Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 8 Zweite und erste Klasse [Zehnte, unveränderte Auflage., Reprint 2021] 9783112601082, 9783112601075


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Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen: Teil 8 Zweite und erste Klasse [Zehnte, unveränderte Auflage., Reprint 2021]
 9783112601082, 9783112601075

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Deutsches Lesebuch für

höhere Mädchenschulen von

Karl Hessel.

Achter Teil.

Zweite und Erste Klaffe. Zehnte, unveränderte Auflage.

Bonn 1919.

A. Marcus und E. Webers Verlag.

Aus dem Vorwort zur achten Auflage. Der vorliegende achte Teil des Lesebuches ist für die beiden Oberklassen höherer Mädchenschulen bestimmt. Da die erste Klasse die dem deutschen Unterricht gewidmete Zeit doch meist durch zusammenhängende Lektüre größerer Dich­ tungen ausfüllt, so sind die Stoffe des achten Teiles vor­ wiegend dem Verständnis der zweiten Klasse angepaßt. Ins­ besondere ist alles streng Wissenschaftliche, Philosophische und Verstiegene vermieden worden. Daß zwei der schönsten Dichtungen Goethes, Proserpina und Alexis und Dora, ausgenommen sind, ist eine Neuerung, hoffentlich aber eine glückliche. Der Minnesang kommt auch zu feinem Rechte. Der Hauptteil der angefügten Metrik ist Original­ beitrag des Herrn Geheimrat Professor Dr. Wilmanns*) in Bonn für eine frühere Auslage dieses Buches, dem ich dadurch dauernd zu Danke verpflichtet bin. Poesie wie Prosa suchen, wie auch in den aüdern Teilen, Fühlung mit Geschichte und Erdkunde. Darum sind die Freiheitskriege und die Zeit von 1870 sehr in den Vordergrund gestellt. Da die Oberstufe aber auch zur Geschichte des Altertums zurückkehren soll, für dessen Kunst und Literatur ja erst das reifere Alter Verständnis ge­ winnen kann, so ist die Neuerung versucht worden, münd­ lichen Anregungen verehrter Fachgenossen folgend, eine Anzahl Stücke aus griechischen und römischen Prosaschrift­ stellern in Übersetzungen zu bieten, Ernstes und Heiteres, nur Sachen von erstem Range. Die Schilderungen deutschen Landes und Volkes wollen keine Stütze des erdkundlichen Unterrichts sein, nur diesem sich anlehnen: bei der Auswahl war die künstlerische Form der Darstellung das Ausschlaggebende. Die köstlichen Schilderungen aus dem Münsterlande von der Droste*) De, leide, inzwischen am 2». Januar 1911 verstorben ist.

iv

Borwort zur 8. unb 9. Auflage.

Hülshoff sind hier wohl zum erstenmal für die Schule verwertet. Meines Wissens ist es bisher auch noch nicht ver­ sucht worden, den Volksliedern in deutschen Lesebüchern Melodien beizufügen. Die Texte und Weisen sind nach wissenschaftlichen Grundsätzen, auf Grund bester Quellen ausgewählt. Herr Oberlehrer Karl Metzen*) in Koblenz hat diesen Teil des Bandes bearbeitet. Aus den Hauptepochen der Kunstgeschichte sind einige ausführliche Aussätze gegeben worden. Wer sich etwa daran stoßen will, daß einige davon meiner Feder entstammen, dem sage ich ausdrücklich, daß diese Arbeiten selbständige Studien sind; manches z. B. zur Erklärung des pergamenischen Altars Gesagte ist ganz neu und noch nirgend­ wo öffentlich ausgesprochen worden. Versuchsweise sind vier Bildertaseln beigefügt worden, mehr zur Anregung und zum Genuß, als zur Erläute­ rung: die Göttin Nacht und die Maria int Nosenhag habe ich in den kunstgeschichtlichen Büchern, die mir zugäng­ lich sind, bisher nicht würdig abgebildet gefunden; Schwinds Rübezahl gehört zu Muthers Aussatz; die Koblenzer Brücke ist Originalaufnahme als erläuterndes Beispiel zu dem Aussatz von Friedrich Naumann. Koblenz, Mai 1910.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Zur zehnten Auflage. Die vorliegende zehnte Auflage stimmt mit der achten und neunten völlig überein.

Koblenz, April 1919. K H. *) Jetzt Direktor des Realgymnasium» zu Opladen.

iv

Borwort zur 8. unb 9. Auflage.

Hülshoff sind hier wohl zum erstenmal für die Schule verwertet. Meines Wissens ist es bisher auch noch nicht ver­ sucht worden, den Volksliedern in deutschen Lesebüchern Melodien beizufügen. Die Texte und Weisen sind nach wissenschaftlichen Grundsätzen, auf Grund bester Quellen ausgewählt. Herr Oberlehrer Karl Metzen*) in Koblenz hat diesen Teil des Bandes bearbeitet. Aus den Hauptepochen der Kunstgeschichte sind einige ausführliche Aussätze gegeben worden. Wer sich etwa daran stoßen will, daß einige davon meiner Feder entstammen, dem sage ich ausdrücklich, daß diese Arbeiten selbständige Studien sind; manches z. B. zur Erklärung des pergamenischen Altars Gesagte ist ganz neu und noch nirgend­ wo öffentlich ausgesprochen worden. Versuchsweise sind vier Bildertaseln beigefügt worden, mehr zur Anregung und zum Genuß, als zur Erläute­ rung: die Göttin Nacht und die Maria int Nosenhag habe ich in den kunstgeschichtlichen Büchern, die mir zugäng­ lich sind, bisher nicht würdig abgebildet gefunden; Schwinds Rübezahl gehört zu Muthers Aussatz; die Koblenzer Brücke ist Originalaufnahme als erläuterndes Beispiel zu dem Aussatz von Friedrich Naumann. Koblenz, Mai 1910.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Zur zehnten Auflage. Die vorliegende zehnte Auflage stimmt mit der achten und neunten völlig überein.

Koblenz, April 1919. K H. *) Jetzt Direktor des Realgymnasium» zu Opladen.

Erste Abteilung:

Gedichte. Ernst Moritz Arndt. 1. Vaterland-lied. Der Gott, der Eisen wachsen ließ. Der wollte keine Knechte, Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß Dem Mann in seine Rechte, Drum gab er ihm den kühnen Mut, Den Zorn der freien Rede, Daß er bestände bis aufs Blut, Bis in den Tod die Fehde. So wollen wir, was Gott gewollt. Mit rechten Treuen halten Und nimmer im Tyrannensold Die Menschenschädel spalten; Doch wer für Tand und Schande ficht. Den hauen wir zu Scherben, Ter soll im deutschen Lande nicht Mit deutschen Männern erben. O Deutschland, heilges Vaterland! £), deutsche Lieb und Treue! Du hohes Land! du schönes Land! Dir schwören wir auss neue. Dem Buben und dem Knecht die Acht! Der speise Krähn und Raben! So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht Und wollen Rache haben. Srletuch 8.

10. Allst.

M.1

2

. »mb*. Laßt brausen, was nur branscn kann. In Hellen, lichten Flammen! Ihr Deutschen alle. Mann für Mann, Fürs Vaterland zusammen! Und hebt die Herzen himmelan Und himmelan die Hände, Und rufet alle, Mann für Mann: Die Knechtschaft hat ein Ende!

Laßt wehen, was nur wehen kann, Standarten wehn und Fahnen! Wir wollen heut uns Mann für Mann Zum Heldentode mahnen! Auf! fliege, hohes Siegspaurer, Voran dem kühnen Reihen! Wir siegen oder sterben hier Den süßen Tod der Freien.

2. Die Leipziger Schlacht. Wo kommst du her in dem roten Kleid Und färbst das Gras auf dem grünen Plan? Ich komme her aus dem Männerstreit, Ich komme rot von der Ehrenbahn. Wir haben die blutige Schlacht geschlagen. Drob müssen die Weiber und Bräute klagen. Da ward ich so rot.

Sag an. Gesell, und verkünde mir: Wie heißt das Land, wo ihr schlugt die SchlachtBei Leipzig trauert das Mordrevier, Das manches Auge voll Tränen macht; Da flogen die Kugeln wie Winterslocke», Und Tausenden mußte der Atem stocken Bei Leipzig der Stadt. Wie hießen, die zogen ins Todesseld Und ließen fliegende Banner aus? Die Völker kamen der ganzen Welt Und zogen gegen Franzosen aus.

ttrnbt.

3

Die {Russen, die Schweden, die tapferen Preußen, Und die nach dem glorreichen Ostreich heißen. Die zogen all ans. Wem ward der Sieg in dem harten Streit? Wer griff den Preis mit der Eiscnhand? Die Welschen hat Gott wie die Spreu zerstreut, Die Welschen hat Gott verweht wie den Sand; Viel Tausende decken den grünen Nasen, Die übrig geblieben, entflohen wie Hasen, Napoleon mit. Nimm Gottes Lohn! habe Dank, Gesell! Das war ein Klang, der das Herz erfreut! Das klang wie himmlische Zimbeln hell. Habe Dank der Mär von dem blutigen Streit! Laß Witwen und Bräute die Toten klagen« Wir fingen noch fröhlich in späten Tagen Die Leipziger Schlacht.

O Leipzig, freundliche Lindenstadt! Dir ward ein leuchtendes Ehrenmal: Solange rollet der Jahre Nad, Solange scheinet der Sonnenstrahl, Solange die Ströme zum Meere reisen. Wird noch der späteste Enkel preisen Die Leipziger Schlacht.

3. Wer soll der Hüter sein? Aus den Tod Max von Schentendorss, f 11. Dez. 1817 zu Koblenz „Wer soll dein Hüter sein?" Sprich, Vater Rhein! Mag dich der Schwerter Glanz, Mögen dich Wall und Schanz, Mag dich von Türmen Ein diamantner Kranz Hüten und schirmen?"

Solches schirmt nie genug Gegen den welschen Trug."

„Wer soll dein Hüter fein? Sprich, Vater Rhein!" — „Eins kann nur Hüter sein" (So spricht der Vater Rhein) „Eins kann nur dauern; „Ach nein! durch Felsenburg Lanzen und Schwerterschein, Dringet die List hindurch, Felsen und Mauern,

4

Arndt.

Wären sie noch so dicht, sprenget der Höllcnwicht; Lau diainantne Burg, Er dringet doch hindurch." „Was soll das eine sein? sprich, Vater Rhein!" „Herz iiuiß das eine sein? ^Spricht Vater Rhein) — .,Das wird es treffen, d e r r, das kein Lügcnschein Niutmcr kann äffen. Auch ohne Schanz und Wall Brauset mein Wogcnschwall Fröhlich in Freiheit hin. Wann ich des mächtig bin." „Soll das das eine sein?" „Ja, das allein! Treues und deutsches Herz, Tapfer in Ernst und Scherz, Das ist die Mauer, Treues und deutsches Herz Bleibt auf die Dauer; Brechet die Schwerter klein, Reißet die Wälle ein.

Schleifet die Felsenburg — Mit diesem fecht ich's durch!" „Wohl dir des Hüters dein! Dies soll es sein! Wohl dir! ein deutsches Herz, Tapfres und treues Herz, Köstliche Gabe, Senken wir hier in Schmerz Nieder zum Grabe. Das sei dir Schild und Hort, Brausende Landespfort! Das soll ein Zeichen sein Ewig ant freien Rhein! Wohl dir des Hüters dein! Er hat vom Rhein, Er hat vom deutschen Land, Er hat vom welschen Tand Mächtig geklungen, Tast Ehre auferstand, Wo er gesungen. Bei dir, wonach er rang. Sang er den Schwanensaug: Hier sollt er Zeichen sein. Hier sollt er Hüter sein.

Wohl dir des Hüters dein! Jauchze nun, Rhein! Brause in Wonne, fort, Heilige Landespfort! Klinge in Freuden, Klinge des Sängers Wort Künftigen Zeiten! Und in dem grünen Glan» Liege sein Grab als Schanz! Liege als Ehrenwall Vor deiner Wogen Schwall!"

Arndt»

4. Grablied. Geht nun hin und grabt mein Grab! Denn ich bin des Wanderns müde. Voll der Erde scheid ich ab. Denn mir ruft des Himmels Friede, Denn mir ruft die süße Ruh Von den Engeln droben zu. Geht nun hin und grabt mein Grab! Meinen Lauf hab ich vollendet. Lege nun den Wanderstab Hin, wo alles Jrdsche endet. Lege selbst mich nun hinein In das Bette sonder Pein. Was soll ich hienieden noch In dem dunkeln Tale machen? Denn wie mächtig, stolz und hoch Wir auch stellen unsre Sachen, Muß es doch wie Sand zergehn. Wann die Winde drüber wehn.

Darunt, Erde, fahre wohl. Laß mich nuu in Frieden scheiden! Deine Hoffnung, ach! ist hohl, Deine Freuden sind nur Leiden, Deine Schönheit Unbestand, Eitel Wahn und Trug nnd Tand. Darum letzte gute Nacht, Sonn und Mond und liebe Sterne! Fahret wohl mit eurer Pracht! Denn ich reis in weite Ferne, Reise hin zu jenem Glanz, Worin ihr erbleichet ganz.

Weinet nicht, daß nun ich will Bon der Welt den Abschied nehmen. Daß ich aus dem Jrrland will. Aus den Schatten, aus den Schemen^

5

6

Arndt.

Bierbaum.

AuS dem Eitcln, aus dem Nichts Hin ins Land des ewgen Lichts. Weint nicht! mein Erlöser lebt; Hoch vom finstern Erdenstaube Hell empor die Hoffnung schwebt. Und der Himmelsheld, der Glaube^ Und die ewge Liebe spricht: Kind des Vaters, zittre nicht!

Otto Julius Bierbaum. S. Oft in der stillen Nacht. Oft in der stillen Nacht, Wenn zag der Atem geht Und sichelblank der Mond Am schwarzen Hiinmel steht.

Wenn alles ruhig ist

Und kein Begehren schreit. Führt meine Seele mich In Kindeslande weit.

Dann seh ich, wie ich schritt

Unsest mit Füssen klein. Und seh mein Kindesaug Und seh die Hände mein.

Und höre meinen Mund, Wie lauter, Kar er sprach. Und senke meinen Kopf

Uitb denk mein Leben nach: Bist du, bist du allweg Gegangen also rein. Wie du gegangen bist Auf Kindesfüsten klein?

Hast du, hast du allweg Gesprochen also Kar,

6

Arndt.

Bierbaum.

AuS dem Eitcln, aus dem Nichts Hin ins Land des ewgen Lichts. Weint nicht! mein Erlöser lebt; Hoch vom finstern Erdenstaube Hell empor die Hoffnung schwebt. Und der Himmelsheld, der Glaube^ Und die ewge Liebe spricht: Kind des Vaters, zittre nicht!

Otto Julius Bierbaum. S. Oft in der stillen Nacht. Oft in der stillen Nacht, Wenn zag der Atem geht Und sichelblank der Mond Am schwarzen Hiinmel steht.

Wenn alles ruhig ist

Und kein Begehren schreit. Führt meine Seele mich In Kindeslande weit.

Dann seh ich, wie ich schritt

Unsest mit Füssen klein. Und seh mein Kindesaug Und seh die Hände mein.

Und höre meinen Mund, Wie lauter, Kar er sprach. Und senke meinen Kopf

Uitb denk mein Leben nach: Bist du, bist du allweg Gegangen also rein. Wie du gegangen bist Auf Kindesfüsten klein?

Hast du, hast du allweg Gesprochen also Kar,

vinbaum. Lhamiflo. Wie einsten deines Munds Lautleise Stimme war? Sahst du, sahst du allweg So klar ins Angesicht Der Sonne wie dereinst Der Kindesaugen Licht?

Ich blicke, Sichel, auf

Zu deiner weihen Pracht; Tief, tief bin ich betrübt Ost in der stillen Nacht.

Adelbert von Chamisso. 6. Frisch gesungen. Hab ost im Kreise der Lieben

in duftigem Grase geruht

Und mir ein Lieblein gesungen, und alles war hübsch und gut. Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterem Mut Und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut. Und manches, was ich erfahren, verkocht,ich in stiller Wut.

Und kam ich wieder zu singen, war alles auch wieder gut. Sollst nicht uns lange klagen, was alles dir wehe tut. Nur frisch, nur frisch gesungen! und alles wird wieder gut.

7. Die Kreuzschtm. Der Pilger, der die Höhen überstiegen. Sah jenseits schon das ausgespannte Tal Zn Abendglut vor seinen Fügen liegen. Auf dustges Gras, im milden Sonnenstrahl Streckt er ermattet sich zur Ruhe nieder. Indem er seinem Schöpfer sich befahl. Ihm fielen zu die matten Augenlider, Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum Ter irdschen Hülle seiner trägen Glieder.

vinbaum. Lhamiflo. Wie einsten deines Munds Lautleise Stimme war? Sahst du, sahst du allweg So klar ins Angesicht Der Sonne wie dereinst Der Kindesaugen Licht?

Ich blicke, Sichel, auf

Zu deiner weihen Pracht; Tief, tief bin ich betrübt Ost in der stillen Nacht.

Adelbert von Chamisso. 6. Frisch gesungen. Hab ost im Kreise der Lieben

in duftigem Grase geruht

Und mir ein Lieblein gesungen, und alles war hübsch und gut. Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterem Mut Und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut. Und manches, was ich erfahren, verkocht,ich in stiller Wut.

Und kam ich wieder zu singen, war alles auch wieder gut. Sollst nicht uns lange klagen, was alles dir wehe tut. Nur frisch, nur frisch gesungen! und alles wird wieder gut.

7. Die Kreuzschtm. Der Pilger, der die Höhen überstiegen. Sah jenseits schon das ausgespannte Tal Zn Abendglut vor seinen Fügen liegen. Auf dustges Gras, im milden Sonnenstrahl Streckt er ermattet sich zur Ruhe nieder. Indem er seinem Schöpfer sich befahl. Ihm fielen zu die matten Augenlider, Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum Ter irdschen Hülle seiner trägen Glieder.

8

Thamiss».

Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum Zu Gottes Angesicht, das Firmament Zu seinem Kleid, das Land zu dessen Saum. „Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt. Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden, Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.

Daß, wen ein Weib gebar, sein Kreuz hiemeden Auch duldend tragen muß, ich weiß es lange; Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.

Mein 'Kreuz ist allzu schwer; sieh, ich verlange Die Last nur angemessen meiner Kraft; Ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange."

Wie er so sprach zum Höchsten kinderhaft. Kam brausend her der Sturm, und es geschah, Daß aufwärts er sich fühlte hingerasft. Und wie er Boden faßte, fand er da Sich einsam in der Mitte räumger Hallen, Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah.

Und eine Stimme hört er dröhnend Halle»: „Hier aufgespeichert ist Has Leid; du hast Zu wählen unter diesen Kreuzen allen!" Versuchend ging er da, unschlüssig säst. Von einem Kreuz zum anderen umher. Sich auszuprüfen die bequemre Last.

Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer, So schwer und groß war jenes andre nicht. Doch scharf von Kanten drückt es desto mehr. Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht, Das lockt ihn, unversucht es nicht zu lassen; Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht.

Er mochte dieses heben, jenes fassen, Zu keinem neigte noch sich seine Wahl Es wollte keines, keines für ihn passen.

khamisso.

Claudius.

9

Durchmpstert hatt' er schon die ganze Zahl — Verlorne Müh! vergebens war's geschehen! Durchmustern mußt er sie zum zweiten Mal.

Und nun gewahrt er, früher übersehen. Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein. Und bei dem einen blieb er endlich stehen. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein Ihm häßlich und gerecht nach Kraft und Maß: „Herr", rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!"

Und wie er's prüfend mit den Augen maß — Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß. Er lud es auf und trug's nun sonder Klagen.

Matthias Claudius. 8. Am Srave meines BaterS. Friede sei um diesen Grabstein her. Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben Einen guten Mann begraben, Und mir war er mehr: Träufte mir von Segen, dieser Mann, Wie ein milder Stern aus bessern Welten; Und ich kann's ihm nicht vergelten. Was er mir getan. Er entschlief, sie gruben ihn hier ein. Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben. Und ein Ahnen von dem erogen Leben Düst um sein Gebein,

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr. Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben Einen guten Mann begraben. Und mir war er mehr.

khamisso.

Claudius.

9

Durchmpstert hatt' er schon die ganze Zahl — Verlorne Müh! vergebens war's geschehen! Durchmustern mußt er sie zum zweiten Mal.

Und nun gewahrt er, früher übersehen. Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein. Und bei dem einen blieb er endlich stehen. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein Ihm häßlich und gerecht nach Kraft und Maß: „Herr", rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!"

Und wie er's prüfend mit den Augen maß — Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß. Er lud es auf und trug's nun sonder Klagen.

Matthias Claudius. 8. Am Srave meines BaterS. Friede sei um diesen Grabstein her. Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben Einen guten Mann begraben, Und mir war er mehr: Träufte mir von Segen, dieser Mann, Wie ein milder Stern aus bessern Welten; Und ich kann's ihm nicht vergelten. Was er mir getan. Er entschlief, sie gruben ihn hier ein. Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben. Und ein Ahnen von dem erogen Leben Düst um sein Gebein,

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr. Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben Einen guten Mann begraben. Und mir war er mehr.

Claudiu-.

0. Zwei Sprüche. 1. Die Liebe. Die Liebe Und dringt Sie ist ohn Und schlägt

hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Fliege! durch alles sich; Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel sie ewiglich.

2. Wohltaten. Wohltaten, still und rein gegeben. Sind Tote, die im Grabe leben. Sind Blumen, die im Sturm bestehn. Sind Sternlein, die nicht untergehn.

10. Rheinweinlied. Bekränzt mit Laub den lieben, vollen Becher Und trinkt ihn fröhlich leer! In ganz Europia, ihr Herren Zecher, Ist solch ein Wein nicht mehr.

Er kommt nicht her aus Ungarn noch aus Polen, Noch wo man franzmännsch spricht; Da mag Sankt Beit, der Ritter, Wein sich holen. Wir holen ihn da nicht. Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle; Wie wär er sonst so gut? Wie wär er sonst so edel, wäre stille Und doch voll Kraft und Mut?

Er wächst nicht überall im Deutschen Reiche, Und viele Berge, hört! Sind, wie die weiland Kreter, faule Bäuche Und nicht der Stelle wert.

Thüringens Berge zum Exempel bringen Gewächs, sieht aus wie Wein; Jst's aber nicht — man kann dabei nicht singen. Dabei nicht fröhlich sein. Im Erzgebirge dürft ihr auch nicht suchen. Wenn Wein ihr finden wollt;

LloudiuR.

D«ch-

H

D»S bringt. nur Silbererz und Kobaltluchen Urd etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,

Er macht nur Wind, wie der; Drum tanzen auch der Kuckuck nnd sei» Küster Auf ihm die kreuz uud quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben:

Gesegnet sei der Rhein! Ta wachsen sie am Ufer hin und geben Uns diesen Labewein. So trinkt ihn denn und laßt uns allewege

lus freun und fröhlich sein! Und wüßten wir, wo jemand traurig läge. Dir gäben ihm den Wein.

Simon Dach. 11. Lied der Freundschaft. Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nichts an. Als daß er Treu erzeigen und Freundschaft halten kann. Wenn er mit seinesgleichen soll treten in ein Band,

Verspricht sich, nicht zu weichen, mit Herzen, Mund und Hand.

Die Red ist uns gegeben, damit wir nicht allein Für uns nur sollen leben und fern von Leuten fein:

Wir sollen uns befragen und sehn auf guten Rat, Dos Leid einander klagen, so uns betreten hat.

WaS kann die Freude machen, die Einsamkeit verhehlt? Das gibt ein doppelt Lachen, was Freunden wird erzählt. Der kann sein Leid vergessen, der es von Herzen sagt;

Ker muß sich selbst aufsressen, der ingeheim sich nagt. Gott stehet mir vor allen, die meine Seele liebt; Dann soll mir auch gefallen, der mir sich herzlich gibt.

Mit diesen Bundsgesellen verlach ich Pein und Not,

Geh auf den Grund der Höllen und breche durch den Tod.

LloudiuR.

D«ch-

H

D»S bringt. nur Silbererz und Kobaltluchen Urd etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,

Er macht nur Wind, wie der; Drum tanzen auch der Kuckuck nnd sei» Küster Auf ihm die kreuz uud quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben:

Gesegnet sei der Rhein! Ta wachsen sie am Ufer hin und geben Uns diesen Labewein. So trinkt ihn denn und laßt uns allewege

lus freun und fröhlich sein! Und wüßten wir, wo jemand traurig läge. Dir gäben ihm den Wein.

Simon Dach. 11. Lied der Freundschaft. Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nichts an. Als daß er Treu erzeigen und Freundschaft halten kann. Wenn er mit seinesgleichen soll treten in ein Band,

Verspricht sich, nicht zu weichen, mit Herzen, Mund und Hand.

Die Red ist uns gegeben, damit wir nicht allein Für uns nur sollen leben und fern von Leuten fein:

Wir sollen uns befragen und sehn auf guten Rat, Dos Leid einander klagen, so uns betreten hat.

WaS kann die Freude machen, die Einsamkeit verhehlt? Das gibt ein doppelt Lachen, was Freunden wird erzählt. Der kann sein Leid vergessen, der es von Herzen sagt;

Ker muß sich selbst aufsressen, der ingeheim sich nagt. Gott stehet mir vor allen, die meine Seele liebt; Dann soll mir auch gefallen, der mir sich herzlich gibt.

Mit diesen Bundsgesellen verlach ich Pein und Not,

Geh auf den Grund der Höllen und breche durch den Tod.

12

Dach. SetyncL

12. Nunchet» vo« Thara«. Ännchen von Tharau ist, die mir gefällt. Sie ist mein Leben, mein Gnt und mein Geld. Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.

Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein GH, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! Käm alles Wetter gleich auf uns zu schlahn. Wir sind gesinnt, bei einander zu stahn;

Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein Soll unsrer Liebe Verknotigung sein. Recht als ein Palmenbaum über sich steigt. Je mehr ihn Hagel und Regen anficht.

So wird die Lieb in uns mächtig und groß Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Not.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt, Lebtest da, wo man die Sonne kaunr kennt:

Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn, Mein Lebeir schließ ich nur deineö herum.

Richard Dehmel. 13. Die stille Stadt. Liegt eine Stadt im Tale, Ein blasser Tag vergeht; Es wird nicht lange dauern mehr, Bis weder Mond noch Sterne, Nur Nacht am Hinunel steht. Bon allen Bergen drücken Nebel auf die Stadt; Es dringt feilt- Dach, nicht Hof noch Haus,

12

Dach. SetyncL

12. Nunchet» vo« Thara«. Ännchen von Tharau ist, die mir gefällt. Sie ist mein Leben, mein Gnt und mein Geld. Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.

Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein GH, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! Käm alles Wetter gleich auf uns zu schlahn. Wir sind gesinnt, bei einander zu stahn;

Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein Soll unsrer Liebe Verknotigung sein. Recht als ein Palmenbaum über sich steigt. Je mehr ihn Hagel und Regen anficht.

So wird die Lieb in uns mächtig und groß Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Not.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt, Lebtest da, wo man die Sonne kaunr kennt:

Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn, Mein Lebeir schließ ich nur deineö herum.

Richard Dehmel. 13. Die stille Stadt. Liegt eine Stadt im Tale, Ein blasser Tag vergeht; Es wird nicht lange dauern mehr, Bis weder Mond noch Sterne, Nur Nacht am Hinunel steht. Bon allen Bergen drücken Nebel auf die Stadt; Es dringt feilt- Dach, nicht Hof noch Haus,

Tehmel.

Dohm.

Kein Laut aus ihrem Rauch heraus. Kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wanderer graute. Da ging ein Lich klein auf im Grund, Und durch den Rauch und Nebel Begann ein leiser Lobgesang Aus Kindermund.

Ernst Dohm. 14. Die Schlacht von Metz. Das war eine Schlacht! Drei Tage lang. Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht, Ter männermordende Donner kracht Und des Todes mähende Sichel klang. Das war eine Schlacht! Zwischen Kampf und Kampf Hat der Tod je einen Rasttag gemacht, Umnebelt vom schwebenden Pulvcrdampf, Satt und übersatt Des Blutes, das er zu gierig trank, Pom blutigen Mähen so müd und matt. Daß dem knöchernen Arm die Sichel entsank.

Das war eine Schlacht! Und als des dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschlcier senkte die Nacht, Ta lagen Freund und Feind, An die dreibigtausend! vereint, Im stummen Tode friedlich gesellt — Ein unabsehbar Leichenfeld. Und aus das klaffende Völkergrab Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab.

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Tehmel.

Dohm.

Kein Laut aus ihrem Rauch heraus. Kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wanderer graute. Da ging ein Lich klein auf im Grund, Und durch den Rauch und Nebel Begann ein leiser Lobgesang Aus Kindermund.

Ernst Dohm. 14. Die Schlacht von Metz. Das war eine Schlacht! Drei Tage lang. Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht, Ter männermordende Donner kracht Und des Todes mähende Sichel klang. Das war eine Schlacht! Zwischen Kampf und Kampf Hat der Tod je einen Rasttag gemacht, Umnebelt vom schwebenden Pulvcrdampf, Satt und übersatt Des Blutes, das er zu gierig trank, Pom blutigen Mähen so müd und matt. Daß dem knöchernen Arm die Sichel entsank.

Das war eine Schlacht! Und als des dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschlcier senkte die Nacht, Ta lagen Freund und Feind, An die dreibigtausend! vereint, Im stummen Tode friedlich gesellt — Ein unabsehbar Leichenfeld. Und aus das klaffende Völkergrab Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab.

13

14

Dshm.

DaS war eine Schlacht! Die ihr, das Vaterland Zu schützen vor Geioalttat und Schänd,

Euch selber zum blutigen Opfer gebracht — Ihr treuen Toten, du und du. Die im Gefecht Mit dem Leben besiegelt Deutschlands Recht, Niedergemäht von des Todes Mahd, Ausgesät als des Friedens Saal, Fahrt wohl, zur ewigen Ruh!

Das war eine Schlacht! Des Feindes Plan, so keck erdacht. Zu schänden gemacht. Zerrissen, zerschlissen, wie sein Heer! Er selbst nach knirschender Gegenwehr Zurückgeworfen in die Feste Metz! Dort fest umsponnen mit ehernem Netz, Mit eiserner Klammer regungslos, An den Fels geschniiedet bewegungslos. Aller Hilf und alles Entrinnens bar. Aufbäumend in ohnmächtigem Schmerz — Und der deutsche Aar Stückweis ihm zerhackend das zuckende Herz! Das war eine Schlacht! Westwärts in wehender Fahnen Pracht, Mit klingendem Spiele, dran und drauf. In nimmer aufgehaltenem Lauf, Weit, weit übern Rhein Nach Frankreich hinein Deutschlands Banner tragend, sein Recht mit) Ehr, Im Sturmmarschtritt, Im Siegesschritt Wälzt gen Paris sich das deutsche Heer.

Drofte-HülShosf.

15

Annette Freiin von Droste-HülShoff. 15. Der Knabe im Moor. £), schaurig ist's, übers Moor zu gehn. Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauchi, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt. Wenn aus der Spalte es zischt und singt — O, schaurig ist's, übers Moor zu gehn. Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt, als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind — Was raschelt drüben am Hage? Tas ist der gespenstige Gräberknecht, Ter dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu! es bricht, wie ein irres Rind: Hinducket das Knäblein zage.

Vom User starret Gestumpf hervor — Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme, wie Speere: Und wie es rieselt und knittert darin! Tas ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinn-Lenor, Die den Haspel dreht int Geröhre!

Voran, voran! nur immer im Lauft Voran! als woll es ihn holen; Dor seinem Fuße brodelt es auf. Es pfeift ihm unter den Sohlen, Wie eine gespenstige Melodei — Das ist der Geigenmann ungetreu. Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen!

16

Droste-HülShoff.

Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der Nässenden Höhle; Weh, weh! da ruft die verdammte Margret: „Ho, ho! meine arme Seele!" Ter Knabe springt, wie ein wundes Reh: Wär nicht Schutzengel in feiner Näh, Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwele. Da mählich gründet der Boden sich. Und drüben neben der Weide Die Lampe flimmert so heimatlich. Der Knabe steht an der Scheide. Ties atmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirst er den scheuen Blick: „Ja, im Geröhre war's fürchterlich, O, schaurig war's in der Heide!"

16. Heidebilder. I. Die Heide nach dem Regen.

Es verrieselt, es verraucht! Mählich aus der Wolke taucht Neu hervor der Sonnenadel. In den feinen Dunst die Fichte Ihre grünen Dornen streckt, Wie ein schönes Weib die Nadel In den Spitzenschleier steckt. Und die Heide steht im Lichte Zahllos blanker Tropfen, die Am Wacholder zittern, wie Glasgehänge an dem Lüster.

überm Grund geht ein Geflüster, Jedes Kräutchen reckt sich auf. Und in langgestrecktem Lauf Durch den Sand des Pfades eilend, Blitzt das goldne Panzerhemd

17

Droste-HülShoff.

Des Kuriers*); am Halme weilend. Streicht die Grille sich das Naß Von der Flügel grünem Glas. Grashalm glänzt, wie eine Klinge, Und die kleinen Schmetterlinge, Blau, orange, gelb und weiß, Jagen taumelnd sich im Kreis. Alles Schimmer, alles Licht!

Bcrgwald mag und Welle nicht Solche Farbentöne hegen. Wie die Heide nach dem Regen. II. Der Weiher.

Er liegt so still im Morgenlicht, So friedlich wie ein fromm Gewissen; Wenn Weste seinen Spiegel küssen. Des Ufers Blume fühlt es nicht; Libellen zittern über ihn, Vlaugoldne Stäbchen und Karmin, Und auf des Sonnenbildes GlanTie Wasserspinne führt den Tanz; Schwcrtlilienkranz am Ufer steht Und horcht des Schilfes Schlummerlieder Ein lindes Säuseln kommt und geht. Als flüstr es: Friede! Friede! Friede! III.

Kinder am Ufer.

„O, sieh doch! siehst du nicht die Blumenwolkv Da drüben in dem tiefsten Weiherkolke? £), das ist schön! hätt ich nur einen Stecken! Schmalzweißc Kelch mit dunkelroten Flecken, Und jede Glocke ist frisiert so sein, Wie unser wächsern Engelchen im Schrein. Was meinst du, schneid ich einen Haselstab *) Buprestt-, ein in allen Farben schimmernder Prachtkäfer, der sich im Heidekraut aushält.

ßtfefouS 8. io. «u|L

(Anmerkung der Dichterin.)

M.2

Drope-Hül-Hoff.

Und toat ein wenig in die Furt hinab? Pah! Frösch und Hechte können mich nicht schrecken! Allein, ob nicht vielleicht der Wassermann Tort in den langen Kräutern hocken kann? Ich geh, ich gehe schon — ich gehe nicht — Mich dünkt, ich sah am Grunde ein Gesicht — Komm, laß uns lieber heim, die Sonne sticht!"

17. De- alten Pfarrers Samstag. Wie funkeln hell die Sterne, Wie dunkel scheint der Grund, Und aus des Teiches Spiegel Steigt dort der Mond ant Hügel Grad um die elfte Stund.

Da hebt vom Predigthefte Der müde Pfarrer sich; Wohl war er unverdrossen. Und endlich ist's geschlossen Mit langem Federstrich. Nun öffnet er das Fenster, Er trinkt den milden Duft Und spricht: „Wer sollt es sage»? Noch Schnee vor wenig Tagen, Und dies ist Maienluft."

Die strahlende Rotunde Sein ernster Blick durchspäht. Schon will der Himmelswagen Die Deichsel abwärts tragen: ,La, ja, es ist schon spät!" Und als dies Wort gesprochen. Es fällt dem Pfarrer auf. Als müß er eben deuten Auf sich der ganz zerstreuten. Arglosen Rede Lauf. Nie schien er sich so hager. Nie fühlt' er sich so alt,

Droste-Hülshoss.

MS seit er heut begraben Den langen Moritz Raben, Den Förster dort tont Wald. Am gleichen Tag geboren. Getauft am gleichen Tag! Das ist ein seltsam W^sen Und läßt uns deutlich lesen.

Was wohl die Zeit vermag!

Der Nacht geheimes Funkeln, Und daß sich eben muß. Wie Mondesstrahlen steigen, Der frische Hügel zeigen, DaS Kreuz an seinem Fuß: Das macht ihn ganz beklommen, Den sehr betagten Mann, Er sieht den Flieder schwanken Und längs des Hügels wanken Die Schatten ab und an.

Wie oft sprach nicht der Tote Rach seiner Weise kühn: „Herr Psarr, wir alten Knaben, Wir müssen sachte traben. Die Kirchhossblumen blühn." „So mögen sie denn blühen!" Spricht sanft der fromme Mann. Er hat sich aufgerichtct. Sein Auge, mild umlichtet. Schaut fest den Äther an. , „Hast du gesandt ein Zeichen Durch meinen eignen Mund Und willst mich gnädig mahmn An unser aller Ahnen Uralten ewgen Bund?

Nicht lässig sollst du finden Den, der dein Siegel trägt!



20

Drope-HülShoff.

Doch nach dem letzten Sturme" — Da eben summt's vom Turme, Und zwölf die Glocke schlägt.

„Ja, wenn ich bin entladen Der Woche Last und Pein, Dann führe, Gott der Milde, Das Werk nach deinem Bilde In deinen Sonntag ein!"

18. DaS Gleichnis vom verdorrten Feigenbaum. „Wie stehst du doch so dürr und kahl, Die trocknen Adern leer, O Feigenbaum! Ein Totenlranz von Blättern fahl Hängt rasselnd um dich her. Wie Wcllenschaum!" — „O Mensch, ich muß hier stehn, ich muß Dich grüßen mit dein Todesgrub, Daß du das Leben fassest. Es nicht entlassest!"

„Wie halt ich denn das Leben fest. Daß cs mir nicht entrinnt, O Feigenbaum?" — „O Mensch, der Wille ist das best. Die wahre Treu gewinnt. Hältst du im Zaum Tie Hossart und die Zweifelsucht, Die Lauheit auch in guter Zucht,: Muß dir in diesem Treiben Das Leben bleiben."

„Wie bist du denn so völlig tot. So ganz und gar dahin, O Feigenbaums — „O Mensch, wie üppge- Morgenrot

Drope-Hütthosf. Ließ ich mein Leben ziehn Am Erdensaum Und weh! und' dachte nicht der Frucht. Da hat mich Gott der Herr verflucht. Daß ich muß allem Leben Ein Zeugnis geben." „Wer hat dir solches zubereit Durch heimlichen Verrat,

O Feigenbaum?" — „O Mensch, des Herren Aug sieht weit. Es sicht des Würmleins Pfad In Blattes Flaum. Ihn: kannst du nicht entdecken, noch Entziehn, er sieht und weiß es doch; Es lag schon auf der Wage Am ersten Tage."

„Du starbest wohl vor langer Zeit, Weil du so dürr und leer, O Feigenbaum?" — „O Mensch, des Herren Hand reicht weit Und ist so schnell und schwer. Du sichst es kaum. Er nimmt dir seines Lebens Hauch, Du mußt vergehn wie Dunst und Rauch,

Er braucht nicht Wort noch Stunden: Du bist verschwunden."

„Wo bleibt denn seine große Huld, Was fruchtet denn die Reu, O Feigenbaum?" — „0 Mensch, gedenk an deine Schuld, Gedenk an seine Treu! Schau, in den Raum Hat er mich gnadenvoll gestellt. Daß ich durch seine weite Welt Ans meines Elends Tiefe Dir warnend riefe."

21

Drope-Hütthofl. Ebner-Eschenbach. „Steht denn kein Hoffen mehr bei dir.

Kein Hoffen in der Not, O Feigenbaum?" — „£) Mensch, kein Hoffen steht bei mir. Denn ich bin tot, bin tot! O Lebenstraum, Hätt ich dein schweres Sein gefühlt. Hätt ich nicht frech mit dir gespielt. Ich stände nicht gerichtet, Weh mir, vernichtet!"

Marie von Ebner-Eschenbach. 19. Gin kleines Lied. Ein kleines Lied! Wie geht's nur an. Daß man so lieb es haben tanti Was liegt darin?

Erzähle!

Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele.

20. Spruchverse. 1.

Es kst

noch jeder leicht durch diese Welt geschritten. Der gut zu danken wußt und wußte gut -u bitten. 2.

Magst den Tadel noch so fein. Noch so zart bereiten. Weckt er Widerstreiten. Lob darf ganz geschmacklos sein. Hocherfreut und munter Schlucken sie's hinunter.

Drope-Hütthofl. Ebner-Eschenbach. „Steht denn kein Hoffen mehr bei dir.

Kein Hoffen in der Not, O Feigenbaum?" — „£) Mensch, kein Hoffen steht bei mir. Denn ich bin tot, bin tot! O Lebenstraum, Hätt ich dein schweres Sein gefühlt. Hätt ich nicht frech mit dir gespielt. Ich stände nicht gerichtet, Weh mir, vernichtet!"

Marie von Ebner-Eschenbach. 19. Gin kleines Lied. Ein kleines Lied! Wie geht's nur an. Daß man so lieb es haben tanti Was liegt darin?

Erzähle!

Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele.

20. Spruchverse. 1.

Es kst

noch jeder leicht durch diese Welt geschritten. Der gut zu danken wußt und wußte gut -u bitten. 2.

Magst den Tadel noch so fein. Noch so zart bereiten. Weckt er Widerstreiten. Lob darf ganz geschmacklos sein. Hocherfreut und munter Schlucken sie's hinunter.

Eichendorfs.

Joseph Freiherr von Eichendorff. 21. Die Stille. Es weiß und rät es doch keiner,

Wie mir so wohl ist, so wohl! Ach, toftfil es nur einer, nur einer. Kein Mensch es sonst wissen soll! So still ist's nicht draußen im Schnee^

So stumm und. verschwiegen sinh Eie Sterne nicht in der Höhe, Als meine Gedanken find. Ich wünscht, es wäre schon morgen! Da fliegen zwei Lerchen aus. Die überfliegen einander. Mein Herze folgt ihrem Lauf.

Ich wünscht, ich wäre ein Vöglein Und zöge über das Meer, Wohl über das Meer und weiter. Bis daß ich im Himmel wär!

22. Sonntag. Die Nacht war kaum verblühet. Nur eine Lerche fang Die stille Luft entlang. Wen grüßt sie schon so frühe?

Nnd draußen in dem Garten Die Bäume übers Haus Sahn weit ins Land hinaus,

Als ob sie wen erwarten.

In festlichen Gewänden, Wie eine Kinderschar, Tauperlen in dem Haar, Die Blumen alle standen. Ich dacht: Ihr kleinen Bräute, Was schmückt ihr euch so sehr?

£3

Eichendorff.

Da blickt die eine her: „Still, still, 's ist Sonntag heute; Schon klingen Morgenglocken, Der liebe Gott nun bald Geht durch den stillen Wald." Da kniet ich froherschrocken.

23, Mondnacht. Es war, als hätt der Himmel Tie Erde still geküßt. Daß sie im Blütenschimmer Bon ihm nur träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder, Tie Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus.

24. Morgengebet. O, wunderbares, tiefes Wie einsam ist's noch auf Die Wälder nur sich leise Als ging der Herr durchs

Schweigen, der Welt! neigen, stille Feld.

Ich fühl mich recht wie neu geschaffen Wo ist die Sorge nun und Not? Was mich noch gestern wollt erschlaffen. Ich schäm mich des im Morgenrot.

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger, srohbercit Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.

25. «uf meines Kindes Tod. L Don fern die Uhren schlagen, es ist schon tiefe Nacht, Die Lampe brennt so düster, dein Bettlein ist gemacht. Die Winde nur noch gehen wehUagend um das Haus, Wir sitzen einsam drinnen und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müßtest leise du klopfen an die Tür, Du hältst dich nur verirret und kämst nun müd zurück. Wir armen, armen Toren! wir irren ja, im Graus Des Dunkels noch verloren — du fandst ja längst nach Haus t

II. Dort ist so tiefer Du schläfst in guter Es deckt mit grünen Der liebe Gott dich

Schatten, Ruh; Matten zu.

Die alten Weiden neigen. Sich auf dein Bett herein. Die Vöglein in den Zweigen, Sie singen treu dich ein. Und wie in goldnen Träumen Geht linder Frühlingswind Rings in den stillen Bäumen — Schlaf wohl, mein süßes Kind! III.

Mein liebes Kind, ade! Ich konnt ade nicht sagen, Als sie dich fortgetragen, Dor tiefem, tiefem Weh.

Jetzt auf lichtgrünem Plar Stehst du im Myrtenkränze Und lächelst aus dem Glanze Mich still voll Mitleid an..

Und Jahre nahn und gehn. Wie bald bin ich verstoben — O, bitt für mich da droben. Daß wir uns Wiedersehn!

28

Fleming.

Paul Fleming.

26. Das treue Herze Ein getreues Herze wissen

Hat des höchsten Schatzes Preis» Der ist selig zu begrüßen. Der ein treues Herze weiß! Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,

Denn ich weiß ein treues Herze. Läuft das Glücke gleich zuzeiten

Anders, als man will und meint, Ein getreues Herz hilft streiten Wider alles, was ist feind. Mir ist wohl bei höchstem Schmerze. Denn ich weiß ein treues Herze. Sein Vergnügen steht allein« In des andern Redlichkeit, Hält des andern Not für seine. Weicht nicht, auch bei böser Zeit. Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, Denn ich weiß ein treues Herze. Gunst, die kehrt sich nach dem Glücke, Geld und Reichtum, das zerstäubt, Schönheit läßt uns bald zurücke. Ein getreues Herze bleibt. Mir ist wohl bei höchstem Schmerze« Denn ich weiß ein treues Herze.

Eins ist da sein und geschieden: Ein getreues Herze hält, Gibt sich allezeit zufrieden, Steht auf, wenn es niederfällt. Ich bin froh bei höchstem Schmerze, Denn ich weiß ein treues Herze.

Fleming.

Freiligrakh.

87

27. Gottvertrauen. Latz dich nur nichts dauern Mit Trauern: Sei stille! Wie Gott es füg!, So sei vergnügt. Mein Wille.

Was willst du heute sorgen Auf morgen? Der eine Steht allem für. Er gibt auch dir Das deine.

Sei nur in allem Handel Ohn Wandel: Steh feste! Was Gott beschleußt. Das ist und heißt Das beste.

Ferdinand Freiligrath. 28. Ruhe. So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen In deinem Arm, an deiner Brust!

Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt, In dem ich raste nun für immer, O, du mein Leben, meine Welt! Laß es mich öffnen Nur der Träne, Die brennend heiß sich ihm entringt. Die hell und lustig, eh ichs wähne. Durch die geschloßne Wimper springt!

Fleming.

Freiligrakh.

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27. Gottvertrauen. Latz dich nur nichts dauern Mit Trauern: Sei stille! Wie Gott es füg!, So sei vergnügt. Mein Wille.

Was willst du heute sorgen Auf morgen? Der eine Steht allem für. Er gibt auch dir Das deine.

Sei nur in allem Handel Ohn Wandel: Steh feste! Was Gott beschleußt. Das ist und heißt Das beste.

Ferdinand Freiligrath. 28. Ruhe. So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen In deinem Arm, an deiner Brust!

Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt, In dem ich raste nun für immer, O, du mein Leben, meine Welt! Laß es mich öffnen Nur der Träne, Die brennend heiß sich ihm entringt. Die hell und lustig, eh ichs wähne. Durch die geschloßne Wimper springt!

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Freiligrath. So bin ich fromm, so bin ich stille. So bin ich sanft, so bin ich gut! Ich habe dich — das ist die Fülle! Ich habe dich — mein Wünschen ruhlk Dein Arm ist meiner Unrast Wiege, Vom Mohn der Liebe süß umglüht. Und jeder deiner Atemzüge Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied. Und jeder ist für mich ein Leben! — Ha, so zu rasten Tag für Tag! Zu lauschen so mit feigem Beben Auf unsrer Herzen Wechselschlag! In unsrer Liebe Nacht versunken. Sind wir entslohn aus Welt und Zeit: Wir ruhn und träumen, wir find trunken Zn seliger Verschollenheit!

29. Am Baum der Menschheit. Arn Baunr der Menschheit drängt sich Blüt an Blütc^ Nach ewgen Regeln wiegen sie sich draus; Wenn hier die eine matt und welk verglühte. Springt dort die andre voll und prächtig auf! Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen, Und nun und nimmer träger Stillestand! Wir sehn sie auf-, wir sehn sie niederwehen. Und jede Blüte ist ein Volk, ein Land! Der Knospe Deutschland auch, Gott sei gepriesen! Regt sich's im Schoß! dem Bersten scheint sie nah — Frisch, wie sie Hermann auf den Weserwiesen, Frisch, wie sie Luther von der Wartburg sah! Ein alter Trieb! doch immer mutig keimend. Doch immer lechzend nach der Sonne Strahl, Doch immer Frühling, immer Freiheit träumend —> O, wird die Knospe Blume nicht einmal?

Der du die Blumen auseinanderfaltcst, O Hauch des Lenzes, weh auch uns heran!

Freiligratz.

LS

Der du der Völker heilge Knospen spaltest, O Hauch der Freiheit, weh auch diese an! Zn ihrem tiefsten, stillsten Heiligtume O, küb sie auf zu Duft und Glanz und Schein — Herr Gott im Himmel, welche Wunderblume Wird einst vor allen dieses Deutschland sein!

Am Baum der Menschheit drängt sich Blüt an Blüte, Nach ewgcn Regeln wiegen sie sich drauf; Wenn hier die eine matt und welk verglühte. Springt dort die andre voll und prächtig auf! Ein ewig Komnicn und ein ewig Gehen, Und nun und nimmer träger Stillestand! Wir sehn sie auf-, wir sehn sie nicderwehen —« Und ihre Lose ruhn in Gottes Hand!

30. Bei Koblenz. Dorten durch der Brücke Vogen Eilt die Mosel in den Rhein, Dorten ragt die Kastorkirche, Dort der Ehrcnbreitenstcin. Um die Berge Tlintntt die Rebe, In der Ebne wallt das Korn, Mädchen mit dem Pfeil im Haare Füllen Krüge sich am Vorn. In des Herbstes milder Sonne Sanft und feiernd liegt die Welt. Schwalben rüsten sich zur Reise, Und ich irre durch das Feld. Irr auf unbetretnen Wegen, Wie der Landmann rauh sie bahnt. Bis zur Einkehr unter Weiden Mich ein Gottesacker mahnt.

Gottesacker, Gottcssrieden! Auf den Gräbern Sonnenstrahl, Und der Jahrszcit lehte Blumen Duften um der Kreuze Zahl.

30

Freiligrath. Bunt die Blumen, grau die Kreuze I Eines seh ich dort erhöht.

Drauf mit ernsten, schlichten Lettern „Schenkendors" geschrieben steht.

Nahe dem geliebten Strome, Dem es laut in Zorn und Schmer

Freiheitslieder zugesungen.

Schläft das reine Dichterherz. Ach, die Freiheit, die du meintest.

Kam noch nicht mit ihrem Schein!

Ach, und wiederum in Fesseln

Zieht dein Felsenkind, dein Rhein! Was du sangst, wofür du strebtest. Ach, von allem nichts erfüllt!

Wohl dir, daß du nicht erlebtest. Was dein Hügel dir verhüllt!

Ich indes will ihn bedecken Mit dem frisch gebrochnen Strauß, Will an meinem Wanderstecken Grollend ziehn zum Land hinaus.

Ob ich je zum Rheine kehre. Heimatdurstig, wandermatt?

Ob die Freiheit je, die hehre, Wache hält auf dieser Statt?

In des Herbstes milder Sonne, Sanft und feiernd ruht das Feld, Sanft und feiernd ruht dein Hügel — Laß mich! Bor mir liegt die Welt!

31. Ans der englische« Apselblüte. oie ein Krieger aus, und mit Vorliebe trug er später die Kürassier­ uniform. In der Tat war er auch ein unerschrockener Kämpe; die Gefahr wägend, dann furchtlos wagend, der vorsichtig ausbog, um desto entschlossener vorzugehen, und sich nie überraschen ließ, denn stets hatte er alle Möglichkeiten er­ wogen und war schlagfertig für jeden Fall. Auch in Herz und Sinn ein rechter Deutscher, war er stolz auf die Kraft des Volkes, dem er angehörte, und verzweifelte nie an bet» Siege des gesunde» Sinnes. Gern nahm er an den Freuden des Lebens Anteil, Feld und Wald waren ihm der liebste Aufenthalt. Zu seinem Könige hielt er wie ein Gefolgs­ mann der alten Zeit, in persönlicher Treue und ehrfurchts­ voller Liebe, und in seinem Herrn erblickte er zugleich den Hort des gesamten Vaterlandes. Mit starker Leidenschaft ausgerüstet, fühlte Bismarck leicht in sich die deutsche Wut entbrennen, iinb dann konnte er hintretcn mit furchtbarer Gewalt. Seine Rede floss nicht glatt, sondern wuchtig dahin, bald die Einwürfe der Gegner vor sich hinstoßend, wie ein Wildbach die Felsblöcke, bald die schwierigsten Fragen mit unentwegter Ruhe behandelnd. Reich an Bildern, an glücklich und geistreich ergriffenen Beispielen aus Geschichte und Leben, trafen seine Worte sicher und fest. Ebenso glänzend waren die diplomatische» Noten. Oft sprach der Verfasser seine Absichten mit ver­ blüffender Offenheit aus, ganz anders, als man es in der Politik gewohnt war. Bismarck konnte so sprechen und schreiben, weil er die Dinge erkannte und beherrschte, wie kaum je ein Staatsmann. Sein Sinn war auf den Kern ge­ richtet, der Schein blendete ihm den klaren Blick nicht. Nicht auf Reden, sondern auf die machtvolle Tat kam es ihm an. Daher überwand er in sich den Grundfehler der

363

Lindner.

Deutschen. Bismarck hat einmal gesagt, er habe von Natur mehr das Bedürfnis, nicht zu gehorchen, als zu herrschen be­ sessen, und derselbe Zug hatte die Deutschen politisch herunter­ gebracht. Er aber erkannte, daß ohne Macht, ohne feste Leitung, ohne Einheit nichts zu tun sei. Daher hielt er fest an der königlichen und staatlichen Autorität, als dem eigent­ lichen Grunde alles politischen und wirtschaftlichen Be­ standes, darum aber wußte er auch, daß Deutschland nicht mit schönen Hoffnungen, sondern nur mit Blut und Eisen geeinigt werden könnte.

235. «riegsleben 1870

1871.

1. In der Schlacht.

Wenn die Schlacht beginnt, dann pocht jedes Männer­ herz an die Rippen. Die Geschütze brüllen den Eröffnung-grüß, den der Feind erwidert. Heulend fliegen hoch durch die Luft die Granaten heran, krachend platzen sie beim Ein­ schlägen, durch das aufsteigende weiße Pulverwölkchen sausen die scharfzackigen Sprengstücke herum. Nichts ist schwerer

zu ertragen, als Granatfeucr in harrender Untätigkeit; am Boden liegend, sucht der Soldat seiner Furchtbarkeit zu entgehen. Endlich erschallt das Signal zum Vorgehen, die Leute springen auf wie Erlöste, obgleich nun erst der rechte Ernst beginnt. Schützenschwärme voran, dahinter die ge­ schlossene Kolonne, wird vormarschiert. Da pfeifen und surren die Gewehrkugeln rechts, links, überall; hier und da schallt aus den Reihen ein klatschender Ton, ein Auf­ schrei, die Getroffenen stürzen. Doch weiter, weiter! Nun ist die rechte Schußnähe erreicht; die Schützen suchen Deckung, knieend, liegend, hinter Baumstämmen, Erdaufwürfen oder in Vertiefungen, wie Gelegenheit ist. Es geht wieder vor­ wärts, die Offiziere mit geschwungenem Degen voran, mit ihnen die Kühnsten und Schnellsten, die übrigen in langer Kette folgend, bis von neuem Fuß gefaßt wird. Da rückt eine starke feindliche Truppe heran; die Ko­ lonne, die Schützen zur Seite, wartet, das Gewehr bereit, bis Mfcl. etterä 8. io. Hust

M. 23

354

Lindner.

der rechte Augenblick da ist. „Legt an, Feuer!" — eine ge­ schlossene Salve sprüht dem Angreifer entgegen, Schnellfeuer knattert nach. Er weicht zurück, rasch hinter ihm her geht die Jagd. Plötzlich prasselt dem Verfolger ein Hagel von Kartätschen oder Mitrailleusengeschossen entgegen. Bor oder zurück? Doch besser hinan mit dem Bajonett durch den wal­ lenden Dampf gegen die Feuerschlünde! Sie werden genom­ men oder ziehen sich in schneller Flucht zurück. E )lich steht die letzte Linie des Feindes in aller Stärke vor; erst Schnell­ feuer, dann drauf mit gefälltem Bajonett unter lautem Hurra und rasselndem Trommelschlag, die Fahnen hoch im Winde flatternd. Hält der Gegner stand, dann gilt es heißes Ringen Mann an Mann; Bajonett, Kolben, Säbel, selbst das Messer arbeiten. Wilder Ruf, lautes Jammergestöhn. Doch nur kurz ist der wütende Zusammenstoß: der Feind flieht, der Sieger ordnet seine Truppen und setzt die letzten Kräfte zur Verfolgung ein. Ist der KamHf zu Ende, so geben die Hörner das willkommene Signal: Stopfen! das Ganze sam­ meln! zur Einstellung des Gefechts. So geht cs bei allen Truppenteilen, die nebeneinander fechten. Der einzelne, mit sich beschäftigt, weiß kaum, wie es beim Nachbar steht; die Oberleitung muß den Zusammen­ hang halten. Nur macht es sich nicht immer so schnell; stundenlang zieht sich manchmal das Feuergefecht hin, und ein Mann nach dem andern wird kampfunfähig. Nur ein Fuß breit vorwärts wird da schon zum schwer erkauften Ge­ winn. Oft muß der bereits gewonnene Boden wieder ge­ räumt werden, und neue Opfer sind nötig, ihn zurückzuerobern. Ringsum tobt betäubend der Lärm der Hölle; es dröhnt, knallt, rasselt, rollt, schwirrt, zischt; der Ruf der Anführer, das Kriegsgeschrei, das Jammern der Verwundeten, die dumpfstöhnende Klage der getroffenen Rosse, die Signale schrillen durcheinander. Der Erdboden bebt, grauer Pulver-! dampf, durchzuckt von den aus ehernen Mündern flam­ menden Feuerströmen, umhüllt schwer und dicht das grausige Bild.

Lindner.

355

2. Auf dem Marsch. Der Überlebende freut sich des rosigen Lichts und zieht

munter seine Straße, der neuen Todesgefahr entgegen. Nicht allein ihr, sondern auch harten Beschwerden. Denn nicht in dem Kampfe liegt die eigentliche Last des Krieges; schnell ist er überstanden und das Schicksal des Augenblicks, ob Leben oder Tod, entschieden. Täglich mn Körper die Anstrengungen des Marsches und die (rntbehrnngen und erschlaffen auf die Dauer auch den feurigsten Geist. Da zeigen sich erst die rechte Zucht und der Mannessinn. Da­ mals wechselten glühende Hitze und starke Regengüsse. Auf den rauhen Gebirgswegen durch die Vogesen brachen viele unter der Sonnenglut schweißgebadet zusammen, freilich nur, um nach kurzer Rast erholt nachzueilen. Gar bald, nach den ersten Märschen, sieben sich die Schwachen aus der Truppe aus; was dann bleibt, ist unverwüstlich. Wie oft wurde am frühen Morgen angetreten, und erst die Nacht brachte ein Ende des Weges. Eine marschierende Kolonne zieht sich weithin; die Leute, die es sich nach Möglichkeit bequem machen und die Klei­ dung lüften, gehen in Reihen an den Rändern der Straße, um weniger Staub aufzurühren und Wagen und Pferde durchzulassen. Zu Anfang ertönen lustige Lieder, mit der Zeit verstummen sie. Nötigt ein Hindernis, etwa eine vor­ überziehende Artillerie- oder Trainkolonne, zum Stillstand, dann wirft sich jeder Mann hin in den Graben, auf das Feld, in den Staub, diese wenigen Minuten der Ruhe, selbst mit raschem Schlaf, zu genießen. Wenigstens war jetzt gestattet, auf dem Marsche zu trinken; vorausreitende Offiziere ließen in den Dörfern gefüllte Gefäße auf die Straße stellen, aus denen die Leute im Vorbeigehen schöpften. Um Mittag wird im freien Felde abgekocht. Das klingt schön, war es aber nicht immer. Wenn trockenes Holz fehlt und grünes genommen werden muß, dann dauert es lange, ehe eine brauchbare Flamme aus dem beißenden Qualm herausschlägt, und manchmal ist alle Mühe umsonst. DqS 23'

356

Lindner.

Fleisch, säst immer frisch, oft einem erst an Ort und Stelle abgeschlachteten Tiere entnommen, bleibt »äh und unschmackhast; dann tröstet man sich mit der Brühe, der Kartoffeln und Brot fester» Bestand geben. Daß der Rauch in das Kvchgeschirr hineinschlägt und seine brenzlige Würze mitteilt, nimmt der Hungrige gleichmütig hin. Wenn es nur überhaupt etwas zu kochen gibt! Will es das böse Geschick, dann ertönt, während das Geschäft noch im besten Gange ist, das Signal »um Aufbruch, und wer sich nicht Mund und Magen verbrennen mag, muß die schöne Brühe wegschütten. Sind jedoch einmal gute Zeiten und reichliche Lieferungen, dann zeigen die Kochkünstler stolz ihre Fertigkeit in der Zu­ richtung von Feldleckerbissen. Die Nachtrast, oft in stau­ bigen Scheunen, bietet wenig Erquickung, ein Biwak im Freien auf reichlichem Stroh ist bei heiterem Wetter vorzuziehen. Im Regen auf feuchter Wiese oder in wassergefüllten Ackerfurchen macht es allerdings wenig Freude, und der Marsch in den nassen, schweren Kleidern auf schlüpf­ rigem Wege ermüdet erst recht. Die Trommel und die gellende Querpfeife wirkten dabei oft Wunder, und wenn zuletzt vor dem Abrücken in die Einzelquartiere an dem gerade Höchstbefehlenden in Parademarsch vorbeigezogen wurde, streckten sich die müden und wunden Beine so stramni, als wenn sie nur einen Spaziergang hinter sich hätten. Die Verpflegung genügte nicht immer. Gar manchmal quälte der Hunger, und der Durst tat weh, doch der Kaffee, die Haupterquickung, war immer vorhanden. Obgleich jede

Kompanie einige Kaffeemühlen besitzt, macht es sich kürzer, die Bohnen mit dem Gewehrkolben oder darüber gerolltem Flaschenbauch zu zerquetschen. Ob auch die Stücke ziemlich grob bleiben, und kein Sieb vorhanden ist, ob Milch und Zucker, den der Soldat sehr liebt und teuer bezahlt, fehlen, das warme Getränk schmeckt und belebt immer. Der Koch­ geschirrdeckel nützt zu allen möglichen Zwecken, als Aaschnapf, als Tasse, als Suppenschüssel, als Teller; man nimmt es eben im Felde nicht so genau. Der Soldat lernt auch den Hunger zu bezwingen und den Leibriemen eng «nzu-

Lindner.

Luise, Königin von Preußen.

