Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 1 Neunte Klasse [13. Aufl., Reprint 2021] 9783112605301, 9783112605295


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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 1 Neunte Klasse [13. Aufl., Reprint 2021]
 9783112605301, 9783112605295

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen von

Karl Hessel.

Erster Teil.

Neunte Klaffe. Dreizehnte Auflage, durchgesehen unter Mitwirkung von Äelene Klostermann und Maria Kessel.

Bonn 1918. A. Marcus und E. Webers Verlag.

Vorwort zur elften Auflage. Unter freundlicher Mitwirkung von Fräulein Helene Kl oster mann, Direktorin des Comenius-Seminars zu Bonn, und meiner Tochter Maria Hessel, Lehrerin an der Hildaschule zu Koblenz, sind sämtliche Nummern dieses Bandes sorgsam auf ihre Brauchbarkeit für das zweite Schuljahr geprüft worden. Es hat sich herausgestellt, daß eine kleine Anzahl Stücke ersetzt werden mußten, so wegen veralteter Form die Jahreszeiten von Kellner (Nr. 16, 22, 26, 33), die Goldfischchen von Campe (Nr. 93), das Goldfingerchen von Curtman (Nr. 127), das Brot von Ch. v. Schmid (Nr. 165), wegen pädagogischer Bedenken Gott Überall von Bechstein (Nr. 187), wegen naturwissenschaft­ licher Unwahrscheinlichkeiten Trotzkopf (Nr. 97) und Täub­ chen (Nr. 119). Dafür sind die Jahreszeiten jetzt unmittel­ bar ans dem Kinderleben geschildert, einige ansprechende

Gedichte von Eigenbrodt aus dem Tierleben eingefügt und ein Märchen von Julius Sturm (Nr. 187). An Stelle

der trockenen Aufzählung der Monate ist das anmutige Märchen „Der Sonnenstrahl" von Sophie Reinheimer ge­ treten (Nr. 13). Der gleichzeitige Gebrauch der 10. und 11. Auflage gibt keine Störung im Unterricht. Die ansfiihrliche Darstellung der Geschichte des Reineke Fuchs hat sich bei uns in der Schulpraxis vorzüglich betvährt, es ist alsbald das ausgesprochene Lieblingsstück der Kinder geworden.

Die Allordnung ist geblieben, jedoch ist zur leichteren Auffindllng der Stücke ciu zweites Inhaltsverzeichnis bei-

IV

Vorwort.

gegeben nach alphabetischer Reihenfolge der Berfassernamen,

auch jedem Stück der Name des Verfassers zugefügt, da erfahrungsgemäß schon auf dieser Stufe Interesse dafür vorhanden ist, ob z. B. ein Märchen von den Brüdern

Grimm ist oder von jemand anders. Besonderer Wert ist auf den pädagogisch so wichtigen

Konzentrationsgedanken gelegt. Die Reihenfolge der Stücke

lediglich danach zu ordnen, schien uns $it einseitig.

Es

kann ruhig der Arbeit der Lehrenden überlassen bleiben, je nach dem in der Klasse durchgenommenen Lehrstoff oder

nach der Jahreszeit Lesestücke und Gedichte anszuwählen. Die Erläuterungen sind aus Wunsch noch etwas ver­ mehrt worden, besonders was Wortkunde anlangt, d. h.

die Erklärung ungewöhnlicher Ausdrücke.

Koblenz, im März 1911.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Die vorliegende zwölfte Auflage ist ein unveränderter Abdruck der vorigen Auflage.

Koblenz, im.April 1916.

Dr. Karl Hessel. Ebenso die dreizehnte Auflage.

Koblen z, im August 19 8.

Dr. Karl Hessel

Borwort zur zehnten Auflage. Nachdem die neunte Auflage dieses ersten Teiles im Jahre 1909 in völlig umgearbeiteter Form erschienen war, schließt sich die zehnte Auflage alsbald mi, die nur gering­ fügige Änderungen aufweist. Namentlich sind die Nummern 14, 18, 41 und 69 durch ähnliche Gedichte ersetzt und Nr. 56 und 114 in etwas kürzerer Fassung gegeben worden. Dies geschah aus technischen Gründen und hindert nicht

den gleichzeitigen Gebrauch der 9. und 10. Auflage. Die vorliegende Umarbeitung ist unter Mitwirkung

meines Freundes, des Direktors Franz Dörr zu Frank­ furt a. M., entstanden, des langjährigen Direktors der höheren Mädchenschule zu Solingen. Was den Inhalt anlangt, so sind auch die neueren und allerneuesten Erzeugnisse der guten Jugendliteratur zu Rate gezogen. Wir heben hervor Gustav Falke und Hein­ rich Seidel, die Sammlungen Jungbrunnen, Buntscheck, die des deutschen Spielmanns aus dem Kunstwartverlag, das

Jugendland, Singvögelchen, Selige Zeit usw. Ein Gedanke schien uns-besonders beachtenswert. Man hat bisher den der Jugend dieses Alters darzubietenden Lesestoff zu einseitig so gewählt, als wären alle Kinder glückliche Landkinder, die in Gras und Heu, in Wald und Flur herumsprängen, mit allen Vöglein und Häslein aus du und du ständen und alle Pulsschläge der großen Mutter

Natur mitfühltcn. Mer ach! die Stadtkinder iiberwiegen von Jahr zu Jahr mehr. Doch hat zum Glück auch das Stadtleben seine Poesie. Sollen nun die Stadtkinder stets

VI

Borwort.

nur mit Sehnsucht nach dem Land erfüllt werden? Diese Frage rührt nicht erst von uns her, viele treffliche Men­ schen haben sie schon gestellt, und wir fühlen uns in dieser Hinsicht verschiedenen Leuten verpflichtet, die uns Selbst­ erlebtes dieser Art in angemessener Form geboten haben, so Berthold Otto in Lichterfelde, Friedrich Gansberg in Bremen, der uns einige Originalarbeiten beigestenert hat. Eine Anzahl uralter Fabeln, die gewöhnlich in veral­ teter oder unknrdlicher Form gegeben werden, sind neu erzählt. Zum Schluß haben wir für gut befunden, den ganzen wesentlichen Inhalt des Reineke Fuchs in engem Anschluß an die Tiersage darzubieten. Es schien uns auch nicht ratsam, ettva damit abzuschließen, daß Reineke tat­ sächlich gehängt worden sei; denn wir wollen doch nicht eine sogenannte poetische Gerechtigkeit vorführen: in der ursprünglichen Dichtung sind eben alle handelnden Tiere Räuber und Diebe, der König Nobel obenan; kommt dann der klügste dieser Schelme zuletzt zu Ehren, so ist das ein scherzhaftes Bild des Weltenlaufs, eine Moral darf man da nicht künstlich hineintragen wollen. Dafür sind ganz andere Geschichten da. Daß die wahre christliche Moral nicht fehle, dafür sorgen viele Fabeln, die wir darbieten, viele Geschichten -aus dem Menschenleben und vor allem eine Fülle sin­ niger und kindlich frommer kleiner Dichtungen von an-erkannten Dichtern aus älterer und neuerer Zeit. Die Anordnung ist nach verschiedenen Gesichtspunk, ten getroffen, zunächst nach Jahreszeiten, dann nach den Reichels der Natur, nach Kinderleben und Menschenleben, nach erzählenden Stoffen, die hauptsächlich nach der Auf­ fassungsfähigkeit der Kleinen einander folgen. Eine Glie­ derung nur nad) einem einzigen Gesichtspunkt, wie das so oft versucht worden ist, schien uns unnatürlich.

Vorwort.

vij

Die Sprache des Lebens, die Kindersprache, leise mundartlich gefärbte Wendungen, auch hier und da alter­ tümliche Ausdrücke sind absichtlich stehen geblieben. Zum Schluß haben wir für alle, denen dies am Her­ zet» liegt, eine ganz kurze Beispielgramn»atik und einige orthographische Notizen hinzugefügt, soweit sie für diesesLebensalter faßbar sind. K o b l e u z, im März 1910. Dr. Karl Hessel,

Direktor der Hildaschule.

