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German Pages 146 Year 2002
PATRICK LIESCHING
Die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 bis 306c StGB nach dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts
Schriften zum Strafrecht Heft 138
Die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 bis 306c StGB nach dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts Von
Patrick Liesching
Duncker & Humblot . Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.
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© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-10924-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
e
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
1. Kapitel
Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F., Refonnbemübungen und Neuregelung durcb das 6. StrRG
17
A. Hauptkritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F. . .. .. . . .. . . . . .. .. . ..... .... ... .
17
I. Die Zweiteilung des § 308 I StGB a.F. .........................................
17
11. Die kasuistische Aufzählung der tauglichen Tatobjekte .... ...... . .. . . . ........
18
III. Die Tathandlung des "Inbrandsetzens" .. ... . .. .. .. .. . . . . . . ...... .. .. . .. . .. ... . .
19
IV. Die Strafrahmen der Brandstiftungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
B. Reformbemühungen vor dem 6. StrRG .. ... .. .......... .. ....... . .... . . . .. .... .. . ..
20
I. Entwürfe vor 1960 ........... . . . ............... . . .. .. . ............ . ...........
20
11. Der Entwurf von 1960 und die Bundestagsvorlage von 1962 ........... . . . .....
22
III. Der Alternativentwurf von 1971 ... ....... . .. .. .. .... ...... .. .. . .... . . . . .. . .. ..
24
Die Neufassung der Brandstiftungsdelikte durch das 6. StrRG .............. ... . . ...
25
I. Neuerungen in § 306 StGB ........... .. ................ . ......... . ... .. .. . .. . .
25
11. Neuerungen in § 306a StGB . ... .. .... .. ...... .. ...... . . .. ........ . .. .. ..... . ..
26
III. Neuerungen in §§ 306b und 306c StGB ............... . . . ............... . ......
28
IV. Neuerungen in den §§ 306d bis 306f StGB .. . ... ... ........ . .. . .... . ..... .. . ..
30
1. Fahrlässige Brandstiftung ......... . ...... . . . ........ . . . ..... . ...... ... .. . ..
30
c.
6
Inhaltsverzeichnis 2. Tatige Reue .. ... .. ... .... . . . ... ... .. . .... .... ............ . .. . ... . ... ... ....
32
3. Herbeiführen einer Brandgefahr .... . . . ......... .. ............ . . . ... . .... . ..
32
2. Kapitel
Das Verhältnis der einfachen Brandstiftung zu den §§ 306a - 306c StGB
34
A. Der Deliktscharakter des § 306 StGB - Spezielles Sachbeschädigungs- oder auch Gefahrdungsdelikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt .....................
35
I. § 306 als Grunddelikt der §§ 306a bis 306c StGB? . .. ................... . . . . . ..
35
1. Die Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und "delictum sui generis" ............... . .... . . .. .............. . . ... ............ . .... . ...
37
a) Der Begriff der unselbständigen Abwandlung .......... . . . .......... . ..
37
b) Der Begriff des eigenständigen Delikts........... . ............. .. . . ....
37
c) Relevanz der Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und "deIictum sui generis" ...... .. ........ . ... . ................ .... .. . .
39
aa) Kritik am Begriff des "delictum sui generis" ......................
39
bb) Relevanz des Begriffs für "Einzelstreitfragen" ....................
41
(1) Ausschluß des Rückgriffs auf Qualifikations- und Privilegierungstatbestände des Ausgangsdelikts . ....... . ... .. ........ ..
41
(2) Die Einteilung in Verbrechen und Vergehen ..................
42
(3) Das Strafantragserfordernis ......... . ........................
43
(4) Die Teilnehmerhaftung nach § 28 StGB .. ............. . . . .. . .
44
(5) Die frühere Rechtsprechung zum Fortsetzungszusarnmenhang
48
(6) Das Konkurrenzverhältnis zwischen "verwandten" Delikten..
50
2. Zusammenfassung und Einordnung der §§ 306a bis 306c StGB ...... .. . . ...
51
a) § 306a und § 306b II StGB als delicta sui generis ... . .. . ... .. ... .. .... .
52
b) § 306b I und § 306c StGB als delicta sui generis .......................
52
aa) Relevanz der Verweisung auf die einfache Brandstiftung in § 306b I StGB ..... ....... .. . .. ...... ...... ... . ........ ... ................
53
(1) Die subjektive Tatseite bei § 306a II StGB hinsichtlich der Gefahr einer Gesundheitsschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
Inhaltsverzeichnis
7
(2) Die subjektive Tatseite bei § 306b I StGB hinsichtlich der Gesundheitsschädigung .........................................
54
(3) Ergebnis .....................................................
56
bb) Relevanz der Verweisung auf die einfache Brandstiftung in § 306c StGB .............................................................
57
(I) Die subjektive Tatseite bei § 306c StGB hinsichtlich der Todesverursachung ..........................................
57
(2) Teleologische Extension des Tatbestandes des § 306c StGB ..
59
(3) Teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 306c StGB ..
59
(4) Ergebnis .....................................................
60
11. Konkurrenzverhältnis zwischen § 306 und §§ 306a-306c StGB ................
60
1. § 306 im Verhältnis zu §§ 306a, 306b 11 StGB ..............................
60
2. § 306 im Verhältnis zu §§ 306b I, 306c StGB ............. . .................
63
III. Die Teilnehmerhaftung nach § 28 StGB .......................................
63
IV. Überprüfung der bisherigen Ergebnisse ........................................
65
Folgen der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
D. Die Einordnung als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt ...........................
73
I. Die systematische Stellung der einfachen Brandstiftung und der Vergleich mit den §§ 305, 305a StGB ........................................................
73
11. Die Materialien zum preußischen StGB und das ältere Schrifttum. . . . . . . . . . . . . .
76
III. Die typische Unbeherrschbarkeit des Feuers als Tatrnittel ......................
79
E. Ergebnis............................................................................
84
c.
3. Kapitel
Die Tatbestände der §§ 306-306c im einzelnen
86
A. Einfache Brandstiftung .............................................................
86
I. Die Tathandlung ,,zerstörung durch Brandlegung" .............................
86
1. Zerstörung .................................................................
87
8
Inhaltsverzeichnis 2. Brandlegung . ...................... . ............. ... ........ . ..............
87
3. Der Zusammenhang zwischen Brandlegung und Zerstörung .......... . .....
88
4. Kritik an der Tathandlung ,,Zerstörung durch Brandlegung" ................
88
11. Durch das 6. StrRG eingefügte Tatobjekte ................ . ........... . ........
90
1. Die einzelnen Brandobjekte ................................................
91
a) Betriebsstätten und technische Einrichtungen (§ 306 I Nr. 2) ...........
91
b) Warenlager und -vorräte (§ 306 I Nr. 3) ................................
93
c) Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge (§ 306 I Nr. 4) ..
93
d) Wälder, Heiden oder Moore (§ 306 I Nr. 5) .............................
94
e) Land-, ernährungs- und forstwirtschaftliehe Anlagen und Erzeugnisse (§ 306 I Nr. 6) .............. . ..........................................
95
2. Restriktive und "nivellierende" Auslegung der Brandobjekte ............ . ..
95
B. Schwere Brandstiftung ................................................. . .... .. .....
96
1. § 306a Abs. 1 StGB ...........................................................
96
I. Reduktion des Tatbestandes bei ausgeschlossener Gefährdung? . . . . . . . . . . . . .
97
a) Rechtsprechung des BGH ..............................................
97
b) Einschränkung durch Teile der Literatur ................. . ... . .. ... ....
97
aa) Erfolgsorientierte Auffassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
bb) Verhaltensorientierte Auffassungen ...... .. .......................
99
c) Auswirkungen der Neufassung des § 306a .... . ........................ 100 2. Reduktion des § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB? ..... . ............ . ..... . ...... . .. 103 11. § 306a Abs. 2 StGB ........... . . .. .. .. ........... . . . ................ .. ... . .... 105 1. Die Gefahr einer Gesundheitsschädigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2. Die Verweisung auf § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB ......................... 107 C. Besonders schwere Brandstiftung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. § 306b Abs. 1 StGB .............................. . ....................... . .... 108
1. Die "schwere" Gesundheitsschädigung (Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Das Merkmal der "großen Zahl von Menschen" (Var. 2) .................... 111
Inhaltsverzeichnis 11. § 306b Abs. 2 StGB
9 113
I. Die Todesgefahr nach § 306b Abs. 2 Nr. I StGB .. ............ .. ........... 113 2. Die Ennöglichungs- und Verdeckungsabsicht nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB .... .. ..... .. ............... . .................. . .................. . ... 116 a) Die Auslegung der Merkmale der Ennöglichungs- und Verdeckungsabsicht .. .. . ............. .. .. . .................. ... ............... ... ..... 117 b) Das Problem der Brandstiftung in betrügerischer Absicht............... 121 3. Die Verhinderung oder Erschwerung der Brandlöschung nach § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB . .. ..... . ... . .. . .... . . . ... . ...... . . . .. . . . ... .. . . .... . .. .. . . . . . . . . 123 D. Brandstiftung mit Todesfolge...... ... .. .. ............... . .. .. .............. .. ...... 125 I. Die Verknüpfung der Brandstiftung mit der schweren Folge ............ . ... . .. 125 I. Anknüpfung an die Handlungs- oder EJfolgsgefährlichkeit? ..... .. ... . ..... 126 2. Die Problematik des Todes von Rettungswilligen . ... .................... . .. 129 11. Die subjektive Tatseite: Leichtfertigkeit ....................................... 132 Schlußbemerkung ... .. .. .. ............ ... ........... .. ... . ... . ... ..... .. .. . . . ... .. .. . 134 Literaturverzeichnis ... .. ............ . ..... . .... . .. ......... . . . ....................... 135 Sachwortverzeichnis........... . .. . . ..... .... . . . .. ... . ... .. .. . ...... . . . .. . . ... . . . . .... 143
Einleitung Das am 1. April 1998 in Kraft getretene sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG)l brachte wesentliche Veränderungen bei einer Vielzahl von Tatbeständen im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs, nachdem der Allgemeine Teil bereits durch die ersten beiden Strafrechtsreformgesetze im Jahre 1969 grundlegend reformiert worden war. Mit dem - ausdrücklich an die vorangegangenen Strafrechtsreformgesetze 2 anknüpfenden - 6. StrRG sollte die immer wieder in Teilbereichen erfolgte Reformierung auch des Besonderen Teils des StGB ihren vorläufigen Abschluß finden. 3 Dabei setzte man sich ausdrücklich die Harmonisierung der Strafrahmen, die Änderung, Ergänzung und Neufassung von Strafvorschriften zur Verbesserung des Strafschutzes und zur Erleichterung der Rechtsanwendung sowie die Aufhebung nicht mehr zeitgemäßer oder entbehrlicher Strafvorschriften zum Ziel. 4 Angesichts dieser - durch den Gesetzgeber selbst - hoch gesteckten Ansprüche kann die Eile, mit der das 6. StrRG das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat, nur Erstaunen hervorrufen. Seit Einstellung der vorangegangenen Reformarbeiten waren mehr als zwei Jahrzehnte vergangen, weshalb zwischenzeitlich erfolgte tiefgreifende Wandlungen der Überzeugungen von den Aufgaben des Strafrechts an sich hätten angemessen berücksichtigt werden müssen. 5 Dennoch: Während die Arbeiten zu den früheren Reformgesetzen noch über 20 Jahre angedauerten hatten, so schaffte es das 6. StrRG in knapp anderthalb Jahren vom Referentenentwurf vom 15. Juli 1996 bis zur Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag am 14. November 1997.6 Demgemäß nimmt es nicht Wunder, daß bei der Änderung bzw. Neufassung einiger Tatbestände aktuellen Strömungen und Strafbedürfnissen in besonderem Maße Rechnung getragen wurde. So erfolgte etwa die ausdrückli1 BGBl. I 1998, S. 160. Vgl. zum 6. StrRG im Gesamten: Freund, ZStW 109 (1997), 456 ff.; Kreß, NIW 1998,633 ff.; Bussmann, StV 1999,613 ff.; Schroth, NIW 1998,2861 ff.; Wolters, JZ 1998, 397 ff.; SanderlHohmann, NStZ 1998, 273 ff.; Stächelin, StV 1998,98 ff.; Hörnle, Jura 1998, 169 ff.; Kudlich, JuS 1998,468 ff.; Lacknerl Kühl, Vor § 38 Rdnr. 8 ff.; Tröndlel Fischer, Einl. Rdnr. 11 f.; Lesch, JA 1998,474 ff. 2 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I, S. 645); 2. StrRG v. 4. 7. 1969 (BGBl. I, S. 717); 3. StrRG v. 20. 5. 1970 (BGBl. I, S. 505); 4. StrRG v. 23. 11. 1973 (BGBl. I, S. 1725); 5. StrRG v. 18.6. 1974 (BGBl. I, S. 1297). 3 BT-Drs. 13/7164, S. 18; 13/8587, S. 18. 4 BT-Drs. 13/7164, S. 1; 13/8587, S. 1. 5 Lacknerl Kühl, 23. Aufl., Vor § 38 Rdnr. 16. 6 BT-Prot. 13/204.
12
Einleitung
che Etfassung der Drittzueignung bzw. der darauf gerichteten Absicht bei den §§ 242, 246, 249, 292 und 293 erklärtermaßen unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen um die Entnahme von Wertsachen und Geld aus Briefsendungen durch Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR? Auch aktuelle, medienwirksam autbereitete Einzelthemen, welche die Öffentlichkeit in starkem Maße beschäftigten, wie etwa der sexuelle Mißbrauch von Kindern, die Kindesentführung ins Ausland oder Kfz-Verschiebebanden haben anscheinend die Reformarbeiten beeinflußt. 8 Das eilige Gesetzgebungsvetfahren hinderte natürlich eine den Dimensionen des Vorhabens angemessene Vorbereitung. So beklagte der Bundesrat in der Stellungnahme zum Entwutf der Bundesregierung, an der Vorbereitung und Beratung nicht hinreichend beteiligt worden zu sein; eine sachgerechte Priifung der einzelnen Gesetzesänderungen und Neufassungen sei im vorgegebenen Zeitrahmen nicht möglich gewesen. 9 Auch die Strafrechtswissenschaft konnte nur völlig unzureichend beteiligt werden lO, weshalb die aus ihr zu vernehmende Kritik an den Inhalten des 6. StrRG freilich nicht eben sparsam ausfiel. So wurde etwa die fehlende Einbeziehung des Nebenstrafrechts 11 oder die Spreizung vieler Strafrahmen, die eine "Entdifferenzierungstendenz" erkennen lasse l2 , bemängelt. Die Änderung bzw. Neufassung zahlreicher problematischer und als reformbedütftig angesehener Tatbestände wurde durch das Reformgesetz nicht in Angriff genommen. Etwa die Regelung ärztlicher Heileingriffe, wie sie noch im Referentenentwutf des Bundesjustizministeriums vom 15. 7. 1996 vorgesehen war, fand sich im später in Kraft getretenen Gesetz nicht mehr. 13 Auch eine Neuregelung der reformbedütftigen l4 Tötungsdelikte etfolgte nicht: Unverändert bleibt es bei der tätertypologischen AusformulieBT-Drs. 13/8587, S. 43. Vgl. die Einschätzung von Hörnle, Jura 1998, 169, 182 und hinsichtlich der Neuregelung des sexuellen Mißbrauchs von Kindern Kreß, NJW 1998,633,634. 9 BT-Drs. 13/8587, S. 55. 10 Im Februar 1997 erarbeiteten verschiedene Strafrechtslehrer eine Stellungnahme zum Entwurf eines 6. Strafrechtsreformgesetzes, dem jedoch wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit erklärtermaßen kein abschließender Charakter zukommen sollte; vgl. bei Freund, ZStW 109 (1997), 456, 469, der den Vorsitz des Arbeitskreises inne hatte. Im Rechtsausschuß wurde neben verschiedenen Vertretern aus der Rechtspraxis lediglich ein Strafrechtslehrer als Sachverständiger angehört, vgl. Nachweis bei Sander I Hohl1Ulnn, NStZ 1998, 273 Fn. 10. 11 SanderlHohl1Ulnn, NStZ 1998, 273; LacknerlKühl, Vor § 38 Rdnr. lO. 12 Bussl1Ulnn, StV 1999,613,614. 13 §§ 229, 230 des Referentenentwurfs regelten die eigenmächtige sowie die fehlerhafte Heilbehandlung, vgl. bei Freund, ZStW lO9 (1997), 455, 457. 14 So stellt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung fest (BT-Drs. 13/8587, S. 55): " ... z. B. die Tötungsdelikte, bedürfen nach wie vor dringend der Überarbeitung"; vgl. auch Heine, GA 2000,305,306 f.; Wolters, JZ 1998,397,400; Stäche/in, StV 1998,98,99; Lacknerl Kühl, Vor § 211 Rdnr. 25; Lesch, JA 1998,474 mit Blick auf die Abgrenzung von Mord und Totschlag. 7
8
Einleitung
13
rung des Mordtatbestandes nach § 211 und bei dessen verfassungsrechtlich zweifelhafter l5 absoluter Strafdrohung. Eine Korrektur der im Hinblick auf sog. ,,zweipersonenverhältnisse" problematischen Tatbestände der §§ 239a und b wurde ebenfalls nicht vorgenommen. 16 Aber nicht nur das Fehlen wichtiger Deliktsbereiche im Reformwerk wurde bemängelt. Auch die Neugestaltung derjenigen Tatbestände, die eine Neuregelung bzw. Änderung erfahren hatten, stießen teilweise auf heftige Kritik. Bemängelt wurde beispielsweise die erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Unterschlagung gern. § 246 durch Einführung der Drittzueignung bei gleichzeitiger Abschaffung des Gewahrsamserfordernisses 17 oder die ebenfalls hinsichtlich des Anwendungsbereichs im Vergleich zum Versicherungsbetrug des § 265 a.F. weitergehende Regelung des Versicherungsmißbrauchs gern. § 265 n.F. 18 Einen offensichtlichen Fehlgriff leistete sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Diebstahls mit Waffen gern. § 244 I Nr. I a und des schweren Raubes gern. § 250 I Nr. la im Hinblick auf das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs: Nach der Begriindung des Gesetzgebers sollte insoweit ausdriicklich an den Werkzeugbegriff des § 224 I Nr. 2 n.F. angeknüpft werden. Dabei wurde allerdings übersehen, daß die Grundsätze der gefährlichen Körperverletzung auf § 244 I Nr. la (und auch § 250 I Nr. la) nicht übertragbar sind. Bei der gefährlichen Körperverletzung ist die Gefährlichkeit des Werkzeugs nämlich anhand der konkreten Einsatzweise zu bestimmen, die jedoch in den Fällen, die § 244 I Nr. la bzw. § 250 I Nr. la erfassen, überhaupt nicht stattfindet. Die Auflösung dieser durch Unbedachtheit entstandenen Problematik wird nur durch "Auslegungskunststücke" der Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft l9 oder durch ein erneutes Eingreifen des Gesetzgebers 20 erfolgen können. Die exemplarisch dargestellte - weitgehend berechtigt erscheinende - Kritik an einzelnen Inhalten des 6. StrRG legt die Vermutung nahe, daß auch die Neuregelung der Brandstiftungsdelikte, die ganz wesentlicher Bestandteil des Reformge15 So hält auch das Bundesverfassungsgericht § 211 nur unter der Voraussetzung für verfassungsmäßig, daß die Auslegung im Einzelfall nicht zu unverhältnismäßigen Strafen führt, vgl. BVerfGE 45, 187. 16 Kritisiert von Sander/Hohmann, NStZ 1998,273,274. Zur Problematik der ,,zweipersonenverhältnisse" beim erpresserischen Menschenraub und der Geiselnahme: BGHSt - GS - 40, 350, 358 mit Anm. Renzikowski, JR 1995, 349 f.; Trondle / Fischer, § 239a Rdnr. 6a f. mwN. 17 Bussmann, StV 1999,613,614 f. 18 Bussmann, StV 1999,613,617. 19 Möglich erscheint insoweit auf die abstrakte Eignung des Werkzeugs (vgl. Schroth, NJW 1998,2861,2864; Zieschang, JuS 1999,49,51 f.) oder die Vorstellung des Täters, den Gegenstand möglicherweise auf eine bestimmte Art zu verwenden (Vgl. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rdnr. 262b; Rengier, BT I, § 4 Rdnr. 25b) abzustellen. Zu weiteren Möglichkeiten der näheren Bestimmung des gefährlichen Werkzeugs: Lackner/Kühl, § 244 Rdnr. 3. 20 Lackner / Kühl, § 244 Rdnr. 3 a.E.
14
Einleitung
setzes ist, nur unzulänglich und mit erheblichen Mängeln behaftet erfolgte. Denn auch die Reform der §§ 306 ff. ist durch die Hektik des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich geprägt. Außerordentlich deutlich wird dies, wenn man sich nur die durchgreifenden Änderungen vor Augen hält, die § 306 des Entwurfs der Bundesregierung in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens, nämlich nach erfolgter Stellungnahme des Bundesrates, noch erfuhr: Zunächst war die einfache Brandstiftung in § 306 I E als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. 21 Auf die Fremdheit des Tatobjekts und damit auf die unmittelbare Verletzung fremden Eigentums kam es hiernach nicht an. 22 Absatz 2 des § 306 E sah als qualifizierendes Merkmal die Herbeiführung einer (konkreten) Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder von fremden Sachen von bedeutendem Wert vor. In Absatz 4 fand sich die als Regelbeispiel ausgestaltete Normierung der Brandstiftung "in besonders schwerem Fall", die bei leichtfertiger Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen Anwendung finden sollte. Nur knapp sechs Monate nach der Stellungnahme des Bundesrats hatte die einfache Brandstiftung gern. § 306 n.P. in der durch den Bundestag verabschiedeten Fassung mit dem Entwurf der Bundesregierung nur noch wenig gemein. Überraschenderweise erfolgte eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf für den Täter fremde Tatobjekte, wie sie schon im zuvor geltenden Recht (§ 308 I Var. 1) vorgesehen war, obwohl der Bundesrat eine dahingehende Änderung überhaupt nicht vorgeschlagen hatte. Denn die Forderung des Bundesrates, eine "näher am geltenden Recht liegende,,23 Regelung zu wählen, bezog sich nicht auf die Beibehaltung des Merkmals der Fremdheit des Tatobjekts, sondern die des Tatbestandsmerkmals der "Räumlichkeit" (§ 306 Nr. 3 a.F.). Die Qualifikation des § 306 11 E findet sich nur noch zum Teil in § 306a 11 und ist nunmehr als "schwere" Brandstiftung bezeichnet. Erfaßt wird nur noch die (konkrete) Gefahr einer Gesundheitsschädigung für andere Menschen, nicht jedoch die im Entwurf vorgesehene Herbeiführung einer Gefährdung von fremden Sachen von bedeutendem 21 BT-Drs. 13 / 8587, S. 11. § 306 I E lautete: ,,Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude oder ein Schiff, das Menschen als Wohnung oder Arbeitsstätte dient, 2. ein Gebäude, das dem Gottesdienst oder einer gottesdienstlichen Handlung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft oder entsprechenden Feiern einer Weltanschauungsvereinigung dient, 3. ein Gebäude, das zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Versammlungen, zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen dient, zu einer Zeit, in der Menschen in einem solchen Gebäude sich aufzuhalten pflegen, in Brand setzt, durch Feuer zerstört oder durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß beschädigt." 22 Der Bundesrat sah in Abs. 1 des Entwurfs offenbar auch ein Verletzungsdelikt, soweit es die Merkmale des Zerstörens und des Beschädigens anbetraf, ohne freilich zu benennen, welches Rechtsgut denn hierdurch verletzt werden würde (BT-Drs. 13/8587, S. 69). Mangels Beschränkung des § 306 I E auf fremde Tatobjekte scheidet eine Einordnung als Sachbeschädigungsdelikt jedenfalls aus. 23 BT-Drs. 13 / 8587, S. 68.
Einleitung
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Wert. Die in Absatz 4 des § 306 E geregelte leichtfertige Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen findet sich jetzt in § 306b I, wobei das subjektive Merkmal der Leichtfertigkeit nicht mehr enthalten ist. Auch ist § 306b I nun nicht mehr als Regelbeispiel, sondern als Qualifikationstatbestand ausgestaltet. Die hier deutlich werdende, kurzfristig erfolgte und teilweise überraschende Neukonzeption, die ..in der Sache ein[en] Neuentwurf,24 darstellte, konnte vor der Verabschiedung des 6. StrRG durch den Deutschen Bundestag von der Wissenschaft freilich nicht nur nicht angemessen, sondern überhaupt nicht mehr begutachtet werden. Zwar weisen die §§ 306 ff. in der jetzt geltenden Fassung in stärkerem Maße Ähnlichkeiten mit den §§ 308 a.F. auf, als dies noch beim Entwurf der Bundesregierung der Fall war, dennoch wurden letztlich ganz erhebliche Änderungen vorgenommen 25 , die eingehender Begleitung durch die Wissenschaft bedurft hätten. Es zeigt sich also, daß die Reform der Brandstiftungsdelikte in besonderem Maße von der Hektik des Gesetzgebungsverfahrens gekennzeichnet war. Deshalb kann es - trotz der grundsätzlichen und dringenden Reformbedürftigkeit dieser Tatbestände26 - auch nicht verwundern, daß die Neufassung der §§ 306 ff. durch das 6. StrRG in ihrer konkreten Ausgestaltung, wie schon die Neuregelung zahlreicher anderer Tatbestände, vielfach beklagt wurde?7 So sind die Brandstiftungsdelikte in der neuen Fassung bspw. als ..unausgegorene Regelungen,,28, ..kaum verständlich und in ihrer Anwendbarkeit fraglich,,29 oder als ..noch unübersichtlicher, lückenhafter und systemwidriger,,30 als die §§ 306 ff. a.F. bezeichnet worden. Zwar habe die Neufassung der Tatbestände einige der bisher bestehenden umstrittenen Auslegungsfragen geklärt, ..gleichzeitig aber viele neue aufgeworfen".3! Die Prüfung der Brandstiftungstatbestände sei durch die Reform ..nicht einfacher, sondern komplizierter geworden,,32. Schroeder zählt in einem kurz nach Inkrafttreten Fischer, NStZ 1999, 13. Hierzu eingehend unter 1. K~p. C. und im 3. Kapitel. Bezeichnend ist im Hinblick auf den Umfang der vorgenommenen Anderungen schon, daß in der Polizeilichen Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland 1998 S. 203 davon ausgegangen wird, daß der Anstieg der erfaßten Brandstiftungsfalle um 9,2% gegenüber dem Vorjahr, auf die rechtlichen Änderungen durch die Umsetzung des 6. StrRG zurückzuführen sein könnte. 26 V gl. unten 2. Kap. A. 27 Vgl. LacknerlKühl, Vor § 306 Rdnr. 1; MaurachlSchroederlMaiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 3; SchI SchI Heine, Vorbem. §§ 306 ff., Rdnr. 20; Tröndlel Fischer, Vor § 306 Rdnr. la; vgl. auch die Kritik an den vorangegangenen Entwürfen bei Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, 1997. 28 WesselslHettinger, BT I, Rdnr. 952. 29 Fischer, NStZ 1999, 13. 30 Schroeder, GA 1998, 571, 576, der damit auf die Bezeichnung der §§ 306 ff. a.F. mit diesen Attributen in der Begründung des Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 13/8587, S. 25) anspielt. 31 Wolters, JR 1998, 271, 275. So auch LacknerlKühl, § 306 Rdnr. 1. 24
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Einleitung
des 6. StrRG erschienenen Beitrag nicht weniger als fünfzehn (angebliche) "technische Fehler des neuen Brandstiftungsrechts" aue 3 Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll es sein, die vielfach geübte Kritik an den §§ 306 ff. n.F. aufzunehmen und zu hinterfragen. Dabei soll der Versuch unternommen werden, auftretende dogmatische Einordnungs- und Auslegungsschwierigkeiten, die bisher nicht in zufriedenstelIendem Maße gelöst sind, einer Klärung zuzuführen. Nachdem zunächst ein Überblick über die wesentlichen Kritikpunkte bzgl. der Brandstiftungsdelikte a.F. sowie der Reformbemühungen, die dem 6. StrRG vorausgingen erfolgt, werden im Anschluß in kurzer Form die wesentlichen Neuerungen, die das 6. StrRG im Hinblick auf die Brandstiftungsdelikte brachte, dargestellt (1. Kapitel). Sodann wird ausführlich auf das Verhältnis der einfachen Brandstiftung (§ 306) zu den §§ 306a - 306c in der geltenden Fassung einzugehen sein (2. Kapitel). Schließlich sollen die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen eingehend betrachtet werden, wobei insoweit der Schwerpunkt auf die Auslegung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale zu legen sein wird (3. Kapitel).
32 Cantzier, JA 1999, 474; anders Geppert, Jura 1998, 597, 598, der davon ausgeht, daß der Gesetzgeber "die Rechtsanwendung hinsichtlich der Brandstiftungsdelikte eindeutig leichter gemacht habe"; Schroth, BT S. 173, wonach die Brandstiftungsdelikte ,jetzt einem viel klareren System" folgten. 33 Schroeder, GA 1998,571 ff.
1. Kapitel
Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F., Reformbemühungen und Neuregelung durch das 6. StrRG A. Hauptkritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F. Zurecht wies die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines 6. StrRG unter Berufung auf die "Reformliteratur" darauf hin, daß es sich bei den §§ 306 ff. a.F. um Regelungen handle, die als "unübersichtlich, uneinheitlich, lückenhaft, teilweise systemwidrig [und] insgesamt nicht mehr zeitgemäß" kritisiert werden müssen.' I. Die Zweiteilung des § 308 I StGB a.F. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei insbesondere die Regelung des § 308 a.F. 2 , hinsichtlich derer das Reichsgericht bereits im Jahre 1893 feststellte, daß hier in willkürlicher Weise zwei wesentlich verschieden geartete Tatbestände miteinander vermischt worden seien. 3 Die sog. "unmittelbare" Brandstiftung in § 308 I 1. Alt. enthielt nach ganz h.M. ein Sachbeschädigungsdelikt, während die mittelbare Brandstiftung nach überwiegender Ansicht ein potentielles Gefahrdungsdelikt darstellte, welches vor Lebens- und Eigentumsgefährdungen schützen sollte. 4 Aus , BT-Drs. 13/8587, S. 25; vgl. auch Niggemeyer, Kriminalistik 1960,377; Jäger, Fahrlässigkeitsbrände, S. 197 ff.; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 201 ff. Zusammenfassend: Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 9. 2 § 308 I a.F. lautete: "Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Warenvorräte, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Feld, Waldungen oder Torfmoore in Brand setzt, wenn diese Gegenstände entweder fremdes Eigentum sind oder zwar Eigentum des Taters sind, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der in § 306 Nr. I bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzuteilen." 3 RG GA 41,33,34. 4 Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 308 Rdnr. 2 und 3; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 308 Rdnr. 3 und 4; SchI SchI Cramer, 25. Aufl., § 308 Rdnr. 2; Geppert, FS für R. Schmitt, S. 187 f.; ders., Jura 1989,473,477 und 478. 2 Liesching
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1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
dieser Zweiteilung ergaben sich nicht unerhebliche Auslegungsschwierigkeiten und Ungereimtheiten: Wegen der Formulierung "oder zwar Eigentum des Täters sind" in § 308 I 2. Alt, schien sich das Abgrenzungskriterium zwischen beiden Alternativen aus der Eigentumslage am Tatobjekt zu ergeben. Während die erste Alternative offensichtlich nur für täterfremde Objekte galt, sollte die zweite Alternative dem Wortlaut nach lediglich dem Täter gehörende Gegenstände erfassen. Schwierigkeiten bereiteten allerdings Fallgestaltungen, bei denen es sich um herrenlose oder zwar täterfremde, aber mit Einwilligung des Eigentümers in Brand gesetzte Tatobjekte handelte. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, nahm die h.M. in diesen Fällen eine "berichtigende" Auslegung vor, indem sie die 2. Alternative so verstand, daß diese "nicht nur", sondern "selbst dann" Anwendung finden sollte, wenn das Tatobjekt im Eigentum des Täters steht. 5 Diese extensive (strafbarkeitsbegründende) Auslegung begegnete freilich erheblichen Bedenken im Hinblick auf Art. 10311 GG. 6 11. Die kasuistische Aufzählung der tauglichen Tatobjekte
Neben der Zweiteilung der einfachen Brandstiftung wurde auch die abschließende kasuistische Aufzählung der tauglichen Brandobjekte kritisiert, die angesichts anderer, im Wert vergleichbarer oder sogar wertvollerer Gegenstände, die nicht im Katalog des § 308 I a.F. aufgeführt waren, willkürlich anmutete. 7 So war zwar das Inbrandsetzen von landwirtschaftlichen Vorräten oder Bau- und Brennmaterialien von § 308 a.F. erfaßt, nicht aber das Anzünden von wertvollsten Industrieprodukten und Maschinen, auf Privatgelände lagernden Warenvorräten oder von Landund Luftfahrzeugen. 8 Ganz besonders fiel dieser Wertungswiderspruch vor dem Hintergrund der schweren Strafdrohung des § 308 a.F. ins Gewicht. So stellte denn auch der Bundesgerichtshof - mit der willkürlich anmutenden Auswahl an Objekten in § 308 a.F. konfrontiert - fest, daß der abschließende Katalog von Angriffsobjekten in § 308 I StGB einer "längst überholten Wirtschaftsordnung" entstamme und nur der Gesetzgeber Abhilfe schaffen könne. Eine ausdehnende Auslegung des Objektkatalogs auf andere Gegenstände, deren Inbrandsetzen genauso strafwürdig erscheint wie die des Katalogs, sei wegen des Analogieverbots aus Art. 10311 GG jedenfalls ausgeschlossen. 9
5 Geerds, FS für R. Schmitt, S. 187, 189; Sch/Sch/Cramer, 25. Auf!., § 308 Rdnr. l3; Geppert, Jura 1989,473,478, der allerdings Zweifel hat, ob mit einer derartigen Auslegung nicht "die heikle Grenze zum Analogieverbot schon überschritten" ist. 6 Krey, BT 1, 10. Auf!. 1996, Rdnr. 756; Geppert, Jura 1989,473,478. 7 Sch/Sch/Cramer, 25. Auf!., § 308 Rdnr. 2; Geppert, Jura 1989,473,477; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 218; Jäger, Fahrlässigkeitsbrände, S. 21 Fn. l35. 8 Vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1981,482; LK-Wo(ff, § 308 Rdnr. 1. 9 BGHSt 41,219,221.
A. Hauptkritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
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111. Die Tathandlung des "Inbrandsetzens" Ebenso wie bezüglich der Aufzählung der Tatobjekte, erschien § 308 a.F. auch im Hinblick auf die Tathandlung des Inbrandsetzens reformbedürftig. Das "Inbrandsetzen" eines Gebäudes liegt nach ganz herrschender Ansicht nur dann vor, wenn ein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlicher Gebäudeteil in der Weise vom Feuer erfaßt ist, daß er selbständig, d. h. ohne Fortwirken des Zündstoffs, weiterbrennt. 1o Weil neben dem Merkmal des Inbrandsetzens weitere Tathandlungen nicht geregelt waren, konnten Fallgestaltungen, bei denen zwar eine große Ruß-, Gas- und Rauchentwicklung sowie eine starke Hitzeeinwirkung entstehen, wesentliche Gebäudeteile aber nicht selbständig brennen, nicht über die Brandstiftungsdelikte, sondern allenfalls über § 303 oder § 305 erfaßt werden, die jedoch die hier regelmäßig zu erwartende Gefährdung von Menschen und die Herbeiführung hoher Sachschäden nicht in angemessener Weise ahndeten und zudem eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung nicht vorsahen. Ein Umstand, der angesichts der zunehmenden Verwendung feuerbeständiger und -hemmender Baustoffe und Bauteile - vor allem Stahl, Beton, Glas und Kunststoffe - gerade bei der Konstruktion der wesentlichen Gebäudeteile als nicht mehr zeitgemäß und daher reformbedürftig empfunden wurde. 11 IV. Die Strafrahmen der Brandstiftungdelikte Die Strafrahmen der Brandstiftungdelikte a.F. wiesen teilweise Unstimmigkeiten im Vergleich zu anderen Vorschriften und bei vergleichender Betrachtung der einzelnen Brandstiftungstatbestände auch untereinander auf. Insbesondere bei der besonders schweren Brandstiftung nach § 307 a.F. schien nicht erklärlich, daß die Herbeiführung des Todes eines anderen Menschen einerseits (Nr. 1), und das Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften andererseits (Nr. 3) mit demselben hohen Strafmaß (lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Iahren) bedroht waren. 12 Ein Wertungswiderspruch ergab sich im Hinblick auf andere Vorschriften, die die fahrlässige oder leichtfertige Herbeiführung eines Todeserfolges unter Strafe stellten. So war etwa das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit leichtfertig verursachter Todesfolge in § 311 1,11, III a.F. im Mindestmaß lediglich mit Freiheitsstrafe vonfonflahren bedroht. 13
10 BGHSt 18, 363, 364; 36, 221, 222; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 3; SchISchI eramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 9; Tröndle/Fischer, § 306 Rdnr. 13. 11 BT-Drs. 13/8587, S. 26. 12 Vgl. Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 26. 13 Die Unterschiede hinsichtlich der Mindeststrafandrohung bei Delikten mit Todesfolge (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) sind in BT-Drs. 13/8587, S. 20 f. im einzelnen aufgezeigt.
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1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsde1ikten a.F.
