dem Revisionsgericht die Möglichkeit zu eröffnen, das zur Begründung der Ablehnung angeführte "tatsächliche Material,,153. 154 zu überprüfen. Verfahrensfehler werden schlechthin nach den Regeln des Freibeweises ermittelt,155 so daß die reichsgerichtliche Rechtsprechung heute nicht mehr herangezogen zu werden braucht, um das Prüfungsrecht des Revisionsgerichts in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen. 156
149 Zur eigenen Ermittlung seitens des Revisionsgerichts vgl. Peters. S. 658: Nicht auf die Art der Rüge. sondern auf die Klärungsmöglichkeit ohne Hauptverhandlung kommt es an. 150 Zur Frage des Beweises von Verfahrensmängeln am Beispiel der Abwesenheitsverhandlung wegen Beurlaubung vgl. Schlothauer; Koch-Festgabe, S. 254ff.; Peters, S. 658 (Beweisaufnahme selbst bei Sachrüge, sofern die Tatsachen ohne Hauptverhandlung feststellbar sind). 151 BGH 21,334 (340); 23, 265; 25, 122 (126); NStE Nr. 5 zu § 24 StPO. 152 Zur ,,Leistungsmethode" vgl. Fezer; Analyse S. 5 ff. (7). 153 RG 7, 34l. 154 Auch soweit es nicht um die Überprüfung von Verfahrensfehlern geht, sondern um die Rüge sachlichen Rechts, hat sich die Rechtsprechung der Revisionsgerichte gewandelt. Erinnert sei nur an die Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung (BGH NStZ 1990, 501); Peters. S. 642, bezeichnet es als verfehlten Ansatz, wenn die Überprüfung der Überzeugungsbildung durch das Revisionsgericht als Ausdehnung des Revisionsrechts in einen ihm nicht zukommenden Bereich angesehen wird. 155 BGH 16,164 (166); KK-Pikart § 344 Tz. 40; BGH 10, 304 (305); Roxin § 24 B 11; KK OWiG - SteindorJ § 79 Tz. 102, allgemein zur Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen durch das Revisionsgericht vgl. Maul, Pfeiffer-Fschr., S. 409 ff. 156 Gegen das ,,Dogma von der selbständigen Prüfung der prozeßrelevanten Tatsachen durch das Revisionsgericht" neuerdings mit beachtlichen Gründen Maatz DRiZ 1991, 200 (202ff.). Allerdings berücksichtigt Maatz nicht die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Sach- und Verfahrensrevision. Nach seiner These wäre die hier berichtete Rechtsprechung des BGH zur "Revisionsbeschwerde" nach wie vor aktuell, da, wenn die Revision nur de jure überprüft und im Verfahrensrecht nicht auch de facto, eine eigenständige Nachprüfung der
V. § 336 S. 2
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Der Entscheidung des BGH vom 5. 1. 1977 157 blieb es vorbehalten, diese - an sich überholte - Rechtsprechung des RG in ihr eigentliches Gegenteil zu verkehren. Aus der Übernahme des Beschwerdeverfahrensrechts für die Rüge nach § 28 11 leitet der BGH die Gleichstellung des Rechtsmittels mit der (sofortigen) Beschwerde her und folgert daraus, daß die Entscheidungen der OLGe nach § 28 11 grundsätzlich nicht, auch nicht mit der Revision, angegriffen werden können. Die Anfechtung eines Ablehnungsbeschlusses sei nämlich "generell nur mit der sofortigen Beschwerde möglich". Das Rechtsmittel bleibe seiner Natur nach Beschwerde, wenn es sich - weil die angefochtene Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft - gegen ein Urteil wendet. Die Verfahrensrüge sei nur ,,revisionsähnlich". ,,Es ändert sich insoweit aus Gründen der Zweckmäßigkeit nur der Instanzenzug. Die Sache selbst bleibt die gleiche ... Die Entscheidung des Revisionsgerichts folgt nicht den Regeln des Revisionsverfahrens; sie richtet sich vielmehr nach den für die Beschwerde geltenden Grundsätzen ... Als Folgerung ergibt sich daraus, daß die Frage der Zulässigkeit der Anfechtung in den Fällen des § 28 11 2 StPO nicht anders zu beantworten ist als in denjenigen nach § 28 11 I StPO. Voraussetzung ist in beiden Fällen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nach § 304 StPO. An dieser fehlt es, da hier ein Beschluß des im ersten Rechtszug zuständigen OLG Gegenstand der Rüge ist und § 304 IV StPO für die Fälle einer Anfechtung nach § 28 11 StPO keine Ausnahmeregelung enthält.,,158 Die gleichen Grundsätze, die ursprünglich den Bereich der Revision erweitern sollten, führen nun zur Verstümmelung dieses Rechtsmittels. Die mit dem Verfahrensrecht der Beschwerde ausgestattete Revision verkümmert zu einer "Revisionsbeschwerde", also zu einem Rechtsmittel, das insgesamt dem Verfahrensrecht der Beschwerde unterliegen soll. Ablehnungsgründe durch das Rechtsmittelgericht nur im Wege der Beschwerde, nicht aber durch Revision möglich wäre. Um die tatsächlichen Feststellungen zu überprüfen, bedarf es also nicht der Übertragung der Beschwerdegrundsätze auf die Revision. Die Ausführungen von Stenglein § 28 Nr. 3 b (Ist das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des verwerfenden Beschlusses gebunden?) sind heute überholt. Eine andere Frage ist es freilich, ob das Revisionsgericht "durchentscheiden", also die "in der Sache erforderliche Entscheidung" nach § 309 11 erlassen darf. Hiervon geht BGH 23, 265 aus, wonach ein vom Tatrichter als unzulässig verworfenes Ablehnungsgesuch durch das Revisionsgericht sachlich beschieden, also auch als unbegründet zurückgewiesen werden kann. Eine Notwendigkeit, den § 309 11 zu bemühen, bestand indessen nicht. Es hätte genügt, der Revision den Erfolg zu versagen. Bei der Nachprüfung von Entscheidungen, die die Öffentlichkeit ausschließen, soll das Revisionsgericht nur innerhalb der Grenzen seiner Prüfungskompetenz tätig werden dürfen, also nicht nach Beschwerdegrundsätzen, Gössel NStZ 1982, 142 unter Berufung auf BGH bei Holtz MDR 1979, 458, welche Entscheidung sich allerdings nur zu den Erfordernissen der ordnungsgemäßen Rüge äußert. 157 BGH NJW 1977, 1829 mit abI. Bespr. Schmidt-Leichner NJW 1977, 1804ff. und SarstedtlHamm Tz. 212 (S. 171). 158 Noch RG 33, 314 (315) spricht expressis verbis das Gegenteil aus. Der Anfechtung zusammen mit dem Urteil stehe nicht entgegen, daß der die Ablehnung versagende Beschluß von einem OLG erlassen worden war. Es handle sich nämlich nicht um eine Überprüfung durch Beschwerde, sondern durch Revision. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Wronker, S. 16f. Er sieht zwar § 2811 als einen Fall der Beschwerde an, hält aber gleichwohl (im Anschluß an RG 22, 135) den OLG-Beschluß, der die Ablehnung eines erkennenden Richters für unbegründet erklärt, für beschwerdefahig: ,,Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit oberlandesgerichtlicher Beschlüsse und Verfügungen besteht im Fall des § 28 Abs. 2 der StPO."
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Das ist logisch unhaltbar, weil die Revision nicht dadurch zur Beschwerde wird, daß ihr deren Verfahrensrecht erschlossen wird. Verkannt werden damit überdies die Strukturprinzipien des Strafprozesses, von denen die Motive der StPO ausgehen, wenn sie es für angemessen halten, "eine besondere Beschwerde gegen den Beschluß nicht zuzulassen, dem Beteiligten vielmehr nur zu gestatten, demnächst das in der Hauptsache ergehende Urteil auch wegen der Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs anzufechten" .159. 160 Die Beschwerde wurde demnach ausgeschlossen, weil nicht der Beschluß, sondern das Urteil der Anfechtung zugänglich sein sollte: 161 der klassische Fall der Revision. 162 Die Anfechtung zusammen mit dem Urteil als Beschwerde und nicht als Revision anzusehen, stellt die Rechtsmittelsystematik der StPO auf den Kopf. 163 159 Hahn IIIIl, S. 92, zu § 22 am Ende; vgl. Entwurf I S. 33, zu § 22 (wörtlich übereinstimmend). 160 Überhaupt ist die "Anfechtung mit dem Urteil", soweit sie sich auf die Berufung bezieht, wenig durchdacht. Der Entwurf I sah die Berufung nicht vor. Infolgedessen beziehen sich dessen Motive zwangsläufig nur auf die Anfechtung durch Revision, weshalb der Entwurf I in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Revisionsvorschriften (§ 338 Nr. 2 u. 3) verweist (Entwurf I, S. 33). Der Entwurf III übernimmt diese Begründung und den Text wörtlich, weist also ebenfalls nur auf die Revisionsbestimmungen hin (Hahn IIIIl, S. 91, 92), nicht aber auf die der inzwischen in den vorgeschlagenen Gesetzestext aufgenommenen Berufung (vgl. im übrigen die schon von RG 7, 340 (342) wiedergegebene Diskussion um den Antrag v. Schwarzes (Hahn III/1, S. 562), der sich ebenfalls nur auf die Revision bezieht). Von hier aus liegt die Vermutung nahe, daß die Anfechtung durch Berufung nicht bedacht worden ist, obwohl sie jetzt in allen Kommentaren aufzutauchen pflegt unter Heranziehung der in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung BayObLG 1956, 248. Nach Aufhebung des § 328 II a.F. hat die Anfechtung durch Berufung allerdings keinen Sinn mehr. 161 Die Bemerkung von Bohnert, S. 75, § 28 II 2 sei angesichts § 338 Nr. 3 überflüssig - bzw. mit dieser Bestimmung sogar unverträglich -, weil dann § 338 Nr. 3 einen Revisionsgrund statuiere, den es nicht geben könnte, bedarf der KlarsteIlung. Das Gesetz enthält keinen "Zwiespalt im Konstruktiven", wie Bohnert ausführt. Vielmehr erfüllt § 28 II die gleiche Funktion wie § 305 (LR-Wendisch § 28 Tz. 18 und § 33 aTz. 10): Er weist Entscheidungen über die Ablehnung eines erkennenden Richters der Revision zu und entzieht sie der Beschwerde. § 28 II ist notwendig, weil das erkennende Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters, und damit in anderer Besetzung, entscheidet, so daß § 305 S. 1 unmittelbar nicht angewendet werden kann, § 28 II insoweit zumindest der KlarsteIlung dient. 162 LR-Wendisch, § 33 aTz. 10, weist darauf hin, daß der Grund für den Beschwerdeausschluß nach § 28 II und § 305 S. 1 derselbe ist, nämlich die Verweisung auf die Anfechtung zusammen mit dem Urteil. Das ist gewiß richtig, und doch ist noch niemand auf den Gedanken verfallen, die Revision, wenn es sich um die Anfechtung einer Vorentscheidung nach §§ 305 S. 1, 336 S. 1 handelt, als Beschwerde zu betrachten und dieses Rechtsmittel etwa deshalb auszuschließen, weil eine OLG-Entscheidung angefochten wird (§ 304 IV). 163 So zu Recht SarstedtlHamm Tz. 212 (a. E.) und Hamm Tz. 360. Keinem der Entwürfe hat als Rechtsmittel gegen die verwerfende Ablehnung eines erkennenden Richters die Beschwerde vorgeschwebt. Sehr klar bringt bereits der Entwurf I die Systematik zum Ausdruck (einerseits S. 33 zu § 22, andererseits S. 220 zu §§ 249 - 251): "Da der Entwurf gegen einen das Ablehnungsgesuch verwerfenden Beschluß des erkennenden Gerichts die Beschwerde nicht zuläßt, so muß dem Revisionsrichter eine neue Prüfung des Ablehnungsgesuchs vor-
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Die Bedeutung des § 28 n liegt mithin nicht darin, daß die Bestimmung die Anfechtung der Entscheidung über die Richterablehnung mit besonderen Möglichkeiten ausstattet, derer die Revision andernfalls entbehrte, sondern darin, daß eine Entscheidung, die nicht durch das erkennende Gericht erlassen wurde, sondern dieses lediglich betrifft, zum Grund der Revisionsrüge gemacht wird. Ohne § 28 n 2 wäre es nicht zwingend, daß die fehlerhafte Ablehnungsentscheidung überhaupt einen Mangel des zum Urteil führenden Verfahrens darstellt: Denn schließlich entscheidet das erkennende Gericht nicht selbst über seine Ablehnung, sondern jeweils das Gericht, das durch § 27 bestimmt wird. § 28 11 liefert darüber hinaus ein Beispiel dafür, daß das erkennende Gericht die nicht von ihm erlassenen Entscheidungen mit zu vertreten hat. Der gleiche Grundsatz gilt im Revisionsverfahren für die Entscheidungen des Beschwerdegerichts. 164
Zusammenfassend: Bei der Erörterung des § 304 IV sind 3 Problemkreise zu unterscheiden: - Der erste liegt im methodischen Ansatz: Die Beschwerdesperre sagt für sich genommen nichts über den Revisionsausschluß aus; - der zweite betrifft die Auslegungsfrage, ob § 304 IV neben der Beschwerde auch die Revision versagt. Gelangt die Auslegung zur Sperrung des Revisionsweges, so ist dies zwar im Ergebnis nach der hier vertretenen Auffassung unrichtig, aber wenigstens methodisch nicht zu beanstanden; - schließlich stellt sich ein Sonderproblem im Rahmen der Richterablehnung (§§ 304 IV, 28 11): Wird in dem Rechtsmittel des § 28 11, auch wenn die versagende Ablehnung "zusammen mit dem Urteil" angefochten wird, eine Beschwerde (und nicht eine Revision) gesehen, führt dies zur Unanfechtbarkeit der versagenden Ablehnung, soweit das OLG entschieden hat. Dieses Ergebnis ist nach hier vertretener Auffassung falsch, weil der Ansatz unrichtig ist (die Anfechtung der versagenden Ablehnung, soweit sie einen erkennenden Richter betrifft, ist keine ,,Beschwerde", sondern bleibt Revision).
Sinn der vorangegangenen Erörterungen war es, den von der h.M. geknüpften Zusammenhang zwischen Revision und einfacher Beschwerde aufzulösen. Die positiv-rechtliche Regelung des § 336 S. 2 macht die Statthaftigkeit der Revision von der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde abhängig. Diese Verbindung ist unglücklich, weil sie im Rahmen der funktionalen Rechtsmittelabgrenzung der StPO einen Fremdkörper darstellt. Das Gesetz gibt jedoch darüber hinaus keinen Anlaß für die von der h.M. aufgestellte weitere These, die Statthaftigkeit der Revision in positiver oder negativer Hinsicht sei an die Beschwerdemöglichkeit gebunden. behalten bleiben." Vgl. Gössel NStZ 1982, 142 (zum Umfang der Nachprüfung bei Ausschlußentscheidungen nach §§ 172, 173 GVG). 164 Diese werden, was für die einfache Beschwerde unstreitig ist, in der Revisionsinstanz als dem erkennenden Gericht zuzurechnende Entscheidungen mitüberprüft. Das ist zugleich ein Beleg dafür, daß mit der Unterwerfung einer Entscheidung unter die einfache Beschwerde letztlich nichts an Sicherheit für das künftige Verfahren gewonnen ist, abgesehen von der Einräumung einer zusätzlichen Instanz, die aber keinesfalls die Gewähr größerer Richtigkeit und damit Bestandskraft bietet.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Wird die Unrichtigkeit dieser Verknüpfung erkannt, so ist damit der erste Schritt auf dem Weg zu einer systemgerechten Abgrenzung der beiden Rechtsmittel Revision und Beschwerde getan. VI. Rechtskraftprobleme
Von den früheren Urteilen des RG wird der Ausschluß der Revision gegen die sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen der Sache nach mit deren Rechtskraft begründet. 165 Der BGH setzt diese Rechtsprechung fort. 166 Die Literatur übernimmt den Hinweis auf die Rechtskraft. 167 Rechtskrafterwägungen spielen in der Diskussion um das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision eine tragende Rolle. Diese im Zusammenhang zu behandeln, ist das Ziel des nachfolgenden Abschnitts. 1. Formelle Rechtskraft der sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen
Formelle Rechtskraft bedeutet Unanfechtbarkeit im Rahmen desselben Prozesses. 168 Soweit es um die Frage der Rechtskraft von Beschwerdeentscheidungen V&l o. II. 1. BGH 4, 208: Der Eröffnungsbeschluß ist wirksam, wenn das Ablehnungsgesuch nachträglich ,,rechtskräftig" zurückgewiesen wird. Ferner: Die Ablehnung des Antrags auf Voruntersuchung eröffnet nur die sofortige Beschwerde, nicht die Revision (unter Hinweis auf RG 44, 380 und 55, 225), wobei allerdings Alternativitätserwägungen im Vordergrund stehen. BGH NJW 1962,260 (261): Ablehnung eines Befangenheitsantrags vor Eröffnung: "Die Ablehnung und die Entscheidung darüber geschahen vor Eröffnung des Hauptverfahrens. Dieser Beschluß unterlag der sof. Beschw. Der Angeklagte hat ihn jedoch nicht angefochten. Er kann sich daher nicht mit der Rev. gegen jenen längst rechtskräftigen Ablehnungsbeschluß wenden". 167 Dünnebier, S. 672 f.; Nelles NStZ 1982, 98. 168 Roxin § 50 Tz. 1 u. § 50 A; Berz, S. 17; F. C. Schroeder Tz. 326; KK-Pfeiffer Einleitung Tz. 166; KK-Pikart § 349 Tz. 41; Schlüchter Tz. 596; Herzog, S. 79; LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 26; Peters, S. 496 f.; Kühne Tz. 348 ff.; Trepper, S. 7, 72; Kramer Tz. 314 a; Fezer 17 Tz. 74 (S. 239); Rüping Tz. 548; Grünwald, Beiheft ZStW 1974, 94ff. und Teilrechtskraft, S. 14 ff.: Die Endgültigkeit der Entscheidung innerhalb des Verfahrens bedeutet formelle Rechtskraft; die über das abgeschlossene Verfahren hinausreichenden Folgen werden als materielle Rechtskraft bezeichnet. Grünwald bezeichnet als Rechtskraftwirkung auch die Unabänderbarkeit der Entscheidung in demselben Verfahren (Teilrechtskraft, S. 15); demgegenüber trennt Iiedtke, S. 95, die Rechtskraftfrage von der Frage der innerprozessualen Bindung. Zu dieser Unterscheidung vgl. etwa RG 59, 241 (244): "Die bloße Unanfechtbarkeit der das Verfahren weiterleitenden Beschlüsse bedeutet ... nur, daß es den Beteiligten verwehrt ist, die darin enthaltenen Grundlagen für den Fortgang des Verfahrens durch Rechtsmitteleinlegung in Frage zu stellen. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, daß das Gericht selbst diese Beschlüsse als unabänderliche Vorentscheidung anzusehen habe; sie haben nicht die bindende Kraft von Zwischenurteilen i. S. der §§ 303, 318 ZPO ... "; vgl. auch Haat. S. 103 ff. Für den Zivilprozeß vgl. Zeiss Tz. 554. 165
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VI. Rechtskraftprobleme
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geht, tritt Unanfechtbarkeit nicht schon mit der Erschöpfung des Beschwerdeweges ein, sondern erst dann, wenn die Entscheidung mit keinem ordentlichen Rechtsmittel mehr angefochten werden kann. Die der Beschwerde unterliegende Entscheidung ist erst dann rechtskräftig, wenn sie sowohl gegenüber der Beschwerde als auch gegenüber jedem anderen ordentlichen Rechtsmittel, insbesondere dem der Revision, Bestand hat. 169 Nach h.M. sind der formellen Rechtskraft zwar nicht die mit einfacher Beschwerde angreifbaren,170 wohl aber die der sofortigen Beschwerde zugänglichen Entscheidungen fähig. 171 Als Argument für die Rechtskraftfähigkeit dieser Entscheidungen wird deren Nichtabänderbarkeit durch den judex a quo angeführt. l72 Richtig ist, daß dieser nicht abändern darf (§ 311 III 1). Die Nichtabänderbarkeit ist indessen nur eine Voraussetzung der formellen Rechtskraft, jedoch nicht die einzige. Aus dem Satz, rechtskraftfähige Entscheidungen können durch den judex a quo nicht abgeändert werden,
folgt nicht der Umkehrschluß, jede nicht durch den judex a quo unabänderliche Entscheidung ist der Rechtskraft fähig.
Die Erschöpfung des Beschwerdeweges schließt nicht aus, daß das Revisionsgericht kraft § 336 S. 1 darf, was den Vorinstanzen verwehrt ist. Nicht aus dem Abänderungsverbot des judex a quo folgt die Bestandskraft gegenüber der Revision, sondern ausschließlich aus § 336 S. 2. Dabei ist eine Differenzierung zwischen Entscheidungen des erkennenden Gerichts und anderen überflüssig geworden. Vor Einführung des § 336 S. 2 waren zwar die Entscheidungen des nichterkennenden Gerichts bei richtiger Auslegung des § 336 S. 1 auch nicht revisibel, weil Vorentscheidungen nur die ab Eröffnung des Hauptverfahrens waren und sind, jedoch enthielt zumindest der Wortlaut dieser Vorschrift die Beschränkung auf Entscheidungen nach Eröffnung (also des erkennenden Gerichts) nicht, so daß immerhin die theoretische Möglichkeit der Revisibilität bestand. 173 Indem nun § 336 S. 2 gegen alle der sofortigen 169 Terminologisch fehlerhaft ist es deshalb, wenn die amtl. Begründung zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 (BT-Drucks. 8/976, S. 47, li. Sp. 3. Abs.) die den Einwand nach § 222 b ablehnende Entscheidung wegen § 305 als "unanfechtbar" bezeichnet. Unanfechtbar ist die Entscheidung nicht, sondern nur der Beschwerde entzogen, weil sie nach § 336 S. 1 der Revisionsüberprüfung unterliegt. Derartige terminologische Fehlgriffe haben letztlich zur Entstehung des § 336 S. 2 geführt, weil schließlich der Begriff "mit der Beschwerde anfechtbar" zu "unanfechtbar" und damit ,,rechtskräftig" hochstilisiert wurde. 170 Trepper, S. 74. 171 Ellersiek, S. 74ff.; Gantzer, S. 80; Herzog, S. 102. 172 Schlüchter Tz. 602; Fezer 11/19 Tz. 188 leitet aus dem Fehlen der Abhilfebefugnis eine "beschränkte Rechtskraftwirkung" her; ähnlich Peters, S. 620. 173 Gantzer, S. 78 ff., spricht auch den der einfachen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen formelle Rechtskraftfähigkeit zu. Richtig ist der von ihm gegebene Hinweis, Abän-
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Beschwerde zugänglichen Entscheidungen die Revision ausschließt, sind diese, gleichgültig ob durch das erkennende oder das nichterkennende Gericht erlassen, nicht revisibel, weshalb Unanfechtbarkeit mit Erschöpfung des Beschwerderechtswegs eintritt. Hinsichtlich der Entscheidungen des erkennenden Gerichts liegt die Bedeutung des § 336 S. 2 darin, daß die Revision, soweit jene der sofortigen Beschwerde unterworfen sind, Terrain verloren und an die Beschwerde abgegeben hat. Damit ist auch gegen diese Entscheidungen lediglich die (sofortige) Beschwerde gegeben. Nach deren Verbrauch werden sie unanfechtbar. 174
§ 336 S. 2 schreibt nunmehr positiv-rechtlich fest, was die Motive seines Einführungsgesetzes bis dahin - logisch falsch - vergebens zu begründen suchten: die Unanfechtbarkeit der sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen durch Revision. Thre formale Rechtskraftfähigkeit ergibt sich jetzt aus § 336 S. 2, allerdings mit einer Einschränkung für die Verfahrensberufung alten Rechts (sofern auf diese der § 336 S. 2 entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht angewandt wurde), die aus § 335 I folgt. 175 Nach dieser Vorschrift kann ein Urteil, gegen das die Berufung zulässig ist, stattdessen mit der Revision angefochten werden. Übt der Angeklagte dieses Wahlrecht aus, so ist jede dem Urteil vorausgegangene mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidung damit fonnell rechtskräftig, denn mit der Revision kann sie wegen § 336 S. 2 nicht angefochten werden. Die fonnelle Rechtskraft tritt mit der Einlegung der Revision bzw. mit dem zulässigen Übergang 176 von Berufung zu Revision ein. Wurde das Wahlrecht des § 335 I nicht ausgeübt, fiel die Vorentscheidung nicht dem Berufungsausschluß zum Opfer, wenn § 336 S. 2 im Berufungsverfahren alten Rechts nicht angewandt wurde. Die vorausgegangene Entscheidung war also der Überprüfung des Berufungsgerichts nicht entzogen. Hier ergab sich daher die eigenartige Konstellation, daß der Rechtsmittelführer mit der Ausübung seines Wahlrechts zugunderbarkeit sei kein Kriterium für Rechtskraftfahigkeit, sondern nur für die Bindungswirkung, diese aber kein Kriterium der fonnellen Rechtskraft. Gantzer stellt zu Recht auf die Unanfechtbarkeit ab (S. 79), die auch durch prozessuale Überholung eintritt, übersieht aber § 336 S. 1, wonach eben diese Beschlüsse doch mit der Revision, einem ordentlichen Rechtsmittel, angefochten werden können. 174 Bohnert. S. 143. 175 Die folgenden Ausführungen stehen allerdings unter der Prämisse, daß § 336 S. 2 eine Einschränkung der Berufungsanfechtung enthält, die bei den Berufungsvorschriften fehlt. Nach Abschaffung der Verfahrensberufung alten Rechts durch Aufhebung der Zuriickverweisungsmöglichkeit des § 328 II a.F. ist jedenfalls heute die Korrektur von Vorentscheidungen durch die Berufung nicht mehr möglich. Das gilt für alle Vorentscheidungen, nicht nur für solche, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind. Gegenüber der Berufung neuen Rechts beinhaltet also § 336 S. 2 keine Einschränkung (mehr). 176 Der Zeitpunkt der Rechtskraft hängt davon ab, inwieweit der Übergang vom einen Rechtsmittel zum anderen für zulässig gehalten wird. Hierzu näher LR-Hanack § 335 Tz. 15 ff.; KK-Pikart § 335 Tz. 4 ff. Wird der Übergang von der Revision zur Berufung allgemein zugelassen (BGH 17,44; 25, 324), wird die der sofortigen Beschwerde unterliegende Entscheidung mit Ablauf der Berufungsbegriindungsfrist fonnell rechtskräftig. Anders, wenn der Angeklagte an die Rechtsmittelwahl der Revision gebunden ist, wovon ältere Entscheidungen ausgehen (Nachweise bei LR-Hanack § 335 Tz. 15). In diesem Fall steht die Unanfechtbarkeit der sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen schon mit der Wahl des Rechtsmittels Revision fest.
VI. Rechtskraftprobleme
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sten der Revision die Rechtskraft der Vorentscheidung herbeiführte. Sie trat also nicht mit der Erschöpfung des Beschwerdeweges ein, sondern erst nach Abschluß der Instanz, spätestens, wenn die Frist zur Ausübung des Wahlrechts verstrichen war. Seit der Abschaffung der Zurückverweisungsmöglichkeit durch das Berufungsgericht sind Verfahrensfehler der ersten Instanz mit der Berufung nicht mehr zu ahnden. Dem Berufungsgericht fehlt die Reaktionsmöglichkeit auf fehlerhafte Vorentscheidungen, womit die Verfahrensberufung praktisch entfällt, denn das Berufungsgericht muß ,,in der Sache selbst" erkennen (§ 328 I). Im Ergebnis führt dies dazu, daß nun die sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen mit der Erschöpfung des Beschwerdeweges formell rechtskräftig werden und nicht erst mit der Option nach § 335 I zugunsten der Revision.
2. FonneUe Rechtskraft der Entscheidungen des Beschwerdegerichts
Nach § 336 S. 2 sind unanfechtbare und mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidungen nicht revisibel. Hieraus wird von manchen die ,,Rechtskraft der Zwischenentscheidungen" abgeleitet. 177 Ob das in dieser allgemeinen Form richtig ist, erscheint fraglich.
a) Rechtskraft aufgrund § 336 S. 2, 2. Alt. ("mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar") Der Revisionsausschluß dieser Bestimmung ("mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar") bezieht sich seinem Wortlaut nach auf die der Beschwerde unterliegende, also die erstinstanzliche Entscheidung, nicht hingegen auf die Beschwerdeentscheidung. Nur dann, wenn letztere infolge von § 336 S. 2, 2. Alt. als unanfechtbare der Revision nicht zugänglich ist,178 gibt es auch gegen das bestätigende Beschwerdeerkenntnis kein weiteres ordentliches Rechtsmittel (soweit die weitere Beschwerde nicht zulässig ist). Im Gegensatz zur bestätigenden [,mt die abändernde Beschwerdeentscheidung nicht unter den Revisionsausschluß des § 336 S. 2, 2. Alt., denn sie stellt selbst die Beschwerdeentscheidung dar, ist also begrifflich nicht ,,mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar."
b) Rechtskraft infolge § 336 S. 2, 1. Alt. ("unanfechtbar") Gegen die Beschwerdeentscheidung gibt es - von § 310 I abgesehen - ein weiteres ordentliches Rechtsmittel im Beschwerderechtszug nicht. Demzufolge ist dieser erschöpft, sofern weitere Beschwerde ausgeschlossen ist. Dies bedeutet aber 177 Bohnert, S. 143; ähnlich Schlüchter Tz. 602: ,,Beschlüsse können nur insoweit materiell rechtskräftig werden, als sie entweder mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sind oder prozeßabschließend wirken." Zur Frage der Rechtskraft von Beschlüssen im Hinblick auf die Wiederaufnahme instruktiv Wasserbu'8, S. 226 ff. 178 Dazu unten unter b).
6 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
nicht zwingend "Unanfechtbarkeit" i.S. von § 336 S. 2, 1. Alt.; insbesondere folgt dies nicht aus § 310 11, wonach "im übrigen" eine Anfechtung nicht stattfindet, denn letztere Bestimmung regelt unstreitig nur den Beschwerderechtsweg, betrifft nicht die Rechtskraft: § 310 11 gilt auch für die der einfachen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen,179 von denen die h.M. annimmt, daß sie - im Unterschied zu denen im Verfahren der sofortigen Beschwerde - nicht in Rechtskraft erwachsen können. Rechtskräftig werden die Entscheidungen des Beschwerdegerichts - auch die abändernden - nur bei einer ganz bestimmten Verfahrenskonstellation, nämlich dann, wenn sie das Verfahren beenden,180 so z. B. bei der die Versagung der Wiedereinsetzung bestätigenden Entscheidung. Hier ist das Verfahren beendet, weil mit letztinstanzlicher Versagung der Wiedereinsetzung ein weiteres Verfahren nicht stattfindet. Anders verhält es sich, wenn Wiedereinsetzung gewährt oder wenn etwa die Berufungsverwerfung durch das Beschwerdegericht korrigiert wird. Dann ist der Beschwerderechtszug zwar erschöpft, indessen nimmt das Verfahren seinen Fortgang. Sofern im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung die These der h.M. zum durch § 304 IV 2 begründeten Revisionsausschluß akzeptiert wird, stellt sich die Frage, ob die durch das OLG erlassenen Entscheidungen über die unbefristete Beschwerde formell rechtskräftig werden. Das ist der Fall, wenn sie als Beschlüsse i.S. von § 304 IV 2 angesehen werden. Wird diese Vorschrift indessen als Ausnahmeregelung zu § 304 I betrachtet, so sind nur erstinstanzliche Entscheidungen hierunter zu zählen. 181 • 182 Aber auch eine andere Auslegung ist möglich, was dann freilich dazu führen würde, daß auch die Entscheidung des OLG über einfache Beschwerde der Revision entzogen wäre.
c) Die Gleichstellungsproblematik
Für die Gleichstellung der auf sofortige Beschwerde hin ergangenen mit den durch sofortige Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen spricht, daß das Beschwerdegericht "die in der Sache erforderliche Entscheidung" (§ 309 11) trifft und 179 Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, denn § 310 11 gilt für jede Entscheidung, gegen die Beschwerde gegeben ist (KK-Engelhardt § 310 Tz. 1). 180 Vgl. Schlüchter Tz. 602; Geppert GA 1972, 165 ff., insbesondere zur Rechtskraft des Beschlusses nach § 349 11. 181 Dann sind die im Beschwerderechtszug ergehenden Entscheidungen nicht unter § 304 IV 2 einzuordnen. 182 Vgl. LR-Gollwitzer § 304 Tz. 67, wonach die Beschwerde "auch ausgeschlossen" ist bei erstinstanzlichen OLG-Entscheidungen, woraus zu schließen wäre, daß zweitinstanzliehe ebenfalls hierunter zu zählen sind, womit auch die Beschwerdeentscheidung von § 304 IV 2 betroffen und damit "unanfechtbar" i. S. von § 336 S. 2 sein könnte. Richtig dürfte indessen sein, die ganze Regelung des § 304 IV nur auf Entscheidungen i. S. von § 304 I zu erstrecken, also solche, die "im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren" erlassen sind. Damit gehören Beschwerdeentscheidungen nicht unter diese Bestimmung.
VI. Rechtskraftprobleme
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demzufolge die Beschwerdeentscheidung wesensmäßig nichts anderes ist als die des erkennenden Gerichts. Die verschiedenartige Behandlung im Blick auf den Revisionsausschluß (Unanfechtbarkeit der erstinstanzlichen, jedoch Revisibilität der - abweichenden - Beschwerdeentscheidung, sofern diese nicht das Verfahren beendet) könnte deshalb als system widrig empfunden werden. Gleichstellung empfiehlt sich dennoch nicht. Im Fall der abändernden Beschwerdeentscheidung ist nämlich erstmals der andere Prozeßbeteiligte beschwert, d. h. der durch die Erstentscheidung Begünstigte. Hierzu das Beispiel RG 59, 241: Das LG hatte die Berufung durch Beschluß als unzulässig verworfen. Auf sofortige Beschwerde hob das OLG die Entscheidung auf und wies das LG an, der Berufung Fortgang zu geben. Darauf setzte das LG die Berufungsverhandlung an und verwarf die Berufung durch Urteil als unzulässig. Die Revision wandte ein, das LG habe nicht verwerfen dürfen, sondern infolge der Bindung der Beschwerdeentscheidung in der Sache selbst entscheiden müssen. 183 Das RG prüft die Frage, ob das erkennende Gericht an die Beschwerdeentscheidung gebunden ist, unter zwei Aspekten: dem des § 358 I und dem der Rechtskraft. Innerprozessuale Bindungswirkung wird verneint (den Begriff selbst verwendet das RG nicht), weil eine dem § 358 I entsprechende Vorschrift, die nur für Urteile im Revisionsverfahren gilt, hinsichtlich der Beschlüsse fehle. Rechtskraftbindung wird abgelehnt, die bloße Unanfechtbarkeit der Beschlüsse besage nicht, daß sie als "unabänderliche Vorentscheidung" anzusehen seien. Die Beschlüsse hätten nicht die bindende Kraft von Zwischenurteilen im Sinne der ZPO.184
Das RG bezeichnet die Beschwerdeentscheidung zwar als unanfechtbar, aber nur "während der Dauer des Berufungsverfahrens", unterwirft sie im übrigen der Überprüfung des Revisionsgerichts nach Maßgabe der §§ 336, 337. Dem ist zuzustimmen. In dem genannten Fall wird der Rechtsmittelgegner durch die Entscheidung des OLG erstmals beschwert. Er hätte hiergegen, würde die Be183 Zum Instanzenzug: Heute liegt die Zuständigkeit für Beschwerde und Revision gegen Entscheidungen der LGe in Berufungssachen in einer Hand, nämlich beim OLG (§ 121 I Nr. 1 b GVG (Revision) und § 121 I Nr. 2 GVG (Beschwerde)). Seinerzeit war für die Revision gegen Urteile der großen Strafkammer (auch in Berufungssachen) das RG zuständig, § 135 GVG a.F., während für die Beschwerde die Zuständigkeit des OLG gegeben war. Auf diese Weise konnte es zu unterschiedlicher Beurteilung der Berufungszulässigkeit kommen. Die im konkreten Fall entstandene Divergenz ist deshalb besonders augenfällig, weil zwei verschiedene Gerichte (OLG und RG) entschieden haben. Indessen ist solche Abweichung auch nach heutiger Zuständigkeitsregelung nicht ausgeschlossen, denn für die Beschwerde braucht beim OLG nicht derselbe Senat wie für die Revision zuständig zu sein, und selbst wenn der Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit demselben Senat zuschreibt, stellt sich doch bei der Revisionsentscheidung die Bindungsfrage nach der vorangegangenen Beschwerdeentscheidung von neuem, wenngleich eine unterschiedliche Beurteilung - infolge der wohl regelmäßig kaum abweichenden personellen Besetzung - nicht vorkommen wird. Die Divergenz ist daher unter der früheren Konstellation (Revisionsgericht = RG, Beschwerdegericht = OLG) offensichtlich. Vgl. den ähnlichen Fall OLG Harnm NJW 1964, 265: Die Zulassung der Nebenklage bindet ein später mit der Sache befaßtes Gericht nicht; allerdings mit sehr einschränkender Auslegung des § 46 11. 184 RG 59, 241 (243 f.) 6*
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
schwerdeentscheidung der Revision entzogen, kein Rechtsmittel. Angesichts der Systemwidrigkeit des § 336 S. 2 besteht kein Anlaß, diese Vorschrift erweiternd auszulegen und neben der Erstentscheidung auch noch das Beschwerdeerkenntnis der Revision vorzuenthalten. Die Richtigkeit dieser Ansicht wird durch den von den Befürwortern der Einführung des § 336 S. 2 gern empfohlenen Seitenblick auf die ZPO bestätigt. Die strafprozessuale Revision übernimmt damit eine Aufgabe, die im Zivilprozeß der weiteren Beschwerde übertragen ist, die Überprüfung der im Beschwerdeerkenntnis enthaltenen Erstbeschwer. Auch im Zivilprozeß ist letztere einer weiteren Kontrolle zugänglich. 185
Nach alledem umfaßt der durch § 336 S. 2 angeordnete Revisionsausschluß lediglich die der (sofortigen) Beschwerde unterliegende Erstentscheidung, nicht aber das Erkenntnis des Beschwerdegerichts. Dessen Entscheidung fällt unter keine der Alternativen des § 336 S. 2, weil sie weder unanfechtbar noch mit der (sofortigen) Beschwerde anfechtbar noch der beschwerdefähigen erstinstanzlichen Entscheidung gleichzustellen ist. Die einzige Situation, bei der die Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtskräftig wird, ist der Verfahrensabschluß. Indem es nicht zu einem revisiblen Urteil kommt, kann die das Verfahren beendende Entscheidung auch nicht mehr der Revision unterliegen. Rechtskraft entsteht in diesen Fällen, da das statthafte Rechtsmittel erschöpft wurde und weitere Rechtsmittel apriori nicht möglich sind. Im übrigen wird die Beschwerdeentscheidung, soweit sie abändert, nicht formell rechtskräftig. 186 Bestätigt sie, wird nicht die Beschwerdeentscheidung, sondern die bestätigte erstinstanzliche rechtskräftig, weil nur diese mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar war. Eine besondere Fallkonstellation betrifft die Entscheidung OLG Hamm NJW 1964, 265: Der Nebenkläger legt gegen das freisprechende Urteil nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Berufung ein. Das LG läßt ihn als Nebenkläger zu und bewilligt, obwohl nicht beantragt, gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung. In der Hauptverhandlung wird die Berufung verworfen. Das OLG verwirft die Revision des Nebenklägers gemäß § 349 I als unzulässig und stützt dies auf das Fehlen der Anschlußberechtigung. Das LG habe Wiedereinsetzung nicht gewähren dürfen. Richtig ist, daß das OLG die Anschlußberechtigung selbständig (ohne Bindung an die Entscheidung des LG) zu prüfen hat. Da der Nebenkläger am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, ist das OLG zuständig für die Entscheidung über den Anschluß (zu Recht beruft sich das OLG daher auf Eb. Schmidt).187 Ob die Berufung des Nebenklägers rechtzeitig ist, hängt davon ab, ob ihm § 46 11 zugutekommt. Das OLG Hamm verneint dies mit der Erwägung, daß gegen den (bisher am Verfahren nicht beteiligten) Nebenkläger eine eigene Rechtsmittelfrist, gegen deren Versäumung er Wiedereinsetzung
185 Vgl. die zivilprozessuale Regelung der weiteren Beschwerde: Sie ist nach § 568 11 2 ZPO nur zulässig, soweit in der Entscheidung (des Beschwerdegerichts) ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist. 186 Anders im Fall der §§ 28 I und 46 11. 187 Eh. Schmidt § 396 Tz. 22.
VI. Rechtskraftprobleme
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beantragen konnte, gar nicht lief. 188 Nur wenn er innerhalb der Frist des § 399 11 den Anschluß erklärt und dann Berufung verspätet eingelegt hätte, wäre Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist möglich gewesen. Richtig erkennt das OLG Harnrn (im Anschluß an RG 76, 180), daß es für die Entscheidung über die Berechtigung des Anschlusses (§ 396 11) keine dem § 46 11 entsprechende gesetzliche Bestimmung gibt, die ausdrücklich Bindungswirkung der positiven Entscheidung über den Anschluß anordnet. So betrachtet, läuft die von der Vorinstanz gewährte Wiedereinsetzung leer, denn logisch vorrangig ist die Frage, ob der Nebenkläger aktiv legitimiert ist, Rechtsmittel einzulegen. Das hängt von der Anschlußberechtigung ab. Diese könnte fehlen, weil das Urteil rechtskräftig ist. Ware die Anschlußerklärung vor Rechtskraft abgegeben worden, wäre das Strafverfahren noch anhängig, die Anschlußerklärung also rechtzeitig abgegeben worden. Dieser Gedanke kann dazu führen, beim Nebenkläger letztlich doch ein Fristversäumnis zu sehen. So hat jedenfalls RG 76, 178 (179f.) in einern entsprechenden Fall entschieden: "Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt die Versäumung einer Frist voraus. Sie liegt hier vor. Nach dem § 395 Abs. I StPO kann sich der Verletzte in jeder Lage des Verfahrens der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen, also auch noch nach Verkündung des Urteils erster Instanz. Nur steht dem Nebenkläger das Recht der Anfechtung nicht mehr zu, wenn für die StA die Frist abgelaufen ist. Der Nebenkläger konnte sein Rechtsmittel noch bis zum ... einlegen. Hätte er diese Frist eingehalten, so hätte der Umstand, daß die StA ihre Revision am ... zurückgenommen hat, die Revision des Nebenklägers nicht mehr berührt. Es lief also auch für ihn eine Frist zur Rechtsmitteleinlegung ... " Demgegenüber sagt der BGH und mit ihm die heute h.M., auch die zitierte Entscheidung des OLG Hamm (die sich hierfür zu Unrecht aufRG 76,178 (179) beruft), eine Frist sei gegen den Nebenkläger nicht in Lauf gesetzt worden. Diese Ansicht kann RG 71, 173 und BayObLG 1955, 19 für sich in Anspruch nehmen. Letztlich geht es um zwei Fragen: 1. Kann dem Nebenkläger nach Abschluß des Verfahrens Wiedereinsetzung für die Anschlußerklärung gewährt werden? 2. Wenn schon Wiedereinsetzung gewährt wurde, ist sie dann bindend für die höhere Instanz? So bestechend die Argumentation von RG 76, 178 auf den ersten Blick aussehen mag, wird Frage 1 doch mit dem BGH verneint werden müssen. Eine Frist ist ein Zeitraum, innerhalb dessen eine Prozeßhandlung vorgenommen werden kann oder (bei Meidung des Rechtsverlustes) vorgenommen werden muß. 189 Nun wird man sicherlich nicht darauf abstellen können, daß vor Abgabe der Anschlußerklärung der Nebenkläger noch kein Prozeßbeteiligter ist, dies vielmehr erst mit der wirksamen Anschlußerklärung zu werden beabsichtigt. Indessen impliziert der Begriff der Frist einen ,,Normadressaten", es ist also erforderlich, daß sie dem Beteiligten (oder demjenigen, der es werden will) gesetzt wird. Das trifft auf die Terminsbestimmung Im die Anschlußerklärung nicht zu. Vielmehr beruht diese lediglich auf der ,,Macht des Faktischen", dem Umstand, daß nach Ablauf der Rechtsmittelfrist das Verfahren beendet ist. Damit beantwortet sich ebenfalls Frage 2: Wenn eine Frist nicht läuft, kann Wie188 H. M., vgl. KleinknechtlMeyer-Goßner § 399 Tz. 3; LR-Wendisch § 399 Tz. 4; KKPelchen § 399 Tz. 4; KMR-Fezer § 399 Tz. 6; AK-Rössner § 399 Tz. 6; BGH bei Miebach NStZ 1988,214 (Nr. 28) gegen RG 76,178. 189 Vgl. ZöllerlStöber vor § 214 Tz. 2.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
dereinsetzung auch nicht gewährt werden und kommt die Wirkung des § 46 II nicht zum Zuge. Dem OLG Hamm ist zuzustimmen.
3. Materielle Rechtskraft
Die materielle Rechtskraft betrifft die inhaltlichen Wirkungen der Entscheidung. Sie ist Folge - aber keine zwingende - der formellen Rechtskraft. Der Begriff der materiellen Rechtskraft umschreibt die Maßgeblichkeit der Entscheidung über den Prozeß hinaus. 190 Für den Strafprozeß bedeutet sie den Verbrauch der Strafklage. 191 Der Umfang der Rechtskraft orientiert sich am Begriff der "Tat", die den "Gegenstand der Urteilsfindung" (§ 264 I) bildet. Die durch die materielle Rechtskraft ausgelöste Sperrwirkung verbietet anderweitige Rechtshängigkeit wegen derselben "Tat" gegenüber demselben Täter. 192 Die genannte Sperrwirkung 193 wird nicht nur durch eine Entscheidung über die Sache, über die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende Tat, bewirkt, sondern auch durch solche Entscheidungen, die über die Zulässigkeit des Verfahrens erkannt haben. Die Sperrwirkung verhindert nicht nur eine erneute Entscheidung in der Sache, sie verbietet bereits ein erneutes Verfahren, Rechtshängigkeit und Anhängigkeit. Materielle Rechtskraft unterbindet nicht nur erneute Entscheidung in der Sache, sondern bereits ein anderweitiges Verfahren über die Sache. 194 Wenn Prozeßentscheidungen materielle Rechtskraft entfalten können, so kann diese Eigenschaft auch Beschlüssen anhaften; es kommt nicht darauf an, in welcher Form die Entscheidung ergeht, sondern nur darauf, ob sie die aus der materiellen Rechtskraft resultierende Sperrwirkung zeitigt. 195 190 Beting, S. 265, 267; ähnlich Schwab NJW 1960, 2170 und Zeiss Tz. 557 für den ZivilprozeB; ferner Dippel, S. 31; Kühne Tz. 342ff.; Rüping Tz. 556ff.; Fezer 17 Tz. 74ff. (S.239f.). 191 Schlüchter Tz. 600; LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 29; Roxin § 50 B (die abgeurteilte Sache kann nicht noch einmal Gegenstand eines anderen Verfahrens sein); KK-Pfeiffer Einleitung Tz. 167: Sie betrifft die gegenwärtige und zukünftige Zulässigkeit von Sanktionen gegen denselben Täter. 192 Dementsprechend ist der prozessuale Tatbegriff des § 264 mit dem in den §§ 154 ff. vorausgesetzten identisch (KK-Hürxthal § 264 Tz. 2; KK-Schoreit § 155 Tz. 3). Die Begriffe "Anhängigkeit", "Rechtshängigkeit" umgrenzen den von ihnen erfaBten verfahrensrechtlichen Tatbegriff in derselben Weise. 193 Zur Sperrwirkung insbesondere Achenbach ZStW 87 (1975), 74 ff. und Neuhaus, S. 12 ff. 194 Schlüchter Tz. 601: Rechtskraft tritt insoweit ein, wie das Gericht endgültig streiterledigend entschieden hat. Auch ProzeBurteile können Sperrwirkung gegenüber einer neuen Sachentscheidung entfalten, ebenso Herzog, S. 112. 195 Trepper, S. 33 ff. mit krit. Bespr. Radtke GA 1997, 146, insbes. zu der von Trepper, S. 61, vorgenommenen Klassifizierung der materiellen Rechtskraft in normale, beschränkte und totale.
VI. Rechtskraftprobleme
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Verschiedentlich wird den sofortiger Beschwerde unterliegenden Beschlüssen generell materielle Rechtskraft beigelegt. 196 Der Schluß von der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auf die materielle Rechtskraft der Entscheidung beruht auf einer Verwechslung notwendiger mit hinreichender Bedingung. Der Eintritt der materiellen Rechtskraft erfordert es, daß die Entscheidung der fristgebundenen Beschwerde zugänglich ist. Nur deshalb (infolge § 336 S. 2) tritt formelle Rechtskraft ein, und diese ist wiederum Voraussetzung für materielle Rechtskraft. Für letztere müssen weitere Voraussetzungen kumulativ hinzutreten, die sich nicht aus der Art der Entscheidung (Beschluß oder Urteil), sondern aus deren inhaltlichen WIrkungen ergeben. 197 Diese wiederum hängen nicht davon ab, mit welchem Rechtsmittel die Entscheidung anfechtbar ist. Maßgeblich ist die durch die jeweilige Entscheidung ausgelöste Sperrwirkung. Die der einfachen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen können freilich apriori materielle Rechtskraft nicht entfalten, da ihnen die hierfür notwendige Vorbedingung in Gestalt der formellen Rechtskraft fehlt. 198 Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde läßt deshalb keinen sicheren Schluß auf die materielle Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung ZU. 199 Sperrwirkung ziehen die Beschlüsse nach sich, die bei formeller Rechtskraft einem erneuten Verfahren gegen denselben Täter wegen derselben Tat entgegen196 Schlüchter Tz. 602; Roxin § 50 III; Rüping, Tz. 567 grenzt negativ ab: weder materiell noch formell rechtskräftig sind die Beschlüsse, sofern sie nur mit einfacher unbefristeter Beschwerde anfechtbar sind. Ellersiek. S. 74, differenziert: Voll rechtskraftfähig sind Beschlüsse, die "die in ihnen getroffenen Rechtsfolgen einer endgültigen Regelung auch für die Zukunft zuführen"; ferner gibt es Beschlüsse, die nur beschränkt rechtskräftig sind, und weiterhin solche, deren Wirkungen aufgrund nachträglicher Ereignisse entfallen können, sowie Formalentscheidungen, die nicht in Rechtskraft erwachsen können. Die der sofortigen Beschwerde unterliegenden Beschlüsse haben demnach einen "wenn auch graduell unterschiedlichen, urteilsähnlichen Charakter" (S. 77). Gerade anband der Differenzierung von Ellersiek wird deutlich, daß das Kriterium für die materielle Rechtskraft nicht die Anfechtbarkeit der Entscheidung mit sofortiger Beschwerde, sondern der Umfang der von ihr hervorgerufenen Sperrwirkung ist. Diesen wichtigen Gesichtspunkt hat insbesondere Herzog, S. 111, herausgearbeitet. 197 Im Fall RG 59, 241 (Aufhebung des Berufungsverwerfungsbeschlusses durch das Beschwerdegericht, Verwerfung der Berufung durch anschließendes Urteil des Berufungsgerichts) fehlte der Entscheidung des Beschwerdegerichts formelle Rechtskraft. Entscheidungen des Beschwerdegerichts, die die erste Instanz nicht bestätigen, werden nicht formell rechtskräftig (vgl. oben im Text). Im Fall bestätigender Entscheidung führt zur formellen Rechtskraft nicht etwa der Gesichtspunkt der Verfahrensbeendigung, sondern formelle Rechtskraft tritt deshalb ein, weil ein weiteres Rechtsmittel gegen die Beschwerdeentscheidung nicht gegeben ist (keine weitere Beschwerde und nach § 336 S. 2 keine Revision). Dies gilt indessen nur für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde, solche über einfache Beschwerde unterliegen nicht § 336 S. 2, sind also revisibel und demzufolge nicht rechtskräftig. Das ist zugleich der Grund, aus dem die Zulassung der Gegenvorstellung gegen einfache Beschwerdeentscheidungen - zumindest aus dem Gesichtspunkt der Rechtskraft - unproblematisch ist. 198 Trepper, S. 53. 199 Trepper, S. 56.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
stehen. Die Sperrwirkung kann unbeschränkt oder beschränkt sein?OO In voller materieller Rechtskraft erwachsen die Beschlüsse, "die die in ihnen getroffenen Rechtsfolgen einer endgültigen Regelung auch für die Zukunft zuführen. ,,201 Dazu gehören etwa Entscheidungen, die nicht mit der sofortigen Prozeßbeschwerde, sondern mit der (sofortigen) unechten Beschwerde angreifbar sind, wie beispielsweise Beschlüsse nach § 453 11 3, solche über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 460 202 und überhaupt alle Beschlüsse nach § 462 I , die über den Verfall einer Sicherheit nach § 124, kurzum alle Beschlüsse, die über materiell-rechtliche Fragen endgültig und in vollem Umfang entscheiden?03 Eine solche volle Sperrwirkung tritt bei den der (sofortigen) Prozeßbeschwerde unterliegenden Entscheidungen nicht ein. So ist etwa die Sperrwirkung des die Eröffnung ablehnenden Beschlusses nach § 210 11 nur beschränkt, denn aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel kann die Klage wieder aufgenommen werden (§ 211). Entsprechendes gilt für den Verwerfungsbeschluß im Klageerzwingungsverfahren (§ 174 11)204 und für weitere Erkenntnisse, die ebenfalls nur beschränkte Sperrwirkung entfalten. 205
4. Folgerungen für das Rechtskraftargument als Revisionsausschluß
In der heutigen Diskussion ist das Rechtskraftargument als Begründung für die Unzulässigkeit bestimmter Revisionsrügen nicht auszurotten. Statt, soweit z. B. Entscheidungen aus dem Vorverfahren angefochten sind, auf den fehlenden Beruhenszusammenhang abzustellen, wird die "Rechtskraft" der betreffenden Entscheidung bemüht. 206 Was im einzelnen damit gemeint wird - formelle oder materielle Rechtskraft -, ist unklar, aber auch unerheblich, weil weder die eine noch die andere geeignet ist, den Revisionsausschluß zu stützen. Der Hinweis auf formelle Rechtskraft vermag die Revision nicht auszuschließen, denn die formelle Rechtskraft ist nicht Ursache, sondern Folge des Revisionsausschlusses. Dieser ergibt sich aus § 336 S. 2 und
200 LR-Gollwitzer § 311 Tz. 17; Ellersiek, S. 74f.; Ganzer, S. 127ff.; Herzog, S. 107ff.; Erker, S. 111. 201 Ellersiek, S. 74, im Anschluß an Ganzer, S. 127 ff. und Herzog, S. 107 ff. 202 Roxin § 50 B III; KK-Fischer § 460 Tz. 33. 203 Ellersiek, S. 74. 204 Herzog, S. 108 ff.; Ellersiek, S. 75; Roxin § 50 B III 1 b. 205 Ellersiek, S. 75; Roxin § 50 B III. Hat das Gericht seine örtliche Zuständigkeit rechtskräftig verneint, umfaßt die Sperrwirkung nicht die Anklageerhebung zu einem anderen Gericht (KK-Pfeiffer § 16 Tz. 4), wohl aber folgt aus der Sperrwirkung des § 211, daß bei formeller Rechtskraft des Beschlusses nach § 210 II zu demselben Gericht wegen dieser Tat eine neue Anklage nicht erhoben werden darf (BGH NStZ 1988, 371; Roxin a. a. 0.). 206 Vgl. o. im Text.
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung
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zieht seinerseits die formelle Rechtskraft von der (sofortigen) Beschwerde unterliegenden Entscheidungen nach sich. Aber auch der Hinweis auf die angebliche materielle Rechtskraft trägt nicht, weil materiell rechtskräftig nur entschieden werden kann, was zur "Sache" gehört, nicht aber eine prozessuale Einzelfrage. 207 Abgesehen davon ist die h.M., was das Rechtskraftargument angeht, selbst nicht konsequent, wie die Auslegung der §§ 6 a, 16, 201 zeigt. Nach altem Recht war gegen die Verwerfung des Einwands der örtlichen Unzuständigkeit die (sofortige) Beschwerde gegeben (§ 201 11 2 a.F.). Stattdessen sind solche Entscheidungen nach heutigem Recht nicht mehr der sofortigen Beschwerde zugänglich, sondern unanfechtbar (§ 201 11 2). Zieht man die Parallele zu § 304 IV, müßten heute die unanfechtbaren Entscheidungen ebenso rechtskräftig sein wie damals die mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren, denn es ist die Beschwerdemöglichkeit entfallen, so daß die Entscheidungen (im Beschwerdeweg) unanfechtbar sind. Im Rahmen des § 304 IV folgert die h.M. hieraus den Revisionsausschluß. Im Bereich des § 201 11 2 soll allerdings anderes gelten. Hier soll es dem Beschwerdeführer erlaubt sein, den Einwand in der Hauptverhandlung zu wiederholen,208 was nicht möglich wäre, wenn über ihn ,,rechtskräftig" entschieden wäre.
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung Materielle Rechtskraft und innerprozessuale Bindungswirkung sind verwandt. 209 Letztere ist gleichsam die materielle Rechtskraft im Rahmen des Teilprozeßgegenstandes. 21O Bezogen auf den Gesamtprozeßgegenstand unterscheiden sie sich indessen: Rechtskraft setzt eine Entscheidung über den Prozeßgegenstand voraus, Bindungswirkung bereitet sie vor. 211
207 Herzog, S. 112; Erker, S. 111; Trepper, S. 59: ,,Laufende Entscheidungen sind ... nie der materiellen Rechtskraft fähig." 208 LR-Wendisch, § 16 Tz. 15 und § 6 aTz. 20, weist auf diese Änderung gegenüber der früheren Rechtslage ausdrücklich hin; ebenso LR-Rieß § 201 Tz. 25; zum Verfahren bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit vgl. Rieß GA 1976,1 ff. (9f.). 209 Tiedtke, S. 52; zur Unterscheidung beider vgl. insbes. Schlüchter Tz. 637.3 und Kernwissen, S. 163 und S. 168. 2\0 Zu der Kontroverse, ob Teilrechtskraft Bindungswirkungen erzeugt, vgl. Grünwald, Teilrechtskraft, S. 16ff., 22 (gegen KMR-Kleinknecht bis zur 5. Aufl., Einl. 14 C 11 2 b (S. 62»; Tiedemann, Rechtskraftlehre, S. 21; Bruns, Teilrechtskraft, S. 24ff. Zum Verhältnis von Rechtskraft und innerprozessualer Bindung vgl. Tiedtke, S. 95; Tiedemann, Rechtskraftlehre, S. 19ff.; Bruns, Teilrechtskraft, S. 24ff.; nach Schröder (Nikisch-Fschr., S. 210) kann Bindungswirkung nicht aus dem Rechtskraftprinzip begründet werden. 2ll Tiedtke, S. 94; zur Fernwirkung vgl. Bohnert, S. 24.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
1. Die Bindung des judex a quo nach Zuruckverweisung
Sieht das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine eigene Entscheidung nicht als gegeben an, verweist es die Sache unter Aufhebung der angefochtenen an die Vorinstanz zurück. 212 Eine ausdrückliche Regelung darüber, inwieweit Bindung der Vorinstanz an die rechtliche Beurteilung der Beschwerdeinstanz besteht, existiert nicht, das Gesetz enthält keine Bestimmungen über die Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren. Daß, wenn die Zurückverweisung für zulässig erachtet wird, der judex a quo an die der Aufhebung zugrundeliegende rechtliche Beurteilung gebunden ist, kann nicht zweifelhaft sein, denn nur so kann das Rechtsmittelgericht seine Ansicht verwirklichen?13. 214 Kein Fall der Zurückverweisung liegt indessen vor, wenn das Beschwerdegericht in der Sache selbst eine Entscheidung trifft, d. h. wenn es über den Beschwerdegegenstand entscheidet,215 wie etwa in dem bereits oben unter VI 2 c erwähnten Fall RG 59, 241. 216 Hier hatte das OLG eine die Berufung als unzulässig verwerfende Entscheidung aufgehoben und das LG angewiesen, der Berufung Fortgang zu geben. Damit hatte das Beschwerdegericht über den Beschwerdegegenstand, also die Sache selbst i.S. des § 309 H. entschieden. Die Sache ist nicht an die erste Instanz ,,zurückverwiesen worden", sondern der Prozeß entwickelt sich in der ersten Instanz nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens weiter?17 212 Die Möglichkeit der Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren ist strittig. Von der h. M. wird sie zuselassen, teilweise unter engen Voraussetzungen (LR-Gollwitzer § 309 Tz. 11; KK-Engelhardt § 309 Tz. 11). Diese Untersuchung hält sie generen unzulässig. Dies kann hier allerdings dahinstehen, denn die Zurückverweisung kommt in der Praxis vor, auch wenn § 322 H a.F., aus dessen entsprechender Anwendung die Zurückverweisungsmöglichkeit hergeleitet wurde, inzwischen aufgehoben ist. Im folgenden geht es nicht um die Voraussetzungen, sondern um die Konsequenzen der Zurückverweisung. 213 Tiedtke, S. 99. 214 Daß die Zahl der Zurückverweisungen in der Praxis geringer ist als die der Eigenentscheidungen des Beschwerdegerichts, ist kein Indiz für ein Bedürfnis nach entsprechender Anwendung des § 358 I (so aber Mohrbotter ZStW 1972,624); denn wenn zurückverwiesen wird, muß auch Bindung bestehen, soll die Sache nicht hin- und hergeschoben werden. Wird etwa im Fall des OLG Frankfurt (NStZ 1983,426) die Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags als unzulässig aufgehoben, dürfte wohl niemand ernsthaft in Erwägung ziehen, daß nach Zurückverweisung der judex a quo erneut als unzulässig verwerfen kann. Freilich ist die Vorinstanz nicht an jede Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gebunden, sondern nur an die der Aufhebung zugrundeliegende (§ 358 I). 215 Vgl. Eb. Schmidt § 309 Tz. 4; Ellersiek, S. 193: "Sache" ist in diesem Zusammenhang nicht etwa die angeklagte Tat, sondern ausschließlich der Beschwerdegegenstand; ebenso AK StPO-RenzikowskilGünther § 309 Tz. 11. Bei der Bindungsfrage muß zwischen Bindung nach Zurückverweisung und Bindung nach Sachentscheidung (§ 309 II) für das weitere Verfahren differenziert werden. Erstere besteht analog § 358 I, letztere nicht. Die Unterscheidung wird in der Literatur nicht hinreichend beachtet, wenn generell für das Beschwerdeverfahren § 358 I ausgeschlossen wird; vgl. die vorangegangene Anmerkung. 216 Zu RG 59, 241 (243) vgl. Mohrbotter ZStW 1972, 621 ff., der § 358 I für einschlägig hält; ihm folgend LR 23-Gollwitzer § 309 Tz. 11; LR-Gollwitzer § 309 Tz. 12; AK StPORenzikowskilGünther § 309 Tz. 19 (am Ende); anders KK-Engelhardt § 309 Tz. 12; Kleinknecht / Meyer-Goßner § 309 Tz. 10.
rür
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung
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Diese Entscheidung ist deshalb kein Beleg dafür, daß das RG Rechtsbindung bei Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren verneint, wie Mohrbotter annimmt. 218 Zwar hat das RG den § 358 I bemüht und dessen analoge Anwendung verneint. Das war indessen unnötig, weil es sich nicht um einen Fall der Zurückverweisung, sondern um die Frage der Bindung des judex a quo nach abgeschlossenem Beschwerdeverfahren handelte.
2. Die Bindung des judex a quo nlH:h Abschluß des Beschwerdeverfahrens
Gelangt nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens die Sache an den judex a quo zurück, entwickelt sich das Verfahren vor diesem weiter, d. h. dieses Gericht gibt der Sache ,,Fortgang", wie es in RG 59, 241 heißt. Wäre der judex a quo an die der Beschwerdeentscheidung zugrundeliegende rechtliche Beurteilung gebunden, müßte er hiervon im weiteren Verfahren ausgehen, dürfte also beispielsweise nicht die Berufung, deren Zulässigkeit das Beschwerdegericht bejaht hat, im späteren Urteil als unzulässig verwerfen. Die Beschwerdeentscheidung hätte die Bindungswirkung eines ,,zwischenurteils". Zwischenurteile sind indessen dem Strafprozeß fremd. 219 Nichts wird aus dem durch das Instanzgericht zu beurteilenden Prozeßstoff vorzeitig herausgelöst - jedenfalls nicht ohne positiv-rechtliche Anordnung des Gesetzes. 220 Das Gericht erkennt über alles und zu gleicher Zeit. Das folgt aus der dem Strafprozeß immanenten - durch keinen Partei vortrag eingeschränkten Zielsetzung, der Findung des richtigen Urteils. Deshalb ist dem erkennenden Gericht ,alles' in der Hauptverhandlung zur Beurteilung unterbreitet und nicht nur ein Teil des Prozeßstoffs. Der Überprüfung des erkennenden Gerichts ist nichts entzogen, und der Gesamtprozeßstoff wird aufgrund des Inbegriffs der Hauptverhandlung und nicht "auf Raten" beurteilt. Selbst wenn daher Beschwerdegericht und erste Instanz als Einheit anzusehen sind - die Beschwerdeentscheidung ist immerhin "die in der Sache erforderliche Entscheidung" -, so ist der judex a quo an deren rechtliche Beurteilung ebensowenig gebunden wie an seine eigene (etwa die, die dem Eröffnungsbeschluß zugrundelag)?21 Dementsprechend führt RG 59, 241 zur Bindungswirkung der die Berufungsverwerfung aufhebenden Beschwerdeentscheidung zu Recht folgendes aus: "Ein solcher Beschluß hat trotz seiner Unanfechtbarkeit nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Er hat nur die Bedeu217 Die Beschwerdeentscheidung befördert den Prozeß in eine neue Rechtslage, indem sie ihn in Richtung auf eine Sachentscheidung weiterführt, vgl. Herzog, S. 112. 218 Mohrbotter ZStW 1972,621. 219 Vgl. TIedemann, S. 22: ,,Eine Übernahme der Lehre von der innerprozessuaien Bindungswirkung wird sich ... von dem zivilprozessualen Ursprung lösen müssen." Tiedemann verweist zu Recht auf das unterschiedliche Endziel von Zivil- und Strafprozeß. 220 Wie z. B. durch § 336 S. 2. 221 Für den Zivilprozeß vgl. Zöller/Herget § 341 Tz. 6: Die Zulässigkeit des Einspruchs ist stets durch das Rechtsmittelgericht zu überprüfen.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision tung einer das Verfahren weiterleitenden Entscheidung, die der Vorbereitung der Endentscheidung dient, ohne diese irgendwie vorwegzunehmen".222
Bindung des judex a quo besteht zwar im Beschwerdeverfahren, jedoch nicht über seine Beendigung hinaus. Ist "die in der Sache erforderliche Entscheidung" (§ 309 11) getroffen, das Beschwerdeverfahren also beendet, ist der judex a quo nicht gebunden, wenn die Sache anschließend ihren Fortgang nimmt. Bindung besteht nur, sofern im Beschwerdeveifahren zurückverwiesen wird. Im Fall der Entscheidung RG 59, 241 hatte der Angeklagte zu Protokoll eines Strafanstaltsbeamten auf das Rechtsmittel der Berufung verzichtet, nachher aber in einem Schreiben vom selben Tage seine Unterschrift für hinfallig erklärt und Berufung eingelegt. Beide Schriftstücke waren am gleichen Tag beim Amtsgericht eingegangen. Hätte das Beschwerdegericht zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen und dabei die Rechtsmeinung geäußert, falls sich nicht klären lasse, welches Schriftstück zuerst beim Amtsgericht einging, sei von der dem Angeklagten günstigsten Annahme auszugehen, wäre im Beschwerdeverfahren der judex a quo an diese Rechtsansicht gebunden gewesen. Hier hatte aber das Beschwerdegericht - zutreffend - selbst in der Sache entschieden, die Berufung als zulässig bezeichnet. Damit war das Beschwerdeverfahren beendet und kein Anlaß mehr für eine Bindung des judex a quo. Daß nach Ablauf des Beschwerdeverfahrens die Sache wieder an den judex a quo zurückgelangte, war keine Verweisung i.S. des § 358 I.
Eine andere Frage ist es, bis wann das Beschwerdeverfahren andauert, denn nur in diesem besteht die Bindung. Gelangt nach Abschluß der Beschwerdeinstanz die Sache an den judex a quo zurück, bewirkt die Bindung in dem geschilderten Fall, daß das erkennende Gericht die Berufung nicht erneut durch Beschluß als unzulässig verwerfen darf. Hier ist tatsächlich der Rechtsgedanke des § 358 I anzuwenden, denn ohne diese Bindung könnte das Beschwerdegericht seine Rechtsauffassung nicht durchsetzen, und die Sache würde Gefahr laufen, zwischen den Instanzen hin- und hergeschoben zu werden?23 Eine sachgerechte Lösung verlangt die Anwendung des § 358 I auch im Beschwerdeverfahren; hätte dieser Rechtsgedanke nicht schon in der Revisionsbestimmung des § 358 I Gestalt angenommen, müßte er systernimmanent in das Gesetz, auch in das Verfahrensrecht der Beschwerde, hineingelesen werden. Die gegenteilige Auffassung von RG 59, 241, das die Anwendung des § 358 I im Beschwerdeverfahren ablehnt, ist nicht zu billigen. Freilich stellte sich in dem entschiedenen Fall das Problem der Geltung des § 358 I deshalb nicht, weil das Beschwerdeverfahren längst abgeschlossen war. Der Rechtsgedanke des § 358 I schließt auch eine erneute - auf dieselben Gründe gestützte - Beschwerde aus, sofern das Beschwerdegericht hierüber bereits entschieden hat. In diesen 222 RG 59, 241 (244); ebenso BGH 26, 191 (192): Anklage vor dem Schwurgericht, weiches die Eröffnung ablehnt. Auf sofortige Beschwerde Eröffnung durch das OLG vor dem Schwurgericht. Dieses stellt durch Urteil ein. Hiergegen wendet sich die Revision der StA. Der BGH: Keine Bindung des Schwurgerichts an Beschwerdeentscheid. Beschwerdegegenstand (über den allein das OLG entschieden hat) war lediglich die Eröffnung. Erst recht besteht keine Bindung des Revisionsgerichts an die Beschwerdeentscheidung. 223 Tiedtke, S. 99.
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung
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Fällen besteht Bindung des judex a quo. Er könnte nur entsprechend der Ansicht des Beschwerdegerichts befinden. Eine erneute Beschwerde zuzulassen, widerspräche der Prozeßökonomie. Praktisch wird dieser Gedanke etwa im Fall der erfolglosen Selbstablehnung eines Richters gemäß § 30. Nach der hier vertretenen Auffassung ist - zur Vermeidung von Doppelgleisigkeit der Rechtsmittel - das Verfahren nach § 30 dem der §§ 24 ff. anzugleichen. 224 Das hat zur Folge, daß bei formell rechtskräftigem Abschluß des Selbstablehnungsverfahrens dieselben Gründe nicht mehr, auch nicht zugunsten eines anderen Prozeßbeteiligten, berücksichtigt werden dürfen. Der judex a quo ist an die Auffassung des Beschwerdegerichts gebunden. Nicht nur die Beschwerde, bereits der mit den gleichen Gründen motivierte Antrag nach § 24 ist unzulässig. Das folgt nicht aus der materiellen Rechtskraft des vorangegangenen Beschwerdeentscheids, sondern aus dem Rechtsgedanken des § 358 I. Da Bindung des Erstrichters im Beschwerdeverfahren besteht, könnte er nur entscheiden "wie erkannt", d. h. durch das Beschwerdegericht. Deshalb ist nach Abschluß des Verfahrens des § 30 bereits der auf die gleichen Gründe gestützte Antrag i.S. des § 24 unzulässig - und vice versa.
Die vorstehenden Ausführungen treffen gleichennaßen auf den von BGH 21, 334 (359) entschiedenen Fall zu: In der Hauptverhandlung beanstandet ein Zeuge eine an ihn gerichtete Frage als unzulässig und legt, als die Kammer die Zulässigkeit der Frage beschließt, hiergegen Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht gibt der Beschwerde statt und läßt die Frage nicht zu.
In diesem Fall darf das erkennende Gericht, wenn die Sache nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens in die erste Instanz zurückgelangt, die Frage nicht erneut zulassen.
Ob die Beschwerdeentscheidung Bindungswirkung entfaltet, hängt auch nicht etwa davon ab, ob sie auf einfache oder sofortige Beschwerde hin ergangen ist; die Bindung resultiert nicht aus der fonnellen Rechtskraft (die nur bei den sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidungen besteht), sondern aus dem Rechtsgedanken des § 358 I, ist also unabhängig von Rechtskrafterwägungen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts bindet den judex a quo in dem Umfang, wie er an seine eigene Entscheidung gebunden wäre. So kann das erkennende Gericht die Eröffnung nicht jederzeit zurücknehmen,225 wohl aber vennag es seinem Urteil eine andere Rechtsauffassung als dem Eröffnungsbeschluß zugrundezulegen, selbst wenn dieser vom Beschwerdegericht stammt. 226 Näher vgl. unten 5. Teil 11 3. Unrichtig daher LG Nümberg-Fürth NStZ 1983, 136 = JR 1983, 257 mit abI. Anm. Meyer; abI. ebenso LR-Wendisch § 33 aTz. 18; LR-Rieß § 207 Tz. 36; Roxin § 41 E. 226 BGH 26,191 = NJW 1975,2304. Ebenso schon BGH NJW 1973,1985 = IR 1974,247 mit Anm. Peters, der in dem genannten Fall (Verteidigerauswechselung durch das Gericht) die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts (besser wohl die Statthaftigkeit der Beschwerde)zu Recht - wegen § 305 S. 1 verneint. Das Urteil spricht den Grundsatz aus, daß die Beschwerdeentscheidung durch das Revisionsgericht ohne Einschränkung zu überprüfen ist. Zu dieser doppelten Überprüfung konnte es im konkreten Fall nur kommen, weil das OLG die Beschwerde fälschlich als statthaft angesehen hatte. Entgegen Peters ist dies kein Zuständigkeitsproblem, sondern eine Frage innerprozessualer Bindung. Ferner RG 66, 346 (keine Bin224
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Das erkennende Gericht kann die Berufung durch Urteil als unzulässig verwerfen, selbst wenn es diese zunächst als zulässig angesehen hatte. Die Beschwerdeentscheidung hat keine andere Wirkung, als den Prozeß in einen bestimmten Verfahrensstand zu bringen - etwa durch die Eröffnung in das Hauptverfahren, durch die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses in das Erkenntnisverfahren über die Berufung. Das Beschwerdegericht befindet nicht mit Teilrechtskraft über einen Prozeßausschnitt. Die "Sache" i.S. des § 309 stellt nicht einen isolierbaren Teilprozeßgegenstand dar, der durch die Beschwerdeinstanz teilrechtskräftig entschieden würde. So erwächst mit Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses nicht die Zulässigkeit der Berufung in Rechtskraft, nicht einmal wird rechtskräftig, daß die erste Instanz der Sache "Fortgang zu geben" hat - vielmehr wird tatsächlich Fortgang gegeben, aber nicht wegen des Beschwerdeentscheids, sondern weil der Verwerfungs be schluß aufgehoben und die Sache in ein neues Prozeßstadium gelangt ist. Durch Aufhebung der Nichteröffnung erwächst nicht in Rechtskraft, daß eröffnet wird, durch den Beschwerdeentscheid ist eröffnet, der Prozeß ist in die neue Rechtslage des Hauptverfahrens eingetreten. Die Wirkung der Beschwerdeentscheidung zeigt sich nicht in der Rechtskraft, auch nicht in Teilrechtskraft, sondern liegt in der faktischen Beförderung des Verfahrens in eine andere Prozeßlage. 227 Die Beschwerdeentscheidung bedeutet nichts anderes als eine Durchgangsstation, eine "Rechtslage" im Sinne Goldschmidts, in einem auf die Herbeiführung von Rechtskraft angelegten Verfahren. Entsprechendes gilt für die Selbstbindung des judex a quo, so z. B. in einem vom KG entschiedenen Fall: 228 Das LG hatte zunächst den (rechtzeitig erhobenen) Besetzungseinwand zurückgewiesen, war aber später zu der Auffassung gelangt, es sei doch nicht richtig besetzt. Mit Rücksicht hierauf hatte es ausgesetzt. Dagegen richtete sich die Beschwerde. Das KG wies sie als unbegründet zurück. Zwei Fragen sind zu unterscheiden: Zum einen geht es um die Zulässigkeit der Beschwerde. Sie richtet sich, wie Boergen zutreffend feststellt,229 nur gegen die Aussetzung. § 305 S. I steht der Beschwerde nicht entdung des Revisionsgerichts an die durch das Beschwerdegericht angeordnete Nebenklägerzulassung). Keinen Fall der Bindung an eine Beschwerdegerichtsentscheidung behandelt das in diesem Zusammenhang oft zitierte Urteil RG 33, 314 (316). Die Revision rügte die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das OLG, dem das LG wegen eigener Beschlußunfähigkeit die Sache zur Entscheidung vorgelegt hatte. Das OLG war in diesem Fall nicht Beschwerdeinstanz. Die Entscheidung des RG ist freilich deshalb bemerkenswert, weil sie die Überprüfung der versagenden Ablehnung trotz des damaligen § 346 III a.F. (heute § 304 IV 2) durch Revision zuließ; dazu oben im Text. Ferner BGH bei Herlan MDR 1955, 652 (§ 153 III): Keine Bindung des Revisionsgerichts an Beschwerdeentscheidung, die den Einstellungsbeschluß aufhebt und Fortsetzung anordnet. Die Rechtslage ist im Ergebnis die gleiche, wie wenn das LG selbst den Einstellungsbeschluß aufgehoben hätte. Die Revision führte zur Einstellung wegen des in Gestalt des Einstellungsbeschlusses des Erstgerichts vorliegenden Verfahrenshindernisses. 227 Vgl. Goldschmidt, S. 151: Der Prozeß ist "das auf die Herbeiführung von Rechtskraft gerichtete Verfahren". Die Einlegung des Rechtsmittels der Beschwerde bzw. das Unterlassen sind Parteihandlungen, gerichtet auf die Herbeiführung einer neuen Rechtslage (vgl. Goldschmidt, S. 342, 364ff.). Ebenso Eh. Schmidt I Tz. 43: Der Prozeß verfällt in ständig wechselnde Lagen, die jede für sich nur einen Durchgangspunkt bilden und niemals eine in sich selbständige Bedeutung haben, bis das rechtskräftige Urteil die endgültige Situation schafft. 228 KG MDR 1980,688 mit abI. Besprechung von Boergen MDR 1980, 619ff. 229 Boergen MDR 1980,622.
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gegen, denn die aussetzende Entscheidung ist nicht beruhensgeeignet. Damit ist zur Zulässigkeit alles gesagt - das Weitere ist Sache der Begründetheit. Begründet ist die Beschwerde, sofern die Aussetzung prozessual nicht die richtige Reaktion auf die Feststellung der falschen Besetzung darstellte. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob das LG nach Zurückweisung der Besetzungsrüge seine Besetzung überhaupt erneut prüfen darf. Darf es dies nämlich nicht, kommt Aussetzung apriori nicht in Betracht, dann ist das Verfahren schon deshalb fortzusetzen, weil die Richtigkeit der Besetzung - in der Tatsacheninstanz - nicht zur Debatte steht. Das KG vertritt die (richtige) Ansicht, das LG habe seine Auffassung zur Besetzung jederzeit überprüfen und ändern dürfen. Richtig ist dies deshalb, weil insoweit (mangels Sachentscheidung) nichts in Rechtskraft erwächst und weil keine innerprozessuale Bindungswirkung besteht. 23o Die gegenteilige Ansicht, die die Tatsacheninstanz an die einmal getroffene Entscheidung binden Will,231 überzeugt nicht. Daß die Besetzungsrüge auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt begrenzt ist, zieht nicht die Konsequenz nach sich, daß dies auch für die (durch das Gericht von Amts wegen vorgenommene) Besetzungsprüjitng gelte. 232 Auch der Hinweis von Boergen auf die Ausführungen der amtlichen Begründung des Entwurfs zum 17. StVÄG, die Prüfung der Begründetheit der Rüge sollte nach den gesetzgeberischen Vorstellungen nicht einem gesonderten Zwischenverfahren überwiesen werden,233 spricht nicht für, sondern gegen eine Bindung. Das lnit rechtskraftfähiger Entscheidung endende Zwischenverfahren würde (etwa durch Einräumung der sofortigen Beschwerde qua § 336 S. 2) Bindung bewirken. Wenn der Gesetzgeber aber ein solches Zwischenverfahren nicht einführt, heißt dies, daß Bindung nicht gewollt ist. War hiernach das LG frei, erneut über die Richtigkeit seiner Besetzung zu entscheiden, so stellt sich im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde nur noch die Frage, ob die Aussetzung die richtige Konsequenz der Feststellung unrichtiger Besetzung war. Das KG nimmt dies an. Boergen ist dagegen der Ansicht, das LG habe - auch bei Bejahung unrichtiger Besetzung - das Verfahren fortsetzen müssen, ggfs. in anderer Besetzung. Folgt man dem, ist die (zulässige) Beschwerde begründet, weil dann die Aussetzung nicht in Betracht kam, vielmehr fortzusetzen war. 3. Die Bindung des Revisionsgerichts
Ist schon der judex a quo außerhalb des Beschwerdeverfahrens nicht an die Entscheidung des Beschwerdegerichts gebunden, so erst recht nicht das Revisionsgericht an den Spruch der Beschwerdeinstanz. 234 Ob beispielsweise die Berufung 230 Bohnert, S. 64; Schlüchter Tz. 435 (am Ende); KleinknechtlMeyer-Goßner § 222 b Tz. 13; Rieß JR 1981,93; Brauns, S. 176ff. (193); allgemein zur Besetzungsrüge nach dem StVÄG 1979 Hamm NJW 1979, 135ff. 231 Boergen MDR 1980,623; Roxin § 41 C; LR-Gollwitzer § 222 b Tz. 38; H. Wagner JR 1980,54. 232 So aber LR-Gollwitzer § 222 b Tz. 38. 233 Boergen MDR 1980, 623 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BT-Drucks. 8/976, S. 27. 234 Der BGH argumentiert anders herum (BGH 26, 191 (192»: Er leitet aus der fehlenden Bindung des Revisionsgerichts die Freiheit der Entscheidung des judex a quo her: .. Können
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zulässig ist, unterliegt der vollen Nachprüfung des Revisionsgerichts - gleichgültig ob das Verfahren bereits die Prozeßlage der Beschwerdeentscheidung durchlaufen und ob das Beschwerdegericht die Berufung als zulässig erachtet hat oder nicht. 235 Insbesondere ist die Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht deshalb richtig, weil sie sich mit der Beschwerdeentscheidung deckt oder gar falsch, weil sie von dieser abweicht. Daß der judex a quo innerhalb des Beschwerdeverfahrens an die Beschwerdeentscheidung gebunden ist und demzufolge gar nicht anders entscheiden konnte, hindert nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit seines Spruchs?36 Diese Bindung des judex a quo besagt nicht, daß ihre Beachtung das Urteil fehlerfrei machte?37 Als Beispiel sei auf die oben unter VII 2 berichtete Fallkonstellation verwiesen, wie sie der Entscheidung BGH 21,334 (359) zugrundeliegt. Ein Zeuge legt gegen die Zulassung der von ihm beanstandeten Frage Beschwerde ein. Sie ist erfolgreich, so daß aufgrund seiner Bindung an die Entscheidung des Beschwerdegerichts der judex a quo die Frage nicht zulassen darf. Es ergeht ein Urteil, ohne daß der Zeuge die betreffende Frage beantworten mußte. Mit der Revision wird die Nichtzulassung der Frage als Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt. Eine derartige Gesetzesverletzung kann nun nicht einfach mit dem Hinweis auf die Bindung des judex a quo an die Beschwerdeentscheidung verneint werden. Das Revisionsgericht muß aber das Revisionsgericht oder die Beteiligten die Frage im Revisionsverfahren aufgreifen, so muß dem eine eigene Entscheidungsbefugnis des Erstgerichts entsprechen." Zustimmend KK-Pikart § 336 Tz. I und Hanack JZ 1972, 82. Indessen ist es wohl eher umgekehrt. Daß eine Bindung des judex a quo nicht besteht, folgt aus der Begrenzung der Bindungswirkung der Beschwerdeentscheidung auf den Beschwerdegegenstand. A fortiori ist daher eine Bindung des Revisionsgerichts nicht gegeben, denn Bindungslosigkeit des Erstgerichts paßt nicht mit der Bindung des Revisionsgerichts zusammen. Wenn andererseits Bindungslosigkeit des Revisionsgerichts besteht, folgt hieraus allein jedenfalls nicht das gleiche für das Erstgericht, vielmehr wäre es theoretisch möglich, Beschwerdeentscheidung und Entscheidung des Erstgerichts zusammengefaßt als eine einheitliche Entscheidung des erkennenden Gerichts zu betrachten und sie als solche der Revision zu unterwerfen - wie es bei einfacher Beschwerde unterliegenden Entscheidungen der Fall ist. Das ist indessen nicht die Konzeption der StPO. - Der Schluß von BGH 26, 191 ist jedenfalls unrichtig. Aus der Entscheidungsfreiheit des Revisionsgerichts folgt nicht die gleiche Freiheit für das erkennende Gericht erster Instanz. 235 "Daß die Entscheidung des Landgerichts über die Unzulässigkeit der Berufung sachlich unrichtig sei, wird dagegen von der Revision nicht behauptet." RG 59, 241 (242) scheint also zur Nachprüfung in dieser Richtung eine Rüge für erforderlich zu halten, was immerhin zweifelhaft sein mag, denn auch das Rechtsmittelgericht muß die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen prüfen. 236 Dazu Bettermann DVBI. 1955,23 zu dem vergleichbaren Fragenkomplex der Bindung des judex a quo nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht und zu RG 6, 357 (359). 237 Vgl. Bettermann DVBI. 1955,23: Trotz ordnungsgemäßen Verfahrens kann der judex a quo Recht verletzen. Die Revision ist keine "Urteilsschelte", sondern hat Erfolg, wenn die Vorinstanz Recht verletzt hat. Anders noch RG 6, 357 (359): Die Entscheidung bejaht Bindung des Gerichts, an das verwiesen wird, und damit Selbstbindung des Revisionsgerichts. Die Beachtung dieser Bindung könne "niemals mit Erfolg mittels Revision angegriffen werden".
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vielmehr - ohne Bindung an die Entscheidung des Beschwerdegerichts - prüfen, ob ,,zur Erforschung der Wahrheit" (§ 244 11) die Frage zuzulassen war. War dies der Fall, ist die Revisionsrüge erfolgreich.
Das Urteil des erkennenden Gerichts unterliegt voller Überprüfung des Revisionsgerichts, und zwar unter Einschluß der vorausgegangenen Entscheidungen, soweit diese nicht kraft ausdrücklicher Anordnung der Revision entzogen sind. 238 Eine derartige Ausnahme sieht das positive Recht in § 336 S. 2 für die der sofortigen Beschwerde zugänglichen Entscheidungen vor. Dagegen bleibt es bei dem Grundsatz voller Überprütbarkeit der abändernden Entscheidungen des Beschwerdegerichts durch die Revision. 4. Innerprozessuale Bindung durcb positivrecbtlicbe Anordnung: Die Entscheidungen nacb § 28 I und § 46 11
Nach § 28 I ist die stattgebende Richterablehnung unanfechtbar. Das gleiche gilt nach § 46 11 für die gewährende Wiedereinsetzung. Die Anfechtungsregelung für die im Zusammenhang mit der Ablehnung und der Wiedereinsetzung ergehenden Entscheidungen folgt dem gleichen Prinzip: Rechtsmittelfähig ist nur die das Gesuch verwerfende (§ 28 11, § 46 III), während die dem Antrag stattgebende Entscheidung keinem Rechtsmittel unterliegt. 239 Die gleichgelagerte Systematik führt zu entsprechenden Problemen. Sowohl bei der Ablehnung als auch bei der Wiedereinsetzung entsteht die Frage, wie rechtlich fehlerhafte Entscheidungen zu behandeln sind.
a) Die Wiedereinsetzung
Bei der Wiedereinsetzung geht es vorrangig um Fälle, in denen nicht das nach § 46 I zuständige Gericht entschieden hat. Der Angeklagte beantragt Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist. Entgegen § 46 I, wonach zuständig für die Entscheidung über diesen Antrag das Revisionsgericht ist, entscheidet der judex a quo und verwirft das Wiedereinsetzungsgesuch. Der Angeklagte versäumt, gegen die Verwerfung sofortige Beschwerde einzulegen und trägt stattdessen auf Entscheidung durch das Revisionsgericht an. 240 238 Keine Bindung des Revisionsgerichts besteht bei der Entscheidung über die Anscblußberechtigung des Nebenklägers, so mit Recht BGH NStZ 1996, 149 im Anschluß an OLG Köln NStZ 1994,298 und BGH NJW 1980,1586. 239 Warum der Vergleich mit § 28 I "nicht glücklich" sein soll (so Giesler, S. 179, insbesondere kritisch zu LR- Wendisch § 46 Tz. 15), ist nicht einzusehen. Sowohl im Fall des § 46 II als auch in dem des § 28 I muß der Rechtsbehelfsgegner (der jeweils andere Prozeßbeteiligte) das Ergebnis für sich selbst hinnehmen. 240 OLG DüsseldorfGA 1968, 247.
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Das ist das Grundmuster der Konstellation, die in Variationen die Rechtsprechung beschäftigt hat. 241 • 242. 243 Eine Ansicht sucht die Lösung "aus den allgemeinen Regeln der Rechtskraft" zu gewinnen. 244 Für den die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluß gilt nämlich, wenn er nicht angefochten wird, nichts anderes als für den gewährenden: Er erwächst in (formelle) Rechtskraft. Deshalb sei das zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung zuständige Gericht - im Grundfall das Revisionsgericht - an einer eigenen Entscheidung gehindert, und die Versagung der Wiedereinsetzung sei nicht mehr zu beseitigen, obwohl sie vom unzuständigen Gericht stammt. 245 Dieses Ergebnis wird vielfach als unbillig empfunden, und die aufgezeigte Rechtsprechung sucht es durch allerlei Auslegungshilfen oder gar Hinweise an den Antragsteller zu vermeiden. 246 Sie hat sich indessen in den Fallstricken der Rechtskraftargumentation derart verfangen, daß sie nur auf dem Weg über die Rechtskraftdurchbrechung zu einer Entscheidung des zuständigen Gerichts gelangen zu können glaubt. 247 In Wirklichkeit geht es nicht um Rechtskraft-, sondern um innerprozessuale Bindungsfragen, nämlich darum, ob das zuständige Gericht an einer eigenen Beschei241 Vgl. die Nachweise bei KleinknechtlMeyer-Goßner § 46 Tz. 7; LR-Wendisch § 46 Tz. 19,20. 242 Um die Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung ging es auch in dem Beschluß des LG Aachen NStZ 1992, 143: Nicht der judex ad quem, sondern der judex a quo war zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung befugt, wie Wendisch in der Anm. zu dieser Entscheidung richtig bemerkt; die Wiedereinsetzung war nämlich Voraussetzung für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde. 243 Einen anderen Fall betrifft KG JR 1956, 111 mit krit. Anm. Sarstedt. Der Senat hält eine Aufhebung der versagenden Entscheidung des judex a quo für überflüssig, weil er sie materiell-rechtlich billigt, also eine Entscheidung desselben Inhalts treffen würde. Sarstedt merkt zu Recht an, man solle den Scharfsinn lieber auf die Sache als auf derartige Formalentscheidungen richten, denn: "Wer hat etwas davon?". 244 LR-Wendisch § 46 Tz. 16. 245 OLG Düsseldorf GA 1968,247 (248). 246 So OLG Düsseldorf GA 1968, 247 (248) mit der Empfehlung an den Angeklagten, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu beantragen. Das KG (JR 1956, 111) tröstet mit dem Hinweis, das Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht einmal zulässig, und deshalb bestehe kein Anlaß, an der Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses zu rütteln; dagegen mit Recht Sarstedt JR 1956, 112: Wenn es auf die Zulässigkeit ankam, hätte der Antragsteller Gelegenheit zur Glaubhaftmachung erhalten müssen. - Jedenfalls ist die Frage des "RütteIns an der Rechtskraft" sicherlich nicht abhängig von der Erfolgsaussicht des Wiedereinsetzungsgesuchs. Die Entscheidung vermengt Zulässigkeit, Begründetheit und Rechtskraft, wobei es auf letztere nicht einmal ankam, weil nur die innerprozessuale Bindungsfrage relevant war. Das unzuständige AG hatte nämlich einen Verwerfungsbeschluß bereits aufgehoben, nachdem es seine Unzuständigkeit erkannt hatte. 247 OLG Schleswig bei Emestil Lorenzen SchlHA 1983, 107 (108); ebenso LR 23-Meyer § 346 Tz. 39; RG 40,271; Eb. Schmidt § 46 Tz. 7 mit vehementer Kritik an RG 75,172, aber eben nur unter dem von Eb. Schmidt verworfenen Gesichtspunkt der Rechtskraftdurchbrechung, wie der Hinweis auf Teil I Tz. 218 ff. zeigt.
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dung des Wiedereinsetzungsgesuchs gehindert ist. Wie wenig durchdacht der Ansatz bei der Rechtskraft ist, zeigt sich daran, daß noch nicht einmal gesagt wird, ob formelle oder materielle Rechtskraft im Wege steht. Aus der formellen folgt ohnehin keine Bindung, weil sie nur die Unanfechtbarkeit der Entscheidung durch jedes ordentliche Rechtsmittel bezeichnet. Bindung kommt allenfalls aufgrund materieller Rechtskraft in Betracht, aber nur in der Sache, d. h. bezogen auf die Zulässigkeit von Sanktionen gegen denselben Täter wegen derselben Tat, nicht im Hinblick auf das Verfahren,z48 Der die Wiedereinsetzung versagende Beschluß kann aber, weil er nur das Verfahren betrifft und dies nicht abschließend entscheidet (vgl. o. 1. Teil VI 3), keine materielle Rechtskraft entfalten. Die Prämisse - Rechtskraft des die Wiedereinsetzung versagenden Beschlusses - ist zwar richtig, die Schlußfolgerung indessen falsch: Die (formelle) Rechtskraft bewirkt keine Bindung hinsichtlich der entschiedenen Verfahrens frage. Zwar ziehen auch gewisse Fonnalentscheidungen Bindungen nach sich, die materieller Rechtskraft vergleichbar sind - aber nur dann, wenn im sei ben Verfahren nicht mehr über die Sache entschieden wird. So liegt etwa der Fall bei der Unzuständigkeitserklärung nach § 16. Mit dieser (bzw. mit der Einstellung, falls die Unzuständigkeit erst nach Eröffnung festgestellt wird) ist das Verfahren beendet. 249 Die "Fernwirkung" der Unzuständigkeitserklärung besteht darin, daß eine neue Klage vor demselben Gericht nur mit neuen Gründen, aus denen sich die Zuständigkeit ergibt, zulässig ist. Im Fall verwerfender Wiedereinsetzungsentscheidung durch den judex a quo ist aber das Verfahren noch nicht beendet, denn die Entscheidung des (zuständigen) Revisionsgerichts steht noch aus. Es geht also nicht um Bindung zwischen einem abgeschlossenen und einem neu einzuleitenden Verfahren, sondern um die Wirkung in ein und demselben Prozeß.
Was also im Raum steht, ist nicht Rechtskraftwirkung, sondern innerprozessuale Bindung, d. h. es geht darum, ob das zur Wiedereinsetzungsentscheidung berufene Revisionsgericht an die Entscheidung des unzuständigen judex a quo gebunden ist. Innerprozessuale Bindungswirkung entsteht immer dann, wenn nur durch die Festlegung verschiedener Gerichte im selben Verfahren ein bestimmter durch das Gesetz bezweckter Erfolg erzielt werden kann. 25o So ist das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen wird, an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden (§ 358 I). Dies deshalb, weil "das Revisionsgericht ohne Bindung des Berufungsgerichts nicht in der Lage ist, seine Ansicht durchzusetzen und damit die ihm obliegende Aufgabe zu erfüllen ... ,,251 Der Grund für Bindung in umgekehrter Richtung, für die des Revisionsgerichts an die Entscheidung des judex a quo, soweit es sich um gewährende Wiedereinsetzung 248 Die Bindungsfrage wird zutreffend angesprochen von OLG Neustadt GA 1960, 121 (122); OLG Hamm MDR 1979,426; BGH bei Holtz MDR 1977,284; BayObLG bei Rüth DAR 1978, 210 und schon von RG 75, 172. 249 Das Verfahren endet durch Einstellungsurteil nach § 260 III (in der Hauptverhandlung) bzw. durch Einstellungsbeschluß nach § 206 aI (außerhalb der Hauptverhandlung). 250 TIedtke, S. 98 ff. 251 TIedtke, S. 99.
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und stattgebende Richterablehnung handelt, liegt darin, daß § 28 I und § 46 11 mehr als die bloße Freistellung der Entscheidung von Rechtsmitteln aussagen. In diesem Zusammenhang ist die ratio des § 46 11 entscheidend: Die Vorschrift unterscheidet die gewährende von der versagenden Wiedereinsetzung, weil mit der positiven Bescheidung die Frage der Fristversäumnis ein für allemal entschieden sein soll. Dazu genügt es nicht, der Wiedereinsetzung Rechtskraft beizulegen, denn diese könnte im Fall der Gewährung durch das unzuständige Gericht eine anderslautende Entscheidung durch das berufene Gericht nicht hindern. § 46 11 verleiht deshalb der positiven Bescheidung mehr als nur (formelle) Rechtskraft, nämlich innerprozessuale Bindungswirkung. Aus der Vorschrift folgt nicht nur, daß die Entscheidung des unzuständigen Gerichts, soweit sie Wiedereinsetzung gewährt, formell rechtskräftig, d. h. mit keinem ordentlichen Rechtsmittel anfechtbar ist, sondern auch, daß sie (trotz der Unzuständigkeit des Gerichts) Bindung auch für das an sich zuständige Gericht schafft, mit der Folge, daß die Gewährung der Wiedereinsetzung innerprozessual feststeht. Da § 46 11 nur die gewährende, nicht die versagende Wiedereinsetzung regelt, kommt letzterer diese Bindungswirkung nicht zu. Damit kann bei Versagung das zur Entscheidung zuständige Gericht selbst entscheiden, ohne durch Rechtskraft des Beschlusses des unzuständigen Gerichts hieran gehindert zu sein. Im Ausgangsfa1l 252 kann daher das zuständige Gericht über die Wiedereinsetzung befinden - ohne Rücksicht darauf, ob der Angeklagte gegen die Entscheidung des unzuständigen judex a quo Rechtsmittel eingelegt hat oder nicht. b) Richterablehnung
Das entsprechende Problem entsteht, wenn auch nicht so augenfällig, bei der Richterablehnung. Der stattgebende Beschluß ist nicht anfechtbar (§ 28 I). Damit ist die Rüge des Ablehnungsgegners, die Ablehnung sei unter Verletzung der §§ 25 ff. erfolgt, nicht revisibel. Es fragt sich, ob damit auch die Besetzungsrüge253 ausgeschlossen ist, der nachgerückte Richter sei deshalb nicht der gesetzliche, weil die Ablehnung fehlerhaft und in Wahrheit der abgelehnte der gesetzliche Richter sei. 254 Der Beschluß nach Vgl. OLG DüsseldorfGA 1968,247. Die Besetzungsrüge hat auch heute noch Bedeutung (obwohl, wie SarstedtlHamm Tz. 194 ausführen, das Gesetz alles getan hat, um der Verteidigung diesen Revisionsgrund aus der Hand zu schlagen), vgl. KK-Pikart § 338 Tz. 8 ff. 254 So BGH GA 1962, 338 (obiter zu § 28 II; die Entscheidung betrifft einen Fall des § 30) im Anschluß an RG 30, 123; RG Rspr. 10, 353 (355) stellt (obiter, die Entscheidung betrifft die Sachverständigenablehnung) zur Richterablehnung fest: Auch die irrige stattgebende Ablehnung benachteiligt keinen Prozeßbeteiligten, denn an die Stelle des abgelehnten tritt ein anderer, und alle seien letztlich "gleich gut befähigt", ein Gedanke, der allerdings weder aus der Rechtskraft noch aus sonstigen prozessual zulässigen Erwägungen folgt und die damalige Feme zum Gebot des gesetzlichen Richters aufzeigt; vgl. Arzt IR 1974, 76. 252 253
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung
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§ 28 I entfaltet materielle Rechtskraft ebensowenig wie der nach § 4611 (weil er wie dieser nur das Verfahren und nicht die "Sache" betrifft). Nun besteht aber Einigkeit, daß der stattgebende Ablehnungsbeschluß nicht überprüft werden soll auch nicht über den Umweg der Rüge nach § 338 Nr. 1.255 Dieses - gewiß richtige - Ergebnis läßt sich nicht mit der angeblichen (materiellen) Rechtskraft des Beschlusses nach § 28 11 erklären?56 Auch der Gesichtspunkt innerprozessualer Bindungs wirkung scheidet als Begründung aus, denn Bindung setzt voraus, daß noch eine Entscheidung über die Gesetzlichkeit des Richters ergehen kann. Diese ist aber nicht mehr möglich, weil die Gesetzlichkeit des nachrückenden Richters nicht mehr der Beanstandung ausgesetzt sein soll, der abgelehnte sei in Wirklichkeit der gesetzliche. Innerprozessuale Bindung schafft eben nicht mehr, als der Name sagt: prozessuale Bindung, also nur auf formellem Recht fußende. Bei der Gesetzlichkeit des Richters geht es aber nicht um formale Gesichtspunkte, sondern um dessen materiell-rechtliche Legitimation. Das Problem wird an der bereits zitierten BGH-Entscheidung vom 3. 2. 1982 deutlich: 257 Dem Ablehnungsantrag der StA gegen einen Schöffen war stattgegeben worden, obwohl der Ablehnungsgrund nicht unverzüglich vorgebracht worden war. Der BGH läßt die Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1) durchgreifen: ,,Der Schöffe ... hätte nicht ausscheiden dürfen", dem Ablehnungsantrag sei zu Unrecht stattgegeben worden, richtig hätte er als unzulässig verworfen werden müssen. Der Gedanke, ob die Besetzungsrüge mit § 28 I in Einklang steht, wird in der Entscheidung nicht angesprochen - im Gegensatz zu einem früheren Urteil des 5. Senats. 258 Daß die Entscheidung des 2. Senats im Ergebnis falsch ist, wird heute überwiegend angenommen. 259 Ob dies aber ausschließlich prozessual begründet werden kann, ist fraglich. Die Argumentationskette § 28 I erklärt den stattgebenden Beschluß für unanfechtbar, die Rüge des § 338 Nr. 1 würde mittelbar § 28 I widersprechen, also kann sie nicht durchgreifen
setzt voraus, daß § 28 I gegenüber § 338 Nr. I die speziellere Norm ist; andernfalls wäre es nicht zwingend, den zwischen § 338 Nr. I und § 28 I sicherlich bestehenden Widerspruch zugunsten von § 28 I aufzulösen. Das mag prozessual richtig gedacht sein, läßt aber Art. 101 I 2 GG außer Acht: Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter kann nicht durch eine Spezialnorm des einfachen Rechts eingeschränkt werden, einfaches Recht vermag Verfassungsrecht nicht zu derogieren. Das Prozeßrecht kann also nicht sagen: 255 Unrichtig daher BGH NStZ 1982, 291 (292); dagegen mit Recht Krey JA 1984, 577 und Strafverfahrensrecht I, Tz. 327. 256 Denn als Verfahrensentscheidung, die den Prozeß nur in eine neue Rechtslage befördert, entfaltet auch die stattgebende Ablehnung keine materielle Rechtskraftwirkung. 257 BGH (2. Senat) NStZ 1982,291 (292) = StV 1982,339; zust. Schlüchter Tz. 48; abI. Krey I, Tz. 327. 258 BGH GA 1962, 338. Es ging um eine Selbstablehnung nach § 30. Der BGR wendet auf den stattgebenden Beschluß entsprechend der h. M. (RG 30, 123; 67, 276; LR-Wendisch § 30 Tz. 19f.) § 28 I analog an und schließt hieraus zugleich, daß auch Art. 101 12 GG nicht verletzt sei, denn der Ausgeschiedene "war ... nicht mehr gesetzlicher Richter". Demgegenüber stellt OLG Ramm (GA 1971, 185 (186» bei § 338 Nr. I lediglich auf das Willkürverbot ab, ohne § 28 I zu erwähnen. 259 Krey I, Tz. 327; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 28 Tz. I; KMR-Paulus § 28 Tz. 1.
102
1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Art. 101 12 gilt nicht, sofern seine Anwendung zur Nachprüfung des § 28 I führen würde, sondern nur: Die Gesetzlichkeit des eintretenden Richters fehlt nicht deshalb, weil das Ausscheidungsverfahren fehlerhaft ist.
Einfaches Recht darf nicht Art. 101 12 GG relativieren, wohl aber kann es die Gesetzlichkeit des Richters regeln, das Verfassungsrecht bestimmt nicht selbst den gesetzlichen Richter, schützt nur den Anspruch, vor demjenigen Richter zu stehen, den das (einfache) Recht vorsieht. Den Widerspruch zwischen § 338 Nr. 1 und § 28 I durch eine teleologische, am Prozeßrecht orientierte Auslegung zugunsten des § 28 I zu beseitigen, wäre ohne weiteres möglich, sofern nur Prozeßrecht betroffen ist. Da aber § 338 Nr. 1 eine Konkretisierung von Art. 101 12 GG darstellt, bestünde der Konflikt nicht zwischen zwei Normen des einfachen Rechts, sondern zwischen § 28 I einerseits und dem Verfassungs gebot der Gesetzlichkeit des Richters andererseits. Damit müßte § 28 I als Recht niederen Ranges weichen, es sei denn, die Bestimmung enthielte selbst eine Regelung der Gesetzlichkeit des Richters. 260 Aus alledem folgt, daß aus § 28 I mehr als die bloße Unanfechtbarkeit des stattgebenden Ablehnungsbeschlusses herauszulesen ist. Die Vorschrift enthält vielmehr einen Teil rechtlicher Legitimation des nachrückenden Richters. Sie sagt zwar nicht, der nachrückende sei schlechthin der gesetzliche Richter (daher nur "Teil-Legitimation"), aber immerhin, seine Gesetzlichkeit könne nicht mit der Begründung beanstandet werden, der abgelehnte sei in Wirklichkeit der gesetzliche?61 Es kann nur noch gerügt werden, der nachgerückte sei aus anderen Gründen nicht der gesetzliche Richter, etwa weil ein anderer in Wirklichkeit nachrücken müsse. Was Ablehnungsgründe angeht, steht jedenfalls die Nichtlegitimation des abgelehnten Richters fest und damit zugleich die "Teil-Legitimation" des nachrückenden. 262 Ist demgegenüber die Erwägung der Motive,263 für ein Anfechtungsrecht gegen den stattgebenden Beschluß fehle ein praktisches Bedürfnis, antiquiert?264 Die stattgebende Ablehnung berührt den Anspruch auf den gesetzlichen Richter. 265 Ist sie fehlerhaft, ist Art. 10 1 GG 260 Die von Krey I, Tz. 327, gegebene rein prozessuale Begründung reicht deshalb nicht aus, um BGH NStZ 1982, 291 als unrichtig darzustellen. Die BGH-Entscheidung widerspricht freilich, wie Krey zu Recht bemerkt, dem bislang dominierenden Standpunkt in der Rechtsprechung und vor allem dem § 28 I, aber es ist eben durchaus fraglich, ob § 28 I, als bloße Prozeßrechtsbestimmung betrachtet, gegenüber § 338 Nr. 1 Vorrang verdient. 261 Richtig deshalb der Gedanke in BGH GA 1962,338: Der ausscheidende ist nicht mehr der gesetzliche Richter. Oder anders: Die Gesetzlichkeit des nachrückenden ist mit dem Hinweis auf den ausscheidenden nicht zu beanstanden. 262 Vgl. LR-Wendisch § 28 Tz. 1. 263 Hahn HIlI, S. 91 (zu § 22). 264 Arzt JR 1974, 76: "Als ob nicht z. B. dem Angeklagten daran gelegen sein kann, daß ein vom Staatsanwalt abgelehnter Richter weiter mitwirkt". 265 Arzt JR 1974,76.
VII. Innerprozessuale Bindungswirkung
103
verletzt. 266 Das könnte - trotz § 28 I - dem Angeklagten die (sofortige?) Beschwerde (nichterkennender) bzw. die Revision (erkennender Richter) eröffnen, denn es wäre prozeßökonomisch unsinnig,267 diese Rüge der Verfassungsbeschwerde vorzubehalten. Die gleichen Erwägungen gelten hinsichtlich des Verfahrens nach § 30. Darauf wird im Rahmen des fünften Teils besonders eingegangen.
c) Zusammenfassung: Rechtskraft - Bindungswirkung - res judicata
Wenn demgegenüber die h.M. bei Wiedereinsetzung und Richterablehnung lediglich auf Rechtskraftwirkungen abstellt,268, 269 so hat sie sich den Blick für unterschiedliche Behandlung der gewährenden und verwerfenden Entscheidungen selbst versperrt. Dabei ist die Frage nach der Reaktion auf die Verwerfung durch den unzuständigen judex a quo im Fall der Wiedereinsetzungsentscheidung denkbar einfach zu beantworten. Mag der Beschluß formell rechtskräftig sein oder nicht, jedenfalls steht die Entscheidung des zuständigen Revisionsgerichts nach 266 Wobei lediglich die Frage ist, welche Intensität die Fehlerhaftigkeit aufweisen muß (lediglich Willkür, BVerfGE 3, 359 (364); 11,1 (6) oder bereits ,,klar zu Tage tretende" Fehlerhaftigkeit, vgl. die Nachweise bei Arzt IR 1974, 76). 267 Arzt IR 1974,76. 268 Im Zivilprozeß ist die stattgebende Ablehnung wie im Strafprozeß stets unanfechtbar (§ 406 V ZPO). Der Prozeßgegner kann also die stattgebende Ablehnung nicht seinerseits mit der Berufung bzw. Revision verfolgen. Für die Berufung ergibt sich dies aus § 512 (1. Alt.) ZPO, für die Revision aus § 548 ZPO. In beiden Fällen ist die Vorentscheidung unanfechtbar. Es hat nun den Anschein, als sei die Rechtsmittelfähigkeit der versagenden Ablehnung im Zivilprozeß unterschiedlich geregelt, je nachdem, ob sie mit der Berufung oder mit der Revision angegriffen wird. Für die Berufung gilt § 512 (2. Alt.) ZPO: Die Entscheidung ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar (§ 506 V ZPO), die Alternativitätsmaxime. Die Partei wird auf die sofortige Beschwerde verwiesen, womit Berufung in diesem Punkt ausscheidet. Bei der Revision scheint es anders zu sein, denn hier entzieht § 548 ZPO nur noch die unanfechtbaren Vorentscheidungen der Revision. In Wirklichkeit umfaßt aber dieser Begriff der Unanfechtbarkeit wegen des durchgemachten Bedeutungswandels auch diejenigen Entscheidungen, die früher mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar waren, so daß auch heute noch - auch im Rahmen der Revision des Zivilprozesses - die Alternativitätsmaxime Bestand hat. Die versagende Ablehnung ist nicht deshalb der Revision entzogen, weil sie "unanfechtbar" ist, sondern weil auch hier der Antragsteller auf die sofortige Beschwerde verwiesen wird, die ihm allerdings wegen § 567 IV ZPO nicht (mehr) offensteht. 269 Nur scheinbar ist deshalb im Zivilprozeß die Anfechtung der versagenden Ablehnung mit Berufung oder Revision unterschiedlich geregelt. In beiden Fällen stand die Alternativitätsmaxime Pate, und nur wegen des Bedeutungswandels der "Unanfechtbarkeit" in § 548 ZPO tritt dies heute nicht mehr so deutlich zutage wie vor der Novelle von 1910 (vgl. o. 3 d). BGHZ 28, 302 (305) sieht die Dinge völlig richtig, wenn die Entscheidu\lg nicht danach differenziert, welche Instanz jeweils das Ablehnungsgesuch beschieden hat. Die Weiterverfolgung der Ablehnung mit Berufung und Revision ist aus identischen Erwägungen unzulässig, allein wegen der Alternativität der sofortigen Beschwerde, wobei hinzuzufügen ist: Im Unterschied zum Strafprozeß bleibt das Rechtsmittel gegen die versagende Ablehnung stets Beschwerde und wird niemals zur Revision, weil es eine dem § 28 11 2 vergleichbare Bestimmung im Zivilprozeß nicht gibt.
104
1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
§ 46 I noch aus. Dem kann nicht mit dem Hinweis begegnet werden, die Sache sei "schon entschieden", denn eine ,,res judicata" gibt es nicht im Rahmen ein und desselben Verfahrens bei Entscheidungen, die nicht die Sache betreffen. Das Revisionsgericht muß also über den Wiedereinsetzungsantrag befinden, obwohl der judex a quo - unzulässigerweise - bereits entschieden hat. Die Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts hängt nicht davon ab, daß zuvor die unzulässige Entscheidung des judex a quo aufgehoben worden ist. Versäumt etwa der Prozeßbeteiligte die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde, bleibt also der unzulässige Versagungsbeschluß in der Welt, so ist gleichwohl das Revisionsgericht nicht an eigener Entscheidung gehindert, weder durch Rechtskraft noch durch Bindungswirkungen, denn ,,rechtskräftig" ist überhaupt nichts entschieden, und Bindung besteht nicht.
Wird die Entscheidung des unzuständigen judex a quo durch sofortige Beschwerde angefochten, beschränkt sich das Beschwerdegericht auf die Aufhebung der Wiedereinsetzungsversagung; über das Gesuch selbst darf es nicht entscheiden, da dies dem Revisionsgericht vorbehalten ist. Bei der gewährenden Wiedereinsetzung folgt aus § 46 n innerprozessuale Bindung. Das gleiche gilt bei § 28 I für die stattgebende Richterablehnung. Allerdings wird durch § 28 I dem neu eintretenden Richter insofern (Teil-)legitimation verliehen, als er nicht seinerseits mit der Begründung abgelehnt werden kann, der ausges.chiedene Richter sei der gesetzliche. 5. Ergebnis
Der judex a quo ist an die Entscheidung des Beschwerdegerichts nur im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebunden, d. h. so lange, bis über die (Beschwerde-) Sache entschieden ist. Ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen, besteht keine wie immer geartete Bindung irgendeiner Instanz an die Beschwerdeentscheidung, insbesondere nicht des judex a quo, wenn die Sache nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens an die Vorinstanz zurückgelangt und dort ihren "Fortgang" nimmt. Der Entscheidung RG 59,241 ist zu folgen. Innerprozessuale Bindung kraft gesetzlicher Anordnung gilt allerdings gemäß
§ 46 11 und § 28 I.
VIII. Die synchrone Auslegung der §§ 305 und 336
105
VBI. Die synchrone Auslegung der §§ 305 und 336 1. Der Ausgangspunkt
Die beruhensgeeigneten Entscheidungen des erkennenden Gerichts sind deshalb nicht beschwerdefähig, weil sie zusammen mit dem Urteil der Revision unterworfen sind. Die Eröffnung der Revision ist der Grund für die Sperrung des Beschwerdewegs. 27o Dieser Zusammenhang wird von Schwentker bestritten.271 Die Kreise der von § 305 S. 1 und § 336 S. 1 betroffenen Entscheidungen seien nicht "so deckungsgleich ... wie sie von der h.M. gern dargestellt werden.,,272 Schwentker begründet dies zum einen mit der verschiedenartigen Ausgangssituation von Beschwerde und Revision. Das Beschwerdegericht könne die Beruhensfrage nicht rückwirkend in einer "ex post" - Betrachtung auf ein bereits von anderen gefälltes Urteil beziehen, sei vielmehr gezwungen, in einer Prognose "ex ante" die Beruhensmöglichkeit auf das noch gar nicht feststehende Urteil anzuwenden. 273 Diese beiden unterschiedlichen Perspektiven liegen indessen in der Natur der Sache. Eine Beziehung zwischen zwei Größen A (Vorentscheidung) und B (Urteil) gibt es nicht, wenn B (noch) nicht existiert. Solange das Urteil nicht gefällt ist, läßt sich von einem wie immer gearteten Zusammenhang mit einer Vorentscheidung nicht sprechen. Das Revisionsgericht kann aus der Retrospektive den realen, das Beschwerdegericht aus seiner prospektiven Sicht nur den potentiellen Beruhenszusammenhang, die Beruhensmöglichkeit, feststellen. Letztere genügt zur Bestimmung des statthaften Rechtsmittels. Ist die Entscheidung geeignet, Vorentscheidung des Urteils zu sein, scheidet sie damit nach § 305 S. 1 aus dem Kreis der nach § 304 I beschwerdefähigen Beschlüsse und Verfügungen aus, ohne daß es darauf ankommt, ob in naher oder ferner Zukunft der potentielle Beruhenszusammenhang reale Gestalt annimmt. Für die Revisibilität gibt das Beruhen, für den Ausschluß der Beschwerde die Beruhenseignung den Ausschlag. Ex post betrachtet, kann der Beruhenszusammenhang durchaus auch wieder zerschlagen sein, etwa dadurch, daß die gesetzwidrig ermittelte Tatsache nicht verwertet oder die Gesetzesverletzung auf andere Weise - z. B. durch Nachholung ordnungsgemäßen Prozedierens - geheilt wird. Ferner soll nach Schwentker wegen der Anforderungen an die Substantiierungslast und wegen der Beschränkungen bei der Fehlerüberprüfung die Revision einen 270 In diesem Sinn bereits die klärenden Äußerungen von Gössel NStZ 1982, 141 f., der auch auf die lediglich klarstellende Bedeutung des § 336 S. 1 (gegenüber § 337) hinweist; vgl. im übrigen o. 1. Teil V. 1. a). 271 Schwentker, S. 60 ff. 272 Schwentker, S. 82. 273 Schwentker, S. 75.
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I. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
der Beschwerde "gleichwertigen,,274 Rechtsschutz nicht gewährleisten. Diese Sicht läßt allerdings das historische Verhältnis zwischen § 305 und § 336 außer Acht und verkennt insbesondere die dem Strafprozeß zugrundeliegende Ganz-und-Alles-Maxime,275 deren Ausdruck das von den Entwürfen I bis III und dem Gesetz vorausgesetzte Zusammenspiel beider Bestimmungen ist. Es geht auch nicht um "Gleichwertigkeit" des Rechtsschutzes, so daß es unerheblich ist, ob beispielsweise das Ermessen in der Revision so eingehend überprüft und u.U. ersetzt werden kann, wie es im Beschwerdeverfahren möglich wäre. Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes ist deshalb nicht gefragt, weil sich die Funktion der beruhensgeeigneten Entscheidung i.S. von § 305 S. 1 in ihrer Bedeutung als Vorentscheidung für das Urteil erschöpft. Indem die Vorentscheidung nicht um ihrer selbst, sondern um des Verfahrensfortgangs willen getroffen wurde, wird sie auch nicht um ihrer selbst willen angefochten, sondern unterliegt nur im Blick auf eine mögliche Urteilsaufhebung der Überprüfung des Revisionsgerichts. Da die Vorentscheidung i.S. des § 305 S. 1 ausschließlich auf das Urteil abzielt, kann sie nur die causa für die Urteilsaufhebung abgeben; die Aufhebung der Entscheidung selbst ist weder erforderlich noch dem von ihr betroffenen Prozeßbeteiligten dienlich. Das Verlangen nach "Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes" verkennt die - begrenzte - Funktion der beruhensgeeigneten Entscheidungen. Schwentker gibt ohne Not das bereits vom Entwurf I so vorzüglich herausgearbeitete Zusammenspiel der §§ 305, 336 preis. Damit wird § 305 konturenlos, denn an die Stelle der Beruhenseignung muß nun etwas anderes gesetzt werden, das Schwentker in den Merkmalen der "Vorläufigkeit" und der "Ermangelung weiterer über die Urteilsvorbereitung hinausgehender Verfahrenswirkungen" sieht. 276 So tritt das ein, was er selbst befürchtet: Die Rechtsmittelsystematik "gerät aus den Fugen".277 Dies zu verhindern, ist die von ihm vorgeschlagene Abgrenzungsmethode nicht geeignet. Aus der hier zugrundegelegten Sicht, die als causa für die Sperrung des BeschwerdewegS die Zuweisung der Entscheidung in den Bereich der Revision sieht,278 folgt, daß § 305 die Beschwerde dann nicht versagt, wenn gegen das Urteil Revision nicht statthaft ist. Diese 274 Schwentker, S. 80. 275 Die Ganz-und-AlIes-Maxime kann zuweilen lästig sein, insbesondere für Großverfahren. Dazu Grünwald, Gutachten, S. 79: Der unter Umständen langwierigen Hauptverhandlung wird nachträglich die Basis entzogen, wenn Rechtsfehler festgestellt werden. Die Ganzund-Alles-Maxime, wie sie in §§ 305, 336 zum Ausdruck gelangt, kann jedoch nicht generell in Frage gestellt werden. Grünwald erörtert die Möglichkeit von Vorabentscheidungen über materielle Rechtsfragen (S. 48 ff.), die er ablehnt (S. 52), und über einzelne Verfahrensrügen (so z. B. im Anschluß an Peters, S. 151, für Verfahren von längerer Dauer die Bescheidung eines Gesuchs auf Ablehnung eines erkennenden Richters entgegen § 28 11 2 im laufenden Prozeß). 276 Schwentker, S. 118. 277 Schwentker, S. 112. 278 Ebenso Bloy JuS 1986, 595 (auch gegen das Argument, § 305 S. I solle Eingriffe in die Souveränität des erkennenden Gerichts vermeiden (S. 588»; Bloy nimmt auch die Entscheidungen nach § 305 S. 2 nicht von § 336 S. I aus: Gegen sie sei sowohl Beschwerde als auch Revision zulässig.
VIII. Die synchrone Auslegung der §§ 305 und 336
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Konstellation findet sich im Berufungsverfahren nach dem JGG, denn Revision gegen das Berufungsurteil ist gemäß § 55 II JGG ausgeschlossen. Diesen Zusammenhang zwischen §§ 305, 336 hat das OLG Hamm instruktiv herausgearbeitet: Aus § 55 II JGG folge neben dem Revisions- nicht etwa zusätzlich der Ausschluß der Beschwerde. 279
Bei der Auslegung des § 305 wird verschiedentlich auf den "direkten und inneren Zusammenhang mit dem Urteil" abgestellt oder auf ähnliche Begriffe. 280 Diese Interpretationsversuche zu § 305 S. 1 sind wenig aussagekräftig und leiden vor allem unter mangelnder Abstimmung mit der Auslegung des § 336 S. 1. Innerer Zusammenhang mit dem Urteil mag zwar eine gelungene Umschreibung zur Eingrenzung des § 305 sein, beurteilt indessen die Frage der Beschwerdefähigkeit nur aus einer Blickrichtung, aus der prospektiven, d. h. aus der Perspektive der Verhandlung, die das Urteil noch vor sich sieht. Die Auslegung muß indessen mit der der Revision zugrundeliegenden Blickrichtung kombiniert werden, der retrospektiven. Die Vorschau aus § 305 S. I und die Rückschau aus § 336 S. 1 ergeben zusammengenommen den Blick auf das Wesenselement der Entscheidungen, die - systemimmanent - der Beschwerde entzogen und damit gleichzeitig der Revision unterworfen sind: Es ist die Beruhensmöglichkeit des § 336 S. 1.281 "Vorausgehend" i.S. von § 305 und "vorausgegangen" LS. von § 336 S. I müssen kongruent verstanden werden, wenn auch jeweils aus anderer Perspektive (voraus- bzw. rückschauend). Nicht der Sachzusammenhang mit dem Urteil,282 sondern die Möglichkeit seines Beruhens auf der angefochtenen Entscheidung ist für den Beschwerdeausschluß maßgebend. 2. Die Beruhensmöglichkeit als Einschränkung des § 305
Der Revision unterliegen nicht alle "vorausgegangenen" Entscheidungen, sondern nur die, auf denen das Urteil beruhen kann. Das Beruhen, wie es in § 336 S. 1 zum Ausdruck kommt, muß als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 305 hinOLG Hamm NStE Nr. I zu § 305 (betrifft einen Fall der Pflichtverteidigerbestellung). LR-Gollwitzer § 305 Tz. 12; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 305 Tz. 4; KK-Engelhardt § 305 Tz. 5; Ellersiek, S. 122 ff.; Kramer Tz. 330 a; KG JR 1995, 38. 281 Sehr klar in dieser Hinsicht Eh. Schmidt § 336 Tz. 1; vgl. auch OLG Saarbrücken (NJW 1963, 1513) einen Fall des Nebenklägeranschlusses betreffend. Der Zusammenhang zwischen § 305 und § 336 wird gesehen. Die Entscheidung hält jedoch die Beschwerde für zulässig, weil sie "nicht ausschließlich" der Urteilsvorbereitung diene, sondern eine weitergehende Wirkung entfalte, indern sie die Rechtsstellung des Nebenklägers festlege. 282 Auch der Gesichtspunkt der "Nichteinmischung" der Beschwerdeinstanz, auf den verschiedentlich abgestellt wird - so Fezer 19 Tz. 88 (S. 269) und OLG Harnburg NStZ 1985, 88 -, ist rechtlich irrelevant. Er kommt der Wahrheit allerdings nahe, wenn damit die "Ganzund-Alles-Maxime" betont werden soll. Nicht ungestörter Verfahrens ablauf, sondern Vermeidung von Rechtsmitte1konkurrenz ist der wahre Grund für das synchrone Zusammenspiel der §§ 336, 305. Ohne Einmischung der höheren Instanz entscheidet der judex a quo in keiner Weise. Die Frage ist lediglich, welches Rechtsmittelgericht zur Einmischung befugt ist. V gl. im übrigen Bloy JuS 1986,588. 279 280
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
eingelesen werden, d. h. dessen (zu weit gefaßter) Wortlaut ist teleologisch zu reduzieren, wenn beide Vorschriften gleichlaufend ausgelegt werden sollen?83 Nicht der Umstand, daß Entscheidungen der Urteilsvorbereitung dienen, sondern daß das Urteil auf ihnen beruhen kann, entzieht sie der Beschwerde. Nicht der vage Begriff des "inneren Zusammenhangs,,284 gibt für die Beschwerdesperre den Ausschlag, sondern die Tatsache, daß Entscheidungen revisibel sein können. Der innere Zusammenhang mit dem Urteil kann in Wahrheit nichts anderes als der Beruhenszusammenhang des § 336 sein. § 305 S. 1 ist deshalb wie folgt zu lesen: "Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen und auf denen das Urteil beruhen kann, unterliegen nicht der Beschwerde".
3. Beschränkung des § 336 S. 1 auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts
Die synchrone Abstimmung der von § 305 S. 1 und § 336 S. 1 umfaßten Regelungsbereiche verlangt, daß die nach § 305 S. 1 der Beschwerde entzogenen Entscheidungen gemäß § 336 S. 1 der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen. Daraus folgt zunächst lediglich eines: Der Geltungsbereich des § 305 S. 1 geht vollständig in dem des § 336 S. 1 auf. Da die Beschwerde nach § 305 S. 1 um der Revision willen ausgeschlossen wird, ist keine nach § 305 S. 1 der Beschwerde entzogene Entscheidung denkbar, die nicht nach § 336 S. 1 der Beurteilung des Revisionsgerichts unterworfen wäre. Mithin werden alle von § 305 S. 1 angesprochenen Entscheidungen des erkennenden Gerichts von § 336 S. 1 erfaßt. Das bedeutet nicht zwangsläufig vollständige Deckungsgleichheit beider Regelungskreise. Denkbar ist, daß der Geltungsbereich des § 336 S. 1 neben den von § 305 S. 1 angesprochenen Entscheidungen noch weitere umfaßt. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob - außer § 305 S. 1 - noch andere Bestimmungen die Beschwerde 283 Das ist bereits erkannt von Mannheim JW 1929, 1064 (r.Sp.): Besteht zwischen Vorentscheidung und Urteil "Kausalzusammenhang", ist sie mit der Revision, andernfalls mit der Beschwerde angreifbar. Das ist im Ansatz richtig bis auf die Tatsache, daß der Beruhenszusammenhang als Kausalbindung dargestellt und (im konkreten Fall ging es um die Revision des zurückgewiesenen Nebenklägers) der Nebenkläger als Dritter (§ 305 S. 2) angesehen wird. Eben jenes von Mannheim zutreffend dargestellte Verhältnis zwischen §§ 305, 336 führt zwingend zu der Annahme, daß der Nebenkläger deshalb nicht Dritter sein kann, weil ihm die Revision offensteht, vgI. o. 1. Teil 1. 2. Es kam also nur auf § 305 S. 1 an, wonach die Revision richtig als statthaft anzusehen war, wohingegen § 305 S. 2 hätte verneint werden müssen. Nebenbei bemerkt liegen die Ausführungen des besprochenen Urteils (BayObLG JW 1929, 1064, zu Nr. 6) zur Frage der Beschwerdezulässigkeit neben der Sache. Es kam nur auf den Beruhenszusammenhang an. Nicht die Beschwerde hätte Revision ausgeschlossen, wohl aber wäre die Statthaftigkeit der Revision ein Indiz für die Nichtstatthaftigkeit der Beschwerde gewesen, die indessen nicht zur Prüfung anstand. 284 Mannheim, JW 1927, 2076, stellt zutreffend auf das Beruhen ab - im Gegensatz zum bloßen zeitlichen Zusammenhang -, kennzeichnet indessen den Beruhenszusammenhang als Kausalnexus.
VIII. Die synchrone Auslegung der §§ 305 und 336
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zugunsten der Revision ausschließen. Diese Frage stellt sich etwa für den Eröffnungsbeschluß. 285 Dieses Problem berührt jedoch nicht die Abstimmung der §§ 305 S. 1,336 S. 1 und soll deshalb der Erörterung im Rahmen der Einzelfragen vorbehalten bleiben (5. Teil). Nach dem bis jetzt gewonnenen Zwischenergebnis sollte § 336 S. 1 so gelesen werden: ,,Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die dem Urteil vorausgegangen sind und auf denen das Urteil beruht."
Gesetzestechnisch einfacher wäre die Fonnulierung: ,,Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die nach § 305 S. 1 der Beschwerde entzogen sind".
Sie hat den Vorteil, das Zusammenspiel zwischen § 305 S. 1 und § 336 S. 1 in Fonn einer Verweisung klarzustellen,286 beantwortet allerdings noch nicht die Frage, inwieweit neben den in § 305 S. 1 genannten weitere Entscheidungen gemäß § 336 S. 1 der Revision unterworfen sind. Mit der synchronen Interpretation der §§ 305, 336 ist zugleich der Sinn des § 336, der vielfach als "dunkel" empfunden wird,287 erhellt, wird aus der Zusammenschau beider Bestimmungen deutlich: §§ 305, 336 entziehen beruhensgeeignete Vorentscheidungen der Beschwerde und weisen sie der Revision zu, mit der Folge, daß sie, soweit sie nach § 305 der Beschwerde vorenthalten sind, der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen. Das ist die Rechts/olge der QualifIkation einer Entscheidung als Vorentscheidung. Mit dieser wird nicht etwa ein Teil des "Streitgegenstandes", wie es im Zivilprozeß möglich ist, vorab beurteilt, womit dieser Verfahrensgegenstand der Revision entzogen wäre, sondern die Vorentscheidung wird zusammen mit dem Urteil durch das Revisionsgericht überprüft. 288 Vgl. unten, 5. Teil I. Das Zusammenspiel von §§ 305 S. 1 und 336 S. 1 ist sehr gut herausgearbeitet bei AK StPO-AltenhainlGünther § 305 Tz. 3. 287 Vgl. LR-Hanack § 336 Tz. 1. 288 Es wird gesagt, die Vorentscheidung werde bei Erlaß des Urteils erneut überprüft (so schon der Entwurf I, S. 213; ferner KleinknechtlMeyer-Goßner § 305 Tz. 1; LR-Gollwitzer § 305 Tz. 13; KMR-Paulus § 305 Tz. 1; OLG Celle NJW 1971, 256f. (Entscheidung nach § 81 a); LG Bremen NJW 1968,208 (Anordnung eines Trinkversuchs)). Das ist in dieser allgemeinen Form nicht richtig. Die Vorentscheidung kann zwar bei Erlaß des Urteils erneut überprüft werden - so wenn etwa in der Beratung noch erwogen wird, ob nicht doch dem einen oder anderen Beweisantrag nachzugehen ist, obgleich er zuvor abgelehnt wurde -, jedoch gibt es Vorentscheidungen, die vom erkennenden Gericht nicht mehr überprüft werden können, die aber gleichwohl der revisionsrichterlichen Kontrolle nach § 336 S. 1 unterliegen. Hat zum Beispiel das Beschwerdegericht entschieden, daß die an den Zeugen gerichtete Frage unzulässig ist (vgl. o. VII. 2.), ist das erkennende Gericht hieran gebunden und kann die Frage nicht erneut zulassen. Dennoch wird die Entscheidung über die Nichtzulassung der Frage durch das Revisionsgericht überprüft, denn dieses ist an die Beschwerdeentscheidung 285
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung: Der Beruhenszusammenhang mit dem Urteil Schwieriger als die Rechts/olgen - die sich bei synchroner Auslegung der §§ 305 S. 1, 336 S. 1 als Beschwerdeentzug und Revisionsfähigkeit aus dem Ge-
setz ergeben -lassen sich die Bedingungen definieren, unter denen eine Entscheidung als Vorentscheidung anzusehen ist. Nicht jede Entscheidung des erkennenden Gerichts, nur die, auf der das Urteil beruhen kann, ist Vorentscheidung des Urteils (§ 336 S. 1). Die Beschaffenheit der Beruhenseignung hängt von der des Beruhenszusammenhangs ab. Ist dieser z. B. lediglich durch den Kausalnexus zu definieren, kommt es auch für die Beruhenseignung darauf an, ob die Entscheidung, vorausschauend betrachtet, den Inhalt des Urteils möglicherweise kausal beeinflussen wird. Kennzeichnet sich der Beruhenszusarnmenhang dagegen zusätzlich oder ausschließlich durch normative Wertung, so muß diese Betrachtungsweise auch bei der Prüfung der Beruhenseignung angewandt werden. Es gilt also, den Begriff des Beruhenszusammenhangs auszuloten. 1. Der Begriff des Beruhens in § 336 S. 1 ist der des § 337 I
Nach § 337 I muß das Urteil "auf einer Verletzung des Gesetzes" beruhen, nach § 336 S. 1 auf der Vorentscheidung. Der unterschiedliche Gesetzeswortlaut könnte zu der Annahme führen, in § 337 I sei der Beruhenszusarnmenhang mit dem Fehler, in § 336 S. 1 mit der Entscheidung angesprochen. Im einen Fall müßte das
Urteil demnach auf einer normativen Kategorie ("Verletzung des Gesetzes"), im anderen auf einem Vorgang aus dem Bereich des Seins, schlicht "der Entscheidung", gründen. Indessen besteht Einigkeit darüber, daß dieser unterschiedliche Gesetzeswortlaut keine Unterscheidung in der Sache nach sich zieht. 289 Der Beruhenszusarnmenhang meint in § 336 S. 1 dasselbe wie in § 337 I. Gerügt werden kann sowohl ein Gesetzesverstoß, den das Urteil selbst enthält (§ 337 I), als auch ein Rechtsfehler, der einer Vorentscheidung anhaftet (§ 336 S. 1), wobei in beiden Fällen vorausgesetzt wird, daß das Urteil auf eben diesem Rechtsfehler "beruht". 290 § 336 muß demnach wie folgt verstanden werden: "Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Vorentscheidungen. Die Revision kann auch darauf gestützt werden, daß das Urteil auf der in einer Vorentscheidung enthaltenen Verletzung des Gesetzes beruht." nicht gebunden. Das Kriterium der Vorentscheidung ist also nicht die erneute Überprüfung bei der Urteilsfällung, sondern die Überprüfung zusammen mit dem Urteil durch die Revisionsinstanz. 289 KMR-Paulus § 336 Tz. 7; Eh. Schmidt § 336 Tz. 3. 290 Angefochten wird das Urteil, nicht die Vorentscheidung. Überprüft wird das Urteil und damit inzidenter die Vorentscheidung.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Fraglich ist, ob sich beide Bestimmungen unter einem anderen Aspekt unterscheiden: Während § 337 I alle Rechtsfehler (auch des Verfahrens) anspricht, betrifft § 336 S. I nach seinem Wortlaut nur solche, die durch eine Entscheidung des Gerichts begangen wurden. Dasselbe gilt für § 305 S. l. Dies könnte dazu führen, Verfahrensfehler, die sich nicht in einer Entscheidung niedergeschlagen haben, wie z. B. die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters oder die unbewußte Nichterteilung des letzten Worts, nicht den §§ 336 S. 1,305 S. 1 zu unterstellen. Da § 305 S. 1 eine Ausnahmeregelung gegenüber § 304 I enthält, der seinerseits expressis verbis nur "Beschlüsse" und "Verfügungen" (von § 305 S. 1 zusammengefaßt unter "Entscheidungen") der Beschwerde unterwirft, wird die Frage, ob auch die "Nichtentscheidung" oder das Unterlassen einer Entscheidung beschwerdefähig ist, von der h.M. zutreffend schon bei § 304 I erörtert. Herkömmlich wird die Beschwerde "auch gegen Unterlassungen" für statthaft gehalten,291 teilweise mit der Einschränkung, daß dem Unterlassen ein ,,Erklärungswert" zukommen müsse. 292 Nach welchen Kriterien sich die (überwiegend für unstatthaft gehaltene) bloße Untätigkeitsbeschwerde von der (statthaften) Beschwerde gegen Unterlassungen abgrenzen soll, bleibt zuweilen dunkel. 293 Nach der hier vertretenen Auffassung, die die §§ 305, 336 synchronisiert, löst sich die Frage aus einem anderen Blickwinkel. Es geht nur darum, welchem Rechtsmittel ein Verfahrensfehler zu unterstellen ist. Ist er beruhensgeeignet, unterliegt er der Revision, ist er es nicht, der Beschwerde. Es geht nur um Rechtsmittel-"Kanalisierung", nicht um -Ausschluß, d. h. es darf kein Verfahrensfehler etwa mangels Beruhenseignung durch das Raster der Revision und zugleich mangels ausdrücklicher gerichtlicher ,,Entscheidung" durch das der Beschwerde fallen. Die Begriffe, die den Kreis der anfechtbaren Entscheidungen in den §§ 304 I, 305 S. 1,336 S. 1 umschreiben, sind also teleologisch so zu erweitern, daß sie jeden Verfahrensfehler umfassen, sei er durch ausdrückliche Entscheidung, sei er stillschweigend begangen. Für § 336 S. 1 bestätigt dies die These seiner praktischen Entbehrlichkeit, denn die Bestimmung ist sowohl bezüglich des Beruhens als auch der anfechtbaren "vorausgegangenen Entscheidungen" vollständig in § 337 I enthalten. § 336 S. 1 besagt nichts anderes als § 337 I,daß der Beurteilung des Revisionsgerichts auch das vorangegangene Verfahren unterliegt und die Revision auch darauf gestützt werden kann, daß das Urteil auf einem in diesem begangenen Verfahrensfehler beruht. Wenn daher in dieser Untersuchung künftig von Vorentscheidungen gesprochen wird, umfaßt dieser Begriff auch die Verfahrensfehler, die sich nicht in einer ausdrücklichen "Entscheidung" niedergeschlagen haben. Ellersiek, S. 65; KleinknechtlMeyer-Goßner § 304 Tz. 3; KK-Engelhardt § 304 Tz. 3. BGH NJW 1993, 1229; OLG Hamm JMBINW 1981,69 (70); LG Stuttgart NStZ 1991, 204; KMR-Paulus § 304 Tz. 1; Scheffler, S. 82ff.; vgl. im übrigen die ausführliche Erörterung bei AK StPO-Altenhain I Günther § 304 Tz. 17 ff. mit weiteren Nachweisen. 293 So zu Recht der Hinweis von AK StPO-AltenhainlGünther § 304 Tz. 17. 291
292
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 2. § 337 I unterscheidet zwischen Verfahrens- und Sachrevision
Revision nach § 337 I setzt voraus, daß eine Verletzung "des Gesetzes" gerügt wird. Die StPO differenziert in § 337 I nicht zwischen Rechtsfehlem des Verfahrens und solchen des sachlichen Rechts. 294 Daraus ist lange der Schluß gezogen worden, daß es sich bei der Revision um "ein einheitliches Gebilde" handle und "beiden Revisionsgründen derselbe Gedanke zugrundeliege".295 Erst die bahnbrechenden Ausführungen von Schwinge haben deutlich gemacht, daß in Wirklichkeit Verfahrens- und Sachrüge zwei wesensmäßig verschieden ausgestaltete Rechtsmittel darstellen. 296
a) Die Unterscheidung zwischen Verfahren und Urteil In dieser Sicht sind Verfahren und das am Ende des Verfahrens ergehende Urteil zu unterscheiden, wobei in diesem Zusammenhang nur das Sachurteil gemeint ist, nicht etwa das Urteil, das den Prozeß aus Gründen des Verfahrensrechts beendet (etwa nach § 260 III); bei einem Prozeßurteil geht eine Sachrüge ins Leere, es kann nur aus verfahrensrechtlichen Gründen korrigiert werden. Entscheidet das Gericht dagegen in der Sache, beurteilt die Revision bei Prüfung des Verfahrens den Erkenntnis weg, bei Prüfung des Urteilsinhalts das am Ende des Prozesses stehende Erkenntnis in der Sache;297 die jeweilige Kontrolle ist von unterschiedlicher Qualität, was schon daraus erhellt, daß die Einhaltung von Verfahrensrecht nicht zu den tragenden Gründen des Urteils gehört, diese sind immer Erwägungen materiellrechtlicher Art.