I. Tageszeiten und Jahreszeiten 1. Morgengebet. Vom Schlaf bin ich gesund erwacht, Dir, lieber Gott, sei Dank gebracht! Nimm mich auch heut in deine Hut Und mache mich recht fromm und gut, Daß ich, o Gott, den ganzen Tag Dein liebes Kindlein bleiben mag! Amen. Dieffenbach.

2. Die Sonne. Morgens geht die Sonne auf. Im Sommer geht sie früh auf; im Winter geht sie spät auf. Im Sommer ist sie meistens schon aufgegangen, wenn wir aufstehn; im Win­ ter geht sie meistens erst auf, wenn wir schon auf sind. Ehe die Sonne aufgeht, wird es schon ein bißchen hell. Da sagt man: es dämmert. Wenn's eine Weile gedämmert hat, dann wird's an einer Stelle am Himmel immer heller; und der ganze Himmel wird auch heller. An der hellsten Stelle kommt dann die Sonne in die Höhe. Erst sieht man ein kleines Stück von der Sonne und dann immer mehr; und schließlich sieht man die ganze Sonne. Und dann geht sie auch gleich höher am Himmel. Und jeden Augenblick geht sie ein bißchen höher, bis mittags um zwölf Uhr, da steht sie am höchsten. Das kann man aber alles nur sehen, wenn keine Wolken am Himmel sind. Wenn dicke Wolken am Himmel sind, dann sieht man gar nicht, wo die Sonne ist. Aber daß sie da ist, das kann man doch sehn, weil's dann ein bißchen heller ist. Wenn dünne Wolken am Himmel sind, dann gibt es manchmal ein wunderschönes Hessel, Lesetuch 1. 18. Ausl. 1

2

Tageszeiten und Jhreszeitcn.

Abendrot. Dann sehn manchmal die Wolken rot aus oder gelb oder braun oder violett, und manchmal sind viele Farben nebeneinander. Die Sonne geht im Osten aus. Mit­ tags steht die Sonne im Süden. Die Sonne geht im Westen unter. Das Morgenrot ist also immer int Osten. Das Abendrot ist immer im Westen. Wenn die Sonne unter­ gegangen ist, dann dämmert's wieder. Das ist die Abend­ dämmerung. Dann wird's dunkel; das ist die Nacht. Dann kommt die Morgendämmerung. Und dann geht die Sonne wieder auf. Otto.

3. Die Sonnenstrahlen. Die Sonne war aufgegangen und stand mit ihrer schönen, glänzenden Scheibe am Himmel. Da schickte sie ihre Strahlen aus, um die Schläfer in dem ganzen Lande zu wecken. Da kam ein Strahl zu der Lerche. Die schlüpfte aus ihrem Neste, flog in die Luft hinaus und sang: liri-lirili! schön ist's in der Früh. Der zweite Strahl kam zu dem Häschen und weckte es auf. Das rieb sich die Augen nicht lange, sondern sprang aus dem Walde in die Wiese und suchte sich zartes Gras und saftige Kräuter zu seinem Frühstück. Und ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. Da rief der Hahn: kikeriki! und die Hühner flogen von ihrer Stange herab und gackerten in dem Hofe, suchten sich Futter und legten Eier in das Nest. Und ein vierter Strahl kam an den Taubenschlag zu den Täubchen. Die riefen: ruckediku! die Tür ist noch zu. Und als die Tür aufgemacht war, da flogen sie alle in das Feld, liefen über den Erbsenacker und lasen sich die runden Körner auf. Und ein fünfter Strahl kam zu dem Bienchen. Das kroch aus seinem Bienenkorb hervor, wischte sich die Flügel ab und summte dann über die Blumen und den blühenden Baum hin und trug den Honig nach Hause. Ta kam der letzte Strahl an das Bett des Faulenzers und wollte ihn wecken. Allein der stand nicht auf, sondern

3

Nummer 3 bis 5.

legte sich auf die andere Seite und schnarchte, während die andern arbeiteten.

Lurtma».

4. Wandersmann und Lerche. 1. „Lerche, wie früh schon fliegest du Jauchzend der Morgensonne zu!" „Will dem lieben Gott mit Singen Dank für Leben und Nahrung bringen, Das ist von altersher mein Brauch, Wandersmann, deiner doch wohl auch?"

2. Und wie so laut in der Luft sie sang, Und wie er schritt mit munterm Gang, War es so froh, so hell den zwein Im lieben, klaren Sonnenschein; Und Gott der Herr im Himmel droben Hörte gar gern ihr Danken und Loben.

H«tz.

5. Bom Hirte». Morgens in der Früh Treibt der Hirt die Kuh, Morgens in der Frühe Treibt er aus die Kühe, Treibt sie übern Steg Auf den langen Weg; 6 Treibt sie von der Straßen Auf den grünen Rasen, Treibt sie durch die Heiden Auf die grünen Weiden, Treibt sie in die Schluften, Wo die Blumen duften. Wo die Bienen summen 10 Und die Hummeln brummen. Treibt sie in den Wald, Wo die Büchse knallt: Pumps!

«Ul.

4

Tageszeiten und Jahreszeiten.

6. Platzregen. In der Schulstube war es in der letzten Stunde sehr dunkel. Der Himmel guckte durch die Fenster wie eine fchwarzgraue Wand. Kaum waren wir entlassen worden, so liefen wir auf die Straße, denn unser Lehrer hatte ge­ sagt: „Macht, daß ihr nach Hause kommt!" Aber da — mitten im besten Laufen über den Markt bekomme ich zwei dicke Tropfen gerade aus die Nase! Ich mußte laut lachen. Aber das waren nur die ersten Tropfen ge­ wesen. Plötzlich fielen eine Menge, alle groß und dick und warm, über meinen Kopf, meine Arme, meine Kleider. Alle Leute fingen an zu laufen, und ich lief mit Aber ich mußte fortwährend lachen, denn die Tropfen sprangen von der Straße in die Höhe wie kleine durchsichtige Gummibälle. Es rauschte und prasselte, und die Luft wurde fast undurch­ sichtig. Ich wußte nicht, wo ich unterstehen sollte, ich sah keinen Laden und keinen Torweg. Plötzlich kam ein heller gelber Sonnenstrahl zwischen den schwarzen Wolken hervor, blinkte über das nasse Pflaster und — lachte di« nassen Leute aus. Hahaha! Ilse Frapan.

7. Es regnet. 1. Es regnet! Gott segnet Die Erde, die so durstig ist, Daß ihren Durst sie bald vergißt. O, frischer Regen, du Gottessegen! 2. Es regnet! Gott segnet

Den hohen Baum, den kleinen Strauch Und all die tausend Blumen auch. O, frischer Regen, du Gottessegen!

3. Es regnet! Gott segnet, Was lebt und webt in weiter Welt. Für jedes Tier ein Tröpflein fällt. O, frischer Regen, du Gottessegen!



Nummer 6 bis 9.

4. Es regnet! Gott segnet Die Menschen alle väterlich; Sein Himmelstau erquickt auch mich. O, frischer Regen, du Gottessegen!

Enslin.

8. Wiegenlied. 1. Vöglein fliegt dem Nestchen zu, Hat sich müd geflogen, Schifflein sucht im Hafen Ruh Vor den wankenden Wogen.

2. Sonne denkt nun auch, sie hätt Lang genug geschienen. Legt sich in ihr Himmelbett Mit den roten Gardinen. 3. Vöglein sitzt im warmen Nest, Schifflein liegt im Hafen, Sonne schläft schon tief und fest, Auch mein Kind will schlafen. Corneliu».

9. Der Sandmann. 1. Zwei seine ©tieflein hab ich an Mit wunderweichen Söhlchen dran, Ein Säcklein hab ich hinten auf, Husch! trippl ich rasch die Trepp hinaus, Und wenn ich in die Stube tret, Die Kinder beten das Abendgebet, Von meinem Sand zwei Körnelein Streu ich auf ihre Äugelein, Da schlafen sie die ganze Nacht In Gottes und der Englein Wacht.

2. Von meinem Sand zwei Körnelein Streut ich auf ihre Äugelein. Den frommen Kindern soll gar schön Ein froher Traum vorübergehn!

Tageszeiten und Jahreszeiten.

Und risch und rasch mit Sack und Stab Nur wieder jetzt die Trepp hinab! Ich kann nicht länger müßig stehn, Ich muß noch heut zu vielen gehn. Und seht, mein Säcklein öffnet ich kaum. Da nickt ihr schon und lächelt im Traum.