357

ziehen, wenn es nicht so lange dauert, daß die jkräfte schwinden. Schließlich siegen doch der Eifer und die unverwüstliche gute Laune über alles Ungemach. Es ist der Vorzug des Sol­ daten, daß ihm die Lustigkeit nicht ausgeht. Sie äußert sich manchmal recht derb, aber sie ist unendlich viel wert, und die verständigen Vorgesetzten suchen sie zu erhalten. In jeder Kompanie, in jeder Korporalschaft gibt es Spaßvögel, die stets einen empfänglichen Boden bei den Kameraden finden. Wohl muß auch manchmal ein Ungeschickter oder Duinmer als Zielscheibe herhalten, und er tut dann am besten, mitzulachen. Die Witze werden leicht ständig, und einmal aufgebrachte Schlagwörter halten lange vor, aber zünden immer. Wenn die müden Beine kaum noch vor­ wärts können, der leere Magen knurrt und die Truppe mühselig und stumm daherschleicht, dann ertönt oft plötzlich ein lautes Scherzwort aus den Reihen und pflanzt sich fort; gleich geht es wieder frischer. Das Neue, was der Soldat zu sehen bekommt, regt auch an, und er übersetzt es sich leicht in seine Denkweise. Sehr liebt er seltsame Muni mereien. Die Zipfelmützen der französischen Bauern machte» im Nachtquartier viel Spaß, ebenso französische Uniform­ stücke. Nach den Schlachten trugen ganze Kompanien weiße Baumwollhandschuhe, die sie in den abgeworfenen Tornistern der Franzosen fanden. Als bei Wörth im Gepäck franzö­ sischer Oberossiziere auch Frauenkleider erbeutet wurden, warfen sie die Soldaten in einem Augenblick der Ruhe noch während der Schlacht über und vergnügten sich an einem raschen Tänzchen.

Luise, Königin von Preußen.

236. Brief an ihren Vater ans dem Jahre 1809. Bester Vater! Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts »lehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, itt

Lindner.

Luise, Königin von Preußen.

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ziehen, wenn es nicht so lange dauert, daß die jkräfte schwinden. Schließlich siegen doch der Eifer und die unverwüstliche gute Laune über alles Ungemach. Es ist der Vorzug des Sol­ daten, daß ihm die Lustigkeit nicht ausgeht. Sie äußert sich manchmal recht derb, aber sie ist unendlich viel wert, und die verständigen Vorgesetzten suchen sie zu erhalten. In jeder Kompanie, in jeder Korporalschaft gibt es Spaßvögel, die stets einen empfänglichen Boden bei den Kameraden finden. Wohl muß auch manchmal ein Ungeschickter oder Duinmer als Zielscheibe herhalten, und er tut dann am besten, mitzulachen. Die Witze werden leicht ständig, und einmal aufgebrachte Schlagwörter halten lange vor, aber zünden immer. Wenn die müden Beine kaum noch vor­ wärts können, der leere Magen knurrt und die Truppe mühselig und stumm daherschleicht, dann ertönt oft plötzlich ein lautes Scherzwort aus den Reihen und pflanzt sich fort; gleich geht es wieder frischer. Das Neue, was der Soldat zu sehen bekommt, regt auch an, und er übersetzt es sich leicht in seine Denkweise. Sehr liebt er seltsame Muni mereien. Die Zipfelmützen der französischen Bauern machte» im Nachtquartier viel Spaß, ebenso französische Uniform­ stücke. Nach den Schlachten trugen ganze Kompanien weiße Baumwollhandschuhe, die sie in den abgeworfenen Tornistern der Franzosen fanden. Als bei Wörth im Gepäck franzö­ sischer Oberossiziere auch Frauenkleider erbeutet wurden, warfen sie die Soldaten in einem Augenblick der Ruhe noch während der Schlacht über und vergnügten sich an einem raschen Tänzchen.

Luise, Königin von Preußen.

236. Brief an ihren Vater ans dem Jahre 1809. Bester Vater! Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts »lehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, itt

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Luise, Aönigin von Preußen.

dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch njcht irdisch glücklich, doch, was .mehr sagen will, geistig glückselig. Es wird mir immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die Bttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammensülrzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeer« Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahr­ hunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Tas siehet niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich: „Das muß auch bei uns anders werden!" Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Thron ist. Er ist von seinem Glück geblendet, und er meint alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt. Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Weltordnung. Diese seh« ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Dies« hoffen, wünschen und erwarten alle bessern Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen und ihres groben Helden darf man sich nicht irre machen lassen. Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen ist und geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur die Bahnung des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen und darüber hinsterben. Wie Gott will! alles, wie er will! Aber ich finde Trost, Kraft und Mut und Heiterkeit in dieser Hoff­ nung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in

Luise, Königin von Preußen

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der Welt nur Übergang! Wir inüssen durch. Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden. Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubens­ bekenntnis, so gut ich als eine Frau es formen und zusammensetzen kann. Sie sehen wenigstens daraus, daß Sie auch im Unglück eine fromme, ergebene Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, die ich Ihren Belehrungen und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte getragen haben und tragen werden, so lange Odem in mir ist. Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Un­ glück, welches uns getroffen, in unser eheliches und häus­ liches Leben nicht eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch werter gemacht hat. Der König, der beste Mensch, ist gütiger und liebevoller, als je. Oft glaube ich in ihm den Liebhaber, den Bräutigam zu sehen. Mehr in Handlungen, wie er ist, als in Worten ersehe ich die Aufmerksamkeit, die er in allen Stücken für mich hat, und noch gestern sagte er schlicht und einfach, mit seinen treuen Augen inich ansehend, zu mir: „Du, liebe Luise! bist mit im Um glück noch werter und lieber geworden. Nun weiß ich aus Erfahrung, was ich an dir habe. Mag es draußen stürmen - wenn es in unserer Ehe nur gut Wetter ist und bleibt. Weil ich dich so lieb habe, habe ich unser jüngst geborenes Töchterchen Luise genannt. Möge es eine Luise werden!" — Bis zu Tränen rührte mich diese Güte. Es ist mein Stolz, meine Freude und mein Glück, die Liebe und Zu­ friedenheit des besten Mannes zu besitzen, und weil ich ihn von Herzen wieder liebe und wir so miteinander eins sind, daß der Wille des einen auch der Wille des andern ist, wird es mir leicht, dies glückliche Einverständnis, welches mit den Jahren inniger geworden ist, zu erhalten. Mit einem Wort, er gefällt mir in allen Stücken, und ich gefalle ihm, und uns ist am wohlsten, wenn wir zusammen sind. Ver­ zeihen Sie, lieber Vater, daß ich dies mit einer gewissen Ruhmredigkeit sage; es liegt darin der kunstlose Ausdruck meines Glückes, welches keinem auf der Welt wärmer am

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Luise, Königin von Preußen.

Herzen liegt, als Ihnen, bester, zärtlicher Vater! Gegen andere Menschen, auch das habe ich von dem Könige gelemt, mvg ich davon nicht sprechen; es ist genug, daß wir es wissen.

Unsere Kinder sind unsere Schätze, und unsere Augen ruhen voll Zufriedenheit und Hoffnung auf ihnen. Der Kronprinz ist voller Leben und Geist. Er hat vorzügliche Talente, die glücklich entwickelt und gebildet werden. Er ist wahr in allen seinen Empfindungen und Worten, und feine Lebhaftigkeit macht Verstellung unmöglich. Er lernt mit vorzüglichem Erfolge Geschichte, und das Große und Gute zieht seinen idealischen Sinn an sich. Für das Witzige hat er viel Empfänglichkeit, und seine komischen, über­ raschenden Einfälle unterhalten uns sehr angenehm. Er hängt vorzüglich an der Mutter, und er kann nicht reiner sein, als er ist. Ich habe ihn sehr lieb und spreche oft mit ihm davon, wie es sein wird, wenn er einmal König ist. Unser Sohn Wilhelm (erlauben Sie, ehrwürdiger Groß­ vater, daß ich Ihre Enkel nach der Reihe Ihnen vorstelle), wird, wenn mich nicht alles trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und verständig. Auch in feinem Äußern hat er die meiste Ähnlichkeit mit ihm; nur wird er, glaube ich, nicht so schön. Sie sehen, lieber Vater, ich bin noch in meinen Mann verliebt. Unsere Tochter Charlotte macht mir immer mehr Freude; sie ist zwar verschlossen und in sich gekehrt, verbirgt aber, wie ihr Vater, hinter einer scheinbar kalten Hülle ein warmes, teilnehmendes Herz. Scheinbar gleich­ gültig geht sie einher; hat aber viel Liebe und Teilnahme. Daher kommt es, daß sie etwas Vornehmes in ihrem Wesen hat. Erhält sie Gott am Leben, so ahne ich für sie eine glänzende Zukunft. Karl ist gutmütig, fröhlich, bieder und talentvoll; körperlich entwickelt er sich ebensogut als geistig. Er hat oft naive Einfälle, die uns zum Lachen reizen. Er ist heiter und witzig. Sein unaufhörliches Fragen setzt mich oft in Verlegenheit, weil ich sie nicht beantworten kann und darf; doch zeugt es von Wißbegierde — zuweilen, wenn er schlau lächelt, auch von Neugierde. Er wird, ohne die Teilnahme an dem Wohl und Wehe anderer zu ver-

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Iteren, leicht und fröhlich durchs Leben gehen. — Unsere Tochter Alexandrine ist, wie Mädchen ihres Alters und Naturells find, anschmiegend und kindlich. Sie zeigt eine richtige Auffassungsgabe, viel Verstand, eine lebhafte Ein­ bildungskraft und kann oft herzlich lachen. Für das Komische hat sie viel Sinn und Empfänglichkeit. Sie hat Anlage zum Satirischen und siehet dabei ernsthaft aus, doch schadet das ihrer Gemütlichkeit nicht. Bon der kleinen Luise läßt sich noch nichts sagen. Sie hat das Profil ihres redlichen Vaters und die Augen des Königs, nur etwas Heller. Sie heißt Luise; möge sie ihrer Ahnfrau, der liebenswürdigen und frommen Luise von Oranien, der würdigen Gemahlin des großen Kurfürsten, ähnlich werden! Ta habe ich Ihnen, geliebter Vater, meine ganze Galerie oorgeführt. Sie werden sagen: das ist mal eine in ihre Kinder verliebte Mutter, die an ihnen nur Gutes siehet und für ihre Mängel und Fehler keine Augen hat. Und in Wahrheit, böse Anlagen, die für die Zukunft besorgt machen, finde ich an allen nicht. Sie haben, wie andere Menschen­ kinder, auch ihre Unarten: aber diese verlieren sich mit der Zeit, so wie sie verständiger werden. Umstände und Ver­ hältnisse erziehen den Menschen, und für unsere Kinder mag es gut sein, daß sie die ernste Seite des Lebens schon in ihrer Jugend kennen lernen. Wären sie im Schoße des Überflusses und der Bequemlichkeit groß geworden, so würden sie meinen, das müsse so sein. Daß es aber anders kommen kann, sehen sie an dem ernsten Angesicht ihres Vaters und der Wehmut und den öfteren Tränen der Mutter. Be­ sonders wohltätig ist es dem Kronprinzen, daß er das Un­ glück schon als Jüngling kennen lernt; er wird das Glück, wenn, wie ich hoffe, künftig für ihn eine bessere Zeit kommen wird, um so höher schätzen und um so sorgfältiger be­ wahren. Meine Sorgfalt ist meinen Kindern gewidmet für und für, und ich bitte Gott täglich in meinem sie einschließen­ den Gebete, daß er sie segne und seinen guten Geist nicht von ihnen nehmen möge. Mit dem trefflichen Dufeland 'ympathisiere ich auch in diesen Stücken. Er sorgt nicht bloß

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Luise, Königin von Preußen.

Meyr,

für das physische Wohl meiner Kinder, auch für das geistige derselben ist er bedacht; und der biedere, freimütige Borowsky, den der König gern sieht und lieb hat, stärkt darin. Erhält Gott sie uns, so erhält er meine besten Schätze, die niemand mir entreißen kann. Es mag kommen, was da will, mit und in der Vereinigung mit unsern guten Kindern werden wir glückselig sein. Ich schreibe Ihnen dies, geliebter Vater, damit Sie mit Beruhigung an nns denken. Ihrem freundlichen An­ denken empfehle ich meinen Mann, auch unsere Kinder alle, die denr ehrwürdigen Großvater die Hände küssen; und ich bin, und ich bleibe, bester Vater. Ihre dankbare Tochter Luise.

Melchior Meyr.

237. Aus dem schwäbischen Ries. 1. Der Bauer ist kein schwärmerischer Bewunderer der schönen Natur. Zunächst, weil er überhaupt nicht so leicht schwärmt; dann aber, weil er gewissermaßen selber zur Natur, zur Landschaft gehört und mit ihr aus zu ver­ trautem Fuße lebt, um über ihre Erscheinungen außer sich zu kommen. Ein recht schöner Anblick verfehlt aber auch auf ihn seine Wirkung nicht; er freut sich darüber herzlich uud kindlich — und das Ries im Schein der Abend­

sonne ist ein Bild, dessen Reiz auch die substantiellere Na­ tur eines eingeborenen Dorfbewohners zu ergreifen vermag. Die Luft war klar, und auf der nordwestlichen Seite kein Wölkchen am Himmel. Die gelben oder noch grünlichen Getreidefelder —die schon „geschnittenen" Äcker zum Teil noch mit „Sammelten" bedeckt — die lichtgrünen Wiesen, die Brachfelder mit verschiedenen Abstufungen von hellerem und dunklerem Grün — die zahlreichen Orte in der Nähe und in der Ferne — alles das stand vor den Augen in deutlichen Umrissen und durch den zarten sommerlichen Duft gleichwohl zu einem schönen landschaftlichen Ganzen

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Luise, Königin von Preußen.

Meyr,

für das physische Wohl meiner Kinder, auch für das geistige derselben ist er bedacht; und der biedere, freimütige Borowsky, den der König gern sieht und lieb hat, stärkt darin. Erhält Gott sie uns, so erhält er meine besten Schätze, die niemand mir entreißen kann. Es mag kommen, was da will, mit und in der Vereinigung mit unsern guten Kindern werden wir glückselig sein. Ich schreibe Ihnen dies, geliebter Vater, damit Sie mit Beruhigung an nns denken. Ihrem freundlichen An­ denken empfehle ich meinen Mann, auch unsere Kinder alle, die denr ehrwürdigen Großvater die Hände küssen; und ich bin, und ich bleibe, bester Vater. Ihre dankbare Tochter Luise.

Melchior Meyr.

237. Aus dem schwäbischen Ries. 1. Der Bauer ist kein schwärmerischer Bewunderer der schönen Natur. Zunächst, weil er überhaupt nicht so leicht schwärmt; dann aber, weil er gewissermaßen selber zur Natur, zur Landschaft gehört und mit ihr aus zu ver­ trautem Fuße lebt, um über ihre Erscheinungen außer sich zu kommen. Ein recht schöner Anblick verfehlt aber auch auf ihn seine Wirkung nicht; er freut sich darüber herzlich uud kindlich — und das Ries im Schein der Abend­

sonne ist ein Bild, dessen Reiz auch die substantiellere Na­ tur eines eingeborenen Dorfbewohners zu ergreifen vermag. Die Luft war klar, und auf der nordwestlichen Seite kein Wölkchen am Himmel. Die gelben oder noch grünlichen Getreidefelder —die schon „geschnittenen" Äcker zum Teil noch mit „Sammelten" bedeckt — die lichtgrünen Wiesen, die Brachfelder mit verschiedenen Abstufungen von hellerem und dunklerem Grün — die zahlreichen Orte in der Nähe und in der Ferne — alles das stand vor den Augen in deutlichen Umrissen und durch den zarten sommerlichen Duft gleichwohl zu einem schönen landschaftlichen Ganzen

Meyr

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verbunden. Unter ihnen lag Der Markt Wallerstein mit den beiden fürstlichen Schlössern und Parkanlagen; am nordwestlichen Horizont ragte das hochgelegene Schloß Bal­ der» über Hügel ins Ries herein; nach Westen zu erhob sich das ehemalige Frauenkloster Kirchheim, und weiterhin stieg der Langenberg und der Rips bei Bopfingen empor. Eine halbe Meile entfernt, gegen die südwestlichen Hügel hin, war die Stadt Nördlingen gelagert mit ihren vielen ansehnlichen Gebäuden, Zwingern, Gärten und Alleen — und rechts und links wohlhäbige Dörfer über die Ebene hingesäet. Die Ruine Hochhaus schimmerte aus Wäldern hervor; auf den südöstlichen Höhen prangten das Schloß Reimlingen, die ehemalige Benediktiuerabtei Deggingen, weiter nach Osten die Schlösser Harburg und Lierheim und die Reste von Allerheim. Kehrte man sich nach der nörd­ lichen und nordöstlichen Seite, so erblickte man die statt­ liche Kirche von Zipplingen, das Kloster Maihingen und den langen Hesselberg, die Schlösser Hochhaltingen und Spielberg, den uralten Turm von Hohentrüdingen, die Städte Ottingen und Wendingen. Die nordwestlichen An­ höhen ständen in grünlichem Duft, unter der Sonne golden überhaucht; die südlichem erquickten das Auge mit wenig gedämpftem Waldesgrün; die entfernteren südlichen und östlichen glänzten in wundervollem Blau, hie und da von helleren Partien der Getreidefelder durchzogen. Eben die Anhöhen, welche die Ebene rings umgeben, erwecken in dem Eingeborenen das Gefühl, daß er in einem Paradiese lebt, in dem landschaftlich eingeschlossenen und abgeschlosse­ nen fruchtreichen schönen Ries. 2.

Zu der schönsten Zeit auf dem Lande gehört der Morgen eines Feiertages, wenn die Sonne scheint und die Luft mild und lieblich ist. Je mehr der Bauer die Woche hindurch gearbeitet hat, desto besser versteht er am Sonntag zu ruhen. Seine Bewegungen sind dann con amore lang­ sam, die Mienen drücken ruhiges Vergnügen, sein ganzes

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M-yr.

Wesen tiefe Gelassenheit aus. Mit der Arbeit der Wochentage hat er auch die Sorge hinter sich gelassen und ist zu einer Art Naturzustand zurückgekehrt, wo ihn ein Hauch der goldenen Zeit und ihrer Glückseligkeit anweht. Er kommt an solchem Tage in eine tiefere Stimmung nnd gibt sich entweder stiller Träumerei hin oder freut sich an der Schönheit einzelner Gegenstände der Natur, nicht wie ein schwärmender Poet freilich, aber schlicht und naiv >vie ein Kind. Nnd dieses Naturbehagen wird durch die kirch­ liche Feier des Tages nicht gestört, es wird durch sie gestärkt, erhöht und sanktioniert. Nach und nach war der Mai herbeigekommen. Die Bäume glänzten in frischem Laub, einzelne standen über und über in Blüte. Es wurde nun ein Lieblingsverguügcn des guten Hans, in der schönen Sonntagsfrühe sich in den Garten zu begeben und was in der Woche gewachsen und ausgeschlagen, was von ihm selbst darin gearbeitet nnd hergerichtet war, mit Ruhe zu b'eschauen. Er freute sich an dem grünen Laub und an den schönen Blüten der Bäume, aber auch an dem Gesurre der „Emmen" sJmmen, Bienens darin; denn sie hatten an der Mauer des Hauses selber einen „Emmenstand", worin sich drei Stöcke be­ fanden, nnd er hoffte, daß einer davon bald schwärmen lvctbc. Er freute sich bei den Stöcken der roten und gelben Hosen, welche die Bienen anhatten, und wie ordentlich ein Ver­ gnügen ans ihnen glänzte, mit so reicher Bente heimzu­ kehren. Zn der Südgrenze des Gartens hinabgewandelt, sah er mit Lust über die weißblühende Dornhecke auf die Wiese hinaus und freute sich der schönen Blumen bar in, ebenso des reichlichen Grases, das eine gute Heuernte ver­ sprach. Die Lerchen schienen ihm noch lieblicher zu fingen als an Wochentagen draußen auf dem Felde, und es war ihm, als müßte bei diesem Gesänge, bei der Schön­ heit und dem Wohlgeruch der Blüten, bei der warmen Luft und dem hellen Sonnenschein und bet den herrlichen Aussichten auf ein gesegnetes Jahr die ganze Welt sich glücklich fühlen.

Sloltfe.

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Helmut Graf von Moltke. 238. Bo« der Belagerung vo« Paris. (AuS einem Briefe an seinen Bruder Adolf.) Versailles, den 22. Dezember 1870.

Lieber Adolf! Die allgemeine Sehnsucht nach Beendigung dieses furchtbaren Krieges läßt in der Heimat vergessen, daß er erst fünf Monate dauert, man hofft alleS von einem Bombardement von Paris. Daß dieses nicht schon erfolgt, schreibt man zarter Rücksicht für die Pariser oder gar dem Einfluß hoher Persönlichkeiten zu, während hier nur das militärisch Mögliche und Zweckmäßige ins Auge gefaßt wird. Verse zugeschickt:

Bon drei Seiten sind mir schon die

Guter Moltke, gehst so stumm Immer um das Ding herum; Bester Moltke, sei nicht dumm. Mach doch endlich bum bum bum t Was es heißt, eine Festung anzugreifen, zu bereu Ver­ teidigung eine Armee bereit steht, das hätte man doch aus Sewastopol lernen können. Sewastopol wurde erst Festung während des Angriffes, alles Material konnte zur See herangeschafft werden. Tie Vorbereitungen dauerten zehn Monate, der erste Sturm kostete 10 000, der zweite 13000 Menschen. Um Paris zu bombardieren, müssen wir erst die Forts haben. Es ist auch zur Anwendung dieses Zwangsmittels nichts versäumt; ich erwarte aber weit mehr vou dem lang­ sam, aber sicher wirkenden Hunger. Wir wissen, daß seit Wochen in Paris nur noch einzelne Gaslaternen brennen, daß in den meisten Häusern trotz des ungewöhnlich frühen und strengen Winters, bei völligem Mangel an Kohlen, nicht geheizt wird. Ein Schreiben des Generals V. an seine Gemahlin, mit Ballon aufgefangen, gibt folgende Preise an: ein Pfund Butter 20 Franken, ein Huhn 20 Franken, une dinde non truffee, bien entendu, 60 bis 70

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Möwe.

Franken; hübsch beschreibt er sein Souper: Hering mit Mostrichsauce, außerdem ein reizendes kleines filet de boeuf dont on faisait fete. Paul, le cuisinier, avait fait des baasesses pour l’avoir, il a promis au boucher Mr. et madame M. un sauf conduit pour un des forts pour tächer de voir les Prussiens. Tiefe vertraulichen Mitteilungen zwischen Mann und Frau charakterisieren die wirkliche Lage besser als alle Zei­ tungsberichte, die nach der einen oder andern Richtung Übertreiben. Die Hungersnot ist noch nicht da, aber ihre Vorläuferin, die Teuerung. Die Rotschild und die Pereire haben noch immer ihr dindon truffe, die untersten Klassen sind von der Regierung bezahlt und ernährt, aber der ganze Mittelstand darbt und zwar schon seit lange. Solche Zu­ stände sind auf die Dauer nicht haltbat. Freilich setzt es voraus, daß wir in der Feldschlacht alle die Heere schlagen, die sich immer von neuem gegen uns zusammenballen. Wohl nur der Schreckensherrschaft der Advokaten ist es möglich, solche Heere aufzutreiben, schlecht organisiert, ohne Fuhr­ wesen sie der rauhen Witterung auszusetzen, selbst ohne Ambulanzen und Ärzte. Die unglücklichen Menschen, bei allem Patriotismus und bei aller Tapferkeit sind sie nicht imstande, unsern festgefügten, braven Truppen zu wider­ stehen, das Elend des Biwaks dezimiert sie schonungslos, und die Verwundeten liegen zu hundert an dem Wege, ohne jede Hilfe, bis unsere Ambulanzen, auf welche die Franzosen schießen, sie finden. Die Franktireurs sind der Schrecken aller Ortschaften, sie beschwören das Verderben über diese herauf. Doch genug der traurigen Dinge. Gott schenke einest baldigen, glücklichen Ausgang, und an dem zweifle ich nicht. Wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe, so möchte ich gleich nach Gastein gehen. Wenn die tägliche Anspan­ nung aufhört, so brechen die Nerven zusammen, und gerade eine Winterkur in Gastein ist mir sehr empfohlen

Moltke,

m

239. Lebensregeln. (AuS einem Briefe an seine Braut.)

Laß Tir's gesagt sein, gute Marie, daß Freundlichkeit gegen jedermann die erste Lebensregel ist, die uns manchen Kummer sparen kann, und daß Tu selbst gegen die, welche Dir nicht gefallen, verbindlich sein kannst, ohne falsch und unwahr zu werden. Die wahre Höflichkeit und der feinste Weltton ist die angeborene Freundlichkeit eines wohlwollen­ den Herzens. Bei mir hat eine schlechte Erziehung und eine Jugend vollex Entbehrungen dies Gefühl oft erstickt, öfter auch die Äußerung desselben zurückgedrängt, und so stehe ich da mit der angelernten, kalten, hochmütigen Höf­ lichkeit, die selten jemand für sich gewinnt. Du hingegen bist jung und hübsch, wirst, so Gott will, keine Entbehrung kennen lernen, jeder tritt Dir freundlich entgegen, so ver­ säume denn auch nicht, den Menschen wieder freundlich zu begegnen und sie zu gewinnen. Dazu gehört allerdings, daß Du sprichst. Es kommt gar nicht darauf an, etwas Geistreiches zu sagen, sondern womöglich etwas Verbind­ liches, und geht das nicht, wenigstens fühlen zu machen, daß man etwas Verbindliches sagen möchte. Das Gezierte und Unwahre liegt Dir fern, es macht augenblicklich lang­ weilig, denn nichts als die Wahrheit kann Teilnahme er­ wecken. Wirkliche Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit sind der wahre Schutz gegen die Kränkungen und Zurücksetzungen in der groben Welt; ja, ich möchte behaupten, daß bei diesen Eigenschaften eine große Blödigkeit und Befangen­ heit nicht möglich ist. Wenn wir nicht anders scheinen wollen, als wir sind, keine höhere Stellung usurpieren wollen, als die uns zu­ steht, so kann weder Rang noch Geburt, noch Menge und Glanz uns wesentlich aus der Fassung bringen. Wer aber in sich selbst nicht das Gefühl seiner Würde findet, sondern sie in der Meinung anderer suchen muß, der liest stets in den Augen anderer Menschen, wie jemand, der falsche Haare trägt, in jeden Spiegel sieht, ob sich auch nicht etwas ver-

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Moltte.

schoben hat. — Gesteh ich's doch, gute Marie, daß ich diese schönen Lehren von mir selbst abstrahiere. Mein ganzes Auftreten ist nur eine mit Zuversichtlichkeit und usage du monde übertünchte Blödigkeit. Tie langjährige Unter­ drückung, in welcher ich aufgewachsen, hat meinem Cha­ rakter unheilbare Wunden geschlagen, mein Gemüt nieder­ gedrückt und den guten, edlen Stolz geknickt. Spät erst habe ich angefangen, aus mir selbst wieder aufzubauen, was umgerissen war, hilf Du mir fortan, mich zu bessern. Dich selbst aber möchte ich edler und besser, und das ist gleich­ bedeutend mit glücklicher und zufriedener sehen, als ich es werden kann. Sei daher bescheiden und anspruchslos, so wirst Du ruhig und unbefangen sein. Noch eins, liebe Marie: wenn Du schreibst, so lies doch immer den Brief, den Tu beantwortest, noch einmal durch. Es sind nicht bloß die Fragen, die beantwortet sein wollen, sondern es ist gut, alle die Gegenstände zu berühren, welche darin enthalten sind. Sonst wird der Briefwechsel immer magerer, die gegenseitigen Beziehungen schwinden, und man kommt bald dahin, sich nur Wichtiges mitteilen zu wollen. Nun besteht aber das Leben überhaupt nur aus

wenig und selten Wichtigem. Die Heinen Beziehungen des Tages hingegen reihen sich zu Stunden, Wochen und Mo­ naten und machen am Ende das Leben mit seinem Glück und Unglück aus. Darum ist die mündliche Unterhaltung so viel besser als die schriftliche, weil man sich das Unbedeutendste sagt und wenig findet, was zu schreiben der Mühe wert wäre. Nun ist es bald Mitternacht; Du schläfst wohl schon, wenn Du nicht noch mit Jeanette plauderst, die ich herzlich grüße. Gute Nacht, liebe, süße Seele! Herzlich Dein Helmut.

Nettelbeck.

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Joachim Nettelbe ck. 240. Nettelbeck beim preußischen Königsbaar (1809). [9H§ das preußische Königspaar im Dezember 1809 nach Berlin zurückkehrte, hielten sie am 21. in Stargard einen Rast­ tag. Sobald die Nachricht.davon am 19. Dezember nach Kolberg gelangt war, machte sich, am selben Abend, der alte Nettel­ beck mit dem Kaufmann Gölckel auf den Weg, um dem Mo­ narchen den Dank der Stadt darzubringen für den Erlaß der Kriegssteuer von beinahe 200 000 Talern. Nettelbeck trug seine preußische Seemannsuniform. Er wurde zum König vorge­ lassen. Hören wir ihn nunmehr selbst erzählen:)

Oben fanden wir zwei schwarzgekleidete Männer, Depu­ tierte von der Kaufmannschaft von Stettin, vor der offenen Flügeltür, die zu des Königs Audienzzimmer führte. Der

General wies sie vor uns hinein, und wir folgten dann nach. Das ganze große Zimmer war erfüllt von Generalen, Damen und Standespersonen. Alles blitzte von Ordens­ zeichen jeder Art und Gattung, und es gab eine feierliche Stille, bis der König hercintrat samt seiner königlichen Gemahlin und die Anwesenden ihnen nach der Reihe vorge­ stellt wurden. Vor uns traten die genannten beiden Depu­ tierten vor, die etwas beklommen schienen und überaus leise sprachen, so daß uns von ihren mancherlei Beschwerden wenig oder nichts hörbar wurde. Als sie geendigt hatten, erwiderte der König ganz verdrießlich: „Ich kann euch nicht helfen, ich habe gehört, daß ihr einen so gütigen fran Mischen Kommandanten habt, den laßt euch helfen!" Sie zogen sich darauf zurück, und beide hohe Personen wandten sich,zu uns, und mich anblickend, fragte der König: „Nicht wahr, der alte Nettelbeck aus Kolberg?" — und dann, während wir unsere Verbeugung machten, zu meinem Ge fährten gekehrt: „Die Kolberger sind mir willkommen." Wir hatten im voraus verabredet, uns, wenn es dahin käme, in unsern Vortrag zu teilen, damit wir nicht beide durcheinander sprächen. Ich, hub demnach an: Ew. Majestät geruhen gnädigst, uns zu erlauben, daß wir int Namen unserer Mitbürger Ihnen fußfällig unsern Dank bringen Hessel, Lesebuch 8, 10. Aufl.