Wohl aber hinsichtlich des Begründungszwangs, § 344 H. Schwinge, S. 34; zum Folgenden vgl. auch Pfitzner, S. 87 ff., 196 ff. 296 Schwinge trennt scharf zwischen der Revision wegen materiell-rechtlicher Verstöße und der aus prozessualen Gründen (S. 34 ff.). Letztere hat die Funktion, die Vorinstanz "zu gewissenhafter Einhaltung der Vorschriften der Prozeßgesetze zu erziehen" (S. 36). "Der Gedanke an die Möglichkeit einer Aufhebung des Urteils ... wird dem sorglosen Richter ein Antrieb sein, die Verfahrensnormen so genau einzuhalten und zu beachten, wie man es im Interesse jedes in einen Prozeß hineingezogenen Staatsbürgers ... verlangen muß." Wie unentbehrlich diese Funktion des Verfahrensrechts ist, zeigen die Ausführungen von Hamm StV 1987, 262, insbesondere das Beispiel S. 268 (r.Sp.); vgl. auch Herdegen, Strafverteidigung Tz. 2 (S. 476f.): "Das korrekte Verfahren ist eine Bedingung der richtigen Entscheidung." Zur Bedeutung der Beschwerde als Instrument der Kontrolle amtsrichterlicher Tätigkeit vgl. die Untersuchung von Thym NStZ 1981, 93. Die Unterscheidung zwischen Sachund Verfahrensrüge im Zivilprozeß wird sehr deutlich hervorgehoben von R. Bruns (S. 425) und Rimmelspacher ZZP 84 (1971), 50: Die absolute Richtigkeit spielt in der Revisionsinstanz keine Rolle, nur die relative; richtig ist eine Feststellung, die ohne Rechtsverletzung getroffen ist. 297 Vgl. LR-Hanack § 337 Tz. 66; Rieß GA 1976, 139: Das Verfahrensrecht dient der Findung einer gerechten Entscheidung auf justizförrnigem Weg; Kleinknecht / Meyer-Goßner § 337 Tz. 8. 294 295
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Nur scheinbar verträgt sich dies nicht mit dem Gesetz, das in § 344 II nicht von ,,Erkenntnisweg" und ,,Erkenntnis" spricht, sondern von der Verletzung einer "Rechtsnorm über das Verfahren" und der einer "anderen Rechtsnorm". Das liegt daran, daß das Gesetz offensichtlich die Revision als homogen strukturiertes Rechtsmittel sieht und die erst von Schwinge herausgearbeitete unterschiedliche Struktur von Sach- und VerfahrensfÜge bei Erlaß der StPO nicht mit dieser Klarheit erkannt wurde. In der Tat folgt aus der Trennung von Verfahren (als Erkenntnisweg) und Urteil (als Erkenntnis) die Unterscheidung zwischen Verfahrens- und Sachrüge. Einen interessanten Aspekt, der den qualitativen Unterschied zwischen Fehlern des Urteils und des Verfahrens betrifft, erörtert Bohnert, wenn er die These, § 28 n 2 enthalte einen Fall der Beschwerde (nicht der Revision), auf folgende Hilfserwägung stützt: "Gegenstand der Revisionsprüfung ist das Urteil. Dieses ist die (wichtigste) Entscheidung der erkennenden Richter auf Grund der Hauptverhandlung. Also kann die Revision nur deren Entscheidung prüfen".298 Weil der über die Ablehnung entscheidende Spruchkörper - wegen § 27 (Ausscheiden des Abgelehnten) - nicht identisch mit dem erkennenden Gericht, die Entscheidung über die Ablehnung folglich nicht Teil der Hauptverhandlung sei, beschränke § 28 I nicht die Revision, sondern die Beschwerde. Das ist richtig, denn ohne § 28 II 2 wäre auch bezüglich des erkennenden Richters die (sofortige) Beschwerde nach § 28 II 1 gegeben, weshalb diese Bestimmung tatsächlich jenes Beschwerderecht einschränkt. Indessen folgt daraus nicht, daß das Rechtsmittel nach § 28 II 2 nun selbst zur Beschwerde wird, ebensowenig wie die Vorentscheidungen, die durch § 305 S. I der Beschwerde entzogen und der Revision zugewiesen werden, durch das Revisionsgericht nach Beschwerderecht überprüft würden. Das Rechtsmittel des § 336 S. 1 bleibt Revision. Wenn daher § 28 II 2, wie Bohnert richtig bemerkt, den Beschwerdeweg sperrt, bleibt die Anfechtung ,,zusammen mit dem Urteil" eben nicht Beschwerde, sondern wird zur Revision. 299 Die Erwägung von Bohnert, weil die Revision nur das Urteil überprüft, könne § 28 II 2 kein Fall der Revision sein, unterschätzt die Bedeutung der Verfahrensrevision. Diese hebt nicht auf das Urteil, sondern auf das Verfahren ab. Gleichwohl ist Anfechtungsziel das Urteil. Der Fehler des Verfahrens gibt nur den Hebel zur Urteilsaufhebung ab. Die Entscheidung nach § 28 II ist bezüglich des erkennenden Richters Vorentscheidung nach § 336. Ihre Fehlerhaftigkeit geflihrdet den Bestand des Urteils - auch wenn dieses selbst, wie bei jeder Verfahrensrevision, nicht Gegenstand deren Überprüfung ist.
Rechtsfehler des Urteils sind ausschließlich sachliche, keine Verfahrensfehler, weil das Verfahren nicht zugleich das Urteil oder ein Teil desselben ist. Dem steht nicht entgegen, daß nach § 338 Nr. 7 das Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist, wenn es keine EntscheidungsgfÜnde enthält oder verspätet zu den Akten gebracht worden ist. Die Verletzung des § 275 I 2, 4 oder auch des § 267 betrifft Verfahrensrecht, allerdings nicht von Vorschriften über das Verfahren bis zum Urteil, also auf dem Erkenntnisweg, sondern das Verfahren danach. Daß das Gesetz bei Verletzung derartiger Bestimmungen den Beruhenszusammenhang als gegeben ansieht, ist nichts anderes als Fiktion, die als solche 298 Bohnert, S. 71 unter Hinweis auf RG Rspr. 8, 89 (91); RG 13,302. 299 § 28 n 2 hat die gleiche Wirkung wie § 305 S. 1.
8 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
den vorausgehenden Darlegungen nicht widerspricht. 300 Wäre es anders, begründete § 338 Nr. 7 - wie andere absolute Revisionsgründe des § 338 - eine unwiderlegliche Vermutung. Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. 30l Ob Ausnahmen gelten, etwa Anträge aus der Hauptverhandlung nicht in dieser, sondern erst im Urteil beschieden werden dürfen,302 ist letztlich nicht entscheidend. Es kommt nicht darauf an, an welcher Stelle die Ausführungen über den Verfahrensvorgang stehen und wann die Verfahrensanträge beschieden werden, sondern darauf, daß die Darstellung des Verfahrensgangs, selbst wenn sie sich im Urteil findet, die Sachentscheidung nicht ,trägt'. Letztere findet ihre Begründung allein in den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen, auf die sich die Entscheidung stützt,303 in den für erwiesen erachteten Tatsachen und in dem zur Anwendung gebrachten Strafgesetz (§ 267 I, III). Der grundsätzliche Unterschied zwischen Verfahrens- und Sachrevision wird neuerdings wieder in Frage gestellt. So greift Maatz etwa das "Dogma" von der selbständigen Prüfung der dem gerügten Verfahrensfehler zugrundeliegenden Tatsachen an und vertritt die Auffassung, das Revisionsgericht habe auch Verfahrensrecht nur in jure, nicht aber in facto zu überprüfen. 304 Der Wortlaut des § 337 legt in der Tat diese Auffassung nahe, da er nur von "Verletzung des Gesetzes" spricht und damit materielles wie prozessuales Recht bezeichnet. Auch ist richtig, daß Rechtsanwendung Anwendung der Norm auf einen bestimmten Sachverhalt bedeutet. Entscheidend ist nur, daß im Hinblick auf das Verfahren das Gesetz es mit der Überprüfung injure nicht bewenden läßt. Das folgt aus § 34411 2, wonach die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden müssen. Ginge es nur um Rechtsüberprüfung, müßten sie nicht zwingend benannt werden?05 Verlangt ist Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens, nicht 300 Vgl. hierzu Schwinge, Jung-Festgabe, S. 220: "Der Mangel der Entscheidungsgründe hebt sich schon äußerlich von den übrigen Untertatbeständen des § 338 insofern ab, als es sich bei ihm um einen Verfahrensmangel handelt, der zeitlich nach der Urteilsverkündung liegt. Logisch paßt er unter den § 338 ebensowenig wie unter die allgemeine Regel des § 337, denn das Urteilsergebnis pflegt bei der Niederschrift der Begründung schon festzustehen, durch Unterlassung der Niederschrift vermag ein störender Einfluß auf das Urteil also nicht mehr ausgeübt zu werden." Ähnlich Widmaier, S. 82 f., zur Besetzungsrüge und zu § 338 Nr. 6 und Nr. 7; eramer, Peters-Fschr. 1974,247. 301 LR-Gollwitzer § 267 Tz. 2; vgl. auch die treffenden Bemerkungen von KK-Hürxthal § 267 Tz. 12: Das Gesetz fordert mit Rücksicht auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung von den Urteilsgründen zum Schuldspruch nur die Angabe des für erwiesen erachteten Tatgeschehens, nicht aber die Darlegung, auf welchem Wege der Tatrichter zu dieser Überzeugung gelangt ist. 302 Vgl. OLG Hamm NJW 1962, 66: Die Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen in den Urteilsgründen ist rechtsfehlerhaft, wenn der Sinn der Anträge nicht verständlich und deshalb rechtlich nicht nachprüfbar ist. 303 LR-Gollwitzer § 267 Tz. 1. 304 Maatz DRiZ 1991, 202; demgegenüber Fezer, Untersuchung, S. 187 f. (zur "reinen Subsumtionsprüfung" bei der Sachrüge); ferner Peters, S. 648 ff.; 658 ff. 305 Letztlich hat dies schon Beling in der von Maatz (DRiZ 1991, 202) zitierten Passage (Binding-Fschr. 11, S. 90 ff. (92 f.» angeführt.
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nur fehlerfreie Rechtsanwendung. Das Verfahren ist nicht schon dann rechtlich einwandfrei, wenn nur die Rechtsnorm richtig verstanden und angewandt wurde. 306 Bei der Anwendung materiellen Rechts wird die Überzeugungsbildung zu Tatsachen - grundsätzlich - nicht überprüft;307 hier zählt nur die richtige Anwendung der Norm auf den zur Überzeugung festgestellten Sachverhalt. Diese Überzeugung muß indessen auf rechtlich tadelsfreiem Weg erlangt sein, und das Gesetz erhebt positivrechtlich die Forderung, diesen Erkenntnisweg insgesamt - Rüge vorausgesetzt - zu überprüfen. Wer dies anders sieht, verengt den Blick auf § 337 und läßt Wortlaut und ratio des § 344 11 2 außer Acht. Damit kehrt in der Tat die seit Schwinge überholte These von der Einheitlichkeit der Revision wieder. Es gibt aber keine "Revision schlechthin", sondern nur Revision als Überprüfung des Urteils (Sachrevision) und des Weges, auf dem es gewonnen wurde (Verfahrensrevision).
Die Unterscheidung zwischen Verfahrens- und Sachrevision zieht einen verschiedenartigen Fehlerbegriff nach sich. Die Sachrevision bekämpft zum einen den Subsumtionsfehler, d. h. die unrichtige Anwendung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm auf einen festgestellten Sachverhalt. 308 Zum anderen ergreift die Sachrüge den Verstoß gegen Denkgesetze, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Erfahrungssätze. Das sind zwar keine Rechtsnormen, aber Urteilsgrunde i.S. des § 267 können nur solche sein, die den Denkgesetzen entsprechen und die den - vom Recht vorausgesetzten - Erfahrungssätzen und wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. 306 Vgl. Herdegen, Kleinknecht-Fschr., S. 182f.: Das Revisionsgericht ist zu eigenen Feststellungen im Wege des Freibeweises befugt (uneingeschränkte Feststellungs- und Würdigungskompetenz des Revisionsgerichts). 307 Die Betonung liegt hier in der Tat auf dem Wort "grundsätzlich". So verhilft etwa in BGH NStZ-RR 1997, 42 die Sachrüge zum Erfolg, "da die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht standhält", was der BGH unter detaillierter Würdigung der erhobenen Beweise ausführt. Auch der Umweg, an die Beweiswürdigung (im Urteil wiederzugebende) bestimmte Anforderungen zu stellen, mündet letztlich in eine Überprüfung der Beweiswürdigung selbst, da die Qualität der ,,Anforderungen" bezüglich der "Würdigung" davon abhängt, wie das Revisionsgericht die erhobenen Beweise zu würdigen gedenkt. Das zeigt BGH NStZ-RR 1996, 300. Die Beweiswürdigung sei lückenhaft, sagt die Entscheidung, weil die Strafkammer nicht alle wesentlichen Umstände in ihre Überlegungen einbezogen habe. Was wesentlich ist, gewinnt der BGH aus der Beurteilung der erhobenen Beweise. Vgl. ferner BGH NStZ-RR 1996,202 und 1996,73; BGH NStZ 1981,33; BGHR § 261 "Vermutung" 8 und 11; KK-Hürxthal § 261 Tz. 45 ff. (zu den Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung); Schlüchter Tz. 694 f. Zur erweiternden Prüfung und zur Aufgabe einer einheitlichen Konzeption der Revisionsrechtsprechung Roxin § 53 D 11. 308 LR-Haoock § 344 Tz. 95. Das gilt mit der von Fezer, Analyse, S. 6ff., erwähnten Einschränkung: Der Revisionsrichter geht an das Urteil nicht wie ein Student an einen Übungsfall heran, sondern er hat es in der Hand, "ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal so detailliert auszulegen, daß ihm die Feststellungen nicht mehr ausreichen", auch wenn sie vom Tatrichter im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal getroffen sind. Reichen die Feststellungen zur Anwendung des Straftatbestandes nicht aus, ist der Fehler sachlicher und nicht verfahrensrechtlicher Natur, wenn der Tatrichter dennoch verurteilt. Die getroffenen Feststellungen geben dann eben für die Verurteilung "nichts her", und die Subsumtion ist fehlerhaft, weil die getroffenen Feststellungen zur Verurteilung nicht ausreichen. Vgl. auch Herdegen NStZ 1987, 193 ff.; Maul, Pfeiffer-Fschr., S. 409 ff.; Meurer, Tröndle-Fschr., S. 533 f. 8*
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Bei der Verfahrensrevision geht es stattdessen um die Kontrolle des Verfahrens (nicht nur des Verfahrensrechts) auf Fehlerfreiheit. Diese Rüge ergreift nicht nur den Subsumtionsfehler (im Verfahrensrecht), sondern darüber hinaus den Gang der Ermittlung des prozessualen Sachverhalts. In dem von Maatz erörterten Fall der Abwesenheitsverhandlung nach § 231 11 muß also die Eigenmächtigkeit des Fernbleibens (und nicht nur die richtige Wertung der dem Prozeßgericht dazu bekannten Tatsachen) durch das Revisionsgericht überprüft werden. Die Prozeßrechtsrüge erfaßt also auch die - in sich richtige - Anwendung der Norm auf einen unrichtigen Prozeßsachverhalt. 309 Im Unterschied hierzu zielt die Sachrüge nicht auf die in sich richtige Anwendung materiellen Rechts auf einen unrichtigen Sachverhalt. Die Ermittlung des "wahren" Sachverhalts, das zentrale Anliegen der StPO, obliegt dem Tatgericht, nicht der Revisionsinstanz. 310 So spricht auch § 337 nicht von "Fehlern des Urteils", sondern nur davon, daß "das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe". Für die Revision ist also ein Urteil nicht deshalb "falsch", weil es einen unrichtigen Sachverhalt zugrundelegt. Wenn sich in Revisionsentscheidungen bei der Prüfung des Beruhenszusammenhangs immer wieder Hinweise auf die "Richtigkeit" (bzw. "Unrichtigkeit") des Urteils finden, etwa in den Ausführungen des OLG Köln HESt 1,219 (221): "Der Zweck jedes Rechtsmittels ist der, eine falsche oder wenigstens möglicherweise falsche Entscheidung zu beseitigen und durch eine richtige zu ersetzen",
darf dies prinzipiell nur als prozessual richtig (falsch) gemeint sein. So sieht aber das OLG Köln in dieser Entscheidung die Begriffe offenbar nicht. Es ging um die Frage, ob das Urteil auf gesetzwidriger Zulassung des Nebenklägers, zweifellos einem Verfahrensfehler, beruhen kann. 311 Das OLG verneinte das Beruhen, weil hierfür neben absoluten Revisionsgründen nur solche in Betracht kommen, die eine "Unrichtigkeit des Urteils nach sich gezogen haben, oder bei denen wenigstens die Möglichkeit besteht, daß das Urteil durch sie unrichtig geworden sein könnte." Der Beruhenszusammenhang soll daran scheitern, daß einerseits die (unter Zulassung des Nebenklägers) getroffenen tatsächlichen Feststellungen "als historische Tatsachen nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind" und daß fernerhin diese 309 Beling, Binding-Fschr. H, S. 87 ff. (90), 165 f.: Das Revisionsgericht hat selbst festzustellen, wie es um die Tatsache stand. 310 Vgl. Rimmelspacher ZZP 84 (1971), S. 50: "Hat nämlich das Revisionsgericht nur zu prüfen, ob in der Berufungsinstanz Rechtsfehler vorgekommen sind, so spielt der Begriff der "absoluten Richtigkeit" in der Revisionsinstanz keine Rolle. Denn eine Entscheidung, die diesem Maßstab nicht genügt, mag vielleicht das wirklich Geschehene nicht exakt festhalten, aber die tatsächlichen Feststellungen können doch unter Beachtung der Verfahrensvorschriften, also ohne Rechtsverletzung, getroffen sein. Nicht die "absolute", sondern allenfalls die ,,relative" Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung spielt demnach in der Revisionsinstanz eine Rolle." Ähnlich Paulus, Spendel-Fschr., S. 697 (unter bb). 311 Die Frage ist nach wie vor umstritten. Wie OLG Köln HESt. 1, 219 BayObLG 1953, 64 und DAR 1980,270; anders OLG Frankfurt NJW 1966, 1669; KK-Pelchen § 396 Tz. 14; Eb. Schmidt § 396 Tz. 24, näher unten 6. Teil H.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Tatsachen, würde das Urteil aufgehoben, ohnehin bei der erneuten Verhandlung berücksichtigt werden müßten, damit das Gericht seiner Aufklärungsverpflichtung genügt. Anerkanntermaßen ist jedoch im Strafverfahren die Wahrheit "nicht um jeden Preis zu erforschen",312 sondern nur in den Grenzen, die das Prozeßrecht zieht. 313 Dieses ließ im konkreten Fall die Beteiligung des Nebenklägers nicht zu. Hat dieser Tatsachen in das Verfahren eingebracht, die andernfalls nicht berücksichtigt worden wären, so fragt es sich, ob das Prozeßrecht deren Verwertung gestattet, oder ob § 396 n der Wahrheitsermittlung eine Grenze setzt. Verbietet diese Bestimmung die Berücksichtigung des durch den rechtsfehlerhaft zugelassenen Nebenkläger beigebrachten Prozeßstoffs, enthielte sie damit ein Verwertungsverbot, weil das Gericht trotz seiner Pflicht zur Sachaufklärung bestimmte Tatsachen seinem Erkenntnis nicht zugrundelegen dürfte. Das ,,Mehr an Aufklärung", gewonnen hier durch fehlerhafte Zulassung der Nebenklage, schließt jedenfalls für sich genommen den Beruhenszusammenhang nicht aus, allenfalls dann, wenn dieses ,,Mehr" auch verwertungsfahig ist. Dann wäre der Gedankengang des OLG Köln vom Standpunkt der h.M. aus, die den Beruhenszusammenhang mit Hilfe der Kausalität definiert, schlüssig. Die Prozeßordnung verlangt eben nur grundsätzlich die Ermittlung der Wahrheit, teilweise "verbietet" sie sie auch. ,,Richtig" ist ein Urteil nicht deshalb, weil es den "wahren" Sachverhalt zugrundelegt, und nicht zwangsläufig falsch, weil es von einem "unrichtigen" Sachverhalt ausgeht. Die Frage nach der materiellen Wahrheit hilft bei der Definition des Beruhenszusammenhangs nicht weiter. b) Der Beruhenszusammenhang ist ausschließlich bei Fehlern des Verfahrens problematisch Ob das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, ergibt sich bei sachlichem Recht unmittelbar aus den (tragenden) Entscheidungsgrunden, die die (falsche) Rechtsanwendung enthalten?14, 315, 316 312 BGH 14, 358; zum Problem Neumann, S. 73 ff.; Hammerstein, Schmitt-Fschr., S. 329; Loos, H.-Kaufmann-Ged.Schrift, S. 968; Beulke Tz. 454. 313 Leerfonneln vom Strafverfahren als der "Verwirklichung des materiellen Strafrechts" (Deml, S. 40; ähnlich Dippel GA 1972, 98) helfen in concreto nicht weiter. Der Weg, auf dem diese "Verwirklichung" stattfindet, ist nämlich (nur) der Prozeß, und das Urteil wird nicht deshalb aufgehoben, weil es nicht zur Verwirklichung des materiellen Strafrechts geführt hat, sondern weil ein Rechtsfehler i. S. des § 337 vorliegt, d. h. weil das Urteil entweder materielles Recht unrichtig anwendet oder auf verfahrensrechtlich fehlerhaftem Weg gewonnen wurde. 314 Das ist schon in den Beratungen erkannt worden. Vgl. die Ausführungen von Schwarzes, Hahn illf 1, 1031. Was die Verletzungen des materiellen Rechts betrifft, so gestalte sich die Frage, ob dieselben von Einfluß auf das Urteil gewesen seien, sehr einfach. Sobald das materielle Recht verletzt sei, müsse dies auf den Urteilsinhalt Einfluß gehabt haben
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l. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Das Merkmal des Beruhens läßt sich aus § 267 I 1, der die Angabe der Tatsachen verlangt, "in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden", gewinnen. Das ist, wie Schlüchter hervorhebt, nichts anderes als das Erfordernis einer schlüssigen Sachverhaltsbeschreibung für den jeweils angewandten Straftatbestand: "Gefordert ist also die Darstellung des Sachverhalts derart, daß für den jeweils herangezogenen Obersatz (= Tatbestand) und ein jedes hierzu gehöriges (Tatbestands-)Merkrnal der Untersatz (Sachverhalt) und damit auch ein jeder zuzuordnender Sachverhaltsausschnitt (= Umstand ... ) geschildert wird. ,,317 und aus ihm hervorgehen. Anders bei Verletzungen des Prozeßrechts (dazu vgl. Burgmüller; S. 5ff.). Ebenso Herdegen NStZ 1990, 514 bzgl. des Schuldspruchs, differenzierend für die Zumessungsgründe. Vgl. im übrigen BGH 12, 1 (3): "Der Wortlaut des § 337 StPO enthält keine Andeutung nach der Richtung, daß es einen Fall geben könnte, in dem der Tatrichter eine Norm des sachlichen Strafrechts nicht oder nicht richtig angewendet hat, der Angeklagte auch dadurch beschwert ist, die Revision aber trotzdem unzulässig sein soll". Schmidhäuser; Dünnebier-Fschr., S. 408 ff. (409 f.), erörtert den Begriff der Gesetzesverletzung im materiellen Strafrecht in Parallelität zum Strafprozeßrecht ("durch den das Recht anwendenden Richter und durch den das Recht brechenden Täter. Aber die Parallelität reicht nicht allzu weit ... "). Gesetzesverletzung des Rechtbrechens ist in der Terminologie von Schmidhäuser die Verletzung der Primärnorm (z. B. "Du sollst nicht töten"), die Gesetzesverletzung bei der Rechtsanwendung die Verletzung der Sekundärnorm ("du, Richter sollst denjenigen so und so bestrafen, der ... einen Menschen getötet hat"). Der Begriff der Gesetzesverletzung, wie ihn das materielle Strafrecht (z. B. in der Titelüberschrift von §§ 52 ff. StGB) verwendet, ist von dem der StPO strukturell zu unterscheiden. 315 LR-Hanack § 337 Tz. 101 und 264: die richtige Anwendung des sachlichen Rechts zu kontrollieren, bereitet "meist keine Schwierigkeit"; ähnlich Beulke Tz. 567: "Bei sachlichrechtlichen Mängeln ist die Beruhensprüfung überflüssig, denn sie ergibt sich aus dem Urteil." 316 Peters, S. 649, differenziert in diesem Zusammenhang. Auch die Auswirkung materiell-rechtlicher Mängel könne zweifelhaft sein, z. B. bei der Anwendung eines falschen Tatbestandes (Untreue statt Unterschlagung). Indessen ist bei materiell-rechtlichen Mängeln der Ansatz ein ganz anderer, denn - um im Beispiel zu bleiben - die Annahme des Tatbestandes Untreue gehört zu den tragenden Gründen des Urteils (abgesehen davon, daß die verletzte Strafbestimmung im Tenor erscheint). Ist die Annahme dieses Tatbestandes falsch, entfällt ein tragender Grund und damit eine Säule des Urteils. Damit ist stets das Beruhen gegeben. Das gilt auch, wenn eine falsche Alternative desselben Tatbestandes bejaht worden ist, z. B. ,,Einbrechen" statt ,,Einsteigen". In einem derartigen Fall beruht die Verurteilung wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall nach §§ 242, 243 I Nr. 2 StGB auf dem Fehler. In den Beispielsfällen von Peters beruht das Urteil auf dem sachlichen Fehler, weil Tatbestand, Konkurrenzen, Strafzumessungsgründe unmittelbar zu den tragenden Gründen gehören - anders freilich, wenn sie nur obiter dicta sind. Schwierigkeiten bezüglich des Beruhenszusammenhangs ergeben sich allerdings für die Strafzumessungsgründe, vgl. Herdegen NStZ 1990,514. 317 SK-Schlüchter § 267 Tz. 6; vgl. Meyer-Goßner NStZ 1988,532: Der Revisionsrichter liest die Feststellungen gedanklich synchron mit dem Tenor und vergleicht die Sachverhaltsschilderung dahin, ob in ihr die gesetzlichen Tatbestandsmerkrnale und die Voraussetzungen der angeordneten Rechtsfolgen ihre Entsprechung finden. - Im Untersatz geht es um konkrete Geschehnisse, die beschrieben und dem Obersatz zugeordnet werden, vgl. Schlüchter; Krause-Fschr., S. 492 und Tatbestandsmerkrnale, S. 9 f. und S. 89 f.
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, wenn die "conc1usio" zerschlagen ist, d. h. wenn das Urteil infolge der Gesetzesverletzung einen seiner tragenden Gründe verliert. Wird z. B. wegen Diebstahls verurteilt, obwohl aus den angegebenen Tatsachen ein Gewahrsamsbruch nicht zu ersehen ist, führt diese Verkennung des § 242 StGB dazu, daß ein den Schluß auf den Obersatz rechtfertigender Untersatz fehlt, der Subsumtionsschluß also un-"schlüssig" und die logische Kette der den Spruch tragenden Gründe unterbrochen ist. Was § 267 I 1 für die Schlüssigkeit bedeutet, erfüllt § 267 I 2 für die Begründetheit, ohne jedoch wörtlich ein dem § 267 I 1 korrespondierendes Darlegungsgebot an das Gericht zu enthalten. 318 Vielmehr stellt das Gesetz die Angabe der Beweisgründe in das Ermessen des Gerichts. Da die Gründe jedoch eine entsprechende Kontrolle, inwieweit sie Denkgesetzen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungssätzen genügen, erlauben müssen, verengt sich das Ermessen des Gerichts auf ein Darlegungsgebot. 319 Im Ergebnis verlangt auch § 267 I 2 die Darstellung der conc1usio, d. h. der Schlußfolgerung der Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale gefunden werden, aus den "anderen Tatsachen" i.S. des § 267 I 2. 320 Die conc1usio wird "zerschlagen", wenn das Urteil z. B. - einen nicht existierenden Erfahrungssatz (,jeder, der es eilig hat, fahrt zu schnell,,)321 oder - wissenschaftliche Erkenntnisse (Stromtodbestimmung durch Messung der Myoglobinkonzentration im Herzblut ist - jedenfalls 1994 - keine weit überwiegend anerkannte Untersuchungsmethode)322 annimmt oder - eine in einem Erfahrungssatz oder wissenschaftlichen Erkenntnis enthaltene Wahrscheinlichkeitsaussage als sicher hinnimmt ("Die DNA-Analyse enthält für den positiven Nachweis der Täterschaft Gewißheit und nicht lediglich eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage,,)323 oder SK-Schlüchter § 267 Tz. 22. SK-Schlüchter § 267 Tz. 23 im Anschluß an Baldus, Ehrengabe für Heusinger, S.387ff. 320 Vgl. Willms JR 1975,54: Es kommt darauf an, ob der der rechtlichen Beurteilung zugrundeliegende Sachverhalt tragfähig ist. Ist er es nicht, fehlt es an der richtigen Anwendung sachlichen Rechts. 321 Beispiel schon aus der 4. Auf). von Sarstedt, S. 229. Oder: "Unwahre Alibiangaben lassen sich einschränkungslos als Beweisanzeichen für die Schuld des Angeklagten werten"; dazu BGH StV 1997, 293; zu der Frage, weIcher Erfahrungssatz ,,höheren" oder "gleichen" Erfahrungswert hat (die Ehefrau eines seit fast 30 Jahren im Justizdienst stehenden Richters - oder: dieser selbst - vernichtet nicht Aktenbestandteile), vgl. BGH bei Kusch NStZ 1997, 376 (Nr. 9). 322 BGH StV 1994,227. 323 Eisenberg, Beweisrecht Tz. 103; zum Stand von heute vgl. HK-Lemke, Anhang "DNAAnalyse" Tz. 3 ff. 318 319
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
- aus einem in sich richtigen Erfahrungssatz bzw. Erkenntnis einen unrichtigen Schluß zieht. Verletzt das Gericht das Darlegungsgebot des § 267 I 2, indem es die "anderen Tatsachen", aus denen es die gesetzlichen Tatumstände324 geschlossen hat, nicht mitteilt, die Beweise also nicht oder unzureichend würdigt,325 enthält das Urteil erst gar keine conclusio, die "zerschlagen" werden könnte, so daß schon deshalb die Folgerung der Tatumstände aus den anderen Tatsachen LS. des § 267 I 2 nicht belegt ist. Damit fehlt es an der logischen Kette der den Spruch tragenden Gründe. Das Urteil ist der Sachrevision zugänglich. 326 Was § 267 I für die Feststellungen und die Indiztatsachen bestimmt, enthält § 267 m für die Strafzumessung. Unter diesem Blickwinkel ist es folgerichtig, daß
der BGH, wenn die auf rechtsstaats widriger Verzögerung beruhende überlange Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Strafzumessung berücksichtigt wird, das Urteil insoweit auf die Sachrüge hin überprüft, denn Zumessungserwägungen fallen unter § 267 m l. Leider kündigt der 5. Strafsenat eine Abkehr von dieser Rechtsprechung insofern an, als künftig hierfür eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge (mit entsprechendem Tatsachenvortrag) verlangt werden wird?27 Wenn allerdings die überlange Verfahrensdauer auch unter dem Gesichtspunkt des "Abbruchs" des Verfahrens geprüft wird,328 also eines Verfahrenshindernisses, mag dies schon eher einleuchten, wobei allerdings die Frage entsteht, ob Verfahrenshindernisse eine mit Tatsachen belegte Rüge erfordern oder von Amts wegen zu berücksichtigen sind. 329 "Keine Gründe", "unzureichende Gründe,,33o entziehen dem Urteil sowohl im Rahmen der Schlüssigkeit (§ 267 I 1) als auch der Begründetheit die erforderliche 324 Die Tatsachen i. S. des § 267 I 1 sind identisch mit den gesetzlichen Tatumständen des § 16 I StGB, SK-Schlüchter § 267 Tz. 6. 325 Vgl. BGH StV 1997, 290 (291): ,,Die nicht näher begründete Schlußfolgerung der SchwGK, der Angeklagte habe ,aus grenzenloser Eigensucht' getötet, findet in den bisherigen Feststellungen keine ausreichende Grundlage." Das bedeutet, die mitgeteilten Tatsachen lassen eine ..conclusio" gar nicht erst zu. Ebenso die Ausführungen der Entscheidung zur Würdigung der subjektiven Tatseite. Die ..Tragfähigkeit" der Gründe zur Beweiswürdigung beanstandet auch BGH NStZ 1997,96 (Würdigung der ..widerlegten Einlassung"). 326 Dazu SK-Schlüchter § 267 Tz. 23 und Schlüchter Tz. 694. 2; 694. 3; 695 ff. 327 BGH NStZ 1997,452. 328 So BGH bei Kusch NStZ 1997,380 (Nr. 28). 329 Volk, S. 57, bezeichnet es als keineswegs zwingend, daß eine solche Rüge auf einen ordnungsgemäßen Tatsachenvortrag verzichten darf. 330 BGH bei Kusch NStZ 1997, 377 (Nr. 11): Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewißheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluß erlauben, daß das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung des Revisiongerichts zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgriinde erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer ..tragfähigen verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht"; vgl. auch
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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conclusio VOJl. den Indiztatsachen auf die Tatumstände und auf die Rechtsfolgen, so daß der Beruhenszusammenhang in diesen Fällen schon durch das gesetzwidrige Fehlen (= Angabe unzureichender Gründe) hergestellt ist. Man wird einwenden, mit der hier vertretenen These, die den Beruhenszusammenhang bei sachlichen Fehlern des Urteils gleichsam automatisch bejaht, sei das Problem verkürzt umschrieben, komme es doch insbesondere bei der Überprüfung der Beweiswürdigung darauf an, ob der Tatrichter bei richtiger Wertung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. 331 Nach der hier vertretenen Ansicht sind jedoch "Alternativwertungen" des Tatrichters, die sich im Urteil nicht niedergeschlagen haben, irrelevant. Das liegt daran, daß als Urteilsgründe nur die herangezogen werden können, die im Urteil niedergelegt sind. Sonstige, d. h. solche, die den Urteilsspruch gleichfalls oder unterstützend motiviert haben mögen, aber nicht zu den nach § 267 I abgesetzten gehören, sind keine "Gründe" i.S. des Gesetzes, ebensowenig solche, die weder niedergeschrieben noch motivierend waren, sondern hätten motivieren können, wenn die niedergeschriebenen nicht zum Zuge gekommen wären. Demnach ist an § 267 I anzuknüpfen. Wenn die niedergelegten Gründe das Urteil nicht tragen, trägt eben die Begründung insgesamt nicht. Die Rechtsfolge ergibt sich dann nicht aus dem Untersatz (§ 267 I 1) und den Indiztatsachen (§ 267 I 2), so daß es auf ,,Reservegründe" nicht ankommen darf. Schwieriger ist der Zusammenhang zwischen Urteil und Fehlern des Verfahrens festzustellen, weil Verfahrensrecht niemals das Entscheidungsergebnis in der Sache trägt. Dies wird nicht dadurch widerlegt, daß sich in den Urteils gründen Erörterungen von Verfahrensfragen finden können, etwa dazu, ob einem Beweisantrag stattzugeben, ein Zeuge zu vereidigen, eine Untersuchung vorzunehmen war. Derartige Ausführungen tragen das Urteil nicht, zeigen nur den Weg seiner Entstehung auf. Ob der Angeklagte wegen eines Straftatbestandes zu verurteilen ist, hängt nicht davon ab, ob der Zeuge XY zu hören oder nicht zu hören oder ein Gutachten über eine bestimmte Frage (nicht) einzuholen war. Die Verurteilung stützt sich allein darauf, daß das erkennende Gericht die Überzeugung von Tat und Schuld des Angeklagten gewonnen und die konkrete Strafbestimmung als erfüllt angesehen hat. Wie wirkt sich dann fehlerhaft angewandtes Verfahrensrecht überhaupt auf das Urteil aus? Fehlerfreies Verfahren hätte das Gericht eventuell zu einer anderen Überzeugung über Täterschaft und Schuld geführt. Der Bezug zwischen Verfahrensrecht und Urteil scheint also zunächst - im Gegensatz zu normativer Wertung - rein tatsächlicher Art zu sein, weshalb sich die h.M. bei der Betrachtung des Beruhenszusammenhangs vorwiegend auf Kausalitätserwägungen verlegt, also danach fragt, ob sich das erkennende Gericht bei rechtlich einwandfreiem Verfahren BGH bei Kusch NStZ 1997, 72 (Nr. 16): Das Geständnis muß inhaltlich in den Gründen wiedergegeben werden. 331 Vgl. Schäfer StV 1995, 147 (153).
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
möglicherweise eine andere Überzeugung von Tat und Schuld gebildet hätte. 332 Indessen wird sich erweisen, daß diese Sicht den Beruhenszusammenhang nicht erfaßt. 333 c) Die Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht am Beispiel der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung
Bisher steht eines fest: Materielle Rechtsfehler tragen die Beruhenseignung in sich. 334 Nur bei Verletzung von Verfahrensrecht bereitet die Bejahung des Beruhenszusammenhangs Probleme. Die Beruhenseignung braucht demnach nicht diskutiert zu werden, wenn materielles Recht verletzt ist. Deshalb sollte vorab geklärt werden, ob eine verletzte Norm dem formellen oder materiellen Recht angehört. 335 Zum Verfahrensrecht gehören nach herkömmlicher Auffassung die Normen, die den Weg bestimmen, auf dem das Gericht zum Urteil gelangt; alle anderen werden dem materiellen Recht zugeordnet. 336 Diese Definition umgrenzt die Verfahrensvorschriften zu eng, wenn sie darunter diejenigen versteht, die den Weg zum Urteil markieren, denn das Verfahren kann auch anders als durch Urteil enden. Im übrigen stellt sie das materielle Recht nur negativ als die Zusammenfassung der Normen dar, die nicht dem Verfahrensrecht zuzurechnen sind. Eine positive Eingrenzung des materiellen Rechts ist schwierig. Einmal wird es als die Gesamtheit der Normen gesehen, die für die Verhängung von Rechtsfolgen der Tat von sachlicher (materieller) Bedeutung sind. 33? Damit ist freilich das Problem nur anders formuliert, indem materielles Recht als die Zusammenfassung der Normen dargestellt wird, deren jede einzelne diesem Recht angehört. Das kommt einer Definition des Begriffs durch sich selbst gleich. Immerhin sind zwei Aussagen wesentlich: Einmal hebt sich materielles nicht dadurch von formellem Recht ab, daß es Rechtsfolgen der Tat regelt. Vielmehr muß die Regelung für die Rechtsfolge von sachlicher Bedeutung sein. Die Anordnung von (bzw. der Verzicht auf) Rechtsfolgen kann sich durchaus auch aus formellen Bestimmungen ergeben. Wenn beispielsweise § 154 gestattet, von der Verfolgung der Tat abzusehen, so impliziert dies die rechtliche Regelung, daß wegen der Tat Rechtsfolgen nicht verhängt werden. Allerdings sind die in § 154 genannten Voraussetzungen bereits bei Anlegen eines groben Rasters nicht als Regelungen materiell-rechtlicher Art auszumachen, da sie nicht von sachlicher Bedeutung für die Rechtsfolgenanordnung bzw. deren Unterbleiben sind. Wenn es etwa nach § 154 I Nr. 2 darauf ankommt, 332 333 334 335
336 337
KMR-Paulus § 337 Tz. 34; LR-Hanack § 337 Tz. 254; KK-Pikart § 337 Tz. 33. Dazu vgl. unten IX. 5. Vgl. oben 1. Teil IX. 2. b). Das ist darüber hinaus natürlich vor allem wegen § 344 11 nötig. Kleinknechtl Meyer-Goßner § 337 Tz. 7; LR-Hanack § 337 Tz. 66. KK-Pikart § 337 Tz. 10.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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ob ein Urteil innerhalb angemessener Frist zu erwarten ist, hat dies etwas mit dem Gang des Verfahrens, nicht mit materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Rechtsfolgenverhängung zu tun. Zum anderen stellt obige Definition auf Betrachtung der einzelnen Norm des ,,materiellen Rechts" ab. Diese muß sachlich von Bedeutung für die Anordnung der Rechtsfolge sein. Die Regelungen zur Verfahrenseinstellung ordnet die h.M. dem Verfahrensrecht zu. Das kommt in Formulierungen zum Ausdruck wie: Nichtanwendung der §§ 153 ff. könne mit der Revision nicht beanstandet werden 338 oder: Einstellungsablehnungen seien grundsätzlich keine Vorentscheidungen des Urteils. 339 Es besteht Einigkeit, daß § 336 verfahrensrechtliche Entscheidungen betrifft. 34O Würden Einstellungsentscheidungen als dem materiellen Recht zugehörig betrachtet, bedürfte es der Erörterung des § 336 im Zusammenhang mit den Einstellungsvorschriften nicht. Ganz klar in dieser Hinsicht äußert sich KG JR 1967,430: "Die Verletzung des § 153 Abs. 3 StPO könnte auch nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO an eine Verfahrensrüge genügenden Weise geltend gemacht werden."
Ob die Einstellungsvoraussetzungen dem materiellen oder formellen Recht zuzuordnen sind, hängt nicht davon ab, inwiefern die Einstellung selbst die Strafklage verbraucht. Leider werden beide Dinge miteinander vermengt. So führt etwa Herzog aus, die Literatur betrachte die Einstellungsentscheidung überwiegend als Sachentscheidung. Er belegt dies mit dem Hiriweis auf die 30. Aufl. von Kleinknecht (§ 153 Anm. 5).341 Das Zitat ist insofern richtig, als Kleinknecht die Einstellungs- als Sachentscheidung bezeichnet und hieraus den Strafklageverbrauch ableitet. 342 Gleichwohl sieht er sich nicht gehindert, die Einstellung - im Anschluß an KG JR 1967,430 - stets Formalentscheidung zu nennen. 343 Den Ausschlag dafür, ob die Einstellung materielles oder formelles Recht berührt, müssen die Voraussetzungen für die jeweilige Einstellungsentscheidung geben. Gehören sie zum formellen Recht, wendet die Einstellung formelles Recht an, materielles Recht dagegen, wenn die Einstellungsvoraussetzungen dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Mithin lassen sich die Einstellungsvorschriften nicht generalisierend dem einen oder anderen Bereich zuweisen. Die Voraussetzungen der jeweiligen Einstellungsbestimmung sind einzeln auf ihre rechtliche Zuordnung zu untersuchen. KleinknechtlMeyer-Goßner § 153 Tz. 39; LR-Rieß § 153 Tz. 92; § 154 Tz. 76. LR-Hanack § 336 Tz. 5; Naucke, StA-Fschr., S. 461 f. 340 KleinknechtlMeyer-Goßner § 336 Tz. 1; LR-Hanack § 336 Tz. 1; KMR-Paulus § 336 Tz. 11; KK-Pikart § 336 Tz. '3. 341 Herzog, S. 37. 342 Bis zur 31. Aufl., vgl. Kleinknecht (31) § 153 Anm. 5 (anders ab der 32. Aufl., § 153 Anm. 13, bis heute, Kleinknechtl Meyer-Goßner § 153 Tz. 37). 343 Kleinknecht (31) § 153 Anm. 6. 338 339
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
So enthält beispielsweise § 153 einen "Mischtatbestand,,?44 Das Merkmal der geringen Schuld gehört (wie die Schuldfeststellung insgesamt) in das sachliche Recht, das Zustimmungserfordernis ist demgegenüber im formellen Recht angesiedelt. Daß die Schuldfeststellung materielles Recht ausmacht, ergibt sich wie folgt: Fehlt die Schuld ganz, verletzt eine Verurteilung das Gesetz. Niemand verlangt hierzu eine Verfahrensrüge, denn das Urteil verstößt gegen materielles Recht. Die gesetzwidrige Nichtanwendung des § 153 bei fehlender Schuld verletzt wie die gesetzwidrige Verurteilung materielles Recht. An dieser Sicht ändert sich nichts dadurch, daß die §§ 153, 153 a unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten und, jedenfalls nach überwiegender Ansicht, die Ausübung von Ermessen erfordern?45 Unbestimmte Rechtsbegriffe sind dem materiellen Strafrecht ebensowenig fremd wie ein dem Strafrichter eingeräumtes Ermessen. Beides sagt nichts über die Zuordnung der betreffenden Strafbestimmungen zum formellen oder materiellen Recht aus. Die Zugehörigkeit einzelner Einstellungsbestimmungen zum materiellen Recht zeigt sich deutlich an § 153 b. Nach § 153 b I kann die StA (mit Zustimmung des Gerichts) von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn auch das Gericht von Strafe absehen könnte. Diese Voraussetzungen berechtigen das Gericht zur Einstellung, wenn die Klage schon erhoben ist. Mit dieser Bestimmung korrespondiert § 354 I, wonach das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden und von Strafe absehen darf. Das Absehen von Strafe in den durch § 153 b vorgesehenen Fällen ist Anwendung materiellen Rechts auf den vom Gericht ermittelten Sachverhalt, durch diese Entscheidung wird aus Gründen des materiellen Strafrechts 346 ausgesprochen, eine Sanktion wegen der festgestellten Tat erfolge nicht. Wenn gleichwohl die Unterlassung der Anwendung des § 153 b mit der Revision nicht gerügt werden kann,347 so liegt das daran, daß nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung eingestellt (§ 153 b 11), danach nur noch durch Urteil von Strafe abgesehen werden kann. Demzufolge darf das Revisionsgericht in der eigenen Sachentscheidung nicht auf Einstellung des Verfahrens, sondern muß auf Absehen von Strafe erkennen, und zwar durch Urteil (§ 354 I). In der Sache selbst ändert dies nichts daran, daß die Entscheidung nach § 153 b Sachentscheidung ist. Lediglich wegen der fortgeschrittenen "Rechtslage" (Beginn der Hauptverhandlung) tritt an die Stelle der Einstellung durch Beschluß das Absehen von Strafe im Urteil. Ist dieses sachlich fehlerhaft, muß deshalb das Urteil korrigiert werden. Das Revi344 Ähnlich Peters ZStW 68 (1956), S. 374 ff. (393), der die Einstellungsentscheidung als "Prozeßentscheidung ... mit sachlichem Gehalt" definiert. Weitere Nachweise, auch aus dem älteren Schrifttum, bei Herzog, S. 35 ff., freilich auch vermischt mit der Frage des Stratklageverbrauchs, vgl. o. im Text eingangs dieses Kapitels IX. 2. c). 345 Gegen den Ermessenscharakter des § 153 LR-Rieß § 153 Tz. 35; KK-Schoreit § 153 Tz. 2; für die frühere Fassung des § 153, nach dessen Abs. 1 (a.F.) Übertretungen "nicht verfolgt" wurden, verneint Warda, S. 96, auch ein Ermessen des Gerichts. 346 Vgl. die Einzelaufzählung bei LR-Rieß § 153 b Tz. 3 und KK-Schoreit § 153 b Tz. 2. 347 Richtig LR-Rieß § 153 b Tz. 18.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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sionsgericht kann das Verfahren nicht in die frühere Rechtslage vor Beginn der Hauptverhandlung zurückversetzen und darf deshalb nicht durch Beschluß einstellen. Zwischen § 153, der, wie oben ausgeführt, in dem Merkmal der geringen Schuld materielles Recht enthält, und § 153 a besteht kein Wesensunterschied. Vom Verfahren her differieren die Bestimmungen insofern, als § 153 a die Einstellungsmöglichkeit auf die Tatsacheninstanz beschränkt. Zwar wird durch die Anwendung von § 153 a nicht auf Sanktionen verzichtet, wohl auf Strafe, und zwar unter gewissen Auflagen, so daß zu Recht auf die kriminalpolitische Verwandtschaft zur Strafaussetzung mit Bewährung hingewiesen wird?48 Die Anordnung dieser Rechtsfolgen gehört wie die Strafzumessung zum materiellen Recht. Die Entscheidung über Einstellung nach §§ 153 ff. berührt daneben Verfahrensrecht dann, wenn in den §§ 153 ff. nicht ausdrücklich genannte formelle Einstellungsvoraussetzungen fehlen, so wenn nach einer dieser Vorschriften eingestellt wird, obwohl ein Verfahrenshindernis besteht. Der Überprüfung durch die Revision kann aus naheliegenden Gründen nur die Ablehnung der Einstellung unterliegen, nicht die Einstellung selbst, da letztere ein Urteil hindert, so daß es an einer wesentlichen Voraussetzung der §§ 333, 335 mangelt. Wie die Einstellung nach §§ 153, 153 a, 153 b entscheidet auch die Einstellung nach § 383 II über sachliches Recht. Die Ausführungen zu §§ 153 ff. gelten entsprechend. Im Gegensatz zu den Einstellungsarten der §§ 153, 153 a stehen die Entscheidungen nach §§ 154 ff. Daß hier formelles Recht angewandt wird, zeigt sich am deutlichsten an § 154 e. Danach stellt das Gericht das Verfahren bis zum Abschluß des Bezugsverfahrens ein. Dessen Anhängigkeit wird als (vorübergehendes) Verfahrenshindernis bezeichnet. 349 Die Einstellung befindet nicht darüber, ob und in welchem Umfang wegen des festgestellten Sachverhalts Sanktionen zu verhängen sind, sondern trägt lediglich dem Verfahrenshindernis Rechnung. Mischtatbestände enthalten die §§ 154, 154 a. Hierauf wird im einzelnen im 5. TeilllI. 2. eingegangen. Auf formell-rechtlicher Ebene liegen auch die Einstellungsvoraussetzungen des
§ 205, der an das Bestehen von Verfahrenshindernissen anknüpft.
Die §§ 206 a und 206 b werden gewöhnlich als wesensverwandt bezeichnet. 350 Allerdings verkörpert § 206 a formelles und § 206 b materielles Recht. Näheres hierzu wird im 5. TeilIlI. 2. ausgeführt. 348 349
Kleinknecht/Meyer-Goßner § 153 aTz. 2. Gegen diesen Begriff vgl. die Ausführungen im 5. Teil 111. 2.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 3. § 336 ist eine Bestimmung der Verfahrensrevision
Die Vorschrift unterwirft beruhensgeeignete Vorentscheidungen der Überprüfung des Revisionsgerichts. Anfechtungsgegenstand der Revision ist das Urteil, nicht die Vorentscheidung. 351 Letztere ist nicht Bestandteil des Urteils, des Erkenntnisses selbst, sondern nur Station des Weges, auf dem das Gericht zur Urteilsfindung gelangt. Vorentscheidungen sind mithin, wie das gesamte Verfahren, lediglich als Elemente der Urteilsjindung 352 relevant und werden vom Revisionsgericht nur unter dem Blickwinkel des Beruhenszusammenhangs mit dem Urteil überprüft. Die Fehlerhaftigkeit einer Vorentscheidung ist, wie auch ein sonstiger Verfahrensfehler, nur das Vehikel, um - trotz sachlichrechtlicher Richtigkeit des Urteils - zu dessen Aufhebung zu gelangen. Nun ist aber das Verfahren schon aufgrund des § 337 I überprüfbar, denn zu "Gesetz" i.S. dieser Vorschrift gehört auch das Verfahrensrecht. Mithin umfaßt § 337 I bereits die Rechtsfolge des § 336 S. 1, so daß mit Hanack festgehalten werden kann: § 336 S. 1 ist im Grunde überflüssig. 353 Die Kontrolle der Vorentscheidungen macht somit einen - notwendigen - Bestandteil der Verfahrensrevision aus, und insofern spricht § 336 S. 1 in der Tat Selbstverständliches aus, wenn er die Vorentscheidungen der Überprüfung des Revisionsgerichts unterwirft. 354 Die einhellige Meinung versteht § 336 als eine Bestimmung, die ausschließlich Verfahrensfehler betrifft. 355 Nun vertritt aber diese Untersuchung die These, daß Vorentscheidungen auch materielles Recht anwenden, so einzelne Arten der Verfahrenseinstellung. 356 Wie verträgt sich diese Auffassung mit der Ansicht, § 336 erfasse nur verfahrensrechtliche Entscheidungen?
Vgl. Bohnert GA 1982, 174. Eh. Schmidt § 336 Tz. 3; KMR-Paulus § 336 Tz. 7. 352 KMR-Paulus § 336 Tz. 7. 353 LR-Hanack § 336 Tz. 1. 354 Vgl. die Ausführungen von Hanauer (Hahn III/1, S. 1030): Das Revisionsgericht könne nichts anderes tun, als entweder die Revision abzuweisen oder das Urteil aufzuheben, gegen welches die Revision gerichtet wurde. Wenn also die vorangegangene Entscheidung nicht die Basis des Urteils bilde, so könne eine Revisionsbeschwerde in Bezug auf frühere Entscheidungen gar nicht geführt werden. Wenn aber das Urteil auf der beschwerenden Vorentscheidung beruhe und als Revisionsbeschwerde vorgebracht werde, daß diese Vorentscheidung eine Gesetzesverletzung enthalte, so ergebe sich doch aus dem Gesetz selbst, daß die betreffende Entscheidung der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliege. - § 336 S. 1 ist deshalb selbstverständlich, weil andernfalls § 337 I allein auf die Verletzung sachlichen Rechts beschränkt wäre (LR-Hanack § 336 Tz. 1). Die Existenz dieser Bestimmung ist nur mit dem in den Beratungen zum Ausdruck gelangten Wunsch zu erklären, in die StPO eine der ZPO entsprechende Regelung zu übernehmen. 355 Vgl. die Nachweise oben, 1. Teil IX. 2. c), insbesondere LR-Hanack § 336 Tz. 1; HKTemming § 336 Tz. 7. 356 V gl. o. 1. Teil IX. 2. c). 350 351
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Man könnte behaupten, die Revision überprüfe auch die in der Vorentscheidung enthaltene Verletzung sachlichen Rechts; dann würde § 336 nicht nur Formalentscheidungen, sondern auch Entscheidungen über "die Sache" betreffen. Lehnt etwa das Gericht die Einstellung nach § 153 TI durch ausdrücklichen Beschluß rechtsfehlerhaft ab, weil es den Begriff der geringen Schuld verkennt, verletzt bereits diese Vorentscheidung das Gesetz. Es mag in derartigen Fällen zunächst schwierig erscheinen, den Beruhenszusammenhang mit dem Urteil herzustellen. Oben (unter IX. 2. b) wurde behauptet, bei sachlichen Fehlern liege die Beruhenseignung gleichsam auf der Hand, weil mit der Gesetzesverletzung eine tragende Säule des Urteils entfalle. Wenn aber die Verletzung des sachlichen Rechts bereits in der Vorentscheidung, der Einstellungsablehnung, enthalten ist, scheint damit dem Urteil keineswegs eine tragende Grundlage entzogen zu sein. Damit würde es notwendig, den Beruhenszusammenhang hier ebenso positiv zu begründen, wie dies bei formellen Gesetzesverletzungen erforderlich ist. Dann wäre nicht jeder materiell-rechtliche Fehler beruhensgeeignet, sondern nur der mit dem Urteil selbst in dem besonderen Zusammenhang, der bei formellen Gesetzesverletzungen verlangt wird, stehende; es müßte dann auch sachliche Fehler geben, die nicht zur Urteilsaufhebung führen. Der eingangs aufgestellte Grundsatz, Verletzungen materiellen Rechts seien stets beruhensgeeignet, würde dann für die in Vorentscheidungen enthaltenen nicht gelten. Indessen lassen sachliche Fehler der Vorentscheidungen das Urteil in seinen tragenden Gründen nicht unberührt. Soweit die Vorentscheidung über die Sache befindet, entspricht sie einem vorgezogenen Urteilsbestandteil. So liegt in der Einstellungsablehnung der Entscheid "über die Sache", daß eben nicht wegen geringer Schuld auf Sanktion verzichtet wird. Auf die materiell-rechtlichen Vorentscheidungen trifft daher ohne Einschränkung der im Rahmen des § 336 vie1zitierte Satz zu, daß sie bei Erlaß des Urteils nochmals überprüft werden. 357 So impliziert das Strafe verhängende Urteil den Sachentscheid, daß nicht etwa wegen geringer Schuld von einer Sanktion abgesehen werde. Ob dieses Erkenntnis implicite im Urteil oder - als ausdrückliche Einstellungsablehnung - in der Vorentscheidung ausgesprochen wird, ist belanglos. Ist letztere sachlich fehlerhaft, macht dies zugleich einen sachlichen Fehler des Urteils aus. Als solcher ist er immer beruhensgeeignet, ohne daß der Beruhenszusammenhang positiv begründet werden müßte. Es bedarf nicht des Umwegs über § 336, um in derartigen Fällen zur Urteilsaufhebung zu gelangen. Die Ansicht der h.M., § 336 erfasse nur Verfahrensentscheidungen und damit formelles Recht, ist richtig.
357
Vgl. o. 1. Teil VIII. 3. (am Ende).
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 4. Vorentscheidungen werden nicht ,,angefochten" und nicht "aufgehoben"
Die Anfechtbarkeit der Vorentscheidungen ist im Gesetz nirgendwo positiv ausgesprochen. Ihrer Natur nach, weil sie nur das Verfahren betreffen, wären sie typischerweise zwar der Beschwerde unterworfen, sind ihr aber über § 305 S. 1 entzogen. Nach § 336 S. 1 unterliegen sie zwar "der Beurteilung des Revisionsgerichts", ohne aber ausdrücklich der Anfechtung durch die Revision ausgesetzt zu sein. So befinden sie sich gleichsam "zwischen den Rechtsmitteln". Ihr Charakter macht allerdings eine gesonderte Anfechtung entbehrlich. Die Bedeutung der Vorentscheidungen erschöpft sich darin, das Verfahren in eine jeweils neue "Rechtslage" zu befördern. Endet der Prozeß durch Urteil, bilden sie dessen Grundlage, ohne selbst Anfechtungsgegenstand zu sein. Ihre Fehlerhaftigkeit ist, wie auch ein sonstiger Fehler des Verfahrens, nur Mittel zum Zweck der Urteils aufhebung. Sie treten, wie Beling treffend bemerkt, "nur mittelbar in den Gesichtskreis des Revisionsgerichts, insofern nämlich von ihrer Beurteilung die Prüfung des Urteils selbst abhängt".358 Ist die Vorentscheidung fehlerhaft und schlägt sich dieser Fehler mit dem geforderten Zusammenhang im Urteil nieder, führt die Revision zu dessen Aufhebung. Die Vorentscheidungen unterliegen so zwar der "Überprüfung" des Revisionsgerichts, nicht aber dessen "Aufhebung"; das Urteil, nicht das Verfahren, wird aufgehoben. 359 5. Der Beruhenszusammenhang zwischen Vorentscheidung und Urteil
a) In der Kausalitätsbetrachtung des historischen Gesetzgebers Der Entwurf I umschreibt den Beruhenszusammenhang dahin, "daß ohne Verletzung des Gesetzes die Entscheidung nicht so hätte ergehen können, wie sie ergangen ist. Nicht eine aus den Entscheidungsgründen sich ergebende, sondern nur eine durch die Entscheidung selbst begangene Gesetzesverletzung kann den Erfolg der Revision begründen. Die unrichtige Anwendung einer Rechtsnorm ist zur Begründung der Revision nicht geeignet, wenn auch bei deren richtiger Anwendung das Gericht zu derselben Entscheidung gelangt sein würde. Der Erfolg des Rechtsmittels ist also durch einen Zusammenhang zwischen der begangenen Gesetzesverletzung und der Entscheidung selbst bedingt .....360
Diese Beziehung wird in den folgenden Ausführungen des Entwurfs I als "ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gesetzesverletzung und dem Inhalt des Urteils" bezeichnet. 361 Der Entwurf Ir übernimmt die Begründung des Ent3S8 Beling, S. 409 Anm. 3; vgl. Bennecke/Beling, S. 449f.: Vereinheitlichung der Anfechtung dieser Vorentscheidungen steht im Vordergrund. 359 So richtig Schwentker; S. 68 und schon Stenglein, Lehrbuch, S. 392. 360 Entwurf I, S. 218. 361 Entwurf I, S. 219.
IX. Das QualifIkationsmerkmal der Vorentscheidung
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wurfs 1,362 und seither definiert die h.M. den Beruhenszusammenhang mit Hilfe des Kausalitätsbegriffs. 363
aa) Die Beschränkung auf mögliche Kausalität (die von Schwarzesche Beweisregel) Freilich gab schon während der Beratungen von Schwarze zu bedenken, daß "das ganze Revisionsrecht ziemlich wertlos" werde, wenn das Revisionsgericht "von dem Revisionskläger den positiven Beweis für das Vorhandensein des Kausalnexus zwischen Verletzung und Urteil" fordere, denn in vielen Fällen sei dieser Beweis nicht zu liefern; es müsse daher genügen, wenn nach Lage der Sache die Annahme nicht ausgeschlossen sei, "daß die Beobachtung der Rechtsnorm zu einer anderen Entscheidung geführt haben würde. ,,364 Demgegenüber wandte der Regierungsvertreter (von Amsberg) ein, es sei nicht notwendig, die Revisionsrichter "in peinlicher Weise am Gängelband zu führen." Sie hätten vielmehr den Kausalzusammenhang zwischen Gesetzesverletzung und Entscheidung ,,nach freiem Ermessen zu prüfen" und schon bei der Vermutung, daß er bestehe, nach dem Grundsatz in dubio pro reo das Urteil aufzuheben. Der Abg. Bähr ergänzte, der Antrag von Schwarzes enthalte wissenschaftliche Sätze, die nicht in das Gesetz gehörten. Wer solche Sätze verstehe, der brauche sie nicht; wer sie brauche, der verstehe sie nicht. 365 Am Ende zog von Schwarze seinen Antrag zurück ,,in der Voraussetzung ... , daß der Vertreter der Regierung im allgemeinen die in seinem Antrage nieder362
Hahn III/l, S. 251 f.
v. Kries, S. 670; KK-Pikart § 337 Tz. 33; LR-Hanack § 337 Tz. 254; Beulke Tz. 565; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 337 Tz. 37ff.; Eb. Schmidt § 337 Tz. 58; Roxin § 53 EIl; KramerTz. 347; Kühne S. 400 (Tz. 669); Ranft, S. 476; Rüping Tz. 649 (S. 206); Dahs/Dahs Tz. 458; vgl. im übrigen den Überblick bei Mehle, S. 52 ff.; sehr pointiert Kindhäuser NStZ 1987,529 Fußn. 4; Alsberg/Nüse/Meyer; S. 906; Schünemann JA 1982, 124; Henkel, S. 378; Fezer 20 Tz. 22 (S. 277ff.); PfeijJer/Fischer § 337 Tz. 17; BGH 30,131 (135 mit weiteren Nachweisen); BGH NJW 1996,2171. 364 Hahn III/l, S. 1030f. (1031). 365 Hahn III/l, S. 1032; Schlüchter; Krause-Fschr., S. 489, sieht bereits in der Beschränkung des Beruhenszusammenhangs auf nur mögliches Beruhen ein Verlassen der ontologischen Ebene. Eine Bedingung könne nur entweder gegeben oder ausgeschlossen sein. "Wenn die h. M. diesen Widerspruch nicht bereinigt, so verharrt sie in Wahrheit nicht bei einer rein ontologischen Verknüpfung." Das ist sehr scharfsinnig gedacht und ruft auf materiell-rechtlicher Ebene den Fehler in Erinnerung, der der finalen Handlungslehre in ihren Anfangen bei der dogmatischen Bewältigung der Fahrlässigkeitsdelikte unterlaufen war. Die finale Handlungslehre setzte nämlich ursprünglich potentielle mit aktueller Finalität gleich, um auf diese Weise auch der fahrlässigen Handlung (potentielle) Finalität unterzuschieben und sie so der vorsätzlichen Handlung gleichgeordnet an die Seite stellen zu können. Potentielle Finalität ist indessen keine Finalität und damit nicht der aktuellen gleichzustellen. Der Finalist Niese (S. 43 ff.) deckte diesen Irrtum auf. Das führte bei Welzel zur Änderung der Fahrlässigkeitsdogmatik. Der Wechsel trat zwischen der 2. und 3. Aufl. ein (vgl. einerseits Welzel, 2. Aufl. S. 23, andererseits 3. Aufl. S. IV, S. 28 ff. und zuletzt 11. Aufl. S. 129). 363
9 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
gelegte Ansicht über Behandlung der Revision als richtig" anerkenne. Rechtsprechung und Literatur haben die Beweisregel von Schwarzes übernommen. 366 Die bloße Möglichkeit, daß das Urteil ohne die Gesetzesverletzung anders ausgefallen wäre, wird zur Annahme des Beruhens als genügend angesehen. 367 • 368. 369 Die These von Schwarzes erschließt im übrigen nicht völlig neues Terrain, denn schon der Entwurf I enthielt eine negative "Beweisregel" in Gestalt des Satzes, das Urteil sei aufzuheben, "insofern nicht bestimmt erhellt, daß die Verletzung einen Einfluß auf das Urteil nicht gehabt haben könne. ,.370 Die durch von Schwarze vorgeschlagene Beweiserleichterung bezieht sich nach den Beratungen der Kommission nur auf die Fehlerkausalität, nicht aber auf dessen Nachweis selbst. Einen Schritt weiter geht die Rechtsprechung des BGH. Die bekannte Entscheidung des Großen Senats vom 21. 1. 1958 (BGH 11,213) erschafft die "Rechtskreistheorie", wonach der Angeklagte nur solche Gesetzesverletzungen 366 Aus der älteren Literatur vgl. von Kries, S. 672; im übrigen die Zusammenstellung bei Herdegen NStZ 1990,514. Zur potentiellen Kausalität vgl. die Bemerkung von F.-C. Schroeder Tz. 320: "Eine unbefriedigende Wortklauberei betreibt die h. L., wenn sie eine Kausalität verlangt, aber deren Nachweis nicht für erforderlich hält." Dazu auch Schünemann JA 1982, 124; Dencker MDR 1975,362; zu Recht weist Schlüchter, Krause-Fschr., S. 489, darauf hin, daß schon mit der Reduktion auf die mögliche Kausalität die ontologische Ebene verlassen und die normative betreten wird. 367 Die Formulierungen sind vielfältig, vgl. die Zusammenstellung bei Herdegen NStZ 1990,514 und Strafverteidigung § 10 Tz. 86 (S. 530): "nicht außer Zweifel zu stellen", "nicht auszuschließen, daß das Urteil ohne die Gesetzesverletzung anders ausgefallen wäre" (so auch AK StPO-Maiwald § 337 Tz. 18), "keine sichere Gewähr dafür besteht, daß die Gesetzesverletzung ohne Einfluß auf das Urteil blieb"; vgl. im übrigen KMR-Paulus § 337 Tz. 34; Beulke Tz. 565; Hamm, Strafverteidigung § 10 Tz. 133 (S. 553); LR-Hanack § 337 Tz. 255; Roxin § 53 EIl; Pfeiffer, Revision, S. 12; eramer, Peters-Fschr., S. 240ff. (242); Fuhrmann JR 1962, 322 f.; Kühne Tz. 669; Hamm Tz. 482 und StV 1987, 262ff. und I. StrafverteidigerFrühjahrssymposium 1986, S. 28 f.; zur älteren Lehre und Rechtsprechung vgl. von Hippel, S. 591 f. Bedeutsam ist die Umkehrung dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung des BGH. BGH JR 1984, 514 läßt bei der Erörterung eines Verwertungsverbots die "Möglichkeit" genügen, daß weitere Ermittlungen auch ohne die Gesetzesverletzung das Beweismittel ergeben hätten. Das ist, worauf Schlüchter in der Anm. zu Recht hinweist (JR 1984,520), die Perversion des Grundsatzes in dubio pro reo. Dieser Grundsatz verkehrt sich in der zitierten Entscheidung zu einem Satz zu Lasten des Angeklagten. Wird dagegen die von Schwarzesche Beweisregel (vgl. o. unter IX 5 a, aa) richtig angewandt, muß es darauf ankommen, ob nicht auszuschließen ist, daß weitere Ermittlungen insoweit ergebnislos geblieben wären. Wie Schlüchter Welp, S. 216; Grünwald JZ 1966, 496; Rogall NStZ 1988, 392 (anders noch Rogall ZStW 91 (1979), S. 33: Ob das Beweisergebnis auf legalem Weg hätte gewonnen werden können, sei unerheblich); Tiedemann, Bockelmann-Fschr., S. 819 (827). 368 Hofmann JuS 1992,593; für den Zivilprozeß vgl. Zeiss Tz. 710. 369 In der älteren Literatur wird aus der bei den Beratungen hervorgetretenen Kontroverse zwischen von Schwarze und von Amsberg der Schluß gezogen, daß diese durch das RG vorgenommene Gesetzesfortbildung "keineswegs selbstverständlich" sei, weil der Antrag von Schwarzes auf Widerspruch des Regierungsvertreters hin zurückgezogen wurde (so von Kries, S. 672). 370 Entwurf I, S. 219; sinnigerweise vom Entwurf II nicht übernommen. Die entsprechende Passage fehlt dort, vgl. Hahn HIt 1, S. 251.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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rügen kann, die seinen Rechtskreis berühren, und begründet dies u. a. damit, angesichts der begrenzten Möglichkeiten des Revisionsgerichts, Verfahrensfehler festzustellen, bestehe die Gefahr, daß es die Darstellung des Revisionsführers übernehmen müsse, weil sich ein Verfahrensfehler nicht ausschließen lasse. Das ist die Erweiterung der von Schwarzesehen Beweisregel auf den Nachweis des Verfahrensfehlers selbst. Der BGH empfindet die hieraus erwachsenden Konsequenzen offensichtlich als zu weitgehend, korrigiert dies aber nicht etwa dadurch, daß er die von Schwarzesehe Beweisregel auf ihre ursprüngliche Funktion (Feststellung der "Kausalität") begrenzt. Der Große Senat schränkt die Revisionsvoraussetzungen anderweitig ein, indem er die Rügebefugnis von der Rechtskreisverletzung des Revisionsführers abhängig macht. Damit hat die von Schwarzesehe Beweisregel bei der Geburt der Rechtskreistheorie Pate gestanden. bb) Die Berücksichtigung hypothetischer Bedingungen Wenn der historische Gesetzgeber den Beruhenszusammenhang mit Hilfe des Kausalitätsbegriffs definiert, ist damit nicht Ursächlichkeit im Sinne der Äquivalenztheorie gemeint, etwa derart, daß die das Gesetz verletzende Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß das Urteil in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hierzu äußert sich schon eine frühe Entscheidung des RG. Gerügt war die Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen Richters beim Eröffnungsbeschluß. Das RG bejaht eine Verletzung des Gesetzes, verneint aber das Beruhen: "Das Beruhen läßt sich nicht so deuten, daß die Voraussetzung der StPO § 375" - des heutigen § 337 - "schon deshalb zutreffe, weil der Eröffnungsbeschluß dem weiteren Verfahren Bahn geschaffen und damit erst den Erlaß des Urteils ermöglicht habe.,,371 Als ursächlich wird die Gesetzesverletzung nur dann angesehen, wenn sie den Urteilsinhalt "materiell beeinfIußt" hat. Das ist eine unscharfe Formulierung der durch den Entwurf I aufgestellten Beruhensvoraussetzung, daß das Gericht bei richtiger Anwendung des Gesetzes zu einem Urteil anderen Inhalts gekommen wäre. Besteht die Verletzung des Gesetzes in einer Handlung, so muß nicht nur diese (im Fall RG 2, 120 die Mitwirkung des ausgeschlossenen Richters bei der Eröffnung) nicht hinweggedacht werden, sondern es muß kumulativ die gesetzesgemäße (hier die unterstellte Mitwirkung eines nicht ausgeschlossenen Richters) nicht hinzugedacht werden können, ohne daß der Erfolg in Gestalt des Urteils dieses konkreten Inhalts entfiele. Die dem historischen Gesetzgeber vorschwebende "Kausalitätsprüfung" begnügt sich demnach nicht mit der Betrachtung der verwirklichten Bedingungen (des gesetzesverletzenden Verhaltens), sondern bezieht nicht verwirklichte (das gesetzeskonforme Verhalten) in sie ein, verlangt also die Berücksichtigung solchen Verhaltens, das real nicht geschehen ist, aber hätte geschehen müssen. 371
9*
RG 2, 120 (122); ebenso RG 52,305 (306); 61, 353 (354).
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Verfahrensrecht ist nicht nur verletzt, wenn auf dem Weg der Entscheidungsfindung eine unzulässige Handlung vorgenommen wurde, sondern auch dann, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene unterblieben ist;372 die Gesetzesverletzung ist durch Handeln wie durch Unterlassen möglich. Liegt sie in der Unterlassung rechtlich gebotenen Verhaltens (etwa in der Nichterteilung des letzten Worts, erforderlicher Hinweise und Belehrungen), stellt die Kausalitätsprüfung darauf ab, ob dieses zu einem anderen Erfolg in Gestalt eines Urteils anderen Inhalts geführt hätte. Auch bei Gesetzesverletzung durch Unterlassung soll es auf den hypothetischen Kausalverlauf ankommen.
b) Von der Kausalität zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Das materielle Strafrecht entwickelte sich in der Definition des Kausalitätsbegriffs weiter als das Prozeßrecht. 373 Während sich die Diskussion um den Beruhenszusammenhang immer noch an der Kausalitätsfrage aufhält, hat sich im materiellen Recht, zumindest in der Lehre, längst die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Kausalität als vorgegebene Seins größe nicht normativen, sondern lediglich ontologischen Charakters ist. 374 Sie zeigt Zusammenhänge zwischen real Geschehenem auf, berücksichtigt aber nicht das, was nicht stattgefunden hat. Bedingungen, die in der Wirklichkeit nicht existieren, vermögen nach dem Grundsatz ex nihilo nihil fit nichts zu bewirken. Die Kausalitätsfeststellung enthält keine Aussage über nicht reales, nur hypothetisches Geschehen. 375 Soweit dieses vom materiellen Strafrecht gleichwohl für relevant gehalten wird, erlangt es nicht unter dem Aspekt eines realen, sondern nur eines gedachten Zusammenhangs Bedeutung. Das gilt sowohl für die durch Handlung als auch - erst recht - für die durch Unterlassung begangene Rechtsverletzung. In beiden Bereichen wurde allerdings der Sitz des Relevanzproblems lange Zeit in der Kausalitätsfrage gesehen, eine Sicht, von der sich die Lehre des materiellen Strafrechts inzwischen gelöst hat, bei der das - insofern stagnierende - Prozeßrecht allerdings stehengeblieben ist, wenn es noch heute den Beruhenszusammenhang mit dem "vorsintflutlichen" Mittel der Kausalitätsbetrachtung zu erfassen sucht. 376 Mit gutem Grund wird in der Diskussion des Beruhenszusammenhangs auf eine vergleichbare Problematik bei den Tatbeständen der fahrlässigen Erfolgsdelikte hingewiesen. 377 Wie der Entwurf I den Erfolg der Revision an einen ZusammenKK-Pikart § 337 Tz. 26; KleinknechtlMeyer-Goßner § 337 Tz. 9. Zum folgenden vgl. J. Blomeyer IR 1971, 142.; eingehende Würdigung der These Blomeyers bei Rengier, S. 301 f.; Gössel, Bockelmann-Fschr., S. 813 ff. (814). 374 SchönkelSchröderlStree vor § 13 Tz. 61; für das Prozeßrecht vgl. Herdegen NStZ 1990,515 ("Determinationsform in realen Vorgängen"). 375 Arthur Kaufmann, Schrnidt-Fschr., S. 209ff. (214): "Die Unterlassung als solche ist daher niemals kausal". 376 J. Blomeyer IR 1971, 143. 372
373
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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hang zwischen Gesetzesverletzung und Entscheidung selbst knüpft, so setzen die Fahrlässigkeitstatbestände eine besondere Beziehung zwischen Sorgfaltsverletzung und Erfolg voraus. Die gesetzlichen Formulierungen entsprechen einander; hängt nach § 337 der Erfolg der Revision davon ab, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, verlangt etwa der Tatbestand des § 222 StGB, daß der Tod "durch Fahrlässigkeit" verursacht worden ist. Die Parallelität liegt in der Verknüpfung eines Wertungsmaßstabes (Fahrlässigkeit, Gesetzesverletzung) mit einer Seinsgröße (tatbestandsmäßiger Erfolg bei den Fahrlässigkeitsdelikten, Urteil bei § 337). Die Rechtsprechung zum materiellen Strafrecht ist allerdings auch hier bei der Kausalitätsbetrachtung stehengeblieben, wie die Entscheidung BGH 11, 1 (,,Radfahrerfall") zeigt. Es ging um folgenden Sachverhalt: Der angeklagte Lkw-Fahrer überholte mit zu geringem Seitenabstand einen Radfahrer. Während des Überholvorgangs geriet der Radfahrer mit dem Kopf unter die rechten Hinterreifen des überholenden Fahrzeugs und wurde tödlich überfahren. Die Tatsacheninstanz stellte fest, daß sich der Unfall "mit hoher Wahrscheinlichkeit" auch bei sorgfaltsgemäßem Überholen ereignet hätte und verurteilte nur wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der StVO, nicht aber wegen § 222 StGB.
Der BGH sucht dem Problem durch die Unterscheidung zwischen mechanisch naturwissenschaftlicher und strafrechtlicher Kausalität beizukommen: "das vom Schuldgrundsatz beherrschte Strafrecht begnügt sich nicht mit einer rein naturwissenschaftlichen Verknüpfung bestimmter Ereignisse, um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ursache und Erfolg zu beantworten. Für eine das menschliche Verhalten wertende Betrachtungsweise ist vielmehr wesentlich, ob die Bedingung nach rechtlichen Bewertungsmaßstäben für den Erfolg bedeutsam war. Dafür ist entscheidend, wie das Geschehen abgelaufen wäre, wenn der Täter sich rechtlich einwandfrei verhalten hätte. ,,378
Diese Entscheidung zur Kausalität "der Fahrlässigkeit" bewegt sich damit auf derselben Argumentationsebene wie der Entwurf I (und die ihm folgende Rechtsprechung und Lehre) zum Beruhensbegriff. Kausalität (bzw. ,,Beruhen") werden verneint, wenn der Erfolg auch bei normgemäßem Verhalten eingetreten wäre (bzw. das Gericht auch ohne den Gesetzesverstoß zu einem Urteil gleichen Inhalts gelangt wäre). 377 J. Blomeyer JR 1971, 143; Schlüchter Tz. 4.1, 709, 725; Kemwissen, S. 8; JR 1984, 519 f.; Krause-Fschr., S. 486f. und Fonn, S. 228 ff.; Gössel, Bockelmann-Fschr., S. 814f. und NJW 1981,2219; Hamm, I. Strafverteidiger-Frühjahrssymposium, S. 29; Bauer wistra 1991, 95 ff.; Herdegen NStZ 1990,516 (Rechtswidrigkeitszusarnmenhang in Gestalt des Rechtsfehlerzusammenhangs); Überblick über die Schutzzwecklehre bei Rengier, S. 305 ff. (307) und Beulke ZStW 1991, 658 ff. Den nonnativen Zusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg bei dem Tatbestand der Rechtsbeugung (begangen durch Verfahrensverstoß) erörtert Volk NStZ 1997, 412ff. Auch hier geht es um einen "spezifischen Zusammenhang", Handlung und Erfolg müssen "aufeinander bezogen, in einen inneren Zusammenhang gebracht werden", Volk NStZ 1997,413. 378 BGH ll, 1 (7).
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Diese Begründung widerspricht dem Verständnis der Kausalität als einer von Wertung freien Seinsgröße379 und ist von der Lehre nicht übernommen worden. Diese scheidet vielmehr den besonders gearteten Zusammenhang zwischen Fahrlässigkeit und Erfolg von der reinen Kausalbetrachtung und weist ihn einem besonderen Tatbestandsmerkmal zu, das als Spezifikum der Fahrlässigkeitsdelikte gilt und als Pflichtwidrigkeitszusammenhang oder mit ähnlichen Begriffen gekennzeichnet wird. 38o Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, daß der besonders geartete Zusammenhang zwischen Fahrlässigkeit und Erfolg entfällt, wenn auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt der Erfolg nicht vermieden worden wäre. c) Die" Umkehr" des Grundsatzes "in dubio pro reo" im Prozeßrecht
Strittig ist, welche Anforderungen an die Gewißheit des Eintritts dieses real nicht verwirklichten aber hypothetisch möglichen anderweitigen Kausalverlaufs zu stellen sind. Eben diese Frage - nicht dagegen das Problem der Berücksichtigung hypothetischer Ursachen überhaupt - war der Anlaß dafür, daß der "Radfahrerfall" vor den BGH gelangte. Die Entscheidung erging auf einen Vorlagebeschluß. Das vorlegende Gericht hielt zur Verneinung der "Kausalität" die Gewißheit des anderweitigen Erfolgseintritts für notwendig und ließ im Gegensatz zu anderen höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen dessen bloße Möglichkeit nicht genügen. In dieser Frage wollte das vorlegende Gericht abweichen. Es geht also um ein Problem, das im Prozeßrecht durch die oben unter IX. 5. a) erwähnte von Schwarzesche "Beweisregel" umschrieben wird, d. h. darum, ob der anderweitige Erfolgseintritt im Fall des rechtmäßigen Verhaltens "sicher" oder nur "möglich" erscheinen muß. Die größere Aufmerksamkeit, die dieser "Beweislastfrage" im Prozeßrecht als im materiellen Recht zuteil wird, muß verwundern. Bei den Beratungen des § 337 wird die Diskussion durch den Hinweis von Amsbergs auf den Grundsatz "in dubio pro reo" beendet - obwohl dieser doch dem Verfahrensrecht im Prinzip fremd ist. Demgegenüber bedarf es erst einer Vorlage, um dem Grundsatz in dem ihm ureigensten Bereich des materiellen Rechts Geltung zu verschaffen. Es ist schon seltsam, daß im Radfahrerfall das vorlegende Gericht nicht selbst erkennt, was der BGH in einem Halbsatz auf die Vorlage hin ausspricht. Das Gericht darf nur verurteilen, wenn es von der Ursächlichkeit des Verhaltens des Angeklagten für den Erfolg überzeugt ist. In Zweifelsfällen muß es zugunsten des Angeklagten entscheiden. Aus diesem Grunde reicht bereits die - allerdings nicht bloß gedankliche - Möglichkeit anderweitigen Erfolgseintritts zum Freispruch aus.
Das Prozeßrecht übernimmt mit der von Schwarzeschen Beweisregel gleichsam den materiell-rechtlichen Grundsatz in dubio pro reo für das Verfahrensrecht,381 379 Arthur Kaufmann, Eb. Schmidt-Fschr., S. 207: Die Frage der Berücksichtigung hypothetischer Erfolgsursachen ist kein Kausalitätsproblem; Schlüchter JA 1984,673 (674 r.Sp.). 380 Grundlegend Uisenheimer; S. 143 ff. mit krit. Besprechung Roxin ZStW 78 (1966), 214ff.; Fünfsinn, S. 128ff., 131 ff.; Schlüchter JA 1984, 673ff.; Gössel NJW 1981, 2219. Abweichend allerdings die Lösung bei Spendel JuS 1964, 14 ff. 381 Vgl. o. IX. 5. a), aa).
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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indem es ihn dort allerdings sinnentsprechend "umkehrt". 382 Wird im materiellen Recht der besondere Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg (in der Diktion der Rechtsprechung die "Kausalität") verneint, wenn die bloße Möglichkeit anderweitigen Erfolgseintritts besteht, negiert das Prozeßrecht die "Kausalität" der Gesetzesverletzung nur dann, wenn sicher ist, daß auch ohne letztere das Urteil nicht anders ausgefallen wäre. Die Möglichkeit anderweitigen Erfolgseintritts führt also im materiellen Recht zur Verneinung, im Prozeßrecht zur Bejahung der "Kausalität". d) Gesetzesverletzung durch Handlung und Unterlassung
In einem Bereich wird besonders augenfällig, wie bei der Betrachtung des Beruhenszusammenhangs der Schwerpunkt nicht auf der Seinsebene, sondern im Normativen liegt. Viele, wenn nicht sogar die meisten Gesetzesverletzungen i.S. des § 337 sind keine Handlungen, sondern Unterlassungen. Das gilt für die Fälle nicht erteilter Belehrungen bzw. rechtlicher Hinweise, nicht erhobener Beweise, nicht vorgenommener Unterbrechungen bzw. Vertagungen, kurz für all die Fallgestaltungen, in denen eine vom Gesetz gebotene Handlung unterblieben ist. Auszugehen ist von der Unterscheidung zwischen der (real gegebenen) Kausalität als Seinsgröße und dem durch normative Wertung zu ermittelnden besonderen Zusammenhang zwischen Verletzungshandlung (Gesetzesverletzung i.S. des § 337) und Erfolg (Urteil). Wurde das Gesetz durch eine Handlung verletzt, ist schon die Feststellung der realen Ursächlichkeit schwierig, vor allem wenn es, was im Prozeß die Regel ist, um die Feststellung psychisch vermittelter Kausalabläufe geht. Darauf wird zurückzukommen sein. Demgegenüber bietet die Unterlassung im realen Bereich keine Schwierigkeiten, denn sie ist, ontologisch betrachtet, uninteressant. Ist die Handlung kausal, ist demgegenüber die Unterlassung schlicht nicht kausal. 383 Letztere kennzeichnet sich dadurch, daß es auf Seinsebene ,,nichts" gibt. 384 Die Unterlassung läßt sich selbst nicht einmal ohne Zuhilfenahme ihres Gegenstücks (der Handlung) als Nicht-Handlung definieren, geradeso wie sich das Nichts nur durch die es umgebende Materie begreifen läßt ("ohne Fahrkarte kein Loch"). Sie kann wohl ontologisch mit der Handlung auf eine Stufe gestellt werden, allerdings ohne rechtliche Relevanz. Es ist sachlich richtig aber juristisch bedeutungslos, daß ein beliebiges Nichthandeln einen bestimmten Erfolg nicht herbeigeführt hat. Mit der ErschIieVgl. Schlüchter JR 1984,517 (520) und Krause-Fschr., S. 492; Montenbruck, S. 149ff. Demgegenüber unterscheidet Armin Kaufmann (S. 59 ff.) zwischen Kausalität der Unterlassung, die er bejaht, und der des Unterlassenden, die er verneint. Herzberg, S. 276 f., nimmt reale Kausalität der Unterlassung an, sofern diese als ,,real bewirkender Faktor" in den Kausalverlauf ,,hineinverwoben" ist; vgl. auch Herzberg MDR 1971, 882. 384 Arthur Kaufmann, Schmidt-Fschr. S. 214; Schönke/Schröder/Stree § 13 Tz. 61 (allenfalls von Quasi-Kausalität lasse sich bei der Unterlassung sprechen); Welzet, 11. Aufl., S.212f. 382 383
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ßung der ontologischen Seite der Unterlassung ist rechtlich nichts gewonnen, denn damit wird nicht mehr als das Nichthandeln, die Nichtursächlichkeit betrachtet. Nur unter normativen Gesichtspunkten wird die Unterlassung rechtlich relevant,385 und nur so läßt sie sich der Handlung an die Seite stellen. Damit scheiden hier Kausalitätserwägungen von vornherein aus. Soweit im materiellen Strafrecht bei den unechten Unterlassungsdelikten von "Quasi-Kausalität" gesprochen wird,386 überschreitet die Betrachtung die Grenze des Ontologischen, denn potentielle ist eben keine reale Kausalität. Das materielle Strafrecht findet das Kriterium für die Gleichstellung von Unterlassung und Handlung bei den unechten Unterlassungsdelikten in der GarantensteIlung. Als Unterlassungstäter bestraft wird nicht, wer einen Erfolg herbeiführt, sondern wer ihn abzuwenden unterläßt, obwohl er für den Nichteintritt einzustehen hat (§ 13 I StGB). Bei den echten Unterlassungsdelikten hat es das materielle Strafrecht insofern leichter, als das Handlungsgebot aus dem jeweiligen Tatbestand folgt. Bei beiden Deliktsarten - echten wie unechten - geht es um das Gebotensein der Handlung, also um normative Wertung. Übertragen auf das Prozeßrecht bedeutet dies, daß Kausalitätserwägungen bei der durch Unterlassen begangenen Gesetzesverletzung zur Ermittlung des Beruhenszusammenhangs nicht weiterhelfen. So setzt beispielsweise die Nichterteilung der Belehrung als solche bei dem Angeklagten eben keine Motivation in Gang, auszusagen bzw. die Aussage zu verweigern, weil sich an dieses "Nichts" keine Überlegung knüpft. Sagt er aus, so trägt ein rechtlicher Hinweis, den es nicht gegeben hat, hierzu nicht bei. Wäre dieser erteilt worden, hätte der Angeklagte eine Wahl zu bedenken gehabt; dies verläßt jedoch die Bahn realer Kausalität und bewegt sich im Bereich des Hypothetischen. Damit ist die ontologische Betrachtung der das Gesetz verletzenden Unterlassung am Ende. Alles weitere ist normative Wertung. Tun und Unterlassen unterscheiden sich im Prozeßrecht nicht anders als im materiellen Recht. Die Handlung bewirkt "etwas", die Unterlassung "nichts". Handlung existiert real, Nichthandeln kennzeichnet lediglich einen Denkzusammenhang. Der Beruhenszusammenhang ist bei Gesetzesverletzung durch Unterlassung rein normativ. e) Psychische Kausalität
Die dogmatische Einordnung des Verhältnisses von Gesetzesverletzung und Urteil könnte als nutzloser akademischer Streit abgetan werden und dementsprechend dahinstehen, wenn die Revisionsgerichte den Beruhenszusammenhang tatsächlich so verstünden, wie es die h. M. seit Erlaß der StPO glauben machen will. Würde das Beruhen wirklich an der effektiven Urteilsbeeinflussung gemessen, käme es 385 Richtig daher der Hinweis von Tröndle vor § 13 Tz. 20, daß die Rechtsprechung bei Unterlassungsdelikten von jeher von einem normativen Kausalitätsbegriff ausgegangen ist. Vgl. auch Schlüchter JuS 1976,794. 386 Schönke/Schröder/Stree § 13 Tz. 61 mit weiteren Nachweisen; Fünfsinn, S. 104ff.
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nicht darauf an, ob diese Überprüfung aus Gründen realer oder potentieller Kausalitätsbetrachtung oder gar infolge einer rein normativ vorzunehmenden Wertung geschieht. Von diesem Ansatz aus müßte der Revisionsrichter feststellen, ob im Einzelfall das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn der Tatrichter das Gesetz nicht verletzt hätte. Eine solche Feststellung erfordert nicht nur, das Wirkungsgefüge der tatrichterlichen Überzeugungsbildung nachzuvollziehen, sondern darüber hinaus hypothetisch zu ermitteln, ob die Überzeugung eine andere geworden wäre, hätte das Verfahren diesen oder jenen anderen Verlauf genommen. Erheblich ist auch nicht nur die Motivationskette des Gerichts, sondern sind auch die realen und hypothetischen Beweggründe anderer am Prozeß beteiligter Personen. Wird beispielsweise geprüft, ob eine falsche Belehrung oder das Fehlen eines Hinweises das Urteil beeinflußt haben, so kommt es zunächst darauf an, welche Motivationsabläufe die richtige Belehrung bzw. die Erteilung des Hinweises in dem betreffenden Prozeßbeteiligten in Gang gesetzt hätte. Der BGH hat diese Problematik erkannt, schiebt aber - faIschlicherweise - die "Vortrags- und Beweislast" auch insofern in einigen Entscheidungen dem Revisionsführer zu. Das bedeutet, die Revision scheitert nicht erst am Fehlen des Beruhenszusammenhangs, sondern meist schon an § 344 11 2, nämlich an der Zulässigkeit der Rüge, die mangels ausreichenden Tatsachenvortrags nicht in zulässiger Weise erhoben sei. So verlangt etwa BGH 22, 278 (282) im Fall einer Revisionsrüge nach § 258 III die Angabe, "was die Beschwerdeführer nach dem Wiedereintritt in die Verhandlung noch zu ihrer Verteidigung und zur Verbesserung ihrer Lage hätten vorbringen können. ,,387
BGH NStZ 1996, 400 verlangt für die Zulässigkeit der Revisionsrüge (Verletzung des § 245 I durch Nichtvernehmung einer Zeugin) Sachvortrag dazu, " ... welche Bedeutung die Zeugenaussage für die Entscheidung des Gerichts hätte erlangen können", 387 Auf diese Entscheidung weist zutreffend Mehle, Beruhen, S. 62, hin unter Erörterung der hier angesprochenen Fragen. Wie BGH 25, 325 BGH NStZ 1995,247 (zur Beruhenseignung der Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 I). Zur "Darlegungslast" allgemein vgl. BGH NStZ 1996,99. Die Entscheidung verlangt bei der Rüge nach §§ 265 IV, 338 Nr. 8 (der Tatrichter habe es zu Unrecht abgelehnt, die Hauptverhandlung zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung auszusetzen oder zu unterbrechen) u. a. die Darlegung, welche Anknüpfungspunkte für Fragen und Vorhalte sich aus den Akten ergeben haben, warum sich die hieraus ergebenden Fragen nicht bei der erneuten Zeugenvernehmung I Woche später anbringen ließen und warum der anwaltliche Rat, sich nicht zur Sache einzulassen, nicht bis zu diesem Zeitpunkt überprüft werden konnte. Das ist mehr als das Verlangen nach einer Konkretisierung der Verfahrensrüge. Der BGH erkennt dies, wenn er den Fall mit der Erhebung der Aufklärungsrüge hinsichtlich der Beiziehung von Akten vergleicht, "die gleichfalls einen genauen Vortrag dazu voraussetzt, welche Beweistatsache wo in den Akten gefunden hätte werden können." Ähnlich BGH NStZ-RR 1996, 337 (am Ende): "Hier trägt die Revision jedoch nicht vor, der Angeklagte habe noch etwas vorbringen wollen, was das Gericht zum Innehalten ... hätte drängen sollen ... "; weiter BGH NStZ-RR 1996, 11 (zur Rüge der Verletzung des § 265 I): "Schließlich vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen, daß das Unterbleiben des Hinweises die Verteidigung daran hinderte, für das Strafmaß bedeutsame Umstände vorzubringen." Ferner BGH NJW 1996, 1685.
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und gelangt bei der Beruhensprüfung mit Hilfe des ursächlichen Zusammenhangs zu dem Ergebnis, "daß eine Vernehmung der Zeugin die tatrichterliche Entscheidung nicht beeinflußt hätte", wobei der Senat die Aussage der in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Zeugin aus dem Ermittlungsverfahren würdigt und feststellt, daß sie mit dem Schuldspruch in keinem Zusammenhang stehe. BGH 25, 325 ff. (332) fordert von dem die Verletzung des § 243 IV I beanstandenden Angeklagten die Darlegung, weshalb er an seine Aussagepflicht glaubte und daß sein Irrglaube ihn zur Aussage veranlasste. 388 Solche Vorgänge spielen sich im Bereich des Geistig - Seelischen ab. Dies wird von manchen zum Anlaß genommen, Kausalitätserwägungen in diesem Zusammenhang als "Widerspruch in sich" zu bezeichnen. Kausalität erfordere den Nachweis, daß eine bestimmte Ursache - unter gleichbleibenden Bedingungen jederzeit wiederholbar - zwingend zu einem bestimmten Erfolg führe. Demgegenüber seien die im psychischen Bereich ablaufenden Motivationszusammenhänge "zumindest nicht nachweisbar".389 Auf das materielle Strafrecht übertragen dürfte es demnach keine Verurteilung wegen Betruges und anderer Delikte geben,390 in denen die Tathandlung den Erfolg im geistig-seelischen Bereich bewirkt. Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung sind hier in der Tat nicht zu verkennen. Das zeigt die Entscheidung BGH 13, 13, deren Sachverhalt in den Gründen ebenso kurz (und mißverständlich) wiedergegeben ist, wie der Fall selbst in der Literatur ausführlich erörtert wird. Der Angeklagte, ein Referendar, erzählte dem Geschädigten, einem Kaufmann, im Dienstzimmer eines Richters, er benötige ein Darlehn von 2 000,- DM, das er wegen größerer von ihm erwarteter Einnahmen zu einem festen Termin zurückzahlen werde. Der Geschädigte vertraute diesen Angaben und gab das Darlehn. In dem von der BGH-Entscheidung wiedergegebenen Tatbestand erster Instanz hieß es sodann wörtlich: "der Angeklagte gibt zu, daß er keine Einkünfte ... zu erwarten gehabt habe. Diese unrichtigen Angaben ... sind nach den Angaben des Zeugen A jedoch nicht bestimmend für seinen Entschluß, dem Angeklagten die 2 000,- DM zu leihen, gewesen. Für ihn hätte allein die Tatsache genügt, daß der Angeklagte auf einem Richterstuhl gesessen hätte, selbst wenn er kein Richter, sondern nur Referendar gewesen wäre, diesem aus einer augenblicklichen Geldverlegenheit zu helfen. ,,391
Diese Feststellungen des Tatrichters lassen mehrere Deutungen zu. Die eine: Der Geschädigte gab, um dem Referendar zu helfen - ohne Rücksicht auf die täuschenden Angaben; die zweite: Er gab, um zu helfen und weil er den Angaben glaubte; die dritte: Er gab, weil er den Angaben glaubte, zu helfen hatte er aktuell Vgl. Herdegen NStZ 1990,518. So etwa Bauer wistra 1991,97 und wistra 1996, 46ff.; ähnlich schon Mösl DRiZ 1970, 110; Sieß NJW 1982, 1626; auf diese Problematik weist AK StPO-Maiwald § 337 Tz. 18 hin. 390 Zum Problem vgl. Koriath, Kausalität, S. 160ff. (l77ff.); Koriath verzichtet auf die Zuhilfenahme der Kausalität bei der Definition mentaler Vorgänge (S. 226ff.). 391 BGH 13, 13 (14). 388
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nicht im Sinn, potentiell wäre dieses Motiv allein aber geeignet gewesen, ihn zu der Verfügung zu bestimmen. Bei der zweiten Auslegungsvariante ist die Täuschung für die Vermögensverfügung kausal, weil sie zwar nicht allein, aber zusammen mit dem anderen Motiv (helfen zu wollen) nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß die Verfügung entfiele. Ursächlich ist sie ebenfalls bei der dritten Deutungsmöglichkeit, weil das Motiv, helfen zu wollen, nicht aktuell, allenfalls potentiell, die Verfügung bestimmt. Um die Kausalität der Täuschungshandlung annehmen zu können, kam es also darauf an, ob die falschen Angaben aktuell die Verfügung motivierten oder ob sie nur potentiell Bedeutung hätten erlangen können. Nach der unklaren Wiedergabe der tatrichterlichen Feststellungen im Urteil erster Instanz war beides möglich. Der BGH mußte also entweder zur weiteren Sachaufklärung zurückverweisen oder den Tatbestand auch für die erste Deutungsmöglichkeit bejahen. Erstaunlicherweise fährt er indessen "zweigleisig". Einerseits versteht er die Feststellungen so, daß in ihnen die Bedingungslehre zur Annahme der Kausalität geführt hat. Der BGH führt aus: ,,Es kommt jedoch nicht darauf an, ob für A. schon dieser Grund allein ausgereicht hätte, dem Angeklagten das Geld zu leihen. Tatsächlich gab er es, wie die Feststellungen des Urteils erkennen oder sich zumindest deuten lassen, deshalb, weil er den falschen Angaben des Angeklagten vertraute. Wenn dies für ihn wenigstens mitbestimmend war, büßt ein solcher Beweggrund seine rechtliche Bedeutung nicht deshalb ein, weil daneben ein anderer bestand, der von dem Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluß geführt hätte. Der tatsächliche Verlauf der Willensbildung verliert sein Dasein und seine rechtliche Bedeutung nicht dadurch, daß an seine Stelle ein anderer getreten wäre, aber nicht getreten ist ...• .392
Andererseits begibt sich die Entscheidung in die Gesellschaft von BGH 11, 1, welche die besondere "strafrechtliche" Kausalität ins Leben gerufen hat. Sie erfindet nämlich eine neue Bedingungslehre für die ,,innere Kausalität", wenn die Entscheidung weiterhin ausführt: "Die abweichende Auffassung ... überträgt Grundsätze, nach denen Ursachenzusammenhänge in der äußeren Natur beurteilt zu werden pflegen, zu Unrecht auf geistige Vorgänge im Innem des Menschen ...393
Diese Ausführungen zur ,,inneren Kausalität" laufen jedoch praktisch leer, weil die Ursächlichkeit schon mit der conditio-sine-qua-non-Forme1 bejaht wird. Beides zusammen wirkt nicht überzeugend, denn ein Motiv kann nicht "mitbestimmend" sein, wenn es nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht "bestimmend" war. BGH 13, 13 (14). BGH 13, 13 (15); für das Prozeßrecht vgl. Herdegen NStZ 1990,516: Das Beweismaß lasse sich bei der psychisch vermittelten Kausalität nicht so wie im streng determinierten Bereich bestimmen, wegen der Unmöglichkeit, den Erfolg streng aus den Antezedentien zu erklären. Vgl. auch Peters, Baumann-Fschr., S. 319 ff. 392 393
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Die Entscheidung beleuchtet die Schwierigkeiten, denen sich die Ennittlung geistig-seelischer Zusammenhänge, wie sie einige Tatbestände des materiellen Rechts voraussetzen, gegenübersieht. So ist im Referendarfall die Täuschung nur dann kausal, wenn der Kaufmann das Darlehn ohne die im konkreten Fall wirkende Motivationskette nicht gegeben hätte. Der Tatrichter muß also feststellen, ob der Verfügende - gab, weil er vertraute oder - gab um zu helfen, ohne daß es ihm auf die Richtigkeit der Angaben ankam. Gab er aktuell, weil er den Vorspiegelungen glaubte, hätte er potentiell aber in jedem Fall gegeben um zu helfen, ändert dies an der (realen) Kausalität nichts. Allerdings könnte diese Konstellation unter dem Blickwinkel des hypothetischen Kausalverlaufs von Bedeutung sein. 394 Auf das Prozeßrecht angewandt, bedeutet dies entsprechend für die Fälle unrichtiger Hinweise, Belehrungen oder für ähnliche Gesetzesverletzungen durch positives Tun: Wird z. B. der Angeklagte belehrt, er müsse in jedem Fall aussagen (Verstoß gegen § 243 IV 1), fehlt es schon an der Kausalität dieses Verstoßes für das die Aussage verwertende Urteil, wenn der Angeklagte zum einen sein Schweigerecht kennt und zum anderen nicht etwa durch den mit der falschen Belehrung einhergehenden psychischen Druck zur Aussage bestimmt wird. Unterbleibt die Belehrung ganz, hätte aber der Angeklagte in jedem Falle ausgesagt, so hätte auch die Vornahme der gebotenen Handlung den Erfolg in Gestalt des bestimmten Urteils nicht abwenden können. In der Diktion der h.M. wäre die "Quasi-Kausalität" zu verneinen. Mehle ist der Ansicht, in Einzelfällen lasse sich durch das Revisionsgericht die sichere Feststellung treffen, auch bei fehlerfreiem Vorgehen würde die tatrichterliche Entscheidung nicht anders als ohne es ausgefallen sein. Er führt hierzu das Beispiel von Sarstedt an: Ein Zeuge wird gegen gesetzliches Verbot vereidigt. Der Tatrichter glaubt ihm nicht. In diesem Fall sei zweife1sfrei, daß das Gericht einer uneidlichen Aussage "erst recht" nicht gefolgt wäre. 395 Das kann in dieser allgemeinen Form nicht richtig sein. Der ,,Erst-Recht-Schluß" ist nicht zwingend. Aus ganz anderen Umständen kann der Tatrichter den Schluß auf die Unglaubwürdigkeit des Zeugen herleiten. Der entscheidende Beweggrund für den Tatrichter, dem Zeugen nicht zu glauben, kann sich erst durch das Verhalten des Zeugen bei der Eidesleistung ergeben. Richterliche Zweifel am Zeugen können sich bei der Eidesleistung sowohl verhärten als auch verflüchtigen. Die Würdigung der Beweise folgt keiner mathematischen Formel, und der logische Schluß a majore ad minus 394 Diese Frage wird im Referendarfall ausführlich erörtert, vgl. Engisch, von WeberFschr., S. 284 ff. 395 Mehle, Beruhen, S. 59, im Anschluß an Sarstedt, 4. Aufl. S. 135 f. (S. 136 oben), jetzt Sarstedtl Hamm, 5. Aufl. Tz. 188; anders Hamm Tz. 504 (in etwa wie hier).
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taugt zur Auslegung von Gesetzen, aber nicht zur Erfassung menschlicher Motivation, wie es die tatrichterliche Überzeugungsbildung nun einmal ist. Selbst wenn sich die rechtsfehlerhafte Vereidigung auf die Überlegungen des Gerichts beim Erlaß des Urteils nicht ausgewirkt hat, so kommt im Fall eines Verstosses gegen § 60 Nr. 2 folgende Erwägung hinzu. Sofern die Verteidigung aus der Vereidigung den (im konkreten Fall unrichtigen) Schluß zieht, das Gericht werde dem Entlastungszeugen glauben (denn andernfalls hätte es ihn nicht vereidigt), sofern weiter die Verteidigung hierdurch von der Stellung weiterer Beweisanträge abgehalten wird und diese das Gericht zu einer anderen Überzeugung gebracht hätten, läge Kausalität der das Gesetz verletzenden fehlerhaften Vereidigung vor. 396 Es entspricht nämlich, wie Mehle zu Recht bemerkt, vernünftigem Verteidigerhandeln, nicht alle Entlastungsbeweise sofort auszuschöpfen, vor allem dann nicht, wenn Zweifel am Gelingen bestehen. 397 Die fehlerhafte Vereidigung kann bei der Verteidigung den Entschluß hervorrufen, weitere Beweisanträge nicht zu stellen. Damit verhindert die Gesetzesverletzung gleichsam den Einsatz der ,rettenden' Kausalkette in Gestalt weiterer Beweisanträge mit daraus im Falle ihrer Erhebung resultierender anderweitiger Überzeugungsbildung des Gerichts. Das ist reale Kausalität, nicht bloßer Denkzusammenhang, denn der Abbruch einer rettenden Kausalkette ist Handlung, nicht Unterlassung, wie Arrnin Kaufmann nachgewiesen hat. 398 Ein weiteres Beispiel: Verhandelt der Tatrichter am 12. statt am 11. Tag weiter, so ist diese § 229 I verletzende Handlung real kausal für das Urteil, wenn - das Gericht seine Überzeugung auch aus diesem Teil der Hauptverhandlung schöpft, etwa den belastenden (bzw. entlastenden) Zeugen X am 12. Tag vernimmt und hierauf die Verurteilung (bzw. den Freispruch) gründet, oder wenn - dem Gericht infolge der (wenn auch geringfügigen) Verzögerung Beweisergebnisse entfallen sind, die es zu einem anderen Spruch motiviert hätten. Nicht kausal ist die Verletzung des § 229, wenn trotz der längeren Zeit dem Gericht alle Beweismittel so präsent sind, wie sie es gewesen wären, wäre innerhalb der gebotenen Zeit weiterverhandelt worden. Die Erinnerung darf am zwölften Tag nicht schlechter als am elften sein. Ist sie zwar am zwölften verblaßt, aber nicht mehr, als sie es am elften ohnehin gewesen wäre, ist die Verzögerung nicht kausal. Das Gedankenspiel läßt sich fortsetzen. Ist einmal die zulässige Frist überschritten und wird im übrigen § 229 beachtet und schließlich nach einem Jahr das Urteil verkündet, so hängt die Kausalitätsbeurteilung davon ab, ob die Verzögerung bei dem einen Fortsetzungstermin die Erinnerung des Gerichts mehr verblassen ließ, als wenn die Verhandlung innerhalb der zulässigen Frist fortgesetzt worden wäre, eine kaum zu realisierende Abwägung. 396 Vgl. die Ausführungen von Mehle, Beruhen, S. 66ff.; Hamm, I. Strafverteidiger-FfÜhjahrssymposium, S. 28 ff. 397 Mehle, Beruhen, S. 67. 398 Armin Kaufmann, S. 60ff., S. 190ff.
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Solche Zusammenhänge müßte das Revisionsgericht ermitteln, wenn im Rahmen des § 337 auf die tatsächliche Urteilskausalität der Gesetzesverletzung abgestellt wird. f) Die Konsequenz: Enthält § 337 ein durch das Revisionsgericht unerfüllbares Postulat?
So wie er von der h.M verstanden wird, bürdet § 337 dem Revisionsgericht die Feststellung der realen und der hypothetischen Kausalität auf. 399 Zu Recht stellt Mehle die Frage, welche Erkenntnisquellen dem Revisionsgericht für diese Aufgabe zur Verfügung stehen. 4oo BGH 11,213 (214f.) bekennt hierzu, "daß die Möglichkeit, Verfahrensverletzungen festzustellen, für das Revisionsgericht sehr begrenzt ist. ,,401
Wenn also schon die Feststellung des Fehlers problematisch ist, so erst recht die Beurteilung seiner Kausalität im Blick auf das Urteil. Über diese Schwierigkeiten setzt sich allerdings der BGH in späteren Entscheidungen bezüglich des Beruhenszusammenhangs hinweg. Läßt er sich, was die Feststellung des Verfahrensfehlers selbst angeht, noch von Skepsis gegenüber den Möglichkeiten des Revisionsgerichts leiten, so scheinen andere Entscheidungen geradezu vollständige Kenntnis der tatrichterlichen Hauptverhandlung für sich in Anspruch zu nehmen, so wenn etwa BGH 23, 224 "mit Bestimmtheit" ausschließt, daß die Überschreitung der zulässigen Unterbrechungsdauer die Zuverlässigkeit der tatrichterlichen Erinnerung abgeschwächt haben könnte. "Die Länge der Verhandlung und die Tatsache, daß das Schwurgericht sich fast ein Jahr lang ausschließlich mit dem Stoff dieses Strafverfahrens befaßt hatte, hatten zwangsläufig zu einer Verdichtung und Intensivierung des Eindrucks von den Vorgängen in der Hauptverhandlung auf die beteiligten Berufs- und Laienrichter geführt; dieser Eindruck konnte nicht davon berührt werden, ob die unterbrochene Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 StPO fortgesetzt wurde oder eine Reihe von Tagen später ... ,,402 399 Vgl. Herdegen NStZ 1990,516: Das Revisionsgericht habe die volle "Beweislast" für die Ergebnisidentität von tatsächlichem und rechtsfehlerfreiem (hypothetischem) Kausalverlauf. 400 Mehle, Beruhen, S. 53. 401 Zu den Voraussetzungen einer (ausnahmsweise vorzunehmenden) Überprüfung des Prozeßgeschehens durch das Revisionsgericht äußert sich BGH NStZ 1997, 296 (mit weiteren Nachweisen): Allenfalls dann, wenn das Revisionsgericht mit den Mitteln des Revisionsrechts das Beweisergebnis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung ohne weiteres feststellen könnte, d. h. sich durch Rückgriff auf objektive Grundlagen wie Urkunden, Abbildungen, den Beweisgehalt "selbst erschließen könnte, könnte das prozessuale Geschehen vom Revisionsgericht selbst überprüft werden." Der BGH verneint diese Möglichkeit. Im konkreten Fall ging es um das Beweismittel eines in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen. 402 BGH 23, 224 (225); auf der gleichen Linie bewegt sich OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996, 363 (364), worin ausgeführt wird, daß das Fehlen der Entscheidung über die Vereidi-
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Der BGH führt für seine Schlußfolgerung, diese Gesetzesverletzung habe den Urteilsinhalt nicht beeinflußt, Tatsachen an, so z. B. daß die Schlußvorträge zu den Akten gereicht und ein Tonband die Hauptverhandlung im wesentlichen dokumentiert hatte. Diese Feststellungen lassen sich sicherlich im Wege des Freibeweises ohne weiteres aus dem Akteninhalt treffen. Wenn es aber weiter heißt, die Länge des Verfahrens habe die Eindrücke von den Vorgängen der Hauptverhandlung bei den erkennenden Richtern derart intensiviert, daß sie damit von Unterbrechungszeiten unbeeinflußbar feststünden, so fragt es sich, aus welchen Quellen ein Revisionsgericht eine solche Erkenntnis schöpfen will. Der BGH sieht offenbar einen Erfahrungssatz etwa des Inhalts: Wer sich ein Jahr mit dem Verfahrensstoff befaßt hat, dessen Erinnerung kann durch eine mehrtägige Unterbrechung nicht mehr getrübt werden.
Daß der BGH seinerseits einem Tatrichter die Annahme eines solchen Erfahrungssatzes durchgehen ließe, ist zu bezweifeln. Für das Revisionsgericht nimmt ihn die Entscheidung offenbar in Anspruch. Es kann indessen schon auf den ersten Blick auch anders sein; die sich ständig wiederholende Befassung mit dem Stoff kann die Aufmerksamkeit für Details mindern, die Erinnerungsfähigkeit ist nun einmal dem Zeitfaktor generell unterworfen. Auf derselben Linie bewegt sich BGH 22, 278 (281). Den Angeklagten war hier nicht das letzte Wort erteilt worden. ,,Mit Sicherheit" wird ausgeschlossen, daß das Urteil auf der Verletzung des § 258 III beruhe, daß also der Tatrichter zu einer anderen günstigeren Entscheidung für die Angeklagten gelangt wäre, wenn diese das letzte Wort gehabt hätten. Der BGH argumentiert, die Angeklagten hätten bereits vor dem Wiedereintritt in die Verhandlung das Wort, das offenbar als das "letzte" nach § 258 III gedacht war, erhalten, dazu sei durch die Revision selbst nicht einmal ausgeführt worden, was weiterhin noch hätte vorgebracht werden können. 403 Die so vom BGH überschätzte Möglichkeit, die Kausalität von Verfahrensfehlern zu beurteilen, erfährt eine zusätzliche Komplikation dann, wenn ein Gedanke gung des Zeugen deshalb nicht beruhensgeeignet sei, weil der Zeuge als Verletzter ohnehin unvereidigt geblieben wäre. Es sei kein Umstand erkennbar, der nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Vereidigung hätte führen können, stellt das Revisionsgericht unter Würdigung der Einlassung des Angeklagten, der Aussagen eines weiteren Zeugen und desjenigen, dessen Nichtvereidigung mit der Revision gerügt wurde, fest. BGH bei Kusch NStZ 1997,71 (Nr. 13 "Phantom-Gutachter") hält es ftir "ausgeschlossen", daß ein Gutachten eines Sachverständigen, den die Kammer in den Gründen zwar zitiert, der aber nie ein Gutachten in dem Verfahren abgegeben hat, also ein an sich "außergewöhnlicher Verstoß gegen § 261 ", wie der BGH selbst bemerkt, den Tatrichter zu einer anderen Auffassung bewogen haben würde, wenn es tatsächlich eingeholt worden wäre. Nach hier vertretener Auffassung ist bei solchen "Gründen" schon die concIusio i. S. des § 267 I bzw. 11 zerschlagen, so daß Aufhebung aufgrund der Sachrüge in Betracht gekommen wäre. 403 Zu diesem Problem der "Vortragslast" vgl. Herdegen NStZ 1990, 518. Die Rechtsprechung wird fortgeführt von BGH StV 1992,551; BGH NStZ-RR 1997, 107; 1998, 15 (im entschiedenen Fall sah der BGH durch den Verstoß gegen § 258 zwar nicht den Schuldspruch, wohl aber den Strafausspruch als berührt an).
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ins Spiel kommt, der vornehmlich für den Zivilprozeß diskutiert wird. Richtig gefragt geht es nicht darum, ob der Tatrichter "anders" entschieden hätte, sondern ob er - bei richtiger Anwendung des Verfahrensrechts - so hätte entscheiden dürfen, wie er entschieden hat. 404 Der Rechtsfehlerzusammenhang entfällt nämlich nur, wenn der Tatrichter ohne die Gesetzesverletzung rechtens zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. An dieser Stelle der Überlegungen muß also wiederum eine normative Wertung einsetzen, die allerdings nicht ohne Tatsachengrundlage vorgenommen werden kann. Zu fragen ist nicht nach der Andersartigkeit des Urteils, sondern nach dessen Richtigkeit. Diese ist hier nicht zu verstehen als "mit der Wahrheit übereinstimmend", sondern als ,,richtig unter Berücksichtigung der vorgefundenen Beweismittel", also prozessual richtig. 405 Damit müßte das Revisionsgericht die Tatsachenverhandlung in vollem Umfang "nachbereiten" und nicht nur den Einfluß der Gesetzesverletzung auf die Überlegungen des Tatrichters beim Erlaß des konkreten Urteils berücksichtigen. Es müßte sich gleichsam selbst ein Bild von den der Tatsacheninstanz zur Verfügung stehenden Beweismitteln verschaffen, um alsdann festzustellen, wie der Tatrichter bei Würdigung derselben ,richtig' hätte entscheiden müssen. Es liegt auf der Hand, daß diese komplette hypothetische Nachbereitung dem Revisionsgericht unmöglich ist. 406 So bemühen sich die Revisionsgerichte, das Beruhen mit mehr oder minder apodiktisch begründeten Erfahrungssätzen - die allerdings nicht als solche gekennzeichnet werden - zu verneinen, wobei eine gewisse Kontinuität in der Rechtsprechung schon deshalb nicht erkannt werden kann, weil, wie Mehle zu Recht bemerkt, nur das Fehlen des Beruhenszusammenhangs, nicht aber dessen Vorliegen begründet zu werden pflegt. 407 404 Rimmelspacher ZZP 84 (1971), 54f.; Mehle, Beruhen, S. 56f.; vgl. demgegenüber Schünemann JA 1982, 124: "Weil das Revisionsgericht ohne eigene Beweiserhebung in der Sache ... nicht prüfen kann, welches Ergebnis bei rechtsfehlerfreier Behandlung der Angelegenheit herauskommen müßte, hat es deshalb das tatrichterliche Urteil schon dann zu kassieren, wenn sich nicht ausschließen läßt, daß der Rechtsfehler das Ergebnis beeinflußt hat". "Beruhen" bedeutet also "mögliche Kausalität". - Damit wird die Betrachtung des Beruhenszusammenhangs auf die Kausalität als Seinsgröße beschränkt. Nicht die "richtige" Entscheidung, sondern nur die "andersartige" ist bedeutsam. Den Schwierigkeiten bei der Feststellung der "potentiellen" Kausalität entgeht diese Ansicht nicht. Sie setzt nur an die Stelle regelgerechter Kausalitätsfeststellung die von Schwarzesehe Beweisregel. 405 Paulus, Spendel-Fschr., S. 696ff.; vgl. oben IX. 2. a). 406 Vgl. Hamm, Strafverteidigung § 10 Tz. 136ff. (S. 555f.): Das Revisionsgericht darf dem Tatrichter nicht "vorschreiben", zu welchen Ergebnissen er in der tatsächlichen oder hypothetischen Beweiswürdigung hätte kommen müssen. Vgl. auch das von Hamm in Tz. 139 angeführte Beispiel der "Ersetzung" der tatrichterlichen Beweiswürdigung durch die des Revisionsgerichts. 407 Mehle, Beruhen, S. 51; typisch z. B. BGH NStZ-RR 1997,72: Der Feststellung des Verstoßes (gegen § 265 I) widmet die Entscheidung mehrere Absätze. Der Beruhenszusammenhang wird dagegen apodiktisch behauptet (S. 73 unter 3): "Auf dem Verfahrensverstoß kann das Urteil beruhen." Ebenso BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2, "letztes Wort 2, ordnungs-
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Nicht die Kausalität, sondern deren Fehlen wird begründet. Das geschieht durch Aufzeigen von Alternativbedingungen, die den Erfolg (das Urteil) ebenso herbeigeführt haben könnten. Typisch hierfür ist BGH StV 1997, 169. Die Revision hatte Verletzung des § 52 bei der Zeugenvernehmung des minderjährigen Tatopfers gerügt. Der BGH hält die Rüge für nicht ordnungsgemäß ausgeführt und daher unzulässig: "Selbst wenn aber wegen etwa noch fortbestehenden Reifemangels der Zeugin die Zustimmung des Ergänzungspflegers erforderlich gewesen wäre, könnte im Falle der Anwesenheit von Vertretern des Kreisjugendamts - hierzu enthält die Revisionsbegründung ebenfalls keine Angaben - die Zustimmung darin erblickt werden, daß diese Vertreter die Vernehmung der Zeugin in der Hauptverhandlung widerspruchslos geschehen ließen; eine solche Deutung ihres Verhaltens läge hier um so näher, als der Ergänzungspfleger bereits der richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren ausdrücklich zugestimmt hatte und kein Grund dafür ersichtlich ist, weshalb für die Vernehmung der Zeugin in der Hauptverhandlung eine gegenteilige Entscheidung in Betracht gekommen sein könnte. Nach dem insoweit unvollständigen Revisionsvorbringen sind diese Möglichkeiten, bei denen weder unter dem Gesichtspunkt des Zustimmungserfordernisses noch unter dem des Belehrungsgebots ein Verfahrensfehler gegeben wäre, nicht auszuschließen."
Diese Ausführungen sind unter drei Gesichtspunkten bedenklich. Zum einen macht es sich der BGH leicht mit dem Aufzeigen von Alternativursachen, also solchen, die den Erfolg (Urteil) auch unabhängig von den zu prüfenden (verwirklichten) Bedingungen herbeigeführt haben können. Wie schwer sich die Rechtsprechung andererseits tut, um im materiellen Recht derartige Bedingungen überhaupt auch nur zu erwägen, wenn eine "Gesamtbewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse" erst einmal ins Auge gefaßt ist, hat in eindrucksvoller Weise Rainer Hamm dargestellt. 408 Im Prozeßrecht, bei der Prüfung des Beruhenszusammenhangs, werden dagegen Alternativbedingungen für möglich gehalten, so wenn etwa gesagt wird, daß das Tatgericht "möglicherweise" unter diesen und jenen Umständen zur gleichen Entscheidung gelangt wäre. 409 Zum zweiten entfernt sich gemäße Rüge". Im Fall BGH NStZ-RR 1997, 107 war nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme beiden Angeklagten das .l,etzte Wort nicht gewährt worden. Nach Ansicht des BGH war das Beruhen beim einen "nicht auszuschließen", beim anderen dagegen "ausgeschlossen". Letzteres folgert die Entscheidung aus einer "nachbereitenden" Beurteilung des Verlaufs der Hauptverhandlung und kommt zu dem Ergebnis, die "Verteidigungsposition war damit nicht berührt." Ähnlich auch der Hinweis von Burgmüller, S. 154: Die Revisionsgerichte erläutern "ihr methodisches Vorgehen" bei der Feststellung des Beruhenszusarnmenhangs nicht. 408 Ramm StV 1997, 159 (160): "Gesamtbewertung! Das ist so etwas wie die Buttercreme oder die Schlagsahne, die der Konditor auf seine rissig zermatscht aus dem Ofen geholte Torte schmiert, um ihr ein gelungenes äußerliches Aussehen zu verleihen. Wer hinter der Fassade, die er zur Gesamtschau aufbaut, für die Kausalität der zu untersuchenden Bedingungen genügen läßt, daß sie wahrscheinlich zum Schaden für das Rechtsgut geführt haben, muß dieses Kriterium auch auf die möglichen Alternativursachen anwenden. Dann muß er aber auch stets die Alternative in Betracht ziehen, daß jene andere Ursache den Schaden alleine bewirkt hat." 409 Vgl. auch BGHR § 337 Abs. 1, ,,Beruhen 1, Offenkundigkeit". \0 Weidemann
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der BGH, indem er auf die bloße Möglichkeit der Alternativbedingungen abstellt, von der Schwarzeschen Beweisregel. Nach dieser genügt für die Annahme des Beruhens, daß das Urteil möglicherweise anders ausgefallen wäre, nicht aber, daß möglicherweise andere Bedingungen dasselbe Urteil herbeigeführt hätten. Die "Beweiserleichterung" dahingehend, daß die "Möglichkeit" anstelle der Gewißheit gesetzt wird, bezieht sich also auf die Feststellung des Beruhens, nicht aber auf dessen Ausschluß. Zum dritten verlagert der BGH die Prüfung der Kausalitätsfrage in den Bereich der Darlegungslast, indem er nicht etwa sagt, es fehle am Beruhen, sondern, die Revision habe dazu nichts vorgetragen. 410 Die vom Entwurf I überkommene, von den folgenden Entwürfen fortgesetzte Definition des Beruhenszusarnmenhangs mit Hilfe der Kausalität oder kausalitätsähnlicher Überlegungen ist ein Irrweg, weil das Revisionsgericht weder das reale noch das hypothetische Motivationsgefüge der tatrichterlichen Hauptverhandlung festzustellen in der Lage ist. Diese Schwierigkeiten scheint ein Beitrag aus der Mitte der Kommission immerhin vorausgeahnt zu haben. Bei der Diskussion der durch von Schwarze vorgeschlagenen Beweisregel bemerkt nämlich der Abgeordnete Reichensperger, er könne den Grundgedanken von Schwarzes nicht billigen. Wenn einmal eine obligatorische Vorschrift des Verfahrens verletzt sei, so habe nach seiner Ansicht der Revisionsrichter gar nicht weiter zu untersuchen, ob diese Verletzung des Gesetzes mit dem wesentlichen Inhalt des Urteils im Zusammenhang stehe, sondern er habe nur das Urteil zu kassieren. Das Gesetz, nicht der Revisionsrichter, habe festzustellen, welche Vorschriften des Prozesses wesentlich seien. 411 Dieser Satz ist insofern bemerkenswert, als Reichensperger nur auf die "obligatorische Vorschrift des Verfahrens" abstellt und nicht auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Urteil. Nach ihm kommt es darauf an, ob die Bestimmung "wesentlich" ist oder nicht. Sicherlich spricht er mit dieser Wendung nicht die absoluten Revisionsgründe an; diese Bemerkung muß sich auf die relativen bezogen haben, im Rahmen der absoluten hätte zu ihr keine Veranlassung bestanden, da das Gesetz das Beruhen unwiderlegbar vermutet bzw. fingiert. Der Einwand Reichenspergers wird jedoch in den Beratungen nicht weiter vertieft, weil von Schwarze infolge des Hinweises des Regierungsvertreters auf den Grundsatz in dubio pro reo seinen Antrag zurückzieht.
410 Gegen die Überbürdung der Darlegungslast auf den Revisionsführer Schlüchter Tz. 709: Die Feststellung des normativen Zusammenhangs zwischen Rechtsverletzung und Urteil ist Sache des Revisionsgerichts, nicht des Beschwerdeführers; ähnlich Herdegen, Strafverteidigung § 10 Tz. 87 (S. 531). 411 Hahn III/l, S. 1032.
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g) Statt Kausalitätsbetrachtung Abstellen auf den normativen Zusammenhang
In neuerer Zeit gewinnt die normative Definition des Beruhenszusammenhangs an Bedeutung. Die Literatur nähert sich dem Problem aus zwei unterschiedlichen Richtungen, einmal aus der Perspektive der Revision, zum anderen aus dem Blickwinkel des Verwertungsverbots. So fragt Grünwald bei der Prüfung des (unselbständigen, d. h. aus der Verletzung eines Beweisgewinnungsverbots resultierenden) Verwertungsverbots nach der ratio des Beweisgewinnungsverbots. Die ratio der Vorschrift soll bestimmen, ob ihre Verletzung ein Verwertungsverbot nach sich zieht. 412 Ist ein unverwertbares Beweismittel verwertet worden, wird dies als Revisionsgrund gesehen. 413 Entsprechend geht der Ansatz Gössels vom Beweiserhebungsverbot aus, schließt jedoch aus dessen Verletzung unmittelbar auf die Revisibilität: "Weil Beweisverbote die Sachverhaltsermittlung im Strafverfahren beschränken, sind sie ... stets als Rechtsnormen zu betrachten. Ihre Verletzung stellt deshalb eine Gesetzesverletzung LS. des § 337 StPO dar .....414
Gössel sieht den Beruhenszusammenhang als gegeben an, wenn zwischen Beweisverbotsverstoß (Gesetzesverletzung) und Urteil ein ,,realer" und ein "finaler" Zusammenhang besteht. Ersterer liegt vor, wenn die unzulässig ermittelten Tatsachen den tragenden Grund der Verurteilung bilden, letzterer, wenn die Nichtberücksichtigung im Urteil vom Schutzzweck der verletzten Beweiserhebungsnorm gefordert wird. Grünwald schließt unter Zugrundelegung des Normzweckzusammenhangs vom Beweiserhebungs- auf das Verwertungsverbot und von diesem auf die Revisibilität, die bei Bejahung des Verwertungsverbots gleichsam automatisch gegeben ist; Gössel untersucht dagegen den Beruhenszusammenhang im Rahmen des Schlusses vom Beweiserhebungsverbot direkt auf die Revisibilität. Revisionsbezogen sind dagegen die Ansätze Rudolphis,415 Blomeyers416 und Schlüchters,417 die den Beruhenszusammenhang LS. des § 337 zwischen Gesetzesverletzung und Urteil untersuchen.
412 Grünwald JZ 1966,489 (492, 5(0) und Beweisrecht, S. 143 ff.; ähnlich Roxin JZ 1997, 343 (345) bei der Erörterung der Frage, inwieweit die Mißachtung des Rechts zur Verteidigerkonsultation im Ermittlungsverfahren ein Verwertungsverbot auslöst. 413 Grünwald JZ 1966,501 und Beweisrecht, 157. 414 Gössel NJW 1981,2218 und Bockelmann-Fschr., S. 801 ff. (812 f.). 415 Rudolphi MDR 1970, 93 ff. 416 BlomeyerJR 1971, 142ff. 417 Schlüchter Tz. 4.1, 709 und 725, Krause-Fschr., S. 486f., Kernwissen, S. 8, JR 1984, 517 (519f.) und Form, S. 227 (230).
