Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4 Sechste Klasse [11. Aufl. Reprint 2020] 9783111424965, 9783111060187


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German Pages 341 [348] Year 1914

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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 4 Sechste Klasse [11. Aufl. Reprint 2020]
 9783111424965, 9783111060187

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen (Lyzeen) von

Karl Hessel.

Vierter Teil.

Sechste Klasse. Elfte Auflage.

Bonn 1914. A. Marcus und E. Webers Verlang.

Vorbemerkung zur elften Auflage. Die elfte Auflage ist ein unveränderter Abdruck der zehnten. Nur veranlaßte die jetzt in Preußen eingeführte Bezeichnung der höheren Bildungsanstalten für Mädchen dm entsprechendm Zusatz auf dem Titelblatt.

Koblenz, März 1914. Direktor Dr. Karl Hessel.

Erste Abteilung:

Gedichte. Ernst Moritz Arndt. 1. Das Lied vom Keldmarschall. (1813.) 1. Was blasen die Trompeten? Husaren, heraus! Es reitet der Feldmarschall im fliegenden Saus, Er reitet so freudig fein mutiges Pferd, Er schwinget so schneidig sein blitzendes Schwert. 2. O, schauet, wie ihm leuchten die Augen so klar! O, schauet, wie ihm wallet fern schneeweißes Haar! So frisch blüht sein Mter wie greifender Wein, Drum kann er Verwalter des Schlachtfeldes sein.

3. Der Mann ist er gewesen, als alles versank. Der mutig auf gen Himmel, den Degen noch schwang, Da schwur er beim Eisen gar zornig und hart. Dm Welschm zu weisen die prmßische Art. 4. Den Schwur hat er gehalten. Als Kriegsruf erllang. Hei! wie der weiße Jüngling in Sattel sich schwang! Da ist er's gewesm, der Kehraus gemacht. Mit eisernem Besm das Land rein gemacht.

5. Bei Lützm auf der Aue er hielt solchm Strauß, Daß bieten tausend Welschen der Atem ging aus, Biel Tausmd liefen dort hasigen Lauf, Zehntausmd entschliefen, die nie wachen auf.

Ocffel, Metal 4. U. «Hfl.

M 1.

2

Arndt.

Becker.

6. Am Wasser der Katzbach er's auch Hat bewährt, Da hat er den Franzosen das Schwimmen gelehrt: Fahrt wohl, ihr Franzosen, zur Ostsee hinab! Und nehmt, Ohnehisen, den Walfisch zum Grab! 7. Bei Wartburg an der Elbe, wie fuhr er hindurch! Da schirmte die Franzosen nicht Schanze noch Burg, Da mußten sie springen wie Hasen übers Feld, Und hell ließ erklingen sein Hussa! der Held.

8. Bei Da brach Da lagen Da ward

Leipzig auf dem Plane, o, herrliche Schlacht! er den Franzosen das Glück und die Macht, sie sicher nach blutigem Fall, der Herr Blücher ein Feldmarschall.

9. Drum blaset, ihr Trompeten! Husaren, heraus! Du, reite, Herr Feldmarschall, wie Winde im Saus! Dem Siege entgegen zum Rhein, übern Rhein, Du tapferer Degen, in Frankreich hinein!

Nikolaus Becker. 2. Der deutsche Rhein. 1. Sie sollen ihn nicht haben. Den freien deutschen Rhein, Ob sie wie gierge Raben Sich heiser danach schrein,

2. Solang er ruhig wallend Sein grünes Kleid noch trägt. Solang ein Ruder schallend In seine Woge schlägt! 3. Sie sollen ihn nicht haben. Den.freier deutschen Rhein, Solang sich Herzen laben An seinem Fmerrqein;

Becker' Chamisso..

4. Solang in seinem Strome Roch fest die Felsen stehn. Solang sich hohe Dome In seinem Spiegel sehn! 5. Sie sollen ihn nicht haben. Den freien deutschen Rhein, Solang dort kühne Knaben Um schkinke Dirnen frein; 6. Solang die Flosse hebet Ein Fisch auf seinem Grund, Solang ein Lied noch fefcet In seiner Sänger Mund!

7. Den Bis Des

Sie sollen ihn nicht habm. freien deutschen Rhein, seine Flut begraben letzten Manns Gebein!

Adelbert von Chamisso. 3. Tragische Geschichte. 1. 's war einer, dem's zu Heiden ging. Daß ihm der Zopf so hinten hing, Er wollt es anders haben.

2. So denkt er denn: wie fang ich's an? Ich dreh mich um, so ist's getan — Der Zopf, der hängt ihm hinten.

3. Da hat er flink sich umgedreht, Und wie len Wein!" 4. „Große Städte, reiche Klöster," Ludwig, Herr von Baiern, sprach, „Schaffen, daß mein Land dem euren Wohl nicht steht an Schätzen nach."

5. Eberhard, der mit dem Barte, Württembergs geliebter Herr, Sprach: „Mein Land hat kleine Städte, Trägt nicht Berge silberschwer; 6. Doch ein Kleinod hält's verborgen: Daß in Wäldern noch so groß Ich mein Haupt kann kühnlich legen Jedem Untertan im Schoß." 7. Und es rief Der von Baiern, „Graf im Bart! Euer Land trägt

der Herr von Sachsen, der vom Rhein: Ihr seid der reichste. Edelstein!"

August Kopisch. 34. Wie Ralf vem Riese« half. Hört, wie der kleine Knirps, der Ralf, Fasolt, dem großen Riesen, half. Er sprach: „Ihr werdet schwach und alt, Plag tut nicht gut, Ihr zittert bald. 5 Herr Fasolt, laßt Euch raten recht Und nehmt mich an zu Eurem Knecht.

31

32

Kopisch.

Zwar bin ich kurz und dick und Kein; Doch kann nicht jeder ein Riese sein. Krieg ich mein gutes Deputat, 10 So schaff und helf ich früh und spat. Bald mit der Tat, bald mit dem Rat."

Der Riese sprach: „Ich will's probieren; Erst iß, und tu dich nicht genieren!" Me schmauste da der Keine Ralf! 15 Den Mesen freut's, wie er ihm half. „Nun aber komm hinaus zum Wald, Wir brauchen Holz, es wird schon kalt." Sie gehn — „Wo hast du denn das Beil?" Ralf sprach: „Vergessen in der Eil; 20 Doch macht Euch keine Sorge drum. Man kriegt den Baum auch so schon um: Packt ihn nur recht beim Wipfel an Und wiegt; ich helf hier unten dann. Weil ich so hoch nicht langen kann. 25 Wiegt zu, wiegt zu! er weichet schon! Da liegt er, blautz!" — Ralf springt davon. Der Riese wischt sich ab den Schweiß. Ralf sprach: „Nicht wahr, es wird uns heiß, Drum wechseln wir nun, lieber Mann: 30 Weil ich nun oben langen kann, Pack du den Baum nun unten an!" Der Riese sprach: „Hier hakt er noch!" //Zieh nur die Wurzel aus dem Loch, Zieh zu und bleibe guten Muts, 35 Zieh zu, zieh zu!" — Der Riese tut's: „Nun ist er raus, nun wechsle du!" „Nein," sprach da Ralf, „bleib dort in Ruh! Ich pack ihn schon, trag du nur zu!" Der Riese nimmt nun auf den Baum, 40 Ralf hilft ihm nicht einmal im Traum,

33

Kopisch.

Er ruckt und raschelt nur zum Schein Und läßt dem Riesen alle Pein. Er läßt chn ziehen mit der Last, Setzt sich noch gar auf einen Ast 45 Und läßt sich tragen ohne Not, Verzehrt dazu ein Butterbrot Und ruft: „Nur zu, nicht zu gemach! Ich spute mich, ich komm schon nach." ~ Der Riese sieht sich auch nicht um 50 Und trägt ihn immer mit, wie dumm! Lobt ihn und spricht: „So ist es recht. Es richt sich nach dem Herrn der Knecht! Sollt ich so klein die Schritte machen Wie du, so würden alle lachm." 55 Ralf sprach: „Die Arbeit macht doch munter!" Und sang und pfiff ein wenig drunter. Als man sie sah so ziehen beide. Da hatten alle Leute Freude: Man fand es allerliebst, wie Ralf, 60 Der Knirps, dem großen Riesen half.

35. Der Jager am Mummelsee. 1. Der Jäger trifft nicht Hirsch, nicht Reh, Verdrießlich geht er am Mummelsee. 2. Was sitzet am Ufer? ein Waldmännlein! Mit Golde spielt es im Abendschein. 3. Der Jäger legt an: „Du Waldmännlein Bist heute mein Hirsch, dein Gold ist mein!" 4. Das Männlein aber taucht unter gut. Der Schuß geht über die Mummelflut. 5. „Ho, ho! du toller Jägersmann, Schieß du auf, was man treffen kann! 6. Geschenkt hätt ich dir all das Gold, Du aber hast's mit Gewalt gewollt. 7. Drum troll dich mit lediger Tasche nach Haus! Ihr Hirsche, tanzet! sein Pulver ist aus!" H ess el, Lesebuch 4. 11. Ausl.

M o

34

Kopisch.

8. Da springen ihm Häselein über das Bein, Und lachend umflattern ihn Lachtäubelein, 9. Und Elstern stibitzen chm Brot aus dem Sack Mit Schabernack, Husch, und mit Gick und Mit Gack 10. Und flattern zur Liebsten und singen ums Haus: „Leer kommt er! Leer kommt er! Sein Pulver ist aus!"

36. Die 1. „Ich Der, Nicht

Wahrheit ohneHerberge.

„Wer klopft beisolchem bin's, ein armerMann, weil, er Wahrheit redet. unterkommen kann."

Wetter?"

2. „Wie schlimm sind doch die Leute! Geh, Hans, tu auf die Tür! Ich such indes was Warmes Dem armen Mann herfür."

Z. „Herein! Wir li-li-lieben Ein wa-wa-wahres Wort!" „Wer weiß, vielleicht muß hier ich Auch balde wieder fort, 4. Drum sagt mir, krumme Mutter Und stotteriger Mann, Wo häng ich etwa jetzo Mein Rciseränzel an?"

5. „Er Grobian! Er Flegel!" „Fo-fort aus unserm Haus!" „Da habt ihr's! niemand hält mehr Die reine Wahrheit aus!"

37. Kaspars Löffel. 1. Wer Zwergen etwas nimmt, der seh sich vor! Bei Gnissau kamen sie gar oft vors Tor Beim Pflügen, wenn das Wetter recht nach Sinn, Und stellten dicht am Rain die Tafel hin, Topf, Napf, Schüssel, Löffel.

Kopisch.

2. Bon Die Und

35

Und aßen da verwunderlicher Weis einer ganz absonderlichen Speis: war zerstückt, gesüßt, gespickt, gepocht dann mit neunerlei Gewürz gekocht; Man aß sie mit Löffeln.

3. Einst schlich der Müller an denselben Ort Und nahm von solchen Löffeln einen fort. Da kam zum Schulzen gleich ein Zwerg gerannt. Sprach: „Kaspar heiß ich, das sei dir bekannt: Ich will meinen Löffel!"