B. Reformbemühungen vor dem 6. StrRG Bereits mit Beginn des 20. Jahrhunderts war man bestrebt, die schon früh erkannten Mängel des geltenden Brandstiftungsrechts zu beseitigen. 14 Die zahlreichen Entwürfe zur Neuregelung wurden indes nie in geltendes Recht umgesetzt. I. Entwürfe vor 1960
Bereits in der Begründung der Sachverständigenkommission zum Vorentwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1909 wird die kasuistische und abschließende Aufzählung tauglicher Tatobjekte kritisiert. Aus ihr ergebe sich, daß der Tatbestand der §§ 306 und 308 a.F. "teils zu weit und teils zu eng oder lückenhaft" sei und deshalb zu unbilligen Ergebnissen führen könne. Zu weit sei die Regelung, weil Fallgestaltungen, bei denen eine Gefahr für andere Objekte als die unmittelbar in Brand gesetzten tatsächlich gar nicht vorliegt, erfaßt seien. 15 Zu eng seien die §§ 306, 308 a.F., weil das Anzünden anderer als der aufgeführten Objekte ebenfalls strafwürdig erscheinen könne. 16 Folgerichtig regelte § 189 I VE 1909 17 den Eintritt einer konkreten Gefahr als Voraussetzung einer Bestrafung wegen Brandstiftung und gab die kasuistische Aufzählung tauglicher Tatobjekte auf. Zudem wurde eine Zweiteilung der einfachen Brandstiftung, wie sie § 308 I a.F. vorsah (Sachbeschädigungsdelikt in Alt. I und Gefährdungsdelikt in Alt. 2) vermieden. Auch der Gegenentwurf der Professoren Kahl, von Lilienthai, von Liszt und Goldschmidt verzichtete auf die Aufzählung einzelner Objekte. Hier wurde zudem ein eigener Tatbestand gemeingefährlicher Sachbeschädigung 18 für erforderlich gehalten.
14 Vgl. die Darstellung der Entwürfe zur Refonn der einfachen Brandstiftung bei Geppert, FS für R. Schmitt, S. 187, 199 ff. IS Begründung Vorentwurf 1909, S. 603: "So würde der Eigentümer wegen Brandstiftung zu strafen sein, der seine eigenen auf dem Felde stehenden Früchte in Brand setzt, wenngleich im besonderen Fall infolge der Richtung des wehenden Windes oder vom Täter getroffener Vorsichtsmaßregeln eine Übertragung auf benachbarte Felder oder Gebäude ausgeschlossen war." 16 Begründung Vorentwurf 1909, S. 603: " ... so könnte aus gleichen Erwägungen die Aufnahme auch noch anderer Gegenstände gerechtfertigt erscheinen, wie z. B. der Werften, nicht im Betrieb befindlichen Eisenbahnfahrzeuge, Warenvorräte, die nicht auf öffentlichen Plätzen lagern, ... ". 17 § 189 I VE 1909: "Wer vorsätzlich einen Brand, eine Explosion, einen Einsturz oder eine Überschwemmung und dadurch Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft." 18 § 216 des Gegenentwurfs: "Wer, abgesehen von den Fällen des § 215 [Brandstiftung], durch Beschädigung eigener oder fremder beweglicher oder unbeweglicher Sachen das Leben eines anderen oder in bedeutendem Umfange fremde Sachen gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft ... ".
B. Reformbemühungen vor dem 6. StrRG
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Die Entwürfe von 1913 und 1919 kehrten zur kasuistischen Fassung der Brandstiftung zurück, sahen aber vor, die §§ 306 und 308 in einer Vorschrift zusammenzufassen (§§ 258 E 1913 19 und 254 E 1919). Im Gegensatz zu den vorangegangenen Entwürfen, war die Brandstiftung - wie im damals geltenden Recht - teilweise als Spezialfall der Sachbeschädigung ausgestaltet (§ 258 I E 1913). Soweit es auf die Fremdheit des Tatobjekts nicht ankam, wurde der Eintritt einer konkreten Gefahr für Menschenleben oder fremdes Eigentum von bedeutendem Wert gefordert (§ 258 II E 1913). Freilich hätte durch die Umsetzung dieses Entwurfs im Hinblick auf die dargestellten Mängel der §§ 306 ff. a.F. keine Abhilfe erzielt werden können. Denn neben den mit der unbefriedigenden Kasuistik verbundenen Schwierigkeiten wäre insbesondere die Problematik der Inbrandsetzung herrenloser Sachen ungelöst geblieben. Erst der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 192520 trennte sich wieder von der Aufzählung einzelner Tatobjekte. Wurde hier noch zwischen dem Inbrandsetzen fremder und eigener Sachen unterschieden, so genügte in § 225 E 192721 das Anzünden einer Sache, unabhängig davon, in wessen Eigentum sie steht, soweit hierdurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeigeführt wurde. Das (unmittelbar) sachbeschädigende Element der Brandstiftung wurde damit nicht mehr als für die Strafwürdigkeit entscheidend angesehen. Nur die Fälle der Schaffung einer Gefahr für andere bedeutende Rechtgüter als das des Eigentums am Tatobjekt selbst erschienen des erhöhten Strafschutzes bedürftig. 22 Auch der nationalsozialistische Entwurf von 1936 verzichtete in seinem § 30423 auf die Kasuistik des geltenden Rechts. Während Absatz 1 als abstraktes Gefährdungsdelikt (Inbrandsetzen von Wohnstätten) ausgestaltet war, setzte Absatz 2 den Eintritt einer Gefahr für Menschen oder bedeutende Sachwerte voraus. Auch hier kam es auf die Eigentumsverhältnisse am Tatobjekt nicht an. Nach der amtlichen 19 § 258 E 1913: ,,(1) Wer fremde Gebäude, fremde zur Wohnung und zum Aufenthalt von Menschen dienende Räumlichkeiten oder fremde Schiffe, Bergwerke, Waldungen, Heiden, Felder, Moore oder Vorräte von Waren oder Bodenerzeugnissen in Brand setzt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eigene Sachen der im Abs. 1 bezeichneten Art in Brand setzt und dadurch Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt. " 20 § 202 E 1925: "Wer an einer fremden Sache eine Feuersbrunst verursacht, wird mit Zuchthaus bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine eigene Sache oder eine Sache eines anderen mit dessen Einwilligung in Brand setzt und dadurch eine Gemeingefahr herbeiführt." 21 § 225 E 1927: "Wer eine Sache in Brand setzt und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft." 22 Vgl. E 1927, Begründung, S. 117: " ... ; nur sie werden im Volksempfinden als ,Brandstiftung' angesehen. 23 § 304 E 1936: (1) "Als Brandstifter wird mit Zuchthaus bestraft, wer ein Gebäude, ein Fahrzeug oder eine Hütte, die Menschen als Wohnung dienen, in Brand setzt."
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1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
Begründung sollte insbesondere Absatz 2 des § 304 E 1936 als Ausdruck von "Rücksicht auf das Gemeinwohl" zu verstehen sein. Mit der Neufassung sei ein "neuer Weg" eingeschlagen worden, der der von einem Brand ausgehenden Unbeherrschbarkeit Rechnung tragen sollte. 24 So neu war der eingeschlagene Weg freilich nicht, nachdem bereits vorangegangene Entwürfe die kasuistische Aufzählung geeigneter Tatobjekte vermieden und den Eintritt einer konkreten Gefahr vorausgesetzt hatten. Immerhin wurden aber auch im Entwurf von 1936 die Mängel, die mit der abschließenden Aufzählung tauglicher Tatobjekte verbunden sind, erkannt25 und beseitigt. 11. Der Entwurf von 1960 und die Bundestagsvorlage von 1962
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die Große Strafrechtskommission die wesentlichen Reformelemente der vorangegangenen Entwürfe aufzunehmen und in einem vernünftigen Kompromiß zu vereinigen. 26 In § 320 E 196027 und auch im nur ganz unwesentlich veränderten § 320 E 196228 (Bundestagsvorlage) wurde die Kasuistik des § 308 a.F. wie schon in zahlreichen vorangegangenen Entwürfen un(2) "Wer an eine andere Sache Feuer anlegt und dadurch die Gefahr einer Feuersbrunst herbeiführt, die Menschen oder bedeutende Werte gefährdet, wird als Brandstifter mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft." 24 Begründung E 1936, S. 197 f. 25 Begründung E 1936, S. 197. 26 Begründung E 1962, S. 462 und BT-Drs. 4/650, S. 498. 27 § 320 E 1960: ,,(1) Mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, das Menschen als Wohnung, Stätte der Religionsausübung, Versammlungsraum oder Raum für Besichtigungen oder vielen Menschen als Arbeitsstätte dient, oder 2. ein Schiff, das Menschen als Wohnung dient, in Brand setzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer sonst eine Sache in Brand setzt, so daß eine Feuersbrunst droht, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. (3) In besonders schweren Fällen (§ 338) ist die Strafe Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen Gefängnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft." 28 § 320 E 1962: ,,(1) Mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren wird bestraft, wer 1. ein Gebäude oder Schiff in Brand setzt, das als Wohnung oder vielen Menschen als Arbeitsstätte dient, oder 2. ein Gebäude in Brand setzt, das, a) als Kirche oder sonst als Stätte der Religionsausübung, b) zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Versammlungen oder c) zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen dient. (2) Ebenso wird bestraft, wer sonst eine Sache in Brand setzt, so daß ein Feuer von erheblichem Ausmaß droht, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet." Absätze 3 und 4 wie bei § 320 E 1960.
B. Reformbemühungen vor dem 6. StrRG
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ter Hinweis auf im Einzelfall entstehende Ungereimtheiten 29 aufgegeben. Auch sollte es auf die Eigentumslage bezüglich des Tatobjekts selbst nicht mehr ankommen. Anders als noch in den Entwürfen von 1925 und 1927 waren bestimmte Räumlichkeiten, die Menschen als Wohnstätte dienen oder in denen sich typischerweise "viele,,3o Menschen aufhalten, in § 320 I E 1962 unbedingt geschützt, ohne daß es auf den Eintritt einer Gefahr angekommen wäre. Entgegen der ausdrücklich erklärten Bestrebung, mit der Schaffung konkreter Gefährdungstatbestände auf der ,,Linie des Schuldstrafrechts" zu bleiben3!, war Absatz 1 damit als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Demgegenüber setzte Absatz 2 für das Inbrandsetzen von anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Tatobjekten den Eintritt einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert voraus. Mit den Entwürfen von 1960 und 1962 konnte der Kritik an den Brandstiftungsdelikten a.F. damit weitgehend Rechnung getragen werden. Die unbefriedigende Zweiteilung des § 308 a.F. und dessen Kasuistik wurde zugunsten eines klarer strukturierten Tatbestandes aufgeben. Das Anzünden herrenloser Sachen (bspw. eines in niemandes Eigentum stehenden Waldes) fiel nun unproblematisch unter § 320 11 der Entwürfe, sofern hierdurch ein Feuer von erheblichem Ausmaß drohte und eine Gefahr für Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert hervorgerufen wurde. Auch die bestehenden Widersprüche bei den angedrohten Strafrahmen konnten durch die einfachere Fassung der Brandstiftungstatbestände weitgehend beseitigt werden. So waren "Besonders schwere Fälle" in § 338 beider Entwürfe für die Brandstiftung und gleichzeitig für eine Vielzahl von anderen Tatbeständen32 einheitlich als Regelbeispiel mit jeweils angemessener Strafdrohung ausgestaltet. Als Manko der Entwürfe von 1960 und 1962 mag man die fehlende Erweiterung der Tathandlungen über die des Inbrandsetzens hinaus bezeichnen, weil Fallgestaltungen mit großer Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitzeentwicklung, bei denen wesentliche Gebäudeteile aber nicht selbständig brennen, nicht hätten erfaßt werden können. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß zu Beginn der sechziger Jahre feuerbeständige Baumaterialien nicht in demselben Maße wie in heutiger Zeit VerwenBegründung E 1960, S. 461 und BT-Drs. 4/650, S. 498. Abgrenzungsprobleme, die mit dem Begriff der "vielen Menschen" hätten entstehen können, wurden ebenso in Kauf genommen, wie das Risiko, daß gewisse - im Einzelfall ebenfalls sehr bedeutsame - Gegenstände nicht dem absoluten Schutz des Absatz 1 unterlagen und damit schwächer geschützt würden; vgl. Begründung E 1960, S. 462 und BT-Drs. 4/ 650, S. 499. 3! Vgl. BT-Drs. 4/650, S. 496. 32 § 338 E 1960 regelte ,,Besonders schwerer Fälle", bei Taten nach den §§ 320 [Brandstiftung] , 325 [Explosions- und Strahlungsverbrechen] und 327 bis 331 [Gefährdung durch giftige Gase, Entfesseln von Naturkräften, Brunnenvergiftung, Vergiftung von Lebensmitteln, Arzneimitteln und Bedarfsgegenständen, Verbreiten einer übertragbaren Krankheit unter Menschen]. 29
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1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
dung fanden, so daß die Tathandlung des Inbrandsetzens aus damaliger Sicht wohl durchaus als ausreichend angesehen werden konnte. 111. Der Alternativentwurf von 1971
Noch knapper und einfacher war der Brandstiftungstatbestand in § 151 des AIternativentwurfs zahlreicher Strafrechtslehrer von 1971 gefaßt. 33 Im Gegensatz zur Bundestagsvorlage von 1962 verzichtete dieser Entwurf auf die Nonnierung eines abstrakten Gefährdungsdelikts, durch das bestimmte Tatobjekte absolut geschützt wurden, ohne daß es auf den Eintritt einer Gefahr ankam. So konnte erreicht werden, daß in Fällen, in denen eine Gefährdung von vornherein ausgeschlossen ist etwa wenn sich der Täter vor der Inbrandsetzung eines Gebäudes davon überzeugt hat, daß sich niemand darin aufhält - eine Strafbarkeit entfällt. Allerdings sollte der Täter dann nicht straffrei bleiben, wenn Rechtsgüter jenseits des Eigentums am Tatobjekt nur deshalb nicht gefährdet werden, weil ein Zufall dies verhindert. 34 Deshalb wurde die positive Formulierung des Gefährdungsmoments in § 32011 E 1962 (" ... und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.") in eine negative umgewandelt (" ... ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist, ... "). Konsequenter noch als die Bundestagsvorlage von 1962, in der im § 320 11 noch die Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert erfaßt ist, hielt der Alternativentwurf den Brandstiftungstatbestand von Sachbeschädigungselementen frei. Damit paßte sich § 151 AE 1971 ohne systematische Widersprüche in den vorgesehenen Titel der "Personengefährdungen" ein. Wie die Entwürfe von 1960 und 1962 konnte damit auch der Alternativentwurf von 1971 der Kritik an den Brandstiftungsde1ikten a.F. hinreichend Rechnung tragen.
§ 151 AE 1971: ,,(1) Wer 1. einen Brand von erheblichem Ausmaß, insbesondere in einem Gebäude, verursacht, 2. [ ... ] ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. [ ... ] (5) Wer vorsätzlich oder fahrlässig die nahe Gefahr für den Eintritt der in Abs. I umschriebenen Vorgänge schafft, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft." 34 Begründung AE 1971, S. 57. 33
C. Die Neufassung der Brandstiftungsdelikte durch das 6. StrRG
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c. Die Neufassung der Brandstiftungsdelikte durch das 6. StrRG
Mit der heute geltenden Fassung der Brandstiftungsdelikte glaubte der Gesetzgeber die Ungereimtheiten und Auslegungsschwierigkeiten der §§ 306 ff. a.F. weitgehend aufgelöst zu haben.
I. Neuerungen in § 306 StGB Anders als noch bei § 308 a.F. wird nun die einfache Brandstiftung in § 306 entsprechend dem "üblichen Aufbau von Strafvorschriften,,35 der schweren und besonders schweren Brandstiftung vorangestellt. Dies mag zwar der bei anderen Delikten üblichen Systematik entsprechen, steigert allerdings zugleich den - möglicherweise triigerischen 36 - Eindruck, bei der einfachen Brandstiftung handle es sich um den Grundtatbestand, zu welchem die §§ 306-306c Qualifikationen bilden. Die mißglückte Zweiteilung des § 308 I a.F. (qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt in der 1. Alt. und abstraktes Gefährdungsdelikt in der 2. Alt.) konnte durch die Neufassung vermieden werden. Zur Tathandlung des Inbrandsetzens kommt nun die (vollständige oder teilweise) Zerstörung durch Brandlegung hinzu, wodurch jetzt auch Fallgestaltungen erfaßt werden können, bei denen wesentliche Gebäudeteile nicht selbständig brennen. Hingegen bleibt es bei der kasuistischen Aufzählung tauglicher Tatobjekte und dem Erfordernis von deren Fremdheit, was vor dem Hintergrund der vorangegangenen Reformbemühungen verwundert. Bis auf die Entwürfe von 1913 und 1919 hatten sich - wie soeben aufgezeigt - sämtliche Reformvorschläge von der Kasuistik des § 308 a.F. getrennt. Auch der Entwurf der Bundesregierung von 1997 hatte noch auf die Regelung einer unmittelbar sachbeschädigenden Brandstiftung mit Aufzählung tauglicher Tatobjekte verzichtet und entsprach in wesentlichen Teilen dem § 320 E 1962?7 In der Begründung hierzu wurde nochmals ausdrücklich auf 35 BT-Drs. 13/8587, S. 47; dort allerdings zu § 306 des Entwurfs der Bundesregierung, der dem heute geltenden § 306a entspricht. 36 Hierzu eingehend unter 2. Kap. A. I. 37 § 306 E-Bundesregierung: ,,(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude oder ein Schiff, das Menschen als Wohnung oder Arbeitsstätte dient, 2. ein Gebäude, das dem Gottesdienst oder einer gottesdienstlichen Handlung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft oder entsprechenden Feiern einer Weltanschauungsvereinigung dient, 3. ein Gebäude, das zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Ver-
1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
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die Gefahr von Strafbarkeitslücken, die die abschließende Aufzählung tauglicher Brandobjekte berge, hingewiesen. 38 § 306 n.F. trägt diesen Bedenken lediglich insoweit Rechnung, als der Objektskatalog teilweise den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt und damit modernisiert worden ist. 39 So wurden insbesondere in § 306 Nr. 2 und 4 wichtige Bestandteile einer industriellen Wirtschaftsordnung wie Betriebsstätten, technische Einrichtungen sowie Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge eingefügt. Allerdings bleiben die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die die kasuistische Abfassung der einfachen Brandstiftung mit sich bringt, bestehen: Nach wie vor ist zu befürchten, daß der Eindruck von Willkür entsteht, wenn bestimmte Einzelfallgestaltungen von § 306 nicht erfaßt werden, obwohl sie doch mindestens ebenso strafwürdig erscheinen wie das Inbrandsetzen eines der in § 306 aufgeführten Tatobjekte. Zudem erscheint die bloße Anpassung des Objektskatalogs schon deshalb als wenig weitsichtig, weil die Wirtschaftsordnung freilich nicht auf dem heutigen Stand stehenbleiben, sondern sich beständig fortentwickeln wird, so daß mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß in wenigen Jahren eine erneute Modernisierung der Brandobjekte nötig sein wird. Mit der Neufassung der einfachen Brandstiftung konnte damit der Kritik an § 308 a.F. letztlich nur teilweise Rechnung getragen werden.
11. Neuerungen in § 306 a StGB Die schwere Brandstiftung gern. § 306a folgt der Regelung des § 306 a.F. und entspricht im wesentlichen dem § 320 E 196240 und dem § 306 des Entwurfs der Bundesregierung41 • Wie bei der einfachen Brandstiftung kommt auch hier die Tathandlung des Zerstörens durch Brandlegung zum Inbrandsetzen hinzu. sammlungen, zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen dient, zu einer Zeit, in der Menschen in einem solchen Gebäude sich aufzuhalten pflegen, in Brand setzt, durch Feuer zerstört oder durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß beschädigt. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert geflihrdet. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Tater durch die Tat leichtfertig eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.
[ .. ·lU.
BT-Drs. 13/8587, S. 26. So auch die Einschätzung von Kreß, NJW 1998,633,640; Bayer; Bochumer Erläuterungen, § 306 Rdm. 6 ff.; Sander/Hohmann, NStZ 1998,273,278; Lesch, JA 1998,474,478; Hörnle, Jura 1998, 169, 180; Geppert, Jura, 1998,597,598 und 599; Cantzier; JA 1999,474, 475. 40 Oben Fn. 28. 41 Vgl. oben Fn. 37. 38 39
c. Die Neufassung der Brandstiftungsdelikte durch das 6. StrRG
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Absatz 1 der Vorschrift des § 306a geht wie die entsprechenden Vorentwürfe davon aus, daß bestimmte Objekte eines unbedingten Schutzes gegen Brandlegung bedürfen, ohne daß tatbestandlich der Eintritt einer konkreten Gefahr eingetreten sein muß. Nach wie vor werden Räumlichkeiten, die zur Wohnung (Nr. 1) und Gebäude, die der Religionsausübung (Nr. 2) dienen, sowie Räumlichkeiten, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in der sich Menschen dort aufzuhalten pflegen (Nr. 3), absolut geschützt. Die Erweiterung dieses Schutzes auf Arbeitsstätten und Gebäude, die ..zum Unterricht, zu Vorträgen, zu Aufführungen oder sonst zu Versammlungen, zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen" dienen, wie sie noch in § 306 I des Entwurfs der Bundesregierung vorgesehen war, wurde letztlich nicht in geltendes Recht umgesetzt, obgleich dies in der Begründung zum Entwurf noch als notwendig erachtet wurde, weil die Wohnung des Menschen ..heute nicht mehr den ausschließlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen" darstelle. 42 Mit der Beschränkung aufWohnräumlichkeiten in § 306a I Nr. 1 bleibt es damit unverändert bei der Problematik der Brandstiftung an sog. gemischt genutzten Gebäuden, zu deren Vereinfachung die Einbeziehung von Arbeitsstätten in die menschengefährdende Brandstiftung hätte beitragen können. 43 Bis auf einige sprachliche Neuerungen (insb. der weltanschaulich neutraleren Fassung in der Nr. 2: ..Religionsausübung") entspricht § 306a I somit dem § 306 a.F. Es bleibt damit - jedenfalls in Absatz 1 - bei der Ausgestaltung der schweren Brandstiftung als abstraktes Gefabrdungsdelikt. Wie schon vor Inkrafttreten des 6. StrRG stellt sich deshalb die Frage der teleologischen Reduktion, wenn es sich im Einzelfall um eine leicht überschaubare Räumlichkeit handelt und der Tater sich vor der Tat vergewissert hat, daß eine Gefabrdung von Menschen absolut ausgeschlossen ist. 44
In Absatz 2 des § 306a findet sich ein konkretes Gefahrdungsdelikt45 , welches auf die Tatobjekte der einfachen Brandstiftung aufbaut und damit ebenfalls den Bedenken, die sich aus der kasuistischen Abfassung des § 306 ergeben, unterliegt. Dabei hätte nichts dagegen gesprochen, die Bezugnahme auf die einfache Brandstiftung ganz wegzulassen und entsprechend den vorangegangenen Entwürfen lediglich auf die Gefahrdung ..durch ein Feuer" abzustellen. 46 Durch die Verweisung auf § 306 I Nr. 1 bis 6 bleibt zudem unklar, ob auch das Merkmal der Fremdheit der Objekte mit einbezogen ist oder nicht. 47 42 BT-Drs. 13/8587, S. 47. Die Aufnahme von ..Arbeitsstätten" in den Kreis der Tatobjekte der abstrakt menschengefährdenden Brandstiftung war schon in den Entwürfen von 1960 und 1962 (jew. § 320; oben Fn. 59 und 60) vorgesehen. 43 Vgl. Radtke, Das Ende der Gemeingeflihrlichkeit?, S. 12. Zur Problematik sog. gemischt genutzter Gebäude: Sch / Sch / eramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 11 mwN. 44 Hierzu eingehend unter 3. Kap. B. I. 1. 45 BT-Drs. 13/8587, S. 48. 46 So noch der entsprechende § 306 II E Bundesreg., der auf die Aufzählung einzelner Tatobjekte verzichtet hatte. In der Begründung, BT-Drs. 13/8587, S. 48, heißt es: ..... ist Absatz 2 als konkreter Geflihrdungstatbestand formuliert. Die Vorschrift gibt die unbefriedigende und lückenhafte Kasuistik des § 308 auf." Diese Überlegung spielte bei der Abfassung des jetzt gültigen § 306a II offenbar überhaupt keine Rolle mehr.
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III. Neuerungen in §§ 306b und 306c StGB Mit der Neuregelung der Besonders Schweren Brandstiftung hat der Gesetzgeber im wesentlichen die Vorschläge des Entwurfs der Bundesregierung (§ 306 IV und § 306a) übernommen, den Tatbestand des § 306b allerdings nicht als Regelbeispiel, sondern als Qualifikation ausgestaltet. Dabei erfolgt die Strafrahmenverschiebung in zwei Qualifikationsstufen: Während Absatz I Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, ist in Absatz 2 eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren angedroht. Strafschärfend wirkt sich nach Absatz 1 die Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen aus. Dabei wirft das Merkmal der "großen Zahl" von Menschen, wie schon bei § 330 S. 2 Nr. 2 a.F. 48 , Auslegungsprobleme auf und erscheint im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis aus Art. 103 11 GG nicht unbedenklich. 49 Die Bezugnahme auf § 306 und § 306a vermittelt den Eindruck, daß § 306b die Qualifikation sowohl zur einfachen als auch zur schweren Brandstiftung bilden soll. Fragwürdig erscheint dies allerdings im Hinblick auf die Verweisung auf § 306a, dessen Absatz 2 ja seinerseits auf § 306 verweist, so daß sich die nochmalige Bezugnahme auf die einfache Brandstiftung in § 306b möglicherweise als überflüssig erweisen könnte. 5o Auch ist nicht eindeutig, ob diese Verweisung - sofern sie relevant ist - das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts mit einbezieht. In Absatz 2 des § 306b findet sich ebenfalls eine Qualifikation der schweren Brandstiftung nach § 306a, die im wesentlichen dem § 306a des Entwurfs der Bundesregierung entspricht. Nach Nr. 1 wird - im Gegensatz zu § 307 Nr. 1 a.F. - wegen besonders schwerer Brandstiftung nicht erst bei Eintritt des Todes eines Menschen, sondern bereits dann bestraft, wenn der Täter einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. Mit dieser Vorverlagerung des Anwendungsbereichs der Vorschrift ist zwar eine erhebliche Strafbarkeitsausdehnung bei der besonders schweren Brandstiftung erfolgt, allerdings wurde gleichzeitig der Strafrahmen von mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 307 a.F.) auf mindestens fünf Jahre um die Hälfte reduziert.
Nr. 2 und Nr. 3 des § 306b 11 sind an § 307 Nr. 2 und 3 a.F. angelehnt, begründen aber - wie auch Nr. 1 - eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der besonders schweren Brandstiftung. Bezog sich die Ausnutzungsabsicht in § 307 Nr. 2 a.F. lediglich auf bestimmte, abschließend aufgezählte Straftaten (Mord, Raub, räubeHierzu unter 3. Kap. B. 11. 2. V gl. Sch / Sch / Cramer, 25. Aufl., § 330 Rdnr. 6; Tröndle, Strafgesetzbuch, 48. Aufl. 1997, § 330 Rdnr. 4; LK-Steindorf, 11. Aufl. 1997, § 330 Rdnr. 6. 49 Hierzu unter 3. Kap. C. I. 2. 50 Hierzu eingehend unter 2. Kap. B. I. 2. b) aa). 47
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rischer Diebstahl oder räuberische Erpressung), so erfaßt der an die gleichlautenden Mordmerkmale der dritten Gruppe des § 211 angelehnte § 306b 11 Nr. 2 nun die Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht bzgl. einer jeglichen Straftat. Auch in § 306b 11 Nr. 3 wurde die abschließende, kasuistische Aufzählung tauglicher Tatmodalitäten, wie sie sich in § 307 Nr. 3 a.F. fand (Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften) zugunsten einer weiteren Fassung, die nun jede Verhinderung oder Erschwerung des Löschens eines Brandes erfaßt, aufgegeben. Auch hier geht die Strafbarkeitserweiterung mit einer Absenkung der angedrohten Mindeststrafe um die Hälfte einher. Die Brandstiftung mit Todesfolge gern. § 306c entspricht im wesentlichen § 306b des Entwurfs der Bundesregierung und ist an § 307 Nr. 1 a.F. angelehnt. Es bleibt bei der Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren. Damit bildet § 306c neben § 306b die dritte Qualifikationsstufe der schweren Brandstiftung, die der Übersichtlichkeit wegen in einer gesonderten Vorschrift geregelt ist. Die einschränkende Modalität des § 307 a.F., wonach sich der zu Tode gekommene Mensch zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten befunden haben muß, findet sich in § 306c nicht mehr. Es stellt sich damit nunmehr die Frage, welche Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Brandstiftung und Todeserfolg zu stellen sind. 51 Überaus problematisch erscheint die Verweisung auf § 306, die augenscheinlich auch das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts umfaßt, so daß sich § 306c damit auf den ersten Blick als todeserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung (!) darstellt. 52 In subjektiver Hinsicht verlangt § 306c hinsichtlich des Todeserfolgs nunmehr "wenigstens" Leichtfertigkeit, wodurch einerseits im Vergleich mit § 307 der Anwendungsbereich der Brandstiftung mit Todesfolge - im Hinblick auf das hohe Strafmaß in angemessener Weise - eingeengt wird, und andererseits der v.a. bei § 251 a.F. geführte Streit, ob auch vorsätzliches Verhalten hinsichtlich der schweren Folge erfaßt ist, entbehrlich wird. Betrachtet man die Regelungen der §§ 306a bis 306c im Gesamten, so ist festzustellen, daß der Gesetzgeber ein im Vergleich zu § 307 a.F. weitaus feiner untergliedertes Regelungssystem geschaffen hat, welches bzgl. des jeweils verwirklichten Unrechts zu differenzierteren Strafdrohungen gelangt53 : § 306a I regelt die abstrakte Gefährlichkeit, § 306a 11 die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung, § 306b I StGB den Eintritt einer Gesundheitsschädigung, § 306b 11 Nr. 1 StGB den Eintritt einer konkreten Todesgefahr und § 306c den Eintritt eines Todeserfolges. Die Festlegung der Strafrahmen erfolgte unter Berücksichtigung anderer vergleichbarer Vorschriften (wie etwa § 176a IV Nr. 2 oder § 250 III Nr. 2b hinsichtlich der Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr, § 306b 11 Nr. 1)54, so Dazu unter 3. Kap. D. I. Zur Relevanz dieser Verweisung eingehend unter 2. Kap. B. 1. 2. b) bb). 53 So auch Bayer, § 306b Rdnr. 1 und § 306c Rdnr. 1. Zum Entwurf der Bundesregierung: Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 26 f. 51
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daß sich ein in sich stimmiges Strafsystem ergibt und Wertungswidersprüche vermieden werden. Im alten Brandstiftungsrecht bestehende Widersprüche hinsichtlich der Strafrahmen konnten weitgehend beseitigt werden. So wird bspw. die Erschwerung der Löschung eines Brandes nicht mehr in demselben Maße bestraft wie die Herbeiführung des Todes eines anderen Menschen. Freilich hat die Differenziertheit des Regelungssystems auch dessen Unübersichtlichkeit zur Folge, weshalb die Systematik der §§ 306-306c nicht nur auf den ersten Blick schwer überschaubar erscheint. 55 IV. Neuerungen in den §§ 306d bis 306f StGB Obwohl die §§ 306d bis 306f nur am Rande Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, sollen diesbezüglich die wesentlichen Neuerungen der Vollständigkeit halber Erwähnung finden. 1. Fahrlässige Brandstiftung
Die fahrlässige Brandstiftung ist in § 306d geregelt und unterscheidet - anders als noch § 309 a.F. - zwischen Handlungs- und Erfolgsmomenten, woraus sich die Möglichkeit von Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen ergibt. Insgesamt enthält § 306d vier Varianten: Absatz 1 erfaßt Fälle, in denen der Täter fahrlässig eine Brandstiftung nach § 306 (Var. 1)56 oder eine schwere Brandstiftung nach § 306a (Var. 2) verursacht oder vorsätzlich eine Brandstiftung begeht und dabei fahrlässig die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung i. S. d. § 306a 11 herbeiführt (Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination; Var. 3). In Absatz 2 findet sich eine Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits- Kombination, die Fälle erfaßt, bei denen der Täter eine fahrlässige Brandstiftung begeht und dabei ebenfalls fahrlässig eine konkrete Gesundheitsgefahr verursacht. Überraschenderweise wird im Fahrlässigkeitstatbestand auf §§ 306b und 306c in keiner Weise Bezug genommen. So wird zwar die Brandstiftung mit fahrlässiger Gesundheitsgefährdung urnfaßt, augenscheinlich aber nicht die Brandstiftung mit fahrlässiger Herbeiführung einer Todesgefahr57 oder mit (leicht) fahrlässiger HerBT-Drs. 13/8587, S. 49. Krit. insoweit Wolters, JR 1998,271,274; Schroeder; GA 1998,571,572, der - neben der Kritik an der Unübersichtlichkeit - stark bezweifelt, daß durch die weitgehenden Differenzierungen "zusätzliche kriminalpolitische Möglichkeiten eröffnet" werden. 56 Krit. hinsichtlich des Kriminalstrafbedürfnisses im Einzelfall: Geppert, Jura 1998, 579, 604 mit dem Beispielsfall eines Kfz-Monteurs, der bei Schweißarbeiten an einern Kraftfahrzeug dieses fahrlässigerweise in Brand gesetzt oder dabei auch nur teilweise zerstört hat. 57 Soweit man im Rahmen des § 306b 11 Nr. 1 hinsichtlich der Todesgefahr Vorsatz für erforderlich hält. Davon ging die Bundesregierung offenbar in ihrem Entwurf aus, BT-Drs. 13 / 8587, S. 49. Vgl. hierzu eingehend unter 3. Kap. C. H. 1. S4
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beiführung des Todes eines anderen Menschen 58 • Allenfalls läßt sich eine brandstrafrechtliche Erfassung dieser Fallgestaltungen erreichen, wenn man im Hervorrufen einer Todesgefahr oder des Todes gleichzeitig die Verursachung der Gefahr einer Gesundheitsschädigung erblickt und so zu einer Strafbarkeit nach § 306a 11 i.V.m. § 306d I 3. Var gelangt. 59 Allerdings lassen sich für einen dahingehenden gesetzgeberischen Willen in den Materialien zum 6. StrRG keinerlei Anhaltspunkte finden. Zudem paßt eine derartige Lösung nicht so recht ins Gesamtkonzept des RegeIungssystems der §§ 306 ff. : Ergeben sich bei den §§ 306a bis 306c feinste Abstufungen hinsichtlich des Strafmaßes, so wäre demgegenüber für die Höhe der (sich aus den Branddelikten ergebenden) Strafe ohne Belang, ob der Tater durch den Brand (leicht fahrlässig) lediglich eine Gesundheitsschädigung oder aber eine Todesgefahr oder gar den Tod eines anderen Menschen verursacht hat. In jedem Fall wäre der Strafrahmen dem § 306d I 3. Var. zu entnehmen. Angesichts der angestrebten und bei den §§ 306a bis 306c auch erreichten Differenziertheit kann auch die Gleichbehandlung der drei Varianten des § 306d I nur verwundern. So mag die im Vergleich zu § 307 Var. 1 a.F. erfolgte Anhebung des Strafrahmens auf im Höchstmaß fünf Jahre Freiheitsstrafe im Fall der fahrlässigen abstrakt menschengefährdenden (Var. 2) und konkret gesundheitsgefahrdenden Brandstiftung (Var. 3) noch nachvollziehbar erscheinen. Warum aber die lediglich sachbeschädigende fahrlässige Brandstiftung (Var. 1) mit demselben Strafrahmen bedroht ist, kann nicht einleuchten. Hiernach macht es bspw. keinen Unterschied, ob ein Tater mit seinem Pkw fahrlässig ein anderes parkendes und unbesetztes Fahrzeug streift und hierdurch in Brand setzt oder ob durch den Unfall der Tod eines anderen Menschen herbeigeführt wird. Zu recht wurde dies im Hinblick auf das gesetzte Ziel der Strafrahmenharmonisierung als "besonders schrill klingende Disharmonie" bezeichnet. 60 Letztlich stellt sich die fahrlässige Brandstiftung in der Fassung des § 306d als reichlich mißglückt dar. Um eine sachgerechte Abstufung der Strafrahmen zu erreichen, empfiehlt es sich zum einen, die bloß sachbeschädigende fahrlässige Brandstiftung aus dem Anwendungsbereich des § 306d I herauszunehmen (und u.U. in Abs. 2 anzusiedeln 61 ), und zum anderen eine Regelung in § 306d aufzunehmen, die auch auf § 306b und § 306c Bezug nimmt.
58 Für eine Strafbarkeit nach § 306c ist hinsichtlich des Todeserfolges wenigstens Leichtfertigkeit erforderlich. 59 So Schroeder; GA 1998, 571, 574, der diese Lösung allerdings selbst als "spitzfindige Auslegung an der Grenze des Wortlauts der Tatbestände" bezeichnet. 60 Stein. Einführung, Rdnr. 96. Krit. auch Wessels/Hettinger; Rdnr. 975: ,,nicht begründbar". 61 Diesen Weg schlägt Stein. Einführung, Rdnr. 97 a.E. vor.
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1. Kapitel: Kritikpunkte an den Brandstiftungsdelikten a.F.