M.24

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Ketteltet

für die große Gnade und Wohltaten, die Sie unserer guten Vaterstadt haben angedeihen lassen. Wir haben dafür kein anderes Opfer, als die abermalige Versicherung unserer un­ erschütterlichen Treue: nicht allein für uns, sondern auch für unsere spätesten Nachkommen, denen wir mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Stets soll es ihnen in £>eu und Seele geschrieben bleiben: Liebt Gott und euren König, und seid getreu dem Vaterlande! Hierauf wandte sich de» König halb gegen uns und halb gegen die hinter ihm stehende glänzende Versammlung und sprach in lebendiger Bewegung die Worte: „Kolberg hat sich bereits im siebenjährigen Kriege treu gehalten und dadurch die Liebe meines Großoheims erworben. Auch jetzt hat es das feurige getan; und wenn, ein jeder so seine Pflicht erfüllt hätte, so wäre es nicht so unglücklich ergangen." Jetzt nahm mein Freund das Wort und äußerte, wie nahe es uns gehen würde, wenn unsere Gegenwart bei Sr Majestät eine unangenehme Erinnerung aufregte; allein die Gefühle unserer dankbarsten Verehrung hätten uns nichi -urückbleiben lassen wollen, und ganz Kolberg teile unsere Gesinnungen. Der König erwiderte darauf: „Ich weiß es, wenn früh oder spät einmal es die Umstände gebieten, werde»» die Kolberger auch gern wieder für mich Auftreten." Hier fing ich Feuer und brach begeistert aus, indem ich mit der Hand aus mein Herz schlug: Ew. Majestät, dazu lebt der sreudige Mut in uns und unsern Kindern, und ver­ flucht sei, wer seinem König und Vaterlande nicht treu ist! „Das ist recht! das ist brav!" versetzte der Monarch; und als er darauf fragte, wie wir sonst in Kolberg lebten, gab ich zur Antwort: Gut, Ew. Majestät! Kleinigkeiten machen wir unter uns ab, und ist es was Bedeutendes und wir können nicht durchkommen, da wenden wir uns geradezi» an Ew. Majestät. Wir hoffen, Sie werden uns nicht sinken lassen. „Nein, nicht sinken lassen, nicht sinken laß ich euch!' rief der König, wobei er mir die Hand entgegenbot, „wendet euch nur an mich, und was zu erfüllen möglich ist, soll

Kettelte«.

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geschehen!" Dann fragte er, ob wir eigentlich dieserhalb gekommen wären, oder ob uns andere Geschäfte nach Star­ gard führten. — Kein anderes Geschäft als der Auftrag der Unsrigen, entgegnete ich, und eben dadurch wird dieser Tag der glücklichste unsers Lebens. Jetzt beurlaubte uns der König mit den Worten: „Ich danke euch! Grützt euere guten und braven Mitbürger und sagt ihnen: auch ihnen danke ich für die Treue und Au hänglichkeit, die sie mir erwiesen haben. Haltet immer aui Religion und Moralität!" — Als wir uns darauf ver beugten und Miene zum Abtreten machten, sagte der König: „Sie bleiben noch hier!" worauf auch bald hernach die Königin sich uns näherte, neben ihren Gemahl trat und sich mit gütigem Lächeln und der Bemerkung zu uns wandte: „Wir haben uns heute schon gesehenund der Monarch siel ihr ein: „Nicht wahr? ich hatte doch recht geraten?" — So ergab sich's denn, daß ich oder meine Uniform dem königlichen Paare bereits im Borbeifahren ausgefallen sein mutzte. Sie aber fuhr fort zu mir: „Ich bin gewitz recht froh, Sie hier zu sehen und persönlich kennen zu lernen." — Und ich, war meine Antwort, ich danke Gott dafür, datz er mich den Tag hat erleben lassen, wo meine Augen den guten König und unsere allgeliebte Königin in solchem Wohlsein erblicken. Der Name des Herrn sei dafür gelobt! — So erhielten wir nunmehr unsere gnädige Entlassung, eilten nach unserm Gasthofe zurück und waren von Herzen froh, unser Geschäft so wohl und mit solchen Ehren abgetan zu haben. Indes hatte mein Freund sich entfernt, um einige Be­ suche in der Stadt bei seinen Bekannten abzustatten, als etwa nach einer Stunde ein königlicher Page, der uns lange vergeblich gesucht, zu mir eintrat, um uns zur königlichen Tafel einzuladen. Es war spät, mein Gefährte war ab­ wesend, und ich mußte mich entschließen, ohne ihn zu gehen. Im Tafelzimmer hatte auch schon alles seine Plätze ein­ genommen. Als ich dann mich dem König präsentierte, fragte er nach meinem Mitdeputierten, und als ich darauf nichts

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RettelbeL

Genügendes zu erwidern wußte, fiel ein ungnädiger Blick auf den Pagen, der noch nächst der Tür stand, daß er seinen Auftrag so unvollständig ausgerichtet. Ein Kammer­ herr führte mich zu meinem Sitze hin, wo rechts der General von Pirch und links der Generalchirurgus Görke meine Tischnachbarn waren. Beide unterhielten sich mit mir wäh­ rend der Tafel aufs freundlichste, und erster erbot sich, heute Abend zu dem großen Ball, der von der Stadt ver­ anstaltet worden, seinen Wagen zu meiner Abholung bei mir vorfahren zu lassen, was mit herzlichem Dank angeiwmmen wurde. Nach aufgehobener Tafel machte ich, wie ich es die an­ dern tun sah, dem königlichen Paar das stumme Zeichen meiner Verehrung und war im Begriff, gleich jenen mich zu entfernen, als der König mich noch bleiben hieß und dann der Königin einen Wink gab. Hierauf kam dieselbe herbei und führte mich in ein besonderes Nebengemach, wo ich nun mit einer freudigen Überraschung mich ohne Zeugen dem hohen Paar gegenübergestellt fand. Beide taten eine Reihe von Fragen an mich, die ich nach bestem Vermögen beantwortete, deren Inhalt aber nicht in diese Blätter ge hört. Mein Herz geriet dabei je mehr und mehr in eine hohe Bewegung. Als etwa nach einer halben Stunde eine kleine Stockung in dem Gespräch entstand und ich dem König so recht zuversichtlich in die Augen sah, befiel mich plötzlich eine über alles schmerzliche Empfindung. Gott! dachte ich — wie unglücklich ist doch mein König! — und unwillkürlich erhuben sich meine Blicke sowie meine gefalteten Hände gen Himmel. Mein Atem stockte. Da legte mir der König seine Hand auf die Schulter und fragte mit unendlicher Güte: „Haben Sie rwch etwas auf dem Herzen?" — denn aus meinem seltsamen Benehmen mochte er schließen, daß ich vielleicht noch etwas zu erbitten wünschte. — Nun aberbrachen meine Gedanken in Worte aus: Ach, wenn ich Ew. Majestät und meine gute Königin jetzt so vor mir sehe und bedenke das Unglück, was Sie noch immer so schwer tragen haben, dann ist mir's, als müßte mir das Herz au*

Nettelbeck.

Novalis.

173

dem Leibe entfallen. Gott erhalte Ew. Majestäten und gebe Ihnen Kraft und Stärke, daß Sie diese harte Schick­ salsprüfung bald und glücklich überstehen mögen! Bei diesen meinen Worten senkte der König sein Haupt auf die Brust, und die hellen Tränen entfielen seinen Augen; die Königin aber streichelte ihm still die Wangen und weinte auch. Dieser erschütternde Anblick lockte auch mir die Zähren in die alten Augen, und mein Herz ward immer weiter, und ich sprach zu der hohen, herrlichen Frau: Ja, (Sott erhalte auch Sie, meine gute Königin! zum Troste meines Königs; denn ohne Sie wäre er schon vergangen in seinem Unglück. — So standen wir beiderseits noch einige Minuten in herz­ inniger Bewegung, ohne daß unsere Augen trocken wurden. Nachdem ich mich jedoch ein wenig gefaßt hatte, drückte ich Ihren Majestäten meinen gerührten Dank aus für so viel erwiesene Gnade, und noch im Abgehen rief der König mir nach: „Halten Sie bei Ihrer guten Bürgerschaft auf Sitte und gute Ordnung!" — und mit der Antwort: Daran soll es wahrlich nicht mangeln! — schied ich von dannen.

Novalis (Friedrich von Hardenberg). 241. Die blaue Blume. Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einförmigen Takt, vor den klappernden Fenstern sauste der Wind: abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. „Nicht die Schätze sind es, die ein so un­ aussprechliches Verlangen in mir geweckt haben," sagte er zu sich selbst: „fern ab liegt mir alle Habsucht; aber die blaue Blume sehn ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dich­ ten und denken. So ist mir noch nie zu Mute gewesen: es ist, als hätt ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine

Nettelbeck.

Novalis.

173

dem Leibe entfallen. Gott erhalte Ew. Majestäten und gebe Ihnen Kraft und Stärke, daß Sie diese harte Schick­ salsprüfung bald und glücklich überstehen mögen! Bei diesen meinen Worten senkte der König sein Haupt auf die Brust, und die hellen Tränen entfielen seinen Augen; die Königin aber streichelte ihm still die Wangen und weinte auch. Dieser erschütternde Anblick lockte auch mir die Zähren in die alten Augen, und mein Herz ward immer weiter, und ich sprach zu der hohen, herrlichen Frau: Ja, (Sott erhalte auch Sie, meine gute Königin! zum Troste meines Königs; denn ohne Sie wäre er schon vergangen in seinem Unglück. — So standen wir beiderseits noch einige Minuten in herz­ inniger Bewegung, ohne daß unsere Augen trocken wurden. Nachdem ich mich jedoch ein wenig gefaßt hatte, drückte ich Ihren Majestäten meinen gerührten Dank aus für so viel erwiesene Gnade, und noch im Abgehen rief der König mir nach: „Halten Sie bei Ihrer guten Bürgerschaft auf Sitte und gute Ordnung!" — und mit der Antwort: Daran soll es wahrlich nicht mangeln! — schied ich von dannen.

Novalis (Friedrich von Hardenberg). 241. Die blaue Blume. Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einförmigen Takt, vor den klappernden Fenstern sauste der Wind: abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. „Nicht die Schätze sind es, die ein so un­ aussprechliches Verlangen in mir geweckt haben," sagte er zu sich selbst: „fern ab liegt mir alle Habsucht; aber die blaue Blume sehn ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dich­ ten und denken. So ist mir noch nie zu Mute gewesen: es ist, als hätt ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine

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Rovali«.

andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen geküm­ mert? und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab ich damals nie gehört. Wo eigentlich nur der Fremde herkam? Keiner von uns hat je einen ähnlichen Menschen gesehn; doch weiß ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin; die anderen haben ja das nämliche gehört, und keinem ist so etwas begegnet. Daß ich auch nicht einmal von meinem wunderlichen Zu­ stande reden kann! Es ist mir oft so entzückend wohl, und nur dann, wenn ich die Blume nicht recht gegenwärtig habe, befällt mich so ein tiefes, inniges Treiben; das kann und wird keiner verstehn. Ich glaubte, ich wäre wahn­ sinnig, wenn ich nicht so klar und hell sähe und dächte; mir ist seitdem alles viel bekannter. Ich hörte einst von alten Zeiten reden, wie da die Tiere und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten. Mir ist gerade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als könnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muß

noch viel Worte geben- die ich nicht weiß: wüßte ich mehr, so könnte ich viel besser alles begreifen. Sonst tanzte ich gern, jetzt denke ich lieber nach der Musik." — Der Jüng­ ling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und ent­ schlummerte. Da träumte üjnt erst von unabsehlichen Fernen und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit: wunderliche Tiere sah er; er lebte mit mannigfaltigen Menschen, bald im Kriege, im wilden Getümmel, in stillen Hütten. Er ge­ riet in Gefangenschaft und in die schmählichste Not. Alle Empfindungen stiegen bis zu einer nie gekannten Höhe in ihm. Er durchlebte ein unendlich buntes Leben, starb und kam wieder, liebte bis zur höchsten Leidenschaft und war dann wieder auf ewig von seiner Geliebten getrennt. Endlich gegen Morgen, wie draußen die Dämmerung an­ brach, wurde es stiller in seiner Seele, klarer und bleiben­ der wurden die Bilder. Es kam ihm vor, als ginge er in einem dunkeln Walde allein. Nur selten schimmerte der

Novalis.

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Tag durch das grüne Netz. Bald kam er vor eine Felsen­ schlucht, die bergan stieg. Er mußte über bemooste Steine klettern, die ein ehemaliger Strom herunter gerissen hatte. Je höher er kam, desto lichter wurde der Wald. Endlich gelangte er zu einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren Fuß er eine Öffnung erblickte, die. der Anfang eines in den Felsen gehauenen Ganges zu sein schien. Der Gang führte ihn gemächlich eine zeitlang eben fort bis zu einer großen Weitung, aus der ihm schon von fern ein helles Licht entgegen glänzte. Wie er hineintrat, ward er einen mächtigen Strahl gewahr, der wie aus einem Springquell bis an die Decke des Gewölbes stieg und oben in un­ zählige Funken zerstäubte, die sich unten in einem großen Becken sammelten; der Strahl glänzte, wie entzündetes Gold: nicht das mindeste Geräusch war zu hören, eine heilige Stille umgab das herrliche Schauspiel. Er näherte

sich dem Becken, das mit unendlichen Farben wogte und zitterte. Die Wände der Höhle waren mit dieser Flüssig­ keit überzogen, die nicht heiß, sondern kühl war und an den Wänden nur ein mattes bläuliches Licht von sich warf. Er tauchte seine Hand in das Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durchdränge ihn ein geistiger Hauch, und er fühlte sich innigst gestärkt und erfrischt. Ein un­ widerstehliches Verlangen ergriff ihn, sich zu baden, er ent­ kleidete sich und stieg in das Becken. Es dünkte ihn, als umflösse ihn eine Wolke des Abendrots, eine himmlische Empfindung überströmte sein Inneres. Berauscht von Entzücken, und doch jedes Eindrucks bewußt, schwamm er gemach dem leuchtenden Strome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinfloß. Eine Art von süßem Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten

träumte, und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weichen Rasen am Rande einer Quelle, die in die Luft hinausquoll und sich darin zu verzehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht, das

376

Novalis.

Dritten.

ihn umgab, war Heller und milder, als das gewöhnliche, der Himmel war schwarzblau und völlig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe, lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie aus einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen, ausgebreiteteu Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein süßes Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme seiner Mutter weckte und er sich in der elterlichen Stube fand, die schon die Morgensonne ver­ goldete. Er war zu entzückt, um unwillig über diese Stö­ rung zu sein, vielmehr bot er seiner Mutter freundlich guten Morgen und erwiderte ihre herzliche Umarmung.

Wilhelm Oncken. 242. Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde. (18. Januar 1871.) Der Kronprinz war Feuer und Flamme, als der 18. Januar, der Krönungstag der Könige von Preußen, zum Festtag der Einweihung des neuen Kaisertums bestimmt ward. Bon ihm war der Plan selbst ausgegangen, sein Werk war der Entwurf des Festverlaufs, die Festansage, die am 16. Januar an die um Paris lagernden Regimenter erging, um die Vertretung derselben durch Abordnungen und Fahnen zu sichern. An demselben 16. Januar erschien der Hofprediger Rogge, Divisionspfarrer der 1. Gardedi­ vision, bei König Wilhelm, der ihn in seinem einfachen

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Novalis.

Dritten.

ihn umgab, war Heller und milder, als das gewöhnliche, der Himmel war schwarzblau und völlig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe, lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie aus einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen, ausgebreiteteu Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein süßes Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme seiner Mutter weckte und er sich in der elterlichen Stube fand, die schon die Morgensonne ver­ goldete. Er war zu entzückt, um unwillig über diese Stö­ rung zu sein, vielmehr bot er seiner Mutter freundlich guten Morgen und erwiderte ihre herzliche Umarmung.

Wilhelm Oncken. 242. Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde. (18. Januar 1871.) Der Kronprinz war Feuer und Flamme, als der 18. Januar, der Krönungstag der Könige von Preußen, zum Festtag der Einweihung des neuen Kaisertums bestimmt ward. Bon ihm war der Plan selbst ausgegangen, sein Werk war der Entwurf des Festverlaufs, die Festansage, die am 16. Januar an die um Paris lagernden Regimenter erging, um die Vertretung derselben durch Abordnungen und Fahnen zu sichern. An demselben 16. Januar erschien der Hofprediger Rogge, Divisionspfarrer der 1. Gardedi­ vision, bei König Wilhelm, der ihn in seinem einfachen

Duden.

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Arbeitszimmer empfing und hinter seinem Schreibtisch stehend m ihm sagte: „Ich habe Sie rufen lassen, da am 18. Januar, unserm Krönungstage, die Proklamation der Kaiserwürde vorgenommen werden soll und ich den Akt durch eine kurze kirchliche Feier eingeleitet sehen möchte. Da ich den Kaiser» titel einmal annehmen soll, so habe ich diesen Gedenktag der preußischen Geschichte dafür gewählt. Ich hoffe, daß Sie Ihre Aufgabe auch diesmal gut lösen werden. — Aber von mir dürfen Sie nicht reden." Der Geistliche erwiderte, diesmal werde es unmöglich sein, die Person des Monarchen außer Betracht zu lassen. „Nun denn, aber so wenig als möglich! Nicht ich habe es so gemacht, sondern Gott hat es so gefügt. Es wird mir recht schwer, mich in den neuen Titel zu finden, und ich Hütte gewünscht, ihn für meine Person vermeiden zu können. Ich habe immer gedacht, datz erst mein Sohn ihn dereinst führen solle. Aber die Ver­ hältnisse haben sich nun einmal so gestaltet, daß ich die Annahme nicht umgehen kann." Was der König sonst noch tat für die Vorbereitung des Festes, beschränkte sich darauf, der Feier ihr einfach religiös-militärisches Gepräge zu wahren und alles fern­ zuhalten, was ihr das Ansehen des Herausfordernden und Prunkhaften hätte geben können. Einen Thron wollte man ihm hauen, aber das lehnte er ab; nur einen einfachen Feld­ altar ließ er zu, der sollte in der Mitte des Saales stehen, hier sollte der Geistliche sein Weihegebet sprechen, hier wollte er selber stehen, „um diese neue, schwere Verpflichtung übernehmen." Als ein Gottesdienst war die Feier gedacht, und statt­ gefunden hat sie als ein Gottesdienst, bei welchem eine Versammlung von 5—600 Offizieren sich um den König, die Fürsten und die Prinzen scharte, als eine große, an­ dächtige Gemeinde. Der Gottesdienst begann mit dem Ge­ sang des 66. Psalms, den der König selbst für die Feier ausgewählt. Der Soldatensängerchor trug ihn mit Kraft und Wohllaut vor; ihm folgte der Gesang des Chorals:

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ünden. Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, Dem Vater aller Güte, Dem Gott, der große Wunder tut. Dem Gott, der mein Gemüte Mit seinem reichen Trost erfüllt. Dem Gott, der allen Jammer stillt: Gebt unserm Gott die Ehre!

Während des Gesangs stand der König, den Helm in der Linken, in dem Halbrund gegenüber dem Altar, rechts der Kronprinz, links Graf Bismarck, hinter ihm die Fürsten »nd die Prinzen. Dre Blicke hatte er zu Boden gesenkt und schlug sie auch während der ganzen folgenden Predigt nicht auf. Der Weihepredigt folgte der Choral: „Nun danket alle Gott!" in den die ganze Versammlung einstimmte, den insbesondere auch der Kronprinz und Bismarck mit kräftiger Stimme mitsangen, dem Choral folgte der Segen des Geiste lichen, das dreifache Amen des Chors schloß die kirchliche Handlung, und nun erst schaute der König auf. Bis dahin war er in demütige Andacht versunken gewesen, und nun erblickte er an der einen Schmalseite des Saales auf der Stufenbühne, auf welcher die Mannschaften mit den Fah­ nen und Standarten aufgepflanzt waren, mitten unter diesen auch die Fahnen seines 1. Garde-Regiments zu Fuß, bei dem er in die Armee eingetreten war, die Fahne seines Grenadier-Regiments und die des Garde-Landwehr-Bataillons, dessen Kommandeur er so lange gewesen, und diesein Anblick widerstand er nicht. Ursprünglich hatte er auch während der Handlung, die nun folgen mußte, an dem Altar stehen bleiben wollen, aber als er jetzt „seine Fahnen" sah, da änderte er seinen Entschluß. Er verließ den Altar und schritt auf jene Stufenbühne zu, „denn," so sagte er am 20. Januar zum Geh. Hofrat Schneider, „wo meine Fahnen sind, da bin ich auch". Die Fürsten folgten ihm, er ließ sie zuerst hinauftreten, stellte sich dann mitten unter sie dicht vor seine Fahnen hin, und hier — umrauscht von den Ruh­ mesfahnen des siegreichsten aller Heere, umweht von den Geistern großer Zeiten, großer Menschen und großer Taten,

Duden.

37»

legte der Kaiser und König Wilhelm sein Kaisergelübdc ab. Mit lauter, im entferntesten Winkel des Saales ver­ nehmbarer Stimme verlas er die Urkunde über die Ver­ kündung der Wiederherstellung des Deutschen Reichs und die Annahme der deutschen Kaiserwürde und ließ dann den Grafen Bismarck die Ansprache verlesen, welche er „an das deutsche Volk" erließ, und in der er sagte: „Wir über­ nehmen die kaiserliche Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seine Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner heißen und opfermütigen Kämpfe in dauerndem Frieden und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vater­ lande die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherheit gegen er­ neute Angriffe Frankreichs gewähren. Uns aber und Unsern Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, all­ zeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriege­ rischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung!" Und dann vernahm er zum erstenmal ein jubelndes Kaiserhoch. Der Grobherzog Friedrich von Baden, selbst einer der edelsten Pioniere auf dem dornenvollen Wege zum Kaiser und zum Reich, brachte es aus in den Worten: „Seine Kaiserliche und Königliche Majestät Kaiser Wilhelm lebe hoch! hoch! hoch!" Dreimal fiel die Versammlung ju­ belnd in diesen Zuruf ein. Die Helme wurden geschwenkt, die Arme wie zum Schwur erhoben; di« Tränen der Rüh­ rung und der Freude erglänzten in den Augen. Die Fahnen senkten sich dem Kaiser zu Häupten, „Heil dir im Sieger­ kranz !" schmetterte ihm die Musik entgegen, und von fernher dröhnte der Kanonendonner des Mont Valerien in den Jubel herein. Bei der Tafel teilte er dem Kronprinzen mit, daß er von nun an „Kaiserliche Hoheit" heiße; der Kronprinz aber schrieb am Abend in sein Tagebuch: „Die langjährigen Hoffnungen unserer Voreltern, die Träume

Cneiert. Reuter.

380

deutscher Dichtungen sind erfüllt, und befreit von den Schlacken des heiligen römischen Unsegens, steigt ein an Haupt und Gliedern reformiertes Reich unter dem alten Namen und dem tausendjährigen Abzeichen aus sechzigjäh!-

riger Nacht hervor."

Fritz Reuter. 243. Niederdentschland im Frühling 1813. Uns' Herr Gott hadd den Franzosen in den rußschen Winter de goldschienige Snakenhut afströpt. Hei, de süs as Herr rümme pucht hadd, kam as Snurrer un Pracher taurügg un wendt sik an't dütsche Erbarmen, un btt schöne dütsche Gottesgeschenk kreg de Äwerhand äwer den grimmi­ gen Haß. Keiner wull de Hand upböhren gegen den Mann, de von Gott slagen was; bot Mitled let vergeten, wat hei verschuldt hadd. Knapp hadd sik äwer de verklamte Snak wedder verhört in bat warme dütsche Bedd, as sei ok den Stachel wedder totes en würd, un de Schinnerie sull tvedder losgahn; äwer bot Späuk in Nedderdütschland was tum Schatten worden, un de Schatten kreg Fleisch un Bein und kreg en Namen, un de Namen würd lud up de Strat raupen: „Upstand gegen den Minschenslachter!" — bat was bat Feldgeschrie. — Äwer bat Feldgeschrie was kein Dogsgeschrie. Nich en Hümpel unbedorwte junge Lüd, nich de Janhagel up de Strat fung dormit an, ne, de Besten un Vernünftigsten treden tausam, nich tau 'ne Verswörung mit Metz un Gift, ne, tau 'ne Verbräuderung mit Wehr un Wurt gegen andahne Gewalt; de Ollen redten bot Wurt, un de Jungen schafften de Wehr. Nich up apne Strat bluckte die ierste Flamme tau Höcht; tot Nedderdütschen lieben kein Füer up de Strat; ne, ein jeder stickte bat still in sienen Hus an, un de Nahwer kam tum Nahwer un wärmte sik an siene Glout. Nich as en Füer von Dannenholt un Stroh, wat tauletzt blot en Hümpel Asch

Cneiert. Reuter.

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deutscher Dichtungen sind erfüllt, und befreit von den Schlacken des heiligen römischen Unsegens, steigt ein an Haupt und Gliedern reformiertes Reich unter dem alten Namen und dem tausendjährigen Abzeichen aus sechzigjäh!-

riger Nacht hervor."

Fritz Reuter. 243. Niederdentschland im Frühling 1813. Uns' Herr Gott hadd den Franzosen in den rußschen Winter de goldschienige Snakenhut afströpt. Hei, de süs as Herr rümme pucht hadd, kam as Snurrer un Pracher taurügg un wendt sik an't dütsche Erbarmen, un btt schöne dütsche Gottesgeschenk kreg de Äwerhand äwer den grimmi­ gen Haß. Keiner wull de Hand upböhren gegen den Mann, de von Gott slagen was; bot Mitled let vergeten, wat hei verschuldt hadd. Knapp hadd sik äwer de verklamte Snak wedder verhört in bat warme dütsche Bedd, as sei ok den Stachel wedder totes en würd, un de Schinnerie sull tvedder losgahn; äwer bot Späuk in Nedderdütschland was tum Schatten worden, un de Schatten kreg Fleisch un Bein und kreg en Namen, un de Namen würd lud up de Strat raupen: „Upstand gegen den Minschenslachter!" — bat was bat Feldgeschrie. — Äwer bat Feldgeschrie was kein Dogsgeschrie. Nich en Hümpel unbedorwte junge Lüd, nich de Janhagel up de Strat fung dormit an, ne, de Besten un Vernünftigsten treden tausam, nich tau 'ne Verswörung mit Metz un Gift, ne, tau 'ne Verbräuderung mit Wehr un Wurt gegen andahne Gewalt; de Ollen redten bot Wurt, un de Jungen schafften de Wehr. Nich up apne Strat bluckte die ierste Flamme tau Höcht; tot Nedderdütschen lieben kein Füer up de Strat; ne, ein jeder stickte bat still in sienen Hus an, un de Nahwer kam tum Nahwer un wärmte sik an siene Glout. Nich as en Füer von Dannenholt un Stroh, wat tauletzt blot en Hümpel Asch

Reuter.

Riehl.

$81

äwrig leit, steg de Läuchen tum Heben, ne, wi Nedderdütschen sünd en hart Holt, wat langsam Füer fängt, äwer denn ok Hitt giwt. Und tau de dunnmalige Tied war ganz Nedderdütschland en groten Kahlmmieler, de in fit swälte und gläuhte, heimlich uu still, bet de Kahlen gor wieren; uu as sei srie roteren von Rok un Flackerslammen, dünn fineten roi uns' Isen in de Kahlenglaut un smädten uns Mass un Wehr dorin, un de Haß gegen den Fran­ zosen was de Sliepstein, de matte sei scharp; un wat dünn kam, weit jedes Kind up de Strat, un süll't bot nich weiten, denn is't dütsche Mannspslicht för sienen Vader, em dat so intanremsen, bat hei't siendag nich vergelt.

Wilhelm Heinrich Riehl. 244. Hausinschriften. Ich getraute mir wohl ein kleines Büchlein zusammen zustellen voll sinniger Weisheit aus dem Voltsmund, voll vcschaulicher und erbaulicher, naiver nnd drolliger S3erfr, die alle nur von Haustüren und Innen- nnd Außenwänden deutscher Bauernhäuser abgeschrieben sein sollten. So schrieb der gottesfürchtige Bauersmann vor Zeiten an sein neues Haus:

Wo Gott nicht gibt zum Haus sein Gunst, Da ist all unser Baun umsuust; Oder: Wir bauen hier so feste Und sind doch fremde Gäste; Wo wir sollen ewig fein, Bauen wir so wenig ein. Ein dritter setzte einfach den Spruch über feine Tür: Der Herr segne unsern Eingang und AuSgang!

Ich kann mich des Gedautens nicht entschlagen, daß in den hundert Jahren, feit eine solche Inschrift etwa steht, nicht wenigstens ein Mann aus- oder eingegangen sei mit einer

Reuter.

Riehl.

$81

äwrig leit, steg de Läuchen tum Heben, ne, wi Nedderdütschen sünd en hart Holt, wat langsam Füer fängt, äwer denn ok Hitt giwt. Und tau de dunnmalige Tied war ganz Nedderdütschland en groten Kahlmmieler, de in fit swälte und gläuhte, heimlich uu still, bet de Kahlen gor wieren; uu as sei srie roteren von Rok un Flackerslammen, dünn fineten roi uns' Isen in de Kahlenglaut un smädten uns Mass un Wehr dorin, un de Haß gegen den Fran­ zosen was de Sliepstein, de matte sei scharp; un wat dünn kam, weit jedes Kind up de Strat, un süll't bot nich weiten, denn is't dütsche Mannspslicht för sienen Vader, em dat so intanremsen, bat hei't siendag nich vergelt.

Wilhelm Heinrich Riehl. 244. Hausinschriften. Ich getraute mir wohl ein kleines Büchlein zusammen zustellen voll sinniger Weisheit aus dem Voltsmund, voll vcschaulicher und erbaulicher, naiver nnd drolliger S3erfr, die alle nur von Haustüren und Innen- nnd Außenwänden deutscher Bauernhäuser abgeschrieben sein sollten. So schrieb der gottesfürchtige Bauersmann vor Zeiten an sein neues Haus:

Wo Gott nicht gibt zum Haus sein Gunst, Da ist all unser Baun umsuust; Oder: Wir bauen hier so feste Und sind doch fremde Gäste; Wo wir sollen ewig fein, Bauen wir so wenig ein. Ein dritter setzte einfach den Spruch über feine Tür: Der Herr segne unsern Eingang und AuSgang!

Ich kann mich des Gedautens nicht entschlagen, daß in den hundert Jahren, feit eine solche Inschrift etwa steht, nicht wenigstens ein Mann aus- oder eingegangen sei mit einer

382

Niehl.

Spitzbüberei im Sinne, die er beim zufälligen Blick auf diesen Spruch habe bleiben lassen. Das beliebteste Thema weltlicher Berse an den Bauern­ häusern gilt dem Protest gegen unbefugte Kritik des Haus baue-. WaS stehet ihr für diesem HauUnd laßt die bösen Mäuler aus? Ich hab gebaut, wie mir's gefällt, Mich hat's gekost mein gut Stück Geld.

Oder: Wer da bauet an Markt und Straßen, Muß Neider und Narren reden lassen.

Hierher gehört der schöne plattdeutsche Hausspruch: Wat frag ik na de Lü? Gott helpet mi.

Als Seitenstück dazu mag folgender oberdeutscher Spruch dienen, den ich im Elsaß an einer einsamen Mühle sand, in knorrigen, wie mit dem Dreschflegel geschriebenen Lapidar versen: Tu Recht? steh fest! kehr dich nicht dran, Wenn dich auch tadelt manch ein Mann; Der muß noch kommen ans die Welt, Der tut, was jedem Narr» gefällt.

In manchen Gggenden dehnt sich diese Spruchpoesie auch auf die Nebengebäude des Hauses aus, namentlich sind

mitunter die Gemcindebackhäuser ganz bedeckt von Versen voll derben Humors. Eine einfach schöne Inschrift für Scheunen und Wirtschaftsgebäude ist die mittelalterliche: „Gott, ver­ sieh die Deinen!" welche sich an den Ruinen des Klosters

Otterberg in der Pfalz findet. Am reichsten und mannigfaltigsten ist der Schatz dieser Hausepigramme noch da, wo auch die Wohnstube an pas­ sender Stelle mit Inschriften geschmückt ist. Als Probe dieser meist erbaulichen oder humoristischen Poesie der Fa­ milienhalle möge hier ein Vers stehen, der über dem un­ geheuern^ altväterlichen Ofen einer Bauernstube im Iller tal angebracht ist:

Riehl.

3H3

Rosegger.

Wenn Hab und Neid Brenueten wie ein Feuer. Dann wär das Hol» in dieser Zeit Nicht gar so teuer. An alten, großen Standuhren in unsern Bauernstuben kann

man daS tiefsinnige Wort lesen: So geht die Zeit Zur Ewigkeit. Es sind aber die meisten dieser Hausverse ein wirkliches

Gemeingut des Volkes, denn sie finden sich in mancherlei

Lariautcn ost in den entlegensten Gegenden wieder.