4. Der Schulze sagte: „Freund, den weiß ich nicht." Das Zwerglein wieder: „Freund, so hilft mir's nicht! Du bist hier Obrigkeit, drum schaff dm Dick Und gib dir Müh, es sei dir leid nun oder lieb: Schaff mir meinen Löffel!" 5. Der Schulze sprach: „Will sehn, ob ich ihn find." Da ging der Zwerg, kam wicker dann geschwind Und sprach: „Mein Name stcht darauf ganz fein: Kaspar, und Kaspars Löffel muß es sein. Schaff mir meinen Löffel!"

6. Der Schulze sprach: „Will sehen, wo und wie." Da ging der Zwerg; der Schulze gab sich Müh Und spürte da und dort und traf's doch nicht. Am Morgen fand sich wieder ein der Wicht: „Ich will meinen Löffel!" 7. Der Schulze suchte wiederum von Haus zu Haus; Er kriegt dm Dieb jedennoch nicht heraus. Dmn weil die Müller ehrlich sind, so kommt Auf dm kein Mmsch. Allein der Kleine kommt: „Schulz, schaff dm Löffel!"

8. Der Schulze weiß am End sich nicht mehr Rat, Der Kleine läßt nicht Ruh, nicht früh, nicht spat: Der arme Schulz, wmn seine Frau er küßt. So zupft das Zwerglein ihn und ruft: „Pst, pst! Schaff mir meinen Löffel!"

36

Sopisch.

9. Da sprach der Schulz am End: „Latz mich in Ruh, Und seht nach eurem Lössel selber zu!" „Gut!" sagt der Zwerg und rüst die Zwerge all. Und alle suchen nun mit großem Schall, All, all nach dem Löffel. 10. Von einem HauS ins andre zieht das Heer, Es tobt, als wenn's der wilde Zager wär. Durch Flur und Küch und Keller hört man schrein: „Den Löffel! Kaspars Löffel muß es sein! Dieb, Dieb, schaff den Löffel!" 11. Die Zwerge werden aller Häuser Pein, Sie dringen überall gleich Mäusen ein; Was hilft es, wenn die Bauern Zeter schrein? Die Zwerge rufen immer: „Recht muß sein! Dieb, Dieb, schaff den Löffel!" 12. Er findt sich nicht, der Bauern Not wird groß; Ein Bauer schlägt gar auf die Zwerge los. Allein sie haben Nebelkappen an Und rufen, während er nicht treffen kann: „Dieb, Dieb, schaff den Löffel!" 13. „Ich hab ihn nicht." — „Wir kehren um das Haus." „So kehrt es um, er fällt doch nicht heraus!" Da kommt des Keinen Volks erst viel herbei. Man hört bis zu der Mühle das Geschrei: „Dieb, Dieb, schaff den Löffel!" 14. Der Müller denkt: „Man sucht am End auch hier; Darum behalt ich diesen Löffel nicht bei mir." Er geht und will verscharren ihn am Sand, Als plötzlich Ehrenkaspar vor ihm stand: „Gib her den Löffel!" 15. Vor Schreck entfiel der Löffel da dem Mann, Doch Kaspar rief sein ganzes Volk heran Und rief: „Ich hab den Dieb, ich hab den Dieb, Der ist mir lieb, der kriegt nun manchen Hieb; Flink her mit den LöffÄn!"

Kopisch.

16. Da kam das ganze kleine Volk herbei Und schlug mit Löffeln ihn beinah zu Brei. Der Müller rief da öfters: „Mit Verlaub!" Allein man klopft ihm aus den Müllerstaub: „Da, stiehl wieder Löffel!"

38. Des kleinen Bottes Überfahrt. 1. „Steh auf, steh aus! es pocht ans Haus." „Tipp, tipp!" — „Wer mag das sein?" Der alte Fährmann geht hinaus. „Tipp, tipp!" — „Wer mag das sein?" Nichts sieht er — halb nur scheint der Mond, Die Sache deucht ihm ungewohnt. Da flüstert es fein: „O Fährmann mein. Wir sind ein winzig Völkelein Und haben Weib und Kindelein. Fahr über uns, die Müh ist klein. Und jedes zahlt sein Hellerlein. Es lärmt zu sehr im Lande, Wir wolln zum andern Strande. 2. Unheimlich wird's an diesem Ort, Es gellt hier zu viel Hammerschlag Und schießt und trommelt fort und fort. Die Glocken läuten Tag für Tag." Der Fährmann steigt in seinen Kahn: „Ich will euch fahren; kommt heran! Werft ohne Betrug Das Geld in den Krug!" — O, welchen Lärm vernahm er da. Obwohl er nichts am Ufer sah! Er wußte nicht, wie ihm geschah. Es klang wie fern und war doch nah: Zehntausend Keine Stimmchen, Viel feiner als die Jmmchen. 3. Der Schiffer ruft dem Knechte sein; Er kommt. Die kleinen Wesen schrein:

37

38

Sopisch.

„Zertritt uns nicht, wir sind so klein!" Da mußt er wohl behutsam sein. Tück, tück! fiel's in den Krug hinab. Wie jeder seinen Heller gab, Pirr! trippelt's heran Und stapft zum Kahn Und ächzt wie mit Kisten und Kasten schwer, Rückt, drückt und schiebt sich hin und her. Es drängt und zwängt sich immer mehr: „Fahr ab, der Kahn will sinken! Fort, eh wir all ertrinken!" 4. Der Schiffer stößt vom Ufer los; Und als er jOo drüben war. Geht an das Schiff mit leichtem Stoß. „Au!" schrie die ganze Keine Schar. In Ohnmacht siel da manche Frau, Das hörte man am Ton genau. Nun' dappelt's hinaus Mit Katz und Maus, Mit Kind und Kegel und Stuhl und Tisch, Mit Kisten und Kasten und Flederwisch. Es war ein Lärmen und ein Gemisch Von Ruf und Zank und Stillgezisch. Nichts sieht man; doch am Schalle Hört man: hinaus sind alle.

5. Nach holt er wieder neue Schar; Die lärmt hinaus; er fährt zurück. Ms dreißigmal gefahren war. Läßt nach im Krug das tück, tück, tück. Er fährt den letzten Teil zum Strand, Der Mond geht unter am Himmelrand. Doch dunkelt es nicht: Was glänzt so licht? Am Strand gehn tausend Lichter Kein, Wie von Johanniswürmelein. Da rafft der Knecht vom Uferrain

Kopisch.

39

Erdboden in den Hut hinein. Setzt auf und kann nun schauen Die Männlein und die Frauen. 6. O, welche Wunder er nun sah: Der ganze Strand war all bedeckt; Sie liefen mit Laternchen da, Bon Gras und Blumen oft versteckt, Und trugen Kindlein wunderhold Und Edelstein und rotes Gold. „Hei!" denket der Knecht, „Das kommt mir recht!" Und langt begierig aus dem Kahn Am Uferrande weit hinan. Da merket ihn ein kleiner Mann, Der fängt ein Zeterschreien an. Puh, puh! find aus die Lichte, Verschwunden alle Wichte.

7. Drauf ffog es her wie Erbsen klein; Es mochten kleine Steinchen sein. Die warfen sie mit großer Pein Und ächzten mühsam hinterdrein. „Es sprühet immer mehr wie toll. Fort, fort von hier, -er Kahn wird voll!" Sie wenden geschwind Herum wie der Wind Und stoßen eilig ab vom Land Und fahren in Angst sich fest im Sand, Bald rechter Hand, bald linker Hand, Und immer ruft es nach vom Strand: „Das Fliehn war euer Glücke, Sonst kamt ihr nicht zurücke!"

39. Prinz Heinrich und der Müller. Des großen Friedrichs Bruder, der Held Prinz Heinerich, Quartiert einmal in Feindesland in eine Mühle sich.

40

Kopisch.

Krmnmacher.

Der Müller, ganz erschrocken von so furchtbarer Ehr, Will alle Gänge sperren; die Mühle lärmt zu sehr.

Da fragte der Prinz: was macht Er?—Ich sperre, sprach der Mann. — Hat Er denn nichts zu mahlen? — O ja, sprach dieser dann;

Ich mache gegenwärtig nur alle Gänge zu. Sonst finden Euer Hoheit vor Klappern keine Ruh,

Und Ruh wird Euer Hoheit sehr nötig sein, ich weiß: Der Tag ward Euer Hoheit bei Kutusitz gar heiß. Da sprachen Seine Hoheit: Laß Er das Sperren dort, Brot will der Magen immer, drum mahl Er immer fort;

Weckt mich nur nicht von neuem Kanonendonner auf. So schlaf ich auch beim Klappern; laß Er dem Trieb den Lauf. Da ward der Müller fiöhlich; der Prinz schlief wie ein Prinz, Die ganze Nacht und weiter; zu tagen längst beginnt's. Nun wecket ihn sein Diener. Auf springt er, eilt von hier. Da steht die hübsche Müllerin gar fteundlich in der Tür Und fragt: wie haben Hoheit geschlafen diese Nacht? Ganz gut, mich hat das Klappern nicht um die Ruh ge­ bracht. Da wundert sich die Frau: Es war doch mancherlei Soldat Schon hier, als Grenadier, Husar, Pandur, Kroat, Ja Kanoniere selbst, die taubsten in der Welt, Gemeines Volk, verlangte die Mühl in Ruh gestellt. Das kann mir Hoheit glauben — Ja ja, das glaube ich. Ich bin auch nur rfn Preuße! sprach Prinz Heinerich.

Friedrich Adolf Krummacher. 40. Das Lied vom Samenkorn. Der Sämann streut aus voller Hand Samen auf das weiche Land, wundersam! ums er gesät.

1. Den Und, Das

Körnlein, wieder aufersteht.

Krummacher.

2. Die Erde nimmt es in den Schoß, Da wird es seiner Windeln los; Ein zartes Keimchen kommt hervor Und hebt sein rötlich Haupt empor.

Z. Und Die Der

Es steht und frieret, nackt und klein. fleht um Tau und Sonnenschein; Sonne schaut von hoher Bahn Erde Kindlein freundlich an.

4. Bald aber dräuet Frost und Sturm, Und schon verbirgt sich Mensch und -Wurm; Das Körnlein kann ihm nicht entgehn. Es muß in Wind und Wetter stehn. 5. Doch schadet Der Himmel deckt Der Erde nacktes Dann schlummert

ihm kein Leid noch Weh, mit weichem Schnee Kindlein zu; es in guter Ruh.

6. Die Der Und

Bald fleucht des Winters trübe Nacht; Lerche singt, das Korn erwacht; Lenz heißt Bäum und Wiesen blühn schmückt das Feld mit frischem Grün.

7. Und Und Im

Nun müssen Ähr an Ähre wie ein leise Winde wogt

Halm an Halm erstehn. läßt sich sehn. wallend Meer es hin und her.