Mette.

10. Wiegenlied. Sonne hat sich müd gelaufen. Spricht: Nun laß ich's sein! Geht zu Bett und schließt die Augen Und schläft ruhig ein. Sum, sum, sum! Mein Kindchen macht es ebenso, Mein Kindchen ist nicht dumm. Bäumchen, das noch eben rauschte, Spricht: Was soll das sein? Will die Sonne nicht mehr scheinen, Schlaf ich ruhig ein.

Bogel, der im Baum gesungen, Spricht: Was soll das sein? Will das Bäumchen nicht mehr rauschen, Schlaf ich ruhig ein!

Häschen spitzt die langen Ohren, Spricht: Was soll das sein? Hör ich keinen Bogel singen, Schlaf ich ruhig ein! Jäger höret auf zu blasen, Spricht: Was soll das sein? Seh ich keinen Hasen laufen, Schlaf ich ruhig ein!

Kommt der Mond und guckt herunter, Spricht: Was soll das sein? Kein Jäger lauscht? kein Häschen springt?

Nummer 10 und 11.

7

Kein Vogel fingt ? kein Bäumchen rauscht? Kein Sonnenschein? und 's Kind allein Sollt wach noch sein! Nein, nein, nein! Lieb Kindchen macht die Augen zu. Lieb Kindchen schläft schon ein! Remid.

11. Die Glocke schlägt. 1. Der Mond, der scheint. Das Kindlein weint, Die Glock schlägt zwölf, Daß Gott doch allen Kranken helf! 2. Gott alles weiß, Das Mäuslein beißt, Die Glock schlägt ein. Der Traum spielt auf dem Kissen dein 3. Die Sternlein schön Am Himmel gehn; Die Glock schlägt zwei, Sie gehn hinunter nach der Reih. 4. Der Die Der

Der Wind, der weht, Hahn, der kräht; Glock schlägt drei, Fuhrmann hebt sich von der Streu.

5. Der Gaul, der scharrt, Me Stalltür knarrt. Die Glock schlägt vier. Der Kutscher siebt den Hafer schier. 6. Die Schwalbe lacht. Die Sonn erwacht; Die Glock schlägt fünf. Der Wandrer macht sich auf die Strümps. 7. Das Huhn gagakt, Die Ente quakt,

8

Tageszeiten und Jahreszeiten.

Die Glock schlägt sechs, Steh auf, steh auf, du faule Hex! 8. Zum Bäcker lauf, Ein Wecklein kauf! Die Glock schlägt sieben, Die Milch tu an das Feuer schieben! 9. Tu Butter 'nein Nnd Zucker fein! Die Glock schlägt acht, Geschwind dem Kind die Supp gebracht! Wunderhorn.

12. Gute Rächt, mein Kind!

88

Guten Abend, gute Nacht! Schlupf unter die Deck! it Rosen bedacht. Morgen früh, wenn's Gott will, it Näglein besteckt, Wirst du wieder geweckt. Wunderhon».

13. Der Sonnenstrahl. Wißt ihr, welche Mutter die allermeisten Kinder hat? Das ist die Frau Sonne, die oben an» Himmel wohnt. Denkt einmal: die vielen, vielen Sonnenstrahlen, die jeden Tag auf die Erde herunterkommen, um sie zu beleuch­ ten und zu erwärmen — das sind doch alles ihre Kinder. Frau Sonne hat manchmal recht viel Müh und Plage mit der großen Kinderschar: aber sie hat auch ihre Freude an ihnen; z. B. wenn sie sieht, wie fleißig sie da unten auf der Erde ihre Arbeit verrichten. Die allergrößte Freude aber ist es, wenn des Abends Frau Sonne all ihre Strahlenkinderlein hineinruft zum Schlafen. Dann kommen sie alle, einer nach dem anderen, an; die einen müde, die andern noch ganz frisch und munter, und dann fängt ein Erzählen und Lachen und Schwätzen an. Wer könnte auch wohl mehr erzählen als die Sonnenstrahlen? Nun hört, was der eine von ihnen gestern Wend er­ zählte! Heute habe ich etwas ganz Neues gehört, sagte

Nummer 12 und 13.

v

er, etwas, das ich noch gar nicht gewußt habe. Ich sah durch ein geöffnetes Fenster in eine kleine Stube hinein, da saß eine Großmutter auf einem Lehnstuhl. Auf ihrem Schoße lagen eine Menge Blumen: Schlüsselblumen, Schnee­ glöckchen und Veilchen. Vor ihr, auf einer Fußbank, saß ein kleines Mädchen. Sicher war es eben von einem Spaziergang zurückgekom­ men und hatte der Großmutter die Blumen mitgebracht. Und sicher hatte es auch draußen viel Lustiges und Schönes erlebt, denn es erzählte und lachte in einem fort, und manchmal klatschte es in die Hände vor lauter Vergnügen. Ich glaube, die Großmutter war blind, denn als ich ihr gerade ins Gesicht schien, um zu sehen, ob auch sie sich freue, da machte sie nicht ganz fix die Augen zu, wie andere Leute, und drehte auch nicht den Kopf weg. Aber ich sah doch, daß sie sich über das kleine Mädchen freute, denn sie lächelte und nickte leise mit dem Kopf. Ich möchte auch wohl wieder einmal in den Wald gehen und Tannenduft riechen und die Sonne scheinen sehen und die Vöglein fingen hören, sagte sie dann. Da wurde die kleine Anna einen Augenblick ganz traurig. Sie wußte, daß die arme, gute Großmutter zu schwach und zu krank dazu war, daß sie nie wieder in den Wald gehen konnte. Eine Weile saß sie ganz still und dachte nach. Größmütterchen! rief sie aus einmal und sprang auf und streichelte die alte Frau und küßte sie. Großmütterchen, weißt du was? Morgen gehe ich noch einmal in den Wald und hole ganz, ganz viele Tannenzweige, und die stelle ich alle hin, ganz dicht vor dich, daß du sie riechen kannst, dann kannst du denken, du wärest int Walde. Und dann rücke ich deinen Sessel recht in die Sonne, und dann, dann singe ich dir ein Liedchen vor. Weißt du — das, das du so gern hörst. Und mit ihrer hellen, frischen Stimme sang die Kleine der Großmutter das Liedchen vor. Als ich wieder der Großmutter in die Augen sah.

10

Tageszeiten und Jahreszeiten.

sah ich, daß zwei Tränen daraus hervorrollten; aber es mußten wohl Freudentränen sein, denn die Großmutter machte ein sehr, sehr glückliches, frohes Gesicht. Sie winkte das kleine Mädchen zu sich heran und strich ihr mit der Hand über das blonde Haar. Und dann sagte sie: Ich danke dir, mein Sonnenstrahl. Nun, was sagt ihr dazu? fragte der Sonnenstrahl, der diese Geschichte den anderen erzählt hatte. Was sagt ihr dazu, daß es auch Sonnenstrahlen gibt, die so aus­ sehen wie Menschen? Habt ihr das schon gewußt? Nein, sagten die andern und waren sehr erstaunt. Dann ist das kleine Mädchen wohl gar eine Schwester von uns? Wir wollen doch einmal die Mutter fragen. Und sie fragten die Mutter Sonne. Und die Mutter Sonne sagte: Eine Schwester von euch ist das kleine Mädchen nicht, denn sie ist ja kein wirklicher Sonnenstrahl, sondern ein Menschenkind. Aber ich will euch sagen, warum die Groß­ mutter so gesagt hat. Seht, ihr Sonnenstrahlen macht es überall, wo ihr hinkommt, hell und froh und warm, nicht wahr? Überall, wo die Sonne scheint, sieht es gleich viel lustiger aus. Nun — und das kleine Mädchen macht das Leben der armen, blinden Großmutter auch hell und froh, und deshalb sagte die Großmutter zu ihr: mein Sonnen­ strahl. Und deswegen, weil die kleine Anna so ist, wie ein Sonnenstrahl, deswegen sollt ihr sie auch so lieb haben wie eine Schwester. Das wollen wir! das wollen wir! riefen alle Sonnen­ strahlen zugleich. Ich werde ihr morgen früh, wenn sie aufwacht, einen Kuß geben, sagte der eine. Und ich werde die Rosenknospen in ihrem Garten recht warm bescheinen, damit sie bald aufbrechen, rief ein anderer. Ich werde ihr die Kirschen am Baum reifmachen. O, und ich — ich weiß, was ich tue! Im Garten hängt Puppenwäsche, die hat ganz sicher die kleine Anni

Nummer 13 und 14.

