Delegation von Privatautonomie auf Dritte: Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle von Inhaltsbestimmungen und Feststellungen Dritter im Schuld- und Erbrecht. Habilitationsschrift 9783161525278, 3161525272

Die Privatautonomie als Rechtsmacht zur Selbstgestaltung gehört zu den Grundlagen unserer Privatrechtsordnung. In welche

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German Pages 907 [948] Year 2014

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
§ 1 Problemstellung
A. Privatautonomie und Selbstgestaltung
B. Drei Problemkomplexe
I. Schutz vor Fremdbestimmung
1. Fremdbestimmung durch Private
2. Fremdbestimmung durch den Staat
II. Selbstgestaltung als Aufgabe
1. Aufgabenübertragung an einen privaten Dritten
2. Aufgabenverteilung zwischen Staat und privat
III. Höchstpersönlichkeit
C. Drei Problemebenen
I. Zulässigkeit – Verfahren – Kontrolle
II. Wechselwirkungen
D. Die fragmentarische Erfassung dieser Probleme im Gesetz
E. Die Delegation von Privatautonomie in ausländischen Rechtsordnungen
F. Gang der Untersuchung
§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes
A. Drei terminologische Vorbemerkungen
I. Gremienentscheidungen
II. Gestaltende Schiedsgutachten und feststellende Schiedsgutachten
III. Schiedsgutachtenvertrag und Schiedsgutachtervertrag
B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen
I. Beispiele einer Delegation von Privatautonomie
1. Gestaltende Schiedsgutachten
a) Beispiele im Schuldrecht
aa) Ergänzung eines Vertrages
bb) Änderung und Anpassung des Vertragsinhalts
cc) Gegenstand der Drittbestimmung: Nicht nur Leistungen
b) Beispiele im Erbrecht
2. Feststellende Schiedsgutachten
a) Beispiele im Schuldrecht
b) Beispiele im Erbrecht
II. Feststellungsentscheidungen als delegierte Privatautonomie
1. Unterschiede zwischen gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten
2. Gemeinsamkeiten aus historischer Perspektive
a) Die verengte Sichtweise des BGB-Gesetzgebers
b) Analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB
c) Gestaltung und Feststellung im 19. Jahrhundert
3. Gemeinsamkeiten aus vergleichender Perspektive
a) Französisches Recht
b) Englisches Recht
c) Feststellungen (nur) durch Schiedsgerichte?
4. Gemeinsamkeiten aus dogmatischer Perspektive
a) Funktional vergleichbare Aufgaben
b) Der Einfluss des Entscheidungsmaßstabs: Billiges Ermessen und Richtigkeit
5. Das feststellende Schiedsgutachten als Ergänzung eines Feststellungsvertrags
a) Feststellende Schiedsgutachten als Institute des materiellen Rechts
b) Ergänzung eines materiell-rechtlichen Feststellungsgeschäfts
c) (Potentielle) Umgestaltung der materiellen Rechtslage
d) Die prozessuale Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens
e) Argumente in der Sache
aa) Erklärung der Bindung des Gerichts
bb) Auswirkungen auf die Fälligkeit des Anspruchs
cc) Erklärung des einseitig verbindlichen Gutachtens
dd) Der eigentliche Zankapfel: Verfahrensgarantien
III. Ergebnis
C. Abgrenzungen
I. Andere Formen der Delegation
1. Stellvertretung
2. Bestimmungsbefugnisse einer Partei
II. Andere Formen der Verweisung auf Dritte
1. Vereinbarung eines Markt- oder Börsenpreises
2. Verweisung auf von Dritten erstellte Regelwerke
Teil 1: Zulässigkeit einer Delegation
§ 3 Delegation und Selbstbestimmung
A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden
I. Selbstbindung als Ausübung von Privatautonomie
II. Bevollmächtigung als Ausübung von Privatautonomie
1. Erteilung von Vertretungsmacht führt nicht zu Fremdbestimmung
2. Der Dritte als Vertreter des Delegierenden?
a) Der Dritte als mandataire commun
b) Ein Erklärungsmodell auch für das deutsche Recht?
III. Delegation als Ausübung von Privatautonomie
1. „Unterwerfung“ unter die Entscheidung des Dritten
2. Und die Richtigkeitsgewähr?
a) Ansätze einer Kompensation
b) Richtigkeitsgewähr durch Aushandeln der Delegation
3. Die Rechtsmacht des Dritten: Ein Gestaltungsrecht?
IV. Ergebnis
B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB
I. Kontrollfähigkeit der Schiedsgutachtenklausel
1. Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB?
2. Entbehrlichkeit einer Inhaltskontrolle des Schiedsgutachtens wegen nachgelagerter Kontrolle des Schiedsgutachtens?
II. Kontrolle der Schiedsgutachtenklausel
1. Fehlende Transparenz
2. Prüfung anhand besonderer Klauselverbote
3. Prüfung anhand der Generalklausel, § 307 BGB
a) Fehlendes berechtigtes Interesse an der Einschaltung eines Schiedsgutachters
b) Hohes Geschäftsrisiko
c) Modifizierungen von Entscheidungs‑ oder Kontrollmaßstab
d) Fehlende Verfahrensanforderungen
III. Folgen der Unwirksamkeit und Ergebnis
C. Form der Delegation
I. Vereinbarung eines Schiedsgutachtens unter Lebenden
1. Kein Formerfordernis analog § 1031 ZPO
2. Formbedürftigkeit als Nebenabrede
II. Anordnung eines Schiedsgutachtens von Todes wegen
III. Ergebnis
§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung
A. Zum Bestimmtheitsgebot
I. Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts als Wirksamkeitsvoraussetzung
II. Der Zusammenhang zwischen § 317 BGB und dem Bestimmtheitsgebot
B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung
I. Zur Funktion des Bestimmtheitsgebots
1. Bestimmtheit und prozessuale Durchsetzung
2. Bestimmtheit und Auslegung
3. Bestimmtheit und Dissens
4. Bestimmtheit und Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien
a) Herleitung der Verteilungsfunktion des Bestimmtheitsgebots
b) Die Sichtweise des 19. Jahrhunderts
c) Wandel der Aufgabenverteilung bei der Erbauseinandersetzung
d) Ergebnis
II. Anwendung auf die Delegation von Privatautonomie
1. Die Schwierigkeit der Grenzziehung
2. Delegation von Privatautonomie bedeutet keine „Lockerung“ des Bestimmtheitsgebotes
III. Ergebnis
C. Grenzen der Bestimmbarkeit
I. Bestimmbarkeit des Inhalts der Entscheidung
1. Eine Skala der Entscheidungsmaßstäbe
a) Die Abstufungen nach deutschem Recht
aa) Billiges Ermessen
bb) Freies Ermessen
cc) Freies Belieben
b) Weniger Dogmatisierung in England und Frankreich
2. Zulässigkeit einer Entscheidung nach freiem Belieben
a) Keine unzulässige Gefährdung der Selbstbestimmung
b) Die (vermutliche) Unzulässigkeit freien Beliebens im römischen Recht
c) Delegation von Privatautonomie trägt auch Entscheidung nach freiem Belieben
d) Im Zweifel für das billige Ermessen
e) Feststellungsentscheidungen nach freiem Belieben?
3. Erforderlichkeit von Entscheidungskriterien
a) Unwirksamkeit des Vertrags ohne Entscheidungskriterium?
b) Maßgeblichkeit des Bindungswillens
c) Abweichende Grundsätze im Erbrecht?
II. Bestimmbarkeit der Person des Dritten
1. Delegation der Auswahl des Dritten
a) Delegation an einen privaten Dritten
b) Delegation an ein Gericht
2. Vorbehalt einer späteren Einigung
3. Scheitern des Mechanismus
III. Verschärfung des Bestimmtheitsgebots durch Formvorschriften?
IV. Ergebnis
D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe
I. Fehlschlagen der Delegation: Ein allgemeiner Tatbestand
1. Direkte und analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB
a) Nichtwollen und Nichtkönnen
b) Verzögerung
c) Verweigerte Mitwirkung des Vertragspartners
d) Wegfall des Dritten
e) Weitere Fälle
2. Zusammenführung
a) Kritik
b) Ein allgemeiner Tatbestand in England und Frankreich
II. Subsidiäre richterliche Vertragshilfe
1. Unwirksamkeit als Rechtsfolge
a) Besonderes Vertrauen in die Person des Dritten
b) Feststellende Schiedsgutachten?
c) Generelle Unwirksamkeit: Der Ansatz des französischen Rechts
2. Zwischenlösung: Gerichtliche Benennung eines neuen Dritten
3. Gerichtliches Ersatzgutachten
a) Die Entstehung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB
b) Die Entwicklung im englischen Recht
aa) Die traditionelle Lösung: Unwirksamkeit des Vertrags
bb) Gründe für die Unwirksamkeit
cc) Der neue Ansatz: Gerichtliche Ersetzung möglich
dd) Festigung des neuen Ansatzes
4. Bewertung
a) Ersetzbarkeit des Dritten
b) Richterliche Ersatzbestimmung und Aufgabenverteilung
c) Die Benennung eines neuen Dritten als „milderes Mittel“?
III. Ergebnis
E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe
I. Einschaltung des Gerichts als Dritter?
II. Handeln als Richter oder Handeln als Privatperson?
1. Schiedsgutachten als Urteil
2. Schiedsgutachten als Justizverwaltungsakt
III. Aufgabenübertragung analog § 319 Abs. 1 BGB
1. „Überspringung“ des Dritten bei Gestaltungsentscheidungen eines Schiedsgerichts
2. Einwände gegen die schiedsgerichtliche Gestaltung, insbesondere Kompetenzgleichlauf
3. „Überspringung“ des Dritten bei der richterlichen Festsetzung einer Vertragsstrafe
a) Delegation der Vertragsstrafenbestimmung
b) Der „alte Hamburger Brauch“
c) Der „neue Hamburger Brauch“
IV. Keine primäre richterliche Vertragshilfe
1. Grundsätzliche Einwände
a) Rechtsschutzverkürzung durch „Überspringung“ des Dritten?
b) Vertragshilfe als Domäne der freiwilligen Gerichtsbarkeit?
2. Richterliche Gestaltung bei besonderem Bedürfnis?
3. Numerus clausus der Gestaltungsklagen
a) Justizökonomische Erwägungen
b) Richterliche Gestaltung und Privatautonomie
c) Umgehung der gerichtlichen Ersetzungsfunktion?
V. Ergebnis
§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit
A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots
I. Delegation des Erblasserwillens?
II. Abgrenzungen
1. Ausschluss der Stellvertretung (formelle Höchstpersönlichkeit)
2. Feststellungsentscheidungen Dritter
3. Potestativbedingungen
4. Verhältnis zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot
5. Ermächtigung des Vorerben
III. Zulässigkeit einer Drittbestimmung und Ausnahmen von § 2065 BGB
IV. Die Drittbestimmung des Erben zwischen Gestaltung und Feststellung
1. Der fließende Übergang zwischen einer Konkretisierung und einer Bestimmung des Erben durch einen Dritten
2. Entscheidungsspielraum des Dritten?
3. Unklarheit über die erforderlichen Vorgaben
a) Angabe eines begrenzten Personenkreises?
b) Angabe der Entscheidungskriterien im Testament?
c) Benennung des Dritten?
d) Sachkunde des Dritten?
4. Bedeutung in Praxis und Dogmatik
V. „Umgehung“ des Verbots der Erbenbestimmung
1. Keine Unwirksamkeit des drittbestimmten Universalvermächtnisses wegen Umgehung des § 2065 BGB
2. Umdeutung einer unwirksamen Erbeinsetzung
3. Nachteile eines drittbestimmten Universalvermächtnisses
VI. Lebzeitige Alternativen
VII. Ergebnis
B. Die Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung
I. Materiale Gründe
1. Unverzichtbare Privatautonomie
a) Delegation ist Ausübung von Privatautonomie
b) Delegation ist Entscheidung des „Nächstbeteiligten“
2. Verantwortung des Erblassers
a) Delegation als Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein
b) Möglichkeiten „verantwortungslosen“ Testierens
c) Verantwortung wem gegenüber?
3. Schutz der gesetzlichen Erbfolge und der Angehörigen des Erblassers
a) Keine schutzwürdigen Erwerbsaussichten
b) Delegationsverbot als ungeeignetes Schutzinstrument
4. Vermögenskonzentration und Verewigung des Erblasserwillens
a) Drittbestimmungsverbot dient nicht der Verhinderung von Vermögenskonzentration
b) Drittbestimmungsverbot hindert keine Perpetuierung des Erblasserwillens
5. Missbrauch der Bestimmungsbefugnis
a) Erblasser kann mit der Missbrauchsgefahr umgehen
b) Kontrolle der Drittbestimmung zum Schutz vor Missbrauch
6. Besonderer Status des Erben
a) Persönlichkeitsrechtliche Dimension
b) Materiales Gewicht des Erbenstatus
7. Zwischenergebnis
II. Strukturelle Gründe
1. Strukturelle Unterschiede zur Delegation im Vertragsrecht
a) Unterschiedliches Gewicht einer Drittbestimmung
b) Bestimmung einer Leistung und Bestimmung einer Person
aa) Bestimmung des Belohnungsempfängers, §§ 660, 661 BGB
bb) Bestimmung des Drittbegünstigten beim Vertrag zugunsten Dritter
cc) Bestimmung des Vertragsübernehmers
dd) Qualitative Unterschiede zwischen Vertragsrecht und Erbrecht
ee) Kriterien zur Bestimmung einer Person
c) Zwischenergebnis
2. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Kontrolle
a) Schutz der Erbaspiranten, nicht des Erblassers
b) Verwirklichung des Schutzes
3. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Verfahren
a) Verfahrensfragen rund um eine Drittbestimmung des Erben
b) Das praktische Problem: Ein langer Schwebezustand
c) Erbanfall zum Zeitpunkt der Bestimmungserklärung
d) Erbanfall mit dem Tod des Erblassers
aa) Testamentsvollstreckung
bb) Nachlasspflegschaft
e) Schlussfolgerungen
aa) De lege lata
bb) De lege ferenda
III. Ergebnis
Teil 2: Verfahren der Drittbestimmung
§ 6 Ausgangslage
A. Warum Verfahrensregeln für Schiedsgutachten?
I. Der Theorienstreit um die Rechtsnatur des Schiedsgutachtens und seine Auswirkungen auf das zu beachtende Verfahren
II. Die entscheidende Frage nach dem Bedürfnis nach Verfahrensregeln
III. Erweiterung des Blickfelds auf gestaltende Schiedsgutachten
B. Welche Verfahrensregeln für Schiedsgutachten?
I. Geltung von Verfahrensregeln unproblematisch
II. Offene Fragen
§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters
A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
I. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern und Schiedsrichtern
1. Die Paarformel „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“
2. Die Notwendigkeit einer kasuistischen Herangehensweise
II. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters – Versuch einer Kasuistik
B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
I. Geltung kraft ausdrücklicher Parteivereinbarung
1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen
2. In Individualvereinbarungen
II. Generelle Geltung bei feststellenden Schiedsgutachten
1. Die Position der Rechtsprechung
a) Klassische Wahrnehmung der Rechtsprechung: Ablehnende Haltung
b) Ältere Entscheidungen: Anerkennung eines Neutralitätsgebots
c) Wiederentdeckung des Neutralitätsgebots
2. Keine Geltung des Gebots aufgrund einer Funktionsähnlichkeit zum (Schieds‑)Richter oder zum gerichtlichen Sachverständigen
a) Funktionsvergleich mit gesetzlich geregelten Personenkreisen
b) Stellungnahme
3. Keine Geltung aufgrund der Bindung des Richters an den Inhalt des Schiedsgutachtens
a) Richter ist an Schiedsgutachten gebunden
b) Stellungnahme
4. Keine Geltung aufgrund einer Qualifikation von Schiedsgutachten als Rechtsprechung
a) Verfassungsrechtlicher Begriff der Rechtsprechung
b) Unbrauchbarkeit des verfassungsrechtlichen Begriffs
c) Grund für die Einordnung von Schiedsgerichtsverfahren als materielle Rechtsprechung
d) Stellungnahme
5. Zutreffender Ansatzpunkt: Mutmaßlicher Parteiwille
a) Gründe für die Aufnahme des Gebots in den mutmaßlichen Parteiwillen
b) Ein „implied term“ der Neutralität – Rechtslage in England
c) „Der Dritte muss wirklich Dritter sein“ – Rechtslage in Frankreich
d) Die Schlüsselrolle des Parteiwillens
e) Dispositionen über das Neutralitätsgebot
6. Einfluss verfassungsrechtlicher Anforderungen
a) Schiedsgutachten und gerichtlicher Privatrechtsschutz
b) Präzisierung der Person des „Dritten“
c) Schiedsgutachten und das Verbot des Richtens in eigener Sache
d) Ergebnis
7. Einzelheiten zur Beurteilung der „Entscheidung in eigener Sache“ nach § 315 BGB
III. Generelle Geltung auch bei gestaltenden Schiedsgutachten
IV. Folgerungen für das Erbrecht
1. Bestandsaufnahme: Keine einheitliche Behandlung im Gesetz
a) Strengerer Kontrollmaßstab für Entscheidung in eigener Sache bei § 2156 BGB
b) Keine Differenzierung nach der Person des Bestimmungs-berechtigten bei § 2048 S. 2 BGB
c) Entscheidung in eigener Sache bei § 2151 BGB
d) Differenzierung bei § 2193 BGB?
e) Bestimmungsrecht nach freiem Belieben bei § 2198 BGB
2. Analyse: Gleichlauf von Schuldrecht und Erbrecht
a) Entscheidungen nach freiem Belieben
b) Begründung des Gebots aus dem mutmaßlichen Erblasserwillen
c) Entscheidungen in eigener Sache
d) Feststellende Schiedsgutachten
V. Ergebnis
C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
I. Unwirksamkeit des Schiedsgutachtens und der Schiedsgutachtenvereinbarung
II. Haftung des Schiedsgutachters
III. Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens
IV. Zwischenstreit über die Befangenheit
1. Die Ablehnung des Schiedsgutachters im französischen Recht
2. Ablehnung eines nicht neutralen Schiedsgutachters analog § 1037 ZPO?
3. Alternativen zu einer Analogie zu § 1037 ZPO
a) Außerordentliche Kündigung des Schiedsgutachtervertrags
b) Erhebung einer Feststellungsklage
c) Schiedsgerichtliche Entscheidung über die Ablehnung
4. Ergebnis
V. Präklusion
VI. Ergebnis
§ 8 Rechtliches Gehör
A. Präzisierung: Was bedeutet rechtliches Gehör bei Schiedsgutachten?
B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist
I. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen
II. In Individualvereinbarungen
III. Kraft einseitiger Gewährung rechtlichen Gehörs?
C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör
I. Ablehnende Position der Rechtsprechung und Reaktionen darauf
II. Ablehnende Position in England und Frankreich
1. Französisches Recht
2. Englisches Recht
III. Begründungsansätze für einen Anspruch auf rechtliches Gehör
1. Funktion des Schiedsgutachters und Bindungswirkung des Gutachtens
2. Mutmaßlicher Parteiwille
3. Bewertung
D. Übertragbarkeit auf das Erbrecht
E. Gleichbehandlung der Parteien
F. Ergebnis
§ 9 Begründung der Entscheidung
A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis
I. Begründung zur Ermöglichung einer Fremdkontrolle
II. Keine zwingende Begründung analog § 1054 Abs. 2 ZPO
III. Begründungsbedürftige Ausübung eines Gestaltungsrechts?
B. Keine Begründung bei Schiedsgutachten ohne Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit
C. Kontrollüberlegung: Keine Begründungspflicht in England und Frankreich
D. Nachholbarkeit der Begründung
E. Ergebnis
§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung
A. Zulässigkeit einer Substitution
I. Persönliche Aufgabenwahrnehmung des gerichtlichen Sachverständigen
II. Höchstpersönlichkeit als Reflex des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
III. Höchstpersönlichkeit als Folge des § 319 Abs. 1 BGB
IV. Höchstpersönlichkeit wegen fehlender Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten?
V. Höchstpersönlichkeit und Privatautonomie
1. Zum Vergleich: Divergierende Ansichten bei der Stellvertretung
a) Deutsches Recht: Interesse des Geschäftsherrn
b) Französisches Recht: Interesse des Bevollmächtigten
2. Folgerungen für die Delegation von Privatautonomie
B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters
C. Folgen einer nicht höchstpersönlichen Gutachtenerstellung
D. Ergebnis
§ 11 Form der Entscheidung
A. Keine Erstreckung von Formanforderungen für die Schiedsgutachtenklausel auf das Schiedsgutachten
I. Im Schuldrecht
II. Im Erbrecht
B. Keine Analogie zur Form des Schiedsspruches
C. Ergebnis
§ 12 Gremienentscheidungen
Teil 3: Kontrolle der Drittbestimmung
§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens
A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens
I. Bindung der Parteien an den Spruch des Schiedsgutachters
1. Unterwerfung als Grundlage der Bindungswirkung
a) Im Schuldrecht
b) Im Erbrecht
2. Zeitpunkt des Eintritts der Bindungswirkung
a) Im Schuldrecht
b) Im Erbrecht
II. Bindung des Gerichts an den Spruch des Schiedsgutachters
III. Bindung des Schiedsgutachters an seinen Spruch
1. Grundsätzlich: Unwiderruflichkeit mit Zugang der Bestimmungserklärung
2. Unwiderruflichkeit als Folge der Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen?
IV. Bindung außenstehender Personen?
B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung
I. Abschwächung der Bindungswirkung vor Gutachtenerstellung
II. Abschwächung der Bindungswirkung nach Gutachtenerstellung
1. Abschwächung der Bindungswirkung als erneute Ausübung von Privatautonomie
2. Der erbrechtliche Auslegungs‑ und Feststellungsvertrag insbesondere
3. Ergebnis
C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit
I. Fehler der ersten Stufe: Unwirksamkeit der Unterwerfung unter das Schiedsgutachten
II. Fehler der zweiten Stufe: Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgutachters
§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens
A. Zweck der Kontrolle
I. Gesetzliche Grundlagen
II. Rechtfertigung der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen
1. Exogener Ansatz I: Schiedsgutachten als Rechtsprechung
2. Exogener Ansatz II: Kontrolle wegen mangelnder Qualität als Rechtsprechung
3. Endogener Ansatz: Kontrolle des Schiedsgutachtens als Vertragsinhaltskontrolle
III. Folgerungen
B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle
I. Erweiterung der Unverbindlichkeitsgründe
II. Beschränkung der Kontrolle
1. Vereinbarung eines beschränkt kontrollfähigen Entscheidungsmaßstabs
2. Privatautonome Beschränkung des Kontrollmaßstabs
a) Dispositiver oder zwingender Charakter des § 319 Abs. 1 BGB?
b) Wesensverschiedenheit von Schiedsspruch und Schiedsgutachten
c) Richterliche Überprüfung keine nachgelagerte Richtigkeitsgewähr
d) Wechselwirkung von Verfahren und Kontrolle
3. Gesetzliche Beschränkung des Kontrollmaßstabs
a) Die Verbindlichkeit der Preisrichterentscheidung, § 661 Abs. 2 S. 2 BGB
b) Die Verbindlichkeit der Bestimmung des Vermächtnisnehmers, § 2151 BGB
III. Ergebnis
C. Folgen der Kontrolle
I. Privatautonome Abhilfe
II. Gerichtliche Abhilfe
1. Kassation der Entscheidung des Dritten
a) Keine einstweilige Verbindlichkeit bis zur Kassation
b) Bestätigung der unverbindlichen Entscheidung des Dritten durch die Parteien
c) Beschränkung des Gerichts auf eine reine Kassationsentscheidung
d) Kassation als Regelfall – Englisches Recht
2. Benennung eines neuen Dritten – Französisches Recht
3. Ersetzung der Entscheidung – Die Lösung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB
a) Legitimation der gerichtlichen Ersetzung
aa) Hintergrund des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB
bb) Vergleich mit dem französischen Recht
cc) Gerichtliche Ersetzung als Weiterdenken der Privatautonomie
dd) Gerichtliche Ersetzung auch bei Bestehen einer „Auffangordnung“
b) Vornahme der Ersetzung durch den Richter
aa) Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Richter
bb) Prozessuale Umsetzung
III. Ergebnis
§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab
A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit?
I. Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse zum Kontrollmaßstab
II. Die Entwicklung in Frankreich als Kontrast
III. Ergebnis
B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben in der Unterwerfung
I. Deutsches Recht
II. Englisches Recht
1. Departure from instructions in a material respect
2. Manifest error
III. Französisches Recht
IV. Ergebnis
C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere
I. „Offenbare“ Unbilligkeit
1. Gründe für den Standard
a) Von der manifesta iniquitas zur offenbaren Unbilligkeit
b) Warum einfache Unbilligkeit nicht ausreicht
2. Evidenzbasierter oder materieller Begriff?
a) Evidenzbasierte Sichtweise: Augenfällige Unbilligkeit
b) Materielle Sichtweise: Grobe Unbilligkeit
3. Kriterien
II. Offenbare „Unbilligkeit“
1. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel des billigen Ermessens: Ermessensfehlerlehre oder Überschreitung des Gestaltungsspielraums?
2. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel der Delegation von Privatautonomie
3. Konzentration auf das Ergebnis oder Beachtlichkeit von Fehlern im Verfahren?
4. Unbillige Feststellungsentscheidungen und unrichtige Gestaltungsentscheidungen?
III. Ein strengerer Standard als mutmaßlicher Parteiwille?
1. Unverbindlichkeit von feststellenden Schiedsgutachten analog § 1059 ZPO?
2. Substitution der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen durch eine Haftung des Schiedsgutachters
a) Englisches Recht
aa) Die Unbeachtlichkeit eines „mistake“ des Schiedsgutachters
bb) Gründe für die Unbeachtlichkeit
cc) Der entscheidende Grund: Die Haftung des Schiedsgutachters
dd) Zusammenspiel von Unverbindlichkeit und Haftung
b) Französisches Recht
aa) „une loi irréfragable“ – Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Dritten
bb) Der Begriff der erreur grossière – Definitionsversuche und Alternativbegriffe
cc) Geringe praktische Bedeutung der erreur grossière
dd) Abschied von der erreur grossière
3. Haftung des Schiedsgutachters statt Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens – Ein Modell auch für das deutsche Recht?
a) Mutmaßlicher Parteiwille: Haftung des Schiedsgutachters für unverbindliche Entscheidungen
b) Haftungsmodell als Funktionsäquivalent zur richterlichen Ersetzung
c) Nachteile des Haftungsmodells
4. Zwischenergebnis
IV. Ergebnis
Teil 4: Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit
§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit
A. Der Dritte: „Wesensverschieden“ oder „kleiner Schiedsrichter“?
I. „Arbiter, arbitrator seu amicabilis compositor“
II. Annäherung und Abgrenzung
B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter
I. Versuch einer Abgrenzung nach Aufgabenbereichen
II. Schiedsgutachter kann alle Aufgaben des Schiedsrichters wahrnehmen
1. Qualitativ: Tatsachenfeststellungen vs. Rechtsfragen
2. Quantitativ: Entscheidung eines Rechtsstreits vs. Entscheidung über Elemente eines Rechtsstreits
III. Schiedsrichter kann alle Aufgaben des Schiedsgutachters wahrnehmen
1. Subsidiäre Befugnisse des Schiedsgerichts
2. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Schuldrecht
a) Gestaltende Entscheidungen
b) Feststellende Entscheidungen – § 256 ZPO als Grenze?
3. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Erbrecht
a) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
aa) Kompetenzen staatlicher Gerichte zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung
bb) Kompetenz eines Schiedsgerichts zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung
(i) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein vertragliches Schiedsgericht
(ii) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein letztwilliges Schiedsgericht
cc) Mögliche Einwände
(i) Keine Rechtsgestaltung
(ii) Keine konsensuale Grundlage
(iii) Keine Entscheidung nach billigem Ermessen
(iv) Keine Schiedsfähigkeit
(v) Verstoß gegen das Drittbestimmungsverbot
(vi) Verletzung gesetzlich verankerter Rechte der Erben
dd) Ergebnis
b) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bestimmung des Erben (Gestaltungsentscheidung)
c) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bezeichnung des Erben (Feststellungsentscheidung)
IV. Ergebnis
C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen
I. Auf die Vereinbarung bezogene Kriterien
1. Formulierung der Vereinbarung
2. Rechtsnatur der Vereinbarung
3. Dem Dritten eingeräumter Entscheidungsmaßstab
II. Auf die Entscheidung des Dritten bezogene Kriterien
1. Wirkungen der Entscheidung
2. Nachprüfbarkeit der Entscheidung
III. Ergebnis
D. Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie
Schluss
§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
A. Delegation und Selbstbestimmung
B. Delegation und Aufgabenverteilung
C. Delegation und Höchstpersönlichkeit
D. Delegation und Schiedsgerichtsbarkeit
E. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Delegation von Privatautonomie auf Dritte: Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle von Inhaltsbestimmungen und Feststellungen Dritter im Schuld- und Erbrecht. Habilitationsschrift
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I