2. Tcitige Reue
Im Entwurf der Bundesregierung war in § 32062 noch eine gemeinsame Regelung der Tätigen Reue für alle gemeingefährlichen Delikte vorgesehen. Auf die Kritik des Bundesrates, der dies für zu unübersichtlich hielt63 , wurde jedoch hiervon wieder Abstand genommen, so daß sich die Regelung des § 306e nun lediglich auf die Brandstiftungstatbestände bezieht. Anders als noch in § 310 a.F., wo die Strafautbebung zwingend vorgeschrieben war, soweit der Täter vor Entdeckung des Brandes und vor Eintritt eines weiteren Schadens den Brand wieder gelöscht hat, sieht § 306e I nunmehr lediglich eine fakultative Strafmilderung nach § 49 11 oder ein Absehen von Strafe vor. Insoweit kann also ein Freispruch nicht erfolgen. 64 Nur für die fahrlässige Brandstiftung bleibt es in § 306e 11 bei der Regelung eines Strafautbebungsgrundes. 65 Nicht ganz verständlich ist freilich, warum sich § 306e auch auf § 306b I und § 306b 11 Nr. 3 beziehen soll. Denn soweit bereits eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen vorliegt, ist es schlechterdings nicht denkbar, daß noch kein "erheblicher" Schaden i. S. d. § 306e eingetreten ist. Auch ist ein Fall Tätiger Reue schwer vorstellbar, wenn der Täter die Brandlöschung nach § 306b 11 Nr. 3 gerade verhindert oder erschwert hat. 66 Eine Harmonisierung der Tätigen Reue mit der Rücktrittsregelung des § 24 erfolgte in zweierlei Hinsicht: Zum einen wurde das Merkmal der Freiwilligkeit in den Tatbestand der § 306e I und 11 aufgenommen, welches das objektive Kriterium der Entdeckung des Brandes ablöst; zum anderen enthält § 306e III nunmehr eine den § 24 I 2 und 11 2 entsprechende Regelung, wonach U.U. das freiwillige und ernsthafte Bemühen für das Vorliegen von Tätiger Reue ausreicht. 3. Herbeiführen einer Brandgefahr
Der früher in § 310a geregelte Tatbestand des Herbeiführens einer Brandgefahr findet sich nun in sprachlich vereinfachter und deshalb übersichtlicherer Form in § 306 f. Aufgrund des Merkmals der Fremdheit handelt es sich bei Absatz 1 nunmehr eindeutig um ein konkretes Sachgefährdungsdelikt, so daß der Einwilligung des Eigentümers rechtfertigende Wirkung zukommt. 67 Für das tatbestandliche VorBT-Drs. 13/8587, S. 14 f. BT-Drs. 13/8587, S. 75; zustimmend Wolters, JR 1998,271,275. 64 Kritisch zu dieser Verschärfung: Stein, Einführung, Rdnr. 100. 65 Lackner/Kühl, § 306e Rdnr. 1. 66 Schroeder; GA 1998,571,575. 67 Vgl. SKI Horn, § 306f Rdnr. 2 und 7; Geppert, Jura 1998,597,605; Stein, Einführung, Rdnr. 107; Wolters, JR 1998, 271, 275. 62
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C. Die Neufassung der Brandstiftungsde1ikte durch das 6. StrRG
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liegen des Absatzes 2 kommt es hingegen auf die Eigentumsverhältnisse am Tatobjekt nicht an68 , insoweit wird aber die konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert vorausgesetzt. In Absatz 3 findet sich eine Fahrlässigkeitsvorschrift: Alt. 1 regelt die fahrlässige Verursachung einer Brandgefahr gegenüber fremden Objekten i. S. d. Absatzes I, während die Alt. 2 für die fahrlässige Gefahrverursachung i. S. d. Absatzes 2 gilt. Die systematische Stellung des § 306f hinter den Vorschriften über die tätige Reue in § 306e macht deutlich, daß diese auf das Herbeiführen einer Brandgefahr nicht anzuwenden sind. 69
68 Lackner/Kühl, § 306f Rdnr. 2; SK/Hom, § 306f Rdnr. 11; Rengier, JuS 1998,397, 400; davon abweichend will Fischer in: Tröndle / Fischer, § 306f Rdnr. 5 Absatz 2 nur bei der Brandgefährdung eigener und herrenloser Sachen anwenden. Der Entwurf der Bundesregierung hatte noch im entsprechenden § 306c 11 Eigentum des Täters vorausgesetzt, BT-Drs. 13/ 8587, S. 12 und 49. 69 Lackner/Kühl, § 306f Rdnr. 3; Trändle/Fischer, § 306f Rdnr. SK/Hom, § 306f, Rdnr. 15; Wollers, JR 1998,271,275;
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2. Kapitel
Das Verhältnis der einfachen Brandstiftung zu den §§ 306a - 306c StGB Nachdem die Neuerungen, die das 6. StrRG im Bereich der Brandstiftungsdelikte brachte, im Überblick dargestellt wurden, sollen im folgenden die sich hieraus ergebenden Problemstellungen für die dogmatische Einordnung und Auslegung der §§ 306 - 306c im einzelnen aufgezeigt und - soweit möglich - einer Lösung zugeführt werden. Zunächst ist dabei auf das Verhältnis der einfachen Brandstiftung zu den §§ 306a - 306c einzugehen.
A. Der Deliktscharakter des § 306 StGB - Spezielles Sachbeschädigungs- oder auch Gefährdungsdelikt? Unerläßlich für das Verständnis des Verhältnisses der verschiedenen Brandstiftungsdelikte zueinander und damit auch für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale ist die Einordnung der Tatbestände in die Deliktsgruppen der Verletzungs- und der abstrakten oder konkreten Gefährdungsdelikte. Aus ihr können sich Konsequenzen für die jeweilige Qualifizierung als Grundtatbestand, unselbständige Abwandlung oder eigenständiges Delikt ergeben, welche ihrerseits wieder mit dem Konkurrenzverhältnis der Tatbestände untereinander! oder auch der Beurteilung der Strafbarkeit eines Teilnehmers 2 in Zusammenhang stehen können? Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Einordnung des § 306, der den übrigen Brandstiftungsdelikten vorangestellt ist.
Vgl. hierzu 2. Kap. B.II. So hängt die Anwendbarkeit des § 28 11 StGB davon ab, ob das Vorliegen besonderer persönlicher Merkmale (wie bspw. die Errnöglichungs- oder Verdeckungsabsicht in § 306b 11 Nr. 2, vgl. Lackner / Kühl, § 306b Rdnr. 4 i. V.m. § 211 Rdnr. 16) strafschärfend oder strafbegründend wirkt. Vgl. hierzu ausführlich unter 2. Kap. A. 111. 3 Zur weitergehenden Relevanz dieser Qualifizierung eingehend unter 4. Kap. A. I. 1. d). Vgl. auch Maurach, Mat. I, S. 253 ff. 1
2
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt Die "einfache" Brandstiftung nach § 306 wird, wie schon § 308 a.F. 4 , weit überwiegend als spezielles Sachbeschädigungsdelikt angesehen. 5 Folgt man dem, so weisen die §§ 306a - 306c gegenüber der "einfachen Brandstiftung" eine völlig unterschiedliche Schutzrichtung auf: § 306 bezweckt ausschließlich den Eigentumsschutz 6 , während demgegenüber die §§ 306a - 306c den Schutz von Leib und Leben intendieren? (Daß es sich bei § 306 nach weit überwiegender Ansicht um eine ausschließlich das Eigentum schützende Norm handelt, kommt auch in der Folgerung, die diese Ansicht zieht, zum Ausdruck. Der Eigentümer kann hiernach mit rechtfertigender Wirkung einwilligen. 8 ) I. § 306 als Grunddelikt der §§ 306a bis 306c StGB ?
Sieht man nun mit der ganz herrschenden Meinung § 306 als ein Delikt an, das hinsichtlich der Schutzrichtung nicht so recht zu den anderen Brandstiftungsdelikten passen mag, so drängt sich die Frage auf, ob in § 306 noch der Grundtatbestand der übrigen Brandstiftungsdelikte erblickt werden kann. Einiges spricht dafür: So ist die einfache Brandstiftung den übrigen Branddelikten formal vorangestellt, wie dies bei anderen Tatbeständen (etwa § 223 oder § 242), die unzweifelhaft als Grunddelikte einzuordnen sind, auch der Fall ist. Zudem sind die § 306 nachfolgenden Delikte als "Schwere Brandstiftung" und "BeStatt vieler: Schi Schi Cramer; 25. Aufl., § 308 Rdnr. 2 mwN. BT-Drs. 13/8587, S. 87; Cantzler; JA 1999,474; Eiseie, JA 1999, 542; Geppert, Jura 1998, 597, 599, der die Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt als unbestritten bezeichnet; ders., FS für R. Schmitt, S. 187; Hohmann/Sander; BT 2, § 32 Rdnr. 1; Hömle, Jura 1998,169,180; Krey, BT I, Rdnr. 747a; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 1; NKI Herzog, Vor § 306 Rdnr. 2; Otto, BT, § 79 Rdnr. 6; Rengier; BT 11, § 40 Rdnr. 1, ders. in JuS 1998,397; Sch I Sch I Heine, § 306 Rdnr. 1; Schroth, BT, S. 173; Tröndle / Fischer; § 306 Rdnr. 1; Wessels/Hettinger; Rdnr. 956; Wolters, JR 1998,271; ders., JZ 1998,397,400; Lesch, JA 1998, 474,478; Sander/Hohmann, NStZ 1998, 273, 278. Unklar Bayer; § 306 Rdnr. 4 und 5, die zwar in § 306 einen Sonderfall der Sachbeschädigung sieht, hinsichtlich der Tathandlung des "Inbrandsetzens" aber von einem abstrakten Gefährdungsdelikt ausgeht; dabei legt Bayer offenbar die Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 13/8587, S. 69, zugrunde, übersieht jedoch, daß sich diese noch auf den Entwurf der Bundesregierung bezieht, in dem die einfache Brandstiftung das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts nicht enthielt. 6 Geppert, Jura 1998, 597, 598; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 1; Schroth, BT, S. 173; Stein, Einführung, Rdnr. 37; Trondle/Fischer; § 306 Rdnr. 12; Wolters, JR 1998,217. 7 Rengier; JUS 1998,397,398; Krey, BT I, Rdnr. 754 und 759; Stein, Einführung, Rdnr. 3; eingehend zur Schutzrichtung von Gefährdungsdelikten: Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 7 ff. 8 Geppen, Jura 1998,507,599; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. I; Rengier; JUS 1998,397, 398; Trondle/Fischer; § 306 Rdnr. 12; Wessels/Hettinger; Rdnr.956. 4
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
sonders schwere Brandstiftung" bezeichnet, was ebenfalls darauf hindeutet, daß diese auf der einfachen Brandstiftung "aufbauen". Auch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 306 bei der Besonders schweren Brandstiftung (§ 306b Abs. 1) und der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c) weist in diese Richtung. Eine Einordnung der "einfachen" Brandstiftung als (zumindest partielles 9 ) Grunddelikt scheint auch der Umstand nahezulegen, daß die einfache Brandstiftung deutliche Berührungspunkte mit den §§ 306a - 306c aufweist, die eine "Verwandtschaft,,10 dieser Tatbestände begründen. So wird bspw. für die Tatbestandsverwirklichung bei allen diesen Delikten ein Inbrandsetzen oder Zerstören durch Brandlegung vorausgesetzt. Angesichts dieser Erwägungen nimmt es nicht Wunder, daß § 306 in der Literatur teilweise als Grunddelikt der § § 306a ff. bezeichnet wird. I I Dennoch bleiben Zweifel an einer solchen Einordnung. Zwar weisen § 306 und die §§ 306a ff. einerseits deutliche Berührungspunkte auf, andererseits unterscheiden sie sich eben im Hinblick auf die Schutzrichtung ganz wesentlich. In welcher rechtlichen Beziehung stehen also diese Delikte zueinander? Eine Anwort könnte in der Einordnung des § 306 als gegenüber den §§ 306a - 306c eigenständiges Delikt ("delictum sui generis") liegen. Damit wäre möglicherweise sowohl der "Verwandtschaft" der §§ 306a - 306c mit § 306 als auch der jeweils bestehenden "Eigenständigkeit" aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen Rechnung getragen. Dann nämlich müßten die schwere und die besonders schwere Brandstiftung als derart vom "Ausgangstatbestand" der einfachen Brandstiftung gelöst betrachtet werden, daß bspw. hinsichtlich der Auslegung der §§ 306a - 306c ein Rückgriff auf § 306 nicht mehr in Frage kommen könnte. 12 Soweit ersichtlich, ist insofern eine eingehende Untersuchung (auch bezüglich der §§ 306 ff. a.F.) bisher nicht vorgenommen worden\3, was angesichts der BeRadtke, Dogmatik, S. 311. Den Begriff der "Verwandtschaft" benutzt Blei, AT, S. 83 um das Verhältnis von Tatbeständen zu beschreiben, die Berührungspunkte hinsichtlich des geschützten Rechtsguts oder der Tathandlung aufweisen. JeschecklWeigend, AT, S. 268 sprechen von "inneren Zusammenhängen". 11 Vgl. Bayer, Erläuterungen, § 306a Rdnr. 1; Schroth, BT, S. 173; WesselslHettinger, Rdnr. 953, die feststellen, daß es sich bei § 306b Abs. 1 um eine Erfolgsqualifikation zu § 306a Abs. 2 "und zu § 306" handele. Vgl. auch Fischer, NStZ 1999, 13; Schroeder, GA 1998,571. 12 BaumannlWeberlMitsch, § 8 Rdnr. 80. 13 Vereinzelt wird die schwere und auch die besonders schwere Brandstiftung als unselbständige Qualifikation der "einfachen" Brandstiftung bezeichnet, allerdings ohne insoweit eine Begründung zu liefern, vgl. NKI Herzog, Vor § 306 Rdnr. 2,4; Schroth, BT, S. 173 ff.; Stein, Einführung, Rdnr. 57; WesselslHettinger, BT 1, Rdnr. 953; zu § 306 a.F.: Kohlrauschi Lange, 43. Aufl., § 306 Anm. I; vgl. auch Maurach, Mat. I, S. 251 f., der in § 308 I Alt. 2 a.F. den Grundtatbestand der schweren Brandstiftung erblickt, sowie Radtke, Dogmatik, S. 311, der von einer partiellen Einbeziehung der einfachen Brandstiftung n.F. als Grunddelikt spricht. Ebenfalls ohne eingehende Begründung bezeichnet Schroeder in: MaurachlSchroeder I Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 3 die schwere Brandstiftung nach § 306a als gegenüber § 306 eigenständiges Delikt. 9
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deutung, die der Zuordnung zu den Deliktskategorien der "unselbständigen Abwandlung" oder des "eigenständigen Delikts" zuweilen beigemessen wird, verwundert. Im folgenden soll daher, nach Betrachtung der Begrifflichkeiten und der Relevanz der Unterscheidung, der Versuch einer Einordnung unternommen werden. 1. Die Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und "delictum sui generis"
a) Der Begriff der unselbständigen Abwandlung Nach h.M. liegt eine unselbständige Abwandlung vor, wenn der in ihrem Wesen unveränderten Grundhandlung lediglich strafändernde Merkmale hinzugefügt werden. Dabei ergibt sich die Zusammengehörigkeit von Grundtatbestand und tatbestandlicher Abwandlung daraus, daß die Merkmale des Grundtatbestandes bei Qualifikationen und Privilegierungen unverändert und mit derselben Auslegung wiederkehren. So umfaßt bspw. die Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung nach
§ 224 I immer auch die Merkmale des Grundtatbestandes der einfachen Körperverletzung nach § 223 I. Die Auslegung des Begriffs der Körperverletzung - also der körperlichen Mißhandlung oder Gesundheitsschädigung - in § 224 I ist dieselbe wie die in § 223 I. Bei der Qualifizierung (oder Privilegierung) wird daher durch
die Veränderung der Deliktsform die Abhängigkeit vom Grunddelikt nicht aufgehoben, sondern lediglich ein Stufenverhältnis geschaffen. 14 b) Der Begriff des eigenständigen Delikts
Beim eigenständigen Delikt geht es nicht - wie der Begriff auf den ersten Blick nahelegen könnte - um eine absolute Eigenständigkeit schlechthin, die bereits aus dem Wortlaut einer einzelnen Norm herauslesbar ist, sondern stets um das Verhältnis zwischen verschiedenen Tatbeständen untereinander, die eine gewisse Verwandtschaft aufweisen. 15 Demgemäß kann der Begriff des eigenständigen Delikts zum einen tatbestandliche Verselbständigungen von Vorbereitungs-, Versuchs- und Teilnahmeformen 16 14 Vgl. Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rdnr. 43; Jescheck/Weigend, AT, S. 268; Roxin, AT, § 10 Rdnr. 132; Wessels/Beulke, AT, Rdnr. HO; Stree, FS für Peters, S. 179, 187: "Die Qualifikation enthält ( ... ) eine Zutat zum Grunddelikt, die dessen Unrechtsgehalt steigert."; Nach Maurach, Mat. I, S. 251 werden die "Qualifikationen und Privilegierungen dem Grundtatbestand lediglich ,aufgepfropft', ohne selbst eigene Wurzeln schlagen zu können .. .". 15 Vgl. Hassemer; Delictum sui generis, S. 20. 16 So enthalten bspw. §§ 120 I und 219b I tatbestandliche Verselbständigungen der Beihilfe; vgl. Tröndle / Fischer; § 27 Rdnr. 6.
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
(deren Betrachtung hinsichtlich der §§ 306a-306c unterbleiben kann), zum anderen Weiterbildungen der in einem Ausgangs- oder Aufbautatbestand niedergelegten Grundform eines Verbrechens (StraJänderungstatbestände) umfassen. Letztere können - insoweit wie auch bei der unselbständigen Abwandlung - in der Art ausgestaltet sein, daß sie sämtliche Voraussetzungen des Ausgangstatbestands enthalten und lediglich weitere Merkmale hinzufügen, so daß bei Vorliegen eines Strafänderungstatbestandes auch immer zugleich der Aufbautatbestand gegeben ist. Sie können daneben aber auch Verwirklichungsmodalitäten enthalten, die nicht unter den Ausgangstatbestand fallen, so daß nicht jede Fallgestaltung, die unter die Abwandlung subsumiert werden kann, gleichzeitig automatisch auch unter den Aufbautatbestand fällt. 17 Die Kriterien zur Bestimmung der Eigenständigkeit eines Delikts sind weitgehend ungeklärt. 18 Die Grenzen zwischen bloßer qualifizierender Abwandlung und qualitativer Strafänderung werden als im Einzelfall "äußerst flüssig und streitig"19 oder als "unklar,,20 bezeichnet. Soweit der Typus des "delictum sui generis" überhaupt anerkannt wird21 , besteht zwar darin Einigkeit, daß der Unterschied zu den unselbständigen Abwandlungen in der stärkeren Loslösung zwischen Sonderfall und Grundtypus zu sehen ist. 22 Wann eine solche aber vorliegt, wird unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird von einem eigenständigen Delikt ausgegangen, wenn dieses zwar sämtliche Merkmale eines anderen Deliktes in sich enthält, aber eben nicht einen erschwerten oder gemilderten Fall dieses Delikts darstellt, sondern es sich um einen selbständigen Tatbestand mit eigenem Unrechtstyp handelt. 23 Teilweise wird die Eigenständigkeit eines Deliktes dann angenommen, wenn eine Selbständigkeit der jeweils geschützten Rechtsgüter oder, bei gleichen Rechtsgütern, eine Selbständigkeit der jeweiligen Beeinträchtigung gegeben ist. 24 Andere bejahen jedenfalls dann das Vorliegen eines "delictum sui generis", wenn die Abwandlung vom Ausgangstatbestand so weit geht, daß der modifizierte Tatbestand den der Ausgangsnorm nicht mehr notwendig enthält. 25 Jedenfalls sei das 17 Vgl. HajJke, JuS 1973,402,403. So auch die Einschätzung von Gössel, BT 1, § 1 Rdnr. 16. Stree, FS für Heinitz, S. 277, 284. 20 E. Schneider, NJW 1956,702. 21 Dazu unten 2. Kap. A. I. 1. c) aa). 22 Sch/Sch/Stree, 25. Aufl., §§ 38 ff. Vorbem., Rdnr. 59; Maurach, Mat. I, S. 249 f.; Maurach/Zipf, AT 1, § 20 Rdnr. 43 machen das Vorliegen einer selbständigen Abwandlung davon abhängig, ob ein bestimmter "Grad an Eigenwert der Abwandlung angestrebt ist". 23 Jescheck/Weigend, AT, S. 269; Roxin, AT, § 10 Rdnr. 134; Wessels/Beulke, AT, Rdnr. 111; nach LK I Gribbohm, § 12 Rdnr. 24 muß das gegenüber einem anderen Tatbestand eigenständige Delikt weitere Merkmale aufweisen, denen das Delikt seinen "besonderen Charakter" verdankt. Es läge zwar ein wesensverwandtes Delikt, aber eben mit "eigenem Gehalt, rechtlichem Eigenleben und besonderem Wirkungsbereich" vor. 24 Gössel, BT 1, § 1 Rdnr. 16. 25 Baumann/Weber/Mitsch, § 8 Rdnr. 79. 18
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Vorliegen einer selbständigen Abwandlung im Einzelfall entsprechend dem Sinn und Zweck der abgewandelten Vorschrift durch Auslegung zu ermitteln. 26 c) Relevanz der Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und "delictum sui generis" Die an die Frage, ob die §§ 306a - 306c jeweils unselbständige Abwandlungen der einfachen Brandstiftung oder aber "delieta sui generis" darstellen, anknüpfende Suche nach Abgrenzungskriterien kann freilich nur weiterführen, soweit der Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und selbständigem Delikt überhaupt eine über die begriffliche Kennzeichnung hinausgehende Bedeutung zuzuerkennen ist. Mit anderen Worten: Eine Abgrenzung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt macht nur Sinn, soweit sie für die Frage, ob § 306 gegenüber §§ 306a - 306c (zumindest partiell) den Grundtatbestand bildet, sowie für darüber hinausgehende Fragestellungen wie etwa die der Konkurrenzen, überhaupt einen Erkenntnisgewinn erwarten läßt. aa) Kritik am Begriff des "delictum sui generis"
Die Unterteilung von Tatbeständen, welche auf anderen ,,Ausgangstatbeständen" beruhen, bzw. mit diesen in "innerem Zusammenhang,,27 stehen, in selbständige und unselbständige Delikte ist vielfach auf Kritik gestoßen. 28 So lehnt Jakobs bspw. diese Differenzierung gänzlich ab, da sie im Gesetz keine Stütze finde und die gesetzliche Tatbestandstechnik "zu Gunsten unklarer vorrechtlicher Vorstellungen von einem Deliktstyp" opfere. 29 Hardwig bestreitet die Sinnhaftigkeit des Begriffs des "delicturn sui generis". Für die Schöpfung eines "Artbegriffs", der bestimmte Gruppen von Tatbeständen zusammenfasse, komme es auf den jeweils eingenommen Standpunkt an, der jedoch gewissen Grenzen unterliege, die hier überschritten seien. So würde es ,jeden Sinnes entbehren, wenn man von einem Baum mit Auswuchs sagen wollte, es sei ein Baum eigener Art." Es ginge daher offenbar nicht um den Sinn des Begriffs des eigenständigen Delikts, sondern lediglich um die Erzielung eines bestimmten Rechtseffekts. 30 26 Maurach/Zipf, AT I, § 20 Rdnr. 43; Maurach, Mat. I, S. 251; Wessels/Beulke, AT, Rdnr.111. 27 Jescheck/Weigend, AT, S. 268. 28 Vgl. Blei, AT, S. 82 ff.; Haffke, IuS 1973,402,407; Jakobs, AT, 6.Abschn. Rdnr. 98; eingehend: Hassemer, Delicturn sui generis, S. 88 ff. Claß, NIW 1949, 83, 84 bezeichnete den Begriff des delicturn sui generis als "zu den fragwürdigsten und unerfreulichsten Gebilden des Strafrechts" gehörig. 29 Jakobs, AT, 6. Abschn. Rdnr. 98. 30 Hardwig, GA 1954, 257,258.
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Nach E. Schneider ist der Begriff des eigenständigen Delikts "gänzlich unbrauchbar" und daher überflüssig, da in vielen Fällen die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit eines Tatbestandes von einem anderen derart evident und selbstverständlich sei, daß es hierüber keiner Äußerung bedürfe. In den übrigen Zweifelsfällen könne aber die Auslegungsarbeit am einzelnen Tatbestand durch die Benennung als eigenständiges Delikt oder unselbständige Abwandlung nicht ersetzt werden? \ Andere erkennen die Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt zwar an, messen ihr aber keine eigene Bedeutung für die Lösung von Auslegungs- oder Konkurrenzproblemen zu. Die Einordnung eines Tatbestandes als unselbständige Abwandlung oder "delictum sui generis" könne hiernach nie zu berechtigten Schlüssen etwa hinsichtlich einer Akzessorietätslockerung gern. § 28 11 oder einer Konkurrenzfrage führen. Vielmehr könne erst umgekehrt, nach umfassender Auslegung eines Tatbestandes und Lösung der jeweils zu untersuchenden Akzessorietäts- oder Konkurrenzfrage, insofern eine Einordnung getroffen werden. Selbständigkeit und Unselbständigkeit abgeleiteter Tatbestände seien keine taugliche Prämisse für deduktive Schlüsse, sondern umgekehrt eine Induktion aus dem durch Einzelauslegung gewonnenen Befund?2 Der Begriff des "delicturn sui generis" stelle eine abstrakte dogmatische Konstruktion dar, die fernab von konkreten teleologischen Argumentationszusarnmenhängen entwickelt worden sei, und ein Eigenleben entfalte, welches zu Konsequenzen führen könne, die im Einzelfall dem Gerechtigkeitsgefühl widersprächen?3 Deshalb könne die Einordnung eines Deliktes als eigenständig allenfalls nach Klärung einer konkreten Streitfrage und nur insoweit erfolgen. 34 Dieser Ansicht hat sich im Ansatz ein beachtlicher Teil der Literatur angeschlossen. 35 Hiernach dürften aus der einmal getroffenen Einordnung als selbständiges Delikt, die sich aus der zweckorientierten Auslegung mehrerer Einzelfragen zum Verhältnis zweier Tatbestände zueinander ergebe, nicht in lediglich "begriffsjuristischer Weise" auf andere bisher unbeachtet gebliebene Streitfragen Rückschlüsse gezogen werden. Folgt man dem, so scheint sich die Funktion des Begriffs des "delictum sui generis" auf die der beschreibenden Kennzeichnung zu reduzieren. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und selbständigem Delikt wäre damit aber marginal.
E. Schneider, NJW 1956,702. Vgl. Blei. AT, S. 84. 33 Haffke. JuS 1973, 402, 406. 34 Haffke. JuS 1973,402,407. Vgl. auch Hassemer; Delictum sui generis, S. 21. 35 Roxin. AT, § 10 Rdnr. 135; Nach Jescheck/Weigend. AT, S. 269 dürfen aus der Verwandtschaft zweier Tatbestände "unmittelbar weder positive noch negative dogmatische Konsequenzen gezogen werden." 31
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bb) Relevanz des Begriffs für "Einzelstreitjragen" Die Kritik am Begriff des eigenständigen Delikts fußt im wesentlichen auf der Annahme, bei den einzelnen Streitfragen, die im Zusammenhang mit dem Verhältnis zweier Tatbestände zueinander auftauchen können, seien im Hinblick auf die Priifung der Eigenständigkeit jeweils ganz unterschiedliche Entscheidungskriterien maßgeblich, so daß der Einordnung eines Tatbestandes als selbständig hinsichtlich einer bestimmten Streitfrage für die Einordnung hinsichtlich einer anderen keine präjudizielle Bedeutung zukommen könne?6 Diese Behauptung ist im folgenden auf ihre Richtigkeit zu priifen. Stellt sie sich nämlich als nicht oder nur bedingt stimmig heraus, so erweist sich auch der Vorwurf, beim "delictum sui generis" handle es sich um einen rein deskriptiven oder gar überflüssigen Begriff, als nicht haltbar. Denn soweit die jeweiligen Kriterien zur Auflösung der "einzelnen Streitfragen" Gemeinsamkeiten aufweisen, so stellen diese die begriffsbildenden Merkmale des "delictum sui generis" dar, die nicht nur zur Lösung der bereits betrachteten Einzelstreitfragen heranzuziehen sind, sondern aus denen - zumindest indiziell - Konsequenzen auch für die Lösung neuer, bisher unbehandelter Streitfragen gezogen werden können. Zunächst ist einmal zu klären, welche Problemfe1der mit den "einzelnen Streitfragen", die hinsichtlich der Relation zweier Tatbestände entstehen können, denn gemeint sind und nach welchen Kriterien diese aufzulösen sind. Exemplarisch sollen deshalb einige Streitpunkte untersucht werden, die bisher bei Tatbeständen auftauchten, bei denen die Diskussion um das "delictum sui generis" besonders eifrig geführt oder doch zumindest thematisiert wurde. Es sind dies der Ausschluß des Rückgriffs auf Qualifikations- und Privilegierungstatbestände des Ausgangstatbestandes, die Einteilung in Vergehen und Verbrechen, das Strafantragserfordernis, die Frage der Teilnehmerhaftung, der friiher von der Rechtsprechung vertretene Fortsetzungszusammenhang sowie das Konkurrenzverhältnis zwischen den jeweils zu betrachtenden "verwandten" Tatbeständen. (1) Ausschluß des Rückgriffs auf Qualifikations- und Privilegierungstatbestände des Ausgangsdelikts Die Einordnung einer Abwandlung als selbständig oder unselbständig wurde teilweise zur Lösung der Frage, ob bei Vorliegen eines abgewandelten Tatbestandes der Rückgriff auf Qualifikations- oder Privilegierungstatbestände des Ausgangsdeliktes ausgeschlossen ist, herangezogen. Diese Problematik begegnet beispielsweise, wenn bei der Tötung eines Menschen sowohl die Merkmale des § 216 (Tötung auf Verlangen) als auch ein Mordmerkmal des § 211 verwirklicht werden.3? Um in solchen Fällen die Verurteilung
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Haffke, JuS 1973,402,407; Roxin, AT, § 10 Rdnr. 135.
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zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes zu verhindern, war es nach früher vertretener Auffassung unumgänglich, § 216 als selbständiges Delikt zu betrachten. Die abweichende Auffassung, die eine unselbständige Privilegierung annahm, aber dennoch die Möglichkeit eines Mordes ausschloß, wurde als "nicht gänzlich folgerichtig" bezeichnet. 38 Nach heute ganz herrschender Ansicht spielt die Einordnung des § 216 als selbständiges oder unselbständiges Delikt für den Ausschluß des § 211 indes keine Rolle, da bestehende Qualifizierungen eines Ausgangsdeliktes jedenfalls gegenüber privilegierenden Abwandlungen - seien sie eigenständiger oder unselbständiger Art - zurücktreten müssen?9 Auch die Frage, ob die Einordnung der privilegierenden Tötung auf Verlangen als selbständige oder unselbständige Abwandlung Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des § 213 (minder schwerer Fall des Totschlags) neben § 216 haben kann, entbehrt spätestens seit Anhebung der Strafdrohung bei § 213 auf Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren durch das 6. StrRG jeglicher Relevanz. Hat damit aber die Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt hinsichtlich der Frage des Ausschlusses von Qualifikationen und Privilegierungen des Ausgangstatbestandes keine praktischen Konsequenzen, so macht es keinen Sinn, insoweit nach besonderen, der aufgeworfenen Streitfrage immanenten Abgrenzungskriterien zu suchen, um diese sodann auf ihre Allgemeingültigkeit hin zu überprüfen. In Wahrheit liegt nämlich gar keine fur die Begriffsbestimmung des "delictum sui generis" interessierende "einzelne Streitfrage" vor. (2) Die Einteilung in Verbrechen und Vergehen Auch aus der Einteilung zwischen Verbrechen und Vergehen nach § 12 StGB lassen sich im Hinblick auf die Abgrenzung des "delictum sui generis" vom unselbständigen Delikt keine Kriterien ableiten. Insoweit ist es nämlich nicht von Belang, ob die Strafrahmenmodifizierung (Anhebung auf 1 Jahr, bzw. Absenkung auf unter 1 Jahr Freiheitsstrafe im Mindestmaß) durch eine unselbständige Qualifizierung bzw. Privilegierung oder durch ein selbständiges Delikt erfolgt. Solange es um benannte Strafänderungen geht, handelt es sich jedenfalls um eine tatbestands37 Für die hier vorzunehmende Betrachtung soll mit der h.L. davon ausgegangen werden, daß es sich bei § 211 um eine Qualifikation des § 212 handelt. Dieselbe Problematik wie bei § 216 stellte sich auch hinsichtlich des mittlerweile aufgehobenen § 217; vgl. insoweit SchI SchI Eser, 25. Aufl., § 217 Rdnr. 1 f. mwN. 38 Schönke / Schröder, StGB, 17. Aufl, Vor § 211 Rdnr. 7 sowie § 216 Rdnr. 1. 39 Lackner/Kühl, Vor § 211 Rdnr. 24; Roxin, AT, § 9 Rdnr. 15; SchISchI Eser, 25. Aufl., Vorbem zu §§ 211 ff., Rdnr. 7; SKI Horn, § 216 Rdnr. 2; LKlJähnke, 10. Aufl., § 216 Rdnr. 2. sowie Vor § 211 Rdnr. 40. So auch die Einschätzung von Hassemer, Delictum sui generis, S. 3 mwN. Vgl. auch Maurach, Mat. I, S. 253 noch zur Trichotomie (Verbrechen, Vergehen, Übertretungen) nach § 1 StGB a.F.
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ändernde Modifizierung, die die Änderung der Deliktsnatur zur Folge haben
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(3) Das Strafantragserfordernis Möglicherweise ergibt sich aus der Frage, ob bei Vorliegen eines Strafantragserfordernisses bei einem Ausgangstatbestand dieses auch bei "verwandten" Delikten besteht, ein Abgrenzungskriterium hinsichtlich des Vorliegens eines selbständigen oder unselbständigen Delikts. Immerhin hält Maurach diese Unterscheidung für die Frage des Strafantragserfordernisses bei "verwandten" Tatbeständen für relevant. Bei der (unselbständigen) Privilegierung will er das Strafantragserfordernis eines Grundtatbestandes nach dem Schluß "de majore ad minus" auch für die Abwandlung gelten lassen. Für "delicta sui generis" sei es aber stets unerheblich, ob der Grundtatbestand nur auf Antrag verfolgt werden kann. 41 Zur Überprüfung dieser These ist zunächst nach den Gründen für das Erfordernis eines Strafantrags zu fragen. Im wesentlichen erscheint es unter zwei Gesichtspunkten gerechtfertigt, die Verfolgung einer Straftat vom Vorliegen eines Strafantrags abhängig zu machen: Dann, wenn zum einen die Allgemeinheit nur in geringem Maße berührt ist, so daß ein Eingreifen nur bei bekundetem Interesse des Verletzten nötig erscheint, oder zum anderen, wenn ein Interesse des Verletzten an der Geheimhaltung der Tat oder am Ruhenlassen gewisser familiärer Vorgänge besteht, wie es etwa bei Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (§ 205) oder bei bestimmten Sexualdelikten (§§ 182 III, 18311) der Fall ist. 42 Legt man dies zugrunde, so erscheint es - mit Maurach - schlüssig, im Fall einer unselbständigen Privilegierung auch für diese von einem Strafantragserfordernis auszugehen, wenn ein solches für den Grundtatbestand besteht. Wird die Verfolgung des Grundtatbestandes nämlich deshalb an das Vorliegen eines Strafantrags geknüpft, weil die Verwirklichung dieses Tatbestandes nur in geringem Maße die Allgemeinheit berührt, so muß das Strafantragserfordernis erst recht oder zumindest auch bestehen, wenn die Allgemeinheit durch Hinzutreten privilegierender Umstände in noch geringerem oder allenfalls gleichem Maße berührt wird. Warum es aber für die Verfolgungsmöglichkeit eines eigenständigen Deliktes generell unerheblich sein soll, ob für den Ausgangstatbestand ein Strafantragserfordernis besteht, erscheint vor dem Hintergrund der ratio dieses Erfordernisses nicht einsichtig. Diese ratio knüpft an Umstände an, die mit der Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt nicht in Verbindung zu bringen sind. Weder das Maß, in dem die Allgemeinheit durch eine Deliktsverwirkli40 BGH StV 88, 388; Lackner/Kühl, § 12 Rdnr. 3; SchI SchI Eser, 25. Aufl., § 12 Rdnr. 12; Tröndle/Fischer. § 12 Rdnr. 7. 41 Maurach, Mat. I, S. 253. 42 Vgl. Sch I Sch I Stree, 25. Aufl., § 77 Rdnr. 4.