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Gemeinsam ist allen Lösungen, daß sie die Revisibilität teleologisch durch die Forderung eines besonders gearteten Zusammenhangs zwischen Gesetzesverletzung und Urteil begrenzt und damit die Diskussion um den Beruhenszusammenhang durch eine normative Sichtweise bereichert haben. 418 Letztere ist in unterschiedlicher Ausprägung von anderen Autoren übernommen worden. 419 Begründung und Ausgestaltung dieses normativ geprägten Beruhenszusammenhangs sind verschieden. Rudolphi stellt darauf ab, ob der Gesetzgeber mit der Aufstellung der Nonn "die Absicht verfolgte, Urteile, die auf einer Verletzung dieser Nonn beruhen, zu verhindern. Geht der Schutzzweck der verletzten Nonn ausschließlich in eine andere Richtung, verfolgt die in concreto mißachtete Verfahrensnonn also gerade nicht den Zweck, den Einfluß bestimmter Faktoren, wie z. B. bestimmter Beweisergebnisse, auf das Urteil zu verhindern, so ist es nicht möglich, ein Urteil, das u. a. auch auf diesen Faktoren beruht, dadurch zu Fall zu bringen, daß man den gen. Verfahrensverstoß mit der Revision rügt. Denn dadurch würde der verletzten Verfahrensnonn eine Aufgabe zugeschrieben, die sie nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht hat und auch nicht haben soll. ,,420
Er leitet die Einschränkung des Revisionsrügerechts nicht aus dem Beruhensbegriff, sondern aus einer teleologischen Einschränkung des § 337 ab: "Die Revisibilität kann weiter selbst bei solchen Nonnen entfallen, auf deren Verletzung das Urteil beruht oder beruhen kann.,,421
Der Begriff des Beruhens wird vorausgesetzt und ihm der Nonnzweckzusammenhang als zusätzliche Einschränkung des Rügerechts an die Seite gestellt. Blomeyer gewinnt die Berücksichtigung des Nonnzwecks durch ein "Umdenken" der Verfahrensrevision in eine Amtshaftungsklage wegen fehlerhaft zustandegekommener Verurteilung. "Der Angeklagte könnte nach § 839 I BGB den Verurteilungsschaden ersetzt verlangen, wenn der Richter ... eine Verfahrensnonn, die er zum Schutz des Angeklagten zu befolgen hat ... verletzt und wenn diese Verletzung ursächlich für den Urteilsschaden ist. ,,422
Im Unterschied zu Rudolphi baut Blomeyer die Normzweckrelation in den Beruhenszusammenhang ein, sieht also den Schutzzweck der Nonn kumulativ neben Schlüchter, Krause-Fschr., S. 486. Bloy JuS 1986,596; Frohne, S. 63 ff. (72); Philipps, Bockelmann-Fschr., S. 833; Haffke GA 1973, 80 ff.; Amelung, Infonnationsbeherrschungsrechte, S. 89; Frisch, Beweisrecht, S. 182 und StV 1992,613 (616); Fezer 20 Tz. 22; Svenja Schröder, S. 98 ff. (allerdings ohne Anlehnung an das materielle Recht); Rogall, Beweisverbote, S. 152 ff.; ZStW 1979, 5 ff. und NStZ 1988, 387ff. (391); KMR-Paulus § 244 Tz. 516ff.; Burgmüller, S. 156ff., sieht den Beruhensbegriff als "nonnativen Ursachenzusammenhang" (S. 168). Das Revisionsgericht dürfe nicht in die tatrichterlichen Feststellungen "eindringen"; letztlich geht es auch Burgmüller um Schutzzweckerwägungen (S. 173). 420 Rudolphi MDR 1970,97. 421 Rudolphi MDR 1970,97. 422 Blomeyer JR 1971, 144. 418
419
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
149
der Fehlerkausalität als Voraussetzung des in § 337 beschriebenen Beruhenszusammenhangs an. Schlüchter greift die von Gössel und Blomeyer angesprochene Parallele zur normativen Verknüpfung zwischen Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei den Fahrlässigkeitsdelikten auf, betrachtet den Beruhenszusammenhang in diesem Sinne als rein normativ, lehnt allerdings im Unterschied zu Gössel und Blomeyer eine über den Pflichtwidrigkeitszusammenhang hinausweisende Einschränkung der Revision in Gestalt von Schutzzwecküberlegungen ab. 423 Der Beruhenszusammenhang wird nach dieser Ansicht in zwei Schritten geprüft. Im ersten geht es um die Beziehung des Fehlers zu dem auf ihn folgenden Verfahrensstand, der neuen "Prozeßlage". Gefragt wird, ob die tatsächlichen Vorgänge im Prozeß "vermindert um die Pfiichtwidrigkeit des Verhaltens,,424 das auf den Fehler folgende Verfahrensstadium hätten herbeiführen können. Der Verfahrensverstoß wird gleichsam in vorschriftsmäßiges Prozedieren umgedacht. Unter Berücksichtigung der von der h.M. übernommenen (nicht als solche bezeichneten) von Schwarzeschen Beweisregel ist hiernach der Angeklagte schon dann freizusprechen, wenn der Erfolg in Gestalt des Urteils möglicherweise ebenfalls eingetreten wäre. Im zweiten Prüfungsschritt kommt es darauf an, ob der normative Zusammenhang normativ wieder zerschlagen ist. Das kann durch Heilung, hypothetische Erwägungen oder durch die (ggf. auch unterlassene) Inanspruchnahme von Zwischenrechtsbehelfen geschehen. 425
Die berichteten Ansichten definieren den normativen Zusammenhang unterschiedlich, die Schutzzwecklehren durch die ratio der verletzten Norm, Schlüchter durch den wertenden Umdenkungsprozeß von der Gesetzesverletzung in gesetzmäßiges Verhalten. Allerdings finden sich auch Elemente einer kausalitätsähnlichen Beruhensprüfung, so etwa wenn Grünwald ein Verwertungsverbot unter der Voraussetzung verneint, daß das betreffende Beweismittel auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen erlangt worden wäre, wenn Rudolphi fordert, daß der Schutzzweck der Norm im konkreten Fall tatsächlich vereitelt worden ist oder wenn Schlüchter den normativen Zusammenhang durch hypothetische Erwägungen als nicht begründet bzw. zerschlagen ansieht. Derartige Feststellungen, selbst wenn sie nicht auf "Gewißheit" abzielen, sondern sich im Rahmen von "Wahrscheinlichkeiten" bewegen,426 erfordern immerhin ein gewisses Maß an Empirie. Der Nachweis läßt sich Schlüchter Tz. 4.1 und Form, S. 228. Schlüchter, Krause-Fschr., S. 491. 425 Dabei ist es lediglich, wie Schlüchter zu Recht bemerkt, eine Definitionsfrage, ob die ,,hypothetischen Erwägungen" nicht schon als Teil des "Umdenkungsprozesses", also der Überlegung, ob rechtmäßiges Verhalten zu derselben Prozeßlage geführt hätte, anzusehen sind. Das Ergebnis bleibt jedenfalls gleich. Im einen Fall ist der normative Zusammenhang gar nicht erst begründet, im anderen Fall wieder zerschlagen, vgl. Schlüchter, Krause-Fschr., S. 495. 426 Vgl. Schlüchter JR 1984, 520 und Krause-Fschr., S. 493. 423
424
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
"weder praktisch noch theoretisch führen. Bewegt man sich doch auf dem Gebiet der Hypothese. Dort regieren jedoch anstelle des Beweises Wahrschein1ichkeiten. Mag über sie auch die Wissenschaftstheorie nicht schweigen, so bietet sie gleichwohl keine entscheidende Hilfe. Es mangelt nämlich an entsprechenden empirischen Untersuchungen".427
Abzustellen ist auf die Überzeugung des Revisionsgerichts, ob der Erfolg (die auf den Fehler folgende Prozeßlage) wahrscheinlicher auch auf legalem Weg eingetreten wäre oder nicht. Die Beweislastregel kommt dem Revisionsführer hier zwar zu Hilfe, indessen bleibt dem Revisionsgericht nach dieser Auffassung die empirische Beurteilung der tatrichterlichen Prozeßlagen nicht erspart. Nach der in dieser Untersuchung vertretenen Ansicht fehlen dem Revisionsgericht hierfür die Mittel, weil das Verfahrensrecht sie nicht hergibt. Eigene Ermittlungen, welche Ursachen das Urteil herbeigeführt haben bzw. wie das Urteil bei Hinzutreten anderer Kausalketten ausgefallen wäre, sind dem Revisionsgericht verschlossen. Revision ist Rechts-, nicht Tatsachenprüfung. Dies folgt aus § 337 I, der von der "Verletzung des Gesetzes" spricht. Das "Beruhen" verträgt sich mit dieser Aussage des § 337 I nicht, wenn es bedeuten soll, das Revisionsgericht müsse über kausale oder kausalitätsähnliche Einwirkung der Gesetzesverletzung auf das Urteil befinden. Vielmehr ist der Beruhensbegriff auf die dem Revisionsgericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu reduzieren, er kann keine Feststellungen über reale oder potentielle Wirkung von Kausalketten zulassen. Im Revisionsverfahren steht nicht die Tatsache, sondern die Norm im Vordergrund. Das könnte zu der Annahme führen, Beruhensprüfung sei ausschließlich Normprüfung. Diese Konsequenz in ihrer vollen Radikalität ist so von Mehle gezogen worden. 428 Aus dem Fehlen verbindlicher Erfahrungssätze, die eine objektive nachträgliche Prognose über hypothetische Verhaltensweisen ermöglichen, kommt er zu dem Postulat, die Beruhensfrage auf der "vorgeschalteten Stufe der Frage nach der revisiblen Gesetzesverletzung" zu stellen. Die Verfahrensnorm, deren Revisibilität zu prüfen ist, soll "nach ihrer ratio gerade auch unter den konkreten Umständen einem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einer Einflußnahme auf den weiteren Verfahrensverlauf und damit ... auf das Urteil eröffnen".429 Diese Ansicht, so konsequent sie auf die dem Revisionsgericht eigene Verfahrensweise abstellen mag, hat allerdings das Gesetz nicht auf ihrer Seite. Sie könnte zwar an die Bemerkung Reichenspergers von der "obligatorischen Vorschrift des Verfahrens" anknüpfen, indessen hat sich diese nicht im Gesetz niedergeschlagen. §§ 337 I, 306 S. 1 sprechen von "Beruhen", also von einer Beziehung zwischen Gesetzesverletzung und Vorentscheidung bzw. Urteil. Die statische Betrachtung Schlüchter, Krause-Fschr., S. 493. 428 Mehle, Beruhen, S. 59; von einern ähnlichen Ansatz geht AK StPO-Maiwald § 337 Tz. 14 aus, indern er auf die Wesentlichkeit der Vorschrift für die Justizfönnigkeit des Verfahrens abstellt. Allerdings verzichtet auch er nicht auf das zusätzliche Erfordernis des (mit kausalitätsähnlicher Betrachtung zu ennittelnden) Beruhenszusammenhangs, vgl. AK StPOMaiwald § 337 Tz. 18. 429 Mehle, Beruhen, S. 60. 427
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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der Norm genügt nicht, um diesen Zusammenhang festzustellen, vielmehr muß die Gesetzesverletzung in irgendeiner Weise in einer Relation zum Urteil stehen. Wenn es um den Beruhenszusammenhang zwischen Urteil und bestimmten Gesetzesverletzungen bei der Sachverhaltsermittlung geht, ist § 267 I 2 hilfreich, wonach die "anderen Tatsachen" (Indiztatsachen für die erwiesen erachteten Tatsachen LS. des § 267 11) in den Urteilsgründen angegeben werden sollen. Da diese Bestimmung, wie oben ausgeführt,43o ein Darlegungsgebot enthält, kann aus den nach § 267 I 2 niederzulegenden Gründen abgeleitet werden, ob die unzulässig ermittelten Tatsachen "den tragenden Grund der Verurteilung bilden".431 Was sich nicht in den nach § 267 I 2 darzulegenden Gründen niederschlägt, nimmt am Wirkungsgefüge des Urteils nicht teil. Beispiele hierfür gibt Gössel: "So bildet etwa die entgegen § 252 StPO vorgenommene Verlesung der früheren richterlichen Zeugenaussage dann nicht den tragenden Grund des Urteils, wenn der Angeklagte nur aufgrund seines eigenen glaubwürdigen Geständnisses als überführt angesehen wird ebenso fehlt (nach der Auffassung des BGH) der reale Zusammenhang, wenn das Gericht nach dieser Verlesung den Richter als Verhörsperson über die Vernehmung befragt, deren Niederschrift vorher unzulässigerweise verlesen wurde, und der Angeklagte nur aufgrund der Vernehmung der Verhörsperson verurteilt wird. ,,432
Im letzteren Fall ist die (ursprünglich durch die Verlesung der Niederschrift unzulässig ermittelte) Tatsache später in zulässiger Form durch die Vernehmung der Verhörsperson ermittelt worden und durfte daher zur Urteilsgrundlage gemacht werden. Dieser Vorgang ist nicht zu verwechseln mit der Berücksichtigung hypothetischen Verhaltens, denn es kommt nur auf die tatsächlich tragenden Gründe (in der Diktion des materiellen Rechts: auf die verwirklichten Bedingungen) an. Nichts wird ,,hinzugedacht", was die Gründe ,,hätte tragen können". Wenn also die conc1usio LS. des § 267 I 2 die Ermittlung der Indiztatsache nicht auf die Vernehmung der Verhörsperson stützt, dann ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, daß die ursprünglich unzulässig ermittelte Tatsache in zulässiger Weise zum tragenden Urteilsgrund geworden ist. Ob sie es hätte "werden können", bleibt außer Betracht.
Schlägt sich die gesetzwidrig erlangte Beweistatsache nicht in den nach § 267 I 2 darzulegenden Gründen nieder, tragen die Beweistatsachen das Urteil nicht, und die unter Gesetzesverletzung erlangten Beweistatsachen nehmen am Beruhenszusammenhang nicht teil. Der Verfahrensrüge ist das Urteil dann mit dieser Begründung nicht zugänglich. Freilich bleibt die Frage nach der Eröffnung der Sachrüge, innerhalb derer dann zu prüfen ist, inwieweit die Gründe tatsächlich tragen, also die conc1usio vom Untersatz auf den Obersatz zulassen. Die Überprüfung von Schlüssigkeit (§ 267 I 1) und Begründetheit (§ 267 I 2) bleibt der Sachrüge vorbe430 431 432
IX. 2. b). Vgl. Gössel, Bockelmann-Fschr., S. 815 (unten). Gössel, Bockelmann-Fschr., S. 816.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
halten, die Verfahrensrüge ergreift dagegen Gesetzesfehler bei der Ermittlung der für die conclusio nach § 267 I 2 erforderlichen Tatsachen. Das Revisionsgericht prüft also nicht die Kausalität des Wirkungsgefüges der tatrichterlichen Entscheidung, sondern nur die nach § 267 I anzugebenden Urteilsgründe auf ihre materiellrechtliche Schlüssigkeit, empirische Tragfähigkeit und gesetzmäßige Feststellung. Das ist die von Gössel so bezeichnete reale Komponente des Beruhenszusammenhangs. 433 Alle diese Erwägungen gelten jedoch nur für den Beruhenszusammenhang zwischen Urteil und unzulässig ermittelten (Indiz-)Tatsachen i.S. des § 267 I 2. Nun gibt es aber Gesetzesverletzungen, die nicht erkennen lassen, ob aus ihnen die Feststellung irgendwelcher Tatsachen überhaupt resultiert. Für die Unterlassungen ist es geradezu wesenstypisch, daß sie ontologisch "nichts" bewirken. 434 Dementsprechend kann auch ein "realer" Zusammenhang mit dem Urteil nicht ermittelt werden, denn im Gebäude der tragenden Gründe gibt die Unterlassung keine Stütze ab. Aber auch weitere Gesetzesverletzungen können auf das Wirkungsgefüge richterlicher Entscheidungsbildung Einfluß ausgeübt haben, ohne daß dies aus den tragenden Gründen des § 267 I zu entnehmen ist. Dogmatisch ist die normative Betrachtungsweise, die den Beruhenszusammenhang durch Umdenken des fehlerhaften in fehlerfreies Prozedieren ermittelt, unangreifbar, weil sie den eingeschlagenen Weg nicht mit dem Scheinargument angeblicher Kausalität, sondern mit dem normativen Zusammenhang zwischen Fehler und Urteil begründet. Sie sieht sich allerdings der Schwierigkeit ausgesetzt, daß sie zur Ermittlung dieses Zusammenhangs auf Hypothesen zurückgreifen muß. Diese kann ihr das tatrichterliche Urteil naturgemäß nicht liefern. Zum "Hebel des Archimedes" fehlt es ihr gleichsam an einem Punkt außerhalb des Urteils, um dieses aus den Angeln zu heben. Sie benötigt nämlich die Tatsachen, die eingetreten wären, wenn das Gericht rechtmäßig prozediert hätte. Hypothesen zu ermitteln, ist Aufgabe des Tatrichters und von ihm, ggf. mit Hilfe von Sachverständigen, auch zu leisten. Aufgabe des Revisionsgerichts kann derartiges nicht sein. Wenn das Revisionsgericht schon das psychisch-kausale Wirkungsgefüge des richterlichen Entscheidungsprozesses nicht zu entwirren vermag, um wieviel weniger erst sollte es sich in der Lage sehen, die Veränderung dieses Gefüges unter dem Einfluß von Reserveursachen zu beurteilen. Der Beruhenszusammenhang des § 337 muß also so gesehen werden, daß die Aufgabe seiner Feststellung durch das Revisionsgericht auch gelöst werden kann. Beruhenszusarnmenhang darf nicht Ermittlungstätigkeit, sondern muß ein "Denkakt" sein. Wie sich die Gesetzesverletzung aus der Begründung der Revisionsrüge nach § 344 II 2 ergeben muß, sollte der Beruhenszusammenhang aus der Gesamtschau von Rüge, deren Begründung und dem Urteil folgen. Der Revisionsführer muß die Gesetzesverletzung und deren Tatsachen belegen. Das Revisionsgericht soll nicht "Reserveursachen" ermitteln müssen, die 433 434
Gössel, NJW 1981,2219 und Bockelmann-Fschr., S. 814 ff.
Vgl. o. IX. 5. d).
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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- hypothetisch - den Fehlerzusammenhang ausschließen, und schon gar nicht muß etwa der Revisionsführer seinerseits Reservetatsachen vorbringen, die ein anderes Urteilsergebnis belegen sollen. Das Zwischenergebnis der hier vorgetragenen These ist also dies: der hypothetische Verlauf des tatrichterlichen Entscheidungsprozesses darf für den Beruhenszusammenhang nicht entscheidend sein. Woran sonst soll nun der Revisionsrichter den Beruhenszusammenhang messen? Die Antwort hat Frisch bei der Erörterung des Beruhenszusammenhangs zwischen Urteil und der (gesetzwidrigen) Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts in treffender Weise gegeben. Sieht man in der Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts eine Gesetzesverletzung, so ist deren Beruhenseignung nach der Methode des "Umdenkungsprozesses" durch die Annahme einer Hypothese zu ermitteln. Mag diese, je nach Ansicht, in Nuancen unterschiedlich angesetzt sein, also auf ,,Möglichkeit" oder ,,Nichtausschließbarkeit" abheben, sie langt doch immer bei der Tatsachenprüfung an, selbst wenn es sich um "Wahrscheinlichkeiten" handelt. 435 Beweislastregeln zu Gunsten des Revisionsführers beheben das Problem nicht grundsätzlich, mildem freilich unbillige Auswirkungen, die das Erfordernis vollständiger Gewißheit des so verstandenen Beruhens mit sich brächte. Wenn das OLG Stuttgart in einem derartigen Fall den Beruhenszusammenhang mit der üblichen Formel bejaht, er sei nicht auszuschliessen,436 dann kommt dies einer Kapitulation vor dem "möglichkeitsorientiert - naturalistischen,,437 Merkmal des ,,Beruhens" gleich, denn wer will jemals ausschließen, "daß die innere Bindung des StA an ,sein' Urteil seine Tätigkeit in der Berufungsverhandlung, insbesondere seinen Schlußvortrag ... in einem solchen Maße beeinflußt hat, daß auch die Beeinflussung des Gerichts bei der Urteilsfindung im Bereich des Möglichen liegt. ..438
Derartiges kann niemand feststellen, ausschließen läßt sich auch nicht das Gegenteil, so daß letztlich die Beweislastregel den Ausschlag gibt. Dieses Dilemma nun bringt Frisch auf den Punkt, indem er feststellt: ,Jn Wahrheit geht es wohl um ein normatives Problem, nämlich die Frage, in welchen Fällen die irgendwann im Verfahren erfolgende Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts, die theoretisch natürlich immer (auch bei späterer Auswechselung) das Ergebnis beeinflußt haben kann, von der Art ist, daß ihretwegen das Urteil aufgehoben werden muß ...439
Das läßt sich verallgemeinern: der Fehler muß von der Art sein, daß seinetwegen das Urteil keinen Bestand haben kann. Das ist der richtige Ansatz der 435 436 437
438 439
Vgl. Schlüchter, Krause-Fschr., S. 493. OLG Stuttgart NJW 1974,1394 (1396) mit Anm. Fuchs. Bezeichnung von Frisch StV 1992,616. OLG Stuttgart NJW 1974, 1394 (1396). Frisch StV 1992,616.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Schutzzwecklehren,44o aber zugleich auch der richtige Kern441 der von BGH 11, 213 aufgestellten Rechtskreistheorie; sie verdient die ihr von der überwiegenden Lehre erteilte schlechte Benotung442 nicht. Kritik an dieser Entscheidung ist insofern angebracht, als sie - im Widerspruch zu § 339 - "personenbezogen" argumentiert, indem sie auf den Rechtskreis des Rügenden abstellt443 und nach wie vor an der ,,kausalitätsähnlichen" Betrachtung festhält,444 obwohl sie die Begrenztheit revisionsrichterlicher Mittel zur Sachverhaltsaufklärung durchaus erkennt. Schutzzweckerwägungen, so wird eingewandt, seien - ebenso wie die die Revision einschränkenden Kriterien der Rechtskreistheorie - contra legern, denn der Revisionsführer könne jeden im nonnativen Zusammenhang mit dem Urteil stehenden Fehler rügen. 445 Demgegenüber wird behauptet, der Rückgriff auf Schutzzweckerwägungen sei sogar ein "allgemein gültiges Auslegungsprinzip".446 Ob das in dieser allgemeinen Fonn richtig ist, braucht nicht geprüft zu werden. Die hier vorgetragene These betrachtet die Schutzzweckerwägungen nicht als Einschränkung der Revision, sondern setzt sie nur an die Stelle des "Umdenkungsprozesses", will also auf die Prüfung hypothetischer ,,Fehlerkausalität" verzichten. Deren Funktion soll die im einzelnen noch näher zu bestimmende besonders geartete Beziehung zwischen Gesetzesverletzung und Urteil, im Anschluß an Blomeyer als "Urteilsfinalität" bezeichnet, übernehmen. Sie ist als "Denkzusammenhang" konzipiert und soll das Revisionsgericht von der Hypothesenbildung über Wahr440 Blomeyer IR 1971, 142 (145 ff., "Urteilsfinalität"); Gössel NJW 1981, 2219 ("finaler Fehlerzusammenhang"). 441 Blomeyer IR 1971, 145 Fußn. 37; Gössel, Bocke1mann-Fschr., S. 816; Rüping Tz. 489; Grünwald, Beweisrecht, S. 157. Der Rechtskreistheorie kommt das Verdienst zu, den Blick auf den Zusammenhang zwischen dem Schutzzweck der verletzten Norm und der Verwertbarkeit gelenkt zu haben. 442 Allen voran Eb. Schmidt IZ 1958, 596ff. sowie Grossrau MDR 1958,468 (von dem auch die Bezeichnung "Rechtskreistheorie" stammt); weitere Nachweise bei LR-Hanack § 337 Tz. 97; Rengier, S. 293 ff.; Ranft, Spendel-Fschr., S. 727 f.; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 90; Frisch, Beweisrecht, S. 188 ff.; AK StPO-Maiwald § 337 Tz. 14; Roxin § 24 D m 2; Eisenberg, Beweisrecht Tz. 365; Beulke Tz. 459; Fezer 16 Tz. 18 f. 443 Dagegen mit Nachdruck Rudolphi MDR 1970,96 li. Sp. unten; Schlüchter Tz. 4.1; Kernwissen, S. 8 und S. 174 sowie Form, S. 227; Frisch, Beweisrecht, S. 19Off., hält allerdings den Hinweis auf § 339 als Argument gegen die Rechtskreistheorie nicht rur überzeugend. 444 BGH 11,213 (219). 445 Schlüchter Tz. 4.1. 446 Svenja Schröder, S. 100, lehnt die Übernahme des Schutzzweckgedankens aus dem materiellen Strafrecht, der dort zur Strafbarkeitseinschränkung führt, in das Verfahrensrecht ab, weil er eine SchlechtersteIlung des Prozeßbeteiligten nach sich zieht, so etwa wenn dieser sich nur unter der Voraussetzung des Schutzzwecks auf ein Verwertungsverbot berufen kann. Dieses Problem ist aus dem Verhältnis zwischen materiellem und Verfahrensrecht geläufig, so etwa bei der Übernahme des Grundsatzes in dubio pro reo, der im Verfahrensrecht umgekehrt werden muß, vgl. o. IX 5 c. Svenja Schröder sieht allerdings den Schutzzweckgedanken auch dem Verfahrensrecht als immanent an.
IX. Das QualifikationsmerkrnaI der Vorentscheidung
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scheinlichkeiten befreien. 447 Nicht als weitere Einschränkung ist sie gedacht, sondern sie soll nur die einzige, die sich aus dem Gesetz ergibt, den Beruhenszusammenhang, in eine dem Revisionsgericht angemessene Form gießen. Soweit Mehle die These aufstellt, es dürfe in keinem Fall das Beruhen ausgeschlossen werden, wenn Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt sind, die deren Einfluß auf den Verfahrensgang und auf die vom Gericht zu treffende Tatsachenfeststellung sichern sollen,448 kann ihr insofern nicht gefolgt werden, als sie die Beziehung des Fehlers zum Urteil vernachlässigt. Ob Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt sind, ist für die Revision nur entscheidend, wenn diese Rechte im Interesse des richterlichen Entscheidungsbildungsprozesses eingeräumt sind. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Auch dem Nebenkläger sind derartige ,,Einwirkungsrechte" eingeräumt. Ausgehend von der Prämisse Mehles müßten Entscheidungen, die etwa die Anschlußberechtigung des Nebenklägers verneinen, schon deshalb revisibel sein, weil sie dem Nebenkläger das Einwirkungsrecht auf den gerichtlichen Entscheidungsprozeß streitig machen, ihm also die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit nehmen. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es indessen darauf an, welche ratio die Einräumung dieses Rechts an den Nebenkläger verfolgt. Geschieht dies um des richterlichen Entscheidungsprozesses willen, also um durch die Mitwirkung des Nebenklägers eine möglichst umfassende Sachverhaltsaufklärung zu erreichen, dann liegt die Anschlußberechtigung tatsächlich ,,im Urteilsinteresse", ist also revisibel. Verfolgt sie allerdings nur den Sinn, dem Nebenkläger Genugtuung zu verschaffen und berücksichtigt sie lediglich dessen Eigeninteresse an einer Mitwirkung im Strafverfahren, ist sie es nicht. Letzterenfalls ist zwar durch die Versagung der Anschlußberechtigung das ,,Einwirkungsrecht" des Nebenklägers beeinträchtigt, gleichwohl folgt hieraus nicht die Revisibilität dieser den (verhinderten) Nebenkläger belastenden Entscheidung. Schon eher überzeugt die Ausgangsposition Rudolphis, wonach es auf die Absicht des Gesetzgebers ankommt, Urteile, die auf der Verletzung der Norm beruhen, zu verhindern. 449 Für die von Rudolphi erwähnten Vorschriften der §§ 81, 81 d sowie weitere Bestimmungen, nach denen die Anordnung körperlicher Untersuchungen, Beschlagnahmen und Durchsuchungen nur durch Richter bzw. StA oder ihre Hilfsbeamten getroffen werden dürfen, ist die Urteilsfinalität zu verneinen, weil der Zweck dieser Anordnungen nicht dahin geht, Urteile, die auf ihrer Verletzung beruhen, zu verhindern. Daß andererseits die Vorschriften über das Beweisantragsrecht dem richterlichen Entscheidungsprozeß dienen und deshalb revisibel sein müssen, liegt auf der Hand. 447
Zur Problematik der eigenen Tatsachenfeststellung des Revisionsgerichts vgl. Schlüch-
448
Mehle, Beruhen, S. 63. Rudolphi MDR 1970,97.
terTz. 483 und 692.1, dort unter Hinweis aufBGH NJW 1983, 186. 449
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l. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Bei der näheren Umgrenzung des Beruhenszusammenhangs ist eine Besinnung auf die Struktur des Prozesses als Gegeneinander- und Zusammenwirken der Prozeßsubjekte, als deren "Interaktion", an deren Ende das Resultat in Gestalt des Urteils steht, hilfreich. 45o Auf diesem Weg von einer Prozeßlage zur nächsten bis zum Ziel des Urteils ist die Interaktion von Verfahrensregeln geleitet, die "Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Einzelbelange" miteinander in Einklang bringen sollen. 451 In dieser Synthese muß sich die richterliche Entscheidungsfindung verwirklichen. Soweit eine Bestimmung diesem Ziel dient, ist ihre Verletzung "urteilsfinal". Die verletzte Norm muß nach ihrer ratio dazu bestimmt sein, die prozeßordnungsgemäße richterliche Entscheidungsfindung durch die Interaktion in ihrem Ziel auf das am Ende stehende Urteil zu gewährleisten. Dient sie anderen Zielen, ist sie nicht urteilsfinal und deshalb nicht revisibel. Da die Interaktion aus der Synthese, der "Versöhnung" einander entgegengesetzter Prinzipien, agiert,452 können Normen auch widerstreitenden Zielen innerhalb der Interaktion dienen. So ist zwar die Erforschung der materiellen Wahrheit das vordergründige Ziel des Strafprozesses,453 aber es ist nicht nur die Wahrheitsfindung, die als Meßlatte für die Urteilsfinalität des Fehlers herangezogen werden kann. Da sich der Prozeß aus dem Wechselspiel seiner Subjekte entwickelt, ist sein Ziel nicht die absolute, sondern die prozeßordnungsmäßig erreichbare Wahrheit. Dementsprechend schützt das Gesetz durchaus auch Positionen, denen es nicht um Findung der objektiven Wahrheit, sondern sogar um das Gegenteil, die Verhinderung der Aufklärung, geht. 454 Die ureigenste Ausprägung hiervon sind etwa die Beweisverbote. Das Gesetz ist in beruhensgeeigneter Weise verletzt, wenn das Urteil Beweisergebnisse trotz eines Verwertungsverbots berücksichtigt. 455 Verfolgt also die Verfahrensvorschrift das Ziel, den Einfluß bestimmter Faktoren 456 auf die Interaktion im Interesse des Urteils zu verhindern, eröffnet ihre Verletzung die Revision. Mit diesem Ansatz löst sich z. B. das Problem, inwieweit die fehlerhafte Mitwirkung von Prozeßbeteiligten beruhensgeeignet sein kann. Für den Richter ist die Beantwortung dieser Frage, wie Frisch ausführt, in § 338 Nr. 2 und 3 "formalisiert", d. h. der Beruhenszusammenhang der Mitwirkung eines ausgeschlossenen bzw. befangenen Richters wird unwiderlegbar vermutet. 457 Zum folgenden vg!. Schlüchter Tz. 1,2, 6, 496. Schlüchter Tz. 496. 452 Schlüchter Tz. 2. 453 LR-Schäfer Ein!. Kap. 13 Tz. 44. 454 Vg!. Blomeyer JR 1971, 148f.; Spendet JuS 1964, 466ff. (471 ff.); Schlüchter; Kemwissen, S. 178 f.; KK-Pfeiffer Ein!. Tz. 7; LR-Schäfer Ein!. Kap. 6 Tz. 7; Fezer; Grundfragen, S. 26f.; im übrigen s.o. IX. 2. a). 455 Dazu näher unten IX. 5. h). 456 Rudolphi MDR 1970, 97. 457 Frisch StV 1992, 616. 450
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Stellt die Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts eine Gesetzesverletzung dar (etwa wenn Gründe vorliegen, die beim Richter nach § 22 zur Ausgeschlossenheit führen können)458, so ist diese, wenn sie denn bejaht wird, auch urteilsfinal, denn ihre Annahme gründet darauf, daß die für den Staatsanwalt bestehenden Befangenheitsgründe die Interaktion sachfremd und nicht mehr prozeßordnungsgemäß beeinflussen können. Es ist dann unnötig, auf Formulierungen zurückzugreifen, wie etwa, "daß der Staatsanwalt das Gericht beeinflußt haben könnte",459 denn damit wird die Kausalbetrachtung in ihrer Leistungsfähigkeit überfordert. Ebensogut könnte aus der Sicht kausaler Betrachtung die Revisibilität mit Rücksicht auf die "eher untergeordnete Bedeutung" der StA ganz verneint werden. 46o Für den Verteidiger muß im Einzelfall festgestellt werden, welche ratio die zur Debatte stehende Bestimmung verfolgt. So ist die Verletzung des § 138 b dadurch, daß der an sich auszuschließende Verteidiger mitwirkt, nicht beruhensgeeignet, weil diese Vorschrift, wie Ulsenheimer zu Recht bemerkt,461 außerhalb des Spannungsfeldes zwischen Gericht, Verteidiger und Beschuldigtem steht und deshalb nicht die Interaktion der Prozeßsubjekte regelt. Außerprozessuale Ziele verfolgt ebenfalls § 138 a Nr. 2. Ihre Verletzung ist nicht beruhensgeeignet. 462 Urteilsfinal wäre an sich die fehlerhaft auf § 138 b oder § 138 a Nr. 2 gestützte Ausschließung eines Verteidigers, denn diese beeinträchtigt die Interaktionsmöglichkeiten des Angeklagten, sich zur Einflußnahme auf die gerichtliche Ermittlung des Sachverhalts eines von ihm gewählten Verteidigers zu bedienen. Indessen ist dieser Rechtsfehler darum nicht revisibel, weil die Ausschließung in einem gesonderten Zwischenverfahren (Inzidentverfahren) vorgenommen wird und deshalb (nicht erst wegen § 336S. 2 in Verb. mit § 138 d VII) der Revision entzogen ist. 463 Hier ist der Beruhenszusammenhang durch Verlagerung der Anfechtung in ein Zwischenverfahren zerschlagen. Demgegenüber verletzt ein gesetzwidrig unterbliebener Ausschluß bei entgegengesetztem Interesse des Kontrahenten (hier Nebenkläger oder Staatsanwalt) nur dann urteilsfinal, wenn die betreffende Vorschrift auch den Zielen der Interaktion zu dienen bestimmt ist. Eine solche Norm kann (muß aber nicht) polare Interessen, im angesprochenen Fall sowohl das des Mitwirkungsberechtigten an der rechtmäßigen Einflußnahme auf das Verfahren als auch das (polare) "Verhinderungsinteresse" des Angeklagten im Auge haben. 458 Krey I Tz. 417ff.; KK-Pfeiffer § 22 Tz. 16ff.; zum Problem SchlüchterTz. 66.1 (normativer Zusammenhang wird bei möglichem Einfluß auf das Urteil bejaht). 459 LR-Wendisch vor § 22 Tz. 12. 460 So z. B. Tolksdorf, S. 93, bei der Beurteilung der Frage, ob der Sitzungsvertreter der I. Instanz in der Rechtsmittelinstanz tätig werden kann; gegen diese Art der Begründung Frisch StV 1992,616; richtig dagegen die Begründung von Krey I Tz. 427; im Gegensatz zu Tolksdorf vgl. die These von Hackner, S. 195 : Infolge der Bedeutung des staatsanwaltschaftlichen Schlußvortrags werde sich ein Kausalzusammenhang "nicht widerlegen lassen". 461 Ulsenheimer GA 1975, 115. 462 Näher unten, 3. Teil ill. 1. c). 463 Näheres im 3. Teil ill. 1.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Eine derartige Polarisierung besteht etwa für § 138 a Nr. 3. Der fehlerhafte Ausschluß des Verteidigers verletzt das prozeßordnungsgemäße Mitwirkungsrecht des Angeklagten, der gesetzwidrige Nichtausschluß hält sachfremden Einfluß aus dem Prozeß nicht fern: § 138 a Nr. 3 schwebt das Leitbild des Verteidigers vor. Er dient insgesamt dem Schutz des Angeklagten wie auch der Strafrechtspflege,464 also dem prozeßgemäß abzuwickelnden Wirkungs gefüge der Prozeßsubjekte. Zu fragen ist demnach immer, ob die betreffende Norm im Interesse prozeßordnungsgemäßer Interaktion sachgerechten Einfluß auf das Verfahren sichern bzw. unsachlichen femhalten soll, d. h. es geht nicht um die konkrete Möglichkeit der Beeinflussung des Gerichts, sondern um den Zweck der Norm, die den Ausschluß anordnet. Die hier vorgetragene Auslegung des § 337 I verträgt sich mit der Systematik des Gesetzes. Die StPO unterscheidet zwischen absoluten und relativen Revisionsgründen. Bei ersteren wird das Beruhen unwiderleglich vermutet bzw. fingiert, so daß das Revisionsgericht "der Notwendigkeit enthoben" ist, die Beruhensfrage zu prüfen. 465 Das bedeutet, die Urteils finalität steht für die absoluten Revisionsgründe fest, bei den relativen muß sie durch Auslegung der verletzten Norm festgestellt werden. Damit sollen die Grundzüge, nach denen sich die Urteilsfinalität einer Gesetzesverletzung beurteilt, markiert sein. Die Hauptaufgabe wird allerdings darin bestehen, im Einzelfall die ratio der Norm zu ermitteln, denn der Streitpunkt liegt, wie so oft, im Detail, d. h. in den divergierenden Ansichten über den jeweiligen Normzweck. 466 Einzelfragen behandelt der 5. Teil. h) Die Beruhenseignung der Mißachtung von Beweisverboten Im Anschluß an die herkömmliche Terminologie umfaßt hier der Oberbegriff der Beweisverbote die Beweiserhebungs- und -verwertungsverbote. 467 Die Diskussion der jüngsten Zeit hat das Institut des Verwertungsverbots verselbständigt in den Vordergrund gerückt, so daß der Eindruck entstehen könnte, nicht der in der Beweisgewinnung liegende Gesetzesverstoß, sondern erst die Verletzung des hieraus resultierenden Verwertungsverbots sei Anknüpfungspunkt für die Revision. So wird etwa zu § 81 a ausgeführt, auf eine Verletzung dieser Bestimmung könne die Revision nur gestützt werden, wenn das Urteil ein Untersuchungsergebnis berücksichtigt, obwohl dem ein Verwertungsverbot entgegenNäher 3. Teil III. 1. LR-Hanack § 338 Tz. 1. 466 Frisch, Beweisrecht, S. 151. 467 Vgl. Eisenberg, Beweisrecht, Tz. 335; Schlüchter Tz. 4.2 und Kernwissen, S. 180; zur Zweckmäßigkeit dieser Terminologie vgl. Grünwald, Beweisverbote, S. 141 ff.; Rogall, Beweisverbote, S. 142; Beulke Tz. 455. 464
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IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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steht,468 als ob nicht die Gesetzesverletzung bei der Beweisgewinnung, sondern erst die durch die Verwertung begangene erheblich sei. Die Relevanz des Fehlers wird gleichsam vom Gewinnungsakt auf den Vorgang der Verwertung verlagert. Die Vernehmung des Angeklagten nach unterlassener oder gar fehlerhafter Belehrung, die Anordnung einer durch einen Nichtarzt vorzunehmenden Untersuchung und ähnliche Gesetzesverletzungen wären nicht selbst, sondern erst über die Berücksichtigung des jeweiligen Beweisergebnisses im Urteil beruhensgeeignet. Ursache für eine derartige Sichtweise mag die von manchen erhobene Forderung sein, das Verwertungsverbot losgelöst von der Revisibilität der bei der Beweisgewinnung begangenen Gesetzesverletzung zu betrachten~ Von einigen Autoren wird die ,,Revisionslastigkeit" der Argumentation bei der Untersuchung der Verwertungsverbote geradezu beklagt. 469 Das Verwertungsverbot hänge nicht davon ab, daß der Angeklagte den Verstoß bei der Beweisgewinnung mit Erfolg rügen kann. Umgekehrt sei es richtig, die Revision habe Erfolg, weil ein Verwertungsverbot existiert und verletzt wurde. Nicht die Revision liefere das Verwertungsverbot, sondern dieses sei aus den Grundsätzen des erstinstanzlichen Verfahrensrechts abzuleiten. Nach der hier vertretenen Ansicht liegt die "Wahrheit" in der Mitte. Es kommt sowohl auf den Akt der Gewinnung als auch auf den der Verwertung an. Die Beweisgewinnung ist für die Urteilsfinalität, die Begründung des Beruhenszusammenhangs, relevant, die Beweisverwertung dagegen für dessen Zerschlagung. Begründet ist der Beruhenszusammenhang, wenn die Beweisgewinnungsnorm urteilsfinal ist, zerschlagen ist er, wenn die unzulässig ermittelten Tatsachen nicht verwertet werden. Letzteres ist anhand der nach § 267 I 2 in den Urteils gründen anzugebenden Indiztatsachen festzustellen. 47o Aus dieser Sicht kann der Auffassung von Rengier voll zugestimmt werden: "Wenn die Revision darauf gestützt werden kann, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes (sprich hier: auf einer Verletzung eines gesetzlichen Beweiserhebungsverbotes) beruhe, dann folgt daraus für den Tatrichter der Befehl, den vorschriftswidrig erlangten Beweis auch unverwertet zu lassen, da er anderenfalls sehenden Auges ein Urteil fallen würde, daß das Revisionsgericht 'todsicher' aufzuheben hätte ... ".471
Eigenständige Bedeutung für die Revision erlangt das Verwertungsverbot, wenn sich Verfahrensmängel, die nicht vom erkennenden Gericht begangen worden sind, 468 LR-Dahs § 81 aTz. 81; KK-Pelchen § 81 aTz. 15, wobei sich beide Autoren darüber einig sind, daß ein Verwertungsverbot durch einen Verstoß gegen § 81 a ,,regelmäßig" nicht begründet wird, LR-Dahs § 81 aTz. 74; KK-Pelchen Tz. 14. 469 Vgl. Dencker, S. 19f.; Frisch, Beweisrecht, S. 180; anders etwa Gössel GA 1991, 486 ff. und Rengier, S. 291 ff., der das Revisionsrecht als "sedes materiae" des Beweisverwertungsrechts auffaßt (insbes. S. 291 Fußn. 76 gegen die Auffassung Denckers); Koriath, Beweisverbote, S. 73 ff.; zum Problem vgl. Eisenberg, Beweisrecht, Tz. 334 und Tz. 358; Gössel NJW 1981, 652ff.; Schlüchter Tz. 4.2 und Form, S. 230; Haufwistra 1995,53. 470 Vgl. o. IX 5 g. 471 Rengier, S. 291; ähnlich Herdegen, Strafverteidigung § 10 Tz. 34 (S. 498).
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
im Hauptverfahren auswirken können; da die Revision nicht auf das Stadium vor Eröffnung zurückgreifen kann, sind solche Mängel des Vor- und Zwischenverfahrens nur insoweit für das Beruhen von Belang, als sie, wie es gewöhnlich ausgedrückt wird, im Hauptverfahren "fortwirken",472 wenn sie nach Eröffnung zu Rechtsverstößen durch· das erkennende Gericht führen. Zieht eine fehlerhafte Beweisgewinnung aus dem Ermittlungsverfahren ein Verwertungsverbot nach sich, so verletzt das erkennende Gericht das Gesetz, wenn es das Verbot nicht befolgt. Die Beruhenseignung bedarf keiner weiteren Begründung, sie folgt bereits aus dem Verwertungsverbot. Der Schluß von der Verletzung des Beweiserhebungs- auf das Verwertungs verbot entspricht dem vom in der Nichtbeachtung des ersteren liegenden Gesetzesverstoß auf den Beruhenszusammenhang. 473 Die Unverwertbarkeit ergibt sich, wenn nicht schon durch das Gesetz positiv angeordnet (wie bei § 136 a III 2), aus der ratio der verletzten Gewinnungsnorm. Wird etwa im Ermittlungsverfahren der Beschuldigte durch Drohung zu einem Geständnis veranlaßt, ist dieses nach § 136 a III 2 unverwertbar. 474 Das bedeutet, die für den Beruhenszusammenhang vorauszusetzende Urteilsfinalität der in § 136 a I enthaltenen Ge- und Verbote ist durch § 136 a III 2 positiv festgestellt. Der Verstoß gegen dieses Verwertungsverbot muß nun nicht seinerseits auf seinen Beruhenszusammenhang untersucht werden, denn die Mißachtung eines Verwertungsverbots ist immer urteils final. Das muß gleichsam als Axiom vorausgesetzt werden. Wird § 136 a I, 11 außerhalb des Hauptverfahrens verletzt, verstößt das erkennende Gericht in beruhensgeeigneter Weise gegen § 136 a III, wenn es die Beweisergebnisse verwertet. Mißachtet das erkennende Gericht selbst § 136 a I, 11, bedarf es nicht des Rückgriffs auf das Verwertungsverbot, um die Gesetzesverletzung bei der Beweisgewinnung für beruhensgeeignet und damit revisibel zu erklären. 475 Der Fehler liegt 472 LR-Hanack § 336 Tz. 6; KK-Pikart § 336 Tz. 5; AK StPO-Maiwald § 336 Tz. 3 und 5; HK-Temming § 336 Tz. 3; Kramer Tz. 347; BGH 6,326 (328). 473 In diesem Punkt glaubt sich die Untersuchung einig mit Dencker, S. 20 f. einerseits und S. 145 andererseits. Bei der Behandlung des Verhältnisses zwischen Revisibilität und Beweisverbot erörtert Dencker, wie weit sich die Ergebnisse decken, wenn man bei einer Beweisverbotsverletzung einmal nach der Folge Verwertungsverbot, das andere Mal nach der Folge Revisibilität fragt. Dencker (S. 145) gelangt zu dem Ergebnis, daß die Fragestellung identisch ist, womit diese Untersuchung übereinstimmt. VgI. auch Fezer 16 Tz. 15. 474 Zu weiteren aus dem Ermittlungsverfahren resultierenden Verwertungsverboten vgI. Neuhaus NStZ 1997, 312 (Verstoß gegen das Gebot zur "qualifizierten" Beschuldigtenbelehrung, d. h. Belehrung über die Unverwertbarkeit früherer Aussagen, dazu LG Dortmund NStZ 1997, 356); Roxin JZ 1997, 343 ff. (zur Frage, inwieweit der im Ermittlungsverfahren begangene Verstoß gegen das Recht des Beschuldigten zur Verteidigerkonsultation ein Verwertungsverbot begründet, Besprechung von BGH JZ 1997, 365; zu diesem Problem ferner Herrmann NStZ 1997, 209, jeweils mit weiteren Nachweisen). 475 Entsprechendes gilt für die Verletzung des § 81 e I. Werden die nach § 81 eIl ,2 zulässigen Zwecke überschritten, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verwertung aus § 81 e I 3. Diese Bestimmung ordnet zwar nicht - wie es etwa § 136 a III für die gegen § 136 a I, II
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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dann bereits in der Beweiserhebung, der Anwendung der unzulässigen Vernehmungsmethoden (deren Beruhenseignung aus § 136 a II12 folgt), nicht erst in der Verwertung der rechtswidrig gewonnenen Beweistatsache im Urteil. Letztere erlangt nur bei der Prüfung, ob der Beruhenszusammenhang zerschlagen ist, Relevanz. 6. Verletzung des § 306 11 als Revisionsgrund?
a) Bei der unbefristeten Beschwerde
Nach § 306 11 hat der judex a quo im Fall der Nichtabhilfe dem Beschwerdegericht vorzulegen. Er darf die Beschwerde nicht selbst bescheiden. Ist die Verletzung dieser Vorschrift revisibel? Geschieht die Verletzung im Vorverfahren, ist sie keine Entscheidung des erkennenden Gerichts, und die Revisibilität scheitert bereits an § 336 S. 1, die Entscheidung ist nicht "dem Urteil vorausgegangen". Beispielhaft sei folgender Fall angeführt: Der Vorsitzende lehnt vor Eröffnung den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers ab und weist die hiergegen eingelegte Beschwerde (ohne Vorlage an das Beschwerdegericht) selbst zurück. Ob die Beschwerde statthaft war oder nicht, ist für die Revision nicht entscheidend, die Verletzung des § 306 11 durch die Eigenentscheidung des judex a quo ist nicht revisibel, weil die Revision nicht auf das Stadium vor Eröffnung zurückgreifen darf und "dem Urteil vorausgegangen" nur solche Entscheidungen sind, die vom erkennenden Gericht starnrnen. 476 Der Antrag wird nun in der Hauptverhandlung wiederholt und abermals abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde - legt das erkennende Gericht nicht vor, so daß sie nicht beschieden wird; - bescheidet das erkennende Gericht selbst - als unzulässig oder - als unbegründet. Hier handelt es sich jeweils um dem Urteil vorausgegangene Entscheidungen, weil sie nach Eröffnung getroffen wurden, so daß es für die Revisibilität auf die weitere Voraussetzung des § 336 S. I, den Beruhenszusarnrnenhang, ankommt.
RG 43, 179 betrifft einen derartigen Fall. Der Vorsitzende hatte (nach Eröffnung, aber vor der Hauptverhandlung) den Antrag des Angeklagten, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, abschlägig beschieden und die hiergegen eingelegte Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Darin lag ein Verfahrensfehler,477 wovon das RG zu Recht ausgeht. Gleichwohl läßt es die Revision an der Erwägung scheitern, getroffenen Maßnahmen ausspricht - ein ausdrückliches Verwertungsverbot an, jedoch folgt dies aus der Bezeichnung der Untersuchungen als "unzulässig" (BurhoffTz. 378; HK-Lemke Anhang DNA-Analyse § 81 e Tz. 5). 476 Vgl. o. I. Teil 11. I. 477 Völlig h. M., vgl. statt aller LR-Gollwitzer § 306 Tz. 28. 11 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
die Beschwerde sei ja - wegen § 305 S. 1 - nicht statthaft gewesen. Die Rechtsverletzung wird damit nicht verneint, wohl der Beruhenszusammenhang. Dahinter steht der Gedanke, daß die Beschwerde ohnehin als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden, da die Verletzung des § 306 11 in dem konkreten Fall nicht urteilsfinal war; das gilt sowohl für die fehlerhafte Behandlung der statthaften als auch der nicht statthaften Beschwerde. Ist die Beschwerde statthaft, ist damit zugleich gesagt, daß die durch sie angefochtene Entscheidung nicht den revisiblen Bereich betrifft, denn andernfalls wäre die Beschwerde nach § 305 S. 1 unzulässig und die mit ihr angefochtene Entscheidung durch § 336 S. 1 der Revision zugewiesen. Betrifft die Entscheidung aber einen Sachverhalt, der der Überprüfung des Revisionsgerichts nicht zugänglich ist, so kann weder die Tatsache noch die Art und Weise der Überprüfung (also das Verfahren bei der Bescheidung der Beschwerde) für die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen von Bedeutung sein. Folgendes Beispiel mag dies verdeutlichen: Das erkennende Gericht ordnet die Untersuchung einer Zeugin durch einen Nichtarzt an. Die hiergegen durch die Frau als Dritte und durch den Angeklagten eingelegten Beschwerden werden nicht beschieden (bzw. durch das erkennende Gericht zurückgewiesen). Wenn der Verstoß gegen § 81 d nicht urteilsfinal, die Beschwerde also statthaft ist, kann die Art und Weise der Überprüfung einer den § 81 d verletzenden Entscheidung ebensowenig urteilsfinal sein, wobei es auf die Zulässigkeit (im engeren Sinn) der Beschwerde nicht ankommt. Ist die Beschwerde wegen § 305 S. 1 nicht statthaft,478 heißt dies gleichzeitig, daß eine nach § 336 S. 1 beruhensgeeignete Entscheidung vorliegt. Dann ist die Verletzung des § 81 d nicht "urteilsfinal", denn im Interesse der Interaktion muß nicht der judex ad quem mit der Entscheidung über die Beschwerde befaßt werden: Die angefochtene Entscheidung unterliegt ohnehin nach § 336 S. 1 der Beurteilung des Revisions- und damit nicht des Beschwerdegerichts. Hierzu ein Beispiel: In der Hauptverhandlung wird ein Beweisantrag der Verteidigung abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen legt das Gericht nicht vor, sondern verhandelt weiter. Diese Verletzung des § 30611 ist nicht beruhensgeeignet, denn es dient nicht prozeßordnungsgemäßer Interaktion, die Beschwerde dem judex ad quem vorzulegen; von dessen Entscheidung ist für die Ermittlung des Sachverhalts nichts zu erwarten. Der judex ad quem könnte über den der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalt nicht entscheiden, müßte die Beschwerde als unzulässig verwerfen, weil die Ablehnung des Beweisantrages nicht beschwerdefähig, sondern revisibel ist. Die Nichtvorlage ist deshalb ihrerseits nicht revisibel.
478
Näher vgl. 6. Teil.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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b) Bei der sofortigen Beschwerde Die Behandlung der sofortigen Beschwerde unterscheidet sich für den judex a quo dadurch, daß er (von der Ausnahme des § 311 III 2 abgesehen) nicht abhelfen darf. Im übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren479 und damit auch § 306 11. Verletzt der judex a quo diese Bestimmung durch Eigenentscheidung oder Nichtvorlage, kommt es für die Beruhenseignung dieser Gesetzesverletzung darauf an, ob die Nichtbeachtung des § 306 II urteilsfinal ist. Was die sofortige Prozeßbeschwerde angeht, bedarf dies keiner Erörterung, sie ist nur eine Unterart der unbefristeten, so daß die Ausführungen zu a) entsprechend gelten. 48o Anders verhält es sich mit der bereits oben481 angeführten sofortigen Beschwerde neuer Art nach § 231 a III 3. Dieses Rechtsmittel ist gegen Entscheidungen eröffnet, die andernfalls als solche des erkennenden Gerichts nach § 336 S. 1 der Überprüfung des Revisionsgerichts unterliegen würden. So ist die Bestimmung des § 231 a III 3 für die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde konstitutiv und nicht nur deklaratorisch, weil ohne sie die sofortige Beschwerde wegen § 305 S. 1 nicht statthaft wäre. In derartigen Fällen ist revisibler Prozeßstoff der Beschwerde unterworfen, um ihn der Revision zu entziehen. Wird nun in solchen Fällen dem Beschwerdegericht nicht vorgelegt, so ist die Verletzung des § 306 II beruhensgeeignet, wenn die Mißachtung der Vorlagepflicht des judex a quo urteilsfinal ist. Es kommt dann darauf an, ob die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung ihrerseits die Verletzung einer Norm enthält, die für die Interaktion "wesentlich" ist. Trifft dies zu, ist die Überprüfung dieses Verstoßes dem Revisionsgericht nach § 336 S. 2 versagt (weil sie dem Beschwerdegericht durch Einräumung der sofortigen Beschwerde zugewiesen ist). Gelangt nun die Überprüfung dieser Entscheidung nicht vor das Beschwerdegericht, so bedeutet dies im Ergebnis, daß durch die Verletzung des § 306 II revisibler Prozeßstoff letztlich überhaupt nicht kontrolliert wird. In den Fällen zulässiger sofortiger Beschwerde neuer Art, in denen an sich revisibler Prozeßstoff der Revision entzogen und der sofortigen Beschwerde unterworfen wird, führt die Verletzung des § 306 II dazu, daß die Einhaltung "an sich urteilsfinaler" Bestimmungen nicht überprüft wird. Dies zeigt sich an folgender Konstellation: Das Gericht beschließt mit der Begründung, der Angeklagte habe sich schuldhaft in einen verhandlungsunfähigen Zustand versetzt und verhindere die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wird durch Eigenentscheidung des erkennenden Gerichts zurückgewiesen. Das Gericht verhandelt weiter, führt die Beweisaufnahme durch und verurteilt den Angeklagten.
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KK-Engelhardt § 311 Tz. 8. Zum folgenden vgl. o. 1. Teil III. 1. und 2. 1. Teil III. 1. und 2. sowie Einführung I. 4.
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten bei wesentlichen Teilen der Hauptverhandlung liefert einen absoluten Revisionsgrund (§ 338 Nr. 5).482 Allerdings wird die entsprechende Rüge durch Revision von § 336 S. 2 ausgeschlossen. 483 Der Beruhenszusammenhang ist zerschlagen. Der sofortigen Beschwerde ist die Entscheidung über Prozeßstoff zugewiesen, der anderenfalls (ohne § 336 S. 2) der Überprüfung des Revisionsgerichts unterläge. Die Frage der berechtigten Abwesenheitsverhandlung ist für die prozeßordnungsgemäße Interaktion wesentlich. Das bedarf keiner Begründung, denn die Urteilsfinalität des § 230 I steht aufgrund von § 338 Nr. 5 unwiderlegbar fest. Wird nun über die sofortige Beschwerde unter Verletzung des § 306 11 nicht entschieden, führt dies dazu, daß eine an sich revisible Prozeßentscheidung nicht überprüft wird. Bei einfacher und sofortiger Prozeßbeschwerde ist dies anders, weil ihnen kraft Gesetzes (§ 305 S. 1) jeglicher revisibler Prozeßstoff vorenthalten und ohnehin der Überprüfung des Revisionsgerichts anheimgestellt ist. Nur bei der unechten sofortigen Beschwerde, die den Beschwerdeweg konstitutiv eröffnet und die darüber hinaus revisiblen Prozeßstoff der Beschwerde zugänglich macht, ist die Verletzung des § 306 11 urteilsfinal. Im Fall des § 231 a III 3 schlägt die unwiderlegliche Vermutung des § 338 Nr. 5 gleichsam auf die Auslegung des § 30611 "durch". 7. Das Kriterium der über das Verfahren hinausreichenden "weiteren Wirkungen"
Eine verbreitete Ansicht läßt Beschwerde gegen bestimmte durch das erkennende Gericht getroffene Entscheidungen mit Rücksicht auf deren über das Verfahren hinausreichende Wirkungen, ihre "selbständige prozessuale Bedeutung" oder aus ähnlichen Erwägungen zu. Das gilt insbesondere für mit der Verteidigerbestellung zusammenhängende Erkenntnisse. 484 Ist das Kriterium der so bezeichneten "Wirkungen" zu Recht als Einschränkung des durch den Beruhenszusammenhang indizierten Beschwerdeausschlusses zu akzeptieren? Vom Standpunkt der hier vertretenen Auffassung grenzen sich Beschwerde und Revision in ihrer Zulässigkeit durch den Beruhenszusammenhang voneinander ab. Liegt er vor, wird die Entscheidung als Vorentscheidung des Urteils zusammen mit diesem durch das Revisionsgericht nach § 336 S. 1 überprüft. Fehlt er, ist die 482 KK-Pikart § 338 Tz. 74; BGH 15,263 (Abweichung von RG JW 1938, 1644 (Nr. 5»; 16,178 (180); 26, 84 (91). 483 KK-Treier § 231 aTz. 28 und 24 (von Ausnahmen abgesehen; so ist etwa Revision statthaft bei Abwesenheitsverhandlung nach Beschluß gemäß § 231 a III I trotz Kenntnis der (wieder bestehenden) Verhandlungsfähigkeit). 484 Dazu unten im Text 5. Teil 11. 6.
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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Beschwerde nach § 305 S. 1 nicht ausgeschlossen, was zugleich die Feststellung einschließt, daß die Entscheidung Wirkungen entfaltet, die jedenfalls nicht durch die Aufhebung des Urteils beseitigt werden können. Für die Abgrenzung beschwerdefähiger von revisiblen Entscheidungen kommt es deshalb auf die sogenannten "weiteren außerprozessualen Wirkungen" nicht an. 8. Entscheidungen nach § 30S S. 2 a) Grundsätzliches
Vom Beschwerdeausschluß des § 305 S. 1 sind - wie bereits oben ausgeführt485 - nach Satz 2 dieser Vorschrift Entscheidungen über Verhaftung, einstweilige Unterbringung usw. ausgenommen. Den Grund hierfür sehen die Motive darin,486 daß solche nicht mit der Urteilsflil1ung in Zusammenhang stehen. Nach der ursprünglichen Konzeption sollte § 305 S. 2 keine Durchbrechung des Grundsatzes, daß revisible Entscheidungen des Erkenntnisverfahrens der Beschwerde nicht unterliegen, darstellen. § 305 S. 2 sollte einen von Satz 1 dieser Bestimmung nicht umfaßten Bereich regeln, sich nicht als Spezialvorschrift, sondern als Alternative zu Satz 1 darstellen. Ob diese Sicht heute noch aufrechterhalten werden kann, mag fraglich sein. Bohnert meint, auch insoweit gebe es beruhensfähige Verfahrensverstöße, und führt als Beispiel hierzu § 338 Nr. 8 (unzulässige Beschränkung der Verteidigung) an. 487 Die Bedeutung dieser Revisionsrüge ist strittig. 488 Nach der h.M. stellt § 338 Nr. 8 nicht mehr als eine verfahrensrechtliche Blankettvorschrift dar, die die Verletzung einer besonderen Verfahrensnonn voraussetzt. 489 Die neuere Auffassung billigt der Bestimmung eigenen materiell-rechtlichen Gehalt ZU.490 Das Tatbestandsmerkrnal "unzulässig" wird hiernach nicht "mit den Einzelvorschriften der stPO identifiziert".491
Zweifelhaft ist indessen, ob bereits die Unzulässigkeit des Beschlusses nach § 305 S. 2 für sich genommen den Revisionsgrund aus § 338 Nr. 8 abzugeben vermag. Das ist nach der Auffassung, die § 338 Nr. 8 lediglich als Blankettnorm an485 1. Teil I. 1. b). Hahn ill/l, S. 248. 487 Bohnert, S. 147: Die Beruhenseignung bei Verhaftung, einstweiliger Unterbringung, Beschlagnahme sei nicht auszuschließen, im Fall ihrer Fehlerhaftigkeit beruhe das Urteil hierauf; dazu Schwentker, S. 129f.; gegen Bohnert vgl. AK StPO-AltenhainlGünther § 305 Tz.29. 488 Vgl. LR-Hanack § 338 Tz. 126ff. 489 BGH 30, 131 (135). 490 Vgl. die Darstellung bei Baldus, S. 373 ff., der mit Nachdruck für die Zuerkennung eines materiellen Gehalts dieser Vorschrift eintritt. 491 Vgl. LR-Hanack § 338 Tz. 127; Schlüchter Tz. 741 ff.; zur geschichtlichen Entwicklung Mehle, S. 92 ff. 486
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
sieht, nicht der Fall. Die Verletzung der besonderen Verfahrensnorm ist erforderlich, aber nicht ausreichend für die Revisionsrüge aus § 338 Nr. 8. Die Unzulässigkeit des Beschlusses nach § 305 S. 2 muß im Rahmen des § 338 Nr. 8 zwar inzidenter geprüft werden, sie genügt aber für die Begründetheit der Rüge nicht. Die Gefahr unterschiedlicher Beantwortung von Rechtsfragen - das Beschwerdegericht könnte den Beschluß anders als das Revisionsgericht beurteilen - bedeutet nicht gleichzeitig Konkurrenz der Rechtsmittel. Im Beschwerdeverfahren steht der Beschluß zur Überprüfung, in der Revision hingegen nicht der (Verhaftungs- oder Unterbringungs-)Beschluß als solcher, sondern die durch ihn verursachte Beschränkung der Verteidigung, die vorliegen kann, aber nicht vorliegen muß. Die Zielrichtung der Rechtsmittel Beschwerde und Revision ist also jeweils eine andere. Vom Boden der Einstufung des § 338 Nr. 8 als Blankettnorm erweist sich die These als richtig, daß § 305 S. 2 nicht lex specialis zu Satz 1 dieser Vorschrift ist, sondern nur deren Alternative aufzeigt. 492 Aus der Sicht, die § 338 Nr. 8 eigenen materiell-rechtlichen Gehalt zuerkennt, mag dies anders sein. Hiernach kann eine Entscheidung die Verteidigung auch dann unzulässig beeinträchtigen, wenn sie - im übrigen - nicht gegen geschriebenes Recht oder ungeschriebene Grundsätze verstößt. Das liegt an der durch diese Ansicht postulierten rechtlichen Verselbständigung des in § 338 Nr. 8 enthaltenen Revisionsgrundes. 493 Die allein aus § 338 Nr. 8 resultierende Gesetzesverletzung kann, ohne daß sonstiges Verfahrensrecht berührt ist, die Unzulässigkeit der Entscheidung i.S. von § 305 S. 2 bewirken. So müßte etwa eine (auch durch das erkennende Gericht verfügte) Beschlagnahme aufgehoben werden, wenn hierdurch der Angeklagte "unzulässig" (i.S. von § 338 Nr. 8) in seiner Verteidigung beschränkt wäre. 494 Die Verteidigungsbeschränkung selbst (und nicht erst ein Verstoß gegen sonstiges Verfahrensrecht) würde die Unzulässigkeit der Entscheidung im Sinne des § 305 S. 2 nach sich ziehen. Der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 wäre damit selbst unmittelbar geltendes Verfahrensrecht. Trifft diese Auffassung zu, kann die Sanktionierung seiner Verletzung nicht bis zur Revision zurückgestellt werden, Giesler, S. 126 ff.; zum Problem insgesamt Schwentker, S. 119ff. So regelt etwa das Gesetz nicht, wie nahe der Angeklagte bei seinem Verteidiger sitzen darf (vgl. OLG Köln NJW 1980, 302), ob der Verteidiger sein Plädoyer in die Rundfunkmikrophone halten muß oder ob er deren Entfernung verlangen darf (vgl. BGH 10, 202 (207)), ob der Angeklagte bzw. der Verteidiger die Ausschließung eines Prozeßberichterstatters verlangen können (vgl. BGH NJW 1964, 1485), ob der Angeklagte verlangen kann, daß ihm während der Hauptverhandlung die Fesseln abzunehmen sind (BGH NJW 1957, 271). Ein Verfahrensverstoß ist jeweils nur zu sehen, wenn dem § 338 Nr. 8 ein - über den einzelnen Verfahrensbestimmungen schwebender - Grundsatz zu entnehmen ist, daß die Verteidigung nicht "unzulässig" beschränkt werden darf (vgl. hierzu im einzelnen LR-Hanack § 338 Tz. 127; Baldus, S. 373 ff.), wobei allerdings, wie Roxin § 53 E II 2 d zu Recht bemerkt, häufig zugleich elementare andere Verfahrens grundsätze verletzt sein werden (gerichtliche Fürsorgepflicht, Anspruch auf ein faires Verfahren). 494 Vgl. das von Baldus, S. 377, erwähnte Urteil des BGH vom 24. 5. 1955: Dem Angeklagten waren beschlagnahmte Schriftstücke, die er zu seiner Verteidigung benötigte, vorenthalten worden. 492 493
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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sondern muß im laufenden Verfahren eintreten. Der Revisionsgrund wirkt in das Instanz-, insbesondere Beschwerdeverfahren hinein; die Beschlagnahme, Verhaftung pp. müssen aus Gründen des § 338 Nr. 8 aufgehoben werden. Damit sind die in § 305 S. 2 erwähnten Entscheidungen nicht mehr frei von jenem inneren Zusammenhang mit dem Urteil, sie werden beruhensgeeignet. Auf der anderen Seite sind sie (insbesondere Verhaftung, Beschlagnahme, Unterbringung) nicht ohne außerprozessuale Wirkungen. Sie weisen die von Ellersiek angesprochene Doppelfunktionalität auf, wirken innerhalb wie außerhalb des Prozesses, und die außerprozessualen Wirkungen (Verhaftung pp.) können durch die Aufhebung des Urteils nicht korrigiert werden. 495 Die so verstandene Doppelfunktionalität macht die Entscheidungen beschwerdefaltig wegen ihrer außerprozessualen Wirkungen und revisibel aufgrund des ihnen innewohnenden Beruhenszusammenhangs. Dies ergibt sich, wenn dem § 338 Nr. 8 eigener materiell-rechtlicher Gehalt zuerkannt wird. Ob dies letztlich richtig ist, mag hier dahinstehen. Problematisch ist diese Ansicht jedenfalls deshalb, weil sie das synchrone Ineinandergreifen der Rechtsmittel Beschwerde und Revision stört und damit der - jedenfalls ursprünglichen - Konzeption des Gesetzes zuwiderläuft. So wie bereits der Entwurf I diese Rechtsmittel voneinander scheidet, konnte es keine doppelfunktionalen Entscheidungen geben. 496 Durch einen verselbständigten Revisionsgrund des § 338 Nr. 8, der - zwangsläufig - in das von den Instanzgerichten zu beachtende Verfahrensrecht hineinwirkt, wird das synchrone Gefüge der Rechtsmittelabgrenzung gestört. Revisionsrechtlich mag die Erweiterung des § 338 Nr. 8 wünschenswert sein. Unter dem Blickwinkel einer systemgerechten Rechtsmittelabstimmung ist sie indessen mißlich, führt sie doch dazu, daß die in § 305 S. 2 erwähnten Entscheidungen nicht nur auf Einhaltung des sonstigen Verfahrensrechts hin geprüft werden, sondern auch darauf, ob nicht Verhaftung, Beschlagnahme pp. etwa unzulässig die Verteidigung beschränken könnten, wobei die Definition der "Unzulässigkeit" letztlich wiederum Wertungsgesichtspunkte einbringt, deren Prognostizierung im laufenden Verfahren aus der prospektiven Sicht (anders als aus der retrospektiven der Revision) nahezu unmöglich ist. Diese Konsequenzen scheinen bei aller Wertschätzung der so verteidigungsfreundlichen Erweiterung des § 338 Nr. 8 nicht immer berücksichtigt worden zu sein. § 305 S. 2 nimmt Entscheidungen über Verhaftungen pp. vom Beschwerdeausschluß aus. Die Bestimmung fügt sich nach der hier vertretenen Ansicht nahtlos in die Gesetzessystematik ein, weil sie - entsprechend der dem Entwurf I zugrundeliegenden Konzeption - lediglich den von § 305 S. 1 nicht erfaßten Bereich deklaratorisch darstellt,497 keine Ausnahme von diesem ausmacht. Das gilt sowohl für 495 Ellersiek, S. 46 f., im Anschluß an Niese, Prozeßlehre, S. 48 ff.; Eb. Schmidt I Tz. 29 ff.; II 5 vor § 94; Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 14; Henkel, S. 238; Roxin § 22 A III; Gössel § 19 B 11; Gantzer, S. 23. 496 Vgl. O. 1. Teil I. I. b). 497 Schlüchter Tz. 659 Fn. 196 und SK-Schlüchter vor § 231 Tz. 30 gelangt zur Annahme der Beschwerdefähigkeit des (nach Eröffnung erlassenen) Vorführungs- und des Haftbefehls
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
die Anordnung der Beschlagnahme, Unterbringung usw. als auch für deren Ablehnung. Zuzustimmen ist deshalb der Entscheidung des OLG Hamburg: 498 Die Ablehnung der vom Angeklagten beantragten Beschlagnahme von Gegenständen, die er zu seiner Verteidigung zu verwenden beabsichtigt, verhindert nicht prozeßgemäße Interaktion, verletzt insbesondere nicht das Recht des Angeklagten, diese Beweismittel - so vorhanden - in das Verfahren einzubringen; was versagt wird, ist außerprozessuale Hilfestellung, die Gegenstände beizubringen. Daher ist die Beschwerdefähigkeit der die Beschlagnahme ablehnenden Entscheidung wie die . der anordnenden durch § 305 S. 1 nicht ausgeschlossen. 499
b) Grundrechtsbeeinträchtigung als Voraussetzung für die Beschwerdefähigkeit ? Die hier vertretene Auffassung stimmt mit Amelung dahin überein, daß § 305 S. 2 nur deklaratorische Bedeutung besitzt, die darin genannten Maßnahmen unterliegen bei richtigem Verständnis des § 305 S. 1 nicht dem durch diese Bestimmung angeordneten Beschwerdeausschluß. 500 In diesem Sinne wurde Satz 2 schon von den Motiven verstanden. 501 Enthält aber § 305 S. 2 lediglich eine Klarstellung,502 zählt er nur von Satz 1 nicht erfaßte Entscheidungen auf und ist er nicht lex specialis zu § 305 S. 1, dann kann es durchaus noch weitere, nicht ausdrücklich in § 305 S. 2 erwähnte Erkenntnisse geben, die vom Beschwerdeausschluß nicht betroffen sind. Es bedarf also keiner erweiternden Auslegung des § 305 S. 2, um bestimmte Entscheidungen vom Beschwerdeausschluß des § 305 S. 1 auszunehmen. Entscheidungen nach § 81 a sind nicht nur dann beschwerdefähig, wenn sie wegen der mit ihnen einhergehenden Beeinträchtigungen den in § 305 S. 2 erwähnten ähneln. s03 Jede Entscheidung LS. von § 304, die nicht gemäß § 336 S. 1 der Revision unterliegt, ist beschwerdefähig. Ist sie der Revision nicht unterworfen, kann sie "mit den Rechtsmitteln gegen das Urteil" nicht beseitigt werden. 504 Die Zuläsüber eine erweiternde Auslegung des § 305 S. 2, dahingehend, daß freiheitsentziehende Maßnahmen des erkennenden Gerichts mit der Beschwerde angegriffen werden dürfen. Nach hier vertretener Auffassung schränkt Satz 2 den Satz 1 nicht ein, so daß sich auch über eine Erweiterung des S. 2 der S. 1 nicht zurückdrängen läßt. Vielmehr ist S. 1 apriori mangels Beruhenszusammenhangs nicht einschlägig. 498 OLG Hamburg JR 1985,300. 499 Im Ergebnis wie hier K. Meyer in der Anm. zu dieser Entscheidung, JR 1985, 301. 500 Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 20 und JZ 1987, S. 737 ff.; bezüglich vollzogener Eingriffe vgl. Amelung AnwBI. 1979,321 ff. und NJW 1978, 1013; Ellersiek, S. 124; Eppinger, S. 15; AK StPO-AltenhainlGünther § 305 Tz. 28 f. 501 Hahn III/ 1, S. 248. 502 So richtig bereits Kramer Tz. 330 a: Schon der Gesetzgeber hat bezüglich der in § 305 S. 2 genannten Entscheidungen den inneren Zusammenhang mit dem Urteil verneint. 503 Näher 5. Teil H. 7. b). 504 Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 21.
IX. Das Qualifikationsmerkrnal der Vorentscheidung
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sigkeit der Beschwerde ergibt sich in diesen Fällen, wie Amelung richtig ausführt, aus § 305 S. I, wobei diese Auslegung nach diesseitiger Auffassung durchaus nicht ,,korrigierend" erfolgt, sondern auf der synchronen Abstimmung mit § 336 S. 1 beruht. Daraus folgt indessen - und hierin unterscheidet sich die Ansicht der Untersuchung von dem Gedankengang Amelungs - zweierlei: Zum einen ist es unnötig, für diese Auslegung das Grundgesetz zu bemühen, da sie sich schon aus der Interpretation des einfachen Rechts ergibt. Zum zweiten: Die Beschwerdefahigkeit der Entscheidung hängt nicht von einer Grundrechtsbeeinträchtigung, sondern vom Fehlen des Beruhenszusammenhangs ab. Insbesondere ist hiernach die Beschränkung der Beschwerdefähigkeit von Entscheidungen nach § 81 a auf solche, die mit Freiheitsentzug oder Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit verbunden sind,505 nicht geboten, weil § 81 a nicht an § 305 S. 2, sondern an Satz 1 dieser Vorschrift zu messen ist: Nicht vom Grad der Beeinträchtigung, vom Ausschluß der Revision ist die Beschwerdefähigkeit der jeweiligen Entscheidung abhängig.
c) Konkurrenz zwischen Beschwerde gegen einen Beschluß nach § 111 a und Revision?
Die Beschwerde gegen die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach § 304 I statthaft und nach § 305 S. 2 auch gegen den Beschluß des erkennenden Gerichts nicht ausgeschlossen. Nach verbreiteter Auffassung soll allerdings während des Revisionsverfahrens dem Beschwerdegericht die Überprüfung des § 111 a - Beschlusses versagt sein. 506 Richtig hieran ist, daß sich die "dringenden Gründe" i.S. des § 111 a I darauf konkretisieren, ob der Entzug der Fahrerlaubnis in der Revision standhalten wird. Es sind also, wie Schäfer zu Recht bemerkt,507 revisionsrechtliche Gesichtspunkte, unter denen der Beschluß nach § 111 a zu prüfen ist. Gleichwohl ist dies kein Grund, die Beschwerde zu versagen. Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision besteht nicht, da der Gegenstand beider Rechtsmittel verschieden ist. Die Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichts wird weder unterlaufen,50S noch ist die Beschwerde eine "Vorabentscheidung" über die Revision. 509 Die Beschwerde So aber Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 21 ff.; Ellersiek, S. 129. LR-Schäfer § 111 aTz. 88; BurhojJTz. 748; Kleinknecht / Meyer-Goßner § 111 aTz. 19 (mit weiteren Nachweisen); OLG Düsseldorf VRS 80, 214 = NZV 1995,459; KG VRS 38, 127 (128), a. A. OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996,205; SchlHOLG StV 1995,345; OLG Koblenz NStZ-RR 1997,206. 507 LR-Schäfer § 111 aTz. 88. 508 So offenbar die von OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996, 205 (206) zitierte Stellungnahme der StA. 509 So aber Kleinknecht/Meyer-Goßner § 111 aTz. 19. 505
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
richtet sich vielmehr gegen die vorläufige Maßnahme, die Revision gegen die im Urteil ausgesprochene endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis, die "Streitgegenstände" sind also unterschiedlich, die Beschwerde stellt eine Prognose auf (wenn auch unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten), die Revision entscheidet endgültig. Es besteht kein Anlaß, dem Angeklagten die Überprüfung der vorläufigen Maßnahme zu versagen. Dem Beschluß des OLG Frankfurt / M. ist nichts hinzuzufügen. 510 9. Die Entscheidungen des Beschwerdegerichts als Vorentscheidungen nach § 336 S. I?
Eine andere Problematik muß in diesem Zusammenhang erörtert werden, die einerseits mit der innerprozessualen Bindung, andererseits mit der Frage nach dem Beruhenszusammenhang eng verflochten ist. Es geht darum, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts ihrerseits Vorentscheidung i.S. von § 336 sein kann. Das Problem wird von der Rechtsprechung kursorisch besprochen, so in der oben erwähnten Entscheidung RG 59, 241: Das Beschwerdegericht hatte eine die Berufung als unzulässig verwerfende Entscheidung des erkennenden Gerichts aufgehoben, die Berufung als zulässig angesehen und den judex a quo angewiesen, der Sache ,,Fortgang zu geben". Darauf setzte dieser Hauptverhandlungstermin an und verwarf die Berufung durch Urteil als unzulässig.
Wird nun gegen dieses verwerfende Urteil Revision eingelegt, so stellt sich zwar die bereits oben erörterte Bindungsfrage (Entscheidung des erkennenden Gerichts zu der Beschwerdeentscheidung), nicht kommt indessen die Beschwerdeentscheidung als Vorentscheidung in Betracht. Verworfen hat das erkennende Gericht, nicht hingegen die Beschwerdeinstanz, die in dieser Frage anders entschieden hatte. Der Fall wird nun abgeändert: Das erkennende Gericht bescheidet - nach Aufhebung der die Berufung verwerfenden Entscheidung durch das Beschwerdegericht - die Berufung sachlich zugunsten des Berufungsführers. Gegen dieses Urteil legt der unterliegende Prozeßbeteiligte (Verfahrens-)Revision ein mit der Rüge, die Berufung sei in Wirklichkeit, weil verspätet, als unzulässig zu verwerfen gewesen. Dann stellt sich die Frage, ob die den Verwerfungs beschluß aufhebende Beschwerdeentscheidung deshalb Vorentscheidung i.S. von § 336 ist, weil möglicherweise erst hierdurch der judex a quo zur Korrektur seiner auf Verwerfung des Rechtsmittels gerichteten Ansicht veranlaßt wurde.
510 OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996,205 (206) macht eine Ausnahme für den Fall, daß Revisions- und Beschwerdegericht identisch und beide Rechtsmittel entscheidungsreif sind. Richtig ist der Gedanke, daß dann die Revision vorrangig beschieden wird. Geschieht das nicht, ist dies zwar prozeßökonomisch unglücklich, aber prozeßrechtsdogmatisch kein "Betriebsunfall"; die Beschwerdeentscheidung wird lediglich durch das Revisionserkenntnis prozessual überholt.
IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Der richtige Anknüpfungspunkt liegt in der Bindungswirkung. 511 Besteht diese, hat das erkennende Gericht in der Frage der Verwerfung keinen Entscheidungsspielraum, weil es der Ansicht des Beschwerdegerichts folgen und in die Sachprüfung eintreten muß. Gilt hingegen Bindung nicht, trifft das erkennende Gericht über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels eine eigene Entscheidung, und die Beschwerdeentscheidung kommt als Vorentscheidung nicht in Betracht. Die Abwägung zwischen Verwerfung und Sachentscheidung hat dann das erkennende Gericht selbst getroffen. Daß Bindung der Beschwerdeentscheidung über das Verfahren hinaus, bis in das Urteilsverfahren hinein, nicht besteht, wurde oben erörtert. 512 Aus diesem Grunde muß das erkennende Gericht über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheiden und darf sich nicht an die Beschwerdeentscheidung gebunden fühlen. So ist diese nicht Vorentscheidung nach § 336. Der Revision nach § 337 unterliegt allein das Urteil des judex a quo. Diese Konsequenz ist - obiter durch RG 59, 241 klar erkannt und im Urteil ausgesprochen. 513 Als Pendant ist dem der von BGH 21,334 (359) entschiedene Fall gegenüberzustellen: Die Revision des Angeklagten rügt nach § 338 Nr. 8, daß die Beschwerdeinstanz auf die Beschwerde des Zeugen eine an diesen gerichtete Frage als unzulässig angesehen und deshalb einen anderslautenden Beschluß des erkennenden Gerichts abgeändert hatte. Der BGH führt hierzu aus: "Die Revision wendet sich, jedenfalls im Kern, gegen eine außerhalb der Hauptverhandlung in einem Zwischenverfahren ergangene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts, an die die Strafkammer trotz gegenteiliger Auffassung in der Sache gebunden war. Die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nach § 304 Abs. 4 StPO der (weiteren) Beschwerde nicht mehr zugänglich. Nun lassen sich allerdings gewichtige Gründe für die Auffassung anführen, daß dem Angeklagten, der die Einleitung des Beschwerdeverfahrens nicht verhindern kann, gleichwohl die Möglichkeit bleiben muß, im Revisionsverfahren nunmehr auch seinerseits die oberlandesgerichtliche Beschwerdeentscheidung in derselben Weise überprüfen zu lassen, als wenn sie eine Zwischenentscheidung der erkennenden Strafkammer gewesen wäre."
Daß hier das erkennende Gericht an die Beschwerdeentscheidung gebunden ist (die Frage also nicht doch zulassen darf), ist oben dargelegt. 514 Demnach steht dem erkennenden Gericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der an den Zeugen 511 Vgl. BayObLG 1960, 114 =NJW 1960, 1730: Das Revisionsgericht prüft die Rechtzeitigkeit des Einspruchs selbst nach. 512 1. Teil VII. 2. m RG 59,241 (244): "Die Vorprüfung der Zulässigkeit der Berufung ... die zuerst durch das Gericht der ersten Instanz ... und sodann durch das Rechtsmittelgericht ... stattfinden soll, bezweckt zwar, daß unzulässige Berufungen ... schon vor der Hauptverhandlung ausgeschieden und ohne solche durch Beschluß erledigt werden können. Ist jedoch von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht worden, so wird ... durch Urteil "über das Rechtsmittel" entschieden ... , und zwar in seinem vollen Umfang, einschließlich der Frage seiner Zulässigkeit und ohne Einschränkung oder Bindung durch die Stellungnahme, die dieser Frage im Vorprüfungsverfahren von den hierzu berufenen Stellen zuteil geworden ist." 514 1. Teil VII. 3.
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I. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
gerichteten Frage Entscheidungsspielraum nicht zu. Es muß die Frage als unzulässig behandeln, selbst wenn es hierin anderer Auffassung ist und sogar dann, wenn die Beschwerdeentscheidung tatsächlich unrichtig ist. Diese ist jetzt Vorentscheidung i.S. von § 336 S. 1. Freilich geht das Risiko der Aufhebung allein zu Lasten des erkennenden Gerichts und nicht des Beschwerdegerichts, denn Vorentscheidungen werden nicht aufgehoben, sie werden schlicht "gegenstandslos". Aufgehoben wird nur das Urteil. Das Ergebnis ist dies: Bindet die Beschwerdeentscheidung den judex a quo, ist sie selbst Vorentscheidung nach § 336 S. I, denn dem erkennenden Gericht bleibt - wegen der Bindung - kein eigener Entscheidungsspielraum. Bei fehlender Bindungswirkung beläßt sie dem judex a quo die Entscheidungskompetenz und kommt somit als Vorentscheidung nach § 336 nicht in Betracht. In diesem Fall hat den ,,Fehler" der judex a quo gleichsam "allein zu vertreten", so daß dessen Entscheidung Vorentscheidung nach § 336 ist. Die Bindungsfrage regiert deshalb das Problem, welche Entscheidung Vorentscheidung sein kann. Das Entstehen von Bindungswirkung richtet sich danach, ob § 358 zum Zuge kommt. 515 Diese Bestimmung ordnet Bindung nur bei Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren an, betrifft also nicht die Fälle, in denen das Beschwerdegericht über die (Beschwerde-)Sache selbst entscheidet und das Verfahren danach seinen ,,Fortgang" beim judex a quo nimmt. Die letztere Konstellation stellt mithin keinen Fall der Zurückverweisung dar. Der Fortgang beim judex a quo ist vielmehr die neue Rechtslage nach Bescheidung der Beschwerde.
10. Inwiefern ist der Grundsatz der Überprüfung der Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht selbstverständlich?
Schon in den Beratungen der Kommission wird ausgesprochen, § 336 S. 1 sei im Grunde überflüssig, weil sich schon aus § 337 die Überprütbarkeit der Vorentscheidungen durch das Revisionsgericht ergebe. 516 Letzteres ist in der Tat zwingend: Da § 337 unstreitig unter "Gesetzesverletzung" auch die Verletzung von Verfahrensrecht versteht, sind damit die Vorentscheidungen als Teile des Verfahrens inbegriffen. Der Gedanke läßt sich verallgemeinern. Eine Beurteilung der Vorentscheidungen ist für das die Endentscheidung kontrollierende Gericht (im folgenden als Rechtsmittelgericht bezeichnet) immer dann selbstverständlich, wenn es das Verfahren der Vorinstanz zu überprüfen hat. Scheidet hingegen das Verfahren als selbständiger Anfechtungsgrund aus, so findet damit auch keine Überprüfung der Vorentscheidungen statt. § 358 gilt im Beschwerdeverfahren entsprechend, vgl. o. 1. Teil Vll. 2. Vgl. O. 1. Teil IX. 4. und die Ausführungen von Amsbergs (Hahn 1lI/ 1, S. 1030) und LR-Hanack § 336 Tz. 1. 515
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IX. Das Qualifikationsmerkmal der Vorentscheidung
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Damit steht positiv und negativ folgendes fest: Die Überprüfung der Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht ist zwingend, wenn das Rechtsmittel zur Kontrolle des Verfahrens führt, ausgeschlossen hingegen, wenn das Rechtsmittel diese nicht ennöglicht. Verfahrens- und Urteilsfehler stehen gleichbedeutend nebeneinander, und es liegt im Belieben des positiven Rechts, die Sanktionen gegen beide zu statuieren. Das Gesetz kann die Nachprüfung auf die Entscheidung selbst reduzieren. So verfährt die StPO im Fall der Berufung, seitdem die Verfahrensberufung alten Rechts (nach Aufhebung des § 328 11 a.F.) weggefallen ist. Am Beispiel der Berufung wird der Wesensunterschied zwischen einem Rechtsmittel, das das Verfahren (auch) überprüft, und einem solchen, welches sich allein auf die Urteilsnachprüfung beschränkt, deutlich. Für die Berufung neuen Rechts ist es rechtlich ohne Belang, ob das Verfahren erster Instanz an einem Mangel leidet. Ob das Amtsgericht beispielsweise dem Angeklagten das letzte Wort erteilt, ob ein abgelehnter Richter am Urteil mitgewirkt hat oder ob ein erpreßtes Geständnis verwertet wurde, ist für die Berufung heutigen Rechts unerheblich. S 17 Sie befaßt sich allein mit der Überprüfung der Entscheidung unter Vernachlässigung des Verfahrens, das zu ihr geführt hat. Gleichermaßen agiert die Sachrevision. Das ist die Gemeinsamkeit beider Rechtsmittel. S18 Die Verfahrensrevision hingegen urnfaßt mit der Prüfung des Verfahrens auch die der Vorentscheidungen. Die Sanktion für Verfahrensfehler setzt § 354 11, eine Bestimmung, die ihr Korrelat in § 322 11 a.F. hatte.
Eine andere Frage geht dahin, ob die Vorentscheidungen der ausschließlichen Beurteilung des Rechtsminelgerichts (zusammen mit der angefochtenen Endentscheidung) unterworfen oder ob sie daneben auch gesondert anfechtbar sind. Das ist das Problem der Rechtsmittelkonkurrenz, in der StPO geregelt durch die §§ 305, 336: Doppelanfechtung findet nicht statt. Die §§ 305, 336 ergänzen einander wie folgt: Wenn die ratio der Sperrung des Beschwerdeweges gegen Vorentscheidungen in deren Überprüfbarkeit durch die Revision liegt, so setzt § 305 S. 1 die Rechtsfolge des § 336 voraus. Ohne die Überprüfungsmöglichkeit zusammen mit dem Urteil wäre kein Grund ersichtlich, die Vorentscheidungen der Beschwerde zu entziehen. Generell bedeutet dies für andere Verfahrensarten außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO: Der Rechtsgedanke des § 305 kann jedenfalls nicht ohne den Grundsatz des § 336 gelten. Die Vorentscheidungen können nicht selbständiger Anfechtung entzogen und der ausschließlichen Beurteilung des Rechtsmittelgerichts zugewiesen werden, wenn eine Überprüfung des Verfahrens durch das Rechtsmittelgericht nicht vorgesehen ist; in diesen Fällen fehlt die Kompensation (Überprüfbarkeit mit dem Urteil) für die Versagung selbständiger Anfechtbarkeit. 517 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 328 Tz. 4; unter ganz besonderen Umständen wird teilweise eine Zurückverweisung für zulässig gehalten, so von KK-Ruß § 328 Tz. 7; Meyer-Goßner NJW 1987, 1161 (1163) und NStZ 1988,290. Letztere Auffassung kann indessen nicht geteilt werden, denn die Streichung des § 328 11 a.F. macht deutlich, daß das Berufungsgericht in der Sache zu entscheiden hat. Näher unten 2. Teil V. 518 Näher vgl. 2. Teil.
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I. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Damit ist die Auffassung widerlegt, die den § 305 "entsprechend" in solchen Verfahren anwenden will, denen ein dem Institut der Verfahrensrevision vergleichbares Rechtsmittel fremd ist. Ob etwa im Vollstreckungsverfahren § 305 analog gilt,519 hängt zunächst davon ab, ob das Rechtsmittel gegen die Endentscheidung (die sofortige Beschwerde nach § 454 11) überhaupt die Überprüfung der Vorentscheidungen ermöglicht. Beurteilt das Rechtsmittelgericht nämlich nur die "Sache", d. h. die Vollstreckungsfrage des § 454 I, nicht aber das Verfahren der Vorinstanz, dann können die Vorentscheidungen nicht zusätzlich nach § 305 einer gesonderten Anfechtung vorenthalten sein. Dies wird unten noch in anderem Zusammenhang erörtert.
X. Der Grundsatz des § 336 S. 1 (Prüfung von Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht) außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO 1. Verfahrensrechtsmittel: Der Grundsatz des § 336 S. 1 gilt
a) Der Rechtsgedanke des § 336 S. 1 ist im OWiG-Verfahren anzuwenden
Ein Verfahrensrechtsmittel ist die Rechtsbeschwerde des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (§ 79 OWiG). § 79 III OWiG verlangt die Anwendung des § 337,520 mithin auch die Überprüfung auf Verletzungen von Vorschriften über das Verfahren. Zweifel an der Geltung des § 336 im OWiG-Verfahren könnten insofern aufkommen, als nicht jede Vorentscheidung der Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts zugänglich ist, weil nicht jedes Urteil mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann. Letzteres ergibt sich aber nur durch die Betrachtung ex post, d. h. nach ergangenem Urteil. Liegen die Voraussetzungen des § 79 I OWiG nicht vor, ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn sie nach § 80 OWiG zugelassen wird. Maßgeblich für die Zuweisung der Vorentscheidung unter das gegen die Endentscheidung (Urteil) zulässige Rechtsmittel ist aber nicht die Betrachtung ex post, sondern die Sicht ex ante, daß grundSätzlich ein Rechtsmittel gegen die Endentscheidung statthaft sein kann. Hierauf sind die Erwägungen zur Sprungrevision zu übertragen. Gegen die Vorentscheidungen des Amtsrichters und des Schöffengerichts ist nicht etwa deshalb die Beschwerde gegen § 305 S. 1 statthaft, weil die Entscheidungen grundSätzlich ("nur") mit der Berufung und lediglich für den Fall, daß der Rechtsmittelführer von der Möglichkeit des § 335 I Gebrauch macht, mit der Revision anfechtbar sind. Der Punkt ist vielmehr, daß grundsätzlich jedes Urteil des Amtsgerichts der Revision unterliegen kann, so daß wegen der - möglicherweise stattfindenden - Revision die Einschränkung der §§ 305, 336 auf jeden Fall zu beachten ist, auch wenn sich diese Beschränkung der Beschwerdebefugnis letztlich als "unnötig" herausstellen sollte, weil der Rechtsmittelführer die Sprungrevision nicht einlegt und bei der Beru519 So OLG Düsseldorf JMBINW 1986, 32 (Nr. 2). 520 KK OWiG-Steindorf § 79 Tz. 112 ff. Der Zusammenhang zwischen § 305 u. § 336 wird klar erkannt bei KK OWiG-Senge § 73 Tz. 26 u. 45.
x. Der Grundsatz des § 336 S. I
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fung verbleibt, die das Verfahren der Vorinstanz und damit auch die Vorentscheidung nicht überprüft. Das gilt auch im OWiG-Verfahren. Es muß immer damit "gerechnet" werden, daß die Rechtsbeschwerde wegen des Verfahrensfehlers zugelassen wird, womit auch die Vorentscheidung in die Beurteilung des Rechtsmittelgerichts fällt. Bedenklich wird es allerdings dann, wenn sich die Praxis derart einpendelt, daß etwa für gewisse Verfahrensfehler, mögen sie auch noch so gravierend sein, die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, z. B. mit dem Hinweis auf nicht bestehende Wiederholungsgefahr. 521 Je mehr die dem Rechtsbeschwerdegericht obliegende Überprüfung des Verfahrensrechts der Vorinstanz begrenzt wird, umso eher wird die Zielsetzung geboten sein, dann auch bei § 305 die notwendige Konsequenz zu ziehen; wenn der Grundsatz des § 336 S. I (Überprüfbarkeit der Vorentscheidungen durch das gegen die Endentscheidung statthafte Rechtsmittel) nicht mehr gewährleistet, sondern praktisch durch die einschränkende und kaum prognostizierbare Rechtsprechung der OLGe außer Kraft gesetzt ist, dann stellt sich in der Tat die Frage, welche Berechtigung es noch haben kann, die Vorentscheidungen vom Grundsatz der Beschwerdefähigkeit des § 304 auszunehmen. Wenn also die Überprüfung des Verfahrensrechts nach § 336 S. I nicht mehr die Regel, sondern infolge eingeschränkter Zulassungspraxis die Ausnahme wird, wäre die notwendige Konsequenz hieraus, die Überprüfung der Vorentscheidungen vom Gericht der Rechtsbeschwerde auf die Landgerichte als Beschwerdeinstanz zu verlagern. Daß dies die Absicht der einschränkenden Zulassungspraxis ist, darf bezweifelt werden.
b) Die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG
Die Rechtsbeschwerde des § 116 StVollzG unterscheidet sich, was die Überprüfung der Vorentscheidungen angeht, nicht von der Revision. 522 § 120 I StVollzG verlangt entsprechende Anwendung der Vorschriften der StPo. Die §§ 11811, 119 11 StVollzG trennen zwischen Sach- und Verfahrensrüge. Das Verfahren ist also selbständig überprüfbar. Verfahrens fehler können durch Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz und Zurückverweisung sanktioniert werden. 523
2. Rechtsmittel ohne Verfahrensüberprüfung der Vorinstanz Der Grundsatz des § 336 S. 1 gilt nicht und demzufolge auch nicht § 305 S. 1
a) Das Beschwerdeverfahren
Beschwerdeverfahren ist das Verfahren von der Einlegung der Beschwerde (Prozeßbeschwerde) an bis zum Erlaß der in der Sache erforderlichen Entscheidung (§ 309 11). "Sache" ist nicht "die in der Anklage bezeichnete Tat" (§ 264 1), son521 Vgl. die Nachweise bei KK OWiG-Steindorf § 80 Tz. 10 ff.; Demuth/ Schneider NJW 1970, 1999ff.; Baukelmann, S. 36f. 522 OLG Hamm NStE Nr. I zu § 119 StVollzG. 523 Vgl. Schwind/ Böhm/Schuler § 119 Tz. 6, 7; AK StVollzG - Volckart § 118 Tz. 15.
176
1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
dem der Beschwerdegegenstand. 524 Vorentscheidungen sind demzufolge nicht die im gesamten Verfahren nach Eröffnung, sondern die im Beschwerdeverfahren ergangenen. Beispiel: Das Erstgericht unterläßt das Abhilfeverfahren nach § 306 11 oder verkennt den Umfang seiner Nachprüfungspflicht.
Das Beschwerdeverfahren wird unter der Rubrik der Verfahren außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO abgehandelt, nicht weil es etwa außerhalb desselben stünde - wie etwa die Zwischenverfahren 525 -, sondern weil es in diesem Zusammenhang um die Frage geht, inwieweit das Beschwerdegericht die im Beschwerdeverfahren erlassenen Vorentscheidungen überprüft und sanktioniert. Unter der Geltung des § 32211 a.F. wurde - in Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift - bei schweren Verfahrensfehlern die Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht angenommen. 526 Teilt man diese Ansicht, so steht dem Beschwerdegericht in der Tat die Überprüfung des Verfahrens des judex a quo zu, und die Beschwerde ist (auch) ein Rechtsmittel zur Kontrolle des Verfahrens. Da aber § 322 11 a.F. entfiel, ist dessen analoge Anwendung auf das Beschwerdeverfahren nicht mehr möglich. Die Auffassung, die auch heute noch die Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren für zulässig hält,527 geht daher fehl. Die Ausnahme bildet die vom judex a quo zu treffende Abhilfeentscheidung. Deren (formelle) Ordnungsmäßigkeit wird in der Tat als Vorentscheidung vom Beschwerdegericht mit der Möglichkeit der Zurückverweisung überprüft. Dazu wird Näheres unten ausgeführt. 528 Im übrigen muß das Beschwerdegericht stets die in der Sache erforderliche Entscheidung erlassen (§ 30911).529 Es unterscheidet sich darin nicht vom Berufungsgericht, das auch bei schweren Verfahrensfehlern der Vorinstanz nicht zurückverweist, sondern selbst in der Sache erkennt. Vgl. o. 1. Teil VII. 1. Dazu vgl. u. 3. Teil. 526 OLG Karlsruhe NJW 1974,709; dagegen HK-Rautenberg § 309 Tz. 7; weitere Nachweise bei AK StPO-RenzikowskilGünther § 309 Tz. 19ff. und § 306 Tz. 28 ("kein Nachsitzen des Erstrichters" (Tz. 29»; für das Berufungsverfahren vgl. u. 2. Teil V. 527 OLG Düsseldorf StV 1995,538 (auch hier hätte das OLG in der Sache (§ 30911) entscheiden müssen, trotz des Ärgernisses, daß die Vorinstanz mit floskelhafter und nichtssagender Begründung entschieden hatte und hierauf in vorangegangenen Fällen schon des öfteren hingewiesen worden war); KG StV 1994, 318; OLG Düsseldorf IR 1994, 347 (348); OLG Düsseldorf NStZ 1993, 251 (im konkreten Fall wurde Zurückverweisung abgelehnt, obiter wird Zurückverweisung nur für zulässig gehalten, wenn das Beschwerdegericht für die Sachentscheidung nicht zuständig oder sonst rechtlich gehindert ist); ebenso OLG Düsseldorf MDR 1993, 375. 528 4. Teil I. 1. 529 Zu Unrecht will das OLG Koblenz NStZ-RR 1997, 111 (112) § 309 II im Wiederaufnahmeverfahren nicht anwenden, wenn dem Verurteilten vor der beabsichtigten sofortigen Freisprechung nach § 371 II rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist. Die Anhörung müßte vielmehr das Beschwerdegericht selbst vornehmen. Von § 309 11 abzuweichen, bestand im konkreten Fall kein Anlaß. 524 525
x. Der Grundsatz des § 336 S.
I
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Nach heutigem Recht ist dementsprechend die Beschwerde kein Verfahrensrechtsmittel. Das heißt, die Beschwerde ist kein Rechtsmittel mit dem Ziel, das Verfahren des Erstgerichts im Beschwerdeverfahren zu überprüfen. Dies bedeutet nicht, daß die Beschwerde nicht generell doch über das Verfahren entscheidet (Einleitung 11 1). Sie ist (regelmäßig) Verfahrensrechtsmittel im Prozeß insgesamt, bei der Beurteilung der Tat i.S. von § 264 I, nicht aber bei der Entscheidung über den Beschwerdegegenstand, die "Sache" des § 309 11. Sie folgt den Grundsätzen der Berufung, wie sie sich nach Aufhebung der Verfahrensberufung alten Rechts darstellen. Das Beschwerdegericht entscheidet stets in der Sache. Verfahrensfehler der Vorinstanz sind für das Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Das gilt auch für folgende besondere Ausprägungen der Beschwerde: b) Die "Rechtsbeschwerde" des § 305 a I
Nach § 305 all ist gegen den Strafaussetzungsbeschluß Beschwerde zulässig. Zweifelhaft ist bereits, ob dem Beschwerdegericht überhaupt eine Zurückverweisungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Wird dies verneint, etwa mit der Begründung, das Gericht müsse auch im Fall der Beschwerde nach § 305 a stets in der Sache entscheiden (§ 30911),530 entfallt damit das zur Sanktionierung von Verfahrensfehlern notwendige Instrument. Der Wortlaut des Gesetzes löst das Problem. Nach § 305 a I 2 kann Beschwerde nur darauf gestützt werden, daß die Anordnung "gesetzwidrig" ist. Ob dies der Fall ist, ergibt das sachliche Recht. 531 Auf dessen Überprüfung ist das Beschwerdegericht beschränkt. Verfahrensfehler - und damit die Vorentscheidungen - unterliegen nicht seiner Beurteilung. Das folgt nicht aus fehlender Sanktionsmöglichkeit des Beschwerdegerichts, sondern aus dem Wortlaut des § 305 a, der die Nachprüfung auf das sachliche Recht reduziert. Der Grundsatz des § 336 S. 1 ist deshalb im Verfahren nach § 305 a nicht anzuwenden. 530 So wird im Fall von Ermessensfehlern des judex a quo die Zurückverweisung zugebilligt (OLG Hamm GA 1971, 125; KMR-Paulus § 305 aTz. 10 für die Fälle, in denen das Berufungsgericht irrig als Beschwerdegericht entschieden und demzufolge sein Ermessen (fehlerhaft) nicht ausgeübt hat. Dagegen LR-Gollwitzer § 305 aTz. 14). Diese Frage ist aber ausschließlich ein Problem der Korrektur sachlicher Rechtsfehler (Ermessensfehlgebrauch) und hat mit der Sanktion von Verfahrensfehlern nichts zu tun. Ihre Beantwortung hängt davon ab, ob § 30911 im Rahmen des § 305 a anzuwenden ist, wovon LR-Gollwitzer § 305 aTz. 14 offenbar ausgeht, wenn er die Zurückverweisung ablehnt. Die Überprüfung auf sachliche Fehler setzt Begründung der angefochtenen Entscheidung voraus. Fehlt eine solche Begründung, muß die Sache an den judex a quo zurückverwiesen werden, vgl. BGH NStE Nr. 2 zu § 268 a. 531 KleinknechtlMeyer-Goßner § 305 aTz. 1; LR-Gollwitzer § 305 aTz. 3.
12 Weidemann
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
Gleiches gilt für die Beschwerde nach § 453 11, soweit die Einschränkung des S. 2 der des § 305 a I 2 entspricht; das trifft auf den 1. Halbsatz der Bestimmung zu. 532
c) Die Beschwerde im Vollstreckungsveifahren
Gegen Entscheidungen im Vollstreckungs verfahren ist teils sofortige, teils unbefristete Beschwerde statthaft. 533 Das OLG Düsseldorf wendet in diesem Verfahren sowohl § 305 S. 1534 als auch § 28 11 2535 an. Veranlassung hierzu sieht das Gericht in einer gewissen Verwandtschaft der Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer mit dem Erkenntnisverfahren und weil erstere überdies mit einer das Verfahren beendenden Entscheidung abschließen. Dabei wird nicht beachtet, daß die Anwendung des § 305 S. 1 und des § 28 11 2 die Geltung des in § 336 S. 1 niedergelegten Grundsatzes (Überprüfung des Verfahrens und der Vorentscheidungen) voraussetzt. Ob Entscheidungen gesonderter Anfechtung entzogen sind, kann überhaupt nur diskutiert werden, wenn sichergestellt ist, daß sie der Überprüfung zusammen mit der Endentscheidung unterliegen. Wenn aber im Vollstreckungsverfahren der Spruch des judex a quo nicht auf Verfahrensfehler kontrolliert wird, weil der judex ad quem - wie generell im Beschwerdeverfahren - stets in der Sache selbst entscheidet, dann können "Vorentscheidungen" nicht der Beschwerde vorenthalten sein. 536 Sie wären sonst jeder Anfechtung unzugänglich. Das OLG Düsse1dorf537 hat sich zu sehr von der vermeintlichen Parallelität des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer und dem des erkennenden Gerichts bestimmen lassen, dabei hat es die Prämisse, unter der die ganze Beweisführung steht, die Überprüfbarkeit der Vorentscheidung zusammen mit der Endentscheidung, außer Acht gelassen. Der Hinweis auf § 115 I StVollzG ist irrig, denn diese Vorschrift regelt, wie oben gezeigt,538 ein Verfahrensrechtsmittel und ist deshalb mit der sofortigen Beschwerde des § 45411 nicht vergleichbar. 532 KleinknechtlMeyer-Goßner § 453 Tz. 11; LR-Wendisch § 453 Tz. 14; AK StPO-Rössner § 453 Tz. 6f., vgl. aber die Ausführungen zu c im Text: Nach der in dieser Untersuchung vertretenen Auffassung gilt § 336 S. 1 im gesamten Vollstreckungs verfahren nicht. 533 Zu der Frage, ob diese Rechtsmittel solche eigener Art oder der Prozeßbeschwerde zuzurechnen sind, vgl. o. Einführung I. 534 OLG Düsseldorf JMBlNW 1986,32 (Nr. 2); zustimmend LR-Gollwitzer § 305 Tz. 4. 535 OLG DüsseldorfNStE Nr. 1 zu § 28 StPO mit abI. Anm. Chlosta NStZ 1987,291; ähnlich OLG Hamm NStZ 1987, 93: Das Verfahren zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 67 a StGB ist dem Erkenntnisverfahren rechtsähnlich. Die Rechtsmittelinstanz soll vor Entscheidungsfindung nicht eingreifen. 536 Chlosta NStZ 1987, 291. 537 OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 28 StPO. 538 Vgl. O. X. 2. b).
x. Der Grundsatz des § 336 S. 1
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d) Das Wiederaufnahmeverfahren
Im Wiederaufnahmeverfahren ist nach h.M. § 305 S. 1 sinngemäß anzuwenden. 539 Dem erkennenden soll das Gericht, das über Zulässigkeit und Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages zu befinden hat, gleichstehen. Soweit dies mit der Auffassung korrespondiert, das Beschwerdegericht dürfe im Fall eines Verfahrensfehlers zurückverweisen, ist diese Ansicht zumindest insofern schlüssig, als sie Vorentscheidungen nicht der Beschwerde entzieht, ohne sie gleichzeitig dem Rechtsmittel gegen die Endentscheidung zu unterwerfen. 540 Allerdings kann auch hier die Möglichkeit der Zurückverweisung wegen Verfahrensfehlers, wie sie noch von älteren Entscheidungen vertreten wird,541 heute nicht mehr gehalten werden, da die Verfahrens berufung alten Rechts abgeschafft ist und demzufolge die Analogie zu § 328 11 a.F. entfällt. Die sofortige Beschwerde des § 372 S. 1 gestattet also keine Korrektur des Verfahrens des judex a quO. 542 Die Ausführungen zur Prozeßbeschwerde (oben unter a) und zur Beschwerde im Vollstreckungsverfahren (oben unter c) gelten entsprechend. Damit erweist sich, daß der Grundsatz des § 336 S. 1 weder generell im Beschwerdeverfahren noch in einzelnen Verfahren der Beschwerde im besonderen gilt, was die h.M. teilweise anders sieht.
LR-Gössel § 372 Tz. 7 (völlig h. M.). So z. B. folgerichtig LR-Gössel § 372 Tz. 19; anders Peters, Fehlerquellen, einerseits S. 142 (keine Geltung des § 305), andererseits Zurückverweisung wegen Verfahrensmangels, S.143. 541 Aus der Zeit vor Streichung des § 32811 a.F. durch das StVÄG 1987: OLG Frankfurt NStZ 1983,426 (427, am Ende der Hinweis auf § 32811); OLG Bremen NJW 1966, 605 (Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters) bezieht sich auf OLG Bremen NJW 1951, 84, worin auf LR-19, § 309 Anm. 4, verwiesen wird; dort wird ausdrücklich für den Fall eines Verfahrensfehlers Zurückverweisung für möglich gehalten; ebenso die darin zitierten älteren Entscheidungen, z. B. KG GA Bd. 73, S. 126 (Verfall einer Sicherheit); OLG Saarbrücken NJW 1966, 167 (Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters ist ein durch das Beschwerdegericht nicht zu behebender Verfahrensmangel); zustimmend Peters, Fehlerquellen, S. 143. 542 Wenn in diesem Zusammenhang von Zurückverweisung wegen Verfahrensfehler des judex a quo gesprochen wird, so sind damit solche im Beschwerdeverfahren gemeint, nicht etwa die, zu deren Korrektur beispielsweise die Prozeßbeschwerde berufen ist. Es geht also um Fehler im Beschwerdeverfahren selbst. Das Mißverständnis kann dadurch entstehen, daß die Prozeßbeschwerde selbst Verfahrensrechtsmittel ist und daß es im Rahmen dieses Rechtsmittelverfahrens seinerseits wieder zu Verfahrensfehlern kommen kann. Nur Fehler der letzteren Art sind hier angesprochen. 539
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12*
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision
XI. Der Rechtsgedanke des § 305 S. 1 (keine Beschwerde gegen Vorentscheidungen des erkennenden Gerichts) außerhalb des Erkenntnisverfahrens der StPO 1. Allgemeines
Vorentscheidungen können gesonderter Anfechtung nur entzogen sein, wenn sie zusammen mit der Endentscheidung überprüfbar sind (§ 336 S. 1). Deshalb ist das Prinzip des § 305 in all jenen Verfahren nicht anzuwenden, die eine den Grundsätzen des § 336 S. 1 entsprechende Überprüfung des Verfahrens der Vorinstanz nicht vorsehen. Die Überprüfbarkeit i.S. des § 336 S. 1 zusammen mit der Endentscheidung ist notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für gesonderte Anfechtbarkeit der Vorentscheidung. Theoretisch denkbar sind Verfahrensordnungen, nach denen Vorentscheidungen gesondert anfechtbar sind und dennoch zusammen mit der Endentscheidung der Überprüfung des Rechtsmittelgerichts unterliegen. Diese Konstellation sieht die h.M. - anders als die hier vertretene Auffassung - für das Zusammenwirken der §§ 304 I, 336 S. 1 vor: Soweit Entscheidungen i.S. von § 304 nicht der sofortigen Beschwerde zugänglich sind, soll gegen sie einfache Beschwerde und - bei Beruhenseignung - angeblich auch Revision eröffnet sein. 543 Lediglich die Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 305 S. 1 sind gesonderter Anfechtung nicht fähig. Die Frage, ob der Grundsatz des § 305 gilt, kann nur noch in Verfahren gestellt werden, in denen die Überprüfbarkeit der Vorentscheidungen mit der Endentscheidung gewährleistet ist, in denen also der Gedanke des § 336 S. 1 Anwendung findet. 544 Das sind die Verfahren nach dem OWiG und dem StVollzG. Da der in § 336 festgelegte Grundsatz der Überprüfbarkeit der Vorentscheidungen nicht automatisch den Rechtsgedanken des § 305 S. 1 impliziert, muß sich in der betreffenden Verfahrensordnung ein Anhalt dafür finden, daß auch § 305 S. 1 "rezipiert" ist. Für das OWiG-Verfahren beispielsweise ergibt sich dies aus § 79 III OWiG sowie daraus, daß das Erkenntnisverfahren des OWiG dem des Strafprozesses angeglichen ist. 543 Jedenfalls ist dies h. M. zu der einfacher Beschwerde unterliegenden Entscheidungen, vgl. LR Hanack § 336 Tz. 7 zu Anm. 16, dort unter Hinweis auf RG 59, 104; BayObLG JW 1929, 1064 (Nr. 6) und Schmid, S. 164; ferner LR-Rieß § 207 Tz. 71: Wer gegen den Eröffnungsbeschluß die einfache Beschwerde zuläßt, muß auch die Revisibilität in Bezug auf die Fehler anerkennen, wegen derer er die einfache Beschwerde zuläßt. Die doppelte Anfechtungsmöglichkeit und daraus resultierende Rechtsmittelkonkurrenz widerspricht einer sinnvollen Abgrenzung der beiden Rechtsmittel Revision und Beschwerde. Nach der hier vertretenen Auffassung greift die Revision nicht über den Eröffnungsbeschluß zurück, so daß Entscheidungen des nichterkennenden Gerichts nur der Beschwerde, nicht aber der Revision zugänglich sind. Andererseits unterliegen die Entscheidungen des erkennenden Gerichts, soweit sie beruhensgeeignet sind, nur der Revision und nicht der Beschwerde; zum Problem vgl. Kohlhaas NJW 1968, 26 (Der Eröffnungsbeschluß ist Zäsur). 544 Vgl. o. IX. 10. am Ende.
XI. Der Rechtsgedanke des § 305 S. 1
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2. Verfahren nach dem StVollzG
§ 120 I StVollzG verweist auf die Vorschriften der StPO, mithin auch auf die §§ 304 ff. 545
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde entspricht dem des OWiG. 546 Verfahrensrüge kann erhoben werden, freilich unter den Einschränkungen des § 116 I StVollzG (zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bzw. zur Fortbildung des Rechts).547 Das zum OWiG Ausgeführte gilt sinngemäß für das Verfahren nach dem StVollzG. § 305 ist auf das Verfahren der Strafvollstreckungskammer anzuwenden. Einerseits wird die Grundvoraussetzung - Überprüfung des Verfahrens und damit der Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht - gewährleistet, andererseits ähnelt das Verfahren dem Erkenntnisverfahren, so daß der Grundsatz, den judex a quo von Einflußnahmen des Rechtsmittelgerichts während des laufenden Prozesses freizustellen, auch hier gilt.
Entschieden ist dies für die Bestimmung des § 28 11 2, der auf der gleichen ratio wie § 305 S. 1 basiert. 548 Die Versagung der beantragten Ablehnung eines Richters im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer kann nur zusammen mit der Endentscheidung überprüft werden.
AK StVollzG-Valekartl Schmidt § 120 Tz. 4. Die Verweisung auf die Vorschriften der Beschwerde (§ 116 IV StVollzG) ist ein Mißgriff. Richtigerweise müßte wie in § 79 III 1 OWiG auf die Revisionsvorschriften verwiesen werden. Mit der Beschwerde der §§ 304 ff. hat die Rechtsbeschwerde nichts gemein. Würden die Beschwerdevorschriften gelten, müßte z. B. das Rechtsbeschwerdegericht stets in der Sache selbst entscheiden, womit schon die Verfahrensüberprüfung entfiele. Auch die Zurückverweisung wäre nicht möglich. Auf die Rechtsbeschwerde des StVollzG wird deshalb nicht Beschwerderecht, sondern das Recht der Revision (bzw. der Rechtsbeschwerde nach dem OWiG) angewandt. Das ist unbestritten, vgl. SchwindlBöhmlSchuler § 116 Tz. 14; Calliesl Müller-Dietz § 116 Tz. 8 und die folgende Anm. 547 Auf die Rechtsprechung zum OWiG wird im Rahmen der Kommentierung des § 116 I StVollzG verwiesen, vgl. SchwindlBöhmlSchuler § 116 Tz. 3 ff.; CallieslMüller-Dietz § 116 Tz. 2ff.; richtig AK StVollzG-ValckartlSchmidt § 116 Tz. 6f. (einschränkend, insbesondere gegen das von der Rechtsprechung aufgestellte Postulat der "schwer erträglichen Unterschiede": ,,Diese aus der Praxis zu § 80 OWiG übernommene Auffassung steht nicht im Gesetz. Das Gebot der Gleichbehandlung ... gebietet es auch dann, Uneinheitlichkeiten der Rechtsprechung entgegenzutreten, wenn deren Ergebnisse ... nur für die betroffenen Gefangenen ein Unrecht darstellen.". Aber auch für das OWiG ist diese Einschränkung rechtlich unhaltbar. 548 OLG Harnm NStZ 1982, 352 (unter Hinweis auf § 305) und NStZ 1983, 575 (Nr. 31), bestätigt durch BVerfG NStZ 1985,91; OLG Stuttgart NStZ 1985, 524; CallieslMüller-Dietz § 120 Tz. 2; SchwindlBöhmlSchuler § 115 Tz. 9; anders (ohne nähere Begründung) KG NStZ 1983, 44 (der Richter der StVK sei kein erkennender); im Anschluß hieran ebenso OLG Nümberg NStE Nr. 2 zu § 28 StPO. 545
546
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1. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision 3. Das Wiederaufnahmeverfahren
Nach diesseitiger Auffassung ist die Geltung des § 305 für das Wiederaufnahmeverfahren nicht zu diskutieren, weil mit dem gegen die Endentscheidung statthaften Rechtsmittel die Einhaltung des Verfahrensrechts durch die Vorinstanz nicht zu kontrollieren ist. Die h.M. sieht es anders: § 305 wird im Wiederaufnahmeverfahren angewandt, und zwar wiederum wegen der Ähnlichkeit dieses Verfahrens mit dem Erkenntnisverfahren. 549 Damit geht häufig die Auffassung einher, das Beschwerdegericht dürfe wegen Verfahrensfehlers der Vorinstanz zurückverweisen,550. 551 was nach Abschaffung der Verfahrensberufung alten Rechts und damit nach Wegfall der oft analog herangezogenen Vorschrift des § 322 11 a.F. nicht mehr haltbar ist. Das Beschwerdegericht muß immer in der Sache selbst entscheiden und darf nicht zurückverweisen. 552 Demzufolge werden Vorentscheidungen durch die Beschwerdeinstanz nicht (mehr) überprüft, und es besteht kein Grund, sie aus der in § 304 angeordneten generellen Anfechtbarkeit auszunehmen. Peters differenziert zwischen Probations- und Additionsverfahren. 553 Im letzteren soll § 304 uneingeschränkt gelten, demzufolge nicht § 305 und die korrespondierende Vorschrift des § 28 II 2: Wird ein erkennender Richter erfolglos abgelehnt, ist nach Peters die sofortige Beschwerde gemäß § 28 II 1 (nicht nach § 372) statthaft. Anders im Probationsverfahren: Zwar billigt Peters nicht die h.M., die § 305 für anwendbar erklärt und die dem Beschluß vorausgegangene Vorentscheidungen nur zusammen mit dem endgültigen Spruch anfechten lassen will, indessen hält er alle Beschlüsse im Rahmen der Beweisaufnahme im Begründetheitsverfahren für nicht selbständig anfechtbar. Das hänge damit zusammen, daß sich diese Beschlüsse erst in der Endentscheidung im Begründetheitsverfahren auswirkten und nur von hier aus verständlich seien. Sie entbehrten der Selbständigkeit, und um die Beschwerdefähigkeit auszuschließen, bedürfe es nicht einmal des Rückgriffs auf § 305. Selbständige Beschlüsse könnten hingegen sowohl im Zulassungs- als auch im Begründetheitsverfahren angefochten werden.
So zuletzt noch OLG Koblenz NStE Nr. 3 zu § 28 StPO. LR-Gössel § 372 Tz. 7 und 19; AK StPO-Loos § 372 Tz. 7; das Problem der Zurückverweisung ist noch ungelöst, vgl. Nelles GA 1983,47 (48). 551 Eine ähnliche Abweichung des Wiederaufnahmerechts vom allgemeinen Beschwerderecht soll nach h. M. für die Frage der Zulassung neuen Vorbringens in der Beschwerdeinstanz gelten. Die überwiegende Ansicht läßt neues Vorbringen nicht zu: OLG Braunschweig v. 10. 2. 1966 OLGSt § 372, S. 3; KG v. 6. 6. 1966 OLGSt § 372, S. 9; OLG Hamm v. 21. 11. 1966 OLGSt § 372, S. 11; OLG Stuttgart v. 18. 12. 1968 OLGSt § 372, S. 15; weitere Nachweise bei Peters, Fehlerquellen, S. 152. Gegen diese Auffassung mit Recht Peters. Fehlerquellen, S. 151 ff.; neues Vorbringen ist im Beschwerdeverfahren zulässig (und nicht, wie OLG Braunschweig, OLGSt § 372 S. 4, meint, allgemein unzulässig); vgl. Ellersiek. S. 194; das Wiederaufnahmerecht enthält keine Sondervorschriften (Peters. Fehlerquellen, S. 152: Die Versagung, Neues vorzubringen, führt zu einem "unwürdigen Treppauf-treppabSpiel"). 552 Zur sofortigen Beschwerde im Wiederaufnahmeverfahren de lege ferenda vgl. Dippel, S. 127 ff. 553 Peters, Fehlerquellen, S. 142 im Anschluß an LR 22-Kohlhaas § 372 Anm. la. 549
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XI. Der Rechtsgedanke des § 305 S. 1
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Für eine solche Differenzierung besteht indessen kein Bedarf. Auch im Wiederaufnahmeverfahren muß - schon weil die Endentscheidungen nicht das Verfahren der Vorinstanz überprüfen - § 304 uneingeschränkt gelten (unter Ausschluß des § 305). Die von Peters vorgenommene Einteilung in selbständige und unselbständige Beschlüsse ist kaum prognostizierbar. Im übrigen wirken sich die mit der Beweisaufnahme zusammenhängenden Beschlüsse nicht erst bei der Endentscheidung, sondern schon mit ihrem Erlaß aus, weil sie den Verfahrensbeteiligten das Beweismittel abschneiden. Daß sie darüber hinaus, wenn die Ablehnung zu Unrecht geschieht, auch die Fehlerhaftigkeit der Endentscheidung bewirken, heißt nicht, daß sie sich erst in dieser realisieren. Die Versagung selbständiger Anfechtbarkeit würde bedeuten, daß fehlerhafte Nichtverwertung eines Beweismittels nicht sanktioniert würde, denn die Endentscheidung wäre nur durch eine anderslautende Sachentscheidung des Beschwerdegerichts zu korrigieren - nicht durch Zurückverweisung. Dies führt letztlich zu der Konsequenz, daß hier die Verletzung des Verfahrensrechts durch den judex a quo folgenlos bliebe.
Zweiter Teil
Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung I. Regelungslücke im Rahmen der Berufungsvorschriften
Eine dem § 336 entsprechende Bestimmung findet sich für das Berufungsverfahren nicht. 1 Die Entwürfe I bis 1lI geben zu dieser Frage nichts her, denn sie erstreben die Beseitigung der Berufung schlechthin, und erst die Reichstagskommission entscheidet sich in zweiter Lesung für die Beibehaltung dieses Rechtsmittels (in schöffengerichtlichen Strafsachen). 2 In den Beratungen wird - bei der Lesung der Revisionsvorschriften - das Problem der Einfügung einer dem § 336 entsprechenden Bestimmung in das Berufungsverfahren erörtert, 3 indessen später nicht mehr aufgenommen. Auch ist nicht zu erkennen, ob der Rechtsgedanke, Vorentscheidungen dem Urteilsrechtsmittel zu unterwerfen, aus dem Zivil- oder Strafprozeßrecht stammt. Welche der beiden Prozeßordnungen für sich in Anspruch nehmen kann, als erste die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts expressis verbis auf Vorentscheidungen erstreckt zu haben, kann nicht sicher ausgemacht werden. So wird bei den Beratungen des § 512 ZPO auf die entsprechende (Revisions-)Bestimmung des Entwurfs I zur StPO verwiesen,4 andererseits bei denen der StPO zu § 336 auf die korrespondierende Vorschrift des § 548 ZPO. 5 Die Beratungen waren sowohl zeitlich als auch durch Identität der Kommissionsmitglieder verzahnt, so daß letztlich offen ist, welche Bestimmung wofür Vorbild war. Auch die bei den Beratungen 1 Darauf weist zu Recht BayObLG NJW 1957, 599 hin und leitet daraus ab, daß "das Urteil und nur das Urteil" angefochten ist, wenn innerhalb der Berufungsrechtfertigungsfrist ,,keine weitere Anfechtung erfolgt". Die Entscheidung ist unter der Geltung des § 328 11 a.F. ergangen. Für entsprechende Anwendung des § 336 im Berufungsverfahren (unter Geltung des § 328 11 a.F., d. h. vor Abschaffung der Zurückverweisungsmöglichkeit) Hilger NStZ 1983,428. Richtig führt er aus, daß Verfahrensverstöße, die im Revisionsverfahren nicht zur Urteilsautbebung führen, dies auch im Berufungsverfahren nicht bewirken können. 2 Vgl. LR-Gollwitzer Vorbem. vor § 312 vor Tz. 1; Übersicht bei v. Schwarze GS 38 (1886), S. 31. 3 Hahn rn/I, S. 1030: Hauck und v. Schwarze machen darauf aufmerksam, daß die dem § 336 entsprechende Vorschrift auch in das Berufungsverfahren aufzunehmen ist. Dieser Gedanke ist allerdings später nicht weiter verfolgt worden; vgl. v. Schwarze, Komm., zu § 375 S. 523 Anm. 2. 4 Hahn 11/1, S. 708 (v. Schwarze). 5 Hahn rn/I, S. 1029f. (ebenfalls v. Schwarze).
11. Die Bedeutung des § 512 ZPO für den Zivilprozeß
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aller drei Vorschriften ausgetauschten Argumente unterscheiden sich insofern nicht, als in beiden Prozeßordnungen die ausdrückliche Unterwerfung der Vorentscheidungen unter die Kontrolle des Rechtsmittelgerichts im Grunde als überflüssig angesehen und lediglich um der KlarsteIlung willen aufgenommen wird. 6 Daß dies im Zivilprozeß für die Revision (§ 548 ZPO) und Berufung (§ 512 ZPO) geschehen ist, im Strafprozeß nur für die Revision (§ 336), dürfte als Redaktionsversehen zu erklären sein, dadurch bedingt, daß erst die Reichstagskornmission die Berufung in die StPO aufnahm. 7 11. Die Bedeutung des § 512 ZPO für den Zivilprozeß Nach § 512 ZPO unterliegen der Beurteilung des Berufungsgerichts auch Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar sind. § 512 ZPO entspricht § 548 ZPO, hat aber im Unterschied zu dieser Bestimmung diese zwei Alternativen beibehalten, die ursprünglich auch § 548 ZPO vorsah: den Rechtsmittelausschluß bei unanfechtbaren und mit Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen. 8 Der Überprüfung mit dem Urteil sind ferner die "vorausgegangenen Entscheidungen" entzogen, die hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteile anzusehen und deshalb gesondert anfechtbar sind. Die eigene Rechtsmittelfahigkeit dieser Urteile führt dazu, sie nicht als Vorentscheidungen eines Endurteils einzustufen. 9 Für die Revision hat das RG dies ausdrücklich ausgesprochen. 1O Bei der Berufung gilt nichts anderes. Gesondert rechtsmittelfähig sind nur Entscheidungen, denen das positive Recht diese Eigenschaft zuspricht, im Zivilprozeß demnach die Zwischenurteile, die im Gegensatz zu denen des § 303 ZPO rechtskraftfähig sind, Urteile über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 n ZPO) und über den Grund eines Anspruchs (§ 304 11 ZPO). Andere Zwischenentscheidungen sind nicht gesondert rechtsmittelfähig, fallen unter die allgemeine Vorschrift des § 303 ZPO, gehen dem Endurteil voraus und sind ausschließlich zusammen mit diesem überprüfbar. 1I
Die Rechtsmittelfähigkeit im Zivilprozeß variiert, wie § 61 V ArbGG zeigt, der wiederum eine Ausnahme von der Ausnahmevorschrift des § 304 ZPO darstellt. Während im Zivilprozeß das Grundurteil gesonderter Anfechtung offensteht 6 Hahn 11/1, S. 708; v. Schwarze hält § 512 ZPO für überflüssig. Die 2. Instanz sei, soweit die "gravamina" reichten, Herrin der Sache. 7 Vgl. o. 1. Teil I. 1. 8 Vgl. o. 1. Teil I. 1. 9 Zöller/Gummer § 512 Tz. 1 u. 2; Stein/ Jonas/Grunsky (21. Aufl.) § 512 Tz. 5. 10 RGZ 16, 352 (353). 11 AK ZPO-Ankermann § 512 Tz. 1 ff.; Zöller/Gummer § 512 Tz. 1. Mit dem Urteil zusammen sind z. B. überprüfbar der Beweisbeschluß, Verbindungs- und Trennungsbeschlüsse, das Zwischenurteil nach § 303 (Zöller/Vollkommer § 303 Tz. 11; 1iedtke ZZP 89 (1976), S.74).
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
(§ 304 11 ZPO), ist es im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur zusammen mit dem Endurteil überprüfbar. Ein Rechtsmittel gegen das Grundurteil ist hier unzulässig; dieses ist Vorentscheidung i.S. von § 512 ZPO für das Endurteil. 12
Wenn im Zivilprozeß unanfechtbare Entscheidungen der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht nicht zugänglich sind, ist dies auf Rechtskrafterwägungen zurückzuführen. 13 Was unanfechtbar ist, kann nicht durch ein Rechtsmittel korrigiert werden. 14 Soweit die mit der Beschwerde angreifbaren Entscheidungen der Überprüfung zusammen mit dem Urteil entzogen sind, ist dies, wie schon erörtert, die Konsequenz des Alternativitätsgrundsatzes. Eine Entscheidung soll nur dem Angriff eines Rechtsmittels ausgesetzt sein, nicht auf zwei Wegen angefochten werden können. 15 Für die der Beschwerde unterworfenen Entscheidungen bleibt es demnach bei diesem Rechtsmittel, so daß etwa die erfolglose Ablehnung eines Sachverständigen zwar beschwerde-, nicht jedoch berufungsfähig ist.
IH. Strukturelle Unterschiede 1. Die Alternativitätsmaxime
Im Gegensatz zum Zivil- sieht der Strafprozeß Beschwerde und Revision nicht formal, grenzt sie strukturell ab. 16 Der Strafprozeß folgt der "Ganz-und-AllesMaxime", die in § 305 i.V. mit § 336 zum Ausdruck gelangt. In der Eröffnung liegt die Zäsur zwischen Beschwerde und Revision. Mit diesem Zeitpunkt wird das Gericht zum "erkennenden", und von nun an sind seine Entscheidungen während des laufenden Verfahrens von Einwirkungen der höheren Instanz nach Maßgabe des § 305 freizuhalten. Das erkennende Gericht beurteilt "alles" mit der Folge, daß auch nicht Teile des Verfahrens in Gestalt von Zwischenentscheidungen seiner Kontrolle entzogen sind - sofern das Gesetz nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet. Erst nach Abschluß der Instanz unterfällt das Erkenntnisverfahren der 12 SteinlJonaslGrunsky (21. Aufl.) § 512 Tz. 11; Grunsky ArbGG § 61 Tz. 17; GermelmannlMattheslPrütting § 61 Tz. 41; BAG NJW 1976,774. - Die Bedeutung des Grundurteils im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist gering und liegt vor allem darin, daß die Instanz selbst an ihre Zwischenentscheidung gebunden ist, der Prozeßstoff gewissermaßen "geordnet" wird. 13 Vgl. Entwurf I ZPO zu § 430 am Ende (S. 361): "Der Ausschluß jeder Anfechtung für gewisse Entscheidungen gilt selbstverständlich auch für die Berufung." 14 Beispiel BGHZ 46, 112 (116): Die Verlustigkeitserklärung nach § 515 III 2 ZPO (d. h. die Entscheidung darüber, daß der Berufungskläger nach Zurücknahme der Berufung das Rechtsmittel verloren hat), auch wenn sie durch Urteil statt durch Beschluß erfolgt, ist unanfechtbare Vorentscheidung i. S. von § 548 ZPO. 15 So schon Entwurf I ZPO zu § 480 (S. 385): "Die Zulassung der Anfechtung einer Entscheidung durch Beschwerde gestattet zugleich den Ausschluß der Einwirkung jedes anderen Rechtsmittels ... ". 16 Vgl. o. 1. Teil I., 11.
III. Strukturelle Unterschiede
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Beurteilung des Rechtsmittelgerichts und das wiederum nach der gleichen Maxime; wie die erste Instanz überprüft das Rechtsmittelgericht alles und alles vollständig. 17 Zwischenentscheidungen sind dem Strafprozeß - jedenfalls nach seiner ursprünglichen Konzeption - im Grundsatz fremd. 2. Die Sprungrevision des § 335 I und die Wahlrevision des § 55 n 1 JGG
§ 335 I enthält eine entscheidende Divergenz zum Zivilprozeß: Jedes Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann stattdessen mit der Revision angefochten werden. Die Vorschrift macht jedes berufungsfähige Urteil zugleich revisibel; dies wiederum bedeutet, daß sich wegen § 336 S. 1 (Vorentscheidungen unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts) die Frage der Abgrenzung zwischen Beschwerde und Revision in jedem Fall stellt und nicht etwa durch eine Grenzziehung zwischen, Beschwerde und Berufung ersetzt werden kann. Im Zivilprozeß ist dies anders. Gegen Entscheidungen des Amtsrichters ist (bei Streitwerterreichung) ausschließlich Berufung, nicht Revision zulässig; gegen Entscheidungen des Landgerichts ist - von § 566 a ZPO abgesehen - ebenfalls nur Berufung eröffnet. Diesen Grundsatz durchbricht auch nicht die Sprungrevision des § 566 a ZPO. Sie enthält nichts dem § 335 I Vergleichbares. Zwar kann nach § 566 a ZPO gegen das erstinstanzliche Urteil des LG (mit Zustimmung des Gegners) Revision eingelegt, jedoch nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. § 566 a ZPO dient einem anderen Zweck als § 335 I. Die Sprungrevision des Strafprozesses hat (auch) Disziplinierungsfunktion, 18 sie soll die Einhaltung der Verfahrensregeln durch das Amtsgericht sichern. 19 Demgegenüber bezweckt § 566 a ZPO - unter Ausschluß der Verfahrensrüge - die Klärung "von den Parteien klar erkannter Rechtsfragen" des materiellen Rechts. 2o Es bleibt dabei: In der ZPO verlaufen die Rechtsmittel alternativ und sind leicht voneinander abzuscheiden. Das gilt nicht nur für die Abgrenzung von Berufung und Revision, sondern gleichennaßen für die bei der Rechtsmittel zur Beschwerde: Beschwerdefahigkeit im Zivilprozeß schließt Berufung und Revision aus?1 Das war die ursprüngliche Konzeption der ZPO. Seit der Novelle von 1910, die Entscheidungen der OLGe der Beschwerde entzog, so daß diese nunmehr "unanfechtbar" geworden waren, stellt sich im Zivilprozeß ohnehin nicht mehr die Frage nach der Abgrenzung von Revision und Beschwerde. Das Problem ist allenfalls noch von historischem Interesse für die Darlegung des Bedeutungswandels des Begriffs der "unanfechtbaren Entscheidungen", worauf oben bereits eingegangen wurde?2 17 Dabei bedeutet "alles" im Berufungsverfahren "die Sache". 18 LR-Hanack § 335 Tz. 1. 19 Vgl. Meyer-Goßner NJW 1987, 1165: Die Sprungrevision auf die Sachrüge bzw. auf die Rüge des Verstoßes gegen § 358 zu beschränken, hätte zur Folge gehabt, daß sich die Amtsrichter nicht mehr an die Verfahrensvorschriften hätten zu halten brauchen. 20 Stein/Jonas/Grunsky (20. Auf!.) § 566 a Tz. I (etwas modifiziert in der 21. Auf!. daselbst). 21 V gl. o. 1. TeilI. 1. 22 Vgl. o. 1. Teil V. 3. d).
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
Für den Strafprozeß wiederum gilt: Ist nach § 335 I jedes berufungsfähige Urteil revisibel und schränkt die Revisibilität die Beschwerdefähigkeit ein (§§ 305, 336), so betrifft dies alle Verfahren, auch die vor dem Amtsgericht (Einzelrichter und Schöffengericht), obwohl diese berufungsfähig sind; die Berufungsfähigkeit ändert nichts an der (revisibilitätsbedingten) eingeschränkten Statthaftigkeit der Beschwerde. Das gleiche gilt im Jugendgerichtsverfahren wegen möglicher Wahlrevision gemäß § 55 II 1 JGG. 23 Diese unterscheidet sich von der Sprungrevision dadurch, daß der Rechtsmittelführer mit der Wahl der Berufung die Revisionsmöglichkeit gegen das Berufungsurteil verliert. 24 Ex ante ist im Verfahren der ersten Instanz die Beschwerdefähigkeit aller Entscheidungen des erkennenden Gerichts durch §§ 305, 336 eingeschränkt; das liegt daran, daß das am Ende der ersten Instanz stehende Urteil potentiell der Revision zugänglich ist, weil während des Verfahrens des judex a quo nicht ersichtlich ist, welche Wahl (Berufung oder Revision) der spätere Rechtsmitte1führer am Ende treffen wird. In der zweiten Instanz ist dies anders, falls sich der Rechtsmittelführer für die Berufung entscheidet. Im Berufungsverfahren vor dem Jugendgericht sind alle Abgrenzungsfragen zwischen § 304 einerseits und §§ 305, 336 gegenstandslos, weil hier schon feststeht, daß das Urteil der Revision nicht unterliegen wird (§ 55 11 1,2 JGG). Infolgedessen kann es auch nicht zu Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision kommen. Das hat zur Folge, daß gegen Entscheidungen des erkennenden Jugendgerichts in der Berufungsinstanz § 304 den Beschwerdeweg ausnahmslos eröffnet, weil die Einschränkung in Gestalt von §§ 305, 336 nicht greift. 25 Zu erörtern ist, ob die durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz 1993 eingeführte Annahmeberufung das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision ändert. Eingangs ist gesagt, daß sich die Abgrenzungsfrage zwischen Beschwerde und Revision in jedem Fall stellt und nicht etwa durch eine Grenzziehung zwischen Beschwerde und Berufung ersetzt wird. Die für Bagatellstrafsachen durch § 313 I für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Annahmeentscheidung des Berufungsgerichts könnte auch die Statthaftigkeit der Sprungrevision einschränken, etwa dahingehend, daß auch diese von einer eigens ausgesprochenen Annahme des Rechtsmittels abhängig sein könnte. Das Verhältnis zwischen Annahmeberufung und Sprungrevision ist noch nicht geklärt?6 Setzt die Sprungrevision in den dem § 313 unterliegenden Bagatellstraf23 Für die Wahlrevision des § 441 III 2 gilt das gleiche. - Zur Frage der Ausübung der Wahl und der richtigen Bezeichnung des Rechtsmittels vgl. Amelunxen, Berufung, S. 49 ff. 24 Eisenberg § 55 Tz. 57; Brunner/Dölling § 55 Tz. 15; Ostendorf§ 55 Tz. 32. 25 Das hat der Beschluß des OLG Hamm vom 30. 1. 1986 (NStE Nr. 1 zu § 305 StPO) treffend herausgearbeitet. 26 Dazu grundSätzlich Tolksdorf, Salger-Fschr., S. 393, insbes. zum Verhältnis zur Sprungrevision (S. 40Zf.), und Feuerhelm StV 1997, 99ff.; Hartwig NStZ 1997,111; Meyer-Goßner NStZ 1998, 19 ff.
III. Strukturelle Unterschiede
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sachen eine zunächst eingelegte Berufung und deren ausdrückliche Annahme voraus, so hängt die Statthaftigkeit der Revision von der durch das Berufungsgericht (oder das Revisionsgericht) auszusprechenden Annahmeentscheidung ab. 27 Wird sie versagt, ist die Revision nach dieser Ansicht nicht statthaft. So betrachtet, kann es Verfahren geben, in denen - mangels positiver Annahmeentscheidung - die Vorentscheidungen durch das Revisionsgericht nicht überprüft werden. Indessen entkräftet dies nicht die ratio des § 305 S. 1. Es kommt nämlich nicht auf die Betrachtung ex post, sondern auf die Sicht ex ante an. Während des Verfahrens erster Instanz ist es immerhin denkbar, daß das Urteil revisibel sein wird. Das genügt für die Anwendung der in §§ 305, 336 niedergelegten Grundsätze. Fraglich ist, ob durch die Berufung zusätzliche Begrenzungen des Beschwerderechts geschaffen werden, etwa dadurch, daß die Beschwerde gegen schon vor der Eröffnung des Hauptverfahrens ergangene Entscheidungen ausgeschlossen ist. Positiv-rechtlich wäre eine solche Regelung möglich, das Gesetz muß nicht systemimmanent die Zäsur zwischen Beschwerde und Berufung genau dort anlegen, wo die Grenzziehung zwischen Beschwerde und Revision verläuft, bei der Eröffnung. Denkbar wäre durchaus eine Lösung, die Entscheidungen aus dem Vorverfahren nicht der Beschwerde, sondern ausschließlich der Berufung zuweist. Für einen solchen Weg hat sich das Gesetz aber nicht entschieden, und mangels ausdrücklicher Bestimmung bringen die Berufungsregeln keine anderen Einschränkungen des Beschwerderechts, als sie schon durch die Abgrenzung der Beschwerde zur Revision hin vorgezeichnet sind. Genauer betrachtet folgt die Abgrenzung von Berufung und Beschwerde aus den Reflexwirkungen der Abschichtung von Beschwerde und Revision. Weil gegen jedes berufungsfahige Urteil zugleich potentiell die Revision statthaft ist, muß die Beschwerde die durch §§ 305, 336 angeordneten Einschränkungen hinnehmen, so daß es zusätzlicher Grenzziehung nicht bedarf. 3. Die revisionsähnliche Funktion der Berufung im Strafprozeß
Die Berufung im Strafprozeß weist gewisse revisions verwandte Züge auf. Zumindest war dies unter der Geltung des § 328 11 a.F. der Fall, einer Bestimmung, die in der Diskussion über Reformbestrebungen häufig in einem Atemzug mit § 335, einer Revisionsvorschrift, genannt wird?8 In der Tat verfolgen beide, zu27 Die Frage ist im einzelnen streitig. Zu den drei Möglichkeiten, die in Betracht kommen, vgl. Tolksdorf, Salger-Fschr., S. 402: Erste Möglichkeit: Es muß zunächst Berufung eingelegt werden; nur wenn diese vorn Berufungsgericht angenommen wird, ist sie zulässig. Zweite Möglichkeit: Es kann sogleich Sprungrevision eingelegt werden. Das Revisionsgericht überprüft, ob die Voraussetzungen der Annahme vorliegen würden. Dritte Möglichkeit: Es kann sogleich Revision eingelegt werden. Das Revisionsgericht beschränkt sich auf eine Überprüfung des Urteils nach den Regeln des Revisionsrechts. Weitere Nachweise bei OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996, 174 (das die Frage dahinstehen läßt, weil im konkreten Fall der Übergang von der Berufung zur Revision nicht wirksam erklärt worden war). Zum Problem vgl. Hartwig NStZ 1997, 111; Meyer-Goßner NStZ 1998, 19 ff. (mit weiteren Nachweisen).
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
mindest partiell, das gleiche Ziel: 29 die Disziplinierung der Instanz auf die Beachtung des Verfahrensrechts hin. 3o Revisible Verfahrensverstöße des Amtsgerichts konnten in der Berufungsinstanz zur Zurückverweisung führen. Die gleiche Konsequenz droht, wenn der Rechtsmittelführer die Sprungrevision wählt. Diese und die nach früherem Recht bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit des Berufungsgerichts stehen unter der gleichen ratio. Die Sanktion von Verfahrensfehlem setzt Kompetenz zur Kontrolle des Verfahrens voraus. Zum Verfahren gehören die Vorentscheidungen. Verfahrensüberprüfung ohne Überprüfung der Vorentscheidungen ist undenkbar?l Aus dem revisionsähnlichen Charakter der Berufung (soweit das Verfahrensrecht betroffen war) folgte unter Geltung des § 328 11 a.F. die Befugnis des Berufungsgerichts, Vorentscheidungen zu überprüfen, auch wenn eine dem § 336 entsprechende Vorschrift für das Berufungsverfahren fehlte. 32 § 336 S. 1 spricht in der Tat etwas Selbstverständliches aus. Die Vorentscheidungen unterlagen der Überprüfungskompetenz des Berufungsgerichts, solange dieses wegen Verfahrensmangels zurückverweisen durfte (§ 328 11 a.F.).