Sv

kann nran -. B. jenen Vers aus deni Jllertale auch in der Pfalz über Haustüren lesen, wo er sich wohl auf das teuere Bauholz beziehen soll und dann noch zu der Würde einer

Hanstüren-Jnschrift erhoben wird durch den

moralischen

Zusatz:

Ob's aber auch gibt der Neider gar viel. So geschieht doch alles, wie Gott will. Siud nun solche Sprüche nicht ein köstliches Ornament deS deutschen Hauses, auch des städtischen, dem sie früher

nicht fremd toorcn?

Wer aber hat den Mut, einen schönen

BcrS und ein schönes Bild wieder über seine Haustüre setzen

zu lassen?

Peter Rosegger. 245. Der Tod Peter MayrS (1809). Die lange schmale Gasse her drängte eine aufgeregte

Menschenmenge. Dumpfes Trommelgewirbel wurde hörbar und kam näher; ein Trupp welscher Soldaten marschierte heran und,mitten in demselben der arme Sünder.

Er war in seinem Tirolergewand, das Haupt ent­ blößt. Die ihn früher gesehen, erkannten ihn sogleich wie­

der; gar nicht war er verändert.

Er schritt aufrecht und

blickte geradeaus vor sich auf den Weg, nur ein-, zweimal

war zu bemerken, wie sein Auge zuckte.

Sein Gesicht war

Riehl.

3H3

Rosegger.

Wenn Hab und Neid Brenueten wie ein Feuer. Dann wär das Hol» in dieser Zeit Nicht gar so teuer. An alten, großen Standuhren in unsern Bauernstuben kann

man daS tiefsinnige Wort lesen: So geht die Zeit Zur Ewigkeit. Es sind aber die meisten dieser Hausverse ein wirkliches

Gemeingut des Volkes, denn sie finden sich in mancherlei

Lariautcn ost in den entlegensten Gegenden wieder.

Sv

kann nran -. B. jenen Vers aus deni Jllertale auch in der Pfalz über Haustüren lesen, wo er sich wohl auf das teuere Bauholz beziehen soll und dann noch zu der Würde einer

Hanstüren-Jnschrift erhoben wird durch den

moralischen

Zusatz:

Ob's aber auch gibt der Neider gar viel. So geschieht doch alles, wie Gott will. Siud nun solche Sprüche nicht ein köstliches Ornament deS deutschen Hauses, auch des städtischen, dem sie früher

nicht fremd toorcn?

Wer aber hat den Mut, einen schönen

BcrS und ein schönes Bild wieder über seine Haustüre setzen

zu lassen?

Peter Rosegger. 245. Der Tod Peter MayrS (1809). Die lange schmale Gasse her drängte eine aufgeregte

Menschenmenge. Dumpfes Trommelgewirbel wurde hörbar und kam näher; ein Trupp welscher Soldaten marschierte heran und,mitten in demselben der arme Sünder.

Er war in seinem Tirolergewand, das Haupt ent­ blößt. Die ihn früher gesehen, erkannten ihn sogleich wie­

der; gar nicht war er verändert.

Er schritt aufrecht und

blickte geradeaus vor sich auf den Weg, nur ein-, zweimal

war zu bemerken, wie sein Auge zuckte.

Sein Gesicht war

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Rosegger.

blak und ruhig, die Lippen unter dem blonden Schnurr­ bart hatte er geschlossen. Die Hände waren mit einem schwarzen Riemen gebunden, und an diesem Riemen hielt ihn ein Soldat, der zur Linken ging: Ihm zur Rechten schritt ein Kapuziner in brauner Kutte mit langem schwar­ zen Bart und dem Käppchen auf dem geschorenen Haupte. Dieser hielt in der Hand ein hölzernes Kruzifix und sprach leise Gebete. So wurde Peter Mayr auf den Nichtplatz geführt. Er ragte über seine beiden Nebenmänner empor. Als die Leute diese Gestalt sahen, verstummte jeder Laut in ihrem Munde. Viele erblaßten und wichen ehrfurchts­ voll zurück. Der Zug ging durch das Stadttor hinaus. Als die freie weite Gegend von keiner Mauen verdeckt dalag mit ihren blauen Bergen, als durch den dünnen Nebel sogar ettt sonniger Schimmer ging, da hob Peter einmal seinen Blick und schaute hin. Das Glöcklein läutete beständig, die Trommeln rollten ununterbrochen. Der Zug marschierte immer noch fürbaß, fast bis zur Brücke hin. Da erscholl das Kommando: „Rechts ab!" Der Zug verließ die Straße und bewegte sich über den rauhen Schutt quer hinan. Die Volksmenge wollte nachströmen, wurde aber von Soldaten, die da in einer langen Reihe aufgestellt waren, zurück­ gehalten. Dort oben zwischen zwei Felsblöcken auf weißem Sande ragte ein schwarzer Stab. Peter erblickte ihn, seine Füße fingen an zu zittern — — er wankte. Man blieb stehen und hieß ihn auf einen Stein niedersitzen. Auf seiner Stirn standen große Tropfen, man labte ihn mit Essig, er schlug seine Augen, auf gegen den Priester-------- es war ein Blick voll unendlicher Todesangst. Der Kapuziner gab ihm das Kruzifix in die Hand und sagte: „Denk an Jesum, deinen Erlöser." Peter nahm das Kreuz, drückte es an den Mund. Dann nickte er, es wäre schon besser, und erhob sich. Jetzt rüstig und vollkommen aufrecht ging er hinan Soldaten stolperten in dem Geschütte, Peter schritt sicher

Rosegger.

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Hitb wankte nicht mehr. Sie führten ihn der Stelle zu, >rw der Stab stak; dort angekommen machten sie Halt. Die. Trommeln hatten ihr Wirbeln eingestellt, die Sol­ daten bildeten ein großes Halbrund, und in demselben stellten sich zwölf Mann auf mit gesenkten Flinten. Der Soldat, der an seiner Seite gegangen war, löste den Riemen und trat zurück, so daß der arme Sünder und der Kapuziner völlig allein standen im Halbrund auf den, Plan. Ein Offizier verlas noch einmal' das Urteil, zer­ brach den Stab und warf die Stücke vor die Füße des Verurteilten. Peter stand ruhig, der Priester betete leise. — Als nun alle Anstalten getroffen waren, daß zum Vollzüge kommandiert werden sollte, wendete Peter sich an den Geistlichen, um diesem das Kruzifix zurückzugeben. Der Kapuziner nahm es nicht, sondern sprach: „Du sollst es in der Hand behaltest, das Bildnis unsres Herrn." „Sie könnten es treffen," sagte Peter, gab das Kreuz hin, und der Priester nahm es an sich. Als man ihm die Augen verbinden wollte, machte er eine bittende Geberde, es nicht zu tun; sie standen davon ab. Er hob seinen Blick zu den Spitzen der Berge, senkte ihn wieder und schaute nun fest und finster auf die Sol­ daten hin, die etwa fünfzehn Schritt vor ihm mit ihren «Gewehren in Bereitschaft standen. Der Priester küßte ihn und trat zurück. Das alles geschah lautlos. Der Offizier wandte sein schnaubendes Pferd und kommandierte zum Anschlag. Die Gewehre hoben sich rasselnd und standen wagerecht gegen den Verurteilten. Dieser stand da wie eine eherne Säule. „Feuer!" Die Rohre blitzten, knallten; der Rauch flog in die Luft. Peter Mayr brach zusammen auf ein Knie, in die­ ser Stellung verharrte er ein paar Augenblicke, und es war, als wollte er eine Hand heben gegen die Brust — dann sank er hin auf den weißen Sand. Als es so geschehen war, kam auf hohem Schimmel ein Reiter angesprengt. Es war der Obergeneral. Er stieg Hessel. Sesebuch ». io. Xufl. M.25

SM

Rosegger

Scherer.

vom Pferde, schritt hin zum Toten, und hüllte ihn zu mit seinem eigenen Mantel. Dann wendete er sich zu den Offizieren und gab folgenden Befehl: „Zwei Mann Wache hier bis zu Sonnenuntergang. Dann tragt ihn hinaus an den Rand des Berges, wo der Palmbaum steht. Dort übergebt ihn der Erde seines Vaterlandes!"

Wilhelm Scherer. 246. Ulfilas. Im Jahre 341 wurde Wulfila oder Ulfilas, wie ihn die Griechen nennen, auf der Synode von Antiochia zum Bischöfe der Goten geweiht, das heißt der Westgoten int Norden der unteren Donau. Er war ungefähr dreißig Jahre alt. Sieben Jahre nach seiner Weihe brach Unglück über die junge Ge­ meinde herein. Die neue Religion schien dem gotischen Könige bedenklich; eine blutige Verfolgung begann, Kaiser Constantius gestattete den Bedrängten, sich in Mösien, unfern des Hämus, anzusiedeln. Diese Auswanderer wurden die kleinen Goten genannt. Unter ihnen wirkte Ulfilas bis zu seinem Tode. Er starb 381 zu Konstantinopel, wo er sich gerade aushiclt, um den Arianismus zu verteidigen. Als er 348 die Verfolgten über die Donau führte, schien er den Zeitgenossen wie ein zweiter Moses art der Spitze seines Volkes zu stehen, durch welchen Gott dasselbe getan habe, wie einst, als er durch Moses sein Volk aus der Hand der Ägypter errettete und durch das rote Meer hindurchführte. Und in der Tat: eine einzige Gestalt ist Ulfilas in der ganzen Geschichte der Bekehrung germanischer Stämme. Er ist auf dem Gebiete der Religion, was Theodorich der Große auf dem Gebiete des Staates. Eben noch sind die Ostgoten ein heimatloses Volk, das nicht hat, wo es sein Haupt hinlege — wenige Jahre daraus herrschen sie in Italien; ihr König wird der Nachfolger der römischen Kaiser. Das Höchste, was das niedergehende Römertum auf politischem Gebiete gekannt hatte, eignet er sich und seinem Volke mit einem Schlage zu.

SM

Rosegger

Scherer.

vom Pferde, schritt hin zum Toten, und hüllte ihn zu mit seinem eigenen Mantel. Dann wendete er sich zu den Offizieren und gab folgenden Befehl: „Zwei Mann Wache hier bis zu Sonnenuntergang. Dann tragt ihn hinaus an den Rand des Berges, wo der Palmbaum steht. Dort übergebt ihn der Erde seines Vaterlandes!"

Wilhelm Scherer. 246. Ulfilas. Im Jahre 341 wurde Wulfila oder Ulfilas, wie ihn die Griechen nennen, auf der Synode von Antiochia zum Bischöfe der Goten geweiht, das heißt der Westgoten int Norden der unteren Donau. Er war ungefähr dreißig Jahre alt. Sieben Jahre nach seiner Weihe brach Unglück über die junge Ge­ meinde herein. Die neue Religion schien dem gotischen Könige bedenklich; eine blutige Verfolgung begann, Kaiser Constantius gestattete den Bedrängten, sich in Mösien, unfern des Hämus, anzusiedeln. Diese Auswanderer wurden die kleinen Goten genannt. Unter ihnen wirkte Ulfilas bis zu seinem Tode. Er starb 381 zu Konstantinopel, wo er sich gerade aushiclt, um den Arianismus zu verteidigen. Als er 348 die Verfolgten über die Donau führte, schien er den Zeitgenossen wie ein zweiter Moses art der Spitze seines Volkes zu stehen, durch welchen Gott dasselbe getan habe, wie einst, als er durch Moses sein Volk aus der Hand der Ägypter errettete und durch das rote Meer hindurchführte. Und in der Tat: eine einzige Gestalt ist Ulfilas in der ganzen Geschichte der Bekehrung germanischer Stämme. Er ist auf dem Gebiete der Religion, was Theodorich der Große auf dem Gebiete des Staates. Eben noch sind die Ostgoten ein heimatloses Volk, das nicht hat, wo es sein Haupt hinlege — wenige Jahre daraus herrschen sie in Italien; ihr König wird der Nachfolger der römischen Kaiser. Das Höchste, was das niedergehende Römertum auf politischem Gebiete gekannt hatte, eignet er sich und seinem Volke mit einem Schlage zu.

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Das Höchste, was das niedergehende Römertum auf gei­ stigem Gebiete kannte, war das Christentum. Was der Besitz von Italien, von Rom auf politischem Gebiete, das bedeutet der Besitz der Bibel auf geistigem, auf religiösem. Und das eignet Ulfilas mit einem Schlage den Westgoten zu. Er beherrschte drei Sprachen: er predigte griechisch, la­ teinisch, gotisch, und diese Sprachgewalt stellte er in den Dienst des würdigsten Zweckes. Es wird berichtet, daß er die ganze Bibel übersetzte. Nur die Bücher der Könige soll er weggelassen haben, um die kriegerischen Instinkte seiner Landsleute nicht zu nähren. Er vollbrachte das Werk bei einem Volke, welchem bis dahin die ersten Anfänge einer ge­ schriebenen Literatur gefehlt hatten; er gab einem Volke die Bibel in die Hand, welches bis dahin noch nicht einmal wußte, was Lesen sei — „fingen" mußte er es übersetzen; er schuf eine Schrift, die auf Pergament zu malen war, für ein Boll, welches bis dahin nur auf Holz und Stein einzelne Zeichen oder eine Folge weniger Worte geritzt hatte. Er brachte die Schrift zustande, indem er die Runen aus dem griechischen Alphabet oder das griechische Alphabet aus den Runen er­ gänzte. Er brachte die Übersetzung zustande, indem er mög­ lichst wortgetreu den griechischen Text ins Gotische übertrug, aber doch mit äußersten Respekt vor dem heiligen Buch auch die Achtung vor dem einheimischen Sprachgesetze verband. Die Sprache selbst kam ihm dabei entgegen, die gotische Syntax stand der griechischen damals noch näher als etwa die neu­ deutsche oder selbst die altdeutsche der gotischen. Ulfilas hatte ohne Zweifel Mitarbeiter; die wenigen erhaltenen Reste de­ alten Testaments zeigen Abweichungen von den Evangelien und diese wieder von den Resten der paulinischen Briefe. Aber sein ist der Anfang, sein ist das Beispiel, sein ist die Aufsicht, sein das Verdienst. Fremde Kräfte in den Dienst seiner eigenen Gedanken zwingen und dazu erziehen ist größer als die eigene Kraft unnötig verschwenden. Ulfilas hatte sein Werk nicht bloß für die „kleinen Goten" geschaffen. Die vollständige Christanisierung der Westgoten war trotz der ersten Verfolgung nur noch eine 25'

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Scherer.

Frage der Zeit. Und die Bekehrung der Westgoten ist wichtig, ja verhängnisvoll geworden für eine ganze Reihe von germamanischen Völkern. Me Glieder des ehemaligen Oststammes wurden nach und nach hineingezogen in den Bereich des Arianismus, so die Ostgoten, so die Heruler, Skiren, Rugier in Österreich und Bayern, so die Vandalen in Spanien. Selbst die Burgunder, schon früher römisch-christlich, schwank­ ten eine Zeitlang zum Arianismus über. Und die weniger nahe verwandten Langobarden haben, wie es scheint, während sie an der Donau herrschten, nach dem Borbilde der öster­ reichischen Nachbarn den Arianismus, wenn auch zunächst nur sehr äußerlich, angenommen. So weit das Gebiet des germanischen Arianismus, so weit, dürfen wir annehmen, reichte die gotische Bibel. Ulfilas gab dem gotischen Volk, seinen Königen, seinem Adel, seinen Seelsorgern und Lehrern, jedem, der reich genug war, um sich ein Buch abschreiben zu lassen, die Bibel in die Hand. Die uns erhaltenen Handschriften sind wahrscheinlich in Italien entstanden; die prachtvollste von allen, der berühmte silberne Codex in Upsala, mit Silberschrift auf Purpurpergament her­ gestellt, mag sich im Besitze der ostgotischen Könige befunden haben. Eine ganz neue Fortwirkung, neu der Zeit nach, neu der Art nach, erlebte die ulfilanische Bibel, seit im siebzehnten Jahrhundert Franz Junius sie gedruckt herausgegcben, seit im neunzehnten Jakob Grimm sie zum Fundamente der ver­ gleichenden Grammatik aller germanischen Sprachen ge­ nommen hat; sie ist dadurch der Schlüssel zum germanischen Altertume geworden. Ulfilas ist unser Führer zu den Geheim­ nissen der nationalen Urzeit; er hat sein ganzes Volk überlebt. Die gotischen Lieder, welche einst den Kern unserer Heldensage ausmachten, die Lieder von Ostrogotha, Ermanarich, Theodomer, Theoderich sind längst verllungen: die gotische Bibel, in stattlichen Bruchstücken, steht mitten in unserer Wissenschaft als Heiligtum aufgerichtet und verehrt, unvergangen, unvergänglich.

Schiller.

to»

Friedrich Schiller. 247. Das Schafte« des Dichters. Ein Dichter nehme sich ja in acht, mitten im Schmerz den Schmerz zu besingen. Sowie der Dichter selbst bloß leidender Teil ist, muß seine Empfindung unausbleiblich von ihrer idealischen Allgemeinheit zu einer unvollkommenen Individualität herabsinken. Aus der sanfteren und sernenden Erinnerung mag er dichten, und dann desto besser für ihn, je mehr er an sich erfahren hat, was er besingt, aber ja niemals unter der gegenwärtigen Herrschaft des Affekts, beit er uns schön versinnlichen soll. Selbst in Gedichten, von denen mau zu sagen pflegt, daß die Liebe, die Freundschaft u. s. w. selbst dem Dichter den Pinsel dabei geführt habe, hatte er damit anfangen müssen, sich selbst fremd zu werden, den Gegenstand seiner Begeisterung von seiner Jndividicalität los zu wickeln, seine Leidenschaft aus einer mildernden Ferne anzuschauen. Das Jdealschöne wird schlechterdings nur durch eine Freiheit des Geistes, durch eine Selbst­ tätigkeit möglich, welche die Übermacht der Leidenschaft

aufhebt

248. A« Goethe. Jena, den 31. August 1794.

Unsere späte, aber mir manche schöne Hoffnung er­ weckende Bekanntschaft ist mir abermals eilt Beweis, wieviel besser man ost tut, den Zufall machen zu lassen, als ihin

durch zu viele Geschäftigkeit vorzugreifen. Wie lebhaft auch immer mein Verlangen war, in ein näheres Verhältnis zu Ihnen zu treten, als zwischen dem Geist des Schrift­ stellers und seinem aufmerksamsten Leser möglich ist, so begreife ich doch nunmehr vollkommen, daß die so sehr ver­ schiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten, uns nicht wohl früher, als gerade jetzt, mit Nutzen zusammen­ führen konnten. Nun kann ich aber hoffen, daß wir, so viel

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Schiller.

von dem Wege noch übrig sein mag, in Gemeinschaft durch­ wandeln werden, und mit um so größerm Gewinn, da die letzten Gefährten auf einer langen Reise sich immer am meisten zu sagen haben. Erwarten Sie bei mir keinen großen materialen Reich­ tum an Ideen; dies ist es, was ich bei Ihnen finden werde. Mein Bedürfnis und Streben ist, aus wenigem viel zu machen, und wenn Sie meine Armut an allem, was man erworbene Kenntnis nennt, einmal näher kennen sollten, so finden Sie vielleicht, daß es mir in manchen Stücken damit mag gelungen sein. Weil mein Gedankenkreis kleiner ist, so durchlaufe ich ihn eben darum schneller und öfter und kann eben darum meine kleine Barschaft besser nutzen und eine Mannigfaltigkeit, die dem Inhalte fehlt, durch die Form erzeugen. Sie haben ein Königreich zu regieren, ich nur eine etwas zahlreiche Familie von Begriffen, die ich herzlich gern zu einer kleinen Welt erweitern möchte.

Jena, den 7. September 1794.

Mit Freuden nehme ich Ihre gütige Einladung nach Weimar an, doch mit der ernstlichen Bitte, daß Sie in keinem einzigen Stück Ihrer häuslichen Ordnung auf mich rechnen mögen, denn leider nötigen mich meine Krämpfe gewöhnlich, den ganzen Morgen dem Schlaf zu widmen, weil sie mir des Nachts keine Ruhe lassen, und überhaupt wird es mir nie so gut, auch den Tag über auf eine bestimmte Stunde sicher zählen zu dürfen. Sie werden mir also er­ lauben, mich in Ihrem Hause als einen völlig Fremden zu betrachten, auf den nicht geachtet wird, und dadurch, daß ich mich ganz isoliere, der Verlegenheit zu entgehen, jemand anders von meinem Befinden abhängen zu lassen. Die Otb< nung, die jedem andern Menschen wohl macht, ist mein ge­ fährlichster Feind, denn ich darf nur in einer bestimmten Zeit etwas Bestimmtes vornehmen müssen, so bin ich sicher, daß es mir nicht möglich sein wird.

Schiller.

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249. An Körner. 1. Über Wallenstein.

Jena, den 21. März 1796. In meinen Arbeiten, wo ich seit Neujahr zu keiner Entscheidung kommen konnte, bin ich nun endlich ernstlich bestimmt und zwar für den Wallenstein. Seit etlichen Tagen habe ich meine Papiere vor, weil ich doch schon manches, den Plan betreffend, darüber notiert, und ich gehe mit großer Freude und ziemlich vielem Mute an diese neue Art von Leben. Bon meiner alten Art und Kunst kann ich freilich wenig dabei brauchen; aber ich hoffe in der neuen nun schon weit genug zu sein, um es damit zu wagen. Soviel weiß ich, ich bin auf gutem Wege, und erreiche ich auch das lange nicht, was ich von mir fordere, so erreiche ich doch mehr, als ich in diesem Fache sonst geleistet habe. Eine große Freude wird mir's sein, mit Mr darüber zu reden; denn wenn Du kommst, hoffe ich in dem Plan schon wichtige Fortschritte gemacht zu haben. Jena, 28. November 1796.

Ich brüte noch immer ernstlich über dem Wallenstein, aber noch immer liegt das unglückselige Werk formlos und endlos vor mir da. Tu mußt aber nicht denken, als ob ich meine dramatische Fähigkeit, so weit ich sie mag be­ sessen haben, überlebt hätte; nein, ich bin bloß deswegen unbefriedigt, weil meine Begriffe von der Sache und meine Anforderungen an mich selbst jetzt bestimmter und klarer und die letzteren strenger sind. Keins meiner alten Stücke hat soviel Zweck und Form, als der Wallenstein jetzt schon hat; aber ich weiß jetzt zu genau, was ich will und watz ich soll, als daß ich mir das Geschäft so leicht machen könnte. Ter Stoff ist, ich darf wohl sagen, im höchsten Grade ungeschmeidig für einen solchen Zweck; er hat beinahe alles, was ihn davon ausschließen sollte. Es ist im Grund eine Staatsaktion und hat, in Rücksicht auf den poetischen Ge»

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Schiller.

brauch, alle Unarten an sich, die eine poetische Handlung nur haben kann: ein unsichtbares abstraktes Objekt, kleine und viele Mittel, zerstreute Handlungen, einen furchtsamen Schritt, eine für den Vorteil des Poeten viel zu kalte, trockene Zweckmäßigkeit, ohne doch diese bis zur Vollendung und da­ durch zu einer poetischen Größe zu treiben; denn am Ende mißlingt der Entwurf doch nur durch Ungeschicklichkeit. Tie Base, worauf Wallenstein seine Unternehmung gründet, ist die Armee, mithin für mich eine unendliche Fläche, die ich nicht vors Auge und nur mit unsäglicher Kunst vor die Phantasie bringen kann. Ich kann also das Objekt, worauf er ruht, nicht zeigen und ebensowenig das, wodurch er fällt : das ist ebenfalls die Stimmung der Armee, der Hof, bei Kaiser. — Auch die Leidenschaften selbst, wodurch er be­ wegt wird, Rachsucht und Ehrbegierde, sind von der käl­ testen Gattung. Sein Charakter endlich ist niemals edel und darf es nie sein, und durchaus kann er er mir furchtbar, nie eigentlich groß erscheinen. Um ihn nicht zu erdrücken, darf ich ihm nichts Großes gegenüberstellen, er hält mich da­ durch notwendig nieder. Mit einem Wort, es ist fast alles abgeschnitten, wodurch ich diesem Stoffe nach meiner ge­ wohnten Art beikommen könnte, von dem Inhalte habe ich fast nichts zu erwarten, alles muß durch eine glückliche Form bewerkstelligt werden, und nur durch eine kunstreiche Führung der Handlung kann ich ihn zu einer schönen Tra­ gödie machen. . . Humboldt meint, ich sollte den Wallen­ stein in Prosa schreiben; mir ist es in Rücksicht auf die Arbeit ziemlich einerlei, ob ich Jamben oder Prosa mache. Durch die ersten würde er mehr poetische Würde, durch die Prosa mehr Ungezwungenheit erhalten. Da ich ihn aber im strengen Sinne für die theatralische Vorstellung bestimme, so wird eS wohl besser getan sein, Humboldten hierin zu folgen. Jena, 20. November 1797. Ich habe in diesem Monat durch Nichtschlafen wieder viele Zeit verloren; welches mir doppelt leid war, weil ich mit dem Wallenstein recht im Train war. Es ist nun entschieden.

Schiller.

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daß ich ihn in Jamben mache; ich begreife kaum, wie ich es je anders habe wollen können, es ist unmöglich, ein Gedicht in Prosa zu schreiben. Alles, was ich schon gemacht, muß anders werden und ist es zum Teil schon. Es hat in der neuen Gestalt ein ganz anderes Ansehen und ist jetzt erst eine Tragödie zu nennen. Lebewohl für heute. Dein S. 2. Über die Braut von Messina und Wilhelm Teil.

Weimar, 9. September 1802. Ich arbeite jetzt mit ziemlichen Ernst an einer Tragödie, deren Sujet Tn aus meiner Erzählung kennst. Es sind die feindlichen Brüder oder, wie ich es taufen werde, die Braut von Messina. Über dem langen Hin- und Herschwanken von einem Stoffe zum andern habe ich zuerst nach diesem gegriffen und zwar aus dreierlei Grün den: 1. war ich damit in Absicht auf den Plan, der sehr einfach ist, am weitesten; 2. bedurfte ich eines gewissen Stachels von Neuheit in der Form und einer solchen Form, die einen Schritt näher zur antiken Tragödie wäre, welches hier der Fall ist; denn das Stück läßt sich wirklich zu einer äschyleischen Tragödie an; 3. mußte ich etwas wählen, was uicht de longue haleine ist, weil ich nach der langen Pause notwendig bedarf, wieder etwas fertig vor mir zu sehen. Ich muß auf jeden Fall am Ende des Jahres damit zu­ stande sein, weil es Ende Januar zum Geburtstag unserer Herzogin aufgeführt zu iverden bestimmt ist. Alsdann geht cs hurtig an den Warbeck, wozu der Plan jetzt auch viel weiter gerückt ist, und unmittelbar nach diesem an den Wil­ helm Tell; denn dies ist das Stück, von dem ich Mr einmal schrieb, daß es mich lebhaft anziehe. Du hast viel­ leicht schon im vorigen Jahre davon reden hören, daß ick einen Wilhelm Tell bearbeite; denn selbst vor meiner Dres­

dener Reise wurde deshalb aus Berlin unb Hamburg bei mir angefragt. Es war mir niemals in den Sinn gekommen. Weil aber die Nachfrage nach diesem Stück immer wiederholt wurde, so wurde ich aufmerksam darauf und fing an, Tschudis schweizerische Geschichte zu studieren. Nun ging mir ein

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Schwer.

Licht auf; denn dieser Schriftsteller hat einen so treuherzigen, herodotischen, ja, fast homerischen Geist, daß er einen poetisch zu stimmen imstande ist. — Ob nun gleich der Tell einer dramatischen Behandlung nichts weniger als günstig scheint, da die Handlung dem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt, da sie großenttils eine Staatsaktion ist und, das Märchen mit dem Hut und Apfel ausgenommen, der Darstellung widerstrebt, so habe ich doch bis jetzt soviel poetische Operationen damit vorgenommen, daß sie aus dem Historischen heraus und ins Poetische eingetreten ist. üb­ rigens brauche ich Dir nicht zu sagen, daß es eine verteufelte Aufgabe ist; denn wenn ich auch von allen Erwartungen, die das Publikum und das Zeitalter gerade zu diesem Stoffe mitbringt, wie billig abstrahiere, so bleibt mir doch eine sehr hohe poetische Forderung zu erfüllen, weil hier ein ganzes, lokalbedingtes Volk, ein ganzes und entferntes Zeit­ alter und, was die Hauptsache ist, ein ganz örtliches, ja beinahe individuelles und einziges Phänomen mit dem Charakter der höchsten Notwendigkeit und Wahrheit soll zur Anschauung gebracht werden. Indes stehen schon die Säulen des Gebäudes sest, und ich hoffe, einen soliden Bau zustande zu bringen.

250. An feine vrant. Freitag Abends. (8. Januar 1790.) Tie Zweifel, die Du Dir aufwirsst, meine Liebe, vb Tu mir auch wirklich das seist, was Du wünschest, enthalten «inen stillen Borwurf gegen mich, ob ich gleich weiß, daß Du mir keinen machen wolltest. Diese Zweifel hättest Du nicht, wenn meine Liebe für Dich einen lebhafteren Ausdruck gehabt hätte, wenn ich mehr Worte dafür gehabt hätte, was Du meinem Herzen bist. Aber diese Zweifel werden bei Dir aufhören, wenn Du mich ganz kennst/ wenn Du mit meinem Wesen vertraut genug geworden bist, um zu wissen, in welche Sprache sich meine Empfindungen kleiden. Auch meine Liebe ist still, wie mein ganzes übriges Wesen — nicht aus einzelnen, raschen Aufwallungen, auS dem

Schiller.

Schleiermacher.

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ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie kennen lernen. Es wird noch ein schönes Studium für uns beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennt, durch die man sich am gefälligsten berührt und am wenigsten fehl geht. Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei Erfahrungen übereinander machen werden, die eine schöne Beschäftigung für uns versprechen. Schon allein dieses, daß jedes von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augenblicklich und unaussprechlich. Ich könnte Dich aus allerlei Eigenheiten in mir vor. bereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst finden lassen. Deine Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein; was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer Liebe nichts zu tun. Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele ist eine Eigenheit in mir, daran Du Dich nach und nach gewöhnen mußt. Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird. Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen. ES wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.

Friedrich Schleiermacher. 251. Ans der Zeit von PrenßenS Erniedrig««». 1. Vaterlandsliebe.

(AiiS einer Predigt über Epheser 2, 19, gehalten in Halle 1809.) Ausgehend aus dem engen Gebiet ihres Hauses, stiften die Männer den Bund des Rechtes, der Gesetze, der gemein­ samen Tätigkeit. Hierhin bist du durch Gott selbst, der in den Veranstaltungen der Natur redet, gewiesen. Hier allein kannst du dich vollkommen verständlich machen, hier

Schiller.

Schleiermacher.

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ganzen Zusammenklang meines Lebens wirst Du sie kennen lernen. Es wird noch ein schönes Studium für uns beide geben, bis wir einander abgelernt haben, welche Saite am willigsten und am wohlklingendsten tönt, bis jedes von uns die zarten Stellen im Herzen oder in der Laune des andern kennt, durch die man sich am gefälligsten berührt und am wenigsten fehl geht. Ich sehe voraus, meine Liebe, daß wir noch allerlei Erfahrungen übereinander machen werden, die eine schöne Beschäftigung für uns versprechen. Schon allein dieses, daß jedes von uns da seine Wünsche anknüpft, wo das andere reich ist, dieses zu lernen ist keine so leichte Kunst, aber sie belohnt augenblicklich und unaussprechlich. Ich könnte Dich aus allerlei Eigenheiten in mir vor. bereiten, aber lieber will ich sie von Dir selbst finden lassen. Deine Blicke in meine Seele müssen Dein eigen sein; was Du selbst entdeckst, wirst Du desto glücklicher und desto feiner anwenden. Irre Dich nicht an den seltsamen Gestalten meiner Seele, die oft in schnellen Übergängen wechseln. Sie haben mit unsrer Liebe nichts zu tun. Diese schnelle Beweglichkeit meiner Seele ist eine Eigenheit in mir, daran Du Dich nach und nach gewöhnen mußt. Wie freue ich mich der Zukunft, die uns alles dieses mit einem sanften Lichte unvermerkt aufhellen wird. Heute ist Dein Brief an meine Mutter fortgegangen. ES wird ein glücklicher Augenblick für sie sein, wenn sie ihn erhält.

