Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 1 Neunte Klasse [Reprint 2020 ed.] 9783112349809, 9783112349793


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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 1 Neunte Klasse [Reprint 2020 ed.]
 9783112349809, 9783112349793

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen von

Karl Hessel.

Erster Teil.

Neunte Klaffe. Elfte Auflage,

-wrchgesehen unter Mitwirkung von Selene Klostermann und Maria Sessel.

Bonn 1911.

A. Marcus und E. Webers Verlag.

Vorwort zur elften Auflage. Unter freundlicher Mitwirkung von Fräulein Helene Klostermann, Direktorin des Comenius-Seminars zu Bonn, und meiner Tochter Maria Hessel, Lehrerin an der Hildaschule zu Koblenz, sind sämtliche Nummern dieses Bandes sorgsam auf ihre Brauchbarkeit für das zweite Schuljahr geprüft worden. Es hat sich herausgestellt, daß eine kleine Anzahl Stücke ersetzt werden mußten, so wegen veralteter Form die Jahreszeiten von Kellner (Nr. 16, 22, 26, 33), die Goldfischchen von Campe (Nr. 93), das Goldfingerchen von Curtman (Nr. 127), das Brot von Ch. v. Schmid (Nr. 165), wegen pädagogischer Bedenken Gott Überall von Bechstein (Nr. 187), wegen naturwissenschaft­ licher Unwahrscheinlichkeiten Trotzkopf (Nr. 97) und Täub­ chen (Nr. 119). Dafür sind die Jahreszeiten jetzt unmittel­ bar aus dem Kinderleben geschildert, einige ansprechende Gedichte von Eigenbrodt aus dem Tierleben eingefügt und ein Märchen von Julius Sturm (Nr. 187). An Stelle

der trockenen Aufzählung der Monate ist das anmutige Märchen „Der Sonnenstrahl" von Sophie Reinheimer ge­ treten (Nr. 13). Der gleichzeitige Gebrauch der 10. und 11. Auflage gibt keine Störung im Unterricht. Die ausführliche Darstellung der Geschichte des Reineke Fuchs hat sich bei uns in der Schulpraxis vorzüglich be­

währt, es ist alsbald das ausgesprochene Lieblingsstück der Kinder geworden. Die Anordnung ist geblieben, jedoch ist zur leichteren. Auffindung der Stücke ein zweites Inhaltsverzeichnis bei-

IV

Borwort.

gegeben nach alphabetischer Reihenfolge der Berfassernamen, auch jedem Stück der Name des Verfassers zugefügt, da erfahrungsgemäß schon auf dieser Stufe Interesse dafür

vorhanden ist, ob z. B. ein Märchen von den Brüdern Grimm ist oder von jemand anders. Besonderer Wert ist auf den pädagogisch so wichtigen

Konzentrationsgedanken gelegt. Die Reihenfolge der Stücke

lediglich danach zu ordnen, schien uns zu einseitig.

Es

kann ruhig der Arbeit der Lehrenden überlassen bleiben, je nach dem in der Klasse durchgenommenen Lehrstoff oder

nach der Jahreszeit Lesestücke und Gedichte auszuwählen. Die Erläuterungen sind auf Wunsch noch etwas ver­

mehrt worden, besonders was Wortkunde anlangt, d. h.

die Erklärung ungewöhnlicher Ausdrücke. Koblenz, im März 1911.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Borwort zur zehnten Auflage. Nachdem die neunte Auflage dieses ersten Teiles im Jahre 1909 in völlig umgearbeiteter Form erschienen war, schließt sich die zehnte Auflage alsbald an, die nur gering­ fügige Änderungen aufweist. Namentlich sind die Nummern 14, 18, 41 und 69 durch ähnliche Gedichte ersetzt und Nr. 56 und 114 in etwas kürzerer Fassung gegeben worden. Dies geschah aus technischen Gründen und hindert nicht den gleichzeitigen Gebrauch der 9. und 10. Auflage. Die vorliegende Umarbeitung ist unter Mitwirkung

meines Freundes, des Direktors Franz Dörr zu Frank­ furt a. M., entstanden, des langjährigen Direktors -er höheren Mädchenschule zu Solingen. Was den Inhalt anlangt, so sind auch die neueren und allerneuesten Erzeugnisse der guten Jugendliteratur zu Rate gezogen. Wir heben hervor Gustav Falke und Hein­ rich Seidel, die Sammlungen Jungbrunnen, Buntscheck, die des deutschen Spielmanns aus dem Kunstwartverlag, das

Jugendland, Singvögelchen, Selige Zeit usw. Ein Gedanke schien uns besonders beachtenswert. Man hat bisher den der Jugend dieses Alters darzubietenden Lesestoff zu einseitig so gewählt, als wären alle Kinder glückliche Landkinder, die in Gras und Heu, in Wald und

Flur herumsprängen, mit allen Vöglein und Häslein auf du und du ständen und alle Pulsschläge der großen Mutter Natur mitfühlten. Aber ach! die Stadtkinder überwiegen vvn Jahr zu Jahr mehr. Doch hat zum Glück auch das Stadtleben seine Poesie. Sollen nun die Stadtkinder stets

VI

Borwort.

nur mit Sehnsucht nach dem Land erfüllt werden? DieseFrage rührt nicht erst von uns her, viele treffliche Men­ schen haben sie schon gestellt, und wir fühlen uns in dieserHinsicht verschiedenen Leuten verpflichtet, die uns Selbst­ erlebtes dieser Art in angemessener Form geboten haben, so Berthold Otto in Lichterfelde, Friedrich Gansberr in Bremen, der uns einige Originalarbeiten beigesteuert hat. Eine Anzahl uralter Fabeln, die gewöhnlich in veral­ teter oder unkindlicher Form gegeben werden, sind neu erzählt. Zum Schluß haben wir für gut befunden, den ganzen wesentlichen Inhalt des Reineke Fuchs in engem Anschluß an die Tiersage darzubieten. Es schien uns auch nicht ratsam, etwa damit abzuschließen, daß Reineke tat­ sächlich gehängt worden sei; denn wir wollen doch nicht eine sogenannte poetische Gerechtigkeit vorführen: in der ursprünglichen Dichtung sind eben alle handelnden Tiere Räuber und Diebe, der König Nobel obenan; kommt dann der klügste dieser Schelme zuletzt zu Ehren, so ist das ein scherzhaftes Bild des Weltenlaufs, eine Moral darf man da nicht künstlich hineintragen wollen. Dafür sind ganz andere Geschichten da. Daß die wahre christliche Moral nicht fehle, dafür sorgen viele Fabeln, die wir darbieten, viele Geschichten aus dem Menschenleben und vor allem eine Fülle sin­ niger und kindlich frommer Keiner Dichtungen von an­ erkannten Dichtern aus öfterer und neuerer Zeit. Die Anordnung ist nach verschiedenen Gesichtspunk­ ten getroffen, zunächst nach Jahreszeiten, dann nach den Reichen der Natur, nach Kinderleben und Menschenleben, nach erzählenden Stoffen, die hauptsächlich nach der Auf­ fassungsfähigkeit der Kleinen einander folgen. Eine Glie­ derung nur nach einem einzigen Gesichtspunft, wie das so oft versucht worden ist, schien uns unnatürlich.

VII

Vorwort.

Die Sprache des Lebens, die Kindersprache, leise mundartlich gefärbte Wendungen, auch hier und da alter­ tümliche Ausdrücke sind absichtlich stehen geblieben. Zum Schluß haben wir für alle, denen dies am Her­ zen liegt, eine ganz kurze Beispielgrammatik und einige orthographische Notizen hinzugefügt, soweit sie für dieses Lebensalter faßbar sind. Koblenz, im März 1910.

Dr. Karl Heffel, Direktor der Hildaschule.

I. Tageszeiten und Jahreszeiten 1. Morgengebet. Bom Schlaf bin ich gesund erwacht, Dir, lieber Gott, sei Dank gebracht! Nimm mich auch heut in deine Hut Und mache mich recht fromm und gut, Daß ich, o Gott, den ganzen Tag Dein liebes Kindlein bleiben mag! Amen. Dieffenbach.

2. Die Sonne. Morgens geht die Sonne auf. Im Sommer geht sie früh auf; im Winter geht sie spät auf. Im Sommer ist sie meistens schon aufgegangen, wenn wir aufstehn; im Win­ ter geht sie meistens erst auf, wenn wir schon auf sind. Ehe die Sonne aufgeht, wird es schon ein bißchen hell. Da sagt man: es dämmert. Wenn's eine Weile gedämmert hat, dann wird's an einer Stelle am Himmel immer heller; und der ganze Himmel wird auch heller. An der hellsten Stelle kommt dann die Sonne in die Höhe. Erst sieht man ein kleines Stück von der Sonne und dann immer mehr; und schließlich sieht man die ganze Sonne. Und dann geht sie auch gleich höher am Himmel. Und jeden Augenblick geht sie ein bißchen höher, bis mittags um zwölf Uhr, da steht sie am höchsten. Das kann man aber alles nur sehen, wenn keine Wolken am Himmel sind. Wenn dicke Wolken am Himmel sind, dann sieht man gar nicht, wo die Sonne ist. Aber daß sie da ist, das kann man doch sehn, weil's dann ein bißchen heller ist. Wenn dünne Wolken am Himmel sind, dann gibt es manchmal ein wunderschönes Hessel, Lesebuch 1. 11. «uff. 1

2

Tageszeiten und Jahreszeiten.

Abendrot. Dann sehn manchmal die Wolken rot aus oder gelb oder braun oder violett, und manchmal sind viele Farben nebeneinander. Die Sonne geht im Osten auf. Mit­ tags steht die Sonne im Süden. Die Sonne geht im Westen unter. Das Morgenrot ist also immer im Osten. Das Abendrot ist immer im Westen. Wenn die Sonne unter­ gegangen ist, dann dämmert's wieder. Das ist die Abend­ dämmerung. Dann wird's dunkel; das ist die Nacht. Dann kommt die Morgendämmerung. Und dann geht die Sonne wieder auf. Otto.

3. Die Sonnenstrahlen. Die Sonne war aufgegangen und stand mit ihrer schönen, glänzenden Scheibe am Himmel. Da schickte sie ihre Strahlen aus, um die Schläfer in dem ganzen Lande zu wecken. Da kam ein Strahl zu der Lerche. Die schlüpfte aus ihrem Neste, flog in die Luft hinaus und sang: liri-lirili! schön ist's in der Früh. Der zweite Strahl kam zu dem Häschen und weckte es auf. Das rieb sich die Augen nicht lange, sondern sprang aus dem Walde in die Wiese und suchte sich zartes Gras und saftige Kräuter zu seinem Frühstück. Und ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. Da rief der Hahn: kikeriki! und die Hühner flogen von ihrer Stange herab und gackerten in dem Hofe, suchten sich Futter und legten Eier in das Nest. Und ein vierter Strahl kam an den Taubenschlag zu den Täubchen. Die riefen: ruckediku! die Tür ist noch zu. Und als die Tür aufgemacht war, da flogen sie alle in das Feld, liefen über den Erbsenacker und lasen sich die runden Körner auf. Und ein fünfter Strahl kam zu dem Bienchen. Das kroch aus seinem Bienenkorb hervor, wischte sich die Flügel ab und summte dann über die Blumen und den blühenden Baum hin und trug den Honig nach Hause. Da kam der letzte Strahl an das Bett des Faulenzers und wollte ihn wecken. Allein der stand nicht auf, sondern

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Nummer 3 -bis 5.

legte sich auf die andere Seite und schnarchte, während die andern arbeiteten. Curtman.

4. Wandersmann nnd Lerche. 1. „Lerche, wie früh schon fliegest du Jauchzend der Morgensonne zu!" „Will dem lieben Gott mit Singen Dank für Leben und Nahrung bringen, Das ist von altersher mein Brauch, Wandersmann, deiner doch wohl auch?"

2. Und wie so laut in der Luft sie sang. Und wie er schritt mit munterm Gang, War es so froh, so hell den zwein Im lieben, klaren Sonnenschein; Und Gott der Herr im Himmel droben Hörte gar gern ihr Danken und Loben.

Hey.

8. Bom Hirten. Morgens in der Früh Treibt der Hirt die Kuh, Morgens in der Frühe Treibt er aus die Kühe, Treibt sie übern Steg Auf den langen Weg; 5 Treibt sie von der Straßen Auf den grünen Rasen, Treibt sie durch die Heiden Auf die grünen Weiden, Treibt sie in die Schluften, Wo die Blumen duften. Wo die Bienen summen 10 Und die Hummeln brummen. Treibt sie in den Wald, Wo die Büchse knallt: Pumps!

Güll.

4

Tageszeiten-und Jahreszeiten.

6. Platzregen. In der Schulstube war es in der letzten Stunde sehr dunkel. Der Himmel guckte durch die Fenster wie eine schwarzgraue Wand. Kaum waren wir entlassen worden, so liefen wir auf die Straße, denn unser Lehrer hatte ge­ sagt: „Macht, daß ihr nach Hause kommt!" Mer da — mitten im besten Laufen über den Markt bekomme ich zwei dicke Tropfen gerade auf die Nase! Ich mußte laut lachen. Aber das waren nur die ersten Tropfen ge­ wesen. Plötzlich fielen eine Menge, alle groß und dick und warm, über meinen Kopf, meine Arme, meine Kleider. Alle Leute fingen an zu laufen, und ich lief mit. Wer ich mußte fortwährend lachen, .denn die Tropfen sprangen von der Straße in die Höhe wie kleine durchsichtige Gummibälle. Es rauschte und prasselte, und die Luft wurde fast undurch­ sichtig. Ich wußte nicht, wo ich unterstehen sollte, ich sah teilten Laden und keinen Torweg. Plötzlich kam ein heiter gelber Sonnenstrahl zwischen den schwarzen Wolken hervor, blinkte über das nasse Pflaster und — lachte die nassen Leute aus. Hahaha! Ilse Frapan.

7. Es regnet. 1. Es regnet! Gott segnet Die Erde, die so durstig ist, Daß ihren Durst sie bald vergißt. O, frischer Regen, du Gottessegen! 2. Es regnet! Gott segnet Den hohen Baum, den kleinen Strauch Und all die tausend Blumen auch. O, frischer Regen, du Gottessegen!

3. Es regnet! Gott segnet, Was lebt und webt in weiter Welt. Für jedes Tier ein Tröpflein fällt. O, frischer Regen, du Gottessegen!

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Nummer 6 bis 9.

4. Es regnet! Gott segnet Die Menschen alle väterlich; Sein Himmelstau erquickt auch mich. O, frischer Regen, du Gottessegen!

EnÄin.

8. Wiegenlied. 1. Vöglein fliegt dem Nestchen zu, Hat sich nrüd geflogen, Schifflein sucht im Hafen Ruh Bor den wankenden Wogen.

2. Sonne denkt nun auch, sie hätt Lang genug geschienen. Legt sich in ihr Himmelbett Mit den roten Gardinen.

3. Vöglein sitzt im warmen Nest, Schifflein liegt im Hafen, Sonne schläft schon tief und fest. Auch mein Kind will schlafen. Cornelius.

S. Der Sandmann. 1. Zwei feine Stieflein hab ich an Mit wunderweichen Söhlchen dran. Ein Säcklein hab ich hinten auf, Husch! trippl ich rasch die Trepp hinauf. Und wenn ich in die Stube tret, Die Kinder beten das Wendgebet, Bon meinem Sand zwei Körnelein Streu ich auf ihre Äugelein, Da schlafen sie die ganze Nacht In Gottes und der Englein Wacht. 2. Von meinem Sand zwei Körnelein Streut ich auf ihre Augelein. Den frommen Kindern soll gar schön Ein flwher Traum vorübergehn!

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Und risch und rasch mit Sack und Stab Nur wieder jetzt die Trepp hinab! Ich kann nicht länger müßig stehn. Ich muß noch heut zu vielen gehn.

Und seht, meill Säcklein öffnet ich kaum. Da nickt ihr schon und lächelt im Traum. Klette.

10. Wiegenlied. Sonne hat sich müd gelaufen. Spricht: Nun laß ich's sein! Geht zu Bett und schließt die Augen Und schläft ruhig ein. Sum, sum, sum! Mein Kindchen macht es ebenso. Mein Kindchen ist nicht dumm.

Bäumchen, das noch eben rauschte. Spricht: Was soll das sein? Will die Sonne nicht mehr scheinen, Schlaf ich ruhig ein. Vogel, der im Baum gesungen. Spricht: Was soll das sein? Will das Bäumchen nicht mehr rauschen,

Schlaf ich ruhig ein!

Häschen spitzt die langen Ohren, Spricht: Was soll das sein? Hör ich keinen Bogel singen, Schlaf ich ruhig ein!

Jäger höret auf zu blasen, Spricht: Was soll das sein? Seh ich keinen Hasen laufen, Schlaf ich ruhig ein! Kommt der Mond und guckt herunter. Spricht: Was soll das sein? Kein Jäger lauscht? kein Häschen springt?

7

Nummer 10 und 11.

Kein Vogel singt? kein Bäumchen rauscht? Kein Sonnenschein? und 's Kind allein Sollt wach noch sein! Nein, nein, nein! Lieb Kindchen macht die Augen zu. Lieb Kindchen schläft schon ein! Reinick.

11. Die Glocke schlägt. 1. Der Mond, der scheint. Das Kindlein weint. Die Glock schlägt zwölf. Daß Gott doch allen Kranken helf! 2. Gott alles weiß, Das Mäuslein beißt, Die Glock schlägt ein, Der Traum spielt auf dem Kissen dein.

3. Die Sternlein schön Am Himmel gehn; Die Glock schlägt zwei, Sie gehn hinunter nach der Reih. 4. Der Wind, der weht. Der Hahn, der kräht; Die Glock schlägt drei, Der Fuhrmann hebt sich von der Streu.

5. Der Gaul, der scharrt. Die Stalltür knarrt, Die Glock schlägt vier, Der Kutscher siebt den Hafer schier.

6. Die Schwalbe lacht. Die Sonn erwacht; Die Glock schlägt fünf, Der Wandrer macht sich auf die Strümps. 7. Das Huhn gagakt, Die Ente quakt,

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Die Glock schlägt sechs, Steh auf, steh auf, du faule Hex! 8. Zum Bäcker lauf, Ein Wecklein kauf! Die Glock schlägt sieben, Die Milch tu an das Feuer schieben!

9. Tu Butter 'nein Und Zucker fein! Die Glock schlägt acht, Geschwind dem Kind die Supp gebracht! Wunderhorn.

12. Gute Nacht, mein Kind! Guten Abend, gute Nacht! Schlupf unter die Deck! Mit Rosen bedacht. Morgen früh, wenn's Gott wiU, Mit Näglein besteckt, Wirst du wieder geweckt. Wunderhorn.

13. Der Sonnenstrahl. Wißt ihr, welche Mutter die allermeisten Kinder hat? Das ist die Frau Sonne, die oben am Himmel wohnt. Denkt einmal: die vielen, vielen Sonnenstrahlen, die jeden Tag auf die Erde herunterkommen, um sie zu beleuch­ ten und zu erwärmen — das sind doch alles ihre Kinder. Frau Sonne hat manchmal recht viel Müh und Plage mit der großen Kinderschar; aber sie hat auch ihre Freude an ihnen; z. B. wenn sie sieht, wie fleißig sie da unten auf der Erde ihre Arbeit verrichten. Die allergrößte Freude aber ist es, wenn des Abends Frau Sonne all ihre Strahlenkinderlein hineinruft zum Schlafen. Dann kommen sie alle, einer nach dem anderen, an; die einen müde, die andern noch ganz frisch und munter, und dann fängt ein Erzählen und Lachen und Schwätzen an. Wer könnte auch wohl mehr erzählen als die Sonnenstrahlen? Nun hört, was der eine von ihnen gestern Abend er­ zählte! Heute habe ich etwas ganz Neues gehört, sagte

Nummer 12 und 13.

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er, etwas, das ich noch gar nicht gewußt habe. Ich sah durch ein geöffnetes Fenster in eine kleine Stube hinein, da saß eine Großmutter auf einem Lehnstuhl. Auf ihrem Schoße lagen eine Menge Blumen: Schlüsselblumen, Schnee­ glöckchen und Veilchen. Vor ihr, auf einer Fußbank, saß ein kleines Mädchen. Sicher war es eben von einem Spaziergang zurückgekom­ men und hatte der Großmutter die Blumen mitgebracht. Und sicher hatte es auch draußen viel Lustiges und Schönes erlebt, denn es erzählte und lachte in einem fort, und manchmal klatschte es in die Hände vor lauter Vergnügen. Ich glaube, die Großmutter war blind, denn als ich ihr gerade ins Gesicht schien, um zu sehen, ob auch sie sich freue, da machte sie nicht ganz fix die Augen zu, wie andere Leute, und drehte auch nicht den Kopf weg. Aber ich sah doch, daß sie sich über das kleine Mädchen freute, denn sie lächelte und nickte leise mit dem Kopf. Ich möchte auch wohl wieder einmal in den Wald gehen und Tannenduft riechen und die Sonne scheinen sehen und die Vöglein singen hören, sagte sie dann. Da wurde die kleine Anna einen Augenblick ganz traurig. Sie wußte, daß die arme, gute Großmutter zu schwach und zu krank dazu war, daß sie nie wieder in den Wald gehen konnte. Eine Weile saß sie ganz still und dachte nach. Größmütterchen! rief sie auf einmal und sprang auf und streichelte die alte Frau und küßte sie. Großmütter­ chen, weißt du was? Morgen gehe ich noch einmal in den Wald und hole ganz, ganz viele Tannenzweige, und die stelle ich alle hin, ganz dicht vor dich, daß du sie riechen kannst, dann kannst du denken, du wärest im Walde. Und dann rücke ich deinen Sessel recht in die Sonne, und dann, dann singe ich dir ein Liedchen vor. Weißt du — das, das du so gern hörst. Und mit ihrer hellen, frischen Stimme sang die Kleine der Großmutter das Liedchen vor. Als ich wieder der Großmutter in die Augen sah.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

sah ich, daß zwei Tränen daraus hervorrollten; aber es mußten wohl Freudentränen sein, denn die Großmutter machte ein sehr, sehr glückliches, frohes Gesicht. Sie winkte das kleine Mädchen zu sich heran und strich ihr mit der Hand über das blonde Haar. Und dann sagte sie: Ich danke dir, mein Sonnenstrahl. Nun, was sagt ihr dazu? fragte der Sonnenstrahl, der diese Geschichte den anderen erzählt hatte. Was sagt ihr dazu, daß es auch Sonnenstrahlen gibt, die so aus­ sehen wie Menschen? Habt ihr das schon gewußt? Nein, sagten die andern und waren sehr erstaunt. Dann ist das kleine Mädchen wohl gar eine Schwester von uns? Wir wollen doch einmal die Mutter fragen. Und sie fragten die Mutter Sonne. Und die Mutter Sonne sagte: Eine Schwester von euch ist das kleine Mädchen nicht, denn sie ist ja kein wirklicher Sonnenstrahl, sondern ein Menschenkind. Aber ich will euch sagen, warum die Groß­ mutter so gesagt hat. Seht, ihr Sonnenstrahlen macht es überall, wo ihr hinkommt, hell und froh und warm, nicht wahr? Überall, wo die Sonne scheint, sieht es gleich viel lustiger aus. Nun — und das kleine Mädchen macht das Leben der armen, blinden Großmutter auch hell und froh, und deshalb sagte die Großmutter zu ihr: mein Sonnen­ strahl. Und deswegen, weil die kleine Anna so ist, wie ein Sonnenstrahl, deswegen sollt ihr sie auch so lieb haben wie eine Schwester. Das wollen wir! das wollen wir! riefen alle Sonnen­ strahlen zugleich. Ich werde ihr morgen früh, wenn sie aufwacht, einen Kuß geben, sagte der eine. Und ich werde die Rosenknospen in ihrem Garten recht warm bescheinen, damit sie bald aufbrechen, rief ein anderer. Ich werde ihr die Kirschen am Baum reifmachen. O, und ich — ich weiß, was ich tue! Im Garten hängt Puppenwäsche, die hat ganz sicher die kleine Anni

Nummer 13 und 14.

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aufgehängt. Ich werde so lange die Wäsche bescheinen, bis sie trocken ist. Und ich — ich werde morgen früh, wenn sie in den Garten kommt, gerade in die Tautropfen, die an den Blu­ men und Gräsern hängen, hineinscheinen, damit sie recht schön in allen Farben schimmern — rot und grün und blau und gelb und lila. Ich glaube, das wird ihr Freude machen. Und sie taten das alles wirklich. Sagt: möchtet ihr nicht auch eine SHvester oder ein Bruder von den Sonnenstrahlen werden? Sophie Reinheimer.

14, Die schönste Jahreszeit. 1. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Frühling, der uns Blüten streut; Da blüht und singt es überall. Da werfen wir den Fangeball — Ach, Frühling, bleib noch lang! Dein Scheiden macht uns bang. 2. Was ist die schönste Jahreszeit? Das ist des Sommers Herrlichkeit. Wird's uns zu heiß vor Lust und Spiel, In Wald und Wasser wird man kühl — Ach, Sommer, bleib noch lang! Dein Scheiden macht uns bang. 3. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Herbst, zum Schenken stets bereit: Birn, Pflaume, Nuß. und Apfel reift. Man schüttelt, klettert, bricht und greift — Ach, Herbst, bleib noch recht lang! Dein Scheiden macht uns bang. 5. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Winter, wenn es friert und schneit.

Tageszeiten und Jahreszeiten.

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Im Schnee ist's schön, man glaubt es kaum. Und dann der liebe Weihnachtsbaum — Ach, Winter, bleib noch lang! Dein Scheiden macht uns bang. K. H.

15. Frühling. 1. Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Da grünt und blüht es weit und breit Im goldnen Sonnenschein.

2. Am Berghang schinilzt der letzte Schnee, Das Bächlein rauscht zu Tal, Es grünt die Saat, es blinkt der See Im Frühlingsonnenstrahl. 3. Die Nun Und

Die Lerchen singen überall. Amsel schlägt im Wald! kommt die liebe Nachtigall auch der Kuckuck bald.

4. Nun jauchzet alles weit und breit. Da stimmen froh wir ein: Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

16. Im Frühling. „Wißt ihr auch, ihr Kinder, daß morgen Ostern ist?" sagte die Mutter an einem schönen Frühlingstag zum kleinen Gerd und seinem Schwesterchen Eva. „Ihr dürft mir helfen alles schmücken im Haus, damit man morgen auch merkt, daß ein Fest ist." Das wollten die Kinder gern tun. Flink sprangen sie mit der Mutter zur Wiese, die vorm Städtchen war, und wußten zuerst kaum, wo sie denn anfangen sollten mit dem Bücken und Pflücken, so voller Blumen stand dort alles. Gwße, goldgelbe

Nummer 15 bis 17.

13

Schlüsselblumen hielten sich kerzengrade und schauten stolz. Das Wiesenschaumkraut ließ sich vom Wind hin und her wehen, so daß die Wiese manchmal über und über lila aussah; am Rand, unter den Brombeersträuchern, war es dunkelblau von lauter Veilchen, und dort, unter den Buchen im nahen Wald, guckten zwischen den braunen Blättern, die den ganzen Boden bedeckten, wie Sternchen die weißen Anemonen hervor und die schönblaue Scilla. Bald konnte die kleine Eva ihren dicken Strauß nicht mehr halten, es war gut, daß Mutter Bast mitgenommen hatte, so konnte man die ganze, bunte Herrlichkeit fest zu­ sammenbinden und mit einer Schlinge an Evchens Arm hängen. Gerd hatte auch die große, grüne Blechtrommel, die er am Riemen trug, voll Moos gesammelt, das sollte ein Nestchen geben int Garten. „Hoffentlich legt der Osterhas morgen etwas hinein, wünschst du dir rote oder gelbe Eier, Gerd?" fragte Eva. „Am liebsten hätte ich braune, weißt du, von Schokolade," antwortete der kleine NaschHans. Aber die Mutter hatte unterdessen die Weißdorn­ hecken und die Schlehenbüschc geplündert, sogar im Haar und am Kleid hingen ihr die weißen, zierlichen Blüten wie Federchen. Gar gern hätten die Kinder auch rosige Pfirsich- und schneeige Kirschblüten mitgenommen, doch das durfte ja nicht sein. Alle drei traten nun zufrieden bett Heimweg an. Die Amsel pfiff mit Locktönen vom Haus­ giebel her, und die Kinder überlegten, ob die Blumen wohl alle Platz fänden in Mutters Vasen und Krügen, oder ob man nicht vielleicht einen schönen Kranz davon machen könnte. M. H.

17. Bom Osterhasen. Da ist mal ein kleines Mädchen gewesen. Und da ist auch ein kleiner Junge gewesen. Und da sind die beiden spazieren gegangen. Da sind sie in einen kleinen Wald gekommen, und da haben sie sich hingesetzt. Da hat der

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

kleine Junge auf einmal ein kleines Tierchen gesehen. Und wie er ganz genau hingesehen hat, da ist es ein Häschen gewesen. Aber das hat gest: keine Angst gehabt, das ist ganz ruhig gewesen und ist gar nicht weggelaufen. Da sind die Kinder an das Häschen herangegangen und haben es gestreichelt. Und das Häschen hat sie ganz vergnügt an­

gesehen und ist immer noch nicht weggelaufen. Da hat der kleine Junge gesagt: „O, was bist du denn für ein Hase. Du hast ja gar keine Angst. Der Vater hat gesagt, alle Hasen haben Angst vor den Menschen. Und darum laufen sie weg. Du siehst doch gerade so aus, wie die Hasen in meinem -Bilderbuch." Da hat das Häschen gesagt: „Kennst du mich denn nicht? Ich bin doch der Osterhase!" Da hat das kleine Mädchen gesagt: „Ach ja! Meine Mutter hat mir erzählt. Der Osterhase, der bringt den reichen Leuten Ostereier. Mer wir sind gar nicht reich, darum kommt der Osterhase nicht zu uns!" Da hat aber der Osterhase gesagt: „Aber nein! Ich gehe auch zu armen Leuten. Da hab ich wahrscheinlich nicht gewußt, wo ihr wohnt. Oder ihr habt nicht ordentlich gesucht." Da hat der kleine Junge gesagt: „O ja, ich habe immer ganz ordentlich gesucht, aber ich habe gar keine Ostereier gefunden." Da hat der Osterhase gesagt: „Das ist aber schade. Ich kann nicht dafür. Früher hab ich ein großes Buch gehabt, und da hab ich alle Menschen aus­ geschrieben gehabt. Und da hat jeder Ostereier gekriegt. Mer vor ein paar Jahren hab ich das Buch verloren, und nun krieg ich's nicht mehr zusammen. Deswegen kann ich nicht allen Menschen Ostereier bringen. Aber ich will euch was sagen: Ich will mir aufschreiben, wo ihr wohnt, und dann kriegt ihr auch Ostereier. Wißt ihr vielleicht noch jemand, der keine Eier gekriegt hat? Das müßt ihr mir dann sagen." Aber die Kinder haben so viel Namen ge­ nannt, daß der Osterhase es nicht hat behalten können. Da hat er die Kinder mit in sein Haus genommen, und da hat er es sich ausgeschrieben. Und von da ab haben

Nummer 18 und 19.

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die Kinder immer ihre Ostereier gekriegt. Aber alle Men­ schen hat sich der Hase nicht aufschreiben können. Darum kann er zu manchen nicht kommen. Otto.

18. WaldhSslein. 1. Um dürres Holz zu holen. Bin ich zum Wald gegangen; Dort hab ich ganz verstohlen Ein Häslein euch gefangen. Das junge Häslein saß im Busch, Da warf ich meine Schürze, husch! Ihm über Hals und Kopf Und faßt es schnell beim Schopf.

2. Rührt es nur an, es beißt ja nicht, Und streichelt ihm sein Fellchen; Doch bringt ihm dann sein Leibgericht Und baut ihm bald ein Ställchen: Ein Bettlein drin von weicher Streu, Ein Kripplein auch für Gras und Heu;' Am liebsten frißt es wohl Gelbrüben oder Kohl.

3. Im Garten mit dem Schäfchen schlüpft Es gern durch Busch und Hecken, Und lustig es durch Blumen hüpft Und spielt mit euch Verstecken. Vielleicht wird's noch ein Osterhas, — Der legt auch dann ins junge Gras Die schönsten Eier gar Zu Ostern — übers Jahr. Scherer.

19. An den Mai. 1. Die Und Die

Komm, lieber Mai, und mache Bäume wieder grün laß mir an dem Bache kleinen Veilchen blühn!

16

Tageszeiten und Jahreszeiten.

2. Wie möcht ich doch so gerne Ein Blümchen wieder sehn, Ach, lieber Mai, wie gerne Einmal spazieren gehn! 3. Ach! wenn's doch erst gelinder Und grüner draußen wär! Komm, lieber Mai, wir Kinder, Wir bitten gar zu sehr! Overbeck.

20. Des Kuckucks Rus. 1. Der Kuckuck hat gerufen; Nun laßt uns fröhlich sein! Er kündet uns den Frühling Mit seinem Sonnenschein. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!

2. Der Kuckuck hat gerufen, Er ruft uns fort von Haus, Wir sollen jetzt spazieren Zum grünen Wald hinaus. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck! 3. Der Kuckuck hat gerufen. Und wer's nicht hören mag, Für den ist grün geworden Kein Feld, kein Wald, noch Hag. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck! Hoffmann v. F.

21. Sommer. 1. Der Sommer ist die'schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Es prangt das Feld im goldnen Kleid, Gestickt mit Blumen drein. 2. Und brennt die Sonne mit Gewalt, Und wird's ein wenig schwül.

Rümmer 20 bis 23.

17

Im schattenreichen Buchenwald Da ist es grün und kühl.

3. Am blauen Strom, am Meeresstrand, Da lockt die frische Flut, Und in dem weichen Dünensand Da liegt es sich so gut.

4. Es trägt die Welt ihr bestes Kleid In Glanz und Sonnenschein. Der Sommer ist die schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Seidel.

22. Im Sommer. „Hitzefrei, hitzefrei! Mutter, wir haben schon um elf Uhr frei bekommen, weil es so heiß ist," rief Gerd, sprang zur Haustür hinein, schleuderte seine Bücher am Riemen auf den Tisch und suchte sich sein Schwimmzeug. Das hatte er gestern naß auf die Leine gehängt, doch heute war es längst trocken und konnte nun schon wieder benutzt wer­ den. „Bleib nicht so lang im Wasser, ich glaube, es gibt ein Gewitter," ermahnte die Mutter, und fort war er. Klein Evchen guckte ganz traurig, sie konnte noch nicht schwimmen, zu gern wäre sie mitgegangen, um wenigstens zuzüsehen, doch das durfte sie auch nicht. Beinahe hätte sie geweint, wenn nicht Mutter einen wunderschönen Trost gewußt hätte. „Ich glaube, die Johannisbeeren sind schon reif, wollen wir einmal nachsehen?" Mit einer großen Schüssel unterm Arm, die war innen weiß und außen braunglänzend, trippelte Eva hinter der Mutter her zum Garten, nnd während sie die zierlichen roten Träubchen mit spitzen Fingern abpflückte, so daß in der Schüssel ein hoher Berg sich häufte, hatte die Mutter einige runde, feste Salatköpfe mit scharfem Messer abgeschnitten, auch Petersilie und eine Gurke. Dann sah sie die Rosenstöcke gründlich nach, die welken Blumen wurden abgeschnitten und die voll erblühten zum Strauß geordnet. Auch schlanke Hessel, Lesebuch 1. 11. «ufl.

2

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Lilien nahm sie mit und blauen Rittersporn und Helio­ trop, denn sie hatte gern in allen Zimmern etwas Blühen­ des. Im Vorübergehen hob sie ihr Evchen noch einmal hoch, daß die kleinen Händchen einen mit runden, schwarzen Kirschen dick beladenen Zweig abknicken konnten, und nun ging's schnell ins Haus, denn es hatte eben laut gedonnert. Der Himmel war dunkler geworden, ein plötzlicher Wind­ stoß warf einen Fensterflügel mit lautem Geklirr zu. Schnell mußten die feuerrot blühenden Geranientöpfe ins Zimmer genommen werden, ich glaube, der schlimme Wind hätte sie gar samt und sonders vom Fensterbrett herunter­ geschleudert auf die Straße. Dort liefen die Leute eilig, denn es fielen schon die ersten Tropfen, und niemand hatte einen Schirm. Zu rechter Zeit kam Gerd nach Haus, und der Vater auch, alle setzten sich zu Tisch, ließen den Regen prasseln und freuten sich über die herrliche Abkühlung, die das Gewitter mit sich brachte. M. H.

23. Knabe und Schmetterling. 1. „Schmetterling, Kleines Ding, Sage, wovon du lebst, Daß du nur stets in Lüften schwebst!" „Blumenduft, Sonnenschein, Das ist die Nahrung mein."

2. Der Knabe, der wollt ihn fangen, Da bat er mit Zittern und Bangen: „Lieber Knabe, tu es nicht, Laß mich spielen im Sonnenlicht! Eh vergeht das Wendrot, Lieg ich doch schon kalt und tot." Hey.

24. Die drei Schmetterlinge. Es waren einmal drei Schmetterlinge, ein weißer, ein roter und ein gelber, die spielten im Sonnenschein und tanzten von einer Blume zu der andern. Und sie wurden es gar

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nicht müde, so gut gefiel es ihnen. Da kam auf einmal der Regen und machte sie naß. Als sie das spürten, wollten sie schnell nach Hause fliegen, aber die Haustüre war zuge­ schlossen, und sie konnten den Schlüssel nicht finden. So mußten sie außen stehen bleiben und wurden immer nässer. Da flogen sie hin zu der rot und gelb gestreiften Tulpe und sagten: „Tulipanchen, mache uns ein wenig dein Blümchen auf, daß wir hineinschlüpfen und nicht naß werden!" Die Tulpe aber antwortete: „Dem gelben und dem roten will ich wohl aufmachen, aber den weißen mag ich nicht." Aber die beiden, der rote und der gelbe, sagten: „Nein, wenn du unsern Bruder, den weißen, nicht auf­ nimmst, so wollen wir auch nicht zu dir." Es regnete aber immer ärger, und sie flogen zu der Lilie und sprachen: „Gute Lilie, mach uns dein Blümchen ein wenig auf, daß wir nicht naß werden!" Die Lilie aber antwortete: „Den weißen will ich wohl aufnehmen, denn er sieht gerade aus wie ich, aber die anderen mag ich nicht." Da sagte der weiße: „Nein, wenn du meine Brüder nicht aufnimmst, so mag ich auch nicht zu dir. Wir wollen lieber zusammen naß werden, als daß einer die anderen im Stiche läßt." Und so flogen sie weiter. Allein die Sonne hinter den Wolken hatte gehört, wie die drei Schmetterlinge so gute Geschwister waren und so fest zusammenhielten. Und sie drang durch die Wolken durch und verjagte den Regen und schien wieder hell in den Garten und auf die Schmetterlinge. Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihnen die Flügel getrocknet und ihren Leib erwärmt. Und nun tanzten die Schmetterlinge wieder wie vorher und spielten, bis es Abend war. Dann flogen sie zusammen nach Hause und schliefen. ‘ Curtman.

25. Herbst. 1. Der Herbst ist doch die schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Er hält das goldne Obst bereit. Die Nüsse und den Wein!

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

2. Der Wald steht nun int schönsten Glanz, In Rot und Gold und Braun! Noch einmal ist im Blütenkranz Die schöne Welt zu schaun.

3. Halli, hallo, mit Hörnerklang Geht es zur frischen Jagd! Im Wald, im Feld, am Hügelhang Des Jägers Büchse kracht. 4. Der Himmel steht so blau und weit Ob all dem goldnen Schein! Der Herbst ist doch die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

26. Im Herbst. „Wer geht mit mir in den Wald?" sagte der Vater eines Tags nach Tisch, als die Kinder eben beim Nüsseknacken saßen und Gerd und Evchen grade gezählt hatten, wer die meisten Zwetschenkerne auf dem Teller hätte. Ihr könnt euch denken, daß beide Kinder laut riefen: „Ich geh mit, ich geh mit!" Sehr schnell waren sie fertig, Mut­ ter steckte ihnen einige Butterbrote ein, und es ging los. Da es tüchtig geregnet hatte, waren die Kinder lange nicht im grünen Wald gewesen. Wie groß aber war ihr Ver­ wundern, als sie näher kamen, daß ihr grüner Wald auf einmal ein buntes Kleid angezogen hatte. Ei, wie das leuchtete! Wie helles Gold und dunkelrot und gelblich weiß und braun und nur noch wenig grün. Schon gleich am Waldeingang fing es an, da stand ein Hagebuttenstrauch, der war so voll blutroter Früchte, wie im Juli der Johan­ nisbeerstrauch im Garten. Und wie voll hing dort der Haselnußstrauch, und unter den Buchen lagen die kleinen, scharfkantigen Eckern, die konnte man auf dem Rückweg knacken und die kleinen Buchelnußkerne verzehren. „Steht still," flüsterte plötzlich der Vater und hielt Evchen fest, dabei zeigte er zur Seite nach den Tannen. Kaum wagten

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die Kinder zu atmen, als fürchteten sie, die Rehe, die da drüben standen, zu vertreiben. Am Rand einer Wiese waren die zwischen den Stämmen zum Vorschein gekom­ men und äugten aufmerksam in die Ferne, ob kein Jäger nahe, um nach einigen Minuten schnell davon zu springen. Nun schlug der Vater vor, Pilze zu suchen, schnell fanden sie auch goldgelbe Pfifferlinge, die in kleinen Trüppchen beieinander hockten. Vorsichtig schnitt Vater sie ab und roch noch einmal an jedem, ob er auch echt sei, Evas Körbchen wurde hoch voll. Das sollte wohl ein feines Abendessen geben heute! Auf dem Rückweg über die Wiesen durften sie noch einige rotbäckige Äpfel aufheben, die im Gras lagen, als hätte der gute Baum sie den Kindern hingeschüttet. — Jetzt sah man schon einige Lichter in den ersten Häusern, über einen Gartenzaun nickten schwere, runde Sonnen­ blumen, die aussahen, als hätten sie sich eine dottergelbe Krause umgebunden, und Georginen, ganz bunte Astern schimmerten drunter, und dann waren Gerd und Eva froh, als ihr Haus kam, denn es war dunkel geworden. M. H.

27 Pflaumenregen. 1. Es steht ein Baum im Garten, Bon Pflaumen voll und schwer. Die Kinder drunten warten Und lauschen rings umher, Ob nicht der Wind ihn rüttelt Und all die Pflaumen schüttelt, Daß alle purzeln kreuz und quer.

2. Doch horch! wie's rauscht und rappelt! Im Wald wacht auf der Wind, Schon zischelt er und zappelt Und trappelt her geschwind Und wiegt und biegt die Äste, Daß schier in ihrem Neste Die Finken nimmer sicher sind.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

3. Nun fällt ein Pflaumenregen, Der aber macht nicht naß. Im Gras herumzufegen Ist da der größte Spaß. O Wind, o Wind, o rüttle, O Wind, o Wind, o schüttle. Wir grapsen ohne Unterlaß. Güll.