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 186

II

III

Jens Kleinschmidt

Delegation von Privatautonomie auf Dritte Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle von Inhaltsbestimmungen und Feststellungen Dritter im Schuld‑ und Erbrecht

Mohr Siebeck

IV Jens Kleinschmidt, geboren 1975; Studium der Rechtswissenschaft in Köln, Genf, Freiburg und Berkeley (LL.M.); 2003 Promotion Regensburg; 2004 Zweite jur. Staatsprüfung Ham‑ burg; 2005–2013 Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg; 2005–2012 Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School Hamburg; 2012 Habilitation Bucerius Law School; Lehrstuhlvertretungen in Heidel‑ berg und Halle (Saale); seit 2013 Professor für Zivilrecht, insbesondere Internationales Pri‑ vat- und Verfahrensrecht, sowie Rechtsvergleichung an der Universität Trier.

e‑ISBN 978-3-16-152607‑7 ISBN 978-3-16-152527-8   ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National‑ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab‑ rufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi­ kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

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Vorwort Diese Arbeit wurde im Herbsttrimester 2012 von der Bucerius Law School Hamburg als Habilitationsschrift angenommen. Für das Verfahren befand sie sich auf dem Stand von März 2012. Wesentliche danach erschienene Literatur und Rechtsprechung wurden bis Ende 2013 nachgetragen. Nicht weiter nach‑ getragen wurde die derzeit noch im Fluss befindliche Diskussion um den Vor‑ schlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, der eine Bestimmung zur Festsetzung durch einen Dritten enthält (dazu Kleinschmidt, RabelsZ 76 [2012], 785 ff.). Mein erster herzlicher Dank gebührt meinem akademischen Lehrer Profes‑ sor Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann. Er hat die Entstehung dieser Ar‑ beit mit besonderem Engagement, wohlmeinendem Rat, großen Freiheiten und der anregenden Arbeitsatmosphäre seiner Arbeitsgruppe gefördert und umfas‑ send meinen Werdegang unterstützt. Weitere Gutachter im Habilitationsver‑ fahren waren Professor Dr. Matthias Jacobs und – als nach der Habilitations‑ ordnung der Bucerius Law School zwingend erforderlicher externer Gutach‑ ter – Professor Dr. Andreas Spickhoff. Beiden danke ich herzlich dafür, dass sie diese Aufgabe auf sich genommen haben. Für die Mitwirkung als – eben‑ falls vorgeschriebenes – weiteres externes Mitglied des Habilitationsausschus‑ ses danke ich Frau Professor Dr. Bettina Heiderhoff. Die Leitung des Habilita‑ tionsverfahrens oblag Professor Dr. Karsten Thorn. Dafür danke ich ihm und auch für die Jahre der schönen Zusammenarbeit im Schwerpunktbereich „Recht des internationalen Handels“. Nicht unmittelbar am Habilitationsverfahren beteiligt, doch in vielfälti‑ ger Weise Begleiter und Förderer dieser Arbeit war Professor Dr. Jens Peter ­Meincke, der seit meinem ersten Semester – damals als Vertrauensdozent der Studienstiftung des deutschen Volkes – meinen Weg auf wunderbare Weise un‑ terstützt hat und dem ich für vieles dankbar bin. Bei der Themensuche konnte ich frühe Überlegungen zu Schiedsgutachten und Schiedsverfahren mit Profes‑ sor Dr. Klaus Sachs diskutieren, dem hierfür mein Dank gilt. Für einen Zeitraum von drei Jahren wurde die Fertigstellung dieser Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit der Finanzierung einer eigenen Stelle gefördert. Für den dadurch ermöglichten Freiraum danke ich herzlich. Aus dieser Förderung konnte auch die Publikation teilweise finanziert werden. Die Arbeit ist entstanden am Max-Planck-Institut für ausländisches und inter‑ nationales Privatrecht in Hamburg, von dessen idealen Arbeitsbedingungen ich sehr profitiert habe. Dank gilt dort insbesondere den Mitarbeitern der Biblio‑ thek sowie Christian Eckl, der als Leiter der Abteilung Redaktionen die Ver‑

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Vorwort

öffentlichung engagiert begleitet hat. Zudem danke ich den Direktoren dafür, dass das Insti­t ut den Druck ebenfalls mit der Gewährung eines großzügigen Zuschusses unterstützt hat. Danken möchte ich allen Kollegen und Freunden, die während der Entste‑ hung der Arbeit mit Diskussionsbereitschaft zur Seite standen. Ganz besonde‑ rer Dank für ihre Unterstützung gilt den Freunden Florian Faust, Phillip Hell‑ wege, Tobias Helms, Giesela Rühl und Jens Martin Zeppernick. Bei der Vorbe‑ reitung der Drucklegung haben an meinem Trierer Lehrstuhl Dorothée Carl, ­ emper, Aline Meiser und beson‑ Ursula Ferlemann, Dominik Groß, Thomas K ders Hanno Merten mitgeholfen. Dafür danke ich in Vorfreude auf die weitere Zusammenarbeit. Die Liebe und das Vertrauen meiner Mutter Barbara Kleinschmidt und mei‑ nes Bruders Axel Kleinschmidt begleiteten mich auch auf dieser Etappe. Mög‑ lich wurde diese Arbeit erst durch die tatkräftige und geduldige Unterstützung und den liebevollen Rückhalt meiner Frau Annemie Schmitz-Valckenberg, die jeden Schritt dieses Weges mit mir gegangen ist. Dafür danke ich ihr mehr, als es in diesem Vorwort möglich ist. Ihr – und unseren beiden Söhnen Thomas und Nikolas – ist dieses Buch gewidmet. Trier, im April 2014

Jens Kleinschmidt

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Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      V Inhaltsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  XXXI

Einleitung § 1  Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 A. Privatautonomie und Selbstgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Drei Problemkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Drei Problemebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die fragmentarische Erfassung dieser Probleme im Gesetz . . . . . . . . . . . . . E. Die Delegation von Privatautonomie in ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 3  6  16  18  20  23

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 A. Drei terminologische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen . . . . . . . . . .  30 C. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  96

Teil 1:

Zulässigkeit einer Delegation § 3 Delegation und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  101 A. B. C.

Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  102 Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  123 Form der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  139

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Inhaltsübersicht

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  147 A. B. C. D. E.

Zum Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen der Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe . . . . . Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe . . . . . . . . .

 148  152  187  224  268

§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  305 A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  307 B. Die Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  352

Teil 2:

Verfahren der Drittbestimmung § 6 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  407 A. Warum Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  407 B. Welche Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  412

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters . . .  414 A. B. C.

Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . .  415 Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . .  420 Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  493

§ 8 Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  521 A. Präzisierung: Was bedeutet rechtliches Gehör bei Schiedsgutachten? . . B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Übertragbarkeit auf das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gleichbehandlung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 521  525  528  541  543  544

IX

Inhaltsübersicht

§ 9 Begründung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  546 A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Keine Begründung bei Schiedsgutachten ohne Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kontrollüberlegung: Keine Begründungspflicht in England und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nachholbarkeit der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

 548  556  558  559  563

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  564

A. Zulässigkeit einer Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Folgen einer nicht höchstpersönlichen Gutachtenerstellung . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 564  579  582  585

§ 11 Form der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  586 A. Keine Erstreckung von Formanforderungen für die Schiedsgutachtenklausel auf das Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  588 B. Keine Analogie zur Form des Schiedsspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  592 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  593

§ 12 Gremienentscheidungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  594

Teil 3:

Kontrolle der Drittbestimmung § 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  599 A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . .  599 B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . .  612 C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  621

§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . .  626 A. Zweck der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  626 B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  639 C. Folgen der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  666

X

Inhaltsübersicht

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  700

A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  700 B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben in der Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  707 C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere . . .  716

Teil 4:

Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit § 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  773 A. B. C. D.

Der Dritte: „Wesensverschieden“ oder „kleiner Schiedsrichter“? . . . . . . Die Kongruenz der Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie . . . . .

 773  779  822  829

Schluss § 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

. . . . . . . . . . . . . . . . .  833

A. Delegation und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Delegation und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Delegation und Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Delegation und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 833  839  841  842  843

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  845

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  895

XI

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  XXXI

Einleitung § 1  Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 A. Privatautonomie und Selbstgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   3 B. Drei Problemkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   6 I. Schutz vor Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   6 1. Fremdbestimmung durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 2. Fremdbestimmung durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   8 II. Selbstgestaltung als Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  10 1. Aufgabenübertragung an einen privaten Dritten . . . . . . . . . . . . . . .  12 2. Aufgabenverteilung zwischen Staat und privat . . . . . . . . . . . . . . . . .  13 III. Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  15 C. Drei Problemebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  16 I. Zulässigkeit – Verfahren – Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  16 II. Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  18 D. Die fragmentarische Erfassung dieser Probleme im Gesetz . . . . . . . . . . . . .  18 E. Die Delegation von Privatautonomie in ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  20 F. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  23

XII

Inhaltsverzeichnis

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 A. Drei terminologische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 I. Gremienentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 II. Gestaltende Schiedsgutachten und feststellende Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  26 III. Schiedsgutachtenvertrag und Schiedsgutachtervertrag . . . . . . . . . . . .  29 B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen . . . . . . . . . .  30 I. Beispiele einer Delegation von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . .  30 1. Gestaltende Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  31 a) Beispiele im Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ergänzung eines Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Änderung und Anpassung des Vertragsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gegenstand der Drittbestimmung: Nicht nur Leistungen . . . . . . b) Beispiele im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 31  31  34  37  39

2. Feststellende Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  40

a) Beispiele im Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  40 b) Beispiele im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  43

II. Feststellungsentscheidungen als delegierte Privatautonomie . . . . . . .  44 1. Unterschiede zwischen gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  46 2. Gemeinsamkeiten aus historischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . .  47

a) Die verengte Sichtweise des BGB-Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . .  47 b) Analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  48 c) Gestaltung und Feststellung im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . .  49

3. Gemeinsamkeiten aus vergleichender Perspektive . . . . . . . . . . . . . .  55

a) Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  55 b) Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  62 c) Feststellungen (nur) durch Schiedsgerichte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  64

4. Gemeinsamkeiten aus dogmatischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . .  65 a) Funktional vergleichbare Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  65 b) Der Einfluss des Entscheidungsmaßstabs: Billiges Ermessen und Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  67

5. Das feststellende Schiedsgutachten als Ergänzung eines Feststellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71

a) Feststellende Schiedsgutachten als Institute des materiellen Rechts ��  71 b) Ergänzung eines materiell-rechtlichen Feststellungsgeschäfts . . . . . .  72 c) (Potentielle) Umgestaltung der materiellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . .  81 d) Die prozessuale Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens . . . . .  84 e) Argumente in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  86

Inhaltsverzeichnis



aa) Erklärung der Bindung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf die Fälligkeit des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . cc) Erklärung des einseitig verbindlichen Gutachtens . . . . . . . . . . . . dd) Der eigentliche Zankapfel: Verfahrensgarantien . . . . . . . . . . . . . .

XIII   86   87   91   92

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   95 C. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   96 I. Andere Formen der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   97 1. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   97 2. Bestimmungsbefugnisse einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   98 II. Andere Formen der Verweisung auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 1. Vereinbarung eines Markt- oder Börsenpreises . . . . . . . . . . . . . . .   99 2. Verweisung auf von Dritten erstellte Regelwerke . . . . . . . . . . . . .  100

Teil 1:

Zulässigkeit einer Delegation § 3 Delegation und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  101 A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  102 I. Selbstbindung als Ausübung von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . .  102 II. Bevollmächtigung als Ausübung von Privatautonomie . . . . . . . . . . .  103 1. Erteilung von Vertretungsmacht führt nicht zu Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  103 2. Der Dritte als Vertreter des Delegierenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . .  104

a) Der Dritte als mandataire commun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  105 b) Ein Erklärungsmodell auch für das deutsche Recht? . . . . . . . . . . . . .  108

III. Delegation als Ausübung von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . .  111 1. „Unterwerfung“ unter die Entscheidung des Dritten . . . . . . . . . .  111 2. Und die Richtigkeitsgewähr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  113

a) Ansätze einer Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  115 b) Richtigkeitsgewähr durch Aushandeln der Delegation . . . . . . . . . . . .  117

3. Die Rechtsmacht des Dritten: Ein Gestaltungsrecht? . . . . . . . . . .  121 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  123

XIV

Inhaltsverzeichnis

B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  123 I. Kontrollfähigkeit der Schiedsgutachtenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . .  124 1. Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  124 2. Entbehrlichkeit einer Inhaltskontrolle des Schiedsgutachtens wegen nachgelagerter Kontrolle des Schiedsgutachtens? . . . . . . .  128 II.

Kontrolle der Schiedsgutachtenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfung anhand besonderer Klauselverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung anhand der Generalklausel, § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . .

 129  130  131  131

a) Fehlendes berechtigtes Interesse an der Einschaltung eines Schiedsgutachters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hohes Geschäftsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifizierungen von Entscheidungs‑ oder Kontrollmaßstab . . . . . . d) Fehlende Verfahrensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 131  133  134  135

III. Folgen der Unwirksamkeit und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  138 C. Form der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  139 I. Vereinbarung eines Schiedsgutachtens unter Lebenden . . . . . . . . . .  140 1. Kein Formerfordernis analog § 1031 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  140 2. Formbedürftigkeit als Nebenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  143 II. Anordnung eines Schiedsgutachtens von Todes wegen . . . . . . . . . . .  145 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  146

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  147 A. Zum Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  148 I. Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts als Wirksamkeits voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  148 II. Der Zusammenhang zwischen § 317 BGB und dem Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  150 B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  152 I. Zur Funktion des Bestimmtheitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmtheit und prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheit und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheit und Dissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmtheit und Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 152  152  155  157  163

Inhaltsverzeichnis



a) Herleitung der Verteilungsfunktion des Bestimmtheitsgebots . . . . . b) Die Sichtweise des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wandel der Aufgabenverteilung bei der Erbauseinandersetzung . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV  163  164  167  176

II. Anwendung auf die Delegation von Privatautonomie . . . . . . . . . . . .  177 1. Die Schwierigkeit der Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  177 2. Delegation von Privatautonomie bedeutet keine „Lockerung“ des Bestimmtheitsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  181 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187 C. Grenzen der Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187 I. Bestimmbarkeit des Inhalts der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187 1. Eine Skala der Entscheidungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  188 a) Die Abstufungen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Freies Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Freies Belieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weniger Dogmatisierung in England und Frankreich . . . . . . . . . . . .

 188  189  191  191  192

2. Zulässigkeit einer Entscheidung nach freiem Belieben . . . . . . . . . a) Keine unzulässige Gefährdung der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . b) Die (vermutliche) Unzulässigkeit freien Beliebens im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Delegation von Privatautonomie trägt auch Entscheidung nach freiem Belieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Im Zweifel für das billige Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Feststellungsentscheidungen nach freiem Belieben? . . . . . . . . . . . . . .

 194  196  196  203  204  207

3. Erforderlichkeit von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . .  208

a) Unwirksamkeit des Vertrags ohne Entscheidungskriterium? . . . . . .  208 b) Maßgeblichkeit des Bindungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 c) Abweichende Grundsätze im Erbrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  213

II. Bestimmbarkeit der Person des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216 1. Delegation der Auswahl des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216

a) Delegation an einen privaten Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216 b) Delegation an ein Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  217

2. Vorbehalt einer späteren Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  219 3. Scheitern des Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  220 III. Verschärfung des Bestimmtheitsgebots durch Formvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  221 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  224

XVI

Inhaltsverzeichnis

D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe . . . . .  224 I. Fehlschlagen der Delegation: Ein allgemeiner Tatbestand . . . . . . . .  226 1. Direkte und analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . .  226

a) Nichtwollen und Nichtkönnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verweigerte Mitwirkung des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wegfall des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 226  227  228  230  231

2. Zusammenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  232 a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  232 b) Ein allgemeiner Tatbestand in England und Frankreich . . . . . . . . . . .  234

II. Subsidiäre richterliche Vertragshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236 1. Unwirksamkeit als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236

a) Besonderes Vertrauen in die Person des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . .  236 b) Feststellende Schiedsgutachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  238 c) Generelle Unwirksamkeit: Der Ansatz des französischen Rechts . . .  239

2. Zwischenlösung: Gerichtliche Benennung eines neuen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  244 3. Gerichtliches Ersatzgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  245 a) Die Entstehung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entwicklung im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die traditionelle Lösung: Unwirksamkeit des Vertrags . . . . . . . . bb) Gründe für die Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der neue Ansatz: Gerichtliche Ersetzung möglich . . . . . . . . . . . dd) Festigung des neuen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 245  247  247  250  253  258

4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  260

a) Ersetzbarkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  260 b) Richterliche Ersatzbestimmung und Aufgabenverteilung . . . . . . . . .  260 c) Die Benennung eines neuen Dritten als „milderes Mittel“? . . . . . . . .  264

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  267 E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe . . . . . . . . .  268 I. Einschaltung des Gerichts als Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  268 II. Handeln als Richter oder Handeln als Privatperson? . . . . . . . . . . . .  270 1. Schiedsgutachten als Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  270 2. Schiedsgutachten als Justizverwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  271 III. Aufgabenübertragung analog § 319 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .  274 1. „Überspringung“ des Dritten bei Gestaltungsentscheidungen eines Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  275 2. Einwände gegen die schiedsgerichtliche Gestaltung, insbesondere Kompetenzgleichlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  276

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XVII

3. „Überspringung“ des Dritten bei der richterlichen Festsetzung einer Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  277 a) Delegation der Vertragsstrafenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  278 b) Der „alte Hamburger Brauch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  280 c) Der „neue Hamburger Brauch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  281

IV. Keine primäre richterliche Vertragshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  283 1. Grundsätzliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  285

a) Rechtsschutzverkürzung durch „Überspringung“ des Dritten? . . . .   285 b) Vertragshilfe als Domäne der freiwilligen Gerichtsbarkeit? . . . . . . . .  286

2. Richterliche Gestaltung bei besonderem Bedürfnis? . . . . . . . . . .  290 3. Numerus clausus der Gestaltungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  291

a) Justizökonomische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  293 b) Richterliche Gestaltung und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  296 c) Umgehung der gerichtlichen Ersetzungsfunktion? . . . . . . . . . . . . . . .  302

V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  304

§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  305 A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  307 I. Delegation des Erblasserwillens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss der Stellvertretung (formelle Höchst persönlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsentscheidungen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Potestativbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . 5. Ermächtigung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 307  309  309  310  311  313  316

III. Zulässigkeit einer Drittbestimmung und Ausnahmen von § 2065 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  324 IV. Die Drittbestimmung des Erben zwischen Gestaltung und Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der fließende Übergang zwischen einer Konkretisierung und einer Bestimmung des Erben durch einen Dritten . . . . . . . . 2. Entscheidungsspielraum des Dritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unklarheit über die erforderlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .

a) Angabe eines begrenzten Personenkreises? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angabe der Entscheidungskriterien im Testament? . . . . . . . . . . . . . . c) Benennung des Dritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sachkunde des Dritten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 327  327  328  334  334  335  337  338

4. Bedeutung in Praxis und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338

XVIII

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V. „Umgehung“ des Verbots der Erbenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Unwirksamkeit des drittbestimmten Universal vermächtnisses wegen Umgehung des § 2065 BGB . . . . . . . . . . . . 2. Umdeutung einer unwirksamen Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachteile eines drittbestimmten Universalvermächtnisses . . . . .

 339  340   345  348

VI. Lebzeitige Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  350 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  351 B. Die Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  352 I. Materiale Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   353 1. Unverzichtbare Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  353

a) Delegation ist Ausübung von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . .  354 b) Delegation ist Entscheidung des „Nächstbeteiligten“ . . . . . . . . . . . . .  355

2. Verantwortung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Delegation als Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein . . . . . . . . b) Möglichkeiten „verantwortungslosen“ Testierens . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verantwortung wem gegenüber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 356  356  358  359

3. Schutz der gesetzlichen Erbfolge und der Angehörigen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  360

a) Keine schutzwürdigen Erwerbsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  361 b) Delegationsverbot als ungeeignetes Schutzinstrument . . . . . . . . . . . .  364

4. Vermögenskonzentration und Verewigung des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  366 a) Drittbestimmungsverbot dient nicht der Verhinderung von Vermögenskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  367 b) Drittbestimmungsverbot hindert keine Perpetuierung des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  368

5. Missbrauch der Bestimmungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  369

a) Erblasser kann mit der Missbrauchsgefahr umgehen . . . . . . . . . . . . .  370 b) Kontrolle der Drittbestimmung zum Schutz vor Missbrauch . . . . . .  371

6. Besonderer Status des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  371

a) Persönlichkeitsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  372 b) Materiales Gewicht des Erbenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  373

7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  376 II. Strukturelle Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  377 1. Strukturelle Unterschiede zur Delegation im Vertragsrecht . . .  377

a) Unterschiedliches Gewicht einer Drittbestimmung . . . . . . . . . . . . . .  378 b) Bestimmung einer Leistung und Bestimmung einer Person . . . . . . .  379

Inhaltsverzeichnis

aa) Bestimmung des Belohnungsempfängers, §§ 660, 661 BGB . . . . bb) Bestimmung des Drittbegünstigten beim Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestimmung des Vertragsübernehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Qualitative Unterschiede zwischen Vertragsrecht und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kriterien zur Bestimmung einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX  380   381  385  387  387  389

2. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Kontrolle . . . . . . . . . . . . .   389

a) Schutz der Erbaspiranten, nicht des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . .  390 b) Verwirklichung des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  392

3. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Verfahren . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensfragen rund um eine Drittbestimmung des Erben . . . . . . b) Das praktische Problem: Ein langer Schwebezustand . . . . . . . . . . . . . c) Erbanfall zum Zeitpunkt der Bestimmungserklärung . . . . . . . . . . . . d) Erbanfall mit dem Tod des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 393  393  395  396  399  400  401  402  402  405

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  406

Teil 2:

Verfahren der Drittbestimmung § 6 Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  407 A. Warum Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  407 I. Der Theorienstreit um die Rechtsnatur des Schiedsgutachtens und seine Auswirkungen auf das zu beachtende Verfahren . . . . . . .  407 II. Die entscheidende Frage nach dem Bedürfnis nach Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  408 III. Erweiterung des Blickfelds auf gestaltende Schiedsgutachten . . . . .  411 B. Welche Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  412 I. Geltung von Verfahrensregeln unproblematisch . . . . . . . . . . . . . . . . .  412 II. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  413

XX

Inhaltsverzeichnis

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters . . .  414 A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . .  415 I.

Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern und Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  415 1. Die Paarformel „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ . . . . . .  415 2. Die Notwendigkeit einer kasuistischen Herangehensweise . . . .  416

II. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters – Versuch einer Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  417 B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . .  420 I. Geltung kraft ausdrücklicher Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . .  420 1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  420 2. In Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  420 II. Generelle Geltung bei feststellenden Schiedsgutachten . . . . . . . . . . .  422 1. Die Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  424 a) Klassische Wahrnehmung der Rechtsprechung: Ablehnende Haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  424 b) Ältere Entscheidungen: Anerkennung eines Neutralitätsgebots . . . .  427 c) Wiederentdeckung des Neutralitätsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  430

2. Keine Geltung des Gebots aufgrund einer Funktions ähnlichkeit zum (Schieds‑)Richter oder zum gerichtlichen Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  437 a) Funktionsvergleich mit gesetzlich geregelten Personenkreisen . . . . .  437 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  439

3. Keine Geltung aufgrund der Bindung des Richters an den Inhalt des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  442 a) Richter ist an Schiedsgutachten gebunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  442 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  442

4. Keine Geltung aufgrund einer Qualifikation von Schiedsgutachten als Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  445 a) Verfassungsrechtlicher Begriff der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . b) Unbrauchbarkeit des verfassungsrechtlichen Begriffs . . . . . . . . . . . . c) Grund für die Einordnung von Schiedsgerichtsverfahren als materielle Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 445  449  450  452

5. Zutreffender Ansatzpunkt: Mutmaßlicher Parteiwille . . . . . . . . .  456 a) Gründe für die Aufnahme des Gebots in den mutmaßlichen Parteiwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  456 b) Ein „implied term“ der Neutralität – Rechtslage in England . . . . . . .   458 c) „Der Dritte muss wirklich Dritter sein“ – Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  460

Inhaltsverzeichnis



XXI

d) Die Schlüsselrolle des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  462 e) Dispositionen über das Neutralitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  462

6. Einfluss verfassungsrechtlicher Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . .  465

a) Schiedsgutachten und gerichtlicher Privatrechtsschutz . . . . . . . . . . . b) Präzisierung der Person des „Dritten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedsgutachten und das Verbot des Richtens in eigener Sache . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 465  467  470  474

7. Einzelheiten zur Beurteilung der „Entscheidung in eigener Sache“ nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   475 III. Generelle Geltung auch bei gestaltenden Schiedsgutachten . . . . . . .  476 IV. Folgerungen für das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  479 1. Bestandsaufnahme: Keine einheitliche Behandlung im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  480 a) Strengerer Kontrollmaßstab für Entscheidung in eigener Sache bei § 2156 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Differenzierung nach der Person des Bestimmungs berechtigten bei § 2048 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidung in eigener Sache bei § 2151 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Differenzierung bei § 2193 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestimmungsrecht nach freiem Belieben bei § 2198 BGB . . . . . . . . . .