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aufgehängt. Ich werde so lange die Wäsche bescheinen, bis sie trocken ist. Und ich — ich werde morgen früh, wenn sie in den Garten kommt, gerade in die Tautropfen, die an den Blu­ men und Gräsern hängen, hineinscheinen, damit sie recht schön in allen Farben schimmern — rot und grün und blau und gelb und lila. Ich glaube, das wird ihr Freude machen. Und sie taten das alles wirklich. Sagt: möchtet ihr nicht auch eine Schwester oder ein Bruder von den Sonnenstrahlen werden? Sophie Reinheimer.

14. Die schönste Jahreszeit. 1. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Frühling, der uns Blüten streut; Da blüht und singt es überall, Da werfen wir den Fangeball — Ach, Frühling, bleib noch lang! Dein Scheiden macht uns bang. 2. Was ist die schönste Jahreszeit? Das ist des Sommers Herrlichkeit. Wird's uns zu heiß vor Lust und Spiel, In Wald und Wasser wird man kühl — Ach, Sommer, bleib noch lang! Dein Scheiden macht uns bang. 3. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Herbst, zum Schenken stets bereit: Birn, Pflaume, Nuß und Apfel reift. Man schüttelt, klettert, bricht und greift — Ach, Herbst, bleib noch recht lang! Dein Scheiden macht uns bang.

5. Was ist die schönste Jahreszeit? Der Winter, wenn es friert und schneit.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Im Schnee ist's schön, man glaubt es kaum, lind dann der liebe Weihnachtsbaum — Ach. Winter, bleib noch langl Dein Scheiden macht uns bang. » H-

15. Frühling. 1. Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Da grünt und blüht es weit und breit Im goldnen Sonnenschein.

2. Am Berghang schmilzt der letzte Schnee, Das Bächlein rauscht zu Tal, Es grünt die Saat, es blinkt der See Im Frühlingsonnenstrahl. 3. Die Nun Und

Die Lerchen singen überall. Amsel schlägt im Wald! kommt die liebe Nachtigall auch der Kuckuck bald.

4. Ntln jauchzet alles weit und breit. Da stimmen froh wir ein: Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

16. Im Frühling. „Wißt ihr auch, ihr Kinder, daß morgen Ostern ist?" sagte die Mutter an einem schönen Frühlingstag zum kleinen Gerd und seinem Schwesterchen Eva. „Ihr dürft mir helfen alles schmücken im Haus, damit man morgen auch merkt, daß ein Fest ist." Das wollten die Kinder gern tun. Flink sprangen sie mit der Mutter zur Wiese, die vorm Städtchen war, und wußten zuerst kaum, wo sie denn anfangen sollten mit dem Bücken und Pflücken, so voller Blumen stand dort alles. Große, goldgelbe

Nummer 16 bis 17.

13

Schlüsselblumen hielten sich kerzengrade und schauten stolz. Das Wiesenschaumkraut ließ sich vom Wind hin und her wehen, so daß die Wiese manchmal über und über lila aussah; am Rand, unter den Brombeersträuchern, war es dunkelblau von lauter Veilchen, und dort, unter den Buchen im nahen Wald, guckten zwischen den braunen Blättern, die den ganzen Boden bedeckten, wie Sternchen die weißen Anemonen hervor und die schönblaue Scilla. Bald konnte die kleine Eva ihren dicken Strauß nicht mehr halten, es war gut, daß Mutter Bast mitgenommen hatte, so konnte man die ganze, bunte Herrlichkeit fest zu­ sammenbinden und mit einer Schlinge an Evchens Arm hängen. Gerd hatte auch die große, grüne Blechtrommel, die er am Riemen trug, voll Moos gesammelt, das sollte ein Nestchen geben im Garten. „Hoffentlich legt der Osterhas morgen etwas hinein, wünschst du dir rote oder gelbe Eier, Gerd?" fragte Eva. „Am liebsten hätte ich braune, weißt du, von Schokolade," antwortete der kleine NaschHans. Aber die Mutter hatte unterdessen die Weißdorn­ hecken und die Schlehenbüsche geplündert, sogar im Haar und am Kleid hingen ihr die weißen, zierlichen Blüten wie Federchen. Gar gern hätten die Kinder auch rosige Pfirsich- und schneeige Kirschblüten mitgenommen, doch das durfte ja nicht sein. Alle drei traten nun zufrieden den Heimweg an. Die Anisel pfiff mit Locktönen vom Haus­ giebel her, und die Kinder überlegten, ob die Blumen wohl alle Platz fänden in Mutters Vasen und Krügen, oder ob man nicht vielleicht einen schönen Kranz davon machen könnte. M. H.

17. Born Osterhasen. Da ist mal ein kleines Mädchen gewesen. Und da ist auch ein Heitrer Junge gewesen. Und da sind die beiden spazieren gegangen. Da sind sie in einen kleinen Wald gekommen, itttb da haben sie sich hingesetzt. Da hat der

u

Tageszeiten und Jahreszeiten.

kleine Junge aus einmal ein kleines Tierchen gesehen. Und wie er ganz genau hingesehen hat, da ist es ein Häschen gewesen. Aber das hat gar keine Angst gehabt, das ist ganz ruhig gewesen und ist gar nicht weggelaufcn. Da sind die Kinder an das Häschen herangegangen und haben es gestreichelt. Und das Häschen hat sie ganz vergnügt an­ gesehen und ist immer noch nicht weggelaufen. Da hat der kleine Junge gesagt: „O, was bist du denn für ein Hase. Du hast ja gar keine Angst. Der Vater hat gesagt, alle Hasen haben Angst vor den Menschen. Und darum laufen sie weg. Du siehst doch gerade so aus, wie die Hasen in meinem Bilderbuch." Da hat das Häschen gesagt: „Kennst du mich denn nicht? Ich bin doch der Osterhase!"' Da hat das kleine Mädchen gesagt: „Ach ja! Meine Mutter hat mir erzählt. Der Osterhase, der bringt den reichen Leuten Ostereier. Aber wir sind gar nicht reich, darunr kommt der Osterhase nicht zu uns!" Da hat aber der Osterhase gesagt: „Aber nein! Ich gehe auch zu armen Leuten. Da hab ich wahrscheinlich »licht gewußt, wo ihr wohnt. Oder ihr habt nicht ordentlich gesucht." Da hat der kleine Junge gesagt: „O ja, ich habe immer ganz ordentlich gesucht, aber ich habe gar keine Ostereier gefunden." Da hat der Osterhase gesagt: „Das ist aber schade. Ich kann nicht dafür. Früher hab ich ein großes Buch gehabt, und da hab ich alle Menschen aus­ geschrieben gehabt. Und da hat jeder Ostereier gekriegt. Mer vor ein paar Jahren hab ich das Buch verloren, und nun krieg ich's nicht mehr zusanimen. Deswegen kann ich nicht allen Menschen Ostereier bringen. Aber ich will euch was sagen: Ich will mir aufschreiben, wo ihr wohnt, und dann kriegt ihr auch Ostereier. Wißt ihr vielleicht noch jemand, der keine Eier gekriegt hat? Das müßt ihr mir dann sagen." Aber die Kinder haben so viel Namen ge­ nannt, daß der Osterhase es nicht hat behalten können. Da hat er die Kinder mit in sein Haus genommen, und da hat er es sich ausgeschrieben. Und von da ab haben.

15

Nummer 18 und 19.

die Kinder immer ihre Ostereier gekriegt. Aber alle Men­ schen hat sich der Hase nicht ausschreiben können. Darum kann er zu manchen nicht kommen. Otto.

18. Wakdhäslein. 1. Um dürres Holz zu holen. Bin ich zum Wald gegangen; Dort hab ich ganz verstohlen Ein Häslein euch gefangen. Das junge Häslein saß im Busch, Da warf ich meine Schürze, husch! Ihm über Hals und Kopf Und saßt es schnell beim Schopf.