IV. Die Bedeutung des § 336 für das Berufungsverfahren unter Geltung des § 328 11 a.F. 1. Allgemeines
Die Nachprütbarkeit der Vorentscheidungen durch das Berufungsgericht ergab sich aus dem Grundsatz der Verfahrensüberprüfung,33 und dieser wiederum folgte aus der Zurückverweisungsmöglichkeit des § 328 11 a.F. 34 28 So vom Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung strafverfahrensrechtlicher Vorschriften (Strafverfahrensänderungsgesetz 1983) - StVÄG 1983 - Stand 30. 9. 1982 (unveröff.), S. 124 ff; dazu Brüssow AnwBI. 1983, S. 21 ff. und die vorläufige Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des Kölner AnwV vom 30. 10. 1982, StV 1983,45; ferner Werfe ZRP 1983, 198 und ZRP 1985, 1, die alle zu Recht den Verlust der Sanktionsmöglichkeit von Fehlern des amtsgerichtlichen Verfahrens beklagen. 29 Die Affinität beider Bestimmungen zeigt sich insbesondere daran, daß nach den ursprünglichen Reformbestrebungen mit der Zurückverweisungsmöglichkeit des § 328 II a.F. zugleich die Sprungrevision abgeschafft werden sollte. 30 LR-Hanack § 335 Tz. 1; Werfe ZRP 1983,199. 31 Vgl. O. 1. Teil IX. 10. 32 Daran zeigt sich die Richtigkeit der These Hanacks, daß § 336 S. 1 im Grunde überflüssig ist (LR-Hanack § 336 Tz. 1). 33 Es ist der gleiche Gedankengang, der LR-Hanack (§ 336 Tz. 1) zu der Bemerkung veranlaßt, § 336 S. 1 sei im Grunde überflüssig: Andernfalls würde § 337 die Überprüfung von Verfahrensfehlern nicht umfassen, sondern der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wäre auf die Verletzung sachlichen Rechts beschränkt, was aber dem Gesetz nicht entspricht. Ohne Überprüfung der Vorentscheidungen wäre Überprüfung des Verfahrens nicht möglich. Unrichtig daher BayObLG 1956,248 (250): Für eine Überprüfung des Verfahrens der ersten
IV. Die Bedeutung des § 336 unter Geltung des § 328 H a.F.
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Das Berufungsgericht kontrollierte das Verfahren der Vorinstanz im gleichen Umfang, wie es heute nur noch die Revision tut. Die Zurückverweisung lag - jedenfalls nach landläufiger Formulierung - im ,,Ermessen" des Berufungsgerichts. 35 Indessen schloß selbst die Einräumung eines Ermessens in § 328 11 a.F. die Verfahrensüberprüfung nicht aus, wie das BayObLG meinte,36 sondern setzte sie voraus. Ohne sie konnte von der Zurückverweisungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht werden. Daß der Verfahrensfehler innerhalb der Berufungsrechtfertigungsfrist (§ 317) zu rügen war, wurde grundsätzlich verneint,37 für § 28 indessen bejaht. 38
Unter Geltung des § 328 11 a.F. hatte das Berufungsverfahren dementsprechend eine doppelte Funktion. Einerseits führte es zur Erneuerung der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges, andererseits - und diese Funktion stand gleichberechtigt neben der erstgenannten - zur Überprüfung des Verfahrens der Vorinstanz. Diese Doppelgleisigkeit wurde mitunter verkannt, so etwa durch die erwähnte Entscheidung des BayObLG. 39
Instanz bestehe "in der Regel keine Notwendigkeit"; das Gegenteil ist richtig, denn ohne Verfahrensüberprüfung ist eine Zurückverweisung nicht möglich. 34 Zur Zurückverweisung Amelunxen, Berufung, S. 99. 35 Fezer H, S. 232; Molketin NStZ 1987, 476 (Zurückverweisung wegen unterlassener PfIichtverteidigerbeiordnung); Amelunxen, Berufung, S. 98; Gössel, S. 271; BayObLG 1956, 248 (250) meint zu Unrecht, die Berufung ergreife nur das Urteil und im Zweifel nicht die Vorentscheidungen, weil das Berufungsverfahren grundsätzlich zur Erneuerung der Hauptverhandlung führe. Letzteres ist richtig, rechtfertigt aber nicht die genannte Schlußfolgerung. Die Zurückverweisung setzt Überprüfung des Verfahrens voraus, und dies impliziert die Überprüfung der Vorentscheidungen. Das sind dieselben Gründe, die § 336 (für das Revisionsverfahren) als überflüssig erscheinen lassen. Das Ermessen war - entgegen Feisenberger § 328 Anm. I - keinesfalls "frei", sondern revisionsrechtlich überprüfbar. Vgl. die - vor allem angesichts des damaligen Standes der Ermessenslehre - bemerkenswerten Ausführungen von Eb. Schmidt § 328 Tz. 14. In Wahrheit handelt es sich nicht um Ermessen, denn dem Berufungsgericht war eine Wahlmöglichkeit nicht eingeräumt; vgl. Warda, S. 87 (88). 36 BayObLG 1956,248 (250). 37 LR 23 - Gollwitzer § 328 Tz. 20; Eb. Schmidt § 328 Tz. 13. 38 BayObLG 1956, 248 (250). In dieser Allgemeinheit ist dies wohl kaum haltbar, denn § 328 H setzte eben keine Verfahrensrüge voraus. Vertretbar ist die Auffassung für den besonderen Fall des § 28, sofern das Rechtsmittel als Beschwerde angesehen wird. Dann folgt aber die Rügefrist nicht aus § 317, sondern aus § 311 II, da es sich der Sache nach um eine sofortige Beschwerde handelt. 39 BayObLG 1956, 248 (250); nach dieser Entscheidung kann die Anfechtung nicht auf die Vorentscheidungen erstreckt werden, weil das Berufungsverfahren "grundsätzlich" zu einer Erneuerung der Hauptverhandlung führt. Daraus wird das Rüge- und Begründungserfordernis für die Verfahrensrüge hergeleitet. Ohne fristgerechte Rüge sei nur das Urteil angefochten. Ebenso Schom GA 1963, 185 (Anfechtung beziehe sich nicht auf die Vorentscheidungen).
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
2. § 336 S. 2 in der Berufungsinstanz
Glaubt man der amtlichen Begründung zur Einführung dieser Bestimmung,40 verleiht § 336 S. 2 lediglich einem ohnehin feststehenden Grundsatz gesetzliche Gestalt. Sofern unanfechtbare und mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidungen der Kontrolle des Rechtsmittelgerichts (auch ohne positivrechtliche Anordnung des Gesetzgebers) unzugänglich sind, könnte dies ja auch für die Berufungsinstanz gelten. a) Die unanfechtbaren Entscheidungen
Wie oben gezeigt,41 läuft § 336 S. 2 (1. Alt.) leer. Ist die Entscheidung unanfechtbar, wird sie formell rechtskräftig und damit jedem Rechtsmittel, auch der Berufung, unzugänglich. Dabei folgt die Unanfechtbarkeit nicht aus § 336 S. 2 (1. Alt.), sondern aus der jeweiligen Bestimmung, die Unanfechtbarkeit anordnet. § 336 S. 2 hat insoweit nur deklaratorischen Charakter. 42 So ist die gewährende Wiedereinsetzung jeder Anfechtung entzogen, gleichgültig, ob sie durch den judex a quo oder den judex ad quem ausgesprochen wird. Dies ergibt sich aus § 46 11. Diese Bestimmung "entzieht die dem Antrag stattgebende Entscheidung der Anfechtung und verleiht ihr damit Rechtskraft".43 Entsprechendes gilt für die stattgebende Richterablehnung (§ 28 1).44
BT-Drucks. 8/976, S. 59f. 41 Vgl. O. I. Teil V. 42 Das wird z.T. anders gesehen. Vgl. LR-Hilger, Nachtrag, § 336 Tz. 5: Hilger hält grundsätzlich eine Korrektur der wertenden Entscheidung nach §§ 395 m, 396 11 2 in der Berufungsinstanz für ,,nicht ausgeschlossen", weil eine dem § 336 S. 2 entsprechende Vorschrift für das Berufungsverfahren fehle. Dagegen spricht zweierlei: Erstens verwies § 328 11 a.F. auch auf § 336 S. 2 (dazu unten im Text). Zweitens folgt die Unanfechtbarkeit eben nicht aus § 336 S. 1 (I. Alt.), sondern aus § 396 11 2. Richtig ist die auch von Hilger gezogene Schlußfolgerung, daß wegen Aufhebung des § 328 11 a.F. das Berufungsgericht heute in der Sache erkennen muß, nicht zurückverweisen darf. 43 LR-Wendisch § 46 Tz. 17. 44 Sie ist unanfechtbar wie die gewährende Wiedereinsetzung. Die versagende Richterablehnung ist "nur zusammen mit dem Urteil" anfechtbar (§ 28 11 2), so daß Konkurrenz zwischen Beschwerde einerseits und Berufung / Revision andererseits nicht auftreten kann. Entscheidungen nach § 81 I wie die nach § 12411 sind nicht revisibel und waren schon deshalb der Verfahrensberufung entzogen. Entscheidungen nach § 138 d VI ergehen in einem Zw.ischenverfahren, das aus der Instanz herausgelöst ist und daher der Verfahrensberufung nicht unterlag. Die Einstellung nach § 206 a liegt auf der gleichen Linie wie die Verwerfung der Wiedereinsetzung nach § 46 m: Konkurrenz zwischen (sofortiger) Beschwerde und anderen Rechtsmitteln tritt nicht auf, weil es zu einem Urteil nicht kommt. Das gleiche gilt von der Eröffnungsablehnung. Wird vor einem Gericht niederer Ordnung eröffnet (§ 209 I), ist dieser Beschluß nicht revisibel, so daß Verfahrensberufung ebenfalls ausschied. 40
IV. Die Bedeutung des § 336 unter Geltung des § 328 II a.F.
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b) Mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidungen § 336 S. 2 (2. Alt.) ist, wie oben ausgeführt,45 ein Fremdkörper im Strafprozeß. Die Behauptung eines angeblich in dieser Vorschrift niedergelegten "Grundsatzes" beruht auf einem nur schwer entwirrbaren Geflecht aus Alternativitäts- und Rechtskrafterwägungen. Der Alternativitätsgrundsatz gilt im Verhältnis von Beschwerde und Berufung ebensowenig wie in dem von Beschwerde und Revision, denn der Strafprozeß grenzt die Rechtsmittel nicht formal, sondern strukturell ab. 46 Wenn demnach bestimmte Entscheidungen des erkennenden Gerichts der (sofortigen) Beschwerde unterworfen werden, so liegt der Systemfehler des Gesetzes darin, die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts überhaupt vorzusehen. Der Hintergrund derartiger Regelungen ist oben aufgezeigt:47 Die Eröffnung der Beschwerde dient (im Zusammenwirken mit der Einführung des § 336 S. 2) der Herauslösung von angeblich ausscheidbaren Verfahrensteilen aus der Revision und damit der Revisibilitätsbeschränkung.
§ 336 S. 2 (2. Alt.) statuiert demnach nicht einen ohnehin feststehenden Grundsatz, sondern bringt für den Strafprozeß eine Verfremdung, deren Anwendungsbereich zur Schadensbegrenzung sinnvollerweise auf die positivrechtliche Anordnung des Gesetzes, also auf den Revisionsbereich, zu beschränken ist. Nun hätte § 336 S. 2 (2. Alt.) über die 1. Alt. Bedeutung erlangen können, indem die sofortiger Beschwerde zugänglichen Entscheidungen gleichzeitig "unanfechtbar" waren, wenn die Beschwerdefrist verstrichen oder die Beschwerde negativ beschieden worden war. Zu diesem Ergebnis müßte die h.M. gelangen, weil sie den mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen zugleich Rechtskraftfähigkeit beilegt.48 Indessen mündet diese Argumentationsweise in den schon oben aufgezeigten Zirkelschluß: 49 Unanfechtbar ist die beschwerdefähige Entscheidung nur dann, wenn sie rechtskräftig ist. Rechtskraft bedeutet aber, daß sie keinem ordentlichen Rechtsmittel unterworfen ist, woraus wiederum folgt, daß sie auch der Berufung entzogen sein muß. Gerade dieses ist aber zu prüfen; die Entscheidung ist nur dann nicht berufungsfähig, wenn sie "unanfechtbar" ist, womit die Fragestellung wieder am Ausgangspunkt angelangt ist. Das Rechtskraftargument bietet also für die Berufung ebensowenig wie im Bereich der Revision eine Entscheidungshilfe. Es muß vielmehr vorab die Frage geklärt werden, ob nach der Entscheidung der Beschwerdeinstanz deren Ergebnis zusätzlich der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts (Berufungs- bzw. Revisionsgerichts) unterliegt. Wird die Frage verneint, ist die Vorentscheidung ,,rechtskräftig", wird sie bejaht, ist sie es nicht. Nach alledem galten für die "Verfahrensberufung" alten Rechts die Grundsätze, die § 336 S. 1 und 2 (1. Alt.) heute für die Revision positiv-rechtlich festschreibt. Vorentscheidungen waren mit Ausnahme der unanfechtbaren der Beurteilung des Berufungsgerichts unzugänglich. Dagegen wäre die Statthaftigkeit der sofortigen 45 Vgl. o. 1. Teil II., III. 46 Vgl. o. 1. Teil IV. 47 Vgl. o. 1. Teil III. 1. 48 Ellersiek, S. 73 ff. 49 Vgl. o. 1. Teil V. 1. 13 Weidemann
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
Beschwerde an sich kein Hindernis gewesen, die Vorentscheidung auch der Berufung zu unterwerfen. Das war jedenfalls der Rechtszustand bis zur Einführung des § 336 S. 2. Allerdings kommt die Auslegung für die Verfahrensberufung alten Rechts nicht an dem Wortlaut des § 328 11 a.F. vorbei, wonach der Mangel "die Revision ... begründen" mußte. Damit war einerseits auf § 337 und den (selbstverständlichen) Grundsatz des § 336 S. 1 verwiesen, zugleich aber auf § 336 S. 2, womit dieser kraft positiv-rechtlicher Verweisung auch im Berufungsverfahren Anwendung fand. Also waren die mit sofortiger Beschwerde angreifbaren Entscheidungen ebenfalls der Verfahrensberufung entzogen. 50 Dies galt etwa für die des § 231 a III 3, wonach gegen den Beschluß, der die Abwesenheitsverhandlung anordnet, sofortige Beschwerde zulässig iSt. 51 Damit wird Revision gemäß § 336 S. 2 (2. Alt.) ausgeschlossen, so daß - wegen der Formulierung des § 32811 a.F. - auch die Verfahrensberufung insoweit unzulässig war, weil der Rechtsfehler nicht zur Begründung der Revision führen konnte.
v. Die Bedeutung des § 336 für das Berufungsverfahren nach Aufhebung der Zurückverweisungsmöglichkeit des § 328 11 a.F. 52 1. AUgemeines
Die Vorentscheidungen unterlagen nur deshalb der Kontrolle des Berufungsgerichts, weil dieses die Möglichkeit hatte, Verfahrensfehler durch Zurückverweisung zu sanktionieren. Mit der Aufhebung des § 328 11 a.F. wurde dem Berufungsgericht diese Möglichkeit genommen und damit zugleich die Notwendigkeit und auch die Befugnis, das Verfahren der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen. 53 Damit wird die Verfahrensrüge in der Berufung schlechterdings "nutzlos".54 Ob 50 § 328 Il a.F. und § 336 S. 2 galten gleichzeitig in der Zeit zwischen Erlaß des StVÄG 1979 (das § 336 S. 2 einführte) und des StVÄG 1987 (das § 328 Il a.F. abschaffte). 51 Es handelt sich um einen Fall der "unechten" sofortigen Beschwerde, d. h. um eine solche, die ohne die betreffende Bestimmung (§ 231 a m 3) als einfache Beschwerde wegen § 305 S. 1 nicht statthaft wäre. Durch § 231 a m 3 ist § 305 S. 1 ausgeschlossen und die Grundregel des § 304 I wiederhergestellt. Diese Anordnung ist dazu bestimmt, die Revisibilität einzuschränken, indem angeblich abscheidbare Teile des Prozesses vorab gesondert entschieden werden. 52 Art. 1 Nr. 25 StVÄG 1987 hat den § 328 11 a.F. (der die Zurückverweisung wegen Verfahrensfehlers zuließ) aufgehoben. Der frühere Abs. 3 wurde nunmehr Abs. 2; vg1. Werny NJW 1988, 187. Im Gegensatz hierzu läßt das an die StPO angelehnte Verfahren der Berufsgerichtsbarkeit nach dem Heilberufsgesetz NRW vom 27. 4. 1994 - GVBI NW 1994, S. 204 - in § 102 die Zurückverweisung weiterhin zu. 53 V g1. o. Einführung Il. 1. 54 So richtig KleinknechtlMeyer-Goßner § 28 Tz. 9; zutreffend ebenfalls Krey I Tz. 321 und AK StPO-Dölling § 328 Tz. 8; unrichtig KK-Pfeiffer § 28 Tz. 5 und AK-Wassermann § 28 Tz. 6, die die Änderung bei § 328 nicht berücksichtigen (Entfallen der Zurückverwei-
V. Die Bedeutung des § 336 nach Aufhebung der Zuruckverweisungsmöglichkeit
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dem Angeklagten in der Vorinstanz das letzte Wort nicht erteilt, ob eine beantragte Richterablehnung zu Unrecht verworfen bzw. zurückgewiesen worden ist, ja sogar ob ein kraft Gesetzes ausgeschlossener oder begründet abgelehnter Richter am Verfahren mitgewirkt hat, alle Verfahrensfehler, selbst wenn sie absolute Revisionsgründe abgäben, sind für die Berufungsinstanz schlechterdings ohne Bedeutung,55 mit einer Ausnahme allerdings, auf die im folgenden einzugehen sein wird. 2. Fehlen von Sachentscheidungsvoraussetzungen
Beachtlich werden Verfahrensfehler der Vorinstanz für das Berufungsgericht dann, wenn das Amtsgericht in der Sache entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen für den Erlaß eines Sachurteils nicht vorlagen. Die Rechtsfolgen sind unterschiedlich, je nachdem welche Voraussetzung jeweils fehlt. 56 Fehlen Voraussetzungen, von denen die Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen abhängt, ist - abgesehen von dem durch § 328 II geregelten Sonderfa1l57 - das Versungsmöglichkeit). Zurückverweisung trotz fehlender gesetzlicher Grundlage halten auch heute noch für geboten KK-Ruß § 328 Tz. 7 und Meyer-Goßner NJW 1987, 1165; anders OLG Düsseldorf VRS 74, 368; vg!. im übrigen o. Einführung II 1. Infolge von § 305 S. 1 können beruhensgeeignete Verfahrens fehler weder durch Berufung noch durch Beschwerde korrigiert werden, sondern nur durch die (Sprung)revision. Wird diese nicht eingelegt oder geht der Rechtsmittelführer nicht zur Revision über, ist für die Anwendung des § 305 S. 1 retrospektiv betrachtet kein Raum, nur ist diese Rückschau nicht entscheidend für die Geltung des § 305 S. 1. Denn aus der prospektiven Sicht ist Revision (und damit die andernfalls drohende Doppelanfechtung) möglich. 55 Vg!. KleinknechtlMeyer-Goßner § 328 Tz. 4. Das hat praktische Konsequenzen insofern, als sich der Rechtsmittelführer entscheiden muß, ob er wegen des Verfahrensfehlers Revision oder lieber mit dem Ziel neuer Sachentscheidung Berufung einlegen will. Revision kann mißlich sein, wenn der Nachweis des Fehlers problematisch ist. Beispiel: Das Protokoll weist die Erteilung des letzten Worts aus, obwohl es in Wirklichkeit nicht erteilt worden ist. Berichtigung ist beantragt. Die Frist des § 345 I droht abzulaufen. In derartigen Fällen wird es der Rechtsmittelführer sicherheitshalber bei der Berufung belassen. Unter Geltung des § 328 II a.F. hatte er die Möglichkeit, die Sanktionierung des Verfahrensfehlers zu erreichen, ohne sich die Möglichkeit der Sachentscheidung zu versperren. Nach der Aufhebung des § 328 II a.F. muß er sich zwischen Verfahrensrüge (Revision) und der Möglichkeit neuer Sachentscheidung (Berufung) entscheiden; vg!. Amelunxen, Berufung, S. 49: Berufung ist gegenüber Revision meist vorzuziehen, denn das Berufungsurteil kann immer noch mit der Revision angefochten werden. 56 Bei Fehlen von Prozeßvoraussetzungen (Sachentscheidungsvoraussetzungen) ist grundsätzlich das Verfahren durch Einstellung zu beenden (Schlüchter Tz. 368). Voraussetzung für die Sachentscheidung ist beispielsweise auch die Zulässigkeit des Einspruchs gegen den Strafbefehl; ist der Einspruch unzulässig, darf das AG nicht in der Sache entscheiden, sondern muß den Einspruch (ohne Hauptverhandlung) verwerfen (§ 411 I 1); dazu unten im Text. 57 Das Fehlen der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit ist ein Prozeßhindernis (KleinknechtlMeyer-Goßner Ein!. Tz. 146). § 328 II ist lex specialis zu § 260 III, so daß das Berufungsgericht nicht einstellen darf, sondern unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils verweisen muß. 13*
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
fahren durch Urteil einzustellen (§ 260 III).58 Zu derartigen Prozeßhindernissen gehören etwa das Fehlen der Anklageschrift, die Nichtbeachtung der Immunität, der Verstoß gegen das Innehaltungsgebot des § 154 e 11. 59 Auf den Eröffnungsbeschluß wird in Teil V. gesondert eingegangen. 6O Er ist Verfahrensvoraussetzung. Sein Fehlen führt zur Einstellung. Die hier vertretene Auffassung unterscheidet nicht zwischen Nichtigkeit und Fehlerhaftigkeit, sondern sieht jede Fehlerhaftigkeit als Prozeßhindernis an. 61 Das führt zu der Konsequenz, daß Mängel des Eröffnungsbeschlusses in der Berufung als Prozeßhindernisse zu beachten sind und das Verfahren einzustellen ist. Auf Fehlerhaftigkeit hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen. Insofern unterliegt der Eröffnungsbeschluß der Kontrolle des Berufungsgerichts - wie er gleichermaßen als Vorentscheidung vom Revisionsgericht mitgeprüft wird. "Unanfechtbar" ist der Eröffnungsbeschluß nicht. Stattdessen steht § 210 I auf gleicher Stufe mit § 305 S. 1. Versagt ist lediglich Beschwerde, nicht jedes andere Rechtsmittel. Vielmehr geschieht die Sperrung des Beschwerdeweges um der Eröffnung der Revision willen. An die Stelle der Bejahung des Tatverdachts im Eröffnungsbeschluß tritt im Urteil die Sachentscheidung, und jene (nicht etwa die Bejahung des Tatverdachts) wird durch die Revision überprüft. Die Sachentscheidung ist das Substitut des Tatverdachts oder, anders ausgedrückt, der Tatverdacht ist die pauschal beurteilte Sachentscheidung. Die materielle Seite der Eröffnung geht in der Sachentscheidung auf. Die formelle ist Verfahrens voraussetzung, denn ihre Mängel ergeben Prozeßhindernisse. Das liegt an der Zäsur, die die Eröffnung als Trennung des Zwischen- und Hauptverfahrens darstellt. Die Abgrenzung zwischen Verfahrenshindernissen62 und sonstigen ("einfaehen") Verfahrensfehlern kann im Einzelfall schwierig sein. 63 Das ist nicht bloß Revisionsstoff (Prozeßhindernisse sind von Amts wegen zu beachten, sonstige Verfahrensfehler nur auf Rüge),64 sondern - seit der Aufhebung des § 328 11 a.F. auch ein Problem der Berufung. Nur auf Rüge zu beachtende Verfahrensfehler sind für das Berufungsverfahren nunmehr ohne Bedeutung; allein solche Hindernisse, die eine Sachentscheidung der Vorinstanz verbieten (z. B. die Verspätung des Einspruchs), sind weiterhin von Amts wegen zu beachten.
58 LR-Gollwitzer § 328 Tz. 5; z.T. wird auch die Anwendbarkeit von § 206 a bejaht, vgl. die Nachweise bei LR-Gollwitzer § 328 Tz. 6; strittig ist, ob das Urteil der Vorinstanz aufzuheben ist, vgl. Meyer-Goßner GA 1973, 366 ff. 59 KleinknechtlMeyer-GoßnerEinl. Tz. 146. 60 V gl. unten 5. Teil!. 61 Vgl. unten 5. TeilI. 62 Das Verfahrenshindernis ist die negative Umschreibung der Prozeßvoraussetzung, vgl. Schlüchter Tz. 367 und Volk, S. 1 Anm. 1. 63 KleinknechtlMeyer-GoßnerEinl. Tz. 146. 64 Jedenfalls nach h. M., aber im einzelnen strittig, vgl. Volk, S. 1 ff.
V. Die Bedeutung des § 336 nach Aufhebung der Zurückverweisungsmöglichkeit
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Von den Hindernissen für die Zulässigkeit des Verfahrens als ganzem sind die zu unterscheiden, welche lediglich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels betreffen. So muß das Berufungsgericht die Voraussetzungen der eigenen Sachentscheidungsbefugnis von Amts wegen beachten. Sind die Vorschriften über die Einlegung der Berufung verletzt, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (§ 322 I 1, 2). Der eigenen Sachentscheidung (auch der Entscheidung über die Annahme der Berufung i.S. des § 31365 ) steht die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung entgegen. Das gilt auch dann, wenn der judex a quo seinerseits Prozeßhindernisse übersehen, beispielsweise trotz Immunität oder Fehlens eines erforderlichen Strafantrags verurteilt hat. Ein derartiges Urteil kann nur bei zulässiger Berufung korrigiert werden. 66 Diese Ausführungen gelten entsprechend für das amts gerichtliche Verfahren nach Einspruch gegen den Strafbefehl. Ist der Einspruch unzulässig, steht der Sachentscheidung die Rechtskraft des Strafbefehls entgegen. Übersieht das Amtsgericht die Unzulässigkeit des Einspruchs und entscheidet es in der Sache, ist - bei zulässiger Berufung - das Urteil aufzuheben und der Einspruch zu verwerfen. 67 Nach Gössel68 ist dies nicht Folge des Prozeßhindernisses ,,Rechtskraft", sondern der Unzulässigkeit des Einspruchs selbst, die das Amtsgericht spätestens durch Urteil hätte aussprechen müssen. Das Verfahrenshindernis der Rechtskraft könne sich nicht auswirken. Letzteres ist gewiß richtig, darf aber nicht darüber täuschen, daß es die Rechtskraft ist, die eine Sachentscheidung des Amtsgerichts hindert. Alles weitere ist nur eine Umschreibung der Voraussetzungen, die zu diesem Prozeßhindernis geführt haben. Ob nun die Rechtskraft oder "die Unzulässigkeit des Einspruchs selbst" die Verwerfung des Einspruchs in der Berufungsinstanz rechtfertigen, ist von Bedeutung, wenn von der Frage, ob ein Prozeßhindernis bestand, das Ergebnis abhängt. Das ist aber nur dann der Fall, wenn man dem unrichtigen Satz folgt, daß jedes Prozeßhindernis zur Einstellung des Verfahrens führen müsse. Ein unzulässiges Rechtsmittel oder ein unzulässiger Rechtsbehelf zwingen zur Verwerfung. Der Sachentscheidung steht die res judicata entgegen. Das Verfahrensrecht zieht hieraus die - richtige - Konsequenz, daß das unzulässige Rechtsmittel als solches zu verwerfen ist. 69
KK-Ruß § 313 Tz. 6. LR-Gollwitzer § 322 Tz. 9. 67 LR-Gössel § 411 Tz. 6ff.; abweichend Welp IR 1986, 122 und OLG Hamrn IMBINW 1954,60 (Aufhebung der Vorentscheidung und teilweise Einstellung des Verfahrens); BGH 13,306 (308): Verwerfung und keine (teilweise) Einstellung, ergangen auf Vorlage des OLG Düsseldorf gegen die oben wiedergegebene Entscheidung des OLG Hamm; für das OWiGVerfahren BGH 18, 127 (entsprechend). 68 LR-Gössel § 411 Tz. 7. 69 Dementsprechend hat OLG Düsseldorf GA 1983, 220 keine Probleme, das Ergebnis aus der Rechtskraft herzuleiten. Die Vorschriften über die Einlegung der Berufung sind allerdings nicht, wie das OLG Düsseldorf meint, "Voraussetzungen des Verfahrens", sondern der Sachentscheidungsbefugnis der Vorinstanz. Diese fehlte, weil ihr das Hindernis der Rechtskraft des Urteils erster Instanz entgegenstand, und zwar deshalb, weil die Berufung die Vorschriften über die Einlegung nicht beachtet hatte. Letztere werden aber darum nicht selbst zu Prozeßvoraussetzungen. 65
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
Das Fehlen von Sachentscheidungsvoraussetzungen hat das Berufungsgericht zu beachten und in jeder Lage des Verfahrens die dem jeweiligen Prozeßhindemis entsprechende Entscheidung zu treffen. 3. Innerprozessuale Bindungswirkung?
Wie zwischen Beschwerde- und Revisionsgericht besteht zwischen Beschwerdeund Berufungsgericht keine innerprozessuale Bindung: Hat etwa, um den vom RG entschiedenen Fa1l7o abzuwandeln, das Beschwerdegericht auf sofortige Beschwerde nach § 411 I 1 in Abänderung der verwerfenden Entscheidung der Vorinstanz den Einspruch als zulässig angesehen, so ist diese Entscheidung für das Berufungsgericht nicht bindend. Daß dies keine Frage der formellen Rechtskraft ist, wurde bereits oben erörtert. Es geht dabei um innerprozessuale Bindung. 71 Die Entscheidung ist auch nicht kraft ausdrücklicher Anordnung unanfechtbar, wie es etwa § 46 11 für die gewährende Wiedereinsetzung bestimmt, denn eine dem § 46 11 entsprechende Vorschrift sieht das Gesetz für die Bejahung der Zulässigkeit des Einspruchs nicht vor. Das Berufungsgericht kann also den Einspruch als unzulässig verwerfen, selbst wenn das Beschwerdegericht in Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung den Einspruch als zulässig angesehen hatte, wobei es nicht darauf ankommt, ob das erstere die Beschwerdeentscheidung (als Beschwerdegericht) selbst erlassen hat. Eine wie auch immer geartete Bindung besteht nicht, auch keine Selbstbindung, wenn nach der Geschäftsverteilung Beschwerde- und Berufungskammer identisch sein sollten. 4. Die Rechtskraft der mit sofortiger Beschwerde angreifbaren Entscheidungen in der Berufung
Die von Bohnert angeschnittene Frage,72 welche Bedeutung die Rechtskraft von der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen für die Berufungsinstanz hat, muß wie folgt beantwortet werden: Nach heutigem Recht ist die Rechtskraft der Vorentscheidung für die Berufungsinstanz bedeutungslos, weil das Berufungsgericht in der Sache entscheiden muß und Verfahrens fehler der Vorinstanz nicht zu sanktionieren vermag. Nach früherem Recht (unter Geltung des § 328 11 a.F.) war zu differenzieren. Vor Einführung des § 336 S. 2 waren unanfechtbare Vorentscheidungen (etwa die nach § 28 I, § 46 11) mit der Verfahrensberufung nicht 70 71
72
RG 59, 241. Vgl. o. 1. Teil VII. Bohnert, S. 143, Fußn. 29.
VI . Konkurrenz zwischen Beschwerde und Berufung?
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angreifbar. 73 Die sofortiger Beschwerde zugänglichen Vorentscheidungen waren nicht allein wegen dieser Anfechtungsmöglichkeit der Berufung entzogen. Sie erwuchsen nicht in Rechtskraft. Diese Konsequenz ergab sich erst seit Einführung des § 336 S. 2, der über § 328 11 a.F. Geltung für das Berufungsverfahren erlangte. 74 VI • Konkurrenz zwischen Beschwerde und Berufung? 1. Allgemeines
Die Konkurrenzfrage stellt sich nur dann, wenn es überhaupt Entscheidungen gibt, die sowohl beschwerde- als auch berufungsfähig sind. Für den Bereich der Revision ist die Konkurrenz zur (sofortigen) Beschwerde durch den Gesetzgeber künstlich geschaffen und zugleich (durch die Einführung des § 336 S. 2 2. Alt.) zugunsten der Beschwerde aufgelöst worden. Einzelne Entscheidungen aus dem revisiblen Bereich (also solche des erkennenden Gerichts, die an sich beruhensgeeignet sind) wurden der sofortigen Beschwerde unterworfen und hierdurch der Revision entzogen. Das ist im 1. Teil unter III 1 ausführlich dargestellt.
Eine derartige künstlich geschaffene Rechtsmittelkonkurrenz gibt es zwischen Beschwerde und Berufung nicht. 2. Abweichende Grenzziehung gegenüber den Bereichen Beschwerde/Revision?
Der Eröffnungsbeschluß bedeutet die Zäsur zwischen Beschwerdefähigkeit und Revisibilität. Vor ihm ergangene Entscheidungen sind beschwerdefähig, nicht revisibel, da auf Verfahrensmängeln vor Eröffnung das Urteil nicht beruhen kann. Soweit Fehler des Vorverfahrens in das Stadium nach Eröffnung hineinwirken, werden sie eigenständige Fehler des Hauptverfahrens und damit bei Beruhenseignung revisibel. Hat der Eröffnungsbeschluß im Verhältnis Beschwerde / Berufung gleiche Abgrenzungsfunktion? Die Berufungsinstanz gewinnt ihr Erkenntnis wie die erste Instanz aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung, der Berufungsverhandlung. Wie das Urteil erster Instanz Entscheidungen aus dem Stadium vor Eröffnung nicht "aufheben" kann, vermag dies ebensowenig das Berufungsurteil. Beseitigt wird lediglich das Erkenntnis erster Instanz. Spricht das Berufungsgericht frei und hebt es damit das Urteil erster Instanz auf, wird gleichwohl das Verfahren nicht in das Stadium vor Eröffnung zu73 Dazu bedurfte es nicht der Einführung des § 336 S. 2 (1. Alt.), denn die Unanfechtbarkeit folgt, wie im 1. Teil unter VII. 5. ausgeführt, bereits aus §§ 28 I, 46 11 unmittelbar. 74 VgI. o. IV. 2. a).
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2. Teil: Das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung
rückversetzt. Die Entscheidungen aus dem Vorverfahren haben den Prozeß jeweils nur in eine neue ,,Rechtslage" versetzt und tragen gleichsam den Keim ihrer eigenen Vergänglichkeit in sich, indem sie prozessual gegenstandslos (überholt) werden. 75 Die prozessuale Überholung ist ein Wesensmerkmal insbesondere des Vorverfahrens. Nur gewisse Marksteine in Gestalt der Voraussetzungen, die für eine Sachentscheidung unverzichtbar sind, bleiben als zwingende Erfordernisse des weiteren Verfahrens bestehen. Thr Fehlen ist Prozeß"hindernis". Alle anderen Entscheidungen sind rückblickend nur noch Anlaß, nicht aber Voraussetzung des weiteren Verfahrens. Mithin ist es die prozessuale Überholung, die faktisch zu dem Ergebnis führt, daß Beschwerde und Berufung nicht konkurrieren, der Eröffnungsbeschluß als Beginn des Hauptverfahrens also auch ihre Grenze markiert. 76 Diese Abgrenzung traf schon für die Verfahrensberufung unter Geltung des § 328 II a.F. zu. Ihre Möglichkeiten reichten nicht weiter als die der Revision, deren Abbild sie war, also nicht vor den Eröffnungsbeschluß zurück.
Mit der Abschaffung der Verfahrensberufung ist die Wahlverwandtschaft zwischen Berufung und Revision geschwunden. Die heutigen Gemeinsamkeiten sind nicht rechtlicher, sondern faktischer Natur. Gleichwohl hat die Aufgabe der Verfahrensberufung für die Grenzziehung der Rechtsmittel Beschwerde / Berufung keine Änderung gebracht.
75 Zur prozessualen Überholung vgl. die Schrift von Budach; Schlüchter Tz. 181 f. und Kernwissen, S. 186; ferner Ellersiek, S. 57; Peters, S. 265. 76 Dementsprechend sieht Schwentker, S. 151, die Bedeutung der Berufung als ,,Ersatzrechtsmittel" und ,,Auffangrechtsschutz" für die Beschwerde zu Recht als gering an. Mit Aufhebung der Verfahrensberufung gibt es eben keine Konkurrenz zwischen Berufung und Beschwerde mehr; daß sich die Abgrenzungsfrage zwischen § 304 einerseits und §§ 305 S. I, 336 S. 1. andererseits für das amtsgerichtliche Verfahren (Einzelrichter und Schöffengericht) überhaupt stellt, liegt nur daran, daß die in diesem Verfahren ergehenden Urteile der Revision unterworfen sein können - nicht aber daran, daß auch Berufung statthaft ist. Würden sich wie im Zivilrecht - Revision und Berufung ex ante schon ausschließen und gäbe es Wahlrevision bzw. Sprungrevision nicht, würde sich die Abgrenzungsfrage in einem Verfahren, welches allein der Überprüfung durch die Berufung unterliegt, nicht stellen.
Dritter Teil
Beschwerde und Zwischenverfahren I. Begriffsbestimmung
Der Begriff des Zwischenverfahrens lehnt sich in der hier verwendeten Fonn an die Tenninologie von Bohnert an. 1 ,Zwischenverfahren • in diesem Sinne bezeichnet nicht den Abschnitt zwischen Anklageerhebung und Eröffnung, sondern ein Verfahren, das über einen Teilgegenstand2 des Prozesses (z. B. den Verteidigerausschluß) vorab entscheidet. Hier können Beschlüsse und Verfügungen ergehen, deren Beschwerdefähigkeit untersucht werden soll. Der dem Zwischenverfahren zugewiesene Prozeßstoff wird darin abschließend behandelt. Er ist weder Gegenstand des Urteils noch einer revisiblen Vorentscheidung, so daß eine Überprütbarkeit durch die Revision sowohl über § 337 als auch nach § 336 S. 1 ausscheidet. Mit der Erschöpfung des Rechtswegs im Zwischenverfabren ist über dessen Prozeßgegenstand fonnell rechtskräftig entschieden, ein weiteres ordentliches Rechtsmittel kommt gegen die das Zwischenverfahren beendende Entscheidung nicht in Betracht. 3 Die Zwischenverfahren gliedern sich nach Bohnert in Zwischenrechtsbehelfe4 einerseits und Inzidentverfahren (Zwischenverfahren 5 im engeren Sinne) andererseits. Bohnert grenzt beide wie folgt ab: 1 Bohnert, S. 18, bezeichnet als Zwischenverfahren jede fönnliche gerichtliche Überprüfung und Vorabentscheidung über einen möglichen Verfahrensfehler, "der ohne Einräumung des Zwischenverfahrens Gegenstand der Urteilsprüfung durch das Revisionsgericht gewesen war (historisch) oder gewesen wäre (systematisch)". 2 Dieser braucht nicht zwingend mit der Überprüfung eines Verfahrensfehlers identisch zu sein, so Bohnert, S. 18; dazu Hanack ZStW 1988,905; Rieß ZRP 1983,263. Fehlerprüfung sei der Anlaß eines Zwischenrechtsbehelfs; dazu weiter unten im Text. 3 Bohnert hebt als Wesensmerkmal hervor, daß infolge des Zwischenverfahrens der Verfahrensfehler nicht Gegenstand der Urteilsprüfung durch das Revisionsgericht ist (S. 18). Das ist im Ergebnis die gleiche Definition wie die hier verwendete. Die im Zwischenverfahren ergangene Entscheidung kann durch die Revision nicht überprüft werden, weil schon der Gegenstand des Zwischenverfahrens dem Urteil nicht zugänglich und damit auch der Revision zwangsläufig entzogen ist. 4 Den Begriff Zwischenrechtsbehelf verwendet Niese JZ 1953,219,221. 5 Fezer, Meyer-Ged.Schrift S. 85 ff., spricht die Strukturgleichheit zwischen Ausschließungs- und Zwischenverfahren an. Mit letzterem ist allerdings nicht der hier verwendete Begriff des Zwischenverfahrens i. e. S. (Inzidentverfahren) gemeint, sondern der Abschnitt zwischen Anklage und Eröffnung, der von Fezer mit dem Ausschließungsverfahren verglichen wird.
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3. Teil: Beschwerde und Zwischen verfahren
"Die Zwischenverfahren unterscheiden sich äußerlich darin, daß ihr größerer Teil auf Rüge eines Rügeberechtigten hin eingeleitet wird (Zwischenrechtsbehelfe ), der andere Teil nicht oder nicht notwendig auf Rüge. Dieser Teil sei Zwischenverfahren im engeren Sinn oder auch Inzidentverfahren genannt. ,,6
Diese Untersuchung differenziert anders, sieht das Kriterium der Unterscheidung nicht im Vorbringen einer Rüge. Es gibt Zwischenrechtsbehelfe, die ohne Rüge eingeleitet werden, so die auch von Bohnert zu dieser Verfahrensart gerechnete Selbstablehnung des Richters nach § 30. 7 Andererseits ordnet diese Untersuchung den Inzidentverfahren gleichermaßen solche zu, die auch auf Rüge ausgelöst werden können, etwa den Verteidigerausschluß, über den von Amts wegen oder auf Antrag der StA entschieden wird (§ 138 c 11 1,2. Halbsatz).8 Zwischenrechtsbehelfe und Inzidentverfahren werden hier nicht nach der jeweiligen Verfahrensveranlassung (Rüge oder Einleitung von Amts wegen), sondern nach ihrer Zuordnung abgegrenzt, ob das Verfahren den "ordentlichen" Rechtszügen zugerechnet wird (Zwischenrechtsbehelf) oder ob es gleichsam "zwischen den Instanzen", herausgelöst aus dem gesamten ordentlichen Verfahrensgang, stattfindet (Inzidentverfahren).9 Im einzelnen: 1. Die Zwischenrechtsbehelfe
Zwischenrechtsbehelfe kennzeichnen sich dadurch, daß sie entweder "im ersten Rechtszug" oder "im Berufungsverfahren" beschieden werden, so daß für alle diese Entscheidungen § 304 I· gilt. Ein weiteres, aus diesen Instanzen herausgelöstes Verfahren wird anders als bei den Inzidentverfahren mit den Zwischenrechtsbehelfen nicht geschaffen. Die Systematik des Gesetzes haben die Zwischenrechtsbehelfe immerhin insofern beibehalten, als es bei ihnen (im Gegensatz zu den Inzidentverfahren) immer um ein und dasselbe gerichtliche Verfahren geht, das sich in Vor-, Zwischen- und Hauptverfahren gliedert. Die auf Zwischenrechtsbehelf erlassene Entscheidung wird mit Abschluß des Zwischenrechtsbehelfsverfahrens formell rechtskräftig. Sie ist damit im weiteren Bohnert, S. 18. Bohnert, S. 86. 8 Bohnert, S. 125 ff., rechnet dieses Verfahren zu den Zwischenrechtsbehelfen. Das paßt nicht ganz zu der von ihm eingangs (S. 18) gegebenen Definition, derzufolge das Charakteristikum der Zwischenrechtsbehelfe die Rüge ist, denn das Verfahren kann auch von Amts wegen eingeleitet werden (§ 138 c 11 1, I. Halbsatz). 9 Da beide Zwischenverfahren im weiteren Sinne auch ohne Rüge eingeleitet werden können, mag die Bezeichnung der einen Unterart als Zwischenrechtsbehe/f insofern wenig sinnvoll gewählt sein, als ein "Rechtsbehelf' zumindest einen Antrag oder eine Rüge eines hierzu Berechtigten voraussetzt. Allerdings ist die von Bohnert verwandte Bezeichnung in dieser Untersuchung beibehalten, um den Strafprozeß nicht noch durch eine weitere begriffliche Kreation zu bereichern. Die Bezeichnung "Zwischenrechtsbehelf' soll bedeuten, daß sich das Verfahren innerhalb des Instanzverfahrens abspielt und nicht ausgelagert ist. 6 7
I. Begriffsbestimmung
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Verfahren jedem ordentlichen Rechtsmittel, auch der Revision, entzogen. Um diese Unanfechtbarkeit zu erzielen, kennt das Gesetz zwei Wege: a) Eine Entscheidung wird jedem Rechtsmittel vorenthalten, indem sie für unanfechtbar erklärt wird. Das gilt für den Zwischenrechtsbehelf der Wiedereinsetzung und der Richterablehnung, soweit ihnen stattgegeben wird; die gewährende Wiedereinsetzung (§ 46 11) und die stattgebende Richterablehnung (§ 28 I) sind unanfechtbar, d. h. weder beschwerde- noch berufungsfähig oder revisibel. Es herrscht Rechtsmittelsperre. b) Die andere Methode ist Rechtsmittelverlagerung. So sind gewisse Entscheidungen des erkennenden Gerichts - systemwidrig - der sofortigen Beschwerde unterworfen und damit - kraft § 336 S. 2 - der Revision entzogen. Sie werden mit Abschluß des Beschwerdeverfahrens (bzw. mit Ablauf der Wochenfrist des § 311 11) formell rechtskräftig. Die Anfechtbarkeit ist von der Revision zur (sofortigen) Beschwerde hin verlagert. Im Fall des § 231 a tritt das Gericht mit der Anhörung eines Arztes als Sachverständigen in das Zwischenrechtsbehelfsverfahren ein. Beschließt es, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, entsteht Rechtskraft mit dem Verstreichen der Wochenfrist nach § 311 11 bzw. mit der Bestätigung der Entscheidung durch das Beschwerdegericht. lO Die Entscheidung, nicht in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, erlangt nicht formelle Rechtskraft, weil sie nicht der sofortigen Beschwerde nach § 231 a III 3 unterliegt. 11 Ob sie mit einfacher Beschwerde oder mit Revision anfechtbar ist, hängt von ihrer Beruhenseignung ab. Da der Sinn des Verfahrens, in Abwesenheit zu verhandeln, die Beschleunigung ist, verletzt die fehlerhafte Ablehnung eines solchen Antrages nicht das Recht eines Beteiligten auf Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung. Eine solche Versagung der Abwesenheitsverhandlung berührt somit nicht den revisiblen Bereich, ist also beschwerdefähig, ohne daß das Argument von der "eigenständigen prozessualen Bedeutung" dieser Entscheidung bemüht werden muß. 12 IO Vgl. o. 1. Teil VI. 2. Die Anfechtung des Beschlusses, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln (§ 231 a III), wird von der Revision in das Beschwerdeverfahren verlagert, indem - entgegen § 305 S. 1 - die (sofortige) Beschwerde eingeräumt wird (§ 231 a III 3); dazu Rieß JZ 1975, 265 (270). II Das steht der oben unter a) getroffenen Aussage, wonach (formelle) Rechtskraft mit dem Abschluß des Zwischenverfahrens eintritt, nicht entgegen, denn die Entscheidung, nicht in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, eröffnet nicht das Zwischenverfahren, vielmehr ist dies nur bei der (positiven) Entscheidung statthaft (§ 231 a III 3). 12 So aber Rieß JZ 1975, 271, im Ergebnis jedoch wie hier; ebenso KK-Treier § 231 a Tz. 27; LR-Gollwitzer § 231 aTz. 46; unzutreffend Bohnert, S. 161 f. Er zählt auch den Ablehnungsbeschluß unter § 305 S. 1. ,,Materiell ist die Entscheidung des Gerichts über die Fortführung des Hauptverfahrens eine Entscheidung über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, mithin über eine Verfahrensvoraussetzung. Verfahrens voraussetzungen sind stets urteilsvorbereitend" (Bohnert, S. 162). Der erste Satz ist richtig, der zweite nicht. Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten ist Verfahrensvoraussetzung, aber nicht jede Entscheidung "über" eine Verfahrensvoraussetzung ist beruhensgeeignet. Den revisiblen Bereich tan-
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3. Teil: Beschwerde und Zwischen verfahren
Im Gegensatz dazu ist die fehlerhafte Anordnung der Abwesenheitsverhandlung zwar beruhensgeeignet, der Revision jedoch nach § 336 S. 2 i. V. mit § 231 a II13 entzogen. Allerdings kann mit der Revision geltend gemacht werden, das Verfahren nach § 231 a sei rechtsfehlerhaft gewesen, wenn etwa der Beschluß, in Abwesenheit zu verhandeln, dem Angeklagten nicht unverzüglich bekannt gemacht worden iSt. 13 Damit wird nicht, wie Gollwitzer zutreffend bemerkt, die inhaltliche Fehlerhaftigkeit des Beschlusses gerügt, sondern ein Rechtsverstoß, der erst nach Erlaß dieses Beschlusses eingetreten iSt. 14 Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine solche Gesetzesverletzung beruhensgeeignet, selbst wenn sie nicht unter den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 einzuordnen sein sollte. Die Beruhenseignung hängt nicht davon ab, ob der Angeklagte nicht in der Lage war, Beschwerde einzulegen. Befand er sich wie in dem bezeichneten Fall "nicht verhandlungsfähig" und "intensiver medizinischer Hilfe bedürftig" in der Haftanstalt, fehlt es allerdings bereits an der Gesetzesverletzung (und nicht erst an der Beruhenseignung), denn dann war der Angeklagte auch nicht fähig, die Bekanntmachung entgegenzunehmen. Zu warten mit der Verhandlung, bis der medizinische Zustand eine Bekanntmachung zuließ, war das erkennende Gericht nicht verpflichtet. War Empfangsfähigkeit des Angeklagten gegeben, konnte also der Beschluß bekanntgemacht werden, verletzt die Unterlassung dessen das Gesetz, indem sie das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, auf das Verfahren "gestaltend einzuwirken", wie der BGH zu Recht bemerkt. 15 Die Rechtsmiuelverlagerung von der Revision zur Beschwerde hin setzt zweierlei voraus: Zum einen die Ausnahme von der Ausnahmeregelung des § 305 S. 1, der die Entscheidung des erkennenden Gerichts grundsätzlich der Beschwerde entzieht. Diese Ausnahmeregelung wird durch die jeweilige Sonderbestimmung geschaffen, welche die Entscheidung im Einzelfall der (sofortigen) Beschwerde zuweist, wie dies beispielsweise in § 231 a III 3 geschehen ist. Zum anderen muß eine Ausnahme von § 336 S. 1 statuiert werden, der die giert die fehlerhafte Annahme einer Prozeßvoraussetzung, etwa die Weiterverhandlung trotz Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Das Gegenstück hierzu, die fehlerhafte Verneinung einer Prozeßvoraussetzung (obwohl sie in Wahrheit gegeben ist), ist nicht deshalb gleichsam "automatisch" beruhensgeeignet, indem dabei über das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung befunden wird. So verletzt z. B. die Ablehnung der Weiterverhandlung, weil das Gericht irrtümlich glaubt, der Angeklagte sei verhandlungsunfähig, allenfalls das Beschleunigungsgebot, nicht aber Mitwirkungs- und Einwirkungsrechte von Prozeßbeteiligten (näher vgl. unten 5. Teil 11. 5). Revisibel ist demnach nicht die "übervorsichtige" Handhabung des § 231 a I, also die Aussetzung, obwohl das Gericht ohne den Angeklagten weiterverhandeln dürfte. Beruhensgeeignet wäre dagegen an sich die "zu forsche" Anwendung des § 231 a I, jedoch sind derartige Entscheidungen der sofortigen Beschwerde zugänglich und damit der Revision entzogen (§§ 231 a III 3, 336 S. 2). 13 BGH IR 1994, 341 mit zust. Anm. Gollwitzer. 14 Gollwitzer IR 1994, 343 f. 15 BGH IR 1994, 342.
11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV
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Entscheidungen grundsätzlich der Revision unterwirft. Diese Ausnahmeregelung findet sich in § 336 S. 2 für alle der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen, die damit der Revision entzogen sind. 2. Die Inzidentverfahren
Inzidentverfahren kommen aufgrund einer besonderen prozessualen Konstellation in Gang. Die Eigenart dieser Verfahren ist es, ganze Verfahrensteile aus der Instanz herauszulösen und sie einem besonders gearteten Zwischenverfahren zuzuweisen. Die gesetzgeberische Methode, der Entscheidung Rechtskraft zu verschaffen, ist weder die der Rechtsmittelsperre noch die der Rechtsmittelverlagerung, sondern die der Verjahrensverlagerung. Wesen der Inzidentverfahren ist, daß das gesamte Zwischenverfahren außerhalb von Vor- und Hauptverfahren abläuft. Das gilt für Inzidentverfahren außerhalb und innerhalb der StPO. Entscheidungen eines Inzidentverfahrens sind mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar. Für die Beschwerde folgt dies aus § 304 I, denn das Inzidentverfahren ist weder ein Verfahren ,,im" ersten Rechtszug noch ,,im" Berufungsverfahren. Wenn gleichwohl gegen manche Entscheidungen des Zwischenverfahrens die sofortige Beschwerde gegeben ist, zum Beispiel in den Fällen des § 138 d VI, so besteht keine Gemeinsamkeit zwischen diesem Rechtsmittel und der Prozeßbeschwerde des § 304. Der Satz, die sofortige Beschwerde sei eine Unterart der einfachen Beschwerde, hat in diesem Verfahren keine Geltung. Vielmehr wird hier die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art konzipiert. Ohne ihre ausdrückliche Zulassung wäre einfache Beschwerde wegen § 304 I systematisch nicht möglich. Die im Inzidentverfahren vorgesehene sofortige Beschwerde ist ein eigenständiges Rechtsmittel, statthaft nur aufgrund positivrechtlicher Eröffnung im Einzelfall. 16
ß. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV 17 1. Die Vorlage an das Verfassungsgericht nach Art. 100 GG
Nach dieser Vorschrift ist das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und das Geweils zuständige Bundes- bzw. Landes-)Verfassungsgericht anzurufen. Die Vorlage ist mehr als bloße EntscheiEinen solchen Fall sieht § l38 d VI vor. Vgl. den redaktionellen Hinweis bei Oetker I Preis Teil C vor Art. 2 Nr. 1: Seit dem Vertrag über die Europäische Union vom 7. 2. 1992 führt der bisherige EWG-Vertrag die Bezeichnung "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" (EG-Vertrag). Soweit in den Fußnoten ältere Zitate wiedergegeben werden, ist die darin verwendete Bezeichnung EWGV beibehalten. Vgl. von der GroebenlEhlermann Bd. I, S. 1/5 ff. 16 17
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3. Teil: Beschwerde und Zwischen verfahren
dungsvorbereitung, sie ist eine Entscheidung, indem sie das Verfahren in eine neue Rechtslage, die Anhängigkeit beim Verfassungsgericht, versetzt. 18 Vorlegen kann das erkennende wie auch das nichterkennende Gericht. 19 Würde die Vorlage grundsätzlich als beschwerdefähig anzusehen sein, kann bei Vorlage durch das erkennende Gericht § 305 S. 1 zum Beschwerdeausschluß führen, wenn Beruhenseignung und damit Revisibilität der Vorlage zu bejahen sind. Auf der Vorlage kann indessen das Urteil nicht beruhen, die fehlerhafte Vorlage tangiert nicht Mitwirkungsrechte von Prozeßbeteiligten bei gerichtlicher Sachverhaltsfeststellung. Durch eine zu Unrecht angeordnete Vorlage wird allenfalls der Prozeß verzögert. Das berührt indessen nicht den revisiblen Bereich. Hier gelten die Erwägungen zur Aussetzungsentscheidung entsprechend. 2o
a) Das Entscheidungsmonopol des VerJassungsgerichts Der Vorlage- und Aussetzungsbeschluß nach Art. 100 GG wird - im Gegensatz zu älteren Auffassungen in LitGratur21 und Rechtsprechung 22 - heute überwiegend für unanfechtbar gehalten. 23 Diese Auffassung baut auf dem Entscheidungsmonopol des Verfassungsgerichts auf. Nur dieses, kein anderes Gericht, kann das vorlegende Gericht in der verfassungsrechtlichen Frage binden?4 Die Beurteilung einfachen Rechts verbleibt beim Instanzgericht. Dessen Rechtsauffassung legt das Verfassungsgericht bei der Beurteilung der Verfassungsfrage zugrunde?5 Dann ist nicht einzusehen, warum das vorlegende Gericht bei der Anwendung des einfachen Rechts nicht durch die höhere Instanz korrigiert werden kann. 18 Für Vorlagen aufgrund einfachen Verfahrensrechts wird dies z. T. anders gesehen; vgl. hierzu die Ausführungen im 4. Teil unter II. 1. 19 Die Vorlage kann auch durch das nichterkennende Gericht geschehen, z. B. bei der Eröffnungsentscheidung (vgl. Bettermann, S. 355 und BVerfGE 4, 352 (355); 22, 39 (41», ferner etwa im Rahmen der Entscheidung über den Erlaß eines Haftbefehls; fraglich ist dagegen, ob bei derartigen eilbedürftigen Entscheidungen auch bei Zweifeln über die Gültigkeit eines materieIlen Strafrechtstatbestands vorgelegt werden muß; dazu Bettermann, S. 356. 20 V gl. u. 5. Teil II. 5. 21 Schulte MDR 1952, 520; Brüggemann MDR 1952, 185 (Beschwerdefähigkeit einschränkend bejaht); ebenso Henrichs MDR 1952,528 (530). 22 LG Hildesheim MDR 1952,185 mit Anm. Brüggemann. 23 Zu Art. 100 GG Friesenhahn, S. 54; Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/ Klein/ Ulsamer § 80 Tz. 305; OLG Köln MDR 1970, 852; LR-Gollwitzer § 304 Tz. 35 und § 262 Tz. 57; zu Art. 177 EGV Tomuschat, Vorabentscheidung, S. 138 ff.; Goose RlW 1975,660; Riegel RlW 1976, llO; LR-Gollwitzer § 262 Tz. 60. 24 OLG Köln MDR 1970,852. 25 Friesenhahn, S. 53: Die Entscheidungserheblichkeit wird grundsätzlich vom Verfassungsgericht nicht nachgeprüft. Nur bei offensichtlicher Unhaltbarkeit weist es die Vorlage als unzulässig zurück; ebenso Maunz/Dürig Art. 100 Tz. 34; BVerfGE 50, 108 (112); 72, 51 (60); Schmidt-Bleibtreu/ Klein Art. 100 Anm. 7 (S. 1291).
11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV
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Diese simple Überlegung könnte dazu veranlassen, die Vorlageentscheidung für beschwerdefähig zu halten. 26 Verfassungsrecht ist so dem Verfassungsgericht, einfaches Recht dem Instanzgericht zugeordnet, und letzteres ist eben nicht nur das "eine" Gericht, das die Erstprüfung vornimmt, sondern durchaus auch das im Rechtszug übergeordnete. Die so gewährleistete doppelte Erheblichkeitsprüfung bietet für Schulte die Sicherheit, daß die Anrufung des Verfassungs gerichts wirklich nötig ist. Diese Sicht scheint den Vorteil "sauberer" Kompetenzverteilung für sich zu haben; das einfache Recht bleibt voll und ganz unter der Kontrolle des Instanzenzuges der Fachgerichtsbarkeit - wenn nicht hierdurch der nachstehend geschilderte Konflikt zwischen der aus Art. 100 GG resultierenden Vorlagepflicht und dem Fehlen innerprozessualer Bindung heraufbeschworen würde. In der Anwendung des einfachen Rechts wird nämlich das Instanzgericht mit der Beschwerde insofern nicht vollständig korrigiert, als die Beschwerdeentscheidung über das Beschwerdeverfahren hinaus keine Bindung entfaltet. Bestünde diese im Prozeßrecht zwischen Beschwerdeentscheidung und Urteil, wäre die von Schulte und Brüggemann27 vertretene Auffassung durch nichts zu widerlegen; die eindeutige und einfach zu handhabende Kompetenzabgrenzung zwischen Verfassungsgericht und Instanzgericht wäre geradezu vorbildlich.
b) Die Vorlagepflicht nach Art. 100 GG und die fehlende innerprozessuale Bindung: Ein Konflikt
Wird Beschwerde gegen die Vorlage für statthaft gehalten, trifft das Beschwerdegericht "die in der Sache erforderliche Entscheidung", ihm obliegt damit auch die Erheblichkeitsprüfung dahingehend, ob von der zur Beurteilung des Verfassungsgerichts gestellten Norm die Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt abhängt. Sieht das Beschwerdegericht die Erheblichkeitsfrage anders als die Vorinstanz, hebt es den Vorlagebeschluß auf, und das Verfahren gelangt an den judex a quo zurück mit dem Hinweis, der Sache ohne Vorlage an das Verfassungsgericht "Fortgang zu geben". Damit ist das Instanzgericht nicht in der verfassungsrechtlichen Frage, sondern in der Erheblichkeitsprüfung korrigiert worden, also im Bereich einfachen Rechts. Allerdings ist.der judex a quo im Zuge des Fortgangs des Verfahrens - wie oben gezeigt _28 nicht an die Entscheidung des Beschwerdegerichts gebunden, Bindung besteht nur innerhalb des Beschwerdeverfahrens, reicht nicht über dieses hinaus - etwa bis zu dem das Verfahren beendenden Urteil. Wie der judex a quo, dessen Verwerfungsbeschluß auf Beschwerde hin aufgehoben wurde, die Berufung - ohne Rücksicht auf die ihn zuvor korrigierende Beschwerdeentscheidung - gleichwohl durch Urteil (erneut) verwerfen darf, so kann er auch in der Erheblichkeitsprüfung von der Auffassung des Beschwerdegerichts abweichen. 29 Hat also das Beschwerdegericht den Vorlagebeschluß mit der Begründung aufgehoben, es komme auf die Verfassungsfrage nicht an, darf der judex a quo im Urteil dennoch die gegenteilige Auffassung zugrundelegen. Nur eines darf er nicht (mehr): vorlegen. Andererseits kann er - wenn er 26
Schulte MDR 1952,520 (521).
27
Brüggemann MDR 1952, 185.
28
Vgl. o. I. Teil VII. 3. Vgl. o. I. Teil VII. 3.
29
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3. Teil: Beschwerde und Zwischen verfahren
seine Auffassung zur Erheblichkeit nicht der des Beschwerderichters anpaßt - ohne Vorlage in der Sache nicht urteilen, selbst entscheiden darf er die Verfassungsfrage wegen des Entscheidungsmonopols des Verfassungsgerichts nicht.
Hier entsteht ein Konflikt zwischen Verfassungs- und Strafverfahrensrecht. Das Verfahrensrecht würde den Instanzrichter nicht hindern, über die Erheblichkeit anders als das Beschwerdegericht zu befinden. Bejaht er sie anders als dieses, darf er gleichwohl nicht mehr vorlegen, ist an eigener Sachentscheidung indessen durch Art. 100 GG gehindert, die Verfassungswidrigkeit einer Norm darf nur das Verfassungsgericht feststellen. 30 Nicht eigentlich das Entscheidungsmonopol des Verfassungsgerichts, sondern das Fehlen innerprozessualer Bindung steht der Beschwerdefähigkeit der Vorlage entgegen, weil nur durch diese Bindung der Instanzrichter gezwungen wäre, die Erheblichkeit - wie das Beschwerdegericht - zu verneinen. Die Anordnung einer solchen Bindung verstieße allerdings gegen elementare Grundsätze des Verfahrensrechts, das eine derartige Bindung nicht kennt. 31 Soll also die Entscheidungsfreiheit des judex a quo in der Erheblichkeitsprüfung gewahrt werden, bleibt angesichts des verfassungs gerichtlichen Monopols nur die Möglichkeit, das Vorlageverfahren aus der Instanz (und so aus dem Bereich der nach § 304 I beschwerdefähigen Entscheidungen) herauszulösen und damit inzident zu gestalten. Beschwerde gegen die Vorlageentscheidung ist bereits nach § 304 I nicht statthaft, weil keine Entscheidung im ersten Rechtszug oder in der Berufung zur Debatte steht. Sämtliche Vorlagen des erkennenden wie des nichterkennenden Gerichts sind mithin apriori der Beschwerde entzogen.
c) Die Ablehnung der Vorlage
Im Unterschied zur Vorlage ist ihre Ablehnung, gleichgültig ob stillschweigend oder durch Beschluß, Teil des Verfahrens und nicht inzident. Das Gericht hat sich nicht auf den für die Vorlage vorgeschriebenen Weg des Art. 100 GG begeben, sondern ist im eigenen Prozeßverfahren verblieben. Der bei Vorlage entstehende Konflikt zwischen Verfassungs- und Verfahrensrecht ergibt sich nicht. Hält das Beschwerdegericht im Unterschied zUm judex a quo das zur Prüfung gestellte Gesetz für verfassungswidrig, legt es selbst vor, wobei ihm auch die Erheblichkeitsprüfung obliegt. Dies steht mit den Grundsätzen des Verfahrensrechts in Einklang, da das Beschwerdegericht damit die in der Sache erforderliche Entscheidung trifft. 30 In Umgehung dieses Konflikts pflegt das Verfassungsgericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit von der Rechtsauffassung des Instanzrichters auszugehen, Goose RIW 1975,663. 31 Bindung besteht nur in der Sache. "Sache" ist aber lediglich der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die Bindung kann nicht über das Beschwerdeverfahren hinausgreifen, schränkt nicht die Entscheidungsfreiheit des judex a quo im Hinblick auf das Endurteil ein; vgl. o. 1. Teil VII. 3.
11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV
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Scheitern könnte die Beschwerdefahigkeit einer abgelehnten Vorlage daran, daß keine "Entscheidung" i.S. von § 304 I ergangen ist. Soweit das erkennende Gericht ablehnt, ist die Frage unerheblich, da dessen Entscheidungen ohnehin nach § 305 S. 1 der Beschwerde nicht zugänglich sind. Das Problem stellt sich nur für das Vor- und Zwischenverfahren. 32 Die stillschweigende Ablehnung der Vorlage gibt zwar zu erkennen, daß der judex a quo das Gesetz für verfassungs gemäß hält, ist aber keine ,,Entscheidung". Somit verbleibt für die Beurteilung seiner Beschwerdefähigkeit nur noch der ausdrückliche Spruch des nichterkennenden Gerichts, also die Zurückverweisung der Vorlageanregung durch Beschluß. Aus diesem Kreis fallen wiederum die Entscheidungen heraus, die auf eine selbständig nicht anfechtbare Endentscheidung abzielen, so die Eröffnung. Wird etwa vom Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit eines die Anklage stützenden Gesetzes eingewandt, kann die Unanfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses nicht durch Zulassung der Beschwerde gegen die ausdrückliche Ablehnung der Vorlage nach Art. 100 GG umgangen werden, nicht weil die Zulassung der Beschwerde einen Konflikt zwischen Verfassungs- und Verfahrensrecht auslöste, sondern aus Gründen des einfachen Rechts: §§ 201 II 2, 202 S. 2, 210 I erfassen nicht nur die Eröffnung selbst, sondern auch vorausgehende Entscheidungen. 33 Ist die Endentscheidung selbst beschwerdefähig, stellt sich die Frage, ob dies (schon) für die ausdrückliche Ablehnung der Vorlage nach Art. 100 GG gilt, so etwa für den Nichtvorlagebeschluß im Fall der Haftprüfung bzw. Haftbeschwerde. Lehnt das Gericht ausdrücklich durch Beschluß die Vorlage ab, liegt zwar eine Entscheidung i.S. von § 304 I vor, jedoch würde dem Beschwerdegericht dieselbe Frage vorgelegt werden, die es im Rahmen der Beschwerde gegen die Hauptentscheidung (Haftbefehl) ohnehin zu prüfen hätte. Die hieraus entstehende Doppelgleisigkeit des Rechtswegs verlangt, Beschwerde gegen die (ablehnende) Vorlageentscheidung zu versagen.
d) Die mit der Vorlage verbundene Aussetzung
Gegen die Aussetzungsentscheidung ist prinzipiell Beschwerde statthaft. 34 Diese wird nicht durch § 305 S. 1 ausgeschlossen, soweit das erkennende Gericht ausgesetzt hat; die Aussetzung kann nicht revisibel sein, weil ein Urteil auf Fehlerhaftigkeit eines Aussetzungsbeschlusses nicht beruht. 35 Die Aussetzung ist darum während des beim erkennenden Gericht laufenden Verfahrens beschwerdefähig. Frei32 Für das Zwischenverfahren ebenfalls nicht, sofern die Entscheidungen wegen §§ 201 II 2,202 S. 2, 210 I als unanfechtbar angesehen werden, dazu unten im Text. 33 Giesler; S. 254ff.; LR-Rieß § 210 Tz. 3. 34 V gl. unten 5. Teil H. 5. 35 Ist die Aussetzung fehlerhaft, wird durch diese Gesetzesverletzung zwar der Prozeß verzögert, nicht aber das Interesse eines Prozeßbeteiligten an der Sachverhaltsfeststellung berührt. Darauf wird im 5. Teil unter 11. 5 näher eingegangen.
14 Weidemann
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3. Teil: Beschwerde und Zwischen verfahren
lich besteht die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts nur begrenzt. Die mit der Vorlage einhergehende Aussetzungsentscheidung hängt mit dieser eng zusammen. Sie ist, wie Rietz zur Aussetzung nach Art. 177 EGV richtig bemerkt, nur die "sekundäre unselbständige Nebenfolge" der Vorlage. 36 Deshalb ist es nicht geboten, bereits die Aussetzung dem Inzidentverfahren zuzuweisen. Das Beschwerdegericht muß allerdings die Möglichkeit haben, den Zusammenhang zwischen Aussetzung und Vorlage nachzuvollziehen, d. h. zu prüfen, ob die Vorlage die Aussetzung rechtfertigt. Es beurteilt dabei nicht die Berechtigung der Vorlage, aber immerhin, ob diese die Aussetzung des Verfahrens erfordert. Die Aussetzungsentscheidung ist damit nicht dem Inzidentverfahren zugewiesen, sondern als Entscheidung im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren nach § 304 I mit Beschwerde anfechtbar. 37 2. Die Vorabentscheidung nach Art.I77 EGV
Der EuGH beurteilt nach Art. 177 EGV im Wege der Vorabentscheidung die Auslegung des EGVertrages, Gültigkeit und Auslegung von Handlungen der Organe der Gemeinschaft und die der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen. 38 Von Art. 100 GG unterscheidet sich diese Regelung darin, daß die Instanzgerichte zwar das Vorlagerecht, nicht aber eine Vorlagepjlicht 39 haben (Art. 177 EGV). Diese besteht nur für die letzte Instanz 40 des innerstaatlichen Rechtszuges. 41 Rietz, S. 152 Anm. 1. Dauses, JZ 1979, 128, unterscheidet zwischen "gewöhnlichen Aussetzungsbeschlüssen" und solchen eigener Art, wie etwa der Vorlage nach Art. 177 EGY. Er neigt im Anschluß an die Rechtsprechung des BFH (siehe unten im Text) dazu, die Beschwerde für statthaft zu halten. 38 Zum Entscheidungsmonopol des EuGH und der Unanfechtbarkeit seiner Entscheidungen mit nationalen Rechtsmitteln Kalbe RIW 1987,455 ff. 39 Zu den Konsequenzen ermessensfehlerhafter Nichtvorlage vgl. Schiller RIW 1988,452: Die willkürliche Verletzung der Vorlagepflicht umgeht das Recht auf den gesetzlichen Richter und begründet die Verfassungsbeschwerde; dazu Wölker EuGRZ 1988, 97; vgl. hierzu auch Thomas NJW 1991, 2235. 40 Gemeint ist der letztinstanzliche Spruchkörper, der im Einzelfall zur letztinstanzlichen (innerstaatlichen) Entscheidung berufen ist (konkrete Betrachtungsweise, vgl. GroebenlDaig (4. Aufl.) Art. 177 Tz. 4 und GroebenlKrück (5. Aufl.) Art. 177 Tz. 67ff.; GrabitzlHilfl Wohlfahrt Art. 177 Tz. 49), also insbesondere das Beschwerdegericht (nicht etwa nur die innerstaatliche "höchste Instanz", womit nur BGH und OLGe in Betracht kämen). Die abstrakte Betrachtungsweise ist abzulehnen, da sie dem Sinn der Vorlagepflicht widerspricht, daß jeder Rechtsstreit, in dem es auf Auslegung einer Gemeinschaftsnorm ankommt, vor den EuGH gebracht werden kann; so auch Dauses JZ 1979, 126; Constantinesco, S. 826; Ipsen, S.768. 41 Zur Definition des Gerichts, dessen Entscheidungen nicht mit Rechtsmitteln nach innerstaatlichem Recht angefochten werden können, vgl. BFH RIW 1987, 398. Auch wenn nur Zulassungsrevision statthaft ist, ist das FinG nicht letztinstanzliches Gericht (wegen mög36
37
11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV
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Die Vorlageentscheidung der Instanzgerichte wird nach heute überwiegend vertretener Auffassung für unanfechtbar gehalten. Sie sei dem innerstaatlichen Rechtsmittel entzogen. 42 a) Die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH (das Argument des urteilsvorbereitenden Charakters der Vorlage)
Eine frühere Entscheidung des BFH ging - freilich ohne nähere Begründung von der Beschwerdefähigkeit der Vorlage aus. 43 BFHE 132, 217 hat diese Rechtsprechung mit folgender Begründung aufgegeben: Das Vorabentscheidungsersuchen beziehe sich "auf die Entscheidung in der Sache selbst,,;44 es solle diese vorbereiten und könne alsdann mit der Sachentscheidung angefochten werden. Andernfalls würden Zuständigkeiten von der Revision zur Beschwerde hin verlagert.
Das ist das Argument des urteilsvorbereitenden Charakters, das im Strafprozeß zur Umschreibung der entgegen der Grundregel des § 304 I durch § 305 S. 1 der Beschwerde entzogenen Entscheidungen verwandt wird. Zunächst geht es aber um die Anwendung der Grundregel, um die Frage, ob Entscheidungen überhaupt von § 304 I erfaßt werden. Hier versagt der Hinweis auf den urteilsvorbereitenden Charakter. Es geht nicht um Rechtsmittelabgrenzung (Beschwerde / Revision) im Erkenntnisverfahren, sondern um die logisch vorrangige Frage, ob das Vorlageverfahren überhaupt Teil des Erkenntnisverfahrens oder ob es in ein gesondertes Inzidentverfahren ausgelagert ist. b) Art. JOO GG und Art. 177 EGV: Unterschiede und Gemeinsamkeiten 45
Wie bei Vorlage nach Art. 100 GG das Verfassungs gericht die Auffassung des Instanzgerichts zu den einfach-rechtlichen Fragen zugrundelegt, geht auch der EuGH bei der Erheblichkeitsprüfung von der Beurteilung des vorlegenden Gerichts aus. 46 licher Nichtzulassungsbeschwerde). Andererseits ist die zivilrechtliehe Berufungskammer innerstaatliche letzte Instanz; vgl. den Sachverhalt der (zivilrechtlichen) Entscheidung LG Lübeck NJW 1987, 594 mit Anm. Reich. 42 LR-Gollwitzer § 262 Tz. 60ff. (67). 43 BFHE 110, 12 (hält Beschwerde für statthaft, läßt sie aber an der Zulässigkeit im engeren Sinn, am Fehlen der Beschwer, scheitern); dazu Dauses JZ 1979, 128 und Vorabentscheidung, S. 83 f. 44 BFHE 132,217 (218). 45 Für eine Gleichbehandlung beider Vorlageverfahren und Ausschluß der Beschwerde auch BFH 132,217 (219); für analoge Behandlung Goose RIW 1975,663. 46 Rietz, S. 115ff.; Grabitz/Hilf/Wohlfahrt Art. 177 Tz. 58. 14*
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Die Auslagerung der Vorlageentscheidung in ein neben der Instanz ablaufendes Zwischenverfahren folgt, wie erörtert, bei Verfahren nach Art. 100 GG aus der Polarisierung von Prozeß- und Verfassungsrecht. Da bei Art. 177 EGV für das Instanzgericht keine Vorlagepflicht besteht, ist zu überlegen, ob hier ein entsprechender Konflikt überhaupt auftreten kann. Unzweifelhaft darf das Beschwerdegericht die richtige Anwendung von Gemeinschaftsrecht nicht überprüfen. 47 Ob ihm wenigstens die Kontrolle der Anwendung innerstaatlichen Rechts verbleibt, also die Erheblichkeitsprüfung, kann allenfalls die Fragestellung sein. Wird die Vorlageentscheidung beschwerdefähig und ändert das Beschwerdegericht, weil es die Erheblichkeit anders als der judex a quo beurteilt, dessen Entscheidung ab, käme kein dem bei Vorlage nach Art. 100 GG vergleichbarer Konflikt zustande. Der judex a quo wäre an die Beschwerdeentscheidung bei seinem Endurteil nicht gebunden, könnte also in der Erheblichkeitsfrage seine eigene Rechtsansicht zugrundelegen; lediglich die Vorlage wäre ausgeschlossen. Da eine Vorlagepflicht für das Instanzgericht nicht besteht, dürfte der judex a quo die Frage des Gemeinschaftsrechts selbst entscheiden. Gegen diese Auffassung wird von einigen Autoren ins Feld geführt, wenn Art. 177 EGV dem Instanzrichter die Vorlagemöglichkeit ohne Einschränkung einräumt, könnte die Korrektur mittels Beschwerde dieses Recht einschränken. 48 Indessen sieht selbst der EuGH in dieser Vorschrift keinen Ausschluß innerstaatlicher Rechtsmittel gegen Vorlagebeschlüsse,49 allerdings gegen seine eigene frühere Auffassung. 5o Vieles spricht dafür, mit Tomuschat51 jedem innerstaatlichen Gericht die unanfechtbare Entscheidung über die Anrufung des EuGH zuzubilligen. Nur so kann sich letztlich die integrierende Wirkung der EuGH-Rechtsprechung voll entfalten. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß manche berechtigte Vorlage abgefangen würde. 52 Die Frage braucht hier aber nicht weiter vertieft zu werden,53 denn die BeschwerdeTomuschllt, Vorabentscheidung, S. 141. Riegel RlW 1976, 110 und NJW 1975, 1049 (1053); Goose RIW 1975, 660ff.; Beckmann, S. 82ff. 49 EuGH, Entsch. vom 12. 2. 1974, Rechtssache 146/73 (Rheinmühlen . /. Einfuhr- und Vorratsstelle), Sig. Bd. 20 (1974), S. 139 (148), ergangen auf Vorlage des Hess.FinG. 50 Der EuGH war in gleicher Sache bereits vom BFH angerufen worden. Hierzu erging die Entscheidung vom 16. 1. 1974, RS 166/73, Sig. Bd. 20 (1974), S. 33. Das Hess.FinG hatte die Klage abgewiesen. Der BFH hob auf und verwies zurück. Im Rahmen dieses "zweiten Rechtsgangs" legte das FinG dem EuGH vor. Dagegen legte die Klägerin Beschwerde ein, die den BFH nun seinerseits zu der Vorlage an den EuGH veranlaßte mit der Frage, ob Art. 177 EGV die innerprozessuale Bindungswirkung (§ 126 V FGO) unberührt lasse. Der EuGH entschied, daß eine innerstaatliche Rechtsnorm, die die Instanzgerichte an die Auffassung des übergeordneten Gerichts bindet, diesen Gerichten nicht schon aus diesem Grund das in Art. 177 EGV vorgesehene Recht zur Anrufung des Gerichtshofes nehme; zum Problem Goose RlW 1975, 660f. und Dauses, Vorabentscheidung, S. 83 ff. und JZ 1979, 127. 51 Tomuschllt, Vorabentscheidung, S. 142 und EuGRZ 1979,258. 52 Goose (RlW 1975, 663) erörtert die Bindungsfrage und bemerkt richtig, daß das Beschwerdegericht den judex a quo in der Sachentscheidung nicht binden kann. 53 Daß dem Instanzrichter hinsichtlich der Vorlage ein Ermessen zusteht, ist nicht zweifelhaft, jedoch ist die Überprüfung richterlichen Ermessens keiner Prozeßordnung fremd und 47
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11. Inzidentverfahren im Verfassungsrecht und nach dem EGV
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fähigkeit der Vorlageentscheidung scheitert an einer anderen Erwägung, auf die auch schon Tomuschat hingewiesen hat: 54
Vorlagepflicht besteht für die letzte innerstaatliche Instanz. 55 Das ist im Strafprozeß das Beschwerdegericht, sofern weitere Beschwerde nicht eröffnet ist. Ist die Vorlage beschwerdefähig, hätte der judex ad quem vor Entscheidung über die Beschwerde dem EuGH vorzulegen. Der EuGH würde also einerseits mit der Vorlage des Instanzgerichts, andererseits mit der des Beschwerdegerichts befaßt. Das kann nicht Sinn des Art. 177 EGV sein. Dem steht der innerstaatliche Grundsatz der Prozeßökonomie entgegen. Die Entscheidung über die Vorlage kann nicht ihrerseits Vorlagepflicht auslösen. Mit der Vorlage aus Art. 177 EGV verhält es sich demnach ähnlich wie mit der des Art. 100 GG. Wird die Vorlageentscheidung der Instanz zugerechnet, löst die damit gegebene Beschwerdefähigkeit einen Konflikt zwischen dem innerstaatlichen Prozeßrecht und dem aufgrund des EGV dem EuGH zukommenden Entscheidungsmonopol aus. Dieses setzt sich zwar nicht unmittelbar gegenüber dem Instanzgericht, wohl aber mittelbar mit Hilfe der dem innerstaatlich letztinstanzlichen Gericht obliegenden Vorlageverpflichtung durch. Im Unterschied zu Art. 100 GG führt also nicht die Vorlagepflicht des judex a quo, sondern die der letzten innerstaatlichen Instanz zu diesem Widerstreit. Letztere vermag über die Vorlage des judex a quo nicht zu entscheiden, ohne ihrerseits vorzulegen. Der Ausweg aus diesem circulus vitiosus findet sich darin, das gesamte Vorlageverfahren - wie bei der Vorlage des Art. 100 GG - aus der Instanz herauszunehmen und einem gesonderten Inzidentverfahren zuzuweisen. Mithin ist, wenn auch aus anderen Gründen, die Vorlage aus Art. 177 EGV ebensowenig beschwerdefähig wie die des Art. 100 GG. 56
sogar Wesensmerkmal der Beschwerdeentscheidung, so daß Art. 177 11 EGV durchaus unter dem Vorbehalt innerstaatlicher Prüfung des dem Instanzrichter eingeräumten Ermessens stehen kann. Jedenfalls verträgt sich diese Auffassung mit dem Wortlaut des Art. 177 11 EGV und kann nicht damit entkräftet werden, daß das dem Instanzrichter zustehende Vorlagerecht "durch niemanden genommen" werden könne, so aber Goose RIW 1975, 661 und Riegel RIW 1976, 110 zur Kritik an EuGHE Slg. Bd. 20 (1974), 139 (148). 54 Tomuschat, Vorabentscheidung, S. 141. 55 Also auch für das LG als Berufungsinstanz in Zivilsachen, vgl. LG Lübeck NJW 1987, 594 mit krit. Anm. Reich; nicht hingegen für das OVG (BVerwG NJW 1987,601). 56 Tomuschat, Vorabentscheidung, S. 138 ff; Ehle NJW 1963, 2202ff.; Dauses, Vorabentscheidung, S. 84; anders Runge NJW 1963,748 f. und Maschmann NZA 1995,923 f. für das arbeitsgerichtliche Verfahren (Beschwerde befürwortet unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gegenansicht); Geiger Art. 177 Tz. 22: Gestattet das innerstaatliche Recht ein Rechtsmittel gegen die Vorlageentscheidung, so kann diese durch das Rechtsmittelgericht ohne Verstoß gegen Art. 177 11 nur wegen formeller Fehler oder mangelnder Erheblichkeit der Gültigkeitsfrage aufgehoben werden. Ähnlich GrabitzlHilflWohlfahrt Art. 177 Tz. 46.
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
c) Die Ablehnung der Vorlage
Hier gelten die Ausführungen zu Art. 100 GG entsprechend. d) Die Aussetzungsentscheidung
Auf die mit der Vorlage verbundene Aussetzung oder Unterbrechung sind die Ergebnisse zu dem nach Art. 100 GG ergehenden Aussetzungsbeschluß übertragbar. Die Beschwerde ist grundsätzlich statthaft, jedoch wird die Prüfungskompetenz des judex ad quem dahin reduziert, ob der Aussetzungsbeschluß auf der Vorlage nach Art. 177 EGV basiert. Trifft dies zu, ist die Beschwerde zwar zulässig, aber unbegründet. Die Prüfung der Vorlage selbst ist dem judex ad quem auch mittelbar auf dem Weg der Überprüfung der Aussetzungsentscheidung versagt. 3. Schlußfolgerungen für die Diagnose eines echten Zwischenverfahrens (Inzidentverfahrens)
Aus diesen beiden Problemkreisen ergeben sich Erkenntnisse für das Inzidentverfahren generell. Ob ein bestimmter Verfahrens gang aus dem Rechtszug herausgelöst und einem Inzidentverfahren zugewiesen ist, hängt u. a. vom Verbleib beim Gericht des Rechtszugs oder Verlagerung der Entscheidungskompetenz ab. Bei den Vorlagen aus Art. 100 GG und Art. 177 EGV behält das Instanzgericht die Kompetenz der Beurteilung einfachen Rechts, bei der letzteren auch des europäischen Rechts, nur die letzte innerstaatliche Instanz verliert diese Kompetenz und muß vorlegen. Ein Kriterium im Rahmen der Prüfung, ob ein bestimmtes Verfahren als echtes Zwischenverfahren (Inzidentverfahren) einzuordnen ist, muß die Beurteilungskompetenz des mit der Sache befaßten Gerichts sein. Ist diese auf ein anderes Entscheidungsgremium verlagert, liegt schon deshalb ein Inzidentverfahren vor. Bei nur teilweiser Verlagerung der Kompetenz hängt die Einordnung von weiteren Voraussetzungen ab. Wird die Kompetenz zwischen den einzelnen Entscheidungskörpern derart aufgespalten, daß ohne Kollisionsgefahr der ordentliche Rechtsmittelzug durchlaufen werden kann, besteht für die Auslagerung in ein Zwischenverfahren kein Anlaß. Auslagerung ist immer nur die Reaktion der Prozeßordnung darauf, daß sich ein solches Verfahren nicht in den Prozeß eingliedern läßt. Die Einordnung als Zwischen verfahren ist gleichsam der "klinische Effekt der Abstoßung" durch die Prozeßordnung. So lassen sich die Vorlageverfahren nach Art. 100 GG bzw. Art. 177 EGV nicht ohne nachhaltige Störung für den Verfahrensablauf in den Prozeßgang der ordentlichen Rechtsmittel einbeziehen. Die Diagnose echter Zwischenverfahren ist letztlich nichts anderes als eine Wertung, eine Untersuchung darauf, ob die jeweilige Prozeßordnung das Verfahren harmonisch in ihr Verfahrensrecht eingliedern kann. Wenngleich im Interesse eines
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
215
einheitlichen Prozeßgangs "Verfahren neben dem Verfahren" nicht unbedingt wünschenswert sind, wurden sie doch schon mannigfaltig auch in der StPO gesetzlich verankert, wie die nachstehende Untersuchung ergeben wird. 111. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO 1. Der Verteidigerausschluß
a) Die Ausschließungsentscheidung
Über den Ausschluß eines Verteidigers entscheidet nach § 138 c I das OLG bzw. der BGH. § 304 I gilt nicht, da keine Entscheidung im ersten Rechtszug und nicht im Berufungsverfahren ergeht. Ebensowenig ist Revision möglich, wobei entgegen der h.M. 57 § 336 S. 2 nicht einschlägig ist, da die Ausschließungsentscheidung keine "vorausgegangene Entscheidung" i. S. von § 336 S. 1 ausmacht. Das folgt nicht daraus, daß das erkennende Gericht ,,keine Freiheit" hätte, eine fehlerhafte Zwischenentscheidung des OLG zu korrigieren. 58 Dieser Gesichtspunkt ist schon deshalb nicht von Belang, weil auch in anderen Fällen, z. B. gegenüber der Beschwerdeentscheidung, die erste Instanz eine derartige Freiheit nicht besitzt, gleichwohl die Beschwerdeentscheidung als eine dem Urteil vorausgegangene von der Revision mit überprüft wird. 59 Das erkennende Gericht hat also gleichsam die Fehler seiner übergeordneten Beschwerdeinstanz mit zu vertreten. Auch ist § 336 S. 1 nicht deswegen unanwendbar, weil das Urteil auf einer fehlerhaften Ausschließungsentscheidung nicht beruhen könnte. Das Gegenteil ist der Fall, ein fehlerhafter Ausschluß des Verteidigers verletzt das Interesse des Angeklagten, über seinen Verteidiger auf die Sachverhaltsfeststellung Einfluß zu nehmen, ganz entscheidend. Die Irrevisibilität der Ausschließungsentscheidung folgt vielmehr allein aus der Inzidenz des Verfahrens. Die Entscheidung ergeht außerhalb der Instanzen. Das OLG entscheidet weder als erkennendes noch als nichterkennendes Gericht, vielmehr als "Gericht des Zwischenverfahrens". Es nimmt am Instanzenzug nicht teil. Die Ausschlußentscheidung ist aus dem gesamten Verfahren (vom Vor- bis zum Hauptverfahren) herausgelöst und dem Inzidentverfahren zugewiesen. Deshalb ist sie nicht revisibel.
§ 138 d VI 1 regelt den für das Inzidentverfahren typischen Rechtsbehelf der ,,zwischenbeschwerde". Dieser lehnt sich, was Form und Frist angeht, an die sofortige Beschwerde an, ist aber keine Unterart der einfachen (nicht fristgebundenen) Prozeßbeschwerde. Diese findet dem Wortlaut des § 304 I nach gegen eine 57 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 336 Tz. 6; LR-Hanack § 336 Tz. 19; zu den materiellen Voraussetzungen des Ausschlusses vgl. Jescheck, Dreher-Fschr. S. 785 ff.; Dünnebier NJW 1976, 1 ff. (3 ff.). 58 Vgl. die zutreffenden Ausführungen von Bohnert, S. 130. 59 Z. B. bei der Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung, vgl. die bereits mehrfach zitierte Entscheidung RG 59,241.
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Ausschließungsentscheidung nicht statt, erst durch § 138 d VII, dem insofern konstitutive Bedeutung zukommt, wird der Rechtsbehelf eigener Art zulässig. Die Zwischenbeschwerde hat Gemeinsamkeiten mit der gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts zugelassenen sofortigen Beschwerde. So ist gemäß § 231 a III 3 gegen den Beschluß (der stets ein solcher des erkennenden Gerichts ist), in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, sofortige Beschwerde eröffnet. Einfache Beschwerde wäre wegen § 305 S. 1 nicht statthaft, so daß ohne § 231 a III 3 der Beschluß Vorentscheidung i.S. von § 336 S. 1 und damit revisibel wäre. Obwohl also die gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts eingeräumte sofortige Beschwerde ebenfalls konstitutiven Charakter hat, weil ohne sie einfache Beschwerde nicht statthaft wäre, ist die Zwischenbeschwerde doch ein Rechtsbehelf sui generis. Der Beschluß, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, stellt zumindest eine ,,Entscheidung" i.S. von § 304 I dar und wird (nur) durch die Ausnahmebestimmungen der §§ 305 S. 1, 336 S. 1 der Beschwerde entzogen und der Revision zugewiesen. Dagegen handelt es sich bei den im Zwischenverfahren getroffenen Entscheidungen noch nicht einmal um solche nach § 304 I; deshalb kommt die Beschwerde vom Grundsatz her nicht in Betracht. Ein weiterer Unterschied des § 138 d VI 1 gegenüber Bestimmungen, welche sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts zulassen, liegt darin, daß die Zwischenbeschwerde nicht den Revisionsausschluß nach sich zieht, wie dies bei der sofortigen Beschwerde nach § 336 S. 2 der Fall ist. Gegen die Inzidententscheidung ist Revision schon nach § 336 S. 1 nicht statthaft, so daß sie selbst dann ausgeschlossen wäre, wenn es § 138 d VI 1 nicht gäbe. 60 b) Die Vorlageentscheidung (§ 138 c 11 1)
Über den Verteidigerausschluß entscheidet das OLG bzw. der BGH auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. Ob gegen die Vorlage Beschwerde statthaft ist, hängt zunächst davon ab, in welchem Stadium das Inzidentverfahren beginnt. Geschieht dies schon mit der Vorlageentscheidung, ist § 304 nicht einschlägig. Wird die Vorlageentscheidung noch nicht dem Inzidentverfahren zugerechnet (und damit der Beschwerde unterworfen), muß das Beschwerdegericht darüber entscheiden, ob die Vorlage rechtens ist. Das ist nicht zwingend die gleiche Entscheidung, die das nach § 138 c I zuständige Gericht zu treffen hat. Identisch ist der Entscheidungsgegenstand nur dann, wenn dem vorlegenden Gericht eine Prüfungskompetenz zugestanden wird, es also nur bei eigener Bejahung eines Ausschlußtatbestandes vorzulegen hat.So müßte das Beschwerdegericht, um die Entscheidung zu bestätigen, den Ausschliessungstatbestand ebenfalls überprüfen, denn davon hinge die Rechtmäßigkeit der Vorlage ab. 60 Bohnert, S. 130. Damit kommt es auf die Frage, ob § 336 S. 2 für "absolute Revisionsgründe" - etwa § 338 Nr. 8 - nicht gilt (so KK-Pikart § 336 Tz. 13), nicht an, jedenfalls nicht bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Verteidigerausschlusses.
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
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Bedingt also die Vorlageentscheidung eine Überprüfung der Vorlagegründe, befindet das Beschwerdegericht über den gleichen Streitstoff wie das nach § 138 d I zuständige Gericht. Letzteres ist nicht notwendig mit jenem identisch - etwa dann nicht, wenn das AG vorlegt. Beschwerdegericht wäre dann das LG, und es hätte über die Rechtmässigkeit der Vorlage an das OLG zu befinden. Die prozessuale Lage wäre in jedem Fall mißlich: Legt das AG vor, würde der Instanzenzug des Zwischen verfahrens, wenn § 304 für die Vorlageentscheidung gilt, vom zweistufigen zum dreistufigen ausgebaut. Zunächst müßte das LG über die Beschwerde gegen den Vorlagebeschluß, alsdann das OLG über die Vorlage selbst entscheiden. Aber auch wenn Beschwerdegericht das OLG ist, entstünde das Problem, ob dann als Beschwerdegericht "ein anderer Senat" (§ 138 c I 3) für die Beschwerdeentscheidung bzw. für die Ausschließungsentscheidung zuständig wäre. Selbst wenn dem vorlegenden Gericht eine Prüfungskompetenz nicht zugestanden wird, ändert sich an der Besonderheit der prozessualen Lage nichts. Mit der reduzierten Prüfung des vorlegenden Gerichts würde eine eingeschränkte Nachprüfung des Beschwerdegerichts korrespondieren. An der Statthaftigkeit und dem Instanzenzug änderte sich nichts, begrenzt wäre allein die Prüfung der Begründetheit der Beschwerde.
Die Beschwerdefähigkeit der Vorlageentscheidung ist unzweckmäßig, weil sie das durch den Gesetzgeber eingeführte Zwischenverfahren nach allen Richtungen hin komplizieren würde, im Rechtsmittelzug und bei der Kompetenz. Sinnvoll erscheint es deshalb, schon die Vorlageentscheidung dem Inzidentverfahren zuzurechnen. Sie ist keine Entscheidung im ersten Rechtszug oder in der Berufungsinstanz, auch wenn sie durch das Gericht eines dieser Rechtszüge getroffen wird. Das Gericht entscheidet nicht als Instanzgericht, sondern als Gericht des Zwischenverfahrens. § 305 S. I braucht, soweit es sich um die Entscheidung des erkennenden Gerichts handelt, nicht bemüht zu werden. Die Vorlageentscheidung kann mit Beschwerde nicht angefochten werden. c) Die Ablehnung der Vorlage
Lehnt das (erkennende) Gericht ausdrücklich eine von der StA beantragte Vorlage ab, erhebt sich die Frage, ob auch diese Entscheidung ,,im Zwischenverfahren" oder in der Instanz mit der Konsequenz der Beschwerdefähigkeit ergeht. Für letzteres spricht, daß andernfalls die StA keine Möglichkeit hätte, bei Ablehnung der Vorlage die Sache zur Entscheidung über die Ausschließung zeitnah vor das nach § 138 d I zuständige Gericht zu bringen. Das OLG Karlsruhe hält die Nichtvorlage für beschwerdefähig,61 da dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, keine "negative Entscheidungskompetenz" zukomme. 62 Damit wird der zweite Schritt vor dem ersten getan, denn ob 61 OLG Karlsruhe NStZ 1983, 281 mit zust. Anm. Bohnert; Bohnert, S. 132 ff.; zustimmend auch Remagen-Kemmerling, S. 184. 62 So auch Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 c Tz. 7; LR-Lüderssen § 138 c Tz. 12 im Anschluß an Bohnert NStZ 1983, 282 und im Gegensatz zur Vorauflage (LR 23-Dünnebier
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
das Gericht eine Prüfungskompetenz hat, sagt nichts über die Statthaftigkeit der Beschwerde aus. Das OLG sieht dies nicht als problematisch an und führt aus: "War das LG aus fonnellen Gründen nicht befugt, den Antrag der StA .. . abzulehnen, so durfte die StA dies mit der Beschwerde beanstanden.,,63
Hier wird von der Begründetheit auf die Statthaftigkeit geschlossen. Hat das Gericht keine Prüfungskompetenz, muß es vorlegen, eine die Vorlage ablehnende Entscheidung ist materiell unrichtig. Nicht jede falsche Entscheidung ist jedoch auch überprüfbar, und zur Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde enthält der Beschluß des OLG Karlsruhe außer der oben wiedergegebenen apodiktischen Behauptung nichts. Auch die Lösung von Bohnert64 überzeugt nicht. Er hält zwar den Nichtvorlagebeschluß für urteilsvorbereitend und "eigentlich" von § 305 S. 1 erfaßt, sagt aber nicht, warum dann die StA gleichwohl das Beschwerderecht haben soll. Hätte sie es (grundsätzlich), würde es im Fall der Nichtvorlage durch das erkennende Gericht von § 305 S. 1 ausgeschlossen. Entscheidend ist nicht, ob das die Vorlage ablehnende Gericht über eine - materielle - Prüfungskompetenz verfügt, sondern ob es einen fonnellen Weg gibt, die Entscheidung über den Nichtausschluß durch das Beschwerdegericht nachprüfen zu lassen. Dabei muß über eines Klarheit bestehen: Die Statthaftigkeit von Beschwerde (wie auch Revision) hängt nicht davon ab, ob das Instanzgericht (negativ in Fonn der Nichtvorlage) entscheiden darf, maßgeblich ist die Überprüfbarkeit der - wie auch immer begründeten - Nichtvorlage. Vorab ist also die Statthaftigkeit des Rechtsmittels zu untersuchen, wobei die der Beschwerde lediglich davon abzuhängen scheint, daß Revision ausgeschlossen, der Nichtausschluß also nicht beruhensgeeignet ist.
Da das Gesetz neben der Ausschließung (§ 138 a) die Zurückweisung (§ 146 a i. V. mit §§ 137 I 2, 146) regelt, empfiehlt es sich, die Beruhenseignung insgesamt zu untersuchen. Zu diskutieren ist sie für die Ablehnung der Vorlage (§ 138 c 11) sowie für die Zurückweisung und deren Ablehnung. Dahinstehen kann sie für die Ausschließung und deren Ablehnung, da gegen erstere die (sofortige) Beschwerde ausdrücklich eröffnet (§ 138 d VI), Revision dagegen ausgeschlossen 65 und die Ablehnung der Ausschließung ohnehin unanfechtbar ist (§ 138 d VI 3). Die Zurückweisung des Verteidigers ist in § 146 a (i. V. mit §§ 137 I 2, 146) geregelt, ist nicht Teil eines Zwischenverfahrens und im Gegensatz zu ihrer Ablehnung nicht beruhensgeeignet. 66 Wegen sachlichen Zusammenhangs mit der Ableh§ 138 c Tz. 9 u. 18); KK-LauJhütte § 138 c Tz. 5 (im Gegensatz zur Vorauflage, vgl. KK2. Aufl. - LauJhütte daselbst); anders KMR-Müller § 138 c Tz. 5 (differenzierend: keine Verpflichtung zur Vorlage durch das Gericht, Beschwerdemöglichkeit der StA). 63 OLG Karlsruhe NStZ 1983, S. 282. 64 Bohnert in der Anm. zu dieser Entscheidung NStZ 1983,282. 65 Schon nach § 336 S. I, nicht erst gemäß § 336 S. 2, die im Zwischenverfahren ergangene Ausschließung ist - weil sie im Zwischenverfahren ergeht - nicht Vorentscheidung. 66 Insofern darf hier auf Teil 5 11. 6. d) verwiesen werden.
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
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nung der Vorlage nach § 138 c II 1 wird die Ablehnung der Zurückweisung hier einheitlich behandelt. Zweifel an der Beruhenseignung kommen auf, wenn Ausschließungs- bzw. Zurückweisungsbestimmungen nur außerprozessuale Ziele - z. B. die Terrorismusbekämpfung - verfolgen, dann dienen sie nicht dem prozessualen Ziel eines der Prozeßbeteiligten, Einfluß auf gerichtliche Sachverhaltsfeststellung zu nehmen bzw. Einflußnahmen anderer hiervon fernzuhalten. Unter den Zurückweisungsbestimmungen ist zu differenzieren. Beruhenseignung einer die Zurückweisung nach § 137 I 2 ablehnenden Entscheidung besteht nicht. 67 Die Vorschrift verfolgt das Ziel, den ordnungsgemäßen Verhandlungsablauf zu sichern, dient nicht der Sachverhaltserrnittlung. Daher bezeichnet Dünnebier § 137 als Schutzvorschrift für das Gericht, nicht für den Angeklagten. 68 Die Bestimmung resultiert aus den Erfahrungen des Stamrnheim-Prozesses und anderer Verfahren, in denen Beschuldigte bis zu 14 Wahlverteidiger hatten, von denen einige für mehrere Angeklagte auftraten, wodurch der gesamte Verfahrensablauf behindert wurde. 69 Nach alledem ist die Ablehnung der Zurückweisung nach § 137 I 2 im Unterschied zur Zurückweisung selbseo keine Vorentscheidung LS. von § 336. Sie wird deshalb auch nicht von § 305 S. 1 erfaßt und ist beschwerdefähig, auch wenn das erkennende Gericht entscheidet. 71 Anders verhält es sich mit der Ablehnung der Zurückweisung nach § 146. Diese Bestimmung wurde zwar bei den Beratungen in eine Linie mit §§ 137, 138 abis d gestellt,72 was sich auch durch eine literarische Äußerung des damaligen BJM belegen läßt. 73 Indessen heißt es schon in den Materialien,74 das Verbot der Mehrfachverteidigung bezwecke, Interessenkollisionen der Verteidigung zu vermeiden, um deren Beistandsfunktion nicht zu beeinträchtigen. 75 Dieses Verbot schützt daher zumindest auch im Interesse gerichtlicher Sachverhaltserrnittlung das Anliegen des Beschuldigten, auf die gerichtliche Feststellung Einfluß zu nehmen. Dieses Recht kann sachgemäß nur von einem Verteidiger wahrgenommen werden, der
Im Ergebnis ebenso Kleinknecht / Meyer-Goßner § 137 Tz. 11. LR 23-Dünnebier § 137 Tz. 16. 69 Vogel NJW 1978, 1224. 70 V gl. u. 5. Teil 11. 6. d). 71 Widersprüchlich LR 23-Dünnebier § 137 Tz. 16, der einerseits § 305 anwendet, andererseits aber - richtig - § 336 ausschließt. 72 Vgl. die Nachweise aus dem Gesetzgebungsverfahren bei LR-Lüderssen § 146 Tz. 5 ff. 73 VogelNJW 1978, 1217ff. 74 BT-Drucks. 7/2526, S. 25. 75 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 146 Tz. I: Schutz des Beschuldigten auch gegen dessen Willen. 67
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
nicht im Interessenkonflikt steht. Eine fehlerhafte Ablehnung der Zurückweisung nach § 146 ist daher für den Angeklagten beruhensgeeignet. Unterläßt das Gericht, einen Verteidiger zurückzuweisen, obwohl die Voraussetzungen des § 146 erfüllt sind, lehnt es also Zurückweisung nicht durch ausdrücklichen Beschluß ab, gilt das gleiche. Beruhenseignung wird allerdings nur angenommen, wenn "die gemeinschaftliche Verteidigung der Aufgabe der Verteidigung tatsächlich widersprach.,,?6 Das ist eine aus der Kausalitätsbetrachtung folgende Einschränkung. Auf die effektive Urteilsbeeinflussung kommt es indessen nicht an, sondern nur darauf, daß die jeweilige Bestimmung generell Schutzwirkung für die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung im Auge hat. Versteht man § 146 wie eingangs geschildert, will die Vorschrift also eine sachgerechte (vom Interessenwiderstreit unberührte) Verteidigung sicherstellen, so dient sie solchen Einwirkungsrechten des Beschuldigten und damit prozeßordnungsmäßiger Interaktion, dann ist ihre Verletzung beruhensgeeignet, ohne daß es auf tatsächliche Beeinträchtigung ankäme. Die Übertragung dieser Überlegung auf Nebenkläger oder die StA würde voraussetzen, daß § 146 auch deren Interesse daran, von Mehrfachverteidigern ausgehende Einwirkungen aus dem Verfahren fernzuhalten, protegiert. Ein derartiger Fall liegt der Entscheidung OLG Ramm NStZ 1987, 476 zugrunde.?? Das Schwurgericht verwirft den Antrag der Nebenklägerin auf Zurückweisung des Verteidigers, weil ein Fall der Mehrfachverteidigung i.S. des § 146 nicht vorliege. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hält das OLG Ramm für unzulässig. Es bejaht § 305 S. 1 und stellt - methodisch richtig - auf den Zusammenhang mit § 336 S. 1 ab. Dieser besteht jedoch, anders als vom OLG Ramm gesehen, nur, wenn § 146 wirklich im Interesse der Interaktion auch das Mitwirkungsinteresse des Nebenklägers schützt. Den Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 146 folgend sollte die Vorschrift ausschließlich Loyalitätskonflikte i.S. sachgerechter Verteidigung unterbinden.?8 An Rechtspositionen anderer Prozeßbeteiligter war nicht gedacht. Im Ergebnis hätte daher das OLG Ramm die Beschwerde für statthaft halten müssen, weil die Ablehnung der Zurückweisung für den Nebenkläger nicht beruhensgeeignet, § 305 S. 1 folglich nicht einschlägig war. Vergleichbar muß bei den Ausschlußgründen differenziert werden. In § 138 bist Ausschliessungsgrund die "Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland". Die Bestimmung steht, wie Ulsenheimer zutreffend feststellt,?9 außerhalb des Spannungsfe1des zwischen Gericht, Verteidiger und Beschuldigtem, fern jeder Sachverhaltsfeststellung, so daß die Ablehnung der Vorlage aus § 138 b nicht beruhensgeeignet sein kann. 76
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KK-Laufhütte § 146 Tz. 18. NStE § 146 Nr. 5. LR-Lüderssen § 146 Tz. 1 ff.; BT-Drucks. 7/2526, S. 25. UlsenheimerGA 1975,115.
ill. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
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Die in § 138 a I Nr. 2 aufgezählten Gründe waren im ursprünglichen Entwurf nicht enthalten und verfolgen außerprozessuale Ziele. 8o Ihre Regelung hätte ebensogut im Rahmen des Vollzugsrechts erfolgen können. Die Ablehnung derartiger Vorlage birgt keine Beruhenseignung in sich. Bei den Ausschließungsgründen des § 138 a I Nr. I u. 3 stehen das Leitbild des Verteidigers, der Schutz der Rechtspflege und der geordnete Ablauf des Strafverfahrens im Vordergrund,81 Sekundäranliegen der Vorschrift dürfte es jedoch sein, sachfremde Einflüsse bei der Feststellung des Sachverhalts auszuschalten, so daß Beruhenseignung fehlerhafter Ablehnung der Vorlage anzunehmen ist. Unter dieser Prämisse drängt sich folgende Argumentationskette auf: § 304 I gilt für die Ablehnung der Vorlage, weil das Gericht nicht im Zwischenverfahren entscheidet, sondern es gerade ablehnt, durch positive Bescheidung der Vorlage in das Zwischenverfahren überzugehen. Dann ist für die Entscheidung des erkennenden Gerichts § 305 S. 1 einschlägig. Folgerichtig wäre die Ablehnung der Vorlage nach § 138 a Nr. I und 3 durch das erkennende Gericht nicht beschwerdefähig, sondern revisibel. Diese Konsequenz läßt sich - sofern die vertretene These von der Beruhenseignung zugrunde gelegt wird - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vermeiden. Es geht nicht an, einerseits generell die Beschwerdefähigkeit der Nichtvorlage anzunehmen, andererseits Entscheidungen des erkennenden Gerichts gegen § 305 der Beschwerde zu unterwerfen. Bei grundsätzlicher Geltung des § 304 I sind diese Entscheidungen wegen § 305 S. I der Beschwerde nicht zugänglich mit der Folge, daß etwa im eingangs zitierten vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fan 82 der StA nichts anderes übrig bliebe, als die fehlerhafte Nichtvorlage mit der Revision gegen das Urteil anzufechten.
Beschwerdefähigkeit der Nichtvorlage bedeutet automatisch Zulässigkeit der Revision gegen beruhensgeeignete Nichtvorlagen, also solche des erkennenden Gerichts. Das wiederum schafft Probleme. Die Nichtvorlage wäre i.S. von § 336 S. 1 Vorentscheidung, deren Revisibilität § 336 S. 2 nicht hindern würde, da gegen die Nichtvorlage sofortige Beschwerde nicht möglich ist. Was soll nun das Revisionsgericht überprüfen, und wie soll seine Entscheidung lauten? War die Nichtvorlage fehlerhaft, bieten sich drei Möglichkeiten an: 83 Das Revisionsgericht hebt das Urteil auf, verweist zurück und weist das erkennende Gericht zur Vorlage an; es hebt auf und legt selbst vor (entweder sich selbst - einem anderen Senat oder dem OLG); es schließt den Verteidiger selbst aus. Läßt man diese drei Möglichkeiten Revue passieren, scheiden die dritte und die zweite apriori aus; die dritte deshalb, weil das Revisionsgericht nicht gegen 80 81
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LR-Lüderssen § 138 aTz. 113; Uisenheimer GA 1975, 114 (für § 138 all 1,2 a.F.). Uisenheimer GA 1975, 107. OLG Karlsruhe NStZ 1983, 281. Vgl. Bohnert, S. 132 ff.
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3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
§ 138 c I selbst über die Ausschließung entscheiden darf, die zweite, weil es nicht dem untergeordneten OLG "vorlegen" kann - allenfalls noch "sich selbst". Die Zurückverweisung nach der ersten Variante würde wiederum den Instanzenweg verlängern. Außerdem hätte, wenn Revisionsgericht der BGH ist, dieser und nicht das OLG über die Vorlage entschieden, was § 138 c I nicht vorsieht.
Diese Mißhelligkeiten rühren nicht primär aus den Verfahrensregeln der Beschwerde her, sondern entstehen durch deren Verknüpfung mit den Besonderheiten des Ausschließungsverfahrens. Ungünstig wirkt sich die Automatik zwischen § 304 I und § 305 S. 1 aus, die Vorentscheidungen des erkennenden Gerichts generell der Revision zuführt. Diesem Rechtsmittel ist aber eine sachgerechte Behandlung der Ausschließungsgründe nicht gegeben, weil es dafür nicht vorgesehen ist. 84 Über die Revision läßt sich das Zwischenverfahren nicht handhaben. Der Eigenart des Inzidentverfahrens wird es demnach nicht gerecht, die Ablehnung einer auf die Ausschließungsgründe des § 138 a I Nm. 1 und 3 zielenden Vorlage der Beschwerde zu unterwerfen. Schon sie muß als Entscheidung ,,im Zwischenverfahren" behandelt werden. Nur so wird dieses halbwegs praktikabel. Wird dagegen die ablehnende Entscheidung der Beschwerde unterstellt, können zwar außerhalb des Hauptverfahrens ergehende Entscheidungen durch Beschwerde angefochten werden, nicht aber die des erkennenden Gerichts, so daß sich zwangsläufig die geschilderten Schwierigkeiten bei der Revision einstellen. Um deren Anfängen zu wehren, ist gegen die Ablehnung der Vorlage erst gar nicht Beschwerde zu eröffnen.
Konsequenz hiervon ist freilich, daß die Ablehnung einer derartigen Vorlage durch kein Rechtsmittel angefochten werden kann, durch kein ordentliches und auch nicht durch Rechtsbehelfe im Zwischenverfahren, weil letzteres keine solchen vorsieht. Einziger im Inzidentverfahren denkbarer Rechtsbehelf ist die als sofortige Beschwerde ausgestaltete Zwischenbeschwerde des § 138 d VI, die jedoch gegen Ablehnung einer Vorlage keine Anwendung findet. Kritiker dieser Lösung werden ihr entgegenhalten, damit werde § 138 c I umgangen. Das trifft jedoch nicht zu. Das Instanzgericht entscheidet gar nicht über die Ausschließung als solche, sondern nur dahin, daß nicht ausgeschlossen wird. Ausschließen darf es nicht, hierzu müßte es die Entscheidung des OLG bzw. des BGH herbeiführen. Rechtsmittelfähigkeit könnte der Gesetzgeber durch Einführung eines gesonderten Zwischenrechtsbehelfsverfahrens schaffen, also etwa Zwischenbeschwerde auch gegen die Ablehnung der Vorlage zulassen. Solange dies nicht geschieht, bleibt es bei Unanfechtbarkeit der durch das Instanzgericht vorgenommenen Ablehnung.
84 Allenfalls läßt sich daran denken, diese Revision mit den Möglichkeiten der Beschwerde auszustatten, ähnlich § 28 II 2.
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
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Absonderlich ist eine derartige Konstellation nicht. Sie ähnelt dem Vorlageverfahren nach Art. 100 GG. Hier sind zwei positive Entscheidungen über die Verfassungswidrigkeit notwendig. Das vorlegende Gericht legt nur vor, wenn es selbst die Bestimmung für verfassungswidrig hält. Hält es sie für verfassungsgemäß, legt es nicht vor und lehnt entsprechende Anregungen ab. Vergleichbar kommt es zur Entscheidung über die Ausschließung erst dann, wenn das vorlegende Gericht den Spruch des nach § 138 c I zuständigen Gerichts herbeiführt. Legt es nicht vor, ist ein Ausschluß nicht möglich.
Damit zeigt sich zugleich, wie gering die praktische Bedeutung der Prüfungskompetenz des Instanzgerichts im Rahmen der Beschwerdefähigkeit einer Vorlageentscheidung ist. Die Frage stellt sich nur dem Instanzgericht selbst. Kein Rechtsmittelgericht überprüft diese Kompetenz. Hält sich das Instanzgericht für nicht kompetent, legt es vor. Nimmt es eigene Kompetenzen in Anspruch, prüft es und legt vor, wenn es die Ausschlußtatbestände bejaht. Verneint es sie, legt es nicht vor. Unterbleibt aber die Vorlage, ist damit die Sache am Ende, und die Frage, ob dem Instanzgericht eine Kompetenz zusteht oder nicht, wird nicht erörtert, am allerwenigsten durch das Beschwerdegericht nachgeprüft. Entgegen der erwähnten Entscheidung des OLG Karlsruhe, der Bohnert zustimmt,85, 86 durfte das OLG als Beschwerdegericht nicht angerufen werden. Die Beschwerde war unstatthaft. Die StA konnte den Nichtausschluß weder mit Beschwerde noch mit Revision verhindern. d) Die Nichtbescheidung des Vorlageantrages
Bohnert hält die Nichtbescheidung in der Form wissentlicher oder unwissentlicher Ablehnung der Vorlage für revisibel. 87 Soweit es um die Ausschließung nach § 138 a I Nm. 1 und 3 geht, ist die ausdrückliche Ablehnung der Vorlage nicht beruhensgeeignet, weil sie dem Inzidentverfahren zugewiesen ist (vgl. oben unter c).88 Im Unterschied dazu ist im Fall unwissentlicher oder wissentlicher Nichtvorlage ein Beschluß expressis verbis nicht ergangen. Das Revisionsgericht hätte mithin nicht eine ausdrückliche Entscheidung i.S. des § 336 S. 1, sondern nur fehlerhaftes Verfahren in Gestalt der unterlassenen Entscheidung über die Vorlage zu beurteilen. 89 Das reicht für die Anfechtbarkeit nach § 336 S. 1 aus. 90 OLG Karlsruhe NStZ 1983,281. Bohnert NStZ 1983, 282 und Bohnert, S. 133. 87 Bohnert, S. 134. 88 Weitergehend Bohnert, S. 131: "Daß generell die Ausschließungsproblematik in den Beruhensbereich hineinreichen kann, sollte nicht bezweifelt werden", unter Hinweis auf die ältere höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ausschließung und § 338 Nr. 8. 89 Vgl. die entsprechende Konstellation, die sich aus der Wechselwirkung zwischen § 305 und § 336 ergibt. Zu der Frage, ob die Nichtbescheidung einer Beschwerde die (Verfahrens-) Revision rechtfertigen kann, vgl. oben 1. Teil IX 6. 90 V gl. o. I. Teil IX. I. 85 86
224
3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Da indessen die Vorlage nach § 138 c 11 2 sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag der StA erfolgen kann, ist bei der Frage nach der Revisibilität zu differenzieren. Hat das Gericht einen entsprechenden Antrag der StA nicht beschieden, ist dies ein Verfahrensfehler, zu dessen Überprüfung das Revisionsgericht nicht über die Erforderlichkeit der Ausschließung des Verteidigers befinden muß. Der Fehler liegt einfach in der Nichtbescheidung des Antrags. Geht die Rüge allerdings dahin, die Vorinstanz habe von Amts wegen vorlegen müssen, impliziert dies die Behauptung, der Verteidiger sei auszuschließen gewesen, denn nur dann darf das Gericht vorlegen. Dies wiederum würde dem Revisionsgericht die Überprüfung aufbürden, ob der Verteidigerausschluß geboten war, denn nur dann läge eine Gesetzesverletzung vor. Damit stünde das Revisionsgericht vor denselben (Verfahrens)fragen wie im Fall der ausdrücklichen Vorlageablehnung. Mithin darf diese Gesetzesverletzung nicht mit der Revision rügbar, sondern muß wie die ausdrückliche Vorlageablehnung inzident sein.
e) Die begleitenden Anordnungen
Zum Inzidentverfahren gehören auch Anordnungen nach § 138 c III. Sie können ebensowenig mit der Revision überprüft werden, sind auch nicht beschwerdefähig. Letzteres folgt aus § 304 - der nur Instanzentscheidungen, nicht solche außerhalb des Rechtszuges, betrifft -, nicht aus § 138 c III 3. Diese Vorschrift stellt lediglich klar, daß gegen Begleitentscheidungen auch im Inzidentverfahren jedes Rechtsmittel versagt ist. f) Entscheidungen über die Aufhebung des Verteidigerausschlusses
Liegen die Voraussetzungen des § 138 a III vor, ist die Ausschließung eines Verteidigers aufzuheben. Da Vorschriften über das Verfahren fehlen, sind die Bestimmungen über die Ausschließung sinngemäß anzuwenden, es entscheidet das nach § 138 c I zuständige Gericht auf Vorlage bzw. auf Antrag der StA, des Verteidigers oder des Beschuldigten. Die Entscheidung über die Aufhebung ergeht im Inzidentverfahren, so daß die Rechtsmittelfähigkeit nach den gleichen Grundsätzen wie im Hinblick auf die Ausschließungsentscheidung zu beurteilen ist. § 304 I gilt demnach für die Aufhebungsentscheidung ebensowenig wie für die Entscheidung über den Ausschluß, mit der Folge, daß auch § 304 IV nicht angewendet werden kann, denn die Aufhebungsentscheidung ist schon dem Grundsatz nach nicht beschwerdefähig. Was sofortige Beschwerde angeht, wird entsprechende Anwendung des § 138 d VI diskutiert,91 überwiegend jedoch verneint. 92 Die Ablehnung, einen Verteidiger91
LR-Lüderssen § 138 d Tz. 24; KK-Laufhütte § 138 d Tz. 17.
m. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
225
ausschluß aufzuheben, ist eben kein Ausschluß. Zu analoger Anwendung besteht kein Anlaß. Zwischenbeschwerde ist nur bei ausdrücklicher Eröffnung möglich. Die Entscheidung ist, weil im Inzidentverfahren ergangen, nicht revisibel. § 336 S. 1 gilt nicht für Inzidententscheidungen. Aus den gleichen Gründen wie beim Ausschliessungs- sind auch beim Aufhebungsverfahren (§ 138 a III) Vorlage und Ablehnung der Vorlage weder beschwerdefähig noch revisibel. Im Falle wissentlicher oder versehentlicher Nichtbescheidung des Vorlageantrages ist wie beim Ausschließungsverfahren Revision gegen eine Vorlageentscheidung nur deshalb ausgeschlossen, weil andernfalls unlösbare Überschneidungen mit dem Rechtsweg des Inzidentverfahrens entstünden. Das geschieht bei der Nichtbescheidung nicht, einem "gewöhnlichen" Verfahrensfehler, der das Revisionsgericht nur zur Zurückverweisung, nicht aber zu eigener Vorlage oder zur Entscheidung über die Aufhebung verpflichtet oder berechtigt; die fehlerhafte Nichtbescheidung der Vorlage ist revisibel.
2. Der Vorschlag Gössels: Zwischenverfahren zur Bestimmung der Unverwertbarkeit eines Beweismittels93
Rechtsfehlerhaft ist eine Verurteilung, die sich auf einen unter Verletzung eines Verwertungsverbots in die Hauptverhandlung eingeführten Sachverhalt stützt. Ein Problem des Verwertungsverbots stellt seine praktische Verwirklichung dar. Das dem Verbot unterliegende Material erbringt nämlich in vielen Fällen den Tatnachweis nicht für sich allein, sondern oft nur im Zusammenwirken mit anderen - zulässigen - Beweismitteln. Die Frage ist nun, wie in der Praxis das erkennende Gericht das verbotene Beweismittel - etwa ein Tonband mit dem Geständnis des Angeklagten - aus seiner Erinnerung tilgen und sich bei der Überzeugungsbildung auf zulässiges Material beschränken soll. Der zur Vermeidung dieser "psychischen Überforderung" (Gössel) verschiedentlich vorgeschlagene Weg der Selbstablehnung94 ist unvollkommen, sofern nicht zugleich das dem Verbot unterliegende Material aus der Akte entfernt wird. 95 Hierzu de lege ferenda der Vorschlag von Gössel: 96 92 Eindeutig Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 d Tz. 13; Remagen-Kemmerling, S. 183; etwas unstimmig LR-Lüderssen § 138 d Tz. 24; wenn die Ablehnung der Aufhebung identisch mit weiterem Ausschluß ist, müßte daraus die Anwendbarkeit des § 138 d VI folgen. 93 Zum folgenden vgl. Gössel NStZ 1984,422 und Gössel, Kleinknecht-Fschr., S. 133 ff. (143 ff.), sowie Gössel NJW 1981,2217 ff. und GA 1991,483 ff. Ähnlich etwa der von Fezer, Kleinknecht-Fschr., S. 120f. und JuS 1987,363 diskutierte Vorschlag des ,,zwischenstreits" über die Zulässigkeit einer Sperrerklärung nach § 96. Vgl. auch Koriath, Beweisverbote, S. 48: Wie ignoriert man schon Gewußtes? 94 Grünwald JZ 1966, 500; Dünnebier MDR 1964, 967; zum Problem vgl. Dencker, S. 140ff.; Sarstedt, Referat, S. 14ff.; Arzt, Peters-Fschr., S. 231 f.; Beulke ZStW 103 (1991), 657ff.
15 Weidemann
226
3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Ausschluß kraft Gesetzes der Richter, die nach ihrer Ansicht unverwertbares Material zur Kenntnis genommen haben; Verweisung des Verfahrens an einen gleichgeordneten Spruchkörper eines anderen Gerichts, wobei der Verweisungsbeschluß der sofortigen Beschwerde unterliegt. Mit dessen Rechtskraft ist das dem Verbot unterliegende Beweismaterial zu vernichten. 97
Dieses Verfahren ist als Zwischenverfahren im engeren Sinne (lnzidentverfahren) konzipiert. Die Unverwertbarkeit des Beweismittels stünde mit Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses fest. Sie wäre nicht revisibel, nicht erst wegen § 336 S. 2, sondern schon, weil die Entscheidung - außerhalb der Instanz ergangen - von § 336 S. 1 nicht erfaßt wird. Eine in diesem Verfahren eingeräumte "sofortige Beschwerde" wäre auch hier keine Spielart der einfachen Beschwerde, weil § 304 im Inzidentverfahren nicht gilt, sondern "Zwischenbeschwerde". Der Beschwerde unzugänglich wäre die Verweisung (in Verbindung mit dem Erkenntnis über die Unverwertbarkeit). Die Ablehnung der Verweisung, stillschweigend oder ausdrücklich, erginge nicht im Inzidentverfahren, wäre Teil der Instanz, so daß das negative Erkenntnis über die Unverwertbarkeit als Vorentscheidung des erkennenden Gerichts nach § 305 S. 1 der Beschwerde entzogen und nach § 336 S. 1 revisibel wäre. Teil des Inzidentverfahrens und damit rechtskräftig entscheidbar könnte nur das positive Erkenntnis über die Unverwertbarkeit (und die damit verbundene Verweisung) sein. Das rechtsfehlerhafte Nichterkenntnis der Unverwertbarkeit hingegen wäre ein "gewöhnlicher" Verfahrensfehler, mit der Revision zu rügen. Erkennt das Revisionsgericht auf Nichtverwertbarkeit, müßte Gössel folgend wegen des Verwertungsfehlers der Spruch aufgehoben und sodann die Sache (ins Inzidentverfahren) verwiesen werden. Das Verfahren zur Bestimmung der Unverwertbarkeit eines Beweismittels teilt mit dem des § 138 c die Versagung der Revisionsmöglichkeit gegen ein bestimmtes Erkenntnis und dessen Auslagerung in ein Inzidentverfahren. Anders als bei § 138 c geschähe dies allerdings nicht unter dem Aspekt der "Straffung" des Verfahrens auf Kosten der Rechte des Beschuldigten, es würde diesen vielmehr begünstigen, indem es das Verwertungsverbot rechtskräftig feststellt. Nicht die Entscheidung über das Verwertungsverbot schlechthin, nur die positive Feststellung wäre der Revision entzogen, die Ablehnung der Verwertung jedoch nach wie vor revisibel. Der Vorteil des Verfahrens liegt unbestreitbar darin, daß mit der Tilgung des belastenden Materials das neu befaßte Gericht ohne "Vorbelastung" an die. Beweiswürdigung herangehen kann, der praktischen Durchsetzung des Verwertungsverbots ohne Zweifel dienlich. Daß ein solches Verfahren jemals eingeführt wird, 95 Vgl. aber die "evident richtige" (so Paulus in der Anmerkung) Entscheidung AG Hameln, NStZ 1990, S. 293 mit Anm. Paulus: Unverwertbarkeit eines Geständnisses im Ermittlungsverfahren ohne vorherige Belehrung über die Aussagefreiheit. 96 Gössel NStZ 1984,422. 97 Nach dem Vorschlag Gössels (a. a. 0.) dürfen lediglich die Gründe für die Unverwertbarkeit des Beweismittels (nicht aber deren Inhalt) in die Verweisungs- und Beschwerdeentscheidung aufgenommen werden.
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
227
muß bezweifelt werden. Es widerstrebt der in den bisher normierten Inzidentverfahren zum Ausdruck gelangenden Tendenz des Gesetzgebers, die Stärkung der Rechte des Beschuldigten war insofern nicht gesetzgeberische Intention. Von der dem Fetisch der "freien Beweiswürdigung" verhafteten Rechtsprechung sind Anstöße in dieser Richtung ebensowenig zu erwarten. 98 3. Zuständigkeitsbestimmungen durch das gemeinschaftliche obere Gericht
Regelungen zur Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht finden sich in §§ 4 11 2, 12 11, 13 11 2, 14, 19, durch das zunächst obere Gericht in § 15 und durch den BGH in § 13 a. a) Die Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts
Einigkeit besteht darin, daß Entscheidungen des gemeinschaftlichen oberen Gerichts nicht im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren ergehen und deshalb nicht nach § 304 I der Beschwerde unterliegen. 99 Beschlüsse im Rechtszug sind nach der Entscheidung des OLG Schleswig nur solche, die das für die Entscheidung zuständige Gericht in einer bei ihm anhängigen Sache erläßt, nicht dagegen solche, die während des Rechtszuges aufgrund funktioneller Zuständigkeit ergehen. Voraussetzung für die Entscheidung "im Rechtszug" ist also die Zuständigkeit des Gerichts für die Sachentscheidung. lOo
Die Zuständigkeitsbestimmungen durch das gemeinschaftliche obere Gericht, das zunächst obere Gericht und den BGH sind der Beschwerde deshalb entzogen, weil es sich dabei jeweils um Inzidentverfahren handelt, um aus dem Rechtszug herausgelöste Verfahrensabschnitte. 101 98 Von dieser Sicht hat sich auch Dencker, obwohl er die Schwierigkeiten der praktischen Durchführung des Verwertungsverbots erkennt, letztlich nicht gelöst, wenn er eine Selbstablehnung des erkennenden Richters verwirft und sich mit dem Hinweis auf die dem Prinzip der freien Beweiswürdigung generell innewohnenden Gefahren begnügt (Dencker, S. 143). Der Gesichtspunkt des Ausschlusses kommt in § 148 all zum Ausdruck. Ein Richter, der unter einer besonderen Verfahrenskonstellation bestimmte Kenntnis erlangt hat, ist von der Befassung mit der Sache femzuhalten (vgl. BGH 29, 196 zur Begründung der Zuständigkeit des LG als Beschwerdeinstanz bei Entscheidungen im Überwachungsverfahren nach § 148 a. Der Grundsatz ist dem Gesetz also nicht fremd). 99 KK-Pfeiffer § 13 Tz. 6; LR-Wendisch vor § 7 Tz. 36; Giesler, S. 164. 100 OLG Schleswig SchlHA 1958, 235: Es ging um die Rechtsmittelfähigkeit eines Beschlusses, der die Übertragung nach § 15 aufhebt. Der Aufhebungsbeschluß ist wie der Übertragungsbeschluß nicht anfechtbar; ähnlich OLG Celle NdsRpfll957, 39 (Nr. 8). 101 Die Zuständigkeitsbestimmung des Obergerichts knüpft an einen Vorgang des Instanzgerichts an, vgl. Bohnert, S. 20, z. B. an das Scheitern der Zuständigkeitsvereinbarung in § 13 11, an den Zuständigkeitsstreit in § 14 usw. Nur die Regelung gemäß § 13 a ist nicht vom
15*
228
3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
b) Die Entscheidung des Instanzgerichts
Wie die Entscheidungen auf der Ebene der unteren Instanz zu behandeln sind, ist strittig. Das OLG Nürnberg läßt die Beschwerde gegen die Abgabe nach § 13 II zu, allerdings ohne Begründung. 102
Es gilt das zur Vorlage nach § 138 c 11 Ausgeführte. Wird die Beschwerde zugelassen, entscheiden Beschwerdegericht und oberes Gericht über den gleichen Streitgegenstand. Bei einander widersprechenden Entscheidungen würde der Strafprozeßordnung jede Auflösungsmöglichkeit fehlen. 103 So muß auch hier bereits der Beschluß, der die Entscheidung des oberen Gerichts veranlaßt, der Abgabebeschluß, als Teil des Inzidentverfahrens betrachtet werden. Er ergeht dann nicht im Rahmen der Instanz und unterliegt damit nicht der Beschwerdemöglichkeit aus § 304 I. Dies führt zur Frage nach der Revisibilität der Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht. Es geht dabei zwar nicht direkt um das Verhältnis von Beschwerde und Zwischenverfahren, es empfiehlt sich jedoch, einen Blick auf das des Zwischenverfahrens zur Revision zu werfen, um zu sehen, inwieweit die Gesamtlösung folgerichtig ist. Wegen der einerseits unwiderlegbar vermuteten, andererseits zu prüfenden Beruhenseignung ist zwischen dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 und dem relativen des § 337 zu unterscheiden. Für § 338 Nr. 4 kommt es nicht darauf an, ob die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht Vorentscheidung LS. des § 336 S. I ist. Hat das Instanzgericht "seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen", begründet dies die Rüge, andernfalls ist sie unbegründet; von Bedeutung ist allein die Richtigkeit der Zuständigkeitsannahme. Ist die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht falsch, greift die Rüge nach § 338 Nr. 4 gleichfalls durch, vorausgesetzt diese Bestimmung wird nicht auf die Konstellation beschränkt, bei der das Instanzgericht selbst seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hat, womit die Fälle der Zuweisung durch das Obergericht ausscheiden würden. Wird § 338 Nr. 4 in diesem Sinne ausgelegt, ist die Prüfung damit am Ende und der absolute Revisionsgrund nicht gegeVerhalten des Instanzgerichts abhängig. Im Fall des für die betreffende Vorschrift relevanten Vorgangs ist die Sache dem Obergericht vorzulegen, vgl. zu § 14 BGH 11, 56 (58): Eine "Entscheidung" ist nicht erforderlich. Der Form nach reicht Vorlage aus, so auch KK-Pfeiffer § 14 Tz. 2. Der Vorgang beim Instanzgericht, der die Tlitigkeit des Obergerichts auslöst, ist im folgenden Text - verkürzend - als "Vorlageentscheidung" bezeichnet. 102 OLG Nürnberg MDR 1965,678 (zust. HK-Lemke § 13 Tz. 8; Kleinknecht/MeyerGoßner 13 Tz. 8, ebenso AK-Dästner § 13 Tz. 9: Unzulässig nur, soweit Antrag nach § 13 II gestellt werden kann); anders KK-Pfeiffer § 13 Tz. 6 (Beschwerde unstatthaft, weil Abgabeentscheidung nicht Teil des Rechtszuges ist). 103 Bohnert, S. 21.
ill. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
229
ben. Sieht man diese Auslegung als zu eng, ist weiter darauf abzustellen, ob die Zuständigkeit schon deshalb nicht mit Unrecht angenommen worden sein kann, weil sie durch das Obergericht bestimmt wurde. Der Erfolg der Rüge hängt dann davon ab, ob die Zuständigkeits bestimmung durch dieses innerprozessuale Bindungswirkung entfaltet, und zwar nicht nur gegenüber dem Instanz-, sondern auch für das Revisionsgericht. Bindung im Verhältnis zum Instanzgericht würde für sich allein nicht genügen, denn die Zuständigkeit ist nicht deshalb nicht ,,zu Unrecht angenommen", weil das Instanzgericht - wegen der Zuweisung durch das Obergericht - nicht anders konnte, als sich für zuständig zu halten. Bleibt nämlich die Bindung auf das Instanzgericht beschränkt, ist das Revisionsgericht nicht gehindert, abweichend zu entscheiden.
Es spricht vieles dafür, die Bindung auf das Revisionsgericht auszuweiten; nur so läßt sich das Ziel des Gesetzes, die Zuständigkeit ein für allemal vorab zu klären, erreichen. Entsprechende Anwendung des § 358, der ebenfalls Bindung für das Instanzgericht und für den folgenden Spruch des Revisionsgerichts nach sich zieht, bietet sich an. 104 Zwingend ist diese Lösung nicht. Wer der Zuständigkeitsfrage größere Bedeutung zumißt, als das Gesetz von 1877 es tut,105 wird die Bindung nicht auf das Revisionsgericht ausdehnen und die Rüge nach § 338 Nr. 4 durchgreifen lassen. § 338 Nr. 4 kommt dann nicht zum Zuge, wenn man die entsprechende Rüge schon am Wortlaut der Vorschrift scheitern läßt, weil das Gericht nicht "seine" Zuständigkeit angenommen hat, sondern die Zuständigkeit durch das Obergericht bestimmt wurde. 106 Ferner greift der absolute Revisionsgrund nicht durch, wenn die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht innerprozessual auch das Revisionsgericht bindet.
In diesem Fall ist der relative Revisionsgrund des § 337 zu prüfen, und erst in diesem Zusammenhang gewinnt die Frage Bedeutung, ob die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht Vorentscheidung i.S. von § 336 S. I ist. Bei der absoluten Rüge nach § 338 Nr. 4 konnte dies dahinstehen, weil es nur auf die Fehlerfreiheit der Zuständigkeitsbestimmung ankam, nicht darauf, ob sie auf eigener Annahme des Instanzgerichts oder einer Bestimmung durch das Obergericht beruhte. Anders bei der Prüfung des § 337: Diese Vorschrift kommt nur dann zur Anwendung, wenn die oben aufgezeigten Überlegungen der Annahme eines absoluten Revisionsgrundes i.S. von § 338 Nr. 4 entgegenstehen. Erst unter dieser Prämisse wird es erheblich, ob eine Vorentscheidung (i.S. des § 336 S. 1) einerseits fehlerhaft ist und andererseits Beruhenszusammenhang mit dem Urteil aufweist. Die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht könnte eine solche Vorentscheidung sein. 104 Zum Problem TIedtke, S. 241 ff.; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 358 Tz. 10; LRHanack § 358 Tz. 15. 105 Bohnert, S. 24. 106 Zum Problem Bohnert, S. 23.
230
3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Hier ergibt sich ein Bezug zur Beschwerde insofern, als das Pendant des
§ 305 S. 1, nämlich § 336 S. 1, betroffen ist, der die nach § 305 S. 1 nicht
beschwerdefähigen Vorentscheidungen revisibel macht.