 480  481  483  484   487

2. Analyse: Gleichlauf von Schuldrecht und Erbrecht . . . . . . . . . . .  489

a) Entscheidungen nach freiem Belieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung des Gebots aus dem mutmaßlichen Erblasserwillen . . . c) Entscheidungen in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Feststellende Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 489  490  491   491

V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  492 C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  493 I. Unwirksamkeit des Schiedsgutachtens und der Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  493 II. Haftung des Schiedsgutachters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  496 III. Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  497 IV. Zwischenstreit über die Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ablehnung des Schiedsgutachters im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnung eines nicht neutralen Schiedsgutachters analog § 1037 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternativen zu einer Analogie zu § 1037 ZPO . . . . . . . . . . . . . . .

 502  503

 504  509 a) Außerordentliche Kündigung des Schiedsgutachtervertrags . . . . . . .  509 b) Erhebung einer Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  512 c) Schiedsgerichtliche Entscheidung über die Ablehnung . . . . . . . . . . .  515

XXII

Inhaltsverzeichnis

4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  516 V. Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  516 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  519

§ 8 Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  521 A. Präzisierung: Was bedeutet rechtliches Gehör bei Schiedsgutachten? . .  521 B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist . . . . . . . . . . . . . . . . . .  525 I. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  525 II. In Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  526 III. Kraft einseitiger Gewährung rechtlichen Gehörs? . . . . . . . . . . . . . . .  527 C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  528 I. Ablehnende Position der Rechtsprechung und Reaktionen darauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  528 II. Ablehnende Position in England und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . .  530 1. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  530 2. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  533 III. Begründungsansätze für einen Anspruch auf rechtliches Gehör . . 1. Funktion des Schiedsgutachters und Bindungswirkung des Gutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mutmaßlicher Parteiwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 534  535  536  537

D. Übertragbarkeit auf das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  541 E. Gleichbehandlung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  543 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  544

§ 9 Begründung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  546 A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . .  548 I. Begründung zur Ermöglichung einer Fremdkontrolle . . . . . . . . . . .  548 II. Keine zwingende Begründung analog § 1054 Abs. 2 ZPO . . . . . . . .  550 III. Begründungsbedürftige Ausübung eines Gestaltungsrechts? . . . . .  553 B. Keine Begründung bei Schiedsgutachten ohne Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  556

Inhaltsverzeichnis

XXIII

C. Kontrollüberlegung: Keine Begründungspflicht in England und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  558 D. Nachholbarkeit der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  559 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  563

§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  564

A. Zulässigkeit einer Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  564 I. Persönliche Aufgabenwahrnehmung des gerichtlichen Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  567 II. Höchstpersönlichkeit als Reflex des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  568 III. Höchstpersönlichkeit als Folge des § 319 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . .  569 IV. Höchstpersönlichkeit wegen fehlender Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  570 V. Höchstpersönlichkeit und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  572 1. Zum Vergleich: Divergierende Ansichten bei der Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  573

a) Deutsches Recht: Interesse des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . .  573 b) Französisches Recht: Interesse des Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . .  574

2. Folgerungen für die Delegation von Privatautonomie . . . . . . . . .  577 B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  579 C. Folgen einer nicht höchstpersönlichen Gutachtenerstellung . . . . . . . . . . .  582 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  585

§ 11 Form der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  586 A. Keine Erstreckung von Formanforderungen für die Schiedsgutachtenklausel auf das Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  588 I. Im Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  588 II. Im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  590 B. Keine Analogie zur Form des Schiedsspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  592 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  593

§ 12 Gremienentscheidungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  594

XXIV

Inhaltsverzeichnis

Teil 3:

Kontrolle der Drittbestimmung § 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  599 A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . .  599 I. Bindung der Parteien an den Spruch des Schiedsgutachters . . . . . .  599 1. Unterwerfung als Grundlage der Bindungswirkung . . . . . . . . . .  599

a) Im Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  599 b) Im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  601

2. Zeitpunkt des Eintritts der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . .  601

a) Im Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  601 b) Im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  602

II. Bindung des Gerichts an den Spruch des Schiedsgutachters . . . . . .  606 III. Bindung des Schiedsgutachters an seinen Spruch . . . . . . . . . . . . . . . .  607 1. Grundsätzlich: Unwiderruflichkeit mit Zugang der Bestimmungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  607 2. Unwiderruflichkeit als Folge der Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  609 IV. Bindung außenstehender Personen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  611 B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . .  612 I. Abschwächung der Bindungswirkung vor Gutachtenerstellung . .  612 II. Abschwächung der Bindungswirkung nach Gutachtenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschwächung der Bindungswirkung als erneute Ausübung von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der erbrechtliche Auslegungs‑ und Feststellungsvertrag insbesondere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 614  614  615  621

C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  621 I. Fehler der ersten Stufe: Unwirksamkeit der Unterwerfung unter das Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  622 II. Fehler der zweiten Stufe: Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgutachters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  624

Inhaltsverzeichnis

XXV

§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens . . . . . . . . . . . . . .  626 A. Zweck der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  626 I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  626 II. Rechtfertigung der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exogener Ansatz I: Schiedsgutachten als Rechtsprechung . . . . . 2. Exogener Ansatz II: Kontrolle wegen mangelnder Qualität als Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Endogener Ansatz: Kontrolle des Schiedsgutachtens als Vertragsinhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 627  628  632  633

III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  638 B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  639 I. Erweiterung der Unverbindlichkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  639 II. Beschränkung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  640 1. Vereinbarung eines beschränkt kontrollfähigen Entscheidungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  641 2. Privatautonome Beschränkung des Kontrollmaßstabs . . . . . . . .  645 a) Dispositiver oder zwingender Charakter des § 319 Abs. 1 BGB? . . . b) Wesensverschiedenheit von Schiedsspruch und Schiedsgutachten . . c) Richterliche Überprüfung keine nachgelagerte Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wechselwirkung von Verfahren und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 645  650  652  653

3. Gesetzliche Beschränkung des Kontrollmaßstabs . . . . . . . . . . . . .  658 a) Die Verbindlichkeit der Preisrichterentscheidung, § 661 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  659 b) Die Verbindlichkeit der Bestimmung des Vermächtnisnehmers, § 2151 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  662 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  665 C. Folgen der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  666 I. Privatautonome Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  667 II. Gerichtliche Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  669 1. Kassation der Entscheidung des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  670 a) Keine einstweilige Verbindlichkeit bis zur Kassation . . . . . . . . . . . . . b) Bestätigung der unverbindlichen Entscheidung des Dritten durch die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung des Gerichts auf eine reine Kassations entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kassation als Regelfall – Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 670  674  675  676

XXVI

Inhaltsverzeichnis

2. Benennung eines neuen Dritten – Französisches Recht . . . . . . . .  678 3. Ersetzung der Entscheidung – Die Lösung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  684 a) Legitimation der gerichtlichen Ersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hintergrund des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleich mit dem französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gerichtliche Ersetzung als Weiterdenken der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gerichtliche Ersetzung auch bei Bestehen einer „Auffangordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vornahme der Ersetzung durch den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Richter . . . . . . bb) Prozessuale Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 684  684  687  689  691  693  693  697

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  699

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  700

A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  700 I. Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse zum Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  700 II. Die Entwicklung in Frankreich als Kontrast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  701 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  706 B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben in der Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  707 I. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  707 II. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  709 1. Departure from instructions in a material respect . . . . . . . . . . . . .  709 2. Manifest error . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  713 III. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  715 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  715 C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere . . .  716 I. „Offenbare“ Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  717 1. Gründe für den Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  717

a) Von der manifesta iniquitas zur offenbaren Unbilligkeit . . . . . . . . . .  717 b) Warum einfache Unbilligkeit nicht ausreicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  719

Inhaltsverzeichnis

XXVII

2. Evidenzbasierter oder materieller Begriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  722

a) Evidenzbasierte Sichtweise: Augenfällige Unbilligkeit . . . . . . . . . . . .  723 b) Materielle Sichtweise: Grobe Unbilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   725

3. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  730 II. Offenbare „Unbilligkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel des billigen Ermessens: Ermessensfehlerlehre oder Überschreitung des Gestaltungsspielraums? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel der Delegation von Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konzentration auf das Ergebnis oder Beachtlichkeit von Fehlern im Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unbillige Feststellungsentscheidungen und unrichtige Gestaltungsentscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 730

 730  731  732  737

III. Ein strengerer Standard als mutmaßlicher Parteiwille? . . . . . . . . . . .  740 1. Unverbindlichkeit von feststellenden Schiedsgutachten analog § 1059 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  740 2. Substitution der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen durch eine Haftung des Schiedsgutachters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  746 a) Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Unbeachtlichkeit eines „mistake“ des Schiedsgutachters . . . bb) Gründe für die Unbeachtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der entscheidende Grund: Die Haftung des Schiedsgutachters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenspiel von Unverbindlichkeit und Haftung . . . . . . . . . b) Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „une loi irréfragable“ – Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung aa) des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Begriff der erreur grossière – Definitionsversuche und Alternativbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Geringe praktische Bedeutung der erreur grossière . . . . . . . . . . . dd) Abschied von der erreur grossière . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 746  747  749  752  754  754  755  757  761  763

3. Haftung des Schiedsgutachters statt Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens – Ein Modell auch für das deutsche Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  763 a) Mutmaßlicher Parteiwille: Haftung des Schiedsgutachters für unverbindliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  763 b) Haftungsmodell als Funktionsäquivalent zur richterlichen Ersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  767 c) Nachteile des Haftungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  768

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  770 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  770

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

Teil 4:

Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit § 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  773 A. Der Dritte: „Wesensverschieden“ oder „kleiner Schiedsrichter“? . . . . . .  773 I. „Arbiter, arbitrator seu amicabilis compositor“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .  773 II. Annäherung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  775 B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  779 I. Versuch einer Abgrenzung nach Aufgabenbereichen . . . . . . . . . . . . .  779 II. Schiedsgutachter kann alle Aufgaben des Schiedsrichters wahrnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  784 1. Qualitativ: Tatsachenfeststellungen vs. Rechtsfragen . . . . . . . . . .  784 2. Quantitativ: Entscheidung eines Rechtsstreits vs. Entscheidung über Elemente eines Rechtsstreits . . . . . . . . . . .  785 III.

Schiedsrichter kann alle Aufgaben des Schiedsgutachters wahrnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  787 1. Subsidiäre Befugnisse des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  788 2. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Schuldrecht . . . . . . .  789



a) Gestaltende Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  789 b) Feststellende Entscheidungen – § 256 ZPO als Grenze? . . . . . . . . . . .  789

3. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Erbrecht . . . . . . . . . .  793 a) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kompetenzen staatlicher Gerichte zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompetenz eines Schiedsgerichts zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein vertragliches Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein letztwilliges Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mögliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 796  796  800  801  802  805

Inhaltsverzeichnis

XXIX

(i) Keine Rechtsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Keine konsensuale Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (iii) Keine Entscheidung nach billigem Ermessen . . . . . . . . . . . . (iv) Keine Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (v) Verstoß gegen das Drittbestimmungsverbot . . . . . . . . . . . . . (vi) Verletzung gesetzlich verankerter Rechte der Erben . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bestimmung des Erben (Gestaltungsentscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bezeichnung des Erben (Feststellungsentscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 805  806  808  812  813  813  816  816  818

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  821 C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  822 I.

Auf die Vereinbarung bezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formulierung der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dem Dritten eingeräumter Entscheidungsmaßstab . . . . . . . . . . .

 822  822  824  824

II. Auf die Entscheidung des Dritten bezogene Kriterien . . . . . . . . . . .  825 1. Wirkungen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  825 2. Nachprüfbarkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  825 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  829 D. Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie . . . . .  829

Schluss § 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

. . . . . . . . . . . . . . . . .  833

A. Delegation und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  833 B. Delegation und Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  839 C. Delegation und Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  841 D. Delegation und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  842 E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  843 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  845

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  895

XXX

XXXI

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABGB ABl.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AC Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis AcP a.E. am Ende alte Fassung a.F. Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch AK All ER All England Law Reports All England Law Reports (Commercial Cases) All ER (Comm.) ALB Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende ­Lebensversicherung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten ALR Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Anm. Anmerkung AnwBl. Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts AöR Arbeitsrechtliche Praxis AP APV Veröffentlichungen des Kaiserlichen Aufsichtsamts für ­Privatversicherung Arb. Int. Arbitration International Archiv für Bürgerliches Recht ArchBürgR arg. argumentum Art. Artikel Australian Law Journal Austr. L.J. BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BauGB Baugesetzbuch Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht BauR BayE Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLG Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts BayObLGZ in Zivilsachen BB Betriebs-Berater BBauG Bundesbaugesetz BBG Bundesbeamtengesetz

XXXII

Abkürzungsverzeichnis

B.C.L.C. Butterworths Company Law Cases Bd. Band BeamtStG Beamtenstatusgesetz Bearb. Bearbeitung Beav. Beavan Beck’scher Online-Kommentar FamFG, BeckOK-FamFG hg. von Meo-Micaela Hahne/Jörg Munzig Begr. Begründer BeurkG Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ Bing. Bingham Die Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen Bolze Boston University Law Review Boston U. L. Rev. BR-Drucks. Bundesrats-Drucksache BSG Bundessozialgericht BT-Drucks. Bundestags-Drucksache Bull. civ. Bulletin des arrêts de la Cour de Cassation, Chambres Civiles Bulletin Joly Sociétés Bull. Joly Soc. BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerwG Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE Burgerlijk Wetboek (Niederlande) BW BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg C. Codex Iustiniani Cour d’appel (Frankreich)/Court of Appeal (England & Wales) CA ca. circa California Law Review California L. Rev. Cass. ass. plén. Cour de cassation, Assemblée plénière Cour de cassation, Chambre civile Cass. civ. Cour de cassation, Chambre commerciale Cass. com. Cass. req. Cour de cassation, Chambre des requêtes Cour de cassation, Chambre sociale Cass. soc. C.B. Common Bench Reports Contrats Concurrence Consommation CCC Law Reports, Chancery Division Ch. Ch.App. Law Reports, Chancery Appeal Cases Law Reports, Chancery Division Ch.D. CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Cambridge Law Journal CLJ C.L.R. Commonwealth Law Reports Columbia Law Review Columbia L. Rev. comm. commentaire Construction Law Journal Const. L. J.

Abkürzungsverzeichnis

Conv. CPO

XXXIII

The Conveyancer and Property Lawyer Civil Prozeß Ordnung

D. Digesta Iustiniani/Recueil Dalloz Deutsche Automobil Treuhand GmbH DAT Der Betrieb DB Draft Common Frame of Reference DCFR De Gex, MacNaghten & Gordon’s Chancery Reports De G. M. & G. dems. demselben ders. derselbe Deutsche freiwillige Gerichtsbarkeit DFG D.H. Dalloz, Recueil hebdomadaire de jurisprudence en matière civile, commerciale, criminelle, administrative et de droit public dies. dieselbe(n) Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS DIS-GO DIS-Gutachtensordnung Diss. Dissertation DIS-SchGO DIS-Schiedsgutachtensordnung d.h. das heißt Deutscher Juristentag DJT DJZ Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ Dalloz, Recueil périodique et critique de jurisprudence, D.P. de législation et de doctrine DR Deutsches Recht Dr. famille Droit de la famille Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes DresdE über Schuldverhältnisse Drew. Drewry Deutsches Richtergesetz DRiG Deutsche Richterzeitung DRiZ Dr. sociétés Droit des sociétés Deutsche Rechtswissenschaft DRW DS Der Sachverständige – Fachzeitschrift für Sachverständige, ­Kammern, Gerichte und Behörden Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Erste Lesung, 1888 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz EGGVG Estates Gazette Law Reports E.G.L.R. EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig Eng. Rep. English Reports Equity Cases Eq. ErbbauRG Erbbaurechtsgesetz Deutscher Erbrechtskommentar, ErbKomm hg. von Franz M. Große-Wilde/Peter E. Ouart Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ErbR E I

XXXIV ERCL ERPL et al. EuGH EWCA Civ. EWHC EWHC (Ch.) EWHC (Comm.) EWHC (TCC) EWiR Exch.

Abkürzungsverzeichnis

European Review of Contract Law European Review of Private Law et alii Europäischer Gerichtshof England & Wales Court of Appeal (Civil Division) England & Wales High Court England & Wales High Court (Chancery Division) England & Wales High Court (Commercial Court) England & Wales High Court (Technology & Construction Court) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Exchequer Reports

f./ff. folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den FamFG ­A ngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FamRZ fasc. fascicule FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils FIDIC Fn. Fußnote(n) FS Festschrift Gai. Gaius: Institutiones Gaz. Pal. Gazette du Palais GBO Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR GG Grundgesetz Giff. Giffard GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GPR Charta der Grundrechte der Europäischen Union GrCh grds. grundsätzlich GrdstVG Grundstückverkehrsgesetz Gruchot (Gruchots) Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart GrünhutsZ Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz HansRGZ A,   HansRGZ B HessE

Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift, Abteilung A/Abteilung B Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das ­Großherzogtum Hessen Hg. Herausgeber herausgegeben von hg. von HGB Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis

XXXV

HKK

Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. von Mathias Schmoeckel/Joachim Rückert/Reinhard Zimmermann Zivilprozessordnung. Handkommentar, hg. von Ingo Saenger Hk-ZPO House of Lords HL h.M. herrschende Meinung HöfeO Höfeordnung Juristische Rundschau, Höchstrichterliche Rechtsprechung HRR HS Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, HStR hg. von Josef Isensee/Paul Kirchhof HWBEuP Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, hg. von Jürgen Basedow/Klaus J. Hopt/Reinhard Zimmermann ICC International Chamber of Commerce IDR Journal of International Dispute Resolution insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung Inst. Institutiones Iustiniani International Arbitration Law Review Int. A.L.R. i.S.d. im Sinne der/des im Sinne von i.S.v. JA JBl. JCl. JCP/JCP G JCP E JCP N JFG

Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter JurisClasseur Civil La Semaine Juridique (Édition générale) La Semaine Juridique Entreprise et affaires La Semaine Juridique Notariale et Immobilière Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts JJB Juristen-Jahrbuch JMBl. NRW Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau JR JRfPrV Juristische Rundschau für die Privatversicherung Juristische Ausbildung Jura juris-Praxiskommentar BGB, hg. von Maximilian Herberger et jurisPK-BGB al. Juristische Schulung JuS JVEG Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, ­Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und ­Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen ­R ichterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel Law Reports, King’s Bench Division K.B.