28. Bor» mancherlei Beeren. Unter allen Beeten im Garten ist das Erdbeerbeet den Kindern das liebste. Schon im ersten Frühling wird es schön grün. Kommt dann der Mai mit seinen warmen Tagen, so ist es wie mit frisch gefallenen Schneeflocken überdeckt; denn dann brechen aus allen Zweiglein die weißen Blüten hervor. Geschäftig fliegen die Bienen ab und zu; summend kriechen sie aus einer Blüte in die andere, denn da drin gibt's einen Trunk süßen Honigsaftes. Aber so viel auch die Bienen naschen mögen von dem herrlichen Saft, es bleibt doch noch genug zurück in den Früchten, die sich nach dem Abfallen der Blüten an den Zweigen ansetzen. Da besuchen nun die Kinderdas Erdbeerbeet alle Tage. Sie freuen sich, wenn die Erdbeeren immer größer werden, manchmal so groß wie eine Nuß; und wenn dann ihre grüne Fgrbe weißlich wird oder die Sonne ihnen schöne rote Backen malt oder sie wie die roten Kirschen im grünen Laube hängen, dann ist fröhliche Zeit, da gibt's Erdbeeren alle Tage. Aber der Sommer macht es wie ein sorgsamer Hausvater, der auch nicht alles auf einmal gibt, was er den Seinen zu­ gedacht hat. Das zeigt sich schon im Garten. Hinten an der Gartenwand stehen in Reihen die Himbeersträucher. Die be­ decken sich auch allgemach mit Beeren; aber man muß warten, bis sie recht schön rot und so weich sind, daß sie einem auf der Zunge vergehen. Im ganzen Garten zerstreut stehen, wie kleine Leute, zwischen den Obstbäumen die Sträucher, von denen man Johannisbeeren und Stachelbeeren pflückt. Schön gelb und rot hängen in dem Laube der Johannisbeersträucher

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die Beerlein wie zierliche Weintrauben; einzeln sitzen die Stachelbeeren, aber sie werden auch größer und süßer als die Johannisbeeren, und solch schöne, große Stachelbeere mag wohl den Mund des kleinen Hans füllen. Wohin man auch schauen mag in der fröhlichen Sommer­ zeit, da hat Gott den Menschen den Tisch gedeckt mit schönen, saftigen Beeren. Du wanderst durch den Wald, es ist heiß und schwül, und die Zunge klebt am Gaumen. Siehe, da leuchtet es blau aus dem niederen Gebüsch und ladet zum Pflücken ein. Und wie vielen fleißigen Händen gibt nicht der Heidelbeerstrauch ein gut Stück tägliches Brot! Mit großen Kämmen aus Holz streifen Frauen und Kinder draußen im Walde die blauen Beeren von den Sträuchern, und die großen Weidenkörbe füllen sich bis zum Rande. Und dann macht sich der Vater auf und fährt die reiche Beerenernte weit hinein ins Land. Bald ist seine Ladung abgesetzt, und er nimmt ein gut Stück Geld mit in die Heimat zurück. Und wenn es mit den Heidelbeeren zu Ende geht, so kommen die harten, roten Preißelbeeren an die Reihe, die macht die Mutter ein in Glä­ sern und Büchsen, damit auch im Winter auf dem Mittags­ tisch etwas stehen könne von den süßen Gaben des Sommers. Hummel.

29. Bon mancherlei Rüssen. Draußen im Walde wächst der Haselnußstrauch. Er ist einer der schönsten unter den Waldsträuchern. Aufrecht stehen seine schlanken, fast geraden Zweige, und die schöngrünen Blätter sind beinahe so groß, wie die Hand eines Kindes. Aber am schönsten ist er doch im Sommer. Da lugen aus den Blät­ tern hervor kleine Näpfchen, die sind oben offen und am Rande seltsam zerschlitzt, als hätten Kinderhände sie mit kleinen Scheren ausgeschnitten. In diesen Bechern sitzen die Hasel­ nüsse. Anfangs sehen sie grün aus, später werden sie bräun­ lich. Dann aber bleiben sie nicht mehr in den Bechern sitzen, sondern fallen aus. Ehe es aber so weit kommt, ist im Haselnußgefträuch ein lustig Leben. Die Landleute sammeln die

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

bärtigen Becherlein mit den Nüssen darin; nach einigen Wochen fallen diese dann von selbst aus, und nun ist es auch nicht mehr lange hin bis zu dem fröhlichen Weihnachtsfeste, wo die braunen Haselnüsse unter dem Christbaume selten fehlen.

Am liebsten aber schauen die Kinder doch wohl nach den Walnüssen. Denn die glänzen in Gold und Silber im Christ­ baumlichte, und wenn man dann eine mit dem Nußknacker auf­ knackt, so hat man gleich einen ganzen Mund voll süßen Nuß­ kerns. Den Baum, von dem die Walnüsse kommen, kennt jedes von euch. Es ist der alte, weitästige Baum hinten int Garten, unter dem es sich an heißen Sommertagen so gut spielen läßt, denn seine großen, wohlriechenden Blätter lassen nur wenige Sonnenstrahlen hindurch. Auch die Walnuß sitzt, ehe sie reif wird, in einem grünen Häuslein wohlgeborgen. Aber das ist überall geschlossen, und ich rate euch, mit den Fingern davonzubleiben, wenn ihr euch nicht schwarz färben wollt wie die Mohren. Wenn die Nuß reif ist, fängt das Gehäuse an zu faulen, und die Nuß fällt aus. Aber darauf warten die Menschen nicht, sondern schlagen sie schon vorher mit Stangen herunter. Nun essen aber nicht allein die Menschen gern die süßen Nußkerne, sondern auch Tiere knacken gern Nüsse. Am lieb­ sten von allen Tieren tut dies das flinke Eichhörnchen. Das schmaust zur Herbstzeit nach Herzenslust Haselnüsse. Wenn aber diese eingeerntet sind, dann geht es zum Buchenbaum. Darauf wachsen die kleinen dreikantigen Buchnüsse oder Buch­ eckern, die schmecken so süß wie Haselnüsse. Weil sie aber so klein sind, so scheuen die Menschen die Mühe des Einsam­ melns, und daher findet das Eichhörnchen stets auf der Buche einen gedeckten Tisch. Unter dem Weihnachtsbaume liegen nun oft auch noch Pfeffernüsse. Wer von euch kann wohl sagen, auf welchem Baume diese wachsen? Hummel.

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80. Wie das Finklein das Bäuerlein im Schenerlei» besucht. 1. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Hast 'nen großen Habersack, Hast viel Weizen und viel Kern, Bäuerlein, hab dich gar zu gern. 2. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Komm zu dir mit Sack und Pack, Komm zu dir nur, daß ich lern, Wie man ausdrischt Korn und Kern.

3. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Ei, wie ist denn der Geschmack Von dem Korn und von dem Kern, Daß ich's unterscheiden lern? 4. Bäuerlein, Bäuerlein spricht und lacht: Finklein, nimm dich nur in acht, Daß ich, wenn ich dresch und klopf. Dich nicht treff auf deinen Kops!

6. Komm herein und such und lug, Bis du satt hast und genug; Daß du nicht mehr hungrig bist. Wenn das Korn gedroschen ist. GM.

31. Spätherbst. 1. Wenn ich in mein Gärtlein geh. Nach den bunten Blumen seh, Alle Blumen sind schon fort, O, wie traurig ist es dort!

8. Wenn ich in das Wäldchen geh, Nach den grünen Bäumen seh, Laub ist welk und schon verdorrt, O, wie traurig ist es dort!

Tageszeiten und Jahreszeiten.

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3. Lieber Gott, ich hoffe doch. Allen Blumen schenkst du noch Übers Jahr ein Auferstehn, Ja, ich werd sie Wiedersehn. 4. Wenn die Frühlingssonne lacht. Steht der Wald in grüner Pracht, Helle Wolken fröhlich ziehn, Und die Blümlein seh ich blühn. Klette.

32. Winter. 1. Der Winter ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Wenn auch die ganze Welt verschneit Und alles friert zu Stein. 2. Der Wald in seiner Silberpracht, Er schimmert weit umher. Als ob er aus Kristall gemacht Und ganz aus Zucker wär.

3. Auf Und Der

Hurra, nun kommt die Schlittenfahrt glänzend weißem Schnee, welch ein schöner Tanzsaal ward spiegelglatte See!

4. Und mitten drin, o Seligkeit! Da strahlt der Weihnachtsschein! Der Winter ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

33. Im Winter. „Ich möchte so gern einen Schneemann machen, aber ich kann es nicht allein, hilfst du mir, Gerd?" sagte Evchen zu ihrem Bruder. „Ja, ich will es gerne, aber eins mußt bu versprechen, Eva, du darfst nicht wieder über kalte Füße und Hände weinen wie voriges Jahr," antwortete Gerd. „Ganz gewiß nicht, ich bin ja jetzt nicht mehr klein, ich

Nurnmer 32 und 33.

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komme ja schon Ostern zur Schule," rief Evchen stolz, und beide Kinder gaben sich im Garten an die Arbeit. Gerd wälzte einen Schneeball so lang, bis er dick genug war zum Leib, und Evchen machte derweil den Kopf. Zwei Kohlen gaben die Augen, eine Rübe die Nase, und eine Apfelsinenschale war der Mund. Das war ein feiner Kerl! Nun bekam er noch einen alten Hut auf, und eine Reihe kleiner Kohlen gab die Knöpfe. Evchen hatte wirklich nicht geweint, obwohl es recht kalt war, ganz froh war sie aber, als sie zum Kaffeetrinken gerufen wurden. Bom Fenster aus konnte man den Schneemann auch sehen, und die heiße Milch und ein paar Brezeln dazu taten dem durchfrorenen Evchen wohl und warm. Ach, wie gemütlich heiß war der grüne Kachelofen, wie behaglich weich die Pelzpantöffel­ chen, und wie merkwürdig hell die Stube. Obwohl es schon Dämmerung war, leuchtete doch von draußen noch der Schnee herein, bis endlich die Lampe angesteckt wurde und die Läden geschlossen. Nun setzte sich Gerd an die Aufgaben, und Evchen durfte der Mutter helfen. Ja, denkt nur, was sie schon alles konnte! Sie konnte schon Wolle halten, während Mutter ein dickes, rotes Knäuel wickelte, und sie konnte schon Seidensträhnen nach den Farben legen und den ganzen Nähkorb aufräumen. End­ lich war Gerd fertig, und man durste wieder laut sprechen. „Mutter, wievielmal muß ich noch schlafen, bis Weih­ nachten ist? Mutter, ich wünsche meiner Puppe Lilli ein neues Kleid und der Else neue Haare. Glaubst du, daß Christkindchen mir alles bringt?" — „Ja, wenn mein Evakind lieb und gut ist, glaube ich es," sagte die Mutter. Gerd hatte auch Wünsche, die schrieb er nun alle auf einen langen Zettel, eine Dampfmaschine, Bleisoldaten, ein feines Buch, ein Taschenmesser und noch viele Sachen. Als er alles fertig hatte, führte er Eva die Hand zu ihrem Zettel, und dann gaben sie sie beide der Mutter, die wollte sie am Abend dem Christkind bringen. „Noch fünfzehnmal schlafen, Eva, dann ist Weihnachten, es ist nicht mehr so lang;

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

weißt du was, jetzt singen wir mal ein Weihnachtslied," rief Gerd, und Mutter ging mit ihnen zum Klavier, und sie sangen: Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all!

M. H.

34. Winters Ankunft. Im weißen Pelz der Winter Steht lange schon hinter der Tür — Ei, guten Tag, Herr Winter,

Das ist nicht hübsch von dir. ü Wir meinten, du wärest wer weiß wie weit, Da kommst du mit einmal hereingeschneit. Nun, da du hier bist, da mag's schon sein, Aber was bringst du uns Kindelein? — Was ich euch bringe, das sollt ihr wissen, 10 Fröhliche Weihnacht mit Äpfeln und Nüssen Und Schneeballen, Wie sie fallen, Und im Jänner Auch Schneemänner. Klette.

35. Der Schnee. Wer hätte das gedacht! Sagt mir, Brüder und Schwestern, Wer dachte das noch gestern, Daß es so schneien würd über Nacht? Auf unserm Dach die Kräh, Die sagt: Wie mich's gefreut hat, Daß es so stark geschneit hat! Wenn man so schwarz, schwarz, schwarz ist, Macht man sich gut auf dem weißen Schnee! Trojan.

36. Der Hase im Kohl. 1. Auf dem Dach viel blanke Zapfen, In dem Schnee viel kleine Tapfen, Alle laufen nach dem Kohl! Häschen, das gefällt dir wohl?



Nummer 34 bis 37.

2. Nächtlich, bei des Mondes Schimmer, Sitzt er dort zu schmausen immer; Knusperknäuschen, gar nicht faul: Ei, du kleines Leckermaul! 3. Häschen ist es schlecht bekommen, Vater hat's Gewehr genommen; Eines Abends ging es: bumm! Bautz, da fiel das Häschen um! 4. Kannst du wohl das Ende raten? Heute gibt es Hasenbraten, Apfelmus mit Zimt dazu. Ach, du armes Häschen du! Seidel.

37. Der erste Schnee.

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Ei, du liebe, liebe Zeit, Ei, wie hat's geschneit, geschneit! Ringsherum, wie ich mich dreh. Nichts als Schnee und lauter Schnee. Wald und Wiesen, Hof und Hecken, Alles steckt in weißen Decken! Und im Garten jeder Baum, Jedes Bäumchen voller Flaum! Auf dem Sims, dem Blumenbrett Liegt er wie ein Federbett! Auf den Dächern um und um Nichts als Baumwoll ringsherum! Und der Schlot vom Nachbarhaus, Wie possierlich sieht der aus! Hat ein weißes Müllerkäppchen Hat ein weißes Müllerjöppchen! Meint man nicht, wenn er so raucht. Daß er just sein Pfeiflein schmaucht? Und im Hof der Pumpenstock Hat gar einen Zottelrock Und die pudrige Perücke Und den Haarzopf im Genicke,

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Und die ellenlange Nase Geht schier vor bis an die Straße! 25 Und gar draußen vor dem Haus! Wär nur erst die Schule aus! Aber dann, wenn's noch so stürmt. Wird ein Schneemann aufgetürmt. Dick und rund und rund und dick, 30 Steht er da im Augenblick, Auf dem Kopf als Hut 'nen Tiegel Und im Arm den langen Prügel Und die Füße tief im Schnee! Und wir ringsherum, juhe! 35 Ei, ihr lieben, lieben Leut, Was ist heut das eine Freud! Gült.

38. Im kalten Winter. Im Winter gibt es viel Eis und Schnee. Das Eis ist gefrorenes Wasser. Wenn ihr im Winter in eine Tasse Wasser tut, dann wird es auch zu Eis. Das Eis sieht weiß aus. Manchmal sind schwarze Flecke im Eis. Aber das kommt nur dann vor, wenn das Wasser nicht rein ist. Wenn cs recht kalt ist und es regnet, dann wird der Regen zu Schnee. Dann sagt man: es schneit. Aus dem Schnee kann man Schneeballen machen, und die Knaben machen Schneemänner. Man kann aber auch ganz große Schneeballen machen, und wenn man dann vier oder fünf solche große Schneeballen dicht zusammengerollt hat — zu tragen sind sie zu schwer — dann sagen die Kinder: das ist unsere Burg. Wenn man zu lange im Schnee spielt, dann bekommt man ganz rote Finger. Aber darum muß man sich nicht kümmern. Manche Kinder mögen den Winter nicht, weil es da zu kalt ist. Aber ich finde den Winter sehr schön. Und ich glaube, alle Kinder freuen sich doch auf den Winter, weil im Winter Weihnachten ist. Otto.

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Ff Nummer 38 bis 4V. .

39. Ein Guckloch in der Scheibe. O, wie bitter kalt ist es draußen! Wir haben Ferien, denn morgen ist der heilige Abend. Ich stehe am Fenster, und das ist von oben bis unten ganz mit Eisblumen be­ deckt. Ich hauche und hauche gegen die Scheibe, bis ein kleiner feuchter Fleck da ist und das Eis schmilzt, und nun ist ein Guckloch im Fenster. Jetzt kann ich auf die Straße sehen. Da geht ein Mann, der hat beide Hände in den Taschen. Er zieht die Schultern hoch, damit die Ohren sich an seinem Mantel­ kragen wärmen können. Da kommen zwei Knaben, die sind wohl schon konfirmiert, sie tragen Schlittschuhe über der Schulter und haben dicke Handschuhe angezogen. Ein kleines Mädchen trippelt dicht hinter ihnen her, damit es etwas gegen den scharfen Ostwind geschützt ist, der durch die Straßen fegt. Kein Kind spielt draußen, alle sind wohl in den warmen Stuben. Die Fenster in den Häusern gegen­ über sind fast alle zugefroren. Sieh, unsere Milchfrau kommt über die Straße. Sie will uns Milch bringen. O, wie sieht sie aus! Sie ist ganz in Tücher und Mantel eingehüllt. Nur ihre Nasenspitze ist zu sehen. Wie mögen ihr wohl die Hände frieren trotz der dicken wollenen Handschuhe, die sie an hat. Da haben wir es besser. Wir haben eine warme Stube, und unser Ofen sieht schon ganz rot aus, so viele Mühe gibt er sich, um das Zimmer zu wärmen. Die heiße Kaffee­ kanne dampft auf dem Tisch. Die Mutter schmiert uns Butterbrote, der Vater trägt einen vollen Kohlenkasten in die Stube. Ja, wir können nicht klagen. Und morgen? — Scharrelmann.

49. Weihnachten Auf Weihnachten freue ich mich. — Weihnachten wird gefeiert, weil da der Herr Jesus Christus geboren ist. Jesus Christus ist in der Nacht geboren zwischen dem Heiligabend und dem ersten Feiertag. Jedes Kind feiert seinen eigenen Geburtstag. Jedes Kind feiert auch seines Vaters Ge--

Tageszeiten und Jahreszeiten.

burtstag. Jedes Kind feiert auch den Geburtstag von seiner Mutter. Aber so einen Geburtstag feiert immer nur die eine Familie. Die Freunde und Freundinnen werden frei­ lich immer dazu eingeladen. Mer den Geburtstag des Herrn Jesus Christus, den feiert jede Familie so, als ob der Herr Jesus Christus mit zur Familie gehörte. Und wenn sonst Geburtstag ist, dann bekommt immer nur das Geburtstagskind etwas geschenkt. Aber wenn Weihnachten ist, dann bekommt jeder etwas geschenkt. Und jedes Kind denkt vorher nach, was es den Eltern und den andern Kindern schenken kann. Und jedes Kind schenkt soviel, wie es kann. Und je weniger Geld es gekostet hat, und je mehr das Kind selber daran gearbeitet hat, desto schöner ist das Geschenk. Otto.

41. Was das Christkindlein sagt. Das Christkindlein bin ich genannt. Den frommen Kindern wohl bekannt; Die ihren Eltern gehorsam sein, Die früh aufstehn und beten gern, Denen will ich alles beschern. Die aber solche Holzböck sein. Die schlagen ihre Schwesterlein Und necken ihre Brüderlein, Steckt Ruprecht in den Sack hinein. Wunderhorn.

42. Die Kinder bei der Kribbe. 1. Zur Und Der

Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all! Krippe her kommet in Bethlehems Stall, seht, was in dieser hochheiligen Nacht Vater im Himmel für Freude uns macht.

2. O, seht in der Krippe, im nächtlichen Stall, Seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl In reinlichen Windeln das himmlische Kind, Viel schöner und holder, als Engel es sind.

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Nummer 41 bis 44.

3. Da liegt es — ach, Kinder! aus Heu und auf Stroh; Maria und Joseph betrachten es froh; Die redlichen Hirten knien betend davpr. Hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor. Ch. v. Schmid

48. O Weihnachtszeit. 1. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönsten Bäume. Manch Bäumlein blüht im Gartenraum, Doch keines gleicht dem Weihnachtsbaum. 2. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönsten Lieder. Es schallt so frisch, wenn Vöglein singt. Doch Weihnachtssang noch schöner klingt.

3. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönsten Gaben. Das Christkind kommt ins Herz hinein Mit seinem süßen Friedensschein. Kritzinger.

44. Der liebe Weihnachtsmann. 1. Der Esel, der Esel, Wo kommt der Esel her? Bon Wesel, von Wesel, Er will ans Schwarze Meer.

2. Wer hat denn, wer hat denn Den Esel so bepackt? Knecht Ruprecht, Knecht Ruprecht Mit seinem Klappersack.

3. Mit Und Aus

Mit Nüssen, mit Äpfeln, Spielzeug mancherlei Kuchen, ja Kuchen seiner Bäckerei.

Hessel, Lesebuch 1. 11. Ausl.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

4. Wo bäckt denn, wo bäckt denn Knecht Ruprecht seine Speis? In Island, in Island, Drum ist sein Bart so weiß. 5. Die Rute, die Rute, Die ist dabei verbrannt; Heut sind die Kinder artig Im ganzen deutschen Land. 6. Ach, Ruprecht, ach, Ruprecht, Du lieber Weihnachtsmann, Komm auch zu uns mit deinem. Mit deinem Sack heran! Dehmel.

45. Wenn s schneit. 1. Wirbel wirbel Flöcklein Machen weiß mein Röcklein, Machen weiß mir Hut und Haar, Setzen auf die Ras sich gar. Ei, was fällt euch alles ein, Wirbel wirbel Flöckelein? 2. Wirbel wirbel Flöcklein! Sehet, weiße Söcklein Trägt die Katz an jedem Fuß, Und ist ihr Pelz doch schwarz wie Ruß. Schau das Schnäuzchen! aber nein. Hängt voll weißer Schneeflöcklein!

3. Wirbel wirbel Flöcklein, Meinem Rosenstöcklein Legtet ihr ein Kränzlein an, Wie's kein schönres geben kann, Weiß und blank und blitzblank rein. Dank euch, liebe Schneeflöcklein! t Klara Forrer.

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Nummer 45 bis 47.

46. Der Weihnachtsbaum. 1. Bon allen den Bäumen jung und alt, Bon allen den Bäumen grob und klein, Bon allen in unserm ganzen Wald, Was mag doch der allerschönste sein? Der schönste von allen weit und breit. Das ist doch allein, wer zweifelt dran — Der Baum, der da grünet allezeit. Den heute mir bringt der Weihnachtsmann!

2. Wenn alles schon schläft in stiller Nacht, Dann holet er ihn bei Sternenschein Und schlüpfet, eh einer sich's gedacht. Gar heimlich damit ins Haus hinein. Dann schmückt er mit Lichtern jeden Zweig, Hängt Kuchen und Nütz' und Äpfel dran: So macht er uns alle freudenreich. Der liebe, der gute Weihnachtsmann. Hoffmann v. F.

47. Weihnachtsliedchen. 1. Still, still, still! Die Augen aufgemacht! Wer will herein? Das Christkindlein, Es ist ja heut die heilge Nacht! 2. Horch, horch, horch! Es klopfet an die Tür! Es klingelt hell, O, komm doch schnell Herein! schon lange warten wir.

3. Ja, ja, ja! Wir haben dich gar lieb! Was bringst du heut Zur Weihnachtsfreud? Die hübschen Sächelchen, o gib!

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

4. Ei, ei, ei! Wie sind die doch so süß, So nett und klein, So neu und fein, Ein Gärtchen, Bilder, Äpfel, Nüß! 5. Ah, ah, ah! Wie glänzt und glitzert das! Wie hell und rein Der goldne Schein! Herbei zu Lust und Spiel und Spaß!

6. Dank, Dank, Dank! Du liebes Christkindlein! Wir alle, wir Versprechen dir, Stets folgsam, brav und fromm zu sein. Ensli».

48. Weihnachtslegende. 1. Christkind kam in den Winterwald, Der Schnee war weiß, der Schnee war kalt. Doch als das heilge Kind erschien. Fing's an im Winterwald zu blühn.

2. Christkindchen trat zum Apfelbaum, Erweckt ihn aus dern Wintertraum — „Schenk Äpfel süß, schenk Äpfel zart. Schenk Äpfel mir von aller Art!" 3. Der Apfelbaum, er rüttelt sich. Der Apfelbaum, er schüttelt sich. Da regnet's Äpfel ringsumher; Christkindleins Taschen wurden schwer.

4. Die süßen Früchte alle nahm's. Und also zu den Menschen kam's. Nun, holde Mäulchen, kommt, verzehrt, Was euch Christkindlein hat beschert. v. Wildenbruch.

Nummer 48 bis 60.

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49, Was man in unserm Hanse am 31. Dezember sagt. Der Vater sagt: „Denkt einmal, Kinder, vorhin war ein armer Mann bei mir, der hatte so viele Nasen, wie Tage tut Jahre sind." Die Mutter sagt: „Noch ein wenig Suppe, Alfred? Du kriegst sonst in diesem Jahre keinen Löffel voll mehr." In der Küche schneidet Karoline ein Stück Leberwurst ab — gar nicht sehr groß — und sagt: „Damit kommen wir nun aus bis nächstes Jahr." Und Alfred legt seine Tafel fort und ruft: „So! jetzt mache ich im ganzen Jahr nicht eine Rechenarbeit mehr, verlaßt euch drauf!" Mariechen bindet ihrer Puppe eine rosa Schürze vor und sagt: „Hörst du wohl, die muß nun frisch und rein bleiben bis nächstes Jahr." Und unser allerkleinstes Fritzchen gähnt, da sagt die Mutter: „Jetzt muß mein Junge schlafen, schlafen! Erst nächstes Jahr darf er die Guck­ augen wieder aufmachen!" Ja — solchen Unsinn sagen sie alle am 31. Dezember, und — denkt einmal: sie haben alle recht! Mercator.

50. Der Schneemann. 1. Ach, Wind, was machst du immer doch Für jämmerlich Geblase! Du wirfst uns gar den Schneemann noch Auf seine lange Nase. 2. Du, Schneemann, halt dich fest am Zaun, Hier hast du einen Stecken, Da magst du tüchtig um dich Haun, Wenn dich die Kinder necken.

3. Und laß dir nur die Sonne nicht Zu sehr aufs Röcklein scheinen! Ach, wenn sie dich zu Tode sticht, Wer soll dann um dich weinen? Klet

Tageszeiten und Jahreszeiten.

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51. Will sehen, was ich weiß vom Büblein ans dem Eis. 1. Noch Das Und „Ich Das Wer

Gefroren hat es Heuer gar kein fes!:s Eis, Büblein steht am Weiher spricht so zu sich leis: will es einmal wagen. Eis, es muß doch tragen!" weiß?

2. Das Büblein stampft und hacket Mit Das Und Das Als Mit

seinem Stiefelein. Eis auf einmal knacket. krach! schon bricht's hinein. Büblein platscht und krabbelt wie ein Krebs und zappelt Schrein.

3. „O, helft, ich muß versinken In lauter Eis und Schnee! O, helft, ich muß ertrinken Im tiefen, tiefen See!" Wär nicht ein Mann gekommen. Der sich ein Herz genommen, O weh! 4. Der packt es bei dem Schopfe Und zieht es dann heraus. Vom Fuße bis zum Kopfe Wie eine Wassermaus. Das Büblein hat getropfet, Der Vater hat's geklopfet Zu Haus.

52. Die armen Bögelein. 1. Des Winters, wenn es schneit, Dann ist gar böse Zeit; Die armen, armen Bögelein, Die tun mir gar zu leid!

Süll.

SS

Nummer 51 bis 54.

2. Und Die Sie

Ach, könnt ich locken sie. wüßt ich doch nur, wie! armen, armen Vögelein, sollten hungern nie!

3. Das Futter streut ich auS, Da kämen sie ans Haus, Die armen, armen Vögelein, Sie hielten einen Schmaus. 4. O, glücklich jedermann, Wer geben mag und kann! Ihr armen, armen Vögelein, Nehmt meine Gaben an! Hoffmann ». F.

53. Bald ist der Frühling da! 1. Tra ri ra! Bald ist der Frühling da! Bald werden grün die Felder, Die Wiesen und die Wälder. Tra ri ra! Bald ist der Frühling da!

2. Tra ri re! Schon schmilzet Eis und Schnee! Die Quellen rauschen wieder Bon allen Bergen nieder. Tra ri re! Schon schmilzet Eis und Schnee! 3. Tra ri ro! Jetzt sind wir wieder froh! Ja, Trost für lange Plage Berleihn die länger» Tage. Tra ri ro! Jetzt sind wir wieder froh!

40

Tageszeiten und Jahreszeiten.

4. Tra ri ru! Du lieber Frühling du! Laß uns nicht länger warten, Komm bald in Feld und Garten! Tra ri tu! Du lieber Frühling du! Hoffmann v. F.

54. Frühlings Ankunft. 1. Alle Vögel sind schon da, Alle Vögel, alle! Welch ein Singen, Musiziern, Pfeifen, Zwitschern, Tiriliern! Frühling will nun einmarschiern, Kommt mit Sang und Schalle. 2. Wie sie alle lustig sind, Flink und froh sich regen! Amsel, Drossel, Fink und Star Und die ganze Vogelschar Wünschet uns ein frohes Jahr, Lauter Heil und Segen.

3. Was sie uns verkündet nun, Nehmen wir zu Herzen, Wir auch wollen lustig sein, Lustig wie die Vögelein, Hier und dort, feldaus, selbem, Singen, springen, scherzen! Hoffmann k. F.

4t

Nummer 55.

II. Die Natur. SS. Gott sorgt. 1. Es ist kein Mäuschen so jung und Hein, Es hat sein liebes Mütterlein, Das bringt ihm manches Krümchen Brot, Damit es nicht leidet Hunger und Not.

2. Es ist Im Garten Es hat sein Da tut ihm

kein liebes Vögelein draußen so arm und klein, warmes Federkleid; Regen und Schnee kein Leid.

3. Es ist kein bunter Schmetterling, Kein Würmchen im Sommer so gering, Es findet ein Blümchen, findet ein Blatt, Davon es ißt, wird froh und satt. 4. Es ist kein Geschöpf in der weiten Welt, Dem nicht sein eigenes Teil ist bestellt, Sein Futter, sein Bett, sein kleines Haus, Darinnen es fröhlich geht ein und aus.

5. Der Und Der

Und liebe sieht sorgt

wer hat das alles so bedacht? Gott, der alles macht auf alles väterlich, auch Tag und Nacht für mich.

Hey.

42

Die Natur.

56. Auf dem Acker. Es regnet, Gott segnet. Der Ackersmann sät Den Weizen ins Beet, Die Körnchen, die springen, Die Vögelchen singen, Juhe! Volkstümlich.

57. Widewidewenne heißt meine Putthenne. 1. Kannnichtruhn heißt mein Huhn, Wackelschwanz heißt meine Gans, Widewidewenne heißt meine Putthenne.

2. Schwarzundweiß heißt meine Geiß, Dreibein heißt mein Schwein, Widewidewenne heißt meine Putthenne. 3. Ehrenwert heißt mein Pferd, Gutemuh heißt meine Kuh, Widewidewenne heißt meine Putthenne.

4. Wettermann heißt mein Hahn, Kunterbunt heißt mein Hund, Widewidewenne heißt meine Putthenne.

5. Kuckheraus heißt mein Haus, Schlupfheraus heißt meine Maus, Widewidewenne heißt meine Putthenne. 6. Wvhlgetan heißt mein Mann, Sausewind heißt mein Kind, Widewidewenne heißt meine Putthenne. 7. Lebrecht heißt mein Knecht, Spätbetagt heißt meine Magd, Widewidewenne heißt meine Putthenne.

Nummer 56 bis 58.

43

8. Sammettatz heißt meine Katz, Hüpfinsstroh heißt mein Floh, Widewidewenne heißt meine Putthenne.

Pocci.

88. Was Vie Tiere alles lerne«. Die Enten lernen schnattern, Tie Fledermäuse flattern. Die Hähne lernen krähen, Tie Schafe lernen bäen. ö Die Tauben lernen fliegen Und meckern alle Ziegen.

Die Stare lernen plappern. Die jungen Störche klappern, Das Mausen und Haschen lernt das Kätzchen, 10 Das Schmausen und Naschen lernt das Spätzchen. Die Alten zeigen, wie sie's gemacht, Die Jungen folgen und geben acht Und machen es dann selber. Die Bienen lernen sparen, 15 Arbeiten und bewahren, Die Spinne lernet weben, Der Schmetterling lernt schweben. Die Fischlein lernen schwimmen, Eichhörnchen lernet Kimmen.

20

Das Brüllen lernt das Kälbchen, Und bauen lernt das Schwälbchen, Und Fink und Lerch und Nachtigall, Der Stieglitz und die Vöglein all, Die lernen süßer Lieder Schall.

25

Die Alten zeigen, wie sie's gemacht, Die Jungen folgen und geben acht Und machen es dann selber. Löwenstein.

44

Die Natur.

SS. Knave und Hündchen. 1. „Komm nun, mein Hündchen, zu deinem Herrn, Ordentlich grade sitzen lern!" „Ach, soll ich schon lernen und bin so klein? O, laß es doch noch ein Weilchen fein!" „Nein, Hündchen, es geht am besten früh, Denn später macht es dir große Müh." 2. Das Hündchen lernte; bald war's geschehn, Da konnt es schon sitzen und aufrecht gehn, Getrost in das tiefste Wasser springen Und schnell das Verlorne wieder bringen. Der Knabe sah seine Lust daran, Lernt' auch und wurde ein kluger Mann. Hey.

60. Pudel. 1. „Wer hat hier die Milch genascht? Hätt ich doch den Dieb erhascht! Pudel, wärst denn du es gar? Pudel, komm doch! ei, fürwahr, Einen weißen Bart hast du; Sag mir doch, wie geht das zu?"

2. Die Hausfrau sah ihn an mit Lachen: „Ei, Pudel, was machst du mir für Sachen? Willst wohl gar noch ein Naschkätzchen werben?' Da hing er den Schwanz bis auf die Erden Und heulte und schämte sich so sehr. Der naschet wohl so bald nicht mehr. Hey.

61. Der Wettstreit. Eine Kuh, ein Pferd und ein Schaf standen auf einer Weide zusammen und unterhielten sich über den Menschen, ihren Herrn. „Er gibt uns die gute Weide und den warmen Stall," sagte die Kuh, „aber dafür gebe ich ihm auch die süße Milch, woraus er sich Käse von allerlei Art und die köstliche Butter bereitet." — „Das ist noch gar nichts," sägte das

Nummer 59 bis 62.

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Pferd, „ich trage ihn auf meinem Rücken und ziehe Karren und Wagen." — „Und ich," ließ das Schaf sich hören, „schenke ihm meine Wolle, daraus macht er sich warme Kleider und Strümpfe." Da kam ein Hund gelaufen. Den blickten die drei verächtlich an, denn sie hielten sich für hundertmal wichtiger als er. Aber gleich darauf kam der Mensch, ihr Herr, der rief dem Hunde freundlich zu und streichelte ihn. Die drei andern Tiere sahen neidisch auf den Hund, und end­ lich fragte das Pferd den Menschen: „Warum kümmerst du dich denn soviel um dieses unnütze Tier, das nichts kann als bellen? Wir sind doch viel mehr wert." Der Herr aber strei­ chelte seinen Hund noch mehr und sprach: „Das ist mein treuer Freund, er hat mein einziges, liebes Kind aus den Wasserfluten gerettet, das werde ich ihm niemals vergessen." K H

62. Schäfchen. Wollenes Röckchen, Wollenes Leibchen, Wollene Söckchen, Wollenes Häubchen 5 Hast du an, mein liebes Kind, Hält dich warm im kalten Wind. Doch wer gibt die Wolle dir. Dich so warm zu kleiden? Sind das nicht die Schäfchen hier, 10 Die am Hügel weiden? Siehst du nicht? Gelbe Wolle, kraus und dicht. Wächst auf ihrem Fell. „Wolle, Wolle, wachse schnell! 15 Wachs im warmen Regen, Wachs im Sonnensegen!" Wenn sie immer länger wird. Kommt der Hirt, Mit der Schere, klipp und klapp, 20 Schneidet er di« Wolle ab.

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Die Natur.

Trägt sie in das Städtchen Zu dem Spinnermädchen. Mädchen auf dem Rädchen Spinnt die wollnen Fädchen, 25 Dünne, dicke, krause, Bringt sie euch nach Hause. Mütterlein Flink und fein Strickt Röckchen 30 Und Leibchen Und Söckchen Und Häubchen Fürs liebe Kind. Hast nicht warm im kalten Wind? Eigenbrodt.

63. Kätzchen. 1. Kätzchen, nun müßt ihr auch Namen haben, Jedes nach seiner Kunst und Gaben: Sammetfell heiß ich dich. Jenes dort Leiseschlich, Dieses da Fangemaus, Aber dich Töpfchenaus.

2. Und sie wurden gar schön und groß; Sammetfell saß gern auf dem Schoß, Unter das Dach stieg Fangemaus, Leiseschlich lief in die Scheuer hinaus, Töpfchenaus sucht' in der Küche sein Brot, Machte der Köchin viele Not. He

64. Das Mohrle. 1. Frau Bäurin sucht's Kätzchen Und ist so allein. Sie sucht's in allen Winkeln, Ob's irgendwo mag sein.

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Nummer 63 bis 65.

2. Kein Mohrle, kein Kätzle Ist so auf der Welt, Wie mir mein kleines Mohrle, Mein Mohrle mir gefällt. 3. Jetzt koch ich ihm Suppe, Nehm Zucker ein groß Stück, O, komm doch, mein Mohrle, O, komm doch zurück!

4. Kein Mohrle, kein Kätzle Ist so auf der Welt, Wie mir mein kleines Mohrle, Mein Mohrle mir gefällt. 5. Jetzt geh ich in die Scheune, Auf dem Heuboden wird's sein! Was kommt da geschlichen So leise herein? 6. Was kommt da geschlichen So leise heran? Ei, ei, mein kleins Mohrle, Hat nur 'n Schläfchen getan. Elsa Fromm.

SS. Das dumme Kätzchen. Jst's nicht zum Lachen? Kätzchen will Fliegen fangen Und weiß es nicht zu machen. Immer summ und immer brumm 5 Dicht um Kätzchens Nas herum. Wie es greift, und wie es grapst. Immer hat's vorbeigehapst. Immer summ und immer brumm! Kätzchen springt um sich selbst herum. 10 Auf einmal sitzt es ganz still und guckt, Nur das weiße Schwänzchen zuckt. Warte nur. Fliege! Jetzt muß es glücken. Ein Luftsprung. Ätsch! Da liegt's auf dem Rücken.

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Die Natur.

Immer summ und immer brumm, 15 Dicht um Kätzchens Nas herum. Liebes Kätzchen, nimm's nicht krumm, Mer du bist furchtbar dumm, Suntm, summ, summ, Furchtbar dumm! Falke.

66. Mäuschen. 1. „Mäuschen, was schleppst du dort Mir das Stück Zucker fort?" „Liebe Frau, ach, vergib, Habe vier Kinder lieb; Waren so hungrig noch. Gute Frau, last mir's doch!"

2. Da lachte die Frau in ihrem Sinn Und sagte: „Nun, Mäuschen, so lauf nur hin! Ich wollte ja meinem Kinde soeben Auch etwas für den Hunger geben!" Das Mäuschen lief fort, o, wie geschwind! Die Frau ging fröhlich zu ihrem Kind. Hey.

67. Die Mäuse. 1. In einer Scheune waren Acht Mäuselein, Die wollten wandern Ins Städtchen hinein. Ins Städtchen auf den Markt, Da gäb es mancherlei, Backwerk und Leckerei.

2. Da sprach die alte Mütter: Seid auf der Hut! Wenn ihr ins Städtchen kommt. Bedenkt, was ihr tut! Bleibt hier, ihr Kinder mein! Bedenkt, der Städter ist Boll Schlauheit, Tück und List!

Nummer 66 bis 68.

40

3. Die Mäuslein aber zogen Ins Städtchen fort, Sie wollten gar nicht hören Auf Mütterchens Wort. Sie schlüpften alle acht. Zu halten einen Schmaus, Wohl in ein Bäckerhaus. 4. Der Bäcker höret pfeifen Die Mäns im Haus: Ich werd euch jetzt bereiten Zur Nacht einen Schmaus. Er stellt die Fallen auf Und fängt sie alle acht In einer einigen Recht. Hoffmann v. F.

68. Die kluge Maus. Es war einmal eine kluge, alte Maus, welche die Welt und ihre Gefahren wohl kannte. Den Krallen der Katze war sie bisher immer glücklich entgangen, und von den vieler­ lei Mausfallen, welche die bösen Menschen, diese grimmigen Feinde des Mäusegeschlechts, aufzustellen pflegen, hatte sie sich immer ferne gehalten. Eines frühen Morgens aber lockte sie ein überaus wonniger Geruch aus ihrem Loche. Siehe, da hatte die Hausfrau so ein Ding, eine Mausefalle, gerade vor das Mausloch gestellt, und in der Falle lag ein Stück frisch gerösteten Speckes; das war es, was den verlockenden Duft ausströmte. „Ihr dummen Menschen," sprach das Mäuslein zu sich selber, „da meint ihr nun, ich ließe mich betören! Zum Glück weiß ich zu gut, was das ist; eine Falle ist es, da werde ich mich schon hüten, zu nahe zu gehen. Der Speck riecht allerdings köstlich! Run, daran riechen schadet ja nichts, ich werde schon mich in acht nehmen!" Damit lief sie an den Speck und roch. „Wie wäre es?" meinte sie, „wenn man einmal leckte! Davon kann sich der Speck ja nicht bewegen und die Falle nicht zuschnappen, ich hab aber mehr Genuß davon, als vom bloßen Riechen." Hessel, Lesebuch 1. 11. Aufl. 4

60

Die Natur.

Nun gab sie sich ans Lecken. Wie sie aber im besten Zuge war, nahm der Speck so sehr alle ihre Sinne gefangen, daß sie, ohne weiter darüber nachzudenken, nur so in Gedanken, einen kräftigen Biß in den Speck tat. In demselben Augen­ blicke tat es einen Schlag, die Falle fiel zu, und das Mäuschen war gefangen. K. H.

69. Hausmaus und Feldmaus. Feldmaus! Waldmaus! Komm mit mir ins Menschenhaus! Denn Herr Winter kommt geschritten, Obst ist ab und Korn geschnitten, Büchel nur und Haselnuß, Taub und wurmig, und dann Schluß. Igel, Eulen, Füchse, Schlangen Wollen, Feldmaus, all dich fangen, Kriechst ins Löchlein kalt und arm: Menschenhaus ist reich und warm, Zucker, Käse, Speck und Brot Und im Winter keine Not. „Geh du in dein Menschenhaus, Ich bleib eine freie Maus; Schöner ist's in Feld und Wald, Jst's auch manchmal arm und kalt."

Ä. H.

70. Jäger und Häslein. 1. Gestern Abend ging ich aus. Ging wohl in den Wald hinaus, Saß ein Häslein in dem Strauch, Guckt mit seinen Äuglein raus, Kommt das Häslein dicht heran, Daß mir's was erzählen kann.

2. Bist du nicht der Jägersmann, Hetzst auf mich die Hunde an?

Nummer 69 bis 71.

51

Wenn dein Windspiel mich ertappt. Hast du, Jäger, mich erschnappt. Wenn ich an mein Schicksal denk. Ich mich recht von Herzen kränk. 3. Armes Häslein, weißt du was? Geh dem Bauer nicht ins Gras, Geh dem Bauer nicht ins Kraut, Sonst bezahlst's mit deiner Haut! Kannst dich deines Lebens freun. Kannst mit Lust ein Häslein sein! Volkstümlich.

71. Die Herme und ihre Küchlein. 1. Gluck! gluck! gluck! die Henne ruft; Küchlein sind nicht ferne; Gluck! gluck! gluck! da laufen sie, Folgen alle gerne. 2. Körnlein hat die Frau Mama Dort im Sand gefunden; Ei, wie läßt das kleine Volk Sich das Futter munden!

3. Henne scharret immerzu Körnlein aus der Erden, Bis die muntern Küchlein all Ganz gesättigt werden.

4. Gluck! gluck! gluck! die Henne lockt Zu dem Brunnen helle. Und die Küchlein trinken all Aus der frischen Quelle. 5. Auf zum Himmel blicken sie, Wenn geschluckt sie haben; Danken wohl dem lieben Gott Für die guten Gaben. 6. Gluck! gluck! gluck! die Henne ruft: Küchlein, kommt in Eile!

52

Die Natur.

Seid ihr satt, so sollt ihr nun Schlafen eine Weile!

7. Wie sie alle sich so lieb Um die Mutter strecken, Ruhen warm und schlummern gut

Unter Flügeldecken.

Dieffenbach.

72. Zwei Rätsel. 1.

Ich kenn ein Fäßlein Nein und zart, Das ist von ganz besondrer Art, Zerbricht gar leicht, drum gib wohl acht! Der Küfer hat es nicht gemacht;

Hat keinen Reif, ist weiß und rein. Was mag das für ein Fäßlein sein?

Dieffenbach.

2.

Ihr Kinder, horcht, ein Späßchen! Ich weiß ein Keines Fäßchen, Hat keinen Spund und keinen Hahn,

Kein Reif ist um und um daran, Drin aber weiß und braunes Bier.

Wer nennt das kleine Fäßchen mir? Gült.

73. Kückenmütterchen. 1. Frau Glucke, wird's dir nicht zu schwer, Neun Kinderchen zu lieben?

Ich bitte dich, gib zwei mir her. Dir bleiben ja noch sieben,

Noch sieben Kücken hübsch und klug. Das sind gewiß für dich genug!

2. Sie sind so brav, sie sind so nett.

Ich geb sie dir nicht wieder!

Nummer 72 bis 74. Sie Mit Sie Ich

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schlafen nachts in meinem Bett ihrem gelben Gefieder; folgen mir auf Schritt und Tritt, nehm sie auch zur Schule mit!

3. Aus meinem Teller essen sie Und trinken aus meiner Tasse. Nun piept ihr wohl, weil ich doch nie Euch wieder laufen lasse? Nun, Glucke, willst du nicht? — schon gut! Da hast du wieder deine Brut. Kastrop.