8. Dann schaut vom hohm Himmelszelt Die Sonne auf das Ährenfeld; Die Erde ruht in stillem Glanz, Geschmückt mit goldnem Erntekranz. 9. Die Der Des

Die Ernte naht, die Sichel Hingt, Garbe rauscht, gen Himmel dringt Freude lauter Jubelsang, Herzens stiller Preis und Dank.

41

42

Kugler.

Leuthold.

Franz Kugler. 41. Rudelsburg. 1. An der Saale Hellem Strande Stehen Burgen stolz und kühn, Ihre Dächer sind gefallen. Und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin. 2. Zwar die Ritter sind verschwunden. Nimmer klingen Speer und Schild; Doch dem Wandersmann erscheinen Auf den altbemoosten Steinen Oft Gestalten zart und mild.

3. Droben winken holde Augen, Freundlich lacht manch roter Mund, Wandrer schaut wohl in die Ferne, Schaut in holder Augen Sterne, Herz ist heiter und gesund. 4. Und der Wandrer zieht von dannen, Denn die Trennungsstunde ruft; Und er singet Abschiedslieder, Lebewohl! tönt ihm hernieder, Tücher wehen in die Luft.

Heinrich Leuthold. 42. Meines Kindes Abendgebet. 1. Der Tag ist um. Und wiederum Hat deine Macht Dein Kind bewacht. Und fort und fort Bet ich zu dir: O Herr, mein Hort, Sei du mit mir!

2. In deiner Hut, Wie bin ich gut! Kein Vögelein Ist dir zu klein; Mein Kindeswort Dringt auch zu dir: O Herr, mein Hort, Sei du mit mir!

Leuthold.

Löwenstein.

3. Dich fleh ich an: Zeig mir die Bahn, Laß fromm und rein Mein Leben sein! An jedem £)rt Steh ich vor dir; O Herr, mein Hort, Sei du mit mir!

Rudolf Löwenstein. 43. Abendlied. 1. Der Tag geht nun zu Ende, Die Blumen schlafen ein. Nun faltet eure Hände, Ihr sieben Kindelein! 2. Und Wie Die

Und schaut um euch im Kreise schaut zum Himmel auf: zieht so traulich leise dunkle Nacht herauf!

3. Der Der Jetzt

Bald glänzt in tausend Tröpfchen helle Mondenschein. Bogel steckt sein Köpfchen unters Flügelein.

4. Sich Doch Noch

Nun ruht vom heißen Tage aus manch müdes Herz; manches schaut in Klage wachend himmelwärts.

5. Nun Daß Wie

Drum betet, daß der Frieden jedem komm herbei. süße Ruh beschieden. euch, den Armen sei.

6. Denn der im Heilgen Wehen Dort zieht von Stern zu Stern, Hat auch der Kinder Flehen Und jhre Liebe gern.

43

44

Löwenstein. Mörike.

44. Die wilde Kastanie. 1. Winter ist entflogen kaum. Seht, da schmückt die Äste Schon der Roßkastamenbaum Hold zum Frühlingsfeste. 2. Blätterknospen, braun und dicht, Quellen, schwellen, sprießen Saftig, werden bald dem Licht Prachtvoll sich erschließen.

3. Bald von Kerzen, silberschwer. Ist der Baum behangen. Ms ob sie ein Christbaum wär, Wird Kastanie prangen. 4. Wird euch rufen: „Schaut mich an. Freut euch mein von Herzen! Schöner als ein grüner Tann Strahlen meine Kerzen.

5. Und ich habe hundertfach Gaben zu versenden: Allen Sängern will ich Dach, Ruh und Schatten spenden! 6. Weithin durch die grüne Flur Leuchten meine Lichter Und um mich vereint sind nur Fröhliche Gesichter."

Eduard Mörike. 45. An den Mai. Es ist doch im April fürwahr Der Frühling weder halb noch gar. Komm, Rosenbringer, süßer Mai, Komm du herbei! 5 So weiß ich, was der Frühling sei.

MSrike.

Wie aber? soll die erste Gartenpracht, Narzissen, Primeln, Hyazinthen, Die kaum die hellen Äuglein aufgemacht. Schon welken und verschwinden? 10 Und mit euch besonders, holde Veilchen, Wär's dann fürs ganze Jahr vorbei? Lieber, lieber Mai, Ach, so warte noch ein Weilchen!

46. Wanderlied. EntfKchn sind wir der Stadt Gedränge, Wie.anders leuchtet hier der Tag! Wie Hingt in unsre Lustgesänge Lerchensang 5 Hier und Wachtelschlag! Nun wandern wir und lassen gerne Herrn Griesgram zu Haus; Ein frischer Blick dringt in die Ferne Nur immer hinaus! 10 Wir wandern, bis der späte Abend taut. Wir rasten, bis der Morgen wieder graut. Man lagert sich am Schattenquelle, Wo erst das muntre Reh geruht; Aus hohler Hand trinkt sich der helle 15 Kühle Trank Wohl noch eins so gut.

Nun wandern wir und lassen gerne Herrn Griesgram zu Haus: Ein frischer Blick dringt in die Ferne 20 Nur immer hinaus!

47. Elfenlied. Bei Nacht im Dorf der Wächter rief: Elfe! Ein ganz Heines Elfchen im Walde schlief, Wohl um die elfe.

46

46

Mörike. Mosen. 5 Und meint, es rief ihm aus dem Tal Bei seinem Namen die Nachtigall, Oder Silpelit hätt ihm gerufen. Reibt sich der Elf die Augen aus. Begibt sich vor sein Schneckenhaus, 10 Und ist als wie ein trunken Mann, Sein Schläflein war nicht voll getan. Und humpelt also tippe tapp Durchs Haselholz ins Tal hinab. Schlupft an der Mauer hin so dicht, 15 Da sitzt der Glühwurm, Licht an Licht. „Was sind das helle Fensterlein? Da drin wird eine Hochzeit sein! Die Kleinen sitzen beim Mahle Und tteiben's in dem Saale, 20 Da guck ich wohl ein wenig 'nein!" Pfui! stößt den Kopf an harten Stein! Elfe, gelt! Du hast genug? Gukuk! gukuk!

Julius Mosen. 48. Aus der Fremde. 1. Wo auf hohen Tannenspitzen, Die so dunkel und so grün. Drosseln gern verstohlen sitzen, Weiß und rot die Moose blühn: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne! 2. Wo ins Silber frischer Wellen Schaut die Sonne hoch hinein, Spielen heimliche Forellen In der Erlen grünem Schein: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne!

Mosen.

Wilhelm Müller.

3. Wo tief unten aus der Erde Eisenerz der Bergmann bricht Und die Zither spielt am Herde In der kurzen Tagesschicht: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne! 4. Wo die Hirtenfeuer Brennen, Durch den Wald die Herde zieht. Wo mich alle Berge kennen, Drüberhin die Wolke flieht: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne!

5. Wo so hell die Glocken schallen Sonntags früh ins Land hinaus. Alle in die Kirche wallen, In der Hand den Blumenstrauß: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne! 6. Doch mein Leid ist nicht zu ändern; Zieht das Heimweh mich zurück. Treibt.mich doch nach fremden Ländern Unerbittlich das Geschick: Zu der Heimat in der Ferne Zög ich heute noch so gerne!

Wilhelm Müller. 49. Morgenlied. 1. „Wer schlägt so rasch an die Fenster mir Mit schwanken, grünen Zweigen?" „Der junge Morgenwind ist hier Und will sich lustig zeigen. 2. Heraus, heraus, du Menschensohn!" So ruft der kecke Geselle, „Es schwärmt von Frühlingswonnen schon Vor deiner Kammerschwelle.

47

48

Wilhelm Müller. 3. Hörst du die Käfer summen nicht? Hörst du das Glas nicht Kirren, Wenn sie, betäubt von Dust und Licht, Hart an die Scheiben schwirren? 4. Die Sonnenstrahlen stehlen sich Behende durch Blätter und Ranken Und necken auf deinem Lager dich Mit blendendem Schweben und Schwanken. 5. Die Nachtigall ist heiser fast. So lang hat sie gesungen. Und weil du sie gehört nicht hast. Ist sie vom Baum gesprungen.

6. Da schlug ich mit dem leeren Zweig An deine Fensterscheiben: Heraus, heraus in das Frühlingsreich! Er wird nicht lange mehr bleiben."

50, Krühlingseinrug. 1. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Der alte Winter will heraus. Er trippelt ängstlich durch das Haus, Er windet bang sich in der Brust Und kramt zusammen seinen Wust. Geschwinde, geschwinde! 2. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Er spürt den Frühling vor dem Tor, Der will ihn zupfen bei dem Ohr, Ihn zausen an dem weißen Bart Nach solcher wilden Buben Art. Geschwinde, geschwinde!

3. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Der Frühling pocht und Köpft ja fdjon, Horcht, horcht! es ist ein lieber Ton.

Wilhelm Müller.

49

Er pocht und klopfet, was er kann. Mit kleinen Blumeuknospen an. Geschwinde, geschwinde! 4. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Und wenn ihr noch nicht öffnen wollt.

Er hat viel Dienerschaft im Sold, Die ruft er sich zur Hilfe her Und pocht und klopfet immer mehr. Geschwinde, geschwinde! 5. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Es kommt der Junker Morgenwind, Ein bausebackig rotes Kind, Und bläst, daß alles llingt und llirrt. Bis seinem Herrn geöffnet wird. Geschwinde, geschwinde! 6. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Es kommt der Ritter Sonnenschein, Der bricht mit goldnen Lanzen ein. Der sanfte Schmeichler Blütenhauch Schleicht durch die engsten Ritzen auch. Geschwinde, geschwinde!

7. Die Fenster auf! die Herzen auf! Geschwinde, geschwinde! Zum Angriff schlägt die Nachtigall, Und horch! und horch! ein Widerhall, Ein Widerhall aus meiner Brust: Herein, herein, du Frühlingslust, Geschwinde, geschwinde!

Hessel, Lesebuch 4.

11. Aufl.

M. 4

50

Riebusch. Pfeffel.

K, von Niebusch. 51. Mein Heimatland. 1. Von des Rheines Strand,'n« die Rebe blüht. Bis zur Weichsel, die gen Norden zieht; Bon der Alpe Rand, frei und felsenfest. Bis zur Möwe wildem Felsennest, Liegt ein schönes Land, 's ist mein Heimatland, 's ist mein liebes deutsches Vaterland.

2. Wo die Eiche kühn auf gen Himmel strebt Und die Treue tief im Herzen lebt; Wo der Buche Grün um uns Tempel baut Und die Lieb aus jeder Hütte schaut: Ach, dies schöne Land ist mein Heimatland, Ist mein liebes deutsches Vaterland. 3. Auf, du deutsches Land, wahre deutschen Mut, Deutsche Treu und deutscher Sie6e Glut! Wehre welschem Tand, Trug und Heuchelschein, Laß sie fern von deinen Hütten sein! Fern von dir, o Land, du mein Heimatland, Du mein liÄes deutsches Vaterland!