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chung betroffen ist, noch das Geheimhaltungsinteresse des Verletzten lassen eine Aussage über den Grad der Loslösung zweier Tatbestände voneinander zu. Wie schon bei der Frage nach dem Ausschluß des Rückgriffs auf Qualifikationstatbestände des Ausgangstatbestandes, liegt auch hier in Wahrheit keine für die Begriffsbestimmung des "delictum sui generis" interessierende "einzelne Streitfrage" vor. Damit kann aber auch die Frage des Strafantragserfordernisses bei "verwandten" Delikten kein Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen eigenständigem und unselbständigem Delikt liefern. (4) Die Teilnehmerhaftung nach § 28 StGB Der hinlänglich bekannte Streit um das Verhältnis der §§ 212 und 211 zueinander gewinnt seine Bedeutung vor allem aus der Frage, ob sich die strafrechtliche Haftung des Teilnehmers nach § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 richtet, soweit es sich bei dem jeweils in Betracht kommenden Mordmerkmal um ein besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 14 I handelt. Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die §§ 212, 211 jeweils selbständige Tatbestände bilden, mit der Folge, daß die Mordmerkmale als strajbegründend anzusehen seien, was hinsichtlich der Teilnehmerhaftung zur Anwendbarkeit des § 28 I führe. 43 Demgegenüber hält die herrschende Lehre § 211 für eine unselbständige Qualifikation des Grundtatbestandes § 212 und deshalb die Mordmerkmale für strafschärfend, weshalb § 2811 anzuwenden sei. 44 Um im Hinblick auf § 28 Kriterien für die Abgrenzung zwischen eigenständigem Delikt und unselbständiger Abwandlung erarbeiten zu können, ist zunächst zu untersuchen, warum dessen Abs. 1 und Abs. 2 jeweils unterschiedliche Folgen im Hinblick auf den Strafrahmen bestimmen. § 28 I sieht bekanntlich vor, bei Nichtvorliegen strafbegründender Merkmale die Strafe beim Teilnehmer nach § 49 I zu mildem, während § 28 11 von der Unanwendbarkeit der strafschärfenden bzw. privilegierenden Vorschrift ausgeht. Vor Einführung des § 50 11 a.F., dem heutigen § 28 I, fand sich im StGB hinsichtlich der Beschränkung der Teilnehmerhaftung lediglich die Regelung des § 50 III a.F. (des § 2811 heutiger Fassung), die nur die Strafschäifung, -minderung und den Strafausschluß betrifft. Daß das Fehlen strafbegründender Merkmale beim 43 BGHSt 36, 231, 233; NJW 1996, 2239, 2241; zu § 50 II StGB a.F., der dem heutigen § 28 I entspricht: BGHSt 1, 368, 370; 22, 375, 377; 23, 39,40. 44 Gössel, BT 1, § 1 Rdnr. 16 ff.; LK/Jähnke, 10. Aufl, Vor § 211 Rdnr. 43 ff.; Lacknerl Kühl, Vor § 211 Rdnr. 22; SchI SchI Eser, 25. Aufl., Vorbem zu § 211 ff., Rdnr. 5; Schroth, BT, S. 42; TröndlelFischer, § 211 Rdnr. 14; WesselslHettinger, Rdnr. 69 f., 143. Die Ansichten, wonach § 212 gegenüber § 211 unselbständige Privilegierung sei (E. Schmidt, DRZ 49, 272) bzw. § 211 Qualifikation und § 212 Privilegierung eines nur gedachten allgemeinen Tötungstatbestandes seien (Hall, FS für E. Schmidt, S. 343) können hier außer Betracht bleiben.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
45
Teilnehmer im Rahmen der Strafzumessung keinerlei Beriicksichtigung fand, wurde vom Gesetzgeber zutreffend als unbillig angesehen. 45 Auf den ersten Blick mochte es naheliegen, zur Lösung dieser Problematik das Fehlen strafbegründender Merkmale einfach in die Regelung des § 50 III a.F. ( § 28 II n.F.) mit aufzunehmen und damit hierfür dieselbe Privilegierung wie beim Fehlen strafschärfender Merkmale einzuführen. Hiervon hat der Gesetzgeber jedoch abgesehen, weil erklärtennaßen die Straflosigkeit des Teilnehmers am eigenständigen Delikt verhindert werden sollte. 46 Deshalb hat er einen neuen Absatz eingefügt, der für das Fehlen strafbegründender Merkmale lediglich eine Strafmilderung vorsieht. Hieraus folgt aber, daß § 28 in der heutigen Fassung davon ausgeht, daß das eigenständige Delikt, dessen Merkmale strafbegriindend wirken, derart vom Ausgangsdelikt gelöst ist, daß bei Nichtvorliegen dieser besonderen strafbegriindenden Merkmale nicht notwendigerweise immer auf einen Ausgangstatbestand zuriickgegriffen werden kann. Denn andernfalls wäre ja eine Straflosigkeit in diesen Fällen nicht zu befürchten gewesen. Mit anderen Worten: Wäre bei Verwirklichung eines selbständigen Delikts zugleich auch das Ausgangsdelikt tatbestandlich miterfüllt, so gäbe es für die Unterscheidung des § 28 zwischen strafschärfenden und strafbegriindenden Merkmalen keinen sachlichen Grund mehr, da eine Straflosigkeit des Teilnehmers nie zu befürchten wäre. Dieser könnte immer zumindest aus dem Ausgangstatbestand bestraft werden. Da der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen strafschärfenden und strafbegriindenden Merkmalen in § 28 I und 11 aber im Hinblick auf befürchtete Strafbarkeitslücken getroffen hat, ergibt sich im Umkehrschluß, daß bei selbständigen Delikten, die ja strafbegriindende Merkmale enthalten, der Ausgangstatbestand nicht zwingend mitverwirklicht sein muß. Damit läßt sich aus der Betrachtung des § 28 bereits ein Kriterium für die Abgrenzung des eigenständigen vom unselbständigen Delikt ableiten: Enthält der jeweils zu betrachtende Tatbestand nicht notwendig alle Merkmale des Ausgangstatbestandes, so handelt es sich um ein selbständiges Delikt. Hieraus läßt sich wiederum folgender Schluß ziehen: Das oben gefundene Abgrenzungskriterium ist jedenfalls immer dann erfüllt, wenn durch die bei den zueinander ins Verhältnis zu setzenden Tatbestände jeweils unterschiedliche Rechtsgüter geschützt werden. Denn es ist dann schlicht nicht möglich, daß bei Nichtvorliegen eines strafschärfenden oder -mildernden Merkmals des einen Tatbestandes die Voraussetzungen des anderen vorliegen. 47 45 BT-Drs. V 11319 S. 62: "Das hat in diesen Fällen zu unausgewogenen gesetzlichen Strafdrohungen geführt." 46 BT-Drs. V 11319 S. 62. 47 Allgemein zum Rechtsgutsbegriff: Koriath, GA 1999, 561 ff., krit. zu Folgerungen für die Auslegung S. 574 ff.
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Zur Veranschaulichung sei folgende Normenkonstellation vorausgesetzt (vgl. Abb. 1): Norm NI und Norm N2 stimmen im Tatbestandsmerkmal c überein, was die "Verwandtschaft" der beiden Tatbestände begründet. NI schützt aber das Rechtsgut A und hat daher das zusätzliche Tatbestandsmerkmal a, während N2 das Rechtsgut B schützt und deshalb das zusätzliche Tatbestandsmerkmal benthält. Nun ist es schlechterdings nicht möglich, daß bei Nichtvorliegen von b (was die Nichterfüllung des Tatbestandes von N2 impliziert) auf NI zurückgegriffen werden kann, wenngleich das beiden Normen gemeinsame Tatbestandsmerkmal c erfüllt ist. Denn für die Erfüllung des Tatbestandes NI" ist das Vorliegen von Tatbestandsmerkmal a notwendige Bedingung. Damit steht aber nach dem oben gefundenen Kriterium fest, daß es sich bei N2 im Verhältnis zu NI um ein eigenständiges Delikt und nicht um eine unselbständige Abwandlung handelt.
@
§
-
-
C
+ a
c
+X
schützt
schützt
•
RechtsgutA
•
Rechtsgut B
Abbildung I
Die Überlegungen des Gesetzgebers bei Einfügung des § 5011 a.F. (§ 28 I n.F.) sowie die hieraus vorgenommene Ableitung soll anhand des folgenden Beispielsfalles zum Verhältnis von Falschbeurkundung im Amt nach § 348 und Urkundenfälschung nach § 267 erläutert werden: TN stiftet den Rechtspfleger HT an, die Eintragung eines Dritten als Eigentümer eines bestimmten Grundstücks zu löschen und statt dessen den TN fälschlicherweise als Eigentümer einzutragen. Dabei handelt TN zur Täuschung im Rechtsverkehr, HT handelt insoweit lediglich mit bedingtem Vorsatz. HT macht sich nach § 348 I Alt. 2 wegen Falschbeurkundung im Amt strafbar. Hinsichtlich TN scheidet eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 I aus, da nach h.M. insoweit die Gutgläubigkeit des Amtsträgers vorausgesetzt ist. 48 In Betracht kommt nur noch eine Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt nach §§ 348 I Alt. 2,27. Hierbei ist zu beachten, daß es sich bei der Amtsträgereigenschaft nach § 348 um ein besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 handelt. 49
48 49
Lackner I Kühl, § 271 Rdnr. 7. Schmidhäuser; AT, 10 Rdnr. 38; Lacknerl Kühl, § 28 Rdnr. 5.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsde1ikt
47
Fände sich nun die Regelung des § 28 I im StGB nicht, so wäre TN unbilligerweise wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt aus dem Strafrahmen des § 348 - ohne Strafmilderung - zu bestrafen, obwohl er kein Amtsträger ist. 50 Denn bei der Amtsträgereigenschaft in § 348 handelt es sich nicht lediglich um ein strafschärfendes Merkmal, so daß die Anwendung des § 28 11 ausscheidet. 51 Waren hingegen auch strafbegründende Merkmale in die Regelung des § 28 11 aufgenommen worden, so ginge TN straffrei aus. Denn die Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt bliebe mangels Amtsträgerschaft für den TN folgenlos. Auch eine Anstiftung zur Urkundenfälschung käme nicht in Betracht, weil es an der erforderlichen vorsätzlichen Haupttat fehlt. Zwar hat HT eine echte Urkunde verfälscht, indem er die ältere Eintragung gelöscht und durch die neuere ersetzt hat52, er handelte aber nicht "zur Täuschung im Rechtsverkehr", da insoweit Eventualvorsatz nicht ausreicht. 53 Auch dieses Ergebnis kann nicht befriedigen. Der Gesetzgeber hat diese Problematik als solche erkannt und mit Einfügung der Strafmilderung in § 28 I folgerichtig einen Mittelweg zwischen den dargestellten Lösungsmöglichkeiten beschritten, der im vorliegenden Fall zu einem angemessenen Ergebnis führt: TN ist wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt zu bestrafen, wobei die Strafe nach § 28 I i.Y.m. § 49 I zu mildem ist. Der Beispielsfall veranschaulicht aber nicht nur die Zwecksetzung des § 28 I, er bestätigt zugleich die aus ihr abgeleiteten, oben gefundenen Abgrenzungskriterien (vgl. Abb. 2). Für den konkreten Fall trifft es nämlich zu, daß § 348 nicht notwen-
(3
8
schützt Verfälschen
+
Täuschungsabsicht
+
A~cr
................ Falscheintragung
schiit=t
•
Sicherheit u. Zuverl. d. Rechtsverkehrs
•
Vertrauen in Wahrheitsptlicht der Amtsperson
Abbildung 2
dig alle Merkmale des § 267 enthält und beide Delikte hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes voneinander abweichen. So schützt § 348 das allgemeine Vertrauen in 50 Dieses Ergebnis entsprach dem Rechtszustand vor Einfügung des § 5011 a.F. Vgl. BTDrs. V /1319 S. 61. 51 § 348 regelt eben nicht eine "Urkundenfälschung im Amt". Strafgrund ist vielmehr das enttäuschte Vertrauen in die Wahrheitspflicht gerade des Amtsträgers. 52 Vgl. Lacknerl Kühl, § 267 Rdnr. 21; vgl. auch RG DR 1944, ISS, 156. 53 TröndlelFischer, § 267 Rdnr. 28 mwN.
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die Wahrheitspflicht der mit der Aufnahme öffentlicher Urkunden betrauten Amtspersonen54, § 267 dagegen die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs. 55 Soweit man also die gefundenen Kriterien anwendet, handelt es sich bei § 348 im Verhältnis zu § 267 um ein eigenständiges Delikt. (5) Die friihere Rechtsprechung zum Fortsetzungszusammenhang
Bevor der Bundesgerichtshof durch Entscheidung des Großen Senats die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung, die eine besondere Erscheinungform der rechtlichen Handlungseinheit bildete, weitgehend aufgegeben 56 und damit der Kritik an diesem Institut5? Rechnung getragen hat, spielte die Unterscheidung zwischen unselbständiger Abwandlung und eigenständigem Delikt insoweit eine erhebliche Rolle. So konnten unselbständige Qualifikationen und Privilegierungen vom Fortsetzungszusammenhang erlaßt sein58 , während dies für "delicta sui generis" nicht der Fall sein sollte. 59 Deshalb könnten die Voraussetzungen der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung wichtige Gesichtspunkte für die Abgrenzung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt liefern, wenngleich dieses Institut nunmehr "zur Bedeutungslosigkeit verurteilt,,60 sein mag. Die wiederholte Verwirklichung eines Deliktstatbestandes wurde dann zu "einer" Tat im Rechtssinn zusammengefaßt, wenn die Einzelakte von einem "Gesamtvorsatz,,61 bzw. "Fortsetzungsvorsatz,,62 getragen und in der Begehensweise gleichartig waren, sowie sich gegen das gleiche Rechtsgut richteten. 63
54 BGHSt 37,207,209; Lackner/Kühl, § 348 Rdnr. 1; SchI SchI Cramer, 25. Aufl., § 348 Rdnr. 1; Tröndle/Fischer, § 348 Rdnr. 1. 55 BGHSt 2, 50, 52; 9, 44, 45; Lackner/Kühl, § 267, Rdnr. 1; Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 267 Rdnr. 1; Tröndle / Fischer, § 267 Rdnr. 1. 56 Nach BGHSt GrS 40, 138 sei am jeweiligen Deliktstatbestand zu messen, ob es zur Erfassung des begangenen Unrechts geboten sei, die wiederholte Tatbestandsverwirklichung als eine Tat im rechtlichen Sinne zu werten. Eine solche Zusammenfassung zu "einer" Tat könne aber lediglich eine seltene Ausnahme sein. 5? Vgl. Fischer, NStZ 1992,415,422; Geppen, Jura 1993, 136, 137; Jakobs, 32. Abschn. Rdnr. 50; Schmidhäuser, Lb. AT, 14. Kap. Rdnr. 18 f.; Schmitt, ZStW 75 (1963), 179, 183; Stratenwerth, AT, § 17 Rdnr. 13. 58 RGSt 51, 308; 56, 323 f.; 57, 140; 58, 228 ff.; BGHSt 8, 35; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2,7. Aufl. § 54 Rdnr. 83. 59 BGHSt 12, 147 mit Anm. Art. Kaufmann, JZ 1959,375 ff. zum Verhältnis der §§ 331 und 332 a.F.; Philipp, NJW 1963, 2087; Schmitt, JZ 1963, 764, 765 zum Verhältnis der §§ 242 und 370 I Nr. 5 a.F. (sog. Mundraub). 60 Wessels/Beulke, AT, Rdnr. 773. Vgl. auch Kühl, AT, § 21 Rdnr. 27-32; SK/Samson/ Günther, Vor § 52 Rdnr. 55 ff. 61 BGHSt 19,323; 23, 33; 35, 324; 37, 45. 62 Maurach/ Gössel/Zipf, AT 2, 7. Aufl. § 54 Rdnr. 78; Sch I Sch I Stree, 25. Aufl., Vorbem. §§ 52 ff. Rdnr. 52.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
49
Begründet wurde diese Zusammenfassung ursprünglich mit der Abmilderung des im Ergebnis oft als unbillig empfundenen Kumulationsprinzips, wonach für mehrere Deliktsverwirklichungen jeweils eine Einzelstrafe festgesetzt wurde und diese sodann zusammengerechnet wurden. Diese Begründung entfiel mit der Einführung des § 53 StGB und der damit verbundenen Abschaffung des Kumulationsprinzips für das Strafrecht. 64 Damit reduzierten sich die Gründe für die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung im wesentlichen auf praktische Erwägungen. So hielt es das Reichsgericht für eine "lästige, überflüssige und wunderlich anmutende Arbeit", wenn bei einer Vielzahl von gleichartigen Tatbestandsverwirklichungen, die auf einem einheitlichen Vorsatz beruhen, für jede dieser Straftaten eine gesonderte Strafe festgesetzt und hieraus eine Gesamtstrafe gebildet werden müßte. 65 Einzelne Versuche einer materiell-rechtlichen Begründung des Fortsetzungszusammenhangs hinsichtlich dessen belastender Folgen66 vermochten nicht zu überzeugen. 67 Allein aus den zur Legitimation herangezogenen Vereinfachungs- und Praktikabilitätsgesichtspunkten wird sich indes schwerlich ein Kriterium zur Abgrenzung des eigenständigen vom unselbständigen Delikt entwickeln lassen. Wertlos erscheint insoweit die Betrachtung der Grundsätze des Fortsetzungszusammenhangs aber nicht, wenn man sich vor Augen hält, daß für die Bejahung einer fortgesetzen Handlung jedenfalls einhellig vorausgesetzt wurde, daß sich sämtliche Einzelstraftaten gegen dasselbe Rechtsgut richten. In der Einheitlichkeit des Rechtsgüterschutzes wurde offensichtlich die Grenze für eine materiell-rechtlich noch vertretbare Zusammenfassung verschiedener Straftaten erblickt. Geht man nun mit der früheren Lehre von der fortgesetzten Handlung davon aus, daß unselbständige Qualifikationen und Privilegierungen sehr wohl vom Fortsetzungszusammenhang erfaßt sein können, während dies für selbständige Delikte nicht der Fall sein soll, so läßt sich hieraus der Schluß ziehen, daß ein selbständiges Delikt (bzw. jedenfalls keine unselbständige Abwandlung) gegeben ist, wenn es im Vergleich zum Ausgangstatbestand den Schutz eines anderen Rechtsguts bezweckt. Freilich ist der Wert dieser Überlegung angesichts der schwachen materiell - rechtlichen Untermauerung der Lehre vom Fortsetzungszusammenhang gering. Zumindest hilfsweise gestützt wird hierdurch das im Rahmen der Untersuchung des § 28 gefundene Abgrenzungskriterium der unterschiedlichen Schutzrichtung der jeweils zu betrachtenden Tatbestände indessen allemal.
63 Vgl. insgesamt zu den Voraussetzungen der "fortgesetzten Tat": Geppert, Jura 1993, 649,651 f.; v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 137; Jung, JuS 1989, 289, 290 f.; Köhler, AT, S. 689; Kühl, AT, § 21 Rdnr. 26; SKI SamsonlGünther, Vor § 52 Rdnr. 58. 64 Für das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt das Kumulationsprinzip nach wie vor, § 20 OWiG. Vgl. Göhler, OWiG, § 20 Rdnr. 2. 65 RGSt GS 70, 243, 244. 66 Jähnke, GA 1989,376; Kratsch, JR 1990, 177. 67 Fischer, NStZ 1992,415,420.
4 Liesching
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(6) Das Konkurrenzverhältnis zwischen "verwandten" Delikten Hinsichtlich der Frage, in welchem Konkurrenzverhältnis Abwandlungen eines Ausgangstatbestandes zu diesem stehen, gehen Rechtsprechung und Lehre einhellig davon aus, daß unselbständige Qualifikationen und Privilegierungen gegenüber dem Grundtatbestand vorgehen und diesen verdrängen. Es liegt dann ein Fall der Spezialität vor ("lex specialis derogat legi generali"). 68 Zum Teil wird dies auch für das Verhältnis eines "delictum sui generis" zum Ausgangstatbestand behauptet69 , obgleich sich diese Behauptung in der generalisierenden Form, in der sie aufgestellt wird, kaum halten läßt. 7o Unstreitig ist, daß das Vorliegen von Spezialität voraussetzt, daß der verdrängende Tatbestand sämtliche Voraussetzungen des verdrängten Tatbestands umfaßt, so daß bei Verwirklichung des speziellen Deliktes zwangsläufig auch das allgemeine Delikt verwirklicht ist. 7 ! Der verdrängende Tatbestand darf also lediglich weitere Merkmale (privilegierender oder qualifizierender Natur) zu denen des verdrängten Tatbestandes hinzufügen. Folgt man dem, so kann aber keine Spezialität vorliegen, wenn zwei zueinander ins Verhältnis zu setzende Normen unterschiedliche Rechtsgüter schützen. Dann nämlich sind nicht sämtliche Voraussetzungen des Ausgangstatbestandes in der Abwandlung enthalten. Nicht nur der abgewandelte Tatbestand stellt hier gegenüber dem Ausgangstatbestand weitere Voraussetzungen auf, auch der Ausgangstatbestand enthält gegenüber der Abwandlung ein weiteres Merkmal, das den unterschiedlichen Rechtsgüterschutz begriindet. Freilich kommt der Spezialitätsgrundsatz zwar auch dann zur Anwendung, wenn der abgewandelte Tatbestand gegenüber dem Ausgangstatbestand rechtsgutsmäßig weiter greift, dessen Rechtsgut aber von der Schutzwirkung des Ausgangstatbestandes noch rnitumfaßt ist (so etwa bei der Körperverletzung im Amt nach § 340 im Verhältnis zur gewöhnlichen Körperverletzung nach § 223, soweit man in § 340 auch die staatliche Tätigkeit geschützt sehen Will).72 Schützen die zu betrachtenden Tatbestände aber jeweils unterschiedliche Rechtsgüter, so kommt der Grundsatz der Spezialität von vornherein nicht zum Tragen. 68 RGSt 14, 386; 60, 122; JeschecklWeigend, S. 733; LKI Rissing-van Saan, Vor §§ 52 ff. Rdnr. 84, 91; Sch/Sch/Stree, 25. Aufl., Vorbern §§ 52 ff. Rdnr. 111; SKISamsonlGünther, Vor § 52 Rdnr. 84; WesselslBeulke, Rdnr. 786. 69 JeschecklWeigend, S. 733 f.; WesselslBeulke, AT, Rdnr. 788. 70 Zur Stützung der Behauptung, delicta sui generis gingen dem Ausgangstatbestand immer als Spezialregelung vor, wird häufig das Beispiel der §§ 249, 240, 242 herangezogen. Hieraus läßt sich aber lediglich schließen, daß bei zusammengesetzten Delikten ein Spezialitätsverhältnis vorliegt. Bei weitem nicht alle selbständige Tatbestände sind jedoch gleichzeitig auch zusammengesetzte Delikte. 71 Hruschka, Strafrecht, S. 391; JeschecklWeigend, S. 733; Kühl, AT, § 21 Rdnr. 52; Köhler, AT, S. 691; LKI Rissing-van Saan, Vor §§ 52 ff. Rdnr. 74; SchISchI Stree, 25. Aufl., Vorbern §§ 52 ff. Rdnr. 110; SKISamsonlGünther, Vor § 52 Rdnr. 82; Tröndlel Fischer, Vor § 52 Rdnr. 18; WesselslBeulke, AT, Rdnr. 788. 72 Vgl. MaurachIGössel/Zipf, AT 2, § 55 11 Rdnr. 21.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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Zur Veranschaulichung kann wieder die Normenkonstellation aus der Abb. 1 herangezogen werden. 73 Weder die Norm NI noch die Norm N2 weisen alle Merkmale des jeweils anderen Tatbestandes auf. Ist somit aber ein Fall von Spezialität ausgeschlossen, so kann es sich nach der herrschenden Konkurrenzlehre nicht um jeweils unselbständige Delikte handeln. Sind die zu betrachtenden Tatbestände dennoch aufgrund teilweise identischer Merkmale miteinander "verwandt", so muß es sich jeweils um delicta sui generis handeln. 74 Damit ergibt sich auch aus der Betrachtung des Konkurrenzverhältnisses von "verwandten" Delikten, daß jedenfalls bei jeweils unterschiedlichem Rechtsgüterschutz keine unselbständigen, sondern immer selbständige Delikte vorliegen.
2. Zusammenfassung und Einordnung der §§ 306a bis 306c StGB
Die Untersuchung der Einzelstreitfragen, die in Zusammenhang mit der gegenseitigen Loslösung "verwandter" Delikte und damit der Frage nach dem Vorliegen eines "delictum sui generis" stehen, zeigt, daß alle diese Streitfragen durch Hinzuziehung eines Abgrenzungskriteriums aufzulösen sein können. Hiernach liegen selbständige Delikte jedenfalls dann vor, wenn die zu betrachtenden Tatbestände jeweils unterschiedliche Rechtsgüter schützen, aber dennoch eine gewisse "Verwandtschaft" aufweisen, die etwa durch gemeinsame Tatbestandsmerkmale zum Ausdruck kommen kann. Freilich erscheint damit die Problematik des "delictum sui generis" keineswegs als gelöst. Ebensowenig kann die Kritik am Begriff des "selbständigen Deliktes" nun als unbegriindet gelten. So wird man bei unterschiedlichem Rechtsgüterschutz zweier "verwandter" Delikte zwingende Schlüsse nur für die Einzelstreitfragen, die zur Herleitung des gefundenen Abgrenzungskriteriums betrachtet wurden, ziehen können. (Eine indizielle Bedeutung für die Lösung anderer Streitfragen dürfte der Einordnung als selbständiges Delikt aber dennoch zukommen. 75 ) Auch führt das oben gefundene Abgrenzungskriterium dann nicht weiter, wenn die zu betrachtenden Tatbestände dasselbe Rechtsgut schützen oder das abgewandelte Delikt den Schutz eines weiteren Rechtsguts bezweckt. So bleibt es höchst bedenklich, bspw. § 211, soweit es um das Verhältnis zu § 212 geht, mit der Bezeichnung des selbständigen Delikts zu belegen und allein aus dieser in lediglich "begriffsjuristischer" Weise Schlüsse etwa auf die Teilnehmerhaftung nach § 28 zu
Oben unter 2. Kap. B. I. 1. c) bb) (4). Freilich schließt die Verschiedenheit des geschützten Rechtsguts bei zusammentreffenden Tatbeständen andere Formen der unechten Gesetzeskonkurrenz nicht aus. Vgl. hierzu Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 55 11 Rdnr. 9. 75 So auch Blei, AT, S. 84, der ansonsten die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen selbständigem und unselbständigem Delikt bestreitet. 73
74
4*
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ziehen. In diesen Fällen kann dem Begriff des "delictum sui generis" allenfalls die Funktion einer Kennzeichnung zukommen. Gleichwohl läßt sich nunmehr für die §§ 306a - 306c im Verhältnis zur einfachen Brandstiftung eine Einordnung treffen, soweit man in § 306 lediglich den qualifizierten Fall einer Sachbeschädigung erblicken will. a) § 306a und § 306b 11 StGB als delicta sui generis Aufgrund des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes 76, stellen die schwere und die besonders schwere Brandstiftung nach § 306b 11 jeweils delicta sui generis und keine unselbständigen Qualifikationen der einfachen Brandstiftung dar. Damit steht zugleich fest, daß § 306 nicht den Grundtatbestand der §§ 306a und 306b 11 bildet. 77 Dabei hat die Einordnung als selbständige Delikte hier nicht lediglich kennzeichnende Funktion, sondern hilft bei der Auflösung von Streitfragen, die im Zusammenhang mit dem Grad der Loslösung der §§ 306a, 306b 11 von der einfachen Brandstiftung stehen können. 78 b) § 306b I und § 306c StGB als delicta sui generis Zweifelhaft erscheint, ob die Einordnung als selbständige Delikte auch für die besonders schwere Brandstiftung mit Gesundheitsschädigung und die Brandstiftung mit Todesfolge erfolgen kann, da sowohl § 306b I als auch § 306c ausdriicklich und vollumfänglich auf § 306 verweisen, was auf den ersten Blick auf das bloße Hinzutreten eines weiteren geschützten Rechtsguts und damit auf das Vorliegen unselbständiger Qualifikationen hindeutet. Es erscheint aber auch möglich, daß sich diese Verweisung auf die einfache Brandstiftung als überflüssig herausstellt, da sämtliche Fälle des § 306 bereits über die Bezugnahme auf § 306a (Abs. 2) erfaßt werden könnten. Immerhin ist nicht von der Hand zu weisen, daß sowohl in der Gesundheitsschädigung anderer Menschen (§ 306 b I) als auch in der Verursachung des Todes eines anderen (§ 306c) die Gefahr einer Gesundheitsschädigung nach § 306a 11 als "notwendiges Durchgangsstadium" objektiv enthalten ist.
76 § 306 bezweckt ausschließlich den Schutz von Eigentum, während die §§ 306a und 306b 11 den Schutz von Leib und Leben anderer Menschen intendieren; vgl. oben Fn. 107 und 108. 77 So im Ergebnis auch Cantzler, JA 1999,474; Fischer, NStZ 1999, 13; lAcknerl Kühl, § 306 Rdnr. I; Schroeder, GA 1998, 571 . 78 Hierzu unten 2. Kap. B. 11. und III.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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aa) Relevanz der Verweisung auf die einfache Brandstiftung in § 306b I StGB
Die Verweisung auf § 306 bei der besonders schweren Brandstiftung macht deshalb nur Sinn, wenn § 306a 11, auf den ebenfalls verwiesen wird, bzgl. der Gesundheitsschädigungsgefahr für die subjektive Tatseite strengere Anforderungen stellt als § 306b I bzgl. der Gesundheitsschädigung anderer Menschen. Stellen nämlich insoweit beide Tatbestände ein Vorsatzerfordernis auf oder lassen beide Fahrlässigkeit genügen, so umfaßt § 306a sämtliche Fälle des § 306, sobald eine Gesundheitsschädigung nach § 306b I gegeben ist. Setzt bspw. ein Täter ein Wohnhaus in Brand, wodurch ein Bewohner eine schwere Rauchvergiftung oder Brandverletzung davon trägt, so liegt objektiv neben einer schweren Gesundheitsschädigung i. S. d. § 306b I notwendig auch eine (vorherige) Gefahr einer Gesundheitsschädigung für den Bewohner nach § 306a 11 vor. Auf § 306 und mithin auf die Frage der Fremdheit des Tatobjekts käme es nicht mehr an, wenn sowohl hinsichtlich der (vorherigen) Gefährdung des Bewohners (§ 306a 11) als auch bezüglich dessen Verletzungen (§ 306b I) beim Täter jeweils Fahrlässigkeit oder jeweils Vorsatz vorausgesetzt würde. (I) Die subjektive Tatseite bei § 306a 11 StGB hinsichtlich der Gefahr einer Gesundheitsschädigung Teilweise wird hinsichtlich der Verursachung einer Gesundheitsschädigungsgefahr in § 306a 11 Fahrlässigkeit beim Täter für ausreichend erachtet, da es sich bei der Vorschrift um ein erfolgsqualifiziertes Delikt mit der Folge der Anwendbarkeit des § 18 handle. 79 Dabei scheint die Frage aufgeworfen, ob ein Tatbestand als erfolgsqualifiziertes Delikt i. S. d. § 18 eingeordnet werden kann, wenn die Strafschärfung keinen Verletzungs-, sondern lediglich einen Gefährdungserfolg - hier die Gefahr einer Gesundheitsschädigung - beschreibt. 80 Allerdings ist - abgesehen davon, daß es sich bei § 306a 11 eben nicht um eine (unselbständige) Erfolgsqualifikation des § 306, sondern um ein insoweit eigenständiges Delikt handelt81 - zu beachten, daß sich für die Fälle des § 306a 11 eine gesonderte Regelung der fahrlässigen Gefahrverursachung in § 306d I Var. 3 findet. Diese würde freilich keinen Sinn mehr machen, wenn man bereits für § 306a 11 die fahrlässige Herbeiführung der Gefahr einer Gesundheitsschädigung ausreichen ließe. Deshalb muß im Rahmen des § 306a 11 die Gefahrherbeiführung vom (wenn auch bedingten) Vorsatz des Täters umfaßt sein. 82 Hörnle, Jura 1998, 169, 181. Teilweise wird dies abgelehnt, mit der Begründung, daß die Regelung des § 18 nach Sinn und Zweck nur für die Fälle Gültigkeit haben könne, in denen die Tatfolge nicht in einer bloßen Rechtsgutsgefährdung, sondern einer Rechtsgutsverletzung besteht, vgl. SKI Samson, § 18 Rdnr. 2 mwN. Zum gleichen Ergebnis kommt BGHSt 26, 180, 244; a.A.: Tröndlel Fischer, § 18 Rdnr. 2 mwN. 81 Vgl. oben 2. Kap. B.1. 2. a). 79
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
(2) Die subjektive Tatseite bei § 306b I StGB hinsichtlich der Gesundheitsschädigung Bei § 306b I handelt es sich augenscheinlich um eine Erfolgsqualifikation (zumindest) der schweren Brandstiftung nach § 306a mit der Folge der Anwendbarkeit des § 18. Denn anders als bei § 306a 11 liegt der Grund für die Strafschärfung nicht in der bloßen Herbeiführung einer Rechtsgutsgefährdung, sondern einer Rechtsgutsverletzung, nämlich der schweren Gesundheitsschädigung eines oder der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen. Auch findet sich insoweit keine gesonderte Regelung der fahrlässigen Erfolgsverursachung in § 306d, die die Annahme eines Vorsatzerfordernisses hinsichtlich § 306b I begründen würde, so daß anzunehmen ist, daß auch der Gesetzgeber vom Vorliegen einer Erfolgsqualifikation mit der Folge des § 18 ausgegangen ist. Steht also die Anwendbarkeit des § 18 fest, so scheint es nahezuliegen, für die Herbeiführung der Gesundheitsschädigung in § 306b I Fahrlässigkeit ausreichen zu lassen. 83 Hierfür spricht auch, daß die Verdoppelung der Mindeststrafandrohung in § 306b I im Verhältnis zu § 306a derjenigen in § 226 im Verhältnis zu § 224 entspricht, und hinsichtlich des Eintritts der schweren Folge bei der schweren Körperverletzung einhellig das Vorliegen von Fahrlässigkeit als ausreichend erachtet wird. 84 Läßt man somit also für den qualifizierenden Erfolg Fahrlässigkeit ausreichen, so macht die Verweisung des § 306b I auf § 306 für die Fälle Sinn, in denen der Täter sowohl die Gefahr einer Gesundheitsschädigung (§ 306a II) als auch die tatsächliche Gesundheitsschädigung nur fahrlässig verursacht. Da dann mangels Gefährdungsvorsatz § 306a 11 nicht greift, bedarf es der Verweisung auf § 306, um zu einer Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung zu gelangen. Aufgrund der allgemeinen Verweisung auf die einfache Brandstiftung, die sich eben nicht lediglich auf die Tatobjekte der Nr. 1 bis 6 des ersten Absatzes beschränkt, wird man allerdings kaum umhin kommen, in diesen Fällen die Fremdheit des Tatobjekts als einschränkende Voraussetzung zu verlangen. Eine Auslegung, die das Merkmal der Fremdheit hier "unter den Tisch fallen" ließe, wäre mit Art. 103 11 GG unvereinbar, da es sich insoweit um ein strafbarkeitseinschränkendes Merkmal handelt. Hiernach kommt man freilich zu dem schwer nachvollzieh82 Cantzler, JA 1999,474,476; Lacknerl Kühl, § 306a Rdnr. 7; Geppert, Jura 1998, 597, 603; HohmannlSander, BT 2, § 33 Rdnr. 13; Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 875; Rengier, JUS 1998, 397, 399; Stein, Einführung, Rdnr. 54; Wolters, JR 1999, 271, 272. Auch BGH NStZ 1999,32,33 =JR 1999,205,206 (mit zust. Anm. Wolters) geht vom Vorsatzerfordemis aus. 83 So BGH JR 1999,210,211, mit zust. Anm. Ingeljinger, S. 212; Cantzler, JA 1999,474, 477; Hörnle, Jura 1998, 169, 182; LacknerlKühl, § 306b Rdnr. 2; Radtke, ZStW 110 (1998), 848,876 (anders noch ders., Dogmatik, S. 369); Rengier, JUS 1998,397,399; TTÖndlelFischer, § 306b Rdnr. 2. Vgl. auch Kreß, NJW 1998,633,636. 84 Stein, Einführung, Rdnr. 64.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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baren Ergebnis, daß die vorsätzliche Gefahrherbeiführung mit lediglich fahrlässiger Gesundheitsschädigung auch beim Inbrandsetzen eigener Tatobjekte eine besonders schwere Brandstiftung begründet, während dies bei fahrlässiger Verursachung von Gefahr und tatsächlicher Gesundheitsschädigung nur bei fremden Tatobjekten der Fall sein soll. Zur Veranschaulichung der hierdurch entstehenden Problematik mögen folgende Beispielsfälle dienen: Fall 1: T setzt vorsätzlich einen in seinem Eigentum befindlichen, freistehenden Geräteschuppen in Brand. Der durchs Land ziehende Stadtstreicher S, der sich in dem Schuppen ein wenig ausruhen wollte, erleidet durch das Feuer schwere Brandverletzungen, die über mehrere Monate im Krankenhaus behandelt werden müssen. T ging zur Zeit der Tat davon aus, daß sich in dem feuchten Schuppen niemand aufhält.
Fall 2: Wie Fall 1, nur daß der Geräteschuppen nicht im Eigentum des T, sondern des Nachbarn N steht. Im Fall 1 kommt eine Strafbarkeit des T wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b I nicht in Betracht. Es liegt nämlich weder ein Fall des § 306 noch des § 306a vor. Die Verwirklichung der einfachen Brandstiftung scheitert daran, daß sich der Schuppen im Alleineigentum des T befindet und damit für diesen nicht fremd ist. Auch liegt ein Tatobjekt nach § 306a I nicht vor, da der Geräteschuppen (auch nicht zeitweise i. S. d. Nr. 385 ) dem Aufenthalt von Menschen diente. Setzt § 306a 11 Vorsatz hinsichtlich der Gefahrherbeiführung voraus86, so fehlt es insoweit am subjektiven Tatbestand, weil T nicht einmal damit rechnete, daß sich Menschen in enger räumlicher Nähe zu dem Geräteschuppen aufhielten. Damit kommt aber aus den §§ 306 ff. 87 lediglich eine Bestrafung des T wegen fahrlässiger Brandstiftung nach § 306d I Var. 3 in Betracht. Die Tat ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, so daß sich aus § 40 I ein Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen ergibt. Im Fall 2 hat sich T augenscheinlich wegen besonders schwerer Brandstiftung strafbar gemacht. Indem er den für ihn fremden Schuppen in Brand setzte, verwirklichte er vorsätzlich den Tatbestand des § 306 und hinsichtlich der schweren Gesundheitsschädigung (§ 306b I Var. 1) des S handelte er fahrlässig, was gern. § 18 für die Tatbestandsverwirklichung ausreichen soll. Ist T damit nach § 306b I zu bestrafen, so ergibt sich ein Mindeststrafmaß von 2 Jahren Freiheitsstrafe.
85 Insoweit wird eine Regelmäßigkeit der tatsächlichen Nutzung durch Menschen vorausgesetzt, vgl. BGHSt 23, 60, 62; Ladener / Kühl, § 306a Rdnr. 4 mwN. 86 Vgl. oben 2. Kap. B. I. 2. b) aa) (1). 87 Daneben hat sich T freilich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 strafbar gemacht, was an der Mindeststrafandrohung von 5 Tagessätzen Geldstrafe allerdings nichts ändert.