Nun ist aber die Zuständigkeitsbestimmung durch das Obergericht nicht LS. von
§ 305 S. 1 der Beschwerde "entzogen", sie ist ihr wegen § 304 I gar nicht erst un-
terworfen, weil die Entscheidung im Zwischenverfahren, außerhalb der Instanz, gefällt wurde. Die Frage zielt also dahin, ob die Kreise der von beiden Bestimmungen (§ 336 S. 1 und § 305 S. 1) urnfaßten Entscheidungen identisch sind oder ob § 336 S. 1 über die durch § 305 S. 1 geregelten Entscheidungen hinaus noch weitere einschließt. Die Antwort ergibt sich aus der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Sicht des Beziehungsgeflechts beider Vorschriften. Soll § 336 S. 1 nicht, wie weithin vertreten,107 überflüssig sein, dann kann diese Bestimmung nur in Verbindung mit § 305 S. 1 eine sinnvolle Funktion erfüllen, zusammen mit § 305 S. 1 die "Wasserscheide" zwischen Beschwerde und Revision zu markieren. Die Grenze wird bei der Eröffnung gezogen, indem die vor ihr ergangenen Entscheidungen der Beschwerde, die nachfolgenden der Revision zugeordnet werden. Aus diesem Blickwinkel ist es nicht angezeigt, der Revision über den Bereich des § 305 S. 1 hinaus weitere "Vorentscheidungen" zugänglich zu machen und damit den Kreis des § 336 S. 1 über den des § 305 S. 1 hinaus zu erweitern. Es ergibt keinen Sinn, e~{seits die Zuständigkeitsentscheidungen des Obergerichts, um einen andernfalls nicht auflösbaren Widerspruch zur hiergegen gerichteten Beschwerdeentscheidung zu vermeiden, aus dem Instanzverfahren herauszunehmen und dem Inzidentverfahren zuzuordnen, andererseits die gleichen Entscheidungen als Vorentscheidungen dem § 336 S. 1 und damit der Revision zu öffnen. Die Einordnung der obergerichtlichen Entscheidungen in das Zwischenverfahren verfolgt den Zweck, dem Obergericht die abschliessende Entscheidung über die Zuständigkeitsbestimmung zu ermöglichen. Soll dieses Ziel des Inzidentverfahrens erreicht werden, dürfen dessen Entscheidungen weder durch Beschwerde noch durch Revision angreifbar sein. Letztlich sind dies die gleichen Überlegungen, die - sofern die Voraussetzungen des § 338 Nr. 4 bejaht werden - zu entsprechender Anwendung des § 358 I führen, indem der Zuständigkeitsbestimmung des Obergerichts Bindungs wirkung nicht nur im Hinblick auf das Instanz-, sondern auch auf das Revisionsgericht zugeschrieben wird. Die Zielsetzung des Inzidentverfahrens verbietet es, Entscheidungen nur partiell aus der Instanz herauszulösen, indem sie für die Beschwerde gesperrt werden, für Revision aber weiterhin offen bleiben. Solche "Halbherzigkeit" läßt sich mit der ratio des Zwischenverfahrens, die Zuständigkeitsfrage bestandskräftig vorab zu klären, nicht vereinbaren. So verstanden ergibt sich folgende Lesart der §§ 304, 305 und 336: § 304 I ist die übergeordnete Regelung, die Beschwerde gegen Entscheidungen im Rechtszug grundsätzlich eröffnet. §§ 305 S. 1 und 336 S. 1 betreffen jeweils einen Teilbereich des § 304 I, revisible 107
LR-Hanack § 336 Tz. 1; Schmid, S. 268; Fuhrmann JR 1962, 322.
III. Einzelne Inzidentverfahren aus der StPO
231
Entscheidungen nach Eröffnung. Dem § 305 S. 1 entspricht für das Zwischenverfahren § 210 I, der den Beschwerdeweg gegen die Eröffnungsentscheidung sperrt, damit diese der Revision zugänglich sein kann. § 336 S. 1 erfaßt nur die nicht beschwerdefähigen Entscheidungen der §§ 305 S. 1, 210 I, keine weiteren. Nur so können die Bestimmungen der §§ 304, 305, 210 und 336 sinnvoll ineinandergreifen. 4. Das Überwachungsverfahren
Ein Verfahren besonderer Art hat das StPÄG 1978 in Gestalt des Überwachungsverfahrens nach § 14811 eingeführt, näher ausgestaltet durch § 148 a. Der Vollzug dieser Regelung liegt in den Händen zweier Richter,108 des Haftrichters und des Überwachungsrichters nach § 148 a. Ersterer weist Post und andere Gegenstände zurück, wenn sich der Verteidiger oder der Absender nicht damit einverstanden erklärt haben, die Gegenstände zuvor dem für Überwachungsmaßnahmen nach § 14811 zuständigen Richter vorzulegen (§ 148 all). Der Überwachungsrichter darf nicht mit dem Gegenstand der Untersuchung befaßt sein oder werden (§ 148 a 11), ist also niemals erkennender Richter. Demnach könnte auch das Überwachungsverfahren ein besonders gestaltetes, nicht zum Rechtszug gehörendes und so als Inzidentverfahren einzustufendes Verfahren darstellen. Die Einordnung dieses Verfahrens ist schwierig. Für ein Inzidentverfahren spricht zwar, daß der Überwachungsrichter niemals der erkennende Richter sein kann, gleichwohl sind seine Entscheidungen beschwerdefähig, wobei der Gesetzgeber eine Sondervorschrift, die die Anwendung des § 304 auf das Verfahren nach §§ 148, 148 a ausdehnt, nicht eingefügt hat. Er unterstellt offenbar als selbstverständlich, daß § 304 auch für das Überwachungsverfahren gilt. Damit wäre das Verfahren in die Instanz eingegliedert und die Anwendung des § 336 S. 1 zwingend. Der BGH sieht das Überwachungsverfahren als "Teil des Strafverfahrens". 109 Er hatte sich mit der Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Beschwerde gegen Überwachungsmaßnahmen aus § 120 1,11 GVG zu befassen. Gehörte das Verfahren zum Strafverfahren, läge es nach § 120 III GVG nahe, die Zuständigkeit des OLG anzunehmen. Das jedoch liefe der Intention des Gesetzes zuwider, da gerade nicht der mit der Sache befaßte Richter die Überwachungsmaßnahmen überprüfen soll. Weil das OLG erkennendes Gericht, also mit der Angelegenheit befaßt ist, beläßt es der BGH bei der allgemeinen Regelung des § 73 GVG, wonach das LG für die Bescheidung der Beschwerde zuständig ist.
108 109
LR-Lüderssen § 148 Tz. 49. BGH 29, 196 (198).
232
3. Teil: Beschwerde und Zwischenverfahren
Genau genommen ist die Frage der Einordnung dieses Verfahrens damit beantwortet, daß Entscheidungen des Überwachungsrichters, wie unbestritten angenommen wird,l1o der Beschwerde offenstehen. Deren Statthaftigkeit kann sich nur aus § 304 I ergeben, was wiederum voraussetzt, daß die Entscheidung im Überwachungsverfahren ,,im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren" ergeht. Wird das Verfahren als ein aus der Instanz ausgelagertes gesondertes Inzidentverfahren betrachtet, läßt sich Beschwerdefähigkeit der Überwachungsentscheidungen nicht begründen, da bei dieser Sicht § 304 auf das Verfahren nicht anzuwenden ist und eine ausdrückliche Beschwerdezulassung im Gesetz fehlt. Mit der Auffassung, die das Überwachungsverfahren als Teil des Strafverfahrens ansieht, korrespondiert die Meinung, Überwachungsentscheidungen nach Eröffnung wegen § 336 S. 1 als Vorentscheidungen für revisibel zu haltenYl Dem Revisionsrecht ist der Grundsatz nicht fremd, daß das erkennende Entscheidungen eines anderen Gerichts gleichsam "rnitzuvertreten" hat. So verhält es sich bei der einfachen Beschwerde. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist nicht die des erkennenden Gerichts, wenn auch das erstere die ,,in der Sache erforderliche Entscheidung" nach § 309 11 erläßt. Die Beschwerdeentscheidung ist aber der des erkennenden Gerichts gleichzusetzen und unterliegt nach § 336 S. 1 der Revision - obwohl sie nicht vom erkennenden Gericht getroffen wurde. So muß auch das Überwachungsverfahren gesehen werden. Daß der Überwachungsrichter nicht erkennender Richter ist und auch nicht sein darf, hindert nicht die Anwendung des § 336 S. 1 auf Entscheidungen aus dem Überwachungsverfahren. Diese können durchaus Vorentscheidungen nach § 336 S. 1 und der Revision zugänglich sein, was allerdings die Anwendbarkeit des § 305 S. 1 auf sie voraussetzt. Für die Beruhenseignung der einzelnen - im Gesetz nicht niedergelegten 112 Überwachungsmaßnahmen gelten die gleichen Maßstäbe wie für Entscheidungen nach § 305 S. 2. 113 Sie können - etwa unter dem Blickwinkel des § 336 Nr. 8 revisibel sein.
110 Kleinmecht/ Meyer-Goßner § 148 aTz. 12; KK-Laufhiitte § 148 aTz. 12; LR-Lüderssen § 148 aTz. 20. 111 LR-Lüderssen § 148 aTz. 22 a; KK-Laufhütte § 148 aTz. 13. 112 LR-Lüderssen § 148 aTz. 4. 113 Bohnert, S. 147; vgl. o. 1. Teil IX. 8.
Vierter Teil
Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art; besondere Verfahren; stillschweigender Beschwerdeausschluß; stillschweigende Beschwerdezulassung I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art Dem Grundsatz der Spezialität der Rechtsmittel folgend ist die Beschwerde überall da ausgeschlossen, wo das Gesetz einen anderen Rechtsbehelf vorsieht. l , 2 Im Gegensatz hierzu besagt die Alternativitätsmaxime, wie oben (I. Teil 11. und 111. 1.) ausgeführt, daß eine Entscheidung entweder dem einen oder dem anderen Rechtsmittel ("alternativ") unterliegt. In der Form, in der sie zur Abgrenzung von Revision und (allerdings nur sofortiger) Beschwerde herangezogen wird, verdient sie eher die Bezeichnung Prioritätsmaxime zugunsten der (sofortigen) Beschwerde, denn sie räumt dieser gegenüber der Revision den Vorrang ein und hat ihren gesetzlichen Niederschlag schließlich in § 336 S. 2 gefunden. Mit Hilfe des Spezialitätsgrundsatzes läßt sich das Verhältnis von Revision zu Beschwerde nicht bestimmen, keines dieser beiden ordentlichen Rechtsmittel kann für sich in Anspruch nehmen, das "speziellere" zu sein. Sie sind gleichrangig, ihre Zulässigkeit hängt vom Verfahrensstadium ab, in dem die anzugreifende Entscheidung ergeht. Der Spezialitätsgrundsatz setzt auch die Altemativitätsmaxime nicht voraus. Sie sind verschiedenartige Abgrenzungsprinzipien. Unter dem Aspekt möglicher Spezialität im Verhältnis zur Beschwerde sollen einzelne Rechtsbehelfe untersucht werden. 1. Die Autbebungsentscheidung nach § 51 11 3
Einem ordnungsgemäß geladenen und nicht erschienenen Zeugen werden nach
§ 51 I die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, zugleich wird
gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt, weitere Zwangsmaßnahmen sind zulässig.
I Bzw. wenn das Gesetz - wie in § 117 11 1 geschehen - die Beschwerde ausschließt, wenn ein (spezieller) Rechtsbehelf eingelegt ist. Der Haftprüfungsantrag hat stets Vorrang vor der Haftbeschwerde (KleinknechtIMeyer-Goßner § 117 Tz. 14; KK-Boujong § 117 Tz. 6ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). 2 LR-Gollwitzer § 304 Tz. 33; KleinknechtlMeyer-Goßner § 304 Tz. 5; KK-Engelhardt § 304 Tz. 25; Ellersiek, S. 117; BGH 10, 88 (91), obiter wird als Beispiel § 319 11 angeführt; ebenso BGH 11, 152 (155) für § 34611.
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
Gegen den Beschluß, auch wenn ihn das erkennende Gericht getroffen hat, kann der Zeuge Beschwerde einlegen (§ 305 S. 2). Ist der Zeuge nachträglich genügend entschuldigt, werden die Anordnungen unter den Voraussetzungen des § 51 11 2 aufgehoben (§ 51 11 3). An dieser Regelung ist zweierlei eindeutig: Über die nachträglich vorgebrachten Gründe (§ 51 11 3) muß zunächst der judex a quo entscheiden. Gegen den Beschluß nach § 51 I ist unbestritten die Beschwerde eröffnet - sofern keine neuen Entschuldigungsgründe (i.S. von § 51 11 3) vorgebracht werden. Strittig ist, ob eine auf die neuen Gründe gestützte Beschwerde zulässig ist oder erst gegen den aufrechterhaltenden Beschluß nach § 51 11 3 zulässig wird. 3 Letzteres wird damit begründet, daß dem Beschwerdeführer andernfalls eine Instanz verloren ginge. Auf den ersten Blick erscheint § 51 11 3 als Musterbeispiel der Normierung des Spezialitätsgrundsatzes,4 sieht doch das Gesetz in Gestalt dieser Bestimmung einen eigenen Verfahrens weg vor, um die Aufhebung einer Entscheidung durch das Vorbringen neuer Gründe zu erreichen. Nähere Betrachtung legt jedoch die Überlegung nahe, ob nicht die Zulässigkeit der Beschwerde im Rahmen des § 51 11 3 ganz unnötig zum Problem erhoben wird. Die angesprochene Zulässigkeit ist nämlich weniger für den Beschwerdeführer als für das Gericht bedeutsam, dessen Entscheidung angefochten wird. Es geht wesentlich um die Verfahrensweise des judex a quo. Nach (richtiger) h.M. muß das Beschwerdegericht ihm die Sache zur Nachholung der Entscheidung nach § 51 11 3 "zurückgeben". Die - mit neuen Gründen - gegen den Beschluß nach § 51 I einge3 OLG Hamm, Beschluß vom 1. 4. 1957, GA 1958, 92; OLG Hamm, Beschluß vom 21. 2. 1983, GA 1983,366 (allerdings nicht mit der Konsequenz der Verwerfung, sondern der "Zurückgabe" an die Vorinstanz zur Nachholung der Entscheidung nach § 51 11 3); OLG Frankfurt NJW 1964, 2124; LR-Dahs § 51 Tz. 31; anders LG Itzehoe SchlHA 1988,36. 4 OLG Düsseldorf (NStE Nr. 1 zu § 213 StPO) versagt dem Zeugen das Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Terminsverlegung. Ihm stehe in Gestalt des § 51 ein besonderes Verfahren einschließlich des Beschwerderechts gegen etwa im Fall des Ausbleibens angewandte Ordnungsrnittel zu. Ob das so richtig ist, muß bezweifelt werden, denn Gegenstand des § 51 ist die Anfechtung des Ordnungsmittels, Objekt der Beschwerde war im konkreten Fall hingegen die Terminsverlegung. Es waren also zwei verschiedene Entscheidungen angefochten. § 51 ist nicht das "spezielle Verfahren" zur Erreichung der Terminsverlegung. Was das OLG Düsseldorf meint, ist folgendes: Der Zeuge ist durch die Terminierung nicht betroffen, denn er hat nur ein Interesse, nicht wegen Abwesenheit mit Sanktionen belegt zu werden. Also kann ihm vernünftigerweise die Terminierung gleichgültig sein, wenn er nur nicht zu erscheinen braucht. Es wäre richtig gewesen, die Zulässigkeit am Fehlen der Beschwer scheitern zu lassen. Auch der Hinweis auf die Terminshoheit des Vorsitzenden, der zweite Grund für die Verneinung der Statthaftigkeit der Beschwerde, ist fehl am Platz. Das OLG weist auf OLG Stuttgart NJW 1976, 1647 und Celle NStZ 1984,282 hin, deren Entscheidungen allerdings nicht den Antrag eines Zeugen betreffen.
I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
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legte Beschwerde wird also nicht als unzulässig verworfen, sondern die Vorinstanz dazu angehalten, zunächst die eigene Entscheidung über die neuen Gründe nachzuholen. Die Abhilfeentscheidung wird also als einzige Vorentscheidung des Beschwerdeverfahrens durch denjudex ad quem überprüft. 5 In einem Beschluß zum Abhilfeverfahren führt das OLG München überzeugend aus, schon der judex a quo sei im Rahmen des § 306 11 verpflichtet, neues Vorbringen selbst zu bescheiden und sich bei der Vorlage an das Beschwerdegericht nicht auf den formularmäßigen Nichtabhilfehinweis zu beschränken.6 Andernfalls ist ihm die Sache zur Nachholung der Abhilfeentscheidung zurückzugeben. Wenn das Gericht - im Anschluß an eine zivilprozessuale Entscheidung des OLG Frankfurt7 - in der Verpflichtung des judex a quo, neues Vorbringen selbst zu bescheiden, einen in allen Prozeßordnungen verankerten - also auch in der StPO geltenden - allgemeinen Rechtsgedanken sieht, so können diese Gründe dahingehend ergänzt werden, daß dieser Gedanke in § 51 11 3 verkörpert ist. Die Vorschrift kann sinnvollerweise nicht anders als eine substantielle Ausprägung des in § 306 11 vorgesehenen Abhilfeverfahrens im Rahmen einer gegen den Beschluß nach § 51 I eingelegten Beschwerde betrachtet werden. 8 Hiernach entscheidet das Beschwerdegericht entgegen § 309 11 im Fall einer formell ungenügenden Abhilfeentscheidung nicht sogleich selbst in der Sache, sondern gibt an die Vorinstanz zurück. 9 Aus dieser Sicht klären sich auch die strukturellen Zusammenhänge. Unzweifelhaft ist die Beschwerde gegen den Beschluß nach § 51 I statthaft, gleichgültig, ob sie mit neuem oder altem Vorbringen begründet wird. Angabe von Gründen ist für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht relevant. Infolgedessen kann auch die Art der Gründe für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht von Bedeutung sein. Demnach eröffnet § 51 11 3 kein besonderes Verfahren zur Aufhebung des Beschlusses durch das Vorbringen neuer Gründe. Die Bestimmung ist nur eine Konkretisierung des in § 306 11 niedergelegten Grundsatzes,1O daß das Gericht vor der Vorlage an das Beschwerdegericht den angefochtenen Beschluß selbst zu überprüfen hat, und zwar nach allen Richtungen, insbesondere auch auf "neue Gründe". Die durch das OLG Frankfurt für die ZPO herausgearbeiteten Grundsätze gelten uneingeschränkt für den Strafprozeß, zumal § 306 11 der entsprechenden Vorschrift der ZPO "genau nachgebildet" ist, wie es in den Beratungen heißt. 11 5 Vgl. oben 1. Teil X. 2. a). Zur Nachholung der Abhilfeentscheidung führt OLG Hamm StV 1996,421 (422) richtig aus: "Das Abhilfeverfahren weist da einen wesentlichen Verfahrensmangel auf, so daß der Nichtabhilfebeschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfefrage ... zurückzuverweisen war." 6 OLG München IR 1974,204. 7 OLG Frankfurt NJW 1968,57. 8 Wie hier Schoene GA 1980,418 f. 9 Vgl. unten 4. Teil II 2 (zum Ausschluß der Beschwerde gegen die Nichtabhilfe). 10 So mit Recht Schoene GA 1980,419. II Vgl. Abg. Becker, Hahn III/2, S. 1406.
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
Wenn gegen die Nichtabhilfe i.S. von § 306 II bzw. § 51 11 3 nicht wiederum gesondert Beschwerde statthaft ist, kann dies nicht darauf zurückgeführt werden, das Gesetz sehe einen gesonderten Rechtsbehelf vor. Aus der Verfahrens struktur der Beschwerde ergibt sich indessen, daß das Abhilfeverfahren eine der Beschwerdeentscheidung notwendigerweise vorausgehende zu durchlaufende ,,Rechtslage" darstellt, die nicht ihrerseits zur Beschwerdefähigkeit einer in dieser Prozeßlage ergehenden Entscheidung führt. 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 238 11)
Wird eine der Sachleitung zugehörige Anordnung des Vorsitzenden als unzulässig beanstandet, entscheidet nach § 238 11 das Gericht. Gegen Verfügungen des Vorsitzenden ist Beschwerde statthaft (§ 304 I). Wie verhält sich das Beanstandungsrecht nach § 238 11 zur Beschwerde? Da § 238 II nur die in der Hauptverhandlung ergangenen Anordnungen betrifft, ist das über die Beanstandung entscheidende Gericht das erkennende. Neben § 304 I ist demnach auch § 305 einschlägig. Die h.M. wendet auf Anordnungen des Vorsitzenden ohne Bedenken § 305 S. 1 an,12 obwohl diese Vorschrift im Unterschied zu § 304 I nur von "Entscheidungen" der erkennenden Gerichte spricht. 13 Das ist insofern richtig, als § 304 I eine formelle Entscheidung nicht voraussetzt. 14 Allerdings entscheidet bei Sachleitungsanordnungen des Vorsitzenden (zunächst) das Gericht (§ 238 II). Dennoch: Gäbe es § 23811 nicht, müßte § 305 S. 1 "wohl oder übel" auf~ntschei dungen des Vorsitzenden ausgedehnt werden. 15 Die Beurteilung der Bedeutung des § 238 11 ist uneinheitlich. 16 Vom Standpunkt der herkömmlichen Auffassung, die zwischen Sach- und Verhandlungsleitung unterscheidet,17 kommt der Vorschrift sowohl rechtsmitteleingrenzender als auch -erweiternder Charakter zu. 18 Rechtsmittelbegrenzend ist § 238 II, indem die Anrufung des Gerichts als der speziellere Rechtsbehelf die Beschwerde ausschließt. 19 Allerdings hat diese Einschränkung des Beschwerderechts für beruhensgeeignete Verfügungen keine Bedeutung, weil diese ohnehin wegen § 305 S. 1 der Beschwerde nicht zugänglich 12 KK-Engelhardt § 305 Tz. 4 (differenzierend); KK-Laujhütte § 141 Tz. 12 (dazu unten); Kleinknecht/Meyer-Goßner § 305 Tz. 3. 13 Hierauf weist bereits Erker, S. 60, hin: Der Regelungskomplex ist derart durchkonstruiert, daß das Bedürfnis nach entsprechender Anwendung oder Analogie wenig wahrscheinlich sein dürfte. 14 V gl. o. 1. Teil IX. 1. 15 Erker, S. 63. 16 Zur Bedeutung des § 238 II vgl. Fuhrmann GA 1963,65 ff.; Bohnert, S. 166ff. 17 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19: Die Sachleitung ist Teil der Verhandlungsleitung. 18 Vgl. die Zusammenstellung bei Giesler, S. 284ff. 19 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 21; LR-Gollwitzer § 238 Tz. 38.
I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
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sind. 20 Wird nun, der h.M. folgend, als Sachleitung der Teilbereich der Verhandlungsleitung definiert, der unmittelbar oder mittelbar der Urteilsvorbereitung dient,21 so weist diese Fonnel eine gewisse Ähnlichkeit mit den Fonnulierungen auf, die herkömmlich zur Eingrenzung von der Beschwerde gemäß § 305 S. 1 entzogenen Entscheidungen verwandt werden. 22 Im einzelnen ist hier freilich vieles umstritten. 23 Wenn auch die früher übliche Differenzierung anhand der Begriffspaare fonnell / materiell oder "äußere Ordnung" / "Sachgestaltung,,24 überholt sein dürfte,25 so hat doch die neuere Unterscheidungsfonnel, die darauf abstellt, ob die Maßnahme der Urteilsförderung dient oder nicht, zur Schärfung der Begriffsbildung kaum beigetragen. 26 Nach wie vor leidet die Abgrenzung der Sach- von der Verhandlungsleitung an mangelnder Eindeutigkeit, so daß neuere Auffassungen auf diese Differenzierung völlig verzichten. 27 Wichtig für das Verhältnis der Beschwerde zu dem besonderen Rechtsbehelf28 des § 238 ist die Erkenntnis, daß Maßnahmen, die sich bei herkömmlicher Betrachtung als solche der Sachleitung darstellen, zugleich beruhensgeeignet und damit nicht beschwerdefähig sind. Folgt man etwa der funktionalen Betrachtung Gollwitzers, wonach sachleitend alle Maßnahmen sind, "die die Urteilsfindung fördern sollen, die also unmittelbar oder mittelbar der Vorbereitung des Urteils dienen",29 so ist ein Unterschied zwischen der Definition der Sachleitung und der des Beruhenszusarnmenhangs nicht erkennbar; als beruhensgeeignet sieht Gollwitzer jede fehlerhafte Maßnahme an, "die den Verfahrens gang beeinflußt hat und die sich deshalb auf die Urteilsfindung ausgewirkt haben kann .•.30 "Sachleitend" wird damit deckungsgleich mit "beruhensgeeignet". Eine Maßnahme, die nicht zur Sachleitung gehört, ist hiernach nicht beruhensgeeignet im überkommenen Sinne, mithin nicht revisibel, daher beschwerdefähig. Damit entspricht bei dieser Ausgangssituation die Grenzziehung zwischen Sach- und Verhandlungsleitung der Unterscheidung von beschwerdefähigen und der Beschwerde nach § 305 S. 1 entzogenen Entscheidungen. 31 Der Beruhenseignung kommt bei dieser Sicht in zweierlei Hinsicht Bedeutung zu. Zum einen qualifiziert sie die angefochtene Entscheidung als Vorentscheidung LS. des § 336 S. I, KK-Treier § 238 Tz. 15; LR-Gollwitzer § 238 Tz. 38. LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19; auch Eh. Schmidt § 238 Tz. 7; Beulke Tz. 373 f. 22 Bohnert, S. 170, setzt Sachleitung i. S. von § 238 II mit Beruhenseignung gleich, dazu Erker, S. 62. 23 Vgl. die Nachweise bei LR-Gollwitzer § 238 Tz. 20. 24 RG 42, 157; Kleinknecht / Meyer bis zur 38. Aufl. § 238 Tz. 4, 5. 25 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19. 26 Vgl. LR-Gollwitzer § 238 Tz. 20ff. 27 Erker, S. 26ff.; zustimmend Gössel ZStW 1991,499 und schon Gössel GA 1977, 282 (gegen die "begriffliche Eingrenzung") und Kaufmann-Ged.Schr., S. 985. 28 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 21: Zwischenrechtsbehelf. 29 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19. 30 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 40. 31 Richtig deshalb Bohnert, S. 170 f. 20
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was zur Versagung der Beschwerde und zur Eröffnung der Revision führt. Zum anderen gibt der Beruhenszusammenhang den Ausschlag dafür, die betreffende Anordnung als sachleitungsbezogen anzusehen. 32 Setzt man ,Sachleitung' mit ,Beruhenseignung' gleich, ist eine Sachleitungsmaßnahme i.S. v. § 238 11 nicht beschwerdefahig, sondern revisibel. 33 Sie ist Vorentscheidung i.S. der §§ 305 S. 1, 336 S. 1. Schon wegen ihrer Beruhenseignung werden Sachleitungsanordnungen von § 304 I nicht betroffen, indem sie seiner Geltung automatisch durch § 305 S. 1 entzogen sind. § 238 11 schafft keine - zusätzliche - Beschränkung des Beschwerderechts. Eine Ausweitung der Anfechtungsbefugnis bringt § 238 11 insofern, als dem Verfahrensbeteiligten gegen eine Entscheidung, die er andernfalls nur mit der Revision anfechten könnte, zusätzlich ein weiterer Rechtsbehelf in Gestalt der Anrufung des Gerichts eröffnet wird. 34 Sieht man als sachleitend nur beruhensgeeignete Maßnahmen an, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Beanstandungsrecht und Beschwerde praktisch nicht, denn der Antrag nach § 238 11 erlaßt nur den revisiblen Bereich, und dieser ist der Beschwerde (spätestens) nach §§ 305 S. 1,336 S. 1 unzugänglich. Die herkömmliche Diktion, daß gegen Anordnungen des Vorsitzenden Beschwerde infolge von § 305 S. 1 ausgeschlossen sei,35 ist deshalb zwar vereinfachend (weil sie § 304 I letzten Halbsatz übergeht und sogleich auf den Ausnahmetatbestand des § 305 S. 1 zu sprechen kommt), im Ergebnis aber richtig. Deutlich wird das Problem bei der Auffassung Laufhüttes zur Frage der Beschwerdeflihigkeit von Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung. Laufhütte hält sie ausnahmslos fur beschwerdefähig, auch soweit sie vom Vorsitzenden erlassen sind,36 mit Ausnahme derer allerdings, die von § 238 II erfaßt werden. 3? Das beruht offensichtlich 32 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19: "alle Maßnahmen, die das Urteil fördern sollen, die also unmittelbar oder mittelbar der Vorbereitung des Urteils dienen"; ähnlich schon Eb. Schmidt § 238 Tz. 7. 33 Vgl. Fezer II 19 Tz. 160. Die Anordnung kann daher vom Boden dieser Ansicht aus nicht sowohl § 238 II als auch der Beschwerde unterworfen sein. Unterliegt sie § 2381I, dann wegen des Sachleitungscharakters, der aber zugleich die Beruhenseignung anzeigt und damit die Beschwerdesperre nach § 305 S. I auslöst. Vom Standpunkt dieser herkömmlichen Auffassung aus ist OLG Hamm NJW 1973,818 folgerichtig. Die Entscheidung hat überdies den Vorzug, daß sie - als eine der wenigen unter den zahlreichen, die sich mit der Pflichtverteidigerbestellung befassen - die naheliegende Problematik des § 238 II aufzeigt. Sie nimmt Beschwerdeausschluß wegen des Beanstandungsrechts an. Das entspricht der in dieser Untersuchung vertretenen Ansicht; ebenso OLG Zweibrücken VRS 50, 437. 34 Giesler, S. 285. 35 LR-Gollwitzer § 238 Tz. 38; KMR-Paulus § 238 Tz. 55; anders KK-Treier § 238 Tz. 15. 36 KK-Laujhütte § 141 Tz. 12. 3? KK-Laujhütte § 141 Tz. 12: "Die Entscheidung des Vorsitzenden ist grundSätzlich mit der Beschwerde anfechtbar. Die Auffassung, § 305 schließe die Beschwerdemöglichkeit aus ... , trifft nicht zu ... , da § 305 nur Entscheidungen des erkennenden Gerichts erfaßt, nicht jedoch Entscheidungen, die allein der Vorsitzende - auch während der Hauptverhandlung
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auf der bereits von Bohnert vorgenommenen GJeichsetzung 38 von Beruhenseignung (§§ 305, 336) mit der Sachleitung des § 238 1139 und ist in sich folgerichtig. Ist eine Entscheidung nach § 140 nicht beruhensgeeignet, schließt dies sowohl das Beanstandungsrecht nach § 238 II als auch die Anwendung des § 305 S. 1 aus, so daß es bei dem al1gemeinen Grundsatz der Beschwerdefähigkeit (§ 304 I) verbleibt. Bei Beschwerde eines Dritten i.S. von § 304 II muß das Verhältnis zwischen Beanstandungsrecht und Beschwerde grundsätzlich geklärt werden, denn der Kunstgriff, die Beschwerde jedenfal1s über § 305 S. I auszuschließen, gelingt hier nicht, weil § 305 S. 1 wegen S. 2 im Fall des Dritten nicht einschlägig ist. Für einige hierzu ergangene Entscheidungen bestand wiederum keine Notwendigkeit zu einer solchen grundsätzlichen Klärung, da das Stadium des § 238 11 bereits durchlaufen war. 40 Die Frage wird meist mit Bezug auf §§ 242, 273 III 2 erörtert. 41 Diese Bestimmungen sind dem § 238 II verwandt,42 ohne daß es hier auf den Grad dieser Verwandtschaft ankäme.
Zunächst zu § 242: Beschwerde wird gegen die entsprechende Entscheidung des Gerichts für statthaft gehalten, gegen die des Vorsitzenden soll der Antrag nach § 238 11 zulässig sein,43 Beschwerde hiergegen wird zwar nicht expressis verbis ausgeschlossen, jedoch wird offenbar angenommen, das Verfahren nach § 238 11 (bzw. nach § 242, sofern diese Bestimmung als lex specialis angesehen wird) sei vorzuschalten. 44 ohne die Möglichkeit der Anrufung des erkennenden Gerichts ... - in Angelegenheiten zu treffen hat, die nicht in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, sondern die der Sicherung des justizförrnigen Verfahrens dienen." Das bedeutet: Soweit es sich nicht um Sachleitung handelt, wird Beschwerdefähigkeit der Entscheidungen angenommen. Kann hingegen das erkennende Gericht angerufen werden, ist die Entscheidung des Vorsitzenden also sachleitend, greift § 238 11. Nach der hier vertretenen Auffassung (dazu vgl. unten im Text) ist die Entscheidung des Vorsitzenden niemals mit der Beschwerde anfechtbar, ebensowenig wie sie der Revisionsüberprüfung unmittelbar unterliegt. 38 Bohnert, S. 170, dazu Erker; S. 62. 39 Vgl. KK-Laujhütte § 140 Tz. 28: Bestellung und Entpflichtung des Verteidigers sind keine auf die Sachleitung bezogenen Anordnungen i. S. von § 238 11. 40 So im Fall OLG Celle HESt 2, 79 (Beschwerde des Dienstherrn gegen Zulassung einer Frage an den Zeugen). - Soweit teilweise die Beschwerde gegen die Ablehnung der Verteidigerzulassung nach § 138 11 für statthaft gehalten wird, beruht dies auf der Verneinung der Beruhenseignung (HansOLG MDR 1969, 598; KleinknechtlMeyer-Goßner § 138 Tz. 23); d. h. die Beschwerde wird für statthaft gehalten, weil § 305 S. 1 nicht einschlägig sei, womit zugleich auch die Beanstandungsmöglichkeit nach § 238 11 entfällt. 41 Auf die Verwandtschaft der beiden Bestimmungen (§§ 238 11, 242) weist Dencker; Kleinknecht-Fschr., S. 86, hin. 42 Erker; S. 115, 120 (leges speciales); teilweise wird für § 242 lediglich "Ergänzung und Bestätigung" des § 238 11 angenommen; LR-Gollwitzer § 242 Tz. 1; KK-Treier § 242, Tz. 1; KMR-Paulus § 242 Tz. 1; Bohnert, S. 190: Die Ausübung des Rechts nach § 273 III 2 ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde. Auf die Parallelität mit § 238 11 wird verwiesen. 43 KK-Treier § 241 Tz. 7 u. 8; § 242 Tz. 5. 44 Unklar KMR-Paulus § 241 Tz. 27: Beschwerde gegen Entscheidungen des Vorsitzenden bzw. des Gerichts ist nach § 305 S. 1 unstatthaft, "zulässig jedoch für die Beweispersonen" (also offenbar zulässig auch Beschwerde gegen die Entscheidung des Vorsitzenden),
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Bei § 273 III 2 ist die Konkurrenz zwischen Beschwerde und Beanstandungsrecht komplizierter als zwischen § 238 11 bzw. § 242 und § 304 I (§ 305 S. 1). Das liegt daran, daß nach überwiegender Ansicht das Beanstandungsrecht des § 273 III 2 den nicht revisiblen Bereich betrifft,45 also den, der nicht Sachleitung im überkommenen Sinn ist. Dann wäre aber § 273 III 2 keine spezielle Ausformung des § 238 11, sondern ein aliud, denn die von ihm geregelten Fälle würden von § 238 11 nicht erfaßt. 46 Konsequenterweise müßte dann die Entscheidung nach § 273 III 2 beschwerdefähig sein,47 Beruhenseignung ist bei dieser Sicht nicht gegeben. 48 Hiernach müßten Beschwerde und Beanstandungsrecht49 des § 273 III 2 konkurrieren. Bohnert harmonisiert beide dadurch, daß die Ausübung des Beanstandungsrechts als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde eingestuft wird. 50
Eine neuere Auffassung gibt die Differenzierung zwischen Sach- und Verhandlungsleitung auf und zählt jede Maßnahme des Vorsitzenden unter § 238 11, vorausgesetzt der betreffende Prozeßbeteiligte ist beschwert. Sachleitung wird mit Verhandlungsleitung gleichgesetzt. 51 Nach dieser Ansicht sind alle Maßnahmen unter so auch in § 238 Tz. 55; ebenso LR-Gollwitzer § 241 Tz. 28: Beschwerde des Zeugen oder des Sachverständigen gegen die Zulassung von Fragen statthaft, wobei offenbleibt, ob erst der Gerichtsbeschluß oder (schon) die Entscheidung des Vorsitzenden mit Beschwerde anfechtbar sind; ebenso KleinknechtlMeyer-Goßner § 241 Tz. 22. 45 KK-Engelhardt § 273 Tz. 35; LR-Gollwitzer § 273 Tz. 59; Kleinknechtl Meyer § 273 Tz. 36; KMR-Müller § 273 Tz. 26; Sarstedtl Hamm Tz. 182; Bohnert, S. 189 f. 46 Erker; S. 120. 47 So richtig Bohnert, S. 190: § 305 S. 1 gilt mangels Beruhens nicht, und deshalb ist Beschwerde nach § 304 I eröffnet; unter Hinweis auf KG JW 1927, 1330 (Nr. 26) mit Anm. Mamroth; BayObLG DRiZ 1927, S. 186 Nr. 510; Ott, S. 159. 48 Anders Kleinknecht I Meyer-Goßner § 273 Tz. 35, 36; LR-Gollwitzer § 273 Tz. 59, 60; KK-Engelhardt § 273 Tz. 35, 36, die § 305 S. 1 bejahen, obwohl die Entscheidung nach § 273 III 2 nicht als beruhensgeeignet angesehen wird. 49 Die Konkurrenz entsteht bei § 273 III also im Unterschied zu § 238 11 im Zusammenhang mit dem Antrag eines Prozeßbeteiligten (Angeklagter, Nebenkläger oder StA) ohne Rücksicht darauf, ob auch ein Dritter antragsbefugt ist (so z. B. Ulsenheimer NJW 1980, 2273, 2274; W Schmid GA 1962, 362). Nur wenn § 273 III für revisionseinschlägig gehalten wird (z. B. Ulsenheimer NJW 1980,2273 ff.), ist die Relation zwischen § 273 III 2./. § 304 I vergleichbar derjenigen zwischen § 238 11 . /. § 304 I. Das Konkurrenzverhältnis entsteht erst im Fall der durch Dritte eingelegten Beschwerde, weil dann für die ProzeßbeteiIigten § 305 S. 1 gilt. 50 Bohnert, S. 190. 51 Krey 11 Tz. 673 - 675; KK-Treier § 238 Tz. 6; HK-lulius § 238 Tz. 4; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 238 Tz. 11 im Anschluß an Erker; S. 51 ff. (64); PfeifferlFischer § 238 Tz. 2; AK StPO-Schöch § 238 Tz. 31; Gössel § 21 All (S. 170) und ZStW 1991, 498f.; Schmid, Mayer-Fschr., S. 557; Lüderssen, Meyer-Ged.Schrift, S. 275; OLG Karlsruhe NStZ 1988, 287; im Ergebnis kommt diese Auffassung der Ansicht von Roxin, § 42 D, nahe. Roxin behält zwar die grundsätzliche Differenzierung zwischen "sach-" und "verhandlungsleitend" bei, versteht allerdings als sachleitend "sämtliche nach rechtlichen Kategorien überprüfbaren Anordnungen", womit für die Verhandlungsleitenden nur die unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit beanstandbaren Maßnahmen übrig bleiben; näher zu § 273 III vgl. unten im 5. Teil 11. 8.
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§ 238 11 zu zählen, mit denen der Vorsitzende "auf den Ablauf des Verfahrens und die Verfahrensbeteiligten einwirkt", auch solche der Sitzungspolizei. 52 So betrachtet, ist die Bestimmung - auch - dem Regelungsbereich der Beschwerde zugeordnet53 und eröffnet einen speziellen Rechtsbehelf gegen Anordnungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung. 54 Die Beschwerde wird bereits durch § 238 11 in Verb. mit § 304 I letzter Halbsatz ausgeschlossen. 55
Behält man die Unterscheidung zwischen Verhandlungsleitung und Sachleitung bei, ist der Antrag nach § 238 11 nur gegen die sachleitenden Maßnahmen eröffnet und bleibt die Beschwerde gegen verhandlungsleitende statthaft. Wird Sachleitung mit Beruhenseignung identifiziert, sind beschwerdefahig nur die nicht beruhensgeeigneten Anordnungen. Faßt man dagegen "Sachleitung" weiter als "Beruhenseignung",56 ist die Beschwerde gegen alle sachleitenden Anordnungen in jedem Fall nach § 304 I letzter Halbsatz, gegen die auch gleichzeitig beruhensgeeigneten zusätzlich nach § 305 S. 1, ausgeschlossen. Schlüchter hält die Trennung der Begriffe "verhandlungsleitend" und "sachleitend" aufrecht und charakterisiert die letzteren durch deren Einfluß auf das Urteil. Maßgebend ist hiernach nicht die Zielrichtung, sondern die Wirkung einer vom Vorsitzenden getroffenen Anordnung. 57 Damit werden § 238 11 und § 305 S. 1 harmonisiert. Wenn sich die sachleitenden Anordnungen, wie Schlüchter ausführt, durch ihre (mögliche) Wirkung auf das Urteil auszeichnen und diesem ,,i.S. v. § 305 S. 1" zeitlich und sachlich "vorangehen",58 dann heißt dies, daß sie zugleich Vorentscheidungen LS. von § 305 S. 1 darstellen. Im Zusammenhang mit der hier vorgetragenen These, wonach diese Vorentscheidungen wiederum mit denen des 52 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 11 ff.; Fuhnnann GA 1963,71; LR-Gollwitzer § 238 Tz. 23; Erker, S. 68 ff.; Krey II, Tz. 676 Fußn. 262, hält aus rechtsstaatlichen Gründen - weil § 181 GVG die Beschwerde gegen Anordnungen nach §§ 176, 177 GVG ausschließt die Einräumung des Rechtsbehelfs nach § 238 II gegen Maßnahmen der Sitzungspolizei für
geboten. Auf die sich in der Rechtsprechung abzeichnende Tendenz zur Ausweitung des § 238 II weist BurhoffStV 1997,436 hin. 53 Erker; S. 54 - 59. 54 Erker, S. 60; er (S. 54 - 59) macht die Beantwortung der Frage davon abhängig, ob das Beanstandungsrecht auch Schöffen und Berufsrichtern zusteht, was z.T. bejaht wird (KKTreier § 238 Tz. 11; LR-Gollwitzer § 238 Tz. 29; Fuhnnann GA 1963,65 (67». Indessen kann § 238 II dem Regelungskreis der Beschwerde zugeordnet werden, auch wenn Mitgliedern des Gerichts ein eigenes Beanstandungsrecht nicht zugestanden wird. Das eine schließt das andere nicht aus. 55 Erker; S. 60. 56 So Kleinknecht/Meyer bis zur 33. Aufl., vgl. dort Tz. 5. Zur Sachleitung "gehören vor allem die Maßnahmen, die zu einer Rechtsverletzung (§ 337 II) führen können, auf der das Urteil beruhen könnte ... " Die Worte "vor allem" werden von der 34. Aufl. an weggelassen, vgl. dort Tz. 5, so daß von hier ab "sachleitend" mit "beruhensgeeignet" gleichgesetzt wird, bis schließlich die 39. Aufl. die von Erker, S. 64, vorgeschlagene Identifizierung zwischen Sach- und Verhandlungsleitung übernimmt. 57 Schlüchter Tz. 452.1 und SK-Schlüchter Tz. 7, 9, 10 und 21. 58 SK-Schlüchter § 238 Tz. 21. 16 Weidemann
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
§ 336 S. 1 deckungsgleich sind, würde hieraus folgen, daß sie aus der Sicht ex ante beruhensgeeignet sind und ex post betrachtet der Beruhenszusammenhang zum Urteil bestehen kann (vorausgesetzt, er ist nicht wieder zerschlagen).
Ob nun die Beschwerde gegen sachleitende Anordnungen des Vorsitzenden nach der hier vertretenen Ansicht gemäß § 304 I (letzter Halbsatz) oder - erst - nach § 305 S. 1 ausgeschlossen ist, ist letztlich nur eine Frage des Begründungsweges: Das Ergebnis ist jedenfalls gleich. Nach der einen Ansicht schließt § 238 n gemäß § 304 I letzter Halbsatz die Beschwerde aus,59 nach der anderen ist die Beschwerde (erst) nach § 305 S. 1 unstatthaft,6o so daß nur der Rechtsbehelf nach § 238 11 übrigbleibt. Zeichnen sich die sachleitenden Anordnungen durch ihre Wirkungen auf das Urteil aus, sind die Maßnahmen des Vorsitzenden insgesamt entweder solche mit oder solche ohne Urteils wirkung, tertium non datur. Da Schlüchter den Beruhenszusammenhang i.S. der §§ 336, 337 ebenfalls durch die Wirkung der Gesetzesverletzung kennzeichnet, unterliegen aus dieser Sicht sowohl die so definierten sachleitenden Anordnungen dem Rechtsbehelf des § 238 11 als auch die daraufhin ergehenden Gerichtsentscheidungen dem § 336 S. 1, ebenso wie sie nach § 305 S. 1 von der Beschwerde ausgenommen sind. 61 Beruhenseignung (= Sachleitung) unterschieden sich hiernach vom (realen) Beruhenszusammenhang dadurch, daß erstere prospektiv und letzterer retrospektiv ermittelt wird. Es verbleibt die Frage nach der Rechtsmittelfähigkeit der auf den Antrag nach
§ 238 11 ergangenen Gerichtsentscheidungen. Erfaßt § 238 11 nur die Sachleitung
und wird diese mit Beruhenseignung gleichgesetzt, ist die Gerichtsentscheidung schon deshalb nicht beschwerdefähig, weil beruhensgeeignet (§§ 305 S. 1, 336 S. 1). Wird "Sachleitung" weiter als "Beruhenseignung" definiert oder umfaßt § 238 11 sogar die gesamten verfahrensleitenden Anordnungen, müssen zwangsläufig Gerichtsentscheidungen übrigbleiben, die zwar dem Rechtsbehelf des § 238 11 unterfallen, gleichwohl aber nicht beruhensgeeignet sind, weil § 238 11 über den revisiblen Bereich hinaus ausgedehnt wird. Konsequent hält dementsprechend Gössel, der alle, nicht nur die beruhensgeeigneten, Anordnungen unter § 238 11 einordnet, aus der Anrufung nach § 238 11 resultierende beschwerdefähige Gerichtsentscheidungen für möglich. 62 Entsprechendes müßte aus der Sicht der hier vertretenen Auffassung gelten, wonach nur die urteilsfinalen Gesetzesverletzungen beruhensgeeignet sind. Würde "sachleitend" mit "beruhensgeeignet" gleichgesetzt, wäre gegen die nicht urteilsfinalen die Anrufung nach § 238 11 nicht statthaft. Die 59 KK-Treier § 238 Tz. 15; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 21 (vgl. aber auch § 305 Tz. 3); KMR-Paulus § 238 Tz. 55; LR-Gollwitzer § 238 Tz. 38; Erker; S. 60; Giesler; S. 283; Gössel ZStW 1991,483 ff. (498 f.); OLG Zweibrücken NStZ 1987,477; wohl auch Niethammer JZ 1951, 653. 60 SK-Schlüchter § 238 Tz. 21. 61 Vgl. o. IX. 5. g). 62 Gössel § 21 A 11 (S. 170); offenbar auch Wronker; S. 11.
I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
243
Entscheidung des Gerichts würde nur die urteilsfinalen betreffen und wäre (spätestens) nach § 305 S. 1 von der Beschwerde ausgenommen. Sieht man dagegen als von § 238 11 alle verhandlungsleitenden Anordnungen als betroffen an, würde sich das Problem auf die Frage nach der Rechtsmiuelfähigkeit der auf die Anrufung hin ergehenden Gerichtsentscheidungen verlagern, denn diese beträfen sowohl revisiblen als auch nicht revisiblen Prozeßstoff. Es böte sich an, den Gedanken Bohnerts zur Harmonisierung des Beschwerde- und Beanstandungsrechts im Rahmen des § 273 III 2 auch für § 238 11 fruchtbar zu machen und die Ausübung des Beanstandungsrechts als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde anzusehen. 63 Dann wäre der Rechtsbehelf des § 238 11 sowohl der Beschwerde als auch der Revision vorgeschaltet, und die Weichenstellung würde sich erst nach der Anrufung des Gerichts stellen. Urteilsfinale Gesetzesverletzungen würden der Revision zugewiesen und §§ 305 S. 1,336 S. 1 unterliegen, die anderen der Beschwerde. Unter Umständen könnte sogar das Anrufungsrecht nach § 238 11 als besondere Ausprägung des Abhilfegrundsatzes verstanden werden, ähnlich wie es oben zu § 51 11 3 vertreten wurde. 64 Bevor indessen die prozessuale Dogmatik weiter ausgefeilt wird, ein Blick auf die Entstehungsgeschichte: § 238 11 entstammt nicht der gesetzgeberischen hohen Schule, sondern ist erst im Laufe der Beratungen durch die Reichstagskommission eingefügt worden. Pate gestanden hat das Bedürfnis, die StPO mit den entsprechenden Regelungen der ZPO in Einklang zu bringen. 65 Der Vorsitzende sei "immer nur Vertreter des Gerichts", und im Zweifel müsse die Entscheidung beim Gericht liegen. 66 Aus der hieraus resultierenden Stellung des Vorsitzenden ergibt sich § 238 11 als "innerinstanzlicher Rechtsbehelf', mithin ein die Beschwerde ausschließender i.S. des § 304 I (letzter Halbsatz).67 Nun sind aber im Zivilprozeß die auf mündliche Verhandlung hin ergehenden Entscheidungen nach § 567 I ZPO nicht beschwerdefahig. § 140 ZPO, der dem § 13811 entspricht,68 sieht mündliche Verhandlung vor, so daß Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts nach § 567 I ZPO nicht statthaft ist. 69 Mag auch der Wortlaut des § 238 11 zu mancherlei Zweifelsfragen geführt haben, so ist doch eines eindeutig: Dem Gesetzgeber lag daran, bezüglich der Stellung des Vorsitzenden zum Kollegium Straf- und Zivilprozeß "synchron" zu schalten. Die Beratungen zur ZPO liefen zeitgleich, und in diesen brachte der Abgeordnete Dr. Bähr bei der Redigierung des damaligen § 131 Bohnert, S. 190. Vgl. o. 4. Teil I. 1. 65 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Goldschmidt JW 1929, 2684; Erker; S. 44 ff.; Fuhrmann GA 1963, 70ff.; Hahn III/ 1, S. 833 - 835 und III/2, S. 1555. 66 Vgl. die Ausführungen des den Antrag einbringenden Abg. Dr. Bähr bei Hahn III/ 1, S.835. 67 Im Anschluß an Erker; S. 53 ff.; Gössel ZStW 1991,498 f. 68 Bis 1900 § 131 ZPO; vgl. Hahn 11 / 2, S. 1331; dem heutigen § 567 ZPO entsprach § 530 ZPO. 69 BGH NJW 1990, 840. 63
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
ZPO (dem heutigen § 140 ZPO) jeweils entsprechende Anträge ein. 7o Im Strafprozeß kam es auf die Klarstellung an, daß der Vorsitzende keinesfalls den "pouvoir discretionnaire" des französischen Rechts habe, sondern primus inter pares ist. Dementsprechend sollte § 238 11 nicht nur die Beschwerde gegen Entscheidungen des Vorsitzenden, sondern auch gegen die daraufhin ergehenden Gerichtsentscheidungen ausschliessen. Schließlich kommt dies in der Gestaltung dieses Rechtsbehelfs als "Rechtsbeschwerde" (zum Kollegium) zum Ausdruck. Nach mancherlei Wechselfällen wurde nämlich in den Wortlaut aufgenommen, daß die Anordnung des Vorsitzenden (nur) "als unzulässig" beanstandet werden dürfe. Das Kollegium sollte sich auf Rechtsprüfung beschränken. Ziel dieser Einschränkung war, der Gefahr des Mißbrauchs gegenzusteuern, damit nicht "ohne genügenden Grund nach Belieben Gerichtsbeschlüsse" beantragt und auf diese Weise der zügige Fortgang der Hauptverhandlung gehemmt werde. 71 Demnach schwebte dem Gesetzgeber vor, die Hauptverhandlung zu straffen. Wenn schon die Kompetenz des Vorsitzenden nur der Rechtskontrolle des Kollegiums unterstellt wurde, kann es nicht gesetzgeberisches Ziel gewesen sein, die daraufhin ergehende Kollegialentscheidung der (unbeschränkten) Überprüfung durch die Beschwerde zu unterwerfen. Im Ergebnis trifft daher die heute h.M. zu, wonach die aufgrund der Anrufung nach § 238 11 ergehenden Gerichtsentscheidungen nicht beschwerdefähig sind - wenngleich der Grund hierfür nicht in § 305 S. 1 liegt, sondern in § 304 I letzter Halbsatz. 72 Die Anordnungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung unterliegen deshalb, soweit sie nicht beruhensgeeignet sind, nur dem Rechtsbehelf nach § 238 11. Das Kollegium entscheidet hierüber abschließend. Lediglich soweit Beruhenseignung besteht, unterfallen die Gerichtsentscheidungen § 336 S. l. Dem Revisionsberechtigten gibt § 238 11 einen der Revision vorgeschalteten eigenen Rechtsbehelf - freilich verbunden mit der "Last", sein Revisionsrecht bei unterlassener vorheriger Anrufung des Gerichts zu verlieren. 73 Vgl. Goldschmidt JW 1929,2685; Hahn II/2, S. 1331. Vgl. Hahn III/2, S. 1555. 72 Wie hier, d. h. ohne Hinweis auf § 305 S. 1, HK-Julius § 238 Tz. 13; das Problem ist sehr deutlich von OLG Hamm NJW 1973, 818 herausgearbeitet: "Demgegenüber schreibt das Gesetz für eine in der Hauptverhandlung erfolgte Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers vor, daß der Angeklagte hiergegen - nur - gemäß § 238 Abs. 2 StPO die Entscheidung des Gerichts anrufen kann. Es erscheint daher nur folgerichtig, daß er dann auch in diesem Fall, wie sonst, diese Entscheidung des Gerichts nicht selbständig anfechten, sondern nur mit der Revision gegen das Urteil beanstanden kann", unter Berufung auf KMR (6. Aufl.) - Sax, Anm. 5 zu § 238, der allerdings auf § 305 S. 1 verweist. Ebenso KMR-Paulus § 238 Tz. 55. 73 Jedenfalls nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Auffassung (zuletzt bestätigt durch BGH NStZ 1997, 198 und BGH bei Kusch NStZ 1997, 27 (Nr. 3», vgl. die Nachweise bei KleinknechtlMeyer-Goßner § 238 Tz. 22; Schlüchter Tz. 452. 2 und SK-Schlüchter § 238 Tz. 29; ablehnend: Beulke Tz. 375 (am Ende); BurhoffStV 1997,436; HK-Temming § 336 Tz. 8; krit. auch Erker; S. 147ff. Nach BGH NJW 1996,2435 (2436) scheidet Präklusion der Revisionsrüge bei Verzicht auf den Zwischenrechtsbehelf des § 238 11 aus, wenn sich der Vorsitzende über Verfahrensvorschriften hinwegsetzt, "die keinerlei Entscheidungsspiel70 71
I. Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
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3. Die Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (§§ 319 11 1,34611 1)
Nach heute einhelliger Meinung eröffnen die §§ 319 11 1 und 346 11 1 einen Rechtsbehelf eigener Art, der die Beschwerde ausschließt. 74 Die Funktion der beiden Bestimmungen war früher umstritten. Nach einer Auffassung entschied das Rechtsmittelgericht - im Fall des § 319 11 wie auch des § 346 11 - als Beschwerdegericht,15 so daß weitere Beschwerde nach § 310 ausgeschlossen war. Andere sahen den Rechtsbehelf des § 31911 1 als der Beschwerde gegen die Berufungsverwerfung vorgeschaltet, mit der Konsequenz, daß gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts teils unbefristete Beschwerde,76 teils die sofortige des § 32211 für statthaft gehalten wurde. 77 Diese Ansicht mußte freilich die §§ 319 11 1 und 346 11 1 unterschiedlich behandeln, denn jedenfalls die Revisionsverwerfung unterliegt nach § 346 11 1 keinem weiteren Rechtsmittel. Eine gewisse Schwierigkeit bei der Einordnung der beiden Rechtsbehelfe der §§ 31911 1, 34611 1 ist nicht zu verkennen. Befristung des Antrags und Abhilfeverbot für den judex a quo legen die Einordnung als sofortige Beschwerde nahe. 78 Bei § 34611 spricht jedoch der Rechtsmiuelzug dagegen, da nicht das Beschwerde-, sondern das Revisionsgericht entscheidet. Diesem Einwand ist mit dem Kunstgriff begegnet worden, den Antrag aus § 346 11 1 als sofortige Beschwerde mit eigenem Rechtsweg, zum Revisionsgericht, zu behandeln. 79 Ein Meinungsstreit ist hier indessen müßig, denn die Einstufung des Antrags aus § 346 11 als sofortige Beschwerde hat keine Folgen, weder für die Beschwerdefähigkeit des Verwerfungsbeschlusses (§ 346 I) noch für die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde. Beschwerde gegen den Beschluß aus § 346 I ist versagt, und zwar nicht erst über § 346 11,80 sondern schon durch § 304 I, der Verwerfungsbeschluß ergeht weder im ersten Rechtszug noch im Berufungsverfahren. 81 Weitere Beschwerde findet - § 31011 - nicht statt. raum zulassen" (im Anschluß an BGH 3, 368; 38, 260 (261». Präklusion nimmt dagegen BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 "Vereidigungsentscheidung I, Vorsitzender oder Gericht" an. Kritisch zur Präklusionswirkung Ebert StV 1997,269; HK-Julius § 238 Tz. 12 (mit weiteren Nachweisen Tz. 17). 74 LR-Gollwitzer § 319 Tz. 10 und 19; LR-Hanack § 346 Tz. 26; KK-Ruß § 319 Tz. 5; KK-Pikart § 346 Tz. 15; HK-Temming § 346 Tz. 7; HK-Rautenberg § 319 Tz. 10. 7S SO von Spindler ZStW 27 (1907), 454ff., der allerdings nur § 319 11 1, nicht auch § 34611 1 erörtert. Aus der Entstehungsgeschichte (die Entwürfe I bis m sahen die Berufung nicht vor) leitet er ab, daß nur aufgrund eines Redaktionsversehens der Rechtsbehelf nicht als sofortige Beschwerde gekennzeichnet wurde (S. 459); hiergegen Baumdicker; S. 21 ff. Anders auch Schuler; S. 96 (Rechtsmittel eigener Art). 76 SO Z. B. Rosenfeld. S. 252: ,,Es ist weitere Beschwerde als einfache Beschwerde zulässig." 77 LR 12-Hellweg § 360 Tz. 3 und 6; aufgegeben von der 16. Aufl. an, vgl. LR 16-Rosenberg § 319 Tz. 5. 78 von Spindler ZStW 1907,459; ebenso LR 16-Rosenberg § 319 Tz. 3. 79 LR 16-Rosenberg § 346 Tz. 5. 80 So aber KleinknechtlMeyer-Goßner § 346 Tz. 14 im Anschluß an BGH 10, 88 (91).
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
Praktische Bedeutung gewinnt dagegen die Einordnung des Rechtsbehelfs aus § 31911. Stellt dieser eine besonders ausgestaltete Beschwerde dar, folgt die Unzulässigkeit der weiteren Beschwerde aus § 310 11;82 ist der Rechtsbehelf "eigener Art", könnte die Entscheidung über §§ 31911 1,304 I der Beschwerde zugänglich sein, wenn sie "im Berufungsverfahren" erlassen ist. 83 Um Beschwerde zu versagen, müßte der Spezialitätsgrundsatz bemüht werden;84 durch eine ausdrückliche Regelung ist die Entscheidung nach § 319 11 1 der Beschwerde nicht entzogen sofern sie ihr nach § 304 I unterliegen sollte. Ob nun der Antrag nach § 31911 den "spezielleren" Rechtsbehelf zur Beschwerde darstellt, hängt von der Wertung ab, ob das Verfahren des § 319 in der Ausgestaltung dem des § 346 angeglichen sein soll. Sieht man das so, leitet sich aus der Regelung des § 346 11 2 der allgemeine Grundsatz ab, daß letztlich das Rechtsmittelgericht über die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtswegs abschließend zu befinden hat - mit der Konsequenz, daß dies auch für das Berufungsgericht zu gelten hat, ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung nach § 319 11 1 also nicht statthaft ist. Systematisch richtiger dürfte freilich auch in diesem Zusammenhang die Erwägung sein, das Verfahren des § 319 nicht der Instanz zuzurechnen, sondern als ausgelagertes Zwischenverfahren zu sehen, so daß die Grundregel des § 304 I auf die Entscheidung nach § 31911 1 nicht anzuwenden ist. Das Insistieren auf der Spezialität des Rechtsbehelfs hat nämlich stets etwas apodiktische Züge. 85 Es ist letztlich "Willens"-, nicht "Wissens"-entscheidung und gründet auf dem Gedanken, daß ein weiteres Rechtsmittel gegen den Beschluß nach § 319 11 nicht statthaft sein "soll". Dabei ist die Eröffnung eines zusätzlichen Rechtsmittels doch nur ein Teilaspekt des Problems, ob die erörterten Vorschriften jeweils einen spezielleren Rechtsbehelf als die Beschwerde bereitstellen. Wenn das Rechtsmittelgericht, wie es in § 346 11 zum Ausdruck gelangt, abschließend über die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtswegs befinden soll, muß das auf diese Entscheidung abzielende Verfahren in der Gesamtschau betrachtet werden, und diese Sicht führt zu der Konsequenz, daß nicht nur der Rechtsbehelf, sondern das gesamte auf ihn hinführende Verfahren kein Teil der Instanz,86 sondern ein Zwischenverfahren ist. 81 Anders nur dann, wenn man den Antrag nach § 346 I noch als Teil der Instanz betrachtet, wovon offenbar KleinknechtIMeyer-Goßner, § 346 Tz. 14, ausgehen. Richtig dürfte sein, die Instanz mit dem Urteil als beendet anzusehen und bereits den Beschluß nach § 346 I - und nicht erst den nach § 346 11 1 - als gesondertes Verfahren, vielleicht sogar als "Zwischenverfahren", zu behandeln, jedoch hat auch diese Klassifizierung letztlich keine praktische Bedeutung. 82 LR-Gollwitzer § 319 Tz. 19. 83 von Spindler ZStW 1907,459; ebenso LR 16-Rosenberg § 319 Tz. 3. 84 LR-Gollwitzer § 319 Tz. 19; KleinknechtlMeyer-Goßner § 319 Tz. 2. 85 Ausführlich zum Spezialitätsgrundsatz BayObLG NJW 1951,371 und BayObLGE 12, 193: Das Verfahren nach § 319 wird als "besonderes Verfahren" bezeichnet, als abschließende und selbständige Regelung, mit der es unvereinbar wäre, "daß das gleiche Gesetz, das regelmäßig eine weitere Beschwerde ausschließt, § 310 StPO, ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts ... zulassen soll". 86 Bohnert, S. 38.
1I. Besondere Verfahrensarten
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11. Besondere Verfahrensarten Wegen eines möglichen Antrags auf Entscheidung des Gerichts (§§ 31911, 346 11) scheidet der Beschwerdeweg nach dem Spezialitätsgrundsatz aus, dieser kanalisiert also die in Betracht kommenden Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe. Ob es zu einem Rechtsmittel- bzw. Rechtsbehelfsverfahren kommt, hängt dabei vom Entschluß des Berechtigten ab, das eröffnete Rechtsmittel zu ergreifen. Das Gesetz kennt jedoch Entscheidungsabläufe (etwa gerichtliche Vorlagen oder auch das Abhilfeverfahren), die, einmal in Gang gesetzt, sich automatisch weiterentwickeln bis hin in das Stadium, an dessen Ende eine Entscheidung steht, die für sich genommen (un-)anfechtbar ist. Gemeinsam ist diesen Verfahren, daß sie Prozeßlagen durchlaufen, in denen das Gericht eine Entschließung treffen muß, die als Beschluß oder Verfügung LS. von § 304 I gelten kann. Derartige Entschließungen könnten als lediglich entscheidungsvorbereitend angesehen werden, so daß § 304 I für sie nicht zum Zuge käme. Ob das richtig ist, hängt von der Definition der "Beschlüsse" und "Verfügungen" i.S. des § 304 I ab. Wird hierunter jede Änderung der Rechtslage verstanden,87 können vom Wortlaut des Gesetzes auch solche Entscheidungen umfaßt sein, die nach herkömmlicher Ansicht nur vorbereitenden Charakter haben, auch sie verändern die Rechtslage insofern, als es ohne sie zur Endentscheidung nicht käme. 88 Werden solche Entschließungen grundsätzlich der Beschwerde zugänglich gemacht (§ 304 I), besteht die Gefahr des ,Rechtsmitteldualismus " derselbe Sachverhalt könnte mehrmals überprüft werden, einmal, wenn die vorbereitende Entscheidung und zum anderen, wenn die Endentscheidung angefochten wird. Im einzelnen: 1. Gerichtliche Vorlagen
Nach §§ 209 11, 225 a I legt das Gericht die Sache dem Gericht höherer Ordnung vor, wenn es dessen sachliche Zuständigkeit für begründet hält. Einigkeit besteht im Ergebnis dahin, daß Vorlagebeschlüsse nicht beschwerdefähig sind. Die Begründungen sind vielfältig. So wird auf den Spezialitätsgrundsatz oder den Charakter der Vorlage als Gerichtsinternum hingewiesen,89 auch 87 Ellersiek, S. 44: Maßgebend ist, ob auf das Verfahren oder die Rechtsstellung eines Beteiligten unmittelbar gestaltend Einfluß genommen wird; im Anschluß an Kleinknecht I Meyer-Goßner, Ein!. Tz. 122 und Henkel, S. 252. 88 So ist z. B. die Vorlage des Gerichts niederer Ordnung nach § 209 II bzw. § 225 all conditio sine qua non für die Übernahme durch das Gericht höherer Ordnung: Ohne Vorlage keine Übernahme. Das vorlegende Gericht wirkt also zumindest an der Veränderung der Rechtslage mit, so daß es gewagt wäre, allein wegen des angeblich fehlenden Entscheidungscharakters die Beschwerdefähigkeit der Vorlage zu verneinen. 89 LR-Gollwitzer § 225 aTz. 68; KleinknechtlMeyer-Goßner § 225 aTz. 24; KK-Treier § 225 aTz. 27; HK-Julius § 225 aTz. 16; SK-Schlüchter § 225 aTz. 66; AK StPO-Keller § 225 Tz. 11.
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
wird nicht zwischen Statthaftigkeit und Zulässigkeit im engeren Sinn unterschieden. 90 Das Ergebnis leuchtet indessen ein, die Vorlage kann nicht beschwerdefähig sein, nicht, weil sie nicht "entscheidet", sondern um Doppelanfechtung zu vermeiden. Es gilt das Argument, das auch bei der Schaffung der Inzidentverfahren Pate gestanden hat, die Verhinderung der Zweigleisigkeit. Wäre bereits die Vorlage beschwerdefähig, müßte das Beschwerdegericht zunächst über deren Zulässigkeit und bei Bejahung sodann das Gericht höherer Ordnung über die Übernahme entscheiden. Bei Identität von Beschwerdegericht und Gericht höherer Ordnung würde der gleiche Spruchkörper doppelt bemüht. 91 Die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit nach den §§ 209 11, 225 a ist zwar nicht aus dem Instanzverfahren herausgelöst, hat aber mit einem Zwischenverfahren gemeinsam, daß sie "programmgemäß", d. h. ohne weitere Störung durch gesonderte Rechtsmittel, ablaufen muß. Da der judex ad quem, dem vorgelegt wird, die Berechtigung der Vorlage selbst (inzidenter) zu überprüfen hat, ist ein gesondertes Beschwerdeverfahren gegen die Vorlage entbehrlich. Die Vorlageentscheidung ist immer dann nicht beschwerdefähig, wenn ihre Berechtigung als Vorfrage ohnehin durch das Vorlagegericht anläßlich der Entscheidung, um die die Vorlage nachsuchen soll, überprüft wird. 92 2. Abhilfeverfahren
Ein Verfahren besonderer Art ohne Beschwerdeweg ist auch das Abhilfeverfahren des § 306 11. An dieser Vorschrift zeigt sich die Berechtigung des Spezialitätsgrundsatzes besonders deutlich: Die Nichtabhilfe 93 führt zwar insofern zu einer Veränderung der Rechtslage, als nunmehr das Beschwerdegericht tätig werden kann, indessen folgt das Beschwerdeverfahren von der Einlegung der Beschwerde bis zur Entscheidung des judex ad quem einem besonderen Gang, der durch das Beschwerderecht vorgegeben ist. Gegen die Nichtabhilfe kann deshalb Beschwerde nicht zugelassen werden, weil andernfalls die Entscheidungen "potenziert" würden, im Rahmen dieses neuen Beschwerdeverfahrens wäre wiederum eine Entscheidung über die Abhilfe notwendig USW. 94 90 So Kleinknechtl Meyer-Goßner § 209 Tz. 9: Einerseits "mangels Beschwer", also wegen Fehlens einer Zulässigkeitsvoraussetzung im engeren Sinn, andererseits unter Hinweis auf "Sinn und Zweck" des Beschlusses, womit die Statthaftigkeit (Zulässigkeit im weiteren Sinn) verneint wird; im übrigen wegen Unanfechtbarkeit nach § 210 I. 91 Zur Problematik Bohnert, S. 38 ff. 92 Anders verhält es sich mit der Vorlage nach Art. 100 GG bzw. Art. 177 EGV. Nicht die Gefahr des Entscheidungsdualismus, andere Gesichtspunkte führten hier zur Verneinung der Beschwerdefähigkeit, vgl. im einzelnen oben 3. Teil 11. 1., 2. 93 Das Abhilfeverfahren ist - nach Wegfall des § 306 1 2 a. F. - zwingend. Nach altem Recht war die "Vorentscheidung" des judex a quo in bestimmten (dringenden) Fällen nicht erforderlich; dazu OLG Bremen MDR 1951, 56 mit zust. Anm. Dallinger; zur Änderung des § 306 vgl. Rieß StV 1987,213. 94 V gl. o. 4. Teil I. 1. (zur Abhilfe- als Vorentscheidung).
III. Die These vorn stillschweigenden Ausschluß der Beschwerde
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III. Die These vom stillschweigenden Ausschluß der Beschwerde Einen stillschweigenden Ausschluß der Beschwerde nimmt die allgemeine Meinung an, wenn ,,sinn, Zweck oder Inhalt der Entscheidung einer Beschwerde entgegenstehen".95 Der BGR begründet die Versagung der Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 15411 mit der fehlenden Möglichkeit für den judex ad quem, den Instanzrichter in der Ermessensausübung zu binden. 96 Diese Rechtsprechung ist allerdings insofern überholt, als nach heutigen Erkenntnissen die Ermessensüberprüfung kein Problem der Statthaftigkeit des Rechtsmittels, sondern allenfalls dessen Begründetheit ist, denn es geht dabei um die inhaltlichen Grenzen der Überprüfbarkeit richterlichen Ermessens. 97 Soweit für die §§ 319 11, 346 11 oder bei anderen Fällen (etwa bei der Vorlage oder den Inzidentverfahren) von einem stillschweigenden Ausschluß gesprochen wird, beruht dies auf anderen Erwägungen98 - etwa dem Prinzip der Spezialität des Rechtsmittels. 99 , 100 Gollwitzer hält die Verneinung der Beschwerdefähigkeit aus Zweck und Inhalt der Entscheidung "nur in besonderen Ausnahmefallen" für möglich. 101 95 KK-Engelhardt § 304 Tz. 25; LR-Gollwitzer § 304 Tz. 34 m. w. N.; im einzelnen vgl. 5. Teil III. 1. am Beispiel der Einstellungsentscheidungen nach § 153 ff. 96 BGH 10, 88. 97 LR-Rieß § 154 Tz. 45; LR-Gollwitzer § 304 Tz. 34. 98 Dazu zählt auch der Beschwerdeausschluß gegen Entscheidungen nach §§ 12 11, 14, die KK-Engelhardt (§ 304 Tz. 25) "stillschweigend" als der Beschwerde entzogen ansieht. Tatsächlich ergehen diese Entscheidungen nicht im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren, sondern in einern Zwischenverfahren, so daß schon dem Wortlaut des § 304 nach die Beschwerde nicht statthaft ist. 99 Die im Zusammenhang mit der These vorn stillschweigenden Beschwerdeausschluß oft angeführte Entscheidung OLG Harnrn NJW 1977,210 verneint die Beschwerdefähigkeit der Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Erklärungsfrist nach § 201 I im Ergebnis zu Recht, jedoch bedarf es des Rückgriffs auf den stillschweigenden Ausschluß nicht, denn das Gesetz schweigt nicht still, vielmehr folgt der Ausschluß aus § 201 11 2, so mit Recht Krekeler wistra 1985, S. 56 und letztlich ebenso OLG Harnrn, das sich auf diese Vorschrift bezieht. 100 OLG Düsseldorf JZ 1986, 864 versagt die Beschwerde gegen die von einern Zeugen beantragte Terminsverlegung. Mit dem Hinweis auf die Terminshoheit des Vorsitzenden läßt sich dies nicht begründen, auch nicht unter Heranziehung von OLG Celle NStZ 1984, 282 und OLG Stuttgart NJW 1976, 1647. In den genannten Entscheidungen ging es um den Antrag des Angeklagten bzw. des Verteidigers. Die Unanfechtbarkeit war hier mit § 305 S. 1 begründet worden - eine Erwägung, die auf die Ablehnung des Antrags des Zeugen wegen § 305 (S. 2) nicht übertragen werden kann. Die Beschwerde ist grundsätzlich statthaft, indessen die Zulässigkeit im engeren Sinn mangels Beschwer zu verneinen, dazu im einzelnen unten im Text. 101 HK-Rautenberg § 304 Tz. 16; KleinknechtlMeyer-Goßner § 304 Tz. 5; LR-Gollwitzer § 304 Tz. 34; zum Problem vgl. einerseits SK-Frisch § 304 Tz. 32, andererseits AK StPoAltenhainlGünther § 304 Tz. 71. (Letztere sehen im stillschweigenden Beschwerdeausschluß einen Verstoß gegen Art. 19 IV GG, das Gebot effektiven Rechtsschutzes, und weisen darauf hin, daß hinter dem angeblich konkludenten Ausschluß andere (zutreffende) Gründe
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
IV. Stillschweigende Beschwerdezulassung
Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist die Beschwerde "stillschweigend" in den Fällen zuzulassen, in denen teleologische Auslegung dies erfordert. Ein derartiger Fall sinnentsprechender Einschränkung von Unanfechtbarkeitsbestimmungen wird bei den Einstellungsentscheidungen erörtert. 102 So entzieht § 153 11 4 nur denjenigen Einstellungsbeschluß der Anfechtung, der unter prozessual ordnungsgemäßen Voraussetzungen erlassen ist. Vergleichbar ist die Regelung des § 322 a S. 2. Hiernach ist die Entscheidung über die Annahme einer Berufung (§ 313) unanfechtbar. Hat das LG irrig die Voraussetzungen des § 313 I angenommen, obwohl die Berufung der Annahme nicht bedurfte, ist der Nichtannahmebeschluß gegenstandslos. 10 3 Die Folge hiervon ist, daß das Verfahren durch die Entscheidung nach § 322 a S. 1 nicht beendet ist, sondern fortgesetzt werden muß. Geschieht dies nicht, kann der Rechtsmittelführer Fortsetzung des Verfahrens beantragen und gegen die Versagung (beispielsweise der Terminsbestimmung) Beschwerde einlegen. 104 Allerdings hat der Angeklagte auch ein rechtliches Interesse daran, den ihn belastenden gesetzwidrigen Beschluß über die Nichtannahme aufgehoben zu sehen. Mit Recht wird deshalb in derartigen Fällen die Beschwerde unter sinnentsprechender einschränkender Auslegung des § 322 S. 2 für statthaft gehalten. 105 stehen, die zur Versagung der Beschwerde führen, wie z. B. Fehlen der Beschwer oder daß die Entscheidung nicht im ersten Rechtszug (oder in der Berufungsinstanz) ergangen oder daß die Beschwerde zwar statthaft aber unbegründet ist (wie vielfach bei Ermessensentscheidungen). So leitet auch die oft als Beispiel für die Annahme stillschweigenden Beschwerdeausschlusses angeführte Entscheidung OLG Hamm NJW 1977, 210 den Ausschluß der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Fristverlängerung zur Erklärung nach § 201 I zwar auch aus dem Grundsatz des stillschweigenden Ausschlusses, aber letztlich aus der in § 210 I angeordneten Unanfechtbarkeit her, so auch Krekeler wistra 1985, 56 (r.Sp. unten)). Ein derartiger (seltener) Ausnahmefall ist z. B. nach der hier vertretenen Ansicht der im 5. Teil III 1 a erörterte Beschwerdeausschluß bei verfahrensbeendenden Einstellungen. 102 Vgl. unten 5. Teil III. I. b). 103 KleinknechtlMeyer-Goßner § 322 aTz. 8. 104 Vgl. u. 5. Teil 11.5. b). 105 PfälzOLG Zweibrücken MDR 1994, 1138; KleinknechtlMeyer-Goßner § 322 aTz. 8 mit weiteren Nachweisen; Feuerhelm StV 1997, 104, der allerdings befristete Beschwerde befürwortet. Die von ihm gezogene Parallele zu § 322 11 greift allerdings nicht, weil dem Beschluß nach § 322 a S. 2, der ohne die Voraussetzungen des § 313 I ergangen ist, keine konstitutive Wirkung zukommt, sondern er schlicht gegenstandslos ist. Eine befristete Beschwerde könnte nur der Gesetzgeber einführen. Wie Feuerhelm auch OLG Hamm NStZ 1996,455 (sofortige Beschwerde); die Entscheidung erstreckt die Statthaftigkeit auch auf das Rechtsmittel des Nebenklägers. Das ist richtig, auch wenn die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers heute wesentlich eingeschränkt ist (§ 400). Da er jedoch grundsätzlich zur Rechtsmitteleinlegung berechtigt ist, wie sich aus §§ 395 IV 2, 401 I 1 ergibt, muß die Beschwerdemöglichkeit auch ihm zuerkannt werden.
V. Die Gegenvorstellung
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v. Die Gegenvorstellung Als Erscheinungsfonn des Petitionsrechts ist die Gegenvorstellung auch gegen richterliche Entscheidungen grundsätzlich eröffnet. 106 Sie ist kein Rechtsmittel, ihr fehlt der Devolutiveffekt. l07 Thre Zulässigkeit hängt davon ab, ob der judex a quo die angegriffene Entscheidung korrigieren darf,108 andernfalls kann sie auch auf Gegenvorstellung hin nicht geändert werden. 109 Das BVerfG ist hierin anderer Ansicht. Es sieht den Rechtsweg nicht als erschöpft an, wenn nicht vor der Verfassungsbeschwerde die angefochtene Entscheidung zunächst mit der Gegenvorstellung angegriffen worden iSt. 110 Der Kritik von Krey ist in diesem Punkt nichts III hinzuzufügen. 1l2
,,Nichtabänderbarkeit" reicht weiter als ,,Rechtskraft,,.1l3 Eine Entscheidung kann für den judex a quo nicht abänderbar sein, obwohl sie (noch) nicht rechtskräftig ist. Das gilt auch für die mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen (§ 311 III mit der Ausnahme von Satz 2)Y4 Umgekehrt hat bereits die - for106 KleinknechtlMeyer-Goßner vor § 296 Tz. 23; BVerfGE 9,89 (107); OLG Düsseldorf NStZ 1989, 86. 107 Ellersiek, S. 30; LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 14. 108 HK-Rautenberg § 296 Tz. 5; SK-Frisch vor § 296 Tz. 33; Schlüchter Tz. 614 (S. 666) und Tz. 161; auf den rechtskräftigen Bewährungswiderrufwendet LG Bremen StV 1990,311 gegen AG Lahn-Gießen MDR 1980,595 mit Groth MDR 1980,595 die Wiederaufnahmevorschriften entsprechend an. Das entspricht h. M., LR-Wendisch § 453 Tz. 19 m. w. N.; KleinknechtlMeyer-Goßner § 453 Tz. 17. 109 Damit scheidet die Gegenvorstellung bei den sofortiger Beschwerde zugänglichen Entscheidungen aus, OLG Schleswig bei EmestilLorenzen SchlHA 1985, 134; SK StPO-Frisch vor § 296 Tz. 33; unrichtig daher LR-Hilger, Nachtrag, § 396 Tz. 6, der die Gegenvorstellung auch bei unanfechtbaren Entscheidungen i. S. von § 396 II 2 zuläßt. 110 BVerfGE 63, 77 (79) = NStZ 1983, 324 = NJW 1983, 1900. Die gegenteilige Auffassung vertritt OLG Düsseldorf NJW 1991, 2434 (Vorrang der Verfassungsbeschwerde); vgl. demgegenüber Parsch NJW 1960, 63. Auch bei Verletzung des rechtlichen Gehörs steht - vor der Verfassungsbeschwerde - kein weiterer strafprozessualer Rechtszug offen. 111 Außer dem Hinweis von Zuck JZ 1985, 925, daß das BVerfG nicht die Struktur der fachgerichtlichen Prozeßordnungen verändern darf. 112 Krey I Tz. 290ff. und Krey JA 1984, 477f.; weiterhin Wemer NJW 1991, 19ff. (er sieht in der zitierten Entscheidung des BVerfG eine Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes); ablehnend auch schon Meyer, KIeinknecht-Fschr., S. 284. 113 Vgl. die Regelung im Fall der sofortigen Beschwerde: Der judex a quo darf nicht abändern (§ 311 III I, wenn nicht die Voraussetzungen des § 311 III 2 vorliegen), obwohl die Entscheidung noch nicht formell rechtskräftig ist. Trotz Fehlens formeller Rechtskraft ist das ein Fall von Unabänderbarkeit. Dies folgt schon aus der Rechtskraft, umgreift also neben der formellen Rechtskraft auch sonstige Fälle, in denen das Gericht an der Änderung seiner eigenen Entscheidung gehindert ist. Daher ist Nichtabänderbarkeit umfassender als formelle Rechtskraft. 114 Richtig daher der Beschluß des BGH in Zivilsachen NJW-RR 1995, 765. Das Gericht ist an seinen die Berufung verwerfenden Beschluß gebunden, und zwar deshalb, weil nach
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4. Teil: Beschwerde und Rechtsbehelfe eigener Art
meIle - Rechtskraft die Nichtabänderbarkeit zur Folge, und zwar sowohl für den judex a quo als auch für den judex ad quem. 115 Wenn teilweise die "Nichtabänderbarkeit" nur auf die materielle Rechtskraft bezogen wird, die formelle Rechtskraft dagegen eine Abänderung nicht hindern SOll,116 so kann das nicht richtig sein, damit wäre jede Verfahrensentscheidung abänderbar, da eine solche niemals in materielle Rechtskraft erwächst. 117 Ein tragender Grundsatz des Prozeßrechts ist es jedoch, daß das Gericht an eine von ihm gefällte Entscheidung gebunden sein soll - wenn nicht Abänderbarkeit (wie etwa in § 30611) ausdrücklich vorgesehen ist. 118 Mithin konkurriert die Gegenvorstellung nicht mit der Beschwerde, schließt sie auch nicht aus. 119 Sie ist den Rechtsmitteln nicht zuzuordnen. 120
§ 577 III ZPO sofortige Beschwerde gegen den Beschluß statthaft und er damit für den judex a quo unabänderbar ist. 115 So schon Wronker, S. 55 f.; Ferdinand, S. 77; RG 37, 292; 38, 157; 55, 235 (236); KKRuß vor § 296 Tz. 4; Woesner NJW 1960,2131; Meyer, Kleinknecht-Fschr., S. 282; anders LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 12, 13 (beschränkt auf materielle Rechtskraft); gegen das "Axiom: Unanfechtbarkeit = Unaufhebbarkeit" allerdings SK-Paeffgen § 210 Tz. 6, der den "schwerwiegend fehlerhaften" Eröffnungsbeschluß trotz Unanfechtbarkeit für aufhebbar (durch das Gericht) hält. Um zu dem von Paeffgen erstrebten Ergebnis (Befreiung des Gerichts von der Verpflichtung weiterzuverhandeln) zu gelangen, könnte aber auch Einstellung des Verfahrens (ohne formelle Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) erwogen werden; dazu unten 5. Teil I 6 c. 116 So LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 12 und 13, anders aber vor § 304 Tz. 25; wohl auch Hohmann JR 1991, 12, der die Gegenvorstellung gegen Entscheidungen zuläßt, die einfacher Beschwerde unterliegen, nicht aber, falls sofortige Beschwerde gegeben ist. Statthaft soll die Gegenvorstellung aber auch bei unanfechtbaren Beschlüssen der OLGe und des BGH sein (§ 304 IV), sonst offenbar nur, falls andernfalls der Betroffene "rechtlos" stehen würde. Das ist eine vorn gewünschten Ergebnis bestimmte Argumentation und erklärt nicht, wieso rechtskräftige unabänderbare Entscheidungen bei Rechtlosstellung doch abänderbar sein sollen. 117 Zur Frage, wann rechtskräftige Entscheidungen ausnahmsweise abänderbar sind, vgl. LR-Gollwitzer vor § 304 Tz. 37 ff. 118 Schlüchter Tz. 161. 119 BVerfGE 63, 77 =NStZ 1983, 324; Weber JuS 1984,57 f.; zustimmend LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 14, Anm. 21: Selbst formelle Rechtskraft soll Gegenvorstellung grundsätzlich nicht ausschließen (Tz. 13). 120 Ellersiek, S. 30: Auftreten können allenfalls Auslegungsfragen im Hinblick darauf, ob Beschwerde oder Gegenvorstellung gemeint ist.
Fünfter Teil
Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen hn folgenden soll die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen abgehandelt werden. Die Untersuchung folgt dabei dem Gang des Verfahrens. Sie beginnt mit der Eröffnung, erörtert die während des laufenden Verfahrens ergehenden Entscheidungen und schließt mit den verfahrensbeendenden ab, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, will nur beispielhaft! die Methode erläutern, nach der sich die Beschwerdefähigkeit einer Entscheidung beurteilt, ausgehend von der im 1. Teil entwickelten Grundthese, die das Zusammenspiel von Beschwerde und den anderen Rechtsmitteln (einschließlich der Zwischenverfahren und der Rechtsbehelfe eigener Art) als synchron abgestimmtes Ganzes betrachtet. Welchem Rechtsmittel die jeweilige Entscheidung unterworfen ist, soll nicht dem Zufall oder der Vorliebe des mit der Sache befaßten Gerichts überlassen bleiben, sondern - so weit wie möglich prognostizierbar - dem Gesetz zu entnehmen sein.
I. Die ErötTnungsentscheidung 1. Die unterschiedlichen Meinungen
a) Zur Beschwerdefähigkeit
Der Umfang der Anfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses ist noch nicht abschließend geklärt. 2 Eine Ansicht schließt aus § 210 I und n, dem Angeklagten sei 1 Daß Beweisbeschlüsse (bzw. deren Ablehnung) nicht der Beschwerde unterliegen, weil sie typischerweise revisibel sind, ergibt sich schon aus den Motiven und liegt dem Gesetz als selbstverständlich zugrunde; vgl. Schwentker; S. 159, unter Hinweis auf Hahn III/I, S. 247; Beulke Tz. 578; ebenso ist offensichtlich, daß etwa gegen die Versagung oder Beschränkung der Akteneinsicht durch das erkennende Gericht Beschwerde nicht statthaft ist, weil derartige Vorentscheidungen nach § 336 S. I revisibel sind (§ 338 Nr. 8); richtig daher OLG Frankfurt/Mo NStZ-RR 1996,238, worin mit eben dieser Begründung die Beschwerde als unzulässig angesehen wird (mit umfangreichem Nachweis der bisherigen Rechtsprechung und Literatur); KMR-Müller § 147 Tz. 11; unrichtig daher HansOLG NStZ 1992, 50, sofern, was angesichts der Sachverhaltsschilderung (Fortsetzungsterrnin) anzunehmen ist, das erkennende Gericht entschieden hat; ferner (zur Frage der Verweigerung der Akteneinsicht) OLG Brandenburg NJW 1996,67 = StV 1996,7; die Entscheidung bejaht die Beschwerdefähigkeit und nimmt Rechtsmittelkonkurrenz zwischen Beschwerde und Revision ausdrücklich in Kauf. 2 LR-Rieß § 210 Tz. 4; zu Reforrnbestrebungen vgl. Rieß, Lackner-Fschr., S. 978 ff.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
ein Rechtsmittel schlechthin versagt, die StA allein auf die sofortige Beschwerde unter den in § 210 11 niedergelegten Voraussetzungen verwiesen. 3 Eine ältere Meinung hielt - über den Wortlaut des § 210 I und 11 hinaus - sofortige Beschwerde für statthaft,4 allerdings nur zur Beanstandung fonneller Fehler. Daß die (unbefristete) Beschwerde zur Überprüfung der sachlichen Voraussetzungen der Eröffnung (Tatverdacht) unzulässig ist, ist einhellige Meinung. Strittig ist jedoch, ob neben der sofortigen Beschwerde des § 210 11 unbefristete Beschwerde wegen fonneller Mängel des Eröffnungsbeschlusses möglich ist und ob sie nur der StA5 oder auch dem Angeklagten6 offensteht.?
b) Zu den Auswirkungen auf die Revisibilität
Ist der Eröffnungsbeschluß der (einfachen) Beschwerde unterworfen, wirkt sich dies nach herkömmlicher Betrachtung auf die Revisibilität aus. Grundsätzlich würde der Eröffnungsbeschluß als Vorentscheidung i.S. des § 336 S. 1 der Beurteilung 3 LR-Rieß § 210 Tz. 6; HK-Julius § 210 Tz. 3 (hält allerdings einfache Beschwerde bei Verstoß gegen das Willkürverbot für statthaft); AK StPO-Loos § 210 Tz. 3 ff. (7); Nachweise zum Folgenden bei SK-Paeffgen § 210 Tz. 4 ff. 4 Oetker JW 1929, 1044 (sowohl für den Angeklagten als auch für die StA). 5 So KMR-Paulus § 210 Tz. 8; Lit. Übersicht bei Hohendorf NStZ 1985, 400ff.; KKTreier § 210 Tz. 4; Meyer-Goßner JR 1981, 380f.; LR 23-Meyer-Goßner § 210 Tz. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 210 Tz. 4; der dort zitierte Fall des OLG Koblenz betrifft die "trennende Nichteröffnung" (JR 1982,479): Abtrennung und formlose Abgabe an die allgemeine Strafkammer durch die Jugendkammer - ohne Entscheidung über die Eröffnung. Das OLG Koblenz hält die Beschwerde für statthaft (zustimmend Brunner JR 1982,481). Die Jugendkammer hätte entweder das Hauptverfahren vor sich oder der allgemeinen Strafkammer eröffnen oder die Sache dem Gericht höherer Ordnung zur Entscheidung vorlegen müssen, nicht aber formlos an das Gericht niederer Ordnung abgeben dürfen. Gegen die Trennung ist, wenn sie mit der Eröffnung einhergeht, wegen deren Beruhensgeeignetheit Beschwerde nicht statthaft, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Beschluß im Eröffnungsverfahren oder im Hauptverfahren ergeht; Beschwerde ist im einen Fall nach § 210 11, im anderen nach § 305 S. 1 nicht zulässig. Im konkreten Fall allerdings erging der Beschluß außerhalb des Hauptverfahrens und gerade ohne Eröffnungsentscheidung. Was bleibt, ist die Nichtbescheidung des Eröffnungsantrages. Inwiefern hiergegen Beschwerde statthaft ist, ist keine Frage des § 210, sondern hängt davon ab, ob die Nichtbescheidung eines Antrags einem Rechtsmittel zugänglich ist. Das OLG Koblenz bejaht dies und befindet sich im Einklang mit der h. M. (Ellersiek, S. 65). Gegen ein über § 210 hinausgehendes Beschwerderecht (auch für die StA): Schlüchter Tz. 419. 6 Amdt GS 101 (1932), S. 193 ff.: Der Grundsatz der Unanfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses erstreckt sich nur auf seine sachliche Richtigkeit, nicht auf seine verfahrensmäßige Zulässigkeit. Gössel (Lehrbuch, § 12 C IV b 2, S. 125): Einfache Beschwerde für jeden Prozeßbeteiligten, wenn der Eröffnungsbeschluß die Anklage nicht erschöpft oder über ihren Rahmen hinausgeht. 7 Generell ablehnend Eh. Schmidt § 210 Tz. 4 und 7; Schwarze GS 36 (1884), S. 298; Roxin § 40 C III 1; Rieß NStZ 1983,248; LR-Rieß § 210 Tz. 10, anders die Vorauflage, vgl. LR 23-Meyer-Goßner § 210 Tz. 11.
I. Die Eröffnungsentscheidung
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des Revisionsgerichts unterliegen, allerdings dann nicht, wenn dies durch § 336 S. 2 verhindert wird. Letzteres hat der BGH ausgesprochen. 8 Diese Entscheidung veranlaßt Rieß zu der Bemerkung, die Anwendung des § 336 S. 2 sei "nur dann dogmatisch stimmig", wenn das Beschwerderecht insgesamt, nicht aber, wenn es nur asymmetrisch (zuungunsten des Angeklagten) versagt, der StA aber zuerkannt werde. 9 Ob diese These richtig ist, mag zunächst dahinstehen; Meyer-Goßner hat ihr widersprochen. 10 Einen anderen Ausgangspunkt nimmt die Untersuchung von Nelles." Für diese ist der Eröffnungsbeschluß nicht unter dem Blickwinkel der anfechtbaren Vorentscheidung, sondern in seiner Eigenschaft als Prozeßvoraussetzung zu überprüfen, so daß bereits § 336 S. I auf die Eröffnungsentscheidung nicht anwendbar ist und entsprechend Satz 2 dieser Vorschrift die Revision nicht ausschließt. Sei der Eröffnungsbeschluß nämlich Verfahrensvoraussetzung, komme es für die Statthaftigkeit der Revision nur darauf an, ob er trotz des ihm anhaftenden Mangels die Grundlage für das nachfolgende Hauptverfahren abgeben könne. 12 Die Prüfung des § 336 S. 2 wird vom Standpunkt dieser Ansicht aus entbehrlich. 2. Die Verzahnung der Probleme
Bei der Auseinandersetzung damit, inwiefern der Eröffnungsbeschluß den drei ordentlichen Rechtsmitteln zugänglich ist, kann unter Zugrundelegung der h.M. die Statthaftigkeit des einen Rechtsmittels nicht geprüft werden, ohne die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die beiden anderen zu bedenken, da diese Meinung bei Statthaftigkeit einfacher Beschwerde die betroffene Entscheidung nicht für "unanfechtbar" i.S. des § 336 S. 2 (1. Alt.) und damit für revisibel hält. 13 Unter dieser Prämisse erscheinen die Probleme derart miteinander verzahnt, daß bestimmte Lösungen im Bereich des einen Rechtsmittels unmittelbar Konsequenzen für die beiden anderen nach sich ziehen. Leicht zu überblicken ist das Verhältnis zwischen Beschwerde und Berufung. Zwischen ihnen besteht keine Wechselwirkung wie zwischen Beschwerde und Revision. Sie schließen einander nicht aus, und die Statthaftigkeit der einen hängt von der der anderen nicht ab. 14 BGH NStZ 1981,447 mit Anm. Rieß. Rieß NStZ 1981, 447 unter Auseinandersetzung mit der Auffassung von Meyer-Goßner IR 1981, 381. 10 Meyer-Goßner NStZ 1989,90; auch IR 1981, 381 (r. Sp.); Michfer; S. 190; näher unten im Text I. 2: 11 Ne/fes NStZ 1982, 96ff. 12 Nelles NStZ 1982, 99 ff. 13 Auf diese Wechselwirkung weist zutreffend Meyer-Goßner NStZ 1989, S. 90 hin. 14 Vgl. O. 2. Teil VI. 1. 8
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Schwieriger gestaltet sich die Beziehung Beschwerde / Revision. Die Probleme resultieren aus der üblichen Auslegung des § 336 S. 2. § 336 S. 2 (1. Alt.) versagt Revision gegen Vorentscheidungen, die "ausdrücklich für unanfechtbar erklärt" sind. Die h.M. stellt nun die Begriffspaare "unanfechtbar" und "anfechtbar" einander gegenüber und folgert aus § 336 S. 2 (1. Alt.), anfechtbare Entscheidungen seien vom Revisionsausschluß nicht betroffen. 15 Unanfechtbar ist eine Entscheidung, wenn sie jedem ordentlichen Rechtsmittel entzogen ist. Daraus wird hergeleitet, mit der Zulassung einfacher Beschwerde sei gleichsam automatisch die Revision eröffnet,16 weil die Möglichkeit einfacher Beschwerde, eines ordentlichen Rechtsmittels, Anfechtbarkeit der Entscheidung bedeute.
Unter Einbeziehung der positiv-rechtlichen Regelung des § 336 S. 2 (2. Alt.) ist dieses Ergebnis eigenartig. Einfache bzw. sofortige Beschwerde haben gegenläufige Konsequenzen in ihrem Verhältnis zur Revision, die einfache macht jene statthaft, die sofortige schließt sie aus. 17 Nach dem Wortlaut des § 336 S. 2 (2. Alt.) ist letzteres für die sofortige Beschwerde zwingend und entbehrt nicht der Logik, wenn man das (hier abgelehnte) Prinzip für richtig hält, die Beschwerde genieße Priorität vor der Revision (Prioritätsmaxime).18 Nicht zwingend indessen ist die aus der Zulässigkeit einfacher Beschwerde gezogene Konsequenz. Auch dieses Rechtsmittel regiert nach h.M. die Statthaftigkeit der Revision, jedoch gegenläufig, was sich wiederum mit der herkömmlichen Einordnung der sofortigen Beschwerde als Unterart der einfachen Beschwerde 19 nicht verträgt. Im Gegensatz zur sofortigen Beschwerde, die Revision ausschließt, soll einfache Beschwerde die Revision eröffnen. 20 Problematisch erscheint das Verhältnis der beiden Alternativen des § 336 S. 2 zueinander. Wird die Vorentscheidung sofortiger Beschwerde unterworfen, müßte sie bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung apriori nach § 336 S. 2 (2. Alt.) der Revision entzogen sein, ohne daß es auf das Merkmal der "Unanfechtbarkeit" i.S. der ersten Alternative des § 336 S. 2 ankäme. Gleichwohl wird die Frage, ob LR-Hanack § 336 Tz. 11 ff. 16 Vgl. die Auffassung von Rieß: Revisibilität, wenn die einfache Beschwerde statthaft ist (NStZ 1981,447), Irrevisibilität, wenn sie es nicht ist (LR-Rieß § 207 Tz. 71). 17 Dies verleitet Michler (S. 190) zu der These, daß bei Zulassung einfacher Beschwerde der Fehler auch mit der Revision gerügt werden könne, da Unanfechtbarkeit i. S. des § 336 S. 2 StPO dann nicht vorliege. Michler meint also, über die Zulassung der Beschwerde nach § 304 sei zugleich Revision eröffnet. Diese Ansicht müßte spätestens den Anstoß geben, den Begriff der "Unanfechtbarkeit" in § 336 S. 2 zu überdenken. 18 Vgl. o. 1. Teil III. 1. 19 LR-Gollwitzer § 311 Tz. 1; Fezer II 119 Tz. 188. 20 Vgl. Rieß NStZ 1981, 447; die in diesem Zusammenhang mitunter zitierten Entscheidungen betreffen die stattgebende Richterablehnung und leiten deren Irrevisibilität aus § 28 I her, ohne ausdrücklich auszusprechen, daß bei Statthaftigkeit der Beschwerde die Revision offenstünde; OLG Jena JW 1925, 2813 (Nr. 13); RG JW 1933, 445 (Nr. 34); 1937, 3023 (Nr.5). 15
I. Die Eröffnungsentscheidung
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der Eröffnungsbeschluß mit einfacher Beschwerde angreifbar ist und ob ihm hierdurch die "Unanfechtbarkeit" genommen wird, ausführlich diskutiert. 21 Verständlich ist dies nur, wenn die Asymmetrie, mit der einfache bzw. sofortige Beschwerde statthaft ist, auf die Revisibilität übertragen wird. Meyer-Goßner bemerkt hierzu: ,,§ 336 S. 2 StPO kann ... nicht so verstanden werden, daß eine mit sofortiger Beschwerde anfechtbare Entscheidung schlechthin der Überprüfbarkeit durch das Revisionsgericht entzogen ist. Vielmehr folgt aus der Intention der Vorschrift, bei mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen so bald wie möglich endgültige Klarheit zu schaffen, ... daß die Revision nur insofern ausgeschlossen sein soll, als die Entscheidung mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist,,?2. 23
Das bedeutet: Ist die Entscheidung nur für die StA mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, folgt hieraus der Revisionsausschluß des § 336 S. 2 (2. Alt.) nur für die StA, nicht für andere Prozeßbeteiligte. Für den Angeklagten kommt es nicht zum Revisionsausschluß nach der 2. Alt. des § 336 S. 2, weil ihm sofortige Beschwerde nicht eröffnet ist. Zu diskutieren wäre allenfalls der Revisionsausschluß der ersten Alternative ("Unanfechtbarkeit"). Teilt man die Ansicht, § 336 S. 2 sei aus dem Prioritätsgrundsatz geboren, ist die Auslegung von Meyer-Goßner zwingend. Steht nämlich der StA sofortige Beschwerde gegen die Vorentscheidung offen, so soll sie nicht denselben Fehler zusammen mit dem Urteil durch Revision rügen dürfen. Ist andererseits dem Angeklagten keine sofortige Beschwerde möglich, besteht kein Grund, ihm die Revision zu versagen. In diesem Sinne verstanden schließt der Prioritätsgrundsatz Revision nur für denjenigen aus, dem das (vorrangige) Rechtsmittel in Gestalt der (sofortigen) Beschwerde zusteht. Asymmetrie der Beschwerdeberechtigung zieht zwangsläufig asymmetrischen Revisionsausschluß nach sich. Eine vergleichbare Problematik findet sich bei der "Unanfechtbarkeit" i.S. der ersten Alternative des § 336 S. 2. Unanfechtbarkeit der Vorentscheidung schließt Überprüfung durch Revision aus. Die Möglichkeit einfacher Beschwerde soll dem 21 Rieß NStZ 1981, 447; Meyer-Goßner NStZ 1989, 89; IR 1981, 380; LR-Rieß § 207 Tz. 71; KK-Treier § 207 Tz. 17; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 210 Tz. 4. 22 Meyer-Goßner IR 1981, 38l. 23 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Konstellation der Entscheidung BGH bei Holtz MDR 1978, 460 (zu § 264): Nichterschöpfung des Eröffnungsbeschlusses durch das Urteil (zum Problem KK-Hürxthal § 264 Tz. 10). Angeklagt war Untreue in 316 gleichgelagerten Fällen. Das LG hatte die Täterschaft nur in 10 Fällen als nachgewiesen angesehen und im übrigen (aus Kostengründen) weitere Beweisaufnahmen abgelehnt. Das beanstandet der BGH mit der Begründung, die Verfolgung und Ahndung kriminellen Unrechts könne nicht von der Höhe der durch die Beweiserhebungen entstehenden Kosten abhängig gemacht werden. Die Entscheidung ist richtig und keine Frage des § 336, weil nicht der Eröffnungsbeschluß, wohl aber das Urteil zu beanstanden war. Hätte schon der Eröffnungsbeschluß die Anklage entsprechend nicht erschöpft, hätte die StA dies nur nach § 210 11 mit sofortiger Beschwerde, nicht mit Revision rügen können. Der umgekehrte Fall lag BGH StV 1997, 169 vor. Die Vorinstanz hatte wegen einer höheren als angeklagten Zahl von Einzeltaten verurteilt.
17 Weidemann
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Revisionsausschluß entgegenstehen. Nach der oben berichteten These von Rieß soll schon die nur der StA offenstehende einfache Beschwerde dem Eröffnungsbeschluß den Charakter der Unanfechtbarkeit nehmen. 24 Diese Überlegung greift nicht, wenn die ratio der ersten Alternative des § 336 S. 2 der der zweiten entspricht. Verfolgt § 336 S. 2 (1. Alt.) das Ziel, der Vorentscheidung Rechtskraft beizulegen, kann Revision nur für den Prozeßbeteiligten versagt sein, den diese Unanfechtbarkeit treffen soll. Umgekehrt würde Anfechtbarkeit für einen Prozeßbeteiligten nicht dem anderen die Revision eröffnen. Wird also die asymmetrische Betrachtungsweise bei der 2. Alternative ("mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar") auf die Revisibilität übertragen, hat dies auch für die erste Alternative ("Unanfechtbarkeit") zu geschehen. Ist das Recht der einfachen Beschwerde asymmetrisch nur der StA verliehen, bestünde hiernach kein Anlaß, die Vorentscheidung schlechthin für "anfechtbar" und deshalb revisibel zu halten. Nach hier vertretener Ansicht hängt die Revisibilität des Eröffnungsbeschlusses indessen ohnehin nicht davon ab, inwieweit er durch einfache Beschwerde anfechtbar ist. Die gegenteilige Auffassung beruht auf einer Fehlinterpretation des § 336 S. 2 (1. Alt.). "Unanfechtbar" bedeutet nicht "mit keinem Rechtsmittel" sondern "nicht mit der Revision anfechtbar". 25 In Entscheidungen der Revisionsgerichte, die sich mit der Unanfechtbarkeit befaßten, ging es nicht um "andere" Rechtsmittel, sondern um die Revision. Soweit diese versagt wurde, geschah dies mit der Begründung, die betreffenden Beschlüsse seien "weder mit der Beschwerde, noch mit der Revision" oder "mit einem anderen Rechtsmittel überhaupt nicht" anfechtbar?6 Die Erkenntnisse haben mithin über die Statthaftigkeit der Revision (nicht der Beschwerde) befunden und die Revision deshalb versagt, weil die Vorentscheidung jedem Rechtsmittel, also auch der Revision, unzugänglich war. Die Feststellung, Beschwerde sei ausgeschlossen, geschah obiter und sollte lediglich unterstützend den Revisionsausschluß begründen. Das heißt indessen nicht, daß bei Statthaftigkeit der Beschwerde Revision eröffnet gewesen wäre. Der Revisionsausschluß setzt nicht voraus, daß das Gesetz die Entscheidung schlechthin für unanfechtbar erklärt. Die Einräumung der (einfachen) Beschwerde besagt mithin tatsächlich über die Statthaftigkeit der Revision nichts. Wer dem einen oder anderen Beteiligten (einfache) Beschwerde zugesteht, widerspricht sich nicht, wenn er gleichwohl die Revision versagt.
3. Die einfache Beschwerde gegen die ErötTnungsentscheidung
Das Zugeständnis einfacher Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß geht auf Amdt zurück. Die Motive hätten, so Amdt, die Frage der Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses wegen verfahrensrechtlicher Fehler nicht erwogen. Die 24 LR-Rieß § 207 Tz. 71 (am Ende) und Rieß NStZ 1981,447. 25 Vgl. o. 1. Teil V. 2. 26 BGH GA 1962, 338 (Selbstablehnung); RG 30, 123; RG 67, 276 (277), beide Entscheidungen die Selbstablehnung betreffend; BGH 33, 290, 292 (Entpflichtung von Schöffen).
I. Die Eröffnungsentscheidung
259
Grundregel des § 304 ist bei dieser Sicht durch die Sondervorschrift des § 210 nicht ausgeschlossen. Absicht des § 210 I sei allein die Verfahrensbeschleunigung und Freihaltung der ersten Instanz von Einflüssen der höheren bei der Urteilsfindung. 27 ,28 Damit würde der Eröffnungsbeschluß nicht zu den unanfechtbaren Entscheidungen i. S. von § 336 S. 2 gehören, so daß gegen ihn beide Rechtsmittel statthaft wären, einfache Beschwerde und Revision, letztere, soweit der Beruhenszusammenhang bejaht wird. Dementsprechend hält Arndt die auf Verfahrensverletzungen gestützte einfache Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß sowohl dem Angeklagten als auch der StA für möglich. Dieser Gedankengang widerspricht indessen klar dem Wortlaut des § 210 I, wonach der Eröffnungsbeschluß zumindest für den Angeklagten mit Beschwerde nicht angreifbar ist. Aber auch in der abgewandelten Form, in der diese These heute noch vertreten wird, zwar nicht der Angeklagte, wohl aber die StA könne über den Wortlaut des § 210 11 hinaus (einfache) Beschwerde zur Überprüfung formeller Fehler des Eröffnungsbeschlusses einlegen,29 trifft sie nach der hier vertretenen Ansicht nicht zu. Der Wortlaut des § 210 spiegelt den Sinn der Vorschrift wider: Doppelgleisigkeit des Rechtsmittelwegs soll vermieden werden, und zwar nicht erst - wie Arndt meint - vorn Beginn der Hauptverhandlung,30 auch nicht erst vorn Beginn der Zuständigkeit des erkennenden Gerichts an (diesen Fall regelt § 305 S. 1), sondern schon ab Eröffnung. Aus diesem Grund sperrt § 210 den Beschwerdeweg nicht nur zur Überprüfung der "sachlichen Richtigkeit" des Eröffnungsbeschlusses, sondern aller seiner Fehler überhaupt. 31 Dann unterbindet die Vorschrift aber nicht gleichzeitig die Revision, denn Vermeidung von Doppelanfechtung heißt nicht generelle Rechtsrnittelversagung. Wenn man - wie diese Untersuchung - § 210 auf eine Stufe mit § 305 S, I stellt,32 ergibt sich der Ausschluß einfacher Beschwerde von selbst: Die 27 Arndt GS 101 (1932), 187 ff. (194). Die Stellungnahme Arndts zur Frage der Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses ist differenzierter, als sie im allgemeinen in der Literatur wiedergegeben wird, Keinesfalls bejaht er Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß schlechthin und in jedem Stadium des Verfahrens. Nach Beginn der Hauptverhandlung hält er sie für nicht mehr statthaft (S. 190 f.). Die Frage ist nur, warum das erst ab Beginn der Hauptverhandlung gelten und warum die durch die Doppelgleisigkeit entstehende "Verwirrung" (S. 191) für die Eröffnungsentscheidung selbst hinzunehmen sein soll. 28 Ein Antrag von Schwarzes, auch dem Beschuldigten die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses zu gestatten, fand in der Reichstagskornrnission keine Mehrheit, vgl. von Schwarze GS 36 (1884), S. 296 und von Schwarze, S. 345 (vor § 196); StiegeIe § 209 Anm. 1; Zimmermann GS 36 (1884), S. 605 ff.; zur Geschichte des Zwischenverfahrens vgl. Ernst, S. 67 ff. 29 LR 23-Meyer-Goßner § 210 Tz. 11; KK-Treier § 210 Tz. 4; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 210 Tz. 4. 30 Arndt OS 101 (1932), 187ff. (190f.). Richtigerweise ist § 210 lex specialis gegenüber § 304 (LR-Rieß § 210 Tz. 1). 31 Zur Abgrenzung einer rechtlich abweichenden Würdigung (§ 207 II Nr. 3) von der teilweisen Nichteröffnung vgl. BGH NStZ 1989, 190; gegen die Übertragung der Grundsätze des nichtigen Urteils auf den Eröffnungsbeschluß Meyer-Goßner IR 1981,379 f. 32 Dazu unten unter 3. 17*
260
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Entscheidung, die nach § 336 S. 1 als Vorentscheidung der Revision offensteht, ist nicht gleichzeitig beschwerdefähig. Was § 305 für das Haupt- ist § 210 für das Zwischenverfahren, § 210 gibt auf das Zwischenverfahren bezogen das Pendant zu § 305 ab.
An der Tatsache, daß § 210 die Anfechtung der Eröffnungsentscheidung, jedenfalls was die Beschwerde angeht, abschließend regelt, kommt keine Auslegung vorbei. Das gilt insbesondere für folgende Fälle, in denen einfache Beschwerde verschiedentlich für statthaft gehalten wird: Der Eröffnungsbeschluß erschöpft die Anklage nicht oder geht über sie hinaus. 33 Bei Nichterschöpfung ist - ggfls. nach erneuter Entscheidung, auf die die StA hinzuwirken hae 4 - die sofortige Beschwerde nach § 210 II statthaft. Bei Überschreitung der Anklage steht dem Angeklagten die Revisionsrüge offen, denn mit dem Akkusationsprinzip ist Eröffnung ohne Anklage nicht zulässig?5 Erschöpft der Eröffnungsbeschluß die Anklage, das Urteil aber nicht den Eröffnungsbeschluß, kann die StA die Rüge der nichterschöpfenden Aburteilung der Tat erheben. 36 Behandelt das Urteil - bei unzureichendem Eröffnungsbeschluß - die Tat erschöpfend, fehlt es dem nicht eröffneten Teil der Verurteilung an einer Prozeßvoraussetzung. Treier hält Beschwerde in diesen Fällen für "nicht unbedenklich", läßt sie aber letztlich aus Gründen der Prozeßökonornie zu. Daß indessen der Fehler in einer höheren Instanz zur Einstellung eines ..umfangreichen und kostspieligen Verfahrens" führen kann,37 rechtfertigt nicht die Preisgabe der Rechtsmittelsystematik, schon weil einerseits die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine Garantie für Fehlerfreiheit des Verfahrens bietet und auch innerprozessuale Bindung in der Sache (also über den Beschwerdegegenstand hinaus) fehlt. Sinn33 Gössel § 12 C IV b 2 (S. 125); Palder IR 1986,94; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 210 Tz. 4. Indessen hat diese Frage nach der Änderung des § 207 durch das StPÄG 1964, wonach heute der Eröffnungsbeschluß nicht mehr selbst die Tat konkretisiert, sondern nur noch die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, keine praktische Bedeutung mehr. Anders § 383 I 2 für das Privatklageverfahren und auch das an die StPO angelehnte Verfahren vor dem Berufsgericht nach dem Heilberufsgesetz NRW vom 27. 4. 1994 - GVBl NW 1994,204 -. Nach dessen § 73 I 1 hat der Eröffnungsbeschluß "die dem Beschuldigten zur Last gelegten Verfehlungen anzuführen". LR 23-Meyer-Goßner läßt für die StA die Beschwerde gegen den nichtigen oder fehlerhaften Eröffnungsbeschluß zu (§ 210 Tz. 11), aufgegeben in der 24. Aufl., vg!. LR-Rieß § 210 Tz. 6,7; zum Problem insges. vg!. Meyer-Goßner IR 1985, 452ff. 34 LR-Rieß § 210 Tz. 7. 35 Gössel § 2 A S. 32ff.; KK-Pfeiffer Ein!. Tz. 3; KK-Schoreit § 155 Tz. 1; ebenso zutreffend, falls die Anklage mangelhaft ist, LG Frankfurt NStE Nr. 2 zu § 210: Werden die Mängel nicht geheilt, ist wegen Verfahrenshindernisses einzustellen (§§ 206 a, 260 III). Andernfalls steht die Revisionsrüge offen, weil es an einer Prozeßvoraussetzung fehlt. Im konkreten Fall hatte der Angeklagte die Anklage beanstandet. Das eröffnet ihm gleichwohl nicht die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß (oder, im entschiedenen Fall, gegen die Einstellungsablehnung). Ist die Anklage tatsächlich mangelhaft und der Mangel nicht etwa geheilt, kann dies nur mit Revision gerügt werden. Für die Zulassung der Beschwerde besteht kein Bedürfnis. 36 KK-Hürxthal § 264 Tz. 10; BGH bei Holtz MDR 1978,460 (§ 264): Beschränkung auf 10 von 316 angeklagten Fällen. 37 KK-Treier § 210 Tz. 4.
1. Die Eröffnungsentscheidung
261
voll wäre38 - wegen der durch § 336 S. 2 ausgeschlossenen Doppelanfechtung - allenfalls, sofortige Beschwerde zuzugestehen: Dies hingegen würde der "Ganz-und-Alles-Maxime" des Strafprozesses widersprechen; Verfahrensfragen sollen grundsätzlich nicht durch Zwischenentscheidungen vorab geklärt werden. Zur Behebung der sicherlich mißlichen Verfahrenskonsequenzen, die durch einen formell fehlerhaften Eröffnungsbeschluß entstehen, hält diese Untersuchung eine andere Abhilfe für möglich, wenn nicht etwa Heilung in Betracht kommen sollte. 39 Vom Regelungsgehalt des § 210 sind hingegen die Fälle nicht erfaßt, in denen eine Entscheidung über die Eröffnung nicht getroffen wird, so etwa die bloße Unzuständigkeitserklärung40 oder die formlose Abgabe. 41 Einfache Beschwerde wird in diesen Fällen nicht durch § 210 ausgeschlossen, weil auf die Nichtentscheidung kein Urteil folgt.
Einfache Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß steht mithin keinem Prozeßbeteiligten offen, auch nicht zum Zweck der Überprüfung formeller Fehler.42 4. Die sofortige Beschwerde
Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß ist asymmetrisch geregelt. Nur einer der Prozeßbeteiligten kann gegen die ihn beschwerende Entscheidung Rechtsmittel einlegen; nach § 210 11 ist dies die StA (nicht der Angeklagte), der sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung und gegen die Verweisung an ein niederes Gericht zusteht. Auch hier ist wieder der oben erwähnte Grundsatz der Kongruenz der Fehlerprüfung zu beachten,43 wonach materielle Überprütbarkeit einer Entscheidung nur so weit besteht, wie Anfechtung der zur Überprüfung gestellten Entscheidung statthaft ist, materielle Überprütbarkeit eines Fehlers setzt Statthaftigkeit der Fehlerprüfung voraus. Das wird mitunter verkannt, z. B. vom BayObLG:44 Die StA erhebt vor der Staatsschutzkammer Anklage wegen § 86 StGB, tateinheitlich begangen mit § 131 StGB. Das LG eröffnet vor dem AG nur wegen § 131 StGB. Die (sofortige) Beschwerde der StA rügt die Vemeinung des hinreichenden Tatverdachts des § 86 StGB und die Verkennung von § 24 I Nr. 3 GVG. Selbst bei Tatverdacht nur hinsichtlich des § 131 StGB sei wegen der Bedeutung des Falles vor der Strafkammer zu eröffnen gewesen. 38 Aber nur de lege ferenda, denn ausdehnende Auslegung des § 311 ist abzulehnen, vgl. Ellersiek, S. 72 (oben), unter Ablehnung von OLG Oldenburg NdsRpfll949, 64. 39 Vgl. unten 5. Teil!. 6. 40 KK-Treier § 210 Tz. 6; LR-Rieß § 210 Tz. 30. 41 Vgl. LR-Rieß § 210 Tz. 29 f. 42 Rieß Anm. zu BayObLG OLGSt § 210 Nr. 3 (S. 9); LR-Rieß § 210 Tz. 6; Michler, S. 190 u. 243, bejaht ein Bedürfnis für die einfache Beschwerde aus revisionsrechtlichen Gründen. 43 Dieser ergibt sich aus der eigenartigen Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtsmiuelsymmetrie, hierzu vgl. Rieß in der Anm. zu BayObLG OLGSt § 210 Nr. 3 (S. 9). 44 BayObLG NJW 1987, 511 = OLGSt § 210 Nr. 3 mit zustimmender, aber immerhin kritisch würdigender Anm. Rieß.
262
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Das Rechtsmittel bleibt erfolglos und führt darüber hinaus unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Ablehnung der Eröffnung insgesamt. Das BayObLG begründet dies mit dem Erfordernis der Gesamtbewertung der Tat (im prozessualen Sinn). Diese Prämisse ist richtig. 45 Der Eintritt in solche Wertung setzt jedoch voraus, daß eine derartige materiell-rechtliche Überprüfung prozessual überhaupt statthaft ist. Diese und damit die Abänderbarkeit der angefochtenen Entscheidung kann indessen nicht weiter reichen, als die Statthaftigkeit des Rechtsmittels Überprüfung und mithin Abänderung überhaupt zuläßt. Gegen die Eröffnung war aber ein Rechtsmittel gar nicht gegeben, so daß die Beschwerdeentscheidung diesen Teil des Beschlusses nicht abändern durfte. Mit der Problematik des § 301 (Rechtsmittel der StA zugunsten des Angeklagten) hat das nichts zu tun, die StA hat nur die in § 210 II vorgesehenen Möglichkeiten, Beschwerde einzulegen, also gegen die Nichteröffnung und die Eröffnung vor einem niederen Gericht. Beschwerde ist statthaft, aber nur, soweit sie den nichteröffnenden Teil der Entscheidung betrifft. § 301 ändert hieran nichts, denn er setzt die Statthaftigkeit des Rechtsmittels voraus. 46
5. Die Revision
a) Wechselwirkung der Revision mit einfacher und sofortiger Beschwerde
Aus § 336 wird die bereits beschriebene Wechselwirkung zwischen Revision und Beschwerde hergeleitet. Die Zulässigkeit einfacher Beschwerde soll die Statthaftigkeit der Revision begründen, die der sofortigen Beschwerde Revision unterbinden. Für den Eröffnungsbeschluß wird hieraus dessen Unanfechtbarkeit durch Revision gefolgert, wenn Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde verneint wird. 47 Nach hier vertretener Meinung hängt indessen die Zulässigkeit der Revision nicht von Statthaftigkeit einfacher Beschwerde ab, weil die Einräumung dieses anderen Rechtsmittels nichts darüber aussagt, ob die betreffende Entscheidung als Vorentscheidung nach § 336 S. 1 revisibel ist. 48 Die Wechselwirkung von Revision und sofortiger Beschwerde ist § 210 11 zu entnehmen, der der StA sofortige Beschwerde zugesteht. Inwieweit ihr hierdurch die Revision genommen wird, dürfte von geringer praktischer Bedeutung sein, die Nichteröffnung kann - mangels Urteils - mit Revision nicht angefochten werden, anders allenfalls der Beschluß, der Eröffnung und Nichteröffnung kombiniert oder LR-Rieß § 210 Tz. 20 (unbestritten). Die Lösung des BayObLG, NJW 1987,511, ist bislang noch nicht bestritten, findet vielmehr Zustimmung; vgl. KleinknechtlMeyer-Goßner § 210 Tz. 2; Rieß in der Anm. zu dieser Entscheidung (OLGSt § 210 Nr. 3) hebt mit Recht hervor, daß der Beschluß Neuland betritt und die Unteilbarkeit des Prüfungsgegenstandes ebensowenig wie § 301 das Ergebnis zwingend rechtfertige. Rieß greift letztlich auf die von ihm an anderer Stelle (LR-Rieß § 210 Tz. 4) hierzu abgelehnten Grundsätze der Prozeßökonomie und der Verfahrensbeschleunigung zurück, die aber diese Entscheidung dogmatisch nicht zu rechtfertigen vermögen. 47 BGH NStZ 1981,447 mit Anm. Rieß. 48 Vgl. O. I. 3. 45
46
I. Die Eröffnungsentscheidung
263
der vor einem Gericht niederer Ordnung eröffnet; wenn angenommen wird, auf dem die Eröffnung ablehnenden Teil - oder der Eröffnung vor dem niederen Gericht - könne das Urteil beruhen, gewinnt der Revisionsausschluß in diesen Fällen Relevanz. 49
b) Der Eröffnungsbeschluß als Prozeßvoraussetzung
Die Qualifizierung des Eröffnungsbeschlusses als Prozeßvoraussetzung 50 befreit von der Prüfung nach § 336 S. 2, weil in diesem Fall § 336 S. 1 nicht einschlägig ist;51 fehlt eine Prozeßvoraussetzung, ist das weitere Verfahren unzulässig, ohne daß es auf die Anfechtbarkeit der Entscheidung als Vorentscheidung nach § 336 S. 1 ankäme. 52 Das führt zu der Frage, welche Mängel dem Eröffnungsbeschluß die Qualität der Prozeßvoraussetzung nehmen. Die Rechtsprechung unterscheidet 53 zwischen denen, die Unwirksamkeit (Nichtigkeit) und solchen, die nur Fehlerhajtigkeit54 nach sich ziehen. 55 Allein bei Unwirksamkeit56 soll dem Eröffnungsbeschluß die Einstufung als Verfahrensvoraussetzung verlorengehen, nicht bei bloßer Fehlerhaftigkeit. 57 Die Unwirksamkeit soll formlos geltend gemacht werden können, FehlerVgl. o. I. 2. und 3. Zum Eröffnungsbeschluß als Prozeßvoraussetzung vgl. Sulanke, S. 91 ff.; Palder JR 1986,94 und oben 5. Teil I. 1. b). 51 Der Satz von Michler; S. 240, § 336 S. 2 gelte nicht für unanfechtbare Entscheidungen, die gleichzeitig Prozeßvoraussetzungen sind, ist in dieser Kurzform mißverständlich und von Nelles (NStZ 1982, 1(0), auf die sich Michler beruft, wohl nicht so gemeint. § 336 S. 2 betrifft nur die Anfechtbarkeit. Wenn aber eine Entscheidung Prozeßvoraussetzung ist, muß - trotz Unanfechtbarkeit - ihr Vorhandensein überprüft werden dürfen, was freilich zu der beklagenswerten Notwendigkeit führt, zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zu unterscheiden. 52 LR-Rieß § 207 Tz. 70; eine andere Frage ist es, inwiefern Mängel des Eröffnungsbeschlusses heilbar sind, und, falls überhaupt, in weichem Stadium des Verfahrens, Kleinknecht/Meyer-Goßner § 207 Tz. 12; LR-Rieß § 207 Tz. 64ff. 53 Gegen diese Unterscheidung und die Terminologie LR-Rieß § 207 Tz. 37 und Tz. 52. 54 BGH NStZ 1984, 133; BGH GA 1980, 108 = bei Pfeiffer NStZ 1981, 95 (zu § 200 StPO); BGH GA 1973,111; BGH 5, 225; BGH NJW 1954,360; BGH NStZ 1985, 464 (465, zu I 2); RG 21,64 (65). 55 Vgl. Amdt GS 101 (1932), 188. Die Unterscheidung ist dem Verwaltungsrecht entnommen: "Soweit die Strafprozeßordnung nicht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt, gelten die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Rechts. Hierzu gehört der Rechtssatz, daß Staatsakte, die von einer "absolut" unzuständigen Behörde vorgenommen sind, keine Wirkung haben ... ". 56 Den Fall eines "nichtigen" Eröffnungs- und Verweisungsbeschlusses behandelt OLG Karlsruhe NStZ 1990,100. 57 Unwirksamkeit nimmt RG 21,64 an (keine Konkretisierung der Tat; Ergänzung aus der Anklage war in concreto unmöglich, weil diese denselben Mangel aufwies); BGH 5, 225 49
50
264
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
haftigkeit nur eine Anfechtung ermöglichen, vorausgesetzt die Entscheidung ist anfechtbar. Bloße Anfechtbarkeit könnte beim Eröffnungsbeschluß zur Überprüfbarkeit dann nicht hinreichen, wenn er nach § 336 S. 2 (1. Alt.) wegen Unanfechtbarkeit nicht revisibel ist. Im Gegensatz hierzu verwirft Nelles die Differenzierung zwischen nichtigen und nur fehlerhaften Entscheidungen und stellt darauf ab, ob das folgende Urteil auf der konkreten Gesetzesverletzung bei Eröffnung beruht, wobei für sie nur ein Verstoß gegen solche Normen in Betracht kommt, deren Verletzung der ratio der jeweiligen Norm folgend als Revisionsgrund dienen kann. 58 Somit scheidet hier die Verletzung solcher Normen aus, deren Schutzzweck gerade nicht dahin geht, "den Einfluß bestimmter Faktoren auf das Urteil zu verhindern". Im Einzelfall läuft dies auf die Prüfung hinaus, ob der konkrete Fehler die Funktion des Eröffnungsbeschlusses im Verfahren beeinträchtigt. Richterliche Kontrolle der Anklage und Bestimmung des Verfahrensgegenstandes sind die Aufgaben des Eröffnungsbeschlusses zum Schutz des Angeklagten. Infolgedessen sieht Nelles neben der Formnichtigkeit die Verletzung dieser beiden Kriterien als funktionsbeeinträchtigende und damit revisible Fehler des Eröffnungsbeschlusses an, nicht hingegen Beurteilungsfehler bei der Bejahung des Tatverdachts.
Nelles greift die These Volks auf, daß die in den Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts anzutreffenden Nichtigkeitsgründe, soweit sie nicht in den Katalog des § 338 aufgenommen wurden, zu Prozeßvoraussetzungen umgebildet Eingang in die Dogmatik des Strafverfahrens fanden.~ So begrüßenswert der Ausgangspunkt dieser These ist, die Vermeidung der leidigen Diskussion um die Abgrenzung von Nichtigkeit und bloßer Fehlerhaftigkeit,60 vermag sie doch nichts Geeignetes an die Stelle dieser Unterscheidung zu setzen. Daß die Nichtigkeitsgründe in § 338 kodifiziert wurden, bedeutet nach heutigem Recht, wovon auch Nelles ausgeht, nicht automatisch jederzeit formlos geltend zu machende Nichtigkeit der behafteten Entscheidung, bietet lediglich die Grundlage für die Revisionsrüge, was wiederum voraussetzt, daß die anzufechtende Entscheidung überhaupt revisibel ist, womit die Diskussion erneut bei § 336 S. 1 und S. 2 angelangt ist. So bleibt nur die Suche nach den von Nelles angesprochenen ,,historischen" Nichtigkeitsgründen, d. h. solchen, die nicht in den Katalog des § 338 aufgenommen wurden. Damit muß nach wie vor zwischen "erheblichen" und "weniger erheblichen" Mängeln unterschieden werden, was im Ergebnis wieder auf die von der Rechtsprechung angewandte Differenzierung zwischen Fehler(227 ff.) entnimmt die notwendige Ergänzung dem "wesentlichen Ergebnis der Ennittlungen". Nichtigkeit mangels Konkretisierung sieht (obiter) BGH NJW 1954, 360. Im entschiedenen Fall wurde Nichtigkeit wegen Fehlens der erforderlichen (weiteren) Unterschriften angenommen. 58 Nelles NStZ 1982, S. 101 im Anschluß an Rudolphi MDR 1970,93 (97). 59 Volk, S. 105 (115), auch StV 1986, 34f. 60 Dagegen auch LR-Rieß § 207 Tz. 37,52.
I. Die Eröffnungsentscheidung
265
haftigkeit und Unwirksamkeit hinausläuft. Letztlich hat das von Nelles vorgeschlagene Unterscheidungskriterium in seiner mangelnden Prognostizierbarkeit denselben Nachteil wie die von der Rechtsprechung vorgenommene Klassifizierung in nichtige und nur anfechtbare Entscheidungen. Das Problem liegt nicht in der Abgrenzung der Prüfung von Amts wegen, die der Eröffnungsbeschluß in seiner Eigenschaft als Prozeßvoraussetzung erfahren könnte, und der Beachtung allein auf Rüge bei nur fehlerhaftem, nicht nichtigem Beschluß. Prüfung von Amts wegen ist, wie Volk nachgewiesen hat, keinesfalls selbstverständlich, und es ist auch nicht zwingend, daß die Rüge eines Prozeßhindernisses auf einen ordnungsgemäßen Tatsachenvortrag verzichten darf. 61
Die von Nelles angeführten fonnellen Fehler62 - etwa die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters 63 und weitere Besetzungsfehler - sind unter Geltung der StPO eben keine Nichtigkeits-, sondern nur Revisionsgründe,64 indem sie in den Katalog des § 338 aufgenommen wurden (Nr. I, Nr. 2). Warum derartige Mängel über die Nichtigkeitsrüge geltend gemacht werden sollen, vennag Nelles nicht zu erklären. Auch der von Rudolphi an die Stelle der Rechtskreistheorie gesetzte Gedanke des Rechtswidrigkeitszusammenhangs 65 löst das Problem nicht. Erwägungen über Rechtskreis oder Rechtswidrigkeitszusammenhang setzen Statthaftigkeit der Revision voraus, enthalten mithin keine Aussage darüber, weshalb eine Entscheidung, auch wenn sie nicht revisibel d. h. "unanfechtbar" ist, wegen der Besonderheit des ihr anhaftenden Fehlers "nichtig" sein soll. Die Ansicht von Nelles läuft jedenfalls darauf hinaus, den mit wesentlichen (fonnellen) Fehlern behafteten Eröffnungsbeschluß nicht als (mit Rüge) anfechtbar, sondern als nichtig und ohne Rüge revisibel anzusehen. Dem steht das Gesetz zumindest in den Fällen entgegen, in denen der Mangel in den Katalog des § 338 aufgenommen ist. Mit Nelles Gedankengang kehrt letztlich die BGH-Rechtsprechung in einem weiter geschnittenen Gewand wieder; der Gürtel um die zur Nichtigkeit führenden Mängel wird - allerdings contra legern - nur nicht so eng gezogen. Die Überlegungen von Nelles fußen auf der überkommenen Unterstellung, durch § 210 I i. V. mit § 336 S. 2 (1. Alt.) sei der Eröffnungsbeschluß der Revision Volk, S. 57 ff. Nelles NStZ 1982, 102: Ein Eröffnungsbeschluß, an dem ein ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat, könne keine hinreichende Grundlage für das Verfahren abgeben. 63 RG 10,56. 64 Das Problem ist bereits von Meyer-Goßner richtig erkannt (IR 1981, 380 unter Hinweis auf § 338 Nr. 2): "Wenn selbst bei einem Urteil die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters nur auf Rüge zu beachten ist, kann füglich bei einem Eröffnungsbeschluß wegen des gleichen Mangels nicht eine von Amts wegen zu beachtende Unwirksamkeit angenommen werden". Allerdings ist der Schwerpunkt der Argumentation nicht darauf zu legen, ob der Mangel auf Rüge oder von Amts wegen zu beachten ist, es geht vielmehr um das Problem, ob der Eröffnungsbeschluß seine Aufgabe als Prozeßvoraussetzung erfüllen kann oder nicht. 65 Rudolphi MDR 1970, 96f. 61
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266
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
entzogen. 66 Ob diese Prämisse übernommen werden kann, soll im folgenden untersucht werden. c) Der Zusammenhang zwischen §§ 210 I und 336
Die Frage geht dahin, ob § 210 I Unanfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses nach sich zieht, so daß dieser wegen § 336 S. 2 durch das Revisionsgericht nicht überprüft werden kann. aa) Der Entwurf I Der Beschwerdeausschluß die eröffnende Entscheidung betreffend ergab sich nicht aus § 240 Entwurf 1(= § 305),67 wohl aber aus § 167 Entwurf 1(= § 210 I). Die Motive führen hierzu folgendes aus: "Wesentlich anders liegt die Sache, wenn durch gerichtlichen Beschluß das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Durch einen derartigen Beschluß ist dem Angeklagten gegenüber zunächst nichts weiter ausgesprochen, als daß über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen mündlich verhandelt werden, also dasjenige Verfahren eintreten soll, welches sich in dem auf Mündlichkeit und Öffentlichkeit beruhenden Strafprozesse als das regelmäßige und ordentliche darstellt. Die mündliche Verhandlung gewährt dem Angeklagten die Möglichkeit einer unbeschränkten Verteidigung und die Gelegenheit, sich öffentlich zu rechtfertigen; es bleiben ihm überdies alle Einreden gegen die Zulässigkeit der Anklage vorbehalten. Sonach liegt ein Bedürfnis, dem Angeklagten eine Anfechtung des gerichtlichen Beschlusses zu gestatten, nicht vor. ,,68
Aus der Formulierung, dem Angeklagten sollten "alle Einreden gegen die Zulässigkeit der Anklage vorbehalten" bleiben, könnte geschlossen werden, es sei gemeint, daß eben diese Einreden - wie es der Entwurf I beim Ausschluß der Beschwerde gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts ausdrückt - "bei der Urteilsfällung selbst nochmals der Prüfung des Gerichts unterliegen" und damit "zur Begründung der Revision gegen das demnächst ergehende Urteil benutzt werden können.,,69 Dem ist jedoch nicht so, denn die Revision erfaßt nach der dem 66 KleinknechtlMeyer-Goßner § 207 Tz. 14; LR-Rieß § 207 Tz. 71; KK-Treier § 207 Tz. 17; BGH NStZ 1981,447 mit zustimmender Anmerkung Rieß; BGH NStZ 1985,464 (465 li. Sp.). 67 Vgl. die Motive zu §§ 159 bis 168 Entwurf I (S. 129): "Der Entwurf bezeichnet mit dem Ausdruck "Eröffnung des Hauptverfahrens" diejenige richterliche Anordnung, durch welche eine Strafsache zur Hauptverhandlung vor ein erkennendes Gericht verwiesen wird. Von dem Zeitpunkt dieser Verweisung ab wird der Beschuldigte "Angeklagter" genannt." Daraus ist zu entnehmen, daß die Eröffnungsentscheidung selbst nicht dem erkennenden Gericht zugeordnet wird. 68 Vgl. die Motive zu §§ 166, 167 Entwurf I (S. 141). 69 Motive zu §§ 239, 240 Entwurf I (S. 213).
I. Die Eröffnungsentscheidung
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Entwurf I zugrundeliegenden Konzeption nicht alle Entscheidungen, die (als angebliche Vorentscheidungen des Urteils) der Beschwerde nicht zugänglich sind, z. B. gewisse Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 240 Entwurf I (= § 305), die außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen und nicht die Eröffnungsentscheidung, die nach § 167 Entwurf I (= § 210 I) nicht beschwerdefähig ist. Gegenüber diesen Beschwerdeausschlüssen ist der Revisionsschutz verkürzt, indem er nach § 251 Entwurf 1(= § 336) nur die in der Hauptverhandlung erlassenen Entscheidungen einschließt und damit nicht schon den Eröffnungsbeschluß. Ob diese Eingrenzung beabsichtigt war oder im Verhältnis zur Fassung des § 251 Entwurf I ein Redaktionsversehen darstellt, ist nicht auszumachen. bb) Das Gesetz Der Entwurf neo und das Gesetz beziehen ausdrücklich Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung, insbesondere solche aus dem Zwischen- und Vorverfahren, in den Revisionsbereich ein, indem nun der § 299 a Entwurf III (= § 336) dahingehend gefaßt wird, daß der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen ,,Entscheidungen, welche vor der Hauptverhandlung erlassen sind ... " (2. Lesungfl
und schließlich ,,Entscheidungen, welche dem Urteile vorausgegangen sind ... ,,72.