Gottlieb Konrav Pfeffel. 52. Die Stufenleiter. 1. Ein schlauer Sperling haschte sich Ein blaues Mückchen. „Weh mir Armen!" Rief es, „ach Herr, verschone mich. Laß meiner Jugend bich erbarmen!" „Nein," sprach her Mörder, „du bist mein, Denn ich bin groß, und du bist klein." 2. Ein Sperber fand ihn bei dem Schmaus; So leicht wird kaum ein Floh gefangen. Als Junker Spatz. „Gib," rief er aus, „Mich frei! Was hab ich denn begangen?"

Pfeffel.

Ramler.

51

„Nein," sprach der Mörder, „du bist mein. Denn ich bin groß, und du bist klein."

3. Ein Adler sah den Gauch und schoß Auf ihn herab und riß den Rücken Ihm auf. „Herr König, laß mich los," Rief er, „du hackst mich ja in Stücken!" „Nein," sprach der Mörder, „du bist mein. Denn ich bin groß, und du bist klein."

4. Schnell kam ein Pfeil vom nahen Bühl Dem Adler in die Brust geflogen. „Warum," rief er, indem er fiel. Zum Jäger, „tötet mich dein Bogen?" „Ei," sprach der Mörder, „du bist mein. Denn ich bin groß, und du bist klein."

Karl Wilhelm Ramler. 53. Der Junker und der Bauer. Ein Bauer trat mit seiner Klage Bor Junker Alexander hin: „Vernehmt, Herr, daß ich heut am Tage Recht übel angekommen bin, 5 Mein Hund hat Eure Kuh glissen, Wer wird den Schaden tragen müssen?" „Schelm, das sollst du," fuhr hier der Junker auf, „Für dreißig Taler war mir nicht die Kuh zu Kauf, Die sollst du diesen Augenblick erlegen, 10 Das sei hiermit erkannt von Rechtes wegen!" „Ach nein, gestrenger Herr! ich bitte, hört-" Rief ihm der Bauer wieder zu, „Ich hab es in der Angst verkehrt. Nein, Euer Hund biß meine Kuh." 15 Und wie hieß nun das Urteil Alexanders? „Ja, Bauer, das ist ganz was anders!"

Reinick. Rückert.

Robert Reiuick. 54. Deutscher Rat. 1. Laß Bon Der

Bor allem eins, mein Kind: fei treu und wchr! nie die Lüge deinen Mund entweihn! altersher im deutschen Volke war höchste Rahm, getreu und wahr zu fein.

2. Noch Aus Das

Du bist ein deutsches Kind, so denke dran! bist du jung, noch ist es nicht Po schwer. einem Knaben aber wird ein Mann — Bäumchen biegt sich, doch der Baum nicht mchr.

3. Was Was Dein

Sprich ja und nein, und dreh und deutle nicht! du berichtest, sage furg und schlicht! du gelobest, sei dir höchste Pflicht! Wort sei heilig, drum verschwend es nicht!

4. Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran. Zuerst ein Zwerg, ein Riese Hinternach: .Doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an. Und eine.Stimme ruft in dir: „Sei wach!" 6. Dann wach und kämpf! es ist ein Feind bereit: Die Lüg in dir, sie drohet dir Gefahr. Kind! Deutsche kämpften tapfer allezeit; Du deutsches Kind, sei tapfer, treu und wahr!

Friedrich Rückert. 55. Blücher in London. 1. Als Blücher durch die Straßen Londons im Wagen fuhr. Drängte sich ohne Maßen das Volk auf seine Spur. Sie wollten all ihn grüßen; da hielt er aus dem Schlag, Weil man sie wollte küssen, die Hand den ganzen Tag.

2. Da sprach der alte Streiter still zu sich mit Berstend: Wenn das so fortgeht weiter, so komm ich um die Hmd.

Rückert.

68

Man wird sie ab mir toflett, und ja nicht weiß ich doch. Ob ich sie werde müssen nicht brauchen irgend noch. 3. Drauf eine Hand von Leder setzt er an jener Statt, Da küsse nun sich jeder nach Lust am Seber satt. Sie sehn am Wagen baumeln die Hand, die schlapp genug. Sie küßten sie mit Taumeln und merkten nicht den Trug.

4. Auffiel ihr welk Geschlotter doch einem von der Schar, Der von Pudding und Potter genährt am besten war. „Goddam?" sprach er bcrtvegen, „wie konnte diese Hand Nur führen jenen Degen, der Frankreich überwandt

56, Bom Bäumlein, das spaziere« ging. Das Bäumlein stand im Wald In gutem Aufenthalt; Da standen Busch und Sttauch. Und andere Bäumlein auch; 5 Die standen dicht und enge. Es war ein rechts Gedränge; Stad Bäumlein mußt sich bücken Und sich -usammendrücken. Da hat das Bäumlein gedacht 10 Und mit sich ausgemacht: «Hier mag ich nicht mehr stehn. Ich will wo anders gehn Und mir ein Ortlein suchen. Wo weder Birk noch Buchen, 15 Wo weder Tann noch Eichen Und gar nichts desgleichen; Da will ich allein mich pflanzen Und tanzen!" Das Bäumlein, das geht nun fort 20 Und kommt an einen Ort In ein Wiesenland, Wo nie ein Bäumlein stand; Da hat sich's hingepflanzt Und hat getanzt.

Rückert.

25

Dem Blümlein hat's vor allen An dem Ortlein gefallen; Ein gar schöner Bronnen Kam zum Bäumlein geronnen; War's dem Bäumlein zu heiß, 30 Kühlt's Brünnlein seinen Schweiß. Schönes Sonnenlicht War ihm auch zugericht; War's dem Bäumlein zu kalt. Wärmt die Sonn es bald. 35 Auch «in guter Wind War ihm hold gesinnt. Der half mit seinem Blasen Ihm tanzen auf dem Rasen. Das Bäumlein tanzt und sprang 40 Den ganzen Sommer lang; Bis es vor lauter Tanz Hat verloren den Kranz. Der Kranz mit den Blättlein allen Ist ihm vom Kopf gefallen; 45 Die Blättlein lagen umher. Das Bäumlein hat keines mehr: Die einen lagen im Bronnen, Die andern in der Sonnen, Die andern Blättlein geschwind 50 Flogen umher im Wind.

Wie's Herbst nun war und kalt. Da fror's das Bäumlein bald; Es rief zum Brunnen nieder: „Gib Meine Blättlein mir wieder, 55 Damit ich doch ein Kleid Habe zur Winterszeit!" Das Brünnlein sprach: „Ich kann eben Die Blättlein dir nicht ge6en; Ich habe sie alle getrunken, 60 Sie sind in mich versunken."

Rückert.

Da kehrte von 6em Bronnen Das Bäumlein sich zur Sonnen: „Gib mir die Blättlein wieder. Es friert mich an die Gliedert" 65 Die Sonne sprach: „Nun eben Kann ich sie dir nicht geben: Die Blättlein sind längst verbrannt In meiner heißen Hand."

Da sprach das Bäumlein geschwind^ 70 Zum Wind: „Gib mir die Blättlein wieder. Sonst fall ich tot darnieder!" Der Wind sprach: „Ich eben Kann dir die Blättlein nicht ge6en; 75 Ich hab sie über die Hügel Geweht mit meinem Flügel." Da sprach das Bäumlein ganz still: „Nun weiß ich, was ich toitt; Da haußen ist mir's zu kalt, 80 Ich geh in meinen Wald, Da will ich unter die Hecken Und Bäume mich verstecken!"

Da macht sich's Bäumlein auf Und kommt im vollen Lauf 85 Zum Wald zurückgelaufen Und will sich stell'« in den Haufen, 's fragt gleich beim ersten Baum: „Hast du keinen Raum?" Der sagt: „Ich habe keinen"; 90 Da fragt das Bäumlein noch einen, Der hat wieder keinen; Es fragt von Baum zu Baum, Aber kein einz'ger hat Raum. Dem Bäumchen kann nichts frommen, 95 Es kann nicht unterkommen.

SS

68

Stottert

Da geht es traurig weiter Und friert, denn eS hat keine Kleider; Da fommt mittlerweile Ein Mann mit einem Beile, 100 Der reibt die Hände sehr. Tut auch, als ob's ihn frör. Da denkt das Bäumlein wacker: „Das ist ein Holzhacker, Der kann den besten Trost 105 Mir geben für meinen Frost." Das Bäumlein spricht schnell Zum Holzhacker: „Gesell, Dich friert's. so sehr wie mich Und mich so sehr wie dich. 110 Vielleicht kannst du mir Helfe» und ich dir! Komm, hau mich, um Und trag mich in deine Stub'n, Schür ein Feuer an 115 Und leg mich dxan! So wärmst du mich Und ich dich."

Das deucht dem Holzhacker nicht schlecht. Er nimmt sein Beil zurecht, 120 Haut 's Bäumlein in die Wurzel, Um .fällt's mit Gepurzel; Nun hackt er's Kein und kraus Und trägt das Holz nach Haus Und legt von Zeit zu Zett 125 In den Ofen ein Scheit.

Das größte Scheit von allen Ist ups fürs Haus gefallen; Das soll die Magd uns holen. So legen wir's auf die Kohlen; 130 Das soll die ganze Wochen Uns unsre Suppen kochen.

Rückert.

57

Oder willst du lieber Brei? Das ist mir einerlei.

57. Die Rätsel der Elfem. Die Elfen sitzen im Felsenschacht, Vertreiben mit Reden die lange Nacht. Sie legen sich lustige Rätsel vor. Die, wenn sie nicht Gold sind, doch llingen im Ohr. Und wie ein Windzug dazwischen geht. So sind samt den Elfen die Rätsel verweht. 1. Welch Gold entstammt dem Erdschacht nicht? Ich. hörte von goldenem Sonnenlicht. 2. Wer borgt sein Silber von fremdem Gold? Der Mond, der ob unsern Häuptern rollt. 3. Wo quillt die Trän aus härtester Brust? Der Quell im Fels ist mir wohl bewußt. 4. Wo strömt ein Strom, da kein Strombett ist? Der Regenstrom, der in Lüften fließt. 6. Wo ist auf dem Fluß die breiteste Brück? Das Eis ist gebaut aus einem Stück. 6. Die Flut, die im stetesten Takt sich bewegt? Das Blut, das im Herzen des Menschen schlägt. 7. Wer trauert in seinem buntesten Kleid? Das ist der Baum zu des Herbstes Zeit. 8. Wer hat tausend Augen und sicht sich nicht? Der Strauch, der sie treibt und weiß es nicht. 9. Wer sah nie von innen sein eigenes Haus? Die Schnecke, und kommt doch niemals heraus. 10. Wo hat man den kleinsten zum König gemacht? Der Zaunkönig wird ausgelacht. 11. Wo tritt der Schwache den Starken nieder? Den Erdboden des Menschen ©Heber. 12. Was ist stärker als der Erdengrund? Das Eisen, denn es macht ihn wund. 13. Was ist stärker als Eisen und Stahl? Das Feuer schmelzt sie allzumal.