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
Vergleicht man nun beide Fälle miteinander, so zeigt sich, daß sich die Tat in Fall 2 allein durch das Hinzutreten einer Sachbeschädigungskomponente, nämlich der Verletzung des Eigentums des N, von der in Fall 1 unterscheidet und dieser Unterschied eine Erhöhung des Mindeststrafmaßes um 2 Jahre Freiheitsstrafe bewirkt. Dies kann nur absurd erscheinen, wenn man sich vor Augen hält, daß die Sachbeschädigung durch Inbrandsetzen oder Brandlegung in § 306 I im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von "lediglich" 1 Jahr bedroht ist und § 306 II sogar die Regelung eines minder schweren Falles enthält. Zudem ist der Grund für die Strafschärfung in § 306b I ja nicht die Beschädigung fremden Eigentums, sondern eben die Körperverletzung anderer Menschen. Schwerlich ist dieses Resultat mit dem vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit abgeleiteten SChuldprinzip 88 vereinbar, wonach sich der Maßstab für eine gerechte Strafe aus der vom Täter durch die konkrete Straftat verwirklichten Schuld ergibt. Die Auflösung dieses unverständlichen Ergebnisses ist möglich, wenn man auch für § 306b I die vorsätzliche Herbeiführung einer Gesundheitsschädigung verlangt. Dann gelangt man auch im Fall 2 nicht zur Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung, da T nicht damit rechnete, durch das Inbrandsetzen die schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen hervorzurufen. Wie im Fall 1 wäre T wegen fahrlässiger Brandstiftung nach § 306d I Var. 3 zu bestrafen. Dieses Ergebnis erscheint sachgerecht, da Fall 2 hinsichtlich der schweren Gesundheitsschädigung, die ja den Grund der Strafschärfung in § 306b I bildet, gegenüber Fall 1 keinerlei Unterschiede aufweist. Das durch die Inbrandsetzung eines fremden Tatobjekts zusätzlich verwirklichte Unrecht kann durch die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener einfacher Brandstiftung gern. § 306 sachgerecht erfaßt werden. 89 (3) Ergebnis Ist damit entgegen § 18 hinsichtlich der schweren Folgen in § 306b I Vorsatz zu fordern, so bedarf es des Verweises auf § 306 nicht. Im Rahmen des § 306b I ist dann keine Konstellation denkbar, die von § 306, nicht aber bereits von § 306a II erfaßt wäre. Der Hinweis auf die einfache Brandstiftung ist schlicht überflüssig. Kommt es damit aber auf die Fremdheit des Tatobjektes gar nicht an, so beschränkt sich der Schutz des § 306b I auf die körperlichen Unversehrtheit. Trotz der ausdriicklichen und voll umfänglichen Verweisung auf § 306 schützen also die besonders schwere und die einfache Brandstiftung jeweils unterschiedliche Rechtsgüter, so daß neben § 306a und § 306b II auch § 306b I als gegenüber § 306 eigenständiges Delikt einzuordnen ist. Auch insoweit bildet die einfache Brandstiftung keinen Grundtatbestand. 90
88 89
BVerfGE 20, 323, 331. Vgl. zu Konkurrenzfragen eingehend unter 2. Kap. B. 11.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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bb) Relevanz der Verweisung auf die einfache Brandstiftung in § 306c StGB (1) Die subjektive Tatseite bei § 306c StGB hinsichtlich der Todesverursachung
Auch der Verweisung in § 306c auf die einfache Brandstiftung käme keine eigenständige Bedeutung zu, wenn sämtliche Konstellationen der einfachen Brandstiftung mit Todesfolge bereits von § 306a 11 erfaßt wären. Es stellt sich wieder die Frage, ob die beiden Tatbestände jeweils unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes aufstellen, da objektiv bei Vorliegen eines Todeserfolgs (§ 306c) immer auch die Gefahr einer Gesundheitsschädigung (§ 306a 11) vorgelegen haben muß. Die Verweisung auf § 306 kann wieder nur dann relevant werden, wenn § 306a 11 hinsichtlich der subjektiven Tatseite strengere Anforderungen stellt als § 306c. Auf den ersten Blick scheint dies unzweifelhaft der Fall zu sein: Bei § 306a 11 haben wir bereits festgestellt, daß bezüglich der Gesundheitsschädigungsgefahr Vorsatz erforderlich ist. Für die Verursachung des Todes läßt § 306c hingegen ausdrücklich Leichtfertigkeit genügen. Damit würde die Verweisung auf § 306 in denjenigen Fällen relevant, in denen der Täter sowohl hinsichtlich der Gesundheitsschädigungsgefahr als auch der Todesverursachung leichtfertig, d. h. in erhöhtem Maße fahrlässig 91 handelt. Freilich wird man auch hier nicht umhin können, die Verweisung auf § 306 auch auf das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts zu erstrecken. Die sich hieraus ergebende Problematik sei wieder anband zweier Beispielsfälle verdeutlicht. Fall 3: T setzt vorsätzlich einen in seinem Eigentum befindlichen, freistehenden Geräteschuppen in Brand, obwohl er zuvor bemerkt hatte, daß sich darin ein ausgerollter Schlafsack befindet. Weil T sich hierüber aber keine weiteren Gedanken gemacht hat, geht er zur Zeit der Tat davon aus, daß sich in dem Schuppen niemand aufhält. Der durchs Land ziehende Stadtstreicher S, der sich im Geräteschuppen ein wenig ausruhen wollte, kommt in den Flammen um. Fall 4: Wie Fall 3, nur daß der Geräteschuppen nicht im Eigentum des T, sondern des Nachbarn N steht.
Im Fall 3 hat sich T nicht wegen Brandstiftung mit Todesfolge strafbar gemacht, da ein Fall der §§ 306 bis 306b nicht vorliegt. Eine einfache Brandstiftung nach § 306 scheitert am Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts, weil sich der Schuppen im Alleineigentum des T befindet. Ein Tatobjekt nach § 306a I ist nicht gegeben, da der Geräteschuppen weder der Wohnung (Nr. 1)92, noch zeitweise dem Aufent90 Anders die ganz h.M.: Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 854; Otto, BT, § 79 Rdnr. 13; Lacknerl Kühl, § 306b Rdnr. 1,2; Trändlel Fischer, § 306b Rdnr. 2; NKI Herzog, Vor § 306 Rdnr. 5; WesselslHettinger, BT 1, Rdnr. 953; SKI Horn, § 306b Rdnr. 2. 91 LacknerlKühl, § 15 Rdnr. 55; TrändlelFischer, § 15 Rdnr. 20. Vgl. auch unten 3. Kap. D.II. 92 Erforderlich ist insoweit, daß jemand die Räumlichkeit zumindest für einen gewissen Zeitraum zum Mittelpunkt seines Lebens macht (vgl. Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 7), was für den S, der den Schuppen lediglich kurzfristig als Ruhestätte nutzen wollte,
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
halt von Menschen (Nr. 3) dient. 93 Auch § 306a 11 kommt nicht in Betracht, da T hinsichtlich der Gefahr einer Gesundheitsschädigung nicht vorsätzlich handelte. § 306b scheitert, weil ein Fall des § 306a nicht vorliegt. Kommt damit aber wie im Fall I aus den §§ 306 ff. 94 lediglich eine Bestrafung wegen fahrlässiger Brandstiftung nach § 306d I Var. 3 in Frage, so ergibt sich aus § 40 I eine Mindeststrafandrohung von 5 Tagessätzen Geldstrafe. Im Fall 4 hingegen hat T den Tatbestand des § 306c augenscheinlich verwirklicht. Indem er vorsätzlich den für ihn fremden Schuppen in Brand setzte, erfüllte er den Tatbestand der einfachen Brandstiftung. Angesichts des von T vor Inbrandsetzung bemerkten Schlafsacks, handelte er hinsichtlich der Herbeiführung des Todes des S in erhöhtem Maße fahrlässig und damit leichtfertig. Ist T damit nach § 306c zu bestrafen, so ergibt sich ein Mindeststrafmaß von 10 (!) Jahren Freiheitsstrafe. Auch hier zeigt der Vergleich der Beispielsfalle, daß sich Fall 4 allein durch das Hinzutreten einer Sachbeschädigungskomponente, namentlich der Verletzung des Eigentums des N, von Fall 3 unterscheidet. Dieser Unterschied scheint eine Erhöhung des Mindestrafmaßes um 10 Jahre Freiheitsstrafe zu bewirken. Noch deutlicher als beim Vergleich der Fälle 1 und 2 wird hier die Absurdität einer (todes-)erfolgsqualifizierten Sachbeschädigung, wenn man sich erneut vor Augen führt, daß die Sachbeschädigung durch Inbrandsetzen oder Brandlegung in § 306 "nur" mit einer Mindestfreiheitsstrafe von J Jahr bedroht ist. Wieder ergeben sich erhebliche Bedenken im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip. Wie bei § 306b I liegt auch bei § 306c der Grund der erheblichen Strafschärfung nicht in der Verletzung fremden Eigentums. Er ist allein in der Verursachung des Todes eines anderen Menschen zu erblicken. 95 Zur Auflösung der Problematik könnte man - entsprechend den Überlegungen zu § 306b I - nun daran denken, im Rahmen des § 306c hinsichtlich der Todesverursachung Vorsatz zu verlangen. Damit wäre T im Fall 4 nicht wegen Brandstiftung mit Todesfolge, sondern wie im Fall 3 wegen fahrlässiger Brandstiftung zu bestrafen. Die zusätzlich verwirklichte Sachbeschädigung durch Brandlegung könnte dann durch eine tateinheitliche Verurteilung nach § 306 sachgerecht erfaßt werden. So sachgerecht diese Vorgehensweise für die Fälle 3 und 4 auch sein mag - sie läßt doch den eindeutigen Willen des Gesetzgebers außer Betracht. War es bei nicht zutrifft. Doch selbst wenn man eine Räumlichkeit i. S. d. § 306a I Nr. 1 annehmen will, so fehlt es doch insoweit am erforderlichen Vorsatz. 93 Vgl. o. Fn. 85. 94 T wäre hier daneben wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 zu bestrafen, was an der Mindeststrafandrohung von 5 Tagessätzen Geldstrafe allerdings nichts ändert. 95 Vgl. die Begründung zum entsprechenden § 306b des Entwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 13/8587, S. 49. Hier war allerdings § 306 auf den die Vorschrift verwies, noch nicht als qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt ausgestaltet.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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§ 306b I noch möglich, durch (teleologische) Auslegung der Vorschrift zum Vorsatzerfordernis hinsichtlich der Gesundheitsschädigung zu gelangen, so ist dieser Weg bzgl. der Todesverursachung in § 306c durch den Wortlaut der Vorschrift versperrt. Eindeutig läßt dieser die leichtfertige Todesverursachung für die Tatbestandsverwirklichung ausreichen. Zur Lösung der aufgezeigten Problematik muß daher ein anderer Weg beschritten werden.
(2) Teleologische Extension des Tatbestandes des § 306c StGB Um in den Fällen 3 und 4 zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, könnte man daran denken, die Verweisung in § 306c auf alle Tatobjekte der einfachen Brandstiftung auszudehnen, ohne daß es dabei auf deren Fremdheit ankommt. Damit wäre immerhin erreicht, daß nicht mehr die Verletzung fremden Eigentums, sondern allein die Todesverursachung als strafschärfendes Merkmal erschiene. Hiernach wäre T auch im Fall 3 wegen Brandstiftung mit Todesfolge zu verurteilen. Eine derartige Extension kommt allerdings einer Analogie gleich, da sie die Regelung des § 306c auf einen Sachverhalt erstreckt, den sie ihrem Wortsinn nach nicht mit umfaßt. § 306c verweist eben auf § 306 im Gesamten und nicht lediglich auf dessen Nr. 1 bis 6. Ist aber eine Analogie - wie im Strafrecht zuungunsten des Täters - verboten, so muß dieses Verbot auch für eine teleologische Extension gelten. 96 (3) Teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 306c StGB Als Lösung kommt einzig noch die teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 306c in Frage. Eine solche Reduzierung des Anwendungsbereichs einer Norm ist zulässig und notwendig, wenn die Vorschrift gemäß der ihr immanenten Zwecksetzung einer Einschränkung durch Herausnahme derjenigen Fälle oder Fallgruppen bedarf, die billigerweise aus dem Anwendungsumfang ausgenommen werden müssen. Dabei wird der Anwendungsbereich der zu weit gefaßten Norm unter Beriicksichtigung des Regelungszwecks trotz und entgegen des eindeutigen Wortsinns auf den ihr zukommenden Umfang zuriickgeführt. 97 Grund der erheblichen Strafschärfung um 10 Jahre Freiheitsstrafe im Mindestmaß in § 306c ist ausschließlich die leichtfertige Verursachung des Todes eines anderen Menschen und eben nicht die Verletzung fremden Eigentums. Von der Verweisung auf § 306 müssen deshalb diejenigen Fälle ausgenommen werden, in denen das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts konstitutive Voraussetzung einer Verurteilung wegen Brandstiftung mit Todesfolge ist. Wie die Fälle 3 und 4 deutlich machen, käme es andernfalls zu unbilligen Ergebnissen. %
Larenz. Methodenlehre, S. 287.
Vgl. zur teleologischen Reduktion Larenz. Methodenlehre. S. 279 ff.; Zippelius. Juristische Methodenlehre. S. 62 f. 97
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
Nimmt man nun eine Reduktion in dieser Weise vor, so spielt die Verweisung auf die einfache Brandstiftung praktisch keine Rolle mehr. Die Fallkonstellation, in der der Täter sowohl hinsichtlich der Gesundheitsschädigungsgefahr als auch der Todesverursachung leichtfertig handelt, wird von der Verweisung auf § 306 nicht mehr erfaßt, weil hier das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts für die Strafbarkeit nach § 306c konstitutiv vorausgesetzt ist. Alle übrigen Fallkonstellationen der einfachen Sachbeschädigung mit Todesfolge werden bereits über die Verweisung auf § 306a 11 erfaßt. (4) Ergebnis Kommt damit also der Verweisung auf § 306 keinerlei Bedeutung zu, so ist wie auch bei § 306b I - ausgeschlossen, daß § 306c (auch) den Schutz vor Verletzungen fremden Eigentums bezweckt. Weist damit aber auch die Brandstiftung mit Todesfolge gegenüber der einfachen Brandstiftung eine unterschiedliche Schutzrichtung auf, oder genauer: werden hier jeweils unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, stellt 306c gegenüber § 306 ein selbständiges Delikt und eben keine todeserfolgsqualifizierte Sachbeschädigung dar. 98 Auch insoweit bildet die einfache Brandstiftung keinen Grundtatbestand. 11. Konkurrenzverhältnis zwischen § 306 und §§ 306a - 306c StGB
Das Verhältnis des § 306 zu den §§ 306a - 306c mag angesichts der zahlreichen wechselseitigen Verweisungen auf den ersten Blick unübersichtlich erscheinen. 99 Geht man aber davon aus, daß § 306 ein spezielles Sachbeschädigungsdelikt darstellt, so erleichtert die sich hieraus ergebende Einordnung der §§ 306a - 306c als gegenüber der einfachen Brandstiftung selbständige Delikte die Lösung deljenigen Streitfragen, die zur Herleitung des oben gefundenen Abgrenzungskriteriums des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes untersucht wurden - also auch die des Konkurrenzverhältnisses der zu betrachtenden Tatbestände. Zunächst soll dabei das Verhältnis der einfachen Brandstiftung zu den §§ 306a, 306b 11 und sodann zu den §§ 306b I, 306c untersucht werden. 1. § 306 im Verhältnis zu §§ 306a, 306b 11 StGB
Das Verhältnis der einfachen zur schweren Brandstiftung auf der Ebene der Konkurrenzen anzusiedeln, ist keineswegs selbstverständlich. So wurde v.a. für die 98 Anders die ganz h.M.: Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 854; LacknerlKühl, § 306c Rdnr. 1; Bayer, § 306c Rdnr. 3; Geppert, Jura 1998,597,604; Rengier, JuS 1998, 397,400; Cantzier, JA 1999,474,476; TröndlelFischer, § 306c Rdnr. 4. 99 So Tröndle I Fischer, § 306 Rdnr. 20.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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Fassung der Brandstiftungsdelikte vor dem 6. StrRG die Verortung auf der Tatbestandsebene vertreten. Nach dieser Tatbestandslösung sollte bereits kein Tatobjekt i. S. d. § 308 a.F. ("einfache" Brandstiftung) vorliegen, wenn ein Gebäude zur Wohnung von Menschen oder zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient (Schwere Brandstiftung nach § 306 Nr. 2, 3).100 Jedoch sprechen neben dem Wortlaut der §§ 306, 306a n.F. auch zu befürchtende Strafbarkeitslücken gegen eine Lösung, die bereits den Tatbestand des § 306 ausschließen will, sobald ein Fall des § 306a vorliegt. So käme die Bestrafung desjenigen, der einen anderen zum Inbrandsetzen eines fremden Gebäudes anstiftet, nicht in Betracht, wenn allein der Haupttäter, nicht aber der Anstiftende weiß, daß das Gebäude der Wohnung von Menschen dient. Die Strafbarkeit wegen Anstiftung zu schwerer Brandstiftung scheiterte arn Vorsatzerfordernis und die wegen Anstiftung zu (einfacher) Brandstiftung am Fehlen einer Haupttat. 101 Richtigerweise ist die Frage des Verhältnisses des § 306 zu § 306a daher auf Konkurrenzebene zu erörtern. Handelt es sich bei § 306a um ein gegenüber der einfachen Brandstiftung selbständiges Delikt, so ist bei gleichzeitiger Verwirklichung des § 306 und des § 306a etwa durch Inbrandsetzen eines fremden Wohngebäudes kein Fall der Spezialität gegeben. 102 Auch tritt die einfache Brandstiftung nicht als subsidiär zuriick. Subsidiarität setzt nämlich voraus, daß das zuriicktretende Gesetz erkennbar nur hilfsweise dann gelten soll, wenn kein anderes Gesetz die Strafbarkeit ausspricht. Gekennzeichnet ist die Subsidiarität daher durch die logische Struktur der Überschneidung oder Überlagerung zweier Tatbestände hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, wie sie etwa bei Gefahrdungsdelikten gegenüber den dasselbe Rechtsgut schützenden Verletzungsdelikten gegeben iSt. 103 Vorliegend müßte aber das Verletzungsdelikt des § 306 gegenüber dem Gefährdungsdelikt des § 306a zuriicktreten. Auch kommt es angesichts des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes der einfachen und der schweren Brandstiftung nicht zu einer Interferenz der beiden Tatbestände, wie sie die Subsidiarität voraussetzen würde. Teilweise wird vertreten, die einfache Brandstiftung trete im Wege der Konsumtion hinter der schweren zuriick. Es handle sich lediglich um eine typische mitbestrafte Begleittat, da eine Brandstiftung in der Regel die Verletzung fremden Eigentums mit sich bringe und diese deshalb nicht besonders hervorgehoben werden müsse lO4 , bzw. bereits von den §§ 303 ff. erfaßt würden. 105
Eingehende Darstellung mit Nachweisen bei Radtke, Dogmatik, S. 388 f. Radtke, Dogmatik, S. 389 f. 102 Vgl. oben 2. Kap. B. I. 1. c) bb) (6). 103 Vgl. Hruschka, AT, S. 390; LKI Rissing-van Saan, Vor §§ 52 Rdnr. 101, 102; SchI SchI Stree, 25. Aufl., Vorbem §§ 52 ff. Rdnr. 107; Tröndle/Fischer, Vor § 52 Rdnr. 19. 104 Geppert, Jura 1989,473,482 zu §§ 306-308 a.F. 105 So Radtke, Dogmatik, S. 390 für § 306 I im Verhältnis zu § 306a I. 100
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
Dies vennag nicht zu überzeugen. Die Behauptung der regelmäßigen Verletzung fremden Eigentums mag zwar zutreffen, soweit es nicht lediglich um das Tatobjekt selbst, sondern auch um darin oder daran befindliche bewegliche Sachen geht. Natürlich wird sich beim Inbrandsetzen eines eigenen Gebäudes meist ein in Mitleidenschaft gezogener Gegenstand finden lassen, der nicht im Alleineigentum des Täters steht. Es geht aber vorliegend ja nicht um die Konsumtion der §§ 303 ff., sondern des § 306. Einzig abzustellen ist deshalb auf das Eigentum am Taiobjekt selbst. Daß dies in der Regel nicht dem Täter gehören soll, ist nicht zu belegen. Im Gegenteil erscheint diese Behauptung angesichts des häufigen Auftretens sogenannter ,,Eigennutzbrände,,106, bei denen der Täter bestimmte finanzielle Vorteile erstrebt - so v.a. bei der Inbrandsetzung eigener Gebäude zur Begehung eines Versicherungsbetrugs - eher zweifelhaft. Auch der Hinweis auf die §§ 303 ff. zur Begründung einer Konsumtion kann nicht überzeugen. Eine typische mitbestrafte Begleiuat und damit ein Fall der Konsumtion ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber bei Schaffung einer Strafnonn bereits das regelmäßige Vorliegen einer anderen Straftat von wesentlich geringerem Unrechtsgehalt berücksichtigt hat, so daß dieser geringere Unrechtsgehalt durch das schwerere Delikt mit erfaßt und aufgezehrt wird. 107 Es geht bei der Frage, ob der Fall einer mitbestraften Begleiuat vorliegt, also allein darum, ob der konsumierende Tatbestand (also vorliegend § 306a) den Unrechts gehalt der konsumierten Nonn (also hier § 306) abdeckt. Ob darüber hinaus weitere Strafvorschriften bestehen (wie vorliegend etwa die §§ 303 ff.) die den relevanten Unrechtsgehalt abdecken könnten, spielt insofern keine Rolle. Da aber in § 306a die (regelmäßige) Verletzung fremden Eigentums nicht erfaßt ist, ist ein Fall der Konsumtion nicht gegeben. Für das Verhältnis des § 306 zu § 306b H, wenn durch das Inbrandsetzen eines fremden Gebäudes ein anderer Mensch in die Gefahr des Todes gebracht wird, gilt das zu § 306a Gesagte. Weder ist § 306b 11 das speziellere bzw. § 306 das subsidiäre Delikt, noch wird die einfache Brandstiftung konsumiert. Da somit in diesen Fällen keine sog. Gesetzeseinheit bzw. unechte Konkurrenz vorliegt, stehen die §§ 306a, 306b 11 und die einfache Brandstiftung im Verhältnis der Tateinheit zueinander, soweit sie durch eine Handlung im rechtlichen Sinn verwirklicht werden. 108 106 Vgl. hierzu und zu kriminologischen Aspekten der Eigennutzbrände: Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 88 f. 107 Jescheck/Weigend, S. 737; Wessels/Beulke, AT, Rdnr. 791; Jakobs, AT, 31. Abschn., Rdnr. 30; Kühl, AT, § 21 Rdnr. 60, 62. 108 So auch Tröndle/Fischer, § 306 Rdnr. 20; zu §§ 306 und 308 a.F.: RG 64, 279; SchI Sch/Cramer, 25. Aufl., § 308 Rdnr. 18; SKIHom, § 308 Rdnr. 5. Anders Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 6 und NKI Herzog, § 306 Rdnr. 34, die zwar die Möglichkeit von Tateinheit anerkennen, § 306 aber als "in der Regel verdrängt" ansehen wollen. Auch der BGH sieht die einfache Brandstiftung als grundsätzlich von der schweren verdrängt, allerdings ohne insoweit eine Begründung zu liefern; Tateinheit komme nur dann in Betracht, wenn die Flarnrnen auf ein weiteres fremdes Gebäude übergreifen, vgl. BGH StV 1984,246 zum Verhältnis von § 308 a.F. und § 306 a.F.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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2. § 306 im Verhältnis zu §§ 306b I, 306c StGB Auch hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses stellt sich wieder die Frage, ob das für §§ 306a und 306b 11 gefundene Ergebnis auf die §§ 306b I und 306c bedenkenlos übertragen werden kann, da die letztgenannten Vorschriften eben ausdrücklich auf § 306 Bezug nehmen. So wird teilweise angenommen, daß hier für eine tateinheitliche Verurteilung kein Raum bleibe, da die Voraussetzungen des § 306 in den §§ 306b I und 306c vollständig enthalten seien. 109 Das kann aber nach dem oben Gesagten nicht zutreffen. Sowohl für die Strafbarkeit nach § 306b I als auch für die nach § 306c kommt es auf das Vorliegen der Merkmale des § 306 und insbesondere das der Fremdheit des Tatobjekts überhaupt nicht an. Eine Bestrafung kann bereits aufgrund des Verweises auf § 306a 11 erfolgen. Da das Merkmal der Fremdheit bei Erfüllung einer der Tatbestände der §§ 306b I, 306c mithin nicht notwendig mitverwirklicht ist, liegt kein Fall der Spezialität vor. Auch tritt die einfache Brandstiftung nicht als subsidiär zuriick, da es wie schon bei § 306a und § 306b 11 auch bei den §§ 306b I, 306c an der insoweit vorausgesetzten Interferenz zu § 306 fehlt, weil jeweils unterschiedliche Rechtsgüter geschützt werden. § 306 wird auch nicht von den §§ 306b I, 306c konsumiert, da die Verursachung einer Gesundheitsschädigung oder des Todes eines anderen Menschen durch Brandstiftung nicht regelmäßig auch die Verletzung eines fremden Tatobjekts nach § 306 beinhaltet. Da somit auch hier kein Fall von Gesetzeseinheit bzw. unechter Konkurrenz vorliegt, können die Tatbestände der § 306b I bzw. § 306c und des § 306 tateinheitlich verwirklicht werden, soweit eine Handlung im rechtlichen Sinn vorliegt. 110
IH. Die Teilnehmerhaftung nach § 28 StGB Zu untersuchen bleibt, ob die Einordnung des § 306 als spezielles Sachbeschädigungsdelikt Auswirkungen auf die Haftung eines Teilnehmers nach § 28 haben kann. Das Problem der Teilnehmerhaftung nach § 28 stellt sich hinsichtlich der Brandstiftungsdelikte freilich nur, wenn insoweit überhaupt ein besonderes persönliches Merkmal in Betracht kommt, welches im Einzelfall beim Haupttäter, nicht aber beim Teilnehmer vorliegen kann. Trotz des Verweises auf die Vorschrift des § 14 I stimmen die besonderen persönlichen Merkmale i. S. d. § 28 inhaltlich mit den entsprechenden des § 14 I nicht überein. 111 Vielmehr erfassen die Merkmale i. S. d. § 28 solche Eigenschaften, Ver109 110 111
Trändie / Fischer, § 306 Rdnr. 20. A.A. bzgl. § 306c: BGH NStZ-RR 2000, 209. Lackner/Kühl, § 28 Rdnr. 3.
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
hältnisse oder andere Umstände, die zum jeweiligen Deliktstypus gehören und sich auf den Täter beziehen, unabhängig davon, ob sie für eine gewisse Dauer Bestand haben oder nur in der Tat hervortreten. Nach h.M. müssen sie den Tliter charakterisieren, d. h. aus Griinden, die in seiner Person oder in einer besonderen, an die Person gebundenen Inpflichtnahme liegen, das Unrecht, die Schuld oder auch lediglich die Strafbarkeit mitbestimmen (sog. täterbezogene Merkmale). 112 Bei den Brandstiftungsdelikten kommt somit lediglich die Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken (§ 306 b 11 Nr. 2), als besonderes persönliches Merkmal in Betracht. Bei den Merkmalen der übrigen Brandstiftungstatbestände fehlt es am erforderlichen Täterbezug. Sie charakterisieren eben nicht den Täter, sondern beschreiben entweder die Beschaffenheit oder Eigenschaften des Tatobjekts (z. B. "ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient", § 306a I Nr. 1; "eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude", § 306a I Nr. 2) oder eine bestimmte Gefahrenlage ("einen anderen Menschen in die Gefahr des Todes bringt", § 306b 11 Nr. 1). Was demgegenüber die Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht anbetrifft, so geht die h.M. jedenfalls beim Mord nach § 211 davon aus, daß es sich um ein täterbezogenes besonderes persönliches Merkmal handelt. 113 Wenngleich teilweise Bedenken gegen das Heranziehen der Regeln zu § 211 bei der Auslegung des § 306b 11 Nr. 2 vorgebracht werden 114, kann jedenfalls hinsichtlich der Einordnung der Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht als besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 für die besonders schwere Brandstiftung nichts anderes als für § 211 gelten. Denn wie beim Mord liegt der Strafgrund beim Vorliegen einer solchen Absicht gern. § 306b 11 Nr. 2 nicht in der Ahndung eines noch ausstehenden, also noch nicht verwirklichten Unrechts, sondern im Verhältnis der durch die Brandstiftung hervorgerufenen Gefährdung von Leib und Leben anderer Menschen zum vergleichsweise nichtigen Anlaß der Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat. Das Handeln des Täters in Kenntnis dieser Relation kennzeichnet ihn als besonders ruchlos und gefährlich. Die Tatmodalitäten der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht sind damit weniger Zweckerreichungs- als vielmehr Gesinnungsmerkmale, die den Tiiter und nicht die Tat charakterisieren. 115 Nachdem nun feststeht, daß die Absicht der Ermöglichung bzw. Verdeckung einer Straftat ein täterbezogenes besonderes persönliches Merkmal darstellt, fällt vor 112 Lackner/Kühl, § 28 Rdnr. 3,4; Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 28 Rdnr. 11 ff.; SKI Samson, § 28 Rdnr. 15 ff.; Tröndle / Fischer, § 28 Rdnr. 4 ff. l13 Vgl. BGHSt 23,39,40; Jakobs, NJW 1970,1089; Lackner/Kühl, § 211 Rdnr. 16; Maurach, JuS 1969,249,245 f.; Rengier, BT 11, § 4 Rdnr. 7; Schröder, JZ 1969, 132, 133; SKI Horn, § 211 Rdnr. 61; Wessels/Hettinger, BT 1, Rdnr. 141; a.A.: Trändle/Fischer, § 211 Rdnr. 14, der die besonderen Absichten "ledig1ich" als tatbezogen ansehen will. 114 Tröndle/Fischer, § 306b Rdnr. 8; anders Bayer, § 306b Rdnr. 4; Geppert, Jura 1998, 597, 604; Lackner / Kühl, § 306b Rdnr. 4. Hierzu auch unten 3. Kap. C. 11. 2. 115 Maurach, JuS 1969,249,255; Hecker, GA 1999,332,336; Jakobs, NJW 1970, 1089; SKI Horn, § 211 Rdnr. 63; Wessels/ Hettinger, BT 1, Rdnr. 123.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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dem Hintergrund, daß es sich bei der besonders schweren Brandstiftung im Verhältnis zur einfachen Brandstiftung um ein selbständiges Delikt handelt, die Lösung detjenigen Fälle auf den ersten Blick leicht, in denen zwar der Haupttäter, der ein Wohngebäude in Brand setzt, mit Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht handelt, der Teilnehmer an dieser Tat eine solche Absicht aber nicht gefaßt hat. Da es sich bei den besonderen Absichten des § 306b 11 Nr. 2 gegenüber § 306 nämlich um strafbegründende Merkmale handelt l16 , scheint die Anwendung des § 28 I und damit die Bestrafung des Teilnehmers wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zur besonders schweren Brandstiftung mit Strafmilderung nach § 49 I nahezuliegen. Zu beachten ist aber, daß § 306b 11 Nr. 2 nicht auf die einfache, sondern die schwere Brandstiftung Bezug nimmt. Folglich ist nicht auf das Verhältnis zu § 306 (insoweit "delictum sui generis"), sondern zu § 306a abzustellen. Hier ist § 306b 11 Nr. 2 aber nicht als eigenständiges Delikt, sondern unzweifelhaft als unselbständige Qualifikation einzuordnen. 117 Eine Loslösung des Tatbestands der besonders schweren von dem der schweren Brandstiftung, die eine Selbständigkeit der beiden Delikte begründen könnte, ist unter keinem Gesichtspunkt zu erblicken. Beide Tatbestände schützen Leib und Leben anderer Menschen und damit dasselbe Rechtsgut. Auch besteht zwischen den Tatbeständen ein Stufenverhältnis in dem Sinn, daß § 306b 11 Nr. 2 aufgrund der Bezugnahme auf § 306a notwendig die Tatbestandsmerkmale der schweren Brandstiftung miturnfaßt. Durch die bloße Hinzufügung der besonderen Absichten des § 306b 11 Nr. 2 kann dessen Abhängigkeit vom Grundtatbestand des § 306a nicht aufgehoben sein. Da es sich bei der Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht somit (im Verhältnis zu § 306a) um strafschärlende Merkmale handelt, findet hinsichtlich der Teilnehmerhaftung § 28 11 Anwendung. Somit ist in der obigen Beispielskonstellation nur eine Bestrafung des Teilnehmers wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zur schweren Brandstiftung nach § 306a möglich. Hiernach zeigt sich aber, daß die Einordnung des § 306 als spezielles Sachbeschädigungsdelikt oder abstraktes Gefährdungsdelikt für die Frage der Teilnehmerhaftung nach § 28 StGB nicht von Belang sein kann. IV. Überprüfung der bisherigen Ergebnisse
Im folgenden soll überprüft werden, ob die bisher gefundenen Ergebnisse und insbesondere die Einordnung der §§ 306a bis 306c als gegenüber der einfachen Brandstiftung selbständige Delikte auch zu billigen Resultaten hinsichtlich der Strafdrohung im Einzelfall führen. Vgl. oben 2. Kap. B. I. l.c) bb) (4). Bayer, § 306b Rdnr. 3; Cantzier, JA 1999, 474, 477; Geppert. Jura 1998, 597, 603; Kreß. NJW 1998,633,640; Lackner/Kühl. § 306b Rdnr. 3; Radtke. ZStW 110 (1998),848. 877; Rengier, JuS 1998, 397, 400; ders. BT H, § 40 Rdnr. 28; Tröndle/Fischer, § 306b Rdnr. 6; NK/ Herzog. § 306b Rdnr. 6; Wessels/Hettinger, BT 1, Rdnr. 972. 116
117
5 Liesching
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
In der bisher zu den Brandstiftungsdelikten neuer Fassung erschienenen Literatur wird im Hinblick auf die Strafdrohung vor allem der Fall der sachbeschädigenden Brandstiftung mit fahrlässiger Gesundheitsgefahrdung als problematisch erachtet. 11 8 Auf den ersten Blick erscheint es in der Tat absurd, wenn bereits die einfache, lediglich sachbeschädigende Brandstiftung mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht ist, und sich die Strafdrohung bei zusätzlicher fahrlässiger Gesundheitsgefahrdung gern. § 306d I Var. 3 i.Y.m. § 306a 11 scheinbar auf Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe verringert. So wurde teilweise versucht, dieses Resultat durch eine Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 306a 11 auf eigene und herrenlose Tatobjekte zu vermeiden. 1l9 Dann wäre die Anwendbarkeit des § 306d I Var. 3 für die sachbeschädigende Brandstiftung in der Tat ausgeschlossen. Abgesehen davon, daß diese Lösung jedoch mit dem Wortlaut des § 306a 11 kaum vereinbar ist 120, würde die zusätzlich fahrlässig herbeigeführte Gesundheitsgefahr von den §§ 306 ff. überhaupt nicht mehr erfaßt. Ein derartiges ,,Auslegungskunststück,,121 ist auch nicht erforderlich, wenn man § 306a 11 als gegenüber der sachbeschädigenden Brandstiftung eigenständiges Delikt einordnet, da sich hieraus zwanglos die Möglichkeit der Bestrafung wegen tateinheitlich verwirklichter einfacher Brandstiftung und fahrlässiger Brandstiftung nach § 306d Var. 3 ergibt. 122 So gelangt man hinsichtlich der Strafdrohung zu billigen Ergebnissen: Der Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ergibt sich gern. § 52 11 S. 1 aus § 306. Anders als bei der "lediglich" sachbeschädigenden Brandstiftung wird aber die zusätzlich fahrlässige Herbeiführung einer Gesundheitsgefahr durch die Möglichkeit der strafschärfenden Berücksichtigung des mitverwirklichten § 306d Var. 3 im Rahmen der Strafzumessung über § 46 sachgerecht erfaßt. 123 Auch wenn die sachbeschädigende Brandstiftung fahrlässig begangen (§ 306d Var. 1 i.V.m. § 306 I) und hierdurch zusätzlich fahrlässig eine Gesundheitsgefährdung (§ 306d 11 i.V.m. § 306a 11) herbeigeführt wurde, stehen die verwirklichten Tatbestände im Verhältnis der Tateinheit zueinander. § 306d Var. 1 bezweckt (wie § 306) allein den Schutz vor (fahrlässigen) Eigentumsverletzungen. Demgegenüber schützt § 306d 11 (wie § 306a 11) die Gesundheit anderer Menschen. Da also jeweils 118
271 f.
Vgl. Fischer, NStZ 1999, 13; Schroeder, GA 1998,571,574; Wolters. JR 1998,271,
119 Fischer, NStZ 1999, 13, 14, der selbst erkennt, daß diese Lösung erneut zu Wertungswidersprüchen führt. 120 Es scheint im Gegenteil näher zu liegen, aufgrund der Verweisung auf § 306 eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 306a 11 auffremde Tatobjekte anzunehmen. 121 Fischer, NStZ 1999, 13, 14. 122 So im Ergebnis auch Wolters. JR 1998, 271, 273; Rengier, JuS 1998, 397, 399. Krit. gegenüber dem Gesetzgeber: Schroeder, GA 1998, 571, 574, der die Aufrechterhaltung der höheren Strafdrohung durch das idealkonkurrierende Delikt mit der niedrigeren Strafdrohung als "gesetzessystematisch abwegig" bezeichnet. 123 Vgl. zur Strafschärfung aufgrund tateinheitlich mitverwirklichter Delikte: Tröndlel Fischer, § 52 Rdnr. 4; Schi Sch/Stree. 25. Aufl., § 52 Rdnr. 47; SKI Günther, § 52 Rdnr. 29.
B. Folgen der Einordnung als spezielles Sachbeschädigungsdelikt
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unterschiedliche Rechtsgüter geschützt werden, bilden die beiden Tatbestände im Verhältnis zueinander selbständige Delikte. § 306d Var. I und § 306 11 stehen idealkonkurrierend nebeneinander, so daß es auch hier hinsichtlich der Strafdrohung zu einer sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts kommt. 124 Die Probleme, die sich bei § 306b I und § 306c hinsichtlich der Strafdrohung ergeben können, wurden bereits anhand der Beispielsfälle 1 bis 4 erörtert und durch die Einordnung der Vorschriften als gegenüber § 306 selbständige Delikte und die hieraus folgende Möglichkeit der Idealkonkurrenz gelöst. Die Stimmigkeit dieses Ansatzes sei nochmals anhand der folgenden Abbildungen zu § 306b I (Abb. 3) und § 306c (Abb. 4) unter Berücksichtigung der denkbaren Abstufungen im subjektiven Tatbestand belegt. Dabei soll jeweils die vorsätzliche Inbrandsetzung eines Tatobjekts i. S. d.
§ 306 I Nr. 1 bis 6 zugrunde gelegt werden. Das objektive Vorliegen der Gefahr einer Gesundheitsschädigung für einen anderen Menschen (§ 306a 11 als Grundtatbestand der §§ 306b I, § 306c) ergibt sich aus der eingetretenen Gesundheitsschädigung bei § 306b I bzw. dem Eintritt der Todesfolge bei § 306c.