XXXVI

Abkürzungsverzeichnis

Keny. Kenyon Kfz Kraftfahrzeug KG Kammergericht/Kommanditgesellschaft Kompaktkommentar Erbrecht, hg. von Andreas Frieser KK-Erbrecht KSzW Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Insolvenzrecht (früher: Konkurs‑, KTS Treuhand‑ und Schiedsgerichtswesen) LAG Landesarbeitsgericht Lfg. Lieferung LG Landgericht litera (Buchstabe) lit. LJ Lord Justice Law Journal Reports, Exchequer L.J. Exch. Lloyd’s Rep. Lloyd’s Law Reports Lindenmaier-Möhring Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs LM Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LMK LQR Law Quarterly Review Law Reports, Equity Cases L.R. Eq. L.R. C.P. Law Reports, Common Pleas LwVG Landwirtschaftsverfahrensgesetz Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht LZ Madd. Maddock Monatsschrift für deutsches Recht MDR Mer. Merivale MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Modern Law Review MLR Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches Mot. für das deutsche Reich Motive HessE Bürgerliches Gesetzbuch für das Großherzogthum Hessen, ­Entwürfe und Motive, hg. von Werner Schubert Münch­Komm-­BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hg. von Franz Jürgen Säcker/Roland Rixecker/Hartmut Oetker MünchKomm-FamFG Münchener Kommentar zum FamFG, hg. von Thomas Rauscher MünchKomm-HGB Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hg. von Karsten Schmidt MünchKomm-VVG Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hg. von Theo Langheid/Manfred Wandt Münch­Komm-­ZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hg. von Wolfgang Krüger/Thomas Rauscher M. & W. Meeson & Welsby m.w.N. mit weiteren Nachweisen Nachw. Nachweise(n) Niedersächsische Rechtspflege NdsRpfl

Abkürzungsverzeichnis

XXXVII

Neubearb. Neubearbeitung neue Fassung n.F. Nederlandse Jurisprudentie NJ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJOZ NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NJW-RR NomosKommentar BGB, hg. von Barbara Dauner-Lieb/ NK-BGB Thomas Heidel/Gerhard Ring NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungs­ praxis Nr. Nummer(n) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht NZV OAG Oberappellationsgericht Oberstes Gericht OG OGH Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische OGHZ Zone in Zivilsachen offene Handelsgesellschaft oHG OLG Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des OLGE Zivilrechts OLGR OLG-Report ohne Vorname o.V. Preisangaben‑ und Preisklauselgesetz PaPkG para. paragraph(s) Privy Council PC P. & C.R. Property, Planning and Compensation Reports Principles of European Contract Law PECL pr. principium PrKlG Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) PrOT (Preußisches) Königliches Obertribunal Prot. Protokolle der Kommission für die Zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen Prot-DresdE deutschen Obligationenrechts (Dresdener Entwurf) Entscheidungen des (Preußischen) Königlichen Obertribunals PrOTE BGB. Kommentar, hg. von Hanns Prütting/Gerhard Wegen/ PWW Gerd Weinreich

XXXVIII QB Q.B.D.

Abkürzungsverzeichnis

Law Reports, Queen’s Bench Reports Law Reports, Queen’s Bench Division

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales ­Privatrecht Revue des contrats RDC Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, RdL der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes Recht Das Recht. Rundschau für den deutschen Juristenstand Répertoire alphab. Répertoire méthodique et alphabétique de législation, de doctrine et de jurisprudence Revue de l’arbitrage Rev. arb. Rev. dr. int. dr. comp. Revue de droit international et de droit comparé Revue des sociétés Rev. Sociétés RG Reichsgericht Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung RGRK der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichts‑ hofes. Kommentar, hg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RheinZ Rheinische Zeitschrift für Zivil‑ und Prozeßrecht des In‑ und Auslandes Revue de jurisprudence commerciale RJC RM Reichsmark Rn. Randnummer(n) RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift ROHG Reichsoberhandelsgericht ROHGE Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts Der deutsche Rechtspfleger Rpfleger RPflG Rechtspflegergesetz Rspr. Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit civil RTD civ. RTD com. Revue trimestrielle de droit commercial S. Seite/Satz/Recueil général des lois et des arrêts Sirey s. section Sächsisches Archiv für Rechtspflege SächsArch Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch sächs. BGB Zeitschrift für Schiedsverfahren SchiedsVZ SeuffA Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten SGA Sale of Goods Act Sim. & St. Simons & Stuart Smale & Giffard Sm. & Giff. sog. sogenannt Sport und Recht SpuRt ständige Rechtsprechung st. Rspr. StJB Steuerberater-Jahrbuch

Abkürzungsverzeichnis

XXXIX

StPO Strafprozessordnung sub voce s.v. Tz. Textziffer(n) u.a. UKPC UNCITRAL UNIDROIT PICC

unter anderem/und andere United Kingdom Privy Council United Nations Commission on International Trade Law UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts

v. von/vom VersR Versicherungsrecht Ves. Vesey, Junior VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht VIZ Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B VOB/B VVG Versicherungsvertragsgesetz VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WährG Währungsgesetz Warneyer. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Warn ­Gebiete des Zivilrechts WEG Wohnungseigentumsgesetz Weekly Law Reports WLR WM Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift für Wirtschafts‑ und Bankrecht) WRP Wettbewerb in Recht und Praxis Wills & Trusts Law Reports W.T.L.R. Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM ZAkDR Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht z.B. zum Beispiel Zentralblatt für Handelsrecht ZBH Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft ZDR Zeitschrift für die Erbrechtspraxis ZErb Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht ZfA ZfS Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht ZGS ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP zit. zitiert Zeitschrift für Konfliktmanagement ZKM Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte ZNR

XL

Abkürzungsverzeichnis

ZPO Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte ZSS (KA) (Kanonistische Abteilung) ZSS (RA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und die ­Zwangsverwaltung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZVglRWiss ZWE Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht Zeitschrift für Zivilprozeß ZZP

1

Einleitung § 1 Problemstellung Der Intendant eines städtischen Theaters macht aufgrund von Etatkürzungen durch die Stadt von seinem Recht zur vorzeitigen Kündigung des befristeten Intendantenvertrages Gebrauch. Zur Höhe der Vergütung für die Restlaufzeit des Vertrags haben die Vertragsparteien vereinbart, dass deren Bestimmung ein sachkundiger Dritter vornehmen solle.1 Die Parteien eines Mietvertrags mit langer Laufzeit wollen die Höhe des Mietzinses an mögliche Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen koppeln. In ihren Vertrag fügen sie deshalb eine Klausel ein, die im Falle einer Änderung des Verbraucherpreisindex um einen bestimmten Satz einem Dritten die Aufgabe überträgt, den Mietzins anzupassen.2 Zwei Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft einigen sich auf die Liquidation der Gesellschaft. Um Streit über die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens zu vermeiden, betrauen sie einen Dritten damit, die einzelnen Gegenstände unter Berücksichtigung der Bilanzwerte zu gleichen Teilen zu verteilen.3 Ein Erblasser befürchtet Streit unter seinen drei Kindern über die gerechte Verteilung des Nachlasses. Er bestimmt deshalb in seinem Testament, dass ein Freund den Kindern eine Aufteilung vorschreiben solle.4 Ein anderer Erblasser ist sich unschlüssig, welches seiner noch minderjährigen Kinder einmal am besten geeignet sein wird, das von ihm aufgebaute Unternehmen weiterzuführen. In seinem Testament ordnet er deshalb an, dass seine Ehefrau nach seinem Tod den geeigneten Nachfolger zum Erben bestimmen soll.5 Daneben ordnet er an, dass seine Ehefrau einen geeigneten Testamentsvollstrecker suchen6 und zudem unter den beiden musikbegeisterten Nichten die Empfängerin eines wertvollen Bechstein-Flügels auswählen7 soll. In all diesen Fällen regeln die eigentlich Betroffenen ihre rechtlichen Verhält­ nisse nicht vollständig selbst. Sie unterstellen sich vielmehr – als Vertragspartei 1 

Siehe den Sachverhalt von BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388. Siehe den Sachverhalt von BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556. 3  Siehe den Sachverhalt von BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 4  Siehe § 2048 S. 2 BGB. 5  Dieser Fall hat als sog. „frühzeitiges Unternehmertestament“ einige Berühmtheit erlangt, siehe nur H. Westermann, FS Möhring, S. 183 ff.; Großfeld, JZ 1968, 113 ff.; R. Zimmermann, Quos, S. 7; Keim, FamRZ 2003, 137 ff. Beispiel aus der Rechtsprechung: RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296. 6  Siehe § 2198 BGB. 7  Siehe § 2151 BGB. 2 

2

§ 1 Problemstellung

oder als Erblasser – der Entscheidung eines Dritten, die sodann für die eigenen rechtlichen Verhältnisse bindend sein soll – nicht anders, als hätten sie selbst diese Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung nicht selbst zu treffen, sondern deren Findung einem Dritten zu überlassen, bewirkt für die Beteiligten eine zusätzliche Komplikation und kann auch Zeit in Anspruch nehmen sowie Kosten verursachen. Verschiedene Gründe können ein derartiges Vorgehen gleichwohl sinnvoll erscheinen lassen:8 Die Einschaltung eines Dritten bringt Vorteile, wenn den Beteiligten eigene Sachkunde fehlt und sie sich den besonderen Sachverstand des Dritten zunutze machen können. Fällt es den Beteiligten schwer, eine eigene Entscheidung zu treffen, kann ihnen der externe Spruch eines neutralen Außenstehenden helfen, etwa weil sich Vertragspartner aufgrund einer Meinungsverschiedenheit nicht einigen können oder weil sich ein Erblasser eine größere Akzeptanz dieses Spruchs erhofft. Die Entscheidungsschwierigkeit mag auch auf einem Mangel an Information beruhen, etwa wenn der Erblasser noch nicht absehen kann, welches seiner Kinder sich am besten eignen werde, oder wenn die Dienste des Dritten wie bei der Anpassung eines Dauerschuldverhältnisses ohnehin erst einige Jahre nach Vertragsschluss benötigt werden9. Die Verlagerung von Streitpunkten auf das Urteil eines Dritten kann somit auch Zeit sparen und beispielsweise Vertragsverhandlungen, die unter Zeitdruck stehen, abkürzen.10 Steht, wie häufig, am Ende einer gescheiterten Neuverhandlung über eine Vertragsanpassung das Votum eines Dritten, erspart dies den Parteien überdies den sonst erforderlichen Gang zu Gericht und die damit verbundenen Aufwendungen an Zeit und Kosten.11 Mit all diesen Vorzügen verknüpft ist der entscheidende Vorteil und der häufig wohl maßgebliche Grund für die Einschaltung eines Dritten: Den Parteien wird ein Instrument an die Hand gegeben, eine erwartete oder bestehende Meinungsverschiedenheit12 zu vermeiden oder zu überwin 8  Zu

den beiden folgenden Motiven: Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 3; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 6; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 247 (§ 14 III 2); BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 21.9.1983 NJW 1984, 43, 44.  9  Kötz, S. 63. Gerade in diesen Fällen kann es zudem nützlich sein, auch die Auswahl der Person des Dritten einer externen Stelle wie der örtlichen Industrie‑ und Handelskammer, die ein Verzeichnis in Frage kommender Sachverständiger führt, zu überlassen, Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1927. 10  Kötz, S. 63, allerdings zur Parteileistungsbestimmung. Als Beispiel einer Leistungsbestimmung durch einen Dritten mag der Sachverhalt der Entscheidung ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4, 421, 429 dienen: Um zügig mit der Bergung eines in Seenot geratenen Schiffes beginnen zu können, übertragen dessen Kapitän und der Inhaber des bergenden Schiffes die Festsetzung des Bergelohns einer Sachverständigenkommission. In dem Urteil selbst hatte das Reichsoberhandelsgericht freilich ein schiedsrichterliches Verfahren angenommen, um die nach anwendbarem bremischem Recht weitergehenden Möglichkeiten zur Überprüfung des Spruchs der Kommission zu eröffnen. 11  Kronke, AcP 183 (1983), 113, 120. 12  Oder, im Fall des Erblassers, die Schwierigkeit, zu einer endgültigen eigenen Entscheidung zu gelangen.

A. Privatautonomie und Selbstgestaltung

3

den.13 Diese Funktion bildet gewissermaßen die Klammer für die zuvor dargestellten Interessen, d.h. den Wunsch nach sachkundiger, rascher und neutraler Streitentscheidung. Trotz dieser Vorteile und einleuchtenden praktischen Bedürfnisse bleibt ein Unbehagen. Sowohl der Abschluss eines Vertrages als auch die Errichtung eines Testaments beruhen – als Akte der Privatautonomie – auf der Selbstbestimmung der Beteiligten. Die Entscheidung eines Dritten scheint nun aber das Gegenteil einer selbstbestimmten Gestaltung zu sein. Ist also diese Selbstbestimmung gewährleistet, wenn die Beteiligten ihre Privatautonomie delegieren14 und ein Dritter ihnen maßgebliche Entscheidungen abnimmt?

A. Privatautonomie und Selbstgestaltung Zur Annäherung an diese Frage empfiehlt es sich, kurz den Inhalt der Privatautonomie in Erinnerung zu rufen. Nach wie vor klassisch ist die Formulierung, die Flume an den Anfang seines Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Rechts gestellt hat: „Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen.“15

Sie sei, fügt er hinzu, „ein Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen“.16 Mit dem Begriff der Selbstbestimmung – und ihrer Kehrseite: der „Freiheit von Fremdbestimmung“17 – ist der zentrale Topos fast aller Umschreibungen der Privatautonomie angesprochen.18 Die Rechtsordnung schafft für das Individuum einen Raum, seine natürliche Fähigkeit zu Selbstbestimmung und Selbstgestaltung in verbindlicher Weise zu verwirklichen.19 Zugleich 13 

Habscheid, FS Lehmann II, S. 796; zur streitvermeidenden Funktion der Entscheidungen des Dritten siehe nur BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 28; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 664; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213; Habscheid, KTS 1957, 129, 132; Weismann, AcP 74 (1889), 422, 432. 14 Begriff der „Delegation von Privatautonomie“ auch bei Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 165. 15  Flume, AT II, S. 1 (§ 1, 1); sowie bereits dessen Darlegungen zur Privatautonomie in ders., FS DJT I, S. 135 ff.; ebenso z.B. BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 231; BVerfG v. 13.5.1986 BVerfGE 72, 155, 170; Medicus, AT, Rn. 174; St. Lorenz, S. 15; Fastrich, S. 36. 16  Flume, AT II, S. 1 (§ 1, 1). 17  St. Lorenz, S. 15; außerdem F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 56. 18  Siehe nur M. Wolf, S. 19; St. Lorenz, S. 15; Bumke, S. 60 („Autonomie setzt einen Zustand hinreichender Selbstbestimmung voraus.“); F. Bydlinski, System, S. 147 (Privatautonomie und Selbstbestimmung synonym verwendet); Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277; ­R aiser, JZ 1958, 1; sowie den Überblick bei Busche, S. 13 f. mit umfassenden Nachw. 19  Zu dieser „Ermöglichungsfunktion“ der Rechtsordnung (G. Wagner, Privatautonomie, S. 14) siehe nur Flume, AT II, S. 1 f. (§ 1, 2); St. Lorenz, S. 15 ff.; M.-P. Weller, S. 166 f. m.w.N.;

4

§ 1 Problemstellung

enthält diese Rechtsordnung aber Regeln, die der Selbstgestaltung Grenzen ziehen und diese auf den Bereich des innerhalb der Gesetzes‑, Sitten‑ und Werteordnung Akzeptierten beschränken. 20 Innerhalb dieser Grenzen jedoch soll das Individuum nach Ansicht Flumes frei sein, seine Rechtsverhältnisse in „Selbstherrlichkeit“ schöpferisch zu gestalten.21 Mit der Privatautonomie sei keinerlei Finalität verbunden; es gelte vielmehr der Satz: „stat pro ratione voluntas“. 22 Die Rechtsordnung enthält sich der Bewertung des Inhalts eines wirksamen Akts der Selbstbestimmung. Diese „reine“ Betrachtung der Privatautonomie wird häufig als formal bezeichnet, um ihr ein materiales Verständnis gegenüberzustellen.23 Die Grundannahme des Wirkens freier und gleicher Individuen treffe in der weitaus differenzierteren Realität nicht immer zu, so dass untersucht werden müsse, wann echte Selbstbestimmung vorliege. 24 Von der rechtlichen Entscheidungsfreiheit sei die tatsächliche Entscheidungsfreiheit zu unterscheiden.25 Die Einsicht in die „Materialisierung“ – vornehmlich des Vertragsrechts, 26 aber darüber hinaus auch anderer Bereiche des Privatrechts27 – hilft zu erkennen, unter welchen Bedingungen von einer echten Selbstbestimmung nicht mehr die Rede sein kann. 28 Sie sensibilisiert dafür, die „Funktionsvoraussetzungen“ von Privatautonomie zu thematisieren. 29 Busche, S. 14 ff. m.w.N. auch zu Gegenansichten, die demgegenüber die Eigenständigkeit der Privatautonomie neben der Geltung der Rechtsordnung betonen; dazu auch Bumke, S. 21 ff. Da der Blick im vorliegenden Rahmen auf das Element der Selbstbestimmung gerichtet ist, kann die Frage danach, ob zur Begründung der Bindungswirkung privatautonomer Erklärungen weitere Elemente – wie etwa Verkehrs‑ oder Vertrauensschutzgesichtspunkte – erforderlich sind, auf sich beruhen. Diese Frage wird lebhaft und kontrovers diskutiert, siehe nur St. Lorenz, S. 35 ff.; Lobinger, Verpflichtung, S. 17 ff., jeweils m.w.N. 20  BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 231; BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254; Flume, AT II, S. 2 (§ 1, 2), 22 (§ 1, 10); G. Wagner, Privatautonomie, S. 14 spricht von einer „Begrenzungsfunktion“, die er neben die „Ermöglichungsfunktion“ stellt. 21  Flume, AT II, S. 6 (§ 1, 5). 22  Flume, AT II, S. 6 (§ 1, 5); Lobinger, Vertragsfreiheit, S. 102 ff.; Isensee, S. 249 ff. 23  Siehe hierzu insbesondere Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277 ff. m.w.N.; Auer, S. 23 ff.; Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 52; Fastrich, S. 44 ff.; Heinrich, S. 53 ff. und passim; G. Wagner, Privatautonomie, S. 18 f.; R. Zimmermann, German Law, S. 205 ff.; Heiderhoff, S. 307 ff. 24  ­Köhler, BGB AT, § 5 Rn. 2. Vgl. G. Wagner, Privatautonomie, S. 19. 25  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277. Siehe auch BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254 (da Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhe, müssten die „Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben“ sein); BVerfG v. 15.7.1998 BVerfGE 98, 365, 395. 26 Insbesondere Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff. 27  Siehe insbesondere für das Erbrecht Röthel, AcP 210 (2010), 32, 41 ff. (Testierfreiheit); dies., NJW 2012, 337 ff. (Pflichtteilsverzicht). 28  Siehe demgegenüber auf der Grundlage einer „formalen Freiheitsethik“ Reuter, AcP 189 (1989), 199, 217 ff. 29  Röthel, AcP 210 (2010), 32, 41 f.; Ausformulierungen für das Vertragsrecht z.B. bei M. Becker, S. 41 ff.; Fastrich, S. 215 ff.; siehe auch Bumke, S. 59 ff.