2. Rührt es nur an, es beißt ja nicht, Und streichelt ihm sein Fellchen; Doch bringt ihm dann sein Leibgericht Und baut ihm bald ein Ställchen: Ein Bettlein drin von weicher Streu, Ein Kripplein auch für Gras und Heu; Am liebsten frißt es wohl Gelbrüben oder Kohl.

3. Im Garten mit dem Schäfchen schlüpft Es gern durch Busch und Hecken, Und lustig es durch Blumen hüpft Und spielt mit euch Verstecken. Vielleicht wird's noch ein Osterhas, — Der legt auch dann ins junge Gras Die schönsten Eier gar Zu Ostern — übers Jahr. Scherer.

1». «n den Mai. 1. Die Und Die

Komm, lieber Mai, und mache Bäume wieder grün laß mir an dem Bache kleinen Veilchen blühn!

16

Tageszeiten nnd Jahreszeiten.

2. Wie möcht ich doch so gerne Ein Blümchen wieder sehn, Ach, lieber Mai, wie gerne Einmal spazieren gehn! 3. Ach! wenn's doch erst gelinder Und grüner draußen wär! Komm, lieber Mai, wir Kinder, Wir bitten gar zu sehr! Overbeck.

20. Des Kuckucks Ruf. 1. Der Kuckuck hat gerufen; Nun laßt uns fröhlich sein! Er kündet uns den Frühling Mit seinem Sonnenschein. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!

2. Der Kuckuck hat gerufen, Er ruft uns fort von Haus, Wir sollen jetzt spazieren Zum grünen Wald hinaus. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck! 3. Ter Kuckuck hat gerufen, Und wer's nicht hören mag, Für den ist grün geworden Kein Feld, kein Wald, noch Hag. Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck! Hoffmann v. F.

21. Sommer. 1. Der Sommer ist die schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Es prangt das Feld int goldnen Kleid, Gestickt mit Blumen drein.

2. Und brennt die Sonne mit Gewalt, Und wird's ein wenig schwül.

Nummer 20 bis 22.

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Im schattenreichen Buchenwald Da ist es grün und kühl. 3. Am blauen Strom, am Meeresstrand, Da lockt die frische Flut, Und in dem weichen Dünensand Da liegt es sich so gut. 4. Es trägt die Welt ihr bestes Kleid In Glanz und Sonnenschein. Der Svinmer ist die schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Seidel.

22. Im Sommer. „Hitzefrei, hitzefrei! Mutter, >oir haben schon uin elf Ilhr frei bekommen, weil es so heiß ist," rief Gerd, sprang zur Haustür hinein, schleuderte seine Bücher am Riemen auf den Tisch mtb suchte sich sein Schwimmzeug. Das hatte er gestern naß auf die Leine gehängt, doch heute war es längst trocken und konnte nun schon wieder benutzt wer­ den. „Bleib nicht so lang im Wasser, ich glaube, es gibt ein Gewitter," ermahnte die Mutter, und fort war er. Klein Evchen guckte ganz traurig, sie konnte noch nicht schwimmen, zu gern wäre sie mitgegangen, um wenigstens zuzusehen, doch das durfte sie auch nicht. Beinahe hätte sie geweint, wenn nicht Mutter einen lvnnderschönen Trost gewußt hätte. „Ich glaube, die Johannisbeeren sind schon reif, wollen wir einmal nachsehen?" Mit einer großen Schüssel unterm Arm, die war innen weiß und außen braunglänzend, trippelte Eva hinter der Mutter her -um Garten, und während sie die zierlichen roten Träubchen mit spitzen Fingern abpflückte, so daß in der Schüssel ein hoher Berg sich häufte, hatte die Mutter einige runde, feste Salatköpfe mit scharfem Messer abgeschnitten, auch Petersilie und eine Gurke. Dann sah sie die Rosenstöcke gründlich nach, die welken Blumen wurden abgeschnitten und die voll erblühten zum Strauß geordnet. Auch schlanke Hcjsrl. Lesebuch 1.

13. «uft.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Lilien nahm sie mit und blauen Rittersporn und Helio­ trop, denn sie hatte gern in allen Zimmern etwas Blühen­ des. Im Vorübergehen hob sie ihr Evchen noch einmal hoch, daß die kleinen Händchen einen mit runden, schwarzen Kirschen dick beladenen Zweig abknicken konnten, und nun ging's schnell ins Haus, denn es hatte eben laut gedonnert. Der Himmel war dunkler geworden, ein plötzlicher Wind­ stoß warf einen Fensterflügel mit lautem Geklirr zu. Schnell mußten die feuerrot blühenden Geranientöpfe ins Zimmer genommen werden, ich glaube, der schlimme Wind hätte sie gar samt und sonders vom Fensterbrett herunter­ geschleudert auf die Straße. Dort liefen die Leute eilig, denn es fielen schon die ersten Tropfen, und niemand hatte einen Schirm. Zu rechter Zeit kam Gerd nach Haus, und der Vater auch, alle setzten sich zu Tisch, ließen den Regen prasseln und freuten sich über die herrliche Abkühlung, die das Gewitter mit sich brachte. M. H.

23. Knabe und Schmetterling. 1. „Schmetterling, Kleines Ding, Sage, wovon du lebst, Daß du nur stets in Lüften schwebst!" „Blumenduft, Sonnenschein, Das ist die Nahrung mein." 2. Der Knabe, der wollt ihn fangen, Da bat er mit Zittern und Bangen: „Lieber Knabe, tu es nicht, Laß mich spielen im Sonnenlicht! Eh vergeht das Abendrot, Lieg ich doch schon kalt und tot." Hey.

24. Die drei Schmetterlinge. Es waren einmal drei Schmetterlinge, ein weißer, ein roter und ein gelber, die spielten im Sonnenschein und ranzte» von einer Blume zu der andern. Und sie wurden es gar

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nicht müde, so gut gefiel es ihnen. Da kam auf einmal der Regen und machte sie naß. Als sie das spürten, wollten sie schnell nach Hause fliegen, aber die Haustüre war zuge­ schlossen, und sie konnten den Schlüssel nicht finden. So mußten sie außen stehen bleiben und wurden immer nässer. Da flogen sie hin zu der rot und gelb gestreiften Tulpe und sagten: „Tulipanchen, mache uns ein wenig dein Blümchen auf, daß wir hineinschlüpfen und nicht naß werden!" Die Tulpe aber antwortete: „Dem gelben und dem roten will ich Wohl aufmachen, aber den weißen mag ich nicht." Aber die beiden, der rote und der gelbe, sagten: „Nein, wenn du unsern Bruder, den weißen, nicht auf­ nimmst, so wollen wir auch nicht zu dir." Es regnete aber immer ärger, und sie flogen zu der Lilie und sprachen: „Gute Lilie, mach uns dein Blümchen ein wenig auf, daß wir nicht naß werden!" Die Lilie aber antwortete: „Den weißen will ich wohl aufnehmen, denn er sieht gerade aus wie ich, aber die anderen mag ich nicht." Da sagte der weiße: „Nein, wenn du meine Brüder nicht aufnimmst, so mag ich auch nicht zu dir. Wir wollen lieber zusammen naß werden, als daß einer die anderen im Stiche läßt." Und so flogen sie weiter. Allein die Sonne hinter den Wolken hatte gehört, wie die drei Schmetterlinge so gute Geschwister waren und so fest zusammenhielten. Und sie drang durch die Wolken durch und verjagte den Regen und schien wieder hell in den Garten und auf die Schmetterlinge. Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihnen die Flügel getrocknet und ihren Leib erwärmt. Und nun tanzten die Schmetterlinge wieder wie vorher und spielten, bis es Abend war. Dann flogen sie zusammen nach Hause und schliefen. Lurtman.

25. H-rbft. 1. Der Herbst ist doch die schönste Zeit, Was kann wohl schöner sein? Er hält das goldne Obst bereit, Die Nüsse und den Wein!

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Tageszeiten und JahreSzetien.