Bei § 306b I ergeben sich entsprechend dem jeweils verwirklichten Unrecht durchweg angemessene Resultate bzgl. der Strafdrohung. Sachgerecht erfaßt werden sowohl das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit als auch die zusätzliche Verletzung des Eigentums am Tatobjekt. Subj. Tatseite hinsichtlich Gefahr nach § 306a II
Fahrlässigkeit
Vorsatz
Vorsatz
Subj. Tatseite hinsichtlich Erfolg nach § 306b I
Fahrlässigkeit
Fahrlässigkeit
Vorsatz
§ 306d I Var. 3 (Geldstrafe bi s 5 Jahre)
§ 306a 11 (mind. 1 Jahr)
§ 306b I mind. 2 Jahre)
Strafdrohung aus §§ 306 ff. bei eigenem Tatobjekt Strafdrohung aus §§ 306ff. bei fremdem Tatobjekt
§§ 306d I Var. 3 § 306a 11 § 306bI (mind. 2 Jahre) in (Geldstrafe bis 5 Jahre) (mind. 1 Jahr) in in Tateinheit mit § 306 Tateinheit mit § 306 Tateinheit mit § 306 (1 bis IO Jahre) (1 bis IO Jahre) (1 bis IO Jahre)
Abbildung 3: Zur Einordnung des § 306b I
Auch bei § 306c erscheint die Strafdrohung entsprechend den Abstufungen des jeweils verwirklichten Unrechts als sachgerecht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich im Falle der vorsätzlichen im Vergleich zur leichtfertigen Herbei124 Anders Cantzier, JA 1999,474,477 f., der zwar bei § 306 und § 306a I StGB "wegen des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes" zu Idealkonkurrenz kommt (S. 475), hier aber trotz des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes offenbar § 306d Var. I als verdrängt ansehen will.
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
führung des Todeserfolgs aus den §§ 306 ff. die gleiche Strafdrohung von 10 Jahren Freiheitsstrafe im Mindestmaß ergibt. Denn zum einen erscheint bei derart hohen Strafrahmen angesichts des Höchstmaßes der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren (§ 3811) eine weitere Erhöhung des Mindestmaßes (etwa auf 12 Jahre) für die vorsätzliche Todesherbeiführung wenig sinnvoll. Zum anderen kann die vorsätzliche Tötung zusätzlich über die idealkonkurrierenden §§ 212, 211 erfaßt werden. Subj. Tatseite hinsichtlich Gefahr nach § 306a II Subj. Tatseite hinsichtlich Todeserfolg nach § 306c
Fahrlässigkeit / Leichtfertigkeit
Vorsatz
Vorsatz
Leichtfertigkeit
Leichtfertigkeit
Vorsatz
§ 306c (mind. 10 Jahre)
§ 306c (mind. 10 Jahre) [+ vors. Tötungsdeliktj
§ 306d I Var. 3 Strafdrohung aus §§ 306ff. (Geldstrafe bis 5 Jahre) bei eigenem Tatobjekt
§§ 306d I Var. 3 § 306c § 306c Strafdrohung aus (Geldstrafe bis 5 Jahre) (mind. 10 Jahre) in (mind. 10 Jahre) in §§ 306ff. in Tateinheit mit § 306 Tateinheit mit § 306 Tateinheit mit § 306 (I bis 10 Jahre) (mind. I Jahr) bei fremdem Tatobjekt (mind. I Jahr) [+ vors. Tötungsdeliktj
Abbildung 4: Zur Einordnung des § 306c
Damit erweist sich die Einordnung der §§ 306a - 306c als gegenüber der einfachen Brandstiftung selbständige Delikte nicht nur aufgrund der Herleitung über das Kriterium des unterschiedlichen Rechtsgüterschutzes, sondern auch im Hinblick auf die hieraus resultierende Strafdrohung im Einzelfall als stimmig.
C. Folgen der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt Entgegen der ganz h.M. wird v.a. von Radtke vertreten, daß es sich bei der einfachen Brandstiftung nach § 306 zwar auch um ein Verletzungs-, daneben aber um ein ("höchst") abstraktes Gefahrdungsdelikt handele, welches nicht allein den Schutz des Eigentums am Tatobjekt, sondern damit kombiniert auch den von Leben und Gesundheit anderer Menschen sowie von Eigentum jenseits des Tatobjektes bezwecke. 125 Legte man nun Radtkes Ansatz und nicht den der ganz überwiegenden Ansicht den obigen Überlegungen zugrunde, so würde dieser der eindeutigen Einordnung 125 Radtke, Dogmatik, S. 372 ff.; ders., ZStW llO (1998), 856, 861. Vgl. auch Kratzseh, JuS 1994,372,378 und JR 1987,360,364 zu § 308 a.F.
C. Folgen der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt
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der §§ 306a bis 306c als gegenüber der einfachen Brandstiftung selbständige Delikte entgegenstehen. Dann wäre es nämlich nicht der Fall, daß jeweils unterschiedliche Rechtsgüter geschützt würden. Zum Schutz von Leib und Leben durch die §§ 306a bis 306c käme bei § 306 lediglich das Schutzgut Eigentum hinzu. Das oben gefundene Kriterium zur Abgrenzung unselbständiger Abwandlungen von delicta sui generis führte hier somit nicht weiter. Es erschiene eher noch plausibel, aufgrund des teilweise gleichgerichteten Schutzzwecks, zumindest § 306b I, § 306c und auch § 306a 11, die direkt auf § 306 verweisen, als unselbständige Qualifikationen der einfachen Brandstiftung zu begreifen. 126 So könnte man bei § 306a 11 die Verdichtung einer bereits in § 306 angelegten "höchst" abstrakten Gefahr für Leib und Leben anderer zu einer konkreten Gesundheitsgefahr als qualifizierenden Umstand werten. Bei § 306b I und § 306c läge die Qualifizierung in der Verwirklichung der "höchst" abstrakten Gefahr im Taterfolg, namentlich in der schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen, der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen oder dem Tod eines anderen Menschen. Bilden die §§ 306a 11, 306b I und 306c aber (unselbständige) Qualifikationen der einfachen Brandstiftung, so ergäben sich hinsichtlich der Strafdrohung teilweise unbillige Ergebnisse oder gar unlösbare Widerspriiche. Im Fall der vorsätzlichen sachbeschädigenden Brandstiftung (Strafdrohung: 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe) nämlich würde sich bei zusätzlicher fahrlässiger Gesundheitsgefahrdung der Strafrahmen gern. § 306d I Var. 3 i. V.m. § 306a 11 tatsächlich auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verringern. Denn anders als bei der Annahme jeweils selbständiger Delikte ist bei der Einordnung des § 306a 11 als Qualifikation des § 306 eine Verurteilung wegen idealkonkurrierender einfacher Brandstiftung nicht möglich. Hier bildete § 306d I Var. 3 i. V.m. § 306a 11 die speziellere Regelung, so daß § 306 verdrängt würde. Auch hinsichtlich der §§ 306b I und 306c käme es teilweise zu nicht angemessenen Ergebnissen, wenn diese Vorschriften als Qualifikationen der einfachen Brandstiftung aufgefaßt würden. Bei vorsätzlichem Inbrandsetzen eines fremden Tatobjekts i. S. d. § 306 I Nr. 1 bis 6 und hierdurch verursachter schwerer Gesundheitsschädigung oder hierdurch herbeigeführtem Tod eines anderen Menschen käme wegen der Verdrängungswirkung des § 306b I bzw. des § 306c allein eine Bestrafung wegen besonders schwerer Brandstiftung bzw. Brandstiftung mit Todesfolge in Frage. Die Eigentumsverletzung mittels Brandlegung bliebe beim Strafausspruch unberiicksichtigt, so daß es letztlich keine Rolle spielte, ob der Tater ein eigenes oder ein fremdes Gebäude in Brand setzt. Selbst wenn man in § 306 ein ,,höchst" abstraktes Geflihrdungsdelikt sehen will, so bleibt es daneben doch zumindest auch Verletzungsdelikt, welches den Schutz vor Eigentumsverletzungen bezweckt. Diese Sachbeschädigungskomponente aber einfach "unter den Tisch fallen" zu lassen, scheint nicht im Willen des Gesetzgebers gelegen zu haben.
126
So konsequent Radtke, Dogmatik, S. 311 f.
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Zweifelhaft ist auch, ob bei einer Deutung des § 306 als abstraktes Gefährdungsdelikt einer Einwilligung durch den Eigentümer des für den Täter fremden Tatobjekts noch rechtfertigende 127 Wirkung zukommen kann. 128 Denn anders als das Eigentum am Tatobjekt unterliegen darüber hinaus geschützte Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Menschen sowie Eigentum jenseits des Tatobjekts nicht der Disposition des einwilligenden Eigentümers. Radtke will dennoch das Inbrandsetzen fremder Tatobjekte i. S. d. § 306 als gerechtfertigt ansehen, wenn der Eigentümer hierin einwilligt. Er begründet dies damit, daß sich der Unrechtsgehalt der einfachen Brandstiftung aus dem (kumulativen) Vorliegen von Eigentumsverletzung und genereller Handlungsgefährlichkeit ergebe. Sobald das Unrecht der Eigentumsverletzung durch Einwilligung des Eigentümers aufgehoben sei, käme eine Bestrafung wegen einfacher Brandstiftung nicht mehr in Betracht, da das volle Unrecht des § 306 durch den Täter nicht verwirklicht worden sei. Dabei führte die fehlende Dispositionsbefugnis hinsichtlich der generellen Gefährlichkeit der Handlung nicht zur Unbeachtlichkeit der Einwilligung des Eigentümers. 129 Die Sichtweise Radtkes, den Unrechtsgehalt des § 306 gleichsam als Schnittmenge der Rechtsgüter Eigentum am Tatobjekt auf der einen, sowie Leib und Leben anderer Menschen auf der anderen Seite zu erblicken, führt auf den ersten Blick in der Tat zu dem Schluß, daß Handlungen, die nicht in diesem Schnittmengenbereich liegen, auch nicht nach § 306 zu bestrafen sind. Die Zweifelhaftigkeit dieses Ansatzes wird jedoch deutlich, wenn man einen Vergleich zu den hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes ähnlich strukturierten Tatbeständen der falschen Verdächtigung (§ 164) und der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c) zieht. Auch bei § 164 wird neben dem Individualrechtsgüterschutz (Schutz des einzelnen vor unbegründeten Zwangsmaßnahmen der Staatsgewalt) auch der Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit (inländische staatliche Rechtspflege) bezweckt. l3o 127 Radtke geht mit der h.M. von der rechtfertigenden Wirkung der Einwilligung aus. Vgl. zur Gegenansicht, die mangels Rechtsgutsverletzung bereits den jew. Tatbestand entfallen lassen will, Roxin, AT I, § 13 Rdnr. 12 ff.; Schmidhäuser, FS für Geerds, S. 593; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61. 128 Für rechtfertigende (bzw. tatbestandsausschlieBende) Wirkung der Einwilligung bei § 306 die einhellige Ansicht im Schrifttum: Lackner / Kühl, § 306 Rdnr. 1; Tröndle / Fischer, § 306 Rdnr. 12; SKI Horn, § 306 Rdnr. 9; Geppert, Jura 1998,597,598; Rengier, JuS 1998, 397,398. Zu § 308 I a.F.: SchI SchI Cramer, 25. Aufl., § 308 Rdnr. l4a. 129 Radtke, Dogmatik, S. 382, der jedoch die Folgerung von Wanjeck, GS 31, (1879), 1, 27, daß bei der Einordnung der einfachen Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt eine Einwilligung des Eigentümers unbeachtlich sei, als konsequent bezeichnet, S. 377. 130 BGHSt 5,66,68; 14,240,244; 18,333; Geilen, Jura 1984, 251 f.; SchISchI Lenckner, 25. Aufl., § 164 Rdnr. 1 f.; Lackner/Kühl, § 164 Rdnr. 1; Tröndle/Fischer, § 164 Rdnr. 2; Wessels/Hettinger, BT 1, Rdnr. 688; die abweichende Auffassung will dem Individualschutzgedanken keine eigenständige Bedeutung zukommen lassen, da es sich insoweit nur um einen "Schutzreflex" aus der Schutzgut der staatlichen Rechtspflege handle, vgl. SKI Rudolphi, § 164 Rdnr. 1 f. mwN.; zur Individualgüterschutztheorie: Hirsch, ZStW 89 (1977), 930 ff.; NK-Vonnbaum, § 164 Rdnr. 10.
c. Folgen der Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt
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Ware hier eine Bestrafung wegen falscher Verdächtigung ausgeschlossen, wenn der zu Unrecht Verdächtigte einwilligt, so würde die durch dessen Zustimmung ja noch verstärkte Irreführung der Behörden strafrechtlich nicht erfaßt. Deshalb geht die h.M. zu recht nicht davon aus, daß sich das Unrecht der Tat kumulativ aus der Individualrechtsguts- und der Allgemeinrechtsgutsverletzung ergebe, sondern bereits eine Bestrafung möglich ist, wenn alternativ eines der geschützten Rechtsgüter verletzt wird. I3I Deutlicher noch wird die Problematik des "Schnittmengenansatzes" Radtkes, wenn man diesen auf § 315c überträgt. Würde man im Rahmen der Straßenverkehrsgefabrdung kumulativ die Verletzung der nach h.M. 132 geschützten Rechtsgüter der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder des Eigentums einzelner verlangen, so wäre eine Bestrafung desjenigen, der massiv die allgemeine Sicherheit des Straßenverkehrs gefabrdet, bei Vorliegen einer Einwilligung eines tatsächlich Verletzten bzw. konkret Gefabrdeten ausgeschlossen. Im Ergebnis könnte damit ein einzelner über das mitgeschützte allgemeine Rechtsgut der Verkehrssicherheit verfügen. Um dieses Resultat zu vermeiden, geht die h.M. zu recht von einer Strafbarkeit nach § 315c StGB aus, auch wenn eine Einwilligung des Gefabrdeten vorliegt. 133 Der exemplarische Vergleich mit § 164 und § 315c zeigt zumindest, daß die Prämisse, die Radtke seiner Folgerung zugrundelegt, nämlich daß sich das Unrecht der einfachen Brandstiftung kumulativ aus der Verletzung des Eigentums am Tatobjekt und der Gefährdung von Leben, Gesundheit anderer Menschen oder Eigentum jenseits des Tatobjekts ergebe, keineswegs zwingend ist. Genauso naheliegend erscheint es, die Argumentation der h.M. zu § 315c heranzuziehen und die Möglichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung bei § 306 zu versagen, weil sonst einzelne (Eigentümer eines in Frage kommenden Tatobjekts) faktisch über Rechtsgüter der Allgemeinheit verfügen könnten. Hiergegen mag man einwenden, der Tatbestand der einfachen Brandstiftung schütze primär vor Eigentumsverletzungen und erst in zweiter Linie andere, durch die Inbrandsetzung ,,höchst" abstrakt gefährdete Rechtsgüter. Wird hieraus aber der Schluß gezogen, daß bei einer Einwilligung in die Eigentumsverletzung die durch die Inbrandsetzung hervorgerufene Gefährdung anderer Rechtsgüter vernachlässigbar sei, so setzt man sich freilich in Widerspruch zu der Forderung, § 306 überhaupt erst zum abstrakten Gefabrdungsdelikt zu erheben. Können nämlich Gefabrdungen allgemeiner Rechtsgüter, die 131 BGHSt 5,66,68; BGH NJW 1952, 1385; Geilen, Jura 1984,251 f.; SchI SchI Lenckner, 25. Aufl., § 164 Rdnr. 1 f.; LacknerlKühl, § 164 Rdnr. 1; TröndlelFischer, § 164 Rdnr. 2 132 BGH NJW 1989, 1227, 1228 und 2550 mit Anm. Geppen, NStZ 1989, 321 sowie Becker, NStZ 1990, 125; Seier, NZV 1990, 129, 130; Küpper, BT 1, § 5 Rdnr. 35; Lacknerl Kühl, § 315c Rdnr. 1; krit.: TröndlelFischer, § 315c Rdnr. 2; Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 315c Rdnr. 43. 133 BGHSt 6,232,234; OLG Stuttgart NJW 1976, 1904; LacknerlKühl, § 315c Rdnr. 32; WesselslHettinger, BT 1, Rdnr. 993; a.A.: Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 315c Rdnr. 43 mwN.
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lediglich als Nebenwirkung der Verletzung des (eigentlich) geschützten Rechtsguts Eigentum auftreten, "unter den Tisch fallen", so liegt eben ein bloßes Verletzungsdelikt vor. Gegen den Ansatz Radtkes spricht ein weiteres: Wäre der Unrechtsgehalt der einfachen Brandstiftung tatsächlich nur bei kumulativem Vorliegen einer Eigentumsverletzung und der ("höchst abstrakten") Gefährdung von Rechtsgütern jenseits des Tatobjekts verwirklicht, so läge es zumindest nicht fern, eine Bestrafung nach § 306 auch dann auszuschließen, wenn der Täter zwar vorsätzlich ein fremdes Tatobjekt i. S. d. § 306 in Brand setzt (und damit sämtliche Tatbestandsmerkmale der Norm verwirklicht [!]), aber Vorkehrungen getroffen hat, die eine Gemeingefahr mit Sicherheit ausschließen (bspw. beim Inbrandsetzen einer freistehenden, einräumigen Holzhütte auf betoniertem Grund, nachdem sich der Täter vergewissert hat, daß sich "weit und breit" keine Menschen aufhalten). 134 Radtke versucht, die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung, trotz der Annahme eines (,,höchst") abstrakten Gefährdungsdelikts, mit der Konstruktion einer Art Auffangfunktion durch § 306a 11 zu stützen. Für den Fall des Eintritts einer konkreten Gesundheitsgefahr werde der Täter, der wegen der Einwilligung des Eigentümers nicht wegen einfacher Brandstiftung bestraft werden könne, eben nach § 306a 11 bestraft. 135 Dieser Umstand ist nicht zu bestreiten, allerdings kommt § 306a 11 dadurch noch keine Auffangfunktion zu. Denn im Fall einer lediglich (höchst) abstrakten Gefährdung greift § 306a 11 ja gerade nicht. Willigt der Eigentümer also in die Inbrandsetzung seines Tatobjekts ein und bleibt es gleichzeitig bei der (höchst) abstrakten Gefährdung, so käme trotz dieser Gefährdung, die der einfachen Brandstiftung ja innewohnen soll, eine Bestrafung aus § 306a 11 nicht mehr in Frage. Handelt es sich auch nicht um ein Tatobjekt i. S. d. § 306a I, so scheidet auch eine Bestrafung nach dieser Vorschrift aus.
Die vorstehenden Betrachtungen zeigen, daß die Einordnung der einfachen Brandstiftung als Gefährdungsdelikt bzw. als "Kombinationsdelikt", dessen Unrechtsgehalt sich zumindest auch aus einer generellen Gemeingefährlichkeit ergibt, gegenüber der Einordnung als bloßes Verletzungsdelikt sowohl hinsichtlich der Strafdrohung im Einzelfall als auch bzgl. der Frage, ob eine rechtfertigende Einwilligung möglich ist, weitreichendere Probleme nach sich zieht. Bevor aber eine Entscheidung erfolgen kann, welcher der beiden Einordnungsmöglichkeiten richtigerweise zu folgen ist, sind insoweit taugliche Abgrenzungskriterien zu finden.
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Vgl. zur Möglichkeit einer teleologischen Reduktion bei § 306a unter: 3. Kap. B. I. I. Radtke. Dogmatik, S. 383.
D. Die Einordnung als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt
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D. Die Einordnung als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt Daß es sich bei der einfachen Brandstiftung zumindest auch um ein Verletzungsdelikt handelt, ist nicht von der Hand zu weisen. Eindeutig stellt § 306 auf die Inbrandsetzung fremder Tatobjekte und damit auf die Verletzung eines bestimmten Angriffsobjekts und des Rechtsguts Eigentum ab. 136 Einzig fraglich kann daher sein, ob § 306 daneben als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen ist.
I. Die systematische Stellung der einfachen Brandstiftung und der Vergleich mit den §§ 305, 305a StGB. Dafür spricht zunächst die Verortung der einfachen Brandstiftung im 28. Abschnitt, der die gemeingefährlichen Straftaten beinhaltet. Soweit man § 306 lediglich als Verletzungsdelikt, welches den Schutz des Eigentums am Tatobjekt bezweckt, begreifen will, wäre die Ansiedlung der Vorschrift im 27. Abschnitt bei den Sachbeschädigungsdelikten freilich stimmiger gewesen. Allein aus der systematischen Stellung aber eine Gemeingefahr in § 306 hineininterpretieren zu wollen, erscheint verfehlt. Angesichts der jeweils identischen Tathandlung des Inbrandsetzens bzw. Zerstörens durch Brandlegung sowohl bei der einfachen als auch der schweren und besonders schweren Brandstiftung entbehrt die Regelung der §§ 306 ff. innerhalb eines gemeinsamen Abschnitts ja nicht jeglichen sachlichen Grundes. 137 Als gewichtiges Argument gegen die Einordnung der einfachen Brandstiftung als qualifizierten Fall einer Sachbeschädigung und damit als "bloßes" Verletzungsdelikt führt Radtke im Hinblick auf das Strafmaß den Vergleich mit § 305 (Zerstörung von Bauwerken) und 305a (Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel) an. 138 Augenscheinlich ist es nicht mit dem Grundsatz unrechts- und schuldangemessenen Strafens zu vereinbaren, wenn § 305 und § 305a jeweils Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (im Mindestmaß gern. § 40 I: fünf Tagessätze) androhen, die Sachbeschädigung durch Inbrandsetzung oder Brandlegung nach § 306 aber einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren eröffnet. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß für die Verwirklichung der §§ 305, 305a die Eigentumsbeeinträchtigung weiter reichen muß als bei § 306. Genügt bei der einfachen Brandstiftung das selbständige Brennen eines wesentlichen Gebäudeteils (welches nicht notwendig auch die (teilweise) Zerstörung eines Tatobjekts nach sich zieht), so ist bei den §§ 305, 305a zumindest erforderlich, daß wesentliche, funktionell selbständige Bestandteile des Tatobjekts unbrauchbar gemacht worden sind. 139 Allerdings ergibt 136 Zum Begriff des Verletzungsdelikts: Blei, AT, S. 82; Kuhlen, ZStW 105 (1993),697, 713 ff.; Lacknerl Kühl, Vor § 13 Rdnr. 32; Roxin, AT, § 10 Rdnr. 122. 137 MaurachlSchroederlMaiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 3. 138 Radtke, Dogmatik, S. 373 f.; ders., ZStW 110 (1998),848,857.
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sich hieraus nicht, daß der Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt bei der Zerstörung von Bauwerken "regelmäßig" höher ausfällt als bei der einfachen Brandstiftung. 140 So reicht bspw. die Wegnahme eines Brückengeländers oder die bloße Zerstörung von Türen und Fenstern u.U. für eine Bestrafung nach § 305 bereits aus. 141 Freilich fällt die aufgezeigte Diskrepanz bei der Strafdrohung ins Auge. Aus dem Vergleich der §§ 305, 305a mit § 306 aber den Schluß zu ziehen, die einfache Brandstiftung schütze neben dem Eigentum am Tatobjekt noch weitere Rechtsgüter, erscheint keineswegs zwingend. Denn das angedrohte Strafmaß allein steht ja nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Schutzrichtung des jeweiligen Delikts. So käme niemand auf die Idee, aus einer Anhebung der Strafdrohung bei der Körperverletzung nach § 223 den Schluß zu ziehen, es handle sich nicht mehr um ein bloßes Verletzungs-, sondern daneben um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Selbst wenn die Strafdrohung im Einzelfall als überhöht erscheinen mag, so ist doch der gesetzgeberische Wille bis zu einem gewissen Maß zu akzeptieren. Die insoweit zu beachtende Grenze ist durch das verfassungsmäßig verankerte Schuldprinzip und nicht durch vereinzelte Billigkeitserwägungen gezogen. Dabei ist es keineswegs der Fall, daß der gravierende Unterschied zwischen der Strafdrohung des § 306 und der der §§ 305, 305a bei einer Einordnung der einfachen Brandstiftung als bloßes Verletzungsdelikt nicht zu erklären wäre. Wie schon dargelegt bringt die Zerstörung von Bauwerken eben nicht "regelmäßig" eine intensivere Einwirkung auf das Tatobjekt als eine Brandstiftung mit sich. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Während bei §§ 305, 305a die Zerstörung regelmäßig nicht über den unmittelbaren Wirkungseffekt der konkreten Tathandlung oder des Tatmittels hinausgeht, ist das Inbrandsetzen stets geeignet, das gesamte Tatobjekt vollständig zu zerstören, und damit die denkbar intensivste Form der Einwirkung auf fremdes Eigentum herbeizuführen. So führt die Wegnahme eines Brückengeländers eben lediglich zu dessen Fehlen. Ein weiterer Schaden ist von vornherein nicht zu befürchten. Das Zerschlagen von Fenstern und Türen ist ebenfalls apriori nicht geeignet, die Benutzung eines Bauwerks im gesamten auszuschließen. Selbst der Abriß eines Hauses ist nicht anders zu beurteilen. Hier ist die einzelne Handlung allein (einzelner Schlag der Abrißbirne gegen die Außenwand) ebenfalls nicht geeignet, das Gebäude komplett zu zerstören. Ist hingegen ein wesentlicher Gebäudeteil vom Täter in der Weise entzündet worden, daß er selbständig fortbrennen kann, so besteht von vornherein die Gefahr der vollständigen Zerstörung des Tatobjekts. Diese Überlegungen sind keineswegs lediglich abstrakt zu begründen. So entstehen tatsächlich aus einer verhältnismäßig geringen Zahl von Brandstiftungen immense Schadenssummen. 142 Damit läßt sich die hohe Strafdrohung für den 139 SKI Hoyer, § 305 Rdnr. 4; Lacknerl Kühl, § 305 Rdnr. 3 u. § 305a Rdnr. 4; Trändlel Fischer, § 305 Rdnr. 2. 140 So aber Radtke, Dogmatik. S. 373. 141 Vgl. diese und weitere Einzelfälle bei LK-Wo!ff, § 305 Rdnr. 2.
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Regelfall der einfachen Brandstiftung auch dann durchaus nachvollziehen, wenn man in § 306 lediglich den qualifizierten Fall einer Sachbeschädigung erblickt. Einzelfällen, in denen ein Bestrafung nach § 306 I in der Tat unbillig erscheinen würde, wurde durch die Möglichkeit der Bestrafung wegen eines minder schweren Falles in Abs. 2 Rechnung getragen. Verursacht das Feuer also lediglich geringfügige Beschädigungen am Tatobjekt, etwa wenn lediglich die Eingangstür eines Gebäudes abbrennt l43 , ohne daß das Feuer auf andere Gebäudeteile übergreift, so kann die Strafdrohung über § 306 11 abgemildert werden. Denn bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, sind sämtliche tatrelevanten Umstände und damit auch die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beTÜcksichtigen. l44 Aus dem Vergleich des § 306 mit den §§ 305, 305a Rückschlüsse auf die abstrakte Gefährlichkeit (lediglich) der einfachen Brandstiftung zu ziehen, begegnet noch aus einem weiteren Grund Bedenken. Wenn nämlich § 306 nur deshalb als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnen sein soll, weil im Einzelfall auch andere Rechtsgüter als das Eigentum am Tatobjekt betroffen sein könnten, dann spräche nichts dagegen, auch für die §§ 305, 305a eine solche Einordnung vorzunehmen. Auch bei der Zerstörung von Bauwerken bzw. wichtiger Arbeitsmittel werden regelmäßig Fälle auftreten, die die Gefährdung von Rechtsgütem jenseits des Eigentums am Tatobjekt mit sich bringen. Insbesondere bei der Zerstörung von Wohngebäuden durch andere Tathandlungen als der Inbrandsetzung kommt regelmäßig die Gefährdung von Leib und Leben anderer Menschen in Betracht. Auch ist nicht nachzuvollziehen, daß im Fall des Anzündens eines mit Benzin übergossenen Betongebäudes, bei dem ein Inbrandsetzen und auch ein Zerstören durch Brandlegung nicht vorliegt, keine abstrakte Gefährdungslage herbeiführen soll, während dies bejaht werden müßte, wenn wesentliche Gebäudeteile selbständig brennen. Die Gefährdungslage für Leib und Leben anderer ist in beiden Fällen in gleichem Maße gegeben. Bisher ist allerdings noch niemand auf den Gedanken gekommen, die §§ 305 und 305a deshalb als abstrakte Gefährdungsdelikte einzuordnen. Aus einem Vergleich der einfachen Brandstiftung mit den §§ 305, 305a kann nach alledem - auch im Hinblick auf die in erheblichem Maße unterschiedliche Strafdrohung - nicht darauf geschlossen werden, daß es sich bei § 306 (zumindest auch) um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.
142 Beispielsweise führten lt. Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorn 16.7. 1981 in der ersten lahreshälfte 1981 allein im Stadtgebiet von Frankfurt 1098 Brände zu einern Schaden i.H.v. fast 52 Millionen DM; zitiert nach Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 86 Fn. 86. 143 Die Eingangstür eines Gebäudes ist für den bestirnrnungsgemäßen Gebrauch der Räumlichkeit von wesentlicher Bedeutung und stellt deshalb einen wesentlichen Teil des Gebäudes dar. Bei dessen selbständigem Fortbrennen ist das Merkmal des Inbrandsetzens erfüllt. Vgl. BGHSt 20,247; Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 9. 144 BGHSt 26, 97, 98; Tröndle / Fischer, § 46 Rdnr. 42.
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11. Die Materialien zum preußischen StGB und das ältere Schrifttum
Neben dem Strafrahmenvergleich mit den §§ 305, 305a, zieht Radtke die Materialien zum StGB für die preußischen Staaten von 1851 sowie Teile des älteren Schrifttums zur Begriindung seines Ansatzes heran. 145 So wurde § 286 des preuß. StGB 146 teilweise als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz fremden Eigentums jenseits des Tatobjekts begriffen, da der Gesetzgeber die Vermutung des Eintritts einer gemeinen Gefahr mit dem Inbrandsetzen eines fremden Tatobjekts unmittelbar verbunden hätte. 147 Während Goltdammer dies nur für eine Gruppe der aufgeführten Tatobjekte (Waldungen, Torfmoore, Friichte auf dem Felde, Bergwerke) annahm l48 , sah Wanjeck eine gemeine Gefahr für fremdes Eigentum beim Inbrandsetzen eines jeden der aufgeführten Tatobjekte als gegeben an. 149 Auch das Preußische Obertribunal gelangte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1858 zu der Ansicht, daß "das Gesetz [ ... ] in den §§ 285, 286 solche Gegenstände genannt [hat], mit welchen es, vermöge ihrer Eigenschaft, die Vermuthung der Gefahr für Menschenleben (§ 285) oder für Eigenthum (§ 286) als einer offenkundigen verbindet [ ... ]".150 Daß die Gemeingefahr in § 286 preuß. StGB nicht expressis verbis normiert war, wurde mit der Orientierung des Gesetzgebers an § 285 preuß. StGB (Brandstiftung mit abstrakter Gefahr für Menschen durch Anzünden von Wohnungen oder Aufenthaltsorten von Menschen; entspricht § 306a n.F.) begriindet, der ebenfalls eine ausdrückliche Normierung der Gemeingefahr nicht enthielt. 151 Dem Einwand, daß die Beschränkung auf täterfremde Tatobjekte nicht zur Einordnung der einfachen Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt passe, wurde die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB entgegengehalten: In den dem letzten Entwurf vorausgegangenen Entwürfen der Vorschrift von 1843, 1845 und 1847 wurde allein das Anzünden der aufgezählten Tatobjekte - ohne daß es dabei auf die Eigentumsverhältnisse bezüglich dieser ankam - als strafwürdig erachtet, sofern dadurch eine Gemeingefahr für fremdes Eigentum eingetreten war. 152 Erst nach mehreren Hinweisen auf bestimmte Gepflogenheiten in der Radtke, Dogmatik, S. 376 ff. § 286 preuß. StGB sah Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren für denjenigen vor, der "vorsätzlich Schiffe, Gebäude, Hütten, Bergwerke, Magazine, Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- oder Brennmaterialien, Friichte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore, welche fremdes Eigentum sind, in Brand steckt." 147 Zur Präsumtionstheorie, die den Eintritt eines Gefahrerfolgs bzw. die Gefährlichkeit der Handlung im Einzelfall für eine Bestrafung des Täters erforderlich hält und deshalb zur Konstruktion einer Vermutung oder gar einer Fiktion greift, vgl. Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff. 148 Goltdammer, Materialien 11, S. 644. 149 Wanjeck, GS 31 (1879), 1,25 f. 150 Urteil des Plenums des Preußischen Ober:=Tribunals, bei Goldtdilmmer, GA 6 (1858), 307,336 ff., 337. 151 Wanjeck, GS 31 (1879), 1,24 Fn. *. 152 Goltdammer, Materialien, S. 643 f. 145
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Landwirtschaft, wonach bspw. die Inbrandsetzung eines Waldes zur Bekämpfung des Raupenfraßes oder die Inbrandsetzung von Heidekraut und Torf als Kulturmittel üblich sei, entstand die Beschränkung auf fremde Tatobjekte. 153 Aus den vertretenen Ansichten zu § 286 preuß. StGB nun Schlüsse auf die einfache Brandstiftung in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes zu ziehen, erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn § 286 des preuß. StGB, wie auch § 308 Alt. 1 des Reichsstrafgesetzbuchs von 1871, haben mit der Vorschrift des § 306 n.P. zumindest eines gemeinsam: Jeweils ist die Fremdheit des in Brand gesetzten Tatobjekts vorausgesetzt. So überträgt Radtke dann auch die Grundgedanken Goltdammers und Wanjecks auf § 306 n.p' 154, sieht aber - anders als diese - keinen Grund, die Gemeingefahr lediglich auf Eigentum jenseits des Tatobjekts zu begrenzen, da sich hierfür aus den "tatbestandlichen Strukturen" der einfachen Brandstiftung keine Anhaltspunkte ergäben. So folge bei der schweren Brandstiftung nach § 306a I Nr. 1 oder der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c die Ausklammerung des Eigentums aus dem Schutzzweck der Vorschriften aus der Bestimmung der Tatobjekte nach der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung bzw. dem Tod eines anderen Menschen. Eine solche Begrenzung des Schutzzwecks sei hingegen bei der einfachen Brandstiftung aus deren "tatbestandlicher Struktur" nicht herleitbar, da die vom preußischen Gesetzgeber mit der Inbrandsetzung verbundene Gemeingefährlichkeit die Verbreitung des Feuers auf weitere Rechtsgüter intendiere und sich nicht lediglich auf das Eigentum anderer beziehe. Mitgeschützt seien deshalb auch die Rechtsgüter Leben und Gesundheit anderer Menschen. 155 Problematisch erscheint diese Ausweitung des Schutzzwecks der einfachen Brandstiftung, weil Radtke dabei offenbar deren Beschränkung auf fremde Tatobjekte nicht zu den "tatbestandlichen Strukturen" rechnet. Hieraus ließe sich doch zwanglos die Einschränkung einer bei der Inbrandsetzung auftretenden Gemeingefahr auf fremdes Eigentum herleiten. Daß es für die schwere Brandstiftung bzw. die Brandstiftung mit Todesfolge auf die Verletzung fremden Eigentums nicht ankommt, ergibt sich schon daraus, daß die Tatbestände der §§ 306a I und 306c anders als § 306 - eben nicht die Fremdheit des Tatobjekts verlangen. Man kann dies freilich auch mit der "tatbestandlichen Struktur", nämlich dem Abstellen auf die ausgeübte Wohnnutzung (§ 306a Nr. 1) oder der Verursachung des Todes eines anderen Menschen (§ 306c) erklären. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, daß sich die "tatbestandliche Struktur" der einfachen Brandstiftung nach § 306 StGB aufgrund des Merkmals der Fremdheit eben von der des § 306a I oder des § 306c unterscheidet. Diesen "strukturellen" Unterschied allein mit der Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB erklären zu wollen 156, kann nicht befriediWanjeck, GS 31 (1879), 1,24. Dabei lehnt Radtke freilich die durch Goltdammer und Wanjeck vertretene Präsumtionstheorie (0. Fn. 147) als unzutreffend ab. 155 Radtke, Dogmatik, S. 379. 156 Radtke, Dogmatik, S. 379. 153
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gen. Denn es ist im Hinblick auf die anscheinend bezweckte Ausklammerung derjenigen Tathandlungen, die landwirtschaftlichen Gepflogenheiten entsprechen, nicht nachvollziehbar, warum einerseits die durch die Inbrandsetzung hervorgerufene Gemeingefahr generell strafrechtlich mit der Vorschrift der einfachen Brandstiftung erfaßt werden sollte, andererseits eine Bestrafung dann nicht erfolgen sollte, wenn das in Brand gesetzte Tatobjekt im Eigentum des Täters steht. Das Eigentum an der in Brand gesetzten Sache steht ja sachlich nicht in Zusammenhang mit dem Motiv der Inbrandsetzung. Wäre tatsächlich allein die Ausnahme landwirtschaftlich indizierter Handlungen aus dem Anwendungsbereich des § 286 preuß. StGB bezweckt gewesen, so hätte doch eine Regelung, die eben diese Handlungen als Ausnahmen erfaßt, näher gelegen, als die Beschränkung auf fremde Tatobjekte. Zudem erfaßt diese Beschränkung nicht lediglich Tatobjekte aus dem Bereich der Landwirtschaft, sondern auch Schiffe, Gebäude, Hütten, Bergwerke, Magazine sowie Baumaterialien, deren Inbrandsetzung weder unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft noch sonst tunIich erscheinen kann. Doch selbst wenn man als Motiv des preußischen Gesetzgebers allein die Beriicksichtigung landwirtschaftlicher Gepflogenheiten annehmen will, so kann hiermit die Beschränkung auf fremde Tatobjekte in § 306 n.F. nicht erklärt werden. Immer wieder hat der Gesetzgeber diese Beschränkung in seinen Willen aufgenommen, ohne auf die (landwirtschaftlich motivierten) Beweggriinde des Täters abzustellen. Im Gegenteil: Stets wurde die sachbeschädigende Komponente der einfachen Brandstiftung hervorgehoben. 157 Für die Schutzzweckbestimmung des § 306 n.F. die Auffassungen von Goltdammer und Wanjeck zu § 286 preuß. StGB heranzuziehen, erscheint noch aus weiteren Griinden zweifelhaft: Zum einen waren die Ansichten Goltdammers und Wanjecks keineswegs unbestritten. So ordnete bspw. Oppenhoff die Vorschrift des § 286 preuß. StGB als (gemeinschädliche) Sachbeschädigung ein, so daß es nach seiner Auffassung auf das tatsächliche Vorliegen einer Gemeingefahr nicht ankam und bei Einwilligung des Eigentümers eine Strafbarkeit entfiel. 158 Zum anderen legt der Umkehrschluß aus § 287 preuß. StGB nahe, daß es sich bei der einfachen, "unmittelbaren" Brandstiftung nach § 286 preuß. StGB um ein Sachbeschädigungsdelikt handelte. § 287 preuß. StGB bedrohte denjenigen, der "vorsätzlich eigene oder fremde Sachen, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, den in den §§ 285 [entspricht § 306a I n.F.] und 286 [entspricht § 306 n.F.] genannten Gegenständen das Feuer mitzuteilen, in Brand setzt" mit demselben Strafmaß wie die "unmittelbare" Brandstiftung nach § 286 preuß. StGB. Diese Regelung des § 287 preuß. StGB scheint freilich keinen Sinn zu ergeben, wenn die Gemeingefahr für Eigentum jenseits des in Brand gesetzten Tatobjekts bereits über § 286 erfaßt wäre. 159 157 158
Zuletzt im Rahmen des 6. StrRG, BT-Drs. 13 / 8587, S. 87. Vgl. Oppenhoff, StGB für die Preuß. Staaten, § 286 Anm. 8 und 13.