Friedrich Schleiermacher. 251. Ans der Zeit von PrenßenS Erniedrig««». 1. Vaterlandsliebe.

(AiiS einer Predigt über Epheser 2, 19, gehalten in Halle 1809.) Ausgehend aus dem engen Gebiet ihres Hauses, stiften die Männer den Bund des Rechtes, der Gesetze, der gemein­ samen Tätigkeit. Hierhin bist du durch Gott selbst, der in den Veranstaltungen der Natur redet, gewiesen. Hier allein kannst du dich vollkommen verständlich machen, hier

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Schleiermacher.

kannst du dich an ein gemeinsames Gefühl wenden und an gemeinsame Vorstellungen, so daß deine Gedanken sich deinen Brüdern empfehlen als solche, welche zugleich die ihrigen sind. Hier kannst du deine Entwürfe, wenn sie wirkich das Gute und Schöne betreffen, weil es sich in andern ebenso gestaltet wie in dir, zur gemeinsamen Sache erheben. Hier findest du einen großen Kreis, den du aber, wenn es dir eifrig anliegt, mit allem, was in demselben Gutes und Schlechtes im Großen vorgeht, wohl überschauen kannst; du findest ein dir entgegenkommendes gleiches Gefühl und wirst gern ausgenommen als ein Berechtigter zu jeder Mitwirkung. Hier kannst du sür das Gute wirken mit der vollen Kraft der Rede und der Tat. du kannst dich berufen auf die einwohnende gleiche Denkungsart, auf den ange­ stammten Sinn derselben Vorfahren, die alle verehren, auf die Bedeutung derselben Gesetze, denen alle unterworfen sind, auf tausend allen liebe und werte und in ihr Leben ein­ greifende Einrichtungen, welche alle denselben Sinn aus­ drücken und denselben Zwecken dienen, auf die auch deine Absichten hinauslaufen.

2. Trostworte zur Zeit der Erniedrigung. (AuS einer Predigt über Matth. 24, 1—2: Die rechte Bek­ ehrung gegen das einheimische Große aus einer früheren Zeit, ge­ halten am Geburtstag Friedrichs deS Großen 1808 zu Berlin.)

Wir wollen eingestehen, daß wir weise und gut sind geführt worden, und wir können es beweisen durch die be wunderungswürdigen Werke unb Taten, die aus jenen Ord nungen hervorgegangen sind. Aber wenn wir sehen, daß sie jetzt, mit der Blüte zugleich, welche sie hervorgetrieben hatten, abgestorben sind: so geschehe auch das ohne Klagen und übel begründeten Mißmut. Laßt uns nicht nach einem zu beschränkten Maßstabe das Dasein eines Volkes ab­ messen und nicht, indem wir nur mit dem vorigen blühenden Zustande die gegenwärtige Zerrüttung vergleichen, uns der Furcht wegen der Zukunft überlassen I Ein Volk ist ein

Echleiermacher.

3OT

ausdauerndes Gewächs in dem Garten Gottes, es überlebt manchen traurigen Winter, der es seiner Zierden beraubt, und ost wiederholt es seine Blüten und Früchte. Und sehet, ob uns nicht das Leben eines jeden Menschen etwas Ähn­ liches zeigt von dem, was wir jetzt im Großen erleide,t. Wenn die Blüte der Kindheit sich am schönsten aufgetan halte, folgte nicht gewöhnlich darauf eine Zeit der Trägheit, der Erschlaffung? Aber vergeblicherweise beunruhigten wir uns darüber, denn es war die Zeit, wo körperlich und geistig die schönere Entwicklung des Jünglings sich vorbereitete. Und wenn der Jüngling aufgeblüht ist, unterbricht nicht diese schöne Erscheinung eine Zeit, wo er unsicher und schwankend in der Welt auftritt, nicht recht zu wissen schei­ nend, wie er sein Leben gestalten und in die mannigfachen Verhältnisse der Welt eingreifen soll, manches Gute viel­ leicht vergeblich versuchend und manchem Gehaltlosen sich getäuscht hingebend? Aber mit Unrecht würden wir des­ halb besorgen, jene Blüte sei taub und werde nun frucht­ los abfallen; vielmehr wird in diesem unscheinbaren und bedenklichen Zustande der Grund gelegt zu der Festigkeit des Urteils und zu den sicheren Kraftäußerungen des Mannes. So tritt auch in den längeren geschichtlichen Lebenslauf eines Volkes leicht zwischen jede frühere und spätere Blüte eine Zeit der Verwirrung und der Gefahr, t*ie jedoch nur bestimmt ist, zu einem vollendeteren Zustand den Übergang zu bilden. 3.

Die Königin Luise.

(AuS einer Predigt über Jesaias 55, 8—9, gehalten zu Berlin am 6. August 1810, zur Gedächtnisfeier der hochseligen Königin.)

Sie nahm eine erhabene Stelle ein in diesem Leben, und wir wissen, wie innig sie, ohne jemals die Grenzen zu überschreiten, die auch für jene Höhen der Unterschied des Geschlechtes feststellt, Anteil genommen hat an allen großen Begebenheiten; wie sie sich eben durch die Liebe zu ihrem königlichen Gemahl, durch die mütterliche Sorge für die teuren Kinder alles angeeignet hat, was das Vaterland

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Schleiermacher.

betraf; wie lebendig sie immer erfüllt war von den ewig herrlichen Bildern des Rechtes und der Ehre; wie begeisternd ihr Bild und ihr Name, eine köstlichere Fahne, als welche die königlichen Hände verfertigt hatten, den Heeren im Kampfe voranging. Wir wissen, wie ihre Anmut und Würde auch die schweren Handlungen der Ergebung und Entsagung zu adeln und zu verschönern vermochte. Aber in dem allen war auch sie nicht die Herrin ihrer Taten, der Erfolg stand nicht in ihrer Hand, und wir wissen, wie wenig von dem, was sie sehnlich wünschte, in Erfüllung gegangen ist. Sollten wir aber deswegen ihre Wirksamkeit für gering halten? Nein! wollen wir diese ihrem Umfang nach schätzen, so laßt Uns auch dahin sehen, wo wir sie, gesondert von allem Fremden, betrachten können: jene innere, stille Wirksamkeit des Gemütes, die sie ausgeübt hat auf den König, ihren Geinahl, stärkend, beruhigend, erheiternd, im häuslichen Kreise ein Glück bereitend, zu dem er immer sicher zurückkehren konnte, ein Bild innrer Schönheit darstellend, vor welchem alles andere verschwand; die Wirksamkeit, die sie ausgeübt hat, einpflanzend eben jenes Bild in die Gemüter der könig­ lichen Kinder, welches sie auf immer festhalten wird bei dem Guten und Schönen und sie bewahren vor allem, was der vollendeten Mutter unwürdig sein könnte; und von diesem innersten Heiligtum aus, wie weit hat sich dieselbe Wirksamkeit verbreitet über alle, die ihr nahten, die ihr in Liebe und Verehrung angehörten; darauf laßt uns sehen! so werden wir bezeugen müssen, wieviel sie gewirkt hat, und Gott preisen mitten in Schmerz und Trauer für den Reichtum seiner Gnade. Und von dieser Wirksamkeit mehr als von jeder scheinbar größeren gilt, was in den auf unsern Text folgenden Worten gesagt ist: „Das Wort, das aus meinem Münde geht, soll nicht leer zu mir zurückkehren. Denn wie

der Regen nicht wieder gen Himmel kehrt, sondern die Erde befruchtet, so soll auch mein Wort nicht zurückkehren, sondern soll ihm gelingen, wozu ich es gesendet habe." Denn wie der Sohn Gottes das ewige Wort des Vaters genannt wird, so ist auch jedes edlere Gemüt, das ein Zeugnis von Gott

Schleiermacher.

Gräfin Schwerin.

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gibt durch sein Dasein, ein Wort des Herrn und kehrt nicht leer zurück, wenn es von der Erde verschwindet, sondern trägt noch spät bleibende Frucht! Je mehr wir verloren haben, um desto mehr auch behalten wir, und auch von ihr, der Vollendeten, gilt es: „Der Gerechte stirbt, aber sein Andenken bleibt im Segen." Amen.

Sophie Gräfin Schwerin. 252. Der Siegesbote. (Aus ihrem Tagebuche.) Noch am Abend des 9. April verbreiteten sich ängst­ liche Zweifel über die Lage der Armee; — so ging ich ahnungslos dem schönsten Tage meines Lebens entgegen. — Der 10. April 1814 begann schon in vollem Glanz. Eine Staffelte war am Morgen angekommen. Ich wurde mit der fabelhaften Nachricht geweckt, aber ich glaubte ge­ wiß noch nicht zu wachen, als ich auf dem Papier, das man mir vorhielt, den Einzug des Königs und Kaisers in Paris las. — Wir standen schnell auf und zogen uns zur Kirche an. Jubel füllte die Stadt, der entzückendste Frühlingstag verklärte das Siegesfest; als wir über die Brücke fuhren, kamen uns schon die eben im Lustgarten gelösten Kanonen entgegengezogen. So trat ich aus dem berauschenden Gewirr in den Dom hinein. Aber die Stunden gingen hin und brachten auf den ersten Rausch der Freude Angst und Zweifel für mich mit. Ich sing an, des allgemeinen Taumels müde zu werden und aller Nachrichten und Gerüchte, die sich jagten; ich wußte nichts von Wilhelm, in der allgemeinen Freude sehnte ich mich nach eigener. So stand ich — die Stelle, wo so un­ ermessene Wonne über mich kam, kann ich nie vergessen — im Garten war es — und blickte in die Frühlingsgräser, aus denen tausend Knospen und die ersten lieben Blüten sich hervordrängten — die Sonne des heutigen Tages lockte

Schleiermacher.

Gräfin Schwerin.

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gibt durch sein Dasein, ein Wort des Herrn und kehrt nicht leer zurück, wenn es von der Erde verschwindet, sondern trägt noch spät bleibende Frucht! Je mehr wir verloren haben, um desto mehr auch behalten wir, und auch von ihr, der Vollendeten, gilt es: „Der Gerechte stirbt, aber sein Andenken bleibt im Segen." Amen.

Sophie Gräfin Schwerin. 252. Der Siegesbote. (Aus ihrem Tagebuche.) Noch am Abend des 9. April verbreiteten sich ängst­ liche Zweifel über die Lage der Armee; — so ging ich ahnungslos dem schönsten Tage meines Lebens entgegen. — Der 10. April 1814 begann schon in vollem Glanz. Eine Staffelte war am Morgen angekommen. Ich wurde mit der fabelhaften Nachricht geweckt, aber ich glaubte ge­ wiß noch nicht zu wachen, als ich auf dem Papier, das man mir vorhielt, den Einzug des Königs und Kaisers in Paris las. — Wir standen schnell auf und zogen uns zur Kirche an. Jubel füllte die Stadt, der entzückendste Frühlingstag verklärte das Siegesfest; als wir über die Brücke fuhren, kamen uns schon die eben im Lustgarten gelösten Kanonen entgegengezogen. So trat ich aus dem berauschenden Gewirr in den Dom hinein. Aber die Stunden gingen hin und brachten auf den ersten Rausch der Freude Angst und Zweifel für mich mit. Ich sing an, des allgemeinen Taumels müde zu werden und aller Nachrichten und Gerüchte, die sich jagten; ich wußte nichts von Wilhelm, in der allgemeinen Freude sehnte ich mich nach eigener. So stand ich — die Stelle, wo so un­ ermessene Wonne über mich kam, kann ich nie vergessen — im Garten war es — und blickte in die Frühlingsgräser, aus denen tausend Knospen und die ersten lieben Blüten sich hervordrängten — die Sonne des heutigen Tages lockte

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sie zuerst hervor; es war, als kämen sie alle, auch das Fest der Heimat zu schauen und zu schmücken. — Ich dachte, ob sie auch mir blühten, ob dieser Frühling auch gewiß noch für mich da sei — da hörte ich ein neues Rufen und Jubeln; die Worte: „der Kurier! der Kurier!" unterschieden sich in dem Lärmen; beinahe mißmütig dachte ich: haben wir die Nachricht, können wir den Überbringer wohl abwarten — indem aber bin ich umringt von jubelnden, glückwünschen­ den Gesichtern: „Graf Schwerin! er ist es — er kommt als Kurier — eben hat er von Potsdam aus geschrieben, ihm die Postillione zu schicken!" — so rief alles durcheinander. Jeder wollte mich zuerst mit dem Freudenschreck toten. — Ein Postsekretär ließ mich fordern und brachte mir die selige Bestätigung von seiner Hand. Aus Potsdam schrieb er mir: „Da der Postengang so unsicher war, so habe ich mich entschlossen, mich lieber selbst zu dir auf den Weg zu machen und dir heute Nachmittag um 4 Uhr mit 24 Postillionen Sieg und Freude zu verkündigen. Ich glaube, daß ich die Wilhelmsstraße herunterkomme, jedoch ganz stolz vorüberziehen werde, um meine dringenden Aufträge abzumachen. — Bis dahin Lebewohl!" — Nun kam Order zu illuminieren. Kaum waren wir von Tische auf, so kamen Zuschauer, um aus unsern Fenster» den Kurier einziehen zu sehen, ohne noch zu ahnen, wer dieser Kurier sei, auch Glückwünschende, die schon mein Glück erfahren hatten; ich versuchte mehrmals mich zu sammeln, ich ging allein auf mein Zimmer — ich wollte so gern zur Besinnung kommen; bald suchte ich mein Glück ganz zii fassen, zu überdenken, zu fühlen, dann mich in dasselbe zu fassen, zu finden, aber Ruhe fand ich nicht — ich konnte nur beten — stürmisches Dank- und Preisgebet — alle Leidenschaft und Liebe in Wonne und Seligkeit aufgelöst — — Dann ging ich wieder zurück an die vollbesetzte» Fenster. — Ganz Berlin int schönsten Festschmuck wallte noch immer die Straße aus und ab; aber immer noch zögerte die Ankunft des Erwarteten. Wilhelm war schon stundenlang in Schöneberg und wartete auf die Postillione;

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es waren am Morgen 26 Staffelten von Berlin «-gefertigt — man mußte in der Not andere Leute in Postillionsjacken stecken — so viel Pferde waren auch nicht gleich aufzutreiben — dies alles gab viel Aufenthalt. Da erschien vom Wilhelmsplah her eine Postkalesche — es war Schwerins Equipage — und darin der alte, treue Bogen: dies war also der erste Mensch, der aus Paris kam und mit Augen die Wunder geschaut hatte, die noch niemand glaubte. Wie stürzte ich ihm entgegen — wie um­ ringte ihn alles, wie wichtig und interessant erschien et; doch profitierte er wenig von der Gelegenheit, sein Licht leuchten zu lassen, und hatte besonders kein Glück in der Wahl seiner Berichte: so konnte man ihn nicht von einem gewissen Loch im Münsterschen abbringen, in welchem sie stecken geblieben waren. Doch brachten wir ihn endlich auf Paris, und da konnte er denn die guten, lieben Pariser nicht genug loben, die er übrigens nur vom Montmartre aus hatte kennen lernen. „Die Franzosen," sagte er, „ja, das sind böse Menschen — die haben uns genug zu tun gemacht — sie hätten uns am liebsten alle totgeschlagen, aber die Pariser — das scheinen gar zu gute Leute zu sein. Wie die sich zu uns freuten! wie lieb sie uns hatten! Wo man hin» hörte, hieß es immer: Monsieur, blanc »in? um zu fragen, was wir wohl für Wein haben möchten." Dies Geschwätz brachte mich wieder um einige Stunden weiter, bis endlich — endlich — welches Zögern hätte mich vorbcreiten können? — der Zug von der Leipziger Straße ber sichtbar ward und die Posthörner erschallten! — Das Volk drängte sich dichter hinter den Postillion — mitten unter dem einholenden Militär winkte mir Wilhelms Feder­ busch; er ritt ein Pferd des Königs und hatte die Kurier­ tasche dem Kostüm gemäß über der Uniform — das weiße Tuch um den Arm, Schärpe und Kartusche, wie er in Paris einritt. — Ich zwar sah von dem allen nichts — als er so nahe war, daß ich ihn erkennen konnte, wußte ich nicht, was ich mit dem Anblick machen sollte — unwill­ kürlich schloß ich die Augen im Übermaß meiner Wonne. CH fei. verbuch S.

10. «u».

M 26

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Gräfin Schwerin.

-------- Dies Glück — mein Gott, du weißt es — hatte ich nicht erbeten; — was in Jahrhunderten nur einmal unter Millionen nur eine treffen konnte — das hatte ich nicht auf mein armes Haupt herabgefleht — der volle Becher des Sieges und des Friedens, gereicht von der Hand der Liebe selbst — ich hatte ihn nicht gefordert — nicht einmal getrstumt — tropfenweise über meine Tage ausgegossen, hätte er das längste Leben noch beseligt. Aber ich sollte ihn leeren — und jetzt — jetzt war er da! — Ich öffnete die Augen, um Wilhelm mit dem Degen heraufgrüßen zu sehen — einige Schritte weiter ritt er aus dem Zuge heraus, um der Prinzessin Ferdinand, die unten am Fenster war, Nach­ richt von ihrem Sohne zu geben — dann verschwand er meinem verfolgenden Blick — Jubel und Menge ihm nach. — — Und nun trat ein langes, langes Harren ein — cs war 9 Uhr, ehe ich ihn wiedersah, doch teilte ich gar nicht das Mitleid, welches man mir allgemein über die Qual dieser Zögerung bezeugte — ich war viel zu glücklich, um noch zu wünschen; — auf solcher Höhe ist alles wollenrein, und wer alles hat, rechtet nicht mehr um dies und jenes. In derselben Stube, wo ich die Anstalten zu seiner Ab­ reise gemacht, ward nun alles zu seinem Empfange bereitet, dieselben Sachen, an denen noch meine Abschicdstränen hingen, packte jetzt der alte Bogen aus und erzählte mir. — Alles, alles wie damals, alles, alles anders! — dazwischen lag das ganze Schicksal der Heimat und mein Schicksal! — Erfüllung — unermessene Erfüllung war an die Stelle alles Fürchtens und Hoffens getreten. Als Wilhelm ging, ließ er die Feinde eine Meile von Berlin, jetzt kam er von Paris, um von ihnen zu erzählen. — In solchen Bildern ruhte ich meine Seele, und Seligkeit kennt keine Ungeduld. Ich suchte mich zu ruhen, aber jeden Augenblick schreckte mich die Hoffnung seines Eintretens wieder auf, jeden Augen­ blick brachte man mir auch Nachricht von ihm, was er gesagt, waS er erzählt — der eine hatte ihn bei Prinz Karl, der andere auf dem Schloß, dann im Schauspiel gesehen. Auch

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fingen schon von allen Seiten der Stadt die Sendungen um Nachrichten nach dem Hause des Kuriers an, weil wohl niemand ahnte, daß man ihn dort noch vergebens erwartete. Er war unterdessen unter immer größerem Zulaus die Linden herunter nach dem Palais geritten, wo er bei den königlichen Kindern abstieg und ihnen von allem Bericht erstattete; von da ward vor dem Schlosse Halt gemacht, wo er zur Prinzessin Wilhelm hinausging, überall soviel Aufent­ halt wie Begierde, ein Wort aus fernem Munde zu hören. Die Prinzessin erzählte uns nachher, ihr Keiner Sohn Adel­ bert wäre von dem Rausch des allgemeinen Jubels und von dem Zauberbilde, der Überbringer solcher Nachricht zu sein, so ergriffen gewesen, daß er sich mitten in den Saal gestellt und immer gerufen habe: „Ich bin der Kurier — ich bin der Graf Schwerin!" — Von da mußte der Zug, dem Ge­ brauch gemäß, bis zur Post zurück. In der Königsstraße ward das Gedränge so mächtig, daß man kaum von der Stelle konnte. Dem unaufhörlichen Geschrei: „Es lebe der Kurier!" gesellte sich hier auch noch das: „Es lebe der Graf Schwerin!" welches Wilhelm in keine geringe Ver­ legenheit setzte. Alle Menschen wollten ihm die Hand geben, und geschwungene Tücher flatterten so dicht um den Kopf seines Pferdes, daß es scheu werden mußte. Er glaubte sich sehr zu verbessern, indem er auf der Post sein Pferd abgab, um zu Fuß nach dem Komödienhause zu gehen, aber nun war er erst recht hilflos der Menge preisgegeben, und mehrere schnelle Wendungen, um ihr auf Seitenwegen zu entkommen, mißglückten auch durch die Wachsamkeit einer Schar von Straßenjungen, die ihn überall wieder aufgriffen und durch ihr Geschrei kenntlich machten. — In der könig­ lichen Loge mußte er noch dem ganzen Hofe Rede stehen, fand doch aber endlich Mittel, sich nach dem Gelegenheits­ stücke fortzumachcn. — Da, da endlich hatte ich ihn, aber wer nennt und beschreibt diesen Augenblick, wenn schon jeder ihn vor­ bereitende unbeschreiblich war? — wer nennt dieses erste Schauen, dies erste Sprechen nach so inhaltschwerer Tren26*

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Gräfin Schwerin.

Treitschke.

nung? — Auch uns mußte er nun sagen, was er schon tausendsach wiederholt hatte — vor allem Nachricht von allen Teuren. In allem hatte Gott uns geschützt, aber in unsere ungemischte Wonne fielen die warmen Tränen um die Herr­ lichen, die für uns gezahlt hatten mit Blut und Leben, utu die Trauernden, die für die Heimat weinten?

Heinrich von Treitschke. 253. Di- Schlacht bei Belle-Alliance. 1.

Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve; sein Plan war einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Engländer zu durchbrechen, wo möglich an der schwächste» Stelle, auf ihrem linken Flügel. Da die unsicheren Feuer» massen jener Zeit dem Angreifer erlaubten, mit unge­ brochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch ungeheuere Massenschläge den zähen Gegner niederzuringen. So begann die Schlacht — ein beständiges Vordringen und Zurücksluten der An­ greifer gleich der Brandung am steilen Strande — bis dann das Erscheinen der Preußen in Napoleons Rücke» und rechter Flanke den Schlachtplan des Imperators völlig umstieß. Der Kampf verlief wie eine planvoll gebaute Tra gödie: zu Anfang eine einfache Verwicklung, dann gewaltige Spannung und Steigerung, zuletzt das Hereinbrechen des alles zermalmenden Schicksals. Der letzte Ausgang hinter' ließ in der Welt darum den Eindruck einer überzeugenden, unabwendbaren Notwendigkeit, weil ein wunderbares Ge­ schick jeder der drei Nationen und jedem der Feldherrn genau die Rolle zugewiesen hatte, welche der eigensten Kraft ihres Charakters entsprach: die Briten bewährten in der Ver­ teidigung ihre kaltblütige, eiserne Ausdauer, die Franzosen als Angreifer ihren ritterlichen, unbändigen Mut, die Preußen endlich die gleiche stürmische Verwegenheit im An-

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Gräfin Schwerin.

Treitschke.

nung? — Auch uns mußte er nun sagen, was er schon tausendsach wiederholt hatte — vor allem Nachricht von allen Teuren. In allem hatte Gott uns geschützt, aber in unsere ungemischte Wonne fielen die warmen Tränen um die Herr­ lichen, die für uns gezahlt hatten mit Blut und Leben, utu die Trauernden, die für die Heimat weinten?

Heinrich von Treitschke. 253. Di- Schlacht bei Belle-Alliance. 1.

Auf den Höhen bei Belle-Alliance stellte Napoleon sein Heer auf, dahinter bei Rossomme die Reserve; sein Plan war einfach, durch einen oder mehrere Angriffe die Linien der Engländer zu durchbrechen, wo möglich an der schwächste» Stelle, auf ihrem linken Flügel. Da die unsicheren Feuer» massen jener Zeit dem Angreifer erlaubten, mit unge­ brochener Kraft nahe an den Verteidiger heranzugelangen, so hoffte der Imperator durch ungeheuere Massenschläge den zähen Gegner niederzuringen. So begann die Schlacht — ein beständiges Vordringen und Zurücksluten der An­ greifer gleich der Brandung am steilen Strande — bis dann das Erscheinen der Preußen in Napoleons Rücke» und rechter Flanke den Schlachtplan des Imperators völlig umstieß. Der Kampf verlief wie eine planvoll gebaute Tra gödie: zu Anfang eine einfache Verwicklung, dann gewaltige Spannung und Steigerung, zuletzt das Hereinbrechen des alles zermalmenden Schicksals. Der letzte Ausgang hinter' ließ in der Welt darum den Eindruck einer überzeugenden, unabwendbaren Notwendigkeit, weil ein wunderbares Ge­ schick jeder der drei Nationen und jedem der Feldherrn genau die Rolle zugewiesen hatte, welche der eigensten Kraft ihres Charakters entsprach: die Briten bewährten in der Ver­ teidigung ihre kaltblütige, eiserne Ausdauer, die Franzosen als Angreifer ihren ritterlichen, unbändigen Mut, die Preußen endlich die gleiche stürmische Verwegenheit im An-

Treitschke.

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griff und dazu, was am schwersten wiegt, die Selbstver­ leugnung des begeisterten Willens. Napoleon rechnete mit Sicherheit auf einen raschen Sieg, da er die Preußen fern im Südosten bei Namur wähnte. . Unter solchen Umständen schien es unbedenklich, den Angriff auf die Mittagszeit zu verschieben, bis die

Sonne den durchweichten Böden etwas abgetrocknet hätte. Um den Gegner zu schrecken und die Zuversicht des eigenen Heeres zu steigern, veranstaltete der Imperator im Angesichte der Engländer eine große Heerschau; krank wie er war, von tausend Zweifeln und Sorgen gepeinigt, empfand er auch wohl selber das Bedürfnis, sich das Herz zu erheben au dem Anblick seiner Getreuen. So oft er späterhin auf seiner einsamen Insel dieser Stunde gedachte, überkam es ihn wie eine Verzückung, und er rief: „Die Erde war stolz, so viel Tapfere zu tragen!" Und so standen sie denn zum letzten Male in Parade vor ihrem Kriegsherrn, die Betcranen von den Pyramiden, von Austerlitz und Borodino, die so lange der Schrecken der Welt gewesen und jetzt aus dem Schiffbruch der alten Herrlichkeit nichts gerettet hatten als ihren Soldatenstolz, ihre Rachgier und die unzähmbare Liebe zu ihrem Helden. Die Trommler schlugen an, die Feldmusik spielte das Partant pour la Shrie! In langen Linien die Bärenmützen der Grenadiere, die Roßschweif­ helme der Kürassiere, die betroddelten Tschakos der Vol­ tigeure, die flatternden Fähnchen der Lanciers, eines der prächtigsten und tapfersten Heere, welche die Geschichte sah. Die ganze prahlerische Glorie des Kaiserreichs erhob sich noch, einmal, ein überwältigendes Schauspiel für die alten Soldatenherzen; noch einmal erschien der große Kriegsfürst in seiner finsteren Majestät, so wie der Dichter sein Bild kommenden Geschlechtern überliefert Hat, mitten im Wetter­ leuchten der Waffen zu Fuß, in den Wogen reitender Männer. Die brausenden Hochrufe wollten nicht enden. Zehn Stunden noch, und dies herrliche Heer mit seinem Trotze, seinem Stolze, seiner wilden Männerkraft war vernichtet bis auf di« letzte Schwadron.

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Lreitschk.

2. Um V-12 Uhr begann Napoleon die Schlacht, lieb seinen linken Flügel gen das Schloß Goumont Vorgehen, während er zugleich auf seiner Rechten die Anstalten für den entscheidenden Stoß traf. Aber noch bevor diese Be­ wegung begann, wurde der Imperator bereits durch eine unheimliche Nachricht in der kalten Sicherheit seiner Be­ rechnungen gestört. Er erfuhr um 1 Uhr durch einen auf­ gefangenen Brief, daß General Bülow auf dem Marsche sei gegen die rechte Flanke der Franzosen; Und während er auf der Höhe bei Rosomme an seinem Kartentische stand, glaubte er auch schon fern im Osten bei dem hochgelegenen Torfe Chapelle St. Lambert dunkle Truppenmassen zu be­ merken, die alsbald zwischen den Wellen des Bodens wieder verschwanden. Ein sofort ausgesendeter Adjutant bestätigte die Vermutung. Gewaltsam suchte der Kaiser sich zu be­ ruhigen und sendete vorläufig zwei Kavalleriedivisionen ost­ wärts über den rechten Flügel der Schlachtstellung hinaus. Es war ja doch sicher nur das eine Korps Bülows, viel­ leicht nur ein Teil davon, und ehe die Preußen in die Schlacht eingreifen konnten, mußte Wellington geschlagen

sein. Seinen Offizieren aber sagte Napoleon mit zuver­ sichtlicher Miene, Marschall Grouchy ziehe zur Unterstützung der rechten Flanke herbei: die Armee durfte von der Gefahr nichts ahnen. Währenddem war Erlvn mit seinen vier Schlachthaufen vorgerückt; schon während des Anmarsches erlitt er schwere Verluste, ganze Reihen in den tiefen Ko­ lonnen wurden von den englischen Kanonenkugeln nieder­ gerissen. Und jetzt ließ sich schon nicht mehr verkennen, daß jedenfalls ein beträchtlicher Teil der preußischen Arme« im, Anmarsch war und zwar in der Richtung auf das Dorf Plancenoit, das im Rücken des rechten Flügels der Fran­ zosen lag. Aus Furcht vor dem Angriff der Preußen wagte der Imperator auch nicht mehr, die 24 Bataillone seiner Garde, die noch unberührt in Reserve standen, gegen die Engländer vorzuschicken, sondern beschloß, .mit seiner ge­ samten Kavallerie das Zentrum Wellingtons zu durchs

Treitschle.

veit mehr aber wurden lebendig von den andern zertreten; es mochte sterben, was starb. Denn weil die Hellenen wußten, ihr Tod wäre ihnen gewiß durch die, welche den Berg umgangen, so setzte ein jeglicher alle seine Kraft dran wider die Barbaren und schonte weder sein selbst noch des Feindes. Nun waren aber damals schon den meisten ihre Lanzen zerbrochen, da gingen sie den Persern mit dem Schwert zu Leibe. Und Leonidas fiel in diesem Getümmel, nach­ dem er heidenmäßig gekämpft, und mit ihm viele nam­ hafte Spartiaten. Die Namen dieser würdigen Männer hab ich erfahren; ich weiß auch die Namen aller Drei­ hundert. Aber es fiel auch von den Persern eine große Zahl, darunter auch zwei Söhne des Darios, Abrokomes und Hyperanthes. Zwei Brüder des Lerxes sielen also hier in dem Streit, und über dem Leichnam des Leonidas ent­ stand ein großes Gedränge der Perser und Lakedämonier, bis daß die Hellenen ihn durch ihre Tapferkeit fortbrach­ ten und den Feind viermal in die Flucht jagten. Das dauerte so lange, bis die mit dem Epialtes dazukamen. Als aber die Hellenen diese ankommcn sahen, da gewann der Streit eine andere Gestalt. Denn sie wichen zurück in die Enge des Wegs und gingen wieder hinter die Mauer und kamen und setzten sich auf den Hügel alle zusammen auf einen Haufen, ohne die Thebäer. Dieser Hügel aber ist in dem Eingang, da wo jetzo der steinerne Löwe zur Ehre des Leonidas steht. Hier an dieser Stelle wehrten sie sich mit den Schwertern, die noch welche hatten, und mit Hand und Mund, aber die Barbaren begruben sie unter ihren Schlägen, denn ein Teil jagte ihnen nach und riß die Schutzmauer nieder, die andern aber umringten sie von allen Seiten.