A. Privatautonomie und Selbstgestaltung

5

Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie sich zur Anerkennung eines vermeintlich selbstbestimmten Akts der Grundlagen und Voraussetzungen dieser Selbstbestimmung versichern müssen. Wie weit die Selbstbestimmung reicht, muss sich nicht nur materialisiertes Privatrecht, sondern auch ein formales Verständnis von Privatautonomie fragen.30 Wenn Flume etwa schreibt, dass es, soweit die Selbstbestimmung reiche, keine Fremdbestimmung gebe, auch keine richterliche, so lässt sich das auch als Aufforderung verstehen, genauer hinzusehen, wo die Selbstbestimmung aufhört und die Fremdbestimmung anfängt. Selbst das 19. Jahrhundert, das verbreitet als Paradigma eines formalen, auf der Annahme grundsätzlich unbeschränkter Freiheit basierenden Vertragsverständnisses dargestellt wird,31 war sich dieser Aufgabe bewusst. Dass beispielsweise nur ein frei von Willensmängeln gebildeter Wille Selbstbestimmung gewährleisten kann, erscheint insofern selbstverständlich.32 Die eigentliche Problematik liegt darin, wie man das vom BGB bereitgestellte Instrumentarium zur Sicherung der Selbstbestimmung einsetzen33 oder inwieweit man sogar darüber hinausgehen will.34 Die unterschiedlichen Verständnisse müssen hier in ihren Einzelheiten nicht vertieft werden.35 In jedem Fall bleibt als Substrat dieses Überblicks, dass Privatautonomie ohne Selbstbestimmung undenkbar ist. Umso dringlicher stellt sich die zuvor aufgeworfene Frage, wie von Privatautonomie die Rede sein kann, wenn eine Gestaltungsentscheidung nicht selbst getroffen wird. Das BGB scheint diese Frage im Schuldrecht und im Erbrecht auf unterschiedliche Weise zu beantworten. Im Erbrecht zählt es mögliche Fälle einer Delegation auf, die jeweils mit der ausdrücklichen Anordnung ihrer Zulässigkeit („Der Erblasser kann …“) eingeleitet werden. Dies betrifft die Auswahl der Person des Vermächtnisnehmers (§ 2151 BGB), die Auswahl des Gegenstands eines Vermächtnisses (§ 2156 BGB), die Auswahl des Begünstigten einer Auflage (§ 2193 BGB), die Auswahl des Testamentsvollstreckers (§ 2198 BGB) und schließlich die Auseinandersetzung einer 30 

G. Wagner, Privatautonomie, S. 15; Flume, AT II, S. 7 (§ 1, 5). zu dieser Sichtweise Hofer, S. 275 ff.; Repgen, S. 46 f. m.w.N.; HKK/Haferkamp, § 138 Rn. 7. 32  Medicus, AT, Rn. 485. Zu § 123 BGB insbesondere S. Martens, S. 325 ff. sowie Flume, AT II, S. 20 f. (§ 1, 10). Zu weiteren Sicherungen echter Selbstbestimmung z.B. St. Lorenz, S. 88 ff. (Abschlusskontrolle); G. Wagner, Privatautonomie, S. 24 ff., 33 f. (AGB-Kontrolle), 40 (zwingendes Recht); Schön, FS Canaris I, S. 1191 ff. (Informationsmodell); ­L arenz/M. Wolf, AT, § 42 Rn. 1 ff. 33  Man denke etwa an die Fälle der Bürgschaften naher Angehöriger. 34  So schon Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 4. 35 Während G. Wagner, Privatautonomie, S. 19 in der „Entgegensetzung“ beider Ansätze eine „Übertreibung“ erkennt, betont Röthel, NJW 2012, 337, 338 Fn. 16 eine größere Gegensätzlichkeit. Vermittelnd Jansen, Seriositätskontrollen, S. 141 (Erkenntnis, dass die Privatautonomie eine formale und eine materiale Seite habe, sei „alles andere als neu“); Schön, FS Canaris I, S. 1192 (beide Ansätze tragen die „geltungsstiftende Kraft der Privatautonomie“); Medicus, AT, Rn. 178. 31  Kritisch

6

§ 1 Problemstellung

Erbengemeinschaft nach billigem Ermessen eines Dritten (§ 2048 BGB). Weitergehenden Versuchen einer Delegation scheint dagegen ein Drittbestimmungsverbot in § 2065 BGB einen Riegel vorzuschieben. Im Schuldrecht enthalten die §§ 317–319 BGB verschiedene Regeln über die Delegation von Gestaltungsbefugnissen an einen Dritten. Angesprochen werden der im Zweifel geltende Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens (§ 317 Abs. 1 BGB), die Auflösung von Meinungsverschiedenheiten bei einer Delegation an mehrere Dritte (§ 317 Abs. 2 BGB), der Empfänger der Erklärung des Dritten (§ 318 Abs. 1 BGB), die Anfechtung dieser Erklärung durch die Delegierenden (§ 318 Abs. 2 BGB), die Unverbindlichkeit der nach billigem Ermessen zu treffenden Bestimmung im Falle offenbarer Unbilligkeit (§ 319 Abs. 1 S. 1 BGB), die gerichtliche Ersetzung der Bestimmung in diesem Fall wie auch im Fall ihres gänzlichen Ausbleibens (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie schließlich die Unwirksamkeit des Vertrags, falls eine nach freiem Belieben zu treffende Bestimmung ausbleibt (§ 319 Abs. 2 BGB). Die Tatsache, dass Vertragsparteien überhaupt einen Dritten mit einer Leistungsbestimmung betrauen dürfen, wird mithin stillschweigend vorausgesetzt36 und scheint also keinem Zweifel zu unterliegen. In Wirklichkeit aber sind weder dieses Faktum noch dessen Ausgestaltung in den §§ 317 ff. BGB unproblematisch. Dies schlägt sich vor allem in drei Komplexen nieder.

B. Drei Problemkomplexe I. Schutz vor Fremdbestimmung Wenn von Privatautonomie und Selbstbestimmung die Rede ist, wird dabei meist die Freiheit des Privatrechtssubjekts in den Vordergrund gestellt.37 Charakteristisch dafür ist zum einen der Hinweis auf die Vertragsfreiheit 38 und die Testierfreiheit 39 als Ausprägungen der Privatautonomie, zum anderen die Tatsache, dass die verfassungsrechtliche Verankerung der Privatautonomie – sofern nicht, wie im Fall der Testierfreiheit, ein spezielleres Freiheitsrecht eingreift40 – in der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG verortet wird.41 Diese Frei36 

So auch z.B. Greger/Stubbe, Rn. 88; C. Wagner, S. 80. Siehe z.B. St. Lorenz, S. 15; F. Bydlinski, System, S. 147 ff.; Medicus, AT, Rn. 176; ­Köhler, BGB AT, § 5 Rn. 1; H. Hübner, BGB AT, Rn. 600; vgl. auch Bumke, S. 22 m.w.N. 38  M. Wolf/Neuner, AT, § 10 Rn. 33; Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 63; Busche, S. 46 ff.; St. Lorenz, S. 17; ­Köhler, BGB AT, § 5 Rn. 1; M.-P. Weller, S. 153. 39 Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 14; Röthel, AcP 210 (2010), 32, 33; BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 348 f. 40  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 348 f.; BVerfG v. 19.1.1999 BVerfGE 99, 341, 350; BVerfG v. 3.11.1981 BVerfGE 58, 377, 398; BGH v. 5.6.1992 BGHZ 118, 361, 365; Staudinger/ Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 14. 41  BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 231; BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254 f.; 37 

B. Drei Problemkomplexe

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heit zur Selbstbestimmung hat eine doppelte Zielrichtung:42 Sie bedeutet einmal „Freiheit von Fremdbestimmung“43 durch andere Privatrechtssubjekte. Freiheit meint in diesem Zusammenhang aber auch die Freiheit vor dem Staat.

1. Fremdbestimmung durch Private Soweit es um die erste dieser beiden Facetten geht, muss eine Rechtsordnung nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so ausgestaltet sein, dass der Einzelne von seiner Selbstbestimmung auch tatsächlich Gebrauch machen kann. Kann ein Vertragspartner kraft seines Übergewichts den Inhalt des Vertrages faktisch einseitig bestimmen und die Privatautonomie damit nicht mehr ihre regulierende Kraft entfalten, muss die Rechtsordnung für einen Ausgleich sorgen, der diese Fremdbestimmung verhindert.44 Diesen Schutz davor, dass „sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt“45, kann eine Rechtsordnung schon aus Gründen der Rechtssicherheit freilich nur typisierend gewährleisten.46 Der Gesetzgeber hat einige dieser typischen Fälle erfasst; man denke nur an § 138 Abs. 2 BGB. Dem ersten Anschein nach müsste aber doch auch die Gestaltung durch einen Dritten einen typisierbaren Fall faktischer Heteronomie, eine „Abkehr von dem Prinzip der Vertragsfreiheit“47, darstellen. Warum der Gesetzgeber gleichwohl in § 317 BGB die Zulässigkeit einer derartigen Gestaltung voraussetzen konnte und auf welche Weise die Selbstbestimmung des Delegierenden gewährleistet werden kann, wird zu untersuchen sein. Dazu bedarf es eines Mechanismus, der die Entscheidung des Dritten an die Privatautonomie des Delegierenden rückkoppelt. Speziell bezogen auf die Delegation innerhalb des Vertragsrechts tritt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Nach der „epochemachenden“48 Theorie von Schmidt-Rimpler ist der Vertragsschluss ein „Mechanismus, um ohne hoheitliche Gestaltung in begrenztem Rahmen eine richtige Regelung auch gegen unrichtigen Willen herbeizuführen, weil immer der durch die Unrichtigkeit BeBVerfG v. 13.5.1986 BVerfGE 72, 155, 170; BVerfG v. 12.11.1958 BVerfGE 8, 274, 328; aus der Literatur siehe nur Maunz/Dürig/Di Fabio (39. Lfg.), Art. 2 Rn. 101 (Privatautonomie als „zivilrechtliche[r] Entsprechungsbegriff der Handlungsfreiheit“) sowie Rn. 103 zu spezielleren Freiheitsgarantien, die im Einzelfall vorrangig die Privatautonomie schützen; Höfling; Busche, S. 22 ff., 53 ff.; St. Lorenz, S. 18 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 61. 42  Zu diesen beiden Facetten M. Wolf, S. 20; Isensee, S. 249. 43  St. Lorenz, S. 15. 44  Siehe BVerfG v. 23.11.2006 NJW 2007, 286, 287; BVerfG v. 6.2.2001 BVerfGE 103, 89, 100 f.; BVerfG v. 15.7.1998 BVerfGE 98, 365, 395; BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254 f. 45  BVerfG v. 6.2.2001 BVerfGE 103, 89, 101. 46  BVerfG v. 23.11.2006 NJW 2007, 286, 287; BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 232. 47  Joussen, S. 123; vgl. auch Thiele, S. 15. 48  Canaris, FS Lerche, S. 883.

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§ 1 Problemstellung

troffene zustimmen muß“.49 Richtigkeit, von Schmidt-Rimpler definiert als einerseits eine ethisch bestimmte Gerechtigkeit, andererseits als die von der Gesellschaft aus gesehene Zweckmäßigkeit,50 werde demnach am besten durch eine Willensübereinstimmung der Betroffenen erreicht.51 Auf den ersten Blick fehlt es an dieser Willensübereinstimmung, wenn die Parteien die von der Delegation betroffenen Punkte nicht selbst aushandeln, sondern die Vervollständigung ihres Vertrages einem Dritten überlassen. Die Drittleistungsbestimmung scheint mit „‚verdünnter‘ Freiheit“ der Vertragsparteien einherzugehen, die aufgrund der Rechtsgestaltung eines Dritten „in ein Verpflichtungsverhältnis geraten“.52 Im Fall der Parteileistungsbestimmung entfällt die Richtigkeitsgewähr in den Augen vieler sogar ganz.53 Auch insofern muss also nach einem Schutz vor Fremdbestimmung gefragt werden.

2. Fremdbestimmung durch den Staat Die §§ 317 ff. BGB werfen auch hinsichtlich der zweiten oben genannten Facette der Freiheit von Fremdbestimmung, der Fremdbestimmung durch den Staat, Fragen auf. Üblicherweise unterzieht die Rechtsordnung vertragliche Vereinbarungen, die in Ausübung freier Selbstbestimmung zustande gekommen sind, keiner zusätzlichen Angemessenheitskontrolle. Der BGB-Gesetzgeber hat sich beispielsweise bewusst dagegen entschieden, die Lehre von der laesio enormis, die nach Gemeinem Recht die Beseitigung vertraglicher Bindung im Fall eines erheblichen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung erlaubte, 49  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 156; ähnlich ders., FS R ­ aiser, S. 5 f. Die Lehre vom Vertragsmechanismus als Instrument der Gewähr materialer Richtigkeit hat breite Rezeption erfahren, siehe etwa Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14 ff.; Fastrich, S. 51 ff.; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 78 f. (§ 6 I); Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 52; Heiderhoff, S. 300 ff.; R. Zimmermann, German Law, S. 206; Fuchs, AcP 196 (1996), 313, 328; Habersack, AcP 189 (1989), 403 ff. m.w.N.; Lieb, AcP 178 (1978), 196, 206. 50  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132 f.; später präzisierend und korrigierend ders., FS ­Raiser, S. 10 f. Ursprünglich handelte es sich also um ein objektives Gerechtigkeitskonzept, während sich die Rezeption der Lehre von der „Richtigkeitsgewähr“ eher an den subjektiven Richtigkeitsvorstellungen der Parteien orientierte, vgl. Busche, S. 79 ff. 51  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 151 ff. 52  Garger, S. 57 und öfter, der den Ausdruck der „verdünnten Freiheit“ von F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 entleiht, der ihn wiederum von ­R aiser, FS DJT I, S. 126 übernommen hat. Sowohl F. Bydlinski als auch R ­ aiser beziehen sich wohlgemerkt nicht auf die Einräumung von Leistungsbestimmungsrechten, sondern auf den Vertragsschluss im Massenverkehr. 53 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 32 (Richtigkeitsgewähr des Vertrages außer Kraft gesetzt); Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 4 (Richtigkeitsgewähr fehlt); Erman/J. Hager, § 315 Rn. 1; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 80 f. (§ 6 II a) (Richtigkeitsgewähr entfällt); M. Stürner, S. 428; Fromholzer, S. 125; Eckelt, S. 34; v. Hoyningen-Huene, S. 54 (es könne „eine Gerechtigkeitskorrektur durch Aushandeln naturgemäß nicht erfolgen“); siehe auch Steindorff, BB 1983, 1127, 1128 („um der Vertragsgerechtigkeit willen“ dürfe ein einseitiges Bestimmungsrecht „nicht leicht bejaht werden“).