74. Der Hühnerhof. I. An einem hellen Bächlein liegt eine Mühle, die klappert Tag und Nacht. In der Mühle wohnt ein Müller. Was aber den Kindern am besten in der Mühle gefällt, das ist der Hof; da watscheln Enten, da schwimmen Gänse, da rennen Hühner, da fliegen Tauben, alles in großer Menge und in buntem Ge­ tümmel. Im Hühnerstall sind viele Nester. In einigen liegen wenige Eier, in andern ein ganzes Dutzend zusammen. Doch läßt die Müllerin gewöhnlich nicht so viele beisammen liegen, wenn das Huhn nicht brüten soll. Wenn die Hühner gelegt haben und gackernd aus dem Stalle fliegen, dann schickt sie eins von den Kindern mit dem Körbchen hin, um die Eier zu sammeln. Und wenn sie Pfannkuchen backen will, sind ihr die frischen Eier die liebsten. Auf dem Hofe gewähren die Hühner mit ihren weißen, schwarzen, rötlichen und bunten Federn, mit ihren Hauben und Kämmen, mit ihrem Gegacker und Gegluckst einen unterhaltenden Anblick. Sie sind selten ruhig, bald scharren und picken sie, bald laufen sie einander nach und suchen sich einen Wurm oder ein Bröckchen Brot abzuneh­ men. Doch ducken sie sich auch manchmal in den Staub und sonnen sich. Der Hahn mit seinem roten Kamme und seinem sichel­ förmigen Schwänze schreitet gar stolz unter den Hühnern ein-

54

Die Natur.

her. Bald ruft er ihnen und läßt ihnen etwas zu fressen zu­ kommen, bald beißt er sie weg. Dann stellt er sich auf einen Misthaufen, schlägt mit den Flügeln, krümmt den Hals, als wenn er sich entsetzlich anstrengen müßte, und kikeriki! kräht er, daß es in dem ganzen Hofe erschallt. Sind mehrere Hähne auf einem Hofe, so vertragen sie sich nicht; selbst die jungen, welche noch von ihrer Mutter herumgeführt werden, kämpfen schon miteinander. Das Fliegen ist nicht die Sache der Hühner. Nur wenn sie über den Gartenzaun wollen, um die Beete zu verkratzen, fliegen sie in die Höhe. Aber der Müller duldet es nicht, sondern schickt sogleich seinen Hund hinter sie, wenn er sie in dem Garten merkt. II.

Des Morgens stellt sich der Müller an die Türe und pfeift. Da kommen die Tauben aus dem Schlage und von dem Dache und setzen sich vor ihn, als wollten sie sagen: Nun, gib uns auch etwas! und er greift in einen Sack mit Wicken und streut eine Handvoll nach der andern unter das Tauben­ volk. Das wimmelt und flattert und pickt durcheinander, und eine will immer die andere verdrängen. Die blauen Feld­ tauben und die weißen Kropftauben und Pfauentauben sind die größten, aber der Müller stößt sie mit dem Fuße zurück, weil er die kleinen weißen und rötlichen nicht zu kurz kommen lassen will. Die Hähne und die Enten und die Gänse haben sich zwar auch versammelt und möchten den Tauben gern das Futter nehmen, aber der Müller leidet es nicht, selbst die Spatzen jagt er fort, welche so keck sind, sich unter die Tauben zu mischen. Nachdem aber der Müller fertig ist und die Tauben wieder auf das Dach geflogen sind, wo sie rucksen und sich drehen und verneigen, kommt die Müllerin und lockt mit ihrer Stimme das andere Federvieh. Sie hat eine Schüssel in der Hand mit Kartoffeln und Rüben, auch etwas Gerste samt den Brot­ brocken, welche in der Küche übrig geblieben sind. Das alles wird nun der Schar des Federviehes vorgeworfen; die Gänse

Nummer 75.

56

machen sich an die Rüben, die Enten geben den Kartoffeln den Vorzug und die Hühner dem Brot. Aber Uneinigkeit herrscht auch unter ihnen, und manches junge Hühnchen wagt kaum herbeizugehen, weil es sich vor den breiten Schnäbeln der Gänse und Enten fürchtet. Curtman.

75. Aus dem Hofe. 1. Das Kätzlein sitzt und stutzt sich. Es schnurrt dazu und putzt sich, Blinzt mit dem Äuglein schlau Und schreit: Miau! miau! Hätt ich ein Mäuslein grau!

2. Der stolze Gickel streckt sich. Steht auf dem Mist und reckt sich Und schreit in aller Früh Laut: Kikriki, kikri! Ein Körnlein lieget hie. 3. Das Täubchen droben sitzet. Sein Schnäblein wetzt und spitzet Und schaut sich um dazu, Rust: Rucke, ruckedigu! Run flieg ich fort im Nu. 4. Das Schäflein springt voll Freude Wohl auf die grüne Weide, So hurtig wie ein Reh Und schreiet laut: Mä! mä! Wie schmeckt so gut der Klee! 5. Der Ochs mag kaum sich regen, Faul tut er hin sich legen; Daneben steht die Kuh, Und beide schrein: Muh, muh! Laßt uns nur unsre Ruh! Dteffenbach.

66

Die Natur.

76. Zwiegespräch. Guten Morgen, Fräulein Huhn! „Guten Morgen, Herr Hahn!" Was gedenken Sie zu tun? „Das geht Sie nichts an." Wollen wir nicht etwas promenieren? „Danke, ich kann allein spazieren." Sie haben wohl heut nicht gut geruht? Oder macht's Ihnen böses Blut, Daß Sie noch keinen Regenwurm fanden? „Offen gestanden. Ich finde. Sie sind sehr aufdringlich, Sie!" Dumme Gans! Kikeriki! Falke.

77. Der Fuchs und die Hühner. 1. Der Fuchs, der ist ein Bösewicht, Er wagt sich nicht ans Tageslicht, Und wenn sie schlafen in der Nacht, Dann schleicht er zu den Hühnern sacht Und spricht: „Ach, habt Erbarmen Und nehmet auf mich Armen! Es ist schon spät, die Nacht ist kalt. Ich kleines Tier erfriere bald!" 2. Der Fuchs, der ist ein Bösewicht, Hat leisen Gang und schlau Gesicht; Er ruft: „Ihr Hühner, laßt mich ein, Ich bring euch auch manch Krümlein fein Und Körner aller Arten. Laßt mich nicht lange warten, Ich bin kein Mörder, bin kein Dieb Und hab euch alle herzlich lieb!" 3. Der Fuchs, der ist ein Bösewicht, Er meint's ganz anders, als er spricht. Und nehmen sie sich nicht in acht, Und haben sie erst aufgemacht.

57

Nummer 76 bis 79.

Dann faßt er sie am Kragen; Die armen Hühner klagen, Doch hilft kein Schrein, kein bittend Wort, Er holt die kleinen Hühner fort. Löwenstein.

78. Auf dem Ganseanger. Auf dem Anger da gehn die Gänse spazieren, Die Gänsemagd muß sie behüten und führen. Sie ist noch so klein und ist so allein, Ich möchte doch lieber nicht Gänsemagd sein. 5

10

O, was für ein Flattern! o, was für ein Schnattern! Was haben nur immer sie sich zu erzählen? Es muß doch zuletzt an Geschichten mal fehlen. Sie lesen ja doch keine einzge Geschicht, Und so viel auch geschieht in der Gänsewelt nicht. Da, wo sie gegangen und Gräschen gepflückt, Da sind ihre Füßlein im Sand abgedrückt. Wie sonderbar kraus! Wie dem Hansel sein Schreibheft beinah sieht es aus. Troian.

79. Fuchs und Gans. 1. „Frau Gans, das Wetter ist so schön, Wir könnten zusammen spazieren gehn!" „Herr Fuchs, ich bleibe doch lieber zu Haus; Erst sah mir es auch ganz heiter aus, Doch seit du da stehest vor dem Tor, Da kommt mir's wie böses Wetter vor." 2. Nicht draußen war böses Wetter eben, Nicht Sturm und Regen hat's gegeben; Der Gans nur war es nicht wohl zu Mut, Sie kannte den Herrn Fuchs recht gut. Hätte der sie einmal mitgenommen, • Sie wäre wohl niemals wiedergekommen.

58

Die Natur.

80. Das Entchen. Entchen, so geh doch grade! Es ist ja um dich schade. Du wackelst hin und wackelst her. Als ob das Wackeln reizend wär. Nein, Entchen, nein, das ist nicht recht, Hast rote Schuh und gehst so schlecht. Trojan.

81. Unser Gassenbübchen. Was denkt ihr denn, wer das ist? Vielleicht ist's ein unartiger Bube, der viel auf der Straße sich herumtreibt? Nicht wahr, so hört es sich ja an. Aber nun werdet ihr erstaunt sein, wenn ihr erfahrt, wer das ist. Unser Gassenbübchen ist ein kleiner, dreister Spatz. Wie wir ihn bekamen, da war er nicht sehr dreist; denn er war traurig, weil ihm das Beinchen weh tat. Das war ihm gebrochen. Und der Flügel auch. Der Kurt hatte ihn auf der Straße an einem Steinhaufen gefunden. Da hatte er gelegen und so kläglich gepiepst. Und der Kurt nahm ihn auf und brachte ihn in die Schule. Ihm gefiel es gleich gut bei uns, denn wir gaben ihm schönes Futter. Wir hatten ihn auch gleich lieb und sprachen oft zu ihm. Das haben Tiere gern. Unser Gassenbübchen bekam ein Häuschen. Die Tür vom Häuschen wurde aber niemals zugemacht. Es kann hinaushüpfen, wenn es will. Das Bauerchen steht auf dem Fensterbrett. Und das ganze Fensterbrett wird mit Papier belegt, und darauf wird Sand gestreut. Da steht auch ein kleines Blumentöpfchen mit einem Lebens­ bäumchen. Wenn das Gassenbübchen dort herumhüpft, sagen die Kinder: Das Gassenbübchen ist- in seinem Garten. Im Bauer hat er auch zwei Stangen, auf die er hüpfen kann, und auf denen er beim Schlafen sitzt. Aber die Stängchen sind länger als das Bauerchen und stecken etwas zum Bauer heraus. Wenn das Spätzchen außen auf den Stangen



Nummer 80 bis 82.

sitzt, dann sagen die Kinder: Das Gassenbübchen sitzt auf seinem Balkon. Und manchmal steigt das Gassenbübchen auch auf das Dach von seinem Häuschen. Dann sagen die Kinder: Das Gassenbübchen schaut nach dem Wetter. Denn wenn das Wetter schön ist und die Sonne warm scheint, dann singt es auch. Schön ist das gerade nicht. Aber wir freuen uns auch darüber. Wir freuen uns immer, wenn es lustig ist. Dann wissen wir, daß ihm seine Beinchen und seine Flügel nicht mehr weh tun. Etwas fliegen kann es schon, aber noch schlecht. Gangut wird es wohl nicht mehr werden. Es wird wohl immer ein Krüppelchen bleiben. Bom Fenster bis zum Ofen kann es schon fliegen; aber von der Erde aufs Fensterbrett nicht. Da müssen wir ihm ein Treppchen bauen. Die Fußbank ist die erste Stufe, ein Stuhl die zweite Stufe, die Stuhl­ lehne die dritte Stufe. Und von dort fliegt er dann in sein Häuschen. An einem Tage wurde unser Gassenbübchen krank. Da waren seine Augen ganz klein, und das Futter rührte es nicht an. Da waren wir sehr traurig. Wir wollten es so gern wieder gesund haben. Und wißt ihr, wie wir es da wieder gesund bekamen? Wir setzten es ins Freie und ließen die Sonne auf sein ganzes Körperchen scheinen. Und die frische Luft, die tat ihm auch so gut. Und bald war er da munter. Dann gaben wir ihm gutes Futter und frischen Sand. Und dann badete er tüchtig im Sande und saß dann wieder in der Sonne. So wurde er ganz gesund und lebt heute noch. M. Brauer.

82. Der luftige Musikant. 1. Was ist das für ein Musikant, Er ist in jedem Dorf bekannt, Er hat ein graues Röcklein an Und musiziert, so gut er kann?

60

Die Natur.

2. Sitzt morgens auf dem Scheuerdach Und macht die Schläfer alle wach, Bläst unverdrossen, ohne Ruh Sein lustig Stücklein immerzu?

3. Herr Spatz, Herr Spatz ist er benannt, Der wohlbekannte Musikant; Zwilch! zwilch! so lautet spät und früh Die alte Spatzenmelodie. Dieffenbach.

83. Fra« Schwalbe. 1. Frau Schwalbe ist 'ne Schwätzerin, Sie schwatzt den ganzen Tag, Sie plaudert mit der Nachbarin, So viel sie plaudern mag; Das zwitschert, das zwatschert Den lieben, langen Tag. 2. Sie schwatzt von ihren Eiern viel, Von ihren Kindern klein, Und wenn sie niemand hören will, Schwatzt sie für sich allein. Das zwitschert, das zwatschert, Sie kann nicht stille sein. 3. Hält sie im Herbst Gesellschaft gar Auf jenem Dache dort. So schwatzen die Frau Schwalben all Erst recht in einem fort; Das zwitschert, das zwatschert, Und man versteht kein Wort. Dieffenbach.

84. Das Schwalbennest. 1. Die Schwalben haben ihr kleines Nest Gebaut am Hause, da hängt es fest; Es ist geschützt durch des Daches Rand Vor Regen und auch vor Sonnenbrand.

Nummer 83 bis 85.

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2. Sie haben gezwitschert früh und spät. Nun aber kommt einmal her und seht! O, seht hinaus nach dem Neste hin, Fünf junge Schwälbchen sitzen darin. 3. Zehn Äuglein blicken daraus hinauf. Fünf kleine Schnäbel sperren sich auf; Die Schwalbenmutter fliegt hin und her, Fünf Kindlein zu füttern, das ist schwer!

4. Fliegt ab und zu, von des Morgens früh Bis zum Abend sorgt für die Kleinen sie: Sie ruht nicht eher, bis alle satt; O, was für Müh eine Mutter hat! Trojan.

88. Das Vogelnest. „Lieber Vater, komm nur einmal her zu mir und sieh, was ich gefunden habe; es ist wunderschön." So rief der kleine Ernst seinem Vater zu, der soeben in den Garten kam. — „Was wirst du Großes gefunden haben, mein Junge?" antwortete der Vater, „ich bin begierig, es zu sehen." — Freudestrahlend zeigte Ernst dem Vater ein kleines, aller­ liebstes Nestchen mit fünf blauen Eiern. „Sieh nur!" rief er dem Vater zu, „sieh nur, wie schön und niedlich! darf ich die Eier mir nehmen und damit spielen?" — „Nein, nein, mein lieber Junge," antwortete der Vater, „das wäre eine große Grausamkeit gegen die guten Vögel, die sich das Nest mit großer Mühe gebaut und die schönen Eier hineingelegt haben. Du darfst auch nicht zu oft nach dem Neste sehen, sonst störst du die armen Vöglein; sieh, dort sitzen beide und schreien ganz ängstlich; sie befürchten, daß du ihnen ihre schönen Eier nehmen willst." Ernst gehorchte dem Vater; er ließ die Eier ruhig liegen und kam auch nur ganz selten, um nach dem Neste zu sehen. Als er nach etwa vierzehn Tagen wieder einmal nach dem kleinen Neste sah — ei, wie erstaunt war er da! Die schönen Eier waren fort, und in dem Neste saßen fünf Heilte

Die Natur.

nackte Vöglein, die sperrten ihre gelben Schnäbelchen weit auf und piepten in einem fort. Ernst war ganz entzückt über die Entdeckung und rief schnell seinen Vater herbei, damit er das Wunder auch sehen möchte. „Darf ich die Vögelchen mit mir ins Haus nehmen? ich will sie gewiß ganz gut füttern!" — Das erlaubte der Vater natürlich nicht und fragte seinen Sohn sehr ernst: „Wie würde dir zu Mute sein, wenn fremde Leute dich uns wegnehmen wollten ? Würdest du nicht darüber sehr unglücklich sein und wir, deine Eltern, ebenso? Meinst du, die alten Vöglein hätten ihre Jungen nicht lieb?" „Aber," bemerkte darauf Ernst, „des Nachbars Fritz hat neulich ein ganzes Nest voll nackter Vöglein heimgebracht und damit gespielt, und das war so lustig 1" — „So?" sagte der Vater ernst, „das nennst du lustig, wenn ein böser Bube die armen Vöglein ihren Eltern nimmt und sie so lange quält, bis sie sterben? Nein, mein Sohn, das ist nicht recht. Man darf nie ein Tier quälen, und dazu sind uns die Vöglein so nützlich und machen uns nur Freude." — „Nützlich?" fragte Ernst erstaunt, „was können uns solch kleine Geschöpfe nützen?" — „Das kannst du leicht erkennen, wenn du nur eine kurze Zeit zuschaust, wie die alten Vögel ihre hungrigen Jungen füttern." Ernst stellte sich hinter den Busch und gab genau acht,' so oft eins von den alten Vöglein kam, hatte es ein Würmchen oder eine Raupe oder Fliege im Schnabel, und die kleinen Schreihälse fraßen alles mit Begierde auf, so daß die Alten gar nicht genug Futter bringen konnten. „Ach," sagte Ernst, „jetzt weiß ich, warum die Vögel uns nützlich sind; sie fressen eine Menge von Würmchen und Räupchen weg, die uns sonst großen Schaden tun würden." — „Aber," sagte der Vater darauf, „die Vögel erfreuen uns auch durch ihren lieblichen Gesang, und gewiß hörst du es auch gerne, wenn im Garten und Wald die kleinen Sänger auf allen Zweigen singen und ihren Jubelgesang anstimmen und Gott loben und ihm danken." Ernst versprach dem Vater, nie ein Vogelnest zu

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Nummer 86 und 87.

zerstören und den armen unschuldigen Bögelchen- nie ein Leid anzutun. Dieffenbach.

86. Bogel. 1. „Knabe, ich bitt dich, so sehr ich kann, O, rühre mein kleines Nest nicht an! O, sieh nicht mit deinen Blicken hin! Es liegen ja meine Kinder drin; Die werden erschrecken und ängstlich schrein. Wenn du schaust mit den großen Augen herein."

2. Wohl sähe der Knabe das Nestchen gern, Doch stand er behutsam still von fern. Da kam der arme Vogel zur Ruh, Flog hin und deckte die Kleinen zu Und sah so freundlich den Knaben an: „Hab Dank, daß du ihnen kein Leid getan!" Hey.

87. Die Bachstelze. 1. Was geht dort für ein Stelzenfuß Am Bächlein kreuz und quer Und wackelt mit dem Schwänzlein doch So hurtig hin und her? 2. Bachstelzchen ist's — es hüpfet keck Und leicht von Stein zu Stein, Schaut mit den Äuglein hell und klar Froh in die Welt hinein. 3. Ein Würmlein ist sein Mittagsschmaus, Sein Trank das Bächlein dort. Es flattert hin, es flattert her Und fliegt dann hurtig fort. 4. Bachstelzchen hat nicht Sorg und Not, Kann immer lustig sein; Der liebe Gott im Himmel sorgt Auch für die Bögelein! Dieffenbach.

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Die Natur.

88. Der Storch. Ei, wie hoch steht der Storch auf seinem Neste mit seinen langen Beinen und seinem langen Hals! man meint, er stünde auf Stelzen. Und sein Schnabel klappert beständig, wie eine Mühle. Neben ihm stehen seine Jungen. Ich glaube, es sind ihrer drei. Eins ist aus dem Neste auf das Pflaster gefallen, denn es konnte noch nicht fliegen. Die Jungen sind gerade so weiß und schwarz, wie die alten Störche. Auch ihre Beine und ihre Schnäbel sind so rot. Bald werden sie groß genug sein, um mit auf die Wiese zu fliegen. Dann holen sie sich selbst die Frösche, welche ihnen jetzt die Alten bringen. Sieh, jetzt breitet der alte Storch seine Flügel aus und fliegt über das Dach hinweg, die Beine zieht er an den Leib, und fort geht es. Die Kinder auf der Straße rufen ihm nach:

Storch, Storch, Steiner, Mit den langen Beinen, Flieg übers Bäckerhaus, Hol drei Weck heraus! Mir einen! dir einen! Und den andern auch einen!

Turtman.

89. Meischen. Armes pink-pink Meiselchen, Hast kein eigen Häuselchen, Mußt im Winter draußen sein Und auf dürrem Aste schrein. Armes pink-pink Meiselchen, Komm in unser Häuselchen!

Traugott.

90. Der Distelfink. Als der liebe Gott die Vöglein machte, da gab er ihnen Beine zum Hüpfen und Flügel zum Fliegen und Schnäbel zum Fressen, aber auch zum Singen. Und als sie alle fertig waren und um ihn her standen, da nahm er einen großen

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Nummer 88 bis 91.

Farbenkasten und malte ihnen bunte Federn. Da kam die Taube an die Reihe und erhielt einen blauen Hals und rötliche Flügel, und der Kanarienvogel wurde so gelb wie eine Zitrone, und die Bachstelze wurde grau und bekam einen schwarzen Strich und einen weißen Fleck daneben; alle Vögel wurden prächtig gesärbt, wie es sich für jeden schickt. Nur einer war übrig geblieben, weil er hinter den andern stand und sich nicht vordrängen wollte, das war der Distelfink. Als er endlich auch herbeikam, da hatte der liebe Gott alle Farben verbraucht, und es war nichts mehr übrig, als die leeren Schälchen. Da weinte das arme Vögelchen, daß es nicht auch ein buntes Federkleid haben sollte, wie die andern. Der liebe Gott aber redete ihm zu und sprach: „Sei ruhig! es ist noch in jedem Schälchen ein klein wenig Farbe zurückgeblieben, das will ich mit dem Pinsel austupfen und auf deine Federn streichen." Und er tat es und malte den Distelfink ein bißchen rot und ein bißchen gelb und ein bißchen schwarz und ein bißchen grün; aus allen Schälchen ein wenig, so daß er der bunteste unter allen Vögeln wurde und dem lieben Gott dankte, daß er ihn so schön gemacht hatte. Curtman.

91. Vöglein im hohen Baum. 1. Vöglein im hohen Baum, Klein ist's, ihr seht es kaum, Singt doch so schön, Daß wohl von nah und fern Alle die Leute gern Horchen und stehn.

3. Wässerlein flieht so fort, Immer von Ort zu Ort Nieder ins Tal; Dürstet nun Mensch und Vieh, Kommen zum Bächlein sie, Trinken zumal.

2. Blümlein im Wiesengrund Blühen so lieb und bunt, Tausend zugleich; Wenn ihr vorübergeht, Wenn ihr die Farben seht. Freuet ihr euch.

4. Habt ihr es auch bedacht. Wer hat so schön gemacht Alle die drei? Gott der Herr machte sie, Daß sich nun spät und früh Jedes dran freu! Hey.

Hessel, Lesebuch 1. 11. Ausl.

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Die Natur.

-2. Waldvögelein. 1. Wie hab ich doch die kleinen Waldvögelein so gern! Sie Hüpfen in den Zweigen Und loben ihren Herrn. 2. Bei Hat Ein

Gott sorgt für sie auch treulich Tage, wie bei Nacht, jedem in den Bäumen Bett zurecht gemacht.

Z. Von Bis Der

Drin können sie sich wiegen. Blättern zugedeckt. sie zu neuer Wonne Morgen wieder weckt.

4. Und d Leser Gott im Himmel Will auch mein Vater sein Und hat mich noch viel lieber Als tausend Bögelein. Volkstümlich.

93. Las Reh. 1. Sei nicht so bang, du liebes Reh! Ich tu dir nichts zu leide. Tritt nur zum Wald heraus und geh Auf deine grüne Weide! Friß ohne Furcht vom süßen Klee, Vom Kohl und vom Getreide! Ich sag dir's, wenn ich kommen seh Den Jäger von der Heide. 2. Es kommt, es kommt und eilt zum Quell! Sein Hörnlein hat zwei Zinken. Wie setzt es doch so weich und schnell Die Füßchen auf, die flinken! Wie glänzt sein braunes Sammetfell! Wie fromm die Augen blinken! Es blickt mich an so still und hell, Fängt eifrig an zu trinken.

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Nummer 92 bis 94.

3. Vom Zünglein tränst ihm klare Flut. Nun fängt es an zu fressen. Gelt, armes Tier, das schmeckt dir gut? Hast lange nichts gegessen. So weide still in meiner Hut Von Gras und Klee und Kressen! Wie weh der böse Hunger tut. Das sollst du heut vergessen. 4. O, liebes Tier! Es tritt heran Ganz zahm, ich könnt es streichen. Es blickt mich sanft und dankbar an; Mein Brot will ich ihm reichen — O weh, da kommt der Jägersmann! Geschwind! Du mußt entweichen! Ein Schwung — da fliegt es in den Tann Hoch über die jungen Eichen. Eigenbrodt

94. Der Frosch. 1. Der Frosch sitzt in dem Rohre, Der dicke, breite Mann, Und singt sein Abendliedchen, So gut er singen kann — quak! quak! 2. Er meint, es klingt gar herrlich. Könnt's niemand so wie er, Er bläst sich auf gewaltig, Meint wunder, was er wär — quak! quak! 3. Mit seinem breiten Maule Fängt er sich Mücken ein, Guckt mit den dicken Augen Froh nach der Sonne Schein — quak! quak!

4. Das ist ein ewig Quaken, Er wird es nimmer müd, So lange noch ein Blümchen Im Wiesengrund nur blüht — quak! quak!

5*

68

Die Natur.

5. Herr Frosch! nur zu gesungen, Er ist ein lustger Mann; Im Lenz muß alles singen, So gut es singen kann — quak! quak! Dieffenbach.

95. Born kleinen Schneckchen unterm Rosenstöckchen im Dornenheckchen. 1. „Ei, wie langsam, ei, wie langsam Kommt der Schneck von seinem Fleck! Sieben lange Tage braucht er Von dem Eck ins andre Eck. 2. Ei, wie langsam, ei, wie langsam Steigt der Schneck im Gras daher! Potz, da wollt ich anders laufen, Wenn ich so ein Schnecklein wär!"

3. Büblein, denk, es muß ja schleppen Mit sich fort sein ganzes Haus, Mit der Tür und mit den Treppen, Da es schlüpfet ein und aus. 4. Dies nimm wohl in acht, mein Büblein, Wenn du übers Schnecklein zankst, Könntest selber nicht dein Stüblein Tragen, ohne daß du wankst.

5. Müßtest ganz entsetzlich schnaufen, Kämest gar nicht von dem Fleck, Müßtest sonst so langsanl laufen. Als der Schneck von Eck zu Eck. Güll.

96. Ein Rätsel. Das Haus hat lauter Treppen, Kein Fenster, keine Zimmer, Wer drin wohnt, muß es immer Auf seinem Rücken schleppen. Güll.

Nummer 95 bis 97.

97. Bienchen. Summ summ summ! So schwirrt es um das Bienenhaus. Brumm brumm brumm! Die Bienlein fliegen ein und aus. Surr surr surr! So gehn die kleinen Flügel, Purr purr purr! Wohl über Tal und Hügel.

Sie fliegen auf die Heide, In Wiese, Wald und Weide, Wo tausend Blüten warten. Auch manches bleibt im Garten. Und jedes taucht sein Rüsselein Tief in die offnen Blüten ein Und saugt den süßen Saft heraus, Und trägt ihn heim zum Bienenhaus, Wohl in die kleinen Zellen. Die hat das Bienlein selbst gebaut

Aus gelbem Wachs von Blum urtb Kraut, Die reinen, die hellen, Die hunderttausend Zellen. Kind, komm, blick hinein Durch das kleine Fensterlein! Sieh der Bienlein schwarze Schar, Wie das drängt und rennt und schafft! Jedes Zellchen schön und klar Birgt ein Tröpfchen Blumensaft. Glänzt es nicht wie Gold? — Bienlein, Bienlein, sei mir hold! Stich mich nicht Ins Gesicht! Bring mir deinen Honig! Dort im Hause wohn ich.

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Die Natur.

Summ summ summ! So schwirrt es um das Bienenhaus. Brumm brumm brumm! Die Bienlein fliegen ein und aus. Eigenbrodt.

98, Die Schlüsselblume. Kennst du dieses liebe Blümchen, das im Frühling zuerst alle Wiesen schmückt? Es wachsen ihrer viele aus einem Stengel heraus und bilden so eine Dolde. Sie haben lange Kelche und sechs lieblich gelbe Blumenblättchen. Weil sie die ersten Wiesenblüten sind, so sagt man, sie seien der Schlüssel, der allen andern Blumen im Frühling die Erden­ türe öffne. Die braunen, roten und vielfarbigen Primeln im Garten sind ihre Brüder und Schwestern, nur von etwas vornehmerer Art. Staub.

99. Das Schneeglöcklein. Es heißt so, weil es im Walde blüht, sobald der Schnee vergeht, und weil es mit seinen sechs weißen, grün ge­ säumten Blättchen aussieht wie ein Glöcklein, das dem Frühling läutet. Es wächst aus einer Zwiebel, und seine Wurzel ist giftig. Seine Blätter sind lang und schmal. Ich hörte einmal im Wald die Schneeglöcklein klagen, daß sie schon im Frühling wieder sterben müssen und nie sich mit ihren Geschwistern, den Sommerblumen, erfreuen dürfen. Das ist freilich traurig. Staub.

100. Ein Rätsel. Kannst du raten, wer ich sei? Ich komm allzeit mit dem Mai, Hab ein weißes Kleidchen an Mit gar feinen Spitzen dran. Zieht der Monat Mai ins Land, Kommen Blumen allerhand. Und da bin ich auch dabei, Ei, nun rate, wer ich sei!

Volkstümlich.

Nummer 98 bis 102.

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101. Des Blümchens Name. Ms der liebe Gott die Blumen geschaffen hatte, gab er jeder ihren Namen, und sie behielten ihn treu im Gedächtnis. Aber ein kleines blaues Blümchen vergaß seinen Namen, da kam es weinend zum lieben Gott gelaufen und sagte: „Zürne nicht, ich habe den Namen vergessen, den du mir gegeben hast." Der liebe Gott ward nicht böse und sprach: „Du sollst von nun an Vergißmeinnicht heißen, damit du mich und den Namen, den ich dir gab, nicht wieder vergissest." Das kleine blaue Blümchen heißt bis heute noch Vergiß­ meinnicht, und weil es damals so sehr geweint hat, sieht man noch heute eine Träne in seinem blauen Äuglein. Volkstümlich.

102. Das Stiefmütterchen. Im Garten wächst ein schönes Blümchen, das heißt Stief­ mütterchen. Es sieht beinahe aus wie ein Veilchen, nur hat es keinen so lieblichen Geruch wie das Veilchen, dafür ist es aber größer und bunt von Farbe. Man sieht fast nie zwei Stiefmütterchen, die gleich gefärbt sind, fast jedes ist anders. Da gibt es weiße und blaue und gelbe und braune und dunkel­ rote, nur hat jedes etwas Violettes an sich, und wenn's auch nur ein kleines Fleckchen wäre, und die Blumenblättchen sehen aus wie Samt. Warum heißt aber das Blümchen Stief­ mütterchen? Davon erzählt man sich ein artiges Märchen, das heißt so: Es war einmal eine Mutter, die hatte vier Töchter, zwei davon waren ihre rechten Töchter, und zwei waren ihre Stief­ kinder. Sie kaufte sich und ihren Kindern prächtige Kleider von buntem Samt, aber die Stiefkinder bekamen nur ein­ farbige Kleider. Sie setzte sich immer obenan auf zwei Stühle zugleich, denn für ihre kostbaren Kleider reichte ein Stuhl nicht aus; ihre rechten Töchter durften sich neben sie setzen, jede auf einen Stuhl, aber die zwei Stieftöchter mußten sich unten an den Tisch setzen, und zwar beide zusammen auf ein einziges Stühlchen, da saßen sie ganz dicht aneinandergeschmiegt und hatten kaum Platz.

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Die Natur.

Da verwandelte der liebe Gott die ganze Familie in eine Blume, und nun sitzen sie noch immer alle fünf im Kreis herum. Betrachtet das Blümchen, welches Stiefmütterchen heißt, nur einmal, da werdet ihr schön finden, welches Blatt die Stiefmutter gewesen ist und welche Blätter die vier Kinder, und ihr werdet gewiß auch die grünen Stühlchen ent­ decken, worauf sie sitzen. Aber zur Strafe machte der liebe Gott dem Stiefmütterchen einen häßlichen Wulst auf den Rücken, und die zwei stolzen Töchter bekamen einen großen Bart. Und er senkte den Stiel der Blume, da kam auf einmal die Stiefmutter unten hin, und die zwei Schwestern, die auf einem einzigen Stühlchen sitzen, erhielten das allerschönste dunkle Samtkleid, und da sitzen sie nun beide Arm in Arm auf ihrem einzigen Stühlchen, und man sieht ihnen an, wie glücklich sie sind, und wie lieb sie sich haben. K. H.

103. Bom vierblättrigen Kleeblatt. Auf einer Wiese am Waldesrande stand grüner Klee, und jedes Blatt trug wieder drei gleiche zarte Blättchen; nur eines war anders gestaltet, das hatte statt der drei Blätter vier. Man sollte meinen, es hätte sich nun viel reicher Vorkommen müssen; aber im Gegenteil, es wurde verspottet und verlacht, weil es anders war als die große Menge, und es kam sich selbst auch so mißgestaltet vor, daß es ängstlich suchte, sich unter seinen Brüdern zu ver­ stecken. Da kamen Schritte dahergetrippelt, und ein Mäd­ chen ging über die Wiese; das weinte und klagte laut, und gerade vor dem vierblättrigen Klee ließ es sich ermattet auf die Erde nieder. „Ach, Hänschen, liebes Brüderchen," jammerte es, „wo bist du nur geblieben? Was wird die Mutter sagen, daß ich dich unterwegs verloren habe und ohne dich nach Hause komme?" Da reckte unser Kleeblatt sein Köpfchen in die Höhe, um das arme, traurige Kind sehen zu können; aber in dem­ selben Augenblick war es schon von diesem bemerkt worden. „Ach, ein vierblättriges Kleeblatt!" rief es fröhlich

Nummer 103 bis 105.

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und pflückte es; „das bringt Glück, nun werde ich das Häns­ chen sicher noch finden!" Und es drückte das erschrockene Blättchen an sein Herz und sprang mit neuem Mute auf. Und richtig, am Waldesrande, hinter einer dichten Hecke, lag das verirrte Hänschen und schlief so süß und fest, daß es der Schwester ängstliches Rufen nicht gehört hatte. Als nun die Geschwister Hand in Hand über die Wiese sprangen, erzählte die Schwester dem Brüderchen von . dem glückbringenden Kräutlein. Beutner.

104. Ein Rätsel. 1. Ein Männlein steht int Walde Ganz still und stumm. Es hat von lauter Purpur Ein Mäntlein um. Sagt, wer mag das Männlein sein, Das da steht im Wald allein. Mit dem purpurroten Mäntelein!

2. Das Männlein steht im Walde Auf einem Bein Und hat auf seinem Haupte Schwarz Käpplein klein. Sagt, wer mag das Männlein sein. Das da steht int Wald allein, Mit dem kleinen schwarzen Käppelein! Hoffmann v. F.

105. O Tannenbaum. 1. O Tannenbaum, o Tannenbaum, Wie treu sind deine Blätter! Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, Nein, auch im Winter, wenn es schneit. O Tannenbaum, o Tannenbaum, Wie treu sind deine Blätter!

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Die Natur. 2. O Tannenbaum, o Tannenbaum, Du kannst mir sehr gefallen! Wie oft hat schon zur Weihnachtszeit Ein Baum von dir mich hoch erfreut.

O Tannenbaum, o Tannenbaum, Du kannst mir sehr gefallen. Anschütz.

106, Zwei Rätsel. 1. Im Frühling hauch ich stiften Duft, Im Sommer fächl ich kühle Luft, Im Herbste spend ich würzge Kost, Im Winter scheuch ich dir den Frost.

Güll. 2. Nun sagt mir, Leut, Was dies bedeut': Im Garten steht Im Küchenbeet Ein Fräulein gar Mit grünem Haar, Hat sieben Häut, Beiftt alle Leut.

Volkstümlich.

107. Ein Rätsel. „Röschen," sagte Georg zu seinem Schwesterchen, „ich will dir ein Rätsel aufgeben, und wenn du es rätst, dann schenke ich dir das Ding, das ich meine." — „Dann sage einmal dein Rätsel!" bat Röschen. „Ich kenne einen runden Berg," sagte Georg, „der ist grün, aber im Herbst wird er gelb und rot. Inwendig ist der Berg weift. Ganz tief drinnen im Berge steht ein kleines Zwerghäuschen mit Wänden, so dünn und -art wie ein Blatt Papier. In dem Häuschen sind fünf Kämmerchen, und in jedem Kämmerchen wohnen zwei Brüder. Sie wohnen so eng, daß sie immer aufrecht stehen

müssen, sie können sich weder setzen, noch sich hinlegen, sie

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Nummer 106 bis 108.

können auch nicht sprechen, aber trotz alledem wachsen sie lustig weiter. Zum Glück wächst das ganze Häuschen mit, ja, auch der ganze Berg. Wenn das nicht wäre, dann wären sie schlimm dran. Solange die Brüder Nein sind, sind sie weiß, später werden sie braun und endlich Mohren. Sie sind aber nicht von der Sonne so verbrannt worden, denn in ihr Häus­ chen kommt gar keine Sonne, das steht ja inwendig im Berg. So, das ist mein Rätsel, nun rat einmal, Röschen, was das ist!" „Du willst mich nur necken," sagte Röschen, „es gibt gar kein solches papierenes Häuschen in einem grünen, roten und gelben Berg und gibt auch keine solche Mohren." — „Nein, Röschen," erwiderte Georg, „ich necke dich nicht, es ist alles wirklich wahr, und den ganzen Berg kann man essen; rate doch nur!" Mit diesen Worten holte er etwas Rundes aus der Tasche, das sah rot und gelb aus und so verlockend, daß Röschen es gar zu gerne gehabt hätte und schon die Hand danach ausstreckte. „Erst raten!" sagte der Bruder. „O, ich weiß es jetzt, Georg," rief sie voller Freude, „der Berg ist ein Apfel, das Häuschen ist ein Kernhäuschen, und die Brüder, die erst weiß sind und dann Mohren werden, das sind die Kerne!" — „Das hast du gut geraten," sagte Georg. Da bekam das Schwesterchen den Apfel und aß ihn auf; aber wie sie an das Häuschen kam, besah sie sich genau die Wände und die Kämmerchen mit den schwarzen Mohrenkinderchen und zählte sorgfältig, wieviel es waren.

K. H.

108. Bom Brot. Jetzt ist der August zu Ende. Jetzt sieht man keinen Roggen und keinen Weizen mehr auf dem Felde. Der Roggen ist schon lange geschnitten, und der Weizen ist jetzt auch geschnitten. Auch die Gerste ist geschnitten, und der Hafer ist auch geschnitten. Die Halme mit den Ähren hat man in Garben gebunden. Die Garben hat man auf Wagen geladen und weggefahren. Auf dem Feld stehen nur noch die Stoppeln.

76

Die Natur.

Roggen und Weizen und Gerste und Hafer werden gedroschen. Jetzt hat man eine Dreschmaschine, früher nahm man Flegel zum Dreschen. Ein Flegel ist eine lange Stange, und an einem Ende von der Stange ist ein dicker Knüppel ganz lose angebunden. Mit dem Dreschflegel haut man auf die Garben, dann springen die Körner heraus. Die Körner bringt man zum Müller; der Müller mahlt das Korn zu Mehl. Aus dem Mehl wird Brot gebacken. Gutes Brot schmeckt gut, gutes Brot kann man sogar trocken essen. Wenn man sich etwas Salz auf das Brot streut, das schineckt auch gut. Am besten schmeckt Butter auf dem Brot.

Semmeln kann man gleich ganz in die Hand nehmen. Die kann man so essen. Aber ein ganzes Brot kann man nicht so essen. Das muß man schneiden. Früher wurde das Brot mit dem Brotmesser geschnitten, jetzt wird das Brot oft mit der Brotmaschine geschnitten. Da muß man sich aber in acht nehmen, daß man sich kein Stück Finger mit ab­ schneidet. Die Brotmaschine kann man stellen. Wenn man dicke Schnitten haben will, dann stellt man die Brotmaschine weit, wenn man dünne Schnitten haben will, dann stellt man die Brotmaschine eng. Solche Schnitten haben viele Namen. In Berlin und in Schlesien nennt man sie Stullen. Da gibt es Butterstullen, Schmalzstullen, Syrupstullen, Honigstullen und Rübensaftstullen. In Sachsen nennt man sie Bemmen. Manche Kinder können sehr viel Bemmen essen. Otto.

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Nummer 109 bis 111.

III. Menschenleben. 109. Vom Vater im Himmel. 3. Gibt mit Vaterbänden 1. Aus dem Himmel ferne. Ihm sein täglich Brot, Wo die Englein sind. Hilft an allen Enden Schaut doch Gott so gerne Ihm aus Angst und Not. Her auf jedes Kind. 2. Höret seine Bitte, Treu bei Tag und Nacht, Nimmt's bei jedem Schritte Väterlich in acht.

4. Sagt's den Kindern allen, Daß ein Vater ist, Dem sie Wohlgefallen, Der sie nie vergißt. Hey.

110. Tu nichts Böses! 1. Tu nichts Böses, tu es nicht! Weißt du, Gottes Angesicht Schaut vom Himmel auf die Seinen, Auf die Großen, auf die Kleinen, Und die Nacht ist vor ihm Licht.

2. Sind auch Vater, Mutter weit, Er ist bei dir allezeit; Daß du ja kein Unrecht übest Und sein Vaterherz betrübest! Ach, das wär dir künftig leid! Hey.

111. Unser Kaiser. 1. O, könnt ich doch den Kaiser sehn Auf seinem goldnen Thron, Im Purpurmantel wunderschön, Mit Zepter, Schwert und Kron Und all den vielen Edelstein! Was muß das für ein Anblick sein!

78

Menschenleben.

2. O, wär ich doch nur in Berlin, Denn dort steht sein Palast, Mit tausend schönen Sachen drin, Wie's für den Kaiser paßt. Ich würde dran vorüber gehn Und möchte nur den Kaiser sehn! 3. Er must so gut und freundlich sein, Denn jeder hat ihn gern, Und wär ich nur nicht gar zu Nein, Nicht länger blieb ich fern. Nur einmal möcht ich vor ihm stehn Und unsern guten Kaiser sehn! 4. Und Geh Und

Doch wenn ich etwas gröster bin recht marschieren kann. ich zu unserm Kaiser hin sehe mir ihn an. Er wird mich doch auch nicht verschmähn? Denn unsern Kaiser must ich sehn. Merbaum.

112. «ch kann schon viel. Ich kann schon viel. Morgens kann ich schon ganz allein aufstehn. Kein Mensch braucht mich aus dem Bette zu heben. Ich kann ganz allein herausklettern. Wie ich noch kleiner war, da konnte ich mich noch nicht selber an­ ziehen. Da mußte die Mutter mich anziehen. Ich konnte mich auch nicht selber waschen; die Mutter mußte mich waschen. Ich wasche mir das Gesicht ganz ordentlich, und ich wasche mir auch den Hals ganz rein; die Mütter braucht nie zu sagen: Wasch dir den Hals noch mal. Ich wasche mir auch die Hände ganz rein. Wenn wir zu Mittag essen wollen, und wenn wir zu Abend essen wollen, wasche ich mir immer noch mal die Hände ganz rein. Der Vater braucht mich nie vom Tisch wegzuschicken. Meine Haare

Nummer 112 und 113.



sind auch immer ordentlich. Meine Haare sind immer gut gekämmt. Abends ziehe ich mich aus. Ich kann mich ganz allein ausziehen; mir braucht niemand zu helfen. Manchmal hilft mir die Mutter, wenn ich sehr müde bin. Aber wenn mir die Mutter nicht hilft, kann ich mich auch ganz allein ausziehen. Ich lege meine Sachen ganz ordentlich weg. Ich werfe meine Sachen nicht auf die Erde. Ich will immer ordentlich sein. Otto.

113. Lieschen am Herd. Deck den Tisch, Lieschen, sagte die Mutter, ich habe die Kartoffeln schon aufgesetzt. Und Lieschen legt ihr Buch in die Ecke und kommt zur Mutter an den Herd. Im Kochtopf zischt es schon ein bißchen, und als Lieschen den Deckel abhebt, sieht, sie weiße Kartoffeln und darüber das unruhige Wasser. Wollen wir denn schon wieder Suppe essen? fragt Lieschen und zieht ein Mäulchen. — Wie klug du bist, antwortet die Mutter, man kann doch die Kartoffeln nicht ohne Wasser kochen! Dann werden sie halb gebraten, und und halb bleiben sie roh. Aber das Wasser verteilt die Wärme in gleiche Teile und gibt keiner Kartoffel zu viel und zu wenig. — Aber in dem Wasser werden die Kar­ toffeln ja ganz weich? — Ganz recht, nur geht das nicht so schnell; und die Köchin muß recht aufpassen. Ein klein wenig läßt sie sie weich werden; dann hebt sie den Topf schnell vom Feuer. Schnell, sonst gibt es Mus oder Brei für kleine Kinder und zahnlose Leute. — Und das Wasser? — Das gießt sie auf den Gossenstein. Das kann man ja nicht mehr gebrauchen; es ist ja keine Kraft darin, es ist ja nichts hineingekocht, es ist ja keine Suppe. — Lieschen geht still nach oben und deckt den Tisch. Weiß sie nun wohl, warum gestern das Wasser, worin das Fleisch kochte, so vorsichtig abgegossen und für den Vater warm gestellt wurde? Gansberg.