58

Rückert.

14. Was ist stärker als Feuersglut? Die feuerlöschende Wasserflut. 15. Was ist stärker als Nut im Meer? Der Wind, der sie treibt hin und her. 16. Und was ist stärker als Wind und Luft? Der Donner: sie zittern, wenn er ruft. 17. Wer ist mächtiger als der Tod? Wer da kann lachen, wenn er droht.

18. Und wer, wenn die Erde bebt, kann stehn? Wer nicht fürchtet unterzugehn.

19. Warum fließt das Wasser den Berg nicht hinauf ? Weil's bergunter hat leichtern Lauf. 20. Warum trägt Kürbse der Eichbaum nicht? .Daß sie dir nicht fallen aufs Angesicht.

21. Wozu hat der Gaul vier Füße empfahlt? Damit er mit vieren stolpern kann. 22. Und warum sind die Fische stumm? Weil sie sonst würden reden dumm. 23. Wer löset alle Rätsel auf? Wer immer was weiß, was sich reimet drauf.

24. Und warum schweig ich jetzo still? Weil ich nichts weiter hören will.

88. Parabel: Der Nagel. 1. Es ritt ein Herr, das war sein Recht, Zu Fuße ließ er gehn den Knecht, Er reitet über Stock und Stein, Daß kaum der Knecht kam hinterdrein. Der treue schleppt sich hinterher Dem leichten Ritt und fürchtet sehr, Zu Falle komm er schwer. 2. „Herr, Herr!" erschallt des Knechtes Ruf, „Ein Nagel ging Euch los vom Huf, Und schlaget Ihr nicht den Nagel ein. So wird der Huf verloren sein."

Rückert.

„Ei, Nagel hin und Nagel her! Der Huf hat ja der NägÄ mehr Und hält noch ungefähr." 3. Und wieder schallt des Knechtes Ruf: „Herr, losgcgangen ist ein Huf, Und schlagt Ihr nicht das Eisen an. So ist es um das Roß getan." „Hufeisen hin, Hufeisen her! Das Rößlein hat Hufeisen mehr Und geht noch wie vorher." 4. Und eh der dritte Ruf erschallt. Da ist er an den Stein geprallt; Das Rößlein liegt und steht nicht auf. Geendet ist des Herren Lauf. Er spricht nicht mehr: „Roß hin, Roß her!" Er rafft sich auf und schreitet schwer Mit.feinem Knecht einher.

59. Die verspätete Biene. 1. Die ersten Sonnenstrahlen schienen Aufs Bienenhaus, Da flogen die erwachten Bienen In Schwärmen aus. „Trompetet hell und fahret. Gerüstet und gescharet. Zur Arbeit und zum Schmaus!" 2. Erst ihre fleiß'gen Scharen zählte Die Königin Und merkte, daß ein Bienchen fehlte: „Wo ist es hin? Und hat es sich verschlafen, So treffen es die Strafen, So Mhr ich König bin." 3. Doch als sie fuhren auf den Wegen Mit lautem Tvn, Kam ihnen, das gefehlt, entgegen, Beladen schon.

SS

60

Rückert.

Mit goldnem Wachs behoset. Mit Goldsetm überrofrt, Durchleuchtet ganz davon. 4. „Wo hast du das schon mifgettieben, Wo hergebracht^ „Und wißt ihr denn, wo ich geblieben Heut über Rächt? Die Nacht mich überraschte. Wo ich in Blumen naschte. Da hab ich denn gedaM: 5. Ich will im Kelch hier übernachten. Nicht weit davon. Und wenn die andern dort erwachten, Arbeit ich schon. Arbeitet nun, Gesellen! Ich eil indes, zu stellen Mich tot der Kön'gin Thron."

60. Katerstolz «ud Fuchse» Rat. Vernimm vom Katerstolz, wie er auf Fuchses Rat Zuletzt das Weib, das ihm gebührt, bekommen hat. Der stolze Kater sprach: „Ich bin so hochgeboren. Der Sonne Tochter hab ich mir zum Weib erforen. 5 Weil über groß und klein hell ist der Sonne Schein, Darum will ich allein der Sonne Tochter frein. Wie, oder weißt du, wer der Sonne Meister feie. Den sage mir, damit ich dessen Tochter freie!" Der Fuchs, der Äuge, sprach: „Das ist dort jene Wolke, Die hält der Sonne Licht zurück vor allem Volke." Der Kater sprach: „Wie stark muß nicht die Wolke sein! Sy will ich lieber doch der Wolke Tochter frein. Wie, oder weißt du, wer der Wolke Meister feie, Den sage mir, damit ich dessen Tarier freie!" 15 Der Fuchs, der kluge, sprach: „Ihr Meister ist der Wind, Bor dessen Hauch zergeht die Wolke so geschwind." Der Kater sprach: „Wie stark muß dessen Macht nicht sein! So will ich lieber doch des Windes Tochter frein!

10

Rückert.

61

Wie, oder weißt du, wer des Windes Meister feie, Den sage mir, damit ich dessen Tochter freie!" Der Fuchs, der Buge, sprach: „Dort jener alte Turm, An dem so lange schon sich brach ber Winde Sturm!" Der Kater sprach: „Wie stark muß dieser Turm nicht sein! So will ich lieber doch des Turmes Tochter frein! 25 Wie, oder weißt du, wer des Turmes Meister feie! Den sage mir, damit ich dessen Tochter freie!" Der Fuchs, der kluge sprach: „Im alten Turm die Maus, Die höhlet, bis er fällt, den Turm von unten aus." Der Kater sprach: „Wie stark muß diese Maus nicht sein! 30 So will ich lieber doch derselben Tochter frein! Wie, oder weißt du, wer der Mäuse Meister feie, Den sage mir, damit ich dessen Tochter freie!" Der Fuchs, der kluge sprach: „Dein Bäschen ist's, die Katze, Die übers Mausgeschlecht gebietet mit der Tatze." 35 Der Kater sprach und zog den Schweif des Stolzes ein: „So will ich lieber doch der Katze Tochter frein!"

20

61. Das Wunder auf der Flucht. 1. Auf jener Flucht, von welcher nun Das Morgenland die Jahre zählt. Als im Gebirg, um auszuruhu, Mohamed hat die Höhl erwählt, Wo Abubeker bei ihm war, Und vor der Höhle die Gefahr, Der feindlichen Verfolger Schar. —

2. Mohamed sprach: „Was zitterst du? Wir find nicht zwei hier, wir sind drei." Da kam hernieder Gottesruh, Gefühl, daß Gott mit ihnen sei. Sie fühlen Friedensatem wehn; Die Feinde vor der Höhle stehn; Was hindert sie hereinzugehn? 3. Die Taube draußen auf dem Stein Hat in der Nacht ihr Ei gelegt;

62

Rückert.

Sollet.

Die Spinne hat den Eingang fein Mit seidnem Vorhang überhegt. Betrogen sieht's der Feind und spricht: „Das Ei ist ganz, das Netz ist dicht: In dieser Höhle sind sie nicht."

4. In dieser Höhle sind sie doch, Dje Feinde aber gehn vorbei. Bei Spinn und Taube ruhn sie noch. Bis draußen find die Wege frei. Dann gehn sie hin, wohl ausgeruht. Und danken Gott für treue Hut, Der groß im Klemm Wunder tut.

Friedrich von Sallet. 62. Elfenwirtschaft. 1. „Wo sind sie nur alle hingekommm. Die Blummglöcklein von zuletzt?" „Das Elfenvolk hat sie mitgenommen Und sie als Helme sich aufgesetzt."

2. „Doch wo sind die Hälmlein, möcht ich wissen. Die auf der Wiese schwankten frei?" „Das Elfmvolk hat sie ausgerissen Ms Schwerter und Lanzm zum Festturnei." 3. „Wohin sind alle die Bimen gegangm. Die Lustig flogm und saugtm Duft?" „Das Elfmvolk hat sie eingefangen Und reitet tumierend durch die Luft."

4. Die Mit Mit

„Wo aber blieb die schöne Rose, glühmd mit tausend Blättern stand. goldner Krone tief int Schoße, Hellem Tau gefüllt zum Rand?"

6. „Dm Tau wird das Elfmvolk wohl trinkm Trinkschalen müssm die Blätter sein;

SaUet.

Schiller.

63

Auf Elfenkönigs Stirn wird blinken Die Rosenkrone mit goldigem Schein."

6. „Doch sag, was ist's mit den Schmetterlingen?" „Die starben der Rose nach aus Schmerz, Die Elfen nahmen die bunten Schwingen Zum Kutz für die Damen bei Tanz und Scherz." 7. „Wo aber blieben denn die Grillen, Die ringsum zirpten mit lustigem Schall?" „Die müssen den Elfen zirpen und schrillen Ms Musikanten beim festlichen Ball."

8. „Ach! auch die schönen Lilien schwanden. Die hier geblüht in stiller Pracht." „Die Elfen schleppten sich fast zu schänden. Bis sie sie endlich hinweggebracht.

9. Nun stehn sie als Sollen stolz und mächtig. Als Zier des Saales beim Elfenball, Und auf den Blütenkronen prächtig Ruhet die Wölbung von lichtem Kristall. 10. Doch komm nach Haus! es dunkelt im Tale, Heut leuchtet uns nicht der Würmlein Schein, Die schweben als Lichter im Elfensaale, Wetteifernd mit schimmerndem Edelgestein. 11. Nun freun sich die Elfen des, was sie genommen: Hörst du sie nicht jubeln im tiefen Haus? Doch wenn der Frühling wiedergekommen. Dann geben sie alles wieder heraus."

Friedrich von Schiller. 63. Kischerknabe. 1. Es lächelt der See, er ladet zum Bade, Der Knabe schlief ein am grünen Gestade, Da hört er ein Klingen, Wie Flöten so süß. Wie Stimmen der Engel Im Paradies.

64

Schiller.

2. Und wie er erwachet in seliger Lust, Da spülen die Wasser ihm um die Brust. Und es ruft aus den Tiefen: „Lieb Knabe, bist mein! Ich locke den Schläfer, Ich zieh jhn herein."

64. Alpenjäger. 1. Es donnern die Höhen, es zittert der Steg, Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg; Er schrettet verwegen Aus FÄdern von Eis; Da.pranget kein Frühling, Da grünet kein Reis. 2. Und, unter den Füßen ein neblichtes Meer, Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr; Durch den Riß nur der Wolken Erblickt er Pie Welt, Tief unter den Wassern Das grünende FÄd.

65. «lpenhirt. Ihr Ihr Der Der

Matten, lebt wohl, sonnigen Weiden! Senne muß scheiden. Sommer ist hin.

Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder. Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder, Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu. Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai. Ihr Ihr Der Der

Matten, lebt wohl, sonnigm Weiden! Senne muß scheiden, Sommer ist hin.

65

Schiller.

66. Pförtners Morgeulied. 1. Verschwunden ist die finstre Nacht, Die Lerche schlägt, der Tag erwacht. Die Sonne kommt mit Prangen Am Himmel aufgegangen. Sie scheint in Königs Prunkgemach, Sie scheinet durch des Bettlers Dach, Und was in Nacht verborgen war. Das.macht sie kund und offenbar.