2. Der Wald steht nun int schönsten Glanz, In Rot und Gold und Braun! Noch einmal ist im Blütenkranz Die schöne Welt zu schaun. 3. Halli, hallo, mit Hörnerklang Geht es zur frischen Jagd! Im Wald, im Feld, am Hügelhang Des Jägers Büchse kracht. 4. Der Himmel steht so blau und weit Ob all dem goldnen Schein! Der Herbst ist doch die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

26. Im Herbst. „Wer geht mit mir in den Wald?" sagte der Vater eines Tags nach Tisch, als die Kinder eben beim Nüsseknacken saßen und Gerd und Evchen grade gezählt hatten, wer die meisten Zwetschenkerne auf dem Teller hätte. Ihr könnt euch denken, daß beide Kinder laut riefen: „Ich geh mit, ich geh mit!" Sehr schnell waren sie fertig, Mut­ ter steckte ihnen einige Butterbrote ein, und es ging los. Da es tüchtig geregnet hatte, waren die Kinder lange nicht im grünen Wald gewesen. Wie groß aber war ihr Ver­ wundern, als sie näher kamen, daß ihr grüner Wald auf einmal ein buntes Kleid angezogen hatte. Ei, wie das leuchtete! Wie helles Gold und dunkelrot und gelblich weiß und braun und nur noch wenig grün. Schon gleich am Waldeingang fing es an, da stand ein Hagebuttenstrauch, der war so voll blutroter Früchte, wie im Juli der Johan­ nisbeerstrauch im Garten. Und wie voll hing dort der Haselnußstrauch, und unter den Buchen lagen die kleinen, scharfkantigen Eckern, die konnte man auf dem Rückweg knacken und die kleinen Buchelnußkerne verzehren. „Steht still," flüsterte plötzlich der Vater und hielt Evchen fest, dabei zeigte er zur Seite nach den Tannen. Kaum wagten

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die Kinder zu atmen, als fürchteten sie, die Rehe, die da drüben standen, zu vertreiben. Am Rand einer Wiese waren die zwischen den Stämmen zum Vorschein gekom­ men und äugten aufmerksam in die Ferne, ob kein Jäger nahe, um nach einigen Minuten schnell davon zu springen. Nun schlug der Vater vor, Pilze zu suchen, schnell fanden sie auch goldgelbe Pfifferlinge, die in kleinen Trüppchen beieinander hockten. Vorsichtig schnitt Vater sie ab und roch noch einmal an jedem, ob er auch echt sei, Evas Körbchen murde hoch voll. Das sollte wohl ein feines Abendessen geben heute! Auf dem Rückweg über die Wiesen durften sie noch einige rotbäckige Äpfel aufheben, die im Gras lagen, als hätte der gute Baum sie den Kindern hingeschüttet. — Jetzt sah man schon einige Lichter in den ersten Häusern, über einen Gartenzaun nickten schwere, runde Sonnen­ blumen, die aussahen, als hätten sie sich eine dottergelbe Krause umgebunden, und Georginen, ganz bunte Astern schimmerten drunter, und dann waren Gerd und Eva froh, als ihr Haus kam, denn es war dunkel geworden. M. H.

27. Pflaumenregen. 1. Es steht ein Baum im Garten, Von Pflaumen voll und schwer. Die Kinder drunten warten Und lauschen rings umher, Ob nicht der Wind ihn rüttelt Und all die Pflaumen schüttelt. Daß alle purzeln kreuz und quer.

2. Doch horch! wie's rauscht und rappelt! Im Wald wacht auf der Wind, Schon zischelt er und zappelt lind trappelt her geschwind Und wiegt und biegt die Äste, Daß schier in ihrem Neste Die Finke» nimmer sicher sind.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

3. Nun fällt ein Pflaumenregen, Der aber macht nicht naß. Im Gras herumzufegen Ist da der größte Spaß. O Wind, o Wind, o rüttle, O Wind, o Wind, o schüttle, Wir grapsen ohne Unterlaß. @611.

28. Bon mancherlei Beeren. Unter allen Beeten im Garten ist das Erdbeerbeet den Kindern das liebste. Schon im ersten Frühling wird es schön grün. Kommt dann der Mai mit seinen warmen Tagen, so ist es wie mit frisch gefallenen Schneeflocken überdeckt; denn dann brechen aus allen Zweiglein die weißen Blüten hervor. Geschäftig fliegen die Bienen ab und zu; summend kriechen sie aus einer Blüte in die andere, denn da drin gibt's einen Trunk süßen Honigsaftes. Aber so viel auch die Bienen naschen mögen von dem herrlichen Saft, es bleibt doch noch genug zurück in den Früchten, die sich nach dem Abfallen der Blüten an den Zweigen ansetzcn. Da besuchen nun die Kinderdas Erdbeerbeet alle Tage. Sie freuen sich, wenn die Erdbeeren immer größer­ werden, manchmal so groß wie eine Nuß; und wenn dann ihre grüne Farbe weißlich wird oder die Sonne ihnen schöne rote Backen malt oder sie wie die roten Kirschen im grünen Laube hängen, dann ist fröhliche Zeit, da gibt's Erdbeeren alle Tage.

Aber der Sommer macht es wie ein sorgsamer Hausvater, der auch nicht alles auf einmal gibt, was er den Seinen zugedacht hat. Das zeigt sich schon im Garten. Hinten an der Gartenwand stehen in Reihen die Himbeersträucher. Die be­ decken sich auch allgemach mit Beeren; aber man muß warten, bis sie recht schön rot und so weich sind, daß sie einem auf der Zunge vergehen. Im ganzen Garten zerstreut stehen, wie kleine Leute, zwischen den Obstbäumen die Sträucher, von denen man Johannisbeeren und Stachelbeeren pflückt. Schön gelb und rot hängen in dem Laube der Johannisbeersträucher

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die Beerlein wie zierliche Weintrauben; einzeln sitzen die Stachelbeeren, aber sie werden auch größer und süßer als die Johannisbeeren, und solch schöne, große Stachelbeere mag wohl den Mund des kleinen Hans füllen. Wohin man auch schauen mag in der fröhlichen Sommer­ zeit, da hat Gott den Menschen den Tisch gedeckt mit schönen, saftigen Beeren. Du wanderst durch den Wald, es ist heiß und schwül, und die Zunge klebt am Gaumen. Siehe, da leuchtet es blau aus dem niederen Gebüsch und ladet zum Pflücken ein. Und wie vielen fleißigen Händen gibt nicht der Heidelbeerstrauch ein gut Stück tägliches Brot! Mit großen Kämmen aus Holz streifen Frauen und Kinder draußen im Walde die blauen Beeren von den Sträuchern, und die großen Weidenkörbe füllen sich bis zum Rande. Und dann macht sich der Vater auf und fährt die reiche Beerenernte weit hinein ins Land. Bald ist seine Ladung abgesetzt, und er nimmt ein gut Stück Geld mit in die Heimat zurück. Und wenn es mit den Heidelbeeren zu Ende geht, so kommen die harten, roten Preißelbeeren an die Reihe, die macht die Mutter ein in Glä­ sern und Büchsen, damit auch im Winter auf dem Mittags­ tisch etwas stehen könne von den süßen Gaben des Sommers. Hummel.

29. Von mancherlei Nüssen. Draußen im Walde wächst der Haselnußstrauch. Er ist einer der schönsten unter den Waldsträuchern. Aufrecht stehen

seine schlanken, fast geraden Zweige, und die schöngrünen Blätter sind beinahe so groß, wie die Hand eines Kindes. Aber am schönsten ist er doch im Sommer. Da lugen aus den Blät­ tern hervor kleine Näpfchen, die sind oben offen und am Rande seltsam zerschlitzt, als hätten Kinderhände sie mit Keinen Scheren ausgeschnitten. In diesen Bechern sitzen die Hasel­ nüsse. Anfangs sehen sie grün aus, später werden sie bräun­ lich. Dann aber bleiben sie nicht mehr in den Bechern fitzen, sondern fallen aus. Ehe es aber so weit kommt, ist im Hasel­ nußgesträuch ein lustig Leben. Die Landleute sammeln die

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

bärtigen Becherlein mit den Nüssen darin; nach einigen Wochen fallen diese bann von selbst aus, und nun ist es auch nicht mehr lange hin bis zu dem fröhlichen Weihnachtsfeste, wo Die braunen Haselnüsse unter dem Christbaume selten fehlen.