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Menschenleben.

114. Lied vom feinen Mädchen. Ich bin ein seins Mädchen, Kann drehen das Rädchen, Kann stricken Die Maschen Und flicken Die Taschen, Kann nädeln Und putzen Und fädeln Und stutzen. Kann singen und springen Und braten und kochen Das Fleisch und die Knochen. Güll.

115. Was fang ich an? 1. Ach, wo ich gerne bin. Da soll ich nimmer hin. Und wo ich bleiben muß, Da hab ich nur Verdruß. Nach dem Walde soll ich nicht, In den Garten mag ich nicht. In der Stube bleib ich nicht — Was fang ich an?

2. Ach, in dem Wald allein Da kann man lustig sein; Da grünt es überall. Da singt die Nachtigall. Mutter, laß mich gehn hinaus In den grünen Wald hinaus. Einen schönen Blumenstrauß Den bring ich dir. 3. Könnt ich ein Vogel sein, Flög ich in Wald hinein

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Nummer 114 bis 117.

Zur reinen Maienluft, Zum frischen Laubesduft. Nach dem Walde soll ich nicht, In den Garten mag ich nicht. In der Stube bleib ich nicht — Was fang ich an? Hoffmann v. F.

116. Svruch. Vögel, die nicht singen, Glocken, die nicht klingen, Pferde, die nicht springen, Pistolen, die nicht krachen, Kinder, die nicht lachen — Was sind das für Sachen? Volkstümlich.

117. Zwei Rätsel. 1. Ich kenn zwei kleine Fensterlein In einem kleinen Haus, Draus guckt den lieben langen Tag Ein kleiner Schelm heraus. Doch abends, wenn es dunkel wird Und alles geht zur Ruh, Da macht geschwind der kleine Schelm Die Fensterladen zu. Dieffenbach. 2.

Ein Wagen kommt gefahren Ins kleine Scheuerlein, Drin stehen wackre Drescher, Die dreschen alles klein. Und sind sie all beisammen. Sind's zweiunddreißig Mann. Herbei! wer in der Scheuer Die Drescher nennen kann! Unbekannt.

Hessel, Lesebuch 1. 11. Ausl.

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82

Menschenleben.

118. Luft und Wind. I.

Die Lust kann man nicht sehn, aber man kann die Lust fühlen. Wenn man mit der Hand rasch durch die Luft schlägt, dann fühlt man die Luft. Und wenn man erst rasch herunterschlägt und dann wieder heraufschlägt, dann fühlt man die Luft noch besser. Das fühlt sich ganz so an, als wenn's ein bißchen Wind wäre. Und das ist es auch. Den Wind kann man ordentlich fühlen. Und der Wind ist auch bloß Luft. Wenn der Wind sehr stark ist, dann sagen wir: das ist Sturm. Manchmal nimmt uns der Wind den Hut weg. Dann müssen wir oft lange hinter dem Hut herlaufen, eh wir ihn wiederkriegen. Manchmal wirft der Wind auch die Türen zu oder auch die Fenster. Dabei gehn manchmal die Fensterscheiben entzwei. Wenn man Wäsche draußen hängen hat, denn schaukelt sie der Wind ordentlich hin und her. Und wenn die Klammer­ nicht ordentlich hält, dann nimmt der Wind manchmal ein Stück Wäsche mit weg. Nachher läßt er's aber wieder fallen. II.

Aber da kann man den Wind auch anführen. Da machen die Jungen ein Gestell aus Holz und Bindfaden. Da kleben sie Papier drüber, und das nennen sie einen Drachen. Und den halten sie dem Wind hin. Dann denkt der Wind vielleicht: das ist auch ein Stück Wäsche, und dann will er es ein bißchen mitnehmen. Aber die Jungen haben einen Bindfaden an den Drachen gebunden, und da halten sie den Drachen fest. So kann der Drache nicht wegfliegen. Und wenn der Wind ihn immer mehr mit­ nehmen will, dann fliegt der Drache immer höher. Je höher der Drache fliegt, desto mehr Bindfaden wickeln die Jungen ab, bis sie keinen mehr haben. Dann lassen sie den Drachen noch eine Weile oben. Dann kann man ant Bindfaden fühlen, wie stark der Wind an dem Drachen

Numrner 118 und 119.

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zieht. Wenn dann die Jungen nach Hause gehn wollen, dann wickeln sie den Bindfaden wieder auf. Dann muß der Drache ganz langsam wieder herunter. So geht's also dem Wind; er will uns den Drachen wegnehmen, aber wir machen es so, daß der Drache einfach ein bißchen spazieren fliegt. Dabei muß der Wind ihn tragen. Otto.

119. Täubchen. Die Täublein schon am frühen Tag Spazieren aus dem Taubenschlag Und wandern auf dem Dach herum Mit Ruckdiku und Rumdumdum.

Auf einmal husch, husch, husch, Schwingen sie die Flügel; Rasch über Dach und Busch, Hoch über Turm und Hügel Flattern sie im Blauen. Die Flüglein blitzen hell im Licht; Ich kann sie nicht mehr schauen. Die Sonne sticht mir ins Gesicht. Wo sind sie hin? — Das sollst du sehn. Komm, Kind, wir wollen suchen gehn.

Rasch wandern sie ins Feld hinaus. Da bricht das Kind in Jubel aus: Ei sieh! Ei sieh, da sind sie ja! Was tun sie nur im Acker da? Sie laufen ohne Unterlaß Und suchen was und picken was! Ei, Kind, dort hat der Sämann heut Viel tausend Erbsen hingestreut

Und Und Das Die

denkt, die sollen wachsen bald Früchte tragen siebenfalt. dumme Täubchen aber denkt. Erbsen seien ihm geschenkt.

Menschenleben.

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So läuft es denn im Acker dort Und frißt die besten alle fort. Es pickt und schluckt und duckt den Kopf, Und voll und voller wird sein Kropf. Lang schaut das Kind den Täubchen zu. Auf einmal sind in einem Nu Sie husch, husch, husch im Sonnenschein Hoch über Feld ins Dors hinein. Und wie das Kind nun kommt nach Haus, Da sitzen sie und rasten aus Auf ihrem Dach in guter Ruh Mit rumdumdum und ruckdiku. Eigenbrod t.

120. Rekrut. Büblein, wirst du ein Rekrut, Merk dir dieses Liedchen gut!

1. Der Das Und

Wer will unter die Soldaten, muß haben ein Gewehr, muß er mit Pulver laden mit einer Kugel schwer.

2. Der muß an der linken Seiten Einen scharfen Säbel han, Daß er, wenn die Feinde streiten, Schießen und auch fechten kann; 3. Einen Gaul zum Galoppieren Und von Silber auch zwei Sporn, Zaum und Zügel zum Regieren, Wenn er Sprünge macht im Zorn. 4. Einen Schnurrbart an der Nasen, Auf dem Kopfe einen Helm — Sonst, wenn die Trompeter blasen. Ist er nur ein armer Schelm. Güll.

Nummer. 120 bis 123.

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121. Maivlümelein. 1. Im Walde, dort unter den Eichen und Buchen, Da will ich mir suchen Die Maiblümeleiu, Weiß und teilt.

2. Die blühen so schön, wie die schimmernden Sterne; Ich hab sie so gerne. Die Maiblümeleiu, Weiß und teilt.

3. O, kommet! o, lasset euch doch von mir pflücken. Mit euch mich zu schmücken, Ihr Maiblümelein, Weiß und teilt. 4. Ihr stehet mir schön, und nun denken die Leute, Ich selber sei heute Ein Maiblümelein, Weiß und teilt. Enslin.

122. Wie man einschläft. 1. Wie man einschläft, möcht ich wissen! Immer drück ich mich ins Kissen, Denk dabei: jetzt geb ich acht! Doch — eh ich mich recht besonnen, Hat der Morgen schon begonnen. Bin schon wieder aufgewacht. 2. Mag ich, wen ich will, auch fragen, Kann es keiner mir doch sagen. Und was soll ich denken nun? Viel mag in der Welt geschehen, Was wir Menschen nicht verstehen. Selbst oft das nicht, was wir tun. EnSlin.

123. Klein Ännchen. 1. Schon kommt die Nacht, o tiefer Graus, Klein Ännchen weint: „Wär ich zu Haus! Ich bin so müd, ich kann nicht gehn Und kann auch nicht den Weg mehr sehn."

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Menschenleben.

2. Waldmännlein bei ihr steht und spricht: „Klein Ännchen du, so fürcht dich nicht! Weißt du nicht, daß du gestern hier Dein Abendbrot geteilt mit mir?

3. Hui! braune Käfer, schirrt euch an! Johanniswürmchen, leucht voran! Ihr Äste, fügt euch kurz und klein Zu einem kleinen Wägelein!"

4. Der Wagen steht, es schwirrt der Zug, Die Käfer fliegen rasch genug; „Klein Ännchen du, nun steig heraus! Sieh nur, wir sind ja schon zu Haus." Klette.

124. Die Stube im Festkleide. Denkt euch, hatte die Mutter gesagt, als sie den Brief wieder zufaltete: Heute nachmittag kommt sie; da wird es aber Zeit, daß wir uns an die Arbeit machen; denn die Tante soll doch in einer freundlichen Stube sitzen. — Nun fingen die Kinder lustig an. Minchen holte Besen und Eimer und das Scheuertuch. Die Tassen wurden hinunter­ getragen in die Küche, die Fenster wurden weit aufgemacht, das Sofa ausgeklopft mit einem Stock und der Aschenkasten unten im Keller ausgeschüttet. Alle Kinder mußten helfen. Selbst die kleine Emmi fing mit an und schleppte einen Stuhl nach dem andern auf den Vorplatz. Aber die Stube wurde auch wirklich schön! Auf der Kommode war kein Stäubchen mehr zu sehen, auf dem Sofa lagen die weißen Schoner, die Minchen zu Weihnachten gehäkelt hatte, und der Fußboden war blank und roch so schön nach Tannen­ harz. Über der Tür aber hing ein langer Kranz von stach­ ligen Blättern und roten Beeren, auf dem Tisch stand eine Schale mit frischen Blumen, und in der Ecke auf dem Tisch­ chen stand gar ein prächtiger, brauner, duftender Pudding. — Ja, liebe Tante, nun kannst du kommen — die Stube ist fertig.. GanSberg.

Nummer 124 bis 126.

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125. WSschetag. So, Lieschen, nun faß mal mit an, sagte die Mutter, und nun faßten sie den schweren Korb, der voll von nasser, zusammengedrehter Wäsche lag. O war der schwer! Viel schwerer war das Zeug geworden als vorher, und die Griffe zogen sich ordentlich lang. Lischen mußte schon mit beiden Händen zupacken; die Mutter aber mußte in einer Hand die Küchenlampe tragen. Auf der Treppe ging Lieschen voran — wie schwer war es um die Ecke herum, wo die Treppe schmal war — aber sie kamen doch glücklich an der Bodentür an. Hu, wie kalt! sagte Lieschen, als sie die Tür aufschloß, sie zitterte ordentlich, weil sie so lange in der warmen Küche gewesen war. So, da stand die Lampe auf der Kiste, und während die Mutter die Wäsche­ leinen aufzog, mußte Lieschen nach dem Wetter sehen, ob wohl die Dachfenster offen bleiben konnten. Sie schob sich den alten Stuhl ohne Lehne unter das Fenster und hob das Fenster an der rostigen Stange vorsichtig in die Höhe. Draußen war es finstere Nacht. Am Himmel glitzerten die Sterne, sie waren aber noch eben so klein, als wenn man auf der Straße steht. Unten waren noch mehr Sterne, gelbe, das waren die Laternen, und einige Sterne fuhren auch hin und her, das waren die Wagenlaternen. — Es ist gutes Wetter, sagte Lieschen und bückte sich und sah ihre Mutter an. Die nickte, und Lieschen hakte das Fenster ein. Nun ging es tüchtig an die Arbeit. Lieschen faltete die Wäschestücke auseinander, und die Mutter steckte sie fest. Morgen ist sie schon trocken, sagte diese, denn ein leiser Wind strich über den Boden hin und schaukelte die Laken und Tücher ein wenig hin und her. — Nun waren sie fertig, schlüpften vorsichtig unter der aufgehängten Wäsche heraus und gingen nach unten. Gansberg.

126. Der Nahkorb. Spielsachen mag Lieschen nicht; viel lieber kramt sie in den Sachen der Mutter, und der Nähkorb ist ihr bestes

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Menschenleben.

Spielzeug. Ein gefährliches Spielzeug! Da sind Nadeln zum Nähen und Stopfen, ein ganzes Keines Buch steckt voll von Nadeln. Da sitzen sie wie die Kinder in der Schule, einige mit großen Augen, andere mit kleinen Augeu, die halb im Schlaf sind. Da sind Nadeln für dicke Woll­ fäden und Nadeln für bunte Seide. Ach, so bunte Seide! Da sind auch Sicherheitsnadeln. Die können nicht heraus­ fallen, und als Lieschen neulich über ihren Kopf jammerte, da hat ihr die Mutter ein Tuch darumgelegt und das Tuch mit einer solchen Nadel zugesteckt. Siehst du, sagte die Mutter dann, so machen's die Schwestern auch, wenn sie einen Verwundeten verbinden, einen Verwundeten, der sich geschnitten und gestochen hat. Seid nur vorsichtig mit den Messern und Scheren! Auch im Nähkorb sind Scheren, eine große, die die Mutter beim Zuschneiden gebraucht, eine kleine, mit der sie die Knopflöcher schneidet. Es gibt aber noch viele andere Scheren. Der Gärtner, der Klempner, der Buchbinder, der Haarschneider, das Ladenfräulein — sie alle gebrauchen Scheren. Auch im Hause ist sie nicht zu entbehren. Ich glaube, man könnte leichter ohne Messer, als ohne Schere fertig werden. Einmal ist auch schon die Schere in zwei Stücke gebrochen, und Lieschen mußte sie zu dem Messerschmied bringen. Der hat sie auch scharf gemacht, und kleine Funken sprangen ihm dabei unter der Hand heraus. Gansberg.

127. Das neue Brüderlein. 1. Wie ich heut morgens aufgewacht. Denk an, da hat uns über Nacht Der Storch ein Brüderlein gebracht. 2. Ein Bürschlein ganz nach meinem Sinn, Mit roten Bäckchen, rundem Kinn Und einem Schelmengrübchen drin.

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3. Sein Häubchen, o, wie fein gestrickt, Und Hemd und Kittelchen gestickt. Als hätt's ein Engelein geschickt.



Nummer 127 und 128.

4. Die Kissen weiß von Leinewand, Ringsum ein blaues Wickelband, Und grün der Vorhang umeinand. 5. Den Vorhang zieh ich sacht zurück. Und wie ich mich hinunter bück, Ei, welch ein unverhofftes Glück:

6. Ein Päckchen hält es in der Hand Bon Goldpapier mit rotem Band, Voll süßer Sachen allerhand. 7. Lebkuchen, Törtchen, Zuckerstern Und Pfeffernüßchen, Mandelkern, Und was wir sonst noch knuspern gern. 8. Geschwind mach dich nun auf die Bein Und spring noch heut zu uns herein Und schau mein liebes Brüderlein! Gall.

128. Kreisellied. 1. Surre, surre, summ! Kreisel, spring herum! Laß mich deine Künste sehn! Wie, du willst nicht aufrecht stehn? Soll ich wohl die Peitsche fassen Und sie tüchtig tanzen lassen? Surre, surre, summ! Lustig spring herum!

2. Surre, surre, summ, Kreisel, spring herum! Ei, wie stiegst auf einem Bein Keck du über Stock und Stein Immer toller, immer dreister. Bist ein wahrer Hexenmeister! Surre, surre, summ, Lustig spring herum! Moser.

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Menschenleben.

129. Ein Rätsel. Summ und summ und brumm und brumm. Um und um im Kreis herum, Hin und her die Kreuz und Quer. Rat nunmehr, es ist nicht schwer! Güll.

130. Das trotzige Hänschen.

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Hänschen, wolln wir spielen? „Nein, Marie, ich spiel heut nicht." Warum willst du denn nicht spielen? Mach doch nicht solch schief Gesicht! „Laß mich! geh! ich spiel heut nicht!" Hänschen, komm! wir springen! „Nein, Marie, ich spring heut nicht!" Warum willst du denn nicht springen? Mach doch nicht solch schlimm Gesicht! „Geh, Marie! ich will heut nicht!" Willst du nicht spielen, willst du nicht springen, Will ich dir ein Liedchen singen: Die Birnen in Großvaters Garten Sind alle gelb und groß: Sie sollen nicht länger warten. Ich pflück alle in meinen Schoß. Bleib du nur sitzen auf deinem Stein, Ich schmause sie alle, alle allein! Und Marie sprang lachend zur Hoftür, Und Hans — sprang hinterdrein. Emil Weber.

131. Drei Ringelreihen. 1.

Ringel, Ringel, Reihe! Es sind der Kinder dreie, Sitzen auf dem Holderbusch, Schreien alle musch, musch, musch! Setzt euch nieder!

Es sitzt 'ne Frau im Ringelein, Mit sieben kleinen Kinderlein; Was essen s' gerne? Fischelein! Was trinken s' gerne? roten Wein! Setzt euch nieder!

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Nummer 129 bis 133.

Legt sie in die Sonnen! Acht Jahr gesponnen, Neun Jahr gewonnen, Zehn Jahr herumgedreht! Setzt euch nieder! 3. Ringel, Ringel, Rosenkranz! Jungfer Lieschen, komm zum Tanz! Setz ein Töpfchen Wasser bei, Morgen wolln wir waschen Alle schwarzen Sachen. Große Wäsche, kleine Wäsche, . Allerhand sehr feine Wäsche — kikeriki!

Ringel, Ringel, Rosenkranz! Macht 'nen Tanz! Setzt euch auf die Weide, Spinnet grüne Seide; Wascht sie an dem Bronnen,

Volkstümlich.

132. Hansel und Gretel. 1. Spannenlanger Hansel, Nudeldicke Dirn, Gehn wir in den Garten, Schütteln wir die Birn!

2. Schüttle ich Schüttelst du die Wenn das Säckle Gehn wir wieder

3. „Lauf doch nicht so närrisch. Spannenlanger Hans! Ich verlier die Birnen Und die Schuh noch ganz."

die großen, 4. „Trägst ja nur die kleinen, klein; Nudeldicke Dirn, voll ist, Und ich schlepp den schweren heim. Sack voll großer Birn." Volkstümlich.

133. Bruder Jakob. 1. Bruder Jakob, schläfst du noch? Es läutet in die Schule — Bim, Bant, bum! bim, Bant, bum! Bist ein träger Junge doch, Sitzt auf dem letzten Stuhle. Schämst dich nicht, fauler Wicht? 2. Schlaf dir nur die Wangen rot. Laß dir was Süßes träumen Vom Niklau und Wauwau!

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Menschenleben.

Wurst und Obst und Zuckerbrot Wächst für dich auf den Bäumen. Gute Nacht! gute Nacht! Volkstümlich.

134. Dep kleine Schulmeister. 1. Aufgepaßt und hingesetzt! Hände hübsch gefaltet! Daß ihr mir — ich rat euch — jetzt Eure Schnäbel haltet! 2. Liese, wenn du nicht bald schweigst, Zupf ich dich am Öhrchen. Karl, wenn du dich vorlaut zeigst, Zeig ich dir das Röhrchen.

3. Wer da auf dem letzten Sitz Wackelt mit dem Kopfe? Irr ich nicht, so ist's der Fritz! Gleich gibt's Fingerklopfe! 4. Wenn du nicht zur Tafel guckst, Wehe dir! ich stecke Dich und jeden, der noch muckst, Drüben in die Ecke! 5. So, nun melde jeder sich Gleich bei seinem Namen! Denn beginnen feierlich Soll jetzt mein Examen. Löwenstein.

135. Das Examen. 1. Zuerst zum Rechnen schreiten wir! Marie, wie viel ist zweimal vier? Na, sag es mir hübsch munter! Du stotterst nur? sei dreist und sprich! Du weißt es nicht? pfui, schäme dich Und setz dich drei herunter!

2. Antwortet, Liese, Fritz und Hans! Ihr schweigt? so rede du, mein Franz, Du rechnest gut, das weiß ich. Du schweigst? dort in der Ecke stracks,

Nummer 134 bis 136.

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Du weißt es sicher, lieber Max! „Herr Lehrer, es macht dreißig."

3. Pfui, schämt euch alle hier im Kreis! Den Finger hoch, wer's richtig weiß! Wie? keiner will ihn heben? Das ist ja eine wahre Schmach! Die ganze Klasse bleibt heut nach, Denn Strafe muß es geben.

4. Und furchtbar wütet — klipp und klapp — Der Kinder Reihen auf und ab Des Herrn Schulmeisters Stöcklein. Gewimmer dort und Heulen hier, Da schlägt gemächlich zweimal vier Vom nahen Turm das Glöcklein.

6. Drob jubelt laut die Schar und lacht: Hurra, Herr Lehrer! es ist acht Und Zeit zum Abendschmause. „'s ist richtig!" spricht der Lehrer nun, „Drum laß ich Stock und Prüfung ruhn. Doch ihr trollt euch nach Hause!" Löwenstein.

136. Reinmachen ans der Straße. Wo nur die Kinder mit den weißen Bohnen bleiben? sagte die Mutter, die werden gar nicht mehr bis Mittag fertig. Es war Sonnabend, und die Stube war schon fertig, und nun war sie in der Küche und schälte Kartoffeln. Aber die Kinder hatten Zeit, denn draußen war auch Sonn­ abend und großes Reinmachen, und da gab's allerlei zu sehen. Gleich um die Ecke, vor dem großen Hause, stand Lotte, das Dienstmädchen, mit aufgeschürzten Kleidern und spülte ab. Ein feiner Regen sprühte aus dem langen Gummischlauch, den sie in den roten Händen hielt, und die Leute mußten oft im Bogen herumgehen, da­ mit sie nicht auch naß gespritzt wurden. Vorne am Hause war der Schlauch angeschranbt, an der Wasserleitung mit dem goldgelben Krahn. Sieh nur, wie blank er ist. Der ist auch schon tüchtig geputzt worden. Wie blind diese

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Menschenleben.

Messingteile werden vom Regen nnd Nebel und Staub, das sieht man gut an den Treppenstangen des Nachbar­ hauses. Aber warte nur, da kommt schon das Mädchen, Lottes gute Freundin, mit dem Putzkasten, mit Lappen und Pulver, und macht sich an die Arbeit. Da wird aus dem Messing bald Gold werden. — Aber soll denn die Laterne auch Sonntag Jetern? Der Laternenmann ist auf seiner Leiter hinaufgestiegen und fährt nun inwendig mit einem Tuche auf den Scheiben hin und her. Er hat aber auch einen Kasten mit gut verpackten Glühstrümpfen mit­ gebracht. Gestern beim wilden Spiel der Jungen ist ein Ball dagegen geflogen und hat den alten zerbrochen. Ein Glück, daß man sie nicht dabei erwischt hat! — Alles soll doch heute sauber gemacht, werden. Auf der Fahrstraße kommt ein wunderlicher Wagen gefahren; eine runde Bürste daran wälzt sich über die Steine dahin und fegt den Schmutz in die Gasse hinein. Ob er da liegen bleiben soll? — Und dann die Schaufenster? Hier steht ein Mann auf einer langen roten Leiter, tupft mit einem Leinenbeutel weiße Flecken auf die Scheibe und fängt an, sie tüchtig abzureiben. Nebenan aber wird gar das ganze Schau­ fenster ausgeräumt. Die alten, vertrockneten Apfelsinen wer­ den herausgeholt, flache Schalen mit gebranntem Kaffee werden in langer Reihe aufgestellt, leere Flaschen mit hübschen Schildern werden auf die Börde gestellt, und bunte Bilder werden an die Wände gehängt. Ein Mann aber, mit einer Mütze auf dem Kopf, kommt oft aus dem Laden heraus und sieht sich die Ausstellung von draußen an. — Da stehen nun die Kinder und bewundern die schönen Sachen, die Leckerbissen und die blanken Büchsen, und die Mutter wartet ungeduldig auf die weißen Bohnen. Gansberg.

137. Der Weg zur Schule. 1. Im Winter, wenn es frieret, Im Winter, wenn es schneit, Dann ist der Weg zur Schule Fürwahr noch mal so weit.

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Nummer 137 bis 139.

2. Und wenn der Kuckuck rufet. Dann ist der Frühling da. Dann ist der Weg zur Schule Fürwahr noch mal so nah.

3. Wer aber gerne lernet, Dem ist kein Weg zu fern; Im Frühling wie im Winter Geh ich zur Schule gern.

Hoffmann v. F.

138, Der kleine Schulmeister. 1. Der kleine Schulmeister hält jetzt Stunde. Bleibt mal hübsch draußen, und stört ihn nicht! Seine Schüler sind die fünf jungen Hunde, Das ist schwieriger Leseunterricht. 2. Den Hündchen geht alles recht schwer ins Köpfchen, Der Schulmeister sagt's ihnen ganz genau, I heißt der Buchstabe mit dem Tröpfchen. Die Schüler nennen ihn immer: Wau!

3. Einen anderen Lehrer würd es verdrießen, Der kleine dicke Schulmeister spricht: Wir wollen die Stunde heute schließen! Andre als i kenn ich selber nicht! Frida Schanz.

139. Die Apfelkerne. An einem Mittag gab die Mutter nach Tisch jedem Kinde einen prächtigen Apfel. Während sie die Früchte aßen, sagte der Vater: „Wißt ihr auch, ihr Kinder, daß aus den Apfel­ kernen wieder Apfelbäume wachsen können, die man veredeln kann, so daß sie eben so große, wohlschmeckende Äpfel tragen, wie diese da?" —„Das will ich einmal probieren!" sagte die kleine Martha; sie sammelte alle Apfelkerne und steckte sie an einem sonnigen Plätzchen im Garten in die Erde. Und siehe da, im folgenden Frühling wuchsen kleine Pflänzchen in die Höhe, wo die Kerne gelegen hatten. Im ersten Jahre blieben sie klein und schwach; aber im zweiten Jahre breiteten sie sich schon ordentlich aus. Martha entfernte sorgfältig alles Un-

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Menschenleben.

kraut ringsumher, und so wurden die Pflanzen zu kräftigen Reisern und dann zu kleinen Stämmchen. Der Vater ver­ edelte sie nun durch Propfreiser, und nach einigen Jahren zeigten sich im Frühling schon einige rötlich weiße, duftende Blüten. Die meisten fielen ab, aber aus einer Blüte wurde schon ein wirklicher, schöner Apfel. Martha wurde größer und die Bäumchen mit ihr, und jetzt sind die Bäumchen in jedem Frühjahr ganz mit herr­ lichen Blüten bedeckt, und im Herbste hängen sie voll rot­ backiger Äpfel. Da freut sich Martha, denn die Äpfel ge­ hören ihr, weil sie die Bäumchen gepflanzt und gezogen hat. K. H.

140. Büblein und Bächlein. 1. Das Büblein geht zum Bächlein hin Und will im Bächlein baden. Da kommt dem Büblein in den Sinn, Das Wasser könnt ihm schaden.

2. Das Bächlein Mein Wasser kann Zieh hurtig Schuh Und komm, in mir

spricht: Du lieber Knab, nicht schaden. imb Strümpflein ab, zu baden.

3. Das Büblein folgt dem Bächlein schnell. Es ist ihm nichts geschehen, Als daß die Sonne, mild und hell, Ihm freundlich zugesehen. Bänniger.

141. Vom Bauern und -en Tauben. (Auszählspruch beim Fangspiel.)

1. Der Bauer hat ein Taubenhaus, Da fliegen hundert Tauben raus; Wie will er s' wieder fangen? Wie kommt er übern Hügel, Er hat ja keine Flügel, Wie will er s' wieder fangen? •

Nummer 140 bis 142.

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2. Der Bauer denkt: sie warten dort. Und kommt er hin, husch! sind sie fort Und lassen sich nicht fangen. Das Bäuerlein muß schnaufen Entsetzlich von dem Laufen Und kann sie doch nicht fangen. 3. O Bäuerlein, geh nur nach Haus, Sonst lachen dich die Tauben aus, Die sich nicht lassen fangen. Sie sind daheim und zupfen Die Federn sich und hupfen Auf einer langen Stangen. GM.

142. Hans und Vie Spatzen. 1. „Ach, Vater, sprich, wie fang ich's an. Daß ich die Spatzen fangen kann, Tie Spatzen?" 2. Der Vater spricht: „So streu, mein Hans, Hübsch Salz den Spatzen auf den Schwanz, Ten Spatzen!"

3. Trauf nimmt er eine Hand voll Salz Und lauert mit gestrecktem Hals Auf Spatzen. 4. Und als der erste sich gesetzt. Schleicht er heran: „Dich krieg ich jetzt. Dich Spatzen!" 5. Das Spätzlein aber flog, husch, husch! Hinweg zum nächsten Lindenbusch, Ach, Spatzen! 6. „Sie halten, Vater, ja nicht still. Wenn ich das Salz hinstreuen will, Tie Spatzen!" 7. „So laß die Spatzen, Hans, in Ruh, Sie sind halt Uüger doch als du. Die Spatzen!" Löwenstein, »effel, Befehlt 1. U. «uff.

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Menschenleben.

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143. Die Sperlinge unter dem Hute. Ein ziemlich großer Bauernjunge, namens Michel, hatte Spatzen gefangen, und weil er nicht wußte, wohin Damit, so tat er sie in seinen Hut und stülpte diesen so auf den Kopf. Man kann denken, was das für ein Getümmel auf dem Kopfe mar. Nun begegnete ihm ein Fremder, der grüßte ihn freunolich und sprach ihn an: „Guter Freund, wo geht der Weg hinaus?" Weil aber der Michel die Spatzen auf dem Kopfe hatte, so dachte er: Was geht dich der Fremde an? ließ seinen Hut sitzen und gab keine Antwort. Der Fremde sagte zu sich selbst: Hier müssen grobe Leute wohnen! und ließ den Michel weiter gehen. Jetzt begegnete diesem der Amtmann, den pflegten alle Leute zu grüßen; der Michel aber tat es nicht, einmal, weil er die Spatzen unter dem Hute hatte, uno zweitens, weil er ein Grobian von Haus aus war. Der Amtmann aber sagte zu dem Gerichtsdiener mit den» roten Kragen, welcher hinter ihm her ging: „Sieh doch ein­ mal, ob dem Burschen dort der Hut angeleimt ist?" Der Ge­ richtsdiener ging hin und sprach: „Hör einmal, Michel, der Herr Amtmann möchte einmal sehen, wie dein Hut inwendig aussieht. Flugs zieh ihn ab!" Der Michel aber zögerte immer noch und wußte nicht, wie er's machen sollte. Da riß ihm der Gerichtsdiener den Hut herunter, und brr! flogen die Spatzen heraus nach allen Ecken und Enden. Da mußte der Amtmann lachen, und alle Leute lachten mit. Der Michel aber hieß von der Stunde an der Spatzenmichel, und wenn einer seinen Hut oder seine Kappe vor Fremden nicht abzieht, so sagt man noch heutigen Tages: „Der hat gewiß Spatzen unter dem Hute!"

Curtman.

144. Vom listige« Grasmücklein ein lustiges Stücklei«. Klaus ist in den Wald gegangen, Weil er will die Vöglein fangen; Auf den Busch ist er gestiegen, Weil er will die Vöglein kriegen.

Nummer 143 bis 145.

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Doch im Nestchen sitzt das alte Vögelein just vor der Spalte, Schaut und zwitschert: Ei, der Taus! Kinderlein, es kommt der Klaus! Hu, mit einem großen Prügel, 10 Kinderlein, wohl auf die Flügel! Prr, da flattert's: husch husch husch! Leer das Nest und leer der Busch, Und die Vöglein lachen Klaus Mit dem großen Prügel aus. 15 Daß er wieder heimgegangen, Zornig, weil er nichts gefangen. Daß er wieder heimgestiegen. Weil er konnt kein Vöglein kriegen. 5

Tüll.

145, Hänselei«. 1. Hänselein, willst du tanzen? Ich geb dir auch ein Ei. „O nein, ich kann nicht tanzen, Und gäbst du mir auch drei. In unserm Hause geht das nicht, Die Keinen Kinder tanzen nicht, Und tanzen kann ich nicht." 2. Hänselein, willst du tanzen? Ein Vöglein geb ich dir. „O nein, ich kann nicht tanzen, Und gäbst du mir auch vier. In unserm Hause geht das nicht. Die kleinen Kinder tanzen nicht, Und tanzen kann ich nicht."

3. Hänselein, willst du tanzen? Ich geb dir einen Stock. „O nein, ich kann nicht tanzen, Und gäbst du mir ein Schock. In unserm Hause geht das nicht.

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Menschenleben.

Die Keinen Kinder tanzen nicht, Und tanzen kann ich nicht."

4. Hänselein, willst du tanzen? Ein Tänzlein geig ich dir. „O ja, ich kann schon tanzen, Jetzt geig ein Stücklein mir! In unserm Hause gilt der Brauch, Sobald mau geiget, tanzt man auch, Und tanzen kann ich auch." Hoffmann v. F.

146. Nußknacker. Nußknacker, du machst ein grimmig Gesicht, Ich aber, ich fürchte vor dir mich nicht; Ich weiß, du meinst es gut mit mir. Drum bring ich meine Nüsse dir. 5 Ich weiß, du bist ein Meister im Knacken: Du kannst mit deinen dicken Backen Gar hübsch die harten Nüsse packen Und weißt sie vortrefflich aufzuknacken. Nußknacker, drum bitt ich, bitt ich dich, 10 Hast bessere Zähn als ich. Zähn als ich, O knacke nur, knacke nur immerzu! Ich will dir zu Ehren Die Kerne verzehren. O knacke nur, knack, knack, knack! immerzu! 15 Ei, welch ein braver Kerl bist du! Hoffmann v. F.

147. Die Mühle. 1. Es klappert die Mühle am rauschenden Bach — Klipp klapp! Bei Tag und bei Nacht ist der Müller stets wach — Klipp klapp! Er mahlet uns Korn zu dem kräftigen Brot, Und haben wir dieses, dann hat's keine Not — Klipp klapp! klipp klapp! klipp klapp

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Nummer 146 bis 148.

2. Flink laufen die Räder und drehen den Stein — Klip- klapp! Und mahlen den Weizen zu Mehl uns so fein — Klipp klapp! Der Bäcker den Zwieback und Kuchen draus bäckt, Der immer uns Kindern besonders gut schmeckt — Klipp klapp! klipp klapp! klipp klapp!

3. Wenn reichliche Körner das Ackerfeld trägt — Klipp klapp! Die Mühle dann flink ihre Räder bewegt — Klipp klapp! Und schenkt uns der Himmel nur immerdar Brot, So sind wir geborgen und leiden nicht Not — Klipp klapp! klipp klapp! klipp klapp! Volkstümlich.

14S. Die Mühle. 1. Es steht eine Mühl im Wiesengrund; Die Räder drehn sich Stund um Stund Rundum, rundum, rundum! Das klippert und klappert immerzu. Der Müller hat nicht Rast noch Ruh. 2. Er schüttet das Korn und den Weizen hinein; Die Steine mahlen es trefflich klein Rundum, rundum, rundum! Der allerbeste Müllergesell, Das ist das Bächlein klar und hell.

3. Das muß bei Nacht und bei Tage gehn Und immerfort das Rädlein drehn Rundum, rundum, rundum! Und wenn es nicht so fleißig wär, So ging die Mühle nimmermehr. 4. Den Müller drückt der Sack oft schwer; Das Bächlein ruht doch nimmermehr; Rundum, rundum, rundum. So dreht es das Rädlein fort und fort Wohl in der Klappermühle dort. Dieffenbach.

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Menschenleben.

149. Der Ziehbrunnen. Gutes Wasser ist ein sehr gutes Getränk. Das Wasser braucht man nicht zu kaufen. Im Dorf schöpft man das Wasser aus dem Brunnen. Der Brunnen ist ein tiefes Loch, das man in die Erde gegraben hat. Das Brunnenloch ist meist rund. Damit die Brunnenwände nicht einfallen, hat man meistens eine Mauer gebaut, die fängt ganz tief in der Erde an und geht bis oben hinauf. Oben mutz ein Geländer um den Brunnen sein, sonst fallen die Kinder hinein. Das Wasser schöpft man mit einem Eimer. Den Eimer macht man fest an einer Kette, und dann läßt man ihn hinunter ins Wasser. Wenn der Eimer voll Wasser ist, dann zieht man ihn wieder herauf. Es gibt auch Ziehbrunnen, die haben zwei Eimer. Wenn der eine Eimer unten ist, dann ist der andre oben, und lätzt man dann den Eimer, der oben ist, hinunter, dann kommt der andre, der unten war, mit Wasser gefüllt wieder herauf. Und in der Mitte begegnen sich die beiden Eimer und spazieren aneinander vorbei. Manchmal stotzen sie dann einander, aber das schadet nichts, das ist nur die Begrützung. Einen Brunnen kann man überall graben. Wenn man irgendwo ein tiefes Loch in die Erd« gräbt, dann sammelt sich Wasser drin. Das nennt man das Grundwasser. An manchen Stellen kommt man sehr schnell an das Grund­ wasser; da braucht man gar nicht tief zu graben. An manchen Stellen muß man sehr tief graben, eh man an das Grund­ wasser kommt. Otto.

150, Der Schmied. Neben dem Hause meiner Eltern wohnte ein alter Schmied, ein gar guter Mann, obgleich er schwarz int Ge­ sicht aussah, so datz manche Kinder sich vor ihm fürchteten. Ich fürchtete mich aber nicht, sondern ging alle Tage zu ihm und sah ihm zu, wie er in seiner Werkstatt arbeitete. Da zog er einen großen Blasbalg, daß dieser sauste und

Nummer 149 bis 151.

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das Feuer anblies. In dies Helle Feuer legte er Eisen und ließ es darin liegen, bis es glühend wurde; dann packte er es mit einer großen Zange an und legte es aus einen großen eisernen Klotz, den er seinen Amboß nannte. Nun nahm er den Hammer in die andere Hand und schlug damit auf das glühende Eisen, daß die Funken umher­ fuhren. Da. mußte ich ein wenig zurückgehen, weil die Funken mir sonst die Kleider verbrannt hatten. Bald schmiedete er große Nägel auf dem Amboß, bald Hufeisen für die Pferde, bald Reife um die Wagenräder. Wenn er fertig war, ließ er mich auch manchmal ein wenig hämmern. Da mir aber sein gewöhnlicher Hammer zu schwer war, schmiedete er mir ein kleines Hämmerchen, welches ich noch lange nachher aufgehoben habe. Meiner Mutter holte ich oft bei dem alten Schmiede Hammerschlag, das sind kleine schwarze Schuppen, welche beim Schmieden von dem Eisen abfallen. Mit diesem Hammerschlag wurde das eiserne Ge­ schirr in der Küche gerieben, worauf es wieder glänzte wie neu. Auch machte der alte Schmied uns einmal eine neue Kette an den Ziehbrunnen, als die alte zerrissen und der Eimer in den Brunnen, gefallen war. Ich mußte ihn rufen, und da kam er mit seinem ledernen Schurzfell und mit einem eisernen Haken, um den Eimer aus dem Brunnen zu fischen. Curtman.

151. Der Uhrmacher. Das ist ein gar geschickter Mann. Ich habe einmal in das Innere von Vaters Taschenuhr gesehen; da »varen so viele kleine Rädchen, Scheibchen, Zapfen und Schrauben darin, daß mir's unmöglich schien, daß Menschenhände solch Kunstwerk bereiten könnten. Hernach bin ich aber in des Uhrmachers Werkstatt gewesen und habe gesehen, wie er alle die seinen Sachen mit den niedlichsten Werkzeugen verfertigt. Was für eine Menge Uhren waren da! Goldene und silberne Taschenuhren, Stutzuhren mit schönen Säulen und große und kleine Wanduhren. Die machten ein merkwürdiges Ge-

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Menschenleben.

rausch mit tick und tack, und als gar eine Stunde vorüber war, da hättet ihr sollen das Schnurren und Schlagen hören. Es konnt es immer eine besser als die andere. Eine große Wanduhr hinten in der Ecke rief nach jedem Schlage: Kuckuck! und eine andere, die daneben stand, fing gar ein lustiges Stücklein zu spielen an. Man sollte gar nicht glauben, daß eine Uhr so lustig sein könnte. Sie hatte ein so ernsthaftes Gesicht und schien sich um nichts weiter zu bekümmern als um die Zeit. Nacke.

152. Im Wäscheladen. Ein kleiner goldener Knopf mit einem drehbaren Köpfchen war es, den Fritz für den Vater holen sollte. Und da stand der Junge nun, während der Herr hinter dem Ladentisch die Schachtel suchte, und sah sich in dem Laden um. Der ganze Tisch war voll von flachen Schachteln, worin Schlipse lagen, immer gleich 6 auf einer Pappe, und Kragen, immer gleich 6 Stück mit einem Gummibande zu­ sammengebunden. An der Wand hing ein Spiegel, lang und breit, worin sich die Herren, die ein neues Stück anprobierten, besehen konnten. Da standen auch Gestelle, über die man einen hübschen Überzieher mit Samtkragen gezogen hatte, und oben hatte man noch einen Hut hinaufgesetzt — so waren es Menschen mit einem hölzernen Leib, die da in einer Reihe hintereinander standen. — Der Herr aber setzte eine Schachtel nach der andern auf den Tisch und suchte nach den goldenen Kragenknöpfen. Ja ja, seufzte er, diese vielen Schachteln stehen einem nur im Wege. Kannst du nicht eine gebrauchen? fragte er den Jungen plötzlich, so nimm dir nur eine mit, ich behalte noch genug. — Und wahrhaftig, als Fritz um den Ladentisch herumkam und dahintersah, da standen sie da, die Pappkasten, einer über dem andern. Die waren wohl früher alle voll gewesen von Schlipsen und Kragen und Stulpen, als sie aus der Fabrik angekommen waren. — Aus der Fabrik? — O ja, sagte der Herr, die weiße Wäsche wird meistens in einer großen Fabrik gemacht. Da sitzen Frauen und Mädchen an langen Tischen, eine neben der

Nummer 152 und 153.

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andern, und jede hat einen Haufen Leinenzeug neben sich liegen und Metermaß und Schere, und dann müssen sie die Formen ausschneiden. Und danlit sie sich nicht irren, legen sie erst eine Form, die von Papier gemacht ist, darauf — ritsch, ratsch! ein paar Striche darauf — dann schneidet die Schere auf dem Zeug entlang. Etwas weiterhin sind Näh­ maschinen, hu, wie viel, wohl 50 Stück, die alle drehen sich und schnattern und rappeln, daß man kaum ein Wort ver­ stehen kann. Die nähen die ausgeschnittenen Stücke in der richtigen Weise zusammen. Dann alles in einen großen Wäschekorb und die Treppe hinunter über den Hof in ein großes, rotes Haus, wo es dampft, als wenn es Herbst ist, in die Waschküche und später in die Plättstube. Dann ein rotes Band um die hübschen, weißen Stücke, eine feine Pappschachtel mit blauem Papier inwendig, ein goldener Name oben dar­ auf; so, da kann die Wäsche schlafen. Ein Wagen mit zwei Pferden davor, mit Kisten und Kasten drauf, der fährt nach dem Güterbahnhof. Aber nun waren die goldenen Knöpfe endlich gefunden; Fritz kaufte einen und lief, unter jedem Arm einen weißen Kasten, mit vergnügtein Gesicht nach Hause. Gansberg.

183. Wie die Menschen einander helfen. Mein Vater ist ein Schuster. Er macht neue Stiefel und flickt die alten. Aber wenn er einen Rock oder eine Hose braucht, muß er zum Schneider gehen. Der Schneider will neue Hemden haben, ja — da muß ihm die Näherin helfen, die für den Weißwarenladen arbeitet. Die Näherin kann ihre Wäsche nicht selber waschen, sie hat dazu keine Zeit und versteht es auch nicht so gut, wie das Nähen an der Nähmaschine. Aber die Wäscherin kann gut waschen, und so säubert sie die schmutzige Wäsche. Die Wäscherin braucht einen neuen Plättofen. Ja, aber sie kann keinen Ofen machen, da muß ihr der Schlosser helfen. Der Schlosser will eine größere Werkstelle haben, da muß er den Maurer bitten. Der Maurer kann wohl die Mauern machen, aber erst muß der Bauplan gezeichnet sein. Der Baumeister will

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Menschenleben.