2. Lob sei dem Herrn und Dank gebracht. Der über diesem Haus gewacht. Mit seinen heiligen Scharen Uns gnädig wollte bewahren. Wohl mancher schloß die Augen schwer Und öffnet sie dem Licht nicht mehr; Drum freue sich, wer neu belebt Den frischen Blick zur Sonn erhebt!

67. Rätsel. I.

1. Unter allen Schlangen ist eine. Auf Erden nicht gezeugt. Mit der gn Schnelle keine. An Wut sich keine vergleicht. 2. Sie stürzt mit furchtbarer Stimme Auf ihren Raub sich 'los. Vertilgt in einem Grimme Den Reiter und sein Roß. 3. Sie liebt die höchsten Spitzen; Nicht Schloß, nicht Riegel kann Bor ihrem Anfall schützen: Der Harnisch lockt sie an.

4. Sie bricht wie dünne Halmen Den stärksten Baum entzwei; Hessel. Lesebuch 4.

11. Ausl.

M. 6

Schiller.

Sie kann das Erz zermalmen. Wie dicht und fest es sei.

5. Und dieses Ungeheuer Hat zweimal nie gedroht — Es stirbt im eignen Feuer; Wie's tötet, ist es tot! Auslösung: Diese Schlange, der an Schnelle keine gleicht. Die aus der Höhe schießt, die stärksten Eichen Wie dünnes Rohr zerbricht, durch Schloß und Riegel dringt, Bor der kein Harnisch kann beschützen. Die sich in eignem Feuer selbst verzehrt. Es ist der Blitz, der aus der Wolke fährt.

II.

1. Ein Gebäude steht da von uralten Zeiten, Es ist kein Tempel, es ist kein Haus; Ein Reiter kann hundert Tage reiten. Er umwandert es nicht, er reitet's nicht aus.

2. Jahrhunderte sind vorüber geflogen. Es trotzte der Zeit und der Stürme Heer; Frei steht es unter dem himmlischen Bogen, Es reicht in die Wolken, es netzt sich im Meer. 3. Nicht eitle Prahlsucht hat es getürmet. Es Meitet zum Heil, es rettet und schirmet; Seinesgleichen ist nicht auf Erden bekannt. Und doch ist's ein Werk von Menschenhand.

Auflösung: Das alte, festgegründete Gebäude, Das Stürmen und Jahrhunderten getrotzt. Das sich unendlich, unabsehlich leitet Und Tausende beschirmt, die große Mauer ist's. Die China von der Tartarwüste scheidet.

Schiller.

Schnezler.

67

in. 1. Wie heißt das Ding, das wen'ge schätzen. Doch ziert's des größten Kaisers Hand; Es ist gemacht, um zu verletzen; Am nächsten ist's dem Schwert verwandt.

2. Kein Blut vergießt's und macht doch tausmd Wunden; Niemand beraubt's und macht doch reich; Es hat den Erdkreis überwunden. Es macht das Leben sanft und gleich.

3. Die größten Reiche hat's gegründet. Die ältesten Städte hat's erbaut; Doch niemals hat es Krieg entzündet. Und Heil dem Volk, das ihm vertraut!

Auflösung: Dies Ding von Eisen, das nur wen'ge schätzen. Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs, Dies Werkzeug, das, unschuld'ger als das Schwert, Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen — Wer ehrte nicht das köstliche Geräte, Das allen diesen Segen schuf — den Pflug?

August Schnezler. 68. Die Lilien im Mummelsee. 1. Im Mummelsee, im dunklen See Da blühn der Lilien viele. Sie neigen sich, sie beugen sich. Dem losen Wind zum Spiele; Doch wenn die Nacht herniedersintt. Der volle Mond am Himmel blintt. Entsteigen sie dem Bade .Ms Jungfern ans Gestade.

2. Es braust der Wind, es saust das Rohr Die Melodie zum Tanze;

68

Schnezler.

Die Lllienmädchen schlingen sich Als wie zu einem Kranze Und schweben leis umher im Kreis, Gesichter weiß, Gewänder weiß. Bis ihre bleichen Wangen Mit zarter Röte prangen. 3. Es braust der Sturm, es saust das Rohr, Es pfeift im Tannenwalde, Die Wolken zieh» am Monde hin. Die Schatten auf der Halde; Und auf und ab durchs nasse Gras Dreht sich der Reigen ohne Maß, Und immer lauter schwellen Zum Ufer an die WÄlen.

4. Die Ein Bon

Da hebt ein Arm sich aus der Flut, Riesenfaust geballet. triefend Haupt dann, schilfbekränzt, langem Bart umwallet; Und eine Donnerstimme schallt. Daß im Gebirg es widerhallt: „Zurück in eure Wogen, Ihr Lilien ungezogen!"

5. Da stockt der Tanz, die Mädchen schrein Und werden immer blässer: „Der Vater ruft; puh! Morgenluft! Zurück in das Gewässer!" Die Nebel steigen aus dem Tal, Es dämmert schon der Morgenstrahl, Und Lilien schwanken wieder Im Wasser auf und nieder.

69, Heimweh. 1. Wenn der Schnee vom Gebirge niedertaut. Aus dem See blau der Himmel wieder schaut. Wenn die Glöcklein läuten von den Almen her — Schau ich denn die Heimat nimmermehr?

Schnezler. Seidel. 2. Wenn das Alphorn von Firn zn Firne Dingt Und der Gemsbock von Klipp zn Klippe springt. Wo der Adler kreiset überm Wolkenmeer — Schau ich denn die Heimat nimmermehr? L. Wenn das Tal blitzt vom frischen Wiesenglanz, Aus der Dorffchenk erschallt Musik und Tanz, Wenn der Hirte jodelt um die Sennrin her — Schau ich denn die Heimat nimmermehr?

4. Wo der Staubbach sich stürzet in die Kluft, Donners Zornhall von Fels zu Felsen ruft, Fern erlöst der Schlaglawinen wildes Heer — Schau ich denn die Heimat nimmermehr?

6. Wenn die Nacht sinft und rings die Alpen glühn. Wenn der Tag winft und Morgenrosen blühn, O, mein Herz, mein Herz, was pochst du doch so schwer — Schau ich denn die Heimat nimmermehr?

Heinrich Seidel. 70. Der Weihnachtsbaum. Schön ist im Frühling die blühende Linde, Bienendurchsummt und rauschend im Winde, Hold von lieblichen Düsten umweht; Schön ist im Sommer die ragende Eiche, 5 Die riesenhafte, titanengleiche, Die da in Wettern und Stürmen besteht; Schön ist im Herbste des Apfelbaums Krone, Die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne Beugt von goldner Früchte Pracht; 10 Aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen, Das gar so lieblich ins ärmlichste Räumchen Strahlt in der eisigen Winternacht. Keiner kann mir ein schöneres zeigen: Lichter blinken in seinen Zweigen,

70

Seibel. Simrock. 15 Goldene Äpfel in seinem Geäst, Und mit schimmernden Sternen und Kränzen Sieht man ihn leuchten, sieht man ihn glänzen Anmutsvoll -um liEchär Fest.

Bon seinen Zweigen ein träumerisch Düften 20 Weihrauchwvlkig weht in den Lüsten, Füllet mit süßer Ahnung den Raum! Dieser will uns am besten gefallen. Ihn verehren wir jammend vor allen. Ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum!

Karl Simrock. 71. Habsburgs Manern. 1. Bom Wer Das

Zn Aargau steht ein hohes Schloß, Tal erreicht es kein Geschoß: hat's erbaut. wie aus Wolken niederschaut?

2. Der Jischof Werner gab daS Geld, Graf Radbot hat sie hingestellt. Klein, aber fest. Die Habichtsburg, das Felsennest. 3. Der Bischof kam und sah den Bau, Da schüttelt er der Locken Grau, Zum Bruder spricht: „Die Burg hat Wall und Mauern nicht."

4. Versetzt der Graf: „Was macht das aus? In Straßburg steht ein Gotteshaus, Das bautest du. Doch Wall und Mauern nicht dazu."

5. „Das Münster baut ich Gott dem Herm, Dem bleiben die Zerstörer fern; Vor Feindessturm Beschützt ein Schloß nur Wall und Turm."

Simrock.

71

6. „Wohl hast du recht, ich räum es ein. Ja, Wall und Mauern müssen sein; Gib morgen acht. Ich baue sie in einer Nacht." 7. Und Boten schickt der Graf ins Tal, Die Mannen nahn im Morgenstrahl, Und scharenweis Umstellen sie die Burg im Kreis.

8. Und „Die Wer

Frohlockmd stößt ins Hom der Graf weckt dm Bischof aus dem Schlaf: Mauern stehn! hat so schnÄlm Bau gesehn?"

9. Das Wunder dünkt dm Bischof fremd. Zum Erker springt er hin im Hemd Und sieht gereiht Der Helden bitf im Eisenkleid. 10. Mit blankem Schilde Mann an Mann Steht mauergleich des Grafen Bann, Und hoch zu Roß Hebt mancher Turm sich aus dem Troß.

11. Da spricht der Bischof: „Sicherlich, An solche Mauern halte dich! Nichts ist so fest Ms Trme, die nicht von dir läßt. 12. So schütze Habsburg fort und fort Lebmdger Mauern starker Hort, Und herrlich schaun Wird's über alle dmtsche Gaun."

72. Der Schmied von Solingen. 1. Zu Solingen sprach ein Schmied bei jedem Bajonette, Das seinem Fleiß geriet: „Ach, daß der Fritz es hätte!" Wmn er die Zeitung las von seinem Lieblingsheldm, Da schim ihm schlecht der Spaß, nicht lauter Sieg zu melden. Einst aber hatt es sich viel anders zugetragen: Da hieß es, Friederich sei bei Kollin geschlagen.

72

Simrock.

2. Der Schmied betroffen rief: „Hier muß geholfen werden. Sonst geht die Sache schief!" und riß den Schurz zur Erden. Ihm waren Weib und Kind wohl auch ans Herz gewachsen. Doch lief er hin geschwind zu Friedrichs Heer in Sachsen. Und eh man sich's versah, begann die Schlacht zu tosen: Mit Seidlitz schlug er da bei Roßbach die Franzosen. 3. Das deucht ihn nicht genug, viel schlimmre Feindedräuten, Er ließ nicht ab und schlug mit Zielen noch bei Leuthen. Da.ging cs herrlich her: zu ganzen Bataillonen Ergab sich Ostreichs Heer mit Fahnen und Kanonen. „Und somit wär vollbracht," gedacht er, „meine Sendung: Es nimmt nach solcher Schlacht von selber andre Wendung."

4. Mit Urlaub kehrt er um, für Weib und Kind zu sorgen, Und hämmerte sich krumm vom Abend oft zum Morgen. Der Krieg ging seinen Gang, man schlug noch viele Schlachten, Die oft ihm angst und bang in seiner Seele machten. Als endlich Friede war: „Fritz," rief er, „laß dich küssen! Ich hätte dir fürwahr sonst wieder helfen müssen."