Am liebsten aber schauen die Kinder doch wohl nach den Walnüssen. Denn die glänzen in Gold und Silber im Christ­ baumlichte, und wenn man dann eine mit dem Nußknacker auf knackt, so hat man gleich einen ganzen Mund voll süßen Nuß­ kerns. Den Baum, von dem die Walnüsse kommen, kennt jedes von euch. Es ist der alte, weitästige Baum hinten int Garten, unter dem es sich an heißen Sommertagen so gut spielen läßt, denn seine großen, wohlriechenden Blätter lassen nur wenige Sonnenstrahlen hindurch. Auch die Walnuß sitzt, ehe sie reif wird, in einem grünen Häuslein wohlgeborgen. Aber das ist überall geschlossen, und ich rate euch, mit den Fingern davonzubleiben, wenn ihr euch nicht schwarz färben wollt wie die Mohren. Wenn die Nuß reif ist, fängt das Gehäuse an zu faulen, und die Nuß fällt aus. Aber darauf warten die Menschen nicht, sondern schlagen sie schon vorher mit Stangen herunter. Nun essen aber nicht allein die Menschen gern die süßen Nußkerne, sondern auch Tiere knacken gern Nüsse. Am lieb­ sten von allen Tieren tut dies das flinke Eichhörnchen. Das schmaust zur Herbstzeit nach Herzenslust Haselnüsse. Wenn aber diese eingeerntet sind, dann geht es zum Buchenbaum. Darauf wachsen die kleinen dreikantigen Buchnüsse oder Buch­ eckern, die schmecken so süß wie Haselnüsse. Weil sie aber so klein sind, so scheuen die Menschen die Mühe des Einsam­ melns, und daher findet das Eichhörnchen stets auf der Buche einen gedeckten Tisch.

Unter dem Weihnachtsbaume liegen nun oft auch noch Pfeffernüsse. Wer von euch kann wohl sagen, auf welchem Baume diese wachsen? Hummel.

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Nummer 29 bis 31.

30. Wie das Finklein das Bänerlein im Schenerlein besucht. 1. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Hast 'nen großen Habersack, Hast viel Weizen und viel Kern, Bäuerlein, hab dich gar zu gern. 2. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Komm zu dir mit Sack und Pack, Komm zu dir nur, daß ich lern, Wie man ausdrischt Korn und Kern. 3. Bäuerlein, Bäuerlein, tick-tick-tack! Ei, wie ist denn der Geschmack Von dem Korn und von dem Kern, Das; ich's unterscheiden lern? 4. Bäuerlein, Bäuerlein spricht und lacht: Finklein, nimm dich nur in acht, Daß ich, wenn ich dresch und klopf. Dich nicht treff auf deinen Kopf!

5. Komm herein und such uud lug, Vis du satt hast und genug: Daß du nicht mehr hungrig bist. Wenn das Korn gedroschen ist.

31. Spätherbst. 1. Wenn ich in mein Gärtlein geh. Nach den bunten Blumen seh, Alle Blumen sind schon fort, O, wie traurig ist es dort!

2. Wenn ich in das Wäldchen geh. Nach den grünen Bäumen seh, Laub ist welk und schon verdorrt, O, wie traurig ist es dort!

«M.

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

3. Lieber Gott, ich hoffe doch, Allen Blumen schenkst du noch Übers Jahr ein Auferstehn, Ja, ich werd sie Wiedersehn.

4. Wenn die Frühlingssonne lacht. Steht der Wald in grüner Pracht, Helle Wolken fröhlich ziehn. Und die Blümlein seh ich blühn. Klette.

32. Winter. 1. Der Winter ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Wenn auch die ganze Welt verschneit Und alles friert zu Stein.

2. Der Wald in seiner Silberpracht, Er schimmert weit mnher. Als ob er aus Kristall geinacht Und ganz aus Zucker wär. 3. Auf Und Der

Hurra, nun kommt die Schlittenfahrt glänzend weißem Schnee, welch ein schöner Tanzsaal ward spiegelglatte See!

4. Und mitten drin, o Seligkeit! Da strahlt der Weihnachtsschein! Der Winter ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Seidel.

33. Im Winter. „Ich möchte so gern einen Schneemann machen, aber ich kann es nicht allein, hilfst du mir, Gerd?" sagte Evchen zu ihrem Bruder. „Ja, ich will es gerne, aber eins mußt du versprechen, Eva, du darfst nicht wieder über kalte Füße und Hände weinen wie voriges Jahr," antwortete Gerd. „Ganz gewiß nicht, ich bin ja jetzt nicht mehr klein, ich

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komme ja schon Ostern zur Schule," rief Evchen stolz, und beide Kinder gaben sich im Garten an die Arbeit. Gerd wälzte einen Schneeball so lang, bis er dick genug war zum Leib, und Evchen machte derweil den Kopf. Zwei Kohlen gaben die Augen, eine Rübe die Nase, und eine Apfelsinenschale war der Mund. Das war ein feiner Kerl' Nun bekam er noch einen alten Hut auf, und eine Reihe kleiner Kohlen gab die Knöpfe. Evchen hatte wirklich nicht geweint, obwohl cs recht kalt war, ganz froh war sie aber, als sie zum Kaffeetrinken gerufen wurden. Bom Fenster aus konnte man den Schneemann auch sehen, und die heiße Milch und ein paar Brezeln dazu taten dem durchfrorenen Evchen wohl und warm. Ach, wie gemütlich heiß war der grüne Kachelofen, wie behaglich weich die Pelzpantöffel­ chen, und wie merkwürdig hell die Stube. Obwohl es schon Dämmerung war, leuchtete doch von draußen noch der Schnee herein, bis endlich die Lampe angesteckt wurde und die Läden geschlossen. Nun setzte sich Gerd an die Aufgaben, und Evchen durfte der Mutter helfen. Ja, denkt nur, was sie schon alles konnte! Sie konnte schon Wolle halten, während Mutter ein dickes, rotes Knäuel wickelte, und sie konnte schon Seidensträhnen nach den Farben legen und den ganzen Nähkorb aufräumen. End­ lich war Gerd fertig, und man durfte wieder laut sprechen. „Mutter, wievielmal muß ich noch schlafen, bis Weih­ nachten ist? Mutter, ich wünsche meiner Puppe Lilli ein neues Kleid und der Else neue Haare. Glaubst du, daß Christkindchen mir alles bringt?" — „Ja, wenn mein Evakind lieb und gut ist, glaube ich es," sagte die Mutter. Gerd hatte auch Wünsche, die schrieb er nun alle auf einen langen Zettel, eine Dampfmaschine, Bleisoldaten, ein feines Buch, ein Taschenmesser und noch viele Sachen. Als er alles fertig hatte, führte er Eva die Hand zu ihrem Zettel, und dann gaben sie sie beide der Mutter, die wollte sie am Abend dem Christkind bringen. „Noch fünfzehnmal schlafen, Eva, dann ist Weihnachten, es ist nicht mehr so lang;

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

weißt du was, jetzt singen wir mal ein Weihnachtslied," rief Gerd, und Mutter ging mit ihnen zum Klavier, und sie sangen: Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch allk

M. H.

34. Winters Ankunft. Im weißen Pelz der Winter Steht lange schon hinter der Tür — Ei, guten Tag, Herr Winter,

Das ist nicht hübsch von bir. 5 Wir meinten, du wärest wer weiß wie weit. Da kommst du mit einmal hereingeschneit. Nun, da du hier bist, da mag's schon sein, Aber was bringst du uns Kindelein? — Was ich euch bringe, das sollt ihr wissen, 10 Fröhliche Weihnacht mit Äpfeln und Nüssen Und Schneeballen, Wie sie fallen,

Und im Jänner Auch Schneemänner. Klette.

35. Der Schnee. Wer hätte das gedacht! Sagt mir, Brüder und Schwestern, Wer dachte das noch gestern, Daß es so schneien würd über Nacht? Auf unserm Dach die Kräh, Die sagt: Wie mich's gefreut hat, Daß es so stark geschneit hat! Wenn man so schwarz, schwarz, schwarz ist, Macht man sich gut auf dem weißen Schnee! Trojan.

36. Der Hase im Kohl. 1. Auf dem Dach viel blanke Zapfen, In dem Schnee viel kleine Tapfen, Alle laufen nach dem Kohl! Häschcit, das gefällt dir wohl?