Erst nach dem Wortlaut des Gesetzes,73 nicht schon nach der vom Entwurf I vorgeschlagenen Regelung, wäre es möglich, den Eröffnungsbeschluß als Vorentscheidung unter § 336 S. 1 einzuordnen.
cc) Die Rechtsprechung des RG Das RG korrigierte den Gesetzeswortlaut, indem es, wie oben geschildert,74 den Einfluß der Revision aus dem Vorverfahren zurückdrängte und § 336 auf den Kreis der Entscheidungen begrenzte, die dieser Bestimmung nach der Konzeption des Entwurfs I (nicht aber nach dessen vorgeschlagenem Gesetzeswortlaut) unterliegen Vgl. die Übersicht bei Hahn III/2, S. 231Of. Antrag Lasker (Hahn III/2, S. 1416). 72 Hahn III/2, S. 1582. Daraus wird schließlich die bei Hahn III/2, S. 2310 wiedergegebene Fassung" ... Entscheidungen, welche in dem Hauptverfahren vor der Hauptverhandlung erlassen sind" (Entwurf III). 73 Es erstreckt die Überprüfung auf die dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen (wobei die Beschränkung auf Entscheidungen des Hauptverfahrens fehlt, wie sie noch der Entwurf I in 1. Lesung vorsah). 74 Vgl. o. 1. TeillI. 70 71
268
5. Teil: Die Beschwerdefahigkeit einzelner Entscheidungen
sollten, auf die Entscheidungen des Hauptverfahrens. Diese Reduzierung begründete das RG mit Rechtskrafterwägungen und der Anwendung der Altemativitätsmaxime (hier Prioritätsmaxime zugunsten der Beschwerde). Ob dabei der Eröffnungsbeschluß selbst den Entscheidungen des erkennenden Gerichts zugerechnet wurde, läßt sich nicht eindeutig beantworten. 75 RG 43,179 (181) enthält widersprüchliche Ausführungen, wenn einerseits als erkennendes Gericht das bezeichnet wird, vor dem nach Eröffnung die Hauptverhandlung stattfinden soll, andererseits ausgeführt wird, die Tätigkeit des erkennenden Gerichts beginne mit der Eröffnung. Allerdings stand in dieser Entscheidung die Einordnung des Eröffnungsbeschlusses nicht zur Debatte, es ging darum, ob nur die in der Hauptverhandlung oder schon alle vor ihr oder im Hauptveifahren erlassenen Entscheidungen solche des erkennenden Gerichts seien. Verschiedentlich wird gesagt, daß bereits das die Eröffnung anordnende Gericht als erkennendes anzusehen sei. 76
Welchem Verfahrensabschnitt das RG den Eröffnungsbeschluß zuordnet, ist hier nicht ersichtlich, es sieht ihn jedenfalls als Vorentscheidung 77 i.S. des § 336.78,79 Die von der amtlichen Begründung des StVÄG 1979, das den § 336 S. 2 einführte, behauptete "einhellig vertretene Rechtsauffassung", unanfechtbare Vorentscheidungen unterlägen nicht der Revision,80 galt jedenfalls nach der Rechtsprechung Vgl. Kleinknecht GA 1959,92. KG IR 1979,479 gegen OLG Scbleswig SchlHA 1954,64. Die Entscheidung betrim u. a. die Beschwerde des Angeklagten gegen die - zugleich mit der Eröffnung beschlossene Ablehnung der Verbindung. Die Beschwerde ist nicht etwa wegen § 210 unstatthaft, denn die Eröffnung ist nicht angefochten. Wohl aber ist § 305 S. 1 einschlägig, wenn Beruhenseignung bejaht wird und das Gericht als erkennendes entschieden hat. Letzteres wird durch das SchlHOLG verneint, so daß der Beschluß beschwerdefähig ist, weil er nicht § 305 S. 1 unterliegt. Vgl. im übrigen die Nachweise bei LR-Gollwitzer § 305 Tz. 6; KK-Engelhardt § 305 Tz. 2; Kleinknecht / Meyer-Goßner § 305 Tz. 2. 77 Vgl. demgegenüber Kleinknecht GA 1959,92. 78 RG 1,66; 2,120; 10,56 (58); 43, 217 (218); RG JW 1930,2141 mit Anm. Alsberg (zur Beruhensfrage). 79 Ob schon die Eröffnung selbst Entscheidung des erkennenden Gerichts ist, wird noch nicht einmal für die Frage der Kongruenz von Beschwerdeausschluß und Revisionsstatthaftigkeit bedeutsam. Wird die Eröffnung dem erkennenden Gericht zugeordnet, sind Beschwerdeausschluß nach § 305 und Revisionsstatthaftigkeit nach § 336 deckungsgleich: Die Beschwerde ist ausgeschlossen, und die Entscheidung unterliegt als Vorentscheidung der Revision. Ist die Eröffnung nicht Entscheidung des erkennenden Gerichts, würde an sich die Revision weiter greifen als der Beschwerdeausschluß, denn dann wäre die Eröffnung revisibel, aber nicht vom Beschwerdeausschluß des § 305 betroffen. Die Frage ist akademisch, weil auf jeden Fall der Beschwerdeausschluß des § 210 I greift. Nur wenn eine gesonderte - im Gesetz nicht vorgesehene - Möglichkeit einfacher Beschwerde der StA bejaht wird, überschneiden sich Revision und Beschwerde, wenn die Eröffnung nicht als Entscheidung des erkennenden Gerichts angesehen wird. Dann unterliegt sie der einfachen Beschwerde der StA und gleichwohl nach § 336 als Vorentscheidung der Revision - ein Grund mehr, auch der StA das Recht auf einfache Beschwerde zu versagen. 80 BT-Drucks. 8/976, S. 59. 75 76
I. Die Eröffnungsentscheidung
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des RG nicht für den Eröffnungsbeschluß. Die in § 210 I angeordnete Unanfechtbarkeit für den Angeklagten war für das RG nicht Anlaß, wie die amtliche Begründung zum StVÄG 1979 glauben machen will, den Eröffnungsbeschluß als irrevisibel anzusehen. 81 Folgende Entscheidungen mögen dies beispielhaft belegen: RG I, 66 (68), wohl die erste einschlägige Entscheidung, befaßt sich mit folgendem Fall: Angeklagt war wegen zweier Delikte, der Eröffnungsbeschluß enthielt nur eines, verurteilt war wegen beider. Das RG hebt auf und verweist zurück. 82 Gestützt wird dies auf zwei Erwägungen. Zum einen sieht das RG in dem (unvollständigen) Eröffnungsbeschluß einen über § 33683 der Revisionsriige zugänglichen Fehler,84 zum anderen hält es ihn für die "notwendige Voraussetzung der Aburteilung", der ein unvollständiger Eröffnungsbeschluß nicht genüge. Aus der "Voraussetzung der Aburteilung" wird in späteren Entscheidungen, wie Nelles richtig bemerkt,85 die "Verfahrens-" oder ,,Prozeßvoraussetzung,,.86 Mit der Frage der Beruhensfähigkeit LS. des § 336 setzt sich RG 2, 120 (122) auseinander. Es ging um die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters am Eröffnungsbeschluß. Das RG will prinzipiell § 336 anwenden, verneint jedoch im konkreten Fall das Beruhen, weil der Inhalt des Urteils durch den Eröffnungsbeschluß nicht materiell beeinflußt sei: "Das Beruhen läßt sich nicht so deuten, daß die Voraussetzung des § 336 schon deshalb zutreffe, weil der Eröffnungsbeschluß dem weiteren Verfahren Bahn geschaffen und damit erst den Erlaß des Urteils ermöglicht habe. ,,87 Anders judiziert RG 10, 56 in einem entsprechenden Fall. Es unterscheidet zwischen dem nichtigen, als Verfahrensvoraussetzung nicht hinreichenden, und dem anfechtbaren Eröffnungsbeschluß. Der Ausschluß des Beschwerderechts ,,hat nur die Bedeutung, daß die Anfechtung mittels der Beschwerde ausgeschlossen ist, dem Beschlusse vielmehr die Hauptverhandlung folgen muß. Mit der Revision kann aber nach der klaren Vorschrift des § 336 StPO auch der dem Urteile vorangegangene Eröffnungsbeschluß angefochten werden, wenn auf dem ... Mangel ... das Urteil beruht".88 Letzteres wird im behandelten Fall allerdings verneint. 89
Mithin beschränkte sich das RG keineswegs darauf, die Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses allein in der neuen ,,Rechtslage,,90 zu sehen,91 die für den Prozeß 81 Vgl. insbes. RG 10,56 (59). 82 Allerdings zur anderweitigen Verhandlung, "nachdem der Eröffnungsbeschluß in geeigneter Weise ergänzt worden sein wird." 83 = § 375 StPO der damaligen Fassung. 84 Den Rückgriff auf die Anklageschrift ließ das RG im Gegensatz zu späteren Entscheidungen (z. B. RG 10,56 (58» nicht zu. 85 Nelles NStZ 1982, S. 98. 86 Beide Fragen (Anfechtbarkeit und Eignung als "Voraussetzung der Aburteilung") werden in den zitierten Entscheidungen nicht stets scharf getrennt. 87 RG 2, 120 (122). 88 RG 10, 56 (58); die §§ sind in der heutigen Fassung zitiert. 89 Ebenso RG JW 1930,2141 (mit ablehnender Anm. von Alsberg zur Beruhensfrage). 90 RG 10, 56: Keineswegs ist der Eröffnungsbeschluß nur "prozeßleitende Verfügung". 91 Oder - in den Worten von Meyer-Goßner - einer bloßen "Arabeske des Verfahrens", JR 1981,217.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
dadurch geschaffen wurde, daß mit Eröffnung das Zwischenverfahren abgeschlossen und das Hauptverfahren eingeleitet war. 92 Niemand, am wenigsten das RG, war bis dahin auf den Gedanken gekommen, aus § 210 I die Irrevisibilität des Eröffnungsbeschlusses herauszulesen. 93 Im Gegenteil führt RG 10, 56 ausdrücklich aus, § 210 I schließe zwar Beschwerde, nicht aber Revision aus. Die Zusammenhänge waren richtig erkannt: Die Sperre des Beschwerdeweges sagt nichts über einen gleichzeitigen Revisionsausschluß aus. Die Unanfechtbarkeit ist ein Problem der Auslegung des jeweiligen Revisionsausschlußtatbestandes. Es kommt darauf an, ob § 210 I, 11 den Eröffnungsbeschluß schlechthin, also für mit Revision und Beschwerde unanfechtbar erklären. Zu Unrecht stellt Giesler die Regelungen der §§ 201 11 2, 202 S. 2 an die Seite des § 305 S. I, weil sie angeblich dem gleichen Grundgedanken folgten. 94 § 305 entzieht die Entscheidungen des erkennenden Gerichts um der Revision willen der Beschwerde. Demgegenüber schließen §§ 201 11 2, 202 S. 2 die Beschwerde deshalb aus, weil die hier angesprochenen Entscheidungen für den Prozeß von geringer Bedeutung sind, indem sie ihn lediglich in eine neue Rechtslage versetzen; die vor der Eröffnungsentscheidung angeordneten "einzelnen Beweiserhebungen" (§ 202 S. 1) sind, ebensowenig wie Beschlüsse über ,,Anträge und Einwendungen" i.S. von § 201 11, nicht so gewichtig, als daß sie mit der Revision überprüft werden müßten. Die in § 20111 2 und in § 202 S. 2 angeordnete Unanfechtbarkeit umfaßt deshalb - anders als in §§ 305 S. 1,210 I - auch die Revision. 95
dd) Die Einführung des § 336 S. 2 Im Gegensatz zur Auffassung des RG sieht der Regierungsentwurf zum StVÄG 1979 den Eröffnungsbeschluß nach § 210 I als unanfechtbar und damit auch nicht revisibel an. 96 Nicht § 336 S. 2 (1. Alt.), sondern § 210 I soll den Beschluß der Revision entziehen. Diese Aussage wird von dieser Untersuchung nicht geteilt. § 210 I macht, wie oben unter cc) gezeigt, den Eröffnungsbeschluß nicht zur unanfechtbaren Entscheidung. Indessen stellt der Entwurf klar, daß § 336 S. 2 (1. Alt.) den bisherigen Rechtszustand nicht verändern, also - zumindest in der 1. Alt. keinen neuen Revisionsausschluß konstituieren will. Der Regierungsentwurf geht noch einen Schritt weiter, indem er zu § 336 S. 2 insgesamt, also unter EinbezieSehr deutlich RG 43,218. RG 10, 56 (59): ,,Jedenfalls kann es" (das Urteil) "auf dem Mangel beruhen, und darf daher die Anfechtbarkeit des Eröffnungsbeschlusses aus dem gedachten Grunde nicht prinzipiell verneint werden. Anderenfalls würde, weil eben der Eröffnungsbeschluß mittels Beschwerde nicht angegriffen werden kann, ... "; aus dem Ausschluß der Beschwerde wird also nicht der der Revision gefolgert. 94 Giesler, S. 255. 95 Wobei freilich die vor Eröffnung ergangene Ablehnung von "Beweiserhebungen" der Revision schon deshalb entzogen ist, weil diese richtigerweise nicht auf das Stadium vor Eröffnung zurückgreifen darf. 96 BT-Drucks. 8/976, S. 59; dazu Nelles NStZ 1982, S. 97 ff. 92 93
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hung der 2. Alt., feststellt, die Vorschrift wolle nur die bisher einheitlich vertretene Rechtsauffassung festschreiben. 97 Bezogen auf die 2. Alt. ("mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar") ist dies so nicht richtig, denn der Entwurf schafft insoweit einen bis dahin nicht existenten Revisionsausschluß. Die sofortiger Beschwerde zugänglichen Entscheidungen sind von nun an der Revision entzogen. Bei der 1. Alt. des § 336 S. 2 stehen Begründung und Gesetzestext insofern in Einklang, als tatsächlich nur der bisherige Rechtszustand bestätigt wird; was unanfechtbar ist, bleibt unanfechtbar, also auch weiterhin irrevisibel. § 336 S. 2 spricht in dieser Hinsicht Selbstverständliches aus und läuft hier leer, die Bestimmung begründet nicht selbst die Unanfechtbarkeit, diese ist anderen Vorschriften zu entnehmen. Wenn es richtig ist, daß § 210 I den Eröffnungsbeschluß zwar der Beschwerde, nicht aber der Revision entzieht, schließt sich damit der Kreis der Untersuchung. Sinn des § 210 ist wie bei § 305 S. 1 die Sperrung des Beschwerdeweges um der Revision willen. 98 Wie der in § 305 angeordnete Ausschluß der Beschwerde nicht gemäß § 336 S. 2 (1. Alt.) den der Revision zur Folge hat, sondern die Revision gerade eröffnet, versagt das Gesetz Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß nur deshalb, weil es ihn zusammen mit dem Urteil als Vorentscheidung der Revision unterwirft. Unanfechtbar i.S. von § 210 I bedeutet "der Beschwerde entzogen". Diese Auslegung deckt sich mit den Entwürfen I und III (der Entwurf 11 hatte den § 336 bekanntlich gestrichen),99 die Begründung des Entwurfs I, dem Angeklagten sollten "alle Einreden gegen die Zulässigkeit der Anklage vorbehalten" bleiben, lOO wird wörtlich in den Entwurf III übernommen lOl und findet dort - anders als im mißglückten vorgeschlagenen Gesetzestext des Entwurfs I - auch eine Entsprechung in der Formulierung des § 336, der die Überprüfung der vorangegangenen Entscheidungen nicht auf die in der Hauptverhandlung erlassenen beschränkt. Damit ist der Gleichklang zwischen § 210 I und § 336 hergestellt. BT-Drucks. 8/976, S. 59f. Oder, wie es RG 10, 56 (58) ausdrückt: Daß der Eröffnungsbeschluß vom Angeklagten nicht angefochten werden kann, hat nur die Bedeutung, daß die Beschwerde ausgeschlossen ist, dem Beschluß aber die Hauptverhandlung folgen muß. ,,Mit der Revision kann aber nach der klaren Vorschrift des § 336 StPO auch der dem Urteil vorausgegangene Eröffnungsbeschluß angefochten werden, ... " wenn das Urteil auf der Fehlerhaftigkeit der Eröffnung beruht. Nach LR-Rieß § 210 Tz. 1 im Anschluß an Giesler; S. 255, beruht § 210 auf ähnlichen Überlegungen wie die in § 305 S. I getroffene Regelung. Damit wird in der Tat die Bedeutung des § 210 richtig eingeschätzt, ohne daß indessen die Konsequenzen (Zusammenhang mit § 336 S. I und hieraus resultierende Revisionseröffnung) gezogen würden. Meyer-Goßner zitiert RG 10, 56 im Zusammenhang mit der Frage des Beschwerdeausschlusses (MeyerGoßner JR 1981, 381); die Zulässigkeit der Beschwerde wird jedoch von RG 10, 56 nicht bejaht, sondern der Beschwerdeausschluß wird als Voraussetzung angenommen, und das RG geht einen Schritt weiter, indem es sagt, aus der Beschwerde- folge nicht die Revisionssperre. 99 Vgl. o. l. Teil. 100 Entwurf I, S. 14l. 101 Motive des Entwurfs 111 zu § 173 (Hahn 111/ I, S. 173). 97
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
d) Eröffnungsbeschluß und Urteil
Der Eröffnungsbeschluß vollzieht die Vorprüfung der Anklage, und zwar - dem Urteil entsprechend - auf deren formelle und materielle Voraussetzungen. Insgesamt enthält er eine vorläufige Tatbewertung, die sich aufgrund der Hauptverhandlung als falsch erweisen oder bestätigen kann. 102 Die formellen Voraussetzungen der Eröffnung sind mit der gleichen Intensität wie bei Erlaß des Sachurteils, nicht etwa nur kursorisch, zu prüfen. "Vorläufig" ist lediglich die Beurteilung der sachlichen Voraussetzungen, des Tatverdachts. 103 Dieser Aspekt des Eröffnungsbeschlusses kehrt im materiellen Teil des Sachurteils in veränderter Form wieder; dem "Tatverdacht" entspricht beim Urteil die richterliche Überzeugung (oder ihr Fehlen) von der Schuld des Angeklagten. Folglich können Beurteilungsfehler bei der Bejahung des Tatverdachts im Eröffnungsbeschluß nicht Gegenstand der Revision sein. Die Bejahung des Tatverdachts ist durch die Entscheidung des Urteils über Schuld oder Nichtschuld überholt. Mit dem Fortschreiten der Prozeßlagen lO4 mehren sich die Verfahrensvoraussetzungen, wobei jede vorangegangene Rechtslage zur Grundlage der folgenden wird. Voraussetzung für die Eröffnung ist die Anklage, für Hauptverhandlung und Urteil der Eröffnungsbeschluß. Wie die Eröffnung die für sie erforderlichen Prozeßvoraussetzungen (etwa deutsche Gerichtsbarkeit, kein Verbrauch der Strafklage, keine anderweitige Rechtshängigkeit usw.) bejaht haben muß, wird sie selbst zur Grundlage des weiteren Verfahrens. Der Eröffnungsbeschluß ist Voraussetzung und Grundlage des Hauptverfahrens. 105 In der Revision wird der Beschluß auf formelle Fehlerfreiheit überprüft, ob er seiner Eigenschaft als Verfahrensvoraussetzung damit genügt und so Grundlage der Hauptverhandlung und des Urteils bleiben kann. 106 Nicht die Kontrolle "des BGH 23, 304 (306). Zur Bedeutung des Zwischenverfahrens für die Feststellung des hinreichenden Tatverdachts (§§ 203, 170 I) vgl. Nelles StV 1986, 74 (78, 79). 104 Vgl. o. Einführung H. 1. und Stephan NJW 1966, 2394 f. sowie die Schrift von Budach zur prozessualen Überholung sowie OLG Jena NStZ-RR 1998, 111 (zur prozessualen Überholung eines Urteils). \05 BGH 5, 225 (227); 10, 278 (279); inwiefern sich damit die Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung verträgt (BGH 29, 224, dazu Meyer-Goßner JR 1981, 214ff.), steht auf einem anderen Blatt. Ablehnend Beulke Tz. 284; Ranft Tz. 1374. 106 Diese Überprüfung entwickelt sich allerdings immer mehr zum automatischen Heilungsverfahren - dagegen mit Recht Krey II Tz. 111 -, das darin gipfelt, daß noch nicht einmal die Unterzeichnung des Beschlusses Wirksamkeitsvoraussetzung sein soll, vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998,74 mit Nachweisen der Rechtsprechung; ferner BayObLG StV 1990, 395 (gegen BGH NStZ 1981, 448 und ohne Vorlage) in ständiger Rspr. seit BayObLG 1957,4 = MDR 1957, 374; dagegen die pointierte Anm. von Naucke StV 1990,397; anders noch OLG Frankfurt NJW 1991,2849 = GA 1992, 136. OLG Hamm NStZ 1990, 146 sieht selbst in der Entscheidung über die Fortdauer der U-Haft im Haftprüfungstermin mit anschließender Bestimmung eines Hauptverhandlungstermins einen Eröffnungsbeschluß. BayObLG-NStZ-RR \02 \03
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Eröffnungsbeschlusses schlechthin", nur seiner verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, vor allem der hinreichenden Konkretisierung der Anklage, deren richterlicher Überprüfung (wozu die ordnungsgemäße Besetzung gehört), einschließlich aller Erfordernisse, die von Nelles zur formellen Seite der Eröffnung angeführt werden, findet hier statt. 107 Fehler bei der Bejahung des Tatverdachts bleiben dagegen in der Revisionsinstanz außer Betracht, weil sich diese allein mit der materiellen Seite des Urteils, die an die Stelle des von der Eröffnungsentscheidung bejahten Tatverdachts tritt, zu befassen hat. Zwar kann das Urteil - bei Beschränkung des Beruhenszusammenhangs auf eine reine Kausalitätsbetrachtung - auf fehlerhafter Annahme des Tatverdachtes beruhen,108 jedoch wird das Verfahren durch die Revision nicht mehr in das Stadium vor Eröffnung zurückversetzt, indem aus dem Blickwinkel der Eröffnung der Tatverdacht nachvollzogen würde; die bloße Verdachtsprüfung der Eröffnungsentscheidung wird ersetzt durch die richterliche Überzeugungsbildung aufgrund der Hauptverhandlung. Die Prüfung des Tatverdachts ist aus Revisionssicht obsolet, weil die Rechtslage der Eröffnung durch die Urteilsrechtslage überholt ist. 109 Anders die formelle Seite der Eröffnung: Der Eröffnungsbeschluß bildet eine derart wesentliche Zäsur in Gestalt richterlicher Überprüfung der Anklage, daß er 1998, 109 (110) sieht die Eröffnung in der "Verfahrensgestaltung" zum Ausdruck gelangt. Dagegen lehnt es OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 74 mit Recht ab, in der Termins- und Ladungsverfügung die Ersetzung des Eröffnungsbeschlusses zu sehen (mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung); Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, daß heute nicht der Eröffnungsbeschluß die Tat konkretisiert, sondern daß diese Aufgabe durch die Anklageschrift übernommen wird. Demzufolge wirken sich Mängel der Anklage auf den Eröffnungsbeschluß aus. Dazu OLG Köln JR 1966, 429 mit krit. Anm. Kohlhaas und Kohlhaas JuS 1966,318: Mängel der Anklageschrift wiegen schwerer, seitdem diese (durch ihre Zulassung) die einzige Grundlage des weiteren Verfahrens ist. Einen Fall mangelhafter Konkretisierung behandelt BGH bei Kusch NStZ 1997, 331 (Nr. 4), mit weiteren Nachweisen dort. Zur Heilung insgesamt vgl. von Steuber MDR 1978, 889 (Heilung in 1. Instanz generell möglich, in der Rechtsmittelinstanz nur beschränkt). 107 Nelles NStZ 1982, 101; zur mangelhaften Konkretisierung der in der Anklageschrift zur Last gelegten Taten vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1996, 298: Eine allgemeingehaltene zusammengefaßte Schilderung für eine Vielzahl von Taten reicht zur Individualisierung nicht aus. Schon die Strafkammer hatte nach § 206 a wegen Verfahrenshindernisses eingestellt (warum überhaupt hatte sie erst eröffnet?). Die (nach § 206 all statthaften) Beschwerden der StA und der Nebenkläger blieben erfolglos. Dem Beschluß des OLG Düsseldorf ist zuzustimmen. Möglicherweise könnten solche "unüberlegten" Eröffnungen vermieden werden, wenn auch heute noch der Eröffnungsbeschluß die Tat konkretisieren müßte. - Aufgrund mangelnder Konkretisierung hebt BGH NStZ 1996,294 das angefochtene Urteil auf; vgl. auch BGH NStZ 1996, 295 und StV 1996,361. 108 Etwa wenn das Gericht eröffnet, ohne die nach § 201 gesetzte Frist abzuwarten und der Beschuldigte innerhalb der Frist Beweisanträge gestellt hatte, die (schon) die Eröffnung verhindert hätten, vgl. Schmid, S. 175 ff. 109 Unbeachtlich ist deshalb die Revisionsrüge, daß die Aufforderung i. S. von § 201 unterlassen wurde, daß deshalb Beweisanträge unterblieben seien, die schon die Eröffnung verhindert hätten (Schmid, S. 177); vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1980, 107; Meyer JR 1983,257. 18 Weidemann
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als Grundlage des weiteren Verfahrens fehlerfrei sein muß, um die Zulässigkeit des anschließenden Hauptverfahrens zu begründen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage erörtert, ob das Verfahren bei Fehlerhaftigkeit des Eröffnungsbeschlusses in das Stadium vor Eröffnung "zurückversetzt werden" könne. IW So versagt beispielsweise das RG der Revision den Erfolg mit der Begründung, es sei unmöglich, "jetzt die Sache auf den Standpunkt, in welchem sie sich ... befand, zurückzuführen, also den Eröffnungsbeschluß aufzuheben und die Durchführung des Hauptverfahrens bis zur Urteilsverkündung ungeschehen zu machen ... "llI Damit werden Bedeutung und Auswirkung der Verfahrensrevision verkannt. Fehler des Verfahrens sind gerade Grund für die Aufhebung des Urteils; ist das Verfahren (hier Eröffnung) fehlerhaft, führt dies zur Aufhebung des Urteils, sofern dieses auf dem Fehler beruht (§ 337 I). Ob damit die Zwischenentscheidung in Gestalt des mangelhaften Eröffnungsbeschlusses selbst ebenfalls aufzuheben ist, kann letztlich dahinstehen. Sie vermag jedenfalls nicht Grundlage des weiteren Verfahrens zu sein, denn dann wäre das hierauf ergehende Urteil ebenfalls mangelhaft. Infolgedessen kann es zu einem künftigen fehlerfreien Hauptverfahren nur dann kommen, wenn die Gesetzesverletzung, die mittels der Verfahrensrevision zur vorherigen Aufhebung des Urteils geführt hat, korrigiert wird,112 was nicht expressis verbis Aufhebung bedeutet. Auf welche Weise die Korrektur erfolgt, ist eine Frage des Prozeßrechts. Kann die Zwischenentscheidung - ordnungsgemäß - nachgeholt werden,113 muß dies geschehen; andernfalls besteht ein - dauerndes - Verfahrenshindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt.
Der Beschwerdeausschluß des § 210 verfolgt für die formelle Seite des Eröffnungsbeschlusses das gleiche Ziel wie § 305 für andere Vorentscheidungen: Die Beschwerde wird um der Revision willen ausgeschlossen. Insofern ist die EröffMit diesem Einwand setzt sich bereits Schmid, S. 176, Anm. 73, auseinander. RG Rsp. 4, 890 (891); ähnlich RG IW 1893, 8 (zu § 199 Reichsstrafprozeßordnung): Die Aufhebung des Urteils würde den prozessualen Verstoß an sich nicht beseitigen. Die gleichzeitige Zustellung der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses bliebe bestehen, zumal eine Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses nicht begehrt werden könne. "Die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen des gerügten Mangels wäre also insoweit zwecklos." Vgl. im übrigen Schmid, S. 176, Anm. 73. 112 Das Problem kommt schon bei den Beratungen der StPO zum Ausdruck, vgl. die Bemerkung Hanauers bei Hahn HIli, S. 1030: Das Revisionsgericht könne schließlich nichts anderes tun, "als entweder die Revision abweisen oder das Urteil aufheben, gegen welches die Revision gerichtet wurde. Wenn also die vorangegangene Entscheidung nicht die Basis des Urteils bilde, ... so könne eine Revisionsbeschwerde in Bezug auf die frühere Entscheidung gar nicht vorgebracht werden ... ". Hanauer hält deshalb § 336 für überflüssig. Zutreffend heißt es bereits bei Bennecke/Beling, S. 593: "Mit dem Urteil des Untergerichts muß aber auch das Verfahren, auf dem es beruht, hinfällig werden, insoweit ein Fehler im Verfahren zu dieser Aufhebung des Urteils geführt hat, und zwar das ganze Verfahren von dem Fehler ab." Das neue Verfahren könne nicht auf der alten fehlerhaften Grundlage ruhen. 113 Nachholbarkeit des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung bejahen BGH 29, 224; OLG Köln IR 1981, 213 mit abI. Anm. Meyer-Goßner; BGH 29, 224 (228) nimmt sogar Zurückverweisungsmöglichkeit in der Revisionsinstanz an zum Zweck der Nachholung des Eröffnungsbeschlusses; anders noch BGH 10, 278 (279), allerdings nur obiter, denn im konkreten Fall war eine ordnungsgemäße Rüge nicht erhoben; BGH NStZ 1986, 276; 87, 239; StV 1983,2. HO
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I. Die Eröffnungsentscheidung
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nungsentscheidung der Vorentscheidung des erkennenden Gerichts gleichzuordnen und wie diese nach § 336 S. 1 revisibel. 114 § 336 S. 2 (1. Alt.) findet auf den Eröffnungsbeschluß keine Anwendung, weil dieser nicht "unanfechtbar" ist. Anders als die h.M. schließt diese Untersuchung aus § 210 I und 11 nicht aufUnanfechtbarkeit, denn diese Bestimmung entzieht den Eröffnungsbeschluß nicht jedem Rechtsmittel, sperrt nur die Anfechtung durch Beschwerde während des Verfahrens der Tatsacheninstanz, hindert nicht die Revision, setzt sie geradezu voraus, indem die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses in das Revisionsverfahren verlagert wird. 115 Dem Gesetz liegt die gleiche Methode wie die der Sperrung des Beschwerdewegs nach § 305 S. 1 zugrunde. Die Beschwerde wird ausgeschlossen, um das Verfahren während des laufenden Erkenntnisses von Einwirkungen der höheren Instanz freizuhalten, allerdings mit dem Risiko der "Ganz-und-Alles-Maxime" d. h. der Überprüfung durch das Revisionsgericht.
Indem § 210 11, wie oben gezeigt,116 eine abschließende Regelung enthält, ist auch der StA die Beschwerde teilweise verschlossen. Einfache Beschwerde der StA (wie des Angeklagten) ist unstatthaft, soweit sie formale Mängel des Eröffnungsbeschlusses beanstandet. Das Verfahren soll beschleunigt werden, und derartige Mängel - mit Ausnahme solcher, die der StA sofortige Beschwerde eröffnen sind mit der Revisionsrüge zu bekämpfen. Für die StA korrespondieren also die Regelungen der §§ 210 11, 336 S. 1 wie für den Angeklagten § 210 I und § 336 S. 1. § 210 I und (wegen der darin zum Ausdruck gelangenden Einschränkung des Beschwerderechts der StA) § 210 11 sind gleichermaßen dem § 305 S. 1 an die Seite gestellt. Die danach während des Eröffnungs- und Erkenntnisverfahrens nicht überprüfbaren Entscheidungen sind Vorentscheidungen i.S. des § 336. Nur wo der StA sofortige Beschwerde eingeräumt wurde, ist ihr die Revision nach § 336 S. 2 (2. Alt.) versagt; mit der Revision kann sie also nicht rügen, es sei (teilweise) nicht oder vor einem Gericht niederer Ordnung eröffnet worden. Die derartige Einordnung des § 210 11 (Versagung einfacher Beschwerde für die StA und die damit verbundene Qualifizierung solcher Entscheidungen als Vorentscheidungen nach § 336 S. 1) ist unabhängig von der "Unanfechtbarkeit" der Eröffnung i.S. von § 336 S. 2 (1. Alt). Wird der StA das Recht (einfacher) Beschwerde zugestanden, 114 Damit verliert auch die Frage an Bedeutung, ob der Eröffnungsbeschluß selbst Entscheidung des erkennenden Gerichts ist (vgl. Dünnebier, Dreher-Fschr., S. 669; RG 7, 175; 43, 179 (181); BGH NJW 1952, 234 vor II). Vgl. im übrigen o. 1. Teil VIII 3: § 210 ist also neben § 305 S. I eine weitere Bestimmung, die die Beschwerde zugunsten der Revision ausschließt. 115 In diesem Sinne schon Kern JZ 1958,94 (zu 2): "Der AngekI. konnte den Eröffnungsbeschluß nach § 210 StPO nicht anfechten. Der Fehler des Eröffnungsbeschlusses ... ist auch durch das Urteil nicht geheilt worden. Der AngekI. hat also an sich diesen Fehler mit der Revision rügen können und hat das auch getan." Kein Wort von der durch die amtliche Begründung zur Einführung des § 336 S. 2 behaupteten angeblichen communis opinio, daß § 210 auch die Revision nach § 336 S. 1 ausschließe. 116 5. Teil I. 3.
IS*
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
§ 210 II also nicht als Einschränkung des Beschwerderechts verstanden,1I7 hindert dies nicht, den Eröffnungsbeschluß für den Angeklagten gleichwohl als unanfechtbar anzusehen. Das Bemühen, dem Angeklagten Revision zu ermöglichen, kann nicht zugleich Triebfeder zur Bejahung einfacher Beschwerde für die StA sein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Spezifisch revisionsrechtliche Fragen läßt die Untersuchung offen, so das Problem, inwieweit Fehler des Eröffnungsbeschlusses eine ordnungsgemäße Revisionsrüge erfordern oder ob bestimmte (schwerwiegende) Fehler von Amts wegen beachtlich sind, indem sie dem Eröffnungsbeschluß die Eigenschaft der Prozeßvoraussetzung nehmen. 118 Für das Verhältnis zwischen Beschwerde und Revision sind diese Dinge nicht relevant. Die Untersuchung geht davon aus, daß formelle Fehler jedenfalls auf Rüge hin in der Revision zur Überprüfung des Eröffnungsbeschlusses führen, ohne daß es auf die Qualität des formellen Mangels ankäme. § 336 S. I ist nach alledem in Ergänzung zu dem oben Gesagten 119 wie folgt zu lesen:
,,Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die nach §§ 305 S. 1,210 I und II der Beschwerde entzogen sind."
6. Exkurs: Die Behandlung des fehlerhaften Eröffnungsbeschlusses in der ersten Instanz und in der Berufung
a) Besonderheiten der Berufung
Eine Sond~rheit des Berufungsverfahrens ist es, daß ihm eine dem § 336 S. 1 entsprechende Vorschrift fehlt. Gleichwohl waren - unter Geltung des § 328 11 a.F. - die Vorentscheidungen durch das Rechtsmittelgericht zu überprüfen. Andererseits ist seit Aufhebung des § 328 11 a.F. deren Korrektur durch das Berufungsgericht praktisch nicht mehr möglich, indem Fehler nicht mehr sanktioniert werden können. 120 Unter dem Aspekt "Verfahrensvoraussetzung" können Fehler des Eröffnungsbeschlusses indessen nach wie vor Bedeutung auch für die Berufungsinstanz erlangen. Fehlt der Eröffnungsbeschluß (oder weist er solche Fehler auf, die ihn unbeachtlich machen), wird das weitere Verfahren unzulässig. 121 Zulässigkeitsvoraussetzung für dieses ist nach h.M. die bloße Existenz eines wirksamen Eröff117 Freilich entwickelt sich damit die Einstellung zum einfachen Beschwerderecht der StA mehr und mehr zu einer "Geschmacksfrage"; vgl. hierzu etwa die Ansicht von KK-Treier § 210 Tz. 4, der einerseits aus Gründen der Prozeßökonomie der StA das Beschwerderecht geben möchte, andererseits die dogmatischen Bedenken von Rieß teilt. 118 Vgl. Volk, S. 57ff. 119 Vgl. o. I. Teil VIII. 3. 120 Vgl. o. 2. Teil. 121 Zur Frage des weiteren Verfahrens und des Ranges der Bestimmungen des § 260 III einerseits und § 206 a andererseits vgl. LR-Rieß § 206 aTz. 5 und Tz. 15 (am Ende); MeyerGoßnerGA 1973, 366ff. und LR 23-Meyer-Goßner § 206 aTz. ll ff.: Keine Anwendung des § 206 a, sondern nur des § 260 III und Aufhebung des Urteils der ersten Instanz nach § 328 I; Bohnert GA 1982, 173 (Wahlmöglichkeit zwischen Beschluß und Urteil).
I. Die Eröffnungsentscheidung
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nungsbeschlusses. Dieser darf nicht fehlen oder unwirksam sein. Führt ein etwaiger Mangel nicht zur Nichtigkeit, hat er auf das weitere Verfahren keinen Einfluß. Fehler des Eröffnungsbeschlusses wirken sich deshalb nach h.M. nur dann aus, wenn sie dem weiteren Verfahren die Grundlage entziehen, und dies ist nur bei dem nichtigen (unwirksamen) Eröffnungsbeschluß der Fall. Die h.M. muß also auf die schwer vorzunehmende Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und (folgenloser) Fehlerhaftigkeit zurückgreifen. Aus dieser Sicht ist der Eröffnungsbeschluß in der Berufung nicht anders zu behandeln als in der Revision. 122 ,,Einfache" Verfahrensfehler können in der Berufung nicht mit Aussicht auf Sanktion gerügt werden, dazu fehlt dem Berufungsgericht die Reaktionsmöglichkeit in Gestalt der Zurückverweisung. 123 b) Fehlerberücksichtigung in der ersten Instanz
Ist der Eröffnungsbeschluß nicht geeignet, die Grundlage des weiteren Verfahrens abzugeben, so stellt das Gericht das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß (§ 206 a I), innerhalb der Hauptverhandlung durch Urteil (§ 260 III) ein - wenn nicht der Auffassung gefolgt wird, eine ordnungsgemäße Eröffnung sei nachholbar. 124 Auch im Rechtszug der ersten Instanz kommt es nach h. M. auf die Abgrenzung zwischen bloßer Fehlerhaftigkeit und Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses an. Nur letztere soll zur Einstellung des Verfahrens oder ggfls. Beseitigung des Fehlers durch Nachholung ordnungsgemäßer Eröffnung führen. c) Die hier vertretene Auffassung
Anders als die h.M. sieht diese Untersuchung in § 210 I und 11 nicht den Ausschluß jeglichen Rechtsmittels, stattdessen nur die Sperrung der Anfechtung während des laufenden Erkenntnisverfahrens, also den Beschwerdeausschluß. Das hat zur Folge, daß der Eröffnungsbeschluß hinsichtlich seiner gesamten formellen Voraussetzungen in der Revision überprüft werden kann. Dies wiederum hat Konsequenzen für das Verfahren erster und zweiter Instanz. Weist der Eröffnungsbeschluß einen mit der Revision rügbaren formellen Mangel auf, ist das Gericht - sofern Nachholbarkeit der ordnungsgemäßen Eröffnung bejaht wird - verpflichtet, diesen Mangel zu heilen. 125 Wird Nachholbarkeit nicht KK-Treier § 207 Tz. 17. Vgl. o. 2. Teil. 124 Nachholung zulässig nach BGH GA 1980, 108; kritisch hierzu Meyer-Goßner JR 1985,452 und Krey II, S. l04ff. 125 Das folgt aus der allgemein angenommenen Pflicht, Verfahrensmängel zu heilen, die wiederum aus der Fürsorgepflicht abgeleitet wird; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner Einl. Tz. 159; zur Heilung vgl. Schlüchter Tz. 4.2. 122 123
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
für möglich gehalten, scheidet die Heilung aus, das Urteil müßte in der Revision auf Rüge aufgehoben und das Verfahren eingestellt werden. Die Frage ist, ob wegen dieser drohenden Autbebung nicht schon die erste Instanz berechtigt ist, auf Fehlerhaftigkeit der Eröffnung zu reagieren und ggfls. wie. Das Problem stellt sich entsprechend für die Berufung. In zweiter Instanz kann eine ordnungsgemäße Eröffnung nach übereinstimmender Meinung nicht mehr nachgeholt,126 der Fehler also hier jedenfalls nicht mehr geheilt werden. Verhandelt das Gericht weiter, läuft das Urteil gleichsam "in die Revision hinein". Der Eröffnungsbeschluß ist zwar existent, bietet also wohl dem Verfahren die nach h.M. vorauszusetzende "Grundlage", droht aber, in der Revision aufgehoben zu werden, womit dem Verfahren die Prozeßvoraussetzung (rückwirkend) entzogen würde. Um der Berufungsinstanz die - dann letztlich unnütze - Verhandlung zur Sache zu ersparen, ließe sich an eine Zurückverweisung denken. Nach Autbebung des § 328 11 a.F. ist dies jedoch problematisch. Im einzelnen: Ein vergleichbares Problem erhebt sich bei der Anfechtung des Verwerfungsurteils nach § 412. Ist die Berufung zulässig und begründet, muß das Verwerfungsurteil des AG aufgehoben werden. Streit besteht darüber, ob das Berufungsgericht in der Sache zu entscheiden hat,127 zurückverweisen muß 128 oder ob die Sache auf andere Weise an das Amtsgericht "zurückgelangt".129 Im Unterschied zu Fällen der Anfechtung des Verwerfungsurteils nach § 412 geht dem Angeklagten durch die Sachverhandlung des Berufungsgerichts bei fehlerhafter Eröffnung keine Instanz verloren. Nur ist das Sachurteil der Berufungsinstanz der Gefahr ausgesetzt, aufgehoben zu werden, weil der dem Verfahren anhaftende prozessuale Mangel durch das Berufungsgericht nicht korrigiert werden kann. Dem Beschwerdeführer wird keine Instanz genommen, gleichsam eine zusätzliche gegeben; er kann erst einmal das Ergebnis dieser Sachverhandlung abwarten, um alsdann je nach deren Ausgang mit der Revision die Verfahrensrüge aufzugreifen. Letztlich ist es also der Gedanke der Prozeßökonomie, der hier gegen eine Sachverhandlung des Berufungsgerichts spricht.
Daß sich dieses Problem bei sonstigen Verfahrensmängeln der Vorinstanz, die nicht Prozeßhindernisse sind, nicht stellt, liegt daran, daß die Berufungsinstanz - nach Autbebung des § 328 11 a.F. - nicht das Verfahren der Vorinstanz, sondern die Tat beurteilt und daß sie sich ihre Überzeugung nicht aufgrund des erstinstanz126 LR-Rieß § 207 Tz. 65; KK-Pfeiffer Ein!. Tz. 45; Burhoff, Tz. 480. 127 So OLG Düsseldorf NStZ 1988,290 mit ab!. Anm. Meyer-Goßner. 128 In diesem Sinne Meyer-Goßner NJW 1987, 1165 und NStZ 1988, 290: Durch Zurückverweisung gelangt die Sache an das AG. Die generelle Aufhebung des § 328 II a. F. sei ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers, welches die Rechtsprechung zu korrigieren habe; ebenso LR-Gössel § 412 Tz. 46. 129 Wemy NJW 1988, 187 (kein Fall des § 328 II a. F., so daß dessen Wegfall nichts daran ändert, daß das Berufungsgericht wegen § 327 in der Sache nicht entscheiden darf. Mit Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wird die Sache wieder beim AG anhängig); ebenso LRGössel § 412 Tz. 46f.
I. Die Eröffnungsentscheidung
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lichen Verfahrens, sondern aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zweiter Instanz bildet. Daher sind erstinstanzliehe Verfahrensfehler, auch solche, die absolute Revisionsgründe eröffnen, in der Berufungsinstanz ohne Bedeutung, 130 weil die Tat neu, aufgrund neuer Hauptverhandlung, judiziert wird. Für die Berufungsinstanz gewinnen solche Fehler der Vorinstanz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Relevanz, auch nicht mittelbar, weil die Berufung auf sie nicht zurückkommen kann. 131 Durch Aufuebung des § 328 n a.F. hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß Zurückverweisung durch das Berufungsgericht nicht mehr zulässig sein SOll.132 Ob die aufuebende Regelung für die Fälle fehlerhafter Verwerfung nach § 412 als Redaktionsversehen durch die Rechtsprechung korrigiert werden kann, mag fraglich erscheinen, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden; auf den Fall fehlerhafter Eröffnung ließe sich dies ohnehin nicht übertragen. Es geht dabei nicht um die Rüge eines "gewöhnlichen" Verfahrensfehlers. Der Grund für die Überprüfung des Eröffnungsbeschlusses nach § 336 S. 1 liegt in der zentralen Bedeutung der Eröffnung für das weitere Verfahren. Der Beschluß ist eben keine bloße "Arabeske",I33 die prozessual gleichsam "überholt" werden könnte. Leidet die Eröffnung an solchen Mängeln, daß sie die weitere Grundlage des Verfahrens nicht abzugeben vermag, so muß das Verfahren, wenn Heilung nicht möglich ist, eingestellt werden (§ 260 m, 206 a). Zu den mit Revision rügbaren Mängeln der Eröffnung gehören indessen nicht nur solche, die dem Eröffnungsbeschluß - in der Terminologie der h.M. - die "Wirksamkeit" nehmen 134
und ihn "unwirksam oder nichtig" machen, sondern alle Fehler, die nicht die materielle Seite der Eröffnung (Beurteilung des Tatverdachts) betreffen. Deshalb steht jeder formelle Fehler des Eröffnungsbeschlusses der Sachverhandlung entgegen. Auf die herkömmliche Unterscheidung zwischen bloßer Fehlerhaftigkeit und Nichtigkeit kommt es nicht an. Konsequenterweise muß die erste Instanz, soll sie nicht in die Revision ,,hineinlaufen",135 einen formellen Fehler der Eröffnung korrigieren dürfen. Ihr ist die
Kleinknecht / Meyer-Goßner § 328 Tz. 4. Dem Gedanken der Zuruckverweisung - praeter legern - wird nähertreten, wer Heilung des Eröffnungsbeschlusses in der Instanz für statthaft hält, so etwa BGH 29, 224 (228); OLG Köln JR 1981,213. Bei gegenteiliger Ansicht kommt die Zuruckverweisung schon deshalb nicht in Betracht, weil der dem Eröffnungsbeschluß anhaftende Mangel allein hierdurch ja nicht zu beheben wäre. 132 Vgl. aber LR-Gössel § 412 Tz. 45 (Zuruckverweisung jedenfalls bei Aufhebung des Verwerfungsurteils ). 133 Meyer-Goßner JR 1981,217. 134 Beispiel: Nicht hinreichende Konkretisierung der "Tat", OLG Stuttgart NJW 1996, 2879; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 275 (im Fall wurde ausreichende Konkretisierung bejaht); da heute nur noch die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird, nicht aber der Eröffnungsbeschluß die Tat selbst konkretisiert, kommt natürlich insoweit der Anklage die wesentliche individualisierende Aufgabe zu, vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 109. 135 Burhoff, Tz. 481: "Der Verteidiger muß sich sein Vorgehen sorgfältig überlegen. Erkennt er das Fehlen des EÖB, wird er das im Zweifel in der HV nicht rügen, sondern den 130 131
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Möglichkeit zuzugestehen, die ordnungsgemäße Eröffnung nachzuholen und hierdurch vorangegangene Fehler zu heilen. Die zweite Instanz, der die Heilungsmöglichkeit nicht zur Verfügung steht, muß das Verfahren innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung einstellen. Ob dabei die §§ 206 a, 260 III direkt oder analog angewandt werden, ist eine Geschmacksfrage. Die analoge Anwendung wird befürworten, wer an der Unterscheidung zwischen Unwirksamkeit und Fehlerhaftigkeit festhält. Da diese Differenzierung indessen lediglich eine Schöpfung der Rechtsprechung ist, kann ebensogut auf sie verzichtet werden, so daß die §§ 206 a 1,260 III unmittelbar anzuwenden sind. Der Rückgriff der Revisionsrüge auf das Stadium des Zwischenverfahrens und die damit verbundene Zulassung der Rüge von Fehlern der Eröffnung gründet in der Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses als Zäsur zum späteren Verfahren. Nur ein formell einwandfreier Eröffnungsbeschluß kann Grundlage des Hauptverfahrens sein. Daran vermag der Kunstgriff, die Fehlerfolgen in Nichtigkeit und Anfechtbarkeit abzustufen, nichts zu ändern. 7. Konsequenz: Formelle Fehler des Eröffnungsbeschlusses entziehen dem weiteren Verfahren die Grundlage
Formelle Fehlerhaftigkeit der Eröffnungsentscheidung muß demzufolge in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen beachtet werden, mithin - soweit der Mangel nicht durch Nachholung einer fehlerfreien Eröffnung zu beseitigen ist - zur Einstellung (nach § 206 a I bzw. § 260 III) führen. 136, 137 Mängel, die die materielle Seite der Eröffnungsentscheidung betreffen, also insbesondere Beurteilungsfehler zum Tatverdacht, lösen, wie oben 138 dargelegt, keine Revisibilität des Eröffnungsbeschlusses aus, da diese Seite der Eröffnung durch die richterliche Überzeugung von Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten im Urteil in jedem Fall verdrängt wird. Damit ergibt sich zwanglos die Lösung des seit der Entscheidung des LG Nürnberg / Fürth strittigen Problems, ob der Eröffnungsbeschluß bei unzureichender Beurteilungsgrundlage aufzuheben ist. Mangel erst mit der Revision geltend machen. Dann kann der EÖB nämlich nicht mehr nachgeholt werden. Sein Fehlen zwingt vielmehr zur Einstellung des Verfahrens ... " (mit weiteren Nachweisen). 136 Im Erg. wie hier SK-Paeffgen § 210 Tz. 6, der bei schweren Mängeln den EÖB für aufhebbar hält. 137 Ein ähnliches Problem behandelt Wagner IR 1980, 50 (54). Ist das Gericht an seine eigene Entscheidung, die ordnungsgemäße Besetzung feststellt, gebunden, oder darf es kraft späterer besserer Einsicht zur Behebung des Besetzungsmangels aussetzen? Wagner bejaht die Bindung, denn es stehe nicht fest, ob der Angeklagte überhaupt Revision einlegen und die Besetzungsrüge erheben werde. Das Problem weist mit dem hier erörterten allerdings nur partielle Verwandtschaft auf, da die fehlerhafte Besetzung nur auf Rüge überprüft werden kann, das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung in Gestalt des Eröffnungsbeschlusses dagegen von Amts wegen zu beachten ist, so daß das Urteil in der Rechtsmittelinstanz jedenfalls aufgehoben werden muß. 138 Unter 5. d).
I. Die Eröffnungsentscheidung
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Das Gericht hatte eröffnet, wobei sich erst nach mehreren Tagen der Hauptverhandlung herausstellte, daß vor der Eröffnungsentscheidung nicht alle im Ermittlungsverfahren eingeholten Zeugenaussagen zu den Gerichtsakten gelangt waren. Nach weiteren Ermittlungen hob das Gericht den Eröffnungsbeschluß auf und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens mittels analoger Anwendung des § 33 a ab. 139
Zutreffend sieht das LG Nürnberg/Fürth den Eröffnungsbeschluß als ,,keine abschließende Sachentscheidung, sondern eine Entscheidung vorbereitender und vorläufiger Natur". Gerade diese Erkenntnis hätte aber dazu führen müssen, die Anwendbarkeit des § 33 a zu verneinen - ganz abgesehen davon, daß das Gericht bei der Eröffnung gar nicht Tatsachen verwertet hatte, zu denen der Angeklagte nicht gehört worden war (weil das Gericht diese Tatsachen selbst nicht kannte). Die Eröffnungsentscheidung ist keine solche, gegen die dem Betroffenen ,,kein anderer Rechtsbehelf' zusteht, da erst das Urteil die eigentliche Beurteilung der Tat bringt, die Einschätzung des Tatverdachts geht in der Bildung richterlicher Überzeugung von Schuld oder Nichtschuld auf. Die in der Eröffnungsentscheidung liegende Zäsur versetzt nur den Prozeß in eine neue Rechtslage, vom Zwischen- in das Hauptverfahren, verlangt ist hier eine richterliche Überprüfung der Anklage, bei der wohl formelle Mängel, nicht aber zweifelhafte Beurteilung des Tatverdachts die Zulässigkeit des anschließenden Hauptverfahrens berühren. Die durch das LG Nürnberg/Fürth angesprochene materielle Gerechtigkeit erforderte deshalb keine ,,Rücknahme" des Eröffnungsbeschlusses, sondern den ordnungsgemäßen Gang der Hauptverhandlung, die, wenn der Akteninhalt schon zur Verneinung des Tatverdachts führte, mit einem Freispruch abzuschließen gewesen wäre. 140, 141. 142 Zum Sonderfall der Eröffnung vor einem nicht angerufenen Gericht: Die dem LG Göttingen vorliegende Beschwerde der StA gegen einen Beschluß des Amtsrichters, der statt wie beantragt vor dem Einzelrichter vor dem Schöffengericht eröffnet hatte,143 hätte als unzulässig verworfen werden müssen. Nach der oben referierten Auslegung des § 210 war sie schon nicht statthaft, da dieser nur unter den in Abs. 2 fixierten Vorausset139 LG Nürnberg I Fürth, Beschluß vom 20. 12. 1982, NStZ 1983, 136 = NJW 1983, 584 = JR 1983,257 mit abI. Anm. K. Meyer daselbst und Bespr. Rieß NStZ 1983, 247; abI. ferner Maeffert StV 1982, 486; Kempj StV 1982, 136; Ulsenheimer NStZ 1984, 440; Krey II Tz. 116ff.; Ranft. Spendel-Fschr., S. 723 f.; SK-Paeffgen § 210 Tz. 5. 140 Rieß NStZ 1983, 250; K. Meyer JR 1983,259; Grossmann. S. 98; a. M. Hohendorf NStZ 1985, 4OOf.; Michler, S. 236; Krey II Tz. 117; Peters, S. 466; Fezer9 Tz. 94. 141 Die Ansicht Ulsenheimers (NStZ 1984, 440ff.), der den hinreichenden Tatverdacht als Prozeßvoraussetzung ansieht und demzufolge § 206 a analog anwenden will, übersieht die dem Gesetz zugrundeliegende Differenzierung zwischen formell ordnungsgemäßer und materiell ,,richtiger" Beurteilung des Tatverdachts. Nur eine formell fehlerfreie Eröffnung ist Voraussetzung für das weitere Verfahren, nicht auch die zutreffende materiell-rechtliche Würdigung. 142 Das AG Mannheim (StV 1985,276) sieht ein Verfahrenshindernis aufgrund rechtswidrigen Vorgehens der Ermittlungsbehörde; dagegen mit Recht Volk StV 1986,34. 143 LG Göttingen NStZ 1989, 88 mit Anm. Meyer-Goßner.
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5. Teil: Die Beschwerdefahigkeit einzelner Entscheidungen
zungen die (sofortige) Beschwerde vorsieht. Im Wege des Umkehrschlusses folgt hieraus,l44 daß in allen übrigen Fällen ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. 145 Es besteht auch kein Bedürfnis, in diesem Fall etwa wegen Willkür gerade die Beschwerde zuzulassen. Es mag sicherlich ein Ärgernis sein, wenn der Amtsrichter des öfteren so verfährt, und die Entscheidung des LG zielt möglicherweise auf eine Disziplinierung ab, nur ist hierfür die Beschwerde schon deshalb nicht der richtige Weg, weil kein Rechtsmittel die "Schelte der Vorinstanz" zum Ziel hat. 146 Wer Beschwerde für statthaft hält, wird sie spätestens an der Zulässigkeit scheitern lassen müssen, am Fehlen der Beschwer,I47 es sei denn, man erachtet im Fall willkürlicher Entscheidung die Beschwer als schon in der Willkür selbst enthalten. 148 Die Beschwerde der StA wäre hier richtigerweise als unzulässig zu verwerfen gewesen.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
Im folgenden werden Erkenntnisse behandelt, die typischerweise im Hauptverfahren, aber auch in früheren Verfahrensstadien ergehen können. Soweit sich hierdurch Differenzierungen ergeben, wird im Lauf der Untersuchung darauf hingewiesen.
144 So zutreffend Meyer-Goßner NStZ 1989, 89 (90). Meyer-Goßner, NStZ 1989, 89, beschränkt diesen Umkehrschluß auf die Variation Eröffnung vor dem höheren / niederen Gericht. Nur letztere sei beschwerdefähig, erstere nicht. Das ist zwar richtig, aber zu eng. Nicht nur die Eröffnung vor dem niederen Gericht, sondern jede Entscheidung, die nicht die Voraussetzungen des § 21011 erfüllt, ist der Beschwerde entzogen. 146 Ist die Eröffnung vor dem höheren Gericht "willkürlich", könnte dies die Revision begründen, vgl. OLG DüsseldorfNStZ 1990,292 mit krit. Anm. Eisenberg NStZ 1990,551. 147 Rieß GA 1976, 11 Fußn. 62: "nicht ganz unproblematisch"; BayObLG, AlsbergE 2,67, verneint das Bedürfnis nach einem Beschwerderecht der StA. Der Sinn der sofortigen Beschwerde bei Eröffnung vor einem Gericht niederer Ordnung sei, eine u. U. unnütze Hauptverhandlung zu ersparen. Diese Gefahr bestehe aber nicht bei einer Verweisung an ein Gericht höherer Ordnung, weil sich dieses wegen Zuständigkeit des Gerichtes niederer Ordnung nicht für unzuständig erklären könne. 148 Vgl. Meyer-Goßner NStZ 1989,90; KK-Treier § 209 Tz. 17; allerdings ändert auch die "Willkür" nichts daran, daß durch die Anrufung des höheren Gerichts Beschwer beim Angeklagten nicht eingetreten ist. Zum verwandten Problem im Rahmen der §§ 74 I 2, 24 I Nr. 3 GVG vgl. Rieß GA 1981,321; einen Fall willkürlicher Annahme der sachlichen Zuständigkeit sieht das OLG Düsseldorf NStZ 1996, 206 (mit ablehnender Anm. Bachern, S. 207) als gegeben an. Die StA hatte "willkürlich" zum SchöffG angeklagt, obwohl dieses "offenkundig" nicht zuständig war, weil eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren nicht zu erwarten war. Das SchöffG hatte gleichwohl vor sich eröffnet. Es ist bedenklich, die Bindungswirkung des § 269, wie dies das OLG Düsseldorf tut, auf diese Weise "auszuhebeln", was Bachern in der Anmerkung zu Recht beanstandet. 145
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
283
1. Verbindungs- und Trennungsbeschlüsse
a) Sach- und Verhandlungsverbindung Das Gesetz unterscheidet zwischen der Sachverbindung der §§ 2 ff. und der Verhandlungsverbindung nach § 237. 149 Erstere verschmilzt die bisher getrennten Verfahren zu einem einheitlichen Prozeß. Die Verhandlungsverbindung führt bei demselben Gericht anhängige Strafsachen zum Zweck gleichzeitiger Verhandlung zusammen, wobei jede Sache ihre Selbständigkeit behält und ihren eigenen Gesetzen folgt. 15o Für die Verhandlungsverbindung genügt "irgendein Zusammenhang".151 Die Sachverbindung setzt demgegenüber einen persönlichen oder sachlichen Zusammenhang i.S. des § 3 voraus. 152
b) Das Verfahren bei der Sachverbindung Besteht ein solcher Zusammenhang, darf die StA die Sachen verbunden anklagen, und zwar sowohl bei unterschiedlicher sachlicher (§ 2 I) als auch örtlicher (§ 13 I) Zuständigkeit. 153 Die Reaktionsmöglichkeiten des Gerichts bei verbunden erhobener Anklage sind bei sachlich und örtlich abweichender Zuständigkeit verschieden. Im Fall der Anklage nach § 2 I darf das Gericht, wenn es nicht insgesamt vor sich eröffnen will (verbindende Eröffnung), trennen und den abgetrennten Teil vor dem Gericht niederer Ordnung eröffnen (trennende Eröffnung). Eine entsprechende Möglichkeit hat es bei Anklage nach § 13 I nicht. Es ist nicht berechtigt, die Eröffnung der Sache, die ohne den Zusammenhang nach § 3 örtlich vor ein anderes Gericht gehören würde, abzulehnen mit der Begründung, es sei zweckmäßig, sie dort anhängig zu machen. 154 Ist getrennt angeklagt, darf das Gericht sowohl bei verschiedener sachlicher als auch örtlicher Zuständigkeit verbinden, allerdings differiert das Verfahren. Im Fall unterschiedlicher sachlicher Zuständigkeit entscheidet das Gericht höherer Ordnung bzw. das gemeinschaftliche obere Gericht (§ 4 11 1 und 2). Bei unterschiedlicher örtlicher Zuständigkeit kommt die Verbindung durch Vereinbarung der Gerichte, bei denen die Verfahren anhängig sind, bzw. durch eine Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts (§ 13 11 1 und 2) zustande.
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ISO 151 152 153 154
KK-Pfeiffer § 2 Tz. 11; LR-Wendisch § 2 Tz. 49. BGH 19, 177; 26, 271; LR-Gollwitzer § 237 Tz. 11; KK-Treier § 237 Tz. 10. KK-Pfeiffer § 2 Tz. 11. Krey I Tz. 241 ff. LR-Wendisch § 2 Tz. 38. LR-Wendisch § 13 Tz. 13; KK-Pfeiffer § 13 Tz. 2.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Letztere ist unverzichtbar, wenn die Strafsachen bei Gerichten unterschiedlicher Ordnung mit zugleich örtlich differierender Zuständigkeit laufen, wenn also die Voraussetzungen des § 13 mit denen des § 4 zusammentreffen. Hier hat § 4 Vorrang, bei abweichender sachlicher und örtlicher Zuständigkeit reicht eine Vereinbarung der Gerichte nicht aus, das gemeinschaftliche obere Gericht muß entscheiden (§ 4112).155 § 4 setzt Eröffnung voraus, § 13 11 Anhängigkeit. Die Verbindung gemäß § 13 11 ist also bereits nach Einreichung der Anklage (Anhängigkeit), aber auch noch nach Eröffnung zulässig. 156
Bei unterschiedlicher sachlicher Zuständigkeit geschieht Verbindung entweder durch verbundene Anklage und, daraus resultierend, verbindende Eröffnung (§§ 2, 206) oder - nach Eröffnung - durch Gerichtsbeschluß i.S. von § 4. Eine Regelung, die dem § 13 11 1 (Verbindung nach Anhängigkeit aber vor Eröffnung) entspräche, fehlt in § 4 aus verständlichen Gründen, zwischen Gerichten verschiedener Ordnung ist eine "Vereinbarung" nicht vorgesehen. Vielmehr setzt die Verbindung von Verfahren abweichender sachlicher Zuständigkeit einen Gerichtsbeschluß voraus, und dieser kann nur ergehen, wenn die Sache aus der Verfügungsgewalt der StA in die des Gerichts übergegangen ist, also erst mit der Eröffnung, da bis dahin die StA die Anklage jederzeit zurücknehmen kann. 157 c) Die Beschwerdefähigkeit der Entscheidungen vor Eröffnung
Gegen Entscheidungen über Verbindung und Trennung vor Eröffnung, soweit solche überhaupt ergehen können, wird Beschwerde für statthaft gehalten. 158 Besteht unterschiedliche sachliche Zuständigkeit, beschließt das Gericht über die Verbindung mit der Eröffnung. Es eröffnet entweder vor sich oder nur teilweise vor sich und im übrigen vor dem Gericht niederer Ordnung. 159 Beschwerde gegen die verbindende Eröffnung ist unzulässig. Dies beruht auf dem Ausschluß der Grundregel des § 304 I durch § 210 I, der die Eröffnungsentscheidung der Beschwerde entzieht. 160 Der mit der Eröffnung einhergehende Beschluß über eine Verbindung ist daher nach § 210 I der Beschwerde unzugänglich; gegen eine Trennung ist Beschwerde unter den Voraussetzungen des § 210 11 möglich. Eine Entscheidung über Verbindung/Trennung zur sachlichen Zuständigkeit ergeht vor Eröffnung nur als eine im Gesetz nicht vorgesehene, wenn das Gericht etwa abtrennt und "abgibt".161 155 156 157 158 159
160
BGH NStE Nr. 1 zu § 13 StPO (mit Nachweis der bisherigen Rechtsprechung). LR-Wendisch § 13 Tz. 17 ff., 34. LR-Wendisch § 2 Tz. 59; KK-Pfeiffer § 2 Tz. 13. Eb. Schmidt § 4 Tz. 16; Rosenmeier; S. 89; Bohnert, S. 26. Kleinknecht / Meyer-Goßner § 2 Tz. 11. Vgl. O. 5. Teil I. 5. d).
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Bei Verbindung nach § 13 11 ist eine Entscheidung zwischen Anhängigkeit und Eröffnung denkbar (§ 13 11 2). Sie erfolgt indessen nicht in einem der Verfahrensstadien des § 304 I. Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 13 11 2 ist vielmehr Inzidentverfahren, und die in diesem ergehenden Entscheidungen sind der Beschwerde entzogen. 162 Für Verbindung gemäß § 237 gilt das zu § 13 11 Gesagte entsprechend. § 237 stellt auf Anhängigkeit ab, das Hauptverfahren braucht also noch nicht eröffnet zu sein. 163 Die Verbindung geschieht allerdings zeitgleich mit der Eröffnung, weshalb der Beschluß aus gleichen Gründen wie die Sachverbindung bei unterschiedlicher sachlicher Zuständigkeit (§ 2 I) nicht beschwerdefähig ist. d) Die Entscheidungen des erkennenden Gerichts
aa) Der Anknüpfungspunkt der h.M.: Innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung Die h.M. hält bei Entscheidungen nach Eröffnung § 304 grundSätzlich für durch § 305 ausgeschlossen, so daß anordnende und ablehnende Entscheidungen über Verbindung bzw. Trennung der Beschwerde nicht zugänglich seien. 164 Unter bestimmten Voraussetzungen wird Beschwerde gegen derartige Entscheidungen wegen der "weiteren Verfahrenswirkungen" für statthaft gehalten. 165 Führend in der Entwicklung dieser Rechtsprechung war das BayObLG. I66 Ein spezieller Anwendungsfall dieser These ist der Hinweis auf Verzögerung oder Hemmung des einen oder anderen Verfahrens. 167 161 So lag es im Fall des OLG Koblenz IR 1982, 479: Die Iugendkammer trennt gegen den mitangeklagten Erwachsenen ab und beschließt nicht über die Eröffnung, sondern gibt (nur diese Sache) an die allgemeine Kammer ab. Diesen Fall hat offenbar Bohnert, S. 26, vor Augen. Allerdings ist nicht zu erkennen, wie das Gericht "vor Eröffnung" verbunden angeklagte Strafsachen trennen kann. Getrennt werden sie allenfalls zeitgleich mit der Eröffnung. 162 V gl. o. 3. Teil III. 3. a). 163 BGH 20,219 (220); KK-Treier § 237 Tz. 5; KleinknechtlMeyer-Goßner § 237 Tz. 3,4. 164 LR-Gollwitzer § 237 Tz. 19; LR-Wendisch § 4 Tz. 33 und § 2 Tz. 64; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 4 Tz. 16; Bohnert, S. 26; KK-Treier § 237 Tz. 14; KK-Pfeiffer § 4 Tz. 12; Schlüchter Tz. 19 und SK-Schlüchter § 237 Tz. 14 (anders nur bei verfahrenshemmender Wirkung); ähnlich HK-Julius § 237 Tz. 8; AK StPO-Kelier § 237 Tz. 6. 165 Schwentker, S. 199 f. 166 Vgl. Bohnert, S. 30, Anm. 28 unter Hinweis auf BayObLG 1952, 117 (Ablehnung der Trennung verbundener Verfahren); 1953, 86 (Trennung). 167 OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 142 (mit weiteren Nachweisen); Burhojf Tz. 71; KMR-Paulus § 4 Tz. 33 und § 237 Tz. 45 (unter Zustimmung zu BayObLG 1953, 86); LRGollwitzer § 237 Tz. 20 (Hemmung für längere oder unbestimmte Zeit); LR-Wendisch § 2 Tz. 64; KK-Pfeiffer § 4 Tz. 12; § 2 Tz. 14; Eh. Schmidt § 237 Tz. 10. Die Entscheidung LG Breslau JW 1929, 2778 (Nr. 4), die Beschwerde gegen die Verbindung zweier Privatklagen trotz § 305 für zulässig (und begründet) erachtet, indem sie den inneren Zusammenhang mit dem Urteil verneint (zustimmend Stern IW 1929, 2778), fällt aus dem Rahmen. Die ange-
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Auf gleicher Linie bewegen sich die Ausführungen von Rosenmeier, 168 indessen betreffen die von ihm angeführten Entscheidungen nicht Fälle von Verbindung oder Trennung, wie Wendisch zu Recht bemerkt. 169 So ging es im Fall des OLG Celle l70 um eine Anordnung nach § 81 a, im Fall des OLG Hamburg um einen Antrag, dessen fehlerhafte Bescheidung nicht revisibel und schon deshalb nicht durch §§ 305 S. 1,336 S. I der Beschwerde entzogen
war. l7 I
Wenn Entscheidungen über Verbindung/Trennung gemäß § 305 S. 1 für nicht beschwerdefähig gehalten werden, müßten sie nach der hier vertretenen Ansicht revisibel sein. Diese Konsequenz wird von Bohnert gezogen;l72 im übrigen herrscht die Ansicht vor, solche Entscheidungen könnten in der Revision nur auf Ermessensmißbrauch und auf im Zusammenhang mit der Entscheidung begangene Verletzung anderer Verfahrensvorschriften überprüft werden. 173 bb) Der hier vertretene Anknüpfungspunkt: Der Beruhenszusammenhang Maßgeblich für den Ausschluß der Beschwerde nach § 305 S. 1 ist nicht irgendein "innerer Zusammenhang", sondern der Beruhenszusammenhang zwischen Entscheidung und Urteil. Ist dieser vorhanden, wird die Entscheidung Vorentscheidung i.S. v. § 336 S. 1 und damit der Beschwerde durch § 305 S. 1 gesperrt. Es kommt also darauf an, ob der betreffende Beschluß nach § 336 S. 1 revisibel ist. Anlaß zu Mißverständnissen entsteht dadurch, daß die eine Trennung bzw. Verbindung betreffenden Beschlüsse richterlichem Ermessen offenstehen, 174 jedenfalls soweit es sich um echte Verbindung handelt, um Zusammenführung von Straftaten, die an sich gesonderter rechtlicher Beurteilung zugänglich wären. Verbindung bzw. Trennung, so wird behauptet, könnten nur auf damit verbundene andere Verfahrensfehler, 175 nicht auf fehlerhafte Ermessensausübung hin überprüft führten Rechtsnachteile des Betroffenen (Beweismittelbeschränkung) sind nämlich typische Grundlagen für die Revisionsrüge, so daß die Beschwerde richtigerweise als unzulässig hätte verworfen werden müssen; wie LG Breslau Rosenmeier, S. 90 f. (92). 168 Rosenmeier, S. 89 ff.; hierzu Bohnert, S. 30, insbes. Anm. 30. 169 LR-Wendisch § 2 Tz. 44, Anm. 9. 170 OLG Celle NJW 1971,256. 171 OLG Hamburg JZ 1969,241. 172 Bohnert, S. 25 ff. 173 KK-Pfeiffer § 2 Tz. 15; § 4 Tz. 13; KK-Treier § 237 Tz. 15; LR-Wendisch § 2 Tz. 67 ff.; LR-Gollwitzer § 237 Tz. 23; BGH 18, 238 (239); SK-Schlüchter § 237 Tz. 15 verneint Revisibilität wegen der Möglichkeit anderen Rechtsbehelfs (nicht verbundene Verfahren zu verbinden bzw. verbundene zu trennen). Im Ergebnis wird jedenfalls wie hier Beruhenseignung verneint. 174 Deshalb sieht sich z. B. Oetker, JW 1932, S. 406, zur Verneinung der Revisibilität veranlaßt.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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werden. 176 Dieser Gedanke hilft bei der Frage nach dem Beruhenszusammenhang nicht weiter. Daß die Ausübung richterlichen Ermessens grundsätzlich revisibel ist, kann heute als gesicherte Erkenntnis gelten,177 selbst wenn die Revision auf die Überprüfung des Ermessensmißbrauchs reduziert wird, wie es teilweise geschieht. 178 Entscheidend ist, daß die Möglichkeit der Sanktionierung von Rechtsfehlern bei der Ermessensausübung anerkannt ist. Das betrifft allerdings nur die Gesetzesverletzung an sich, nicht die Frage, inwieweit hierauf das Urteil auch beruht. Andererseits hängt die Beruhenseignung der Verbindung I Trennung nicht von der Möglichkeit anderer mit der Entscheidung einhergehender Verfahrensfehler ab, denn solche begründen allenfalls ihre eigene Revisibilität, nicht die der Entscheidung über Verbindung bzw. Trennung selbst. Zu derartigen Konstellationen kommt es, wenn etwa die rechtsfehlerhafte Verbindung Prozeßhindernisse schafft. So lag es im Fall BGH NStE Nr. 1 zu § 13 StPO. Das LG Frankenthai hatte vom LG Wiesbaden das dort anhängige Berufungsverfahren übernommen und mit einem bei ihm selbst laufenden erstinstanzlichen Verfahren verbunden. Die Verbindung war unzulässig, weil sie nach § 13 II und nicht durch eine Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts (§ 4 II) erfolgte. Dadurch bestand nun ein Prozeßhindernis in Gestalt anderweitiger Rechtshängigkeit, die Sache war nach wie vor bei dem abgebenden Gericht anhängig. Ähnlich führte eine (unzulässige) Zuständigkeitsvereinbarung nach § 13 II zur Unzuständigkeit des erkennenden Gerichts und damit zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis. 179 In dem von BGH NStE Nr. 2 zu § 4 entschiedenen Fall hatte die Revision Erfolg, weil ein Berufungsverfahren mit einem Verfahren erster Instanz verbunden worden war und das verbindende Gericht offengelassen hatte, ob es § 4 oder § 237 angewandt hatte, so daß die Urteilsgründe nicht den Anforderungen des § 267 genügten.
Hier lag die beruhensgeeignete Gesetzesverletzung in der Nichtbeachtung des Prozeßhindernisses (doppelte Rechtshängigkeit) bzw. in dem Verfahrensfehler un175 Z. B. Verletzung der §§ 261, 264 bei Verwertung der Aussage eines Mitangeklagten (vor Verbindung), RG 67, 417; Verletzung des § 231 i. V. m. § 338 Nr. 5 durch Verbindung mit der Maßgabe abgesonderter Vernehmung, RG GA 51 (1904),409; in beiden Fällen war die Trennung (Verbindung) selbst nicht rechtsfehlerhaft. Zur Bedeutung des Anwesenheitsrechts für die Verbindung / Trennung vgl. Kost, S. 188 ff. 176 Vgl. KK-Pfeiffer § 2 Tz. 15; SarstedtlHamm Tz. 230 ("freies" Ermessen); KK-Treier § 237 Tz. 15; LR-Wendisch § 2 Tz. 67 unterscheidet zwischen Beschwerde und Revision: Bei der Beschwerde setze das Beschwerdegericht sein Ermessen an die Stelle dessen des Vorderrichters (Tz. 65); mit der Revision könne hingegen nicht beanstandet werden, daß der Tatrichter sein Ermessen "falsch ausgeübt habe"; Rosenmeier, S. 92; Brunner JR 1974, 429; BGH 18,238 (239). 177 Warda, S. 174 - 193; LR-Hanack § 337 Tz. 89ff.; KleinknechtlMeyer-Goßner § 337 Tz. 16; vgl. auch Kost, S. 200 ff.: jedenfalls kein "freies" Ermessen. 178 LR-Wendisch § 2 Tz. 68; KleinknechtlMeyer-Goßner § 2 Tz. 14. 179 BGH NStE Nr. 4 zu § 13 StPO; BGH NStZ-RR 1996,232.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
zureichender Urteilsgründe. Beruhenseignung eines bei solcher Entscheidung über die Verbindung begangenen Ennessensfehlers läßt sich daraus nicht herleiten, sie hängt ausschließlich davon ab, ob die Ausübung fehlerfreien Ennessens die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung durch die Interaktion tangiert. Alle gesetzlich zugelassenen Möglichkeiten der Verbindung / Trennung dienen indessen nur der prozeßtechnischen Erleichterung, der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege. 180 Die Verbindung führt zwar, wie BGH 4, 152 (153) ausführt, zu einer umfassenden und zusammenhängenden Beurteilung des Sachverhalts, aber sie dient nicht ihr, sondern der Prozeßökonomie. Daran ändert auch die von Bohnert hervorgehobene Unterscheidung zwischen echten und unechten Verbindungen nichts. 181 Anders als die echte Verbindung führt die unechte nur etwas zusammen, das ohnehin zusammengehört. Das Gericht beurteilt die angeklagte Tat, "wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt" (§ 264 I). Wird ein zu dieser Tat gehöriges Geschehen der Hauptverhandlung ferngehalten, so würdigt das Gericht die Tat nicht erschöpfend. Dann liegt aber der Fehler nicht im Unterlassen der Verbindung bzw. Trennung, sondern (beispielsweise) in der Verletzung der Aufklärungspflicht. 182 Wird nun argumentiert, ein Rechtsfehler bei der Entscheidung über Verbindung / Trennung könne sich insofern auf das Urteil "auswirken", als ,,zusammengehöriges" getrennt (fehlerhafte Trennung) oder nicht zusammengeführt (fehlerhafte Ablehnung der Verbindung) werde, so kehrt hier nichts anderes als die kausalitätsbezogene Betrachtungsweise des Beruhenszusammenhangs wieder, eine Sicht, die diese Untersuchung ablehnt; 183 Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung über Verbindung / Trennung, selbst Mißbrauch des dem Gericht eingeräumten Ennessens,184 sind deshalb nicht beruhensgeeignet, weil die Verbindung / Trennung allein zur prozeß180 LR-Wendisch § 2 Tz. 19; KK-Treier § 237 Tz. 11; KK-Pfeiffer § 2 Tz. 3; BVerfGE 45, 354 (359); BGH 19, 177 (182); 26, 271; KMR-Paulus § 237 Tz. 3; SK-Schlüchter § 237 Tz. 1; SK-Rudolphi § 2 Tz. 6; AK StPO-Dästner § 2 Tz. 1 ("ökonomische Verfahrensgestaltung"); AK StPO-Keller § 237 Tz. 1. 181 Bohnert, S. 31; Bohnert, S. 33, hält die Anwendung des § 305 S. 1 auf Verbindungs-I Trennungsbeschlüsse für "nahegelegt, nicht zwingend". 182 So der Hinweis von KleinknechtlMeyer-Goßner § 2 Tz. 14. 183 Vgl. o. 1. Teil IX. 5. f). 184 Mißbräuchlich ist z. B. die vorübergehende Trennung allein zu dem Zweck, einen Mitangeklagten zu dem Tatgeschehen, das auch ihm zur Last gelegt wird, als Zeugen zu hören (BurhoffTz. 70, mit weiteren Nachweisen). In diesem Fall ist aber nicht die Trennung, sondern die in der Vernehmung des Mitangeklagten liegende Verfahrensverletzung beruhensgeeignet. Trennung berührt nämlich nach richtiger Ansicht den Beschuldigtenstatus nicht, denn dieser ist materiell zu definieren: Bis zum Abschluß des gegen ihn geführten Verfahrens behält der Beschuldigte diese Rechtsstellung bei "ohne Rücksicht auf das Verfahrensstadium und ungeachtet einer prozessualen Verbindung oder Trennung" (Schlüchter Tz. 478; ihr folgend Roxin § 26 am Ib). Die (ermessensfehlerhafte) Trennung selbst verletzt zwar auch Verfahrensrecht, aber sie ist nicht urteilsfinal, weil die Vorschriften über Verbindung I Trennung nicht im Interesse der auf das Urteil zielenden gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung durch die Interaktion erlassen sind, sondern nur der Prozeßökonomie dienen.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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technischen Erleichterung, nicht zum Schutz gerichtlicher Sachverhaltsfeststellung geschieht. Folglich ist Beschwerde statthaft, die Fehlerprüfung durch Revision, auch auf Ermessensfehler, mangels Urteilsfinalität dagegen ausgeschlossen. Die Statthaftigkeit steckt nur den äußersten Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels ab. Zur Zulässigkeit im engeren Sinn gehört das Vorliegen der Beschwer. Diese wird, da der Prozeßbeteiligte ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens hat, bei ermessens verletzender Verbindung / Trennung in der Regel gegeben sein, so in dem oben erwähnten Fall der Trennung allein zu dem Zweck, einen Mitangeklagten als Zeugen zu hören.
2. Zuständigkeitsfragen
a) Die Anfechtbarkeit der den Unzuständigkeitseinwand verweifenden Entscheidung Die Zuständigkeit besonderer Strafkammern hat das Gericht bis zur Eröffnung zu prüfen (§ 6 a S. I), danach nur noch auf Einwand des Angeklagten (S. 2), der ihn bis zur Vernehmung zur Sache vorbringen kann (S. 3). Entsprechend ist § 16 zur örtlichen Zuständigkeit konzipiert. Für eine Beschwerde ist kein Raum. 185 § 304 I ist stets ausgeschlossen, vor Eröffnung durch § 201 11 2, in der Eröffnung durch § 210 I und nach ihr durch § 305 S. 1. Daß die Verwerfung des Unzuständigkeitseinwands beruhensgeeignet ist, folgt aus der unwiderlegbaren Vermutung des § 338 Nr. 4. Für die Revision gilt Folgendes: Jede Entscheidung vor Eröffnung ist nach § 201 11 2 "unanfechtbar". 186 Nach h. M. heißt dies zugleich Versagung der Revision. 187 Die Bedeutung des § 201 11 2 erschöpft sich jedoch im Beschwerdeausschluß;188 die Vorschrift hat auf die Revision keinen Einfluß, diese ist bereits nach § 336 S. 1 nicht statthaft, indem die §§ 305, 336 nur das Hauptverfahren betreffen und der Angriff gegen alle vor Eröffnung liegenden Entscheidungen durch die allgemeine Regel des § 304 dem Beschwerdeverfahren vorbehalten ist. 189 185 LR-Wendisch § 6 aTz. 22; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 6 aTz. 16; KK-Pfeiffer § 6 a Tz. 12; § 16 Tz. 8. 186 Richtig daher OLG Düsseldorf StV 1992,58 (Unanfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen im Eröffnungsverfahren). 187 LR-Wendisch § 6 aTz. 24: ,,In allen Fällen, wo § 201 anwendbar ist, ist die Revision nach § 336 Satz 2 erste Möglichkeit ausgeschlossen." 188 Anders LR-Rieß § 201 Tz. 38. 189 Aus diesem Grund kann auch die StA - ohne rechtzeitige Rüge des Angeklagten - eine durch das eröffnende Gericht zu Unrecht angenommene Zuständigkeit nicht mit der Revision (zugunsten des Angeklagten) geltend machen. Aber auch bei rechtzeitiger Rüge durch den Angeklagten ist der StA die Revision verschlossen, wie Bohnert, S. 35, zu Recht bemerkt; letzteres ist bestritten, bejahend LR 23-Dünnebier § 6 aTz. 25.
19
Weidemann
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Nach hier vertretener Auffassung folgt die Revisionssperre gegenüber Entscheidungen nach § 201 nicht aus § 336 S. 2 i.V. mit § 20111 2,190 sondern unmittelbar aus § 336 S. 1, denn die Zäsur zwischen Revision und Beschwerde liegt in der Eröffnung. l9l Wenn bestimmte Entscheidungen (z. B. wegen § 201 11 2) nicht beschwerdefähig sind, zieht dies nicht gleichsam zwangsläufig die Statthaftigkeit der Revision nach sich. Das synchrone Zusammenspiel beider Rechtsmittel wirkt nur im Bereich des Erkenntnisverfahrens zwischen § 305 und § 336 und für die Eröffnung zwischen § 210 und § 336, also nur bei Entscheidungen, die der Beschwerde "um der Revision willen" entzogen sind. Es gibt keine Automatik dahin, daß Versagung der Beschwerde immer zur Revisibilität führte. 192 Die Regelung des § 201 11 2 ist ein Beispiel dafür, daß der Begriff "unanfechtbar" nicht durchgehend einheitliche Bedeutung hat. In § 201 11 2 sperrt er den Beschwerdeweg, ohne damit die Revision zu eröffnen, schließt diese aber nicht aus, weil sie apriori als statthaftes Rechtsmittel nach § 336 S. I nicht zugelassen ist. Im Gegensatz dazu versagt § 210 n nur deshalb die Beschwerde, weil Revision möglich iSt. 193 Die prinzipielle Revisibilität der nach Eröffnung ergangenen Entscheidungen wird für die Zuständigkeitsbestimmungen aus §§ 6 a, 16 durch das Erfordernis rechtzeitiger Rüge eingeschränkt. 194 Revisibel ist somit allein die Entscheidung über den durch den Angeklagten rechtzeitig vorgebrachten Einwand nach §§ 6 a, 16. Es gilt dann § 336 S. 1: Hat der Angeklagte die ,,Last" der §§ 6 a, 1'6 nicht erfüllt, die RÜge in der Haupt190 So aber LR-Rieß § 201 Tz. 38. Dann wäre es schon treffender, den von Rieß kritisierten Hinweis der h. M. aufzunehmen: Die Revisionssperre folge aus dem fehlenden Beruhenszusammenhang, sein Fehlen in Bezug auf Entscheidungen aus dem Vorverfahren ist in der Tat der Grund dafür, die Zäsur zwischen den Bereichen von Beschwerde und Revision in der Eröffnung zu sehen, so daß die h. M. im Kern das Richtige trifft, wenn sie mangelnde Revisibilität der Entscheidungen nach § 201 mit dem Hinweis auf das Fehlen des Beruhenszusammenhangs begründet. Wie Rieß LR-Wendisch § 16 Tz. 18; wie hier LR-Hanack § 336 Tz. 6: "Vor Erlaß des Eröffnungsbeschlusses getroffene Entscheidungen verfahrensrechtlicher Art werden vom Revisionsgericht nach h. M. grundsätzlich nicht nach § 336 Satz 1 geprüft", unter Hinweis auf Eh. Schmidt § 336 Tz. 5; Dahs/Dahs Tz. 7; Kohlhaas NJW 1968,26. 191 SK-Paeffgen § 201 Tz. 21; KMR-Paulus § 201 Tz. 27; KK-Treier § 201 Tz. 21; AK StPO-Loos § 201 Tz. 17. 192 Nach der hier vertretenen Ansicht lautet der Grundsatz umgekehrt: Revisionseröffnung führt im Bereich des Erkenntnisverfahrens zur Versagung des Beschwerdewegs. 193 "Unanfechtbar" kann also drei Bedeutungen haben: 1. Beschwerdeausschluß (Beispiel: § 201 11 2), 2. Beschwerde- und Revisionsausschluß (Beispiel: § 28 I), 3. Beschwerdeausschluß wegen Revisionseröffnung (§ 210 I; § 305 S. 1). Was jeweils gemeint ist, ist Sache der Auslegung der einzelnen Bestimmung. 194 Dementsprechend wird die Revision unbedenklich zugelassen, vgl. Bohnert, S. 44; KK-Pfeiffer § 6 aTz. 13; § 16 Tz. 9; LR-Wendisch § 6 aTz. 24; § 16 Tz. 18; KMR-Paulus vor § 1 Tz. 75 ff.; SK-Rudolphi § 6 aTz. 21; AK StPO-Dästner § 6 aTz. 7; HK-Lemke § 6 a Tz. 15.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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verhandlung also nicht wiederholt,195 ist Revision gehindert, und zwar nicht erst durch § 336 S. 2, sondern schon infolge der Beschränkung des § 336 S. I auf Entscheidungen des erkennenden Gerichts. b) Rechtskraftfragen
Spricht das Gericht gemäß § 16 S. 2 seine Unzuständigkeit aus, stellt es nach Eröffnung außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß ein, in der Hauptverhandlung durch Urteil. 196 Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde, das Urteil mit den ordentlichen Urteilsrechtsmitteln anfechtbar. Das Verfahren vor Eröffnung ist umstritten. Mit dem Unzuständigkeitsausspruch lehnt (so Pfeiffer) das Gericht die Eröffnung ab, sei es im Beschlußtenor oder in den Gründen. 197 Wendisch sieht den Gerichtsentscheid auf die Unzuständigkeitserklärung beschränkt, das Gericht könne über die Eröffnung nicht befinden. 198 Es schließt sich die Frage nach der Bestandsfahigkeit von Zuständigkeitsentscheidungen an. aa) Rechtskraft der Zuständigkeitserklärung? Nach altem Recht, vor der Neuregelung durch das StVÄG 1979, schloß der im Zwischenverfahren erfolglos erhobene Einwand der (sachlichen bzw. örtlichen) Unzuständigkeit die erneute Geltendmachung aus. Das wurde allgemein mit dem von der Rechtsprechung des RG eingeführten Alternativitätsgrundsatz und mit Rechtskrafterwägungen begründet. Die Zurückweisung des Unzuständigkeitseinwands konnte mit sofortiger Beschwerde nach § 201 11 2 a. F. angefochten werden. 199 Hätte man diese Vorschrift noch unter der Geltung des § 336 S. 2 beibehal195 Bohnert, S. 41: Es könne nicht genügen, daß der Einwand aus der Zeit vor der Eröffnung stillschweigend aufrechterhalten wird, denn er habe keine selbständige Wirkung und sei nicht mehr als die Anregung an das Gericht, seine Zuständigkeit zu überprüfen, ebenso LRRieß § 201 Tz. 25; KK-Treier § 201 Tz. 22 (Verzicht); HK-Lemke § 16 Tz. 7; SK-Rudolphi § 16 Tz. 13; AK StPO-Dästner § 16 Tz. 5 (ausgenommen willkürliche Verletzung der Zuständigkeitsbestimmungen). 196 Bohnert, S. 44; LR-Wendisch § 16 Tz. 10; SK-Rudolphi § 16 Tz. 10; AK StPO-Dästner § 16 Tz. 3. 197 KK-Pfeif.fer § 16 Tz. 4. 198 LR-Wendisch § 16 Tz. 8, unter Aufgabe der früheren Ansicht wegen der aus § 120 I 2 folgenden Konsequenz der Aufhebung des Haftbefehls; Gössel GA 1977, 281 (282); vgl. BGH 18, 1 (Leitsatz Nr. 1 und S. 5 f. zur Rechtskraft der Unzuständigkeitserklärung und der daraus resultierenden Sperrwirkung für dieses beschließende Gericht); SK-Rudolphi § 16 Tz. 6; AK StPO-Dästner § 16 Tz. 3; HK-Julius § 16 Tz. 2. 199 Kleinknecht 33 § 16 Tz. 5; RG 2, 19 (Eröffnungsentscheidung vor Ablauf der Äußerungsfrist).
19*
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
ten, so wäre aus dessen 2. Alt. mit der h.M. formelle Rechtskraft der Zuständigkeitsentscheidung zu folgern gewesen. Nach Auffassung dieser Untersuchung wurde jedoch auch vor Einführung des § 336 S. 2 eine der befristeten Beschwerde unterliegende Entscheidung nicht formell rechtskräftig. Aus Rechtskrafterwägungen den Revisionsausschluß herzuleiten, war deshalb auch nach altem Recht nicht haltbar, allenfalls der Beruhenszusammenhang konnte verneint werden; auf die Erörterungen im ersten Teil wird verwiesen. 200 Nach heutigem Recht sind Entscheidungen aus dem Zwischenverfahren nicht mehr der sofortigen Beschwerde zugänglich, sie sind unanfechtbar (§ 201 11 2). Aus der Sicht der h.M. ergibt sich nunmehr eine recht eigenartige Konstellation: Entscheidungen aus dem Zwischenverfahren konnten nach früherem Recht mit sofortiger Beschwerde angegriffen werden. Zwar war § 336 S. 2 noch nicht in das Gesetz eingefügt, indessen wandte die h.M. die Grundsätze dieser Vorschrift schon vor deren Kodifizierung an. Solche Entscheidungen hätten demnach rechtskraftfähig sein müssen, weil sie der sofortigen Beschwerde unterlagen. Heute würde sich dies - der h.M. folgend - aus § 336 S. 2 (2. Alt.) ergeben, jetzt müßten diese Entscheidungen nicht von der zweiten, sondern der ersten Alternative des § 336 S. 2 ("unanfechtbar") erfaßt werden und aus diesem Grund Rechtskraft erlangen können. Die Konsequenz dessen wäre, dem Angeklagten die Wiederholung des im Vorverfahren inzidenter oder ausdrücklich zurückgewiesenen Unzuständigkeitseinwandes zu versagen. Diese Schlußfolgerung wird allerdings nicht gezogen. Der Angeklagte soll vielmehr seinen Einwand erneuern, die Revision aber nicht auf dessen Verwerfung im Zwischenverfahren stützen dürfen?OI Das Ergebnis ist richtig, allerdings anders zu begründen. Der Einwand der Unzuständigkeit kann durchaus im Hauptverfahren wiederholt werden, wenn er im Zwischenverfahren zurückgewiesen worden ist. § 201 11 2 zieht keine Rechtskraft der abweisenden Entscheidung nach sich, weil sich die Bedeutung dieser Vorschrift im Ausschluß der Beschwerde erschöpft. Wer sowohl den mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren als auch den "unanfechtbaren" Entscheidungen Rechtskraft beilegt, müßte die Wiederholung des Unzuständigkeitseinwands wegen Rechtskraft der abweisenden Entscheidung für ausgeschlossen halten. Daß die h.M. ihre Rechtskraftthese jedenfalls zu § 16 nicht durchhält, mag als Indiz für die Unhaltbarkeit der Behauptung gewertet werden, aus einer im Gesetz an beliebiger Stelle angeordneten "Unanfechtbarkeit" müsse Rechtskraftwirkung herausgelesen werden.
200 201
Vgl. o. 1. Teil VI. 4. LR-Wendisch § 16 Tz. 14; KK-Pfeiffer § 16 Tz. 9.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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bb) Die Unzuständigkeitserklärung des § 16 Die Verneinung der Zuständigkeit ist nach h. M?02 der Rechtskraft faltig, sei sie vor oder nach Eröffnung durch Beschluß oder in der Hauptverhandlung durch Urteil ausgesprochen worden. 203 Eine neue Klage vor demselben Gericht wird als unzulässig angesehen. Durch die (wenn auch unrichtige) Unzuständigkeitserklärung, die mangels Anfechtung oder bei erfolgloser Beschwerde rechtskräftig wird, soll das seine Zuständigkeit verneinende Gericht ein für allemal unzuständig werden?04 Der BGH bezeichnet diesen Effekt als Fernwirkung der formellen Rechtskraft. 205 Damit ist ein Problem angesprochen, das sich bei allen prozeßerledigenden Formalentscheidungen stellt, die Frage, ob diese lediglich für den laufenden Prozeß Bedeutung haben, indem sie ihn formell abschließen, oder ob sie auch über seine Beendigung hinaus die besagte Fernwirkung nach sich ziehen. Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln in demselben Verfahren macht formelle Rechtskraft aus. Diese ist bei der Unzuständigkeitserklärung unproblematisch. Wird letztere, in Gestalt eines Beschlusses oder Urteils abgegeben, nicht rechtzeitig mit den statthaften Rechtsmitteln angefochten oder bleiben diese ohne Erfolg, erwächst sie in formelle Rechtskraft, beendet damit das Verfahren; bisherige Verfahrenshandlungen werden gegenstandslos?06 Inwieweit nun die Anklage "frei" ist, das Verfahren erneut in Gang zu bringen, hängt vom Ausmaß der durch die formell rechtskräftige Entscheidung ausgelösten - außerhalb des Prozesses entfalteten Sperrwirkung jener Formalentscheidung ab, zwar einem Problem der materiellen Rechtskraft, zu trennen indessen vom Strafklageverbrauch, der materiellen Rechtskraftwirkung eines formell rechtskräftig gewordenen Sachurteils außerhalb des Prozesses?07 Daß solche nur das Verfahren betreffende Entscheidung Wirkungen außerhalb des Prozesses, in dem sie ergangen ist, zeitigt, ist keineswegs selbstverständlich. Der BGH beruft sich hier auf Beling, dieser indessen hat auch Schwierigkeiten, seine Ansicht zu begründen. 208 Er führt aus: 202 LR-Wendisch § 16 Tz. 9; KK-Pfeiffer § 16 Tz. 4; SK-Rudolphi § 16 Tz. 6; Bohnert, S. 44, spricht von ,,rechtskraftähnlicher" Wirkung. 203 BGH 18, I (5): Auch der sachlich unrichtige Beschluß, durch den sich das Gericht für unzuständig erklärt hat, kann, wenn er unangefochten bleibt, nicht mehr durch das Gericht zurückgenommen werden. Dem stehe die formelle Rechtskraft entgegen. Die Entscheidung betrifft die Unzuständigkeitserklärung. - Für die Zuständigkeitserklärung kann aber dann nichts anderes gelten. Würde sie (kraft § 201 11 2) ,,rechtskräftig", könnte auch die Wiederholung des Unzuständigkeitseinwands nicht anders beschieden werden. 204 BGH 18, I (5) im Anschluß an Beling, S. 271. 205 BGH 18, I (5). 206 LR-Wendisch § 16 Tz. 9. 207 Vgl. Beling, S. 271, der dem Strafklageverbrauch die "gewisse Sperrwirkung" der prozeßeriedigenden Formalentscheidungen gegenüberstellt. 208 Beling, S. 271.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
"Aber wenn es im Sinne des Gesetzes läge, daß neue Verfahren ohne alle Rücksicht auf zuvorige formale Prozeßerledigung zulässig sein sollten, so wäre nicht erfindlieh, weshalb diesen Gerichtsaussprüchen auch nur formelle Rechtskraft beigelegt wäre ... , denn es wäre dann der einfachere Weg der Fortführung des Erstprozesses ... zugunsten des prozeßökonomisch umständlicheren, des Verfahrensneubeginns, vertauscht. Deshalb muß auch den prozeßerledigenden Formalentscheidungen eine gewisse Sperrwirkung nach Maßgabe ihres Inhalts zugesprochen werden ... ; ein neues Verfahren ist insoweit unzulässig, als jene Feststellung als unrichtig beiseite geschoben werden müßte, um die Zulässigkeit bejahen zu können ... ".209
Beling schließt also von der formellen auf die materielle Rechtskraft: Den Beschlüssen formelle Rechtskraft beizulegen, sei sinnlos, wenn hieraus nicht gleichzeitig gewisse Sperrwirkungen für die Folgeprozesse resultierten. Zwingend ist das nicht, formelle Rechtskraft zieht für sich allein nicht immer die materielle nach sich; sie ist deren zwar notwendige, aber nicht einzige Bedingung. 210 So bleiben letztlich nur prozeßökonomische Erwägungen übrig, um die über den Prozeß hinausreichende Sperrwirkung der Formalentscheidung zu begründen. In der Tat hätte andernfalls, wenn die Entscheidung derartige Wirkungen nicht besäße, das Gesetz besser Weiterführung des ursprünglichen Prozesses anstelle des völligen Neubeginns vorgesehen. Einer Formalentscheidung, die gleichermaßen das Verfahren beendet, spricht das Gesetz diese Sperrwirkung ausdrücklich zu, dem die Eröffnung ablehnenden Beschluß (§ 211). Gewisse Parallelen zwischen ihm und der Unzuständigkeitserklärung lassen sich erkennen. Während die Ablehnung der Eröffnung unter den Voraussetzungen des § 211 die Strafklage verbraucht, verneint jene die Zuständigkeit eben dieses angerufenen Gerichts. Wenn nun durch sie wie bei der Eröffnungsablehnung das Verfahren beendet ist, bietet sich die analoge Anwendung des § 211 an. Wird diese Analogie vollzogen, ist in der Tat "formell und materiell rechtskräftig" entschieden, das angerufene Gericht sei nicht zuständig. Aus Gründen der Prozeßökonomie ist eine solche Analogie zu bejahen.
Eine erneute Klage vor demselben Gericht ist demnach nur aufgrund neuer Tatsachen zulässig, aus denen sich die Zuständigkeit ergibt. 2ll
209 Dabei taucht die Frage auf, wie zu verfahren ist, wenn trotz Unzuständigkeitserklärung beim selben Gericht erneut angeklagt wird. Wenn (fehlerhaft) trotz früherer Unzuständigkeitserklärung eröffnet wurde, muß dann der Angeklagte auch den Einwand i. S. des § 16 rechtzeitig erheben? Beseitigt also das Unterlassen der Rüge die Rechtskraft der Vorentscheidung? 210 Vgl. O. 1. Teil VI. 1.,3. 211 Anders Bohnert, S. 45, der eine neue Klage nur zuläßt, wenn sich aufgrund der neuen Umstände eine örtliche Zuständigkeit ergibt, die bisher nicht zur Entscheidung anstand. BGH NStZ 1988, 371: Wegen Rechtskraft der Unzuständigkeitserklärung kann bei demselben Gericht keine Anklage mehr erhoben werden, im Anschluß an BGH 18, 1 (5).
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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c) Abgabe- und Übernahmeentscheidungen aa) Vor und mit Eröffnung Hält das Gericht, bei dem angeklagt worden ist, die Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung für begründet, so eröffnet es das Hauptverfahren vor diesem Gericht (§ 209 I). Die Rechtsmiuelfähigkeit dieser Entscheidung beurteilt sich nach § 210, die StA hat die Möglichkeit der (sofortigen) Beschwerde aus § 210 11, dem Angeklagten ist Beschwerde versagt, und die fonnellen Voraussetzungen des Eröffnungsbeschlusses unterliegen der Revisionsüberprüfung nach § 336 S. 1.212 Die Vorlage an das Gericht höherer Ordnung nach § 209 11 wird für nicht beschwerdefähig gehalten,213 mangels Beschwer214 oder weil die Vorlage keine Entscheidung i.S. von § 304 ausmache. 215 Der eigentliche Grund hierfür liegt indessen darin, daß das Gesetz nach Maßgabe des § 209 11 ein besonderes Verfahren für die Zuständigkeitsbestimmung in Gestalt der Entscheidung durch den judex ad quem zur Verfügung stellt. Aus den von Bohnert angeführten Gründen ist deshalb die Statthaftigkeit der Beschwerde zu vemeinen.2 16 Das höhere Gericht i.S. von § 20911 entscheidet, ob es vor sich oder vor einem Gericht niederer Ordnung eröffnet oder ob es einem noch höheren Gericht vorlegt. Für die Eröffnungsentscheidung gilt § 210, dem Angeklagten ist Beschwerde versagt (§ 210 I), der StA steht sie als sofortige zu, wenn Eröffnung abgelehnt oder vor einem niederen Gericht eröffnet wird. Bei der Vorlage an ein höheres Gericht folgt aus § 209 11 die Beschwerdesperre für sämtliche Prozeßbeteiligten. Eine im Eröffnungsbeschluß enthaltene fehlerhafte Zuständigkeitsbestimmung ist nach h.M. nicht revisibel; das wird aus § 210 I i.V. mit § 336 S. 2 geschlossen. 217 Nach hier vertretener Auffassung ist Beschwerde in § 210 I aus den gleichen Gründen wie in § 305 S. I versagt, weil Revision eröffnet ist, diese scheitert nicht an § 336 S. 2,218 denn die Entscheidung ist nicht "unanfechtbar" i.S. dieser Vorschrift. Vgl. o. 1. 5. KK-Treier § 209 Tz. 16; Giesler, S. 258; Bohnert, S. 38; für den Übertragungsbeschluß nach § 15 OLG Celle NJW 1957,73 (nur LS); BayObLG AIsbergE 2, 67. 214 KK-Treier § 209 Tz. 16. 215 LR-Rieß § 209 Tz. 47; SK-Paeffgen § 209 Tz. 14 (mangels Beschwer und mangels "Entscheidung"). 216 Bohnert, S. 38. 217 KK-Treier § 209 Tz. 17; nach Rieß, GA 1976, 21, kann die Revision darauf gestützt werden, das Gericht habe seine auch nach der Eröffnung für alle (mit Ausnahme der normativen) Zuständigkeitsmerkmale bestehende Prüfungspflicht nicht erfüllt: Nicht in der unrichtigen Beurteilung der Zuständigkeit durch den Eröffnungsbeschluß liege der Verfahrensfehler, sondern in der Verletzung der Verpflichtung zur Zuständigkeitskorrektur, die nach Eröffnung des Hauptverfahrens andaure. 218 So aber Rieß GA 1976, 20. 212 213
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
bb) Nach Eröffnung Nach Eröffnung, aber vor Beginn der Hauptverhandlung, verfährt das Gericht bei Zuständigkeitsbestimmungen nach § 225 a. Der Vorlagebeschluß des § 225 a I ist wie der nach § 209 11 wegen des der Beschwerde vorgehenden speziellen Vorlageverfahrens nicht beschwerdefähig. Die Anfechtbarkeit des Übernahmebeschlusses (§ 225 a I 2) ist umstritten. Es wird einerseits sowohl der anordnende wie der ablehnende Beschluß für unanfechtbar gehalten,219 andererseits differenziert: Gegen den anordnenden Beschluß sei der StA sofortige Beschwerde nur dann eröffnet, wenn entgegen ihrem Antrag ein niederes oder nachrangiges Gericht die Sache verhandeln solle, gegen eine Ablehnung der Übernahme wird der StA sofortige Beschwerde zugestanden, wenn sie sich für die Zuständigkeit des um Übernahme ersuchten Gerichts ausgesprochen hatte. 22o Einigkeit besteht darüber, daß der Angeklagte generell über keine Anfechtungsmöglichkeit verfügt. 221 Das Gesetz regelt die Frage in § 225 a III 3, indem es zur Anfechtbarkeit des Übernahmebeschlusses auf § 210 verweist. 222 Damit gelten die für den Eröffnungsbeschluß entwickelten Grundsätze. Der Übernahmebeschluß unterliegt als Vorentscheidung nach § 336 S. 1 der Revision?23 Beschwerde ist dem Angeklagten versagt (§ 210 I), der StA in den Grenzen des § 210 11 eröffnet. 224 Ein dem § 210 11 genügender Antrag der StA mag zwar überflüssig erscheinen,225 so daß KMR-Paulus § 225 aTz. 30; Pfz OLG Zweibrücken NStZ 1998,211. LR-Gollwitzer § 225 aTz. 62 u. Tz. 64; ebenso LR-Wendisch § 6 aTz. 19. Das würde im Ergebnis bedeuten, daß der StA gegen den anordnenden Beschluß die sofortige Beschwerde nur zustünde, wenn sie mit ihrem Antrag die Verhandlung vor einem noch höheren als dem übernehmenden Gericht beantragt hatte. - Gegen den ablehnenden Beschluß hätte die StA das Recht auf sofortige Beschwerde generell, weil dieser Beschluß die Meinung des Gerichts indiziert, ein niederes Gericht sei zuständig. Die Auffassung von Gollwitzer steht im Einklang mit dem Wortlaut des § 210 11, auch was den Antrag der StA angeht (wobei dieses Erfordernis von Bohnert, S. 39 Anm. 10, zu Unrecht als "bloße Fönnlichkeit" abgetan wird); Beschwerderecht der StA verneinen KleinknechtlMeyer-Goßner § 225 aTz. 24 und MeyerGoßner NStZ 1981, 169. 221 Bohnert, S. 39; LR-Gollwitzer § 225 aTz. 66; KK-Treier § 225 aTz. 29, 30. 222 Das OLG Zweibrücken NStZ 1998,211 (212) versteht dies allerdings nicht als Verweisung bezüglich des die Übernahme ablehnenden Beschlusses. Dieser stehe der Verweisung an ein Gericht niederer Rangordnung nicht gleich. Es fehle der Entscheidungscharakter. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies eine zu enge Auslegung des § 225 a III 3, der schlechthin auf § 210 verweist. Der Hinweis auf § 305 S. 1 greift nicht, da § 210 an dessen Stelle tritt. 223 Der Übernahmebeschluß ersetzt nicht die Eröffnung (BGH NStZ 1984, 520), enthält keine Entscheidung über den Tatverdacht (§ 203), hat also nicht - wie der Eröffnungsbeschluß - eine "materielle" Seite, die in der im Urteil wiederzugebenden Überzeugung des Gerichts von Schuld bzw. Nichtschuld aufginge. 224 KleinknechtlMeyer-Goßner § 225 aTz. 24. 225 Bohnert, S. 39, 40. 219
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H. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Beschwerde für die StA selbst dann statthaft ist, wenn diese nicht beantragt hatte, vor einem noch höheren Gericht zu eröffnen; indessen scheitert, falls ein derartiger Antrag nicht gestellt wird, die Zulässigkeit des Rechtsmittels spätestens am Fehlen der Beschwer. Bei Anfechtung der anordnenden Übernahme ist eine Beschwer der StA nicht feststellbar, wenn sie nicht zuvor zu erkennen gegeben hatte, sie halte die Verhandlung der Sache vor einem (noch) höheren Gericht für erforderlich. Auch gegenüber dem die Übernahme ablehnenden Beschluß kann der frühere Antrag der StA aus dem Eröffnungsverfahren nicht ,,fortwirken", wenn sie Anklage vor dem vorlegenden Gericht erhoben und damit zum Ausdruck gebracht hatte, sie halte die Verhandlung vor dem die Übernahme ablehnenden Gericht selbst nicht für geboten. Also muß die StA in beiden Fällen, um überhaupt eine Beschwer in Anspruch nehmen zu können, durch einen selbständigen "Antrag" im Vorlage- bzw. Übernahmeverfahren kundtun, daß sie entgegen ihrem eigenen Antrag im Eröffnungsverfahren nun die Zuständigkeit des höheren Gerichts für gegeben halte. Bohnert sieht eine Besonderheit bei Übernahmebeschlüssen nach § 6 a i.V. mit § 225 a IV. 226 Hier soll die Differenzierung zwischen ,,höher und niedriger" des § 210 11 entfallen, mithin sofortige Beschwerde der StA stets zulässig sein, gegen
den positiven wie den negativen Übernahmebeschluß der vorrangigen und auch gegen die Verweisung an die nachrangige Kammer. Dieser Gedanke widerspricht indessen der in § 210 11 i.V. mit § 74 e GVG vorgenommenen und auch für §§ 6 a, 225 a IV geltenden Abstufung. Höher und niedriger i.S. von § 210 11 ist gleichbedeutend mit vorrangig und nachrangig gemäß § 74 e GVG. Für die StA ist Beschwerde auch hier nur statthaft, wenn gegen ihren Antrag nach dem übernehmenden Beschluß eine nachrangige Kammer die Sache verhandeln soll bzw. - im Fall abgelehnter Übernahme - wenn sich die StA für die Zuständigkeit der um Übernahme ersuchten höheren Kammer ausgesprochen hatte. Für eine Abweichung von dem zu § 225 a I - III Gesagten besteht kein Anlaß. Auf das Verfahren nach Beginn der Hauptverhandlung sind folgende Grundsätze anzuwenden. Der Verweisungsbeschluß gemäß § 270 I 1 hat die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses, seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210 (§ 270 III 2), mithin wie die des Eröffnungsbeschlusses. Er ist keine Entscheidung des erkennenden Gerichts,227 für eine Revision des Angeklagten jedoch der Entscheidung des erkennenden Gerichts gleichgestellt; § 270 III 2 i.v. mit § 210 I sperrt wie § 305 S. 1 wegen der eröffneten Revision den Beschwerdeweg. Der Verweisungsbeschluß ist für den Angeklagten nicht beschwerdefähig (§§ 210 I, 270 III), allerdings nach § 336 S. 1 revisibel, und die Revision wird nicht durch § 336 S. 2 ausgeschlossen, weil dem § 210 11 - entgegen überkommener Auffassung - der Revisionsausschluß nicht entnommen werden kann. 226
227
Bohnert, S. 39. Kleinknecht GA 1959,92.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Der StA steht gegen den Verweisungs- wie gegen den Übemahmebeschluß die (sofortige) Beschwerde in den Grenzen des § 210 11 ZU. 228 Auf den die Verweisung ablehnenden Beschluß ist § 305 S. I anzuwenden;229 die Ablehnung ist Entscheidung des erkennenden Gerichts und nach § 336 S. 1 revisibe1. 23o Beruhenseignung folgt aus der nicht widerlegbaren Vermutung des § 338 Nr. 4. Beschwerde ist dem Angeklagten und der StA versagt. 231 Gleiches gilt für die Ablehnung der Verweisung im Rahmen des § 6 a. 232 Der gegenteiligen Auffassung von Bohnert, § 6 a verlängere die Eröffnungszuständigkeit des erkennenden Gerichts und gegen dessen Festlegung stehe der StA sofortige Beschwerde zu, wodurch aber die Revision verschlossen sei,233 kann nicht gefolgt werden. Mit der Eröffnung ist das Beschwerderecht des § 210 II erschöpft. Sofortige Beschwerde ist für die StA nur zulässig, wenn es sich bei den der Eröffnung nachfolgenden um dem Eröffnungsbeschluß gleichgestellte Entscheidungen handelt, und diese Gleichstellung wird nur über § 270 III vorgenommen. Der die Verweisung ablehnende Beschluß hat nicht die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses, weshalb der StA gegen ihn weder sofortige Beschwerde eröffnet noch Revision gemäß § 336 S. 2 (2. Alt.) versagt ist. Der Hinweis, die Eröffnungszuständigkeit des erkennenden Gerichts sei "verlängert", trifft nicht, nur die Verweisung selbst verlängert, nicht ihre Ablehnung.
228 Bei beantragter "Höherverweisung", vgl. Kleinknecht GA 1959, 92. 229 SK-Schlüchter § 270 Tz. 30 und 36. 230 Vgl. die Nachweise bei Bohnert, S. 40 Anm. 12, insbesondere Kleinknecht GA 1959, S. 91 ff. (92), der ganz richtig die Unterscheidung zum Verweisungsbeschluß hervorhebt (S. 92): § 305 schließe nur die Beschwerde gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts aus; verweist das Gericht, stehe die Entscheidung über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels der StA nicht der des erkennenden Gerichts gleich. "Für das neue erkennende Gericht hat der Verweisungsbeschluß lediglich die Bedeutung eines Eröffnungsbeschlusses. Dieser gehört jedoch noch nicht zu den der Urteilsfällung vorausgehenden Beschlüssen des erkennenden Gerichts, weil er das Gericht, das später das Urteil fällt, erst zum erkennenden Gericht macht. § 305 gilt für den Eröffnungsbeschluß noch nicht, was schon die Existenz des § 210 StPO beweist." Letzteres entspricht der h. M.; nach der hier vertretenen Auffassung steht indessen der Eröffnungsbeschluß der Entscheidung des erkennenden Gerichts gleich (§§ 210 I, 336 S.I). 231 Die Bemerkung, es liege "noch" keine Entscheidung des erkennenden Gerichts vor (Kleinknecht GA 1959, 92), bedarf der Präzisierung. An sich macht die Eröffnung das Gericht, vor dem eröffnet wird, zum erkennenden, so daß alle zeitlich nachfolgenden Entscheidungen solche des erkennenden Gerichts sind. Daß der Beschluß nach § 270 III nicht einer des erkennenden Gerichts ist, ergibt sich aus der Gleichstellung des Verweisungs- und des Eröffnungsbeschlusses. Der Verweisungsbeschluß verlagert das Verfahren in die Eröffnungsphase zurück oder - wie es Bohnert ausdrückt (S. 41) -: Die Verweisung verlängert die Eröffnungszuständigkeit. Das gilt indessen nur für die Verweisung, nicht auch für ihre Ablehnung. 232 LR-Wendisch § 6 aTz. 22; LR-Gollwitzer § 270 Tz. 46; KK-Engelhardt § 270 Tz. 25; KK-Pfeiffer § 6 aTz. 12; Verweisung aufgrund fehlender funktioneller Zuständigkeit ist der bei mangelnder sachlicher Zuständigkeit gleichgestellt. 233 Bohnert, S. 40 f.: § 6 a habe deshalb für die Anfechtung des Urteils durch die StA keine Bedeutung, schränke vielmehr durch das Rügeerfordernis lediglich die Revision des Angeklagten ein.
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3. Entscheidungen über Befangenheit und Ausgeschlossenheit
a) Die Grundzüge
Die StPO unterscheidet Ausgeschlossenheit und Befangenheit VOn GerichtsperSonen. Erstere tritt kraft Gesetzes, letztere nicht ohne ein Gesuch nach §§ 24, 30, 31 ein. Die entsprechenden Revisionsvorschriften sind darauf abgestimmt: § 338 Nr. 2 spricht von der Ausschließung ,,kraft Gesetzes", die Zulässigkeit der Rüge nach § 338 Nr. 3 setzt rechtzeitige Ablehnung in der Tatsacheninstanz voraus. Für die Anbringung des Ablehnungsgesuchs stellt das Gesetz in den §§ 24 ff. ein besonderes Verfahren zur Verfügung. Daneben existiert für Fälle der Selbstablehnung das Verfahren des § 30. Die Rechtsmittelfähigkeit der im Ablehnungsverfahren getroffenen Erkenntnisse regelt § 28. Die Vorschrift gilt für Zwischen- und Hauptverfahren. 234 Eine stattgebende Entscheidung ist danach nicht anfechtbar (§ 28 I). Der gewährenden Wiedereinsetzung vergleichbar gibt sie ein Beispiel für Unanfechtbarkeit LS. VOn § 336 S. 2 (1. Alt.). Der Rechtsmittelausschluß umfaßt sowohl Beschwerde als auch Revision. Die stattgebende Entscheidung ist deshalb formell rechtskräftig. 235 Eine ablehnende Entscheidung, betrifft sie einen nichterkennenden Richter, kann mit sofortiger Beschwerde angegriffen werden. Wird diese nicht eingelegt oder bleibt sie erfolglos, tritt ebenfalls formelle Rechtskraft ein, was nach h.M. den Ausschluß der Revision nach sich zieht (§ 336 S. 2 (2. Alt.)).236 Nach diesseitiger Auffassung scheitert die Revision bereits an § 336 S. 1, da Entscheidungen aus dem Vor- und Zwischenverfahren als Vorentscheidungen nach § 336 S. 1 nicht in Betracht kommen. Wendet sich die Ablehnung gegen einen erkennenden Richter, kann der sie versagende Beschluß nach § 28 11 2 nur zusammen mit dem Urteil (durch Revision) angefochten werden. Das Revisionsverfahren folgt zwar im Fall des § 28 11 2 Beschwerdegrundsätzen, indessen wird die Revision damit nicht zur Beschwerde. 237 Die Entscheidung über die Ablehnung ist Vorentscheidung LS. des § 336. Ihre Fehlerhaftigkeit kann zur Aufhebung des Urteils führen. § 305 S. 1 ist auf Ablehnungsentscheidungen nicht anzuwenden, soweit sie in der Besetzung des § 27 erlassen werden, derartige Entscheidungen befinden zwar über die Ablehnung eines erkennenden Richters, stammen aber nicht vom erkennenden Gericht. Deshalb ist es folgerichtig, wenn das Gesetz in Gestalt des § 28 11 2 eine dem § 305 S. 1 entKK-Pfeiffer § 28 Tz. 1. Die Entscheidung BGH NStZ 1982, 291 (292), die die Besetzungsrüge durchgreifen läßt, weil sie den Ablehnungsantrag, durch den der (neue) Schöffe nachgerückt ist, für unbegründet hält, fällt aus dem Rahmen, dazu oben, 1. Teil VII. 4. b). 236 KK-Pfeiffer § 28 Tz. 7; LR-Wendisch § 28 Tz. 10. 237 Vgl. o. 1. Teil V. 4. 234
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
sprechende Bestimmung bereit hält,238 die die Rechtsmittelfähigkeit der (versagenden) Ablehnungsentscheidungen so regelt, als seien sie solche des erkennenden Gerichts, als Vorentscheidungen revisibel. Damit sind Entscheidungen über den erkennenden Richter, was ihre Rechtsmittelfähigkeit angeht, denen des erkennenden Gerichts gleichgestellt. Problematisch ist die Reichweite dieser Gleichstellung. Die h.M. wendet § 28 II 2 auch auf § 27 insofern an, als gegen die versagende Ablehnung, soweit sie den über die Ablehnung entscheidenden Richter betrifft, sofortige Beschwerde nicht statthaft sein soll. 239 Dies verträgt sich indessen schlecht mit der herrschend zu § 338 Nr. 3 geäußerten Ansicht, prozessuale Mängel der Ablehnungsentscheidung seien unerheblich, maßgeblich sei die sachliche Begründetheit des Ablehnungsgesuchs. 24o Sind prozessuale Mängel der Ablehnungsentscheidung bedeutungslos, kommt es, wie Sieg zutreffend bemerkt,241 auch nicht darauf an, ob an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ein Richter mitgewirkt hat, der seinerseits erfolglos abgelehnt war. Das Gesuch ist durch das Revisionsgericht stets auf seine sachliche Begründetheit zu prüfen. Die .. Ablehnung des über die Ablehnung entscheidenden Richters" ist mithin revisionsrechtlich nicht relevant. Sieg zieht daraus den Schluß, beide Auffassungen paßten nicht zusammen, sofortige Beschwerde gegen die versagende Ablehnung des nach § 27 berufenen Richters könne nicht aus § 28 II 2 verneint werden, wenn Fehler des Ablehnungsgesuchs in der Revision praktisch leerlaufen, die Entscheidung mit dem Urteil zusammen also gar nicht überprüft wird. Das Zusammenspiel der §§ 28 11 2, 338 Nr. 3 scheint in der Tat gestört zu sein, wie auch die Beschwerde nach § 305 S. 1 nicht versagt werden kann, wenn eine Entscheidung nicht zugleich Vorentscheidung i.S. des § 336 S. 1 ist. 238 Schuler; S. 62, bezeichnet § 28 II als Sonderfall des § 305. 239 OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 144 (mit weiteren Nachweisen); KleinknechtlMeyerGoßner § 28 Tz. 6; KK-Pfeiffer § 28 Tz. 3; LR-Wendisch § 28 Tz. 13; KG JR 1976,26; OLG Düsseldorf JMBINW 1976, 67; HK-Lemke § 28 Tz. 8. 240 So etwa in BGH 18, 200 (203): Die berechtigten Belange des Angeklagten würden nicht durch eine Entscheidung in unvorschriftsmäßiger Besetzung, sondern ..nur durch die sachliche Entscheidung über das Gesuch betroffen". Mit anderen Worten: Mag auch das Gericht in unvorschriftsmäßiger Besetzung entschieden haben, so genügt es doch, wenn nur das Ergebnis stimmt: .. maßgebend kann vielmehr nur sein, ob sachlich richtig entschieden worden ist; denn nur wenn die Besorgnis der Befangenheit tatsächlich vorhanden ist, wird das Interesse des Angeklagten an einem unparteiischen Spruch berührt"; ferner Kleinknechtl Meyer-Goßner § 338 Tz. 28; KK-Pikart § 338 Tz. 59; LR-Hanack § 338 Tz. 65; BGH 18, 200 (203) = NJW 1963,964 mit abI. Anm. Schaper NJW 1963, 1883; 21, 334 (338) = NJW 1968,710; BGH NStZ 1984, 230; 23, 200 = NJW 1970,478; 23, 265 = NJW 1970, 1558. Insbesondere soll es nicht auf fehlerhafte Besetzung (BGH 21,334 (338» des über die Ablehnung entscheidenden Gerichts ankommen, sondern die Rüge nach § 338 Nr. 3 soll mit Erfolg nur erhoben werden können, wenn das Gesuch sachlich begründet war (BGH 18,200 (204». Damit wird jeder prozessuale Mangel der Ablehnungsentscheidung revisionsrechtlich bedeutungslos. Anders noch RG 19, 332 (339); 49, 9 (12); Eb. Schmidt § 338 Tz. 18 und die oben zitierte Entscheidung KG JR 1976, 26: Auch wenn über das Gesuch der nicht zuständige Richter entschieden hat, ist es zu Unrecht verworfen; das KG spricht dies allerdings nur obiter aus, denn die im konkreten Fall eingelegte sofortige Beschwerde wurde als unzulässig verworfen; Sieg NJW 1978, 1962. 241 Sieg StV 1990,283.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
301
Tatsächlich entsteht das Problem nur deshalb, weil der BGH auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung zusammen mit dem Urteil Beschwerderecht anwendet. 242 Das schließt, obwohl dies in den einschlägigen Entscheidungen nicht ausdrücklich gesagt wird,243 die Anwendung des § 309 II ein, wonach das Beschwerdegericht "die in der Sache erforderliche Entscheidung" erläßt. Die Ablehnungsentscheidung wird also schon überprüft, jedoch muß das Revisionsgericht bei Anwendung des § 309 II in der Sache erkennen und darf nicht zurückverweisen. 244 , 245 Es übernimmt die Funktion des im Ablehnungsverfahren erkennenden (abgelehnten) Richters gleichsam selbst, indem es in der Sache entscheidet d. h. über die Ablehnung befindet. Damit wirkt sich zwar der im Ablehnungsverfahren vorgekommene Verfahrensverstoß nicht aus, indessen ist das Verfahren selbst überprüft. Die Kontrolle der versagenden Ablehnung im Rahmen des § 27 zusammen mit dem Urteil ist durchaus gewährleistet. Widerspruchsfrei kann also die (sofortige) Beschwerde nach § 28 II 2 versagt und gemäß § 338 Nr. 3 die Sachentscheidung zugelassen werden. 246
Die Anfechtung der versagenden Ablehnung ,,zusammen mit dem Urteil" durch Berufung ist wenig glücklich geregelt. Die Entwürfe lassen es an den notwendigen Vorarbeiten fehlen. Die Regelung des § 28 n 2 stammt aus dem Entwurf I, der Berufung nicht vorsah und der deshalb, wenn er von Anfechtung zusammen mit dem Urteil sprach, nur die Revision vor Augen hatte. Die (für die Revision typische) Urteilsaufhebung und ZUTÜckverweisung stand noch nie im Vordergrund des Berufungsverfahrens, die zweite Tatsacheninstanz behandelte schon immer in erster Linie die Sache und nicht das Verfahren der Vorinstanz. Nach Aufhebung des § 328 n a.F., mit Abschaffung der Verfahrensberufung, ist die ZUTÜckverweisung 242 Vgl. 1. Teil V. 4. 243 Am ehesten noch in BGH 23, 265 (266) = IR 1970, 467 mit Anm. Peters. 244 Die Zurückverweisungsmöglichkeit wird unterschiedlich beurteilt, auch vom BGH. Im Rahmen des § 309 wird Zurückverweisung grundsätzlich ausgeschlossen und auf "ganz eng begrenzte Ausnahmefa]le" (BGH NJW 1964, 2119) reduziert, vgl. KK-Engelhardt § 309 Tz. 7ff.; KleinknechtlMeyer-Goßner § 309 Tz. 7. - Soweit es sich hingegen um § 28 II 2 handelt, "darf' das Revisionsgericht die Ablehnungsgründe in tatsächlicher Hinsicht prüfen (BGH 23, 265 (266); 18, 200 (203». Nach BGH JR 1970, 268 (mit abI. Anm. Peters) ist das Revisionsgericht nicht "verpflichtet" zu prüfen, ob das Ablehnungsgesuch sachlich begründet ist. Die Entscheidung wird überwiegend kritisiert, weil die Zurückverweisung den Beschwerdegrundsätzen widerspreche (LR-Hanack § 338 Tz. 64 - anders übrigens LR-Wendisch § 28 Tz. 8: Zurückverweisung bei ungenügender Sachaufklärung durch den judex a quo). Darüber hinaus wird beanstandet, daß der BGH § 337 für einschlägig hält (KleinknechtIMeyer-Goßner § 338 Tz. 28), was allerdings auch von Sieg erwogen wird (StV 1990, 284). Jedenfalls scheint der BGH die Pflicht zur eigenen Sachentscheidung nach § 309 im Rahmen des § 28 II 2 weniger stringent zu sehen als die OLGe, z. B. KG StV 1986, 142; OLG Schleswig SchlHA 1985,120. 245 Inwieweit Beschwerdegrundsätze für die Revision gelten, ist strittig; vgl. auch die Kontroverse zwischen Eh. Schmidt § 338 Tz. 18 einerseits und Gage I Sarstedt seit der 3. Aufl. (S. 104, zu Anm. 546 und SarstedtlHamm Tz. 212 (S. 171, Fußn. 322» andererseits: Nur "Würdigung" (Sarstedt) oder auch ,,Ermittlung" der Tatsachen? 246 Eine andere - hier nicht interessierende - Frage ist es, ob § 338 Nr. 3 die Folgen der Befangenheit abschließend regelt (KleinknechtIMeyer-Goßner § 338 Tz. 28) oder ob zusätzlich - wie von BGH JR 1970,268 vorausgesetzt - § 337 in Betracht kommt, so auch Peters JR 1970,269; Sieg StV 1990,284.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
ganz aus dem Berufungsverfahren verschwunden, so daß eine Anfechtung der Ablehnungsentscheidung durch Berufung jeden Sinn verloren hat. 247 b) Rechtskrafterwägungen
Gegen die versagende Ablehnung ist alternativ sofortige Beschwerde (§ 28 11 1) oder Revision (§§ 28 11 2, 338 Nr. 3) statthaft. § 28 11 1 betrifft die Entscheidung des nichterkennenden, § 28 11 2 die des erkennenden Richters. Zwischen den beschwerdefähigen und den revisiblen Entscheidungen liegt die Zäsur der Eröffnung, vor ihr erlassene stehen nicht im Beruhenszusammenhang mit dem Urteil und sind demzufolge nicht der Revision, wohl aber der Beschwerde (im Fall versagender Ablehnung der fristgebundenen) zugänglich. § 28 11 1 eröffnet kein Rechtsmittel sui generis, trifft lediglich eine Spezialregelung zu § 304 I; das Rechtsmittel ist also (sofortige) Prozeßbeschwerde. Diese Zusammenhänge werden herkömmlich anders gesehen. Nicht das Fehlen des Beruhenszusammenhangs, die Rechtskraft der Entscheidungen aus dem Vorverfahren soll angeblich die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 3 gegen die versagende Ablehnung des nichterkennenden Richters verwehren. 248 Das in diesem Zusammenhang dokumentierte Entscheidungsmaterial ist diffus. RG 7, 175, womit der Reigen der Zitate eröffnet zu werden pflegt, stellt zunächst einmal die - heute in Zweifel gezogene - Korrespondenz zwischen § 28 11 2 und § 338 Nr. 3 heraus und ist offensichtlich weit davon entfernt, § 28 11 2 als einen Fall der Beschwerde anzusehen: "Mit der Vorschrift des § 28 Abs. 2 korrespondiert die des § 377 Nr. 3 über die Revision aus dem Grunde zu Unrecht erfolgter Verwerfung des Ablehnungsgesuches; sie" - die Revision - "soll einen Ersatz für die versagte sofortige Beschwerde gewähren. ,,249
Und: "Zwar unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichtes auch diejenigen Entscheidungen, weiche dem Urteile vorausgegangen sind, sofern dasselbe auf ihnen beruht (§ 375 StPO)," - heute § 336 - "und beschränkt sich diese Vorschrift nicht grundSätzlich auf die in der Hauptverhandlung verkündeten Entscheidungen. 25o Insbesondere findet die Revision" - und nicht, wie heute angenommen wird, die Beschwerde - "gegen das Urteil auch wegen der Verwerfung eines Ablehnungs gesuches dann statt, wenn das Gesuch einen erkennenden Richter betraf, nämlich einen derjenigen Richter, die von Eröffnung des Hauptverfahrens an mit der Sache befaßt sind ... " 247 Krey I Tz. 321; KleinknechtlMeyer-Goßner § 28 Tz. 9; anders KK-Pfeiffer § 28 Tz. 5; AK-Wassermann § 28 Tz. 6. 248 LR-Wendisch § 28 Tz. 10; KK-Pfeiffer § 28 Tz. 7. 249 RG7, 175 (176). 250 Das ist richtig, da die anderslautende Fassung des Entwurfs III geändert wurde, vgI. o. 1. Teil I. 2.; LR-Wendisch § 28 Tz. 18: Die Zulassung der sofortigen Beschwerde bis zum Zeitpunkt des § 25 wäre de lege ferenda zu erwägen.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Über Rechtskraft ist bei RG 7, 175 nichts zu lesen. Das Urteil ordnet lediglich die vor Eröffnung ergangenen Entscheidungen der Beschwerde und die danach erlassenen der Revision zu: "Über die angegebene Grenze hinaus" - gemeint ist die Eröffnung - "ist dagegen nicht die Revision, sondern die sofortige Beschwerde das ... zugelassene Rechtsmittel". 251
BGH NJW 1952, 234252 nimmt diese Gedanken auf, fügt jedoch die Wendung hinzu: "Damit war das Ablehnungsgesuch endgültig erledigt."
Diese Feststellung ist ebenso überflüssig wie irreführend: Überflüssig, weil durch den Hinweis, §§ 336, 338 Nr. 3 beträfen nur Entscheidungen nach Eröffnung, alles Notwendige gesagt ist; irreführend, weil dieser Zusatz darauf hindeutet, die Entscheidung sei zum einen "endgültig", und zum anderen sei das Gesuch "erledigt". Richtig hieran ist, daß die Verwerfung der Ablehnung aus dem Vorverfahren nicht mehr angegriffen werden kann, und zwar de facto, weil sie durch die neue Prozeßrechtslage, geschaffen durch die Eröffnung, überholt ist. Sie ist aber damit nicht "endgültig", sondern eben nur "erledigt". Als prozeßrechtlicher Begriff macht die Wendung von der endgültigen Erledigung ohnehin keinen Sinn. Ist ein Streit erledigt, bedarf es, um dieses Stadium zu kennzeichnen, nicht des Zusatzes "endgültig". So verstanden enthielte die Wendung einen Pleonasmus. Sollte die Betonung der Endgültigkeit einen - wenn auch nebelhaften - Hinweis auf die Rechtskraft enthalten, wäre die Aussage widersprüchlich, denn was erledigt ist, ist damit nicht rechtskräftig. 253 Rechtskräftig kann nur der Ausspruch werden, daß erledigt ist,254 und zwar der (Rechts-)Streit. Auf das Ablehnungsgesuch im Strafprozeß übertragen bedeutet dies: Nicht die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs ist "endgültig" i.S. von ,,rechtskräftig", erledigt ist vielmehr der Streit um die AblehEbenso RG 22, 135. Die in diesem Zusammenhang gern zitierte Entscheidung OLG Schleswig SchlHA 1982, 31 wiederholt lediglich obiter die Ausführungen von BGH NJW 1952, 234, besagt aber, weil es sich um eine Beschwerdeentscheidung handelt, nichts darüber, ob die Ablehnung mit der Revision angefochten werden kann. 253 Aus dem Zivilprozeß ist dies geläufig: Erledigend ist eine Tatsache, die eine ursprünglich zulässige und begründete Klage gegenstandslos (unzulässig oder unbegründet) macht, vgl. Zöller/Vollkommer § 91 aTz. 3. Die negative Feststellungsklage, gerichtet darauf, die Forderung des Beklagten gegen den Kläger bestehe nicht, erledigt sich, indem der Beklagte nun seinerseits gegen den Kläger Zahlungsklage erhebt; die bis dahin zulässige negative Feststellungsklage würde, sollte sie trotz der Zahlungsklage des Gegners weiter betrieben werden, unzulässig; oder Erledigung im Bereich der Begründetheit: Der Schuldner zahlt, wodurch dem materiellen Anspruch wegen § 362 I BGB die Grundlage entzogen wird und die etwa weiter betriebene Zahlungsklage unbegründet wäre. 254 Vgl. Zöller/Vollkommer § 91 aTz. 46ff. Beispielsweise: Der Kläger erklärt für erledigt, der Beklagte beantragt weiterhin Klageabweisung, weil er die Klage von Anfang an für unbegründet hält. Rechtskraftfähig ist in diesem Fall die Erledigung (Obsiegen des Klägers) oder die Klagabweisung (Obsiegen des Beklagten). 251
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
nung - weil es bei der neuen Prozeßlage (nach Eröffnung) hierauf nicht mehr ankommt. Ob das Ablehnungsgesuch zu Recht verworfen wurde, kann nun nicht mehr überpruft werden, was aber eben nicht heißt, die Verwerfung sei "endgültig" - etwa im Sinne von ,,rechtskräftig". BGH NJW 1962, 260 (261) bringt die apodiktische Formulierung von dem im Vorverfahren ergangenen und deshalb "längst rechtskräftigen Ablehnungsbeschluß". Seither hat sich die ,,Rechtskraft" der verwerfenden Ablehnung aus dem Vorverfahren in den Kommentaren eingenistet. Anders als bei der Befangenheitsruge nach § 338 Nr. 3 soll demgegenüber die Rüge aus § 338 Nr. 2 "niemals ausgeschlossen" sein. 255 Ob dies stimmt, ist fraglich, denn die Rüge des § 338 Nr. 2 wird, wie die Befangenheitsruge, präkludiert, wenn sie sich auf einen nichterkennenden Richter bezieht. Dieser wirkt nicht, wie es § 338 Nr. 2, 3 voraussetzen, "bei dem Urteil" mit, wobei diese Wendung nur die spezielle auf § 338 Nr. 2, 3 zugeschnittene Umschreibung für den allgemeinen Beruhenszusammenhang darstellt. Daß bei rein kausalitätsbezogener Betrachtung ein Beruhen möglich ist, ändert nichts daran, daß das Ausgeschlossensein des nichterkennenden Richters mit dem Urteil nicht im Zusammenhang steht, denn der Wille des Gesetzes legt die Zäsur bei der Eröffnung an; diese ist die "Wasserscheide" zwischen den Zuständigkeitsbereichen Beschwerde und Revision. Deshalb ist der Ausschließungsgrund aus dem Vorverfahren der Revision nicht zugänglich. Wie die h.M. zur Wiederholung des Ablehnungsgesuchs aus dem Vorverfahren steht, wird nicht deutlich. Es geht um folgenden Fall: Der bis dahin nichterkennende Richter wird kraft Eröffnung nunmehr zum erkennenden. Im Vorverfahren hat der Beschuldigte bereits - erfolglos - ein Ablehnungsgesuch gestellt. Einigkeit besteht darüber, daß die Ablehnungsentscheidung aus dem Vorverfahren - gleichgültig, ob von der sofortigen Beschwerde Gebrauch gemacht wurde oder nicht - jedenfalls nicht mit der Revisionsruge angefochten werden kann. 256 Die Frage der Wiederholbarkeit des Ablehnungsgesuchs wird nirgends ausdrucklich erörtert. Folgt man dem Rechtskraftgedanken, so steht mit der Zuruckweisung des Ablehnungsgesuchs aus dem Vorverfahren fest, daß dieser bestimmte Richter nicht befangen ist. Dieser Spruch müßte nach h.M. in Rechtskraft erwachsen - was immer darunter zu verstehen ist - und könnte demzufolge nicht erneut zur Überprufung gestellt werden. Ein neues Ablehnungsgesuch, gestützt auf die früheren Grunde, wäre unzulässig. Eine Formulierung aus der Entscheidung BGH NJW 1952, 234 gibt Anlaß zu Zweifeln, ob die h.M. die Folgerungen aus dem Rechtskraftargument so konsequent wie beschrieben durchführt. Hier handelte es sich um ein erfolgloses Ablehnungsgesuch aus dem Vorverfahren, wobei sofortige Beschwerde nicht eingelegt worden war?57 Der BGH sieht sich zu dem Hinweis veranlaßt, "ein weiteres So z. B. LR-Wendisch § 28 Tz. 10; KK-Pfeiffer § 28 Tz. 9. LR-Wendisch § 28 Tz. 10; KK-Pfeiffer § 28 Tz. 2 und 6; KleinknechtlMeyer-Goßner § 28 Tz. 4 am Ende; AK-Wassermann § 28 Tz. 3. 257 BGH NJW 1952,234. 255 256
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Ablehnungsgesuch hatte der Angeklagte nicht vorgebracht". Daß dies für erwähnenswert gehalten wird, könnte darauf hindeuten, der BGH hätte, wäre nach Eröffnung das Ablehnungsgesuch mit denselben Gründen erneut angebracht worden, hierüber nochmals sachlich entschieden. Dies entspräche der in dieser Untersuchung vertretenen Ansicht, nicht aber der These der h. M. von der Rechtskraft der Entscheidungen aus dem Vorverfahren, weil Rechtskraft der früheren Entscheidung eine erneute sachliche Bescheidung des auf die gleichen Gründe gestützten Ablehnungsgesuchs nicht zuließe. Nach hier vertretener Auffassung ist eine verwerfende Ablehnungsentscheidung zum nichterkennenden Richter zwar formell, nicht materiell rechtskräftig, mithin ohne ,,Fernwirkung" für das Hauptverfahren. Formelle Rechtskraft trat im Vorbzw. Zwischenverfahren ein, weil die Beschwerde befristet und nach Verstreichen der Frist bzw. erfolglos gebliebener Beschwerde ein weiteres Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung nicht zulässig ist. Mit ,,Fernwirkung" (materieller Rechtskraft) ist indessen nichts entschieden, bei neuer Rechtslage - also nach Eröffnung - kann der Antrag mit gleichen Gründen wiederholt und muß alsdann neu beschieden werden. c) Entscheidungen nach § 30
Auch ohne Rüge eines Prozeßbeteiligten befindet das Gericht gemäß § 30 über Ablehnung bzw. Ausschließung, wenn der Ablehnungsgrund angezeigt wird bzw. die Ausgeschlossenheit möglich erscheint. 258 Es handelt sich um ein Verfahren ohne Antragsteller, was manche zu der Annahme veranIaßt, Erkenntnisse nach § 30 seien als bloße Gerichtsinterna unanfechtbar?59 Dennoch soll ihnen gleiche Legitimationswirkung wie Entscheidungen nach § 25 zukommen. Die Gründe für Ausschluß bzw. Ablehnung des ausscheidenden Richters sollen nicht reziprok zum Angriff auf die Gesetzlichkeit des neu eintretenden vorgebracht werden dürfen. 26O Ein bloßes Gerichtsinternum könnte indessen dem neu eintretenden Richter keine Legitimation verschaffen. Gesetzlich ist nur der Richter, den das Verfahrensrecht bestimmt. 261 Wegen der Rechtsfolge ,Legitimationswirkung' muß der EntZum folgenden vgl. Bohnert, S. 81 ff. (86ff.). KMR-Paulus § 30 Tz. 6; KK-Pfeiffer § 30 Tz. 7; LR-Wendisch § 30 Tz. 4 u. 28; BGH 3,68 (69); dagegen Bohnert, S. 87; Pentz JR 1967, 85 (87); Egon Schneider JR 1977, 270ff. (die beiden letzten zu § 48 ZPO); HK-Lemke § 28 Tz. 11 (aus keiner Richtung mit sofortiger Beschwerde anfechtbar). 260 Der ausgeschlossene steht einem mit Erfolg abgelehnten Richter gleich (LR-Wendisch § 30 Tz. 27). 261 Vgl. Arzt JR 1974, 76: Die Selbstablehnung berührt wegen ihrer Auswirkung auf den gesetzlichen Richter auch den Rechtskreis der Verfahrensbeteiligten. Auch für die Rechtsprechung sollte sich die Klassifizierung der Entscheidung nach § 30 als bloßes Internum durch BGH JR 1974,73 (74) überholt haben; denn hier spricht der BGH deutlich aus, daß dieses 258
259
20 Weidemann
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
scheidung nach § 30 Rechts- d. h. Außenwirkung beigelegt werden. 262 Das bedingt zweierlei. Über die Selbstablehnung bzw. Ausschließung muß in einem Verfahren entschieden werden, das die Qualifikation des Rechtlichen verdient. Es hat nach der Prozeßordnung (und nicht nach "gerichtsinternen Regeln") abzulaufen, was zwingend auch das rechtliche Gehör gebietet. 263 Gleichzeitig muß das Verfahren materiell-rechtlich fehlerfrei sein, weil andernfalls der Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt würde. 264 Entscheidungen zur Selbstablehnung dürfen nicht mehr und nicht minder beschwerdefähig als die zur Fremdablehnung nach §§ 24 ff. sein. Dies leitet zu der Frage über, wie Gleichstellung beider Entscheidungsarten im Rechtsmittel zu verwirklichen ist. Beide betreffen denselben Gegenstand,265 so daß mit Zulassung der Beschwerde gegen die eine wie auch die andere Konkurrenzprobleme entstehen. Wird etwa gegen eine erfolglose Ablehnung nach § 30 die (sofortige?) Beschwerde eingeräumt, könnte unter Umständen bei deren Erfolglosigkeit der Beschwerdeführer266 darüber hinaus nach § 24 vorgehen - mit daraus resultierender Möglichkeit der (sofortigen) Beschwerde im Zwischen- bzw. Revision im Hauptverfahren. Denkbar wäre, das Verfahren des § 30 als Inzidentverfahren (echtes Zwischenverfahren außerhalb der Instanz) zu behandeln, um die in ihm ergehenden Entscheidungen der Beschwerde zu sperren, so daß auf diese Weise Doppelgleisigkeit des Rechtswegs und damit einhergehende Reibungsverluste vermieden werden. Ein Herauslösen des Selbstablehnungsverfahrens aus der Instanz ist indessen nicht notwendig. Stattdessen kann die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß Verfahren des § 30 den gleichen Gegenstand wie solche nach §§ 24 ff. haben, wie folgt gezogen werden: Auf welchem Weg über Ausschließung oder Ablehnung entschieden wird, ob im Verfahren nach §§ 24 ff. oder nach § 30, ist für das Rechtsmittel gleichgültig. Bedeutsam ist allein der Gegenstand des Erkenntnisses. Auf die Entscheidung nach § 30 ist deshalb § 28 analog anzuwenden,267 d. h. die stattgebende Verfahren auch der Bestimmung des gesetzlichen Richters diene. Durch ein bloßes "Internum" aber kann eine solche wohl kaum getroffen werden! 262 So mit Recht Bohnert, S. 87. 263 LR-Wendisch § 30 Tz. 5 (obwohl andererseits, Tz. 4, lediglich gerichtsinternes Verfahren angenommen wird); KMR-Paulus § 30 Tz. 6; AK-Wassermann § 30 Tz. 4; anders KKPfeiffer § 30 Tz. 6. 264 Dabei ergibt sich die Frage, bei welcher Intensität des Fehlers dieser Anspruch verletzt ist. 265 Bohnert, S. 88. 266 Ein Beschwerderecht des Richters wird herrschend abgelehnt (LR-Wendisch § 30 Tz. 20; OLG Köln AlsbergE 1, 73; OLG Breslau GA Bd 51 (1904), 68 (Beschluß vom 29. August 1901); OLG Schleswig SchlHA 1953,69; OLG Celle NdsRpfl 1966, 118; anders Teplitzky JuS 1969, 318 ff. (S. 325, Fußn. 109» . 267 Bohnert, S. 88; RG 30, 123 (124); 67, 276 (277); BGH GA 1962,338 (alle ohne Rückgriff auf die Kategorisierung als Gerichtsinternum).