Kaffee trinken. Aber er kann nicht erst darum nach Amerika reisen und den Kaffee im Schiffe herüberholen, das tut für ihn der Schiffskapitän. Der Schiffskapitän kann den Kaffee nicht selber verkaufen, das tut der Großkaufmann an der Börse im großen. Aber wenn man ein halbes Pfund Kaffee kaufen will, so geht man doch nicht an die Börse, sondern zum Krämer. Denn vom Großkaufmann hat der Krämer den Kaffee gekauft und sich einen Laden gemietet, wo er den Kaffee im Kleinen wieder verkauft. Der Großkaufniann will Rundstück zum Kaffee essen, da kommt der Brotträger und bringt sie ihm ins Haus. Hat der Brot­ träger die Rundstücke gebacken? Nein, das hat der Bäcker getan. Der Bäcker will Wurst haben, aber im Backofen gibt es keine Wurst. Er schickt aber zum Wurstmacher. Der Wurstmacher bekommt das Fleisch vom Schlachter. Der Schlachter kauft die Ochsen, Kälber und Schweine^ die ge­ schlachtet werden müssen, beim Bauern, der sie aufgezogen hat. Der Bauer braucht eiserne Werkzeuge, um die Erde locker zu machen, Pflug und Egge. Er kann diese Werk­ zeuge nicht selber machen, er muß deshalb zum Schmied gehen. Der Schmied, der Bauer, der Kaufmann und alle andern Leute haben Kinder. Die Kinder müssen unterrichtet werden. Die Eltern verstehen es nicht so gut und haben auch keine Zeit dazu. Aber Zeit hat der Lehrer und die Lehrerin. So kommen di« Kinder in die Schule. Die Kinder können aber nicht barfuß zur Schule gehen, sie müssen Schuhe und Stiefel haben. Da kommen die Eltern zu meinem Vater, der macht den Kindern neue Schuhe und flickt ihnen die alten. Alle, alle Menschen helfen einander, dazu sind sie da. Alle, alle sind Brüder und Schwestern, die einander helfen und lieben sollen. Ilse Frapan.

184. Auf dem Wochenmarkt. Ist das ein Gedränge! Kaum kann man hindurch­ kommen ; und wer es eilig hat, sollte ja einen Umweg machen. Tische, Körbe und Wagen versperren den Weg, und die Verkäufer haben, damit man ihre Waren recht sehen kann.

Nummer 154.

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die Kräuter und die Wurzeln, die Äpfel und Birnen und die toten Hühner und Hasen recht auseinandergebreitet. Und nun steht's noch voll von Menschen, die was kaufen wollen, von Frauen mit Markteimern und Netzen, von Dienern und Köchinnen mit weißen Häubchen, und von Zuschauern, die dem Handel zusehen wollen, und von Straßenjungen, die sich etwas für ihren Magen erhaschen wollen. Willst du, wenn du eilig einen Weg gehen mußt, mitten hindurchdrängen? Da könntest du leicht ein schlimmes Unheil an­ richten, wohl einen Korb mit Äpfeln umstoßen oder gar auf dem herumgestreuten Abfall ausrutschen und hinfallen. — Aber könnten die Bauerfrauen nicht auch besser in den Straßen auf und abgehen und vor den Häusern ver­ kaufen, die Kirschen und die Heidelbeeren, den weißen Sand und das Bundholz? Oder sollen etwa alle Händler, die von draußen kommen und in der Stadt verkaufen wollen, auf den Markt sich hinstellen, mit den Pferden und den Schweinen, mit Holz und Heu und Gras? Wie schön aber wäre es, wenn der Markt frei bliebe und sauber, der Markt mit seinen schönen, alten Häusern! Aber ist es nicht so? Wenn wir etwas kaufen, dann wollen wir auch gern Auswahl haben; wir wollen das Beste und Billigste kaufen, wir wollen die Sachen neben­ einander halten und vergleichen und prüfen. Darum gibt es ja verschiedene Märkte, darum gibt es Gemüse-, Blumen-, Obst-, Butter-, Geflügel-, Pferde-, Tannen-, Holz- und Steingut-Märkte! Damit wir Auswahl haben! Nun können wir aussuchen. Wir können schmecken, riechen, gegens Licht halten, in den Händen wiegen, dran klopfen, befühlen, aus­ breiten. Könnten wir nur immer so von einem Geschäft zum andern laufen. Man will doch nicht gern in einen Laden gehen und sich vielerlei zeigen lassen, wenn man doch nichts kaufen will s man wird schon ein Ding mitnehmen, wenn's einem auch nicht so sehr gefällt. Aber halt! Aussuchen kann man auch jetzt noch; dafür sind ja die Schaufenster da mit Proben und mit Preisen;

108

Menschenleben.

und dann sorgt jeder Ladenbesitzer noch für eine gute Aus­ wahl in seinen Schränken und Auszügen. So sind denn die Straßen mit ihren Schaufenstern auch wieder Märkte, und man kann sich nicht wundern, daß manche Marktleute selbst in einen Laden ziehen und Obst und Eier, Fische und Butter Hinterm Ladentisch verkaufen und nicht mehr unterm freien Himmel. Gansberg.

155. Wir ziehen um. Morgen ziehen wir in eine andere Straße. Die Mutter wickelt Papier um die Lampe. Der Kleiderschrank ist schon abgeschlagen. Der Küchenschrank ist schon leergepackt. Die Matratzen sind geklopft. Der Vater nimmt die Uhr von der Wand. Die Lehne vom Sofa steht abgeschraubt in der Ecke. Ich muß morgen einen Korb tragen. Das Mädchen putzt die Kessel in der Küche. Fritz rollt die Matten auf. Der Spiegel ist mit einem Tuche bedeckt. Alles ist schon fertig. Wenn es doch erst morgen wäre! Scharrelmann.

156, Boin Reisen. Manche Menschen bleiben immer da, wo sie wohnen. Die kennen dann nur ihr Dorf oder ihre Stadt. Höchstens gehn sie manchmal ins Nachbardvrf. Manchmal gehn sie auch in die Stadt, um einzukaufen. Aber auf dem Dorf gibt es auch schon viel zu sehn. Im Haus gibt es viele Dinge. Im Hof gibt es viele Dinge. Im Garten gibt es viel« Pflanzen, und im Wald gibt es noch mehr Pflanzen. Und jedes Ding hat einen Namen. Wenn man die Namen alle weiß, dann weiß man viel. Manche Leute wissen gar nicht, was eine Eiche ist. Wenn sie eine Eiche sehn, dann kennen sie sie nicht. Die haben eben nie eine Eiche ordentlich an­ gesehn. Man muß sich eben alles ordentlich ansehn. Und dann muß man fragen: Wie heißt das Ding? Es gibt viele tausend Dinge auf dem Dorf und auf dem Feld und in dem Wald. Die zahmen Tiere kennen wir alle. Aber die wilden Tiere kennen wir lange nicht alle. Wir kennen lange nicht

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Nummer 156 bis 157.

alle Käfer und alle Schmetterlinge. Da müssen wir noch oft fragen: Wie heißt das Tier? Tiere und Pflanzen wachsen von selber. Aber es gibt viele Dinge, die die Menschen gemacht haben. Solche Dinge gibt's in der Stadt mehr als auf dem Lande. Und in der großen Stadt gibt es viel mehr solche Dinge als in der kleinen Stadt. Wenn man das alles sehen will, dann muß man reisen. In alle Dörfer kann man gar nicht reisen. Es gibt viele Millionen Dörfer auf der Welt. In alle Städte kann man auch nicht reisen. Aber in viele Städte kann inan reisen. Manche Menschen sind in sehr vielen Städten gewesen. Die haben dann sehr viel gesehen von der Welt. Denn in jeder Stadt gibt es doch wieder andere Menschen. Die Häuser sehn in jeder Stadt ein bißchen anders aus. Und in jeder Stadt gibt es ein bißchen andere Dinge zu kaufen. In die Dörfer kommen die Menschen nicht so viel. Denn die meisten Menschen reisen mit der Eisenbahn. Und die Eisenbahn geht meistens an den Städten entlang. An den meisten Dörfern geht noch keine Eisenbahn vorbei. Man kann auch zu Fuß reisen. Da muß man aber eine Landkarte einstecken. Und dann muß man sich über­ legen, wo man hingehen will. Und dann muß man sich auf der Landkarte die Wege suchen. Und dann muß man sich auf der Landkarte die Städte suchen und die Dörfer, wo man durchgeht. Und dann muß man immer auf die Wegweiser aufpassen. Die Wegweiser sind große Pfähle mit einem Arm dran. Auf dem Arm steht, wo der Weg hin­ geht. Wenn zwei Wege abgehen, dann hat der Wegweiser zwei Arme. Und jeder Arm zeigt einen Weg entlang. Und auf jedem Arm steht, wo der Weg hingeht. Und meistens steht auch noch drauf, wie weit es ist.

157. Ein Rätsel. Am Wege steht ein langer Mann, So dünn als wie ein Stock, Er ist gar lustig angetan Mit einem bunten Rock.

Otto.

110

Menschenleben.

Er steht wohl manches Jahr schon dort, Streckt beide Arme aus Und geht doch nie ein Schrittlein fort Und geht auch nicht nach Haus, Zeigt allen, die vorübergehn, Die rechte Straße an Und spricht kein Wort, bleibt immer stehn, Der wunderliche Mann. Dieffenbach.

158. Schlaft ein! 1. Schlaft mir allzusammen ein. Meine sieben Kinderlein, In euern weichen Betten! Schlummert süß und schlafet aus, Steckt mir keins die Beinchen raus Unter eurer Decke!

2. Seid ihr dann geschlafen ein, Fliegt ein Engel ins Zimmer rein, Besieht sich alle sieben: Deine Kinder sind alle weiß und rot. Einen schönen Gruß vom lieben Gott, Ob sie auch fromm geblieben. 3. Meine sieben Kinder sind alle fromm, Sie wolln gern in den Himmel kommen, Schön Dank für Milch und Wecken! Bring wieder einen Gruß nach Haus: Es stecke auch keins die Beinchen raus Mehr unter seiner Decke. Leander (Sollmann).

159. Weißt du, wieviel Sterne stehen? 1. Weißt du, wieviel Sterne stehen An dem blauen Himmelszelt? Weißt du, wieviel Wolken gehen Weithin über alle Welt?

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Nummer 158 bis 160.

Gott der Derr hat sie gezählet. Daß ihm auch nicht eines fehlet An der ganzen groben Zahl.

2. Weißt du, wieviel Mücklein spielen In der Hellen Sonnenglut? Wieviel Fischlein auch sich kühlen In der Hellen Wasserflut? Gott der Herr rief sie mit Namen, Daß sie all ins Leben kamen, Daß sie nun so sröhlich sind. 3. Weißt du, wieviel Kinder frühe Stehn aus ihren Bettlein auf, Daß sie ohne Sorg und Mühe Fröhlich sind im Tageslauf? Gott im Himmel hat an allen Seine Lust, sein Wohlgefallen, Kennt auch dich und hat dich lieb.

Hey.

160. Noch einige Rätsel. 1.

Sag mir, ob du Sckuhe weißt. Die man nicht am Fuß zerreißt?

2. Es ist etwas in meinem Haus, Geht Tag und Nacht, kommt doch nicht naus.

3. Zuerst ein fest verschlossen Päcklein, Dann grünes Jäcklein, rotes Röcklein, Zuletzt von Steinen voll ein Säcklein. 4.

Er hat einen Kamm und kämmt sich nicht, Er hat eine Sichel-und ist kein Schnitter, Zwei mächtige Sporen und ist kein Ritter.

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Menschenleben.

5.

Ein hölzerner Rücken, Ein haariger Bauch, Dort liegt es im Kasten, Nun rat es halt auch! 6. Es saß eine Jungfrau auf dem Baum, Hatt ein rotes Röcklein an, Im Herzen war ein Stein. Rat, was mag das sein? 7. Durchs Fenster ragt hold Ein Balken von Gold.

8. Ich bin nicht schwer, allein kein Mann Mich durch die Stube werfen kann. 9. Eine weiße Gans, voll Federn schier, Jedoch der Schnäbel hat sie vier.

10. Eine große Tür, ein Häuschen klein, Und drinnen sind fünf Kämmerlein. Volkstümlich.

161. Sprichwörter. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Aller Anfang ist schwer. Allzuviel ist ungesund. Am Abend wird der Faule fleißig. An Gottes Segen ist alles gelegen. Bete und arbeite! Das Ei will klüger sein als die Henne. Der Klügste gibt nach. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Die besten Gedanken kommen hinten nach. Doppelt genäht hält besser.

113

Nummer 161. 11. 12.

Eigensinn bringt kein Gewinn. Ein kleines Fünkchen gibt ein großes Feuer.

13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

Ende gut, alles gut. Gebranntes Kind scheut das Feuer. Geschenkt und wieder genommen ist auch gestohlen. Gleich und gleich gesellt sich gern. Hunger ist der beste Koch. Ich weiß wohl, was ich habe, aber nicht, was ich kriege. Jedem Narren gefällt seine Kappe. Jeder fege vor seiner Tür. Jung gewohnt, alt getan. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Keine Rose ohne Dornen. Leicht gesagt, aber schwer getan. Liebe Kinder haben viele Namen. Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Faß voll Essig. Morgen, morgen, nur nicht heute, sprechen alle faulen Leute. Morgenstunde hat Gold im Munde. Nach getaner Arbeit ist gut ruhen. Nach Regen kommt Sonnenschein. Narrenhände beschmieren Tisch und Wände. Narren und Affen alles begaffen. Neue Besen kehren gut. Übung macht den Meister. Versprechen und Halten ziemt wohl den Jungen und Alten. Viele Hände machen bald ein Ende. Viele Hunde sind des Hasen Tod. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht aus morgen! Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Bolkstümlich.

27.

28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40.

Lestbuch 1.

LI. Allst.

8

114

Geschichten.

IV. Geschichten. 162. Der Widerhall. Der kleine Georg wußte noch nichts von dem Wider­ halle. Einmal schrie er auf der Wiese: „Ho, hopp!" Sogleich rief's im nahen Wäldchen auch: „Ho, hopp!" Er rief hierauf verwundert: „Wer bist du?" Die Stimme rief auch: „Wer bist du?" Er schrie: „Du bist ein dummer Junge!" und — dummer Junge! hallte es aus bcm Walde zurück. Georg ward ärgerlich und rief immer ärgere Schimpfnamen in den Wald hinein. Alle hallten getreulich wieder zurück. Er suchte hierauf den vermeinten Knaben im ganzen Wäldchen, um sich an ihm zu rächen, konnte aber niemand finden. Hierauf lief er nach Hause und klagte es der Mutter, wie ein böser Bube sich im Walde versteckt und ihn geschimpft habe. Die Mutter sprach: „Diesmal hast du dich selbst angeklagt. Du hast nichts vernommen als den Widerhall deiner eigenen Worte. Hättest du ein freundliches Wort in den Wald hineingerufen, so wäre dir auch ein freundliches Wort zurückgekommen." v. Schmid.

163. Der Kürbis und die Eichel. Ein Bauersmann lag in dem Schatten einer Eiche und betrachtete eine Kürbisstaude, die an dem nächsten Gartenzuunc emporwuchs. Da schüttelte er den Kopf und sagte: „Hm! hm! das gefällt mir nicht, daß die kleine, niedrige Staude eine so große, prächtige Frucht trägt, der große, herrliche Eichbaum aber nur so kleine, armselige Früchte hervorbringt. Wenn ich die Welt erschaffen hätte, so hätte mir der Eichbaum mit lauter großen, goldgelben, zentnerschweren Kürbissen prangen müssen. Das wäre dann eine Pracht zum Ansehen gewesen!"

115

Nummer 162 bis 164.

Kaum hatte er dieses gesagt, so fiel eine Eichel herab und traf ihn so stark auf die Nase, daß sie blutete. „O weh!" rief jetzt der erschrockene Mann, „wenn diese Eichel ein Kürbis gewesen wäre, so hätte er mir die Nase ganz zerquetscht." v. Schmid.

164. Der Menschenfresser. Zwei Knaben aus der Stadt verirrten sich in einem fürchterlichen Walde und blieben dort in einemunansehnlichen, einsamen Wirtshause über Nacht. Um Mitternacht hörten sie in der nächsten Kammer reden. Beide hielten sogleich die Ohren an die hölzerne Wand und horchten. Da vernahmen sie deutlich die Worte: „Weib, schüre morgen früh den Kessel, ich will unsere zwei Bürschlein aus der Stadt metzgen!" Die armen Kinder empfanden einen Todesschrecken. „O Himmel, dieser Wirt ist ein Menschenfresser!" sagten sie leisezueinander und sprangen beide zum Kammerfenster hinaus, um zu ent­ laufen. Allein zu ihrem neuen Schrecken fanden sie das Hoftor verschlossen. Da krochen sie zu den Schweinen in den Stall und brachten die Nacht in Todesängsten zu. Am Morgen kam der Wirt, machte die Stalltür auf, wetzte sein Messer und rief: „Nun, ihr Bürschlein, heraus! eure letzte Stunde ist gekommen." Beide Knaben erhoben ein Jammergeschrei und flehten auf den Knieen, sie doch nicht zu schlachten. Der Wirt wunderte sich, sie im Schweinestall zu finden, und fragte, warum sie ihn für einen Menschenfresser hielten. Die Knaben sprachen weinend: „Ihr habt ja heute Nacht selbst gesagt, daß Ihr uns diesen Morgen metzgen wollet." Allein der Wirt rief: „O, ihr törichten Kinder! euch habe ich nicht gemeint. Ich nannte nur meine zwei Schwein­ lein, weil ich sie in der Stadt gekauft habe, im Scherze meine zwei Bürschlein aus der Stadt. So geht's aber, wenn man horcht. Da versteht man vieles unrichtig, hat andere leicht im falschen Verdacht, macht sich selbst unnötige Sorgen, gerät in Angst und zieht sich manchen Verdruß zu." v. Schmid. 8*

116

Geschichten.

165. Der kleine Apfel. 1. In meinem kleinen Apfel Da sieht es niedlich aus. Es sind darin fünf Stübchen, Grad wie in einem Haus.

2. In jedem Stübchen wohnen Zwei Kernchen schwarz und klein. Die liegen drin und träumen Vom lieben Sonnenschein.

3. Gar Wie Am

Sie träumen auch noch weiter einen schönen Traum, sie einst werden hängen lieben Weihnachtsbaum. Käte Joel.

166. Der kluge Landmann und sein Pferd. Einem Bauersmanne wurde zu Nacht sein schönstes Pferd aus dem Stalle gestohlen. Er reiste fünfzehn Stunden weit auf einen Pferdemarkt, ein anderes zu kaufen. Aber sieh! unter den feilen Pferden auf dem Markte erblickte er auch sein Pferd. Er ergriff es sogleich bei dem Zügel und schrie laut: „Der Gaul ist mein, vor drei Tagen wurde er mir gestohlen." Der Mann, der das Pferd feil hatte, sagte sehr höflich: „Ihr seid unrecht daran, lieber Freund! ich habe das Roß schon über ein Jahr. Es ist nicht Euer Roß, es sieht ihm nur gleich." Der Bauer hielt dem Pferd geschwind mit beiden Händen die Augen zu und rief: „Nun, wenn Ihr den Gaul schon lange habt, so sagt, auf welchem Auge ist er blind?" Der Mann, der das Pferd wirklich gestohlen, aber noch nicht so genau betrachtet hatte, erschrak. Weil er indes doch etwas sagen mußte, so sagte er aufs geratewohl: „Auf dem linken Auge." — „Ihr habt es nicht getroffen," sagte der Bauer, „auf dem linken Auge ist das Tier nicht blind." — „Ach," rief jetzt der Mann, „ich habe mich nur versprochen; auf dem rechten Auge ist es blind!" Nun deckte der Bauer die

117

Nummer 165 bis 167.

Augen des Pferdes wieder auf und rief: „Jetzt ist es klar, daß du ein Dieb und ein Lügner bist. Da seht alle her, der Gaul ist gar nicht blind. Ich fragte nur so, um den Diebstahl an den Tag zn bringen." Die Leute, die umherstanden, lachten. Katschten in die Hände und riefen: „Ertappt, ertappt!" Der Roßdieb mußte das Pferd wieder zurückgeben und wurde zur verdienten Strafe gezogen. v. Schmid.

167. Dieb! Dieb! In des Nachbars Garten stand ein prächtiger Kirsch­ baum. Die Kirschen waren eben reif geworden, und der kleine Hans schaute oft mit Verlangen danach. Er hätte zu gerne einige von den schönen roten Kirschen gehabt. Eines Tages war der Nachbar im Feld, und seine Frau und die Kinder waren auch ausgegangen. Jetzt könnte ich mir ein paar Kirschen holen! sagte Hans zu sich selbst, der Nachbar ist nicht zu Hause, und gezählt, wird er die Kirschen nicht haben; er sieht es nicht und wird es nicht merken, wenn ich mir ein paar hole — nur ein paar möchte ich haben. Schnell kroch Hans durch eine Lücke in des Nachbars Garten, schlich sich leise zum Kirschbaum, schaute sich noch einmal ängstlich um, und dann kletterte er flink wie ein Eichhörnchen hinauf. Mit zitternder Hand reichte er eben nach ein paar schönen, roten Kirschen, da rief eine feine Stimme ganz deutlich: „Dieb! Dieb!" — Erschrocken zog Hans die Hand zurück und schaute sich um, aber er konnte niemand sehen. Ängstlich streckte er darum die Hand wieder nach den saftigen Kirschen aus. Eben wollte er sie abreißen, da rief's wieder: „Dieb! Dieb!" mit ganz feiner Stimme. Hans fuhr zusammen. Da er aber durchaus nicht sehen konnte, woher die Stimme kam, wagte er's noch einmal zu­ zugreifen. Aber ehe er noch die Kirschen abgestreift hatte, rief's wieder und zwar rechts und links und von oben aus der Spitze des Baumes: „Dieb! Dieb! Dieb! Dieb!" Da rutschte Hänschen geschwind vom Baume hinab, wobei

118

Geschichten.

er sich die Hosen zerriß, und lief, so schnell er konnte, zum Garten hinaus. Ihm war's, als ob es immer hinter ihm her riefe: „Dieb! Dieb!" — Erst als er glücklich wieder durch die Lücke in der Hecke hindurchgeschlüpft war, wagte er es sich umzuschauen. Er sah aber nichts als ein paar junge Sperlinge, die saßen auf dem Kirschbaum, ließen sich die schönen Kirschen wohl schmecken und schrien laut dazu, und das klang dem kleinen Hans gerade wie: Dieb! Dieb! weil er kein gutes Gewissen hatte. „Ihr dummen Spatzen," sagte Hänschen ärgerlich, „ihr seid selbst Diebe, nichtsnutzige Diebe seid ihr, was braucht ihr mich so zu erschrecken?" Die Spatzen ließen sich durch solche Anrede gar nicht stören, sie fraßen dem Nachbar die besten Kirschen weg und riefen immer lustig weiter: „Dieb! Dieb!" — „Ihr seid recht dumme Spatzen und arge Spitz­ buben dazu," sagte Hans, „aber es ist gut, daß ihr mich so erschreckt habt, sonst wäre ich wirklich ein Dieb geworden, wie ihr es seid. Ich will mir's merken. Pfui, wie häßlich ist es, ein Dieb zu sein." Dieffenbach.

168. Das Kind und die Wölfe. Auf dem Riesengebirg war einmal eine arme Frau, die hatte ein kleines Kind und auch eine große Herde. Die Herde aber war nicht der Frau, sondern sie hütete sie nur. Und da saß sie einmal mit ihrem Kinde an dem Walde und gab dem Kinde Brei aus dem Napfe, und die Kühe weideten unter­ dessen auf dem Grase.

In dem Walde waren böse Wölfe, und da die Kühe von dem Grase in den Wald gingen, wo es kühl war und auch viel Gras wuchs, dachte die Frau, der Wolf könnte kommen und könnte die Kühe fressen. Und da stand sie auf, gab dem Kinde den Napf mit dem Brei und einen hölzernen Löffel dazu und sagte: „Da, Kindchen, nimm und iß! nimm aber den Löffel nicht zu voll!" Und nun ging sie in den Wald und wollte die Kühe heraustreiben. Und wie nun das Kind so allein da saß

Nummer 168.

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und aß, kam eine große, große Wölfin aus dem Walde heraus­ gesprungen und gerade auf das Kind los und faßte es mit den Zähnen hinten an der Jacke an und trug es in den Wald. Und da die Mutter wieder kam, war kein Kind mehr da, und der Napf lag auf der Erde, aber der Löffel lag nicht dabei;

denn den hatte das Kind in der Hand festgehalten. Und wie das die Mutter sah, dachte sie gleich: das hat kein anderer getan als der Wolf! und lief in das Dorf und schrie entsetz­ lich, daß die Leute herauskämen. Da kam ein Bote durch den Wald gegangen, der hatte sich verirrt und wußte nicht, wo er war. Und wie er so durch die Büsche geht und den Weg sucht, hört er etwas sprechen und denkt gleich: da müssen doch wohl Leute sein. Und es sagte immer: „Geh oder ich geb dir was!" Und wie er nun die Büsche voneinandermacht und sehen will, was es ist, sitzt ein Kindchen auf der Erde, und sechs kleine Wölfchen drum herum, die fahren immer auf das Kind zu und schnappen ihm nach den Händen — aber die alte Wölfin war nicht dabei, die war wieder in den Wald gelaufen — und wenn ihm nun die Wölfchen nach den Händen schnappen, schlägt es sie mit dem hölzernen Löffel auf die Nase und sagt immer dazu: „Geh oder ich geb dir was!"

Und der Bote wunderte sich und lief geschwinde hin und schlug mit dem Stocke unter die kleinen Wölfe, daß sie alle davon liefen, und das Kind nahm er geschwind von der Erde in die Höh und lief und lief, denn er dachte, die alte Wölfin könnte wiederkommen; und da währte es gar nicht lange, da kamen auch die Bauern aus dem Dorfe mit Heugabeln und Dreschflegeln und wollten den Wolf tot machen. Und die Mutter war auch dabei. Und da sie sah, daß der Wolf das Kind nicht gefressen hatte, war sie sehr vergnügt und dankte dem guten Manne tausendmal und noch mehr dem lieben Gott, daß er ihr das Kind nicht hatte fressen lassen. Jacobs.

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Geschichten.

169. Der Strohmann. Ein Bauer hatte einen gar schönen Weizenacker, die Ähren waren voll Körner, und die Körner waren beinahe reif. Da kamen die bösen Spatzen, fielen ihm in seinen Weizen und fraßen die Körner, und wenn sie es so fortgetrieben hätten, so hätte der Mann gar nichts bekommen. Da ging er des Morgens in aller Frühe hinaus, um auf diese Spitzbuben zu schießen; allein als er hinkam, waren sie schon dagewesen, denn die Spatzen stehen noch früher auf als die Bauern. Und sie hatten ihm schon wieder ein Stück Weizen aufgefressen nnd saßen nun auf des Nachbars Kirschbaum, naschten Kirschen

und lärmten, als wenn sie sich über ihre Spitzbüberei freuten. Der Bauer besann sich, was er machen sollte, denn seinen guten Weizen wollte er ihnen doch nicht lassen. Auf einmal siel ihm ein Mittel ein. Als er nach Hause kam, nahm er einen Stock, so groß als ein Mensch, wickelte Stroh darum, bis er dick genug war, machte ihm zwei Arme, zog ihm dann seinen alten Rock an, setzte ihm seinen alten Hut auf und gab ihm eine große Peitsche in die Hand. Als die Spatzen schlafen gegangen waren, nahm er dieses Unge­ tüm, trug es hinaus und stellte es mitten in seinen Weizen­ acker, gerade als wenn es ein lebendiger Mann wäre. Den andern Morgen, sobald die Spatzen aufwachten, flogen sie eiligst nach dem Acker, wo sie es sich gut schmecken lassen wollten; aber als sie hinkamen, siehe, da stand schon der Bauer in seinem alten Rocke und in seinem alten Hüte und drohte ihnen mit der Peitsche. Sie mochten warten, so lange sie wollten, er blieb immer stehen, und wenn der Wind kam, so schwang er seine Peitsche so hoch, daß es ihnen ernstlich bange wurde. Endlich flogen sie mit hungrigem Magen nach Hause. Lurtman.

170. Das Fünkchen. Das Kind hatte mit dem Fünkchen gespielt, obgleich seine Mutter es schon oft verboten hatte. Da war das Fünkchen fortgeflogen und hatte sich ins Stroh versteckt. Aber das Stroh

Nummer 169 bis 172.

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fing an ju brennen, und es entstand eine Flamme, ehe das Kind daran dachte. Da wurde dem Kind bange, und es lief fort, ohne jemand etwas von der Flamme zu sagen. Und da niemand Wasser darauf schüttete, ging die Flamme nicht aus, sondern breitete sich im ganzen Hause aus. Als sie an die Fenstervorhänge kam, wurde sie noch größer, und das Bett, worin das Kind des Nachts schlief, brannte hell auf, und die Tische und die Stühle und die Schränke und alles, was der Vater und die Mutter hatten, wurde vom Feuer gefaßt, und die Flamme wurde so hoch wie der Kirchturm. Da schrieen alle Leute vor Schrecken, die Soldaten trom­ melten, die Glocken läuteten; es war fürchterlich zu hören, und die Flamme war schrecklich zu sehen. Nun fing man an zu löschen mit Wasser, das man in das Feuer schüttete und spritzte; aber es half nicht eher, als bis das Haus zusammenge­ brannt war und nur noch ein paar Kohlen und ein bißchen Asche übrig war. Da hatten nun die Eltern des Kindes kein Haus mehr und kein Plätzchen, wo sie wohnen, und wo sie schlafen konnten, und auch kein Geld, um sich ein neues Hau» und neue Betten und Tische und Stühle zu kaufen. Ach, wie weinten da die armen Eltern! Und das Kind, das mit dem Fünkchen gespielt hatte, war schuld daran. Eurtman.

171. Ein Rätsel. Im Ofen ist sein Aufenthalt, Kann fressen einen ganzen Wald, Mit Wasser macht man's mausetot; Wen's trifft, der leidet Schmerz und Not. Volkstümlich.

172. Das Töpfchen. Das Töpfchen stand in der Küche und sah so neu und s» rein aus, daß man seine Freude daran hatte. Da kam dar Kind, faßte es an und wollte damit spielen. Das schöne Töpf­ chen aber sagte: „O, mach mich nicht schmutzig! man wirs gleich so häßlich, wenn man nicht rein ist, und wenn ich nicht

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Geschichten.

blinke und glänze, wird mich niemand haben wollen." Das Kind lachte darüber und sagte: „Du bist ja gar zu empfind­ lich ; es wird dir nichts schaden, wenn ich ein wenig mit dir spiele." Aber es war gar nicht vorsichtig, sondern stellte das Töpfchen in die Asche und an den Rauch und griff es mit un­ reinen Händen an, so daß die Schönheit hin war. Da klagte das Töpfchen der Magd, weil das Kind es so schmutzig gemacht habe, und weil es nun so häßlich dastehen sollte; und die Magd hatte Mitleid, reinigte es wieder, machte es blank und stellte es wieder an seinen Platz. Bald aber kam das Kind wieder und faßte das schöne Töpfchen an, um damit zu spielen. Da sagte das Töpfchen: „O, laß mich stehen, daß du mich nicht zerbrichst! denn wenn ein Töpfchen einmal zerbrochen ist, so kann es niemand wieder machen." Das Kind aber hörte nicht, sondern spielte immer weiter mit dem Töpfchen. Da fiel das schöne Töpfchen auf die Erde und zersprang in lauter Scherben. Nun war es dem Kinde doch leid, daß es das arme Töpfchen zerbrochen hatte, und es las die Scherben zusammen und wollte sie wieder leimen lassen, aber es war niemand, der das konnte, und das zer­ brochene Töpfchen war und blieb entzwei. Curtman.

178, Die beiden Ziegenböcke. Es waren einmal zwei Geißböcke, die hatten starke Hörner und lange Bärte. Diese begegneten sich auf einem Stege mitten über einem tiefen Wasser. Da sprach der eine: „Geh mir ans dem Wege, oder ich stoße dich!" Der andere aber antwortete: „Wenn du stößt, so stoße ich wieder, und ich gehe nicht aus dem Wege." Und so gerieten sie aneinander, als wenn es Mauersteine wären. Ich glaube, sie warm sich gleich an Stärke, denn es konnte keiner den andern zurück drücken. Aber daran hatten sie nicht gedacht, daß man auch ausgleiten kann. Und doch geschah es so. Die Köpfe streiften nebenein­ ander her, und der eine Bock purzelte auf der rechten Seite, der andere auf der linken Seite des Steges hinunter und tief

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Nummer 173 und 174.

in das Wasser hinein. Zum Glück konnten sie schwimmen und kamen nach vieler Anstrengung wohl durchnäßt und mit steifem Nacken an das Ufer. Sie hätten zwar gerne noch einmal an­ gefangen, allein der Mut war ihnen doch vergangen, auch ärgerten sie sich über das Gelächter der Leute, welche zugesehen hatten. Und wenn sie wieder an einen schmalen Steg kamen, so sahen sie sich zuerst um, ob nicht schon jemand darauf ginge,

und warteten lieber, bis der Steg leer war. Curtman.

174. Der Wein. Es waren einmal zwei Kinder, die hießen Kordelchen und Michelchen. Kordelchen war ein ganz klein bissel dumm, und Michelchen war gerade nicht übertrieben gescheit. Eines Tages sahen die Kinder, daß ihre Mutter Wein trank. Da fragte Kordelchen: „Mutter, von welcher Kuh hast du den Wein gemolken?" — „Du Närrchen!" rief die Mutter, „der Wein kommt nicht von der Kuh, sondern vom Weinstock." Michelchen aber sprach: „Mutter, ich hab heut eine halbe Stunde unterm Weinstock gelegen und schaut immer hinauf nach den Beeren da oben, macht auch den Mund aus, wie ich's immer tu, aber kein Wein ist mir in den Mund kommen." — Da seufzte die Mutter und sprach: „Ihr Dummköpf, der Wein wird so gemacht: erst schneidet man die Weintrauben vom Stock, dann tritt man sie mit Füßen, darauf läßt man den Saft stehen und geht nach Haus, nach einem Monat aber

sieht man wieder zu, dann ist's klarer Wein." Ein Monat war vergangen, da kamen die Kinder an einem regnerischen Tage mit einem Glase zur Mutter, in dem Glase aber war schmutziges Regenwasser darin. „Was habt ihr denn da?" fragte die Mutter. „Wein!" antwortete Michelchen und lachte übers ganze Gesicht. „Sprich nicht so dumm!" schalt die Mutter, „wie soll denn die Schmutz­ brühe da Wein sein?" — „Ei, doch!" schmunzelte Kordelchen, „er ist nur nicht so klar als der, den du trinkst. Weißt du wohl, Mutter, vor einem Monat erzähltest du uns, wie man

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Geschichten.

den Wein macht. Nun haben wir's gerad so gemacht. Wir gingen hinaus zum Winzer, der schnitt uns eine Weintraube ab, die traten wir mit Füßen, darauf ließen wir den Saft stehen, und als wir heute nachsahen, war dieser Wein da, gerad auf derselben Stelle an der Erde, wo wir vor einem Monate die Weintraube zertreten haben." Da seufzte die Mutter, daß Michelchen so wenig gescheit und Kordelchen ein bissel dumm war. Reinick.

178. Die Katze and die drei Hunde. Die Katze war in die Speisekammer geschlichen und hatte eine Bratwurst gestohlen. Als sie wieder herauskam, wollte sie sich ganz leise mit ihrer Wurst davonschleichen, allein es gelang ihr nicht. Denn es spielten gerade drei Hunde vor der Türe, das Möpschen, das Pommerchen und das Spitzchen. Da wurde ihr bange, die Hunde möchten verraten, was sie ge­ tan habe, und sie werde dann ihre Bratwurst wieder hergeben müssen und obendrein Schläge bekommen. Da ging sie hin zu dem Möpschen und sagte ihm leise in das Ohr: „Liebes Möpschen, wenn du stille schweigst und niemand sagst, wo ich gewesen bin, so gebe ich dir ein Stück von meiner Bratwurst." Das Möpschen betrachtete und beroch die Bratwurst, und weil sie ihm gut gefiel, sagte es: „Ja, ich will stille schweigen!"

Darauf ging die Katze zu dem Pommerchen und sagte ihm leise in das Ohr: „Liebes Pommerchen, wenn du stille schweigst und niemand sagst, wo ich gewesen bin, so gebe ich dir ein Stück von meiner Bratwurst." Das Pommerchen be­ trachtete und beroch auch die Bratwurst, und weil sie ihm gut gefiel, so sagte es: „Ja, ich will kein Wörtchen sagen!" Nun ging die Katze auch zu dem Spitzchen und sagte ebenso. Aber der Spitz wollte keine gestohlene Wurst essen und auch nichts mit der spitzbübischen Katze zu tun haben. „Nein," sprach er, „du Betrügerin, du Diebin! ich begehre keine Brat­ wurst von dir." Und er faßte sie am Ohr und führte sie in

Nummer 175 bis 178.

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die Küche und erzählte da alles, wie es gewesen war. Da wurde der Katze die Bratwurst abgenommen, und sie bekam tüchtige Schläge, weil sie in die Speisekammer geschlichen war und gestohlen hatte. Das Möpschen und das Pommerchen wurden ausgescholten und bekamen den ganzen Tag nichts zu essen, weil sie den Diebstahl verheimlicht hatten. Der Spitz aber wurde gelobt und bekam die ganze Bratwurst zur Be­

lohnung.

Curtman.

176. Das Mansche« «nd der Löwe. Einst lag ein Löwe im Schatten des Waldes und schlief. Da lief ein Mäuschen leichtsinnig über ihn weg. Er wachte auf und haschte den Ruhestörer. „Du sollst sterben!" rief er­ zürnt der Löwe. „Ach," bat das zitternde Mäuschen, „Gnade, Herr Löwe, Gnade! was brächte es Euch für Ehre, ein so kleines Tierchen, wie ich bin, zu töten?" — Da wurde der Löwe sanft und schenkte dem Tierchen die Freiheit. Froh schlüpfte die Maus fort, indem sie sagte: „Wenn ich Euch ein­ mal wieder gefällig sein kann, so soll es mich freuen." Wenige Wochen darauf hatte sich der Löwe unvorsichtigerweise in dem Netze eines Jägers gefangen. Vergebens suchte er sich loszu­ machen. Die Knoten und Stricke waren zu fest, und sein ängstliches Gebrüll schallte so laut durch den Wald, daß sich alle Tiere scheu verkrochen. Nur unser Mäuschen schlich neu­ gierig herbei und sah den Löwen in Gefahr. „Wart," sprach es, „weil Ihr mir neulich das Leben schenktet, so will ich Euch heute schon helfen!" Hiermit fing die Maus an, mit ihren scharfen Zähnchen die Knoten des Netzes zu zernagen; bald war auch die Öffnung groß genug und der Löwe gerettet. Im Weggehen dankte er der kleinen Maus und sagte: „Wahrlich, auch der Schwächste und Kleinste kann nützlich werden!" Kellner.

177. Der Fuchs und die Trauben. Lange Zeit war Reineke, der Fuchs, in der Nähe des Dorfes umhergestrichen, aber er hatte diesmal weder Hahn noch Hähnchen erwischen können. Wie er nun betrübt in

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Geschichten.

den Wald zurückschleichen wollte, führte ihn sein Weg noch zuletzt an einem ganz einsam gelegenen Bauernhaus vorbei, an dessen Wand ein großer Weinstock seine Reben ausbreitete. Dran hingen, verlockend und lieblich anzuschauen, viele reife blaue Trauben; die unteren hatten die Kinder allerdings schon abgegessen, und. was so blau herunterblickte, das hing sehr hoch. Der Fuchs ist ein Hühnerdieb, aber süße Trauben nascht er für sein Leben gern, und heute war er noch nüchtern. Nach­ dem er erst lange die schönen Früchte gierig betrachtet hatte, tat er einen gewaltigen Satz, um eine zu erhaschen. Doch, wie gesagt, die Trauben hingen hoch. Nochmals gesprungen, und zum drittenmale! Aber vergebliche Mühe! Die Stare und Sperlinge, die da saßen, lachten hell aus. „Was gibt's da zu lachen?" sprach Reineke und zog die Schnauze verächtlich zusammen, „denkt ihr vielleicht, ihr albernen Vögel, ich wollte Trauben haben? Da irrt ihr euch sehr, diese Trauben sind noch unreif, die sind mir viel zu sauer, ich mag sie gar nicht!" Und damit zog er ab, hungrig wie zuvor. Aber die bösen Spatzen lachten noch viel ärger hinter ihm drein. K. H.

178. Der Storch und der Fuchs. Daß der Fuchs ein rechter Schalk ist, werdet ihr schon gehört haben. Einmal hatte er auch den Storch zu einer Mahlzeit eingeladen. Als der erschien, setzte er ihm ver­ schiedene Suppen vor in großen flachen Tellern. Der Fuchs selbst verzehrte die Suppen mit Leichtigkeit und nötigte fort­ während den Herrn Langbein, ein Weiches zu tun. Der aber hatte einen gar langen Schnabel, mit dem es ihm nicht möglich war, von der Suppe etwas zu erhalten. Er merkte nun wohl, daß es darauf abgesehen war, ihn zunr besten zu haben. Aber er ließ sich seinen Unmut nicht merken, lobte die Bewirtung und dachte nur: Dem willst du es schon ver­ gelten! Als er nach Hause gehen wollte, bat er den Fuchs, am andern Tage doch auch sein Gast zu sein. Dieser versprach es und stellte sich zur rechten Zeit ein. Er fand herrlich duftende Speisen; aber alle wurden in

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langhalsigen Flaschen aufgetragen. „Nun, lieber Freund," sprach der Storch, „laßt es Euch auch gut schmecken, greift dreist zu!" Mit diesen Worten machte er sich über die Flaschen her und leerte eine nach der andern. Leider fehlte es aber dem Fuchs an dem langen Schnabel, um in die Flaschen zu langen. Hungriger, als er gekommen war, mußte er wieder nach Hause laufen. Und wie ärgerte er sich, daß er sich hatte von einem Storch so anführen lassen! K. H.

179. Der Esel in der Löwenhaut. Ein Esöl fand einmal eine Löwenhaut. Nachdem er sie lange betrachtet, kam er auf einen seltsamen Gedanken; er schlüpfte in die Haut, spazierte in den Wald und schreckte nun die Tiere. Die hielten ihn wirklich für den Löwen, ergriffen zitternd die Flucht oder versteckten sich auf Bäume und in allerlei Schlupfwinkel, wie es ein jedes ver­ mochte oder gewohnt war. Nur der Fuchs blieb stehen, denn er hatte den Esel vorher schreien gehört. Vergeblich schüttelte unser Held die Löwenmähne, die um seine Schultern hing; der Fuchs floh nicht, vielmehr sagte er höhnisch: „Hättest du stillgeschwiegen, dann hätte ich mich vielleicht vor dir gefürchtet, Freund Langohr. Aber ich habe soeben dein Löwengebrüll gehört, das klang immer i-a! i-a! Mir machst du keine Wippchen vor. Tu die Maske nur ab! du bleibst doch nur, was du bist, ein Esel." K. H.