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2. Nächtlich, bei des Mondes Schiinmer, Sitzt er dort zu schmausen immer; Knusperknäuschen, gar nicht faul: Ei, du kleines Leckermaul! 3. Häschen ist es schlecht betörn men, Vater hat's Gewehr genommen; Eines Abends ging es: bunini! Bautz, da fiel das Häschen um!

4. Kannst du wohl das Ende raten? Heute gibt es Hasenbraten, Apfelmus mit Zimt dazu. Ach, du armes Häschen du! Seidel.

37. Der erste Schnee.

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Ei, du liebe, liebe Zeit, Ei, wie hat's geschneit, geschneit! Ringsherum, wie ich mich dreh. Nichts als Schnee und lauter Schnee. Wald und Wiesen, Hof. und Hecken, Alles steckt in weißen Decken! Und im Garten jeder Baum, Jedes Bäumchen voller Flaum! Auf dem Sims, dem Bliunenbrett Liegt er wie ein Federbett! Auf den Dächern um rind um Nichts als Baumwoll ringsherum! Und der Schlot vom Nachbarhaus, Wie possierlich sieht der aus! Hat ein weißes Müllerkäppchen Hat ein weißes Müllerjöppchen! Meint man nicht, wenn er so raucht. Daß er just sein Pfeiflein schinaucht? Und im Hof der Pumpenstock Hat gar einen Zottelrock Und die pudrige Perücke Und den Haarzopf im Genicke,

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

Und die ellenlange Nase Geht schier vor bis an die Straße! 25 Und gar draußen vor dem Haus! Wär nur erst die Schule aus! Aber dann, wenn's noch so stürmt. Wird ein Schneemann aufgetürmt, Dick und rund und rund und dick, 30 Steht er da int Augenblick, Auf dem Kopf als Hut 'nen Tiegel Und im Arm den langen Prügel Und die Füße tief im Schnee! Und wir ringsherum, juhe! 35 Ei, ihr lieben, lieben Leut, Was ist heut das eine Freud! GüN.

38. Im kalten Winter. Im Winter gibt es viel Eis und Schnee. Das Eis ist gefrorenes Wasser. Wenn ihr im Winter in eine Tasse Wasser tut, dann wird es auch zu Eis. Das Eis sieht weiß aus. Manchmal sind schwarze Flecke im Eis. Aber das kommt nur dann vor, wenn das Wasser nicht rein ist. Wenn cs recht kalt ist und es regnet, dann wird der Regen zu Schnee. Dann sagt man: es schneit. Aus dem Schnee kann man Schneeballen machen, und die Knaben machen Schneemänner. Man kann aber auch ganz große Schneeballen machen, und wenn man dann vier oder fünf solche große Schneeballen dicht zusammengerollt hat — zu tragen sind sie zu schwer — dann sagen die Kinder: das ist unsere Burg. Wenn man zu lange im Schnee spielt, dann bekommt man ganz rote Finger. Aber darum muß man sich nicht kümmern. Manche Kinder mögen den Winter nicht, weil es da zu kalt ist. Aber ich finde den Winter sehr schön. Und ich glaube, alle Kinder freuen sich doch auf den Winter^ weil im Winter Weihnachten ist. Otto.

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39. Ein Guckloch in der Scheibe. D, wie bitter kalt ist es draußen! Wir haben Ferien, denn morgen ist der heilige Abend. Ich stehe am Fenster, und das ist von oben bis unten ganz mit Eisblumen be­ deckt. Ich hauche und hauche gegen die Scheibe, bis ein kleiner feuchter Fleck da ist und das Eis schmilzt, und nun ist ein Guckloch im Fenster. Jetzt kann ich auf die Straße sehen. Da geht ein Mann, der hat beide Hände in den Taschen. Er zieht die Schultern hoch, bannt die Ohren sich an seinem Mantel­ kragen wärmen können. Da kommen zwei Knaben, die sind wohl schon konfirmiert, sie tragen Schlittschuhe über der Schulter und haben dicke Handschuhe angezogen. Ein kleines Mädchen trippelt dicht hinter ihnen her, damit es etwas gegen den scharfen Ostwind geschützt ist, der durch die Straßen fegt. Kein Kind spielt draußen, alle sind wohl in den warmen Stuben. Die Fenster in den Häusern gegen­ über sind fast alle zugefroren. Sieh, unsere Milchfrau kdmmt über die Straße. Sie will uns Milch bringen. O, wie sieht sie aus! Sie ist ganz in Tücher und Mantel eingehüllt. Nur ihre Nasenspitze ist zu sehen. Wie mögen ihr wohl die Hände frieren trotz der dicken wollenen Handschuhe, die sie an hat. Da haben wir es besser. Wir haben eine warme Stube, und unser Ofen sieht schon ganz rot aus, so viele Mühe gibt er sich, um das Zimmer zu wärmen. Die heiße Kaffee­ kanne dampft auf dem Tisch. Die Mutter schmiert uns Butterbrote, der Vater trägt einen vollen Kohlenkasten in die Stube. Ja, wir können nicht klagen. Und morgen? — Scharrelmann.

40. Weihnachten Auf Weihnachten freue ich mich. — Weihnachten wird gefeiert, weil da der Herr Jesus Christus geboren ist. Jesus Christus ist in der Nacht geboren zwischen dem Heiligabend und dem ersten Feiertag. Jedes Kind feiert seinen eigenen Geburtstag. Jedes Kind feiert auch seines Vaters Ge-

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Tageszeiten und Jahreszeiten.

burtstag. Jedes Kind feiert auch den Geburtstag von seiner Mutter. Aber so einen Geburtstag feiert immer nur die eine Familie. Die Freunde und Freundinnen werden frei­ lich immer dazu eingeladen. Aber den Geburtstag des Herrn Jesus Christus, den feiert jede Familie so, als ob der Herr Jesus Christus mit zur Familie gehörte. Und wenn sonst Geburtstag ist, dann bekommt immer nur das Geburtstagskind etwas geschenkt. Aber wenn Weihnachten ist, dann bekommt jeder etwas geschenkt. Und jedes Kind denkt vorher nach, was es den Eltern und den andern Kindern schenken kann. Und jedes Kind schenkt soviel, wie es kann. Und je weniger Geld es gekostet hat, und je mehr das Kind selber daran gearbeitet hat, desto schöner ist das Geschenk. Otto.

41. Was das Christkindlein sagt. Das Christkindlein bin ich genannt, Den frommen Kindern wohl bekannt; Die ihren Eltern gehorsam sein. Die früh aufstehn und beten gern, Denen will ich alles beschern. Die aber solche Holzböck sein. Die schlagen ihre Schwesterlein Und necken ihre Brüderlein, Steckt Ruprecht in den Sack hinein. Wunderhorn.

42. Die Kinder bei der Krippe. 1. Zur Und Der

Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all? Krippe her kommet in Bethlehems Stall, seht, was in dieser hochheiligen Nacht Vater im Himmel für Freude uns macht.

2. O, seht in der Krippe, im nächtlichen Stall, Seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl In reinlichen Windeln das himmlische Kind, Viel schöner und holder, als Engel es sind.

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Nummer 41 bis 44.

3. Da liegt es — ach, Kinder! auf Heu und auf Stroh; Maria und Joseph betrachten es froh; Die redlichen Hirten knien betend davor. Hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor. Th. v. Schmid.

43. O Weihnachtszeit. 1. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönstell Bäume. Manch Bäumlein blüht im Gartenraum, Doch keines gleicht dem Weihnachtsbaum.

2. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönsten Lieder. Es schallt so frisch, ivenn Vöglein singt, Doch Weihnachtssang noch schöner klingt. 3. O Weihnachtszeit, o Weihnachtszeit, Du hast die schönsten Gaben. Das Christkind kommt ins Herz hinein Mit seinem süßen Friedensschein. Krihinger.

44. Der liebe Weihnachtsmann. 1. Der Esel, der Esel, Wo kommt der Esel her? Von Wesel, von Wesel, Er will ans Schwarze Meer.

2. Wer hat denn, wer hat denn Den Esel so bepackt? Knecht Ruprecht, Knecht Ruprecht Mit seinem Klappersack. 3. Mit Und Aus

Mit Nüssen, mit Äpfeln, Spielzeug mancherlei Kuchen, ja Kuchen seiner Bäckerei.

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