B. Drei Problemkomplexe

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in das BGB zu übernehmen.54 Ein frei gebildeter Wille bedarf keiner Äquivalenzkontrolle;55 ein von der beiderseitigen Selbstbestimmung getragener Vertrag ist per se „richtig“.56 Freilich wäre die heutige Rechtslage, bliebe man bei diesem Befund stehen, nur unzureichend wiedergegeben. Vielmehr lässt sich heute in ganz unterschiedlichen Bereichen eine richterliche Kontrolle privatautonom gesetzter Regelungen antreffen, stets davon motiviert, die Privatautonomie nicht etwa zu schwächen, sondern stattdessen die Einhaltung ihrer Grenzen sicherzustellen und damit ihre Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.57 Dem geltenden Privatrecht wird gar ein „Streben nach Äquivalenz von Preis und Ware“ attestiert.58 Anhaltspunkte, die einen verdächtigen Vertragsinhalt indizieren und damit eine Inhaltskontrolle rechtfertigen können,59 bestehen etwa im partiellen Marktversagen aufgrund der Vorformulierung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 ff. BGB)60, in der strukturellen Unterlegenheit einer Partei (Bürgschaftsrechtsprechung des BVerfG)61 oder in der begrenzten Rationalität bei Eingehung einer gesellschaftsrechtlichen Abfindungsklausel62 oder eines Ehevertrags63. Wenn nun § 319 Abs. 1 S. 1 BGB – und ebenso im Erbrecht die §§ 2048 S. 3, 2156 S. 2, 2192 BGB – ausdrücklich anordnet, dass jede Bestimmung des Dritten, die offenbar unbillig ist, unverbindlich ist, so geht auch das über die gewöhnliche Überprüfung darauf, ob die Grenzen der Privatautonomie eingehalten wurden, deutlich hinaus. Es handelt sich vielmehr um eine offene Kontrolle des Vertragsinhalts durch den Richter.64 Grund und Anlass der Kontrolle scheint allein die Tatsache 54  Siehe nur R. Zimmermann, Obligations, S. 259 ff.; ders., Moderationsrecht, S. 135 ff.; Luig, Festgabe Coing, S. 171 ff., insb. 197 f. 55  F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 152. 56  Flume, AT II, S. 8 (§ 1, 6 a). 57  Siehe nur Fastrich, S. 1 ff.; R. Zimmermann, Obligations, S. 268 ff.; Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 50 ff., jeweils mit Nachw.; rechtsvergleichend Gordley, (1981) 69 California L. Rev. 1587, 1617 ff. 58  Luig, Festgabe Coing, S. 171; zu einer „Renaissance“ der laesio enormis auch Mayer-­ Maly, 2. FS ­Larenz, S. 395 ff. 59 Kritisch zu dieser Suche nach einem über die Äquivalenzstörung hinausgehenden Grund, die Verbindlichkeit des Vertrags anzuzweifeln, Gordley, (1981) 69 California L. Rev. 1587. 60  Zu dieser Legitimation der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen siehe nur Münch­Komm-­BGB/Basedow, Vor § 305 Rn. 4 ff.; Hellwege, S. 538 ff., beide m.w.N. 61  BVerfG v. 19.10.1993 BVerfGE 89, 214, 232; dazu Jansen, Seriositätskontrollen, S. 127 ff. 62  Fleischer, FS Immenga, S. 581 f.; eine „hohe Plausibilität“ bescheinigt diesem Ansatz trotz Skepsis gegenüber der empirischen Datenlage Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 59; dies., Selbstverantwortung, S. 318. 63  Sanders, S. 313 ff.; Dauner-Lieb, Selbstverantwortung, S. 317 f.; siehe demgegenüber BVerfG v. 8.11.2000 BVerfGE 103, 89, 100 f., das ein Eingreifen „auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblichen ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner“ für geboten hält. 64  Skeptisch gegenüber einer Bezeichnung dieser Kontrolle als Inhaltskontrolle zeigt sich Fastrich, S. 5, der die Überprüfung nach § 315 BGB nur als „Inhaltskontrolle im weiteren Sinne“

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§ 1 Problemstellung

zu sein, dass die Parteien den Inhalt ihres Vertrages65 nicht selbst festgelegt haben. Wenn darin tatsächlich eine Störung der Richtigkeitsgewähr liegt, könnte diese Angemessenheitskontrolle als Kompensationsmechanismus anzusehen sein.66 Möglicherweise handelt es sich aber auch um „nichts weniger als eine Einschränkung der Wirksamkeit des vereinbarten Vertragsinhalts“.67

II. Selbstgestaltung als Aufgabe Wie gesehen, wird die Privatautonomie auch als Freiheitsrecht, als Schutz vor Fremdbestimmung durch den Staat gesehen. Ganz im Einklang mit dieser Sichtweise gilt sie als „Befugnis“68 oder „Kompetenz“69 zur Rechtsgestaltung. Sie „ermöglicht“ die freie Gestaltung von Verträgen durch die Vertragsparteien selbst.70 Parteien „können“ dank ihrer Privatautonomie ihre Rechtsverhältnisse regeln.71 Sie sichert den Einzelnen davor, dass ein bevormundender Staat alle Entscheidungen für ihn trifft und auf diese Weise die Möglichkeiten zur freien und selbstbestimmten Entfaltung zurückdrängt.72 Die Gewährleistung der Prifasst, da Inhaltskontrolle andernfalls gleichbedeutend mit den Grenzen der Privatautonomie würde. Demgegenüber verwenden v. Hoyningen-Huene, S. 129; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 5 den Begriff „Inhaltskontrolle“ auch hier, letztere mit der pragmatischen Begründung, dass es auch in diesem Fall um den „Inhalt“ eines Vertrages gehe, der überprüft werde.   Nichts zu tun hat diese Kontrolle jedoch mit der wundersamen Karriere des § 315 BGB, der eine Zeitlang als Hebel der Rechtsprechung zu einer weitergehenden Billigkeitskontrolle eingesetzt wurde (HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 13 ff.; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 43 ff.) und auch heute noch als Instrument für eine „soziale Kontrolle der Privatautonomie“ bezeichnet wird (Martinek, S. 255). Die Vorschrift wurde dabei außerhalb des Bereichs, für den sie eigentlich gedacht war, eingesetzt. 65  Oder der Erblasser den Inhalt seines Testaments. 66  Zu diesem Zusammenhang allgemein Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15 f. 67 So Fastrich, S. 16. 68  Siehe insbesondere Mot., in: Mugdan, Bd. I, S. 21 („Befugniß, innerhalb der Grenzen des dispositiven Rechts die privaten Angelegenheiten im Wege des Rechtsgeschäftes zu regeln“); außerdem etwa Bork, AT, Rn. 99 (Privatautonomie definiert als „Befugnis der Rechtssubjekte, ihre privatrechtlichen Angelegenheiten selbständig und eigenverantwortlich nach ihrem Willen zu gestalten“ und damit zugleich kritisch gegenüber einer Beschränkung der Privatautonomie auf rechtsgeschäftliches Handeln).   Allgemeiner spricht hingegen Flume, AT II, S. 1 ff. (§ 1) von der Privatautonomie als einem „Prinzip der Selbstgestaltung“ (Hervorhebung hinzugefügt). Doch wird die von der Privatautonomie anerkannte „Selbstherrlichkeit“ des Individuums (S. 6) ebenfalls als Schutz vor korrigierenden Eingriffen des Richters erklärt. 69  St. Lorenz, S. 16, 27; Adomeit, S. 21 („Privatautonomie bedeutet eine Kompetenzsummierung“); Zöllner, AcP 176 (1976), 221, 246. 70  Hoeren, FS von Westphalen, S. 332; auch St. Lorenz, S. 17; M. Wolf, S. 19. 71  Siehe bereits Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 1; außerdem siehe nur Maunz/Dürig/Di Fabio (39. Lfg.), Art. 2 Rn. 101. 72  Medicus, AT, Rn. 172; Bork, AT, Rn. 99; ­Köhler, BGB AT, § 5 Rn. 1; Flume, AT II, S. 1 (§ 1, 1) mit Hinweis auf die früheren sozialistischen Rechtsordnungen.

B. Drei Problemkomplexe

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vatautonomie führt dazu, dass sich der Staat – innerhalb gewisser Schranken – aus den individuellen Privatrechtsverhältnissen heraushält.73 Zugleich verhindert sie, dass selbstbestimmte Entscheidungen grundsätzlich einer richterlichen Nachprüfung unterliegen.74 Diese „Nichteinmischung“75 bildet das notwendige Korrelat der Anerkennung der individuellen Selbstbestimmung.76 Die Privatautonomie verschafft auf diese Weise individuelle „Gestaltungsvorrechte“.77 Mag auch in Randbereichen durchaus unscharf bleiben, was mit Privatautonomie gemeint ist, wird in diesem Punkt ein „Grundkonsens“ konstatiert.78 Dass der Fokus einer Betrachtung der Privatautonomie auf den von ihr gewährten Freiheiten und Befugnissen liegt, erscheint vor dem Hintergrund der Bewahrung dieser Freiheit gegenüber paternalistischen Tendenzen und regulatorischen Eingriffen nur allzu verständlich. Emphatische Bekenntnisse zur Privatautonomie finden sich typischerweise dort, wo gegen dirigistische Eingriffe des Gesetzgebers durch zwingendes Recht protestiert wird.79 Privatautonomie ist jedoch nicht nur ein Abwehrrecht. Mit der Befugnis zur Rechtsgestaltung geht, weitaus weniger betont, eine Aufgabe zur Rechtsgestaltung Hand in Hand.80 Diese Aufgabe drückt sich zum einen darin aus, dass der Einzelne als Folge seiner Freiheit auch Verantwortung für die Verfolgung seiner Interes-

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Bork, AT, Rn. 101; ­R aiser, FS DJT I, S. 115. Flume, AT II, S. 6 (§ 1, 5); Zöllner, AcP 176 (1976), 221, 246 (die mit der Privatautonomie verbundene „Kompetenzzuweisung“ sei nur sinnvoll, „wenn nicht jede kraft dieser Kompetenz getroffene Entscheidung auf richtigen Gebrauch des Ermessens nachgeprüft werden kann“); St. Lorenz, S. 27. 75  ­R aiser, FS DJT I, S. 115. 76  Medicus, AT, Rn. 176; St. Lorenz, S. 15; Busche, S. 14. Aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254. 77  Busche, S. 20. 78  Busche, S. 14. 79  Ohne dass hiermit eine Stellungnahme in der Sache verbunden sein soll, sei etwa an die Debatte um das Antidiskriminierungsrecht erinnert, vgl. die Nachweise in Isensee, S. 242 Fn. 10; siehe auch Martinek, S. 247 ff. Überblick zum Konflikt von Privatautonomie und „Paternalismus“ etwa bei Schön, FS Canaris I, S. 1193, 1202 ff. m.w.N.; Bruns, JZ 2007, 385 ff. Auch in Frankreich wird angenommen, dass das im Code civil und seinen Vorarbeiten noch unerwähnte Konzept der „autonomie de la volonté“ verstärkt Konturen erhalten hat, als es gegen Anzweiflungen verteidigt werden musste, Ghestin, Formation, Nr. 45; Ranouil, S. 86 ff. 80  Siehe aber etwa Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1; ders., S. 81, 101 („Aufgabenteilung“); Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 53, 114 („ureigene Aufgabe der Selbstregelung“), 249 („privatautonome Regelungsverantwortung“); J.F. Baur, S. 62; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I); Salzmann, S. 52; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 153; Schroeter, FS Schwenzer II, S. 1565; im Grunde auch ­R aiser, JZ 1958, 1, 2, wenn er schreibt, dass nach der Vorstellung des BGB „im Rechtsverkehr jeder für die Wahrung seiner Interessen selbst sorgen kann und soll“ (Hervorhebung hinzugefügt). Mit der Bezeichnung der rechtlichen Gestaltung als „Angelegenheit der Privaten“, die neben einer staatlichen Gestaltungsaufgabe steht (Benedict, JZ 2012, 172), können beide Facetten der Privatautonomie gemeint sein. 74 

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§ 1 Problemstellung

sen und sein privatautonomes Handeln trägt.81 Diese Selbstverantwortung stellt den Einzelnen in das Beziehungsgefüge zu seinen Mitmenschen und kann der Selbstbestimmung für das gedeihliche Zusammenleben erforderliche Grenzen ziehen. Sie kann zugleich dem Teilnehmer am Rechtsverkehr bestimmte Lasten aufbürden.82 Die Aufgabe zur Rechtsgestaltung impliziert jedoch noch ein Weiteres. Der Zusammenhang zwischen Aufgabe und Befugnis ist aus dem Öffentlichen Recht geläufig. Die Wahrnehmung von Aufgaben berechtigt eine Behörde nur dann zu Eingriffsakten, wenn ihr eine für die Wahrnehmung dieser Aufgabe geschaffene Befugnis verliehen wurde. Damit ist die Aufgabe der Befugnis vorgelagert. Wenn nun die Rechtssubjekte die Freiheit und Befugnis haben, ihre rechtlichen Verhältnisse zu gestalten, so muss diese Gestaltung zugleich auch ihre Aufgabe sein. Diese Aufgabe wird dem Individuum durch seine Selbstbestimmung zugewiesen.83 Wie und ob jemand seine Interessen wahrnimmt, entscheidet er selbst und nicht die Rechtsordnung für ihn.84 Damit stellt sich die Frage, ob und wie sich die Parteien bei der Ausübung ihrer Privatautonomie helfen lassen dürfen. Falls derartige Hilfe grundsätzlich als zulässig anzusehen ist, fragt sich darüber hinaus, von wem sie eingeholt werden kann.

1. Aufgabenübertragung an einen privaten Dritten Angesprochen ist damit zunächst die Einschaltung eines Dritten überhaupt. Kann die „Zuständigkeit“85 der Parteien für ihren Vertragsinhalt auf einen Dritten übertragen werden? Die §§ 317 ff. BGB stellen gerade einen Mechanismus für eine derartige Übertragung dar. Doch sagen sie nur wenig darüber aus, wieviel die Parteien selbst regeln müssen. Die bloße Vereinbarung, dass bei Scheitern der Verhandlungen über die Fortsetzung der Pacht eines Kinos, deren sechzehnjährige Laufzeit sich ihrem Ende näherte, ein Dritter befinden solle, genügte dem Bundesgerichtshof86 beispielsweise nicht, um eine wirksame Aufgabenübertragung an einen Dritten anzunehmen.87

81  Siehe insbesondere Martinek, S. 247 ff.; Auer, S. 13 f.; Fastrich, S. 3; Bork, AT, Rn. 106; speziell zur Testierfreiheit Muscheler, Erbrecht, Rn. 225; auf Ebene des Europäischen Privatrechts Unberath, Vertragsfreiheit, in: HWBEuP, S. 1692; Riesenhuber, Selbstverantwortung, S. 213 ff.; ders., Europäisches Vertragsrecht, Rn. 134 ff. m.w.N. 82  Etwa die Notwendigkeit, sich über bestimmte Dinge zu informieren, Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 135. 83  M. Wolf, S. 81. Mit zusätzlichem Rekurs auf einen „Vorrang der kleineren Einheit“ ­L arenz/M. Wolf, AT, § 1 Rn. 5. 84  M. Wolf, S. 81. 85  Müller-Freienfels, S. 67 (für die Stellvertretung); im Anschluss daran Staudinger/­ Rieble, § 315 Rn. 115 (für die Leistungsbestimmung). 86  BGH v. 27.1.1971 BGHZ 55, 248. 87  Ausführlich unten § 4 C.I.3. (S. 208 ff.).

B. Drei Problemkomplexe

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Der dogmatische Ansatzpunkt für die Ermittlung dessen, was die Parteien selbst leisten müssen, kann in dem Grundsatz gefunden werden, dass nur ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt bestimmt oder jedenfalls bestimmbar ist, mit Rechtswirkungen ausgestattet werden kann.88 Zum Teil wird nun die Ansicht vertreten, die „Grundidee des BGB“ laufe der Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts diametral entgegen,89 da die Vertragsgestaltung mit Hilfe eines Leistungsbestimmungsrechts vom „Idealfall des vollständigen Vertrages“ abweiche.90 In den §§ 317 ff. BGB wird eine Ausnahme91 von dem Bestimmtheitsgebot oder jedenfalls eine Lockerung92 desselben gesehen. Die Reichweite des Bestimmtheitsgebots gibt somit zugleich Auskunft über die Möglichkeit zur Delegation.