73. Die 9 in der Wetterfahne. 1. Hans Winkelsee, der Wilddieb, im Eschenheimer Turm Spricht zu der Wetterfahne, da sie bewegt der Sturm: „Nun hast du neun Nächte mir den Schlaf geraubt Mit deinem Drehn und Wirbeln immer über meinem Haupt. 2. Für das bißchen Schießen ist die Qual zu lang. Und am Ende lautet's wohl gar auf den Strang. Pfui, das leidige Zappeln ist ein schlechter Scherz, Ich gönn es keinem Tiere, ich treff es mitten ins Herz.

3. Sie wissen nicht in Frankfurt, wie der Hänsel schießt. Daß man zum Gesindel in den Turm ihn schließt. Würd ich heute ledig, ich ließe sie aus Gunst Wohl eine Probe schauen meiner edlen Schützenkunst.

Simrock.

73

4. Ich weiß schon, wie ich's machte: in schlafloser Nacht Beim ewgen Fahnenschwirren hab ich's ausgedacht. Ja, in diese Fahne, zum Gedächtnis meiner Pein, Mit neun Kugeln schöß ich den schönsten Neuner hinein."

5. Das hört der Kerkermeister und bringt es vor den Rat. Der Schultheiß spricht: „Die Schützen, was nützen die dem Staat? Er hat so viel geschossen, es ist wohl hängenswert; Jedemwch soll es gelten, wenn et die Rede bewährt." 6. Die Schöffen, Rät und Bürger lassen es geschehn. „Und ist es denn beschlossen, so mag es gleich ergehn. Bringt ihm seine Büchse und sagt timt ohne Hehl, Unfehlbar müß er hangen, geh eine Kugel nur fehl." 7. Der Hänsel nimmt die Büchse und küßt sie auf den Mund: „Nun tu mir heute wieder die alte Treue kund! Neun Tage nichts geschossen! so schieß nun eine Neun; Ich hoff es wett zu machen, es soll dich nimmer gereun!" 8. Hier standen die des Rates und welch ein Menschenspiel! Er richtet seine Büchse und äugelt nach dem Ziel. Ein Schuß! ein Schuß! getroffen, und an den rechten Ort! Seht ihr das runde Löchlein in der Wetterfahne dort?

9. Gib acht, da schießt er wieder! und auch nicht abgeblitzt! Ich seh ein zweites Löchlein, das bei dem ersten sitzt. Ein drittes jetzt, ein viertes! der Hänsel blickt so frech; Mit neun Kugeln schießt er den schönsten Neuner ins Blech. 10. Die Menge jauchzt, die Räte flüstern unter sich. „Hans Winkelsee, wir wissen ein schönes Glück für dich: Uns fehlt ein Schühenhauptmann, willst du der sein, so sag's! Du solltest dich nicht weigern, es gereut dich eines Tags."

11. „Stadtschützenhauptmann begehr ich nicht zu sein; Ich geh durch die Wälder mit meiner Büchs allein. Auf den Dächern flirren die Wimpel mir zu sehr; Ade! hier war der Hänsel, her kommt der Hänsel nicht mehr."

74

Spyri. Strachwitz.

Johanna Spyri. 74 Morgen ift's Sonntag. 1. Und Und Und

Es blühn schon die Retten, die Rosen noch mehr. morgen ist's Sonntag, das freut uns so sehr.

2. Sechs Tage voll Arbeit, Müde Füß und müde Hand, Wer morgen ist's Sonntag, Da hat's Plagen ein End.

3. Am Werktag seufzt mancher Und hat's bös auf der Welt, Aber morgen ist's Sonntag, Da spaziert man ins Feld. 4. Dann klingt's auf den Höhen, Und es läutet im Tal, Ja, morgen ist's Sonntag, Drum freu dich einmal!

Moritz Graf von Strachwitz. 75. Rolands Schwanenlied. 1. König Karl, der hielt ein Mahl mit Schall Im Schlosse zu Paris, Als auf der Jagd von Roncevall Roland sein Leben ließ.

2. König Karl sprang auf in Angst und Zom, Er horchte lang und tief: „Mir ist, als hört ich Rolands Horn, Das fern um Hilfe rief.

3. Mir ist, als hört ich Olifant Es hallt aus der spanischen Mark, Es hallt herüber aus Mohrenland Gewaltig und zauberstark.

Strachwitz.

4. Am Ebro kämpft , mein werter Pair, Der Ritter von Anglant, Und wenn er dort erschlaget! wär. Dann sei mir Gott zur Hand!" — 5. Und tiefe Stille brach herein Von wetterschwüler Art, Es biß Herr Karl in banger Pein Den stolzen Silberbart. 6. Da Lang es herüber zum zweitenmal. Es Vang nicht leis und lind. Es schmetterte durch den Königssaal Wie rasender Wirbeüvind. 7. Und als zum dritten das Horn erscholl. Da borsten Gewölb und Wand, Da sank der Humpe», Weines voll. Dem König aus der Hand.

8. Und wie der Ruf durch Hall und Turm Zum drittenmal gegellt. Da hatte des Ritters Atemsturm Das silberne Horn zerschellt. 9. Und wie der Klang nun himmelwärts Als Todesröcheln verblaustDa hob Herr Karl in tiefem Schmerz Die stahlbewehrte Faust:

10. „Heut ist gefallen ein teurer Held, Das sei dem Himmel geVagt! Ihn haben die Heiden mit List umstellt. Mit List zu Tode gejagt." — 11. Das war Graf Rolands letzter Schrei, Er kam Ms fernem Süd; Wohl singt sich nimmer ein Ritter frei Solch donnerndes Schwanenlied.

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Sturm.

76

Sutermeister.

Julius Sturm. 76. »arrderlied. 1. Auf Wir Ms

Am Himmel wandern Wolken und Win-, Erden Ströme und Quellen; aber schnüren, das Ränzlein geschwind fröhliche Wandergesellen.

2. Und Hier Und

Wir folgen der plätschernd« Quelle Lauf geben ihr jubelnd Geleite, nimmt ein schattiger Wald uns auf dort die sonnige Heide.

3. Es lockt die Burg, es winkt der Dom, Es grüßen uns Reben vom Hügel; Wir wandern mit dem rauschenden Strom Zum Meer, als hätten wir Flügel.

4. Von Und Die

Wir stehn am Strande, die Wicke frei. weißen Möwen umflogen. grüßen mit lautem Jubelgeschrei hoch sich türmenden Wogen.

5. Ach, Wir Bis

O, seht, dort tanzt ein schlankes Schiff; nähm es uns mit vom Strande! führen lustig trotz Sturm und Riff in die fernsten Lande.

Otto Sutermeister. 77. Tannenbäumchens Geschichte. 1. Bei Und Das

Ein Tannenbäumchen stand im Wald lauter großen Genossen, das hat eben Tag und Nacht Bäumlein gar verdrossen.

2. Ist in der herben Winterszeit Ein Häslein gesprungen gekommen. So hat es richtig seinen Lauf Stets über das Bäumlein genommen.

Sutermeister.

3. Die Und Wie

Es sprach: „Wer doch so von oben herab Häslein säh ohne Schaden sich im Winde so wiegen könnt meine Kameraden!"

4. Und als der Sommer gekommen war. Da wuchs es auf das Beste; Da wogten die wilden Winde daher Und sausten durch seine Äste. 6. Ms Ach, Und

Es sprach: „Das war eine andere Zeit, noch die Häslein sprangen: stünd ich nur nicht in diesem Sturm in dem Walde gefangen!"

6. Da kam zur Weihnacht ein muntrer Gesell Und fällt' es und trug es von dannen. Es stand im Zimmer in schimmernder Pracht Und dacht an den Wald und die Tannen. 7. Es sprach: „Das war doch die schönste Zeit, Im Sturme, im freien Walde; O, stünd ich doch wieder an meinem Platz Daheim an der grünen Halde!"

8. Doch als die Weihnacht vorüber war. Da schleppten sie's aus dem Zimmer. „Ach," seufzt es, „daß ich schon sterben soll. Ich bin ja so jung noch'immer!" 9. Das Das Und

Und in das Feuer versenkten sie dann Bäumlein und seine Träume. ist die Geschichte des Tannenbaums vieler andern Bäume.

78. Rätsel. 1. Ein Baum mit einem Dutzend Äste, Auf jedem Ast vier Nester feste. Und sieben Junge in jedem Neste.

77

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Sulermeister. 2. Sechse haben den Bruder ernährt. Da seht ihn sich Neiden In Samt und Seiden, Womit sie reichlich ihn beschert; Da seht ihn ohne Rügen Mit Mhn und Spielen Sich nun vergnügen. Indes.mit Schweiß und Schwielen, Mit Sorgen und Fasten Die Brüder trugen des Lebens Lasten.

3. Sowie er geboren, Haben ihm Tausende zugeschworen; Zwölf Minister und vier Generale Hat er entlassen mit einem Male; Dreihundert und fünf und sechzig zugleich Hat er erschlagen mit einem Streich. 4. Wer läuft mit dem Flinksten in die Wette Und liegt zu derselbigen Zeit im Bette? Wer ist bald hier und ist bald dort Und bleibt doch stets an demselbigen Ort?

ö. Im dunkeln Laube Sitzt eine Taube; Du zielst, da fällt sie auch. Und nach Schlaraffenbrauch Machst du flugs dich über sie her. Ms ob sie schon gebraten wär. Wer der Braten Ist dir schlecht geraten. Kaum hast du angebissen. Pfui! rufst du und hast sie fortgeschmissen.

Sutermeister.

Trojan.

6. Wie heißt mein Männchen? Kaum mißt's ein halbes Spännchen, Es wohnt in keinem Häuschen, Aber wie ein Mäuschen Findet's ein Löchlein allerorten: Bald da, bald dorten Drängt es sich ein. Da steckt's im Kasten, da im Schrein, Ja, in Dielen und Wände Schlüpst's behende. Neulich hat einer ihm zuletzt Eines grad auf den Kopf versetzt; Gleich riefen alle laut und offen: „Ei, so ist's recht, der hat's getroffen!"

79. Sechse und einer. Es kommen sechs ernsthaste Leut, Gehn schlicht und rauh im ArbeitsNeid. Die lassen dich nicht müßig-.ruhn. Ein jeder bringt dir was zu tun. 5 Ein siebenter kommt hinter ihnen Mit leichtem Schritt und lustigen Mienen. Mit dm sechs ernsthaften Gesellm Tust du wohl, dich recht gut zu stellm. Dann wird, wmn du dich brav benommen, 10 Der siebente so fröhlich kommen. Daß du die sechse mit ihrer Last Um seinetwillm auch gerne hast.

Johannes Trojan. 80. Neues von draußen. 1. 's geht draußen was Besondres vor, Es regt sich, was sich lang geruht. Die Sonn besieht sich's jeden Tag Und lacht es an und sagt: „'s wird gut!"

79

Trojan.