180. Der Affe und die Stiefel. Jedes Kind, welches schon einmal einen Affen gesehen hat, weiß, daß diese Tiere eine entfernte Ähnlichkeit mit den Menschen haben, nur sind sie viel häßlicher, denn es sind ja Tiere und keine Menschen; aber sie haben Hände und können sehr possierlich und gewandt springen und klettern. Die Affen machen gern alles nach, was sie den Menschen abschen, darum nennt man ja auch.manchmal im Scherz einen Menschen, der alles nachmacht, einen Affen. Im Lande Brasilien, wo es viel heißer ist, als bei uns, gibt es sehr viele Affen; sie leben

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Geschichten.

dort in den Wäldern, wie bei uns die Eichhörnchen, und springen und Hüpfen, ähnlich wie diese, von Ast zu Ast und von Baum zu Baum, lustig und flink, mit großem Geschrei. In diesem Lande ging einmal ein Mann in den Wald, um sich einen Assen zu fangen, den er seinen Kindern zum Spielen mitbringen wollte; aber es gelang ihm nicht, denn die Affen kamen zwar ganz nahe herbei, allein wenn der Mann einen haschen wollte, da war der flinke Bursche — eins, zwei, drei! wieder oben auf einem Baume. Da kam der Mann auf einen klugen Gedanken; er stellte sich, als kümmere er sich gar nicht mehr um die Affen, setzte sich unter einen Baum und zog erst einen Stiefel aus, darauf den andern, nach einer Weile zog er beide Stiefel wieder an, dann zog er sie wieder aus und wieder an, und so fort. Die Affen sahen neugierig vom Baum herunter zu, was der Mann da wohl täte. Zuletzt zog er nochmals die Stiefel aus, bestrich sie inwen­ dig mit Vogelleim, stellte sie hin und tat, als ob er wegginge. Er versteckte sich aber in der Nähe. Nach einer Weile kam der größte Affe vorsichtig den Baum heruntergeklettert, besah sich die Stiefel, setzte sich auf die Erde und zog die Stiefel an, gerade so, wie er gesehen hatte, daß der Mann es gemacht hatte. Nun wollte er sie wieder ausziehen, aber, o weh! sie klebten fest und gingen nicht mehr aus. Der Mann hatte von seinem Versteck aus alles beobachtet und kam nun herbeige­ laufen. Der Affe, der in den großen Stiefeln steckte, wollte wieder — eins, zwei, drei! auf seinen Baum hinaufklettern, aber das ging nicht, die Stiefel waren ihm viel zu unbequem, er konnte nicht einmal weglaufen. Da legte ihm der Mann rasch ein Halsband an und steckte ihn in einen großen Sack, den er sich dazu mitgebracht hatte. Der Affe zappelte, kratzte und schrie, und die andern Affen schrieen auch, aber es half nichts; der Affe war gefangen. K. H.

181. Der Geizhals. Ein Geizhals hatte sich eine große Kiste voll Goldstücke zusammengespart; aber nun hatte er nicht bloß Angst, Diebe

Nummer 181 und 182.

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könnten ihm davon stehlen, sondern er fürchtete sogar, daß er selbst davon nehmen könnte, um sich dafür Kleider, Essen und andere Dinge zu kaufen. Darum ließ er seinen ganzen Schatz einschmelzen und einen einzigen, großen Goldklumpen daraus machen. Diesen versteckte er sorgfältig in seinen Keller und stieg jeden Tag hinunter, um sich an dem Anblick seines Reichtums zu laben. Ein Dieb, der diese tägliche Beschäfti­ gung des Geizhalses gemerkt hatte, brach in den Keller ein, fand richtig den Goldklumpen und stahl ihn. Als nun am andern Tage der Geizige seinen Schatz in gewohnter Weise betrachten wollte, war er nicht mehr da. Da fing er an zu wehklagen und sich die Haare auszuraufen. Als sein Nach­ bar ihn so jammern hörte und die Ursache erfahren hatte, kam er zu ihm, um ihn zu trösten. „Die Sache ist ja gar­ nicht so schlimm," meinte er, „nimm doch einen großen Stein, lege ihn an denselben Platz, wo der Goldklumpen lag, und betrachte täglich den Stein! Wenn du dir dann einbildest, das sei dein Gold, dann hast du ja vom Stein denselben Nutzen, wie bisher von dem Golde." K. H.

182, Der lügenhafte Hirt. In einer Gegend, wo lauter grüne Wiesen waren, weideten viele Schafherden; aber da war auch ein großer Wald in der Nähe, wo böse Wölfe hausten, die brachen manchmal in die Herden ein, bissen viele Schafe tot und schleppten sie dann in den Wald. Darum wachten des Nachts immer einige Hirten, und ihre Hunde halfen ihnen wachen. Nun war ein junger Hirt, der gar zu gerne die andern Hirten neckte und sich freute, wenn er sie recht in Angst bringen konnte. Darum schrie er manchmal, so laut er konnte: „Ein Wolf! ein Wolf!" und wenn dann die andern Hirten herbeieilten, da stand er ganz ruhig da und lachte sie noch aus, weil er sie so angeführt hatte und gar kein Wolf zu sehen war. Wie er es aber mehrmals so gemacht hatte, glaubten ihm die andern nicht mehr, und wenn er noch so laut Hesset, Lesebuch 1. 11. Stuft. 9

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Geschichten.

schrie: „Ein Wolf! ein Wolf!" kam doch niemand herbei. Aber eines Abends kam wirklich ein Wolf, und der junge Hirt schrie, so laut er konnte: „Ein Wolf, ein Wolf! diesmal ist es ganz wirklich ein Wolf, ihr Leute, kommt mir doch zu Hilfe!" Aber die andern Hirten blieben ruhig in ihren Hütten, und der Wolf erwürgte viele Schafe. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und wenn er auch die Wahrheit spricht. K. H.

183. Wie der Fuchs und der Wolf in den Brunnen stiegen. Der Fuchs kam einmal an einem heißen Sommertag an einen Ziehbrunnen, der mitten auf dem Felde war; er sah, daß an einer Kette zwei Eimer hingen, einer war unten im Brunnen, der andere oben. Weil der Fuchs so großen Durst hatte, sprang er, ohne sich zu besinnen, in den Eimer und fuhr gemächlich hinunter in den tiefen Brunnen. Der andere Eimer aber schwebte wieder hinauf. Als der Fuchs sich satt getrunken hatte, war er in großer Not, wie er wieder herauskäme. Er bellte wie ein Hund, aber es wollte niemand kommen, der ihm heraushalf. Endlich ging der Wolf oben vorbei, und wie er das Gebell hörte, guckte er in den Brunnen hinunter, da sah er drunten den Rotfuchs. Und wie er ihn fragte, warum er denn so jammere, da sagte der Fuchs: „Der Leib schmerzt mich, weil ich zu viel Fische gegessen habe hier unten im Wasser. Steig doch in den Eimer oben, dann kommst du auch herunter und kannst gute Fische essen!" Der Wolf war dumm genug, dem listigen Fuchs zu glauben, und stieg in den Eimer. Und merkwürdig! wie er mit dem Eimer in die Tiefe fuhr, da sah er, wie der andere Eimer mit dem Fuchs ihm entgegen kam, und er rief den Fuchs laut an: „Rotfuchs, wie geht denn das zu?" Da sagte der Fuchs: „Auf und ab geht es hier, wie überall in der Welt, einer wird erniedrigt, und ein anderer wird erhöht. Du wirst jetzt erniedrigt." Und damit fuhr der Fuchs

Nummer 183 bis 185.

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an dem Wolf vorbei, und wie er oben war, sprang er ver­ gnügt aus seinem Eimer und lief davon. Der Wolf aber saß unten, und Fische gab es keinen einzigen, sondern nur kaltes Wasser. Aber als abends die Bauern kamen und merkten, wen sie da gefangen hatten, da zogen sie ihn zwar herauf mit dem Eimer, prügelten ihn aber dermaßen, daß der Wolf froh war, daß er mit dem Leben davonkam. K. H.

184. Der beladene Esel. Ein Mann hatte einen Esel, dem hatte er eines Tages zwei große Säcke mit Salz aufgeladen. Langsam und keuchend ging der Esel mit der schweren Last seines Weges. Nun mußten sie durch einen Bach. Mitten im Bach stolperte der Esel über einen großen Stein und fiel in das Wasser. Er hatte sich aber nicht weh getan und kam bald wieder auf die Heine. Da merkte er zu seiner Verwunderung, daß jetzt seine Bürde viel leichter war, denn in dem Wasser war ganz viel von dem Salz geschmolzen. Das ist ein schönes Kunststück, dachte der Esel, das mache ich noch öfter! und trabte vergnügt weiter. Am andern Tage aber hatte sein Herr lauter Schwämme in die zwei Säcke gepackt. Der Weg ging wieder durch den Bach, der Esel tat, als ob er wieder über die Steine stolperte, und fiel ins Wasser wie das Vorigemal. Nach einer Weil« stand er wieder 'auf und dachte, es ginge gerade so wie gestern. Aber die Schwämme waren nicht geschmolzen wie das Salz, sondern hatten sich voll Wasser gesogen und waren so schwer geworden, daß der arme Esel die Last kaum schleppen konnte. Da hat er nie wieder das Kunststück versucht. K. H.

185. Jockel. 1. Der Herr, der schickt den Jockel aus, Er soll den Hafer schneiden. Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus.

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Geschichten.

2. Da schickt der Herr den Pudel aus, Er soll den Jockel beißen. Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus.

3. Da schickt der Herr den Prügel aus, Er soll den Pudel schlagen. Der Prügel schlägt den Pudel nicht, Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus. 4. Da schickt der Herr das Feuer aus. Es soll den Prügel Brennen. Das Feuer brennt den Prügel nicht, Der Prügel schlägt den Pudel nicht, Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus.

5. Da schickt der Herr das Wasser aus, Es soll das Feuer löschen. Das Wasser löscht das Feuer nicht, Das Feuer brennt den Prügel nicht, Ter Prügel schlägt den Pudel nicht. Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus. 6. Da schickt der Herr den Ochsen aus, Er soll das Wasser saufen. Der Ochse säuft das Wasser nicht, Das Wasser löscht das Feuer nicht, Das Feuer brennt den Prügel nicht, Der Prügel schlägt den Pudel nicht, Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus.

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Nummer 186.

7. Da schickt der Herr den Schlächter aus, Er soll den Ochsen schlachten. Der Schlächter schlacht den Ochsen nicht. Der Ochse säuft das Wasser nicht, Das Wasser löscht das Feuer nicht, Das Feuer brennt den Prügel nicht, Der Prügel schlägt den Pudel nicht, Der Pudel beißt den Jockel nicht. Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus. 8. Da schickt der Herr den Henker aus. Er soll den Schlächter henken. Ter Henker henkt den Schlächter nicht. Der Schlächter schlacht den Ochsen nicht. Der Ochse säuft das Wasser nicht, Das Wasser löscht das Feuer nicht, Das Feuer brennt den Prügel nicht, Der Prügel schlägt den Pudel nicht, Der Pudel beißt den Jockel nicht, Der Jockel schneidt den Hafer nicht Und kommt auch nicht nach Haus. 9. Und Der Der Der Das Das Der Der Der Und

Da geht der Herr selbst hinaus macht gar bald ein End daraus. Henker will den Schlächter henken. Schlächter will den Ochsen schlachten, Ochse will das Wasser saufen, Wasser will das Feuer löschen, Feuer will den Prügel brennen, Prügel will den Pudel schlagen, Pudel will den Jockel beißen; Jockel schneidt den Hafer nun kommt auch gleich nach Haus. Volkstümlich.

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Geschichten.

Märchen. 186. Der Fuchs und die Gans. Es fing einmal ein Fuchs eine Gans und wollte sie eben verzehren. Da bat sie, daß er ihr doch gestatten möchte, vor ihrem Ende noch einmal zu tanzen. Der Fuchs dachte: Das kann ich ihr wohl gewähren, sie soll mir nachher um so besser schmecken, wenn ich ihr dabei zugesehen habe. Als nun die Gans die Erlaubnis hatte, hob sie sich mit den Füßen Mehrmals ein wenig vom Boden auf, machte dabei auch die Flügel auseinander unjd begann vor dem Fuchs recht artig zu tanzen, wie die Gänse tun, bevor sie anfangew zu fliegen. Nachdem sie aber so eine Weile zum großen Vergnügen des Fuchses getanzt hatte, flog sie davon. Da hatte der Fuchs nichts als das Nachsehen. Daher sprach er: Wie diesmal soll es mir gewiß nicht wieder ergehen. Bor dem Essen ist kein Tanzen wieder. Pröhle.

187. Wie einer zu einem Hemdlein kam. Es lebte einmal eine arme Witwe, die hatte sieben Kinder, eins immer kleiner als das andere, aber essen wollten alle. Da mußte die Mutter Tag aus und ein auf die Arbeit gehen, um das nötige Brot zu schaffen, und konnte nur die langen Winterabende dazu benutzen, Hemden für ihre Kinder zu spinnen, damit sie nicht nackend gehen mußten. Jedes Kind hatte immer nur ein Hemd, und wenn das größere Kind sein Hemd ausgewachsen hatte, so bekam es das kleinere. Da war's denn natürlich, daß das allerkleinste immer ein Hemdchen anhatte, das so dünn war, daß die liebe Sonne hindurch schien. Das kleinste aber war ein munterer Knabe, der vier Jahre alt war und eine wunderbare Liebe zu allen Tieren und Blumen hatte. Wo er ein Lamm fand, suchte er ihm die duftigsten Kräuter: sah er ein junges Vöglein, das aus dem Neste

Nummer 186 und 187.

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gefallen war, so trug er es heim und fütterte es groß und ließ es fliegen, und selbst mit den Spinnen hatte er Mitleid, und fand er eine im Hause, so trug er sie ins Freie und dachte: das Tierldin will auch leben. Einmal nun war sein Hemdlein so dünn geworden, daß es ihm vom Leibe fiel, und weil es Sommer war und die Mutter auf die Arbeit gehen mußte, konnte sie ihm kein anderes schaffen. So lief er denn umher ganz so, wie ihn der liebe Gott erschaffen hatte. Eines Tages, als er im Walde Beeren suchte, begegnete ihm ein Lamm; das blickte ihn mitleidig an und fragte: Wo hast du denn dein Hemdlein? Da sprach der Knabe traurig: Ich habe keins mehr, und meine Mutter kann mir erst, wenn der Winter kommt, ein neues schaffen; aber nein! ein neues bekomme ich nicht, das be­ kommt mein großes Schwesterlein, und ich bekomme ein altes; ach, wenn ich doch einmal ein neues Hemdchen haben sollte! Da sprach das Lamm: Du dauerst mich, ich will dir von meiner Wolle geben, damit du zu einem neuen Hemdlein kommst! Und das Lamm zupfte sich Wolle aus und gab die Wolle dem Kleinen. Wie er nun mit seiner Wolle an einem Dornbusch vorüber ging, rief der Dornbusch: Was trägst du da? Wolle, sprach der Knabe, zu einem Hemdlein für mich! Gib sie mir, sprach der Dornbusch, ich will sie dir krämpeln. Der Knabe gab ihm die Wolle, und der Busch schlug seine dornigen Zweige hin und her und krämpelte die Wolle meisterlich. Trage sie geschickt, rief er dem Kna­ ben zu, damit sie nicht untereinander gerät. So ging denn der Knabe mit seinem Bündel behutsam weiter; da sah er das Netz einer Spinne, und die Spinne saß mitten drin und rief ihm zu: Gib mir deine Wolle, Kleiner, ich will die Fäden zusammendrehen und will sie weben; ich sehe schon, was dir fehlt. Da fing die Spinne an und arbeitete mit ihren feinen Füßen und fing zu weben an und webte das feinste Stück Zeug und gab es dem Knaben. Der trabte lustig weiter und kam an einen Bach, an dem ein großer Krebs saß und rief: Wohin so eilig? was trägst

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Geschichten.

du da? Zeug zu einem Hemdlein für mich, sagte der Knabe. Ei, sagte der Krebs, da kommst du eben an den Rechten. Geschwind gib mir das Zeug, ich will dir's zuschneiden. Und der Knabe gab ihm das Zeug, und der Krebs schnitt es mit seinen großen Scheren zu. So, sagte der Krebs, nun braucht deine Mutter das Zeug nur zusammen zu nähen, und das Hemdlein ist fertig. Ach, seufzte der Kleine, zum Nähen hat meine Mutter jetzt keine Zeit, ich muß schon warten, bis der Winter kommt. Aber kaum hatte er das gesagt, so kam ein Vöglein geflogen, das trug einen langen Faden im Schnabel, ließ den Faden auf das Zeug fallen und zwitscherte: Ich will dir dein Hemdlein nähen. Und nun fing es an mit seinem Schnäblein emsig zu nähen, und ehe sich's der Knabe versah, war sein Hemd­ lein fertig. Boller Freude zog er's an und beschaute sich im Bach und jubelte: Nun hab ich doch auch ein Hemd­ lein, ein neues Hemdlein! und lief in mächtigen Sprüngen nach Haus. Als ihn seine sechs Geschwister sahen, machten sie große Augen, denn solch ein feines Hemd und solch ein weiches Hemd hatten sie noch nicht gesehen. Und als nun der Knabe seiner Mutter erzählen mußte, wie er zu dem Hemde gekommen sei, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und rief: Nun sehe ich's ein, daß meine selige Mutter Recht hatte, die immer sagte:

Beschert Gott e Hüsle, Beschert er auch e Gräsle, Und schenkt Gott e Kindle, So schenkt er auch e Windle.

Sturm.

188. Das Marche« vom Man« im Monde. Vor uralten Zeiten ging einmal ein Mann am lieben Sonntagsmorgen in den Wald, haute sich Holz ab, eine groß­ mächtige Welle, band sie, steckte einen Staffelstock hinein, huckte die Welle auf und trug sie nach Hause zu. Da begegnete ihm unterwegs ein hübscher Mann in Sonntagskleidern, der wollte wohl in die Kirche gehen, blieb stehen, redete den

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Wellenträger an und sagte: „Weißt du nicht, daß auf Erden Sonntag ist, an welchem Tage der liebe Gott ruhte, als et die Welt und alle Tiere und Menschen geschaffen? Weißt du nicht, daß geschrieben steht im dritten Gebot: du sollst den Feiertag heiligen?" Der Fragende aber war der liebe Gott selbst; jener Holz­ hauer jedoch war ganz verstockt und antwortete: „Sonntag auf Erden oder Mondtag im Himmel, was geht das mich an, und was geht es dich an?" „So sollst du deine Reisigwelle tragen ewiglich!" sprach der liebe Gott, „und weil der Sonntag auf Erden dir so gar unwert ist, so sollst du fürder ewigen Mondtag haben und im Mond stehen, ein Warnungsbild für die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden!" Von der Zeit an steht im Mond immer noch der Mann mit dem Holzbündel und wird wohl auch so stehen bleiben bis in alle Ewigkeit. Bechstein.

189. Bom Hühnchen und Hähnchen. I. Es war einmal ein Hühnchen und ein Hähnchen, die gingen miteinander auf den Nußberg und suchten sich Nüßchen. Das Hähnchen sprach zum Hühnchen: „Wenn du ein Nüßchen findest, iß es ja nicht allein, gib mir die Hälfte davon, sonst erwürgst du." Aber das Hühnchen hatte ein Nüßchen gefunden und es allein gegessen, und der Kern war in seinem Hälschen stecken geblieben, daß es im Erwürgen war und ängstlich rief: „Hähn­ chen, Hähnchen, hol mir geschwind ein wenig Brunnen, ich er­ würge sonst!" Da lief das Hähnchen flugs zum Brunnen und sprach: „Brunn, Brunn, gib mir Brunn, daß ich den Brunn meinem Hühnchen geb; es liegt oben auf dem Nußberg und will ersticken." Und der Brunnen sprach: „Erst geh hin zur Braut und hole mir den Kranz!" Da lief das Hähnchen hin zur Braut und sprach : „Braut, Braut, gib mir den Kranz, daß ich den Kranz dem Brunnen geb, daß mir der Brunnen Brunnen gibt, daß ich den Brunnen meinem Hühnchen geb: es

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Geschichten.

liegt oben aus dem Nußberge und will erwürgen." Aber die Braut sprach: „Erst geh hin zum Schuster und hole mir meine Schuhe!" Und wie das Hähnchen zum Schuster kam, sprach dieser: „Erst geh hin zur Sau und hole mir Schmeer!" Und die Sau sprach: „Erst geh hin zur Kuh und hole mir Milch!" Und die Kuh sprach: „Erst geh hin zur Wiese und hole mir Gras!" II. Wie nun das Hähnchen zur Wiese kam und sie um Gras bat, war diese gütig und gab ihm viele Blumen und Gras, diese gab geschwinde das Hähnchen der Kuh und erhielt Milch dafür, und für die Milch tat auch das Schwein von seinem Fett her, und damit schmierte der Schuster sein Leder und machte flugs die Schuhe der Braut, und gegen die Schuhe tat freund­ lich die Braut den Kranz her, und das Hähnchen reichte den­ selben dem Brunnen, und dieser sprudelte sogleich sein klares Wasser heraus und in das Gefäßchen, welches das Hähnchen unterhielt. Im schnellen Lauf kehrte nun das Hähnchen zurück zum Nußberg; aber wie es zum Hühnchen kam, war dasselbe unterdessen erwürgt. Da kikerikite das Hähnchen vor Schmerz hell auf, das hörten alle Tiere in der Nachbarschaft, die liefen herbei und weinten um das Hühnchen. Und da bauten sechs Mäuselein einen Trauerwagen, darauf legten sie das tote Hühnchen und spannten sich davor und zogen den Wagen fort. Wie sie nun, das Hähnchen, das tote Hühnchen, die Mäuslein und der Trauerwagen, so auf dem Wege waren, da kam der Fuchs hinterdrein und fragte: „Wo willst du hin, Hähnchen?" — „Ich will mein Hühnchen begraben!" — „Das will ich tun, du Narr!" rief der Fuchs, fraß das Hühnchen, weil es noch nicht lange tot war, und begrub's in seinem Magen. Da trauerte das Hähnchen und rief: „So wünsch ich mir den Tod, um bei meinem Hühnchen zu sein." — „So soll es sein!" sprach der Fuchs und fraß das Hähnchen, daß es zu seinem Hühnchen kam. Da weinten die Mäuselein um das Hähnchen, und da dachte der Fuchs, sie wollten auch tot sein, und schlang sie hinunter. Weil aber die Mäuselein an den Wagen ge­ spannt waren, so schlang er auch den Wagen mit hinunter, und

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da stieß ihm die Deichsel das Herz ab, daß er längelang hinfiel und alle viere von sich streckte. Da flog ein Vöglein auf einen Lindenzweig und sang: Fuchs ist mausetot! Fuchs ist mausetot! Bechstein.

190. Die Sterntaler. Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr, als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Bnot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz ge­ schenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es in Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig!“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne diFs!“ und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann!" Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror; da gab es ihm seins. Und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin.

Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Taler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das

war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein lebtag. Brüder Grimm.

191. Lügenmärchen. Ich will euch etwas erzählen. Ich sah zwei ge­ bratene Hühner fliegen, flogen schnell und hatten die Bäuche gen Himmel gekehrt, die Rücken nach der Hölle. Und ein Amboß und ein Mühlenstein schwammen über den Rhein, fein langsam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschar zu Pfingsten auf dem Eis. Da waren drei Kerle, wollten einen Hasen fangen, gingen auf Krücken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm, und der vierte konnte keinen Fuß rühren. Wollt ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde, der sah zuerst den Hasen über Feld traben, der Stumme rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche, die wollten zu Land segeln und spann­ ten die Segel im Wind und schifften über große Äcker hin, da segelten sie über einen hohen Berg, da mußten sie elendig ersaufen. Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf gestiegen. In dem Lande sind die Fliegen so groß als hier di6 Ziegen. Mache das Fenster auf, damit die Lügen hinausfliegen! Brüder Grimm.

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Der Wolf und die sieben jungen Geisslein. I.

Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein und hatte sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages wollte sie in den Wald gehen und Futter holen, da rief sie alle sieben herbei und sprach: „Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald, seid auf eurer Hut vor dem Wolf! wenn er herein kommt, so frißt er euch alle mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn gleich erkennen.“ Die

Geißlein sagten: „Liebe Mutter, wir wollen uns schon in acht nehmen; Ihr könnt ohne Sorge fortgehen.“ Da meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg. Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder! eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitge­ bracht.“ Aber die Geißlein hörten an der rauhen Stimme, daß es der Wolf war. „Wir machen nicht auf,“ riefen sie, „du bist unsere Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber deine Stimme ist rauh; du bist der Wolf.“ Da ging der Wolf fort zu einem Krämer und kaufte sich ein großes Stück Kreide; die aß er und machte damit seine Stimme fein. Dann kam er zurück, klopfte an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder! eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht.“ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder und riefen: „Wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß wie du, du bist der Wolf.“ Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: „Ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber!“ Und als ihm der Bäcker die Pfote bestrichen hatte, so lief er zum Müller und sprach: „Streu mir weißes Mehl auf meine Pfote!“ Der Müller dachte: Der Wolf will einen betrügen! und weigerte sich, aber der Wolf sprach: „Wenn du es nicht tust, so fresse ich dich.“ Da fürchtete sich der Müller und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen. Nun ging der Bösewicht zum drittenmal zu der Haustüre, klopfte an und sprach: „Macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heimgekommen und hat jedem von euch etwas aus dem Walde mitgebracht.“ Die Geißerchen riefen: „Zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen, daß du unser liebes Mütterchen bist!“ Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen, daß sie weiß war, so glaubten sie, es wäre alles wahr, was er

sagte, und machten die Tür auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste in die Wasch­ schüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle und machte nicht langes Feder­ lesen; eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen; nur das jüngste in dem Uhrkasten, das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf der grünen Wiese unter einen Baum und fing an zu schlafen. II. Nicht lange danach kam die alte Geiß aus dem Walde wieder heim. Ach, was mußte sie da erblicken! Die Haustüre stand sperrweit auf, Tisch, Stühle und Bänke waren umgeworfen, die Waschschüssel lag in Scherben, Decke und Kissen waren aus dem Bett ge­ zogen. Sie suchte ihre Kinder, aber nirgend waren sie zu finden. Sie rief sie nacheinander bei Namen, aber nie­ mand antwortete. Endlich, als sie an das jüngste kam, da rief eine feine Stimme: „Liebe Mutter, ich stecke im Uhrkasten.“ Sie holte es heraus, und es erzählte ihr, daß der Wolf gekommen wäre und die andern alle ge­ fressen hätte. Da könnt ihr denken, wie sie über ihre armen Kinder geweint hat. Endlich ging sie in ihrem Jammer hinaus, und das jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, lag da der Wolf an dem Baum und schnarchte, daß die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten und sah, daß in seinem angefüllten Bauch sich etwas regte und zappelte. „Ach, Gott!“ dachte sie, „sollten meine armen Kinder, die er zum Abendbrot hinuntergewürgt hat, noch am Leben sein?“ Da mußte das Geißlein nach Haus laufen und Schere, Nadel und Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm den Wanst auf, und kaum hatte

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sie einen Schnitt getan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, und als sie weiter schnitt, so sprangen nacheinander alle sechse heraus, und waren noch alle am Leben und hatten nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier ganz hinunterge­ schluckt. Das war eine Freude! Da herzten sie ihre liebe Mutter und hüpften. Die Alte aber sagte: „Jetzt geht und sucht Wackersteine! damit wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, solange es noch im Schlafe liegt.“ Da schleppten die sieben Geißerchen in aller Eile die Steine herbei und steckten sie ihm in den Bauch, so viel sie hineinbringen konnten. Dann nähte ihn die Alte in aller Geschwindigkeit wieder zu, daß er nichts merkte und sich nicht einmal regte. Als der Wolf endlich ausgeschlafen hatte, machte er sich auf die Beine, und weil ihm die Steine im Magen so großen Durst erregten, so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als er aber anfing zu gehen und sich hin und her zu bewegen, so stießen die Steine in seinem Bauch aneinander und rappelten. Da rief er: „Was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum? ich meinte, es wären sechs Geißlein, so sind’s lauter Wackerstein.“ Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bücken und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein, und er mußte jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, da kamen sie herbeige­ laufen, riefen laut: „Der Wolf ist tot! der Wolf ist tot!“ und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen, herum. Brüder Grimm.

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Das Rotkäppchen. I. Es war einmal eine kleine, süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber

ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käpp­ chen von rotem Samt, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm: „Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus! sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hinaus kommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck nicht erst in alle Ecken herum!“ — „Ich will schon alles gut machen,“ sagte Rotkäppchen zur Mutter und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht, was das für ein böses Tier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rotkäppchen!“ sprach er. „Schönen Dank, Wolf!“ — „Wo hinaus so früh, Rotkäppchen?“ — „Zur Großmutter.“ — „Was trägst du unter der Schürze?“ — „Kuchen und Wein; gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zu gut tun und sich damit stärken.“ — „Rotkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen,“ sagte Rotkäppchen. Der Wolf dachte bei sich: „Das junge, zarte Ding, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte; du mußt es listig anfangen, damit du beide er­ schnappst.“ Da ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er: „Rotkäppchen, sieh einmal die schö­ nen Blumen, die rings umher stehen! warum guckst du dich

nicht um? ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vög­ lein so lieblich singen? du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und ist so lustig haußen in dem Wald.“ II. Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mit­ bringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände eine schönere, und lief danach und geriet immer tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber ging gerades­ wegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Türe. „Wer ist draußen?“ — „Rotkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach auf!“ — „Drück nur auf die Klinke!“ rief die Großmutter, „ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“ Der Wolf drückte auf die Klinke, die Türe sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und ver­ schluckte sie. Dann .tat er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor. Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumge­ laufen, und als es so viel zusammen hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wlinderte sich, daß die Türe aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dachte: Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir’s heute zu Mut, und bin sonst so gerne bei der Großmutter! Es rief: „Guten Morgen!“ bekam aber keine Antwort. Darauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück; da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. „Ei, Großmutter, was hast «effel, Lesebuch 1. 11. Ausl. 10

du für große Ohren?“ — „Daß ich dich besser hören kann." — „Ei, Großmutter, was hast du für große Augen ?“ — „Daß ich dich besser sehen kann.“ — „Ei, Großmutter, was hast du für große Hände?“ — „Daß ich dich besser packen kann.“ — „Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul?“ — „Daß ich dich besser fressen kann.“ Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.

HI. Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fing an überlaut zu schnarchen. Der Jäger ging eben an dem Haus vorbei und dachte: Wie die alte Frau schnarcht, du mußt doch sehen, ob ihr etwas fehlt. Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er, daß der Wolf darin lag. „Finde ich dich hier, du alter Sünder?“ sagte er, „ich habe dich lange gesucht.“ Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben, und sie wäre noch zu retten, schoß nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte getan* hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: „Ach, wie war ich erschrocken, wie war’s so dunkel in dem Wolf seinem Leib!“ Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen. Rotkäppchen aber holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fort­ springen, aber die Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank und sich tot fiel. Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging damit heim, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rotkäppchen aber dachte:

Du willst dein lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir’s die Mutter verboten hat. Brüder Grimm.

194. Der Fuchs und die Gänse. Der Fuchs kam einmal auf eine Wiese, wo eine Herde schöner, fetter Gänse saß, da lachte er und sprach: „Ich komme ja wie gerufen, ihr sitzt hübsch beisammen, so kann ich eine nach der andern auffressen.“ Die Gänse gackerten vor Schrecken, sprangen auf, fingen an zu jam­ mern und kläglich um ihr Leben zu bitten. Der Fuchs aber wollte auf nichts hören und sprach: „Da ist keine Gnade, ihr müßt sterben.“ Endlich nahm sich eine das Herz und sagte: „Sollen wir armen Gänse doch einmal unser jung, frisch Leben lassen, so erzeige uns die ein­ zige Gnade und erlaub uns noch ein Gebet, damit wir nicht in unsern Sünden sterben! hernach wollen wir uns auch in eine Reihe stellen, damit du dir immer die fetteste aussuchen kannst.“ — „Ja,“ sagte der Fuchs, „das ist billig und ist eine fromme Bitte; betet, ich will so lange warten!“ Also fing die erste ein recht langes Gebet an, immer „ga! ga!“ und weil sie gar nicht aufhören wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an sie kam, son­ dern fing auch an „ga! ga!“ Die dritte und vierte folgte ihr, und bald gackerten sie alle zusammen. Und wenn sie ausgebetet haben, soll das Märchen weiter erzählt werden, sie beten aber alleweile noch immer fort. Brüder Grimm.

195. Das Lumpengesindel. I. Hähnchen sprach zum Hühnchen: „Jetzt ist die Zeit, wo die Nüsse reif werden, da wollen wir zusammen auf den Berg gehen und uns einmal recht satt essen, ehe sie das Eichhorn alle wegholt.“—„Ja,“ antwortete das Hühnchen, „komm, wir wollen uns eine Lust miteinander machen!“ Da gingen sie zusammen fort auf den Berg, und weil es 10*

ein heller Tag war, blieben sie bis zum Abend. Nun weiß ich nicht, ob sie sich so dick gegessen hatten, oder ob sie übermütig geworden waren, kurz, sie wollten nicht zu Fuß nach Hause gehen, und das Hähnchen mußte einen kleinen Wagen von Nußschalen bauen. Als er fertig war, setzte sich Hühnchen hinein und sagte zum Hähnchen: „Du kannst dich nur immer vorspannen!“ — „Du kommst mir recht“, sagte das Hähnchen, „lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als daß ich mich vorspannen lasse; nein, so haben wir nicht gewettet. Kutscher will ich wohl sein und auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen, das tu ich nicht.“ Wie sie so stritten, schnatterte eine Ente daher: „Ihr Diebesvolk, wer hat euch geheißen, in meinen Nußberg gehen? wartet, das soll euch schlecht bekommen!“ ging also mit aufgesperrtem Schnabel auf das Hähnchen los. Aber Hähnchen war auch nicht faul und stieg der Ente tüchtig zu Leib, endlich hackte es mit seinem Sporn so ge­ waltig auf sie los, daß sie um Gnade bat und sich gern zur Strafe vor den Wagen spannen ließ. Hähnchen setzte sich nun auf den Bock und war Kutscher, und darauf ging es fort in einem Jagen. „Ente, lauf zu, was du kannst!“ Als sie ein Stück Weges gefahren waren, begegneten sie zwei Fußgängern, einer Stecknadel und einer Näh­ nadel. Sie riefen: „Halt! halt!“ und sagten, es würde gleich stichdunkel werden, da könnten sie keinen Schritt weiter, auch wäre es so schmutzig auf der Straße, ob sie nicht ein wenig einsitzen könnten; sie wären auf der Schneiderherberge vor dem Tor gewesen und hätten sich beim Bier verspätet. Hähnchen, da es magere Leute waren, die nicht viel Platz einnahmen, ließ sie beide ein­ steigen, doch mußten sie versprechen, ihm und seinem Hühnchen nicht auf die Füße zu treten. II. Spät abends kamen sie zu einem Wirtshaus, und weil sie die Nacht nicht weiter fahren wollten, die Ente auch

nicht gut zu Fuß war und von einer Seite auf die andere fiel, so kehrten sie ein. Der Wirt machte anfangs viel Einwendungen, sein Haus wäre schon voll, gedachte auch wohl, es möchte keine vornehme Herrschaft sein, endlich aber, da sie süße Reden führten, er sollte das Ei haben, welches das Hühnchen unterwegs gelegt hatte, auch die Ente behalten, die alle Tage eins legte, so sagte er endlich, sie möchten die Nacht über bleiben. Nun ließen sie wieder frisch auftragen und lebten in Saus und Braus. Früh morgens, als es dämmerte und noch alles schlief, weckte Hähnchen das Hühnchen, holte das Ei, pickte es auf, und sie verzehrten es zusammen; die Schalen aber warfen sie auf den Feuerherd. Dann gingen sie zu der Nähnadel, die noch schlief, packten sie beim Kopf und steckten sie in das Sesselkissen des Wirts, die Stecknadel aber in sein Handtuch, endlich flogen sie mir nichts dir nichts über die Heide davon. Die Ente, die gern unter freiem Himmel schlief und im Hof geblieben war, hörte sie fortschnurren, machte sich munter und fand einen Bach, auf dem sie hinab schwamm; und das ging geschwinder, als vor dem Wagen. Ein paar Stunden später machte sich erst der Wirt aus, den Federn, wusch sich und wollte sich am Handtuch abtrocknen, da fuhr ihm die Stecknadel über das Ge­ sicht und machte ihm einen roten Strich von einem Ohr zum andern; dann ging er in die Küche und wollte sich eine Pfeife anstecken, wie er aber an den Herd kam, sprangen ihm die Eierschalen in die Augen. „Heute morgen will mir alles an meinen Kopf,“ sagte er und ließ sich verdrießlich auf seinen Großvaterstuhl nieder; aber geschwind fuhr er wieder in die Höhe und schrie: „Auweh!“ denn die Nähnadel hatte ihn noch schlimmer und nicht in den Kopf gestochen. Nun war er vollends böse und hatte Verdacht auf die Gäste, die so spät gestern Abend gekommen waren; und wie er ging und sich nach ihnen umsah, waren sie fort. Da tat er einen Schwur,

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Geschichten.

kein Lumpengesindel mehr in sein Haus zu nehmen, das viel verzehrt, nichts bezahlt und zum Dank noch oben­ drein Schabernack treibt. Brüder Grimm.

196. Strohhalm, Kohle und Bohne. I. In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau, die hatte ein Gericht Bohnen zusammengebracht und wollte sie kochen. Sie machte also auf ihrem Herd ein Feuer zu­ recht, und damit es desto eher brennen sollte, zündete sie es mit einer Hand voll Stroh an. Als sie die Bohnen in den Topf schüttete, entfiel ihr unbemerkt eine, die auf dem Boden neben einen Strohhalm zu liegen kam; bald danach sprang auch eine glühende Kohle vom Herd zu den beiden herab. Da fing der Strohhalm an und sprach: „Liebe Freunde, von wannen kommt ihr her?" Die Kohle antwortete: „Ich bin zu gutem Glück dem Feuer ent­ sprungen, und hätte ich das nicht mit Gewalt durch­ gesetzt, so war mir der Tod gewiß; ich wäre zu Asche verbrannt.“ Die Bohne sagte: „Ich bin auch noch mit heiler Haut davon gekommen, aber hätte mich die Alte in den Topf gebracht, ich wäre ohne Barmherzigkeit zu Brei gekocht worden, wie meine Kameraden.“ „Wäre mir denn ein besser Schicksal zu teil ge­ worden?“ sprach das Stroh, „alle meine Brüder hat die Alte in Feuer und Rauch aufgehen lassen, sechzig hat sie auf einmal gepackt und ums Leben gebracht. Glück­ licherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durch­ geschlüpft.“ — „Was sollen wir aber nun anfangen?“ sprach die Kohle. „Ich meine,“ antwortete die Bohne, „weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammenhalten und, damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt, gemein­ schaftlich auswandern und in ein fremdes Land ziehen.“

II. Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Brücke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinüber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rat und sprach: „Ich will mich quer über legen, so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinübergehen.“ Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke. Als sie aber in die Mitte ge­ kommen war und unter ihr das Wasser rauschen hörte, ward ihr doch angst; sie blieb stehen und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fing an zu brennen, zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach; die Kohle rutschte nach, zischte, wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zurückgeblieben war, mußte über die Geschichte lachen, konnte nicht aufhören und lachte so gewaltig, daß sie zer­ platzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glück ein Schneider, der auf der Wander­ schaft war, sich an dem Bach ausgeruht hätte. Weil er ein mitleidiges Herz hatte, so holte er Nadel und Zwirn heraus und nähte sie zusammen. Die Bohne bedankte sich bei ihm aufs schönste, aber da er schwarzen Zwirn gebraucht hatte, so haben seit der Zeit alle Bohnen eine schwarze Naht. Brüder Grimm.

197. Der arme Müllerbursch und das Kätzchen. In einer Mühle lebte ein alter Müller, der hatte weder Frau noch Kinder, und drei Müllerburschen dienten bei ihm. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gewesen waren, sagte er eines Tags zu ihnen: „Ich bin alt und will mich hinter den Ofen setzen: zieht aus, und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich

die Mühle geben, und er soll mich dafür bis an meinen Tod verpflegen.“ Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern für albern gehalten, dem gönnten sie die Mühle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal. Da zogen alle drei miteinander aus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans: „Du kannst nur hierbleiben, du kriegst dein Lebtag keinen Gaul.“ Hans aber ging doch mit, und als es Nacht war, kamen sie an eine Höhle, da hinein legten sie sich schlafen. Die zwei Klugen warteten, bis Hans einge­ schlafen war, dann stiegen sie auf, machten sich fort und ließen Hänschen liegen und meinten’s recht fein gemacht zu haben; ja, es wird euch doch nicht gut gehen! Wie nun die Sonne kam und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Höhle; er guckte sich überall um und rief: „Ach, Gott, wo bin ich?“ Da erhob er sich und krabbelte die Höhle hinauf, ging in den Wald und dachte: Ich bin hier ganz allein und verlassen, wie soll ich nun zu einem Pferd kommen? Indem er so in Gedanken dahin ging, begegnete ihm ein kleines buntes Kätzchen, das sprach ganz freundlich: „Hans, wo willst du hin?“ — „Ach, du kannst mir doch nicht helfen.“ — „Was dein Be­ gehren ist, weiß ich wohl,“ sprach das Kätzchen, „du willst einen hübschen Gaul haben. Komm mit mir und sei sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schöner als du dein Lebtag einen ge­ sehen hast.“ — Nun, das ist eine wunderliche Katze, dachte Hans, aber sehen will ich doch, ob das wahr ist, was sie sagt. Da nahm sie ihn mit in ihr verwünschtes Schlößchen und hatte da lauter Kätzchen, die ihr dienten, die sprangen flink die Treppe auf und ab, waren lustig und guter Dinge. Abends, als sie sich zu Tisch setzten, mußten drei Musik machen: eins strich den Baß, das andere die Geige,

das dritte setzte die Trompete an und blies die Backen auf, so sehr es nur konnte. Als sie gegessen hatten, wurde der Tisch weggetragen, und die Katze sagte: „Nun komm, Hans, und tanze mit mir." — „Nein,“ sagte er, „mit einer Miezekatze tanze ich nicht, das habe ich noch niemals getan.“ — „So bringt ihn ins Bett,“ sagte sie zu den Kätzchen. Da leuchtete ihm eins in seine Schlafkammer, eins zog ihm die Schuhe aus, eins die Strümpfe, und zuletzt blies eins das Licht aus. Am andern Morgen kamen sie wieder und halfen ihm aus dem Bett: eins zog ihm die Strümpfe an, eins band ihm die Strumpfbänder, eins holte die Schuhe, eins wusch ihn, und eins trocknete ihm mit dem Schwanz das Gesicht ab. „Das tut recht sanft,“ sagte Hans. Er mußte aber auch der Katze dienen und alle Tage Holz klein machen; dazu kriegte er eine Axt von Silber und die Keile und Säge von Silber, und der Schläger war von Kupfer. Nun, da machte er’s klein, blieb da im Haus, hatte sein gutes Essen und Trinken, sah aber niemand als die bunte Katze und ihr Gesinde. Einmal sagte sie zu ihm: „Geh hin und mähe meine Wiese und mache das Gras trocken!“ und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetz­ stein, hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging Hans hin und tat, was ihm geheißen war; nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus und fragte, ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. „Nein,“ sagte die Katze, „du sollst mir erst noch einerlei tun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was nötig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst Sin kleines Häuschen.“ Da baute Hans das Häuschen fertig und sagte, er hätte nun alles getan und hätte noch kein Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Prägte die Katze, ob er ihre Pferde sehen

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Geschichten.

wollte. — „Ja,“ sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und wie sie die Türe so aufmachte, da stehen zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblänkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach: „Geh heim, dein Pferd geb ich dir' nicht mit, in drei Tagen aber komm ich und bringe dir’s nach.“ Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht ein­ mal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da; jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten: „Hans, wo hast du dein Pferd?“ „In drei Tagen wird’s nach­ kommen.“ Da lachten sie und sagten: „Ja du, Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was. Rechtes sein!“ Hans ging in die Stube, der Müller sagte aber, er solle nicht an den Tisch kommen, er wäre so zer­ rissen und zerlumpt, man müßte sich schämen, wenn jemand hereinkäme. Da gaben sie ihm ein bißchen Essen hinaus, und wie sie abends schlafen gingen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen. Am Morgen, wie er auf­ wacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden, ei, die glänzten, daß es schön war, und ein Bedienter, der brachte noch ein siebentes, das war für den armen Müllerbursch. Aus der Kutsche aber stieg eine prächtige Königs­ tochter und ging in die Mühle hinein, und die Königs­ tochter war das kleine bunte Kätzchen, dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den Müller,

wo der Mahlbursch, der Kleinknecht wäre. Da sagte der Müller: „Den können wir nicht in die Mühle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gänsestall.“ Da sagte die Königstochter, sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er mußte sein Kittelchen zu­ sammenpacken, um sich zu bedecken. Da schnallte der Bediente prächtige Kleider aus und mußte ihn waschen und anziehen, und wie er fertig war, konnte kein König schöner aussehen. Danach verlangte die Jungfrau die Pferde zu sehen, welche die andern Mahlburschen mit­ gebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der Müller das sah, sprach er, so eins wär ihm noch nicht auf den Hof gekommen. „Und das ist für den dritten Mahlbursch,“ sagte sie. „Da muß er die Mühle haben,“ sagte der Müller, die Königstochter aber sprach, da wäre das Pferd, er sollte seine Mühle auch be­ halten; und nimmt ihren treuen Hans und setzt ihn in die Kutsche und fährt mit ihm fort. Sie fährt zuerst nach dem kleinen Häuschen, das er mit dem silbernen Werk­ zeug gebaut hat, da ist es ein großes Schloss, und ist alles darin von Silber und Gold; und da hat sie ihn geheiratet und war er reich, so reich, daß er für sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen, daß, wer albern ist, deshalb nichts Rechtes werden könne. Brüder Grimm.