Herodot.

Zkenopho«.

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Da nun die Lakedämvnier und Thespier sich also hiel­ ten, soll sich doch am tapfersten gezeigt haben Dienekes von Sparta. Der soll folgendes Wort gesprochen haben, noch ehe es zum Treffen kam mit den Medern, als er von der Trachinier einem hörte, daß, wenn die Barbaren ihr Geschoß abschössen, würde die Sonne verdunkelt wer­ den durch die Menge der Pfeile, so groß wäre ihre Menge: da soll er, unerschrocken und unbekümmert um die Menge der Meder, gesagt haben: das wäre ja recht schön für sie, was der trachinische Freund berichtete; wenn die Meder die Sonne verdunkelten, so würde man mit ihnen im Schatten fechten und nicht in der Sonne. Diese und der­ gleichen Reden mehr soll der Lakedämvnier Dienekes ge­ führt haben, zu seinem Gedächtnis. Nach diesem aber, sagen die Lakedämonier, hätten sich am tapfersten gehalten zween Brüder, Alpheos und Maron, Oriphantos Söhne. Bon den Thespiern aber tat sich am meisten hervor Dithyrambos, des Harmatides Sohn. — Sie wurden an der Stelle begraben, da sie sielen, und für sie und die da gestorben, ehe Leonidas die andern entlassen, ist eine Inschrift errichtet, die lautet also: Mit dreihundertmal Zehntausenden kämpfeten einstmals

Hier viertausend Mann Peloponnestervolk.

Diese Inschrift geht auf alle, folgende aber auf die Spartiaten besonders: Fremdling, melde dem Bolt LakedämonS, daß wir allhier ruhn, Weil in Gehorsam wir seine Gebote befolgt.

258. Thalatta. Au» Tenophon» AnabasiS, Buch 4, lkapitel 7.

Sie rückten nun bis an den Harpasus vor, einen vier Plethren breiten Strom. Bon hier aus zogen sie in vier Märschen zwanzig Parasangen durch das Gebiet der Scythinen über eine Ebene und blieben in den Dörfern, die sie jetzt antrafen, drei Tage und versorgten sich mit Lebensmitteln. Hierauf legten sie in vier Märschen zwanzig .Parasangen zurück und erreichten eine große, reiche und

AuS griechischen Schriftstellern.

bevölkerte Stadt, namens Gymnias. Der Beherrscher dieser Landschaft schickte den Griechen einen Wegweiser, der sie durch das Gebiet seiner Feinde führen sollte. Dann kam er selbst und versprach unter Verbürgung seines Kopfes, er wolle sie in fünf Tagen bis zu einer Stelle führen, von wo aus sie das Meer erblicken könnten. Er über­ nahm selbst die Führung, und als er sie in das ihm feind­ liche Land gebracht hatte, forderte er sie auf, dies zu ver­ heeren. Da merkte man, daß sein Diensteifer nicht aus Wohlwollen gegen die Griechen entsprungen war. Am fünften Tage langten sie bei dem „heiligen" Berge Techos an, und als die Vorhut den Gipfel erstiegen hatte und wirklich von dort aus das Meer erblickte, er­ hoben alle ein großes Geschrei. Lenophon und die Nach­ ziehenden glaubten, Feinde griffen an, da ja doch auch die Bewohner des eben verheerten Landstriches vom Rücken her drohten. Einige Leute von dort waren von der Nach-' Hut, die sie aus einem Hinterhalt angegriffen hatten, teils niedergemacht, teils gefangen worden, und bei dieser Ge­ legenheit hatte man etwa zwanzig geflochtene Schilde, die mit ungegerbten Ochsenhäuten überzogen waren, erbeutet. Als nun der Lärm stärker wurde, je näher man tarn, und die Nachrückenden stets den Voranmarschierenden, die unablässig schrieen, in Laufschritt zueilten und der Lärin

in dem Maße zunahm, wie die Anzahl der Soldaten auf der Höhe, so glaubte Lenophon, es müsse etwas Wichtiges geschehen sein. Er bestieg also sein Pferd und sprengte mit Lycius und der Reiterei zur Hilfe. Und nun hörten

sie denn den stets wachsenden Zuruf der Soldaten: Thalatta! Thalatta! Das Meer! das Meer! Ein allgemeines Laufen ergriff nun auch die Nachhut, das Zugvieh und die Pferde wurden auch zu höchster Eile angetrieben. Nachdem nun alle den Gipfel erklommen hatten, umarmten sie sich ein­ ander, die Heerführer und Hauptleute laut weinend. Uyd sofort trugen die Soldaten wie auf Befehl Steine zusam­ men, errichteten einen großen Hügel und legten eine Menge roher Häute und Stäbe und die erbeuteten lederüberzogen«»

Zencptjon.

Platon.

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Schilde oben darauf. Der Wegweiser und andere mit ihm zerhieben die Schilde. Darauf entließen die Griechen den Wegweiser, nachdem sie ihn aus dem gemeinsamen Gut reich beschenkt hatten, und zwar mit einem Pferde, einer silbernen Schale, einem persischen Anzug und zehn Dareiken. Besonders bat er um Ringe und bekam deren eine große Menge von den Soldaten verehrt. Nachdem er den Griechen das Dorf gezeigt, wo sie übernachten sollten und den Weg in das Gebiet der Makronen, schied er des Abends und kehrte während der Nacht in seine Heimat zurück.

259. ««S Platons Gastmahl. 1. Agathons Lobrede auf Eros. Alle, welche bis jetzt gesprochen haben, schienen mir nicht den Gott zu loben, sondern die Menschen selig zu preisen um das Gute, dessen Urheber ihnen der Gott ist; was für einer er aber selbst ist, der ihnen dies alles gewährt hat, das hat keiner gesagt. Die einzig. richtige Weise aber eines jeden Lobes für jeden ist, in einer begründenden

Rede zu zeigen, welchartig und welchartiger Dinge Urheber der ist, von dem geredet wird. Aus diese Weise also gebührt auch uns den Eros zu loben, zuerst ihn selbst, wie er beschaffen ist, und dann seine Gaben. Daher behaupte ich, daß unter den insgesamt glück­ seligen Göttern Eros, — wenn es verstattet und un frevelhaft ist zu sagen, — der glückseligste ist, weil der schönste und beste. Er ist aber der schönste durch folgende Beschaffenheit: erstens ist er der jüngste unter den Göttern, o Phädrvs; einen großen Berveis für diese Behauptung gibt er uns selbst, indem er fliehend dem Alter entkommt, welches offenbar doch schnell ist, — schneller wenigstens als billig ereilt es uns; dieses, sage ich, haßt Eros seiner Natur nach und kommt ihm auch von weitem nicht nahe. Mit der Jugend aber gesellt er sich und gefällt sich, und ganz recht hat jener alte Spruch, daß das Ähnliche immer zum Ähnlichen sich hält. Daher stimme ich dem Phädros

Zeichnen wuchs ihm die richtige Er­ kenntnis nur so zu. Im Jahre 1823 endlich erschien sein be­ rühmtes Bilderwerk über den Dom. Er fand auch die einst unter den Bauurkunden der Dombauhütte bewahrten, zur französischen Zeit entführten alten Baurisse der noch unvoll­ endeten Turmseite, und zwar, merkwürdig genug, aus den, Speicher des Gasthauses zur Traube in Darmstadt, wo man die riesigen Pergamente dazu benutzte, Bohnen darauf zu trocknen. Aber Boisseree war es auch, welcher nachwics, daß ein Ausbau des Domes möglich sei. Er gewann den Kron­ prinzen von Preußen schon 1816 für diesen kühnen Gedanken; anfänglich besserte man nur die alten Schäden aus, dem gänzlichen Verfall zu wehren, aber unterdes wuchs die Zuver-

Der Kölner Dom.

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sicht und der Mut, und 1842 legte der inzwischen König ge­ wordene Friedrich Wilhelin selbst den Grundstein zum Weiter­ bau. Das Begonnene wurde weitergcsührt, die Türme nach den alten Rissen gebaut, nur Nord- und Südportal nach Plä­ nen des Dombaumeisters Zwirner völlig neu geschaffen, jedoch ganz im Sinne der alten Meister. Der Dachreiter, d. h. der schlanke Turm auf der Vierung, dem Kreuzungsort des Laug­ schiffes und Querschiffes, ist aus Eisen. 1862 stand der Ban, ohne die Türme, fertig da, und am 14. August 1880, genau 632 Jahre nach der Grundsteinlegung, prangten die Krcuzesblumen auf den Zwillingstürmen. Wo jetzt der Dom steht, da stand seit dem frühen Mittel­ alter ein großer romanischer Bau. Als im 13. Jahrhundert eine neue Bauweise auskam, die von Nordfrankreich her auch in Deutschland Eingang fand, der jetzt so genannte gotische Baustil, da dachten die Erzbischöfe daran, den Dom umbauen zu lassen, zunächst wenigstens das Chor. Als gar ein Brand das romanische Chor zerstört hatte, da war die äußere Ver­ anlassung gegeben: in aller Welt ließ der Erzbischof Konrad von Hochstädten den Ruf erschallen, zum Neubau beizusteuern in trüber Zeit. Denn es war die Zeit des beginnenden Inter­ regnums. Am 14. August 1248 wurde der Grundstein mit großer Feierlichkeit gelegt, wenn auch nicht in Anwesenheit des neugewählten deutschen Königs, Wilhelm von Holland, wie vielfach behauptet wird. Der erste Baumeister war Gerhard von Riele, einem Orte unweit Köln. Im Jahre 1322 stand das ,Summum" oder hohe Chor fertig da. Es war in wahrhaft riesigen Maßverhältnissen gebaut und galt sofort als das Wunderwerk seiner Zeit. Es stellte den übrigen Teil der Kirche so sehr in Schatten, daß man ohne weiteres dazu über­ ging, alles andere niederzureißen und den Bau weiterzu-ühren. Im Jahre 1347 begann der Weiterbau. Er war aber zu groß angelegt, als daß bei den be­ ständigen Fehden jener Zeit, bei dem Verfall des Wohlilandes und des Zunftwesens eine Vollendung hätte erreicht werden können. Immer lässiger ging der Bau, und als iNan

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ihn 1437 ganz einstellte, war der südliche Turm ungefähr 150 Fnß hoch, der nördliche sah eben aus der Erde heraus, und die Pfeiler der Kirche selbst hatten kaum die Höhe von 30 Fuß erreicht. Zu Nord- und Südportal lagen nicht einmal die Grundmauern. Beschauen wir uns den Dom, wie er heute dasteht, von mißen, so erscheint er dem nicht kunstverständigen Auge wie erstickt von Zieraten uno unnützen Türmchen und allerlei tändelndem Beiwerk. Die gotischen Kirchen zu verstehen, ist eben nicht so einfach. Nur soviel sei gesagt, das; die mächtigen Kreuzgetvölbe im Innern nicht nur auf den Pfeilern inwen­ dig aufruhen, sondern auch von außen gestützt werden durch einen Wald von sogenannten Strebepfeilern, welche den Dom umstehen, wie ein glänzendes Gefolge. Mit den Gewölben sind diese Pfeiler wieder durch Bögen verbunden, und all dieses Mauerwerk hat mau nicht kahl gelassen, sondern hat es teils geradezu vielfach durchbrochen gearbeitet, teils mit sogenann­ tem Maßwerk und Stabwerk übersponnen, kurz, über und über geschmückt. Das Chor ist von gleicher Höhe >vie die Kirche, es schließt halbrund, und ihm vorgelagert sind sieben niedrigere, vieleckige Kapellen, daß das Ganze einer Krone mit sieben Spitzen zu vergleichen ist. Schaut mau von der Nheinseite her gegen das Chor, dann erscheint es wie ein -erNüftctes Gebirge, beinahe sinueverwirrend kreuzen sich die Linien der Bögen, Giebel und Strebepfeiler, der Fialen und Wimperge, der Krabben und Kreuzcsblumen, und doch stellt das ganze Chor eine einzige, schöngeschwungene, deutlich er­ kennbare Halbkreislinie dar.

Eine fernere Eigentümlichkeit der reicheren gotischen Kirchen ist der Fenstcrreichtum. Da die Gewölbe, wie angedeutet, von wahrhaft riesigen Säulen oder vielmehr Säulen­ bündeln, die im Innern der Kirche stehen, und außerdem von ebenso mächtigen Strebepfeilern, die außen stehen, getragen und gehalten werden, so dienen die Umfassungsmauern nicht zum Zusammenhalten des Baues, sondern sind bloßer Wand­ verschluß. So hat mau denn die Mauern geradezu durch ge­ waltige Fenster ersetzt, welche die ganzen Räunie zwischen den

Der Kölner Dom.

Strebepfeilern ausfüllen. Sie sind in Spitzbögen geschlossen, und ihr oberer Teil zeigt in Steinhauerarbeit wiederum das dieser Bauweise so eigentümliche reiche und reizvolle Linien­ spiel: da wogen die Kreise und Halbkreise und Spitzbögen durcheinander, wie steinerne Musik. Hohe Spitzgiebel schirntcit wie ein aufgeschlagener Hutrand die einzelnen Fenster.

Die Türme endlich zeigen den himmelanstrebenden Zug der mittelalterlichen Kunst so stark, wie kein anderes Bau­ werk jener Zeit. Sie stehen an den westlichen Pforten, rechts und links, einander völlig gleich gebildet. Ihr Erdgeschost birgt die drei tiefen, mit Figuren geschmückten Eingangs­ türen, welche gleichsam die Arme weit öffnen, die Gläubigen zu locken. Mächtige Wimperge (Spitzgiebel) bilden ein schützendes Dach über den Toren. Fenster von gewaltigster Höhe füllen die folgenden Turmgeschosse: dann springt das Viereck in ein Achteck um, an dessen Ecken kleinere Türmchen, Fialen genannt, emporsteigen. Acht Fenster füllen wiederum die einzelnen Seiten des Achtecks. Nun beginnt die Turm­ spitze oder der Helm. Es ist kein Dach, sondern ein einziger steinerner Zierat. Sogar das Auge klettert nur mühsam die steilen achtseitigen Hclmpyramiden hinan, die mit zahllosen steinernen Kantenblättcrn (Krabben) wie mit Dornen besetzt sind, und die in ihrer durchbrochenen Arbeit so leicht und schlank und mühelos in das urendliche Himmelsblau hinein­ ragen, das sie umgießt und ganz durchleuchtet — bis der Abschluß endlich, 550 Fuß über dem Erdboden, mit der wuch­ tigen Kreuzesblume erreicht ist.

Dies gewaltige Emporstreben der gotischen Tome hängt übrigens eng zusammen mit ihrer Lage mitten in volk­ reichen, dichtbebauten Städten: zwischen dunkeln Häuser­ massen, aus engen Gassen sollten diese Gotteshäuser empor­ ragen, wie einzelne Waldriesen aus dichtem Baumgewirr ihre Kronen hoch über das niedere Baumvolk strecken und ins weite Land schauen. Man sollte die Dome als Wahr­ zeichen der Stadt aus der Ferne sehen: kein freier Raum ward für sie abgesondert, wie für die rundum freistehen­ den griechischen Tempel. Gerade der Fuß der mittelalter-

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Der Kölner Dom.

lichen Dome ist meist unscheinbar. Es ist darum ein Nicht­ verstehen des mittelalterlichen Geistes, wenn man solche Dome mit großen Kosten „freigelegt" hat; enttäuscht hat man erlebt, daß die erhoffte Wirkung ausgeblieben ist.

Treten wir in das Innere des Domes, so erwartet unS zuvörderst der überraschende Anblick, daß die ganze Länge der mächtigen Kirchenhalle bis in das Chorhaupt hineiil so­ fort uns vor Augen steht; denn auch die Turmhalle ist nichts für sich, sondern schon ein Teil des inneren Kirchenraumes. Die höchsten Türme der Erde ruhen nicht auf zusammenhän­ genden Mauern, sondern nur auf den zweimal neun Pfeilern, zwischen welchen wir durchwandeln! Fünf Schiffe hat die in Kreuzesform gebaute Kirche, das Mittelschiff, 50 Fuß breit, erscheint schmal gegen seine Höhe, die das dreifache beträgt. Schwindelnd schaut das Auge hinauf gegen die Kreuzgewölbe, die hoch über uns schweben; ihnen entgegen klettern die mäch­ tigen, himmelanstrebenden Säulenbündel, die oben sich fächer­ artig ausbreiten und in die Gewölbe übergehen, so daß sie sich gegeneinander zu neigen scheinen, wie die Baumkronen in einem Buchenwald. Neben dem Mittelschiff ziehen sich zu jeder Seite zwei ungleich niedrigere Seitenschiffe hin. Die Fenster, so riesig sie sind, lassen doch nicht den vollen Tag in das Gotteshaus, denn die Glasmalereien dämpfen das Licht, und zwar strahlen die Chorfenster, die noch aus dem Mittel­ alter stammen, in harmonischem, mildem Glanze, die mo­ dernen Fenster, etwas aufdringlich, in prächtigem, leuchten­ dem Golde. An Flächenraum wird der Kölner Dom von andern Kirchen noch übertroffen: St. Paul in London und der Mai­ länder Dom sind größer, St. Peter in Rom mehr als doppelt so groß. Allein der Blick die Halle entlang, während die Kreuzgewölbe über uns mitzuwandeln scheinen, gegen die an­ scheinend aus endloser Ferne die dämmernde Kirche durch­ strahlenden Chorfenster hin, das ist einzig, das finden wir weder im Mailänder Dom, noch auch in der Peterskirche. Eergreift uns unwiderstehlich ein Gefühl der Andacht: Gott ist

Der Kölner Dom. Der Genter Altar der Brüder van Eyck.

491

gegenwärtig, kommt, labt uns anbeten in seinem heilige« Tempel! Es ist, wie Max von Schenkendorf singt: „Es ist ein Wald voll hoher Bäume, Die Zweige seh ich fröhlich blühn Und aus den Wipfeln fromme Träume Zum fernen Reich der Geister zieh».

So kühner Sinn und erstes Streben, DaS aus den Steinen Blumen treibt. Es ist der Väter Art und Leben, Das nimmer auf der Erde bleibt. Da- wollen diese Säulen sagen, Die himmelwärts die Blicke ziehn, Dazwischen, wie in grauen Tagen Im Eichenhain, die Beter knien.

Cs ist kein eitles Licht der Sonnen, WaS durch die bunten Scheiben fällt. Ist Widerschein der trogen Wonnen, Ist Strahl auS einer bessern Welt."

273. Der Genter Altar der Brüder van Eyck. Vielleicht das Schönste und Vollendetste unter den reichen Schätzen des Kaiser-Friedrichs-Museums in Berlin sind zwölf Gemälde aus dem späteren Mittelalter, alle« samt Teile des Genter Altaraufsatzes der Brüder van Eyck. Eigentlich waren es nur sechs schmale, hohe Holztafcln, auf beiden Seiten bemalt, die man aber vor wenigen Jahrei» behutsam gespalten hat, damit man die Bilder der beide»» Seiten gleichzeitig beschauen könne. Der Altar, zu dein diese Tafeln ursprünglich gehörten, war ein Flügel« oder Schrank­ altar in zwei ganz getrennten, übereinander stehenden Tei­ len. Das Hauptbild war unten in der Mitte und zeigte die Anbetung des Lammes, nach der Darstellung im fünften Kapitel der Offenbarung Johannis. Dies Bild konnte voi» rechts und von links her durch je eine doppelte, zusammenlegbare Flügeltüre geschlossen werden, und diese vier Flügel sind eben in Berlin, nebst zwei Flügeln vom obern Teil des Altarschreins. Auf der Außenseite des untern Flügel­ paars sieht man in der Mitte Johannes den Täufer und

492

Der Genter Altar der Brüder »an Eyck.

den Evangelisten Johannes, grau in grau gemalt, als wären es aus Sandstein gemeißelte Figuren, links den Stifter des Altars, fromm und demütig mit gefalteten Händen knieend, rechts ebenso seine Gattin, mit scharfem Berstandesblick, offenbar an Klugheit dem Geinahl über­ legen. Die Innenseite der Flügel zeigt rechts heilige Ein­ siedler und heilige Pilger, die zur Anbetung des Lammes ziehen. Um eine Felsenecke biegen die Einsiedler, Lorbeer und andere Bäume des Südens sprießen um sie, der hei­ lige Antonius führt die frommen Wanderer, und jeder ist so sprechend und lebenswahr, daß man meint, man müsse ihm schon wo begegnet sein. Jedes Härchen auf dem Haupt und im Bart ist einzeln mit spitzem Pinsel gemalt; man erkennt bei jedem Greis, ob sein Haar einst schwarz oder braun oder rot gewesen ist. Ähnlich die Pilger, die der riesige Christoph anführt. Die Tafel» links zeigen heilige Streiter, hoch zu Roß; in den blanken Rüstungen spiegeln sich hier und da die roten Lanzen; der heilige Georg reitet vor, das entblößte Haupt deniütig geneigt. Aus aller Mienen ist zu lesen, daß sie dem hochheiligsten Erlebnis entgegenziehen, sie erscheinen alle wie Brüder jener geistlichen Ritterorden des Mittelalters, nur noch durch­ geistigter, gleichsam verkörperte Erscheinungen des innersten Wesens jener Orden. Zwei dieser Reiter tragen die Züge der Maler, der Brüder van Eyck.

Der Oberteil des Altaraussatzes zeigte den thronen­ den Gottvater, zur Linken Maria, zur Rechten Johannes den Täufer. Die doppelten Flügeltüren, die diese Gemälde schützen sollten, zeigten, wenn sie geschlossen waren, die Verkündigung, links den Himmelsboten Gabriel, rechts die demütige Magd des Herrn, die gebenedeite Jungfrau. Sie sind auch in Berlin. Waren sie geöffnet, so sah man rechts die orgelspielende Cäcilie, deren Spiel EngÄ auf Geigen begleiten. Welche Pracht der rotgoldnen Locken, wie wun­ derbar das schwerfallende Brokatgewand, in wie hinnnlische Harmoniken versunken das Antlitz der Heiligen! Die lieblichen Engel haben eine Pause, sie zählen den Augeu»

blick, wo sie wieder einzufallen haben mit ihrem Spiel. Die linke Flügeltafel zeigte, wenn sie geöffnet war, sin­ gende Engelsknaben, die vor einem Notenpult stehen. Schon die Schnitzerei dieses Pultes ist auserlesen kostbar; vom blaneil Himmel heben sich die Häupter der Knaben ab, und jedenr sieht man an, welche der vier Stimmen er singt, vom Soprail, der mit erhobenem Haupte mühsam die hohen Töne hinaufklettert, bis zum Baß, der die tiefen Töne zu singen hat. Und tvieder die rotblonde, Lockenfülle und die Brokatgewündcr! Das sind also die seligen Chöre, die daHallelujah anstimmen vor dem Throne des Schöpfers. Ans dcil Außenflügeln des Oberteils, die im Museum zu Brüssel ausbewahrt werden, sind Adam und Eva dargestellt, die Urheber der Sünde, so daß wir Sünde, Erlösung und Himmelsherrlichkeit durchlaufen. All diese Gemälde sind, obwohl fast ein halbes Jahr­ tausend alt, so frisch, als seien sie gestern gemalt, Vie Far­ ben glänzen in Heller, festlicher Pracht, ein Beweis der liebe­ vollen, unsäglichen Sorgfalt, mit der die Meister auf Beschassnug vorzüglichsten Holzes und bewährtester Färben bedacht waren. Alle Gestalten sind ungewöhnlich lebens­ wahr; trotz der peinlichsten Ausführung aller Einzelheiten ist nichts darin kleinlich, so dass bei jedem dieser Bilder der Blick zunächst ganz von selbst auf das Ganze geht, ans den Ausdruck der Gesichter, auf das Wesentliche der Handlung. Wer aber länger verweilt, sieht nach und nach auch all die Feinheiten, die Muster der Gewänder, die Stickereien nnd Kleinode, die Schnitzerei und die Einzel­ züge der Gesichter: Vollendung im Großen und Vollendung im Kleinsten, wie in her Natur! Aber warum sind gerade diese Tafeln in Berlin? Wo sind die andern hingekommen? Um das zu beantworten, müssen wir die Geschichte des Altars kennen lernen. Es war im Jahr 1420, da beschloß der ehrsame, reiche und fromme Vnrgemeister von Gent, Jodokus Vyts, Herr von Pamcle, nebst seiner Eheliebsten Lisbette aus dem Geschlechte der Burlut, sür die Johanniskirche in Gent

404

Der Genter Altar der Brüder van Eyck.

einen Altar zu stiften, so groß und schön wie kein anderer in der reichen Tuchmacherstadt Gent. Sie besprachen die Sache mit dem besten aller flandrischen Maler, dem Meister Hubert van Eyck aus Brügge, dem berühmten Erfinder der Ölmalerei, der damals in der Vollreife seiner Kunst stand; er war 54 Jahre alt. Der Auftrag war so ehrenvoll und umfassend geplant, und Hubert erfaßte die Sache so­ fort mit solchem Eifer, daß er nach Gent übersiedelte und seine ganze Kraft diesem Werk widmete. Als er sechs Jahre daran gearbeitet hatte, starb er, 1426. Er hatte sich aber längst seinen um zwanzig Jahre jüngeren Bruder Jan als Schüler und Gehilfen herangezogen, und Jan arbeitete rüstig weiter an dem großen Werke, bis es laut der Inschrift am 6. Mai 1432 vollendet war, und auch in höherem Sinne so vollendet, daß wir es den größten Meisterwerken zurechnen, die jemals der Pinsel hervor­ gebracht hat. Späterhin übertrug man den Altar in die Kirche St. Bavo, da stand der mächtige Doppelschrank bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts unversehrt. Gent gehörte damals zu den österreichischen Niederlanden, und als Kaiser Joseph II. einmal dort weilte und den Altar besah, da warf er die Bemerkung hin, die nackten Figuren von Adam und Eva paßten doch nicht so recht in eine Kirche. Könige haben lange Arme, und ein Herrscherwort, sei es auch nur ein augenblicklicher Einfall, wird gern als Be­ fehl ausgcsaßt. Kaum war Joseph abgereist, als man auch schon die obern und untern Seitenflügel vom Altar ab­ riß und auf den Dachboden der Kirche stellte. Ein Dom­ herr betrachtete die Tafeln als herrenloses Gut und ver­ kaufte sechs an den König von Preußen nach Berlin, die zwei mit Adam und Eva nach Brüssel. Dort sind sie noch. Als sich mir eines Tages ein Herzenswunsch erfüllte, daß ich St. Bavo in Gent betreten durfte, bat ich den Küster, mich eine Weile allein zu lassen in dem Heilig­ tum der kleinen Chorkapelle. Er erlaubte es, und die Weile wurde sehr lang, aber keine Langeweile, sondern eine Stmü>e

Der Genter Altar der Brüder van Eyck.

49$

der Erbauung; da fühlte ich, wie die Werke der höchsten Kunst eine beredte, stumme, ewige Predigt sind, beredter als das gesprochene Wort. Das große Hauptbild zeigt eine Wiese, in deren Mitte steht auf einem Altar das Lamm, aus seiner Seite fließt der welterlösende Blutstrom; Engel um* kniccn das Lamm, Weihrauchgefäße schwingend. Wie singt das, kniet das und betet das an, wohin man schaut! Sind die Darstellungen der Pilger, Einsiedler und Gottesstreiter auf den Türen Erwartung und Sehnsucht, so ist hier im innern Heiligtum die Erfüllung! Apostel und alttestament* liehe Propheten, heilige Päpste, heilige Märtyrer und heilige Jungfrauen: wie zieht das heran in Scharen! und in der Ferne, von Palinen beschattet, steigen die Mauern und Zinnen des himmlischen Jerusalems. Und nun darüber die übermächtige Gestalt des thronen­ den Weltenschöpfcrs, in seliger Ruhe und doch allwaltend, sich abhebcnd vom Hintergrund eines ausgespannten Tep­ pichs, und ihm zur Seite Maria und Johannes! — Der Küster hatte mir ein Vergrößerungsglas gegeben, und mit Staunen blickte ich durch auf den grünen Wiesenplan, der nunmehr erst voll und schön erblühte und seine verborgenen Schönheiten enthüllte: die Grashälmchen des Vordergrundes wogten durcheinander, und dazwischen sprießten die Veil­ chen, Agclei, Löwenzahn und andere Blümchen, so natürlich, als seien cs Abbildungen aus einem Pflanzenbuch. In Gent hat man die fehlenden Flügel durch gute Nachbil­ dungen erseht, so daß man das Werk in seiner ursprüng­ lichen Ganzheit zu schauen glaubt. Die schönsten und bedeutsamsten dieser Altarbilder hat Hubert gemalt, er war der eigentliche Erfinder des Wer­ kes und der tiefsinnigere Künstler. Aber die Hand seines Bruders Jan ist nicht viel schwächer und hat außer die­ sem Altar so viel Vollendetes geschaffen, daß die folgenden Geschlechter den Namen Huberts ganz vergaßen und dem Jan alles znschrieben. über ein Jahrhundert lang hat die große Kunst der Brüder van Eyck die niederdeutsche Malerei befruchtet und

496 Der Genter Altar der Brüder van Eyck. Die altkölnische Malerschulr. beherrscht; eine glänzende Reihe von Malern trat auf,

alle unmittelbare oder mittelbare Schüler der Eycks, darunter so große Künstler, wie Rogier von der Weyden, Hugo van der Goes, Hans Memling und Gerhard David.

Alle geben

die Natur wieder, wie sie ist, bis ins Kleinste, aber so, daß man auch den innern Kern der Erscheinungen durch die äußere Hülle erlernte« kann. Auch die größten Maler Ober­ deutschlands, Dürer und Holbein, sind nicht deitkbar ohne

die Vorarbeit der Brüder Eyck.

Je länget je mehr frei­

lich wurde späterhin, zumal von Meinem Geistern, nur

die äußere Schale dargestellt. Das Mittelalter war nicht finster, wie man es wohl

nennt; es lebten damals Menschen, jugendlich frisch, lodesnintiö nnd tatenfroh, mit tiefen Gedanken, blühender Ein­ bildungskraft nud geschickten Händen: wir bewundern noch

immer ihre Lieder, noch ragen ihre Bauten, hehr und stolz,

noch glänzen ihre Malereien in leuchtender Farbenpracht, auch den besten heutigen Meistern zum Vorbild.

274. Die altkölnische Malerschnle. Zit Köln in der Schildergasse wohntett die Schilderet,

denen oblag, die Schilder der Kriegsknechte zn fertigen und zn bemalen. Aber sie schmückten auch Häuser, Kirchen und Kapellen mit allerlei Bildern. Ist doch noch heute

in nnserer Sprache schildern und malen dasselbe.

Die

Limbitrger Chronik erzählt vom Jahre 1380: „Jtcm, in

dieser Zit was ein Maler zu Collen, der hieß Wilhelm, der

mas der beste Maler in deutschen Landen, als he wart geachtet von den Meistern, want he malte einen ieglichen

Menschen von aller Gestalt, als hätte ez gelebet."

Seine

Schule blühte lange, bis einer ihn überstrahlte, Stephan Lochner, der um 1430 aus Konstanz nach Költt kam, der Schöpfer des weltberühmten „Dombildes". Das Dombild hängt in einer Chorkapelle des Kölner DomeK; cs ist ein dreiteiliger Altaraufsatz: das Mittelbild zeigt Maria in

holdseliger Kindlichkeit, die blitzende Himmelskrone auf dem

l?hoff: Nr. 15—18; 206-2-8. Gegner der Romantik: Platen: Nr. 130. 131. Rückert: Nr. 132—142. Chamisso: 6. 7.

Lyriker: Freiligrath: Nr. 28—32. Geibel: Nr. 33—41.

643

Inhalt I.