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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ist unanfechtbar (§ 28 I), die ablehnende anfechtbar (§ 28 11), im Zwischenverfahren durch sofortige Beschwerde, im Hauptverfahren zusammen mit dem Urteil durch Revision. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt, daß der Beschluß den Prozeßbeteiligten auch bekanntzugeben ist. 268 Damit wird die Beschwerdefrist des § 28 11 1 in Lauf gesetzt. Wird im Zwischenverfahren die begehrte Ablehnung durch einen formell rechtskräftigen Beschluß nach § 30 verworfen, ist ein anschließender auf gleiche Gründe gestützter Antrag nach §§ 24 ff. im Zwischenverfahren unzulässig, das ergaben die im ersten Teil angestellten Erwägungen. 269 Fernwirkung entfaltet die Entscheidung freilich nicht, so daß im Hauptverfahren der Antrag wiederholt werden könnte, die daraufhin ergehende ablehnende Entscheidung zusammen mit dem Urteil durch Revision angefochten werden kann. Die mit der Eröffnung eingetretene neue Prozeßlage verleiht die Möglichkeit, die Ablehnungsrüge neu zu erheben. Materiell ist aus dem früheren Verfahrensstadium nichts in Rechtskraft erwachsen. Wenn damit die Selbstablehnung nach § 30 hinsichtlich ihrer Rechtsmittelfähigkeit der Fremdablehnung gleichgestellt wird, ist nur die notwendige Konsequenz aus der Identität des Entscheidungsgegenstandes270 gezogen. d) Zwei Verfahrenswege für die Ausschließung?
Ausgeschlossenheit und Befangenheit unterscheiden sich nach herkömmlicher Ansicht durch das Erfordernis der Rüge; Ausschließung tritt kraft Gesetzes ein, Ablehnung wegen Befangenheit muß - innerhalb der Fristen des § 25 - ausdrücklich geltend gemacht werden. Eine Rüge mit dem Ziel der Ausschließung ist zwar zulässig, jedoch nicht vonnöten. Aus dieser Konstellation schließt Bohnert nun, das Gesetz stelle dem Prozeßbeteiligten, der die Ausschließung einer Gerichtsperson erreichen will, zwei Wege zur Verfügung, das Verfahren nach § 24 I mit der daraus resultierenden Beschwerde nach § 28 11 1 bzw. der "Revisionsbeschwerde" des § 28 11 2 sowie die Revisionsrüge aus § 338 Nr. 2, der eine Anregung zur Ausschließung vorangehen darf, aber nicht muß. 271 Rügeverfahren (§§ 24 I, 28) und Revisionsverfahren (§ 338 Nr. 2) sind indessen keine gesonderten Verfahrensarten, wie Bohnert meint. Ob sich der Prozeßbeteiligte zu einem Antrag nach § 24 I entschließt, ob er sich auf eine Anregung (etwa nach § 30) zurückzieht oder - zunächst - überhaupt nichts tut und die Ausgeschlossenheit lediglich nach § 338 Nr. 2 rügt, das Rechtsmittel bleibt Selbst falls er nur Gerichtsinternum ist, LR- Wendisch § 30 Tz. 18. Vgl. O. 1. Teil VII.: Es besteht Bindung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens. Der Antrag könnte sachlich nicht neu beschieden werden. 270 Bohnert, S. 88. 271 Bohnert, S. 84. 268
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
bezüglich des erkennenden Richters doch immer Revision (§ 28 11 2). Allerdings muß das Revisionsgericht - wie bei jeder Verfahrensrevision - in der Lage sein, die der Rüge zugrundeliegenden (Verfahrens-)Tatsachen zu ermitteln. Man mag dies - verkürzend - als Anwendung der Beschwerdegrundsätze bezeichnen. Diese Umschreibung trifft im Kern das Richtige, sofern klar bleibt, daß dadurch die Revision nicht zur Beschwerde wird, denn letztlich muß jede Verfahrerrsrevision die einen Fehler begründenden Tatsachen feststellen. Das gilt sowohl für das Antragsverfahren nach §§ 24 I, 28, 338 Nr. 2 als auch für die Revision nach § 338 Nr. 2, der ein gesonderter Antrag gemäß § 24 I nicht vorausgegangen ist. e) Zusammenfassung Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Ausgeschlossenheit und Befangenheit sind in §§ 22, 23 bzw. § 24 differenzierend geregelt. Damit korrespondieren die Revisionsbestimmungen des § 338 Nr. 2 bzw. Nr. 3. Wegen der materiellrechtlichen Unterschiede sieht das Gesetz zwei Verfahrenswege vor, die sich gleichermaßen auf Ausgeschlossenheit und Befangenheit beziehen: Zum einen die Fremdablehnung nach § 24 I, zum anderen das Amtsverfahren gemäß § 30, das die Selbstablehnung umfaßt. Die Verfahren sind ihrem Streitgegenstand nach im wesentlichen identisch. Der ausgeschlossene wie auch der befangene Richter können abgelehnt werden (§ 24 I) bzw. sich selbst ablehnen (§ 30). Der einzige verfahrensrechtliche Unterschied liegt darin, daß es bei der Ausschließung eines gesonderten Antragsverfahrens nach § 24 I nicht bedarf. Was das Verhältnis zwischen Fremd- und Selbstablehnung angeht, so präkludiert immer dasjenige, in dem zuerst entschieden wird, das andere. Eine Entscheidung nach §§ 24 ff. schließt ein auf gleiche Gründe gestütztes Verfahren nach § 30 aus und umgekehrt. Nicht rechtsmittelfähig ist indessen die Entscheidung des betroffenen Richters, bestimmte Gründe (nicht) anzuzeigen. Das folgt aus den eingangs angestellten Überlegungen, die zur Herauslösung der Vorlageverfahren aus der Instanz geführt haben. Der Spruch über die "Anzeigepflicht" des Richters würde nämlich den über den Grund selbst präjudizieren, so daß die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen bestünde, wenn schon die Verpflichtung zur Anzeige durch ein Rechtsmittel überprüft wird. 4. Entscheidungen über die Wiedereinsetzung
a) Die Grundzüge Die Anfechtbarkeit der Wiedereinsetzungsentscheidungen wird in § 46 dem § 28 ähnlich geregelt: 272 Die gewährende Wiedereinsetzung ist unanfechtbar;273 die versagende unterliegt sofortiger Beschwerde. 272
Vgl. o. zu 3.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
309
Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision wird für die Gewährung der Wiedereinsetzung durch § 46 11 verhindert, diese Entscheidung ist auch nicht mit Revision des von der Wiedereinsetzung beschwerten anderen Prozeßbeteiligten angreifbar. 274 Versagt das erkennende Gericht die Wiedereinsetzung, tritt auch dann die (sofortige) Beschwerde nicht in Konkurrenz zur Revision, denn das Verfahren ist beendet, wenn die sofortige Beschwerde erfolglos bleibt. Revision entfällt, weil es zum Erlaß eines Urteils gar nicht erst kommt. Hat die sofortige Beschwerde Erfolg und wird Wiedereinsetzung gewährt, ist diese Beschwerdeentscheidung nach § 46 11 unanfechtbar, so daß auch insofern Beschwerde und Revision nicht konkurrieren.
b) Zusammentreffen von Ablehnung wegen Befangenheit und Wiedereinsetzung
Nach Verwerfung der Berufung ist das Gericht nicht mehr das erkennende. Beantragt der Berufungsführer Wiedereinsetzung gegen die Verwerfung der Berufung und lehnt er gleichzeitig einen Richter als befangen ab, so ist die Versagung der Ablehnung beschwerdefähig. § 28 11 2 steht nicht entgegen; eine Anfechtung der Entscheidung "zusammen mit dem Urteil" kommt nicht in Betracht, denn ein Urteil, mit dem gemeinsame Anfechtung denkbar wäre, ergeht nicht. Es ergibt sich eine ähnliche Konstellation wie in der Berufungsinstanz vor dem Jugendgericht. Für den Berufungsführer sind Beschlüsse der erkennenden Jugendkammer i.S. des § 304 I beschwerdefähig. § 305 S. 1 hindert dies nicht, weil diese Beschlüsse für den Berufungsführer nicht (als Vorentscheidungen) revisibe1 sind (§ 55 11 JGG).275 5. Entscheidungen über den Verfahrensgang: Aussetzung, Unterbrechung, Terminierung
a) Die Grundzüge
Den Verfahrens gang bestimmen sowohl Entscheidungen des Gerichts als auch Verfügungen des Vorsitzenden. § 305 S. 1 erfaßt nach h.M. auch letztere. 276 Das Beschwerderecht gegen sie kann zudem durch § 238 11 eingeschränkt sein. Bei Verfügungen in der Hauptverhandlung überschneiden sich beide Gruppierungen. Hier kann Beschwerde sowohl nach §§ 305 S. 1, 336 S. 1 als auch nach § 238 11 273 Wie die durch das Gericht gewährte Wiedereinsetzung ist die durch den GenStA im Rahmen des § 172 II 1 gewährte unanfechtbar, so daß auch das OLG im Klageerzwingungsverfahren hieran gebunden ist, vgl. BischoffNIW 1986, 2098. 274 So richtig OLG München OLGSt § 28 Nr. 1 gegen OLG Frankfurt OLGSt § 28 S. 5. 275 OLG Hamm NStE Nr. 1 zu § 305 StPO; vgl. o. 1. Teil VIII. 1. 276 Vgl. o. 4. Teil I. 2.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
versagt sein. Dabei ist der Beschwerdeausschluß aus § 238 11 logisch vorrangig, wenn das Beanstandungsverfahren als spezieller Rechtsbehelf angesehen wird. Nach hier vertretener Auffassung stellt § 238 11 einen Rechtsbehelf bereit, der die Beschwerde nicht nur gegen die Anordnungen des Vorsitzenden, sondern auch gegen die auf die Anrufung nach § 238 11 ergangene Gerichtsentscheidung ausschließt. 277 aa) Die Befugnisse des Vorsitzenden Der Vorsitzende ist zur Anordnung kürzerer Unterbrechungen (bis zur Höchstgrenze von 10 Tagen, §§ 228 I 2, 229 I) und zur Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung (§ 213) befugt. Über Unterbrechungen und Vertagungen entscheidet er typischerweise innerhalb, über Erstterminierungen außerhalb der Hauptverhandlung. § 238 11 ist auf Anordnungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht anzuwenden?78 In der Hauptverhandlung ergangene Anordnungen werden sämtlich von § 238 11 erfaßt - ohne Rücksicht auf Beruhenseignung. Für die Anfechtbarkeit besteht kein Unterschied zwischen Sach- und Verhandlungsleitung. 279 § 238 11 ist der Revision für den Beruhensbereich (§§ 305 S. 1, 336 S. 1), nicht aber der Beschwerde (§ 304 I) vorgeschaltet, schließt vielmehr letztere aus?80 Die Frage der Einschränkung des § 304 I durch § 305 S. 1 stellt sich mithin für Anordnungen und Verfügungen des Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung.
bb) Die Wirkungen von Unterbrechung, Aussetzung, Terminierung Unterbrechung und Aussetzung trennt ein Zeitmoment. Werden die Fristen des § 229 I, 11 nicht überschritten, ist die Verhandlung lediglich unterbrochen, bei Fristüberschreitung ausgesetzt. In den Rechtsfolgen weichen Aussetzung und Unterbrechung durch die bei ersterer gebotene Neuverhandlung voneinander ab. Dabei kommt es für ihre Charakterisierung nicht auf die Bezeichnung des anordnenden Beschlusses, sondern allein auf diese Dauer an. 281 Aussetzung und Unterbrechung unterscheiden sich nicht wesensmäßig, sondern graduell. Ihre Wirkungsweise ist identisch: Sie brechen die Hauptverhandlung ab und verhindern sie für 4. Teil I. 2. Obwohl das Gesetz im Wortlaut eindeutig ist, wurde durch KMR (bis zur 6. Aufl.) - Sax § 213 Anm. 3 (am Ende) die Auffassung vertreten, § 23811 sei auch auf außerhalb der Hauptverhandlung erlassene Anordnungen anzuwenden. Diese Ansicht ist aufgegeben durch KMR-Paulus vor § 213 Tz. 26. 279 V gl. o. 4. Teil I. 2. 280 V gl. o. 4. Teil I. 2. 281 KK-Treier § 228 Tz. 1; LR-Gollwitzer § 228 Tz. 1; KMR-Paulus § 228 Tz. 2; RG 58, 357 (358); BGH NJW 1982, 248; Schlüchter Tz. 438 (S. 443). 277 278
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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eine gewisse Zeit, deren Dauer die Rechtsfolge (Weiterverhandeln bzw. Wiederholung) bestimmt. Beide wirken "negativ" auf die Hauptverhandlung ein, wogegen Ablehnung der Aussetzung bzw. der Unterbrechung die Hauptverhandlung "positiv" fördern: Der Abbruch unterbleibt, die Hauptverhandlung wird fortgeführt. Entsprechendes gilt - mit umgekehrtem Vorzeichen - für die Terminierung. Sie bestimmt Ort und Zeit der Hauptverhandlung, setzt diese also - positiv - in Gang. Thr Gegenstück, die Ablehnung der Terminierung, verzögert sie. Verlegung der Hauptverhandlung schiebt - negativ - diese hinaus; die Verlegungsablehnung läßt der Hauptverhandlung - positiv wirkend - ihren Lauf. Aussetzung, Unterbrechung, Ablehnung der Terminierung, Terminsverlegung einerseits, Ablehnung der Aussetzung, der Unterbrechung, der Terminsverlegung und die Terminierung andererseits entsprechen sich somit in der Konsequenz. Diese jeweils identischen Wirkungen wurden früher zum Teil anders gesehen. So hieß es etwa bei Gollwitzer: "Die Verfügung des Vorsitzenden, durch die ein Termin anberaumt, verlegt oder durch die eine Terminsverlegung abgelehnt wird, ist mit der Beschwerde anfechtbar. ,,282, 283
Andererseits sollte die Anordnung einer Unterbrechung weder beschwerdefähig noch über § 238 11 angreifbar sein?84 Beides läßt sich angesichts der in all diesen Situationen gleichartig negativen Wirkung auf die Hauptverhandlung nur schwer miteinander vereinbaren. Ist eine dieser Anordnungen nicht beschwerdefähig, dann sollte es ebensowenig die andere sein und umgekehrt. 285 Die Schwierigkeit, für die vorerwähnten Verfahrensvorgänge zu einer zumindest in sich stimmigen Lösung zu gelangen, rührt aus der Kombination zweier Gesichtspunkte, der ,,Parallelität" der Wirkung und der Reichweite des § 238 11. So mag es nicht folgerichtig erscheinen, die Beschwerdefähigkeit der Terminierung zu bejahen, die der Aussetzungsablehnung zu verneinen; beider Funktion in Bezug auf die Hauptverhandlung ist wesensgleich, also sollte ihre Beschwerdefähigkeit auch gleichmäßig gehandhabt werden. Kompliziert wird es bei Entscheidungen 282 LR 22-Gollwitzer § 213 Anm. 3 im Anschluß an Peters, S. 389 (2. Aufl., der sich aber für § 305 dort nicht festlegt); im Anschluß hieran wiederum OLG Hamm MDR 1975, 245. 283 Vgl. auch Eb. Schmidt § 213 Tz. 2: ,,Eine Beschwerde gegen die Terminsfestsetzung verbietet sich, auch ohne daß ein konstruktiver Rückgriff auf § 305 StPO ... nötig wäre"; warum dies so ist, bleibt offen. 284 LR 22-Gollwitzer § 228 Anm. 8 a. 285 Vgl. im übrigen LR-Gollwitzer; einerseits § 213 Tz. 16 (Terminierung und Ablehnung begrenzt anfechtbar), andererseits § 228 Tz. 29 und 30 (Aussetzungsablehnung nicht anfechtbar, Anordnung der Aussetzung begrenzt anfechtbar); zur Unterbrechung wird an der Auffassung, die zwischen Sach- und Verhandlungsleitung unterscheidet und demzufolge die im Verfahren nach § 238 11 ergangenen Entscheidungen allesamt dem § 305 S. I unterwirft, festgehalten, LR-Gollwitzer § 228 Tz. 27 und 28.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
des Vorsitzenden, die auch innerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, so daß für sie § 238 11 gelten kann. Nach der überkommenen Auffassung, § 238 11 berühre stets den revisiblen Bereich, liegt damit automatisch die Rechtsfolge des § 305 S. 1 auf der Hand. Ist die Entscheidung revisibel, kann sie nicht zugleich beschwerdefähig sein, denn gerade infolge ihrer Revisibilität wird sie durch § 305 S. 1 vom allgemeinen Grundsatz des § 304 I ausgenommen. Wer also zwischen Verhandlungs- und Sachleitung unterscheidet, wird auf Entscheidungen aus dem Verfahren nach § 238 11 stets § 305 S. 1 anwenden, sie der Revision zuordnen, der Beschwerde entziehen müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist Beschwerde sowohl gegen Anordnungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung als auch gegen die auf Gerichtsanrufung hin ergangenen Entscheidungen ausgeschlossen. Betrifft § 238 11 nur den revisiblen Bereich, muß geklärt werden, wie es dann mit nur die Verhandlungsleitung betreffenden Entscheidungen bestellt ist. Wird im Rahmen des § 238 11, wie bisher üblich, zwischen Sach- und Verhandlungsleitung differenziert, müßte ein Teilbereich von in der Hauptverhandlung erlassenen Anordnungen übrigbleiben, gegen die nicht das erkennende Gericht angerufen werden muß und die demzufolge nach § 304 I direkt der Beschwerde zugänglich sind. Diese Untersuchung unterscheidet zu § 238 11 nicht zwischen Verhandlungsund Sach1eitung und wendet die Vorschrift sowohl auf den revisiblen als auch nicht revisiblen Bereich an. Damit ist die Anrufung des Gerichts in jedem Fall der Revision vorgeschaltet. 286 Wer diese Auffassung nicht teilt, wird Schwierigkeiten haben, den Gleichklang der Rechtsmittelfähigkeit von Entscheidungen des Vorsitzenden und solchen des erkennenden Gerichts herzustellen. So führt etwa Gollwitzer aus?87 "Die Anordnung einer Unterbrechung durch den Vorsitzenden gehört in der Regel nicht zu den Maßnahmen, gegen die eine Entscheidung des Gerichts ... mit Erfolg nachgesucht werden kann. Sofern der Vorsitzende sich im Rahmen des § 228 Abs. 1 Satz 2 hält und seine Anordnung sich nur auf die äußere Verfahrensgestaltung auswirkt, versagt dieser Rechtsbehelf. Die Anordnung ist nicht mit Beschwerde und in der Regel auch nicht im Rahmen der Revision nachprüfbar ... ". Demnach sieht er die Anordnung nicht als sach-, sondern als verhandlungsleitend und folgerichtig als nicht revisibel an. Dann müßte sie allerdings, wenn § 238 11 nicht einschlägig ist, beschwerdefähig sein. § 305 S. 1, der dies hindern könnte, greift nicht, weil die Anordnung mangels Beruhenseignung nicht revisibel ist. Es paßt dann nur schwer zusammen, einerseits § 238 11 zu verneinen, andererseits § 305 S. 1 für einschlägig zu halten. Wenn schon im Rahmen des § 238 11 auf Revisibilität abgestellt wird, müßten zumindest § 305 S. 1 und § 238 11 gleichlautend verstanden werden, denn was die Sachleitung berührt, unterliegt § 238 11 und damit zwangsläufig § 305 S. 1; was ihr nicht zugehört, ist auch von § 305 S. 1 286 287
Vgl. o. 4. Teil 1.2. im Anschluß an die Untersuchung von Erker, S. 59ff. LR-Gollwitzer § 228 Tz. 27.
H. Entscheidungen im Hauptverfahren
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nicht angesprochen. Wird also für bestimmte Anordnungen die Anwendbarkeit des § 238 11 abgelehnt, kann nicht gleichennaßen Beschwerdefähigkeit versagt werden, der Grundsatz des § 304 I kann nur durch § 305 S. 1 eingeschränkt werden. § 305 S. I ist indessen nicht einschlägig, wenn schon § 238 11 verneint wurde. Man sieht: Auch § 305 S. 1 und § 238 11 sollten möglichst synchron ausgelegt werden. Sind - so weiter Gollwitzer - der Anrufung des Gerichts nur die Entscheidungen zugänglich, "die die Urteilsfindung fördern sollen, die also unmittelbar oder mittelbar der Vorbereitung des Urteils dienen,,,288 so kehrt damit die Fonnel vom "urteilsfördernden Charakter" wieder, mit der herkömmlicherweise die Beschwerdefahigkeit einer Entscheidung verneint wird. 289 Vor entsprechenden Problemen, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, steht die Meinung, die eine Unterscheidung zwischen Sach- und Verhandlungsleitung im Rahmen des § 238 aufgegeben hat,290 zu Recht, wie oben ausgeführt?91 Indessen müssen aus der Aufgabe dieser Unterscheidung auch die zutreffenden Schlüsse gezogen werden. Deckt sich der Begriff der Sach- mit dem der Verhandlungsleitung und wird für den Antrag nach § 238 11 nur eine Beschwer verlangt,292 sollte der aus § 238 11 resultierende Gerichtsbeschluß nicht "grundsätzlich nach § 305 S. 1",193 sondern nach § 304 I letzter Halbsatz der Beschwerde vorenthalten sein. Ist eine Anordnung i.S. von § 238 11 ,,im weitesten Sinne,,294 zu verstehen, kann sie sich nicht nur auf den revisiblen Bereich beziehen. 295 Die Tenninsanberaumung des Vorsitzenden wird mitunter wegen des Rechts des Angeklagten, Aussetzung zu beantragen (§§ 217, 228 III), für nicht beschwerdefahig gehalten. 296 Diese Argumentation könnte darauf hinauslaufen, im Aussetzungsantrag ein besonderes Verfahren zu sehen, das mit seiner Spezialität den Beschwerdeweg versperre; dann würde für die Tenninsverfügung der Grundsatz des § 304 I nicht erst durch § 305 S. 1 ausgeschlossen. Ob das so richtig ist, ist fraglich. Gegen Verfügungen des Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung ist (§ 304 I) grundsätzlich Beschwerde statthaft. Die §§ 217, 228 I, 11 beinhalten kein die Beschwerde ausschließendes Antragsrecht. Der Hinweis auf § 228 verdeutlicht lediglich, daß die Tenninsbestimmung eine LR-Gollwitzer § 238 Tz. 19. LR-Gollwitzer § 305 Tz. 12. 290 Kleinknecht / Meyer-Goßner § 238 Tz. 10 ff. 291 4. Teil 1. 2. 292 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 12 u. 13. 293 So aber Kleinknecht/Meyer-Goßner § 238 Tz. 21 im Anschluß an KK-Treier § 238 Tz. 14. 294 Kleinknecht / Meyer-Goßner § 238 Tz. 11. 295 Im einzelnen o. 4. Teil I. 2 .. 296 LR 21-Geier § 213 Anm. 2; als "unanfechtbaren Bescheid" bezeichnet auch OLG Düsseldorf JMBlNW 1966, 153 (r. Sp.) die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden; ebenso OLG Hamm StV 1990,56 mit Anm. Julius. 288
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Vorentscheidung i.S.v. § 336 S. 1 darstellt. Freilich obliegt es dem Revisionsführer, sofern er Ermessensfehler des Vorsitzenden mit Aussicht auf Erfolg rügen will, auch die Revisionsrügekette einzuhalten. Diese führt nicht auf direktem Wege von § 217 I zu § 338 Nr. 8, setzt darüber hinaus den Aussetzungsantrag nach § 217 11 und, sofern der Vorsitzende in der Hauptverhandlung allein entschieden hat, sicherheitshalber auch den Antrag nach § 238 11 voraus. 297 Das Antragsrecht gemäß § 217 11 stellt mithin kein die Beschwerde nach § 304 I verdrängendes Spezialverfahren, sondern nur eine Möglichkeit dar, (ggfs. in Zusammenhang mit § 238 11) die Terminsverfügung als Vorentscheidung nach § 336 durch die Revision überprüfen zu lassen. 298 Die Terminsverfügung des Vorsitzenden ist daher hinsichtlich ihrer Beschwerdefähigkeit nicht anders als die Entscheidung über Aussetzung oder Unterbrechung zu beurteilen. Ist sie beruhensgeeignet und damit Vorentscheidung nach § 336 S. 1, wird sie der Beschwerde durch § 305 S. 1 entzogen. Dementsprechend decken sich die zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen in der Argumentation mit denen zu Unterbrechung und Aussetzung?99
b) Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen zur Aussetzung Die Aussetzungsvorschriften sind unterschiedlich strukturiert. Einige sind zwingender Natur, wie §§ 138 c IV, 154 e 11, 145 IICoO 217 11, 246 11, 265 III und IV,301 41611 2, 34 III Nr. 6 EGGVG. Andere stellen die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts, so §§ 145 12, 205, 262 11 und die letzterer Vorschrift nachgebildete 302, 303 Bestimmung des § 396 AO. Insbesondere an ihr hat sich die Diskussion um die Rechtsmittelfähigkeit der ablehnenden Aussetzungsentscheidung entzünVgI. die instruktive Anmerkung von Julius StV 1990, 56. Richtig daher OLG Stuttgart NJW 1976, 1647; Justiz 1980, 361 = MDR 1980, 954; OLG Hamm StV 1990,56. 299 Beschwerde ausgeschlossen: OLG Celle NStZ 1984, 282 = NdsRpfl 1984, 72; OLG Karlsruhe StV 1982,560 mit abI. Anm. Moos unter Hinweis auf die außerprozessualen Wirkungen; Beschwerde statthaft trotz § 305: LG Hamburg StV 1988, 195 und StV 1989, 340; KK-Treier § 213 Tz. 6; KMR-Paulus § 213 Tz. 17; LR-Gollwitzer § 213 Tz. 16 (eingeschränkt zulässig); Gössel § 17 A III a (S. 145), andererseits hält Gössel die Beschwerde gegen die Ablehnung der Aussetzung wegen § 305 für nicht statthaft (S. 176). 300 Zwingend jedenfalls hinsichtlich des Abbruchs der Hauptverhandlung, Ermessen hinsichtlich der Dauer (Unterbrechung oder Aussetzung), BGH 13, 337 (339). 301 Wenn in diesem Zusammenhang vom "pflichtgemäßen Ermessen" gesprochen wird (LR-Gollwitzer § 265 Tz. 105; KK-Hürxthal § 265 Tz. 30; BGH NJW 1958, 1736 (1737 f.», so scheint dies der gleiche Fehlgriff zu sein, wie er dem BGH bei der Charakterisierung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung unterlaufen ist, die angeblich dem "pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters" unterliegen soll (BGH VRS 7, 54 (56»; dazu Warda, S. 105. Richtigerweise muß bei Vorliegen der Voraussetzungen ausgesetzt werden. 302 Für eine Verpflichtung des Strafgerichts zur Aussetzung de lege ferenda Brustkem GewArch 1986, 321 ff. 303 VgI. Steno Prot. der 46. Sitzung des Rechtsausschusses, S. 50 (5. Wahlperiode, 1965). 297
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11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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det. 304 Einigkeit besteht darüber, daß § 396 AO dem Gericht ein Ermessen einräumt, daß dieses wie jedes Ermessen "pflichtgemäß" auszuüben 305 und daß die Ausübung durch das Rechtsmittelgericht überprüfbar ist. 306 In falscher Anwendung einer Aussetzungsbestimmung (sei es durch Mißachtung eines zwingenden Aussetzungsgebots, sei es durch fehlerhaften Ermessensgebrauch) liegt eine Gesetzesverletzung; ihre Beruhenseignung entscheidet über das statthafte Rechtsmittel. Eine ältere Meinung hält sowohl Aussetzung als auch deren Ablehnung wegen § 305 S. 1 für nicht beschwerdefähig?07 Neuere Ansichten bejahen Beschwerdefahigkeit nur bei Aussetzung wegen der mit ihr einhergehenden Verzögerung des Urteils?08 Andere differenzieren zwischen sachlich erforderlicher (etwa zur Vornahme weiterer Ermittlungen) und sachfremder Aussetzung. Erstere stehe in innerem Zusammenhang mit dem Urteil, indem sie dieses auf breitere Grundlage stelle und somit fördere. Das Beschwerdegericht dürfe nicht in vertretbare Beweiserwägungen des erkennenden Gerichts eingreifen. Dagegen wird die sachlich ungerechtfertigte Aussetzung wegen Fehlens eines solchen Zusammenhangs mit dem Urteil für beschwerdefahig gehalten. 309 304 Dazu Blumers DB 1983, 1571; Baumann BB 1976, 753; Brenner BB 1980, 1321 (1322, Aussetzung und Ablehnung wegen § 305 S. 1 nicht beschwerdefähig); Kohlmann § 396 Tz. 61 f. (bei Ablehnung nur Revision, nicht Beschwerde, Beruhenseignung wird bejaht); CarLe DStZ 1985, 284; Söffing DStZ 1985, 486 (Ermessensreduzierung "auf Null" möglich); Schlüchter IR 1985,364; zusammenfassend BGH NJW 1991, 1306 (1309). 305 Ein "freies" Ermessen gibt es nicht, hierzu im einzelnen Warda, S. 111 ff., 175: Es gibt nur ein gesetzmäßig ausgeübtes Ermessen, insofern ist dieses Ermessen "pflichtgemäß", wenn es rechtens ausgeübt wird. 306 Gast-de Haan in Franzen/Gast/ ]oecks § 396 Tz. 28 (wegen der "weiteren Wirkungen"); Kohlmann § 396 Tz. 62 (bejaht Beruhenseignung); Schuhmann wistra 1992,172. 307 LR20 -Geier § 262 Anm. 5 (keine Beschwerdefähigkeit der Aussetzungsablehnung; nicht völlig klar ist die Meinung Geiers zur Aussetzung selbst; Eb. Schmidt, § 262 Tz. 16, versteht die KommentarsteIle dahin, daß Beschwerdefähigkeit generell verneint wird). Von den älteren Kommentaren (v. Schwarze, Thilo, Stenglein) wird die Frage der Rechtsmittelfähigkeit nicht erörtert. Die von den Motiven hervorgehobenen "Gründe praktischer Zweckmäßigkeit" (Hahn 111/1, S. 202) lassen offenbar die Unanfechtbarkeit als selbstverständlich erscheinen. Betont wird die Irrevisibilität der Nichtaussetzung (Stenglein § 261 Anm. 2 im Anschluß an RG 18, 123). 308 OLG Braunschweig NStZ-RR 1996, 172 (mit weiteren Nachweisen); Eb. Schmidt § 262 Tz. 16f.; KMR-Paulus § 262 Tz. 22; Giesler, S. 117; OLG Frankfurt StV 1990,201 (Beschwerde gegen Aufhebung eines Hauptverhandlungstermins statthaft unter dem Gesichtspunkt der "selbständigen prozessualen Beschwer", wenn die Aufhebung das Verfahren hemmt); Roxin § 54 B (S. 420); OLG Karlsruhe NStZ 1985,227 (zu § 396 AO; Aussetzung für die StA nicht beschwerdefähig, anders nur dann, wenn der mit ihr angestrebte Zweck - Vorfragenklärung - nicht erreichbar ist, so daß die Aussetzung das Verfahren lediglich (unnötig) hemmt); LG Hildesheim NJW 1989, 1174 (stellt auf die verfahrenshemmende Wirkung der späten Terrninierung ab); OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 81 (Ausführungen zur Statthaftigkeit dort nicht mit abgedruckt); vgl. auch Barton, S. 200 (Beschwerdefähigkeit der Aussetzung wegen angeblich unzureichender Verteidigung).
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Die Ablehnung der Aussetzung wird nach herrschender Ansicht wegen § 305 S. 1 als nicht beschwerdefähig gesehen;310 gleichwohl wird Revisibilität nur einschränkend bejaht. 311 Aussetzung, Unterbrechung, Terminsverlegung, Ablehnung der Terminierung beeinflussen durch zeitliche Verzögerung das Verfahren zwar in vergleichbarer Weise; es läßt sich jedoch darüber streiten, worin im einzelnen Fall jeweils die Gesetzesverletzung liegt. Setzt das Gericht nach § 262 11 aus, obwohl eine Vortat i.S. von § 262 I nicht im entferntesten in Betracht kommt, könnte § 262 11 als verletzt angesehen werden, wenn nur bei Erfüllung seiner Voraussetzungen ausgesetzt werden darf. Die Verletzung könnte indessen auch im Verstoß gegen das generell bestehende Beschleunigungsgebot gesehen werden, so daß § 262 11 nicht verletzt ist, lediglich als Rechtsgrundlage für den Aussetzungsbeschluß entfällt. Einmal würde so aus 262 11 ein Fortsetzungsgebot herausgelesen, das eingreift, wenn Aussetzungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Im anderen Fall würde § 262 11 (und die anderen Bestimmungen, die Aussetzung, Nichtterminierung und Unterbrechung zulassen) lediglich als rechtfertigende Ausnahme vom generellen Beschleunigungsgebot betrachtet. Das Ergebnis ist gleich, in jedem Falle muß, wenn Aussetzungsvoraussetzungen nicht vorliegen, das Gebot zur Weiterverhandlung erfüllt werden, ob es unmittelbar aus der Aussetzungsbestimmung folgt oder ein übergeordnetes ist. Nimmt das Gericht also irrig Aussetzungsvoraussetzungen an, ist das Weiterverhandlungsgebot verletzt. Nun folgt dieses sicherlich aus der Konzentrationsmaxime, und diese wiederum dient insofern der Sachverhaltsfeststellung durch die Interaktion, als sie dem Gericht zu einem "frischen unvermittelten Eindruck von den urteilsbildenden Faktoren verhelfen SOll".312 Insofern dient die Kon309 LR-Gollwitzer § 228 Tz. 30; § 262 Tz. 70; Schlüchter Tz. 657 und JR 1985, 360; KleinknechtlMeyer-Goßner § 228 Tz. 16; § 262 Tz. 15, 16; OLG Braunschweig StV 1987, 332 und NJW 1955,565; KG JR 1959, 350; OLG Stuttgart NJW 1973, 2309 (231O);OLG Köln NStE Nr. 2 zu § 228 (mit Überblick über die bisherige Rechtsprechung); OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 262; OLG Stuttgart MDR 1993,461; Scheffler, S. 82. 310 LR-Gollwitzer § 228 Tz. 29; § 262 Tz. 70; BurhofJTz. 855; KK-Treier § .228 Tz. 13; KK-Hürxthal § 262 Tz. 9; KleinknechtlMeyer-Goßner § 228 Tz. 16; § 262 Tz. 15; eine besondere Variante findet sich bei OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996,304 (305) und StV 1995, 9: Beschwerde gegen die "vor der Hauptverhandlung erfolgte Ablehnung der Terminsverlegung" wird mangels Beruhens - der Zusammenhang zwischen § 305 S. 1 und § 336 S. 1 ist offensichtlich erkannt - stets für statthaft gehalten; vgl. auch OLG Hamburg StV 1995, 111; OLG Frankfurt/M. StV 1997,402 hält Beschwerde gegen Ablehnung der Terminsabsprache wegen der selbständigen prozessualen Beschwer (allerdings auch wegen der Geltendmachung fehlerhafter Ermessensausübung) für statthaft unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats, insbesondere OLG Frankfurt/M. StV 1990, 201 und StV 1993, 6; ebenso LG Braunschweig StV 1997,403 (mit weiteren Nachweisen). 3ll KleinknechtlMeyer-Goßner § 228 Tz. 17 (nur bei unzulässiger Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8); § 262 Tz. 17 (keine Revisionsrüge möglich wegen des weiten Ermessens); KK-Treier § 228 Tz. 15; § 262 Tz. 13; LR-Gollwitzer § 228 Tz. 33 (Beruhenseignung einschränkend bejaht); § 262 Tz. 73 f. (Revisibilität nur bei Ermessensfehlem und Verletzung spezieller Aussetzungs- und Vorlagepflichten). 312 Schlüchter Tz. 438 (S. 442).
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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zentrationsmaxime der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung. Das führt allerdings nicht dazu, daß die fehlerhafte Aussetzung, Unterbrechung, Nichuerminierung für sich genommen urteilsfinal wären. Nur eine vorhandene, nicht eine unterlassene Tatsachenfeststellung kann Urteilsgrundlage sein. Man stelle sich vor, das Gericht setzt aus und verhandelt niemals weiter: In diesem Fall würde ein Urteil, als dessen Vorentscheidung die Aussetzung überprüft werden könnte, niemals erlassen werden. Demnach sind Aussetzungen (und ebenso Unterbrechungen, Terminsaufhebungen, Nichuerminierungen) nicht beruhensgeeignet und damit beschwerdefähig (sofern sie nicht wie die Unterbrechung durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung angeordnet werden). Abweichend hiervon läßt sich die Beruhenseignung der Ablehnung von Aussetzung und anderer entsprechend wirkender Unterbrechungshandlungen nicht einheitlich beantworten. Sie hängt von der ratio der verletzten Rechtsnorm ab. Ausschließlich Prozeßwirtschaftlichkeit strebt § 262 11 an. 313 Die Motive bringen dies klar zum Ausdruck. Der Strafrichter solle nicht gezwungen sein, "weitläufige Auseinandersetzungen vorzunehmen", die unter Umständen außerstrafrechtlichen Zielen der Prozeßbeteiligten dienen. Es sind Gründe "praktischer Zweckmäßigkeit", die die Einführung dieser Bestimmung veraniaßt haben?14 Indem sie also nur im Dienst der Prozeßökonomie steht, ist die Ablehnung der Aussetzung nach § 262 11 nicht revisibel, ergo beschwerdefähig, weil sie nicht von § 305 S. 1 erfaßt wird. Eine dem § 262 11 entsprechende Vorschrift enthält das Steuerstrafrecht in § 396 AO. Die Ansichten zur Beschwerdefähigkeit dieser Aussetzungsmöglichkeit bieten ein diffuses Bild. Der Beschluß wird einmal generell als nicht beschwerdefähig angesehen,315 teilweise wird die Beschwerdefahigkeit davon abhängig gemacht, daß die Aussetzung "in keinem inneren Zusammenhang mit dem Urteil" steht. 316 Den die Aussetzung ablehnenden Beschluß hält man meist wegen § 305 S. 1 für nicht beschwerdefähig?17 § 396 AO ist aus der RAO übernommen und hat seit dem ersten Inkrafttreten in Gestalt des § 433 RAO 1919 mehrere grundlegende Änderungen erfahren. Die Geschichte dieser Norm ist die "Geschichte ihrer DemonLR-Gollwitzer § 262 Tz. 25; KK-Hürxthal § 262 Tz. 7. Hahn IIII1, S. 202. 315 Hartung NJW 1966,485. 316 Kohlm~mn § 396 Tz. 60; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hübner § 396 Tz. 52; Brenner BB 1980, 1321. 317 Kohlmann § 396 Tz. 61; Erbs/Kohlhaas/Senge § 396 Tz. 11; OLG Hamm NJW 1978, 283 (284) unter Heranziehung der Rechtsprechung zu § 262; anders nur Kühn/Hutter/Hojmann § 396 Anm. 4 (generell wird die Beschwerdefähigkeit der Gerichtsentscheidungen nach § 396 bejaht, allerdings ohne Begriindung) und Klein/Orlopp § 396 Anm. 2 (Beschwerdeflihigkeit verneint, Revisibilität nur eingeschränkt für zulässig erachtet); Gast-de Haan in Franzen/Gast/Joecks § 396 Tz. 26ff. zweifelnd hinsichtlich § 305 S. I, dessen Voraussetzungen auf den die Aussetzung ablehnenden Beschluß nicht zuträfen, so daß im Ergebnis offenbar sowohl Beschwerde als auch Revision bejaht wird; ähnlich von Briell Ehlscheid § 4 Tz. 374 (S. 551). 313
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
tage".318 Die Vorläufer des § 396 AO ordneten zum Teil strenge Bindung des Strafrichters an die Entscheidungen im Besteuerungsverfahren an. Diese wurde wegen angeblich mangelhafter Praktikabilität aufgegeben, der Gesetzgeber entschloß sich schließlich, die Regelung des § 262 11 zum Vorbild zu nehmen und dem Strafrichter die Möglichkeit zu eröffnen, das Strafverfahren auszusetzen und den Ausgang des Besteuerungsverfahrens abzuwarten. 319 Bei den Beratungen zur Gesetzgebung ging es darum, inwieweit Tatsachen- und Rechtsbindung wünschenswert seien. Die Frage wird vom Rechtsausschuß ausführlich debattiert, allerdings ohne greifbares Ergebnis. Der Ausschuß hilft sich schließlich, indem er den Kompromißvorschlag von Dreher annimmt, die Regelung des § 262 11 als Muster zu verwenden. Die Bundesregierung wird um Formulierungshilfe gebeten, und in der nächsten Sitzung320 erhält die Bestimmung die Fassung, das Gericht könne das Strafverfahren aussetzen, bis das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Später wurde die Vorschrift nur durch die Klarstellung ergänzt, daß nicht nur das Gericht das Strafverfahren, sondern schon die Ermittlungsbehörde das Ermittlungsverfahren aussetzen könne. Wegen der Angleichung des § 396 AO an § 262 11 ist die Beschwerdefähigkeit der Aussetzungsablehnung im Steuerstrafverfahren der des § 262 11 entsprechend zu bejahen. 321 Gegenüber den beiden nur zur Prozeßökonomie vorgesehenen Aussetzungsmöglichkeiten stehen Bestimmungen, die Aussetzung zwecks ausreichender Vorbereitung eines Prozeßbeteiligten bereitstellen. 322 So hat das Gericht nach § 265 IV auszusetzen, falls dies infolge veränderter Sachlage zu genügender Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung angemessen erscheint. Ermessensfehler des Gerichts bei Ablehnung eines auf § 265 IV gestützten Aussetzungsantrages sind beruhensgeeignet, weil die Vorschrift die ausreichende Vorbereitung eines Prozeßbeteiligten auf die Hauptverhandlung und damit seine Teilnahme an der prozeßordnungsgemäßen Interaktion schützt; nur ein vorbereiteter Beteiligter kann sachgerecht auf die Tatsachenfeststellung einwirken. Das glei318 Kohlmann, Klug-Fschr., S. 514; zur Entstehungsgeschichte ausführlich Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Hübner § 396 Tz. 1 ff. 319 Vgl. steno Prot. der 46. Sitzung des Rechtsausschusses, S. 50 (5. Wahlperiode, 1965). 320 Vgl. steno Prot. der 47. Sitzung, S. 18 (5. Wahlperiode, 1965). 321 An dieser Betrachtung ändert auch der von Ulsenheimer, NJW 1985, 1929, für die Finanzverwaltung geforderte Interpretationsvorrang nichts, denn dieser dient nicht der Tatsachenfeststellung, sondern der Rechtsanwendung. 322 Unrichtig daher LG Verden StV 1996,255 (Zulässigkeit der Beschwerde gegen Ablehnung der Tenninsverlegung). Wenn es darum ging, daß der Angeklagte die Tenninsverlegung beantragte, um sich von einem Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen, war die Ablehnung beruhensgeeignet und unterlag nicht der Beschwerde. Entsprechendes gilt für LG Tübingen StV 1996,658, OLG Frankfurt/M. StV 1995,9 (10), OLG Hamburg StV 1995, 11, LG Magdeburg, Strafverteidiger Forum 1997, 112, LG Berlin StV 1995,239. Auch in diesen Fällen wäre vom Boden der hier vertretenen Auffassung aus Beruhenseignung und nicht Beschwerdefähigkeit zu bejahen gewesen. Richtig dagegen BayObLG StV 1995, 10, worin Beruhenseignung bejaht wird.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
319
che Ziel verfolgt die in § 265 III vorgesehene Aussetzung. Die Verletzung des von § 265 III und IV statuierten Aussetzungsgebots ist stets und nicht nur "in der Regel", wie gesagt wird,323 beruhensgeeignet. Letztere Einschränkung basiert wiederum auf der kausalitätsbezogenen Sicht, die darauf abhebt, ob ein anderslautendes Urteil im Einzelfall auszuschließen sei. Kriterium der Beruhenseignung ist hingegen nicht mögliche Auswirkung auf das Urteilsergebnis, sondern die Urteilsfinalität der verletzten Bestimmung, ohne daß es auf Kausalitätserwägungen im Einzelfall ankäme. Auf der gleichen Linie liegen die Aussetzungsbestimmungen des § 145 und des § 138 c IV. § 145 regelt in seinem Abs. 1 Satz 2, in Abs. 2 und Abs. 3 das Verfahren bei Ausbleiben, Entfernen oder Weigerung des bisherigen Verteidigers. Statt einen neuen Verteidiger zu bestellen, kann das Gericht in diesen Situationen die Verhandlung aussetzen (§ 145 12), auch wenn der neue Verteidiger erst im Lauf der Hauptverhandlung bestellt wird (§ 145 11), es muß aussetzen oder unterbrechen, wenn der Verteidiger die Erklärung nach § 145 III abgibt. In allen drei Fällen übt das Gericht Ermessen aus, in Abs. 3 allerdings begrenzt auf die Auswahl zwischen Aussetzung und Unterbrechung?24 § 145 III garantiert das Recht des Beschuldigten auf freie Wahl eines zur korrekten Sachverhaltsfeststellung benötigten, ausreichend auf die Hauptverhandlung vorbereiteten Verteidigers;325 eine Gesetzesverletzung bei der Ablehnung eines derartigen Aussetzungsantrages ist beruhensgeeignet, nach § 305 S. 1 der Beschwerde unzugänglich und nach § 336 S. 1 revisibel.
Bis zur Entscheidung des für eine Verteidigerausschließung zuständigen Gerichts ist nach § 138 c IV zugleich mit der Vorlage an dieses die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen, die Auswahl zwischen Aussetzung und Unterbrechung liegt im Ermessen des Gerichts. Die so statuierte Pflicht zum Abwarten der Entscheidung über die Berechtigung der Ausschließung soll verhindern, daß bei Fortführung der Hauptverhandlung unter Beiordnung eines Pflichtverteidigers die Entscheidung des nach § 138 c I zuständigen Gerichts vorweggenommen würde. 326 Gesichert wird auch hier das Recht des Beschuldigten auf seinen Wahlverteidiger, über diesen die Einflußnahme auf die gerichtliche Tatsachenfeststellung. Mißachtung dessen führt zu Beruhenseignung, Beschwerde findet nicht statt. Beruhensgeeignet ist auch die fehlerhafte Ermessenswahl zwischen Aussetzung und Unterbrechung, allerdings nur, soweit statt der gebotenen Aussetzung lediglich unterbrochen wird. Die Anordnung der Aussetzung anstelle der (ausreichenden) Unterbrechung hat ebensowenig Beruhenseignung wie fehlerhafte Aussetzung (anstatt gebotener Weiterverhandlung). Derartige Entscheidungen verletzen nicht das 323
324 325 326
LR-Gollwitzer § 265 Tz. 115. BGH 13, 337 (340). LR-Lüderssen § 145 Tz. 1; KK-Laufhütte § 145 Tz. 1. LK-Lüderssen § 138 c Tz. 19.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Interesse an der prozeßordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung, sondern nur das Beschleunigungsgebot, sind daher nicht revisibel, aber beschwerdefähig. Dem Recht des Beschuldigten, sich sachgerecht auf die Verteidigung vorzubereiten, dienen auch die Aussetzungsbestimmungen der §§ 217 11, 416 11 2. § 246 11 will Prozeßbeteiligte (Angeklagten, StA oder Nebenkläger) vor Überrumpelung durch zu späte Benennung von Zeugen oder Sachverständigen schützen. Auch Verletzungen dieser Vorschrift werden "in der Regel" für beruhensgeeignet gehalten,327 wiederum eine auf Kausalitätserwägungen zurückzuführende unzulässige Einschränkung des Beruhenszusammenhangs.
Nach § 154 eil stellt das Gericht das Verfahren bis zum Abschluß des Bezugsverfahrens (Straf- oder Disziplinarverfahren wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung) ein. Die Entscheidung ist der Sache nach Aussetzung und nicht vorläufige Einstellung (wie etwa in § 153 a 11).328 Das Aussetzungsgebot ist zwingend?29 Seine Mißachtung durch das Tatgericht führt bei Erfolg der Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung, damit der Tatrichter bis zum Abschluß des Bezugsverfahrens aussetzen kann. 33o Mißverständlich ist die von der h.M. vorgenommene Definition des aus § 154 e 11 resultierenden Aussetzungsgebots als (vorübergehendes) Verfahrenshindernis. 331 Dieser Begriff, üblicherweise als negative Umschreibung einer Prozeßvoraussetzung verstanden,332 kennzeichnet einen Umstand, der so schwer wiegt, daß von seinem Vorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängt. 333 Wäre das Aussetzungsgebot nun Verfahrenshindemis, müßte seine Mißachtung in der Revisionsinstanz stets zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils führen, denn die Sachentscheidung durfte nicht ergehen. Der Beruhenszusammenhang bedürfte keiner besonderen Prüfung, denn das Verfahren wäre insgesamt unzulässig gewesen?34 In diesem Sinne wird jedoch das Aussetzungsgebot des § 154 ellnicht KK-Herdegen § 246 Tz. 5. KleinknechtlMeyer-Goßner § 154 e Tz. 11; Kühne Tz. 309 (uneigentlicher Fall der Einstellung); Schwentker; S. 225. 329 Im Gegensatz zur früheren Regelung des § 164 III StGB a. F. ist dies nunmehr durch den geänderten Wortlaut klargestellt; vg!. LR-Rieß § 154 e Tz. 13; KK-Schoreit § 154 e Tz. 13; zu § 164 III StGB a. F. (von 1933 bis 1959 Abs. 6) vg!. Warda, S. lOZf. (zwingende Rechtsnorm, die aber Ausnahmen zuläßt). 330 LR-Rieß § 154 e Tz. 22; KleinknechtlMeyer-Goßner § 154 e Tz. 13. 331 KK-Schoreit § 154 e Tz. 13; LR-Rieß § 154 e Tz. 13; KleinknechtlMeyer-Goßner § 154 e Tz. 11, als vorübergehend wird das Verfahrenshindernis deshalb bezeichnet, weil das Weiterverhandlungsverbot endet, wenn die Bezugstat nicht mehr anhängig ist, vg!. BGH 8, 133 (zu § 164 VI a. F. StGB). 332 Schlüchter Tz. 367 (am Ende). 333 KK-Pfeiffer Ein!. Tz. 131; LR-Schäfer Ein!. Kap. 11, Tz. 6; KleinknechtIMeyer-Goßner Ein!. Tz. 142. . 334 Vg!. die Erörterung dieses Problems im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluß (0.5. Teil I. 1. b) und 5. b». 327
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11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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verstanden, die h.M. knüpft bei Verletzung der Vorschrift den Erfolg der Revision - zu Recht - an den Beruhenszusammenhang. 335 Eine Mißachtung des Aussetzungsgebots bedeutet jedoch nichts anderes als eine Gesetzesverletzung i.S. des § 337, die mit der Revision nur dann gerügt werden kann, wenn § 154 ellder gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung dient. Eine derartige Intention ließe sich der Bestimmung möglicherweise deshalb unterstellen, weil sie im materiellen Recht von § 190 StGB flankiert wird, der den Wahrheitsbeweis unter gewissen Voraussetzungen als erbracht ansieht bzw. ausschließt. Indessen ist die ratio des § 154 e keine andere als die des § 396 AO und des § 262 11. Alle diese Vorschriften sollen widersprüchliche Entscheidungen "nach Möglichkeit ausschließen,,?36 Auch § 154 elldient nur der Prozeßökonomie?37 Daran ändert auch der Umstand nichts, daß im Unterschied zu § 262 11 und § 396 1 AO in § 154 elldie Aussetzung zwingend vorgeschrieben ist. Verletzung einer zwingenden Norm sagt nichts über das Beruhen aus. Unerheblich für den Beruhenszusammenhang ist auch die durch § 190 StGB angeordnete Rechts- und Tatsachenbindung des erkennenden Gerichts an die Entscheidung des Bezugsverfahrens, denn der Umfang der Bindung korrespondiert nicht mit dem des Aussetzungsgebots. Bindung besteht nur, wenn das Bezugsverfahren eine Straftat ist (§ 190 StGB), nicht im Verhältnis zu Disziplinarverfahren, obwohl § 154 eIl auch wegen eines solchen die Aussetzung gebietet. Insofern unterscheidet sich die Regelung also nicht von § 396 AO und von § 265 11. Das erkennende Gericht muß zwar aussetzen, ist aber letztlich an das Ergebnis des Disziplinarverfahrens nicht gebunden. Das materielle Strafrecht begleitet den § 154 e 11 ebenso unvollkommen wie es das materielle Steuerrecht gegenüber § 396 AO oder das materielle Zivilrecht gegenüber § 26211 tut. Widersprüchliche Entscheidungen sollen zwar "nach Möglichkeit" ausgeschlossen werden, allerdings wird die hierzu dienliche Unterstützung in Gestalt uneingeschränkter Rechts- und Tatsachenbindung durch das materielle Recht nicht bereitgestellt. 338 Aus § 190 StGB folgt deshalb für den Beruhenszusammenhang eines Verstoßes nach § 154 ellnichts. Dessen Verletzung ist nicht beruhensgeeignet, nicht revisibel, sondern beschwerdefähig. Mißachtung des Aussetzungsgebots kann freilich zur Verletzung materiellen Rechts führen. Setzt das Gericht nicht aus, verurteilt es und ergibt sich aus der Bindungswirkung des § 190 StGB, daß der Angeklagte freigesprochen werden müßte, liegt hierin ein Verstoß gegen sachliches Recht. 339 335 336
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LR-Rieß § 154 e Tz. 23; BGH 8, 133; 8, 151. KK-Schoreit § 154 e Tz. I; LR-Rieß § 154 e Tz. I; BGH 8, 133 ff. Das bringt die Verfügung der StA Moosbach, NStE Nr. I zu § 154 e StPO, richtig zum
Ausdruck - auch wenn sie im Ergebnis nicht billigenswert erscheint (analoge Anwendung des § 154 e I, auch wenn das Bezugsverfahren nicht anhängig ist, aber durch Verweisung auf den Privatklageweg abgeschlossen wurde). 338 Soweit sie im Steuerrecht nach der RAO bestand, ist sie sogar abgeschafft worden; vgl. die Entstehungsgeschichte des heutigen § 396 AO (sten. Berichte des Rechtsausschusses Nr. 46 u. 47 der 5. Wahlperiode (1965». 2\ Weidemann
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Entsprechendes zeigt sich bei § 396 AO. Setzt der Strafrichter nicht aus und gelangt das Besteuerungsverfahren zur Verneinung eines Steueranspruchs, so ist der Strafrichter an diese Beurteilung infolge seiner uneingeschränkten Vorfragenkompetenz nicht gebunden. Er kann gleichwohl den Steueranspruch und damit die Steuerverkürzung bejahen, nicht indessen Vollendung des § 370 AO, denn dessen Tatbestand unterstellt eine besondere Beziehung zwischen Tathandlung (Verkürzungshandlung) und Erfolg (Verkürzung), wie das Gesetz in § 370 AO durch das Wörtchen "dadurch" zum Ausdruck bringt. 34o Wenn aber die Finanzverwaltung (oder das Finanzgericht) infolge ihrer (nach Meinung des Strafrichters unrichtigen) Auslegung des Steuergesetzes den Steueranspruch verneint, keine Steuer erhebt, wäre damit der Verkürzungserfolg auch ohne die Verkürzungshandlung eingetreten, so daß es an der besonderen Beziehung zwischen Tathandlung und Erfolg fehlt, strafrechtlich Vollendung der Steuerverkürzung also nicht angenommen werden kann, allenfalls Versuch. Aussetzung könnte solche sachlich unrichtigen Urteile, die den besonderen Zusammenhang der Tatbestandsmerkmale verkennen, vermeiden. Indessen ist der Rechtsfeh1er in diesen Fällen stets sachlich-rechtlicher Natur. Eine beruhensgeeignete Verfahrensrechtsverletzung ergibt sich hieraus nicht.
Im Gegensatz zu anderen "Weiterverhandlungsverboten" bewirkt die Anordnung einer Kontaktsperre nach § 33 EGGVG ein Verfahrenshindemis?41 Eine bereits begonnene Hauptverhandlung wird "nicht fortgesetzt" (§ 34 III Nr. 6 EGGVG). Der Verstoß gegen diese Bestimmung ist revisibel, weil mit diesem Verfahrenshindernis eine Prozeßvoraussetzung fehlt. Der Beschwerde steht § 305 S. 1 entgegen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst ist unter den gleichen Prämissen beruhensgeeignet, wie es die des judex a quo wäre. Sie unterliegt als Vorentscheidung nach § 336 S. 1 der Überprüfung des Revisionsgerichts. Innerprozessuale Bindung dessen an die Beschwerdeentscheidung besteht nicht. 342 6. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bestellung eines Verteidigers
a) Probleme des § 238 1I
Mit der Verteidigerbestellung im Zusammenhang stehende Entscheidungen weisen eine Besonderheit auf, die mitunter nicht erörtert wird: 343 Über die Bestellung entscheidet seit der Neufassung des § 141 IV der Vorsitzende. Soweit er die Anordnung während der Hauptverhandlung trifft, ist § 238 11 einschlägig. 344 339 LR-Rieß § 154 e Tz. 23; daß dann die Sachrüge Erfolg hat, ist von Rieß durch die Verweisung auf § 354 I klargestellt. 340 Kahlmann § 370 Tz. 191, 192. 341 KK-Kissel § 34 EGGVG Tz. 15. 342 Vgl. o. 1. Teil VII. 3., 4. 343 Vgl. Erker, S. 129; OLG Hamm NJW 1973, 818 (819, unter 3.); den systematischen Zusammenhang zwischen § 305 S. 1 und § 238 11 erörtert Wagner IR 1986, 259: Der Ausschluß des § 238 11 führe nicht "gleichsam zwangsläufig" zum Ausschluß des § 305 S. 1 und damit zur Zulässigkeit der Beschwerde. Wohl lasse sich der innere Zusammenhang i. S. von § 305 S. I verneinen, wenn es sich "noch nicht einmal um Sachleitung handelt"; zum Problem Schwentker, S. 247 ff.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
323
Die Frage nach der Beschwerdefähigkeit kann sich daher nur für außerhalb der Hauptverhandlung getroffene Anordnungen stellen. 345 Soweit im Folgenden Anordnungen des Vorsitzenden angesprochen werden, sind nur solche außerhalb der Hauptverhandlung gemeint.
b) Bestellung und Abberufung eines Pflichtverteidigers Kontrovers zeigt sich die Rechtsprechung zur Beschwerdefähigkeit der Bestellung bzw. Abberufung eines Pflichtverteidigers durch das erkennende Gericht; vom nichterkennenden Gericht ausgesprochen sind diese Maßnahmen nicht problematisch, weil sie vom Ausschlußtatbestand des § 305 S. 1 nicht betroffen sind. Zur Debatte stehen Entscheidungen über Bestellung, Auswahl des Verteidigers, Rücknahme einer Bestellung und Beiordnung mehrerer Verteidiger. Manche Autoren lassen Beschwerde trotz § 305 schlechthin ZU,346 andere generell nicht,347 wieder andere differenzieren zwischen in und außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen Entscheidungen. 348, 349 Vgl. o. 4. Teil!. 2. Richtig daher OLG Hamm NJW 1973, 818 (819); dieser Entscheidung gebührt das Verdienst, die Problematik des § 238 II, insbesondere nach der Neufassung des § 141 III durch das StPÄG vom 19. 12. 1964, wonach der Vorsitzende und nicht mehr das Gericht entscheidet, erkannt zu haben. Sehr einfach macht es sich demgegenüber OLG Braunschweig StV 1996,6, indem es § 305 S. I verneint: "Die Entscheidung des Vorsitzenden über die Bestellung eines Pflichtverteidigers geht zwar der Urteilsfallung voraus, § 305 StPO bezieht sich aber nur auf Entscheidungen, die das erkennende Gericht in seiner Gesamtheit, nicht auf solche, die der Vorsitzende allein getroffen hat". 346 HK-Julius § 141 Tz. 14; KK-Laujhütte § 141 Tz. 12; PfeifferlFischer § 141 Tz. 4; AK StPO-Stem vor § 140 Tz. 66. 347 Schlüchter Tz. 656; OLG Köln NJW 1981, 1523, aufgegeben in StV 1989,241; weitere Nachweise bei AK StPO-Stem vor § 140 Tz. 60ff.; KleinknechtlMeyer-Goßner § 141 Tz. 10. 348 OLG Koblenz NStZ-RR 1996,206 im Anschluß an OLG Köln NJW 1981, 1523; OLG Hamm NJW 1973, 818; OLG Zweibrücken VRS 50, 437 und NStZ 1987, 477; OLG Hamburg IR 1986, 257; OLG Karlsruhe MDR 1979,780 und NStZ 1988, 287; OLG Stuttgart MDR 1990, 174; OLG Koblenz OLGSt Nr. 4 zu § 305 und weitere Senatsrechtsprechung. Gegen diese Auffassung KK-Laujhütte § 141 Tz. 12; weitere Nachweise bei Schwentker; S. 245 ff.; AK StPO-Stem vor § 140 Tz. 60ff.; Molketin Jura 1992, 120ff. (125); Schlothauer StV 1981,451; Oellerich StV 1981,440; KleinknechtlMeyer-Goßner § 141 Tz. 9f.; Barton, S.199ff. 349 Dahs, NJW 1951, 454, hält § 305 für generell nicht einschlägig, weist aber andererseits darauf hin, daß Entscheidungen, die vor Eröffnung die Pflichtverteidigerbestellung ablehnen, nicht revisibel sind, wenn der entsprechende Antrag in der Hauptverhandlung nicht wiederholt wird. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Vor Eröffnung stellt sich die Frage des § 305 S. 1 nicht, und die neuerliche Geltendmachung in der Hauptverhandlung geschieht mit Rücksicht auf § 238 II, der nach hier vertretener Ansicht notwendiges Durchgangsstadium zum Erhalt der Revisionsrüge ist, vgl. 4. Teil!. 2. 344 345
21*
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Die Rechtsprechung gelangt zwar zu verschiedenartigen Ergebnissen, weist jedoch die Gemeinsamkeit auf, § 305 nicht synchron zu § 336 auszulegen?50, 351, 352 RG 43, 179 hält Beschwerde für unzulässig. Der Angeklagte hatte nach Eröffnung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt, was vorn Vorsitzenden abgelehnt worden war. Die hiergegen eingelegte Beschwerde beschied der Vorsitzende als "unzulässig". Das RG versagt der Revision den Erfolg, weil das Urteil nicht auf der Rechtsverletzung (Bescheidung der Beschwerde durch den Vorsitzenden und Nichtvorlage an das Beschwerdegericht) beruhe. Dies deshalb nicht, weil die Beschwerde wegen § 305 unzulässig gewesen sei. Die Überlegungen sind in sich schlüssig, hätten allerdings dazu führen müssen - wie es in anderen Entscheidungen des RG geschieht _,353 die Ablehnung als Vorentscheidung nach § 336 zu prüfen. Das RG unterläßt dies, weil es Entscheidungen im Sinne des § 305 lediglich als zeitlich dem Urteil vorausgehend ansieht, den "inneren Zusammenhang" mit dem Urteil aber verneint. Beides paßt nicht zusammen. Die Unzulässigkeit der Beschwerde hätte in der Revision zur Überprüfung der Verteidigerversagung führen müssen. RG 48, 386 (388) bejaht das Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung obiter. 354 350 Nicht synchron ist die Auslegung von Molketin, Schutzfunktion, S. 129ff., 143 und Jura 1992, 124, 125, indern sowohl Revisibilität als auch Beschwerdefähigkeit bejaht wird. 351 Aus der Rechtsprechung: OLG Zweibrücken StV 1984, 193 (Beschwerde gegen Entscheidung des Vorsitzenden, den Wahlverteidiger nicht zum Pflichtverteidiger zu bestellen; Auswahlgrundsätze im Anschluß an OLG Zweibrücken StV 1981, 288); OLG Hamm NStZ 1990, 143 läßt unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung gegen die außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen Entscheidungen Beschwerde zu; OLG Bamberg MDR 1990, 460 (Unzulässigkeit der Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen die durch den Vorsitzenden abgelehnte Entpflichtung: mangels Beschwer, womit Statthaftigkeit trotz § 305 S. 1 inzidenter bejaht wird); OLG Köln VRS 78, 119 (nicht das erkennende Gericht hatte entschieden, sondern der Vorsitzende nach der Urteilsfällung; Beschwerde ist daher nicht durch § 305 S. 1 ausgeschlossen); OLG Köln StV 1989, 2411äßt unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung mit Hinweis auf die "weiteren Wirkungen" die Beschwerde zu; OLG Frankfurt StV 1990, 487 (Beschwerde gegen Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung wird als statthaft angesehen). Entsprechend OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 236; 271 und 1997, 77 im Anschluß an die Senatsentscheidung StV 1994,288 und OLG Zweibrücken StV 1988, 142; vgl. im übrigen BurhoffTz. 650 ff. 352 Wegen § 305 S. 1 wird Beschwerdefähigkeit verneint von OLG Stuttgart NStZ-RR 1996,207 im Anschluß an RG 67,310 (312); OLG Bamberg StV 1984,234; OLG Harnburg NStZ 1985, 518 und JR 1986, 257 (mit Anm. Wagner); OLG Hamm NStE Nr. 6 zu § 305; OLG Braunschweig StV 1986,6 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. Vor weIche Probleme sich eine Ansicht gestellt sehen kann, die trotz Beruhenseignung Beschwerdefähigkeit bejaht, zeigt OLG Hamm StV 1995, 64. Hier war Beschwerde gegen die Pflichtverteidigerbestellung und Revision mit der Rüge, es sei ohne Verteidiger verhandelt worden, eingelegt. Die Entscheidung erörtert, ob die Beschwerde durch die Revision "überholt" werde. Richtig hätte - nach der hier vertretenen Auffassung - nur die Revision für statthaft gehalten werden dürfen. Beschwerde schied wegen Beruhenseignung der angefochtenen Entscheidung aus. 353 RG Rspr. 2, 298; RG 67,310 (313). 354 RG 48, 386 (387): "Auf den Antrag aus § 141 StPO mußte aber alsbald, und zwar vor der Hauptverhandlung, entschieden werden, da der Verteidiger für diese bestellt werden sollte, und auch die Entscheidung mußte dem Angeklagten noch vorher bekannt gemacht
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Einen der eingangs genannten Entscheidung vergleichbaren Sachverhalt behandelt RG 67, 310. Gerügt wurde, daß über eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung durch das erkennende Gericht nicht entschieden worden war. Vom Standpunkt dieser Entscheidung aus kam es auf die Statthaftigkeit der Beschwerde als Vorfrage für die Revision an. Abweichend von seinem früheren Spruch hält das RG hier die Beschwerde für eröffnet, wobei das Argument der weiteren prozessualen Wirkungen im Ansatz verwandt wird. 355 Einen Bruch erhält die Begründung dadurch, daß sie die Revision zusätzlich deshalb durchgreifen läßt, weil ein Pflichtverteidiger nicht bestellt worden war. Einerseits wird die Ablehnung der Bestellung als beschwerdefähig angesehen, andererseits soll ein - zusätzlicher - Revisionsgrund in der Unterlassung der Bestellung selbst liegen. § 305 wird also ausgeschlossen, § 336 bejaht. Eines kann nur richtig sein: Entweder ist die Entscheidung beschwerdefähig, dann ist sie nach § 336 der Revision nicht zugänglich, oder sie ist revisibel, dann versagt § 305 S. 1 Beschwerde. Das RG sieht das Verhältnis zwischen §§ 305, 336 anders und legt wohl auch der Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung Wirkungen bei, die allein durch die Urteilsaufhebung nicht mehr beseitigt werden können. 356 Diese Rechtsprechung, Beschwerde sei durch § 305 S. 1 nicht gehindert, wird von den OLGen zunächst übernommen. 357 Im Ergebnis gegenteilige Entscheidungen sind in der Minderzahl. 358 werden, um ihn in die Lage zu setzen, entweder selbst einen Verteidiger für die Hauptverhandlung zu wählen und sachlich zu unterrichten oder gegen eine ablehnende Entscheidung von dem ihm nach § 346 StPO zustehenden Beschwerderecht noch vor der Hauptverhandlung Gebrauch zu machen. Das Gericht hat also durch die Unterlassung einer Entscheidung über den Antrag gegen § 141 StPO verstoßen und in das dem Angeklagten nach § 137 StPO zustehende Recht eingegriffen, sich in jeder Lage des Verfahrens ... eines Verteidigers zu bedienen." 355 RG 67,310 (312): "Stände ihm" - dem Angeklagten - "gegen die Versagung nur das gegen das Urteil gegebene Rechtsmittel zu, so könnte der ihm zugefügte Rechtsnachteil auch bei Aufhebung des Urteils vielfach nicht mehr gutgemacht werden." 356 Obwohl andererseits darauf abgestellt wird, daß die Entscheidungen nach § 305 ,,im inneren Zusammenhang mit der UrteiJsfällung stehen und ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen und bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen" (RG 67,310 (312». 357 OLG Bremen NJW 1951,454 mit zust. Anm. Dahs, ebenso Oellerich StV 1981,440; die Entscheidung äußert sich zu § 201 II 3 a. F. (der etwa dem heutigen § 201 112 entspricht): Beschwerde sei durch diese Vorschrift nicht ausgeschlossen; BayObLG 1952, 159; zust. Eb. Schmidt § 140 Tz. 10 a (auch zu OLG Bremen NJW 1951,454); vereinzelt wohl OLG Hamm IZ 1951, 121, das den Ausschluß der Beschwerde (anders als in der oben zitierten Entscheidung OLG Bremen) aus der Änderung des § 201 herleitet; KG StV 1985,449 (unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des KG) und OLG Hamburg NJW 1978, 1172 (beide ohne Begründung); OLG Celle NStZ 1985,519 und StV 1985, 184; OLG München NJW 1981, 2208 (0. Begr.); OLG Hamm StV 1990, 103 (0. Begr., nur Leitsatz; unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung); OLG Hamburg IR 1986, 257 mit krit. Anm. Wagner. LG Berlin StV 1990, 15 hält die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen den Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung außerhalb der Hauptverhandlung für unproblematisch; entsprechend OLG Stuttgart StV 1990,55 (Ablehnung der Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers); OLG Düsseldorf NStZ 1998, 54 (geht nicht auf § 305 S. 1 ein, sondern erörtert nur die Beschwer). 358 OLG Köln NJW 1981, 1523; OLG Hamburg MDR 1985,74; OLG Hamm NStZ 1985, 518; OLG Karlsruhe NStZ 1988,287 (Beschwerde gegen Ablehnung durch den Vorsitzenden wegen § 238 11 unzulässig), mit abI. Anm. Dieblieh.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Ausgehend von der hier vertretenen These, daß Beschwerdefähigkeit der Entscheidung anhand des Beruhenszusammenhangs zu ermitteln ist, können folgende Argumente von vornherein ausgeschieden werden: aa) Das Argument von der Gewährleistung eines justizförrnigen Verfahrens 359 Es geht nicht darum, ob ein nicht justizgemäßes Verfahren jeglicher Überprüfung entzogen wird, sondern um die Auswahl des zur Überprüfung geeigneten Rechtsmittels. In der Tat gibt es, worauf das OLG Köln zu Recht hinweist,360 viele Elemente eines justizförmigen Verfahrens, deren Fehlen den Beschwerdeweg nicht eröffnet, sondern nur der Revisionsrüge zugänglich ist. So ist etwa die Bescheidung von Streitfragen zur Verteidigerbestellung nicht wesentlicher als die von Beweisanträgen, deren Nachprüfung unstreitig der Revision vorbehalten ist. Der Hinweis auf das justizförmige Verfahren ist deshalb hier eine Leerformel. 361
bb) Der Hinweis auf die "weiteren Verfahrenswirkungen" Die "weiteren Verfahrenswirkungen" werden darin gesehen, daß der Angeklagte bis zum Urteil ohne Verteidiger ist. 362, 363 Die daraus resultierende Beeinträchtigung der Verteidigung ist indessen typischerweise der Revisionsrüge und nicht der Beschwerde vorbehalten, liegt ausschließlich auf prozessualem Gebiet und greift nicht über das Verfahren hinaus. Sie wird zusammen mit dem Verfahren insgesamt gegenstandslos, wenn die Revisionsrüge zur Aufhebung des Urteils führt. 364 359 OLG Stuttgart NStZ-RR 1998, 110 (mit Nachweisen aus Lit. und Rspr.). Das Argument stammt von Dünnebier (LR 23-Dünnebier § 141 Tz. 48); im Anschluß hieran OLG Celle NStZ 1985, 519 mit abI. Anm. Paulus; OLG Düsseldorf StV 1986, 239; OLG Köln NStZ 1991,248; abI. auch Wagner JR 1986,259. 360 OLG Köln NJW 1981,1523. 361 Paulus NStZ 1985, 520. 362 OLG Karlsruhe NJW 1978, 1064 ("selbständige verfahrensrechtliche Bedeutung"); OLG Düsseldorf StV 1986,239; ebenfalls Schwentker; S. 253f.; OLG Frankfurt/M. StV 1997, 402 hält Beschwerde gegen Ablehnung der Terminsabsprache für statthaft wegen "selbständiger prozessualer Beschwer" und der Geltendmachung fehlerhafter Ermessensausübung. 363 Ebenso Ostendoif§ 68 Tz. 20, 21 und § 103 Tz. 16 ("weitere Wirkungen" zum Abtrennungsbeschluß); AK StPO-Stern § 140 Tz. 88: Die auf die gleichen Gründe gestützte Revision werde nicht durch eine abschlägig beschiedene Beschwerde ausgeschlossen. Das ist richtig, denn es besteht keine Bindung des Revisionsgerichts an die Beschwerdeentscheidung. Auch ist nichts "rechtskräftig" entschieden, weil die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht "in Rechtskraft erwächst". Die Beschwerde wäre, soweit sie gegen die Entscheidung des erkennenden Gerichts eingelegt wird, unzulässig. Entscheidet das Beschwerdegericht gleichwohl (fälschlich) in der Sache, ist dies eine Vorentscheidung i. S. von § 336 S. 1, die das erkennende Gericht gleichsam "mitzuvertreten" hat. 364 Paulus NStZ 1985, 520 f.; vgl. o. 1. Teil IX. 7.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Es mag auf den ersten Blick praktisch erscheinen, gegen mit der Verteidigerbestellung zusammenhängende Entscheidungen Beschwerde zuzulassen. Unterläuft dem erkennenden Gericht hier ein Fehler, müßte bei erfolgreicher Revision die ganze Hauptverhandlung wiederholt werden. Ein der Revision vorgeschaltetes Beschwerdeverfahren würde indessen Mängel ausmerzen können, prinzipiell aber nichts daran ändern, daß auch der Beschwerdeinstanz Fehler unterlaufen. Das Beschwerdegericht verfügt nicht zwingend über die bessere Erkenntnis. Sein Entscheid ist Vorentscheidung i.S. von § 336 S. 1. Ein Verfahrensfehler des erkennenden Gerichts entgeht nicht deshalb der Revisionsrüge, weil er durch das Beschwerdegericht nicht korrigiert wurde, und eine unrichtige Vorentscheidung verhindert nicht deshalb die Urteilsaufhebung, weil sie nicht vom erkennenden, sondern vom Beschwerdegericht stammt.
ce) Der Hinweis auf die "nicht nochmalige Überprüfung bei der Urteilsfällung" Das Gericht hat die Iustizförmigkeit seines Verfahrens in jedem Stadium zu überprüfen. Wegen der in § 141 IV angeordneten Zuständigkeit des Vorsitzenden fragt sich jedoch, ob es Fehler des Vorsitzenden überhaupt korrigieren kann. 365 Eine Ansicht hält die Beanstandungsmöglichkeit nach § 238 11 für gegeben,366 die andere lehnt sie ab. 367 Der Ausschluß des Beanstandungsrechts nach § 238 11 - und die damit unterbleibende erneute Prüfung vor der Urteilsfällung - sind offenbar für das OLG Hamburg das Motiv, die Zulässigkeit der Beschwerde zu bejahen?68 Wie ausgeführt wurde, ist das Beanstandungsverfahren der Revision vorgelagert und schließt Beschwerde aus. 369 Nicht weit von der durch ihn abgelehnten Argumentation des OLG Hamburg ist allerdings Wagner entfernt, wenn er die Beschwerdefähigkeit der Entscheidung deshalb bejaht, weil sie bei der Urteilsfallung nicht überprüft werden könne. Damit würde die Entscheidung "endgültig", und der Zusammenhang mit der Urteilsfallung sei nicht gegeben. 37o Dem kann nicht zugestimmt werden. Sollte wirklich das Kollegium die Entscheidung des Vorsitzenden nicht korrigieren können, so tritt die dem Revisionsverfahren nicht 365 Nachweise bei Paulus NStZ 1985,520 (Anm. 12), dazu oben im Text zu § 238 11. 366 OLG Hamm NJW 1973, 818; JMBINW 1974, 89; OLG Zweibrücken VRS 50, 437; OLG Karlsruhe MDR 1979,780; OLG Köln NStZ 1982,129 (Beschwer verneint, gleichwohl wird § 238 11 als statthaft angesehen); Giesler, S. 289 ff.; Paulus NStZ 1985, S. 520 (Anm. 12). 367 Bohnert. S. 120ff.; LR-23-Dünnebier § 141 Tz. 25; KK-Laujhütte § 141 Tz. 12; OLG Koblenz wistra 1983, 122: § 305 schließt Beschwerde deshalb nicht aus, weil die Bestimmung nur Entscheidungen des erkennenden Gerichts, nicht aber des Vorsitzenden erfaßt. Auf § 238 11 wird nicht eingegangen. 368 OLG Hamburg IR 1986,257. Das wird zwar nicht ausdrücklich erklärt, kommt aber in folgender Wendung zum Ausdruck: "Schon das Gebot, dem Angeklagten einen ausreichenden Rechtsschutz zu gewähren ... , erfordert es hier, dem Angeklagten den Beschwerdeweg ... offenzuhalten. Denn mit der Revision kann in dieser Richtung ... nur ein in der Hauptverhandlung ergangener Gerichtsbeschluß gerügt werden ... " Auch Wagner (IR 1986, 259, r. Sp.) versteht die Entscheidung in diesem Sinne. 369 Vgl. O. 4. Teil I. 2. 370 Wagner IR 1986, 260; im Anschluß hieran Schwentker, S. 254.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
fremde Konstellation ein, daß das erkennende Gericht Entscheidungen "mitvertreten" muß, die nicht von seinem eigenen Spruchkörper stammen. 371 Die Prämisse, Beruhenseignung setze zwangsläufig voraus, daß das Gericht bei Urteilsfällung die betreffende Vorentscheidung auch abzuändern in der Lage sei, ist unrichtig, die StPO kennt durchaus beruhensgeeignete Vorentscheidungen, die der Überprüfung des erkennenden Gerichts nicht zugänglich sind, etwa die Beschwerdeentscheidung. Korrigiert das Beschwerdegericht das erkennende Gericht, ist dieses hieran gebunden. 372 Gleichwohl unterliegt diese Entscheidung, wenn sie (fälschlicherweise) im Beruhensbereich ergeht, voller Kontrolle des Revisionsgerichts. Die "nochmalige Überprüfung bei der Urteilsfällung" ist also kein Kriterium für oder gegen die Beruhenseignung.
Es bleibt also dabei: Entscheidungen zur Verteidigerbestellung sind im Hauptverfahren nicht beschwerdefähig,373 sondern revisibel, soweit das Recht des Angeklagten auf Verteidigung betroffen ist, da es der Einflußnahme auf die gerichtliche Tatsachenfeststellung dient. Mit Revision angreifbar sind daher Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung und -Auswahl desselben. Dabei macht es entgegen Paulus 374 keinen Unterschied, ob die jeweilige Entscheidung in oder außerhalb der Hauptverhandlung ergeht. Sein Hinweis auf den Willen des historischen Gesetzgebers zieht nicht, denn das Gesetz hat sich in §§ 305 S. I, 336 S. I - insoweit abweichend vom Entwurf I - dafür entschieden, auch außerhalb der Hauptverhandlung gefällte Entscheidungen der Beschwerde nicht zu unterwerfen. Auch die Berufung auf die anfängliche h.M. ist nicht stichhaltig; daß diese in der Regel außerhalb der Hauptverhandlung erlassene Entscheidungen nicht unter § 305 zählte, lag daran, daß damals, anders als heute, solche Entscheidungen für nicht revisibel gehalten wurden, somit kein Bedürfnis nach einem Beschwerdeausschluß bestand. Zeichnet sich die Gefahr ab, daß der bisherige Verteidiger "die zur reibungslosen Durchführung der Hauptverhandlung erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann oder treffen will", darf das Gericht neben dem Wahl- einen Pflichtverteidiger bestellen. 375 Diese Bestellung geschieht an sich zur Sicherung eines reibungslosen Verfahrensfortgangs. Eine dem Angeklagten, der bereits einen Wahlverteidiger hat, gegen seinen Willen aufgezwungene Pflichtverteidigung tangiert indessen die Prozeßordnungsgemäßheit der Interaktion, weil das rechtlich geschützte Interesse des Angeklagten an der Einwirkung auf die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung inso371 Darauf weist bereits Bohnert, S. 122, hin: "Die Folge dieser Annahme wäre die Rechtslage, daß das urteilende Gericht, das mehrheitlich von der Fehlerhaftigkeit der Maßnahme seines Vorsitzenden überzeugt wäre, gegen die drohende Revisibilität des Urteils nichts unternehmen könnte." 372 So etwa in dem bereits erwähnten Fall, daß das Beschwerdegericht auf Beanstandung durch den Dritten die Frage für unzulässig hält. 373 Wie hier (Verneinung der Beschwerdefähigkeit) Schlüchter Tz. 656 (am Ende); Ellersiek, S. 125. 374 Paulus NStZ 1985,520; ebenso OLG Hamm StV 1990, 103 gegen OLG Hamm NStZ 1987,476. 375 BGH 15, 306 (309, obiter)
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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fern berührt ist, als die Verteidigungskonzepte von Pflicht- und Wahlverteidiger divergieren können. Das kann für den Angeklagten nachteilig sein, weil die von ihm (mit seinem Wahlverteidiger) geplante Strategie durch den Pflichtverteidiger gestört werden könnte. Dies erkennt das OLG Frankfurt, läßt aber zu Unrecht Beschwerde ZU. 376 Richtig wäre es gewesen, die Beruhenseignung einer solchen Maßnahme und damit Revisibilität zu bejahen, Statthaftigkeit der Beschwerde zu verneinen. c) Entscheidungen im Zwischenverfahren
Für Entscheidungen aus dem Zwischenverfabren gilt der Ausschluß des § 305 S. 1 nicht, wohl aber ist Beschwerdesperre durch § 201 11 2 angenommen worden?77 Diese Ansicht ist unhaltbar, die entsprechende Entscheidung des OLG Hamm ist nicht auf Zustimmung gestoßen. 378 Die Unanfechtbarkeit nach Maßgabe des § 201 11 2 betrifft nur den Regelungsgehalt des § 201. 379 Das Recht auf Beschwerde nach § 304 gegen mit der Verteidigerbestellung zusammenhängende Entscheidungen ist also durch § 201 11 2 nicht versagt.
d) Zurückweisung des Verteidigers Auch soweit sie durch das erkennende Gericht ausgesprochen wird, ist die Zurückweisung eines Verteidigers nach verbreiteter Auffassung beschwerdefähig,380 wobei § 305 S. 1 nicht im Wege stehen soll?81 Wenn hierfür überhaupt eine 376 377
Dahs.
OLG Frankfurt StV 1987,379. OLG Hamm JZ 1951, 121, dagegen OLG Bremen NJW 1951, 454 mit zust. Anm.
Vgl. Dahs NJW 1951,454. LR-Rieß § 201 Tz. 37, der eigens Entscheidungen zur Verteidigerbestellung von der Unanfechtbarkeit ausnimmt. Anderes gilt für Entscheidungen über die Auswahl eines Sachverständigen, sie betreffen die weitere Sachaufklärung, unterliegen daher dem Regelungsgehalt des § 202 S. 2, sind mit Beschwerde nicht anfechtbar (OLG Düsseldorf NStE Nr. I zu § 202 StPO) und der Revision ebenfalls verschlossen. 380 KK-Laujhütte § 146 Tz. 16 und § 137 Tz. 15: Die Zurückweisung des Verteidigers bereitet nicht die Urteilsflillung vor und ist auch nicht dazu bestimmt. Sie dient der Sicherung des justizförmigen Verfahrens; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 146 aTz. 8 mit weiteren Nachweisen; LR-Lüderssen § 146 aTz. 16; anders KMR-Müller § 146 aTz. 11, der allerdings § 305 S. I im Anschluß an Paulus NStZ 1985,519 (520) auf Entscheidungen in der Hauptverhandlung beschränkt. Letzteres ist abzulehnen, da § 305 von der Eröffnung an gilt; OLG Hamm NStZ 1987,476. 381 Nicht einschlägig OLG Köln NStZ 1982, 129; die Beschwerde war von der Verteidigerin im eigenen Namen eingelegt worden, so daß nicht § 305 S. I, sondern S. 2 zu prüfen war. Das OLG ließ die Zulässigkeit am Fehlen der Beschwer (die Verteidigerin als dritte Person i. S. des § 305 S. 2) scheitern; ebenso OLG Hamm MDR 1993, 1226; nicht einschlägig ferner OLG München NJW 1976, 863. Hier war Beschwerde ebenfalls durch die Verteidiger 378
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Begründung gegeben wird, kehrt der gleiche Ansatz wieder wie bei der Beurteilung der Beschwerdefähigkeit von Entscheidungen zur Pflichtverteidigerbestellung: Die "Justizförmigkeit des Verfahrens" sei berührt, und die Entscheidung diene nicht der Vorbereitung des Urteils?82 Ausschlaggebend für die Rechtsmittelwahl kann indessen allein die Beruhenseignung sein. Nur wenn Beschwerde ausschließlich im Namen des Verteidigers eingelegt wird, ist der Beruhenszusammenhang irrelevant, dann ist nicht § 305 S. 1, sondern S. 2 einschlägig?83 Ein anderes Problem stellt die im Rahmen der engeren Zulässigkeit zu prüfende Beschwer dar?84 Zweifel an der Beruhenseignung der Verteidigerzurückweisung könnte eine Randbemerkung in BGH 27, 154 auslösen?85 Danach hat die Zurückweisung, "welche die für § 146 StPO maßgebenden Abgrenzungskriterien im Einzelfall verfehlt, ohne sie willkürlich zu mißachten, nicht die Bedeutung einer den Beschuldigten belastenden Beschränkung seiner Verteidigung, wenn er anderweit ordnungsgemäß verteidigt ist " 386
Die Entscheidung wird von Praktikabilitätserwägungen geleitet. Sie hat "Folgeprobleme für das Verfahren,,387 im Blick, denn angesichts der "Unsicherheit bei der Anwendung" könne ein Fehlgriff im Zusammenhang mit § 146 den Bestand des Urteils gefährden. Dem dadurch zu entgehen, daß Revisibilität nur unter engen Voraussetzungen angenommen wird, mag gewiß pragmatisch, dürfte aber eines Revisionsgerichts nicht würdig sein, werden doch die Bedürfnisse der "Praxis" schon hinreichend durch den Gesetzgeber berücksichtigt, indem er - etwa durch die Einfügung des § 336 S. 2 - den Instanzgerichten Unbill in Gestalt revisionsbedingter Urteilsaufhebung fernhält. Nun kommt § 336 S. 2 für die Verteidigerzurückweisung nach § 146 a nicht zum Zuge, weil letztere Bestimmung sofortige Beschwerde gegen die im Erkenntnisverfahren getroffenen Anordnungen nicht vorsieht. Der BGH sollte sich nicht dazu hergeben, auf anderem Wege Entscheidungen des erkennenden Gerichts vor der Revision in Schutz zu nehmen. In einer Zeit, die selbst richterlichem Ermessen eine Überprüfung durch das Revisionseingelegt, allerdings nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen der von ihnen vertretenen Angeklagten. Das Rechtsmittel betraf jedoch die Zurückweisung der Verteidiger durch das nichterkennende Gericht, die Tatsacheninstanz war bereits abgeschlossen. 382 So KK-Laujhütte § 137 Tz. 15. 383 OLG Köln NStZ 1982, 129 und BGH 26, 291 (die Entscheidung betrifft das Ermittlungsverfahren, so daß § 305 ohnehin nicht anzuwenden war). 384 Verneinend OLG Köln NStZ 1982, 129; OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1996, 272 (Beschwerderecht allenfalls bei willkürlicher Entscheidung); bejahend BGH 26, 291; 27, 148 (149); Kleinknecht/Meyer-Goßner § 141 Tz. 10. 385 Beschwerde gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters des BGH: § 305 S. 1 war nicht einschlägig, da die mit Beschwerde angefochtene Entscheidung nicht im Hauptverfahren ergangen war. Die Ausführungen zur Revision sind nichts als obiter dicta. 386 BGH 27, 154 (159); LR-Lüderssen § 146 aTz. 20 hält dies für "nicht unbedenklich". 387 BGH 27,154 (158); 27, 22 mit Besprechung H. W Schmidt MDR 1977,531.
11. Entscheidungen im Hauptverfahren
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gericht nicht erspart, dürfte für derartige Kunstgriffe kein Raum sein. Auch ist Schwierigkeit in der Handhabung dieser Vorschrift kein Grund für den Ausschluß der Revision. Der Satz der angeführten Entscheidung, Verfahrens vorschriften sollten nicht so ausgelegt werden, daß sie vornehmlich Verwirrung in das Verfahren tragen,388 ist sicherlich weise; daß sich ein oberstes Bundesgericht zu einer Bemerkung dieser Art veraniaßt sieht, läßt jedoch aufhorchen, wird doch die erwähnte Verwirrung 389 schon durch den Gesetzgeber geschaffen, der den Strafprozeß durch Maßnahmegesetze aus dem Katalog des politischen Tagesgeschäftes zu gängeln sucht und dabei das Jahrhundertwerk der StPO oft auf das Niveau einer Lohnsteuerrichtlinie herabwürdigt. Die Revisibilität der Verteidigerzurückweisung an sich wird indessen durch BGH 27, 154 nicht berührt; selbst nach dieser Entscheidung steht fest, daß die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eine Beschränkung der Verteidigung sein kann, wobei generell nur strittig ist, ob § 338 Nr. 5 oder Nr. 8 oder lediglich § 337 zur Anwendung gelangt. 390 Die Zurückweisung des Verteidigers ist also revisibel und nicht beschwerdefahig, das im Recht auf Verteidigung integrierte Anliegen an der Einwirkung auf die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung wird auch dabei berührt; entsprechende Entscheidungen des erkennenden Gerichts werden von §§ 305 S. 1,336 S. 1 erfaßt. 7. Entscheidungen nach §§ 81,81 a
a) Entscheidungen nach § 81
Zur Vorbereitung eines Gutachtens kann gemäß § 81 I das Gericht verfügen, den Angeschuldigten in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus zu bringen und dort beobachten zu lassen. § 81 IV läßt gegen eine derartige Anordnung sofortige Beschwerde zu. 391 Zur Frage der Beschwerdefähigkeit einschlägiger Maßnahmen des erkennenden Gerichts äußert sich eine RG-Entscheidung, die den Satz aufstellt, § 81 IV sei durch § 305 S. 1 modifiziert, so daß solche dem Urteil vorausgehende Entscheidungen nicht der Beschwerde, sondern den gegen das Urteil eröffneten Rechtsmitteln unterlägen?92 Demgegenüber bezeichnen spätere OLG-Urteile § 81 IV als lex specialis zu § 305 S. 1. 393 BGH 27, 154 (159). Vgl. zur Entstehungsgeschichte Dünnebier; Pfeiffer-Fschr., S. 283 ff. 390 Vgl. zum Problem LR-Lüderssen § 146 aTz. 18. 391 Zum folgenden vgl. Bohnert, S. 137 ff. 392 RG 20, 378; es ist die einzige Entscheidung, in der sich das RG mit dieser Frage befaßt, vgl. Maquet, S. 43; wie RG 20, 378 Schuler; S. 67 ff. (70). 388
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Ob sich indessen die genannten Entscheidungen tatsächlich so konträr gegenüberstehen, wie dies von Bohnert dargestellt wird,394 ist zweifelhaft. RG 20, 378 befaßt sich mit einer Revision des Angeklagten gegen die Ablehnung einer Anordnung nach § 81 1. 395 Inzidenter sieht sich das RG veranlaßt, zur Beschwerdefähigkeit Stellung zu nehmen, offensichtlich deshalb, weil es bei Zulässigkeit sofortiger Beschwerde gegen die Vorentscheidung die Revision als unzulässig angesehen hätte. Das Gericht hätte es sich nun einfach machen und feststellen können, sofortige Beschwerde sei hier nicht statthaft; § 81 IV (bzw. damals § 81 III a. E) sieht sofortige Beschwerde nur gegen die Anordnung, nicht gegen deren Ablehnung vor. Damit wäre die revisionsrechtliche Vorfrage beantwortet gewesen. Unglücklicherweise, weil verwirrend, nimmt das RG allgemein zur Beschwerdefähigkeit der Beschlüsse nach § 81 I Stellung. Das war im konkreten Fall nicht geboten, so daß der Satz, § 81 IV sei durch § 305 S. 1 modifiziert, nur als obiter dictum zu gelten hat, zumindest für die Fälle, in denen es um eine anordnende Maßnahme geht. Die Untersuchung sieht den Lösungsansatz für die Beurteilung der Beschwerdefähigkeit nicht im Verhältnis der §§ 305 S. 1, 81 IV zueinander. Es geht vielmehr um die Reichweite des § 305 S. 1 gegenüber § 304 I. Wird die sofortige Beschwerde des § 81 IV als Prozeßbeschwerde gesehen, leitet sie ihre Statthaftigkeit nicht aus § 81 IV, sondern aus § 304 I her, der seinerseits durch § 305 S. 1 eingeschränkt wird. Demnach ist dessen Geltungsbereich gefragt, ob also die Anordnung nach § 81 I, wenn sie vom erkennenden Gericht stammt, Vorentscheidung i.S. des § 305 S. 1 ist. In keinem Fall besteht zwischen § 81 IV und § 305 S. 1 Spezialität der einen gegenüber der anderen Vorschrift. Sie sind beide gleichermaßen Spezialregelungen im Verhältnis zu § 304 I. § 81 IV klassifiziert die Beschwerde als "sofortige" und ordnet damit die Rechtsfolgen des § 311 an. § 305 S. 1 entzieht bestimmte Entscheidungen der Beschwerdefähigkeit und weist sie in Verbindung mit § 336 S. 1 der Revision zu. Wenn § 81 IV die Statthaftigkeit gar nicht regelt, kann diese Bestimmung nicht Sondervorschrift zu dem die Statthaftigkeit eingrenzenden § 305 S. 1 sein. Umgekehrt vermag § 305 S. 1 den § 81 IV schon deshalb nicht einzuschränken, weil letzterer den Regelungsbereich des ersteren nicht umfaßt. 393 OLG Stuttgart NJW 1961, 2077; KG JR 1965,69; OLG Köln MDR 1951, 373 (374); Schlüchter Tz. 283.3 und 659. 394 Bohnert, S. 137 f. 395 Ebenso die Konstellation, die LG Köln NStZ-RR 1996, 267 zugrundelag. Der Beschluß hält zutreffend gegen den die Unterbringung ablehnenden Beschluß die Beschwerde nach § 304 I für statthaft. Offenbar war im konkreten Fall das Hauptverfahren noch nicht eröffnet, so daß § 305 S. I nicht einschlägig war. Wie LG Köln OLG Braunschweig NJW 1955,1492; OLG Stuttgart Justiz 1972,231; Schlüchter Tz. 283.2 (§ 81 IV verdrängt § 304 I nur bezüglich der anordnenden Entscheidung; bezüglich der ablehnenden gilt § 304 I, so daß im Vorverfahren Beschwerde statthaft ist, im Hauptverfahren dagegen wegen § 305 S. 1 nicht, Schlüchter Tz. 284); ebenso HK-Lemke § 81 Tz. 26; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 81 Tz. 31, jeweils mit weiteren Nachweisen.
II. Entscheidungen im Hauptverfahren
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Wird die sofortige Beschwerde nach § 81 IV als Rechtsmittel eigener Art angesehen, das seine Statthaftigkeit nicht aus § 304 I, sondern unmittelbar aus § 81 IV ableitet, gilt nichts anderes, denn dann ist § 81 IV von § 305 S. 1 erst recht nicht angesprochen. § 305 S. 1 richtet sich nur an die Prozeßbeschwerde, ist nicht auf andere Bestimmungen anwendbar, die sofortige Beschwerde als besonderen Rechtsbehelf konstituierend zulassen. 396 Positiv kann hier die Fragestellung nur dahin gehen, ob § 81 IV die sofortige Beschwerde als Prozeßbeschwerde statuiert. Dann hängt die Beschwerdefahigkeit davon ab, ob die betroffene Entscheidung eine vorausgehende i.S. des § 305 S. 1 darstellt. Das Gesetz liefert keinen Grund zur Annahme, § 81 IV eröffne die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art. Das würde nämlich bedeuten, daß schon in der ersten Fassung der StPO (damals § 81 III StPO 1877) Entscheidungen des erkennenden Gerichts einer eigenständigen Beschwerde ohne die Einschränkung des § 305 S. 1 unterlegen hätten. Eine derartige Kreation ist jedoch dem Gesetz erstmals 1974 durch die Einführung des § 231 a III 3 beschert worden?97 Diese Bestimmung unterwirft revisiblen Prozeßstoff unter Ausschaltung der §§ 304, 305 S. 1 konstitutiv der sofortigen Beschwerde. Für § 81 IV kann dies nicht angenommen werden, denn die Vater der StPO hatten dem Gesetz Systematik in die Wiege gelegt und verstanden als sofortige Beschwerde nur diejenige, die sich von der einfachen durch die Besonderheiten des § 311 unterschied, im übrigen in § 304 I wurzelte. § 81 IV regelt deshalb einen Fall der sofortigen Prozeßbeschwerde, und es ist nur noch von Interesse, wie weit das Rechtsmittel von den Grenzziehungen des § 305 S. 1 betroffen wird. Die These der Spezialität des § 81 IV zu § 305 S. 1 war vor den beiden Entscheidungen des KG und des OLG Stuttgart398 auf etwas subtilere Weise durch das OLG Köln begründet worden. 399 Es ordnete § 81 IV dem § 305 S. 2 zu, gleichsam als weitere Ausnahme von der Regel des § 305 S. 1. Auch dieser Ansatz wird dem Wesen der Prozeßbeschwerde nicht gerecht, weil er verkennt, daß nach der dem Gesetz von 1877 zugrundeliegenden Systematik § 81 IV zur Statthaftigkeit keinerlei Aussage enthält und demzufolge nicht, wie es dem OLG Köln vorschwebt, die durch § 305 S. 1 durchbrochene Grundregel des § 304 I auch nur teilweise wiederherstellen kann, wie dies durch § 305 S. 2 geschieht. Die an sich sehr tiefgründigen Erwägungen des OLG Köln verflachen in den späteren Entscheidungen von KG und OLG Stuttgart zu der schlichten Feststellung, § 81 IV sei Sondervorschrift gegenüber § 305 S. 1. Heute wird diese Problematik nicht mehr erörtert. Die derzeitige h.M. bejaht Beschwerdefahigkeit von Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 81 I aus anderen Gründen. Der Schutz des Angeklagten werde 396 Zur Abgrenzung der sofortigen Prozeßbeschwerde von der sofortigen Beschwerde als Rechtsmittel eigener Art vgl. o. Einführung I. 4. 397 Vgl. o. 1. Teil III. 1. und Einführung I. 3. 398 OLG Stuttgart NJW 1961,2077; KG JR 1965,69. 399 OLG Köln MDR 1951, 373 (374).
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5. Teil: Die Beschwerdefahigkeit einzelner Entscheidungen
ohne die Beschwerdemöglichkeit "illusorisch", weil die Unterbringung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, selbst wenn sie vom Revisionsgericht als rechtswidrig bezeichnet wird. 400 Damit werden Entscheidungen nach § 81 I, soweit sie eine Unterbringung anordnen, als beschwerdefähig angesehen. Durch § 336 S. 2 sind sie damit zugleich der Revision entzogen. Die h.M. argumentiert zur Revision doppeigleisig, indem sie zum einen Beruhenseignung verneint, weil die Unterbringung nur zu einer besonders gründlichen Klärung des Zustands des Angeklagten führe, andererseits auf § 336 S. 2 verweist, der Revision wegen möglicher sofortiger Beschwerde ausschließt. 401 Beides ist für sich betrachtet schlüssig, zusammen genommen aber nicht stimmig, da § 336 S. 2 Satz 1 dieser Vorschrift und damit Beruhenseignung voraussetzt, die zuvor verneint wurde. Offenbar soll gesagt werden, Revision sei in jedem Fall wegen § 336 S. 2 versagt, gleichgültig ob die betreffende Entscheidung beruhensgeeignet ist oder nicht, so daß die Frage des Beruhens dahinstehen könne. Hängt jedoch die Beschwerdefähigkeit der Entscheidungen des erkennenden Gerichts von fehlender Beruhenseignung ab und ist die Entscheidung nach § 81 I beruhensgeeignet, unterliegt sie als Vorentscheidung der Überprüfung des Revisionsgerichts nach § 336 S. 1, wird der Revision nicht etwa durch Satz 2 dieser Vorschrift entzogen, da bei Beruhenseignung zugleich die sofortige Beschwerde des § 81 IV wegen § 305 S. 1 verschlossen ist. Revisibilität der ablehnenden Entscheidung aus § 81 I wird von RG 20,378 verneint. Diese Ansicht ist insofern überholt, als die Gesetzesänderung von 1950 die Ausschließlichkeit des bis dahin nur dem Sachverständigen vorbehaltenen Antragsrechts beseitigt und nunmehr den Prozeßbeteiligten das Recht zur Stellung des Beweisantrags eröffnet hat. 402 Damit ist die fehlerhafte Ablehnung eines Antrages - wie die jedes anderen Beweisantrages - generell beruhensgeeignet, revisibel, nicht beschwerdefähig,403 berührt ist nämlich die gerichtliche Entscheidungsbildung. Die Anordnung der Unterbringung ist hingegen nur dann beruhensgeeignet, wenn die oben404 angesprochene Polarität zwischen Entscheidung und "Gegenent400 Die Begründung geht auf Hellweg zurück, vgl. LR l2-Hellweg § 81 Anm. 9; LR 23Meyer § 81 Tz. 43; LR-Dahs § 81 Tz. 39 (leitet Beschwerdefähigkeit nicht aus § 305 S. 2 her, weil diese Vorschrift nur die Unterbringung nach § 126 a versteht, wohl aber aus dem oben im Text geschilderten Gedanken der nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung); Maquet. S. 33; Ferdinand. S. 103; die Unterbringung wird mit den von § 305 S. 2 erwähnten Eingriffen (Verhaftungen pp.) gleichgestellt, vgl. Rasch Recht 1912, 510 (514), auch LZ 1916,218; KleinknechtlMeyer-Goßner § 81 Tz. 28; PfeifferlFischer § 81 Tz. 4; KK-Pelehen § 81 Tz. 12; Fezer 1/7 Tz. 12; für Entscheidungen nach § 73 JGG OstendorJ § 73 Tz. 12; Eisenberg § 73 Tz. 20 und Beweisrecht Tz. 1705. AK StPO-Wassennann § 81 Tz. 12 (wegen Spezialität des § 81 IV); Schlüchter Tz. 283.1 (wegen § 305 S. 2). 401 LR-Dahs § 81 Tz. 43; LR-Gollwitzer § 305 Tz. 22; KK-Pelchen § 81 Tz. 14. 402 LR-Dahs § 81 Tz. 6; KK-Pelchen § 81 Tz. 4 (jeweils mit weiteren Nachweisen). 403 LR-Dahs § 81 Tz. 42. 404 1. Teil IX. 5. g).
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scheidung" besteht. § 81 I schützt die prozeßordnungsgemäße Interaktion und die hieraus resultierende Entscheidungsfindung des Gerichts, indem sie den Prozeßbeteiligten ermöglicht, bestimmte Beweise erheben zu lassen und in die Verhandlung einzubringen. Die fehlerhafte Entscheidung (Ablehnung der Unterbringung) verletzt dieses Recht (etwa auf Feststellung der Schuldunfahigkeit des Angeklagten). Die fehlerhafte Gegenentscheidung (Anordnung der Unterbringung) ist nur dann beruhensgeeignet, wenn auch das polare Gegeninteresse, die Einbringung solcher Tatsachen zu verhindern, ratio der Vorschrift wäre. Da die Fragestellung der bei § 81 a entspricht, sollen die Ausführungen hierzu dort fortgesetzt werden. b) Entscheidungen nach § 81 a Wahrend § 81 Freiheitsbeschränkungen gestattet, ermöglicht § 81 a Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, auch Freiheitsbeschränkungen da, wo dies zur Vornahme und Vollziehung der Untersuchungsanordnung erforderlich ist. 405 Die Anfechtbarkeit der nach § 81 a ergehenden Entscheidungen des erkennenden Gerichts ist umstritten. 406 Ältere Rechtsprechung hält Beschwerde ausnahmslos für unzulässig;407. 408 neuerdings wird diese in entsprechender Anwendung des § 305 S. 2 für statthaft angesehen, wenn die betreffende Anordnung zu einer Freiheitsentziehung oder einem körperlichen Eingriff führt, der mit den in § 305 S. 2 erwähnten gleichzustellen ist. 409 Anders als in § 81 IV für Anordnungen nach § 81 I wird in § 81 a die Beschwerde gegen Beschlüsse nicht ausdrücklich erwähnt. Revision soll auf Verstoß gegen § 81 a nur gestützt werden können, wenn das Urteil bei der Beweiswürdigung ein Untersuchungsergebnis trotz eines VerwerLR-Dahs § 81a Tz. 4. Zum folgenden vgl. Bohnert, S. 137ff.; Ellersiek, S. 128 ff. 407 OLG Hamm NJW 1959,447; OLG Frankfurt NJW 1957, 839; OLG Hamburg MDR 1949, 122. 408 Fragen der Verhältnismäßigkeit - besonders im Ermittlungsverfahren - erörtert Solbach MedR 1987, 80 ff. 409 KleinknechtlMeyer-Goßner § 81 aTz. 30; PfeifferlFischer § 81 aTz. 8; KK-Pelchen § 81 aTz. 13; KMR-Paulus § 81 aTz. 52 im Anschluß an OLG Stuttgart Justiz 1967, 245; LR-Dahs § 81 aTz. 68; grundlegend Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 21 ff.; Ellersiek, S. 125 ff.; zur Anordnung eines Trinkversuchs HentschellBom Tz. 50 und LG Bremen NJW 1968, 208 (Beschwerde trotz § 305 S. 1 statthaft). Entscheidungen über Verhaftungen pp. wurden jedoch bei Erlaß der StPO durch § 305 S. 2 nicht deshalb vom Beschwerdeausschluß ausgenommen, weil sie Eingriffe in die Rechte des Beschuldigten darstellen, sondern weil sie als nicht beruhensgeeignet empfunden wurden. Der innere Zusammenhang mit dem Urteil wird schon im Entwurf I verneint, vgl. Entwurf I S. 213: "Gegen solche Entscheidungen des erkennenden Gerichts hingegen, welche in keinem inneren Zusammenhange mit der Urteilsfällung stehen, also gegen Entscheidungen über Verhaftungen ... , ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig." Auf diesen Gedanken weist bereit Kramer Tz. 330 hin. 405
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
tungsverbots berücksichtigt. 410 Daß indessen die Frage nach dem Verwertungsverbot, soweit es sich um Gesetzesverletzungen durch das erkennende Gericht handelt, überflüssig ist, wurde oben dargelegt. 411 Wie bei anderen Verfahrensfehlern kommt es auch hier nur darauf an, ob eine auf die Art der gerichtlichen Entscheidungsbildung abzielende Bestimmung verletzt wurde, also eine solche, die positiv durch Einbringung oder negativ durch Fernhaltung von Tatsachen auf die gerichtliche Sachverhaltsfeststellung Einfluß nehmen soll. Bei §§ 81, 81 a könnte es um "Negativbefugnisse" des Beschuldigten, bestimmte Beweismittel aus dem Verfahren herauszuhalten, gehen. Sowohl § 81 als auch § 81 a zielen jedoch ausschließlich darauf, den Beschuldigten vor Freiheitsbeschränkungen und gesundheitlichen Gefahren unzulässiger Eingriffe zu schützen. Sie dienen nicht der Qualitätssicherung des Beweismittels, nicht dem "Verhinderungsinteresse" des Beschuldigten (d. h. der Fernhaltung bestimmter Faktoren von der gerichtlichen Entscheidungsbildung)412 und sind daher nicht beruhensgeeignet,413 sondern beschwerdefähig.
8. Entscheidungen über den Inhalt des Protokolls und die Art der Protokollierung
a) Die herrschende Ansicht Rechtsprechung und Lehre variieren in der Frage der Beschwerdefähigkeit von Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Protokoll. Beruhenseignung wird generell verneint, sowohl für Entscheidungen über den Inhalt des Protokolls als auch die Art der Protokollierung nach § 273 III. 414 Dient allerdings die beantragte bzw. abgelehnte Protokollierung verfahrens fremden Zwecken, liege mangelnde Beruhenseignung "auf der Hand,,;415 ansonsten, etwa bei der Dokumentation eines Verfahrensfehlers, könne das Urteil allenfalls auf diesem selbst, nicht hingegen auf 410 Vgl. Kleinknechtl Meyer-Goßner § 81 aTz. 34; LR-Dahs § 81 aTz. 81; KK-Pelchen § 81 Tz. 15. 411 1. Teil IX. 5. h). 412 Roxin § 24 D III 2f. (S. 155) für § 81 a. 413 Der gegenteiligen Auffassung von Wedemeyer (NJW 1971, 1902f.) und Weiler (NStZ 1995,98), die das aus § 136 a III 2 resultierende Verwertungsverbot auf unter Verletzung des § 81 a zustandegekommene Beweisergebnisse erstrecken wollen, kann nicht gefolgt werden. Weil nach der hier vertretenen Ansicht hypothetische Erwägungen grundsätzlich zur Bestimmung des Beruhenszusammenhangs irrelevant sind, kommt es für die Verwertbarkeit einer entgegen den Regeln des § 81 a entnommenen Blutprobe auch nicht darauf an, ob diese hätte angeordnet und durchgesetzt werden können (so aber OLG Zweibrücken NStE Nr. 9 zu § 81 a mit abI. Anm. Weiler NStZ 1995,98). 414 KleinknechtlMeyer-Goßner § 271 Tz. 30, § 273 Tz. 36 und § 344 Tz. 26; KMR-Müller § 271 Tz. 34, § 273 Tz. 26; KK-Engelhardt § 271 Tz. 27, § 273 Tz. 35; LR-Gollwitzer § 271 Tz. 71, § 273 Tz. 59; BGH 7, 162 und NStZ 1991,502. 415 KK-Engelhardt § 273 Tz. 35; nur für diesen Fall bejaht SK-Schlüchter § 273 Tz. 42 die Statthaftigkeit der Beschwerde und verneint § 305 S. 1.
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dessen Protokollierung bzw. deren Ablehnung gründen. 416 Beschwerdefähigkeit nimmt die h.M. nur bei Protokollberichtigung und deren Ablehnung an. 417
Im Rahmen des § 273 III 2 wird demgegenüber nach dem Zweck differenziert, den die beantragte "vollständige Niederschreibung" verfolgt. Nur wenn sie aus verfahrensfremden Motiven (z. B. für den Nachweis in einem anderen Verfahren) begehrt wird, soll die Verletzung des § 273 III beschwerdefähig sein; werden mit der Niederschreibung dagegen verfahrensinteme Ziele angestrebt, soll Beschwerde nach § 305 S. 1 ausgeschlossen sein. 418 b) Die hier vertretene Auffassung
Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Protokoll ergehen typischerweise in der Hauptverhandlung. Da sie durch den Vorsitzenden erlassen werden, schließt § 238 11 Beschwerde auch gegen die Gerichtsentscheidung aus. § 273 III 2 verdrängt § 238 11 für die besondere Protokollierung des § 273 11 1. Nur gegen die Ablehnung, nicht aber gegen die Anordnung kann das Gericht angerufen werden. 419 c) Exkurs: Die Beruhenseignung von Protokollentscheidungen
aa) Entscheidungen über die Art der Protokollierung (§ 273 III 2) Neuere Auffassungen bejahen Beruhenseignung einer Verletzung des § 273 III 2, vennögen sich jedoch nicht von der kausalitätsbezogenen Betrachtungsweise zu lösen. Ulsenheimer sieht den Wert der Protokollierung in besserer Dokumentation der getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Es sei nicht auszuschließen, daß bei Beachtung des § 273 III durch "erleichterte Verwertung, präzisere Erfassung und unmittelbare Gegenwärtigkeit" ein Urteil für den Angeklagten möglicherweise günstiger als geschehen ausgefallen wäre. 420 Das OLG Bremen zieht den Gedan416 LR-Gollwitzer § 273 Tz. 59; KK-Engelhardt § 273 Tz. 35; SK-Schlüchter § 271 Tz. 31 und § 273 Tz. 44. 417 Allerdings kann nicht geltend gemacht werden, daß ein bestimmter Vorgang in der Hauptverhandlung unrichtig protokolliert worden ist, nur Prüfung von Rechtsfehlern ist möglich; KleinknechtlMeyer-Goßner § 271 Tz. 28f.; KK-Engelhardt § 271 Tz. 21; KMRMüller § 271 Tz. 26; AK StPO-Lemke § 271 Tz. 13; LR-Gollwitzer § 271 Tz. 65; HK-Julius § 271 Tz. 12; SK-Schlüchter § 271 Tz. 30; Pfeifferl Fischer § 271 Tz. 10; Eb. Schmidt § 271 Tz. 18; KG IR 1960, 28 mit präzisierender Anmerkung Dünnebier; OLG Schleswig NJW 1959, 162. 418 KK-Engelhardt § 273 Tz. 36; LR-Gollwitzer § 273 Tz. 58; Kleinknecht I Meyer-Goßner § 273 Tz. 35; KMR-Müller § 273 Tz. 21; Fezer 11 11 Tz. 191. 419. Erker S. 122 ff. (124); HK-Julius § 273 Tz. 19. 420 Ulsenheimer NJW 1980, 2273 ff. (2277).
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
ken heran, der betroffene Prozeßbeteiligte hätte bei Niederschrift eines seiner Ansicht nach unrichtigen Ergebnisses gegen diese remonstrieren, gegebenenfalls weitere Beweisanträge stellen können. 421 In der Verletzung des § 273 III wird ein Revisionsgrund nach § 338 Nr. 8 gesehen. 422 Derartige Meinungen stellen auf potentielle Urteilsbeeinflussung ab, einen Gedanken, den diese Untersuchung verworfen hat. Ratio des § 273 III ist, den Beteiligten ein formelles Antragsrecht auf Protokollierung zu verschaffen. 423 Würde dies daraus hergeleitet, daß Fakten - gleichsam als vorgezogene Urteilsbestandteile - festgeschrieben werden sollen, würde die Bedeutung der Vorschrift bei weitem überschätzt. Kein Verfahrens beteiligter ist vor der "besseren Einsicht" des Gerichts bei der Urteilsberatung (gegenüber dem Zeitpunkt der Niederschrift) "geschützt". Er darf sich nicht im Vertrauen auf das Protokoll Beweisanträge ersparen, und das Gericht ist auch nicht verpflichtet, sich bei der Beratung an die Niederschrift zu halten oder diese auch nur heranzuziehen. 424 Das ist nicht deshalb so, weil die "Bindung" an das Protokoll das Prinzip der freien Beweiswürdigung berührte, wie mitunter ausgeführt wird,425 letztere wird durch die vorausgehende schriftliche Fixierung des Sachverhalts nicht eingeschränkt. Auch bei vollständiger Niederschrift ist das Gericht "frei" LS. des § 261, wie es die erfaßten Vorgänge bzw. Aussagen würdigen will. Angesprochen ist vielmehr die "Ganz-und-Alles-Maxime". Eine die Urteilsberatung bindende Festlegung des Sachverhalts vor Abschluß der Hauptverhandlung durch das Protokoll widerspricht dem Prinzip, daß das Urteil am Ende der Hauptverhandlung steht und dem Strafprozeß das Ergebnis vorwegnehmende Zwischenentscheidungen - von den systemwidrigen Ausnahmen des § 336 S. 2 abgesehen - grundsätzlich fremd sind. Das Gericht darf sich bei der Beratung durchaus vom Inhalt seiner Niederschrift lösen. Wären etwa im Fall des OLG Bremen426 die "Sichtverhältnisse im Kreuzungsbereich", auf die es ankam, protokolliert worden, hätte das Gericht nach Abschluß der Beweisaufnahme frei von "vorzeitiger Festschreibung" die Sichtverhältnisse im Urteil anders als protokolliert zugrundelegen dürfen. Steht die "Ganz-und-Alles-Maxime" einer Verpflichtung des Tatrichters auf die im Protokoll verankerten Sachverhalte entgegen, so errichtet der Grundsatz der 421 OLG Bremen NJW 1981, 2827 = IR 1982, 252 (dort ohne die Ausführungen zum Beruhenszusammenhang) mit abI. Anm. Foth; ebenso schon OLG Schleswig bei Ernestil Jürgensen SchlHA 1976, 172 (Nr. 83). 422 Kleinknecht (bis zur 35. Auf!.) § 273 Tz. 27; aufgegeben von Kleinknecht / Meyer ab der 36. Auf!. (§ 273 Tz. 27); Kohlhaas NJW 1974,24; Dünnebier, Referat auf dem 41. DJT (1955) 11 G 15 (Fußn. 88); Schlüchter Tz. 590 und SK-Schlüchter § 273 Tz. 47; HK-Lemke § 273 Tz. 26; Roxin § 49 I 2; gegen diese Auffassungen LR 23-Gollwitzer § 273 Tz. 59 Anm. 23; differenzierend in der 24. Auf!. § 273 Tz. 59. 423 Erker, S. 122. 424 Sieß NJW 1982, 1625 ff. (1627 f.); treffend Erker, S. 123. 425 Sieß NJW 1982, 1628. 426 OLG Bremen NJW 1981, 2827.
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freien Beweiswürdigung (§ 261) ein weiteres Hindernis für den eine bestimmte Niederschrift begehrenden Antragsteller. Er kann sie nicht so verlangen, wie er sie sich inhaltlich vorstellt, das Gericht ist auch im Rahmen des § 261 "frei", das gilt für das "Ob" und das "Wie" der Protokollierung. In freier Beweiswürdigung entscheidet es, ob es überhaupt auf den Vorgang oder den Wortlaut einer Aussage ankommt, auch darüber, wie es protokolliert. Weder der Antragsteller noch die höhere Instanz können es zwingen, den Sachverhalt anders als in der von ihm gewählten Weise als festgestellt anzusehen. Dieser Gesichtspunkt wird bei der Erörterung der Frage, ob sich § 273 111 1 von einer "Ermessensvorschrift" zu einer zwingenden Bestimmung gewandelt habe, leicht übersehen. Die Freiheit der Beweiswürdigung bleibt unangetastet, auch wenn § 273 III 1 ein Recht des Prozeßbeteiligten auf Protokollierung statuiert. Ein solches kann nach heutigem Wortlaut des § 273 III 1 nicht geleugnet werden. 427 Nur ist Voraussetzung dieses Anspruchs, daß es auf den Wortlaut oder den Vorgang "ankommt". Diese Erheblichkeitsprüfung kann nicht anders als im Lichte des § 261 vorgenommen werden, andernfalls würde § 273 III das den Strafprozeß tragende Prinzip der freien Beweiswürdigung aus den Angeln heben. Der Ausgangspunkt der Rechtsprechung, niemand anders als der Tatrichter dürfe über das "Ob" und "Wie" der Protokollierung entscheiden, ist deshalb zwingend. Wenn damit das Gericht bei seiner Protokollierungsentscheidung weder von der Beurteilung des Antragstellers noch von der der höheren Instanz abhängt, wenn es bei der Urteilsberatung noch nicht einmal an seine eigene Niederschrift gebunden ist, bleibt doch § 273 III revisionsrechtlich nicht völlig bedeutungslos. Unter bestimmten Voraussetzungen vollständige Niederschreibung verlangen zu dürfen, eröffnet dem Antragsteller durchaus eine Handhabe, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, auch wenn damit nicht der Erfolg zu erzielen ist, den Befürworter bzw. Gegner der Revisibilität erhoffen oder befürchten. Das Antragsrecht aus § 273 III 1 steht etwa auf der Stufe des Fragerechts des § 240 11. Es garantiert dem Antragsteller die Möglichkeit, vom Gericht zu erfahren, ob es im Zeitpunkt seines Beschlusses nach § 273 III 2 den Vorgang oder den Wortlaut einer Aussage im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung für erheblich hält und in welcher Weise es die Feststellung als getroffen ansieht. Dies freilich gilt nur für das jeweilige Stadium des Prozesses und ohne Verbindlichkeit für die spätere Urteilsberatung. Wie das Fragerecht keine bestimmte Antwort, sondern nur das Recht zu fragen verbrieft, sichert das Antragsrecht nach § 273 III keine bestimmte Fixierung, sondern nur eine Bescheidung dieses Antrags. § 273 III garantiert das Rechtsgespräch, keine vorgezogene Feststellung. Die Bescheidung des Antrags eröffnet jeweils eine neue ,,Rechtslage" i.S. Goldschmidts in der dynamischen Entwicklung des Prozesses auf dem Weg zum endgültigen Ziel, dem Urtei1. 428 Die revisionsrechtliche Bedeutung des § 273 III liegt also in der dem Antragsteller eingeräumten Möglich427 428
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So vor allem Ulsenheimer NJW 1980, 2273 ff. Vgl. oben Einführung 11. 1.
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keit, schon vor dem Urteil etwas über die (gegenwärtige) Einschätzung des Gerichts zu etwa getroffenen Feststellungen zu erkunden. Insofern dient die Bestimmung der ordnungsgemäßen Interaktion. § 273 III ist indessen nicht schon dann verletzt, wenn der Antrag auf Protokollierung abgelehnt wird, sondern nur dann, wenn das Gericht dem Antragsteller das durch § 273 III gewährleistete Rechtsgespräch verweigert, den Antrag also entweder überhaupt nicht oder mit sachfremden Gründen bescheidet. Sachfremd sind diese nicht bereits, wenn das Gericht die Erheblichkeit eines Vorgangs bzw. des exakten Wortlauts einer Aussage verneint oder wenn es nicht so protokolliert, wie es der Antragsteller begehrt. "Ob" und "Wie" der Protokollierung können weder durch den Antrag eines Prozeßbeteiligten noch durch die höhere Instanz dahin beeinflußt werden, die Erheblichkeit oder den Inhalt eines Vorgangs oder einer Aussage anders als geschehen zu sehen. 429 Feststellungen können nur über die Urteilsanfechtung, nicht über die Korrektur des Protokolls aufgehoben werden. Die Rüge nach § 273 III kann nur in der wohl seltenen Konstellation Erfolg haben, wenn etwa das Gericht zwar die Erheblichkeit bejaht, gleichwohl die vollständige Niederschreibung ablehnt. Das hindert indessen nicht, daß die Bescheidung des Antrags aus § 273 III 1 Vorentscheidung des Urteils LS. des § 336 ist. Die Revision mit dieser Rüge ist statthaft. Damit sind Entscheidungen nach § 273 III 2 revisibel (§ 336 S. 1) und selbst dann nicht beschwerdefähig, wenn man nicht wie hier die §§ 238 11, 273 III 2 als leges speciales gegenüber § 304 ansieht; denn dann greift § 305 S. 1. bb) Entscheidungen über den Inhalt des Protokolls Soweit es nicht um "wesentliche Förmlichkeiten" (§ 273 I) und den Nachweis eines Verfahrensverstoßes geht,430 ist der Inhalt des Protokolls revisionsrechtlich ohne Belang. Relevant sind nur Angaben im Protokoll, die für die Revisionsprüfung den Gang des Verfahrens dokumentieren. Beruhensgeeignet werden dann diese ,,revisionsrechtlich erheblichen Ereignisse",431 nicht hingegen die Entscheidung darüber, ob sie zu protokollieren sind oder gar das Protokoll selbst. Die Feststellungen über den Gang der Interaktion dienen nicht selbst der gerichtlichen Tatsachenermittlung, dokumentieren allenfalls den dabei eingeschlagenen Weg der Entscheidungsfindung. Insofern stimmt der Ausgangspunkt der h.M., wonach das Verfahrensereignis selbst, nicht seine Vermittlung durch das Protokoll, der revisionsrechtlich relevante Vorgang ist. 432
429 430 431 432
LacknerJR 1966, 305. Schmid GA 1962,361 ff.; LR-Gollwitzer § 273 Tz. 49. So Schmid GA 1962, 362. Das wird auch von Ulsenheimer, NJW 1980,2277, nicht in Abrede gestellt.
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9. Maßnahmen der Sitzungspolizei
Üblicherweise wird die Anfechtbarkeit von Maßnahmen der Sitzungspolizei mit Ausnahme derer nach §§ 178, 180 GVG verneint. Man leitet dies aus dem Umkehrschluß aus § 181 GVG her, der (befristete) Beschwerde (zum OLG) auf letztere Ordnungsmittel beschränkt. 433 Erker hält die Einschlägigkeit des § 181 in diesem Zusammenhang für zweifelhaft. 434 Der h.M. ist zuzustimmen. Zum einen erfordert die Praktikabilität der interaktion in der Hauptverhandlung, daß Maßnahmen der Sitzungspolizei von der Beschwerdefähigkeit ausgenommen sind. Zum anderen beschränken sich derartige Maßnahmen auf die Dauer der Sitzung, so daß mit ihrer Unterwerfung unter § 238 II hinreichender Rechtsschutz gewährt wird. 435 Wird die aus §§ 176, 177 GVG folgende Anordnungskompetenz überschritten, ist (bei Urteilsfinalität) die Maßnahme dadurch revisibel. 436 Die in § 181 I GVG eingeräumte Beschwerde ist demnach nicht Prozeßbeschwerde, sondern Rechtsmittel eigener Art, da sie ihre Statthaftigkeit nicht aus § 304 I, sondern ausschließlich aus § 181 I GVG herleitet. Das Gesetz bringt diesen eigenständigen Charakter des Rechtsmittels dadurch zum Ausdruck, daß § 181 I "die Beschwerde" einräumt und sich nicht darauf beschränkt, eine Befristung auszusprechen. Mithin ging der Gesetzgeber davon aus, daß es der eigenständigen Zulassung dieses Rechtsmittels bedurfte und es nicht schon nach § 304 I statthaft war. Zutreffend erstreckt eine verbreitete Auffassung bei Grundrechtseingriffen die Beschwerderege1ung des § 181 GVG in analoger Anwendung auf Anordnungen nach §§ 176, 177 GVG. 437 Damit muß auch die Regelung aus § 181 I GVG mit übernommen werden, d. h. diese Beschwerde ist als so!ortige438 zu verstehen. 439 Folglich greift § 336 S. 2 ein, wonach mit Eröffnung sofortiger Beschwerde gegen derartige Entscheidungen Revision ausgeschlossen ist. 440 433 So schon Wronker, S. 11; OLG Zweibrücken NStE Nr. 3 zu § 176 GVG mit Anm. Gatzweiler StV 1988, 520; Schlüchter Tz. 451.2 (soweit sich die Anordnung nicht gegen ein Prozeßsubjekt richtet: nur Maßnahmen der Dienstaufsicht); Katholnigg § 177 Tz. 9 mit w. N.; Greiser, Hauptverhandlung, S. 114 und JA 1983, 430; Dünnebier NJW 1976, 2; weitere Nachweise bei Giesler, S. 332, Schwentker, S. 91 ff. und Ellersiek, S. 131 ff.; Kleinknechtl Meyer-Goßner § 177 Tz. 15; Kissel § 181 Tz. 1; KK-Mayr § 177 Tz. 8; LR-SchäjerlWickem § 177 Tz. 34; § 176 Tz. 46. 434 Erker, S. 65: Ein Ausschluß der Beschwerde lasse sich aus § 181 GVG nicht herleiten. Vielmehr bleibe es bei der Grundregel des § 304 I. 435 Vgl. o. 4. Teil I. 2. 436 Schlüchter Tz. 451.2. 437 Amelung, Grundrechtseingriffe, S. 70ff. und NJW 1979, 1687ff.; Krekeler NJW 1979, 185 ff.; Giesler, S. 334; Ellersiek, S. 134 ff.; Roxin § 45 B III 2 (S. 350). 438 So schon Wronker, S. 7. 439 Das wird gelegentlich bezweifelt, z. B. von Rehbinder MDR 1963, 645 (Rechtsmittel eigener Art); vgl. aber Krey 11, Tz. 697 Fußn. 313; Katholnigg § 181 Tz. 1.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Die Konsequenz des § 336 S. 2 ist nur zu vermeiden, wenn er auf absolute Revisionsgründe nicht angewandt wird. 441 Weder im Gesetz noch in der amtlichen Begründung indessen findet dies eine Stütze; letztere entzieht dem Revisionsausschluß nur den Verstoß gegen das - grundgesetzlich gesicherte - Gebot des gesetzlichen Richters;442 Grund für diese eine Ausnahme ist vermutlich die Tendenz der Rechtsprechung des BVerfG, Grundrechtsverstöße vorab durch die Fachgerichtsbarkeit korrigieren zu lassen. Auch absolute Revisionsgründe aus § 336 S. 2 herauszunehmen, würde den Intentionen des Gesetzgebers, die Revision zu beschränken, entschieden zuwiderlaufen. Daß ein solcher Streit überhaupt entstehen kann, kennzeichnet die Unausgewogenheit der gesetzlichen Regelung. Katholnigg hält sitzungspolizeiliche Maßnahmen für revisibel, soweit sie infolge Ermessensüberschreitung einen absoluten Revisionsgrund abgeben. 443 Nicht die Absolutheit des Revisionsgrundes ist jedoch entscheidend, § 338 befreit von der Prüfung des Beruhenszusammenhangs nur insofern, als dieser durch das Gesetz unwiderleglich vermutet bzw. fingiert wird. 444 § 338 fingiert indessen nicht die Stauhaftigkeit der Revision. Wenn § 336 S. 2 Revision verschließen sollte, vermag auch der Hinweis auf die Absolutheit eines Revisionsgrundes daran nichts zu ändern. Wird also die Regelung des § 181 GVG auf Maßnahmen der Sitzungspolizei übertragen, sind sie mit sofortiger Beschwerde angreifbar und der Revision nach § 336 S. 2 unzugänglich. Sitzungspolizeiliche Maßnahmen stellen im Grundsatz keine beruhensgeeigneten Entscheidungen dar, weil die §§ 176 ff. GVG nicht die prozeßordnungsgemäße Sachverhalts feststellung durch die Interaktion regeln. Die §§ 305 S. 1, 336 S. 1 sind hier nicht einschlägig. Überschreitet der Vorsitzende die ihm durch §§ 176, 177 GVG verliehenen Möglichkeiten, kommt es darauf an, ob solche Einwirkungsrechte verletzt werden. Dann wird die Entscheidung dadurch revisibel. Beruhensgeeignet ist also nur die sitzungspolizeilich nicht gedeckte weitere Beeinträchtigung von Rechten eines Prozeßbeteiligten. Wird etwa der Beschuldigte rechtsfehlerhaft aus dem Sitzungssaal entfernt, liegt der Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 vor,445 vergleichbar den Anordnungen nach § 305 S. 2. 446 Die sitzungspolizeiliche 440 Bejaht z. B. von Krey 11 Tz. 697 Fußn. 313, wonach Entscheidungen nach § 178 GVG wegen § 336 S. 2 mit der Revision nicht zu überprüfen sind; vgl. auch Gatzweiler StV 1988, 520, der für die Fälle der "Willkür" die Beschwerde eröffnen will. Die Maßnahme sei zu schwerwiegend, um bis zur Entscheidung des Urteilsrechtsmittels zu warten. 441 So in der Tat KK-Pikart § 336 Tz. 13. 442 BT-Drucks. 8/976, S. 59. 443 Katholnigg § 176 Tz. 10; die Entscheidung BGH 17, 201 (202), worauf Katholnigg Bezug nimmt, ist jedoch vor Einfügung des § 336 S. 2 ergangen; vgl. auch Lüderssen, Meyer-Gedächtnisschrift, S. 274. 444 Widmaier, S. 82; Peters, S. 649; Roxin § 53 E 11; LR-Hanack § 338 Tz. 1; KK-Pikart § 338 Tz. 1; KleinknechtlMeyer-Goßner § 338 Tz. 1; für die Beibehaltung der absoluten Revisionsgründe Peters, Gutachten, S. 63 gegen eramer, Peters-Fschr., S. 239 ff. 445 Im Fall des unberechtigten Ausschlusses eines Zuhörers der Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 (vgl. Schlüchter Tz. 451.2).
III. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
343
Maßnahme als solche ist beschwerdefähig, nicht revisibel, des Rückgriffs auf eine analoge Anwendung des § 181 I GVG oder gar auf Art. 19 IV GG bedarf es nicht.
111. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
Nach §§ 153 ff. haben Staatsanwaltschaft und Gericht die Möglichkeit, von der Verfolgung der Tat abzusehen bzw. das Strafverfahren ganz oder teilweise vorläufig bzw. endgültig einzustellen. Gegenstand der Untersuchung sind im Zusammenhang mit der Einstellung oder deren Ablehnung ergehende gerichtliche Entscheidungen. Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision entsteht nicht, wenn das Verfahren ohne Urteil abgeschlossen wird; es kommt zu keiner Revision, die das Verfahren beendende Einstellung ist keine Vorentscheidung i.S. von § 336 S. 1. Verfahrensabschließenden Charakter haben etwa Einstellungen nach § 153 11, die endgültige Einstellung i.S. des § 153 allund die gemäß § 15411.447 Bei Ablehnung der Einstellung wird das Verfahren mit dem Ziel des Urteils fortgesetzt; hier stellt sich die Frage, ob die Einstellungsablehnung im Hauptverfahren Vorentscheidung i.S. von § 336 S. 1 und damit nach § 305 S. 1 nicht beschwerdefähig ist. 1. Die Beschwerderähigkeit der EinsteUungsentscheidungen
In der Beurteilung der Anfechtbarkeit von Einstellungsbeschlüssen durch Beschwerde zeigt sich die Rechtsprechung kontrovers und am Einzelfall orientiert. 448 446 Dazu vgl. o. 1. Teil IX. 8.; nicht schon die Unzulässigkeit der Verhaftung, einstweiligen Unterbringung usw. begründet für sich genommen die Beruhenseignung der Entscheidung, sondern erst die hierdurch bewirkte Verletzung von Beschuldigtenrechten, etwa als wesentliche Behinderung der Verteidigung. 447 RG 66, 326 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen § 336 S. I und § 305 S. I. Die Tatsacheninstanz hatte in zwei Fällen das Verfahren nach § 15411 eingestellt und im übrigen Urteil erlassen. Die Revision rügte Verletzung des § 354 11, da der Einstellung eine Zurückverweisung durch das Revisionsgericht vorausgegangen war. Die Revision hielt die Einstellung nach § 154 11 in diesem Verfahrensabschnitt für nicht mehr zulässig. Der Einstellungsbeschluß, so führt das RG aus, ist zwar Entscheidung des erkennenden Gerichts, indessen keine Vorentscheidung des Urteils, sondern im Gegenteil eine solche, die durch Einstellung des Verfahrens dessen Durchführung bis zum Urteil verhindert. ,,Auf sie" - die Einstellungsbeschlüsse - "ist § 305 StPO nicht anwendbar ... Sie können daher, wenn sie überhaupt anfechtbar sind - was hier dahingestellt bleiben kann - nur mit der Beschwerde angefochten werden. Dagegen können Gründe, die die Beschwerde gegen die Beschlüsse rechtfertigen würden, nicht zur Begründung eines Rechtsmittels gegen das demnächst ergehende Urteil benutzt werden, das nur die von der Einstellung nicht betroffenen FäHe behandelt. § 336 StPO ist nicht anwendbar, da das Urteil nicht auf den Beschlüssen beruht ... " 448 Vgl. den Überblick bei Schwentker; S. 212ff.; Giesler; S. 199ff.; zur Anfechtung der Nebenentscheidungen vgl. Seier; Nebenentscheidungen, und GA 1980, 406 ff.; Baukelmann IR 1984, 390.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Trotz aller Kasuistik lassen sich jedoch zwei große Linien erkennen, die sich dem Problem aus unterschiedlichen Richtungen nähern, letztlich aber gleichen Ursprungs sind. Einerseits wird die Beschwerdefähigkeit gegen den Wortlaut des § 304 eingeschränkt, dies gründet auf der These vom stillschweigenden Beschwerdeausschluß, wonach bestimmte Einstellungsentscheidungen nach "Sinn und Zweck" der Beschwerdefähigkeit entzogen seien. Andererseits läßt die Rechtsprechung Beschwerde zu, wo sie nach dem Gesetzeswortlaut ausgeschlossen scheint. Die Begründung beider Auffassungen fußt auf rechtsfehlerhafter Einordnung richterlichen Ermessens. Zum einen werden Ermessenstatbestände angenommen ("geringe Schuld", "Fehlen des öffentlichen Interesses"), obwohl in Wirklichkeit unbestimmte Rechtsbegriffe vorliegen. 449 Zum anderen wird die Ausübung dieses angeblichen Ermessens - einer heute als überholt geltenden Ansicht entsprechend - der Überprütbarkeit durch die höhere Instanz entzogen.
a) Der "stillschweigende" Beschwerdeausschluß (die einschränkende Auslegung des § 304 I in Bezug auf die Einstellung nach § 154 Il) Während die ältere Rechtsprechung Anfechtung der im Zusammenhang mit Einstellung ergehenden Entscheidungen nur dort versagte, wo das Gesetz dies ausdrücklich anordnete,450 setzt sich in neuerer Zeit die Auffassung vom stillschweigenden Beschwerdeausschluß gegen Einstellungsentscheidungen durch. 451 Neben zwei einschlägigen Entscheidungen des BayOblG452 ist BGH 10, 88 federführend für diese Ansicht. 453 VgI. Warda, S. 95 ff. (96); Zätzsch ZRP 1992, 167 (168). OLG Düsseldorf GA Bd. 70, 249: Beschwerde des Angeklagten gegen Einstellung nach § 154 II statthaft, unter Hinweis auf den fehlenden ausdrücklichen Ausschluß (im Gegensatz zu § 153 II 4); die Entscheidung verneint allerdings die Beschwer. Ebenso OLG Köln NJW 1953, 1444 (Nr. 29): Beschwer liegt auch nicht in der infolge der Einstellung genommenen Möglichkeit des Freispruchs. 451 Giesler, S. 215, im Anschluß an BGH 10, 88; Rieß NStZ 1985,40; BayObLG 1927 (Bd. 26), S. 61; BayObLG 1952, 11; OLG Celle NStZ 1983, 328 mit insoweit zustimmender Anm. Stackelberg (S. 330), anders allerdings (obiter dictum im Anschluß an BGH 10, 88), wenn die Einstellung ungesetzlich zu Stande gekommen ist; OLG München NStZ 1981, 234 mit Anm. Meyer- Goßner = IR 1981, 258 mit Anm. K. Meyer; OLG Bamberg StV 1981,402 mit abI. Bespr. Peters, S. 411; OLG Hamm VRS 56, 35 (unanfechtbar die Wiederaufnahme nach Einstellung gemäß § 153 a - abgesehen davon hätte § 305 S. 1 nahegelegen). 452 BayObLG 1927 (Bd. 26), S. 61; in der Entscheidung ging es um die Beschwerde des Angeklagten gegen eine Einstellung nach § 154 II. Das BayObLG verneint die Rechtsmittelfähigkeit mit der Erwägung, § 154 II unterstelle zwar einen Tatverdacht, sage aber letztlich zum hinreichenden Tatverdacht nichts aus, vielmehr beschränke sich das Gericht auf die "Gewichtigkeitsprüfung" der in beiden Verfahren zu erwartenden jeweiligen Strafen (§ 154 I). Da die Unschuldsvermutung nach wie vor gelte, könne dem Gericht nicht angesonnen wer449 450
III. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
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Der BGH befaßte sich mit einer Einstellung nach § 154 TI, allerdings nur unter dem Aspekt, ob das eingestellte Verfahren nach Maßgabe des damaligen § 164 VI StGB (heute § 154 e) noch "anhängig" war. Der Angeklagte war wegen falscher Anschuldigung und Beleidigung verurteilt und das infolge der Falschanzeige gegen die Beleidigte eingeleitete Strafverfahren nach § 154 11 eingestellt worden. Die Frage war, ob die Vorinstanz gegen § 164 VI StGB a.F. verstoßen hatte, als sie mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung nicht ,,innegehalten" hatte, wie es § 164 IV StGB a.F. verlangte. Es ging also um den Begriff der Anhängigkeit. Der BGH stellt zunächst fest, die bloße Möglichkeit einer unbefristeten Anfechtung des Einstellungsbeschlusses halte das Verfahren nicht im Zustand der Anhängigkeit. Mit dieser Begründung hätte es sein Bewenden haben können, denn damit war das Hindernis des § 154 e beseitigt. Unglücklicherweise versucht der BGH jedoch, seine Entscheidung auf ein zweites Bein zu stellen, indem er ausführt, die unbefristete Anfechtungsmöglichkeit sei auch nicht eröffnet. Neben Hinweisen auf einige dem Charakter nach höchst unterschiedliche Vorschriften,454 die eine Beschwerde "stillschweigend" ausschließen sollen, birgt der tragende Grund der Entscheidung eine Fehldeutung des richterlichen Ermessens in sich. Der BGH stellt die Einstellung des § 154 TI der nach § 153 11 gegenüber. Die in § 153 genannten Begriffe "öffentliches Interesse", "unbedeutende Tatfolgen,,455 usw. könnten im Beschwerdeweg nachgeprüft werden, so daß erst der ausdrückliche Ausschluß der Anfechtbarkeit die Unzulässigkeit der Beschwerde bewirke. 456 den, mit dem Ziel des Freispruchs das Verfahren weiter zu betreiben. Woran letztlich die Anfechtbarkeit scheitern soll, bleibt dunkel. Zu vennuten ist, daß die Beschwer verneint wurde. Wenn die Unschuldsvennutung gilt und § 15411 zum hinreichenden Tatverdacht nichts aussagt, kann der Angeklagte durch die Einstellungsentscheidung nicht betroffen sein, also eine Beschwer schlechthin nicht behaupten. 453 Zum Problem ausführlich Maatz MDR 1986, 884 ff. 454 Der BGH verweist auf § 181 I 1 a. F. und auf § 319 11. Beide Bestimmungen schließen indessen die Beschwerde nach dem Grundsatz der Subsidiarität (gegenüber dem spezielleren Rechtsbehelf des § 181 I 2 a. F. bzw. gegenüber § 319 11 1) aus. Der vom BGH weiterhin angeführte § 14 betrifft ein Zwischenverfahren, so daß die darin ergehenden Entscheidungen ohnehin nicht § 304 I unterliegen; der schließlich herangezogene damalige § 153 all a. F. betrifft eine Einstellungssituation, deren Rechtsmittelfähigkeit - seinerzeit - ebenso problematisch war wie die der Entscheidung nach § 15411. 455 Wenn die Ennessensfrage ansteht, schlägt die Rechtsprechung geradezu Kapriolen. Während BGH 10, 88 den Beschwerdeausschluß mit der Einräumung des Ennessens begründet, argumentiert das OLG Hamm (VRS 56, 35) umgekehrt: Beschwerde soll nicht gegeben sein, weil ein Ennessen nicht gewährt ist. Es ging um die Anfechtbarkeit der Wiederaufnahme nach Nichterfüllung einer gemäß § 153 a angeordneten Auflage. Weil "die Verfahrensfortsetzung die gesetzliche Folge der Nichterfüllung der Auflage und insoweit nicht in richterliches Ennessen gestellt" sei, bestehe ,,kein Bedürfnis für eine Überprüfung ihrer Stichhaltigkeit im Beschwerdeverfahren". 456 Zu BGH 10, 88 vgl. die Kritik von Peters StV 1981, 411 (412): Wieso hält sich die Justiz für befugt, ein Rechtsmittel auszuschließen, obwohl der Gesetzgeber das in § 154 im Gegensatz zu §§ 153, 153 a gerade nicht getan hat? Der grundSätzlich geöffnete Rechtsmittelweg wird durch richterliche Auslegung verschlossen.
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Ob aber die Strafe wegen der anderweitig zu erwartenden ins Gewicht fällt (§ 154 I), könne nur der erkennende Richter, nicht das Beschwerdegericht beurteilen. Sodann folgt der Kernsatz "Dessen Auffassung könnte ihn in seinem Ermessen nicht binden.,,457. 458
Damit wird zweierlei verkannt. Zum einen schließt ein Ermessensspielraum des judex a quo, wie Rieß zu Recht bemerkt, Statthaftigkeit der Beschwerde nicht aus, setzt allenfalls Überprüfungsgrenzen. 459 Zum anderen räumt die in § 154 I, 11 vorgesehene Beträchtlichkeitsgrenze dem judex a quo gerade keinen Ermessensspielraum ein,46o sondern bezeichnet ebenso einen unbestimmten Rechtsbegriff, wie es die vom BGH zitierten Merkmale ("öffentliches Interesse" usw.) des § 153 sind. Dem Ermessen des Tatrichters kann - im Rahmen dieser Vorschrift - allenfalls der Entschluß anheimgestellt sein, bei Vorliegen der Tatsachenvoraussetzungen von der Einstellungsbefugnis Gebrauch zu machen. 461 Nach neuerer Auffassung ist aber auch insoweit eine Ermessensausübung nicht eröffnet, weil die Begriffe der geringen Schuld und des Fehlens öffentlichen Interesses bereits alle bei der Einstellungsentscheidung zu treffenden Überlegungen in sich aufnehmen müssen, so daß Entscheidungsspielraum bei Bejahung dieser Merkmale nicht besteht. 462 Ob diese Auffassung auf § 154 11 zu übertragen ist, mag dahinstehen; jedenfalls 457 Meyer-Goßner JR 1983,472 f.: Weil die Entscheidung dem Gericht (bzw. der StA oder beiden gemeinsam) übertragen sei, liege sie in deren alleinigem Verantwortungsbereich, und es sei unangebracht, dem mit Mißtrauen zu begegnen und sachwidrige Ausübung des Ermessens zu befürchten. Das Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidung soll also ein Rechtsmittel gegen sie ausschließen. 458 Die ersten Ausführungen des RG zum Umfang der Anfechtbarkeit finden sich in RG 65, 291, einer Entscheidung, die sich mit der Sperrwirkung des Einstellungsbeschlusses zu befassen hatte. Der Angeklagte war wegen Meineides verurteilt worden. Die Revision rügte Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem, weil das Verfahren wegen derselben Tat durch ein anderes Gericht zuvor als fahrlässiger Falscheid (Vergehen) gewürdigt und nach § 153 II eingestellt worden war. Aufgrund neuer Tatsachen stellte sich die Tat als Verbrechen dar, und dies war für das RG Anlaß für die Bemerkung, der Angeklagte könne keine den Prozeßgegenstand erschöpfende Sachentscheidung und die StA bei unveränderter Rechtsgrundlage keine nochmalige Prüfung der auf dem Gebiete des Ermessens liegenden Voraussetzung der Geringfügigkeit der Schuld und der Folgen verlangen. Daraus, d. h. aus der Unanfechtbarkeit des Einstellungsbeschlusses, leitet das RG die beschränkte Rechtskraftwirkung her. Diese Randbemerkung ist in zweierlei Hinsicht überholt: Einmal, weil die Tatbestandsmerkmale nicht Ermessensausübung ermöglichen, sondern unbestimmte Rechtsbegriffe sind, zum anderen, weil selbst Ermessenseinräumung die Überprüfung durch die höhere Instanz und damit die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht ausschließt. Gleichwohl wird dieses obiter dictum bis auf den heutigen Tag in Rechtsprechung und Kommentarliteratur mit herumgetragen. 459 Vgl. Warda, S. 96: "geringe Schuld", "Fehlen des öffentlichen Interesses" sind unbestimmte Rechtsbegriffe und räumen nicht Ermessen ein; ebenso Krümpelmann NJW 1966, 1979. 460 Die Frage ist streitig; vgl. BGH 27, 274 (275) und NJW 1978,2033 (2034) einerseits, LR-Rieß § 153 Tz. 35 andererseits. 461 Für § 154 LR-Rieß § 154 Tz. 19. 462 LR-Rieß § 153 Tz. 35.
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schließt zugestandenes Ennessen die Überprüfbarkeit durch das Rechtsmittel Beschwerde nicht aus. 463 Mit dem Hinweis auf angebliches tatrichterliches Ennessen läßt sich demnach ein Beschwerdeausschluß bei Einstellungsentscheidungen nach § 154 11 nicht begründen. Die Rechtsmittelversagung wird hier verschiedentlich auch mit "anderen Möglichkeiten der Überprüfung", die einen Rechtsmittelzug ersetzen, motiviert. 464 Indessen enthalten die Bestimmungen des § 154 III bis V keine andere Anfechtungsmöglichkeit. Sie "ersetzen" insbesondere nicht einen Rechtsmittelzug. Auch liegt nicht etwa ein gesondertes Zwischenverfahren vor, das die Einstellungsentscheidung aus dem Verfahren der gesamten Instanz herauslöst. Ebensowenig ist die Verweisung auf fehlende Beschwer eine Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels,465 die Beschwer bedeutet eine weitere - der Statthaftigkeit logisch nachrangige - Zulässigkeitsvoraussetzung. Richtig ist allein, den Rechtsmittelausschluß aus dem in §§ 153 11 4, 153 a 11 4 enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken, beendende Einstellungen nicht mehr überprüfen zu lassen, abzuleiten; damit entfällt auch die Beschwerdefähigkeit der nach § 15411 getroffenen verfahrensbeendenden Einstellung, denn die Grundregel des § 304 ist ausser Kraft gesetzt.
b) "Stillschweigende" Beschwerdezulassung (die einschränkende Auslegung des § 153 II 4) Nicht anfechtbar ist der Einstellungsbeschluß nach § 153 11 (Satz 4 dieser Bestimmung). Das betrifft jedoch nur die Kriterien "geringe Schuld" und ,,Fehlen des öffentlichen Interesses", nicht gesetzliche Voraussetzungen wie z. B. Zustimmung der StA oder Qualifikation der Tat als Vergehen. 466 Teilweise wird dies wiederum damit begründet, Beschwerde sei deshalb ausgeschlossen, weil das richterliche Ennessen nicht überprüfbar sei. So heißt es in der Entscheidung des OLG Celle: ,,zwar besagt der zweite Halbsatz des § 153 Abs. 2 StPO, der gerichtliche Einstellungsbeschluß könne nicht angefochten werden. Aus dem Sinn dieser Vorschrift ergibt sich aber, So im Erg. richtig OLG Zweibrücken NJW 1986, 866. LR-Rieß § 154 Tz. 46. 46S SO aber OLG Bamberg StV 1981,402 mit abI. Bespr. Peters, S. 411; ähnlich LR-Rieß § 154 Tz. 46 (Unanfechtbarkeit wegen Fehlens der Beschwer); OLG Zweibrücken NJW 1996,866. 466 Schlüchter Tz. 406.2; Pfeiffer / Fischer § 153 Tz. 10; Kleinknecht / Meyer-Goßner § 153 Tz. 34; LR-Rieß § 153 Tz. 59; KMR-Müller § 153 Tz. 19. So erörtert etwa LG Aachen, NStZ 1991,450 (mit krit. Anm. Eisenberg), die Zulässigkeitsfrage nicht eigens, sondern geht gleich zur materiell-rechtlichen Prüfung über; OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 1998, S. 52. 463
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
daß lediglich eine nochmalige Prüfung der auf dem Gebiete des Ermessens liegenden Voraussetzungen der Geringfügigkeit der Schuld ... ausgeschlossen sein soll. Die Bestimmung steht deshalb nicht der Nachprüfung entgegen, ob die prozessualen Voraussetzungen ... vorgelegen haben".467
Wie schon ausgeführt, ist jedoch der Errnessenscharakter einer Entscheidung für die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde bedeutungslos, setzt allenfalls der Überprüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts Grenzen. Bei der Beschwerdefähigkeit von Einstellungsentscheidungen geht es um Auslegungsprobleme, denen sich mit dem Hinweis auf den Errnessenscharakter der jeweiligen Einzelvorschrift nicht beikommen läßt. Das Ergebnis der h.M. ist zutreffend, folgt indessen aus sinnentsprechender Auslegung des § 153 11 4. Unanfechtbar ist nur "der" Beschluß, d. h. der unter den gesetzlichen Voraussetzungen ergangene. Nun gehören zu diesen nicht nur die Qualifikation der Tat als Vergehen und die Zustimmung des Angeklagten und der StA, sondern zusätzlich Geringfügigkeit der Schuld und Fehlen des öffentlichen Interesses. Bei deren Einschätzung steht dem Tatrichter ein Spielraum zur Verfügung, der durch das Rechtsmittelgericht nicht kontrolliert wird, nicht weil er nicht überprüft werden kann, sondern weil dies nicht geschehen soll. Solche Kontrolle ist durch den in § 153 11 4 zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers versagt. Dessen Anordnung, Zweckmäßigkeitserwägungen durch den Tatrichter abschließend vornehmen zu lassen (wenngleich Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht an sich denkbar wäre), gilt nicht für die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen außerhalb dieses Wertungsbereichs - zumal diese mit verhältnismäßig geringem Aufwand nachzuprüfen sind -, den Vergehenstatbestand und die erforderlichen Zustimmungen. Daß der (eingeschränkte) Rechtsmittelausschluß des § 153 11 4 - wie auch des § 153 a 11 4 - heute praktisch leerläuft,468 liegt daran, daß durch das EGStGB 1974 als weitere Voraussetzung die Zustimmung des Beschuldigten hinzukam. Sie ist nun (abgesehen von den Fällen zustimmungsfreier Einstellung) ebenfalls gesetzliche Voraussetzung der Einstellung nach § 153 11. Fehlt sie, greift die Rechtsmittelversagung des § 153 11 4 nicht, und die Beschwerde ist statthaft. Wird sie erteilt, dürfte im Regelfall die Beschwer des Beschuldigten fehlen, so daß es im Grunde einer ausdrücklichen Beschwerdesperre nicht (mehr) bedarf. Im Zuge 467 OLG Celle NJW 1966, 1329 mit abI. Anm. Krümpelmann, S. 1978; ähnlich in der Begründung Schuth, S. 114ff. 468 Übrig blieb bis zur Neuregelung der Nebenklage durch das OpferschutzG vom 18. 12. 1986 allerdings der Fall, daß der Nebenkläger gegen die Einstellung Beschwerde einlegt. § 305 S. 2 ist nicht einschlägig, da der Nebenkläger nicht Dritter im Sinne dieser Bestimmung ist. So ergab sich nun die Frage, ob die in § 153 II 4 angeordnete Unanfechtbarkeit auch für ihn galt. Das LG Mönchengladbach, StV 1987, 335, bejahte dies, wohl mit Recht, denn die - praeter legern - zugelassene Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung dürfte auf die "einfach zu überprüfenden Rechtsverletzungen" zu begrenzen sein. Heute ist die Beschwerde des Nebenklägers durch § 400 II 2 ausgeschlossen.
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der 1974 durch das EGStGB vorgenommenen Änderung hätte an sich mit der Einführung dieses Zustimmungserfordernisses § 153 11 4 ebensogut gestrichen werden können. In der ursprünglichen Fassung des § 23 ErnmingerVO hatte der Rechtsmittelausschluß seinen Sinn,469 indem auch eine ohne Zustimmung des Beschuldigten verfügte Einstellung, wenn die übrigen - nicht dem Wertungsbereich zugehörigen - gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen, nicht beschwerdefähig war, eine konstituierende Wirkung, die seit der Änderung durch das EGStGB 1974 nicht mehr besteht. Freilich bleibt die Beschwer gegenüber der Statthaftigkeitsprüfung logisch nachrangig, so daß die Regelung des § 153 11 4 eine, wenn auch nur theoretische, Bedeutung behalten hat. 47o Für Entscheidungen nach § 153 war - jedenfalls nach dem ursprünglichen Wortlaut des § 23 ErnmingerVO - der ausdrückliche Ausschluß notwendig, da andernfalls die Anfechtung generell statthaft gewesen wäre. 2. Die Beschwerdefahigkeit einzelner einstellender Entscheidungen
Die Einstellung des § 153 allist unter den gleichen Voraussetzungen wie die des § 153 11 beschwerdefähig. Der (eingeschränkte) Rechtsmittelausschluß des § 153 all 4 geht wie der nach § 153 11 4 gleichsam ins Leere. Nicht ausdrücklich der Beschwerde entzogen ist die Einstellung nach § 153 b. Eine den §§ 153 11 4, 153 a 11 4 entsprechende Regelung fehlt in § 153 b 11. Der Gesetzgeber hat der Änderung durch das EGStGB, Einführung des Erfordernisses der Beschuldigtenzustimmung, Rechnung getragen. 471 Dessen Rechtsmittel scheitert wie das der StA an fehlender Beschwer, wenn Zustimmung erteilt war, so daß es eines ausdrücklichen Beschwerdeausschlusses nicht bedurfte. 472 Fehlt die Zustimmung, ist - einschränkender Auslegung der §§ 153 11, 153 all folgend Beschwerde statthaft. Für den Nebenkläger wird Unanfechtbarkeit ausdrücklich in § 400 11 2 angeordnet, seine Zustimmung zur Einstellung ist nicht gefordert, deshalb war diese ausdrückliche Regelung geboten. Einstellung nach § 153 ellist wegen § 304 IV 2 unanfechtbar. Ein ausdrücklicher Rechtsmittelausschluß fehlt für Einstellungsentscheidungen nach §§ 15411, 154 a 11. Er ergibt sich wiederum mittelbar aus dem in den §§ 15311 4, 153 all 4 zum Ausdruck gelangenden allgemeinen Rechtsgedanken, daß einstellende Entscheidungen nicht überprüft werden sollen. 473 Gössel, S. 95. Einen gewissen Sinn hat § 153 II 4 wie § 153 all 4 auch heute noch, indem darin der allgemeine Rechtsgedanke ausgesprochen wird, Einstellung solle unanfechtbar sein. Das ist von Bedeutung für die hieraus abzuleitende Unanfechtbarkeit der Zustimmung nach §§ 153 I, 153 a I, wäre allerdings besser im Zusammenhang mit dieser geregelt worden. 471 Dallinger IZ 1951, 623 Fußn. 26. 472 LR-Rieß § 153 b Tz. 16; KK-Schoreit § 153 b Tz. 9; KMR-Müller § 153 b Tz. 9; Giesler, S. 211; BGH 10,91 f. 469
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Gleiches gilt für die Einstellung des § 154 b IV. Auf Einstellungen nach § 154 ellkann dieses Prinzip nicht übertragen werden. Sie sind der Sache nach Aussetzung; es besteht ein Bedürfnis nach Überprüfung, um unbegründete Verzögerungen durch gesetzwidrige vorläufige Einstellungen zu unterbinden. Zur Konkurrenz von Beschwerde und Revision darf hier auf das oben474 Gesagte verwiesen werden; die Einstellungen sind nicht beruhensgeeignet, unterliegen nicht den §§ 305 S. 1, 336 S. 1, sondern gemäß der Grundregel des § 304 I der Beschwerde. 475 Die gleichen Gründe führen bei der Einstellung aus § 205 zur Statthaftigkeit der Beschwerde. Einstellungen wegen Verfahrenshindernissen (§ 206 a I und § 206 b S. 1) können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden (§§ 206 b S. 2, 206 a 11), durch StA und Nebenkläger (400 11 1), nicht durch den Angeschuldigten, weil er nicht beschwert ist. 476 Im Privatklageverfahren regelt § 383 11 die Einstellung als lex specialis zur allgemeinen Vorschrift des § 153. Eine dem § 153 a entsprechende Bestimmung erübrigt sich, weil dessen Funktion hier durch den gerichtlichen Vergleich übernommen wird. 477 Für den Privatkläger folgt die Statthaftigkeit der (sofortigen) Beschwerde aus § 383 11 3. Hat allerdings das Berufungsgericht eingestellt, ist dessen Entscheidung unanfechtbar (§ 390 V 2).478 Ob dies auch für die Einstellung durch das Beschwerdegericht gilt, fragt sich. Sie wird mitunter als ein auf die Beschwerde hin erlassener Beschluß i.S. von § 310 I angesehen, gegen den nur weitere Beschwerde in Betracht komme, durch Begrenzung des Beschwerdegegenstandes in § 310 I (Verhaftungen, Unterbringung) ist diese jedoch gegenüber der Einstellungsentscheidung versagt. 479 473 Das OLG Düsseldorf, JMB1NW 1994, 58, verneint lediglich die Beschwer (für den Beschuldigten), will jedoch Beschwerde bei Verstoß gegen das Willkürverbot zulassen. 474 Unter 11. 5. b). 475 Anders Giesler; S. 229 f. (Unanfechtbarkeit de lege ferenda zweckmäßig). 476 KK-Treier § 206 aTz. 13, § 206 b Tz. 10. 477 KleinknechtlMeyer-Goßner § 383 Tz. 11. 478 Die Absätze 4 und 5 des § 390 sind durch Art. 3 Nr. 170 VereinhG vorn 12. 9. 1950 (BGBI. 1455) eingefügt worden. Zur Rechtslage davor vgl. Niethammer JZ 1952,297, auch zu OLGe Neustadt und Hamm JZ 1952, 310; Niethammer bejaht bis zur Änderung kraft positiven Rechts die Beschwerdefähigkeit der Einstellungsentscheidung auch des Berufungsgerichts. Zu der nach altern Recht bestehenden Kontroverse vgl. BayObLGE 1952,94 (96) mit Nachweis der älteren Rechtsprechung; zur Kritik der Regelung des § 390 V 2 vgl. Giesler; S.309. 479 BayObLGE 1952,94; OLG Neustadt JZ 1952,310; LR-Wendisch § 383 Tz. 32f.
111. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
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Diese Ansicht mag im Lichte des mit § 390 V verfolgten Vereinfachungszwecks legitim erscheinen. Indessen gilt die Vorschrift kraft positiven Rechts nur im Berufungsverfahren (§ 390 V 2), für das Beschwerdeverfahren fehlt eine ausdrückliche Regelung. Aus § 310 resultiert ein Beschwerdeausschluß nicht generell, sondern nur dann, wenn das Beschwerdegericht nach § 309 II "die in der Sache erforderliche Entscheidung" erlassen hat; gegen eine derartige Entscheidung ist weitere Beschwerde versagt. Nicht jede Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeht jedoch "auf Beschwerde hin". Es zeigen sich dem Problem der EigeneinsteIlung durch das Revisionsgericht verwandte Züge. 480 Während in der einstellenden Beschwerdeentscheidung eine "auf Beschwerde hin ergangene Entscheidung" gesehen wird,481 keine EigeneinsteIlung des Beschwerdegerichts, wird dies für das entsprechende Erkenntnis des Revisionsgerichts von einer verbreiteten Meinung anders vertreten. Dieses Gericht könne selbst einstellen, treffe damit keine "Entscheidung auf Revision hin". Nach hier vertretener Ansicht bedeutet solche Einstellung Entscheidung in der Sache selbst und ist daher - wie jede andere, die nicht aufhebt und zurückverweist - Revisionsentscheidung. 482 Als Tatsacheninstanz kann das Beschwerdegericht durchaus die nach billigem Ermessen zu treffende Zweckmäßigkeitsentscheidung in Gestalt der Einstellung vornehmen. "Sache" i.S. von § 30911 ist der Beschwerdegegenstand und nicht die angeklagte Tat. Nur für ersteren, nicht für andere eigene Entscheidungen des Beschwerdegerichts, zu denen es nach § 383 11 I u. 2 berechtigt ist, ergibt sich der Ausschluß der weiteren Beschwerde gemäß § 310 I. Die Vorschrift des § 383 11 enthält zwar nicht wie § 153 11 den Zusatz "in jeder Lage des Verfahrens", doch wird man diesen in sie hineinlesen müssen, da andernfalls dem Beschwerdegericht die Einstellungsmöglichkeit überhaupt genommen würde. 483 ,,Entscheidung in der Sache", d. h. den Beschwerdegegenstand betreffend, ist die Einstellung nur dann, wenn die (Nicht-)Einstellung Beschwerdegegenstand war. Wird also der Zusatz des § 15311 "in jeder Lage des Verfahrens" nicht auf § 383 II I übertragen, stünde dem Beschwerdegericht eine eigene Einstellungsbefugnis nicht zu. Bei der Rechtsmiuelfähigkeit der Einstellung durch das Beschwerdegericht ist zu differenzieren. Weitere Beschwerde ist nur dann ausgeschlossen, wenn nach § 30911 ,,in der Sache", den Beschwerdegegenstand betreffend, entschieden wird, so etwa, wenn die Ablehnung der Einstellung mit Beschwerde angefochten war und daraufhin eine Einstellungsentscheidung des Beschwerdegerichts ergeht. Dies ist eine Beschwerdeentscheidung ,,in der Sache", nicht mit einfacher, allenfalls mit weiterer Beschwerde angreifbar, was § 310 II indessen unterbindet. Zum Vergleich: War Gegenstand der Beschwerde die Ablehnung der Eröffnung und stellt auf Beschwerde des Privatklägers das Beschwerdegericht das Verfahren ein, so bedeutet dies keine Beschwerde-, sondern eine Entscheidung erster Instanz über die Privatklage; nicht § 310, sondern sofortige Beschwerde nach § 383 II 2 kommt damit zum Zuge.484 480 Dazu unten III. 3. 481 Vgl. die vorige Fußn. 482 Vgl. unten zu 111. 3.; EigeneinsteIlung durch das Revisionsgericht im Fall des § 383 11 hält auch LR-Wendisch, § 383 Tz. 28, für zulässig, weil das Gericht sogar ein Amtsverfahren einstellen könne. 483 So im Erg. LR- Wendisch § 383 Tz. 28.
352
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Einstellungsentscheidungen des Beschwerde- wie des Berufungsgerichts als generell unanfechtbar zu bezeichnen, ist deshalb in dieser allgemeinen Form nicht zu vertreten. 485
Eine Anfechtung der Einstellungsentscheidung durch den Beschuldigten wäre an sich statthaft; nach h.M. fehlt allerdings die Beschwer.486 Angesichts der Stellungnahme des BVerfG zur Unschuldsvermutung kann diese These so pauschal nicht aufrechterhalten werden. 487 Danach verstößt die Einstellung vor Schuldspruchreife, die nur in der Hauptverhandlung erreicht werden kann, gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Unschuldsverrnutung, sofern in den Einstellungsgründen von der Schuld des Angeklagten ausgegangen wird. Die Einstellung besagt indessen nur, daß die Schuld, wenn sie denn vorliegen sollte, als gering anzusehen wäre. 488 Die Gründe beinhalten keine Beschwer des Beschuldigten, wenn sie (etwa im Rahmen der Kostenverteilung) die Schuld nicht fest-, sondern nur unterstellen. 489 3. Beschwerdefähigkeit der die Einstellung ablehnenden Entscheidungen
Lehnt das erkennende Gericht im Hauptverfahren die Einstellung ab, stellt sich die Konkurrenz zwischen Revision und Beschwerde ein. 49o Macht die Einstellungsablehnung i.S. des § 336 S. 1 eine Vorentscheidung des Urteils aus, versagt § 305 S. 1 Beschwerde. Die §§ 305 S. 1, 336 S. 1 sind synchron auszulegen. Thr Bezug zueinander wird nicht immer beachtet. 491 484 So richtig BayObLG 33, 31 (35): In Wirklichkeit entscheidet die Kammer nicht als Beschwerdegericht über die hier vorliegende Beschwerde, sondern beschließt über die Einstellung des Verfahrens innerhalb ihrer Zuständigkeit als Gericht erster Instanz. § 310 steht der Anfechtung nicht entgegen. Wie hier stellt LR-Gollwitzer, § 310 Tz. 10, auf die Identität des Beschwerdegegenstandes ab, hält aber gleichwohl die Beschwerde gegen den vom Beschwerdegericht erlassenen Einstellungsbeschluß im Anschluß an BayObLG 1952,94 für eine unzulässige weitere Beschwerde. 485 Wie hier die h. M., wenn das Beschwerdegericht nur wegen Versagung der Prozeßkostenhilfe (PKH) angerufen war (LR-Gollwitzer § 310 Tz. 10 Anm. 38; LR-Wendisch § 383 Tz. 33). BayObLG 1957, 40 arbeitet die Unterscheidung zwischen Beschwerdegegenstand (dort nur die Versagung der PKH) und Entscheidung in der prozessual im übrigen anliegenden Sache säuberlich heraus. 486 LR-Wendisch § 383 Tz. 35; so auch OLG Zweibrücken NJW 1996, 866 für den Einstellungsbeschluß nach § 15411 mit zutreffender Begründung zur Verneinung der Beschwer; auch Wiederaufnahme eines nach Erfüllung der Auflage gemäß § 153 a endgültig eingestellten Verfahrens ist nicht statthaft, denn der Einstellungsbeschluß ist kein Urteil und steht diesem auch nicht gleich (OLG Frankfurt/M. NJW 1996, 3353 (3354). 487 BVerfG Besch!. v. 26.03. 1987, NStE Nr. 2 zu § 383 StPO. 488 So wörtlich LR-Wendisch § 383 Tz. 35. 489 So die Formulierung des BVerfG NStE Nr. 2 zu § 383 StPO; Beschwer für den Angeklagten wird generell bejaht von Giesler, S. 308. 490 Vor Eröffnung ist die Beschwerde nicht durch §§ 305 S. 1,336 S. 1 ausgeschlossen. Es gelten die oben im 5. Teil III. 1. erörterten Regeln.
III. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
353
Für § 153 11 wird das Problem dadurch überlagert, daß nach heutiger Gesetzeslage das Revisionsgericht selbst einstellen kann. Die Ermächtigung zu dieser Eigeneinstellung findet sich in der durch das dritte stRÄG 1953 in § 153 11 1 eingefügten Wendung ,,in jeder Lage des Verfahrens".492 Entsteht die Befugnis zur Einstellung in jedem Rechtszug, also auch in der Revisionsinstanz, originär neu, so überprüft das Gericht dabei nicht die Einstellungsablehnung der Vorinstanz, sondern entscheidet über die Einstellung eigenständig. Bei dieser Sicht träte die Verfahrenseinstellung als weitere (im Revisionsverfahren untypische) Reaktionsmöglichkeit neben die Beschlußentscheidung aus § 349 und die Sachentscheidung bzw. Zurückverweisung gemäß § 354.493 Die Einstellungsablehnung der Vorinstanz wäre dann nicht Vorentscheidung, weil das Revisionsgericht nicht diese kontrolliert, sondern selbst über die Einstellung befindet. Daß § 153 11 dem Revisionsgericht tatsächlich ein originäres Einstellungsrecht einräumt, ist indessen zweifelhaft. Die Schwierigkeiten, eine derartige Befugnis in das Revisionsverfahren einzuordnen, sind offensichtlich. Soll das Revisionsgericht selbständig über eine Einstellung entscheiden, müßte ihm zu vollständiger Ausübung dieser Kompetenz eigene Sachverhaltsermittlung gestattet sein, wenn etwa die Feststellungen des Tatrichters als Beurteilungsgrundlage noch nicht ausreichen. Der Revisionsrichter würde dann zum Tatrichter. Es macht nun wenig Sinn, sich mit dem Hinweis auf einen ,,Einbruch in das System des Revisionsrechts" gegen solche eigenen Beweiserhebungen in einem Einstellungsverfahren zu wenden. 494
Nicht die eigene Beweiserhebung als Konsequenz, vielmehr das dem Revisionsgericht angeblich zugewachsene originäre Einstellungsrecht selbst ist atypisch für das Revisionsverfahren. In ihm entstünde neben dem klassischen ein neuartiges tatrichterliches Verfahren in der Revisionsinstanz, das die Möglichkeit der Beweiserhebung bedingt. Der ,,Einbruch" in das System der Revision liegt nicht in möglicher Beweiserhebung, sondern schon in der Eröffnung dieses Verfahrens insgesamt, das den Revisionsrichter bei der Einstellungsentscheidung zum Tatrichter machen würde. So weit muß man auch gar nicht gehen, um die durch das 3. stRÄG vorgenommene Änderung des § 153 II mit dem bisherigen Revisionsrecht in Einklang zu bringen. Der Hinweis auf die Einstellungsmöglichkeit ,,in jeder Lage des Verfahrens" muß nur dem Verfahrensrecht des jeweiligen Rechtszuges angepaßt werden. Für die Tatsacheninstanz resultiert die Einstellungsentscheidung aus den durch den 491 Zutreffend Schwentker, S. 215: Es handle sich "um ein Phänomen, welches vielfach zu finden ist", unter Hinweis auf LR-Rieß § 153 Tz. 92 einerseits und LR-Hanack § 336 Tz. 5 andererseits; KMR-Paulus § 336 Tz. 16; allerdings sieht auch Schwentker, S. 82, die Kreise der §§ 305 S. 1,336 S. 1 nicht als deckungsgleich an. 492 Naucke. StA-Fschr., S. 459 (auch zu dem vor dem 3. stRÄG bestehenden Meinungsstreit); KK-Schoreit § 153 Tz. 49; KleinknechtlMeyer-Goßner § 153 Tz. 25; LR-Rieß § 153 Tz. 57, 58; KMR-Müller § 153 Tz. 14; SchlüchterTz. 751.1. 493 Vgl. Naucke. StA-Fschr., S. 462f. 494 Naucke. StA-Fschr., S. 406.
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Weidemann
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Tatrichter ermittelten Feststellungen. Für die Revisionsinstanz gibt es keine eigenen Feststellungen, abgesehen von den im Freibeweis zum Verfahrensgang gewonnenen. Der in § 153 11 eingefügte Zusatz ,,in jeder Lage des Verfahrens" ist für das Revisionsverfahren sinnentsprechend dem § 354 I zuzuordnen. Der Zusatz stellt klar, auch das Revisionsgericht dürfe durch eigene Sachentscheidung von einer Sanktion absehen. Da die Entscheidung nach § 153 II im Beschlußverfahren ergeht, trifft das Revisionsgericht diese eigene Sachentscheidung ebenfalls durch Beschluß. So wurde gegenüber der früheren Rechtslage durch das 3. StRÄG im Hinblick auf § 153 II nichts Neues bewirkt. Entgegen Naucke hat das Revisionsgericht keine "dritte selbständige Möglichkeit gewonnen, die den Entscheidungsmöglichkeiten nach § 349 und § 354 an die Seite zu stellen wäre.,,495 Vielmehr bildet die Einstellung nach § 153 durch das Revisionsgericht einen Unterfall eigener Sachentscheidung i.S. von § 354 1. Eigene Entscheidung in der Sache ist möglich, sofern die tatsächlichen Feststellungen hierfür ausreichen. Andernfalls muß das Revisionsgericht zurückverweisen. 496 Daß die fehlerhafte Nichtanwendung des § 153 II beruhensgeeignet ist, wurde ausgeführt. 497 Die Strafsanktion verletzt materielles Recht, wenn die Einstellungsmöglichkeit des § 153 ennessensfehlerhaft entweder nicht geprüft oder verneint wurde. Der Fehler berührt die tragenden Gründe des Urteils. Beruhenszusarnmenhang liegt vor, ohne daß es auf die diffizilen Erwägungen zur Beruhenseignung von Verfahrensfehlern ankäme. Ein unrichtiger Rechtssatz (Verhängung der Sanktion) wurde auf den ermittelten Sachverhalt anfewendet. So fügt sich § 153 11 reibungslos in die Systematik der Revision ein. 49 Gleiches gilt für die Einstellungsentscheidung nach § 383 11. Diese Einordnung ist auf die Einstellungsablehnungen nach § 153 b II übertragbar. Das Nichtabsehen von Strafe verstößt gegen materielles Recht, wenn fehlerfreie Ennessensausübung bei dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt das Absehen von Strafe verlangt; gleiches geschieht dann, wenn Ennessen im Hinblick auf § 153 II nicht oder nicht richtig ausgeübt wurde. Damit wird gleichzeitig die sich für alle Einstellungsbestimmungen stellende Frage beantwortet, ob nur ausdrückliche Einstellungsablehnung oder schon die stillschweigende Übergehung der (naheliegenden) Einstellungsmöglichkeit gesetzwidrig ist. Das letztere trifft zu. Legt der ermittelte Sachverhalt die Einstellung Vgl. Naucke, StA-Fschr., S. 463 f. So schon Oehler für den Rechtszustand vor dem 3. stRÄG 1953 JZ 1951,595 (r. Sp.). 497 I. Teil IX. 2. 498 BGH NStZ 1996, 506 stellt nach § 153 II das Verfahren ein, weil wegen der überlangen Verfahrensdauer, der Verletzung des Beschleunigungsgebots und der erheblichen Belastung des Angeklagten durch das bisherige Verfahren die Schuld "im jetzigen Zeitpunkt" als gering anzusehen sei ... Das steht mit der hier vertretenen Auffassung nicht in Einklang, da das Revisionsgericht nur die Entscheidung der Vorinstanz überprüft, es also auf den "damaligen" Zeitpunkt ankommen muß. 495
4%
III. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
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nahe, verletzt das erkennende Gericht materielles Recht, wenn es sein Ermessen nicht in dieser Richtung ausübt. Einstellungsablehnung ist mithin auch ein ermessensfehlerhaftes Übergehen der Einstellungsmöglichkeit, die stillschweigende Ablehnung. Die Besonderheit im Rahmen des § 153 b n liegt darin, daß Absehen von Strafe durch Einstellungsbeschluß nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung geschehen kann, danach im Urteil ausgesprochen werden muß. Die stillschweigende oder ausdrückliche Verneinung der Einstellung nach § 153 b n ist der Beschwerde unter dem gleichen Aspekt wie etwa der Eröffnungsbeschluß (dort freilich kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nach § 210 I) unzugänglich. An die Stelle der Eröffnung tritt das Urteil. Die Funktion des hinreichenden Tatverdachts in der Eröffnung nimmt im Urteil die Überzeugung des Gerichts (oder ihr Fehlen) von der Schuld wahr. 499 Vergleichbar rückt an die Stelle der Einstellungsentscheidung nach § 153 b n vom Beginn der Hauptverhandlung an die Einstellung durch Urteil; das Absehen von Strafe geschieht vor der Hauptverhandlung durch Beschluß, in ihr durch Urteil. Die materiell-rechtliche Frage, ob auf Strafsanktion verzichtet werden kann, bleibt dieselbe. Beruhensgeeignet ist solche Entscheidung, weil sie die Anwendung materiellen Rechts auf den vom Gericht festgestellten Sachverhalt enthält. So ist auch die Einstellungsablehnung nach § 153 b n mit Beschwerde wegen § 305 S. 1 nicht angreifbar. Bei der Einstellung nach § 153 anscheint die Gesetzeslage auf den ersten Blick völlig anders zu sein. Wahrend § 153 n durch den Zusatz ,,in jeder Lage des Verfahrens" auch dem Revisionsgericht die diesbezügliche Eigenentscheidung ermöglicht, wird die Einstellung des § 153 a n nur der Tatsacheninstanz zugestanden. Ein qualitativer Unterschied ist damit jedoch nicht verbunden. Auch die (Nicht-) Anwendung des § 153 anbetrifft materielles Recht und nicht das Verfahren, das erst zur Feststellung des Sachverhalts führt. Aus der Natur der Sache wird freilich das Revisionsgericht kaum selbst nach § 153 alleinstellen können, weil es Auflagen und Weisungen nicht erteilen kann. Ist die Einstellungsmöglichkeit des § 153 allermessensfehierhaft nicht in Betracht gezogen worden, hat das erkennende Gericht sie nicht bedacht, obwohl Anlaß dazu bestand, so hat es mit Verhängung der Strafe einen Gesetzesverstoß begangen, indem richtige Ermessensausübung die Sanktion des § 153 allnahegelegt hätte. Seine Vernachlässigung wird deshalb zwar nicht zur Eigeneinstellung, wohl aber zur Zurückverweisung mit der Maßgabe führen, das Tatgericht möge diese Einstellung erwägen. Anders stellt sich die Beruhensfrage für die Einstellungsentscheidungen, die Verfahrensrecht anwenden. Beruhenseignung der Einstellungsablehnung im Hauptverfahren nach § 154 e 11 ist bereits verneint worden. 500 499 500
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Vgl. o. 5. Teil I. 5. c). Vgl. o. 5. Teil 11. 5. b).
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Einen weiteren Fall vorläufiger Einstellung, der Sache nach eine Aussetzung, regelt § 205. 501 Das Gericht kann vorläufig einstellen, wenn der Durchführung der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegenstehen. § 205 ermöglicht die vorläufige Einstellung bei vorübergehenden Prozeßhindernissen. 502 Revisionsrechtlich erheblich ist nicht die Einstellungsablehnung, sondern die Weiterverhandlung trotz Prozeßhindernisses. Der Auffassung von Rieß, unrichtige Anwendung des § 205 S. 1 begründe als solche die Revision nicht, ist zuzustimmen. 503 Die Einstellungsablehnung aus § 205 S. 1 ist daher beschwerdefähig. § 206 a eröffnet die Einstellung wegen Verfahrenshindernisses, § 206 b wegen Gesetzesänderung. Die bereits oben504erwähnte Verwandtschaft beider Bestimmungen beruht darauf, daß sie eine sonst dem Urteil vorbehaltene Rechtsfrage durch Beschluß vorab zu entscheiden ermöglichen. 505 Die Ablehnung dieser Einstellung wird herkömmlich als Vorentscheidung des Urteils und damit revisibel angesehen. 506 Dem kann für § 206 a nicht gefolgt werden. Die Rechtsmittelfähigkeit der Einstellungsablehnung nach § 206 a entspricht der des § 205. Beruhensgeeignet ist nicht der Verstoß gegen § 206 a, sondern das Weiterverhandeln trotz Verfahrenshindernisses. 507
Im Unterschied dazu knüpft § 206 b die Einstellung an das Vorliegen materiellrechtlicher Voraussetzungen, an die einschlägige Änderung des materiellen Strafrechts. Eröffnet das Gericht die Hauptverhandlung unter Verletzung des § 206 b, ist eine Beschlußentscheidung nicht mehr möglich, und der Angeklagte muß durch Urteil freigesprochen werden. Das Verhältnis zwischen Einstellungsablehnung und Urteil ähnelt dem im Rahmen des § 153 b 11. Wie die nach dieser Vorschrift ist die Einstellungsablehnung nach § 206 b als vorgezogener Urteilsbestandteil beruhensgeeignet, revisibel und nicht beschwerdefähig. Bei Einstellungen nach §§ 154 11, 154 all geht es um formelles Recht. Die Beruhenseignung ihrer Ablehnung ist daher wie die aller Formalentscheidungen besonders zu begründen. 501 § 205 ist nach der Wortfassung "Angeschuldigter" ausschließlich im Zwischenverfahren anwendbar, was jedoch analoge Ausdehnung auf andere Verfahrensabschnitte nicht hindert (KK-Treier § 205 Tz. 1 und 4). Dann kommt es auf die Beruhenseignung nicht an. Die folgenden Ausführungen betreffen nur die Einstellungsablehnung im Hauptverfahren. 502 Schlüchter Tz. 406; KK-Treier § 205 Tz. 1. 503 LR-Rieß § 205 Tz. 34; KK-Treier § 205 Tz. 13 (Revisionsgrund nach § 338 Nr. 8 ist möglich, wenn trotz des Hindernisses weiterverhandelt wird). 504 1. Teil IX. 2. c). 505 Bohnert GA 1982, 174; einschränkend LR-Rieß § 206 b Tz. 3: Die Verwandtschaft beschränke sich auf die Entscheidungsform (Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung) und den Entscheidungsinhalt (Verfahrenseinstellung). 506 Bohnert GA 1982, 174; LR-Rieß § 206 aTz. 73 und § 206 b Tz. 19. 507 Eine Auffassung, die LR-Rieß für § 205 vertritt (§ 205 Tz. 34).
ill. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
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§ 154 sieht Nichtverfolgung der gesamten prozessualen Tat wegen der für eine andere Tat zu erwartenden oder verhängten Strafe vor. Daneben gestattet § 154 a eine Beschränkung der Verfolgung bei einheitlicher Tat, aus der abtrennbare Teile oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen herausgelöst werden können.
Zu unterscheiden sind - ihrer Funktion entsprechend - verfahrensbeendende und verfahrenstrennende Einstellungen. Dabei ist der Begriff "Trennung" nicht i.S. von § 2, sondern "untechnisch" zu verstehen. s08 Die richterliche Beurteilung wird auf bestimmte Teile des angeklagten Komplexes beschränkt. Das Gesetz selbst verwendet den Begriff der Trennung in § 154 a I, wenn es dort von abtrennbaren Teilen einer Tat spricht. Indessen ermöglicht § 154 a auch die Einstellung von einzelnen durch dieselbe Tat begangenen mehreren Gesetzesverletzungen. Hier soll aus Gründen der Prägnanz der Begriff der "trennenden Einstellung" beibehalten werden. § 154 a läßt nur die trennende Einstellung zu. Das Verfahren über den nicht eingestellten Teil wird fortgesetzt.
Demgegenüber kennt § 154 beide Einstellungsarten. Beendend ist die Einstellung, wenn die Tat, deretwegen der Beschuldigte die anderweitige Sanktion zu erwarten hat, die Bezugstat, nicht mit angeklagt ist. Wird dabei nach § 154 11 eingestellt, beendet die Einstellung das Verfahren. Ist dagegen die Bezugstat mit angeklagt, wird das Verfahren ihretwegen fortgesetzt. Die Ablehnung, das anhängige· Verfahren durch eine Einstellung nach § 154 bzw. § 154 a abzuschließen, ist nicht beruhensgeeignet, weil sie Einwirkungsrechte der Interaktion nicht tangiert. Die §§ 154, 154 a zielen ausschließlich auf Konzentration des Verfahrensstoffs und Vereinfachung der Strafrechtspflege. Ob sie daneben kriminalpolitische Bedeutung haben, indem sie die Sanktion auf wesentliche Tatvorwürfe konzentrieren,509 ist für die Beruhensfrage unerheblich. Das Verfahren nicht durch Einstellung nach §§ 15411, 154 allzu beenden, bedeutet daher nicht Vorentscheidung zum Urteil, führt zu Beschwerdefähigkeit. Die trennende Einstellung bewirkt, daß wegen der nicht abgetrennten Tat (§ 15411 i. Verb. mit I Nr. 1 und 2) bzw. nicht abgetrennter Tatteile (§ 154 a 11) das
Verfahren fortgesetzt wird. Sie wirft die von Peters510 eingehend erörterte Frage auf, ob nicht Zusammengehöriges auseinandergerissen wird, damit für die Gesamtbewertung wesentliche Aspekte der richterlichen Beurteilung vorenthalten werden. Solche Trennung von in Wirklichkeit ganzheitlichen Vorgängen vermag, weil diese für die Gesamtwürdigung der Tat bzw. des angeklagten Tatkomplexes meist von 508 Vgl. LR-Rieß § 154 aTz. 6: "Handlungen, die im natürlichen Sinne in tatsächlicher Hinsicht in gewissem Umfang in sich abgeschlossen sind, infolge der rechtlichen Beurteilung aber mit anderen Handlungen zu einer rechtlichen Einheit, der prozessualen Tat, zusammengefaßt werden". 509 Die Frage ist strittig, vgl. LR-Rieß § 154 Tz. 1 und § 154 aTz. 1. 510 Peters StV 1981,411 (bei der Besprechung von OLG Bamberg, daselbst, S. 402).
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5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Bedeutung sind, die Tat in einem anderen Licht erscheinen zu lassen,511 das Urteil zu beeinflussen. Auch kann sich die Einstufung ein und derselben Tat im Urteil durchaus auch dadurch ändern, daß sie - bei Ablehnung einer Abtrennung - weiterhin im Kontext mit anderen Taten bzw. Tatteilen im Verfahren bleibt. Beruhenseignung von Verletzungen der §§ 154 11, 154 all läßt sich damit allerdings nicht begründen. Gesetzesverletzungen fehlt es an der Urteilsfinalität, weil das Gesetz nur Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte verfolgt, aber nicht der prozessualen Interaktion etwa im Lichte des Schutzes von Mitwirkungsrechten von Prozeßbeteiligten dient. Für Verbindungs- und Trennungsbestimmungen ist diese bereits verneint worden. 512 Bei Verstoß gegen die §§ 154 11, 154 allkann nichts anderes gelten. Ihre Normierung soll lediglich die Konzentration des Verfahrens stoffs erleichtern. Entsprechende Verfahrensfehler sind deshalb nur beschwerdefähig. Dasselbe gilt für die Einstellungsablehnung nach § 153 e 11. Allerdings versagt § 304 IV 2 auch die Anfechtung durch Beschwerde. 5B
4. Die Zustimmung des Gerichts
Einzelne Bestimmungen knüpfen das Absehen von Verfolgung an die Zustimmung des für die Eröffnung zuständigen Gerichts (§§ 153 I, 153 a I, 153 b I, 153 e 1).514 Erteilung und Versagung der Zustimmung sind nach heute überwiegender unterschiedlich begründeter Ansicht nicht beschwerdefähig. 515 . 516 Teilweise wird die Beschwer verneint. 517 Andere lassen die Anfechtbarkeit am Charakter der ZustimVgl. Peters StV 1981,411. Vgl. O. 5. Teil 11. 1. 513 LR-Rieß § 153 e Tz. 20; KK-Schoreit § 153 e Tz. 15. 514 Eine derartige (gesetzlich erforderliche) Zustimmung ist zu unterscheiden von der (außerprozessualen) Zustimmung eines Dritten, an deren Vorliegen das Gesetz nicht die Wirkung einer Prozeßerklärung knüpft, z. B. Klageerhebung unter der Bedingung, daß ein Dritter zustimme, vgl. RGZ 144,71 (72); zum Problem Schmid GA 1982,95 ff. 515 LR-Rieß § 153 Tz. 43; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 153 Tz. 11 und 34f.; KK-Schoreit § 153 Tz. 30 f.; Bloy JuS 1981,429. 516 Zu dem ähnlich gelagerten Problem bei Anfechtung der Zustimmung des Gerichts nach § 35 I 1 BtMG vgl. Reisinger NStZ 1990,57 (58, r. Sp.), die Zustimmung sei als "justizinterner Verwaltungsakt" unanfechtbar; OLG Hamm MDR 1983,75; Ebert/Müller Tz. 355 (kein Rechtsmittel); Endriß / Malek Tz. 656; Katholnigg NStZ 1981, 417. Im Zusammenhang mit der von Reisinger (NStZ 1990, 57) bekämpften Auffassung, das Gericht des 1. Rechtszugs müsse stets, nicht nur bei beabsichtigter Zustimmung der Vollstreckungsbehörde mitwirken (OLG Frankfurt MDR 1983, 156; OLG Karlsruhe StV 1986, 257 = NStE Nr. 3 zu § 35 BtMG), gewinnt die Unanfechtbarkeit der Zustimmung nach § 35 I 1 BtMG besondere Bedeutung, indem hierdurch der Verurteilte "praktisch rechtlos" gestellt wird (Reisinger NStZ 1990,58). 517 LR-Rieß § 153 Tz. 43; ebenso Bloy JuS 1981,429 Anm. 29 zur Anfechtbarkeit der Zustimmungsversagung. 511
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1II. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
359
mung als bloßer "Prozeßerklärung" scheitern. Die "eigentliche Entscheidung" liege erst in der Abschlußverfügung der StA. 518 Beschwerde der StA ist nach vereinzelt gebliebener Auffassung als statthaft angesehen worden,519 die des Beschuldigten gegen die Versagung der Zustimmung hingegen nicht. Konkurrenzen zur Revision treten nicht auf, da das Zustimmungsersuchen der StA an das Gericht im Vorverfahren ergeht, der Beschwerdeausschluß des § 336 S. I (für das Hauptverfahren) nicht in Betracht kommt. Inwieweit die Zustimmung bzw. ihre Versagung beschwerdefähig sind, stellt dementsprechend keine Abgrenzungsfrage zwischen Beschwerde und anderen Rechtsmitteln dar, sondern ist durch Auslegung der Einzelbestimmungen ohne Blick auf den Gesamtzusammenhang der funktionalen Rechtsmittelabgrenzung zu ermitteln. Das Problem hat für die vorstehende Untersuchung geringe Bedeutung und soll nur kurz gestreift werden. Die Charakterisierung der Zustimmung als "Prozeßerklärung" besagt dogmatisch nichts, diese Klassifizierung zieht keine inhaltlichen Wirkungen nach sich. Das Institut der "Prozeßerklärung" ist dem Strafprozeß fremd und kann nicht dazu dienen, ein an sich gegebenes Rechtsmittel auszuschliessen. 52o Die Frage nach der Beschwer löst das Problem der Statthaftigkeit nicht, sie ist der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzung logisch nachrangig. Der Hinweis darauf, die "eigentliche Entscheidung" werde durch die StA getroffen, demzufolge nehme das Gericht durch Erteilung oder Versagung seiner Zustimmung keine "Regelung" vor, erinnert an die Behandlung eines ähnlich gelagerten Problems im Verwaltungsrecht, die Anfechtbarkeit des sog. mehrstufigen Verwaltungsakts, der erst nach Mitwirkung (Zustimmung, Genehmigung, Einvernehmen) eines anderen Verwaltungsträgers erlassen wird. Im Verwaltungsrecht hat sich die Auffassung durchgesetzt, derartige Mitwirkung sei mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt, könne deshalb nicht gesondert angefochten werden. 521 Begründet 518 So insbesondere LR 23-Meyer-Goßner § 153 Tz. 32 im Anschluß an Kleinknecht, von dem die Charakterisierung der Zustimmung als "Prozeßerklärung" stammt (Kleinknecht/ Meyer-Goßner § 153 Tz. 34; dagegen Gössel, S. 95); LG Ellwangen JZ 1980,365; Bohnert, Abschlußentscheidung, S. 357 ff., läßt die Beschwerdefähigkeit an dem Charakter als "Internum" und Opportunitätsentscheidung scheitern: "Es kann ... keinen Rechtsanspruch auf Opportunität geben" (S. 361). 519 Gössel § 9 B II a 3 (S. 95); OLG Nürnberg OLGSt § 153 a (a. E) S. 1 (ohne Begründung); ebenso Niethammer JZ 1952, 297 (298, anfechtbar, soweit nicht Strafkammer oder Berufungsgericht entschieden haben); Kohlhaas GA 1956, 241 (251): Beschwerde für die StA statthaft. 520 So mit Recht Gössel, S. 95; gegen den Versuch, den Rechtsschutz durch den Begriff der "Prozeßhandlung" zu blockieren Welp StV 1986,447. 521 Vgl. Erichsen/Martens/Badura § 37 Tz. 30; Kopp/Schenke, Anhang § 42 Tz. 82ff.; Redeker/v. Oemen § 42 Tz. 83ff.; BVerwGE 16, 116; 19,238 (Zustimmung nach § 9 II BFernstrG); Pietzner / Ronellenfitsch § 39 Tz. 7 ff. (S. 391 ff., insbes. S. 394 Anm. 44).
360
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
wird dies u. a. damit, die mitwirkungs berechtigte Behörde könne ihre Rechte durch das Institut der Beiladung im Verwaltungsprozeß geltend machen, so daß sich der Betroffene darauf beschränken kann und muß, den Akt mit Außenwirkung anzugreifen, auch wenn dieser auf das Fehlen der Zustimmung eines anderen Verwaltungsträgers zurückgeht. Auf den Strafprozeß läßt sich diese Argumentation nicht übertragen. Als Akt mit Außenwirkung müßten dann die Einstellung bzw. deren Ablehnung durch die StA angesehen werden. Deren Erklärung ist aber nicht anfechtbar. 522 Selbst wenn sie es wäre, sieht der Strafprozeß jedenfalls kein der "Beiladung" vergleichbares Institut im Verhältnis zum die Zustimmung versagenden Gericht vor. Eine rechtliche Regelung enthält die gerichtliche Versagung der Zustimmung insofern, als ohne letztere die StA an der Einstellung gehindert ist. Die Unterscheidung von Gössel (Beschwerderecht der StA, nicht des Beschuldigten)523 läßt sich nicht halten, schon die Verweigerung der Zustimmung als solche wirkt unmittelbar auf den Rechtskreis des Beschuldigten, nicht erst die durch die StA nach versagter Zustimmung erhobene Anklage. Die (Nicht-)Zustimmung ergeht auch nicht in einem besonderen Zwischenverfahren außerhalb der ersten Instanz oder des Berufungsverfahrens. Nur dann wird Annahme eines Zwischenverfahrens notwendig, wenn andernfalls Kollision zwischen der Entscheidung des Beschwerdegerichts und der des im Zwischenverfahren agierenden Rechtsmittelgerichts zu befürchten wäre; dazu kann es mangels eines besonderen Rechtsmittelweges gegen im Zusammenhang mit der (Nicht-) Zustimmung erlassene Entscheidungen nicht kommen. Die Zustimmungserklärung erfolgt durchaus im Rahmen der Instanz, sie ist Entscheidung i.S. von § 304. Ob sie beschwerdefähig ist, muß durch Auslegung der positiv-rechtlich in den §§ 153 ff. enthaltenen Anfechtungsvorschriften ermittelt werden. Hier hat eine erweiternde Anwendung der §§ 153 11 4, 153 a 11 4 stattzufinden. In ihnen drückt sich der Rechtsgedanke aus, jedenfalls eine das Verfahren abschließende Entscheidung solle der Beschwerde nicht zugänglich sein. Gleiches muß für die der Einstellung der StA vorausgehende "Zustimmungsentscheidung" des Gerichts gelten; wenn schon die Einstellung selbst nicht beschwerdefähig sein soll, dann erst recht nicht die Zustimmung zu ihr. 524 Der Rechtsmittelausschluß der §§ 15311 4, 153 all 4 betrifft nur die Einstellung, nicht ihre Ablehnung. Eine ablehnende Entscheidung kann allein mit Rücksicht auf die Revisionsmöglichkeit der Beschwerde entzogen sein, d. h. im Hauptverfahren durch § 305 S. 1. Im Zwischenverfahren ist sie nach § 201 11 2 unanfechtbar. Für das Vorverfahren gelten diese Ausschlußtatbestände nicht. Infolgedessen wird die Grundregel des § 304 I für die Ablehnung der Zustimmung nicht durchbrochen. 522 523 524
Krey II Tz. 225.
Gössel, S. 95 f. LR-Rieß § 153 Tz. 54; differenzierend Rieß NStZ 1981,9.
ID. Entscheidungen zur Verfahrenseinstellung
361
Die Beschwerde ist, weil diese Entscheidung im Vorverfahren ergeht, statthaft. Von den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen ist die Beschwer zu prüfen. Sie liegt für StA und den Beschuldigten bei verweigerter Zustimmung auf der Hand. Insoweit folgt die Untersuchung der Auffassung von Niethammer, Eb. Schmidt und GÖssel. 525 Nicht übernommen werden kann die Differenzierung von Eb. Schmidt und Gössel, die eine Anfechtung der Zustimmungsversagung durch den Beschuldigten am Fehlen unmittelbarer Betroffenheit scheitern lassen wollen. Die rechtliche Regelung, die Einwirkung auf die Rechtsstellung des Beschuldigten, geschieht direkt mit der Verweigerung gerichtlicher Zustimmung und nicht nur oder erst mit Versagung der Einstellung durch die StA. 5. Fortsetzungsbeschlüsse und ähnliche Entscheidungen
Die Einstellung nach §§ 153 a, 154, 154 a ist vorläufig; liegen Gründe vor, kann das Gericht das Verfahren fortsetzen. 526 Entsprechend muß bei Einstellung nach § 154 elldas (vorläufig eingestellte) Verfahren von Amts wegen fortgeführt werden, wenn das Bezugsverfahren nicht mehr anhängig ist. In der Wirkungsweise korrespondieren Fortsetzungsentscheidung und Ablehnung der Einstellung; beide befördern das Verfahren mit dem Ziel des Urteils in eine neue Rechtslage. Die Beruhenseignung der (fehlerhaften) Fortsetzungsentscheidung entspricht der einer Einstellungsablehnung. Wie etwa die gesetzwidrige Einstellungsablehnung nach § 153 a 11527 ist auch die Entscheidung, das Verfahren z. B. bei nicht vollständig erfüllten Auflagen fortzuführen, beruhensgeeignet und damit nicht beschwerdefähig. 528 Letzteres Erkenntnis verkörpert die Aussage, eine andere als die Strafsanktion sei auf den bis dahin vom Gericht festgestellten Sachverhalt nicht anzuwenden. Fortsetzungsentscheidung und Einstellungsablehnung nach § 153 all sind damit Sachentscheidungen. Bei Rechtsverstoß ergibt sich beider Beruhenseignung unmittelbar aus der Verletzung materiellen Rechts, ohne daß es (wie bei Verletzung von Verfahrensnormen) der Prüfung bedürfte, ob die verletzte Bestimmung "wesentlich" ist. Im Unterschied zu Fortsetzungsentscheidungen der §§ 153 11, 153 all sind die des § 154 III und IV nicht beruhensgeeignet, indem sie lediglich Verfahrensrecht berühren und bei Verstoß hiergegen wie die Einstellungsablehnungen nach §§ 154, 154 a keine Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte von Prozeßbeteiligten tangieren. 525 Niethammer JZ 1952, 298; Eb. Schmidt II Nachtrag I § 153 Tz. 15 (Beschwerde für die StA); Gössel, S. 95. 526 Für Einstellungen gemäß §§ 154, 154 a finden sich hierzu in § 154 III, IV und § 154 a ID ausdrückliche Regelungen; für § 153 a, der die Fortsetzungsbefugnis nicht erwähnt, läßt sich diese aus § 153 aI 5, II 2 herauslesen. 527 Vgl. O. ID. 3. 528 OLG Stuttgart MDR 1980,250 und OLG Düsseldorf MDR 1985, 867; KK-Schoreit § 153 aTz. 57.
362
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
Auch die Fortsetzung nach vorläufiger Einstellung i.S. von § 154 ellbetrifft Verfahrensrecht; § 154 ellist verletzt, wenn das Verfahren vor Beendigung des Bezugsverfahrens weitergeführt wird. Gesetzesverstösse hierbei sind ebenso wenig beruhensgeeignet wie bei fehlerhafter Einstellungsablehnung nach § 154 e;529 wie dort ist Beschwerde statthaft. Ablehnung der Fortsetzung nach Einstellung zeitigt gleiche Wirkung wie die Einstellung selbst. Sie unterbindet die Fortführung des Verfahrens und damit den Erlaß eines Urteils, so daß es zu Konkurrenz von Beschwerde und Revision nicht kommen kann. In ihrer Verhinderung eines Urteils fehlt ihr zwangsläufig Beruhenseignung. Die Überlegungen, die Beschwerde gegen Einstellungsentscheidungen versagen,530 sind auf die Ablehnung der Verfahrensfortsetzung nicht übertragbar. Nach dem in §§ 153 11 4, 153 a 11 4 geäußerten gesetzgeberischen Willen sollen beendende Einstellungen unanfechtbar sein, sinnentsprechend dann aber nur die das Verfahren endgültig beendenden. Dem ist die Ablehnung der Fortsetzung eines noch vorläufig eingestellten Verfahrens nicht gleichzusetzen. Hier muß ein Weg zur Verfügung stehen, eine gesetzwidrige Ablehnung sanktionieren zu lassen. Wie die StA das Recht besitzt, eine zu Unrecht erfolgte Eröffnungsablehnung überprüfen zu lassen, muß ihr - der Idee des § 210 11 folgend - auch gegen die Versagung der Fortsetzung Beschwerde eröffnet sein. § 304 I ist nicht eingeschränkt. 531 Nicht verfahrensbeendend ist die Ablehnung, ausgeschiedene Verfahrens teile nach § 154 a III in das Verfahren wieder einzubeziehen, so daß es also ohne jene fortgesetzt wird. Eine solche Weigerung wirkt wie die das Verfahren beschränkende Entscheidung nach § 154 a 11. Es kommt zwar zum Urteil, indessen nicht über die durch Beschränkung ausgeschiedenen Verfahrensgegenstände. Eine rechtsfeh1erhafte Ablehnung, solche Teile wieder einzubeziehen, ist wie die gesetzwidrige Beschränkung nach § 154 allnicht beruhensgeeignet, ergo beschwerdefähig. 532
IV. Sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs 1. In der Strafprozeßordnung
§ 322 11 sieht sofortige Beschwerde gegen die Beschlußverwerfung der Berufung vor, entsprechend § 411 I 1, 2. Halbs. bei Verwerfung des Einspruchs gegen den Strafbefehl als unzulässig. Vgl. o. 5. Teil 11. 5. b). V gl. o. III. I. a). 531 So mit ausführlicher und zutreffender Begründung OLG Bamberg NStZ-RR 1997,44. 532 Vgl. o. eingangs III. 3.; anders KK-Schoreit § 154 aTz. 24 und LR-Rieß § 154 aTz. 40 (§ 305 S. 1 stehe entgegen). 529 530
IV. Sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung
363
Eine verwandte Bestimmung enthält § 379 a III für die Privatklage. Ist der Gebührenvorschuß (§ 379 a I) nicht rechtzeitig gezahlt, wird die Privatklage durch Beschluß zurückgewiesen (§ 379 a III 1). Dieser kann nach Satz 2 der genannten Vorschrift mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Bestätigt das Beschwerdegericht die Entscheidung des judex a quo, ist das Verfahren beendet. Korrigiert es den judex a quo und hebt es den Verwerfungsbeschluß (im Fall des § 379 a III 2 den Zurückweisungsbeschluß) auf, gelangt das Verfahren an die erste Instanz zurück. Diese muß ihm, wie es RG 59, 241 ausdrückt, ,,Fortgang geben". Es wird Hauptverhandlung angesetzt, die über die Berufung bzw. die den Gegenstand des Strafbefehls bildende Tat oder die Privatklage befindet. Eine wie auch immer geartete Bindung zwischen Beschwerdegericht und judex a quo existiert nicht, weder unter dem Aspekt innerprozessualer Bindungswirkung noch dem der Rechtskraft. 533 Dem stehen auch nicht § 358 I oder § 336 S. 2 im Wege. § 358 I schafft keine Bindung, weil die Sache nicht "verwiesen" wird, sondern aufgrund einer Sachentscheidung des Beschwerdegerichts an die erste Instanz zurückkommt. § 336 S. 2 zieht zwar (formelle) Rechtskraft der sofortiger Beschwerde unterliegenden Entscheidung (des judex a quo) nach sich, bewirkt indessen keine Rechtskraft des Spruchs des Beschwerdegerichts. 534 Bestätigt letzteres, wird nicht seine, sondern die Entscheidung des judex a quo rechtskräftig. Ändert das Beschwerdegericht ab, blockiert § 336 S. 2 eine Überprüfung durch Revision nicht, denn er erfaßt nur die Entscheidung des judex a quo. 535 Die zu Unrecht der sofortigen Beschwerde stattgebende Entscheidung kann also im Ergebnis nach § 336 S. 1 durch das Revisionsgericht korrigiert werden. Umgekehrt ist die Entscheidung des judex a quo, an den das Verfahren aufgrund abändernder Beschwerdeentscheidung zurückgelangt, nicht deshalb ,,richtig", weil sie sich an die Beschwerdeentscheidung anlehnt, also in der Hauptverhandlung etwa die Berufung als rechtzeitig behandelt. Sie ist ferner nicht deshalb falsch, weil sie sich in Gegensatz zur Beschwerdeentscheidung setzt, indem sie z. B. das Rechtsmittel als unzulässig bezeichnet. Bei seiner weiteren Sachentscheidung ist der judex a quo weder auf den Beschwerdeentscheid verpflichtet, noch bewahrt ihn die Übernahme der Rechtsansicht des Beschwerdegerichts vor Aufhebung, so daß dessen Ergebnis kein Maßstab für die Rechtsfehlerfreiheit des im Anschluß an die Beschwerde ergehenden Urteils erster Instanz sein kann. Ausschlaggebend ist die materielle Richtigkeit des Erkenntnisses. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels (bei Privatklage etwa die Rechtzeitigkeit der Gebühreneinzahlung) muß deshalb vom Revisionsgericht in vollem Umfang überprüft werden.
Zum Problem vgl. o. l. Teil VII. 2. Vgl. zur Anfechtung eines Verwerfungsurteils nach § 412 zutreffend Wemy NJW 1988, 189 (es bestehe nicht einmal Selbstbindung des zur Sache entscheidenden Berufungsgerichts an die "vorher geäußerte Ansicht" über die Unzulässigkeit der Verwerfung durch die Vorinstanz). 535 Vgl. o. l. Teil VII. 2. 533
534
364
5. Teil: Die Beschwerdefähigkeit einzelner Entscheidungen
2. ImOWiG
Abweichend hiervon bejaht Bohnert Bindungswirkung für die Entscheidung nach § 70 II OWiG, die auf Beschlußverwerfung ergehende Beschwerdeentscheidung. Das hat Konsequenzen in Fällen, in denen das AG den Einspruch - sachlich richtig - verwirft und das LG - fälschlich - den Verwerfungsbeschluß aufhebt. Bohnert führt aus: ,Jst die Entscheidung des Landgerichts falsch, ist das an sie gebundene Urteil des Amtsgerichts ebenfalls falsch, eine Aufhebung im Rechtsbeschwerdeverfahren würde zur Zurückverweisung führen und zum erneuten Eintreten der Bindungswirkung. Hält sich das Amtsgericht nicht an die Bindungswirkung und entscheidet durch Urteil ... und war die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts unrichtig, so ist das Urteil des Amtsgerichts zwar sachlich richtig, jedoch formell fehlerhaft, weil es gegen die Bindungswirkung der Beschwerdeentscheidung verstieß. Andererseits kann auf die Bindungswirkung nicht verzichtet werden; denn der Rechtszug nach § 70 Abs. 2 hat den Zweck, eine anstehende Rechtsfrage vorzuentscheiden, und zwar mit Wirkung sowohl für den Betroffenen wie für das weitere gerichtliche Verfahren. - Das Dilemma entsteht dadurch, daß der zutreffende Rechtsgedanke des § 336 S. 2 StPO auf das Verfahren nach §§ 70, 79 keine Anwendung findet. ,,536
Er löst das Problem, indem er die Bindungswirkung auf das Rechtsbeschwerdegericht ausdehnt: . "Hat das Amtsgericht dagegen zu Recht den Einspruch als unzulässig zurückgewiesen und das Landgericht zu Unrecht aufgrund sofortiger Beschwerde nach § 70 Abs. 2 entschieden, entfaltet diese Entscheidung nicht nur Bindungswirkung für das Amtsgericht, sondern auch für das nachfolgende Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht. ,,537
Diese Ansicht basiert auf zwei unhaltbaren Prämissen. Einmal wird zu Unrecht unterstellt, die Beschwerdeentscheidung binde den judex a quo im nachfolgenden Verfahren. Eine derartige Bindung ist gesetzlich nicht fixiert, ergibt sich insbesondere nicht aus § 358 I. Es besteht für sie auch keine Notwendigkeit, da "die Sache", der Beschwerdegegenstand, mit dem Spruch des Beschwerdegerichts entschieden ist. Alles weitere liegt in der Kompetenz des judex a quo, an den das Verfahren zurückgelangt. Zum anderen wird die Bedeutung des § 336 S. 2 für das Strafverfahren überschätzt. Bohnert ist offenbar der Ansicht, die Vorschrift verleihe der Entscheidung des Beschwerdegerichts Rechtskraft. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht ist aber nur die sofortiger Beschwerde unterliegende Entscheidung, die des judex a quo, vorenthalten, nicht die des judex ad quem selbst. Auch unter der Geltung des § 336 S. 2 kann die Beschwerdeentscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen. Der auf Beschlußverwerfung hin ergehende Spruch des Beschwerdegerichts entfaltet 536 537
KK OWiG-Bohnert § 70 Tz. 43. KK OWiG-Bohnert § 70 Tz. 44.
IV. Sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung
365
daher im OWiG keine andere Wirkung als der entsprechende im Strafverfahren. Er bindet nicht - weder den judex a quo noch das Rechtsbeschwerdegericht. Der Amtsrichter, zu dem die Sache zurückkommt, und das Gericht der Rechtsbeschwerde haben, ohne an die Beschwerdeentscheidung gebunden zu sein, die Zulässigkeit des Einspruchs erneut zu überprüfen.
Sechster Teil
Die Beteiligung Dritter am Prozeß I. Die Folge des § 305 S. 2: Rechtsmittelkonkurrenz, doppelte Überprüfung, Rechtsfragendivergenz? § 305 lautete bis zur Formulierung in § 291 Entwurf III ,,Entscheidungen der erkennenden Gerichte, welche der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, Beschlagnahmen oder Straffestsetzungen."l
In erster Lesung erhielt Satz 2 den Zusatz " ... sowie alle Entscheidungen, durch welche dritte Personen betroffen werden. ,,2
In dieser Form wurde die Bestimmung Gesetz (§ 347 StPO 1. Fassung). Der Katalog des § 305 S. 2 ist seither erweitert worden. 3 Richtig mißt die h.M. der Vorschrift lediglich deklaratorischen Charakter zu, "weil sich schon bei Auslegung des § 305 S. 1 ergibt, daß die genannten Entscheidungen der Beschwerde unterliegen. ,,4 Die erwähnten "Verhaftungen, einstweilige Unterbringung ..." sind mangels Beruhenseignung nicht revisibel, keine Vorentscheidungen i.S. des § 336 S. 1 und vom Beschwerdeausschluß des § 305 S. 1 nicht umfaßt. 5 Ebensowenig stellen die während der Beratung in 2. Lesung erwähnten "Straffestsetzungen und Strafandrohungen" gegen Zeugen und Sachverständige Vorentscheidungen i.S. v. §§ 305 S. I, 336 S. 1 dar, denn auf der Verhängung von Ordnungsge1d gegen einen Zeugen oder auf Maßnahmen der Sitzungspolizei kann ein I Vgl. Hahn 1II1l, S. 38. Zur Frage der Auslegung der Begriffe ,,Entscheidungen über Verhaftungen" in § 305 S. 2 einerseits und "sofern sie Verhaftungen ... betreffen" in § 310 I andererseits vgl. Matt NJW 1991, 1801 mit Besprechung OLG Koblenz StV 1990, 26 = NStZ 1990, 102 und StV 1986,442 sowie OLG Düsseldorf StV 1990,309 und StV 1981, 131. 2 Hahn IIIIl, S. 989 (auf Antrag der Abgg. Becker, Dr. Bähr, Dr. von Schwarze, Struckmann). 3 Vgl. Giesler; S. 126: Nov. 1933: Entscheidungen über einstw. Unterbringung; 1952: Entziehung der Fahrerlaubnis; 1974: vorläufiges Berufsverbot. 4 Ellersiek, S. 124; ebenso AK StPO-AltenhainlGünther § 305 Tz. 29; LR-Gollwitzer § 305 Tz. 21. (,,keine abschließende Aufzählung"); KleinknechtlMeyer-Goßner § 305 Tz. 7. 5 Vgl. o. 5. Teil II. 7.
I. Die Folge des § 305 S. 2
367
Urteil nicht beruhen, Mitwirkungsrechte eines Prozeßbeteiligten stehen nicht auf dem Spie1. 6 Insofern ist § 305 S. 2 tatsächlich deklaratorischer Natur. Auch sind unter §§ 305 S. 1, 336 S. 1 Entscheidungen wie Beschlagnahmen,7 richterliche Maßnahmen nach § 119 VI 18 sowie Beschlüsse und Verfügungen i.S. von § 304 11 nicht einzuordnen. 9 Letztere sind der Beschwerde zugänglich, weil die Sperre des § 305 S. 1 wegen des dem Prozeßbeteiligten eröffneten Urteilsrechtsmittels (Revision) statuiert worden ist und den in § 304 11 Erwähnten (Zeugen, Sachverständigen und anderen Personen) kein solches Rechtsmittel zusteht, ebensowenig den "Dritten" des § 305 S. 2. 10 Damit ist Konkurrenz zwischen Beschwerde und Revision auch hier undenkbar; § 305 S. 2 spricht nur Selbstverständliches aus.
§ 305 S. 1 hindert Rechtsmittelkonkurrenz, nicht hingegen doppelte Überprüfung derselben Entscheidung des erkennenden Gerichts und daraus resultierende Rechtsfragendivergenz. Zu doppelter Überprüfung kommt es, wenn eine Entscheidung sowohl der Beschwerde des Dritten als auch (als Vorentscheidung nach § 336 S. 1) der Revision eines Prozeßbeteiligten offensteht. Bei versagenden Entscheidungen nach § 138 II durch das erkennende Gericht, d. h. der Ablehnung, eine "andere Person" als Verteidiger zuzulassen, wird üblicherweise dem Angeklagten 11 wie auch dem zum Verteidiger Gewählten l2 das Beschwerderecht zugestanden. § 305 S. I soll dem nicht im Wege stehen. 13 Nach hier vertretener Auffassung kann sich der Angeklagte nicht der Beschwerde bedienen, da die Versagung der Genehmigung i.S. von § 138 II nach § 338 Nr. 8 revisibel und daher Vorentscheidung i.S. des § 305 S. I ist. 14 Dem gewählten Dritten ist Beschwerde durch § 304 II ermöglicht. 15 Daß mithin dieselbe Entscheidung des erkennenden Gerichts einer Revision des Angeklagten (§ 336 S. I) und einer Beschwerde des Dritten offensteht, kann durch § 305 S. I nicht verhindert werden, die BestimVgI. o. 5. Teil II. 9. OLG Celle NJW 1965,362: Beschwerde des Krankenhausträgers gegen (von der Verteidigung zur Entlastung des Angeklagten beantragte) Beschlagnahme von Krankenunterlagen. 8 VgI. BGH 27, 175 = IR 1978, 83 mit abI. Anm. Peters, der anders als der BGH das Beschwerderecht des Dritten gegen die Versagung der Besuchserlaubnis verneint. 9 Weitere Beispiele bei LR-Gollwitzer § 304 Tz. 55; zum Merkmal des Betroffenseins Ellersiek, S. 111 ff. 10 Dritte sind z. B. der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter (§ 67 lGG). Die Entziehung der Rechte nach § 67 IV I IGG ist daher beschwerdefähig, weil von § 305 S. I nicht erfaßt, vgI. Ostendorf§ 67 Tz. 21; Eisenberg § 67 Tz. 25. 11 OLG Düsseldorf NStE Nr. 2 zu § 138. 12 OLG Karlsruhe NStE Nr. I zu § 138; vgI. auch Hahn III/I, S. 988 (unten). Schon nach der Bemerkung Hanauers sollte unter "anderen Personen" des § 304 II auch der Verteidiger einbegriffen sein. 13 Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 Tz. 23; LR-Lüderssen § 138 Tz. 31; warum § 305 S. I nicht einschlägig sein soll, wird nicht begründet, so z. B. durch OLG Düsse\dorf NStE Nr. 2 zu § 138. 14 Eb. Schmidt § 138 Tz. 11; LR-Lüderssen § 138 Tz. 32. 15 H. M. ohne Gegenstimme, vgI. LR-Lüderssen § 138 Tz. 31; KK-Laujhütte § 138 Tz. 17. 6 7
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6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
mung will nur Rechtsmittelkonkurrenz bei einem Prozeßbeteiligten vermeiden. Der Satz, das Beschwerdegericht habe nicht in den revisiblen Bereich des Tatrichters einzugreifen, ist hier in dieser allgemeinen Form nicht haltbar. Eine ähnliche Fallgestaltung findet sich bei der Zulassung von Fragen (§§ 68, 68 a, 240, 241), wenn in der rechtsfehlerhaften Zulassung der Frage (etwa entgegen § 68 a) eine beruhensfähige Entscheidung gesehen wird. So im Fall BGH 21,334 (359): In der Hauptverhandlung verweigert ein Zeuge auf eine bestimmte Frage die Auskunft. Die Strafkammer beschließt die Zulassung der Frage, der Zeuge legt Beschwerde ein. 16 Das OLG hebt den Beschluß auf, läßt die Frage nicht zu, weil sie zur Wahrheitserforschung nicht unerläßlich und geeignet sei, den Zeugen herabzusetzen. Die auf § 338 Nr. 8 gestützte Revisionsrüge des Angeklagten bleibt im Ergebnis erfolglos. 17 Der BGH geht jedoch davon aus, dem Revisionsführer müsse die Möglichkeit bleiben, "auch seinerseits die oberlandesgerichtliche Beschwerdeentscheidung in derselben Weise überprüfen zu lassen, als wenn sie eine Zwischenentscheidung der erkennenden Strafkammer gewesen wäre." Ob die Revisionsrüge für zulässig gehalten wird, bleibt unklar, der BGH läßt sie jedenfalls als unbegründet scheitern. 18 Bei dieser Konstellation haben Revision und Beschwerde nur eines gemeinsam, die zu beantwortende Rechtsfrage (Zulässigkeit der an den Zeugen zu stellenden Frage). Sie überprüfen nicht etwa dieselbe Entscheidung (der Beschwerde unterliegt eine Entscheidung des judex a quo, der Revision die des judex ad quem). Zu solch doppelter Überprüfung kommt es indessen bei folgender Abwandlung des Falles: Das erkennende LG hält die Frage für zulässig. Das OLG weist die Beschwerde des Zeugen zurück. Damit wird die Entscheidung des judex a quo bestätigt. Das Beschwerdeverfahren ist abgeschlossen, und es ergeht - unter Zulassung und nach Beantwortung der Frage Sachentscheidung durch UrteiL Ein anderer Prozeßbeteiligter als der Fragesteller (bei dem die Beschwer fehlen würde) rügt die Zulassung der Frage nach §§ 336, 337 mit der Verfahrensrevision. Bei dieser Variante wird die Entscheidung zur Überprüfung des Revisionsgerichts gestellt, die schon Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war, die Zulassung der Frage an den Zeugen. So kann dieselbe Entscheidung sowohl durch Beschwerde (des Zeugen) als auch mit Revision (des Angeklagten) angegriffen werden. Das ist die typische Konstellation doppelter Überprüfung, die durch §§ 305 S. 1,336 S. 1 nicht unterbunden werden soll.
Den Schlüssel zum Verständnis des § 305 S. 2 liefert die Erkenntnis, daß "dritte Personen" i.S. des § 305 S. 2 alle die sind, denen ein Rechtsmittel gegen das im Verfahren ergehende Urteil nicht eröffnet iSt. 19 16 Das Beschwerderecht wird in derartigen Fällen verneint von KMR-Paulus § 68 b Tz. 15, es sei denn, der Zeuge wendet sich gegen den Zwang nach § 70. 17 In Betracht kommt Verletzung des § 240 (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 68 aTz. 9; Weimann JR 1953, 20), ferner des § 338 Nr. 8 (BGH NStZ 1982, 170) und des § 241 11 (BGH StV 1990, 99; BGH bei Miebach NStZ 1990, 226 (Nr. 5); LR-Dahs § 68 aTz. 9), anders KMR-Paulus § 68 aTz. 16 (nur Verletzung des § 244 11, aber auch der §§ 238 11, 242 unter den dort genannten Voraussetzungen). 18 BGH 21,334 (360). 19 Richtig daher KG NStZ 1992, 144; die Entscheidung hält die Beschwerde des Zeugen gegen den ihn beschwerenden Ordnungsgeldbeschluß für zulässig; entsprechend OLG Koblenz NStZ 1992,95.
I. Die Folge des § 305 S. 2
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Ohne ausdrückliche Zulassung wären demnach dem Dritten Beschwerde ebensowenig wie Urteilsrechtsmittel möglich und § 304 II ohne die Korrespondenzregelung des § 305 S. 2 unvollkommen. Das wurde bereits bei den Beratungen erkannt, so daß man § 305 um Satz 2 ergänzte?O Seine "dritte Personen" sind dieselben wie die von § 304 II erwähnten Zeugen, Sachverständigen und anderen Personen. 21 Dritter i.S. von §§ 305 S. 2, 304 II ist nicht, wer schon aufgrund seiner Verfahrensbeteiligung rechtsmittelberechtigt ist. Daraus folgt, daß § 305 S. 2 den Satz 1 nicht einschränkt, vielmehr klarstellen soll, ein Beschwerderecht des Dritten LS. des § 304 II werde von der - nur gegenüber rechtsmittelberechtigten Prozeßbeteiligten wirksamen - begrenzenden Regelung des § 305 S. 1 nicht erfaßt. Die Rechtsmittelbefugnis des Dritten weicht von der des Prozeßbeteiligten ab. Für letzteren gilt § 304 I mit dem Ausschluß des § 305 S. 1, für den Dritten § 304 11 ohne ihn. Gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts können sich Prozeßbeteiligte (nur) der Urteilsrechtsmittel bedienen (wobei die Vorentscheidungen § 336 S. 1 unterliegen); den Dritten sind sie in Ermangelung einer zur Rechtsmittelberechtigung führenden Prozeßbeteiligung nicht eröffnet, ihnen gibt § 304 II ein Surrogat in Gestalt der Beschwerde gegen Vorentscheidungen. Damit kann zwar eine Entscheidung (des erkennenden Gerichts) zugleich beschwerdefähig und revisibel sein, da sich die Rechtsmittelführer unterscheiden, entsteht jedoch keine Rechtsmittelkonkurrenzlage. § 305 S. 2 fügt sich friktionsfrei in die durch §§ 305 S. 1, 336 S. 1 vorgenommene synchrone Abgrenzung von Beschwerde und Revision ein und beeinträchtigt nicht - auch nicht durch das Zugeständnis einer Beschwerdebefugnis gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts an Dritte - das aufgezeigte organische Zusammenspiel zwischen Beschwerde und Urteilsrechtsmitteln.
20 Hahn rnl 1, S. 989, Anträge der Abgg. Struckmann und Becker: ,,Thr Antrag beziehe sich auf die Entscheidungen der erkennenden Gerichte, welche gegen Zeugen und Sachverständige gerichtet seien; dieselben werden meist Straffestsetzungen und Strafandrohungen sein. Erstere werden durch § 305 bereits getroffen; aber auch gegen Strafandrohungen müsse die Beschwerde zulässig sein; in dem Vorverfahren sei sie durch Abs. 2 des § 304 zugelassen." - Die Ergänzung des § 305 S. 2 um den Zusatz "dritte Personen" bezweckt also nichts anderes, als den in § 304 II Erwähnten die Anfechtung auch der Entscheidungen des erkennenden Gerichts zu ermöglichen; vgl. o. 1. Teil I. 2. 21 Hierzu vgl. BomluJrd/ Koller § 347 Anm. 3; besonders deutlich von Schwarze § 347 Anm. 3. Die Korrespondenz zwischen § 304 11 und § 305 S. 2 wird in der modemen Literatur nicht mehr derart eindeutig hervorgehoben. Hinweise finden sich aber immerhin bei Giesler; S. 126, und Ellersiek, S. 111, der zutreffend darauf hinweist, daß die ,,rechtsrnittelberechtigten Verfahrensbeteiligten" von § 304 11 nicht angesprochen werden, da sich ihr Anfechtungsrecht schon aus den §§ 296 bis 298 ergibt.
24 Weidemann
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6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
11. Die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers Als rechtsmittelberechtigter Prozeßbeteiligter (§§ 395 IV 2, 400) ist der Nebenkläger nicht "Dritter" i.S. von §§ 304 11, 305 S. 2. Die Einschränkungen des § 305 S. 1 gelten daher auch für ihn. 22 Mit diesem Hinweis könnte es die Untersuchung bewenden lassen, da sich damit die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers erklärt. Indessen hat sich hier infolge unrichtigen Verständnisses der funktionalen Beziehung zwischen § 305 S. 1 und § 336 S. 1 manch beachtenswerte Ungereimtheit herausgebildet. Die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers gegen Entscheidungen, die nicht die Anschlußberechtigung betreffen, regelt § 401. Bei der Rechtsmittelabgrenzung ergeben sich für den Nebenkläger keine Besonderheiten. Die Anschlußerklärung wird mit Erhebung der öffentlichen Klage wirksam (§ 396 I 2). Eine Eröffnung setzt die Entscheidung über die Anschlußberechtigung nicht voraus, so daß auch das nichterkennende Gericht über den Anschluß befinden kann. Gegen die Entscheidung ist gemäß § 304 I Beschwerde eines jeden Prozeßbeteiligten (soweit beschwert) zulässig. § 305 S. 1 hindert sie nicht. Wird der Nebenkläger durch das nichterkennende Gericht zurückgewiesen, kann er Beschwerde einlegen, entsprechend der Angeklagte gegen die Zulassung. Kontrovers beurteilt wird die Rechtsmittelfähigkeit von Entscheidungen des erkennenden Gerichts zur Anschlußberechtigung. 23
1. Die Grundzüge
Die Meinungen reichen von genereller Versagung 24 bis zu uneingeschränkter Gestattung der Beschwerde?5, 26 22 Zur Auswirkung des § 400 I auf die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers vgl. Riegner NStZ 1990, 11; anders Amelunxen, Nebenkläger, S. 40: Der Nebenkläger ist Dritter, solange er noch nicht zugelassen ist. Damit will Amelunxen das Beschwerderecht des Nebenklägers unter Umgehung der Streitfrage, ob die Zulassungsablehnung unter § 305 S. 1 zählt, bejahen. Die Begründung ist in der Tat unorthodox, wie Amelunxen selbst sieht, trägt aber wohl nicht, denn auch der um Anschluß Bemühte könnte die Versagung der Anschlußberechtigung mit der Revision rügen, sofern das Beschwerderecht verneint wird. An der Entscheidung, ob nun das eine oder andere Rechtsmittel statthaft ist, kommt die Prüfung nicht vorbei. Auch unabhängig von dem Kunstgriff, den Nebenkläger als Dritten i. S. von § 305 S. 2 zu behandeln, bejaht Amelunxen die Revisibilität der Anschlußentscheidung und nimmt damit Konkurrenz mit der Revision in Kauf (S. 41). 23 Vgl. die Übersicht bei Schwentker, S. 102ff.; Giesler, S. 31Off. 24 Peters, S. 583: Zulassung wie Ablehnung sind Vorentscheidungen und unterliegen nur den Urteilsrechtsmitteln; ebenso LR 22-Kunert § 396 Anm. 5. 25 Die Statthaftigkeit der Beschwerde wird teilweise als selbstverständlich angenommen, so z. B. von OLG Stuttgart NStZ 1990, 298 und von Beulke DAR 1988, 117. Teilweise werden vermittelnde Positionen vertreten.
H. Die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers
371
Soweit § 305 S. I für nicht einschlägig gehalten wird, variieren die Begründungen beträchtlich. Man verneint etwa den inneren Urteilszusammenhang, 27 wobei das Argument der angeblich weitergehenden außerprozessualen Wirkungen wiederkehrt?8 Auch reine Zweckmässigkeitserwägungen werden zur Ablehnung herangezogen. 29 Überdies wird zwischen Beschwerdefähigkeit der Zulassung und deren Ablehnung differenziert. 30 2. Der richtige Ansatz (das Zusammenspiel von § 30S S.l und § 336 S.l)
Regiert der Beruhenszusammenhang die Statthaftigkeit des Rechtsmittels, ist nur, wenn er fehlt, Beschwerde, andernfalls Revision eröffnet, nebeneinander können sie nicht zulässig sein. 31 26 AK StPO-Rössner § 396 Tz. 23f.; LR-Wendisch § 396 Tz. 22ff. (zust. Amelunxen, Nebenkläger, S. 41) läßt wegen der "weiteren Wirkungen" Beschwerde und Revision zu und empfiehlt de lege ferenda, die Zulassungsentscheidung der sofortigen Beschwerde zu unterwerfen, womit (§ 336 S. 2) Revision ausgeschlossen wäre. Weitere Wirkungen entstehen indessen nicht, weil sich die Zulassungsentscheidung in ihrer Wirkung auf den Prozeß erschöpft. 27 SO Z. B. wenn sowohl Beschwerde wie auch Revision für statthaft gehalten werden, etwa von KleinknechtlMeyer-Goßner § 396 Tz. 19 einerseits und Tz. 20 andererseits; KKPelchen § 396 Tz. 11 bzw. Tz. 14; KMR-Fezer § 396 Tz. 14 bzw. Tz. 18; LR- Wendisch § 396 Tz. 17 bis 21 (zweifelnd); LR-Hilger; Nachtrag, § 396 Tz. 7: keine Revision wegen fehlerhafter Entscheidung nach § 396 H 2 (wegen § 336 S. 2). 28 Theuerkauf MDR 1962, 790; OLG Düsseldorf NStZ 1997, 204; OLG Frankfurt! M. NJW 1979, 994f.; KK-Pelchen § 396 Tz. 11; KleinknechtlMeyer-Goßner § 396 Tz. 19; HK-Kurth § 396 Tz. 23. 29 Bringewat GA 1972, 295 ff., der allerdings wie Theuerkauf MDR 1962, 789 ff. und schon Eh. Schmidt § 396 Tz. 19 auf die bloß deklaratorische Wirkung des Zulassungsbeschlusses hinweist. Das Gericht lege nur die Stellung des Nebenklägers im Verfahren fest. Letzteres ist sicherlich richtig, schließt aber nicht aus, daß die fehlerhafte Festlegung eben ein beruhensgeeigneter Verfahrensfehler sein kann. Auch ist die "Verantwortung des Gerichts für das Urteil" (so Theuerkauf) kein Argument gegen den Beruhenszusammenhang. Die "verfahrensrechtlich selbständige Entscheidung" veraniaßt BayObLG 1952,270, die Beschwerde für statthaft zu halten. Gemeint ist damit offenbar die selbständige prozessuale Bedeutung des Anschlusses. 30 So z. B. von Rüping, S. 201, der die Anfechtung prinzipiell nur zusammen mit dem Urteil zuläßt, allerdings wiederum Beruhenseignung der Entscheidung über den Anschluß bezweifelt, so daß von daher offenbar der Statthaftigkeit der Beschwerde nähergetreten wird. Seine Lösung ist nicht ganz eindeutig, macht die Beschwerdefähigkeit aber immerhin vom Fehlen der Beruhenseignung abhängig. 31 Diese Prämisse kommt am deutlichsten in den Auffassungen von Peters, S. 583, LR 22Kunert § 396 Anm. 5, ansatzweise immerhin auch bei Theuerkauf MDR 1962, 789 ff. zum Ausdruck; anders LR- Wendisch § 396 Tz. 22, der die doppelte Prüfung im Beschwerde- und Revisionsverfahren beklagt und als Ausweg die Einführung der sofortigen Beschwerde vorschlägt, um über § 336 S. 2 die Revision ausschließen zu können (Tz. 25).
24*
372
6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
Es geht dabei nicht um Fälle, in denen die Anschlußberechtigung nur inzidenter zur Prüfung ansteht. Verfolgt etwa der Nebenkläger die Revision mit der Sachrüge, darf sich das Revisionsgericht nicht auf deren Untersuchung beschränken, sondern hat sich auch mit der Anschlußberechtigung des Nebenklägers und damit seiner Rechtsmittelbefugnis zu befassen?2 Ist der Angeklagte im Zuge einer nur vom Nebenkläger durchgeführten Berufung verurteilt worden und wendet er sich hiergegen mit der Revision, muß das Rechtsmiuelgericht mit der Zulässigkeit der Berufung auch die Anschlußberechtigung des Nebenklägers kontrollieren. War der Angeklagte in einem solchen Berufungsverfahren freigesprochen worden, ist die Anschlußberechtigung ebenfalls Zulässigkeitsvoraussetzung einer durch den Nebenkläger eingelegten Revision. In diesen Beispielsfällen ist sie im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsmittels von Amts wegen inzidenter zu überprüfen. Auf den Beruhenszusammenhang kommt es an, wenn der Nebenklägeranschluß selbst Gegenstand der Beschwer ist. Beruhenseignung der den Anschluß bestätigenden Entscheidung bejaht RG 66, 346 (348 f.) dann, wenn sich der Nebenkläger am Verfahren beteiligt und dieses (durch Stellung von Anträgen oder Einflußnahme auf die StA) beeinflußt hat. 33 Den entgegengesetzten Standpunkt nehmen zwei obergerichtliche Entscheidungen ein. 34 Die unterschiedlichen Auffassungen gründen in der differenzierten Ausgangsposition. Das RG beschränkt sich auf Betrachtung der Kausalität,35. 36 hebt wertungsfrei nur auf den (geänderten) Prozeßverlauf 32 Vgl. etwa OLG Nümberg NJW 1991,712: Verwerfung der Berufung des Nebenklägers durch die Vorinstanz mangels wirksamer Anschlußerklärung. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg, weil das OLG die Anschlußerklärung als wirksam, mithin die Berufung als zulässig ansieht. Die Anschlußberechtigung ist Prozeßvoraussetzung (OLG Köln NStZ 1994, 298; BGH NStZ 1996,149; BGH NJW 1996, 1(07). 33 Der BGH hält diese Rechtsprechung aufrecht. So verneint BGH NStZ 1997, 97 die Beruhenseignung der fehlerhaften Nichtzulassung, weil auszuschließen sei, daß der Nebenkläger "durch Stellung von Anträgen oder Einführung von zusätzlichen Beweismitteln" auf das Verfahren hätte Einfluß nehmen können. 34 BayObLG 1953,64; OLG Köln HESt 1,219 (beides Revisionsentscheidungen, die den Beruhenszusammenhang der Anschlußentscheidung verneinen). 35 Ebenso KK-Pelchen § 396 Tz. 13 für die unberechtigte Nichtzulassung, im Anschluß an BGH StV 1981,535; OLG Frankfurt NJW 1966, 1669: Nichtausschließbarkeit der Einflußnahme auf das Verfahren (durch Stellung von Anträgen, Vorbringen von Tatsachen, Einführung von Beweismitteln). Das ist die reine kausalitätsbezogene ,,Eignungsbetrachtung" des RG, fernab jeder normativen Erwägung. 36 Für die gesetzwidrige Zulassung soll sich die Frage nach KK-Pelchen § 396 Tz. 14 angeblich anders als für die Nichtzulassung beantworten. Es soll darauf ankommen, ob die Mitwirkung des Nebenklägers das Urteil beeinflußt haben kann. Das könne - anders als im Fall der Nichtzulassung, bei der "diese Erwägung nur hypothetisch sein kann" - aus dem tatsächlichen Gang der Hauptverhandlung gefolgert werden. In Wirklichkeit ist die Frage bei der Zulassung genauso hypothetisch wie bei Nichtzulassung. Im einen Fall wird die Einflußnahme ,,hinzugedacht", im anderen ,,hinweggedacht". Es bleibt die gemeinsame Überlegung übrig, ob das Verfahren wohl anders verlaufen wäre - mit oder ohne Nebenkläger. Ent-
11. Die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers
373
ab. Dabei macht es einen Grad-, keinen Wesensunterschied, ob effektive Beeinflussung im konkreten Fall (reale Kausalität) verlangt oder generalisierend schon mögliche Beeinflussung (potentielle Kausalität) zum Beruhen für ausreichend gehalten wird. So oder so fehlt jede normative Beurteilung. Demgegenüber verlassen das OLG Köln und das BayObLG die reine Kausalbetrachtung und reduzieren den Beruhenszusamrnenhang auf solche Verfahrensverstöße, "die eine Unrichtigkeit des Urteils nach sich gezogen haben".37 Der Übergang zur normativen Betrachtung wird deutlich, weil nicht mehr auf bloße Andersartigkeit des Urteils, sondern auf dessen Abweichen von der Norm, auf die "Unrichtigkeit" des Ergebnisses abgestellt wird. Freilich ist die kausalitätsähnliche Sicht damit nicht aufgegeben. Diese Untersuchung hebt ausschließlich auf die Urteilsfinalität des Fehlers ab.
§ 395 verbrieft das Recht des Nebenklägers, auf das Verfahren einzuwirken. Das
Einwirkungsrecht des Nebenklägers dient nicht der gerichtlichen SachverhaltsfeststeIlung, sondern hat eher Genugtuungsfunktion?8 Teilweise wird sogar die Gefährdung der Wahrheitsfindung hervorgehoben. 39 Die Verletzung des § 395 ist deshalb nicht beruhensgeeignet, sondern der Beschwerde zugänglich. 40
3. Rechtsmittel und Neuanschluß nach § 395 IV
Nach altem Recht war der durch ein Delikt nach § 230 StGB Verletzte uneingeschränkt anschlußbefugt (§§ 395 I, 374 I Nr. 4 a.F.). Der heutige § 395 II1läßt den Anschluß nur unter besonderen Voraussetzungen zu, wenn dieser "aus besonderen Gründen ... " USW. 41 geboten erscheint. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Gericht nach § 396 11 2, unanfechtbar zur materiellen Anschlußberechtigung i.S. des § 395 II1, nicht aber, was die formelle nach § 396 11 1 angeht;42 insoweit bleiben die allgemeinen Rechtsmittel statthaft, also Beschwerde (des Angeklagten), soweit die Anschlußberechtigung bejaht, Revision (des Nebenklägers), soweit sie
scheidend ist hier das Fehlen jeder nonnativen Wertung; wie Pelchen OLG Frankfurt NJW 1966,1669. 37 OLG Köln HESt 1,219 (221): " ... oder bei denen wenigstens die Möglichkeit besteht, daß das Urteil durch sie unrichtig geworden sein könnte". 38 HK-Kurth § 395 Tz. 1, 2; Roxin vor § 60 (S. 446); § 62 A (S. 454); Sehlüehter Tz. 78: "Ohne Verpflichtung zur Objektivität strebt er nach Vergeltung der ihm zugefügten Unbill"; Fabricius NStZ 1994,260. 39 Sehünemann NStZ 1986, 198 f. 40 Richtig daher LG Tübingen NStE Nr. 3 zu § 395 StPO. 41 Eine Einschränkung, die etwa von Thomas, Koch-Festgabe, S. 281, ausdrücklich begrüßt wird. Zur Refonn durch das Opferschutzgesetz vgl. Rieß Jura 1987,281 ff. (287). 42 LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 5; KleinkneehtlMeyer-Goßner § 396 Tz. 19; KKPelehen § 396 Tz. 6; Letzgus NStZ 1989,353.
374
6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
verneint wird. 43 Im Rechtsmittelverfahren darf lediglich die Entscheidung nach § 395 111 nicht überprüft werden. 44 Nicht gefolgt werden kann der Auffassung von Hilger, im Berufungsverfahren solle die Korrektur einer wertenden Entscheidung nach § 396 11 2 durch das Berufungsgericht nicht ausgeschlossen sein. 45 Hilger begründet dies mit dem Fehlen einer dem § 336 S. 2 entsprechenden Vorschrift für das Berufungsverfahren. Indessen folgt die Unanfechtbarkeit der Entscheidung zur materiellen Anschlußberechtigung nicht aus § 336 S. 2, sondern unmittelbar aus § 396 11 2, 2. Halbsatz. 46 § 336 S. 2 läuft hier leer, soweit er unanfechtbare Entscheidungen der Revision entzieht. Es bedarf gar keiner entsprechenden Vorschrift, um jene auch der Berufung vorzuenthalten. Eine andere Frage ist es, ob der zurückgewiesene Nebenkläger nach Abschluß der Instanz gemäß § 395 IV 2 den Anschluß mit dem Ziel einer erneuten Prüfung auch der materiellen Anschlußberechtigung nochmals erklären kann. 47 § 395 IV 2 gilt für alle Varianten der Nebenklagebefugnis, also auch für die des § 395 111. Die neue Anschlußerklärung ist nicht als Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Anschlusses in der Vorinstanz, sondern als neuer Antrag zu verstehen. Letzgus und Hilger halten diesen für jederzeit zulässig, auch wenn zuvor schon durch eine Entscheidung nach § 396 11 2 die Anschlußberechtigung versagt wurde. 48 Nur scheinbar entsteht damit ein Konflikt zwischen § 396 11 2 und § 395 IV. Hilger nimmt zutreffend formelle Rechtskraft der Entscheidung nach § 396 11 2 an, unterscheidet diese jedoch von der ,,Bestandskraft";"" damit ist offenbar materielle Rechtskraft gemeint, was sich aus der Verweisung auf die entsprechenden Ausführungen im Hauptwerk ergibt. 50
43 Die Entscheidungen über die formelle (§ 39611 1) und die materielle Anschlußberechtigung (§ 39611 2) ergehen regelmäßig gemeinsam, vgl. Beulke DAR 1988, 117. Erstere ist deklaratorisch; ob letztere konstitutiv ist, mag zweifelhaft sein, vgl. LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 2, hat aber letztlich hier keine Bedeutung, da diese Einordnung nichts zur Lösung der mit §§ 39611 2, 395 m zusammenhängenden Probleme hergibt. 44 Revision ist wegen § 336 S. 2 (1. Alt.) ausgeschlossen, vgl. LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 7; ebenso Böttcher JR 1987, 135; nach hier vertretener Auffassung folgt der Revisionsausschluß allerdings unmittelbar aus § 396 11 2 letzter Halbs. (so richtig OLG Düsseldorf MDR 1993, 894), denn § 336 S. 2 (1. Alt.) wirkt nur deklaratorisch. 45 LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 5. Die Auffassung Hilgers bleibt indessen folgenlos, weil, worauf er selbst hinweist, eine Korrektur durch das Berufungsgericht nach Wegfall der Verfahrensberufung alten Rechts entfallt. 46 Richtig daher OLG Düsseldorf JMBINW 1996, 129, NStZ-RR 1996, 310 und NStZ-RR 1997,11. 47 Zur Stellung des Nebenklägers im Wiederaufnahmeverfahren vgl. Rieß NStZ 1988, 15 ff. 48 Letzgus NStZ 1989, 353; LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 5. 49 LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 5 u. 6. 50 Auf LR-Gollwitzer vor § 304 Tz. 23 ff., 38 ff. und LR-Gollwitzer vor § 296 Tz. 8 ff.
ll. Die Beschwerdebefugnis des Nebenklägers
375
Entscheidungen, die wie hier lediglich das Verfahren betreffen, sind keiner materiellen Rechtskraft fahig. So entfaltet die unanfechtbare Entscheidung nach §§ 395 IV, 396 11 2 keinerlei Bindungswirkung über die betreffende Prozeßlage hinaus, steht insbesondere nicht einer erneuten - sachlichen - Bescheidung eines neu erklärten Anschlusses entgegen. 51 Auch innerprozessuale Bindung zwischen Vorinstanz und Rechtsmittelgericht, etwa dem Gedanken folgend, das Gesetz habe die Entscheidung über die Anschlußberechtigung ein für allemal durch die zunächst damit befaßte Instanz abschließend treffen lassen wollen, ist auszuschließen. 52 Sie folgt insbesondere nicht aus der Stellung des § 395 IV, der für alle Varianten der Nebenklage gilt, auch für die nach § 395 III konstitutiv zuzulassenden. Aus der bloßen Anordnung der "Unanfechtbarkeit" der Entscheidung über die Anschlußbefugnis ergibt sich eine Bindung des Rechtsmittelgerichts nicht. Der Nebenkläger, dessen Anschluß in der Vorinstanz unanfechtbar zurückgewiesen wurde, kann - wie dargelegt - den Antrag in der Rechtsmittelinstanz mit dem Ziel der Neubewertung seiner materiellen Anschlußberechtigung wiederum stellen. 53
51 Richtig daher OLG Düsseldorf MDR 1993, 894 (895), das zutreffend darauf hinweist, der Nichtzulassungsbeschluß sei zwar fonnell, aber nicht materiell rechtskräftig. Es gibt kaum Entscheidungen, die diese Differenzierung so sauber herausarbeiten, wie es in diesem Beschluß geschieht, anders allerdings OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 310. Der Beschluß geht richtig davon aus, daß die (die Zulassung des Nebenklägers ablehnende) Entscheidung unanfechtbar ist, glaubt aber, daraus schließen zu müssen, daß deshalb "die erneute Anschlußerklärung ... nichts mehr bewirken" könne und nicht einmal mehr beschieden zu werden brauche. Zu Unrecht folgert der Beschluß dies aus der Unanfechtbarkeitsregelung des § 396 II 2. Richtigerweise bedeutet "Unanfechtbarkeit" nur, daß die Anschlußerklärung, über die die Entscheidung befunden hat, fonnell rechtskräftig wird. Sie steht einer Wiederholung der Anschlußerklärung nicht entgegen. 52 BGH NJW 1996, 1007 unter Hinweis auf weitere Entscheidungen (des BGH und von OLGen). Ob der Nebenkläger noch nach "Rechtskraft" - des ihm nicht zugestellten Urteils Rechtsmittel einlegen kann, hängt davon ab, ob der Antrag fUr sich genommen die Beteiligung erwirkt oder von einer konstitutiven Entscheidung des Gerichts (§ 396 11 2) abhängt. Nur letzterenfalls ist nach Rechtskraft des Urteils der Anschluß des Nebenklägers nicht mehr möglich (so richtig OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, ll). Im konkreten Fall hatte der Nebenkläger in der Vorinstanz Zulassung beantragt, jedoch war der Antrag nicht beschieden worden. Die Zulassung war nach § 396 II 2 konstitutiv. Folglich hatte der Nebenkläger, wenn auch infolge fehlerhaften Übergehens seines Antrags, nicht die Verfahrensstellung erlangt, die ihn zur Rechtsmitteleinlegung berechtigte. Anders liegt es im Fall BGH NJW 1996, 1007. Hier bewirkte schon die Erklärung des Nebenklägers seine Verfahrensbeteiligung, auch wenn diese durch (unrichtige) Entscheidung der Vorinstanz "abgelehnt" worden war. Dadurch war ihm lediglich seine tatsächliche Beteiligung am Verfahren verschlossen, nicht aber seine Stellung als Beteiligter betroffen. Der seitens der StA erklärte Rechtsmittelverzicht berührte die Stellung des Nebenklägers nicht, denn mangels Zustellung an ihn war das Urteil nicht rechtskräftig geworden, so daß er noch Rechtsmittel einlegen konnte. 53 Letzgus NStZ 1989, 353; LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 5; anders OLG Düsseldorf JMBlNW 1996, 129 (130).
376
6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
Ist die Entscheidung über den Anschluß formell rechtskräftig, kommt auch eine "Gegenvorstellung", wie sie Hilger für zulässig hält,54 nicht in Betracht, Gegenvorstellung setzt die Befugnis des Gerichts zur Abänderung voraus. 55, 56
III. Beteiligung des Verletzten 1. Vor Eröffnung
Entscheidungen zu verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Verletzten nach §§ 406 e ff., die vor Eröffnung ergehen, sind, soweit nicht (wie z. B. durch §§ 406 e IV 2 2. Halbs., 406 f III 2, 406 g 11 2 angeordnet) unanfechtbar,57 nach § 304 beschwerdefähig. 2. Nach Eröffnung
Nach Eröffnung gelten die §§ 305 S. 1, 336 S. 1 für das Beschwerderecht des Angeklagten, der StA und des Nebenklägers. Mithin ist auf Beruhenseignung der Entscheidungen für den jeweiligen Prozeßbeteiligten abzustellen. Für das Beschwerderecht des Verletzten gilt § 305 S. 1 i. V. mit § 336 S. 1 nicht, denn er ist "Dritter" i.S. von § 305 S. 2; das ergibt sich aus der hier vorgenommenen Auslegung des § 305 S. 2, wonach "dritte Personen" i.S. dieser Bestimmung diejenigen sind, denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht zusteht. 58 Der Verletzte kann also gegen einschlägige ihn beeinträchtigende Beschlüsse und Verfügungen des erkennenden Gerichts Beschwerde einlegen. Entscheidungen über das Anwesenheitsrecht eines Beistandes nach § 406 g II sind unanfechtbar. Damit hat das Gesetz die Regelung gewählt, die Wendisch für LR-Hilger Nachtrag § 396 Tz. 6. Vgl. o. 4. Teil IV. 56 Zur Stellung des Nebenklägers im Wiederaufnahmeverfahren vgl. Rieß NStZ 1988, 15 ff. Aus § 395 I und IV folgt das Recht des Nebenklägers, gegen den Beschluß nach § 371 I oder II, der den Verurteilten ohne neue Verhandlung freispricht, sofortige Beschwerde (§ 372) einzulegen. Unanfechtbar (mit Beschwerde und Revision) ist der die Erneuerung der Hauptverhandlung anordnende Beschluß nach § 370 II. 57 Zur begehrten Akteneinsicht nimmt Schlothauer StV 1987, 356ff. Unanfechtbarkeit bei gegenüber dem Verletzten vorgenommener Ablehnung an. Anfechtbar für den Beschuldigten soll dagegen die Gewährung der Akteneinsicht an den Verletzten sein. Mit der Entstehungsgeschichte läßt sich dies nicht vereinbaren (vgl. BT-Drucks. 10/5305, S. 18,30 u. 33). Richtig Böttcher IR 1987, 134; Rieß/Hilger NStZ 1987, 145ff. und LR-Hilger § 406 e Tz. 17: Die gewährende Akteneinsicht an den Verletzten ist für den Beschuldigten unanfechtbar (§ 406 e IV 2), die Ablehnung für den Verletzten - trotz § 406 e IV 2 - anfechtbar (wegen Art 19 IV GG), und zwar auch im Hauptverfahren, weil § 305 S. 1 durch S. 2 (Verletzter ist Dritter, dem gegen das Urteil kein Rechtsmittel zusteht) ausgeschlossen wird. 58 Vgl. o. 6. Teil!. 54 55
IV. Das Adhäsionsverfahren
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Erkenntnisse über den Anschluß des Nebenklägers vorschlägt. 59 Bejahung bzw. Verneinung des Anwesenheitsrechts sind also weder der Beschwerde noch der Revision zugänglich. Die Revisionssperre leitet sich nicht (erst) aus § 336 S. 2, sondern daraus ab, daß § 336 S. 1 nicht einschlägig ist, es liegt keine Vorentscheidung des Urteils vor. Das Anwesenheitsrecht des Verletzten dient nur ihm und nicht der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung. Das Recht des Beistands, Fragen zu beanstanden, ergibt sich aus § 406 f 11 2. Seine Beschwerdeberechtigung hierzu folgt aus § 304 11 und ist auch gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts nicht ausgeschlossen (§ 305 S. 2).
IV. Das Adhäsionsverfahren Im Adhäsionsverfabren wird nach den Regeln des Strafprozesses über zivilrechtliehe Ansprüche befunden. 6O
Der stattgebende Teil einer Entscheidung über den Antrag nach § 403 kann vom Angeklagten mit den "sonst zulässigen", d. h. den Urteilsrechtsmitteln (§ 406 a 11 1) angefochten werden. 61 Demzufolge sind auch Vorentscheidungen, selbst soweit sie nur den zivilrechtlichen Teil des Verfahrens betreffen, nach §§ 305 S. 1, 336 S. 1 nicht beschwerdefähig, sondern revisibel. Da über Anträge gemäß § 403 nach Maßgabe des Verfahrensrechts der StPO zu befinden ist,62 gilt für zivilrechtliehe Vorentscheidungen nichts anderes als für strafrechtliche. Die Entscheidung über den Antrag nach § 404 auf Zuerkennung eines vermögensrechtlichen Anspruchs ist wegen § 406 a I für den Antragsteller nicht anfechtbar,63 bei Erfolg mangels Beschwer, bei Absehen von Entscheidung aufgrund positiven Rechts (§ 406 a I). Abweisung des Antrages sieht das Gesetz nicht vor. Weist das Gericht gleichwohl einen solchen Antrag rechtsirrig ab, wird gegen den Gesetzeswortlaut teilweise das jeweils statthafte Rechtsmittel (Berufung bzw. Revision gegen Urteile, sofortige Beschwerde gegen Beschlüsse) zugelas-
LR-Wendisch § 396 Tz. 25; dazu oben 6. Teil 11. Bezeichnung von Gegenstand und Grund des Anspruchs müssen den Voraussetzungen des § 253 11 Nr. 2 ZPO genügen (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 404 Tz. 3; AK StPO-Schöch § 404 Tz. 2). 61 KK-Engelhardt § 406 aTz. 2; LR- Wendisch § 406 aTz. 5 f. 62 OLG Oldenburg HESt 2, 45; OLG Braunschweig NJW 1952, 1229; KK-Engelhardt § 406 aTz. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 406 aTz. 2. 63 Giesler, S. 314, bezeichnet § 406 a I als eine Art Rechtswegverweisung, da § 406 m 2 dem Antragsteller aufgibt, vom Straf- in das Zivilverfahren überzugehen. Daran ist richtig, daß § 406 a I den Rechtsweg zu den Strafgerichten verschließt, den Weg zu den Zivilgerichten offenläßt. Eine "Verweisung" bedeutet dies nicht, da es im Belieben des Antragstellers liegt, ob er den Zivikechtsweg beschreitet. 59
60
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6. Teil: Die Beteiligung Dritter am Prozeß
sen.64 Dieser Umweg ist indessen nicht vonnöten, denn derartige Entscheidungen sind unbeachtlich und sinnvollerweise nur als "Absehen von Entscheidung" i.S. von § 405 zu verstehen. Zumindest können sie, weil im Gesetz nicht vorgesehen, materielle Rechtskraft nicht entfalten, so daß der Antragsteller durch solche Abweisung an einer Zivilklage nicht gehindert ist.
64 Ist allein die Adhäsionsentscheidung fehlerhaft, kommt keine Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, nur das Absehen von Entscheidung, in Betracht, BGH NStE Nr. I, Nr. 2 zu § 406.
Graphische Darstellung wesentlicher Ergebnisse der Arbeit (Strukturen)
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Graphische Darstellung wesentlicher Ergebnisse der Arbeit (Strukturen)
Skizze 1 Skizze 1 zeigt den "Stammbaum" der Beschwerde, im linken Teil der Prozeßbeschwerde, rechts und in der Mitte den des Rechtsmittels eigener Art, als welches die Beschwerde in den "anderen Verfahrensabschnitten" und in den Inzidentverfahren vorkommt. Die Prozeßbeschwerde resultiert aus § 304 I mit den Verfahrensabschnitten a und b und wird durch Befristung und Abhilfeverbot (§ 311) zur sofortigen (Linie 1). Für den Abschnitt b regelt § 231 a III 3 einen Sonderfall, denn das darin vorgesehene Rechtsmittel ist nicht Prozeßbeschwerde, sondern Rechtsmittel eigener Art, obwohl es nicht den "anderen Verfahrensabschnitten" zuzurechnen ist (Linie I a).
In den "anderen Verfahrensabschnitten" sind einfache und sofortige Beschwerde für sich genommen jeweils Rechtsmittel eigener Art, nicht etwa ist die sofortige Beschwerde (wie die sofortige Prozeßbeschwerde) Unterart der einfachen. Anders sieht es nur dann aus, wenn etwa - entgegen den Ausführungen in Einführung I 4 - die sofortige Beschwerde des § 453 11 3 als Unterfall der einfachen nach § 453 11 1 gesehen wird. Dann führt die Verbindung nicht direkt von den "anderen Verfahrensabschnitten" (Linie 3), sondern zunächst über die einfache (als Rechtsmittel eigener Art) und sodann (gestrichelte Linie) zur sofortigen Beschwerde (Linie 2 und Linie 2 a mündend in Linie 3). Das Inzidentverfahren kennt nicht einfache, sondern nur sofortige Beschwerde (Linie 4).
Linie 1
Befristung, Abhilfeverbot § 311
§ 124 11 § 210 11 § 32211
•••
Prozeßbeschwerde
Beschwerde
Linie 1
I Rechtsmittel eigener Art
......
,.
~
§462ml
...
Prozeßbeschwerde
I
R~htsmittel
Linie 3
eigener Art
sofortige Beschwerde
.............~~l~·li~j •.•....•
Linie la
Linie 2
§305all
I. Instanz Berufungsverfahren
0)
§231am3
§ 453 11 1
Vorverfahren
.......
§ 138 d VII
Inzidentverfahren
Rechtsmittel eigener Art § 453 11 3
andere Verfahrensabschnitte
§ 304 I
a)
Prozeßbeschwerde
Skizze 1
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Graphische Darstellung wesentlicher Ergebnisse der Arbeit (Strukturen)
Skizze 2 Skizze 2 zeichnet den rechtsmittelrelevanten "Schaltplan" des Verfahrens mit der Eröffnung als Dreh- und Angelpunkt. Vor Eröffnung gilt § 304 I uneingeschränkt, so daß Beschlüsse und Verfügungen (usw.) der Beschwerde unterliegen. Nach Eröffnung stellen §§ 305 S. 1, 336 S. 1 die Weichen in Richtung Beschwerde oder Revision, wobei die Beruhenseignung den Ausschlag gibt. Dabei ist bei den Anordnungen des Vorsitzenden die Gerichtsentscheidung nach § 238 II zur Erhaltung der Revisionsrüge vorgeschaltet. Beruhensgeeignet ist die Verletzung einer urteilsfinalen Norm (1. Teil IX 5). Die Urteilsfinalität muß für jede Norm gesondert geprüft werden. Damit befaßt sich der 5. Teil. Die Revision greift nicht auf das Stadium vor Eröffnung zurück, weshalb im Vor- und Zwischenverfahren keine Vorentscheidungen des Urteils ergehen können. Die Inzidentverfahren sind aus dem "ordentlichen Verfahren" ausgelagert und entwickeln sich nach eigenen Gesetzen, unterliegen insbesondere spezifischen Rechtsmittelbestimmungen. Für sie gelten weder § 304 I noch §§ 337, 336 S. 1. Soweit sie sofortige Beschwerde vorsehen, ist diese Rechtsmittel eigener Art. Die Inzidentverfahren sondern sich an beliebiger Stelle aus dem ordentlichen Verfahren ab, um nach ihrer Beendigung wieder in dieses einzumünden.
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Skizze 2
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Sachwortverzeichnis Abgabeentscheidungen 295 ff. Abhilfeverfahren 235, 248 Ablehnung der EinstelIung 352 Ablehnung der Vorlage nach Art. 100 GG 208 absolute Revisionsgründe und Sitzungspolizei 342 Additionsverfahren 182 Adhäsionsverfahren 377 f. Alternativitätsmaxime 186,233 Anordnungen des Vorsitzenden 238 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 236 Äquivalenztheorie 131 Arndts These zur Eröffnung 258 ff. Art der ProtokolIierung 337 Aufhebungsentscheidung 224 Aufhebungsentscheidung § 51 II 3 233 Ausgeschlossenheit 299 ff. Ausschließung 218 Ausschließungsentscheidung 215 Aussetzung 309 ff. Aussetzung bei Art. 100 GG 209 Aussetzung im Steuerstrafverfahren 317 f. Beanstandungsrecht 238 ff. Beanstandungsrecht eines Dritten 239 befangener Staatsanwalt 153, 157 Befangenheit 299 ff. begleitende Anordnungen 224 Begründung der Beschwerde 235 Belings Ansicht zur Prozeßer1edigung 294 berichtigende Auslegung 51 Berufung gegen Zwischenentscheidungen 32 Berufung zur Beschwerde (Verhältnis) 184ff. Berufungsverfahren 23 Berufungsverwerfung 245 ff., 362 Beruhenszusammenhang 110 ff. Beschwerdesperre 77 besondere Verfahrensarten 247
Beteiligung des Verletzten 376 Beteiligung Dritter 362 ff. Beweisbeschlüsse 253 (Fußn. 1) Beweisverbote 158 BFH-Rechtsprechung 211 Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts 364 Bindung des Revisionsgerichts 95 ff. Bindung nach Zurückverweisung 90 Bohnerts Ansicht zur Bindungswirkung 364 Darlegungslast 146 Dienstherr, Beschwerdebefugnis 239 (Fußn. 40) Doppelanfechtung 50 doppelte Überprüfung 367 Dritte 366 ff. Eigenentscheidung des judex a quo 161 EinstelIung 122 ff., 343 ff. Einstellung wegen Gesetzesänderung 356 Einstellung wegen Verfahrenshindernisses 356 Entscheidungen des Vorsitzenden 238 Entscheidungen vor Eröffnung 284 Entscheidungsmonopol des BVerfG. 206 entscheidungsvorbereitender Charakter 247 Entstehungsgeschichte § 238 II 243 Entstehungsgeschichte des § 305 42 (Fußn. 23) Entwurf I 36 ff. Entwürfe, StPO 35 Entwürfe, ZPO 59 erkennendes Gericht 38, 268 Eröffnungsbeschluß 196, 253 ff. Eröffnungsbeschluß als Prozeßvoraussetzung 263 Eröffnungsbeschluß als Zäsur 180 (Fußn. 543),273 Eröffnungsbeschluß und Berufung 276 ff. Eröffnungsbeschluß und Urteil 272 erster Rechtszug 23
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Sachwortverzeichnis
Fahrerlaubnis, Entzug 169 Formalentscheidungen 293 formelle Fehler des Eröffnungsbeschlusses 280f. formelles Antragsrecht auf Protokollierung 338 Fortsetzungsbeschlüsse 361 ff. Fragen 239 Freiheitsbeschränkungen 331 ff. Ganz-und-Alles-Maxime 61, 186 Gegenvorstellung 251 gemeinschaftliches oberes Gericht 227 gerichtliche Entscheidung (§ 238 II) 236 ff. gerichtliche Vorlagen 247 Gerichtsentscheidung, Beschwerdefähigkeit 239 Gerichtsinternum 247 geschlossenes System 21 ff. Gleichsetzung von Beruhenseignung mit Sachleitung 239 G1eichstellungsprobleme 82 Gösselseher Vorschlag 225 ff. Grundrechtsbeeinträchtigung 168 Grundrechtseingriffe und Sitzungspolizei 341 ff. Gutachten, psychiatrisches 331 homogenes Rechtsmittel 21 ff. hypothetische Bedingungen 131
in dubio pro reD 134 Inhalt des Protokolls 336 ff., 340 innere Kausalität 139 innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung 285 Innerprozessuale Bindung 89,198 Innerprozessuale Bindung bei Art. 100 GG 207 Instanzgericht 206 Interaktion 156 Inzidentverfahren 205 judex a quo, Bindung 91 justizförmiges Verfahren 239 (Fußn. 37), 326
Katholniggs Ansicht zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen 342 Kausalitätsbetrachtung 128 Komm-Beschluß, LG Nümberg I Fürth 281 Konkurenzprobleme 33 körperliche Unversehrtheit 335 Korrektur der Zwischenentscheidung 215 Maßnahmen der Sitzungspolizei 341 ff. materielles Recht 122 ff. Nachholung der Entscheidung § 51 II 3 234 (Fußn.3) Nachtragsentscheidungen 25 Natur der Sache 57 Nebenkläger 370 ff. Nelles' Ansicht zur Eröffnung 264 Neuanschluß nach § 395 IV 373 f. Nichtabhilfe 248 Nichtabhilfe, Beschwerde 236 Nichtbescheidung des Vorlageantrags 223 Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses 263 Nichtvorlage, Beschwerdefähigkeit 217 normativer Zusammenhang 147 Normspaltung 29 obligatorische Verfahrensvorschrift 146 ordentliches Rechtsmittel 21 ff. OwiG und Bindung 364 OwiG-Verfahren 174, 181 (Fußn. 547) Pflichtverteidiger 323 ff. Pflichtwidrigkeitszusammenhang 132 Prioritätsmaxime 51 Pri vatklageverfahren 350 Probationsverfahren 182 Protokollentscheidungen 336 Protokollierung 336 ff. Prozeßbeschwerde 21 ff., 31 ff. Prozeßentscheidungen 31 Prozeßerklärung 359 Prozeßeriedigung 293 prozessuale Überholung 200 Prüfungskompetenz des Instanzgerichts 223 psychiatrisches Krankenhaus, Beobachtung 33lf. psychische Kausalität 136 ff. Quasikausaliät 140
Sachwortverzeichnis Rechtsbehelfe eigener Art 233 Rechtsbeschwerde, § 305 a 177 Rechtsfragendivergenz 366 ff. Rechtskraft 78 ff., 197, 302 f. Rechtskraft der Zuständigkeitserklärung 291 Rechtskraft, formelle 78 Rechtskraft, materielle 86 Rechtskreistheorie 154 Rechtslage 32 Rechtsmittel eigener Art 21 ff. Rechtsmitteldualismus 45, 247 Rechtsmittelgericht, Entscheidungen 245 Rechtsmittelkonkurrenz 33,45, 50ff., 366 Rechtsmittelsperre 203 Rechtsmittelverlagerung 203 Rechtsmittelverwerfung 362 ff. Referendarfall 138 res judicata 103 revisib1er Prozeßstoff 50 revisionsähnliche Funktion der Berufung 189 Revisionsausschluß durch Beschwerdeausschluß 68 ff. Revisionsausschluß durch Rechtskraft 88 Revisionsbeschwerde 73 Revisionsverwerfung 245 ff. Richterablehnung 100, 192 (Fußn. 44) Rücknahme des Eröffnungsbeschlusses 281 Rügelast 244 Sachentscheidungen 31 Sachentscheidungsvoraussetzungen 195 sach1eitende Anordnung des Vorsitzenden 242 Sachleitung 236 Sach1eitung und Beruhenseignung 237 ff. Sachrevision 112 Sachverbindung 283 Schutzzweckerwägungen 154 Selbstablehnung 305 ff. Se1bstbescheidung 161 Se1bstbindung des judex a quo 94 Sitzungspolizei 341 ff. Spezialität des Rechtsbehelfs § 319 II 246 Spezialitätsgrundsatz 233, 247 Sprungrevision 187 ff., 194 (Fußn. 54) Statthaftigkeit 22 (Fußn. 4), 248
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stillschweigende Beschwerdezulassung 250, 347 ff. Beschwerdeausschluß stillschweigender 249,344ff. Strafaussetzung 177 Strafaussetzung zur Bewährung, Ablehnung 28 (Fußn. 20) Strafvollstreckungskammer 178 Streitgegenstand 31 Strukturen 379 ff. StVollzG 175, 181 Surrogatsgedanke 51 Synchrone Auslegung 105 ff. Terminierung 309 ff. trennende Einstellung 357 Überflüssigkeit des § 336 I 126 Übernahmeentscheidungen 248, 295 ff. Überprüfung bei Urteilsfällung 327 Überwachungsrichter 231 Überwachungsverfahren 231 Umfang der Nachprüfung 73 Unanfechtbar 62 ff. unanfechtbare Entscheidungen 192 ff. unechte einfache Beschwerde 25 unechte sofortige Beschwerde 27 unechte weitere Beschwerde 29 unerfüllbares Postulat 142 Unterbrechnung 309 ff. Unterbringung 165 Unterlassung 135 Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses 263 ff. Unzuständigkeitserklärung 293 Urteilsrechtsmittel 21 ff. v. Schwarzesche Beweisregel 129 Verbindung und Trennung 283 Verbindung, echte I unechte 288 Verfahrensabschnitte 23 verfahrensbeendende Einstellung 357 Verfahrens berufung 190 ff., 192 (Fußn. 44), 193 Verfahrenseinstellung 343 ff. Verfahrensfehler 117 Verfahrensrevision 112, 126 Verfahrensstadien 28
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Sachwortverzeichnis
Verhaftung 165 Verhandlungsleitung 236 Verhandlungsunfähigkeit 203 (Fußn. 12) Verhandlungsverbindung 283 Verhinderungsinteresse 157 Verletzter 376 ff. Verteidigerausschluß 215 Verteidigerbestellung 322 ff. Verteidigerzurückweisung 329 ff. Verurteilungsschaden 148 Verwerfung eines Rechtsmittels 362 ff. Verzahnung der Probleme bei Eröffnung 255 Vollstreckungsverfahren 178 Vorabentscheidung 210 Vorentscheidungen 128 Vorentscheidungen, Aufhebung 128 Vorlageablehnung 217 Vorlageentscheidung nach § 138 c 11 1 216 Vorlagen, gerichtliche 247 Vorlagepflicht 213 Vorlageverfahren nach Art. 100 GG 205 Vorsitzender, Anordnungen 238 Voruntersuchung 46 Wahlrevision 187 ff. Wahrheitsfindung 159 ff. Wechselwirkung Revision / Beschwerde 262
weitere Verfahrens wirkungen 326 weitere Wirkungen 164 Wiederaufnahme 179, 182 Wiedereinsetzung 97, 192 (Fußn. 44), 308 f. Willkür 282 (Fußn. 148) Wirkung der Anordnung 241 Wirkungen von Aussetzung usw. 310 ff. Zeuge, Beschwerde, Terminsverlegung 234 (Fußn.4) Zeuge, Nichterscheinen 233 Zielrichtung der Anordnung 241 Zivilprozeß 58, 185 ff. Zurückverweisung 31 (Fußn. 28), 177, 179, 190ff. Zurückweisung des Verteidigers 218, 329 ff. Zusammenhang zwischen §§ 210 I und 336 266 Zuständigkeitsbestimmungen 227 Zuständigkeitsfragen 289 Zustimmung des Gerichts 358 ff. Zwischenbeschwerde 215 Zwischenentscheidungen 185 Zwischenrechtsbehelfe 202 Zwischenverfahren 201 ff. Zwischenverfahren, Beweisverwertung 225 Zwischenverfahren, echtes 214