198. Die Bremer Stadtmusikanten. I. Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke unverdrossen zur Mühle getragen hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da dachte der Herr daran, ihn aus dem Futter zu schaffen, aber der Esel merkte, daß kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, meinte er, könnte er ja

Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der zappte, wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was zappst du so, Packan?“ fragte der Esel. „Ach,“ sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde, auch auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen totschlagen, da hab ich reißaus ge­ nommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?“ — „Weißt du was?“ sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen! Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken.“ Der Hund war’s zufrieden, und sie gingen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg und machte ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist dir in die Quere gekommen, alter Bart­ putzer?“ sprach der Esel. „Wer kann da lustig sein, wenn’s einem an den Kragen geht?“ antwortete die Katze, „weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach Mäusen herumjage, hat mich meine Frau er­ säufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rat teuer; wo soll ich hin?“ — „Geh mit uns nach Bremen! du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.“ Die Katze hielt das für gut und ging mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Tor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein,“ sprach der Esel, „was hast du vor?“ — „Da hab ich gut Wetter prophezeit,“ sprach der Hahn, „aber weil morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Haus­ frau doch kein Erbarmen und hat der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut abend den, Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.“ — „Ei,

was, du Rotkopf!“ sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muß es eine Art haben.“ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie gingen alle viere zusammen fort. H. Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum, die Katze und der Hahn mach­ ten sich in die Äste; der Hahn aber flog bis in die Spitze, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um; da deuchte ihn, er sehe in der Ferne ein Fünkchen brennen, und rief seinen Gesellen zu, es müßte nicht gar weit ein Haus sein, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: „So müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht.“ Der Hund meinte, ein paar Knochen und etwas Fleisch dran täten ihm auch gut. Also machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war, und sahen es bald heller schimmern, und es ward immer größer, bis sie vor ein hell erleuch­ tetes Räuberhaus kamen, Der Esel, als der größte, näherte sich dem Fenster und schaute hinein. „Was siehst du, Grauschimmel?“ fragte der Hahn. „Was ich sehe?“ ant­ wortete der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und lassen’s sich wohl sein.“ — „Das wäre was für uns,“ sprach der Hahn. „Ja, ja, ach, wären wir da!“ sagte der Esel. Da ratschlagten die Tiere, wie sie es anfangen müßten, um die Räuber hinauszujagen, und fanden endlich ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken springen, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der

Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie auf ein Zeichen ins­ gesamt an ihre Musik zu machen, der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte; dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrten. Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe, meinten nicht an­ ders, als ein Gespenst käme herein, und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übrig geblieben war, und aßen, als wenn sie vier Wochen hungern sollten. Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlafstätte, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Türe, die Katze auf den Herd bei die warme Asche, und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken; und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie auch bald ein. III. Als Mitternacht vorbei war und die Räuber von weitem sahen, daß kein Licht mehr im Haus brannte, auch alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: „Wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen!“ und hieß einen hingehen und das Haus untersuchen. Der Abgeschickte fand alles still, ging in die Küche, ein Licht anzuzünden, und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah, hielt er ein Schwefelhölzchen daran, daß es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte. Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hintertüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biß ihn ins Bein; und als er über den Hof an dem Miste vorbeirannte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß; der Hahn

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Nummer 198 und 199.

aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und mun­ ter geworden war, rief vom Balken herab: „Kikeriki!“ Da lief der Räuber, was er konnte, zu seinem Haupt­ mann zurück und sprach: „Ach, in dem Haus sitzt eine greuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt; und vor der Türe steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen; und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungetüm, das hat mit einer Holzkeule auf mich los­ geschlagen; und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: Bringt mir den Schelm her! Da machte ich, daß ich fortkam.“ Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus; den vier Bremer Musi­ kanten gefiel’s aber so wohl darin, daß sie nicht wieder heraus wollten. Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm. Brüder Grimm.

199. Neckmärchen. Es war einmal ein Schäfer, der hatte eine große, große Schafherde, mit der zog er fort über Berg und Tal, weit in die Welt hinaus. Da kam er an ein tiefes Wasser, über das führte zum Glück eine Brücke. Die Brücke war aber so winzig klein und schmal, daß immer nur ein einziges Schaf hinübergehen konnte; und eher durfte nie eins von den übrigen Schafen das schjnale Brücklein auch nur betreten, als bis das andre Schaf drüben war. Denn sonst hätte das Brücklein leicht brechen können. Da kannst du wohl denken, wie lange das dauerte, ehe die vielen, vielen Schafe alle hinüber­ kamen. Ja, siehst du, und jetzt müssen wir ganz ruhig so lange warten, bis sie alle mit dem Schäfer drüben sind. Das wird wohl noch eine Weile dauern, und dann will ich die Geschichte von dem Schäfer und seiner großen Schafherde weiter erzählen. Meier.

Reineke Fuchs.

In neun Geschichten.

200. Erste Geschichte. Wie Reineke verklagt wird. Es war auf einen Pfingsttag, der Mai lag auf Wald und Wiesen, alles grünte und blühte, und die Vögel sangen ihre allerschönsten Lieder, der Tag war so klar und die Luft so blau, da feierte der König Nobel, der Löwe, ein großes Fest. Alle Tiere, die man sich nur denken kann, waren eingeladen und erschienen auch; da kam Braun der Bär, Isegrim der Wolf, der Kranich Lütke, Hermann der Bock, Beilin der Widder, Mer­ kels der Häher und viele, viele andere, nur Reineke der Fuchs kam nicht. Er hatte so viel schlimme Streiche verübt, daß er fürchtete, er könnte bestraft werden. Wirklich trat auch Isegrim auf und klagte, der Fuchs hätte die Wölfin, Frau Gieremund, mißhandelt und hätte ihm und seinen Kindern so viel Böses getan, daß,« wenn alles Tuch in der Stadt Gent Papier wäre, man es nicht drauf schreiben könnte. Das Hündchen Wackerlos kam gekrochen und redete französisch mit einem feinen Stimmchen. Es sagte, Reineke hätte ihm eine Wurst abgenommen. Der Panter erzählte, daß er gesehen hätte, wie Reineke dem Hasen Lampe das Singen beibringen wollte, und dabei hätte er den armen Lampe ge­ packt und hätte ihn grade auffressen wollen, da wäre zum Glück der Panter dazwischen gekommen, da hätte der Fuchs das Häslein laufen lassen.

Nur Grimbart der Dachs verteidigte Beineke, den Bösewicht. Grimbart war der Neffe Reinekes. Er sagte, Isegrim hätte den Fuchs auch oft betrogen. Einmal hätte ein Bauer einen Wagen voll Fische auf den Markt gefahren, da hätte sich der Fuchs tot gestellt und hätte sich mitten auf die Straße vor den Wagen hingelegt. Der Bauer hätte den Fuchs aufge­ hoben und auf den Wagen gelegt, weil er sich von dem schönen Fuchsfell eine Pelzmütze wollte machen lassen. Der Fuchs wäre aber wieder lebendig geworden und hätte alle Fische vom Wagen herunter geworfen. Der Wolf hätte aber die Fische schnell aufgefressen und dem Fuchs nichts davon abgegeben als Gräten. Ein andermal wäre der Fuchs in ein Haus gekrochen und hätte dem Wolf ein frisch geschlachtetes Schwein heruntergeworfen. Das hätte der gierige Isegrim gleich ganz aufgefressen und hätte dem Fuchs nur das Krumm­ holz gegeben, woran das Schwein aufgehängt war. Und daß er das Häslein bei den Ohren gezaust hätte, wäre nur darum gewesen, weil das Häschen immer falsch gesungen hätte und nichts hätte lernen wollen, da hätte es doch Strafe verdient. Und die Wurst hätte das Hündchen Wackerlos selbst gestohlen gehabt. Da kam noch ein Trauerzug heran, zwei Hähne, Kantart und Kreiant, gingen voran mit Fackeln und sangen, dann kam der Hahn Henning, und zwei andre Hähne trugen eine Bahre, darauf lag eine tote Henne, das war Frau Kratzefuß, die Tochter Hennings. Und Henning weinte sehr, dann erzählte er, er hätte in einem Hof gewohnt, der mit einer Mauer umschlossen war. Und er hätte vierzehn Töchter und zehn Söhne gehabt. Reineke schlich immer um die Mauer herum, aber er konnte nicht in den Hof, weil sehr starke Hunde Tag und Nacht Wache hielten. Da kam er einmal und hatte einen Brief vom König, darin stand, für alle Tiere sollte jetzt Frieden sein, und der Fuchs wäre ein Ein­ siedler geworden und äße gar kein Fleisch mehr. Das »effel, Leseiuch 1.

11. «ufl.

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glaubten die Hunde und ließen den Fuchs herein, und der Hahn glaubte es auch und ging mit seiner Frau und seinen vierundzwanzig Kindern vor dem Tore spa­ zieren, bis tief in den Wald hinein. Da kam aber Reineke und biß ihm die Kinder tot, nicht auf einmal, aber eins nach dem andern. Gestern abend jagten ihm die Hunde noch die Frau Kratzefuß ab, die beste aller Hennen, die schon so viele Eier gelegt hatte, aber sie war schon totgebissen. Und da liegt sie jetzt auf der Bahre, sagte Henning und weinte laut. Da wurde der König zornig und schickte Braun, den Bären, er solle den Reineke herbeiholen, damit er vor Gericht gestellt würde.

201. Zweite Geschichte. Wie der Bär den Reineke holen soll. So machte sich denn Braun auf die Fahrt, er schritt mit festem Gang durch eine weite Heide, bis er an die zwei Berge kam, wo Reineke zu jagen pflegte. Er hatte daselbst mehrere Häuser, aber wenn es eine Zeit der Sorgen war, dann wohnte er in Malpertaus, das war eine unterirdische Festung mit vielen krummen Gängen kreuz und quer und mit vielen versteckten Ausgängen; das Haupttor war immer fest verschlossen und ver­ riegelt. Braun stellte sich an das Tor, klopfte und rief: Reineke, bist du drinnen? ich bin Braun und soll dir vom König Nobel bestellen, du sollst mit mir an den Hof kommen, sonst wirst du gehängt. Reineke hörte diese groben Worte mit Kummer, wie er aber durch ein Guckfensterchen sah, daß Braun ganz allein am Tore stand, bekam er wieder Mut. Er ging hinaus und hieß den Abgesandten des Königs herz­ lich willkommen, dabei machte er aber ein saures Gesicht und hielt sich mit den Pfoten den Leib. Ach, sagte er; Oheim, ich habe mir den Magen verdorben. Ich esse schon lange Zeit kein Fleisch mehr und genieße

nur eine ekle Speise, die ich nicht vertragen kann. Ach, mir ist so schlecht! — Was ist das denn für Speise? fragte Braun. Honig! sagte der Fuchs verächtlich, denn den ganzen Tag nur Honig, da muß man ja krank werden. Honig? sagte Braun und leckte sich das zottige, Maul. Honig ist eine gute Speise, wie gerne äße ich wieder einmal Honig! Wo hast du denn den Honig her ? — Den habe ich vom Bauern Rusteviel, der hat so viel Honig, daß du mit Frau und Kindern ein ganzes Jahr lang genug hättest. — 0, führe mich hin, sagte Braun, lieber Neffe, führe mich gleich auf der Stelle hin! Da machten sie sich auf den Weg. Als es schon dunkle Nacht war, kamen sie an Rüste viels Hof. Der war ein Zimmermann und hatte einen mächtigen Eichenstamm da liegen, der war gespalten, und es steckten zwei schwere Holzkeile drin, um den Stamm auseinanderzuhalten. Alles schlief. Hier in dem Baum haben die Bienen ihr Nest, sagte Reineke, und Braun zitterte vor Begierde und steckte die Schnauze in den Spalt. Tiefer, sagte der Fuchs, tiefer! da legte er auch die Vorderklauen hinein. Noch tiefer! sagte Rei­ neke, da verschwanden auch Brauns Ohren in dem Spalt. Und wie er so schnupperte und schnüffelte und Honig suchte, zog der treue Neffe mit Gewalt die Keile heraus, daß der Eichbaum zusammenschlug und den Braun er­ bärmlich klemmte. Au! autsch! hörte man Braun stöhnen. Ich kann ja nicht mehr heraus! — Das sind die Bienen, höhnte der Fuchs, die stechen, aber dafür be­ kommst du ja auch all den Honig. Wenn du satt bist, komm wieder nach Malpertaus, ich kann nicht so lange warten, ich gehe derweile schon voraus. Iß nicht zuviel, lieber Oheim! Der Bär zappelte und strampelte, zerrte und zog, aber es tat immer weher, und zuletzt fing er an zu brummen und zu heulen, daß es weit durch die Nacht schallte. Und wie er gar nicht aufhörte, wurde Rüste11*

viel wach und kam mit einer Axt auf den Hof. Da sah er den Bären gefangen, und er rief alle Nachbarn herbei, die kamen mit Dreschflegeln und Stangen und Heu­ gabeln und wollten den armen Braun totschlagen. Wie es ihm aber ans Leben ging, da tat er aus Leibeskräften einen Ruck und war frei, aber an dem halben Kopf und an den Vorderpfoten fehlte ihm das Fell, und die zwei Ohren blieben auch im Eichenstamm, und das Blut strömte nur so an ihm herunter. Er hinkte brüllend zum Tore hinaus und kollerte in den tiefen Bach hinein, der da vorbeifloß. Aber das war sein Glück. Er hatte gar nicht ge­ wußt, daß er schwimmen könnte, aber wie er so patschelte, da ging es ganz von selbst, das Wasser kühlte die Wunden, und er schwamm ganz weit. Er hörte die Bauern durch die finstere Nacht schreien und nach ihm suchen, aber es war zu dunkel, sie konnten ihn nicht sehen. Endlich kroch er ans Land und lag da und leckte seine geschundenen Pfoten. Nach vielen Tagen erst war er so weit wieder heil, daß er an den Hof des Königs humpeln konnte und sein Leid klagen. Da ward Nobel sehr zornig, daß Reineke seinen Gesandten so angeführt hatte.

202. Dritte Geschichte. Wie der Kater den Reineke holen wollte. Da beschloß der König mit seinen Räten, der Kater Hinze sollte den Reineke vor Gericht laden. Der sagte zwar, er wäre zu klein und schwach, aber Nobel sagte, dafür wäre er aber auch ein so gescheiter Mann, voll Weisheit, List und Mut. Das schmeichelte dem Kater, und er machte sich auf den Weg. Der Fuchs saß ganz gemütlich vor Malpertaus, als Hinze dort ankam. Dieser richtete seinen Auftrag aus, Reineke solle sofort an den Hof kommen vor Gericht, sonst wollte der König ihn mit dem Tode bestrafen. Lieber Neffe, sagte Reineke, zuerst wollen wir zu Abend

essen, dann reden wir von Geschäften, und morgen früh wandern wir zusammen an den Hof des Königs. Weißt du, mit dem großen starken Braun mochte ich nicht gehen, vor dem fürchtete ich mich. Aber du bist ja mein lieber Freund. Was willst du denn zu Abend essen, mein lieber Hinze? Wir haben heute abend frische Honigscheiben, die werden dir schmecken. — Ach, meinte Hinze, da mache ich mir nichts draus, wenn du ein fettes Mäuschen hast, das ist mir lieber als aller Honig der ganzen Welt. Der Fuchs sagte: Ich weiß eine Scheune, da sind ganze Wagen voll Mäuse drin. — Da wollen wir hingehen! sagte Hinze. Der Fuchs hatte aber in die Lehmwand dieser Scheune ein Loch gekratzt und gegraben, war hineingekrochen und hatte den aller­ besten Hahn geraubt. Da hatte Martinchen, der Sohn des Mannes, dem die Scheune gehörte, inwendig in die Scheune eine große Schlinge dicht an das Loch gelegt, daß der Fuchs sich drin fangen sollte, wenn er wieder Hähne stehlen wollte. Reineke führte den Hinze an das Loch und sagte: Krieche nur da hinein, ich halte Wache, hör nur, wie die Mäuse pfeifen, das müssen ja mehr als hundert sein! Wie nun Hinze hineinkroch, zog sich die Schlinge zu, und er war gefangen. Er sprang und zerrte, aber die Schlinge ging immer fester zusammen, da fing er an zu miauen und zu heulen. Reineke sagte: Wie schmecken die Mäuse? Sind sie recht fett? Warum singst du denn so beim Essen? Ist das jetzt Mode? Nun, wenn du satt bist, komm wieder nach Malpertaus, mor­ gen früh gehen wir zusammen zum König. Wie nun Martinchen von dem Geheul des Katers wach wurde, weckte er Vater und Mutter, und alle drei gingen in die Scheune; Martinchen hatte einen dicken Stock, der Vater eine Ofengabel und die Mutter einen Besen, damit wollten sie den Fuchs totschlagen. Sie fanden aber keinen Fuchs, sondern einen Kater. Da

prügelten sie so auf den armen Hinze los, daß sie ihm ein Auge ausschlugen. Hinze sprang und zappelte heftig, und zuletzt nagte er an dem Strick, daß er ihn endlich entzweibiß, da war er frei. In seiner Verzweiflung sprang er dem Manne an die Beine und kratzte und biß, was er nur konnte, bis dieser» jammerte und heulte und die Frau und das Martinchen den arg zerbissenen Vater zu Bett bringen mußten. Hinze sprang zum Loch hinaus und lief gerades­ wegs nach Haus. Halbtot und nur mit einem Auge kam er andern Tags zum König und jammerte über den schändlichen Reineke. Da ward Nobel noch zorniger als vorher, daß Reineke auch seinen zweiten Boten so tückisch behandelt hatte.

208. Vierte Geschichte. Wie der Dachs den Reineke wirklich geholt hat. Der König Nobel versammelte seinen Rat und wollte Reineke verurteilen. Da trat Herr Grimbart auf, der war Reinekes Neffe, und sagte: Herr König, als freier Mann kann mein Oheim verlangen, daß man ihn dreimal vor Gericht ladet. Ich will selbst Euer Bote sein, wenn niemand anders dazu Lust hat. Da sandte der König den Grimbart. Er fand seinen Oheim in Malpertaus und redete ihm freundlich zu, er solle von heute ab am dritten Tage sich doch vor Gericht stellen, sonst werde der König mit Heeresmacht Malpertaus belagern, und das Ende werde sein, daß Reineke mit Weib und Kind das Leben verlieren müsse. Da beschloß Reineke mit Grim­ bart zu gehen, in der Hoffnung, es werde ihm schon etwas einfallen, womit er sich herausreden könnte. Unterwegs erleichterte Reineke sein Herz und beich­ tete dem Grimbart alle Schandtaten, die er schon be­ gangen hatte. Er erzählte, wie er im Jülicher Lande mit Isegrim, dem Wolf, bei einem Pfarrer eingebrochen wäre, wo sie eingesalzenes Schweinefleisch gegessen hätten. Da hätte der Wolf sich so dick gefressen, daß

er im Kellerloch stecken blieb und nicht mehr vorwärts noch rückwärts konnte. Die Bauern hätten den Wolf fast totgehauen, aber der Fuchs wäre entwischt. Er erzählte auch, wie er beim Hühnerstehlen den Wolf oft betrogen hätte und vieles andere. Da brach Grimbart ein Reis ab und hieß den Fuchs sich selbst mit diesem Reise drei Schläge auf die Haut geben, dann mußte er dreimal über das Reis springen und es zuletzt ohne Haß dreimal küssen, zum Zeichen seiner Reue. Und wie er das getan hatte, sagte der Dachs: so, jetzt wäre er von seinen Sünden frei. Wie er aber unterwegs immer nach Hühnern schielte und sogar mehrmals danach sprang, schalt ihn der Dachs heftig aus und ermahnte ihn, wahre Reue zu zeigen. Aber Reineke ließ es doch nicht und wandte immer den Kopf zurück, wenn er Hühner gackern hörte. Endlich kamen 'die beiden an den Hof und fanden schon den König mit den Richtern versammelt. Es stand aber eine ganze Schar Tiere da, die hatten Klage gegen Reineke. Zu den früheren Anklägern gesellte sich diesmal noch Baldewein der Esel, der Schäferhund Rin, das Schaf, das Schwein, der Iltis und Bokert der Biber. Nur der Affe Märten erklärte sich offen als Freund Reinekes. Und wie geschickt sich Reineke auch ver­ teidigte, er wurde zuletzt einstimmig für schuldig er­ klärt, und das Urteil hieß, er sollte gehängt werden. Da wurde er sofort in Fesseln gelegt. 204. Fünfte Geschichte. Wie Reineke vom Galgen loskommt. Alle Tiere zogen mit hinaus zum Galgen, denn alle freuten sich, daß Reineke, der Schelm und Dieb, gehängt werden sollte. Auch der König und die Königin wollten zusehen. Die Wölfin, Frau Gieremund, hielt den Fuchs fest, daß er nicht entrinnen sollte, dann setzte Isegrim, ihr Mann, die Leiter an, und Hinze hielt den Strick bereit. Nun mußte Reineke die Leiter hinan-

steigen, und er sagte seufzend: Wäre es doch nur schon geschehen! Und doch war all sein Sinnen und Trachten darauf gerichtet, wie er loskommen könnte. Schon war der Strick um seinen Hals gelegt, da sagte er: Bevor ich scheide, bitte ich den König um die Erlaubnis, öffentlich etwas zu beichten, was mich drückt. Wie der König einwilligte, begann er zu er­ zählen, wie er schon von Kindesbeinen an Lämmer und Zicklein totgebissen, wie er sich dann an Enten und Gänse gewagt und mit Isegrim einen Bund geschlossen hätte, daß sie zusammen als Räuber das ganze Land durchstreifen wollten, Isegrim hätte aber mit seinem Weibe Gieremund und seinen sieben Kindern ihm immer alles weggefressen, daß er beinahe verhungert wäre, wenn er nicht zu Hause den kostbaren Schatz besessen hätte. Wie der König Nobel das Wort Schatz hörte, spitzte er die Ohren und fragte, woher er den bekommen hätte. Reineke sagte, er wolle es nur bekennen, sein Vater hätte einst König Emmerichs Schatz entdeckt. Die Kö­ nigin spitzte nun auch die Ohren und bat, man solle den Reineke von der Leiter herabsteigen lassen, daß man ihn besser verstehen könne. Da machte man den Strick los, und der Fuchs kletterte herunter und sagte demütig, er wolle alles erzählen, er müsse ja doch jetzt sterben, und wenn er alles eingestehe, so könne das vielleicht die Höllenqualen für ihn abkürzen. Reineke erzählte nun eine lange Geschichte von dem gefundenen Schatz. Der alte Reineke, so erzählte er, hätte sich heimlich gegen den alten Nobel verschworen mit Isegrim, Grimbart und Hinze, und sie wären alle zusammen in die Ardennen gegangen und hätten beschlossen, daß Braun König werden sollte an der Stelle des alten Nobel. Der alte Nobel sollte ermordet werden, und die Tiere wollten dem Braun zu Aachen eine goldene Krone aufsetzen. Von dem Schatz, der von dem König Emmerich stammte, wollten sie die

Soldaten bezahlen, die mit ihnen gegen den alten Nobel kämpfen sollten, Da wäre aber Reineke heimlich seinem Vater nachgeschlichen, wie dieser in einer unter­ irdischen Höhle von dem Schatz geholt hätte. Und dann wäre er in der folgenden Nacht mit seinem Weibe, Frau Ermelin, schnell dahingelaufen, und sie hätten den ganzen Schatz herausgezerrt und anderswohin getragen. Es war lauter köstliches Geschmeide, Silber, Gold und Stickereien, auch eine Krone mit Edelsteinen, die der König Emmerich in früherer Zeit getragen hatte. Und weil der Vater Reinekes seinen Schatz nicht mehr fand, konnten sie auch die Söldner nicht bezahlen, die gegen Nobel kämpfen sollten, und Braun konnte nicht König werden. Der König wollte wissen, wo denn jetzt der Schatz wäre, da sagte Reineke, der sei im Lande Flandern vergraben. Dort wäre eine große Heide, darin läge ein Busch, der heiße Hüsterloh, und in der Nähe wäre ein Brunnen, der heiße Krekelput. Wenn Ihr Boten hin­ schickt, Herr König, so sagte Reineke, dann sollen sie nur an Krekelput vorbeigehen nach Hüsterloh hin, dann kommen sie an zwei Birken, dort liegt der Schatz. Da müssen sie graben und wühlen, und auf der einen Seite ist Moos, auf der andern Seite ist der Schatz. Der König wollte es nicht glauben, da rief der Fuchs aber den Hasen Lampe herbei und fragte ihn, ob er schon in Hüsterloh und Krekelput gewesen sei. Lampe sagte, Hüsterloh wäre ein Busch, wo lange Jahre ein Falsch­ münzer gehaust hätte, und er sei selbst oft dort ge­ wesen, und bei Krekelput hätte ein Hund ihn beinahe einmal totgebissen. Da glaubte der König alles und wollte, Reineke solle ihn selbst nach Hüsterloh führen. Reineke aber sagte, er könne es jetzt noch nicht tun, weil er erst eine Wallfahrt nach Rom machen müsse wegen der vielen Sünden, die er getan hätte. Wenn er aber von der Wallfahrt zurück wäre, dann wolle er sofort den König

zu dem Schatz hingeleiten. Der König erlaubte ihm, daß er gleich morgen nach Rom reisen sollte. Vom Hängen war nun keine Rede mehr, und die Königin freute sich schon auf den Schatz. Der König aber gebot allen Tieren, sie müßten dem Reineke Ehren erweisen, denn er wäre jetzt ein Baron, und er wolle sich ja auch wirklich bessern.

205. Sechste Geschichte. Wie Reineke ein Pilger wird. Ehe Reineke nach Rom ging, bat er den König um eine Gnade; er sagte, er hätte keinen Pilgerranzen und keine Wanderschuhe für einen so weiten Weg. Der Braun hätte ein so dickes Fell, daß man ihm ganz leicht ein viereckiges Stück herausschneiden könnte, das gäbe einen Ranzen, und wenn man dem Isegrim die Schuhe von seinen Vorderfüßen streifte und der Frau Gieremund von den Hinterfüßen, dann hätte er auch vier starke Schuhe, für jeden Fuß einen. Der König gewährte ihm diese Gnade, und es half dem Isegrim und seiner Frau kein Klagen, sie mußten die Schuhe hergeben und liefen nun jedes mit zwei blutigen Beinen umher. Und dem Braun half es auch nichts, sie schnitten ihm ein Stück Fell aus der Seite, und er hatte doch erst das Fell von den Pfoten und der Schnauze und den Ohren ein­ gebüßt und war kaum heil von seinen Wunden. Mit sanftem, frommem Gesicht ging nun der heuch­ lerische Fuchs auf die Pilgerreise, und er hatte auch einen Pilgerstab und einen Pilgerhut mit einer Pilger­ muschel, sein Ränzel hatte er umhängen und die Wolfs­ schuhe an den Füßen. Und wie er von allen Abschied genommen hatte, bat er den Hasen Lampe und Beilin, den Schafbock, sie sollten ihn doch noch ein Stück begleiten, sie wären so sanft und gut und bissen keine Tiere tot, solche Gesellschaft gefiele ihm, dadurch würde er selbst frommer und besser. Wie nun die drei an Mal-

pertaus kamen, sagte Reineke: Beilin, warte etwas hier draußen, ich will rasch Abschied von Frau Ermelin nehmen, und Lampe geht mit hinein und hilft mein armes Weib trösten. Da gingen sie hinein, und Ermelin freute sich sehr, daß Reineke nicht an den Galgen ge­ kommen war. Da sagte der Lügner: Siehst du, Frau, den Lampe hat uns der König geschenkt, den sollen wir essen. Und damit packte er das Häslein, das schrie: Beilin, hilf mir, Beilin, hilf mir! aber da hatte ihm Reineke auch schon die Kehle durchgebissen, und die zwei Eheleute verzehrten den armen Lampe, und die zwei Söhnchen, Rossel und Reinhard, bekamen auch ihr Teil. Nur den Kopf ließen sie übrig, den packte Reineke in den Pilger­ ranzen und schnürte ihn fest zu. Dann ging er hinaus zu Beilin, und wie dieser fragte, wo denn Lampe wäre, und warum er vorhin so geschrieen hätte, da sagte Reineke: Lampe ist ein ängstlicher Mann, und wie Frau Ermelin in Ohnmacht gefallen ist, als sie hörte, daß ich eine so weite, gefährliche Reise machen will, da hat der Lampe so geschrieen. Er will auch in Malpertaus bleiben und Frau Ermelin trösten. Du aber mußt jetzt eilig zum König zurückgehen und ihm das Ränzel geben, es sind wichtige Briefe darin, und wenn du dabei sagst, du hättest geholfen und deinen Rat zu diesen Briefen gegeben, das wird dir hohe Ehre einbringen. Der dumme Schafbock glaubte alles und brachte dem König treuherzig das Ränzel. Ich habe geholfen, sagte er in seiner Einfalt, und habe hauptsächlich den Rat dazu gegeben. Wie der König das Ränzel auf­ machte, waren keine Briefe darin, sondern Lampes Kopf. Da wurde Nobel so zornig, daß er den Isegrim herbeirief und zu ihm sagte: Ich übergebe dir und deiner Frau und deinen Kindern den Beilin, mach mit ihm, was du willst. Was wird Isegrim wohl mit dem armen Beilin gemacht haben?

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Geschichten.

206. Siebente Geschichte. Wie Reineke nochmals zum König zieht. Der König wurde immer zorniger über Reineke. Wenn auch der böse Beilin nach seinem eigenen Ge­ ständnis die Hauptschuld hatte, so hatte doch Reineke ebenfalls den König schändlich betrogen. Er war nicht nach Rom gepilgert, wie er sich doch so fest vorge­ nommen hatte, denn er hatte ja den Pilgerranzen zurück­ geschickt. Und daß er den Lampe ermordet und dem König zum Hohne den Hasenkopf geschickt, das war eine Frechheit, wie sie der König noch niemals erlebt hatte. Der Fuchs wurde nun in des Reiches Acht getan, also daß es jedermann frei stand, ihn ungestraft um­ zubringen, wo er ihn fände. Jetzt kamen Isegrim und Braun wieder oben auf, sie standen hoch in des Königs Gunst und Gnade, und er gab ihnen zu Ehren ein Fest, das dauerte acht Tage. Am achten Tage kam ein Kaninchen vor die Stufen des Thrones und erzählte: Ich bin gestern an Malpertaus vorbeigegangen, da stand der Fuchs mit einem Pilger­ hut und einem Pilgerstab, daß ich dachte, ein so frommer Mann könnte mir nichts tun, und ich grüßte ihn ganz bescheiden. Da packte er mich am linken Ohr, warf mich zur Erde und wollte mich erwürgen, da riß ich mich aber zum Glück noch los und ließ ihm mein Ohr zurück. Seht, Herr König, da hat es gesessen. Dann kam der Rabe Merkgenau und sagte: Ich flog mit meiner Frau Scharfkneip über das Feld, da lag Reineke und streckte alle viere von sich, und die Zunge hing ihm aus dem Maul, als wäre er tot. Und wie wir näher kamen und mein Weib den Schnabel an seinen Leib hielt, um zu fühlen, ob da noch Leben wäre, und ob sie ihm noch helfen könnte, da schnappte er zu, biß meiner armen Frau den Kopf ab und ver­ speiste sie. Diese Federn, Herr König, sind allein übrig geblieben. Herr König, nehmt die Sache nicht leicht und bestraft den Frevler, wie er*s verdient!

Da lag Isegrim den: König an, man solle Malpertaus belagern, denn die Geschichte mit dem Schatz bei HüsterIoh wäre auch erfunden und erlogen, und nach Rom wäre der Schelm ja auch nicht. Und so wurde denn beschlossen, man wolle dem Rat des Isegrim folgen. Da lief Grimbart der Dachs heimlich nach Malpertaus und sagte Reineke alles wieder. Reineke tat, als ginge ihn die Sache gar nichts an, er lud Grimbart zu gaste und zeigte ihm seine beiden Söhnchen, Rossel und Rein­ hard, und erzählte, wie fein sie erzogen wären, wie sie schon junge Hühner und Enten fangen und sich schon vor Schlingen, Jägern und Hunden retten könnten. Sie würden gewiß eine Zierde ihres Geschlechtes und könnten auch schon mit einem einzigen Schnapp einem Tier die Kehle durchbeißen, ganz wie ihr Vater. Ins­ geheim aber war es Reineke doch nicht geheuer; aber Grimbart redete dem guten Oheim zu, es wäre doch besser, er ginge mit ihm zu Hofe, er könne sich ja vielleicht noch einmal so etwas ausdenken, wie neulich das mit dem Schatze. Da entschloß sich Reineke endlich und ging mit. Wie neulich erleichterte auch diesmal unterwegs Rei­ neke sein Herz durch Erzählung von den bösen Streichen, die er begangen hatte. Insbesondere erzählte er noch die Geschichte, wie er einmal den Isegrim so schmäh­ lich betrogen, als sie eines Tages ein Füllen mit seiner Mutter auf der Weide sahen. Isegrim schickte den Fuchs hin, er solle die Stute fragen, ob sie ihr Kind nicht verkaufen wolle. Gewiß, sagte die Stute, der Kaufpreis steht auf meinem Hinterfuß geschrieben. Da sagte der Fuchs, er könne nicht lesen, aber er habe nicht für sich gefragt, sondern für den Isegrim, der werde gleich selbst kommen. Da beschwatzte Reineke den Wolf, er Zolle sich den Preis ansehen, und als er es versuchte, bekam er einen so gutgezielten Huf­ schlag auf den Schädel, daß er betäubt hinpurzelte und heulte. Reineke aber nach seiner Art verhöhnte ihn

noch obendrein und fragte, wie ddnn die Sprache ge­ nannt werde, in der die Schrift auf dem Huf gestanden hätte. Grimbart redete dem Ohm scharf ins Gewissen und ermahnte ihn zur Reue und Besserung, der Fuchs aber erinnerte ihn daran, daß der König Nobel und all seine Räte selbst vom Raub lebten, aber wenn er ein arm­ seliges Huhn gestohlen hätte, dann wolle man ihn dafür schnellstens mit Galgen und Strang bestrafen. Und so wandelte er getrost fürbaß und hoffte, auch diesmal sich herauszulügen.

207. Achte Geschichte. Wie Reineke sich verteidigt. Kecklich stellte sich Reineke vor das Gericht des Königs, und als das Kanin und der Rabe ihre Klage vorgetragen, sagte er, er hätte das Kanin freundlich nach Malpertaus eingeladen und ihm eine herrliche Mahl­ zeit aufgetischt, aber wie sein Söhnchen Rossel von den Resten genascht hätte, da hätte das unverschämte Kanin den Rossel auf den Mund geschlagen, da sei Rossel böse geworden und habe das freche Kanin zer­ zaust, Reineke habe es aber dem Rossel entrissen, wo­ bei ihm allerdings ein Ohr verloren gegangen wäre. Der Rabe aber hätte ihm selbst vorgejammert, sein Weib habe sich an einem Fisch zu Tode gegessen, weil ihm eine Gräte in den Hals gekommen wäre. Jetzt hinterher behaupte er, Reineke habe die Frau Scharf­ kneip totgebissen, wie sollte das möglich sein, wo er nur zu Fuß gehe und die Raben doch fliegen könnten. Da verstummten Kanin und Rabe, weil der Fuchs mit solcher Kühnheit und Frechheit log. Der König jedoch brüllte wütend: Aber den armen Lampe hast du umgebracht und mir zum Hohn seinen Kopf gesandt, Beilin hat das schon mit dem Tode gebüßt, und du kommst jetzt auch an den Galgen!

Da fing Reineke laut zu heulen an und zu klagen: Was? Lampe ist tot? Was? Beilin ist tot? 0, Beilin, du Erzbösewicht! Hat er also wirklich dir die Kleinode nicht gebracht, die ich dir durch ihn sandte?—Kleinode? Was Kleinode? schrie der König in hellem Zorn, ein Hasenkopf ist doch kein Kleinod! Dann schüttelte er ingrimmig die Mahne und ging fort in sein Gemach. Dort war die Königin, und die Äffin, Frau Riechgenau, ihre Kammerzofe, machte ihr gerade die Haare. Die Äffin rechnete sich auch zu Reinekes Verwandschaft und hielt es darum an der Zeit, ein Wörtchen für den Mann zu sprechen, der so hart verklagt ward. Sie erinnerte den König daran, wie Reineke vor einigen Jahren ein so weises Urteil gesprochen hätte über die Schlange. Da war eine Schlange durch einen Gartenzaun gekrochen und hatte sich in einer Schlinge gefangen. Sie bat einen Bauersmann, der vorbeiging, er solle sie befreien. Der Bauer ließ sich erst einen Eid schwören, daß sie ihm nichts tun wolle, und wie sie das hochheilig geschworen hatte, befreite der Bauer die Schlange. Da die Schlange aber hungrig war, so schoß sie auf den Mann los und wollte ihn fressen. Der Bauer entrann mit knapper Not, und die Schlange entschuldigte sich, sie wäre so hungrig gewesen. Da sagte der Bauer: Wir wollen jemand suchen, der uns Recht spricht. Die Schlange war es zufrieden, und sie fragten den Raben, den Wolf und den Bären. Alle ent­ schieden für die Schlange. Der Bauer sagte: Nein, die wollen alle mitfressen, die können nicht richten. Wir wollen zum König gehen! Und so kamen sie zum König, und weil dem die Sache zu schwierig schien, so fragte er den Reineke um Rat. Und dieser entschied: Ich muß von Anfang an sehen, wie der Fall gewesen ist. Da ging er mit dem Bauer und der Schlange an den Gartenzaun, besah das Loch genau, und wie die Schlange ihm zeigte, wo sie gelegen, da knüpfte er ihr eine Schlinge um und sagte zum Bauer: So, jetzt

mache die Schlange wieder los, doch laß sie zuvor wieder schwören. Da bedankte sich der Bauer und ging seiner Wege. Wie die Äffin das alles erzählte, hatte der König wieder Mitleid mit dem Reineke, denn er dachte, was der Fuchs doch für ein kluger und weiser Mann wäre, und der König ging wieder in die Halle zum Reineke und fragte ihn wieder nach dem Beilin. Dem Beilin, sagte Reineke, habe ich aus meinem Schatz einen heil­ kräftigen Ring mitgegeben für dich, Herr König, und für die Königin einen Kamm aus Panterknochen, darauf waren herrliche Bilder eingeschnitzt, und einen Spiegel mit einem Rahmen, darauf waren die schönsten Ge­ schichten gemalt. Und nun erzählte der schlaue Fuchs ohne Ende, was das all für Geschichten waren, daß der Königin, die ihm zuhörte, fast das Herz brechen wollte, weil sie all die schönen Dinge nicht erhalten und der böse Beilin sie wer weiß wem gegeben hätte. Sie zürnte dem König, daß er dem Beilin hatte das Leben nehmen lassen, denn nun waren die Wunder­ dinge für immer verloren. Aber was half dem Reineke all das Geschwätz, der Isegrim kam und verklagte ihn schwer. Und zuletzt wollte er einen Zweikampf mit ihm bestehen, dann sollte sich zeigen, wer Recht hätte. Das war der König zu­ frieden, und jetzt ist gewiß das Ende für den Schelm gekommen, denn Isegrim war viel stärker als der listige Fuchs.

208. Neunte Geschichte. Wie Isegrim und Reineke miteinander kämpfen. Die Äffin war jetzt die einzige Freundin Reinekes, sie schor ihm die Haare am ganzen Leibe kurz und rieb ihm die Haut mit öl ein, dann benetzte sie ihm den buschigen Schwanz mit salzigem Wasser und gab ihm Rat, was er tun sollte. Und dann ließ man die zwei Gegner auf den Kampfplatz, der war mit Sand bestreut

und rundum mit einem festen Zaun umhegt, und der König und die Königin und alle Räte sahen zu. Der Fuchs floh anfangs vor dem Isegrim und schleifte dabei den langen nassen Schwanz durch den Sand. Auf .einmal drehte er sich um und schlug dem Wolf den roten Schweif gegen die Augen, daß Isegrim nichts mehr sah und sich mit den Pfoten immer die Augen wischte. Da sprang ihm der Fuchs gegen die Beine und den Leib und fing an zu beißen und zu kratzen, und dann packte er ihn an der Kehle und schüttelte ihn. Der Wolf konnte noch immer nichts sehen und schrie laut: Helft mir, helft mir! Da standen Isegrims Freunde auf und baten den König, er sollte Befehl geben, daß der Kampf zu Ende wäre. Da schickte der König den Panter und den Luchs hin, die trennten die zwei wütenden Kämpfer. Aber weil der Fuchs gesiegt hatte, wurde er nun gänz­ lich freigesprochen. Alles drängte sich um ihn uyd wünschte ihm Glück, der König aber stand auf und sprach mit lauter Stimme: Reineke, du bist ein Ehren­ mann. Von heute an kommst du wieder in meinem Rat, und weil niemand deiner List gewachsen ist, so sollst du mein Siegel bewahren und sollst Kanzler sein. Was du schreibst, das soll so geschrieben bleiben und gelten, als hätte ich es selbst geschrieben! Reineke dankte höflich und mit süßem Lächeln, dann nahm er Abschied und ging nach Malpertaus, um der Frau Ermelin und den zwei Kleinen die frohe Zeitung zu vermelden. Frau Ermelin aber sprach: Endlich kommt die schöne Zeit, Wo wir in Glück und Heiterkeit Uns freuen unser lebelang, Ganz sorgenlos bei Sang und Klang, Bei Scherzen und bei frohem Schmaus: Hoch Reineke! Hoch Malpertaus! K. H.

Hess«!, Lesetilch 1. 11. «ufl.

12

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Rechtschreibung.

Rechtschreibung (Orthographie). Kurz gesprochene Vokale. 1. Ost wird ein Bokal (Selbstlaut) kurz ausgesprochen, ohne daß dies beim Schreiben bezeichnet wird: Berg, Win­ ter, Arm, Hund, Ärmel, Wörter, arg, fürchte, unser, oft.

2. Nach einem kurzen Vokal (Selbstlaut) wird oft -er Konsonant (Mitlaut) doppelt geschrieben: fallen, fällt, Fall, treffen, triffst, trifft, Herr, Mutter, offen, dürr, wenn. 3. Für doppeltes k schreibt man in deutschen Wör­ tern d: Bäcker, nackt, lecken.

Lang gesprochene Vokale. 4. Ost wird ein Bokal (Selbstlaut) lang ausgesprochen, ohne daß dies beim Schreiben besonders bezeichnet wird: Fibel, Bibel, Igel, Märchen, Name, Schaf, Maß, 01, Tal, ewig, selig, uralt, spät, geben, holen, lösen, wir, mir, dir, ober, nur. 5. Auf ein langes i folgt in deutschen Wörtern ost e: Liebe, Lied, Sieg, flieg, spielt, liegen, blieb, vier, sie­ ben, wie. Ausnahmen sind die Pronomina (Fürwörter): ihm, ihn, ihnen, ihr, ihre, ihrem, ihren, ihrer.

6. Nach langem Vokal (Selbstlaut) steht ost h, be­ sonders vor l, m, n, r: Zahl, Mehl, Rahm, Hahn, Kahn, Jahr, Gefahr, Lehrer, kahl, hohl, ähnlich, kühn, wahr, befehlen, stehlen, nehmen, wohnen, kehren; wohl, mehr, sehr, ohne; ferner in: Kuh, Reh, Schuh, Stroh, Vieh, Zehe, Höhe, früh, Frühling, nahe, rauh, roh, stoh, fröh­ lich, höher, blühen, gehen, ruhen, sehen, stehen, ziehen, zehn, ehe. 7. Zuweilen schreibt man den langen Bokal (Selbst­ laut) doppelt: Aal, Aar, Haar, Paar, Saal, Beet, Klee, Meer, Schnee, See, leer, leeren, Boot, Moos.

Rechtschreibung.

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h in Namen und Fremdwörtern. 8. Zuweilen wird in Namen ein h geschrieben, ohne daß es ausgesprochen wird: Rhein; oft geschieht dies in Fremdwörtern nach t: Apotheke, Hypothek, Katharine, Kathcker, Katholik, Martha, Mathematik, Matthäus, Matthias, Theater, Theodor, Therese, Thermometer, Thron.

dt. 9. Man schreibt dt in: sandte, wandte, lädt, gesandt, ver­ wandt.

ig und ich. 10. Man schreibt: Essig, Honig, Käfig, König, Pfennig; Hetamg, Ludwig; aber: Kranich, Pfirsich, Teppich. Fähnrich, Rettich, Heinrich.