Hamerling: Nr. 78. Graf Schack: Nr. 143. Dohm: Nr. 14. Greif: Nr. 72—77. Storm: Nr. 161—163. S. F. Meyer: Nr. 117—120.

Liliencron: Nr. 116.116. Bierbaum: Nr. 6. Dehmel: Nr. 13. Marie von Ebner-Eschenbachr Nr. 19. 20. Ostini: Nr. 129.

2. über deutsche Dichtung und deutsche Sprache. Herder: Nr. 219. (Alte deutsche Volksdichtung). Jahn: Nr. 223 (Die deutsche Sprache). Grimm: Nr. 217 (Märchen und Sage). Schiller: Nr. 247 (Das Schaffen des Dichters). Humboldt: Nr. 221 (Goethes Hermann und Dorothea). Freiligrath: Nr. 31 (Zu Uhlands Geburtstag 1862). „ Nr. 32 (Die Gedichte von Hoffmann von Fallersleben). Arndt: Nr. 3 (Auf Max von Schenkendorfs Tod). Schiller: Nr. 168 (Die deutsche Muse). Goethe: Nr. 66 (Gedichte). „ Nr. 68 (Iphigenie). Kerner: Nr. 98 (Poesie). Rückert: Nr. 142, 5 (Poesie). Uhland: Nr. 172 (Der Mohn).

S. Deutsche Geschichte in neuerer Zeit. Kleist: Nr. 226 (Anekdote aus dem Krieg 1806). Luise, Königin von Preußen: Nr. 236 (Brief an ihren Baler aus dem Jahre 1809). Nettelbeck: Nr. 240 (Beim preußischen Königspaar 1809). Fontane: Nr. 210 (Paretz). Schleiermacher: Nr. 261 (Aus der Zeit von Preußens Erniedrigung). Schenkendorf: Nr. 144 (Aus den Tod der Königin Luise). Körner: Nr. 105 (Bor Rauchs Büste der Königin Luise). Rosegger: Nr. 245 (Der Tod Peter Mayrs).

Arndt: Nr. 203 (Von Freiheit und Vaterland). Görres: Nr. 213 (Preußens Erhebung 1813). Freytag: Nr. 212 (Rückkchr der Franzosen aus Rußland). Reuter: Nr. 243 (Nü derdeutschland im Frühling 1813). Kügelgen: Nr. 229 (Erinnerungen aus dem Frühling 1813). Schenkendorf: Nr. 146 (Freiheit). „ Nr. 146 (Auf Scharnhorsts Tod). Jung: Nr. 96 (Abendlicd im Jahre 1813). Arndt: Nr. 1 (Baterlandslied). „ Nr. 2 (Die Leipziger Schlacht). Körner: Nr. 106 (Ausruf). „ Nr. 107 (Lützows wilde Jagd). „ Nr. 108 (Gebet während der Schlacht). „ Nr. 109 (Abschied vom Leben). „ Nr. 110 (Schwertlied). „ Nr. 227, 228 (Briefe 1813).

L44

Inhalt I.

Rückert: Nr. 132 (Geharnischte Sonette). „ Nr. 133 (Körners Geist). Gräfin Schwerin: Nr. 262 (Der Siegesbote). Treitschke: Nr. 253 (Die Schlacht von Belle-Alliance). Arndt: Nr. 204 (Der Rhein, Deutschlands Strom, nicht DeutchlamLs Grenze). Schenkendors: Nr. 147 (Frühlingsgruß an das Vaterland). „ Nr. 148 (Das Lied vom Rhein). „ Nr. 149 (Antwort). Nonne: Nr. 128 (Beim Feuer am 18. Oktober). Uhland: Nr. 164 (An das Vaterland). Kopisch: Nr. 104 (Der Trompeter). Freiligrath: Nr. 30 (Bei Koblenz). „ Nr. 29 (Am Baum der Menschheit). Geibel: Nr. 35 (Lied des Alten im Bart). „ Nr. 36 (Wann, o wann? 1858). „ Nr. 37 (Deutschlands Beruf, 1861). w Nr. 40 (An König Wilhelm 1868).

Greif: Nr. 72 (Auf dem Schlachtfclde von Wörth) Dohm: Nr. 14 (Die Schlacht von Meh). Lindner: Nr. 234 (Drei Heerführer 1870—71). „ Nr. 235 (Kriegsleben 1870—71). König Wilhelm I: Nr. 255 (Sedan). Bismarck: Nr. 205 (Sedan). Moltke: Nr. 238 (Von der Belagerung von Paris). Oncken: Nr. 242 (Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde). Schack: Nr. 143 (Beim Siegeseinzug in Berlin 1871). Ostini: Nr. 129 (Aller Künste Meister).

4. Bilder deutschen Bolle- und Lande-. Allmers: Nr. 201 (Das niedersächsische Bauernhaus). „ Nr. 202 (Ein Tag aus dem Marschhof). Falke: Nr. 209 (Im Hasen von Hamburg). Storm: Nr. 161 (Abseits). „ Nr. 163 (Die Stadt). Heine: Nr. 85 (Aus der „Nordsee"). Liliencron: Nr. 116 (Heidebilder). Fontane: Nr. 211 (Im Spreewald). Wildenbruch: Nr. 254 (An der Oder). Ziegler: Nr. 256 (Winter in der Mark Brandenburg). Heine: Nr. 218 (Harzwanderung). Jmmermann: Nr. 224 (Der Hofschulze). „ Nr. 225 (Der Oberhof). Droste-Hülshofs: Nr. 206-208 (Bilder aus dem Münsterlande). „ Nr. 16 (Heidebilder). „ Nr. 17 (Der Knabe im Moor). K. F. Meyer: Nr. 115 (Der Rheinborn). Claudius: Nr. 10 (Rheinweinlied). Hölderlin: Nr. 91 (Der Wanderer). Geibel: Nr. 33 (Der Ritter vom Rhein).

Inhalt L Geibel: Nr. 34 „ Nr. 38 Mehr: Nr. 237 Riehl: Nr. 244 Heffe. Nr. 220

545

(Ich fuhr von St. Goar). (Deut'che Wanderschaft). (Aus btm schwäbischen Nie-). (Hausinschriften). (Herbstbeginn).

5. «uS dem klassischen Altertum. Aus griechischen und römischen Schriftstellern: Nr. 257—268. Geibel: Nr. 41 (Aus dem klassischen Liederbuch). Goethe: Nr. 44 (Proserpina). „ Nr. 45 (Alexis und Dora). „ Nr. 43 (Der Wanderer). Herder: Nr. 88 (Das Kind der Sorge). Platen: Nr. 130 (Pindars Tod). Schiller: Nr. 150 (Die Kraniche des JbykuS). Nr. 151 (Die Bürgschaft). „ Nr. 152 (Pompeji und Herkulanum). Jager: Nr. 222 (Aufführung der Orestie zu Athens Die Akropolis von Athen (Nr. 269). Der Altar von Pergamon (Nr. 270).

6. Bildende Künste. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

269. 270. 271. 272. 273. 274.

Nr. Nr. Nr. Nr.

275. 276. 277. 278.

Die Akropolis von Athen. Der Altar von Pergamon (dazu daS Bild: „Die Nacht"). Der Dom von Speier. Der Kölner Dom. Der Genter Altar der Brüder van Eyck. Die allkölnische Malerschule (dazu das Bild: „Maria im Rosenhag"). Petri Fischzug von Raffael (von Springer). Wie malt man das Denken? (von Naumann). Moritz von Schwind (von Muther; dazu das Bild „Rübezahl"). Neue Schönheiten (von Naumann; dazu das Bild „Koblenzer Rheinbrücke").

tellel. ßefeba» 8.

iv. A-U.

M.35

IM

Inhalt IL

Inhalt n. Erste Abteilung.

»edtchte. 1. 2. 3. 4 5.

6. 7. 8. 9. 10.

11. 12.

Arndt: «ettBaterlandSlied................................................................................... 1 Die Leipziger Schlacht ...................................................................... 2 Wer soll der Hütersein-..................................................................3 Grablied............................................................................................... 6 Bierbaum: Oft in der stillen Nacht 6 Chamiss o: Frisch gesungen................................................................................... 7 Die Kreuzschau...................................................................................7 Claudius: Am Grabe meines BaterS................................................................ S Zwei Sprüche................................................................................. 10 Rheinweinlied....................................................................................... 10 Dach: Lied der Freundschaft.................................................................... 11 Ännchen von Tharau.................................................................... 12

Dehmel: 13. Die stille Stadt................................................................................. 12 Dohm: 14. Die Schlacht von Metz.....................................................................13 Droste-vülShoff: 15. Der Knabe im Moor..................................... 15 16. Heidebilder.......................................................................................16 17. Des alten Pfarrers Samstag....................................................... 18 18. Das Gleichnis vom verdorrten Feigenbaum..............................20 Cbner-Efchenbach: 19. Gin kleines Lied................................................................................ 22 20. Spruchverse.......................................................................................22 Cichendorff. 21. Die Stille............................................................................................ 23 22. Sonntag............................................................................................ 23 23. Mondnacht............................................................................................ 24 24. Morg-ngebet............................................................................ 24 25. Auf meines Kindes Tod.............................................................25 Fleming: 26. DaS treue Herze................................................................................26 27. Gottvertraüen................................................................................27

Inhalt IL

547 Bette

Freiligrath: 29. 30. 31. 32.

Am Baum der Menschheit Bei Koblenz AuS der englischen Apfelblüte Die Bedichte von Hoffmann von Fallersleben ....

28 29 30 32

33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.

Geibel: Der Ritter vom Rheine Ich fuhr von St. Goar Lied des Alten im Bart Wann, o wann? Deutschlands Beruf Deutsche Wanderschaft Schön Ellen An König Wilhelm AuS dem klassischen Liederbuch

33 34 35 35 36 37 38 40 40

.

Gerhardt: 42. Sommergesang

43

Goethe: 43. Der Wandrer 44. Proserpina . •...................................... • 45. Alexis und Dora............................................. 46. Mahomets Gesang 47» Ganymed................................................................ 48. Rastlose Liebe 49. Auf dem See 50. Jägers «bendlied 51. Wandrers Nachtlied 1 52. An den Mond 53. Grenzen der Menschheit 54. Meine Göttin................................................... 55. Wandrers Nachtlied II 56. Das Göttliche................................................... 57. KlärchenS Lied aus Ggmont 58. Lieder MignonS aus Wilhelm Meister . 59. Lied des Harfenspielers aus Wilhelm Meister 60. Beherzigung......................................................... 61. Ein gleiches 62. KophtischeS Lied 63. KeinS von allen 64. Wanderlied 65. Die Nektartropfen 66. Gedichte............................................................... 67. Natur und Kunst 68. Iphigenie 69. Sprüche in Reimen.... 70. Sprüche in Distichen 71. Der Dichter über sich selbst und seine Kunst

44 50 58 64 66 66 66 67 68 68 69 70 71 71 72 72 74 74 74 75 75 75 75 76 76 77 77 80 80

Greif: 72. Auf dem Schlachtfelde von Wörth 82 73. Frühling der Heide 83 74. Die Bergföhre................................................................................. 84

548

Inhalt H.

«tu 75. «m Schilfe...................................................................................... 84 76. luf der Btefe .......................................................................... 85 77. Herbftlaub...................................................................................... 85 Hamerltn g: 78. LaterlandSlied................................................................................ 86

Seine: 79. Die Grenadiere................................................................................87 80. Der Dichter Firdusi..........................................................................89 81. Tragödie.............................................................................................93 82. AuS dem »Lyrischen Intermezzo'.................................................94 83. Au» den Liedern der »Heimkehr''.......................................... 97 84. AuS dem »Renen Frühling'..................................................... 102 85. AuS der .Nordsee'........................................................................103 86. AuS »Seraphine'........................................................................107 87. Der scheidende Sommer........................................................... 108 Herder: 88. DaS Kind der Sorge................................................................. 109 89. Der gerettete Jüngling................................ 110 Hölderlin: 90. Die Nacht...........................................................................................112 91. Der Wanderer..................................................................... 112 92. An den Äther..................................................................... 114 93. Der Strom..................................................................................116 94. HyperionS Schicksalslied................................................... 117 Hölty: 95. Auftrag.................................................................................. Jung: 96. Abendlied im Jahre 1813 .

118

Kerner: 97. Sehnsucht................................................................................. 98. Poesie ........................................................................................

11» 11»

99. 100. 101. 102. 103.

118

Klopstock: Psalm................................................................................................ 120 Au» der Frühlingsfeier .... ... 121 Der Eislauf........................................................................... 123 Die frühen Gräber.............................................................. 125 Die Sommernacht..................................... 125

Kopisch: 104. Der Trompeter....................................................................

125

105. 106. 107. 108. 109. 110.

Körner: Bor Rauch» Büste der Königin Luise.......................... 126 Aufruf.................................................................................................127 Lützowö wilde Jagd......................................................... 12» Gebet während der Schlacht............................................ 130 Abschied vom Leben...................................... 131 Schwertlted............................................................................ 131

111. 112. 113. 114.

Lenau: Primula veris................................................... 133 Schilflied.......................................................................................... 13* Blick in den Strom........................................................................134 Bitte................................................................................................. 135

Anhalt ll

54» wit

Lilien eron:

115. Stegesfest...................................................................................... 135 116. tzeidebilder.............................................................................................136

117. 118. 119. 120.

Meyer: Mit zwei Worten...............................................................................137 Auf Goldgrund..................................................................................... 138 Der Rheinborn..................................................................................... 139 Chor der Toten......................................................................................140

121. 122. 123. 124.

Mürike: Schön-Rohtraut......................................................................................140 Das verlassene Mägdlein..................................................................141 Der Gärtner.............................................................................................142 Um Mitternacht......................................................................................142

Wilhelm Müller: 125. Alexander Upstlanti............................................................................... 143 126. Vineta.......................................................................................................... 144 127 Der Lindenbaum...............................................................................145

Nonne: 128. Beim Feuer am 18. Oktober

145

Ostini: 129. Aller Künste Meister........................................................................ 145 Platen: 130. PindarS Tod............................................................................................ 148 131 Venedig................................................................................................... 148 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142.

RÜckert: Aus den Geharnischten Sonetten....................................................149 Körners Geist..................................................................................... 150 Aus dem Liebesfrühling................................................................. 151 Kindertotenlieder............................................................................... 152 Das Meer der Hoffnung..................................................................153 Reisegesellschaft..................................................................................... 163 Der Schmuck der Mutter................................................................. 153 AuS der Jugendzeit............................................................................... 154 Angereihte Perlen............................................................................... 156 Dierzeilen....................................................................................................166 Aus der Weisheit des Brahmanen............................................. 166

Schack: 143. Beim Siegeseinzug in Berlin (1871)..................................... —

158

144. 145. 146. 147. 148. 149.

Schenkendorf: Auf den Tod der Königin Luise...................................................... 160 Freiheit................................................................................................... 16! Auf Scharnhorsts Tod.........................................................................162 Frühlingsgruß an dasVaterland................................................163 DaS Lied vom Rhein........................................................................ 165 Antwort......................................................................................... . 167

150. 151. 152. 153. 154.

Schiller: Die Kraniche des JbykuS................................................................. 167 Die Bürgschaft......................................................................................173 Pompeji und tzerkulanum..................................................................177 Rente.......................................................................................................... 179 DaS Lied von der Glocke.................................................................. 179

550

Inhalt II.

Veite Sehnsucht..........................................................................................191 Der Pilgrim................................................................................... 19S Die Worte desGlaubens.............................................................193 Die deutsche Muse....................................................................... 194 Distichen................................................. 195 Stolberg: 160. Der Felsenstrom............................................................................. 197 Storm: 161. Abseits..........................................................................................198 162. Im Walde....................................................................................199 163. Die Stadt 19fr Uhland: 164. An das Vaterland..................................... 200 165. Der Wirtin Töchterlein.......................................................... 200 166. Das Schifflein............................................................................. 201 167. Die Bidaffoabrücke.......................................................................201 168. Märznacht . . . . 202 169. Frühlingslieder............................................................................. 202 170. Ruhetal..........................................................................................204 171. Die verlorene Kirche.................................................................204 172. Der Mohn................................................................................... 206 Alte deutsche Lieder: 173. Altdeutscher Reisesegen................................................................. 207 174. Lied................................................................................................207 175. Gottes Lob lSpervogel).................................................................207 176. Minnelied (Heinrich von Morungen)..................................... .208 177. Lied der Kreuzfahrer (Hartmann von Aue)............................208 178. Deutschlands Lob (Walther von der Dogelweide) . 210 179. ^Selbstprüfung (Walther von der Vogelweide) .... 212 180. Zu König Philipps Krönung (Walther von der Vogelweide) 214 181. Winter (Walther von der Vogelweide)..................................214 182. Mai (Walther von der Bogelweide)........................................ 216 183. Halmmessen (Walther von der Vogelweide) .... 218 184. Ihr roter Mund (Walther von der Vogelweide) - . . 218 185. Herzensaugen (Walther von der Vogelweide) .... 220 186. Bauerntanz im Mai (Neidhart von Neuental) .... 220 187. Aus der Jugendzeit (Meister Alexander)................................. 222 Alte Volkslieder: 188. Herzlich tut mich erfreuen........................................................... 226 189. Wenn der Schnee von den Alpen wegageht ... 227 190. O Straßburg............................................................................. 228 191. Zu Straßburg auf der Schanz.............................................. 229 192. Innsbruck, ich muß dich lassen............................... 230 193. Soviel Stern am Himmel stehen.............................................. 231 194. Wenn ich ein Vöglein wär.................................................... 232 195. ES stund eine Lind....................................................................... 233 196. Es wollt ein Mädchen.................................................................235 197. Und sterbe ich noch heute ........................................................... 236 198. ES waren zwei KönigSkinder.....................................................236 199. O Jesulein zart............................................................................. 239 200. Guten Abend, gute Nacht...........................................................240 155. 156. 157. 158. 159.

Inhalt II

551

zweite Abteilung.

Prosa. 201. 202. 203. 204.

205.

206. 207. 208.

209. 210. 211.

212. 213. 1 214. 215.

216. 217.

218. 219.

220. 221.

222. 223. 224. 225.

AllmerS: Gelte Das niedersächsische Bauernhaus.............................................. 241 Ein Tag auf dem Marschhof.................................................... 242 Arndt: Don Freiheit und Vaterland.................................................... 248 Der Rhein, Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze 250 Bismarck: Sedan (Brief an feine Gemahlin)........................................252 Droste-HülShoff: Volk und Wohnstätte im Münsterland................................. 254 HochzeitSbräuche.......................................... 257 Aberglaube................................................................................... 260 Falke: Im Hamburger Hafen........................................... 262 Fontane: Paretz................................................................................................266 Im Spreewald............................................................................. 271 Freytag: Rückkehr der Franzosen aus Rußland................................. 275 Görr eS: Preußens Erhebung 1813 ........................................278 Goethe: Aus WertherS Leiden.................................................................279 Brief an Kestner (1772)........................................................ 283 Elisabeth Goethe: Briefe an die Ihrigen................................................................ 286 Jakob u. Wilhelm Grimm: Märchen und Sage................................................................... 293 Heine: Harzwanderung.............................................................................296 Herder: Alte deutsche Volksdichtung.................................................... 300 Hesse: Herbstbeginn................................................................................... 304 W. v. Humboldt: Goethes Hermann und Dorothea.............................................. 308 Jäger: Aufführung der Orestie........................................................... 311 Jahn: Die deutsche Sprache.................................................................316 Jmmermann: Der Hofschulze......................... . .319 Der Oberhof...................................................................................326

562

Inhalt II Sette

226. 227. 223.

229.

230. 231. 232. 233. 234. 235. 236. 237. 238. 239.

240.

241.

«leist: Anekdote aus dem letzten Krieg 1806 ............................... 329 Körner: Briefwechsel mit seinem Vater 1813........................................ 331 An Frau v. Pereira................................................................. 334 Kügelgen: Erinnerungen auS dem Frühling 1813.................................. 336 Lessing: Einige Fabeln..............................................................................342 AuS den Abhandlungenüber die Fabel.................................... 345 Die Einheiten deS Dramas..................................................... 346 Wahrheit..........................................................................................348 Lindner: Drei Heerführer im Krieg 1870—71 ...................................... 349 Kriegsleben 1870 und 1871 .................................................. 353 Luise, Königin von Preußen: Brief an ihren Vater 1809 .................................................. 357 Meyr: AuS dem schwäbischen RieS.................................................... 362 Moltke: Von der Belagerung vor Paris...............................................365 Lebensregeln.................................................................................... 367 Nettelbeck: Beim preußischen KönigSpaar 1809 ...................................... 369 Novalis: Die blaue Blume....................................................................... 373

Oncken: 242. Wie König Wilhelm deutscher Kaiser wurde .... 376 Reuter: 243. Niederdeutschland im Frühling 1813........................................ 38fr Riehl: 244. Hausinschriften..............................................................................381 Rosegger: 245. Der Tod Peter MayrS................................................................. 383 Scherer: 246. UlfilaS.......................................................................................... 386 Schiller: 247. DaS Schaffen des Dichters.....................................................389 248. Briefe an Goethe....................................................................... 389 249. Briefe an Körner....................................................................... 391 250. Briefe an feine Braut................................................................. 394 Schleiermacher: 251. Aus der Zeit von Preußens Erniedrigung............................ 395 Gräfin Schwerin: 252. Der Siegesbote..............................................................................399 Treitfchke: 253. Die Schlacht bei Belle-Alliance.............................................. 404 Wildenbruch: 254. An der Oder....................................................................................413

Inhalt IL

553 Seite

Wilhelm I, Deutscher Kaiser: 255. Sedan (Brief an die Königin)...............................................415 Ziegler: 256. Winter in der Mark Brandenburg .................................. 419 Aus griechischen Schriftstellern: 257. tzerodot, Leonidas....................................................................... 421 258* Xenophon, Thalatta....................................................................... 425 259. Platon, Aus dem Gastmahl . . 427 260* Aristoteles, Aus der Poetik.....................................................432 261. Theophrast, Der Schmeichler.................................................... 439 262. Epiktet, Stoische Grundsätze.................................................... 440 263. Mark Aurel, Selbstgespräche.....................................................442 264. Lucian, Merkurs Klagen........................................................... 444 Aus römischen Schriftstellern: 265. Cäsar, Sitten der Germanen.....................................................446 266. Cicero, Landleben........................................................................448 267. LiviuS, Aus der römischen Geschichte.................................. 450 268. ApulejuS, PsycheS Prüfungen.......................................................457 Bild ende Künste: 269. Die Akropolis von Athen........................................................... 464 270. Der Altar von Pergamon........................................................... 470 271. Der Dom von Speier . .........................................................480 272 Der Kölner Dom.................................................. 485 273. Der Genter Altar der Brüder van Eyck..................................491 274. Die altkölnische Malerschule.....................................................496 275. Petri Fischzug von Raffael (Springer)..................................499 276. Wie malt man das Denken? (Naumann)............................502 277. Moritz von Schwind (Muther) ...............................................503 278. Neue Schönheiten (Naumann).....................................................505

Anhang: Poetik und Metrik................................................................................... 510 Erläuterungen......................................................................................... 530 LebenSabritz der Verfasser und Nachweis der Quellen . . 536

554

Anfang-worte der Gedichte.

Anfangsworte der Gedichte. Sette

Sette

Aber jetzt kehr ich zurück . 112 Ach, aus dieses Tales . . 191 Ach! unaufhaltsam ... 58 Ach, was soll der Mensch . 74 Alexander Upstlanti . < . 143 AlS ich auf der Wiese lag. 85 AIS Minerva............................75 AlS wie ein Kind im Schlaf 158 Am Baum der Menschheit. 28 Am blassen MeereSstrande. 104 Am Brunnen vor dem Tore 145 Am fernen Horizonte . . 99 Am Gestade Palästinas. . 137 Am grauen Strand ... 199 Annchen von Tharau . . 12 Auch das Schöne mutz sterben 179 Auch die Heide blühet . . 83 Auf dem Teich..........................134 Auf der Bidassoabrücke . , 201 Auf Flügeln des Gesanges 94 Auf ihrem LeibeSrötzlein r 142 Auf stillen Trauerwegen . 82 Aus alten Märchen ... 95 AuS der Jugendzeit ... 154 Aus deS Meeres tiefem . 144

Der Wald steht in Blüte . 37 Die beiden Palmen ... 156 Die Geister der gefallnen . 150 Die ihr erlagt........................... 42 Die Nacht war kaum verblühet 23 Dies Buch ist wie ne Laube 32 Die Wunde brennt ... 131 Dir möcht ich diese Lieder. 200 Diu kröne ist eiter . . . 214 Dorten durch der Brücke Bogen 29 Drei Worte nenn ich euch . 193 Du bist mm................. 207 Du bist vergangen ... 152 Du bist wie eine Blume . 100 Du meine Seele . . .151 Durch tiefe Nacht.... 33 Du schläfst so sanft ... 126 Du Schwert an meiner Linken 131

Bedächtig stieg die Nacht . 142 Bedeckt mit Moos ... 150 Bekränzt mit Laub ... 10 Blaue Nebel steigen ... 118 Bleibe nicht am Boden . 75 Dämmernd liegt .... Das gelbe Laub erzittert . Das Laub hält fest . . . Das Meer erstrahlt . . . Das war eine Schlacht. . Dem kriuze zimt.... Dem Schnee, dem Regen . Der du von dem Himmel bist Der Gott, der Eisen wachsen Der Herbstwind rüttelt . . DerMensch hatnichtSso eigen Der Pilger, der die Höhen. Der Tod, daS ist die kühle

101 108 85 108 13 208 66 68 1 96 11 7 101

Edel sei der Mensch ... 71 Einen Hört geht aufzurichten 36 Eine schöne Menschenseele . 110 Ein Fichtenbaum .... 95 Ein getreues Herze ... 26 Ein kleines Lied .... 22 Ein Schifflein ziehet ... 201 Einst satz am murmelnden . 109 Entflieh mit mir .... 93 ES ist so still, die Heide . 198 ES klingt ein heller Klang. 165 ES kommt ein Vogel. . . 105 ES ragt inS Meer ... 107 ES steigt ein Geist .149 ES stund eine Lind . . . 233 ES verrieselt............................. 16 ES war, als hätt der Himmel 24 ES waren zwei Königskinder 236 ES weih und rät eS doch . 23 ES wollt ein Mädchen . . 236 GS zogen drei Bursche . . 200 Feiger Gedanken .... 74 Festgemauert........................... 179 Flamme empor......................... 145 Flatternde Fahnen.... 135

Anfang-worte der Gedichte.

Freiheit, die ich meine . Freudvoll und leidvoll . . Friede fei um diesen. . Frisch auf, mein Volk . . Frühling ward eS .... Früh, wann die Hähne krähn Füllest wieder Busch...

555

6eUe

Celte

161 72 9 127 40 141 68

l'n weiz niht..........................220 Ir sult sprechen......................... 210

Gedichte sind gemalte . 76 Geh auS, mein Her- ... 43 Geh! gehorche meinen . . 75 Geht nun hin und grabt # ß Gekommen ist der Maie. . 102 Goldne Menschen .... 89 Gott segne dich, junge Frau 44 Guten Abend, gute Nacht . 240

Hab oft im Kreise der Lieben 7 Halte! halt einmal ... 50 Hauch GotteS, Poesie. . . 168 Heiß mich nicht reden . . 73 Herzlich tut mich erfreuen . 226 Herz, mein Herz . ... 100 Hie bevor, da wir . . . 222 Hier an der BergeShalde . 199 Hoch am Himmel stand. . 106 Hochbeglückt................................. 42 Hoffnung auf Hoffnung. . 153 Horch, wie brauset . . . 202 lc dir nach sihe .... 207 Ich bin den Rhein hinauf 139 Ich fuhr von Sankt Goar. 34 Ich möchte, wenn ich sterbe 148 Ich saz uf eime steine . . 212 Ich stand im dunkeln . . 99 Ich wär ein hoher Baum . 84 Ich weiß einen Helden . - 33 Ich weiß nicht, waS soll eS 97 Ich wollt, meine Schmerzen 100 Ihr Freunde, hänget. . . 118 Ihr wandelt droben im Licht 117 Im engen Bett........................... 40 Im Felde schleich ich. . . 67 Im Sachsenwalde.... 146 Im wunderschönen Monat. 94 In allen Zonen .... 157 In dem wilden Kriegestanze 162 In einem zwifellichen. . . 218 In mein gar zu dunkles . 97 Innsbruck, ich muß dich * 230 Ins Museum bin zu später . 138

Kein augustisch Alter . . 194 Kennst du das Land... 72 Laß dich nur nichts dauern 27 Leise zieht.....................................103 Liebiu kint, nu vreut iuch 220 Liebliche Blume ... . 133 Liegt eine Stadt im Tale . 12

Man höret oft......................... 204 Mein Auge ließ das hohe Meer 148 Mein Herz, mein Herz . . 98 Mensch, es ist der Schöpfung 163 Mir kommt es vor zuweilen 84 Mit schwarzen Segeln . . 107 Mit tiefer Ehrfurcht ... 121 Muget ir schouwen . . . 216 Nach Frankreich zogen . . 87 Nacht liegt auf den fremden 101 Natur und Kunst .... 76 Nicht mehr zu deuten . . 41 Noch in meines Lebens Lenze 192 Nun gnade dir Gott... 38

Oft in der stillen Nacht . . 6 O Jesulein zart ... . 239 O, könnt ich einmal los . 119 O, leuchtender Aprilentag . 30 O sanfter, süßer Hauch . . 202 O, schaurig ist's .... 15 O Straßburg......................... 228 O, wunderbares, tiefes . . 24 Poesie ist tiefes Schmerzen 119

Ringsum ruhet die Stadt . 112 Rose, schöne KönigSrose, . 160

Sahst du ein Glück ... 134 Seht den Felsenquell . . 64 Sv laßt mich scheinen . . 73 So laßt mich sitzen ... 27 Soviel Stern am Himmel . 231 Steig empor ......................... 158 rhalattal Thalatta! . . t 103 Tiefeinsamkeit..........................136 Tragen will ich das Schwert 41 Treu und freundlich wie du 114

666

Anfang-worte der Gedichte. Sette

Aber allen Gipfeln ... Um Erden wandeln Monde Und frische Nahrung ... Und sterbe ich noch heute . Uns hat der winter . . . Unsterblicher Jüngling . . Unterm weißen Baume .

71 120 66 236 214 197 102

Vater, ich rufe dich ... 130 Vaterland, du starke. . 86 Vergraben ist in ewige . . 123 Don fern die Uhren schlagen 25 Wann doch, wann ... 35 Wann im letzten Abendstrahl 204 WaS der Dichter diesem B. 77 Was glänzt dort vom Walde 129 Was schläfst und träumst du 116 Was will die einsame . . 99 Weil auf mir...................... 135 Welcher Unsterblichen . . 70 Welches Wunder begibt sich 177 Wenn der Schimmer . . 126 Wenn der Schnee von den. 227 Wenn der uralte .... 69

Sette

Wenn dieser SiegeSmarsch. Wenn du dich selber ... Wenn Freiheit du begehrst Wenn ich ein Vöglein wär Wenn im letzten Abendstrah! Wer nie fein Brot ... Wer soll dein Hüter sein Wie dort, gewiegt von Westen Wie funkeln hell die Sterne Wie heißt König RingangS Wie im Morgenglanze . . Wie mir deine Freuden. . Wie stehst du doch so dürr Wie viel auch sind der Stufen Willkommen I o silberner . Wir Toten, wir Toten . . Wist ich obe iz mohte . . Wo der Schicksalswege . . Wo kommst du her . . . Wol mich der stunde . . Würze des waldes ....

125 75 157 232 204 74 3 206 18 140 66 163 20 167 125 140 208 153 2 218 207

Zu Dionys, dem Tyrannen 173 Zum Kampf der Wagen . 167 Zu Straßburg aufder Schanz 229

Druck von JuUur veltz in Langensal-a.