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2. Man spricht davon im Sperlingsnest, Da zwitschert es mit Hellem Ton: „Ihr Kinder, bald gibt's größres Brot! 's wird besser schon! 's wird besser schon!" 3. Im Wald ist auch der Haselbusch Schon wach und blinzelt schon ins Licht; Und schneit's ihm in die Augen mal. Er ist's gewohnt, ihn stört es nicht.

4. Aus dunllen Beeten bricht's hervor. Hellgrün und rot drängt sich's herauf. Eins sieht sich nach dem andern um: „Kommst auch so früh? bist auch schon auf?"

6. Noch Doch Man

Ein Sträuchlein schimmert grünlich schon; zittert's, wenn der Nordwind weht. ruft's getrost: „Ihr andern, kommt! hält es aus — es geht! es geht!"

6. Ein Lerchlein schwebt in klarer Lust Hoch überm Ackersmann und singt: „Ich bin die erst, die erst bin ich. Die dir ein Lied vom Frühling bringt."

81. Frühlirrgsarbeit. 1. Der Frühling kommt ins Land herein. Das überschneit noch liegt und weiß. Er sagt: „Bald soll es anders sein!" Ein Hauch — da schmelzen Schnee und Eis.

2. Er sagt: „So kahl ist noch die Flur, Ob auch schon warm die Sonne Wien! Grün hab ich gern!" — Er lächelt nur. Da färbt sich Wald und Wiese grün. 3. Er sagt: „Ich lieb's ein wenig bunt, Zu einfach grün ist mir die Au." Gleich stickt er in den grünen Grund Die Blumen weiß, rot, gelb und blau.

Trojan.

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4. Er sagt: „Zu still ist noch mein Reich, Ihr Vöglein, singt im grünen Wald!" Da singen Fink und Amsel gleich. Daß laut es von den Zweigen schallt. 5. Wie hat's der Frühling schön gemacht! Schon springen Rosen auf am Strauch, Und alles draußen singt und lacht. Nun geh hinaus und freu dich auch!

82. Die Schönste. 1. Wenn der Winter von dannen scheidet Und die Blumen im Grase blühn. Wer ist lieblicher wohl gelleidet. Ms die Sitte in lichtem Grün? 2. Alles hat ja zur Frühlingsfeier Schön geziert sich, Baum, Strauch und Kraut, Wer die Birte in zartem Schleier Ist die Schönste, sie ist die Braut.

88. 3um Blnmenpflucken. 1. Brichst du Blumen, sei bescheiden. Nimm nicht gar so viele fort! Sieh, die Blumen müssen's leiben, Doch sie zieren ihren Ort. 2. Nimm ein paar und laß die andern Stehn im Gras und an dem Strauch! Andre, die vorüberwandern. Freun sich an den Blumen auch 3. 'Rach dir kommt vielleicht ein müder Wandrer, der des Weges zieht, Tnlben Sinns — der freut sich wieder, SBenn er auch ein Röslein sieht. Hessel, Lesebuch 4. 11. Ausl.

M. 6

Trojan.

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Zwergwauderschüft.

1. Es geht ein Männlein Am Morgen aus. Wagt sich gar keck In die Welt hinaus.

7. Wie die Sonne sinkt Und es Wend wird. Im Heidekraut Hat es sich verirrt.

2. Vorsichtig tappt es Durchs zarte Moos. „Die Glockenblume, Wie ist sie groß!"

8. Es kennt die Wege, Die Stege nicht — Da schimmert vor ihm Grüngoldnes Licht.

3. Unterm Pilzdach hält's Ein Weilchen Rast. Vor einer Spinne Flieht es mit Hast.

9. Glühwürmchen ist es — „Glühwürmchen, hier Ist ein Verirrter, Komm, leuchte mir!"

4. Mit Zittern schleicht es Vorbei am Stein, Wo die Eidechs liegt Im Sonnenschein.

10. Glühwürmchen freundlich Fliegt ihm voraus Und zeigt ihm richtig Zurück ins Haus.

5. Von einer Erdbeer, Schön reif und rot. Ißt es ein Zwölsteil Als Mittagsbrot.

11. Wo Tannenwurzel Sich knorrig streckt. Da liegt das Häuschen, Ist ganz versteckt.

6. Moosbecher winkt ihm. Mit Tau gefüllt. Da hat es reichlich Den Durst gestillt.

12. „Dank schön!" sagt's Männlein Und schlüpft hinein. — Das möcht ein winziges Zwerglein sein.

85. Die Käferwage. Wollten Käferchen sich wiegen lassen, Um zu wissen es, wie schwer sie wären, Gingen hin, besprachen's mit der Spinne; Diese wußte Rat und unterwies sie.

Trojan.

Machten einige sich aus und holten Flink herbei zwei kleine Rosenblätter, Ganz hellrote von der Heckenrose, Trefflich als Wagschalen zu gebrauchen. Andre schnitten einen Wagebalken 10 Ans dem Waldgrashalme, welcher glänzend poliert ist, eine Rispe tragend Mit gewundenen polierten Stielchen. Andre wieder sorgten für Gewichte, Holten von dem Mohn her eine Menge 15 Samenkörner, passend zu Gewichten. 5

An den Wagebalken hing die Spinne Drauf die beiden rosenroten Schalen Mit dem guten, selbstgedrehten Tauwerk. Doch den Wagebalken in der Mitte 20 Machte fest sie ganz geschickt und richtig An den Klöppel einer Glockenblume, Einer großen, frischerblühten, blauen.

Fertig war die Wage; nun ans Wiegen Konnt es gehn und ging es auch in Eile. 25 In die eine von den Schalen setzten Sich die Käfer, einer nach dem andern; Unterdessen warfen in die zweite Korn um Korn die übrigen, mit Werfen Schnell aufhörend, wenn cinstand die Wage. 30 Was heraus sich stellte, war erstaunlich: Fünfundsiebzig Körner wog ein Käfer, Einer sechszig, zweiunddreißig einer. Zwanzig wogen mchrere von ihnen; Aber einer, welcher kaum zu sehn war, 35 Wog, der kleinste, nur ein einzig Mohnkorn. Biel gelacht ward und gescherzt beim Wiegen,

Das kein Feind, kein böser Zufall störte — Und zum Glück auch war es völlig windstill.

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Trojan.

Uhland.

Als ein jeder, was er wog, erfahren, 40 Mancher wundernd sich, der Spinne dankten Höflich sie und flogen auseinander.

Ludwig Uhland. 86. Krühlirrsörrche. 1. O, legt mich nicht ins dunkle Grab, Nicht unter die grüne Erd hinab! Soll ich begraben sein. Lieg ich ins tiefe Gras hinein.

2. In Gras und Blumen lieg ich gern. Wenn eine Flöte tönt von fern. Und tocrnt hoch obenhin Die Hellen Frühlingswolken ziehn.

87. Die Rache. 1. Der Knecht hat erstochen den edeln Herrn, Der Knecht wär selber ein Ritter gern.

2. Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain Und den Leib versenket im tiefen Rhein, 3. Hat angelegt die Rüstung blank, Auf des Herren Roß sich geschwungen frank.

4. Und als er sprengen will über die Brück, Da stutzet das Roß und bäumt sich zurück. 5. Und als er die güldnen Sporen ihm gab, Da schleudert's ihn wild in den Strom hinab.

6. Mit Arm, mit Fuß er rudert und ringt, Der schwere Panzer ihn niederzwingt.

Volkstümlich.

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Volkstümlich. 88. Wettstreit -e- S«ck«ckS rntt -er Nachtigall. 1. Einsmals in einem tiefen Tal Der Kuckuck und die Nachtigall Täten ein Wett anschlagen. Zu singen um das Meisterstück: „Gewinn es Kunst, gewinn es Glück, Dank soll er davon tragen." 2. Der Kuckuck sprach: „So dir's gefällt. Ich hab zur Sach ein Richter wählt," Und tät den Esel nennen. Denn well er hat zwei Ohren groß. So kann er hören desto baß Und was recht ist, erkennen.

3. Sie flogen vor den Richter bald. Wie ihm die Sache ward erzählt. Schuf er, sie sollten singen. Die Nachtigall sang lieblich aus. Der Esel sprach: „Du machst mir's kraus, Ich kann's in Kopf nicht bringen." 4. Der Kuckuck drauf anfing geschvind: „Kuckuck!" sein Sang durch Terz, Quart, Quint Und tät die Noten brechen; Er lacht auch drein nach seiner Art. Dem Esel gefiel's, er sagt nun: „Wart, Ein Urteil will ich sprechen.

6. Wohl hingen hast du, Nachtigall, Aber Kuckuck, singst gut Choral Und hältst den Takt fein innen. Das sprech ich nach mein hohen Verstand, Und kostet's gleich ein ganzes Land, So laß ich dich's gewinnen."

Volkstümlich.

89, Bor« Wasser und vom Wei«. 1. Ich weiß ein Liedlein hübsch und fein Wohl von dem Wasser, wohl von dem Wein. Der Wein kann's Wasser nit leiden. Sie wollen alleweg streiten. 2. Da sprach der Wein: „Bin ich so fein. Man führt mich in alle Länder hinein. Man führt mich vor's Wirt sein Keller Und trinkt mich für Muskateller."

3. Da sprach das Wasser: „Bin ich so fein, Ich laufe in alle Länder hinein. Ich laufe dem Müller ums Hause Und treibe das Rädlein mit Brause." 4. Da sprach der Wein: „Mn ich so fein. Man schenkt mich in Gläser und Becherlein And trinkt mich für süß und für sauer. Der Herr als gleich wie der Bauer."

5. Man Man Zum

Da sprach das Wasser: „Bin ich so fein, trägt mich in die Küche hinein. braucht mich die ganze Wochen Waschen, zum Backen, zum Kochen."

6. Da sprach der Wein: „Bin ich so fein, Bürgermeister und Rat insgemein Den Hut vor mir abnehmen Im Ratskeller zu Bremen." 7. Da sprach das Wasser: „Bin ich so fein. Man gießt mich in die Flamm hinein. Mit Spritz und Eimer man rennet. Daß Schloß und Haus nicht verbrennet."

8. Da sprach der Wein: „Mn ich so fein. Ich spring aus Marmorbrünnelein, Wenn sie den Kaiser krönen Zu Frankfurt wohl auf dem Römer." 9. Da sprach das Wasser: „Mn ich so fein. Es gehn die Schiffe groß und klein.

Volkstümlich.

87

Sonn, Mond auf meiner Straßen, Die Erd tu ich umfassen/' 10. Da sprach der Wein: „Mn ich so fein. Man pflanzt mich in die Garten hinein. Da laß ich mich hockn und hauen Bon Mannern und schonen Jungfrauen." 11. Da sprach das Wasser: „Mn ich so fein. Ich laufe dir unter die Wurzel hinein. Wär ich nicht an dich geronnen, Du hättest nicht können kommen." 12. Da sprach der Wein: „Und du hast recht. Du bist der Meister, ich bin der Knecht, Das Recht will ich dir lassen. Geh du nur deiner