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Radtke begegnet diesem Einwand mit dem Hinweis darauf, daß die Tathandlungen nach § 287 preuß. StGB eine "deutlich höhere Wahrscheinlichkeit" der Verletzung von Rechtsgütern jenseits des Tatobjekts, aufwiesen, als bei der "gänzlich unspezifischen" Gefährlichkeit in § 286 preuß. StGB. Daß beide Vorschriften dennoch dasselbe Strafmaß vorsahen, erkläre sich damit, daß die "unmittelbare" Brandstiftung zusätzlich die Verletzung fremden Eigentums erforderte. Jedenfalls schließe die Regelung des § 287 preuß. StGB die Annahme, daß § 286 preuß. StGB auch Rechtsgüter außerhalb des unmittelbar in Brand gesetzten Tatobjekts schützt, nicht aus. l60 § 287 preuß. StGB normiert im Gegensatz zur "unmittelbaren" Brandstiftung die tatsächliche Eignung der Weiterverbreitung des Feuers auf andere Tatobjekte und fordert damit den Eintritt einer zumindest "konkreteren" Gemeingefahr als bei der unmittelbaren Brandstiftung, soweit denn dort eine solche Gefahr erfaßt wäre. Damit schließt § 287 preuß. StGB eine Deutung des § 286 preuß. StGB als gemeingefährliches Delikt in der Tat nicht aus. Naheliegend ist diese Deutung deshalb aber noch nicht. Plausibel erscheint es doch eher, in § 286 preuß. StGB die Sanktionierung einer bloßen Eigentumsverletzung zu erblicken, die mit demselben Strafmaß wie die Gefährdung von Rechtsgütern jenseits des unmittelbaren Tatobjekts in § 287 preuß. StGB bedroht ist.
Die Betrachtungen der Materialien zum preußischen StGB sowie des älteren Schrifttums sind nach alledem kaum geeignet, die These der Gemeingefährlichkeit der einfachen Brandstiftung gern. § 306 n.F. in zwingender Weise zu stützen. IH. Die typische Unbeherrschbarkeit des Feuers als Tatmittel Radtke begründet die Einordnung des § 306 (auch) als abstraktes Gefährdungsdelikt ferner mit der prinzipiell bestehenden Möglichkeit einer Ausdehnung des Feuers über das unmittelbar in Brand gesetzte Tatobjekt hinaus. Neben der Beschaffenheit der in § 306 aufgeführten Tatobjekte sei die generelle Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer die "Quelle der aus dem Inbrandsetzen der Objekte des § 306 Abs. 1 resultierenden generellen Gefährlichkeit". Hieraus ergebe sich die mögliche Verletzung von weiteren und anderen Rechtsgütern als dem Eigentum am Handlungsobjekt selbst. 161
Betrachtet man zunächst die Handlungsobjekte des § 3061 162, so zeigt sich, daß allein in deren Beschaffenheit kaum eine "Quelle genereller Gefährlichkeit" er-
So Geppert, FS für R. Schmitt, S. 187, 193. Radtke, Dogmatik, S. 380. 161 Radtke, Dogmatik, S. 380 f. und 57 ff. 162 Gebäude oder Hütten, Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen, Warenlager oder -vorräte, Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft-, oder Wasserfahrzeuge, 159
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
blickt werden kann. Denn sonst würden diese Tatobjekte Eigenschaften aufweisen, die die "Mittelung" der zerstörerischen Wirkkraft des Feuers auf andere Rechtsgüter in besonderem Maße nahelegen. So erfolgte etwa bei der schweren Brandstiftung nach § 306a I eine Auswahl der Tatobjekte 163 im Hinblick auf dieses Kriterium. Denn hierbei handelt es sich um Objekte, in denen sich Menschen typischerweise besonders häufig aufhalten, deren Inbrandsetzung also regelmäßig die Gefährdung von Leben und Gesundheit anderer mit sich bringt. Eine solche Typik läßt sich jedoch bei den Tatobjekten der einfachen Brandstiftung nach § 306 I nicht feststellen. 164 Offensichtlich ist dies bei den Tatobjekten der Nr. 5 und 6 des § 306 (Wälder, Heiden oder Moore; land- ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse), bei denen ein Erfahrungssatz, wonach sich typischerweise Menschen in oder an ihnen aufhielten, nicht existiert. Aber auch bei den übrigen Objekten der einfachen Brandstiftung ist eine solche Typik nicht ersichtlich. Freilich besteht zwar jederzeit die Möglichkeit, daß sich Menschen in Kraftfahrzeugen l65 , Betriebsstätten oder Gebäuden aufhalten, die keine Wohnräumlichkeiten sind. Typisch ist dies allerdings keineswegs. So ist im Gegenteil die Gefährdung von Rechtsgütern jenseits des Eigentums am Tatobjekt etwa bei abgestellten Kraftfahrzeugen, Betriebsstätten nach "Feierabend", oder Bürogebäuden zur Nachtzeit eher unwahrscheinlich. Hingegen kann die generelle Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer und eine hieraus resultierende, typischerweise auftretende Gemeingefährlichkeit nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Zur Unkontrollierbarkeit kommt die besondere Wirkkraft des Feuers, die der Täter ab einem gewissen, meist friihen Stadium des Brandes nicht mehr bestimmen und begrenzen kann, hinzu. 166 Zweifelhaft ist indes, ob sich aus der Unbeherrschbarkeit des Feuers als Tatmittel die Einordnung der einfachen Brandstiftung als "kombiniertes" Delikt (sowohl Verletzungs- als auch abstraktes Gefährdungsdelikt) herleiten läßt. Zur Klärung ist zunächst erforderlich, die Begriffe des "Verletzungs-" und des ,,(abstrakten) Gefährdungsdelikts" zu definieren. Bei den Verletzungsdelikten wird die Schädigung Wälder, Heiden oder Moore oder land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse. 163 Insb. Nr. 1: ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient; Nr. 3: eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen. 164 So auch Radtke, Dogmatik, S. 83 f.; ders., ZStW 110 (1998), 848, 856 Fn. 35: "Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht lediglich Spekulation sein anzunehmen, die Zusammenstellung des neuen Katalogs tauglicher Tatobjekte der einfachen Brandstiftung sei eher nach deren wirtschaftlichem Wert als nach der generellen Gemeingefährlichkeit ihres Inbrandsetzens erfolgt." 165 Radtke, Dogmatik, S. 371 f.: "Und von einer Gemeinschädlichkeit [ ... ] kann bei dem Brand eines Pkw selbst dann kaum gesprochen werden, wenn man die besondere Bedeutung des Autos als Instrument der Ausübung exzessiver individueller Fortbewegungsfreiheit in unserer Gesellschaft in Rechnung stellt." 166 Kratsch, JuS 1994,372,375; Radtke, Dogmatik, S. 57.
D. Die Einordnung als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt
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des geschützten Rechtsguts im Tatbestand vorausgesetzt. 167 Bei den Gefährdungsdelikten ist nach h.M. zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten zu unterscheiden. Dabei ist die Charakterisierung des abstrakten Gefährdungsdeliktes besonders problematisch, da sich bei den in Frage kommenden Delikten ein Tatbestandsmerkmal der "abstrakten Gefahr" nicht findet. 168 Nach überwiegender Ansicht in der Strafrechtswissenschaft liegt ein abstraktes Geflihrdungsdelikt vor, wenn in einem Straftatbestand ein lediglich typischerweise geflihrliches Verhalten unter Strafe gestellt ist, ohne daß im Einzelfall eine wirkliche Gefahr für ein durch die Stratbestimmung geschütztes Rechtsgutsobjekt eingetreten sein muß. 169 Anders als bei den Verletzungsdelikten wird nicht die Beschädigung eines Rechtsguts, sondern bereits die Herbeiführung einer Situation oder Vornahme einer Handlung bestraft, die der Beschädigung eines Rechtsguts typischerweise vorausgeht. Dabei reicht es für die Kennzeichnung als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht aus, wenn die konkrete tatbestandsmäßige Handlung im Einzelfall unter bestimmten Umständen und bezüglich irgendeines Objektes "irgendwie gefährlich" ist; der zu betrachtende Tatbestand muß das jeweils normierte Verhalten eben gerade wegen dieser Gefährlichkeit unter Strafe stellen. 170 Daß es sich beim Inbrandsetzen eines Tatobjektes nach § 306 I um ein typischerweise gefährliches Verhalten handelt, wurde bereits festgestellt. Das bedeutet nun aber noch nicht, daß § 306 dieses Verhalten gerade wegen seiner typischen Gefährlichkeit und nicht lediglich wegen der mit der Tatbestandsverwirklichung notwendig verbundenen Verletzung fremden Eigentums mit Strafe bedroht. Zwar trifft die Behauptung zu, jedes abstrakte Gefährdungsdelikt setze tatbestandlich eine geflihrliche Handlung oder die Herbeiführung eines gefährlichen Zustands voraus. Daraus läßt sich allerdings nicht im Umkehrschluß ableiten, daß jede tatbestandsmäßige Handlung, die typischerweise gemeingefährlich ist, automatisch zur Annahme eines abstrakten Gefährdungsdelikts führt. So kann bspw. die Begehung eines Mordes mit gemeingeflihrlichen Mitteln nicht die formelle Einordnung des § 211 11 Alt. 7 als (abstraktes oder konkretes) Geflihrdungsdelikt zur Folge haben. Zwar erhöht 167 JeschecklWeigend, AT, S. 263 f.; Lacknerl Kühl, Vor § 13 Rdnr. 32; Roxin, AT 1, § 10 Rdnr. 122; MaurachlZipf, AT 1, § 20 Rdnr. 29; Bohnert, JuS 1984, 182 und 183; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 24. 168 Hoyer, JA 1990, 183, 184; anders verhält es sich dagegen mit den konkreten Gefährdungsdelikten, wie etwa § 315c (Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert) oder § 325a II (Gesundheit eines anderen, dem Tater nicht gehörende Tiere oder fremde Sachen von bedeutendem Wert), die das gefährdete Rechtsgut benennen, vgl. Bohnert, JuS 1984, 182, 183. 169 Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 57; Blei, AT, S. 82; Fischer, GA 1989, 445; Geppert, Jura 1996,639,641; JeschecklWeigend, Al', S. 264; LacknerlKühl, Vor § 13 Rdnr. 32; Roxin, AT 1, § 10 Rdnr. 123; Sch/Sch/Cramer, 25. Aufl., Vorbem §§ 306 ff. Rdnr. 3; Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 27. Vgl. zur umstrittenen rechtspolitischen Legitimation der abstrakten Gefährdungsdelikte: Lacknerl Kühl, Vor § 13, Rdnr. 32 mwN.; und zur Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip: Bohnert, JuS 1984, 182, 184 f., Hoyer, JA 1990, 183, 184 ff. 170 Hoyer, JA 1990,183,184.
6 Liesching
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2. Kapitel: Die einfache Brandstiftung und die §§ 306a - 306c StGB
der qualifizierende Umstand der Gemeingefährlichkeit des Tötungsmittels den Unrechtsgehalt und rechtfertigt die Strafdrohung des § 211. 171 Der Kern des verwirklichten Unrechts liegt jedoch in der Vernichtung eines Menschenlebens, so daß der Mord mit gemeingefährlichen Mitteln Verletzungsdelikt bleibt, obwohl hierbei eine Handlung vorgenommen bzw. eine Situation geschaffen wird, die typischerweise der Beschädigung auch anderer Rechtsgüter als dem des tatsächlich Getöteten vorausgeht. Es zeigt sich also, daß allein aufgrund der Unbeherrschbarkeit des Feuers als Tatmittel und der daraus typischerweise resultierenden Gefährdung von anderen Rechtsgütern als dem des Eigentums am Tatobjekt selbst die einfache Brandstiftung nicht als (höchst) abstraktes Geflihrdungsdelikt eingeordnet werden kann. Die Einordnung hat vielmehr aufgrund einer "übergreifenden Sinndeutung" des Tatbestandes der einfachen Brandstiftung zu erfolgen. Es ist insoweit nicht auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale - insbesondere auf die Tathandlung oder das Tatobjekt - sondern auf den sich aus ihrer Summe ergebenen Sinngehalt und damit auf das durch die Vorschrift geschützte Rechtsgut abzustellen. 172 Damit ist augenscheinlich mit Blick auf die einfache Brandstiftung ein Punkt erreicht, an dem nur noch eine zirkuläre Argumentation möglich scheint: Mit der Behauptung, § 306 schütze nicht lediglich vor Verletzungen des Eigentums am Tatobjekt, sondern bezwecke zugleich den Schutz weiterer Rechtsgüter, ließe sich die Einordnung der Vorschrift als abstraktes Geflihrdungsdelikt begründen. Umgekehrt folgt eben erst aus einer Charakterisierung der einfachen Brandstiftung als Gefährdungsdelikt, daß nicht lediglich das Eigentum am Tatobjekt als Schutzgut des § 306 anzusehen ist. Ein Ausweg bietet folgende Überlegung: Angesichts des positiv normierten Tatbestandsmerkmals der Fremdheit des Tatobjekts, welches zunächst lediglich die Einordnung als (Eigentums-)Verletzungsdelikt impliziert, wäre eine Charakterisierung der Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt bloße Spekulation, wenn sich hierfür nicht noch andere Anhaltspunkte als die Gefährlichkeit der Tathandlung ergäben. 173 Allein aus einer solchen Spekulation Schlüsse auf die Zuordnung eines Tatbestandes zu einer bestimmten Deliktsgruppe zu ziehen, kann aber nicht zulässig sein, denn sonst müßte konsequenterweise jedes Delikt, welches tatbestandlich ein geflihrliche Handlung oder die Herbeiführung eines gefährlichen Zustandes voraussetzt, so bspw. der Mord mit gemeingefährlichen Mitteln, als (zumindest auch) abstraktes Geflihrdungsdelikt einzuordnen sein. Es sind deshalb aus 171 Zum MordmerkmaJ der Gemeingeflihrlichkeit des Tatmittels eingehend: Rengier, StV 1986,405 ff.; SKI Horn. § 211 Rdnr. 48 ff. 172 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 36 und 38; Maurach/Zipf, AT 1, § 20 Rdnr. 29 f.; Bohnert, JuS 1984, 182, 183, der insoweit von einem "Übertatbestand" spricht. 173 Vgl. Bohnert. JuS 1984, 182, 183: "Problematisch wird der Übertatbestand für den gesetzlichen Tatbestand erst, wo unter Verwerfung irgendeines ,Positivismus' der erstere den letzteren verändernd bestimmt. Dann verändert Spekulation das Recht."
D. Die Einordnung als Verletzungs- oder Gefahrdungsdelikt
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der Summe der Tatbestandsmerkmale weitere, über die Gefährlichkeit der Tathandlung hinausgehende Anhaltspunkte für die Bestimmung des geschützten Rechtsguts und die damit verbundene Einordnung eines Tatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt zu suchen. Insoweit führt Radtke die - von ihm schlüssig nachgewiesenen l74 - einheitlichen Strukturen der übrigen Brandstraftatbestände an, die aufgrund der typischerweise vorliegenden Unbeherrschbarkeit des Tatmittels, dessen hoher Wirkkraft und der Koppelung der Tathandlung an die Auswahl bestimmter Tatobjekte l75 sämtlich ein Gemeingefährlichkeitselement in sich trügen. Als "strukturkonform" - und damit als in den 28. Abschnitt der gemeingefährlichen Straftaten passend ließe sich die einfache Brandstiftung nur dann verstehen, wenn ihr eine über die Eigentumsverletzung hinausgehende Schutzrichtung zukäme. 176 Diese Überlegung mag zutreffen, unterscheidet sich aber im Kern nicht vom bereits dargestellten 177 Argument der systematischen Stellung des § 306, welches letztlich nicht durchschlagen kann, da die Regelung der einfachen Brandstiftung im 28. Abschnitt wegen der im Vergleich mit den §§ 306a- 306d identischen Tathandlung des Inbrandsetzens nicht gänzlich unplausibel erscheint. Auch die - auf die Äußerung des Bundesrates hin erfolgte - Gegenäußerung der Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, wonach der Brandstiftung nach § 306 I des Entwurfs (entspricht § 306 der geltenden Fassung) ein "Element der Gemeingefährlichkeit bzw. -schädlichkeit anhaftet,,178, bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, die einfache Brandstiftung als abstraktes Gefahrdungsdelikt einzuordnen. Denn im Satz zuvor wird festgestellt, daß § 306 I des Entwurfs - wie schon § 308 I Alt. 1 a.F. - einen Spezialfall der Sachbeschädigung darstellt. 179 Deshalb kann die Erklärung, auch der einfachen Brandstiftung hafte ein Element der Gemeingefährlichkeit an, allenfalls als Erläuterung des gesetzgeberischen Motivs gedeutet werden. ISO Ebenso wie beim Mord mit gemeingefährlichen Mitteln, so bewirkt das Gemeingefährlichkeitse1ement auch bei der einfachen Brandstiftung eine Unrechts steigerung, die die Strafdrohung legitimiert, aber keine Schlußfolgerung auf die Deliktsnatur zuläßt. So wie bei § 211 Alt. 7 der Kern des Unrechts in der Vernichtung eines Menschenlebens liegt, bildet bei § 306 I die Verletzung fremden Eigentums den Unrechtsschwerpunkt. Anderes läßt sich der Äußerung der Bundesregierung nicht entnehmen. Radtke, Dogmatik, S. 56 ff. Radtke, Dogmatik, S. 157 f. 176 Radtke, Dogmatik, S. 372, wobei Radtke hiergegen bestehende Bedenken wegen der Beschränkung auf fremde Tatobjekte durchaus berücksichtigt. 177 Vgl. oben 2. Kap. C. I. 178 BT-Drs. 13/8587, S. 87. 179 BT-Drs. 13/8587, S. 87. 180 So auch SKI Horn, § 306 Rdnr. 1. Nach Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 4 bleiben die Folgen der These des Gesetzgebers, dem § 306 hafte ein Element der Gemeingefahrlichkeit bzw. -schädlichkeit an, "im Dunkeln". 174 175
6*
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Zwingende, über die Gefährlichkeit der Tathandlung hinausgehende Anhaltspunkte für die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt sind damit nicht ersichtlich. Im Gegenteil sprechen weitere Gesichtspunkte eher für die Charakterisierung ausschließlich als Verletzungsdelikt. So legt die eindeutige Ausgestaltung der schweren Brandstiftung gern. § 306 a I als abstraktes Gefährdungsdelikt im Umkehrschluß nahe, daß nicht auch die einfache Brandstiftung gern. § 306 gerade die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung mit Strafe bedrohen soll. Hieran ändert auch die Bezeichnung der Gemeingefährlichkeit bei § 306 als "höchst abstrakt" nichts, die allenfalls geeignet ist, weitere Abgrenzungsprobleme (zwischen "höchst abstrakter" und "abstrakter" Gefahr) zu schaffen. Wenn § 306 neben dem Schutz von Leib und Leben anderer Menschen bzw. von Eigentum jenseits des Tatobjekts lediglich zusätzlich den Schutz vor Verletzungen des Eigentums am Tatobjekt bezweckte, so müßte doch konsequenterweise § 306 als auf § 306a I aufbauendes Delikt ausgestaltet sein, da die einfache Brandstiftung dann hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes eine weitergehende Regelung träfe als die schwere Brandstiftung. Schon angesichts der Reihenfolge der beiden Tatbestände, der Bezeichnung des § 306a I als "schwere" Brandstiftung sowie der jeweiligen Strafdrohung ist dies aber gerade nicht der Fall. Darüber hinaus werden die bereits aufgezeigten 181 Probleme bei der Begründung der Straflosigkeit bei Vorliegen einer Einwilligung des Tatobjektseigentümers durch die Einordnung des § 306 I als Verletzungsdelikt vermieden. Der unbestreitbaren Unkontrollierbarkeit der Tathandlung des Inbrandsetzens wird durch das Verletzungsdelikt des § 306 insoweit Rechnung getragen, als die Vorschrift die typischerweise sich ergebende vollständige Zerstörung des Tatobjekts erfaßt. Hieraus rechtfertigt sich auch die Strafdrohung der einfachen Brandstiftung. Unbilligen Ergebnissen im Einzelfall kann durch eine einschränkende Auslegung des § 306 I auf Tatobjekte von nicht ganz unbedeutendem Wert 182 , oder durch Bestrafung wegen eines minder schweren Falles begegnet werden.
E. Ergebnis Trotz einiger Anhaltspunkte, die auf den ersten Blick dafür sprechen, die einfache Brandstiftung als "höchst" abstraktes Gefährdungsdelikt zu begreifen, muß es letztlich bei der Einordnung des § 306 als qualifizierter Fall der Sachbeschädigung und damit als "bloßes" Verletzungsdelikt bleiben. Die beachtlichen Bedenken Radtkes erscheinen letztlich eher überwindbar als der Wortlaut des § 306, der eben das Merkmal der Fremdheit des Tatobjekts beinhaltet. Geschützes Rechtsgut ist da181 182
Vgl. oben 2. Kap. C. Hierzu unten 3. Kap. A. 11.
E. Ergebnis
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mit allein das Eigentum am unmittelbar in Brand gesetzten Tatobjekt, mit der Folge, daß der Eigentümer mit rechtfertigender (bzw. tatbestandsausschließender l83 ) Wirkung einwilligen kann. Damit gelten die oben l84 hergeleiteten Folgerungen einer Einordnung des § 306 als Verletzungsdelikt: Die schwere und besonders schwere Brandstiftung sowie die Brandstiftung mit Todesfolge stellen gegenüber der einfachen Brandstiftung keine unselbständigen Qualifikationen, sondern jeweils selbständige Delikte ("delicta sui generis") dar. Werden die Tatbestände der § 306 und der §§ 306a - 306c durch eine rechtliche Handlung verwirklicht, so wird die einfache Brandstiftung nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt. Vielmehr steht sie jeweils im Verhältnis der Tateinheit zur schweren, besonders schweren Brandstiftung oder zur Brandstiftung mit Todesfolge. Dies gilt auch für die fahrlässige sachbeschädigende Brandstiftung nach § 306d I Var. 1 im Verhältnis zu den übrigen Varianten des § 306d.
183
184
Vgl. oben 2. Kap. C. Fn. 127. Vgl. oben 2. Kap. B.
3. Kapitel
Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen Nachdem das Verhältnis der einfachen Brandstiftung zu den §§ 306a - 306c eingehend beleuchtet wurde, soll im folgenden auf die Brandstiftungstatbestände im einzelnen eingegangen werden. Dabei wird der Schwerpunkt der Betrachtungen auf die Auslegung der Tatbestandsmerkmale zu setzen sein.
A. Einfache Brandstiftung I. Die Tathandlung "Zerstörung durch Brandlegung"
Wie schon dargelegt, führte der Umstand, daß im bisherigen Brandstrafrecht einzig das Inbrandsetzen als Tathandlung normiert war, zu erheblichen Strafbarkeitslücken. Denn ein solches Inbrandsetzen ist nur dann gegeben, wenn ein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlicher Gebäudeteil in der Weise vom Feuer erfaßt ist, daß er selbständig, also ohne Fortwirken des Zündstoffs weiterbrennt. I In bestimmten Einzelfällen, bei denen ein selbständiges Brennen nicht vorlag, konnten die §§ 306 ff. a.F. deshalb auch dann allenfalls über die Versuchsregelungen Anwendung finden, wenn durch erhebliche Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitzeentwicklung u.U. ein hohes Gefährdungsmaß für Leib und Leben anderer Menschen oder fremdes Eigentum bereits eingetreten war. Um auch derartige Fallgestaltungen sachgerecht erfassen zu können, hat der Gesetzgeber zum Inbrandsetzen eine weitere Tathandlung hinzugefügt. 2 Nach dem nunmehr geltenden Recht soll auch derjenige wegen eines (vollendeten) Brandstiftungsdelikts bestraft werden können, der eines der tauglichen Tatobjekte "durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört".
Vgl. oben 1. Kap. Fn. 10. Vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 48. Im Entwurf der Bundesregierung war als Tathandlung in Anlehnung an § 185 StGB-DDR noch das ,,zerstören durch Feuer" bzw. "Beschädigen durch Feuer von erheblichem Ausmaß" vorgesehen. Auf die Kritik des Bundesrates (BT-Drs. 13/ 8587, S. 69) wurde das Merkmal "Feuer" durch den Begriff der ,.Brand1egung" ersetzt und auf die Beschränkung auf Feuer "von erheblichem Ausmaß" verzichtet, vgl. BT-Drs. 13/ 8587, S. 87. I
2
A. Einfache Brandstiftung
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1. Zerstörung
Der Begriff der Zerstörung entspricht dem des § 305 1. 3 Eine vollständige Zerstörung setzt voraus, daß das Tatobjekt eine so weitgehende Beschädigung erfährt, daß seine Gebrauchsfähigkeit für längere Zeit völlig aufgehoben wird. 4 Demgegenüber reicht es für eine teilweise Zerstörung aus, wenn einzelne Teile des Tatobjekts, die zur Erfüllung seines Zwecks dienten, unbrauchbar gemacht sind, oder wenn das gesamte Objekt zur Erfüllung einzelner Aufgaben unbrauchbar geworden ist. 5 2. Brandlegung
Das Merkmal der Brandlegung hat keine Tradition im deutschen StGB, so daß zu dessen Bestimmung auf die Auslegung anderer bzw. früher geltender Vorschriften nicht zurückgegriffen werden kann. Geht man zunächst allein vom Wortsinn des Begriffs aus, so ist jede Handlung, die auf das Hervorrufen eines Brandes abzielt, erfaßt. Dabei verlangt der Wortlaut nicht zwingend, daß es auch tatsächlich zu einem Brand gekommen ist. 6 Versteht man unter einer Brandlegung auch die bloße Schaffung der Voraussetzungen eines Brandes, also das Vorbereiten eines Feuers, etwa durch Ausschütten von Benzin, so ist die sprachliche Sinngrenze des Begriffs keineswegs überschritten. Freilich ist dieses weite Verständnis unter Berücksichtigung teleologischer Überlegungen einzuschränken. Wie auch beim Merkmal des Inbrandsetzens wird man ein Zerstören durch Brandlegung nur dann annehmen können, wenn bereits die typische Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer zum Tragen gekommen ist. So können Handlungen, die lediglich der Brandvorbereitung dienen, wie bspw. das Ausschütten eines Brandbeschleunigers, selbst dann nicht als Brandlegung angesehen werden, wenn diese zur teilweisen Zerstörung eines Tatobjekts führen. Andererseits ist ein Brennen mit heller Flamme nicht erforderlich.? Denn nicht nur das Verbrennen stellt eine typische Gefahr des Tatmittels Feuer dar, sondern auch die mit Feuer 3 BT-Drs. 13/8587, S. 88; Geppen, Jura 1998,597,599; LacknerlKühl, § 306 Rdnr. 4; Tröndlel Fischer; § 306 Rdnr. 15; WesselslHettinger; BT I, Rdnr. 958. 4 LacknerlKühl, § 305 Rdnr. 3; Rengier; JuS 1998, 397, 398; TröndlelFischer, § 303 Rdnr. 10; Radtke, ZStW llO (1998),848,871. 5 SK/Hom, § 306 Rdnr. 14; Sch/Sch/Heine, § 306 Rdnr. 16; TröndlelFischer; § 305 Rdnr. 2; Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 871; Cantzier; JA 1999,474,475 f.; HohmannlSander; BT 2, § 32 Rdnr. 13. 6 So aber Stein, Einführung, Rdnr. 19 f., der aufgrund des Wortlauts ein tatsächliches Brennen als vorausgesetzt sieht, wobei aber bereits das erfolgreiche Betätigen eines Feuerzeugs oder das Entflarnrnen eines Zündholzes ausreichen soll. 7 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/8587, S. 69, aufgrund derer der Begriff des Feuers durch den der Brandlegung ersetzt wurde.
3. Kapitel: Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen
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verbundene Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitzeentwicklung sowie die hierdurch entstehende Explosionsgefahr. Brandlegung ist deshalb jede Handlung, die auf das Hervorrufen eines Brandes abzielt und die geeignet ist, feuerspezifische Gefährdungen hervorzurufen. Erfaßt werden damit auch Fälle, in denen ein Inbrandsetzen, etwa wegen der Verwendung feuerfester Materialien, nicht vorliegt, es aber dennoch durch Explosionen oder Ruß-, Gas-, Rauch- und Hitzeentwicklung zur Zerstörung fremden Eigentums bzw. zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Menschen kommen kann. 3. Der Zusammenhang zwischen Brandlegung und Zerstörung
Die vollständige oder teilweise Zerstörung des Tatobjekts muß durch eine Brandlegung erfolgt sein. Mit dieser Verknüpfung werden Fallgestaltungen vom Anwendungsbereich der Brandstiftungsdelikte ausgeschlossen, in denen zwar eine Brandlegung - etwa wegen auftretender Rauch- oder Hitzeentwicklung - vorliegt, die Zerstörung des Tatobjekt aber nicht hierauf, sondern auf anderen Umständen beruht. So scheidet im folgenden von Stein 8 gebildeten Beispielsfall eine Strafbarkeit wegen eines vollendeten Branddelikts aus: Der Täter gießt PCB-belastetes Altöl aus und zündet es an, so daß es zu einer geringen Rauchentwicklung kommt. Der Brand erlischt aber sofort wieder, ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Allerdings wird das Gebäude infolge der PCB-Verseuchung unbewohnbar. Hier liegt zwar eine Brandlegung vor, da es infolge der Rauchentwicklung zu einer feuerspezifischen Gefährdung gekommen ist. Auch eine (vollständige) Zerstörung des Tatobjekts ist gegeben, da dessen Gebrauchsfähigkeit aufgehoben wird. Allerdings beruht die Zerstörung des Gebäudes nicht auf der Brandlegung: Selbst, wenn der Täter das belastete Öl überhaupt nicht angezündet hätte, wäre es zur Verseuchung und damit zur Zerstörung des Gebäudes gekommen. Eine Anknüpfung bereits an das Ausschütten des Öls, um zu einer Strafbarkeit nach den §§ 306 ff. wegen vollendeten Delikts zu gelangen, ist nicht zulässig. Denn das Ausschütten selbst stellt mangels feuerspezifischer Gefährdung noch keine vollendete Brandlegung sondern - je nach Fallgestaltung - eine bloße Vorbereitungshandlung oder ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch der Brandlegung dar. 9 4. Kritik an der Tathandlung "Zerstörung durch Brandlegung"
Mit der Aufnahme der neuen Tathandlung in den Tatbeständen der §§ 306 ff. hat der Gesetzgeber die Problematik, die mit der Enge des Tatbestandsmerkmals des "Inbrandsetzens" verbunden war, weitgehend beseitigt. Zwar erfolgte mit Auf8
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Stein, Einführung, Rdnr. 24. So auch Stein, Einführung, Rdnr. 26.
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nahme der neuen Tathandlung eine Vorverlagerung der Strafbarkeit wegen vollendeten Branddelikts und damit eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der §§ 306 ff. \0 Diese war jedoch zur Behebung der aufgezeigten Mängel des (allein geregelten) Merkmals des "Inbrandsetzens" zwingend erforderlich. Denn sonst hätten Fallgestaltungen, in denen es lediglich zu Ruß-, Rauch- oder Hitzeentwicklung kommt, ja gerade nicht erfaßt werden können. Mit dem Merkmal der "Zerstörung durch Brandlegung" wird der Anwendungsbereich der Brandstiftungsdelikte dabei keineswegs ins Uferlose ausgeweitet. Zu einer sachgerechten Begrenzung gelangt man einerseits über die oben vorgenommen teleologische Auslegung des Begriffs der Brandlegung, wonach eine feuerspezifische Gefährdung eingetreten sein muß, sowie andererseits über den erforderlichen Zusammenhang zwischen Brandlegung und Zerstörung. Teilweise wird an der Neuregelung der Tathandlung bemängelt, daß sie die schon im alten Brandstrafrecht bestehende Problematik der Deliktsbegehung an sog. "gemischt genutzten Gebäuden" (z. B. Bürokomplex, der auch Wohnungen enthält) nicht aufzulösen vermag. 11 In der Tat bleibt es bei dem Streit, ob bei derartigen Tatobjekten der tatbestandsmäßige Erfolg erst dann eintritt, wenn wesentliche Bestandteile der zur Wohnung dienenden Gebäudeteile brennen oder ganz oder teilweise durch Brandlegung zerstört sind l2 , oder ob es ausreicht, wenn nur der anderen Zwecken dienende Teil betroffen ist 13 . Allerdings erscheint dessen Auflösung durch die Aufnahme einer neuen Tathandlung kaum möglich. Eine solche könnte ja lediglich Vorgänge erfassen, die unmittelbar vom Täter vorgenommen werden, nicht aber eine Unterscheidung hinsichtlich der Gebäudenutzung treffen. Die Problematik gemischt genutzter Gebäude erscheint deshalb eher bei den tauglichen Tatobjekten verortet. Hätte der Gesetzgeber also den bestehenden Streit entscheiden wollen, so hätte er dieses Ziel nicht über eine neue Tathandlung, sondern allenfalls mit der Aufnahme eines entsprechenden Tatobjekts erreichen können. So hätte § 306a I Nr. I bspw. lauten können: " ... Räumlichkeit, die ganz oder nur teilweise der Wohnung von Menschen dient". Berechtigt erscheint auf den ersten Blick die Kritik hinsichtlich der angeblich erheblich divergierenden Vollendungszeitpunkte des Inbrandsetzens auf der einen und der Zerstörung durch Brandlegung auf der anderen Seite. 14 Während es beim Inbrandsetzen für die Vollendung bereits ausreicht, daß wesentliche Gebäudeteile \0 Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 870 f. sieht eine Schwäche der neuen Tathandlung ,;zerstörung durch Brandlegung" in der mit ihr verbundenen Vorverlagerung der Strafbarkeit. Die Brandlegung sei damit einem Untemehmensdelikt ähnlich. 11 Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 869 f. 12 So SKI Horn, § 306a Rdnr. 15; Kratsch, IR 1987, 360. 13 So BGHSt 34, 115, 118. Einschränkend: BGHSt 35, 283, 286 für Fälle, in denen nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich das Feuer auf Wohnteile ausbreitet. 14 Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 872 f. und bzgl. des Entwurfs der Bundesregierung: ders., Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f.
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(also u.v. lediglich die Eingangstür eines Gebäudes 15) selbständig brennen, setzt die Zerstörung eines Tatobjekts durch Brandlegung augenscheinlich ein weitaus fortgeschritteneres Brandstadium voraus. Dies hätte zur Folge, daß soweit bereits in einem frühen Tatstadium ein Inbrandsetzen vorliegt, dem Täter ein Wohlverhalten ausschließlich über die Tätige Reue nach § 306e zugute kommen kann, während bei der Zerstörung durch Brandlegung noch bis in ein spätes Tatstadium ein Rücktritt vom Versuch gern. § 24 vorliegen kann, der ja anders als § 306e zwingend eine Strafbefreiung vorsieht. Allzu gravierend stellt sich die Divergenz hinsichtlich der Vollendungszeitpunkte freilich nicht mehr dar, wenn man berücksichtigt, daß die Tatvariante der Brandlegung bereits ein teilweises Zerstören für die Vollendung ausreichen läßt. Ein teilweises Zerstören liegt nämlich bereits dann vor, wenn einzelne Teile des Tatobjekts, die zur Erfüllung seines Zwecks dienten, unbrauchbar gemacht sind. So liegen die Vollendungszeitpunkte, wie etwa im Fall der selbständig brennenden Haustür, regelmäßig nur geringfügig auseinander: Das Inbrandsetzen ist erfüllt, wenn der wesentliche Gebäudeteil brennt, die teilweise Zerstörung durch Brandlegung ist vollendet, wenn der Gebäudeteil ganz oder teilweise abgebrannt ist, weil dann dessen Gebrauchsfähigkeit aufgehoben ist. In der Regel wird deshalb ab einem verhältnismäßig frühen Tatstadium für beide der Tatvarianten lediglich Tätige Reue nach § 306e in Betracht kommen. Dabei ist dem Täter eine Strafmilderung bzw. ein Absehen von Strafe wegen Tätiger Reue bei der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung nicht etwa deshalb von vornherein verwehrt, weil § 306e die Verhinderung eines Schadens voraussetzt, der bei der Zerstörung möglicherweise aber immer schon vorliegt. Denn § 306e stellt auf die Verhinderung eines erheblichen Schadens ab, der bei der lediglich teilweisen Zerstörung eines Tatobjekts eben nicht zwingend bereits eingetreten sein muß. Ist also bei einem Wohnhaus die Eingangstür bereits abgebrannt, so liegt zwar eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung vor. Dennoch ist ein erheblicher Schaden i. S. d. § 306e noch nicht eingetreten, so daß dem Täter durch freiwillige Löschmaßnahmen die Tätige Reue noch offensteht. Es zeigt sich, daß dem Gesetzgeber mit der Aufnahme des Merkmals ,,zerstörung durch Brandlegung" eine sachgerechte Auflösung der Problematik, die mit der (alleinigen) Normierung des Inbrandsetzens in den §§ 306 ff. a.F. verbunden war, gelungen ist, ohne den Anwendungsbereich der Branddelikte damit ins Uferlose auszuweiten.