I». 11. Man schreibt für ks: flugs, links, Häcksel, Knicks, Klecks; aber auch: Ochse, Büchse; Dachs, Flachs, Fuchs. Lachs, Wachs, sechs; Axt, Hexe, Nixe, Max.

hh. 12. Man schreibt statt f in manchen Fremdwörtern pH: Philipp, Philister, Prophet, Photograph, Sophie, Typhus.

ff und 6. 13. Nur zwischen zwei kurzen Vokalen (Selbstlauten) wird ss geschrieben: Masse, Schlösser, essen, müssen, Gleich­ nisse; sonst schreibt man st: Maß, Schloß, groß, ißt, muß, hloß, oder Schluß-s im Auslaut, auch in Zusammensetzun­ gen: Gleichnis, Gans, lies, das (das Haus), es, was, als, bis, Dienstag.

if, i, tz. 14. Statt ts steht ost z oder nach kurzem Vokal tz: Rätsel, Lotse, seltsam, stets, vorwärts; aber Salz, schwarz, Katze, Spitz, Satz, Fritz.

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Rechtschreibung.

Grammatik.

ti unb ch in Fremdwörtern und Name«. 15. In Fremdwörtern und Namen wird manchmal ti statt zi geschrieben: Patient, Portion, Station. 16. In Fremdwörtern und Namen wird manchmal ch statt k oder sch geschrieben: Christ, Christoph, Choral, Chef, Chaise, Charlotte.

Grobe Anfangsbuchstabe«. 17. Mit großem Anfangsbuchstaben schreibt man alle Substantive (Hauptwörter): Vater, Mutter, Kind, Karl: ebenso Wörter aller Art, wenn sie als Substantive (Haupt­ wörter) gebraucht werden: der Nächste, die Armen, das Deutsche, etwas Schönes. 18. Mit großem Anfangsbuchstaben schreibt man das erste Wort im Satze, in Gedichten gewöhnlich auch das erste Wort jeder Verszeile.

Grammatik. Die Laute der Sprache teilen wir in Vokale (Selbstlaute) und Konsonanten (Mitlaute).

Vokale sind: i, e, ä, a, ö, o, ü, u; ä, ö, ü heißen Umlaute. Es gibt auch Diphthonge (Doppelvokale): ai, ei, au, eu (au), ui. Die Konsonanten sind: h: p, t, k, b, d, g; f, ß (reiße, Fuß), sch (Schuh), ch (ich, ach); j; l, m, n, ng (lang), r, w, s (Reise).

Sprechsilben nennt man die Silben, wie man sie bei langsamem Sprechen eines mehrsilbigen Wortes hört: Ge-burts-tags-ge-schenk; danach trennt man die Wörter; st bleibt ungetrennt: Fen-ster.

Grammatik.

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Wir unterscheiden zehn Wortarten:

1. Artikel (Geschlechtswort): der Bruder, die Schwester, das Kind; ein Bruder, eine Schwester, ein Kind. 2. Substantiv (Hauptwort, Dingwort): der Lehrer (Nominativ) kommt; des Lehrers (Genetiv) Befehl; dem Lehrer (Dativ) gehorche ich; den Lehrer (Akkusativ) liebe ich. Dies heißt Singular (Einzahl). Plural ^Mehrzahl) ist: die Lehrer kommen. — Ein Lehrer, ein strenger Leh­ rer, unser Lehrer.

3. Adjektiv (Eigenschaftswort): der liebe Vater, die gute Mutter, das brave Kind; ein strenger Lehrer, eine vergnügte Stunde, ein böses Wort; der Lehrer ist streng. Man kann die Adjektive auch komparieren (ftei» gern): das große Haus, das größere Haus, das größte Haus; unser Haus ist groß, eueres ist größer, das Schul­ haus ist das größte (am größten).

4. Pronomen (Fürwort): ich, du, er, sie, es; wir, ihr, sie; mein, dein, sein, ihr, sein, unser, euer, ihr; die­ ser Mann, jene Frau, welches Kind? wer? was? jemand, niemand, viele. Vergiß mein nicht, gib mir das Buch, laß mich in Ruhe. 5. Numerale (Zahlwort): eins, zwei, drei, hundert, tausend; der erste, der zweite, der zwanzigste. 6. Verb (Zeitwort, Tätigkeit): singen; ich singe, du sangst, singe, singend; das Lied wird gesungen, wurde ge­ sungen, ich spiele, du spieltest, spielend, gespielt.

7. Adverb (Umstandswort): wie ging das? leicht; wo bist du? hier; wann kommst du? heute.

8. Präposition (Verhältniswort): mit der Feder, auf der Tafel, auf die Tafel, an dem Tisch, an den Tisch, während der Stunde.

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Grammatik.

A. Konjunktion (Bindewort): und, auch, oder, aber, doch, daß, weil, ehe.

10. Interjektion (Empfindungswort):

au!

ach!

pfui! bst! Wir unterscheiden fünf Satzteile:

1. Subjekt: Das fleißige Kind kommt früh in die Schule.

2. Prädikat (finites Verb): kommt früh in die Schule.

Das

fleißige

Kind

3. Attribut: Das fleißige Kind kommt früh in die Schule.

4 Objekt: Karl macht seine Arbeiten; Karl hilft seinen Eltern; Vergiß mein nicht. 5. Adverbiale: Das fleißige Kind kommt früh in die Schule.

Nachsilbe«. Bei dem Substantiv Männlein ist Mann die Stammsilbe, lein die Nachsilbe. Andere Nachsilben sind in: Bübchen, Klugheit, Dankbarkeit, Jüng­ ling, Festung, Gleichnis, Herrschaft, Irrtum, Schicksal, Rätsel, Königin, Lehrer, Spielerei. Auch Adjektive haben Nachsilben: lustig, königlich, kin­ disch, furchtbar, furchtsam, boshaft, golden.

Vorsilbe« zur Bildung von Substantiven sind: Gebirge, Unglück, Urlaub, Antwort; von Adjektiven: unwahr, gerecht; von Berben: gehorchen, entfliehen, er­ blühen, verblühen, zerbrechen, mißbrauchen, bedecken, ent­ decken.

Zusammengesetzte Wörter sind: Haustür, Dumm­ kopf, Nachmittag, Tagedieb, Geburtstag, Sonnenschein; wunderschön, dunkelblau; widersprechen.

Erläuterungen.

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Erläuterungen. Zu Nr. 1 (Morgengebet): Die Hut, von behüten; bet Hut ist im Grunde dasselbe Wort, denn der Hut behütet auch. Zu Nr. 5 (Vom Hirten): Früh statt Frühe, Schluft statt Schlucht sind oberdeutsche Formen. Zu Nr. 12 (Gute Nacht, mein Kind): Bedacht = mit einem Dach aus Rosen; Näglein hier die Blumen, die den Nägeln gleichen. Zu Nr. 16 (Im Frühling): Scilla, deutsch Meerzwiebel. Zu Nr. 22 (Im Sommer): Heliotrop, deutsch Sonnenwende; Geranium deutsch Kranichschnabel oder Storchschnabel. Zu Nr. 25 (Herbst): Wein nennt man in Norddeutschland auch die Früchte des Weinstocks, also die Trauben. Zu Nr. 26 (Im Herbst): Die Zwetsche, in Süddeutschland auch Zwetschge genannt, ist eine edle Obstart, während die Pflaume ein gewöhnliches, sehr säurereiches Obst ist; äugen = Jägerausdruck; Pfifferling, von Pfeffer abzuleiten, ein Pilz mit schwach pfefferartigem Geschmack. Zu Nr. 27 (Pflaumenregen): Grapsen = hastig greifen, raffen. Zu Nr. 28 (Bon mancherlei Beeren): Vergehen, sonst zer­ gehen, zerschmelzen. Zu Nr. 30 (Wie das Finklein): Scheuer ist dasselbe wie Scheune, Haber dasselbe wie Hafer. Zu Nr. 34 (Winters Ankunft): Jänner, süddeutsch statt Ja­ nuar. Zu Nr. 36 (Der Hase im Kohl): Tapfen oder Stapfen, auch Fußtapfen. Zu Nr. 37 (Der erste Schnee): Zottelrock = Pelzrock, wenn die Haare in Zotteln (Büscheln) herunterhängen; pudrig = ge­ pudert, mit weißem Mehl bestreut; Tiegel --- Topf. Zu Nr. 41 (Was das Christkindlein sagt) : Dolzbock oder Zecke ist das lästige Insekt, das sich an Menschen und Tiere an­ saugt und ihnen Blut entzieht, daher auch von bösartigen und lästigen Menschen gebraucht. Zu Nr. 51 (Büblein auf dem Eis): Heuer ----- dieses Jahr. Zu Nr. 58 (Was die Tiere lernen): Böen --- mäh machen; mausen = Mäuse fangen; Stieglitz, sonst Distelfink, erstere Be­ zeichnung eine Nachahmung der Stimme des Bogals. Zu Nr. 65 (Das dumme Kätzchen): Grapsen = hastig greifen; vorbeihappsen ----- nicht zu fassen kriegen, mit haben zusammen­ hängend. Zu Nr. 69 (Hausmaus und Feldmaus): Büchel, wie Eichel gebildet, die dreieckige, eßbare, kleine Frucht der Buche, auch Buchecker und Buchelnuß genannt. Wo viel Buchenwald ist, wird aus den Bucheckern sogar Ol geschlagen.

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Erläuterungen.

Zu Nr. 73 (Kückenmütterchen): Kücken, Küchlein heißen die jungen Hühner. Zu Nr. 87 (Bachstelze): Stelzenfuß = langer, dünner Fuß. Zu Nr. 88 (Der Storch): Wecke süddeutsch für Semmel. Zu Nr. 94 (Der Frosch): Lenz, mit länger zusammen­ hängend, die Jahreszeit, wo die Tage länger werden, Frühling. Zu Nr. 95 (Bom Schneckchen): Süddeutsch heißt es auch der Schneck statt die Schnecke, ähnlich das Eck statt die Ecke. Zu Nr. 118 (Luft und Wind): Man kann den Wind an­ führen, d. h. zum Besten halten. Zu Nr. 119 (Täubchen): Siebenfalt, sonst siebenfach, sieben­ fältig. Zu Nr. 126 (Der Nähkorb): Mit den Schwestern sind hier Krankenschwestern gemeint. Zu Nr. 131 (Drei Ringelreihen): Holderbusch = Holunder­ busch. Zu Nr. 132 (Hansel und Gretel): Nudeldick ist dick wie eine Dampfnudel, wie man in Süddeutschland eine Art im Back­ ofen gebackene lockere und runde Klöße nennt. Zu Nr. 136 (Reinmachen): Börde = Mehrzahl von Bord, Brett. Zu Nr. 144 (Grasmücklein): Der Taus oder der Tausend, gemeint ist der Teufel, der aber aus frommer Scheu nicht ge­ nannt wird. Zu Nr. 153 (Wie die Menschen einander helfen): Plättofen, anderswo Bügelofen; Werkstelle, sonst Werkstatt; Rundstück heißen in Hamburg die runden Frühstücksbrötchen. Dort nennt man auch Schlachter, was anderswo Metzger oder Fleischer (Fleisch­ hauer, Beinhauer, Knochenhauer) heißt. Zu Nr. 154 (Auf dem Wochenmarkt): Wurzeln = Rüben; Bundholz ---- zusammengebundenes dünnes Holz zum Feueran­ zünden, anderswo Schänzchen genannt. Zu Nr. 164 (Der Menschenfresser): Metzgen = schlachten. Zu Nr. 174 (Der Wein): Kordelchen, Abkürzung aus Cordula. Zu Nr. 185 (Jockel): Der Henker henkt, jetzt sagt man gewöhn­ lich hängen. Zu Nr. 187 (Wie einer zu einem Hemdlein kam): Krämpeln der Wolle ist das Verfahren, daß die einzelnen Fasern gleichmäßig liegen «und dadurch sich spinnen lassen; Windle ist Verkleinerung von Windel. Zu Nr. 188 (Der Mann im Monde): Aufhucken = auf den Rücken heben; Staffelstock ist ein Stock, um aufgestapeltes, auf­ gestaffeltes Holz zu tragen. Zu Nr. 189 (Bom Hühnchen und Hähnchen): Schmeer ist Schmalz, Fett zum Einschmieren; Brunnen bedeutet hier auch das Wasser des Brunnens. 'Zu Nr. 192 (Sieben Geißlein): Geißerchen, wie Kinderchen gebildet; pumpeln = hin und her gehen, wie eine Pumpe; Wacker­ steine = Wacken, Feldsteine. Zu Nr. 193 (Rotkäppchen): Haußen = hier außen. Zu Nr. 196 (Strohhalm, Kohle und Bohne): Hier ist die dicke Bohne gemeint, die wegen der geheimnisvollen schwarzen

Erläuterungen.

Lebensabriß d. Verf. u. Nachweis d. Quellen.

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Zeichnung auf der weißen Blüte und wegen der schwarzen Naht der Frucht schon im griechischen Altertum als' eine den Unter­ irdischen geweihte Pflanze galt. Zu Nr. 198 (Die Bremer Stadtmusikanten): Die Schwefel­ hölzer hatten früher keinen Phosphor und mußten darum erst an einem Feuer oder Funken entzündet werden.

Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen. Anschütz, Ernst Gebhard Salomo Tobias Georg, geb. 28. Feb r. 1743,128. Febr. 1807 zu Peterwitz bei Schweidnitz in Schlesien. Nr. 105 (abgedruckt aus Dietlein und Polack, Aus deutschen Lesebüchern Bd. 1, die 3. Strophe ist Weggeblieden). B e ch st e i n , Ludwig, geb. 24. Nov. 1801 zu Weimar, f Mar 1860 zu Meiningen. Nr. 188, 189 (Märchenbuch, Prachtausgabe, 5. Aufl., Leipzig o. I.). Bierbaum Julius, geb. 9. September 1844 zu Audenhain bei Torgau, lebt als Professor a. D. zu Wiesbaden. Nr. 111 (Blumen und Blüten für die Jugend, Heidelberg, 1888). Brauer, M., geb. 11. August 1876 zu Nikolaiken, Ostpreußen,, lebt zu Bialla in Ostpreußen. Nr. 81 (Hauslehrer 1904, s. Otto). Cornelius, Peter, geb. 24. Dezember 1824 zu Mainz, f 26. Oktober 1874 zu Mainz. Nr. 8 (Gedichte, Leipzig, 1905). Curtman, Wilhelm, geb. 3. März 1802 zu Alsfeld in Hessen, t 6. Februar 1871 zu Gießen. Nr. 3, 24, 74, 88, 90, 143,150, 169, 170, 172,173,175 (Lesebuch für die Stufe der Anschauung, Offenbach, 1846.— Geschichtchen für Kinder, 7. Aufl., Gießen, 1829, öfters etwas gekürzt). D e h m e l, Richard, geb. 18. November 1863 zu Wendisch-Hermsdorf, lebt zu Blankenese bei Hamburg. Nr. 44 (P. und R. Dehmel, Knecht Ruprecht, Köln, o. I.). Dieffenbach, Georg Christian, geb. 4. Dezember 1822 zu Schlitz in Hessen, t 13. Mai 1901 daselbst. Nr. 1,18, 71, 72, 75, 82, 83, 85, 87, 94,117,148,157,167 (Kinderlieber, Wiesbaden, o. I. Glückliche Kinderzeit, Bremen, 1885. Für unsere Kleinen, Gotha, 1890 u. 1899). Eigenbrod t, Wolrad, geb. 10. Juni 1860 zu Koblenz, lebt in Jena. Nr. 62, 93,97,119 (Aus der schönen weiten Welt, Leipzig, o. A). E n s l i n , Karl, geb. 21. September 1819 zu Frankfurt a. Main, t 14. Oktober 1875 daselbst. Nr. 7, 47, 121, 122 (Lebensfrühling, 3. Aufl., Leipzig, 1859). F alke, Gustav, geb. 11. Jan. 1853 zu Lübeck, lebt zu Großborstel bei Hamburg. Nr. 65,76 (Aus: Selige Zeit, von Lobsien, Bremen, o. I.). F o r r e r, Klara, geb. 19. April 1868 zu Zürich, lebt als Frau Holzmann ebenda. Nr. 45 (Moser, Sternschnuppen, Zürich, o. I.). F r a p a n, Ilse, verheiratete Akunian, geb. 3. Februar 1862 zu Hamburg, f 5. Dezember 1908 zu Zürich. Nr. 6, 153 (Hamburger Bilder für Kinder, Hamburg, o. I.). Gansberg, Friedrich, geb. 9. April 1871 zu Bremen, lebt als Lehrer zu Bremen. Nr. 113, 124—126, 136, 152, 154 (Original-

186

Leberrsabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen,

bearbeitungen für das vorliegende Buch, nach seinen Streifzügen durch 6w Welt der Großstadtkinder, Leipzig, 1906). Brüder Grimm, 1. Jakob, geb. 4. Januar 1785 zu Hanau, 1" 20. September 1863 zu Berlin; 2. Wilhelm, geb. 24. Februar 1786 zu Hanau, f 16. Dezember 1859 zu Berlin. Nr. 190—198 (Kinderund Hausmärchen, große Ausgabe, 18. Aufl., Berlin 1882). Güll, Friedrich, geb. 1. April 1812 zu Ansbach, f 23. Dezember 1879 zu München. Nr. 5, 27, 30, 37, 51, 72, 95, 96, 106,114, 120, 127, 129, 141, 144 (Kinderheimat in Liedern, Gütersloh, 1875). Hey, Wilhelm, geb. 26. Mai 1789 zu Laucha bei Gotha, 119. Mai 1854 zu Ichtershausen. Nr. 4, 23, 55, 59, 60, 63, 66, 79, 86, 91, 109, 110, 159 (Fabeln für Kinder, 2 Bde., Gotha, o. I.). Hoffmann, August Heinrich, geb. 2. April 1798 zu Fallersleben bei Hannover, f 19. Januar 1874 zu Corvey an der Weser. Nr. 20, 46, 52—54, 67, 104, 137, 145, 146 (Kinderlieber, vollständige Ausgabe, herausgegeben von Donop, Berlin, 1887). Hummel, August, geb. 4. August 1839 zu Halle a. d. Saale, 119. Januar 1898 zu Delitzsch. Nr. 28, 29 (Herzblättchens Zeitvertreib, Glogau, Bd. 30, 27, etwas gekürzt). Jacobs, Friedrich, geb. 6. Oktober 1764 zu Gotha, f 30. März 1847 daselbst. Nr. 168 (Feierabende in Mainau, 2. Aufl., Leipzig, 1843). Joel, Käte, geb. 12. Mai 1862 zu Berlin, lebt in Zürich. Nr. 165 (Aus Else Fromm, Lieder u. Bewegungsspiele, 2. Aufl. Hamburg, 1907). K a st r o p p , Gustav, geb. 30. August 1844 zu Salmünster, lebt in Hildesheim. Nr. 73 (Jugendland, Zürich, o. I.). Kellner, Lorenz, geb. 29. Januar 1811 zu Heiligenstadt, t 18. August 1892 zu Trier. Nr. 176 (Prakt. Lehrgang für den deutschen Sprachunterricht, 10. Aufl. Erfurt, 1862. Einige Schluß­ reime sind weggelassen). K l e t k e , Hermann, geb. 14. März 1813 zu Breslau, t 2. Mai 1886 daselbst. Nr. 9, 31, 34, 50, 123 (Kinderlieber, Gesamtausgabe, Berlin, o. I.). Kritzinger, Friedrich Wilhelm, geb. 1816 zu Lehnin in der Mark Brandenburg, 112. Juli 1890 zu Naumburg. Nr. 43 (Aus Dieffenbach, Für unsere Kleinen, Bd. 15, Gotha). Leander (Richard v. Bolkmann), geb. 17. Aug. 1830 zu Leipzig, t 20. Nov. 1889 zu Halle. Nr. 158 (Gedichte, 3. Aufl., Leipzig, 1890). Löwen st ein, Rudolf, geb. 20. Februar 1819 zu Breslau, f 5. Januar 1891 zu Berlin. Nr. 58, 134, 135, 142 (Kindergarten, Berlin, 4. Aufl., Kindergedanken, Berlin, o. I.) Meier, Ernst Heinrich, geb. 17. Mai 1813 zu Rusbendt in Schaumburg-Lippe, t 2. März 1886 zu Tübingen. Nr. 199 (Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, 1852). Mercator (Berta Josephson geb. Cremer), geb. 11. Juni 1861 zu Solingen, lebt zu Dresden. Nr. 49 (Aus Dieffenbach, Für unsere Kleinen, Gotha). Moser, Felix, geb. 3. Oktober 1863 zu Leipzig, wohnt zu Naunhof i. S. Nr. 128 (Aus Jugendland, Zürich, o. I.). N a ck e. Karl, geb. 25. Juni 1821 zu Aschersleben, f 13. Februar 1856 zu Merseburg. Nr. 151 (Lesebuch für Bürgerschulen, Leipzig, 1859). Otto, Berthold, geb. 6. August 1859 zu Bienowitz, lebt in GroßLichterfelde bei Berlin. Nr. 2, 17, 38, 40, 108, 112, 118, 149, 156 (Der

Inhalt H.

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Inhalt n. Arschütz: Sette 106. O Tannmbaum.................................................................................. 73 Blnnig er: 140. Büblein und Bächlein......................................................................96 Bechstein: 188. Das Mädchen vom Mann imMonde.......................................... 136 189. Born Hühnchen und Hähnchen....................................................... 137 Bierb aum: 111. Unser Kiiser......................................................................................... 77 Brauer: | 81. Unser Gissenbübchen............................................................................ 58 Beutner: 103. Born vierblättrigen Kleeblatt................................ 72 Cornelius: 8. Wiegenlied...................................... 5 Cnrtman: L. Die Sonnenstrahlen............................................................................. 2 24. Die drei Schmetterlinge.................................................................... 18 74. Der Hühnerhof................................................................................. 53 88. Der Storch........................................................................................64 90. Der Distelfink....................................................................................... 64 143. Die Sperlinge unter dem Hute................................................. 98 160. Der Schmied......................................................................................102 169. Der Strohmann................................................................................120 170. Das Fünkchen...................................................................................... 120 172. Das Töpfchen...................................................................................... 121 173. Die beiden Ziegenböcke.................................................................... 122 176. Die Katze und die drei Hunde....................................................... 1Ä4 Dehmel: 44. Der liebe Weihnachtsmann...................................... 33 Die ffenba ch: 1. Morgengebet........................................................................................... 1 71. Die Henne und ihre Küchlein......................................................... 51 72. Zwei Rätsel........................................................................................ 52 75. Aus dem Hofe.................................................................................. 56 82. Der lustige Musikant............................................................................ 59 83. Frau Schwalbe.................................................................................. 60 86. Das Vogelnest.........................................................................................61 87. Die Bachstelze......................................................................................... 63 94. Der Frosch............................................................................................... 67 117. Zwei Rätsel.........................................................................................-1 Hessel. Lesebuch 1. 11. Ausl. 13

194

Inhalt n. Sette

148. Die Mühle............................................................. 157. Ein Rätsel................................................................... 167. Dieb! Dieb!............................................................. Eigenbrod t: 62. Schäfchen.................................................................................................... 46 93. Das Reh.................................................................................................... 66 97. Bienchen.................................................................................................... 69 109. Täubchen.................................................................................................... 83 Enslin: Es regnet...................................................................... Weihnachtsliedchen................................................... Maiblümlein............................................................... Wie man einschläft................................................... Falke: 65. Das dumme Kätzchen . . 47 76. Zwiegespräch ... . . 56 Forrer: 45. Wenn's schneit .... . . 34 Fr ap an: 6. Platzregen . ;...................................... . . x 4 153. Wie die Menschen einander helfen. . .105 Gansber'g: 113. Lieschen am Herd'............................................................................... 79 124. Die Stube im Festkleide...................................................................86 125. Wäschetag.................................................................................................. 87 126. Der Rähkorb............................................................................................ 87 136. Reinemachen auf der Straße................................................... 93 152. Im Wäscheladen...................................................................................104 154. Auf dem Wochenmarkt.......................................................................106 Grimm: 190. Die Sterntaler.............................................................. 139 191. Lügenmärchen..................................................................... . 140 192. Der Wolf und die siebenjungen Geißlein ... .140 193. Das Rotkäppchen............................... 143 194. Der Fuchs und die Gänse...................................... 147 195. Das Lumpengesindel........................................................ 147 196. Strohhalm, Kohle und Bohne...................................... - > 160 197. Der arme Müllerbursch und das Kätzchen . . . . > 161 198. Die Bremer Stadtmusikanten...................................... . ] 156

7. 47. 121. 122.

6. 27. 30. 37. 51. 72. 95. 96. 106. 114.

Güll: Bom Hirten...................................................... 3 Pflaumenregen........................................................... 21 Wie das Finklein das Bäuerlein imScheuerlein besucht 25 Der erste Schnee................................................................................... 29 Will sehen, was ich weiß vomBüblein auf dem Eis . 38 Zwei Rätsel......................................................................................... 52 Bom kleinen Schneckchen ............................... 68 Ein Rätsel............................................................................................... 68 Zwei Rätsel.........................................................................................74 Lied vom feinen Mädchen.................................................. . 80

. . .

. . . .

.4 .3 .8 .8

Inhalt n.

195 Seite

Rekrut..................................................................................................84 Das neue Brüderlein............................................................. .88 Ein Rätsel...................................................................................... .90 Bom Bauern und den Tauben...................................................... 96 Bom listigen Grasmücklein.............................................................98 Hey: 4. Wandersmann und Lerche.............................................................. 3 23. Knabe und Schmetterling.............................................................18 56. Gott sorgt............................... *......................................................41 59. Knabe und Hündchen...................................................................44 60. Pudel..................................................................................................44 63. Kätzchen........................................................................................... 46 66. Mäuschen...................................................................................... .48 79. Fuchs und Gans.................................................................... 57 86. Bogel..................................................................................................63 91. Vöglein im hohen Baum.............................................................66 109. Bom Vater im Himmel................................................................... 77 HO. Tu nichts Böses.............................................................. 77 169. Weißt du wieviel Sterne stehen? ........ 110 Hoffmann: 20. Des Kuckucks Ruf................................................................................16 46 Der Weihnachtsbaum.........................................................................36 52. Die armen Bögelein......................................................................... 38 53. Bald ist der Frühling da............................... 39 64. Frühlings Ankunft................................................. 40 67. Die Mäuse..................................................................................... 48 104. Ein Rätsel.............................................................. 73 115. Was fang ich an . . . ... 80 137. Der Weg zur Schule.................................................................... 94, 146. Hänselein............................... 99 146. Nußknacker....................................................................................... 100 Hummel: 28. Bon mancherlei Beeren ................................................................... 22 29. Bon mancherlei Nüssen...................................................................23 Ja cobs: 168. Das Kind und die Wölfe........................................................... 118 Joel: 166. Der kleine Apfel..............................................................................116 Kastropp: 73. Kückenmütterchen................................................................................52 Kellner: 176. Das Mäuschen und der Löwe..................................................... 125 Kletke: 9. Der Sandmann..................................................................................5 31. Spätherbst............................................................................................ 25 34. Winters Ankunft........................................... 28 50. Der Schneemann . . . .... . . . . 37 123. Äletn Annchen............................... 85 120. 127. 129. 141. 144.

_ Kritzin ge r: 43. O Weihnachtszeit................................................................................ 33

196

Inhalt II. Seite

158. 58. 134. 135. 142. 199.

49. 128. 151.

2 17. 38. 40. 108. 112. 118. 149. 156.

19.

57. 186.

13.

10. 174. 138.

39. 155. 42. 162. 163. 164. 166.

15. 21.

Leander: Schlaft ein!...................................................................................... 110 Lö wenstein: Was die Tiere alles lernen...................................... 43 Der kleine Schulmeister..................................................................... 92 Das Examen........................................................................................ 92 Hans und die Spatzen.................................................................... 97 Meier: Neckmärchen...................................................................................... 159 Mercator: Was man in unserm Hause am 31. Dezember sagt ... 37 Moser: Kreisellied.............................................................................................. 89 Nacke: Der Uhrmacher................................................................................ 103 Otto: Die Sonne.......................................................................................... 1 Bom Osterhasen.................................................................................. 13 Im kalten Winter........................................................................... 30 Weihnachten........................................................................................ 31 Bom Brot............................................................... 75 Ich kann schon viel........................................................................... 78 Luft und Wind................................................................................. 82 Der Ziehbrunnen................................................................................ 102 Bom Reisen......................................................................................108 Overbeck: An den Mai.........................................................................................15 Pocci: Widewidewenne heißt meine Putthenne..................................... 42 Pröhle: Der Fuchs und die Gans............................................................ 134 Reinh eimer: Der Sonnenstrahl.......................................................... 8 Reinick: Wiegenlied............................................................................................... 6 Der Wein.............................. 123 Schanz: Der kleine Schulmeister..................................................................... 96 Scharrelmann: Ein Guckloch in derScheibe.......................................................... 31 Wir ziehen um.............................................................................. 108 v. Schmid: Die Kinder bei der Krippe............................................................. 32 Der Widerhall..................................................................................... 114 Der Kürbis und die Gchel............................................................114 Der Menschenfresser........................................................................ 115 Der kluge Landmann und sein Pferd........................................ 116 Seidel: Frühling...............................................................................................12 Sommer................................................... 16

197 Sette 26. Herbst...................................................................................................... ™ 32. Mnter...................................................................................................... 26 36. Der Hase im Kohl............................................................................ 28 Inhalt IL

Staub: 98. Die Schlüsselblume . . . 70 99. Das Schneeglöcklein............................................................................. 70 Sturm: 187. Wie einer zu einem Hemdlein kam Traugott: 89. Meischen . ..••«

36. 78. 80. 84.

Der Auf Das Das

.....

.134

«••••••*•

04

Trojan: Schnee........................................................................................ 28 dem Günseanger.................................................................... 67 Entchen........................................................................................ 68 Schwalbennest j........................................................................... 60

Weber: 130. Das^ trotzige Hänschen...................................................................... 90

v. Wildenbru ch: 48. WeibnachtSlegende . - ................................................................ 36

Wunderh orn: 11. Die Glocke schlägt....................................................................................7 12. Gute Nacht...........................................................................................8 41. Was das Ehristkindlein sagt............................................................... 32 Verschiedene-: 14. Die schönste Jahreszeit..................................................................... 11 16. Im Frühling........................................................................................ 12 22. Im Sommer........................................................................................ 17 26. Im Herbst.............................................................................................. 20 33. Im Winter........................................................................................ 26 61. Der Wettstreit........................................................................................ 44 64. Das Mohrle........................................................................................ 46 68. Die kluge Maus.................................................................................. 49 69. Hausmaus und Feldmaus.............................................................. 60 102. Das Stiefmütterchen........................................................................... 71 107. Ein Rätsel............................................................. 74 139. Die Apfelkerne................................................................................ «5 177. Der Fuchs und die Trauben..................................................... 126 178. Der Storch und der Fuchs............................................................ 126 179. Der Esel in der Löwenhaut..................................................... 127 180. Der Affe und die Sttefel............................................................ 127 181. Der Geizhals..................................................................................... 128 182. Der lügenhafte Hirt........................................................................ 129 183. Wie der Fuchs und der Wolf in den Brunnen stiegen . . 130 184. Der beladene Esel ...... .................................................................. 131 200 bis 208. Reineke Fuchs. In neun Geschichten .... 160 Volkstümlich: 18. WaldhäSlein............................... 16 66. Auf dem Acker............................................ .42

198

Inhalt II

Anfänge der Gedichte. Seite

70. 92. 100. 101. ,116. 131. 132. 133. 147. 160. 161. 171. 186.

Jäger und HLSlein . . 50 Waldvögelein . . . .66 Ein Rätsel............................................................................................... 70 Des Blümchens Name..................................................................... 71 Spruch.....................................................................................................81 Drei Ringelreihen . ”........................................................................ 90 Hansel um> Gretel........................................................................... 91 Bruder Jakob........................................................................................ 91 Die Mühle...................................... 100 Noch einige Rätsel.......................................................................... 111 Sprichwörter........................................................................................... 112 Ein Rätsel . . '..........................................121 Jockel................................................................................................... 131

Anfänge der Gedichte. Die Anfänge der Rätsel Seite 111 sind nicht verzeichne:. Sette

Seite

Ach,

Bater, sprich.............97 Ach, Wind, was machst... Ach, wo ich gerne bin . . . Alle Bögel sind schon da . . Am Wege steht ein langer Mann Armes Pink-Pink-Meiselchen . Auf dem Anger, da gehn. . Auf dem Dach viel blanke . Aufgepaßt und hingesetzt . . Aus dem Himmel ferne. . .

37 80 40 109 64 57 28 92 77

Bäuerlein, tick-tick-tack ... 25 Bruder Jakob, schläfst ... 91 Bttblein, wirst du......................84

Christkind kam..............................36 Das Das Das Das Der Der Der Der Der Der Der Der Der Der Der

Büblein geht...................... 96 Christkind lein......................32 Haus hat lauter Treppen 68 Kätzlein sitzt......................55 Bauer hat ein .... 96 Esel, der Esel..................... 33 Frosch sitzt in dem . . 67 Frühling ist die schönste 12 Fuchs, der ist ein ... 56 Herbst ist doch die schönste 19 Herr, der schilp .... 131 kleine Schulmeister hält 95 Kuckuck hat gerufen . . 16 Mond, der scheint ... 7 Sommer ist die schönste 16

Der Winter ist die schönste . 26 Des Winters, wenn es . . . 38 Die Enten lernen...................... 43 Die Schwalben haben ... 60 Die Täublein schon am frühen 83 Ci du liebe, liebe Zeit ... 29 Ein Männlein steht im Walde 73 Ein Wagen kommt gefahren 81 Ei, wie langsam ...... 68 Entchen, so geh doch .... 56 Es ist kein Mäuschen ... 41 Es klappert die Mühle ... 100 Es regnet, Gott segnet, der . 42 Es regnet, Gott segnet die . 4 Es steht ein Baum .... 21 Es steht eine Mühl .... 101 Feldmaus! Waldmaus ... 50 Frau Bäurin sucht's Kätzchen 46 Frau Gans, das Wetter . . 57 Frau Glucke, wird's dir nicht 52 Frau Schwalbe ist...................... 60 Gefroren hat es heuer . . , 38 Gestern Abend ging ich aus 50 Gluck, gluck, gluck. ..... 51 Guten Abend, gute Nacht \ 8 Guten Morgen, Fräulein Huhn 56

Hänschen, wolln wir spielen Hänselein, willst du. . .

90 90

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Inhalt II

Anfänge der Gedichte. Seite

70. 92. 100. 101. ,116. 131. 132. 133. 147. 160. 161. 171. 186.

Jäger und HLSlein . . 50 Waldvögelein . . . .66 Ein Rätsel............................................................................................... 70 Des Blümchens Name..................................................................... 71 Spruch.....................................................................................................81 Drei Ringelreihen . ”........................................................................ 90 Hansel um> Gretel........................................................................... 91 Bruder Jakob........................................................................................ 91 Die Mühle...................................... 100 Noch einige Rätsel.......................................................................... 111 Sprichwörter........................................................................................... 112 Ein Rätsel . . '..........................................121 Jockel................................................................................................... 131

Anfänge der Gedichte. Die Anfänge der Rätsel Seite 111 sind nicht verzeichne:. Sette

Seite

Ach,

Bater, sprich.............97 Ach, Wind, was machst... Ach, wo ich gerne bin . . . Alle Bögel sind schon da . . Am Wege steht ein langer Mann Armes Pink-Pink-Meiselchen . Auf dem Anger, da gehn. . Auf dem Dach viel blanke . Aufgepaßt und hingesetzt . . Aus dem Himmel ferne. . .

37 80 40 109 64 57 28 92 77

Bäuerlein, tick-tick-tack ... 25 Bruder Jakob, schläfst ... 91 Bttblein, wirst du......................84

Christkind kam..............................36 Das Das Das Das Der Der Der Der Der Der Der Der Der Der Der

Büblein geht...................... 96 Christkind lein......................32 Haus hat lauter Treppen 68 Kätzlein sitzt......................55 Bauer hat ein .... 96 Esel, der Esel..................... 33 Frosch sitzt in dem . . 67 Frühling ist die schönste 12 Fuchs, der ist ein ... 56 Herbst ist doch die schönste 19 Herr, der schilp .... 131 kleine Schulmeister hält 95 Kuckuck hat gerufen . . 16 Mond, der scheint ... 7 Sommer ist die schönste 16

Der Winter ist die schönste . 26 Des Winters, wenn es . . . 38 Die Enten lernen...................... 43 Die Schwalben haben ... 60 Die Täublein schon am frühen 83 Ci du liebe, liebe Zeit ... 29 Ein Männlein steht im Walde 73 Ein Wagen kommt gefahren 81 Ei, wie langsam ...... 68 Entchen, so geh doch .... 56 Es ist kein Mäuschen ... 41 Es klappert die Mühle ... 100 Es regnet, Gott segnet, der . 42 Es regnet, Gott segnet die . 4 Es steht ein Baum .... 21 Es steht eine Mühl .... 101 Feldmaus! Waldmaus ... 50 Frau Bäurin sucht's Kätzchen 46 Frau Gans, das Wetter . . 57 Frau Glucke, wird's dir nicht 52 Frau Schwalbe ist...................... 60 Gefroren hat es heuer . . , 38 Gestern Abend ging ich aus 50 Gluck, gluck, gluck. ..... 51 Guten Abend, gute Nacht \ 8 Guten Morgen, Fräulein Huhn 56

Hänschen, wolln wir spielen Hänselein, willst du. . .

90 90

Anfänge der Gedichte.

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Seite

Seite

Ich bin ein seins..................... 80 Ich kenn ein Fäßlein ... 52 Ich kenn zwei kleine Fensterlein 81 Ihr Kinder, horcht, ein. . . 52 Ihr Kinderlein, kommet, . . 32 Im Frühling hauch ich süßen 74 Im Ofen ist sein Aufenthalt 121 Im Walde dort unter ... 85 Im weißen Pelz..................... 28 Im Winter, wenn es ... 94 In einer Scheune waren. . 48 In meinem kleinen Apfel. . 116 Jst's nicht zum Lachen ... 47

Schon kommt die Nacht . . 85 Sei nicht so bang......................66 Sonne hat sich müd .... 6 Spannenlanger Hansel ... 91 Still, still, still......................... 35 Summ, summ, summ ... 69 Summ und summ..................... 90 Surre, surre, summ .... 89

Tra ri ra!..................................39 Tu nichts Böses......................... 77 Um dürres Holz..........................15

Bögel, die nicht singen ... Vöglein fliegt dem Nestchen zu Vöglein im hohen Baum . . Vom Schlaf bin ich ... . Bon allen den Bäumen jung

81 5 Kannnichtruhn heißt mein Huhn 42 65 Kannst du raten, wer ich sei 70 1 Kätzchen, nun müßt ihr . . 46 35 Klaus ist in den Wald ... 98 Knabe, ich bitt dich..................... 63 Was geht dort für ein . . . 63 Komm, lieber, Mai..................... 15 Was ist das für ein Musikant 59 Komm nun, mein Hündchen. 44 Was ist die schönste Jahreszeit? 11 Lerche, wie früh schon ... 3 Weißt du, wieviel....................HO Wenn ich in mein Gärtlein . 25 Mäuschen, was schleppst . . 48 Wer hat hier die Milch . . 44 Morgens in der Früh ... 3 Wer hätte das gedacht ... 28 Nun sagt mir, Leut .... 74 Wer will unter die .... 84 66 Nußknacker, du machst ein . 100 Wie hab ich doch die kleinen Wie ich heut morgens ... 88 C, könnt ich doch..................... 77 Wie man einschläft .... 85 O Tannenbaum......................... 73 Wirbel wirbel Flöcklein ... 34 O Weihnachtszeit..................... 3ä Wollenes Röckchen..................... 45 Ningel, Ringel, Reihe ... 90 Zuerst zum Rechnen .... 92 Schlaft mir allzusammen ein 110 Zwei feine Stieflein .... 5 Schmetterling, kleines. ... 18

Druck von Julius Beltz, Hofbuchdructer, Langensalta.

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Inhalt EL Selle

148. Die Mühle................................................................................. 101 157. Ein Rätsel........................................................................................109 167. Dieb! Dieb!..................................................................................117 Eigenbrod t: 62. Schäfchen......................................................................................... 46 93. Das Reh..........................................................................................66 97. Bienchen..........................................................................................69 109. Täubchen ..........................................................................................83 Enslin: 7. Es regnet........................................................................................... 4 47. Weihnachtsliedchen....................................................................... 35 121. Maiblümlein................................................................................... 85 122. Wie man einschläft....................................................................... 85 Falke: 65. Das dumme Kätzchen................................................................. 47 76. Zwiegespräch................................................................................... 56 Forrer: 45. Wenn's schneit............................................................................. 34 Frap an: 6. Platzregen . ;............................................................................... 4 153. Wie die Menschen einander helfen............................................. 105 Gansberg: 113. Lieschen am Herd....................................................................... 79 124. Die Stube im Festkleide........................................................... 86 125. Wäschetag..........................................................................................87 126. Der Nähkorb....................................................................................87 136. Reinemachen auf der Straße..................................................... 93 152. Im Wäscheladen........................................................................... 104 154. Auf dem Wochenmarkt............................................................... 106 Grimm: 190. Die Sterntaler........................................................................... 139 191. Lügenmärchen..................................................................................140 192. Der Wolf und die sieben jungenGeißlein............................. 140 193. Das Rotkäppchen......................... ...............................................143 194. Der Fuchs und die Gänse......................................................... 147 195. Das Lumpengesindel..................................................................... 147 196. Strohhalm, Kohle und Bohne................................................... 150 197. Der arme Müllerbursch und dasKätzchen................................... 151 198. Die Bremer Stadtmusikanten................................................... 155 Güll: 5. Vom Hirten......................................................................................3 27. Pflaumenregen............................................................................. 21 30. Wie das Finklein das Bäuerlein imScheuerlein besucht . 25 37. Der erste Schnee............................................................................. 29 51. Will sehen, was ich weiß vomBübleinauf dem Eis 38 72. Zwei Rätsel................................................................................... 52 95. Vom kleinen Schneckchen........................................................... 68 96. Ein Rätsel......................................................................................... 68 106. Zwei Rätsel................................................................................... 74 114. Lied vom feinen Mädchen........................................................... 80

Inhalt H.

195 Zette

120. 127. 129. 141. 144.

4. 23. 55. 59. 60. 63. 66. 79. 86. 91. 109. 110. 159. 20. 46 52. 53. 54. 67. 104. 115 137. 145. 146. 28. 29. 168.

165. 73.

176.

9. 31. 34. 50. 123.

43.

Rekrut............................................................................................... 84 Das neue Brüderlein................................................................. 88 Ein Rätsel......................................................................................... 90 Vom Bauern und den Tauben..................................................... 96 Vom listigen Grasmücklein........................................................... 98 Hey: Wandersmann und Lerche............................................................ 3 Knabe und Schmetterling........................................................... 18 Gott sorgt......................................................................................... 41 Knabe und Hündchen................................................................ 44 Pudel...............................................................................................44 Kätzchen........................................................................................ 46 Mäuschen.........................................................................................48 Fuchs und Gans............................................................................ 57 Vogel............................................................................................... 63 Vöglein im hohen Baum...........................................................65 Vom Vater im Himmel................................................................. 77 Tu nichts Böses............................................................................. 77 Weißt du wieviel Sterne stehen?............................................. 110 Hoffmann: Des Kuckucks Ruf............................................................................. 16 Der Weihnachtsbaum...................................................................... 35 Die armen Bögelein....................................................................... 38 Bald ist der Frühlingda............................................................. 39 Frühlings Ankunft....................................................................... 40 Die Mäuse................................................................................... 48 Ein Rätsel......................................................................................... 73 Was fang ich an............................................................................. 80 Der Weg zur Schule....................................................................... 94 Hänselein......................................................................................... 99 Nußknacker........................................................................................100 Hummel: Von mancherlei Beeren................................................................. 22 Von mancherlei Nüssen................................................................. 23 Jacobs: Das Kind und die Wölfe......................................................... 118 Joel: Der kleine Apfel........................................................................... 116 Kastropp: Kückenmütterchen............................................................................ 52 Kellner: Das Mäuschen und der Löwe.................................................. 125 Kletke: Der Sandmann............................ 5 Spätherbst........................................................................................25 Winters Ankunft........................................................................... 28 Der Schneemann............................................................................37 Klein Ännchen................................................................................. 85 Kritzinger: O Weihnachtszeit..............................................................................33