11. Durch das 6. StrRG eingefügte Tatobjekte Mit der Streichung einiger Tatobjekte des § 308 a.F., die sowohl sprachlich (z. B., "Früchte auf dem Feld", "Waldungen oder Torfmoore") als auch inhaltlich 15
Vgl. BGHSt 20, 247; SchI Sch/Cramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 9.
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hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ("Bergwerke", "Magazine") veraltet anmuteten, und der Aufnahme neuer Objekte in § 306 n.F. (z. B. "Betriebsstätten", "technische Einrichtungen"), konnte die einfache Brandstiftung - jedenfaHs hinsichtlich der Brandobjekte - modernisiert werden. Insoweit ist es dem Gesetzgeber zumindest gelungen, die Vorschrift an die heutige Wirtschaftsordnung anzupassen, wenngleich die hiermit verbundene Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 306, vor dem Hintergrund der Strafdrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, kriminalpolitisch bedenklich erscheint. 16 Zudem bleiben die erheblichen Nachteile einer abschließenden kasuistischen Aufzählung tauglicher Tatobjekte bestehen. 17 J. Die einzelnen Brandobjekte
Gegenüber § 308 a.F. neu formuliert bzw. eingefügt sind die Tatobjekte: Betriebsstätten, Technische Einrichtungen, Warenlager oder -vorräte, Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge, Wälder, Heiden oder Moore, land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliehe Anlagen oder Erzeugnisse. a) Betriebsstätten und technische Einrichtungen (§ 306 I Nr. 2) Der Begriff der Betriebsstätten ist in § 12 S. I AO legaldefiniert. Hiernach ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. In § 12 S. 2 AO sind im Anschluß an die Definition einzelne Objekte aufgeführt, die "insbesondere" als Betriebsstätten anzusehen sind (so u. a. die Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1), Zweigniederlassungen (Nr. 2), GeschäftssteHen (Nr. 3) oder Warenlager (Nr. 5». Ob die Definition und insbesondere die Objektsaufzählung der Abgabenordnung indes unbesehen auf § 306 übertragen werden können l8 , erscheint in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Zunächst einmal hat der Gesetzgeber § 12 AO bei der Schaffung des § 306 offensichtlich überhaupt nicht im Blick gehabt. JedenfaHs läßt sich der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die SteHungnahme des Bundesrates insoweit nichts entnehmen. Zudem sind der Regelungszweck und die Wirkrichtung der Vorschriften der Abgabenordnung mit der Schutzrichtung der Branddelikte unter keinem Gesichtspunkt in Zusammenhang zu bringen: In der AO geht es allein um die Erfassung von steuerpflichtigen Vermögenswerten und das Verfahren der Besteuerung. (Hier liegt der Verdacht zumindest nicht fern, daß der Gesetzgeber um eine möglichst weite Fassung des Begriffs der Betriebsstätten bemüht war. Das zeigt jedenfaHs die ausführliche und weitgehende Aufzählung von Objekten in 16 17
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Vgl. Stein, Einführung, Rdnr. 39. Vgl. oben l. Kap. A. 11. und C. I. Auf § 12 AO stellen ab: Lacknerl Kühl, § 306 Rdnr. 2; SKI Horn, § 306 Rdnr. 4.
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§ 12 S. 2 AO). Demgegenüber soll § 306 allein vor der Beschädigung von fremdem Eigentum schützen. Daß hier eine ähnlich weite Auslegung insbesondere hinsichtlich der Objekte des § 12 S. 2 AO gewollt ist, erscheint überaus fraglich. Vielmehr dürften in die Definition der Betriebsstätte, wie sie die Abgabenordnung vorsieht, Gesichtspunkte eingeflossen sein, die über den Schutzzweck des § 306 hinausgehen. Verstärkt werden diese Bedenken, wenn man berücksichtigt, daß sich das Regelungsobjekt "Warenlager" sowohl in 12 S. 2 Nr. 5 AO als auch in § 306 I Nr. 3 findet. Wäre der Begriff der Betriebsstätte aber tatsächlich über § 12 S. 2 AO auszulegen, so wäre Nr. 3 des § 306 I zumindest teilweise überflüssig, weil Warenlager ja bereits als Betriebsstätten über die Nr. 2 erfaßt wären. Es zeigt sich, daß zumindest die Objektsaufzählung des § 12 S. 2 AO nicht ohne weiteres auf § 306 Nr. 2 übertragen werden kann. Damit ist freilich noch nicht ausgeschlossen, daß diese Objekte auch unter den Tatbestand der einfachen Brandstiftung fallen können.
Geht man zunächst allein vom Wortsinn des Begriffs der "Betriebsstätte" aus, so läßt sich hierunter jede Einrichtung verstehen, die der Führung eines gewerblichen Betriebes dient. Diese muß sich dabei nicht notwendig innerhalb eines Gebäudes befinden, da sonst die gesonderte Regelung der Betriebsstätten in § 306 I Nr. 2 wegen der regelmäßig bereits einschlägigen Nr. 1 meist überflüssig wäre. Auch läßt sich ein Erfordernis klarer räumlicher Abgrenzung dem Wortsinn nicht entnehmen. 19 Erfaßt wären also auch Bau- oder Montagestellen unter freiem Himmel. Wegen einfacher Brandstiftung würde hiernach bspw. bereits derjenige bestraft, der Teile eines (noch nicht einmal notwendigerweise errichteten) Baugerüsts in Brand setzt. Ein derart weites Verständnis des Begriffs der Betriebsstätte bedarf angesichts der hohen Strafdrohung des § 306 I allerdings der Begrenzung. Hier bietet sich zum einen an, im Wege systematischer Überlegungen auf den Begriff der" technischen Einrichtung H, der ebenfalls in § 306 I Nr. 2 geregelt ist, abzustellen. Die Zusammenfassung beider Tatobjekte in einer Ziffer legt nahe, daß einerseits die "Betriebs stätte" einen gewissen technischen Bezug aufweisen muß 20 (so daß bspw. ein bloßes Schreibbüro nicht erfaßt ist), und andererseits "technische Einrichtungen" betrieblichen Zwecken dienen müssen 21 (so daß bspw. privat genutzte Maschinen vom Anwendungsbereich des § 306 I Nr. 2 ausgeschlossen sind). Berücksichtigt man neben diesen systematischen auch teleologische Gesichtspunkte, so kommen sowohl für das Vorliegen von Betriebsstätten als auch technischen Einrichtungen i. S. d. § 306 I Nr. 2 nur solche von nicht unwesentlicher Größe und beachtlichem Wert in Betracht. 22 Der Verbrechenstatbestand der einfachen Brandstiftung soll mit A.A.: Tröndle/ Fischer; § 306 Rdnr. 4. So Stein, Einführung, Rdnr. 43. 21 So auch SKI Horn, § 306 Rdnr. 4; Tröndle/ Fischer; § 306 Rdnr. 5. 22 H.M.: Geppert, Jura 1998, 597, 599; Krey, BT I, Rdnr. 757; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 2; Rengier; BT 2, § 40 Rdnr. 3; Sch I Sch I Heine, § 306 Rdnr. 5; Schroth, BT, S. 174; 19
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seiner drastischen Strafdrohung eben nicht den Eintritt von bloßen Bagatellschäden verhindern. Die Objekte der Nr. 2 müssen mit denen der übrigen Ziffern hinsichtlich des Ausmaßes und des Wertes in etwa vergleichbar sein. Zusammenfassend lassen sich die Tatobjekte des § 306 I Nr. 2 damit wie folgt definieren: Betriebsstätten sind Einrichtungen von nicht nur unerheblichem Wert und Größe, die der Führung eines gewerblichen Betriebes dienen und einen gewissen technischen Bezug aufweisen. Technische Einrichtungen sind mechanisch oder elektronisch gesteuerte Funktionseinheiten von nicht unerheblichem Wert und Ausmaß, die betrieblichen Zwekken dienen.
b) Warenlager und -vorräte (§ 306 I Nr. 3) Der Begriff des" Warenlagers" in § 306 I Nr. 3 entspricht dem des "Magazins" (§ 308 a.F.), stellt also lediglich eine sprachliche Anpassung an heutige Verhältnisse dar. Nach wie vor werden Räumlichkeiten erfaßt, die der Bergung von Warenmengen in erheblichem Umfang dienen.23 Anders als noch in § 308 a.F. werden Warenvorräte jetzt unabhängig davon geschützt, ob sie auf öffentlichen Plätzen lagern oder nicht. Ein Vorrat ist dann gegeben, wenn eine Vielzahl von Gegenständen zum Zwecke der späteren Verwendung angelegt ist. Dabei muß die Menge wieder von einer gewissen Erheblichkeit sein. c) Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge (§ 306 I Nr. 4) § 306 I Nr. 4 geht hinsichtlich der Auswahl der Tatobjekte im Vergleich zu den übrigen Ziffern besonders weit in der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der einfachen Brandstiftung. Waren in § 308 a.F. bisher lediglich Schiffe als Fahrzeuge erfaßt, so enthält § 306 nunmehr alle Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge.
Nach § 1 11 StVG sind Kraftfahrzeuge alle Landfahrzeuge, die mit Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Erfaßt sind damit auch Motorräder und sogar Mofas, nicht hingegen Fahrräder oder Tretroller. Anders als bei den Kraftfahrzeugen enthalten die Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge i. S. d. § 306 Nr. 4 keinerlei Einschränkung auf eine bestimmte Antriebsart. Es muß sich dem Wortsinn nach lediglich um einen Gegenstand handeln, der zur Fortbewegung Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 861 f. will neben dem Wertaspekt auch einen "Aspekt der generellen Gemeingefährlichkeit" berücksichtigen. Zur Einziehung einer Wertgrenze bereits bei den Brandobjekten nach § 308 a.F. : Geppert, PS R. Schmitt, S. 187, 196. 23 SKI Horn, § 306 Rdnr. 5; Tröndle/ Fischer, § 306 Rdnr. 6; Stein, Einführung, Rdnr. 44. Zum Merkmal des ,,Magazins": BGHSt 41,219,220 f.
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von Menschen bestimmt und geeignet ist und sich auf Schienen, in der Luft, oder auf dem Wasser bewegt. Damit wird der Verbrechenstatbestand des § 306 freilich ins Uferlose ausgeweitet. So unterfallen bspw. Gleitschirme 24 oder Paddelboote25 augenscheinlich dem Anwendungsbereich der einfachen Brandstiftung. Dabei ist der Wortsinn noch nicht einmal überschritten, wenn Gleitschirm oder Schlauchboot zu einem Zeitpunkt, in dem sie überhaupt nicht als Fortbewegungsmittel genutzt werden, also in noch "zusammengefaltetem" Zustand als taugliches Tatobjekt angesehen werden. Eine einschränkende Auslegung, wonach ein Fahrzeug lediglich dann als von § 306 erfaßt anzusehen ist, während es tatsächlich genutzt wird, erscheint kaum als gangbarer Weg. Zwar könnte so das zusammengefaltete Schlauchboot aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden, allerdings wäre in der Konsequenz auch ein parkender Pkw kein taugliches Tatobjekt mehr. Das Abstellen auf die "Einsatzbereitschaft" des Fahrzeugs 26 führt ebenfalls nicht zu einer angemessenen Begrenzung des § 306 I Nr. 4. So kann es schließlich keinen Unterschied machen, ob ein in Brand gesetztes Schlauchboot vollständig aufgeblasen war (dann Strafbarkeit wegen eines Verbrechens) oder nicht (dann Straflosigkeit). Auch eine teleologische Reduktion auf Fahrzeuge, in denen eine Vielzahl von Personen oder eine erhebliche Menge von Transportgütern Platz findet, kommt nicht in Betracht, da sonst ebenfalls Personenkraftwagen regelmäßig nicht von § 306 erfaßt wären, obwohl diese gerade den praktischen Hauptanwendungsfall eines "Kraftfahrzeugs" darstellen.27 Erneut muß deshalb eine Begrenzung des Anwendungsbereichs über den Wert des Tatobjekts gesucht werden. Vor Bagatellschäden, wie sie etwa beim Inbrandsetzen eines Schlauchbootes entstehen, soll § 306 mit seiner drastischen Strafdrohung nicht schützen. Fahrzeuge von nur unerheblichem Wert sind daher im Wege teleologischer Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 306 I Nr. 4 herauszunehmen?8 d) Wälder, Heiden oder Moore (§ 306 I Nr. 5) Der Begriff der " Wälder" entspricht dem der "Waldungen" des § 308 a.F. und ist damit lediglich sprachlich modernisiert worden. Darunter fällt nicht wie in § 2 I S. I BWaldG bereits jede mit Forstpflanzen bestückte Griinfläche, zu denen nach S. 2 der Vorschrift u. a. auch Lichtungen, Waldwiesen und sonstige mit dem Wald verbundene Flächen gehören, sondern nur das auf dem Boden wachsende Holz und der Waldboden mit dem diesen bedeckenden Walderzeugnissen wie Gras, Moos, Laub und Strauchwerk?9 Wolters. JR 1998, 271. Wessels/Hettinger; BT I, Rdnr. 959. 26 So Tröndle / Fischer; § 306 Rdnr. 7. 27 Vgl. Stein. Einführung, Rdnr. 42. 28 So auch SK / Horn. § 306 Rdnr. 6; Sch / Sch / Heine. § 306 Rdnr. 7. 29 V gl. BGHSt 31, 83, 84; Tröndle / Fischer; § 306 Rdnr. 8; SK / Horn. § 306 Rdnr. 7. 24
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Neu in § 306 I Nr. 5 aufgenommen wurden "Heiden", das sind überwiegend trockene, zumeist von Heidekraut bewachsene Flächen 3o, sowie "Moore", die nun nicht notwendig mehr Torfmoore sein müssen. e) Land-, ernährungs- und forstwirtschaftliche Anlagen und Erzeugnisse (§ 306 I Nr. 6) Auch die Nr. 6 enthält eine erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 306. Waren nach altem Recht lediglich "Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen" und "Früchte auf dem Feld" geschützt, so erfaßt die einfache Brandstiftung nunmehr sämtliche land-, ernährungs- und forstwirtschaftlichen Anlagen und Erzeugnisse. Unter "Anlagen" sind Einrichtungen zu verstehen, die der Erzeugung und Verarbeitung von Produkten der in § 306 I Nr. 6 bezeichneten Art dienen. Weil derartige Objekte (Stallungen, Sägewerke und Futtermittellager) zumeist bereits unter § 306 I Nr. 1 zu fassen sein werden, fällt die gegenüber § 308 a.F. erfolgte Ausweitung hinsichtlich der "Anlagen" noch nicht sonderlich ins Gewicht. Demgegenüber scheint mit der Aufnahme der "Erzeugnisse" in den Tatbestand eine Uferlosigkeit in dessen Anwendungsbereich eingetreten zu sein, die so kaum gewollt sein kann. Verhältnismäßig zwanglos läßt sich nämlich bereits eine Cornflakespackung 31 unter den Begriff des "ernährungswirtschaftlichen Erzeugnisses" subsumieren, so daß deren Inbrandsetzen am Frühstückstisch gern. § 306 I Nr. 6 eine Bestrafung mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren nach sich ziehen müßte (sofern die Packung nicht im Alleineigentum des "Täters" steht). Da eine derart drastische Sanktion (selbst wenn man einen minder schweren Fall nach § 306 11 mit einer Strafdrohung von mindestens sechs Monaten annehmen will) freilich alles andere als eine tat- und schuldangemessene Reaktion darstellt, kann nicht zweifelhaft sein, daß es erneut der einschränkenden Auslegung auf Objekte von nicht nur unerheblichem Ausmaß, Anzahl oder Wert bedarf. 32 2. Restriktive und" nivellierende" Auslegung der Brandobjekte Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die hohe Strafdrohung des § 306 eine restriktive Auslegung der aufgeführten Brandobjekte im Gesamten gebietet. 33 SKI Horn § 306 Rdnr. 7. Bsp. von Schroeder, GA 1998,571 f. 32 Vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, § 51 Rdnr. 10; Schroeder, GA 1998, 571, 572; Schroth, BT S. 174. Nach SchI Schi Heine, § 306 Rdnr. 10 sollen als Erzeugnisse nur Sachen in Betracht kommen, deren unmittelbarer Produktionsprozeß beendet ist, die aber nicht schon weiterverarbeitet sind. 33 Geppert, Jura 1998, 597,599; ders. FS R. Schmitt, S. 187, 196; Lackner/Kühl, § 306 Rdnr. 2; SchISchI Heine, § 306 Rdnr. 3; Schroeder, GA 1998,571,572; Rengier, BT 2, § 40 Rdnr.3a. 30
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3. Kapitel: Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen
Durchweg erfüllen nur solche Objekte den Tatbestand, die von nicht ganz unerheblichem Ausmaß oder Wert sind. Insoweit muß die maßgebliche Grenze bei sämtlichen Tatobjekten auf einer vergleichbaren Ebene liegen. Erforderlich ist somit eine "nivellierende Auslegung". Im Rahmen des § 306 Nr. 4 sind damit bspw. geringwertige Sitzrasenmäher, Schlauchboote, Surfboards oder einfache flöße aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. Auch wird man bspw. einen Holzverschlag nur dann als von § 306 I Nr. 1 ("Hütte") erfaßt ansehen können, wenn er eine mit anderen tauglichen Tatobjekten vergleichbare gewisse Größe, einen gewissen Wert oder u.U. auch nur eine besondere wirtschaftliche Bedeutung aufweist. Andernfalls drohen die Wertigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Objekten derart eklatant auszufallen, daß der Willkürvorwurf hinsichtlich der abschließenden Auswahl der Tatobjekte kaum mehr von der Hand zu weisen wäre.
B. Schwere Brandstiftung I. § 306a Abs. 1 StGB
Die schwere Brandstiftung entspricht in Absatz 1 dem § 306 a.F. und enthält ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Anders als in § 306a 11 oder § 306b 11 Nr. 1 ist der Eintritt einer bestimmten Gefahr tatbestandIich nicht vorausgesetzt. Es reicht hiernach aus, daß Menschen durch die Tathandlung gefährdet werden können. Mit den in § 306a I aufgezählten Tatobjekten stellt der Gesetzgeber damit lediglich eine auf allgemeinen Erfahrungen beruhende Gefährlichkeitsprognose an: Typischerweise führt das Inbrandsetzen von Wohngebäuden (Nr. 1), Kirchen (Nr. 2) oder Räumlichkeiten, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dienen (Nr. 3), zu einer Verletzung von Leib und Leben anderer Menschen. Deshalb hat der Gesetzgeber bereits die Vornahme einer solchen abstrakt gefährlichen Handlung unter Strafe gestellt. Die damit verbundene Ausweitung des Strafbarkeitsbereichs erscheint allerdings für diejenigen Fälle als nicht unproblematisch, in denen eine Gefährdung von Leib und Leben anderer Menschen von vornherein ausgeschlossen ist, etwa weil sich im und am angezündeten Gebäude niemand aufgehalten hatte. Hieran knüpft der seit langem geführte Streit um Möglichkeiten der Reduktion abstrakter Gefährdungsdelikte an. Im folgenden soll untersucht werden, ob die Neufassung des § 306a I Aspekte birgt, die - jedenfalls im Hinblick auf die Branddelikte - eine Entschärfung dieses Streits mit sich bringen.
B. Schwere Brandstiftung
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1. Reduktion des Tatbestandes bei ausgeschlossener Gefährdung?
a) Rechtsprechung des BGH In einem obiter dictum hat der Bundesgerichtshof eine Nichtanwendung des
§ 306 Nr. 2 a.F. (entspricht § 306a I Nr. 1) für die Fälle erwogen, in denen eine
"Gefährdung von Menschenleben nach der tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist" und der Täter sich insoweit "durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert" hat. Dies sei allerdings nur bei kleinen, insbesondere bei einräumigen Hütten oder Häuschen möglich, bei denen auf einen Blick übersehbar ist, daß sich Menschen dort nicht aufbalten können. 34 Freilich wird eine solche Fallgestaltung praktisch kaum vorkommen: In Betracht kommen insoweit allenfalls kleinere Waldhütten oder Campinghäuschen, bei denen es aber oftmals an der Wohnungseigenschaft fehlen dürfte. Der BGH ist damit im Ergebnis der Auffassung, daß es auf eine Prüfung der konkreten Gefährlichkeit im Einzelfall grundsätzlich nicht ankommt und die Tatobjekte des § 306 Nr. 2 a.F. als Mittelpunkte menschlichen Lebens absolut geschützt werden. 35 Ohne weitere Begründung hält der BGH auch nach Inkrafttreten des § 306a I n.F. an dieser Ansicht fest. 36
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in der Literatur zum Teil auf Zustimmung gestoßen 37 , wobei hier teilweise sogar noch weiter gegangen und eine Strafbarkeitseinschränkung wegen fehlender Gefährdung im Einzelfall auch bei kleinen, einräumigen Gebäuden nicht vorgenommen wird. 38 Begründet wird dies damit, daß es bei § 306a I als abstraktem Gefährdungsdelikt eben nicht darauf ankomme, ob im konkreten Einzelfall eine Gefährdung eingetreten ist oder nicht. Darüber hinaus stünde eine dem Strafrahmen des § 306a I entnommene Bestrafung auch dann mit dem Schuldprinzip im Einklang, wenn es tatsächlich nicht zu einer Gefährdung kommt, da das Inbrandsetzen von Wohngebäuden stets eine sozialschädliche Tat sei und apriori die Gefährdung von den Brand bekämpfenden Personen heraufbeschwöre. b) Einschränkung durch Teile der Literatur Die mit den abstrakten Gefährdungsdelikten verbundene Ausweitung des Strafbarkeitsbereichs ist aber auch auf heftige Kritik gestoßen und teilweise als mit dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip schwerlich vereinbar angeseBGHSt 26, 121, 124 f. BGHSt26, 121, 123; 34,115,118; BGHNStZ 1982,420,421. 36 BGH NStZ 1999, 32; JR 1999, 205, 207. 37 Geppert, Jura 1989,417,425; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 39; SchISchI Cramer, 25. Aufl., § 306 Rdnr. 2; Wessels/Hettinger, BT 1, Rdnr. 968. 38 Bohnert, JuS 1984, 182, 186; Kratsch, FS Oehler, S. 65, 67; Otto, BT, § 79 Rdnr. 7; LKWoljJ. § 306 Rdnr. 3. 34
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3. Kapitel: Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen
hen worden?9 Deshalb wurde mit unterschiedlicher Begründung immer wieder versucht, die Strafbarkeit aus abstrakten Gefährdungsdelikten einzuschränken. Hierbei sind im wesentlichen zwei Hauptrichtungen zu erkennen 4o, die sich im Überblick folgendermaßen darstellen: aa) Erfolgsorientierte Auffassungen
Nach den ausschließlich am Eintritt eines strafbewährten Erfolges orientierten Auffassungen, die überwiegend im älteren Schrifttum vertreten wurden, kommt eine strafrechtliche Sanktion nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall am geschützten Rechtsgut eine negative Folge eingetreten ist. Diese müsse dabei nicht notwendig in einer Verletzung bestehen; auch eine konkrete Gefährdung könne hiernach einen ,,Erfolg" i. S. d. Erfolgsstrafrechts bilden. Bloß abstrakte Gefährdungen, bei denen es zwar typischerweise, nicht jedoch im konkret zu beurteilenden Einzelfall zum Eintritt einer tatsächlichen Gefährdung von Rechtsgütern kommt, könnten eine strafrechtliche Reaktion demgegenüber nicht rechtfertigen. Nach Binding erweist sich der Delinquent in derartigen Fällen lediglich als "ungehorsam", wobei dieser einfache "Ungehorsam gegen die Norm" im Hinblick auf Rechtsgüter Dritter folgenlos bliebe. Als Konsequenz unterscheidet Binding zwischen "Angriffsdelikten", bei denen es zu einer verbotenen "Güterbeschädigung" kommt, und ,,reinem Ungehorsam", bei dem allein die Normwidrigkeit des Verhaltens den Grund für die Sanktionierung bilden könne. 41 Die Rechtfertigung der Bestrafung wegen eines solchen Ungehorsamsdelikts könne aber in deren (general)präventiven Wirkung nicht erblickt werden, da zwar Normen, nicht jedoch Rechtsstrafen den Präventionszweck verfolgen dürften. 42 Ähnliche Bedenken gegen eine lediglich der allgemeinen Abschreckung dienende Bestrafung formuliert Rudolphi in jüngerer Zeit: Eine Strafdrohung, die nicht der Verhinderung der konkreten mit Strafe bedrohten Tat, sondern allein der Bekämpfung der allgemeinen Gefahr der Straftatbegehung diene, widerspreche "dem Geist unserer Verfassung". Das geltende Strafrecht sei nach dem Willen des Gesetzgebers schließlich ein dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes verpflichtetes Tatstrafrecht. 43 Teilweise wurde versucht, diesen Bedenken durch die Zulassung eines Ungefährlichkeitsbeweises im Einzelfall Rechnung zu tragen. 44 Die damit verbundene 39 Arthur Kaufmann, JZ 1963,425, 432; Schröder, ZStW 81 (1969),7, 16 f.; Rudolphi, FS Maurach, S. 51, 70 und 72; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 50 Rdnr. 37; SchünetrUlnn, JA 1975,715,797. 40 nach Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 101 ff. 41 Binding, Normen I, S. 410. 42 Binding, Normen I, S. 409 f. 43 Rudolphi, FS Maurach, S. 51, 72. 44 Rabl, Der Geflihrdungsvorsatz, S. 21; Schröder, ZStW 81 (1969), 7, 17. Ausführlich und krit. zu diesen Ansätzen: Graul, Abstrakte Gefahrdungsdelikte, S. 188 ff. und 199 ff. sowie Radtke, Dogmatik, S. 218 ff.
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Konstruktion der gesetzlichen Vermutung einer konkreten Gefährdung, die im Prozeß vom Täter bzw. auch vom Gericht widerlegt werden muß, begegnet freilich ihrerseits erheblichen Bedenken im Hinblick auf den "in dubio pro reo"- Grundsatz. 45 eramer löst sich im Ansatz vom Grundgedanken des Erfolgsstrafrechts, wonach die Strafwürdigkeit stets von der Verletzung oder konkreten Gefährdung eines Rechtsguts abhängt. Nicht nur der Erfolg, sondern auch das Handeln selbst und als solches könne ein menschliches Verhalten ohne Rücksicht auf ein hierauf beruhendes konkretes Ergebnis als strafwürdig qualifizieren. 46 Allerdings sei hier zwischen strafrechtlich relevanten Angriffen, die einer Sanktionierung bedürfen, und nicht mißbilligenswerten Verhaltensweisen zu unterscheiden. Erst ab einer gewissen "Angriffsintensität", d. h. wenn die Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefahr für ein Rechtsgutsobjekt besteht, soll eine Bestrafung zulässig sein. 47 Kommt eine Rechtsgutsgefährdung aber von vornherein nicht in Betracht - etwa weil der Täter insoweit Vorkehrungen getroffen hat - dürfe eine strafrechtliche Sanktion nicht erfolgen. Muß also hiernach die Tat zur Rechtsgutsgefährdung generell geeignet sein, so wird damit freilich - genau wie bei den konkreten Gefährdungsdelikten noch immer auf den Eintritt eines Gefährdungserfolgs im weiteren Sinne abgestellt, wenn an den Gefährdungsgrad auch geringere Anforderungen gestellt werden.
bb) Verhaltensorientierte Auffassungen
Auch diejenigen, die mit der heute ganz überwiegenden Ansicht ein reines Erfolgsstrafrecht ablehnen und das strafrechtlich relevante Unrecht (zumindest auch) im Verhalten des Täters erblicken, gelangen mit unterschiedlichen Begriindungen zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs abstrakter Gefährdungsdelikte bei konkret ungefährlichem Verhalten. So erblickt Volz den Unrechts- und Schuldgehalt der abstrakten Gefährdungsdelikte in dem Risiko, das der Täter im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Rechtsgutes mit seiner typischerweise gefährlichen Handlung schafft. 48 Grundsätzlich überschreite der Täter mit der Verwirklichung des Tatbestandes eines abstrakten Gefährdungsdelikts das noch erlaubte Risiko. Trifft er aber Vorkehrungen, die die generelle Gefährlichkeit seines Handeins ausschließen, so gehe er kein Risiko ein, so daß der Unrechtsgehalt entfiele und wegen eines abstrakten Gefährdungsdelikts nicht bestraft werden könne. 49 45 Vgl. Geppen, Jura 1989,417,424; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 103 Fn. 18 und S. 105 Fn. 23. 46 Cramer, Der Vollrauschtatbestand, S. 63. 47 Cramer, DerVollrauschtatbestand, S. 67. 48 Volz, Unrecht und Schuld, S. 143. 49 Volz, Unrecht und Schuld, S. 168. Kril. hierzu Kindhäuser, Gefährdung, S. 251 ff.
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3. Kapitel: Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen
Andere versuchen wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten an die Sorgfaltswidrigkeit des Täterverhaltens anzuknüpfen.50 Diese bilde den Handlungsunwert der Tat und liege typischerweise bei Verwirklichung des Tatbestandes eines abstrakten Gefährdungsdeliktes vor. Hat sich der Täter aber vor der Tat vergewissert, daß es zu konkreten Gefährdungen nicht kommen kann (Brehm spricht insoweit von "Sonderkenntnissen" des Täters 51 ), so handle er nicht sorgfaltswidrig, weshalb das Handlungsunrecht in Wegfall gerate. Bleiben konkrete Gefährdungen dann auch tatsächlich aus, so fehle es ebenfalls am Erfolgsunwert. Liegt damit aber eine Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht vor, so müsse eine Stratbarkeit entfallen. c) Auswirkungen der Neufassung des § 306a Der Streit um die Reduktion abstrakter Gefährdungsdelikte mit seinen - auch in den praktischen Auswirkungen - extrem voneinander abweichenden Gegenpositionen könnte zumindest in Bezug auf die schwere Brandstiftung durch die Neufassung durch das 6. StrRG eine Entschärfung erfahren haben. Immerhin scheint mit der nunmehr bestehenden Möglichkeit der Verurteilung wegen eines minder schweren Falles in der Praxis ein salomonischer Weg gangbar: Fehlt es im Einzelfall an einer konkreten Gefährdung und hat sich der Täter insoweit vergewissert, so muß nicht notwendig die schwere Strafdrohung des § 306a I zur Anwendung kommen. Dem unbestreitbar zumindest verminderten Handlungsunwert kann mit der Entnahme des Strafrahmens aus § 306 III Rechnung getragen werden. Die Bedenken derjenigen, die das Erfordernis einer Reduktion mit dogmatischen Überlegungen begründen, dürften indes bestehen bleiben. Folgt man nämlich der Auffassung, daß es in den Fällen, in denen der Täter konkrete Rechtsgutsgefährdungen erfolgreich vermeidet, sowohl am Erfolgs- als auch am Handlungsunrecht fehlt, so erscheint gegebenenfalls auch die Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung in minder schwerem Fall als verfehlt. Hat sich damit der Streit um Reduktionsmöglichkeiten der schweren Brandstiftung keineswegs erledigt, so bleibt zu fragen, ob die Neufassung durch das 6. StrRG eine Präferenz für eine der vertretenen Auffassungen erkennen läßt. Einiges spricht dafür, aufgrund der Neuregelung der §§ 306 ff. eine Reduktion des Tatbestands der einfachen Brandstiftung zuzulassen. So ist ein gewichtiges Argument gegen die Einschränkung des Anwendungsbereichs der schweren Brandstiftung entfallen: Nach altem Recht drohte der Täter bei einer Tatbestandsreduktion immer dann straffrei auszugehen, wenn er sich zwar vor der Tat vergewissert hat, daß sich niemand im oder am Tatobjekt aufhält, es aber dennoch zu einer konkreten Gefährdung gekommen ist, sich der Täter also trotz noch so umfangreicher 50 Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 28; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 113 ff.; Brehm, Dogmatik, S. 131. SI Brehm, Dogmatik, S. 131.
B. Schwere Brandstiftung
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Vorsichtsmaßnahmen über das Ausmaß der Gefahrdung geirrt hat. Eine Bestrafung aus § 306 a.F. wäre mangels Handlungsunrechts nach den meisten, eine Reduktion befürwortenden Auffassungen 52 , nicht in Betracht gekommen. Ein konkretes Gefahrdungsdelikt fand sich in den §§ 306 a.F. nicht, so daß die tatsächlich eingetretene Gefahrdung strafrechtlich nicht erfaßt worden wäre. Dieses kaum haltbare Ergebnis wird mit Einfügung des § 306a 11 n.F. vermieden. Trotz Reduktion des Tatbestandes des § 306a I bleibt es bei der Bestrafung wegen schwerer Brandstiftung, wenn trotz umfangreicher Vorsichtsmaßnahmen eine Geflihrdung anderer Menschen eintritt. Das Irrtumsrisiko hinsichtlich des Eintritts einer konkreten Geflihrdung trägt damit der Tater. Die Vorschrift des § 306a 11 schließt damit Strafbarkeitslücken, die durch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 306a I entstehen könnten. Für die Möglichkeit einer Reduktion spricht auch folgende Überlegung: Auch nach der Neufassung der Branddelikte soll der alleinige Bewohner eines Wohngebäudes dieses hinsichtlich der Wohnungseigenschaft nach h.M. "entwidmen" können. Es reicht insoweit auch die faktische Beendigung der Wohnungseigenschaft aus.53 Setzt also der alleinige Bewohner eines Einfamilienhauses dieses in Brand, so kommt eine Bestrafung wegen § 306a I nach h.M. nicht in Betracht, da das Gebäude aufgrund der faktischen Entwidmung nicht mehr der Wohnung von Menschen dient. Zu einem anderen Ergebnis gelangt die h.M. bereits, wenn nur eine einzige weitere Person (z. B. die Ehefrau) das Tatobjekt bewohnt, weil dann eine Entwidmung allein durch den Tater nicht mehr in Betracht kommt. Dann ist wegen schwerer Brandstiftung nach § 306a I zu bestrafen, auch wenn der Tater sicher davon ausgeht, daß sich die andere Person nicht im Gebäude befindet (etwa weil diese verreist ist oder sich im Krankenhaus befindet). Im ersten Fall ginge der Tater nach h.M. also straflos aus, während im zweiten gern. § 306a I eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu verhängen wäre. Indes spricht einiges dafür, beide Fälle gleich zu behandeln, da jeweils die konkrete Gefahrdung (zumindest der zur Wohnung berechtigten) Bewohner in gleichem Maße ausgeschlossen ist. Eine Gleichbehandlung ließe sich aber nur erreichen, wenn man entweder eine "Entwidmung" durch den alleinigen Bewohner nicht mehr zuließe, oder eben den Anwendungsbereich des § 306a I wegen der im Einzelfall fehlenden konkreten Geflihrdung Dritter einschränkte. Letztlich sprechen aber - auch und gerade unter besonderer Berücksichtigung der Neufassung der Branddelikte - die gewichtigeren Argumente gegen eine Reduktion der einfachen Brandstiftung. Wie schon erwähnt deutet die Einfügung ei52 Nach der Auffassung von Berz, der eine Einschränkung abstrakter Gefährdungsdelikte nur dann für möglich hält, wenn eine konkrete Gefährdung auch tatsächlich ausbleibt (Forme\1e Tatbestandsverwirklichung, S. 116), wäre der Tater trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen wegen schwerer Brandstiftung zu bestrafen 53 BGHSt 16, 394, 395; 26, 121, 122; BGH NStZ 1994, 130; Geppert, Jura 1998,597,600; Lackner/Kühl, § 306a Rdnr. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 51 Rdnr. 16; Rengier, JuS 1998,397,398; Tröndle/ Fischer, § 306a Rdnr. 4; Wessels/Hettinger, BT 1, Rdnr. 963.
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3. Kapitel: Die Tatbestände der §§ 306 - 306c im einzelnen
nes minder schweren Falles in § 306a III und die damit verbundende Schaffung einer Privilegierungsmöglichkeit für besonders umsichtige Tater darauf hin, daß es im Rahmen des § 306a I auf den tatsächlichen Eintritt einer konkreten Gefahr nicht ankommen soll. Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialen, wo für Fallgestaltungen, in denen der Tater Vorsichtsmaßnahmen ergreift und eine konkrete Gefahrdung ausbleibt, ausdrücklich auf die Möglichkeit der Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle hingewiesen wird. 54 Bewußt wurde vom Gesetzgeber von der Regelung einer tatbestandseinschränkenden Klausel, wie sie noch § 151 I AE 1971 55 vorgesehen hatte, abgesehen. Vielmehr folge die Neufassung der schweren Brandstiftung der Rechtsprechung des BGH, wonach eine Reduktion im Grundsatz ausgeschlossen ist und der Einwand des Taters, er habe sich vor der Tat vergewissert, daß Personen nicht zu Schaden kommen könnten, grundsätzlich nur für die Strafzumessung Bedeutung gewinnen kann. 56 Damit gibt der Wortlaut des Tatbestands der schweren Brandstiftung nach wie vor für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs nichts her. Zudem drohen die Grenzen zwischen konkretem und abstraktem Gefahrdungsdelikt zu verschwimmen, wenn der Abstraktionsgrad bei letzterem erheblich herabgesetzt wird, indem man insoweit eine tatsächliche Gefahrdungseignung voraussetzt. Entscheidend ist am Ende aber, daß eine Privilegierung des Taters, der sich vor der Tat von der konkreten Ungefahrlichkeit seines Handeins überzeugt oder entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreift, dazu führen würde, daß das Risiko einer fehlgehenden Prognose allein das Opfer trägt. Dieses Risiko ist aber voll umfanglieh gerade dem Tater, der ja die Gefahrdungslage durch sein sorgfaltswidriges Handeln - nämlich die Inbrandsetzung - erst schafft, aufzubürden. Umsichtige Vorsichtsmaßnahmen vermögen die Pflichtwidrigkeit der Tathandlung nicht aufzuheben. Indem § 306a I bereits das bloße Inbrandsetzen von Objekten, bei denen es nach Einschätzung des Gesetzgebers typischerweise zur Gef