2. Aufgabenverteilung zwischen Staat und privat Angesprochen ist damit aber vor allem die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien auf der einen und dem Staat und seinen Gerichten auf der anderen Seite. Indem die Privatautonomie die Gestaltung der Rechtsverhältnisse zur Aufgabe des Einzelnen macht, sorgt sie auch für eine „Staatsentlastung“.93 Wer die Privatautonomie gegen – vermeintlich oder tatsächlich – bevormundende Einwirkungen durch den Staat schützen will, braucht eine besondere Begründung dafür, den Staat in die Rolle des Helfers bei der Ausübung dieser Freiheit schlüpfen zu lassen. Illustrieren lässt sich das anhand von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, der – wenig deutlich formuliert94 – Preisabreden der Inhaltskontrolle vorenthalten will.95 Diese Ausnahme beruht auf dem Gedanken, dass in einer Marktwirtschaft die einzelnen Teilnehmer am Rechtsverkehr mittels Angebot und Nachfrage das Äquivalenzverhältnis durch ihre Bewertung von Leistung und Gegenleistung festlegen.96 Eine staatliche Angemessenheitskontrolle – der Ge88 

Siehe vorerst RGRK/Alff, Vor § 241 Rn. 10; Enneccerus/Lehmann, S. 25 f. Joussen, S. 34. 90  Joussen, S. 35. 91  J.F. Baur, S. 61 (zu §§ 315 ff. BGB); Joussen, AcP 203 (2003), 429, 431; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133 (zu §§ 315, 316 BGB). 92 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 4 ff., § 317 Rn. 1; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 1; Joussen, S. 35. 93  Zöllner, AcP 176 (1976), 221, 246 (allerdings zur Zuweisung der Kompetenz, nicht der Aufgabe zur Rechtsgestaltung). 94  Münch­Komm-­BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 1; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 327. Die undeutliche Formulierung hat auch zu einer Diskussion um die Vereinbarkeit von § 307 Abs. 3 BGB mit der Klauselrichtlinie (RL 93/13/EWG) Anlass gegeben. Jedoch nimmt die h.M. eine Konformität an, siehe etwa Münch­Komm-­BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 3 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 43, der aber gleichwohl für eine Klärung durch den EuGH plädiert. 95  Statt aller Münch ­Komm-­BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 41. Ausführlich zu § 307 Abs. 3 BGB Billing, 2 ff., 151 ff. 96  Münch ­Komm-­BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 1; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 Rn. 303; Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 71; Dylla-Krebs, S. 154 ff. (so89 

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§ 1 Problemstellung

setzgeber sprach von „Preiskontrolle“97 – wäre mit dieser Wirtschaftsordnung nicht vereinbar.98 Vielmehr gilt es gerade als Ausprägung und Folge der Vertragsfreiheit der Parteien, selbst zu entscheiden und nicht etwa von einem Gericht zu erfahren, welche Leistung zu welchem Preis erbracht werden soll.99 Die Vertragsfreiheit dient hier also – verstanden als Befugnis der Parteien – als Argument, eine gerichtliche Kontrolle aus der Preisvereinbarung herauszuhalten. Wird die Privatautonomie hingegen auch als Aufgabe der Parteien verstanden, so hat das zur Folge, dass sich ein Gericht auch dann nicht mit dem Äquivalenzverhältnis befassen darf, wenn es von den Parteien ausdrücklich darum ersucht wird, beispielsweise weil ihnen selbst keine vollständige Einigung darüber gelungen ist. Damit ist aber die Brücke zur Problematik der Delegation der Leistungsbestimmung geschlagen. Vorstellbar ist ein derartiges Ersuchen nämlich zum einen als unmittelbare Aufgabenübertragung – etwa mit einer Vertragsklausel, die ein Gericht ermächtigt, bei einer Änderung der Umstände die geschuldete Gegenleistung neu festzusetzen. Vereinbarungen dieser Art hat es immer wieder gegeben. Wie die Rechtsprechung damit umgegangen ist, wird unten im Zusammenhang mit der Frage, ob auch ein staatliches Gericht Dritter sein kann, näher zu beleuchten sein.100 Zum anderen stellt aber letztlich auch eine Klage, mit der eine Partei die subsidiäre Leistungsbestimmung durch das Gericht nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB begehrt, eine Anfrage an das Gericht dar, bei der Aushandlung eines Vertrages mitzuwirken. Nicht ohne Grund wird das Gericht in Stellungnahmen zu dieser Vorschrift als „Vertragshelfer“ gekennzeichnet und die Grundlage seines Tätigwerdens als „gesetzgeberisches Angebot“ umschrieben.101 Geht der Richter damit also über die reine Rechtsanwendung hinaus, so bedarf es einer besonderen Legitimation, wenn er an die Stelle des Dritten – und damit an die Stelle der Parteien – tritt, um selbst nach billigem Ermessen die ursprünglich dem Dritten überlassene Gestaltung vorzunehmen.102 Inwieweit dieses gesetzgeberische Angebot also mit der Privatautonomie der wie S. 118 ff. zu anderen Erklärungsansätzen); Hellwege, S. 576 f.; H. P. Westermann, S. 136 f.; Stoffels, JZ 2001, 843, 844; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 327; ders., NJW 1987, 609, 613.  97  BT-Drucks. 7/3919, S. 22.  98  Dylla-Krebs, S. 154 ff.; Hoeren, FS von Westphalen, S. 332 f.; Stoffels, JZ 2001, 843, 844 mit zahlreichen Nachw. Dass dem Gericht auch ein Kontrollmaßstab fehlen würde, stellt eine Folge dieses Prinzips dar, siehe ebenda; aber auch Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 Rn. 303.  99  BGH v. 12.5.2010 NJW‑RR 2011, 257, 258; BGH v. 18.4.2002 NJW 2002, 2386; BGH v. 16.11.1999 BGHZ 143, 128, 139; BGH v. 10.6.1999 NJW 1999, 3260; Pfeiffer, in: Wolf/ Lin­dacher/Pfeiffer, § 307 Rn. 303; Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 71 („Kernbereich der Ausübung privatautonomer Handlungsfreiheiten“); Hoeren, FS von Westphalen, S. 332; Stoffels, JZ 2001, 843, 844; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 327; zum europäischen Vertragsrecht Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 606. 100  Siehe unten § 4 E. (S. 268 ff.). 101 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 77, 312. 102  Zu dieser Unterscheidung Fastrich, S. 13 f.

B. Drei Problemkomplexe

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Parteien in Einklang zu bringen ist, bedarf ebenfalls der Untersuchung – und zwar zum einen im Hinblick auf ein Ausbleiben der Leistungsbestimmung und zum anderen im Hinblick auf die Kontrolle einer Leistungsbestimmung.103 Die Delegation von Privatautonomie liegt somit im Spannungsfeld von „Parteienfreiheit und Richtermacht“104. Dieses große Thema der Rolle des Richters im Vertragsgefüge der Parteien ist gerade in jüngerer Zeit wieder vermehrt in den Blick geraten, wenn etwa eine „moderne Tendenz einer wachsenden Richtermacht“105 beobachtet oder, speziell mit Bezug auf den DCFR, „eine massive Ausweitung ungesteuerter Richtermacht“ durch eine „Fülle von Generalklauseln und offenen Rechtsbegriffen“ und einem gleichzeitigen „massiven Abbau der Privatautonomie“, die deutlich über eine „Materialisierung“ des Vertragsrechts hinausgehe, beklagt wird106. Dieses Spannungsfeld lässt sich ebenfalls mit Hilfe des Bestimmtheitsgebots erfassen. Erfüllt ein Rechtsgeschäft die Anforderungen an die Bestimmtheit, kann grundsätzlich ein Gericht zu dessen Durchsetzung angerufen werden. In der Frage, ob und inwieweit ein Gericht auch schon bemüht werden kann, um diese Anforderungen überhaupt zu erfüllen, spiegelt sich der Gedanke der Aufgabenverteilung zwischen Staat und privat wider.

III. Höchstpersönlichkeit Ein dritter Problemkomplex rührt aus der Bezeichnung als Privat-„autonomie“. Ist die Selbstbestimmung, so ließe sich fragen, nicht ohnehin einer Delegation unzugänglich, weil sie eben selbst, d.h. höchstpersönlich, ausgeübt werden muss? Jedenfalls in diesem Bereich wäre somit eine Aufgabenübertragung auf einen Dritten ausgeschlossen. Für das Schuldrecht lässt sich diese Frage schnell mit einem Hinweis auf das Stellvertretungsrecht verneinen. Doch bleibt hier das Problem, ob der von den Parteien bestellte Dritte seinerseits eine andere Person zur Wahrnehmung seiner Aufgabe einschalten darf oder ob jedenfalls seine Mission höchstpersönlich ist. Vor allem aber gelangt das Erbrecht zu einer diametral entgegengesetzten Antwort: Dort verbietet es das Drittbestimmungsverbot des § 2065 Abs. 2 BGB dem Erblasser, die Bestimmung seines Erben – etwa des Unternehmensnachfolgers im einleitend genannten Beispiel – an einen Dritten zu delegieren. Die Bestimmung eines Vermächtnisnehmers oder eines Testamentsvollstreckers kann demgegenüber ebenso einem Dritten überlassen werden wie die Auseinander103 

Siehe unten § 4 D. (S. 224 ff.) und § 14 C.II. (S. 669 ff.). Brüggemann, S. 266. 105  G. Hager, FS Liebs, S. 258 m.w.N. 106  Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/G. Wagner/R. Zimmermann, JZ 2008, 529, 549 und 537, 541. 104 Vgl.

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§ 1 Problemstellung

setzung einer Erbengemeinschaft. Dieser scheinbar innerhalb des Erbrechts bestehende Konflikt ist ebenso zu würdigen wie die eigentliche übergreifende Frage, ob und wie der Gegensatz zwischen Schuldrecht und Erbrecht in diesem Punkt erklärt werden kann. Dieser letzte Aspekt gibt zu einer weiteren Bemerkung Anlass: Wenn in dieser Arbeit Vertragsfreiheit und Testierfreiheit nebeneinander als zwei Ausprägungen derselben Grundidee der Privatautonomie untersucht werden, so geschieht das mit dem Ziel, bislang weitgehend isoliert geführte Diskurse über ähnliche Fragestellungen zusammenzuführen.107 Nicht unmittelbar damit verbunden ist jedoch eine Positionierung in dem gerade in jüngerer Zeit vermehrt geführten108 Streit um die Verwandtschaft oder Verschiedenartigkeit von Vertragsfreiheit und Testierfreiheit. Ob und in welchem Umfang im Schuldrecht und im Erbrecht eine Delegation von Privatautonomie gestattet ist, kann vielmehr untersucht werden, ohne zunächst die Grundvoraussetzungen der Selbstbestimmung und ihrer Ausübung in beiden Rechtsbereichen zu bestimmen. Da sich ohnehin die Zulässigkeit der Delegation im Erbrecht auch an spezifisch erbrechtlichen Erwägungen messen lassen muss, ist eine vorgängige abstrakte Klärung des Streits entbehrlich. Vielmehr besteht die Erwartung, dass die hier gefundenen Ergebnisse ihrerseits Rückschlüsse in dem Streit erlauben.

C. Drei Problemebenen I. Zulässigkeit – Verfahren – Kontrolle Verbunden sind diese drei Problemkomplexe durch den eingangs herausgestellten Grundkonflikt zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung. Dieser Konflikt kann sich auf drei verschiedenen Ebenen auswirken. Diese Ebenen sollen hier mit den Bezeichnungen „Zulässigkeit“, „Verfahren“ und „Kontrolle“ belegt werden.109

107  Dies entspricht einer Mahnung von Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 50 f.; dies., Selbstverantwortung, S. 301 f.; Verbindungslinien zwischen Schuldrecht und Erbrecht ziehen z.B. Kipp/Coing, S. 334 (§ 57 II); Helms, ZEV 2007, 1, 4; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22 ff. 108  Siehe einerseits für eine „Emanzipation“ der Testierfreiheit Kroppenberg, Privatautonomie; Goebel; Papantoniou, AcP 173 (1973), 385, 393; andererseits für deren Rückführung auf die eine Privatautonomie Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 55; ders., ErbR 2009, 2, 4. 109  Vgl. auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 4: „Die in diesem Zusammenhang zu klärenden Rechtsfragen lauten: Wie ist die Vereinbarung, der von einer bestimmten Schätzorganisation ermittelte Schätzwert sei maßgeblich, rechtlich zu beurteilen? Welche Anforderungen sind an die Schätzorganisation, an ihre Schätzmethode und ihr Schätzverfahren zu stellen? Welchen Erfordernissen muß die Schätzung genügen, und in welchen Fällen ist sie erfolgreich angreif-

C. Drei Problemebenen

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Auf der ersten Ebene, der Ebene der Zulässigkeit, geht es darum, bis zu welcher Grenze eine Delegation von Privatautonomie zulässig ist und welche Folgen eine Überschreitung dieser Grenze nach sich zieht. Auf der zweiten Ebene, der Ebene des Verfahrens, sind die Fragen angesiedelt, welche Verfahrensvorschriften der Dritte zu beachten hat und welche Folgen ein Verstoß gegen diese Vorschriften zeitigt. Zwar betont die Rechtsprechung im Grundsatz, dass der Dritte – anders als ein Schiedsrichter (§§ 1025 ff. ZPO) – „in verfahrensrecht­ licher Hinsicht völlig frei“ stehe.110 Doch hält sie diesen Grundsatz heute nicht konsequent durch; vor allem aber reißen Forderungen des Schrifttums nach einer stärkeren Berücksichtigung von Verfahrensregeln nicht ab.111 Gerade diese Frage zeichnet den Untersuchungsgegenstand als Schnittstelle zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht aus.112 Die dritte Ebene, die Ebene der Kontrolle, betrifft schließlich die Thematik, ob die Entscheidung des Dritten nachprüfbar ist, durch wen und nach welchem Maßstab diese Nachprüfung geschieht und, wiederum, welche Folgen ein Verstoß gegen diesen Maßstab hat. Zur Illustration möge der Schutz davor dienen, dass der Dritte eine Entscheidung trifft, die nicht mehr als Ausdruck der Selbstbestimmung des Delegierenden verstanden werden kann: Wenn die Gefahr einer Fremdbestimmung im Fall der Delegation als zu groß angesehen wird, kann das zu einem Ausschluss oder einer Erschwerung der Zulässigkeit, zu einer präventiven Sicherung durch Verfahrensregeln oder einer repressiven Überprüfung des Ergebnisses führen. Auch die Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gerichten wird auf allen drei Ebenen aktuell: Ist die Delegation an ein Gericht zulässig?113 Kann das Gericht zur begleitenden Überwachung des Verfahrens eingesetzt werden, etwa mit Hilfe eines Ablehnungsverfahrens gegen den Dritten?114 Darf das Gericht die Entscheidung des Dritten überprüfen und gegebenenfalls ersetzen?115 In § 319 Abs. 1 S. 1 BGB wird diese Frage bejaht, ebenso beispielsweise in § 2048 S. 3 BGB, allerdings jeweils mit dem eingeschränkten Maßstab der offenbaren Unbilligkeit. Die Parteileistungsbestimmung unterliegt hingegen der vollen Billigkeitskontrolle, während die Erklärung eines Stellvertreters überhaupt nicht über die normalen Grenzen rechtsgeschäftlicher Freiheit hinaus überprüft wird.

bar? Abschließend ist zu klären, ob eine Notwendigkeit besteht, die Tätigkeit der Schätzorganisation gesetzlich zu regeln.“ 110  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 111  Dazu unten § 2 B.II.5.d) (S. 84 ff.). 112  Gehrlein, VersR 1994, 1009; siehe auch Storme, Rev. dr. int. dr. comp. 62 (1985), 285 ff. 113  Dazu unten § 4 E. (S. 268 ff.). 114  Dazu unten § 7 C.IV. (S. 502 ff.) 115  Dazu unten § 14 C.II. (S. 669 ff.).

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§ 1 Problemstellung

II. Wechselwirkungen Die Zuordnung von einzelnen Fragestellungen zu diesen Ebenen erlaubt nicht nur eine Strukturierung des Gesamtthemas. Sie erhöht auch die Sensibilität für Alternativlösungen, da zwischen den drei Ebenen Wechselwirkungen bestehen können. Hierfür lassen sich mehrere Beispiele anführen: Schon oben angedeutet wurde die Hypothese, dass ein Defizit an Selbstbestimmung bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis (Zulässigkeitsebene) durch eine intensivere inhaltliche Kontrolle ausgeglichen werden könnte.116 Ob die fehlende Möglichkeit einer Kontrolle nach dem Tod des Erblassers die erbrechtlichen Beschränkungen auf Zulässigkeitsebene erklären kann,117 wird ebenfalls zu untersuchen sein. Ein klassisches Beispiel einer vermuteten Wechselwirkung, diesmal zwischen Verfahren und Kontrolle, ist die These, dass eine Regelung des Verfahrens der Drittbestimmung entbehrlich sei, da die Bestimmung ja einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen werde.118 Wenn die Rechtsprechung eine Delegation in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann gestattet, wenn darin anspruchsvolle Verfahrensregeln enthalten sind,119 deutet das auf eine Wechselwirkung zwischen Zulässigkeit und Verfahren hin.

D. Die fragmentarische Erfassung dieser Probleme im Gesetz Wer sich bei einem Blick in das BGB Antworten auf die aufgeworfenen Fragen erhofft, wird schnell enttäuscht sein und insbesondere die rechtliche Regelung in den §§ 317 ff. BGB als „unzulänglich“120 empfinden. Kaum mehr bringen die 116 

In diesem Zusammenhang ist auf die von Gregor Bachmann entwickelte Theorie der privaten Regelsetzung hinzuweisen: Diese Regelsetzung werde von zwei Legitimitätsgründen getragen, nämlich Zustimmung und Gemeinwohl bzw. (im Zivilrecht) Gruppenwohl, G. Bachmann, S. 193 ff. Ein Defizit bei dem einen Grund werde durch eine Stärkung des anderen Grundes kompensiert. Übertragen auf das vorliegende Problem könnte das bedeuten: Indem Parteien eine Entscheidung delegieren, ist ihre Zustimmung zu der von dem Dritten getroffenen Regelung nur durch diesen vermittelt. Als Ausgleich sind deshalb Mechanismen erforderlich, die die „Gruppenwohl“-verträglichkeit sicherstellen. Dies könnten besondere Verfahrens‑ oder Kontrollregeln sein. Siehe zu vergleichbaren Überlegungen bezogen auf Vertretergeschäfte, G. Bachmann, S. 237 f. Eine eigenständige „Legitimation durch Verfahren“ lehnt G. Bachmann, S. 191 f. freilich als ausschließlich prozedural und damit seinem kombinatorischen Legitimationsmodell unterlegen ab. 117  Diese Frage nach einem Schutz vor „unkontrollierter Macht“ des Dritten wirft auch R. Zimmermann, Quos, S. 39 f. auf. 118  Klassisch, wenn auch heute in dieser Pauschalität nicht mehr zutreffend, BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 119  Siehe unten § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.). 120 AK/Dubischar, § 317 Rn. 1; ähnlich Weick, FS Coing II, S. 561.

D. Die fragmentarische Erfassung dieser Probleme im Gesetz

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Normen im Erbrecht, die zwar die Zulässigkeit einer Delegation ausdrücklich ansprechen, die nähere Ausgestaltung der Bestimmungsbefugnis aber weitgehend vernachlässigen oder mit einem Verweis den §§ 317 ff. BGB überlassen.121 In den §§ 317 ff. BGB wird die Zulässigkeit einer Delegation lediglich unterstellt und Verfahrensfragen bleiben, abgesehen von § 317 Abs. 2 BGB zur Entscheidung mehrerer Dritter, ausgeblendet. Der Dritte gebe, so die Vorstellung der Väter des BGB, seine Bestimmung „an Stelle des Einverständnisses der Parteien in die Seele der Kontrahenten“122 ab. Den Grundkonflikt mit der Selbstbestimmung des Delegierenden hat der Gesetzgeber nicht thematisiert.123 Die Entwürfe zu den §§ 317–319 BGB hatten ausführliche, aber weitgehend folgenlose Kritik geerntet.124 Diese Lücke zu füllen war dem Schrifttum vorbehalten, das offene Fragen beantwortet, dabei aber – bis hin zum Verdikt der Verfassungswidrigkeit des § 319 BGB125 – eine Fülle von Streitständen produziert hat. Der ausufernden Behandlung einzelner Streitfragen steht dabei zum Teil ein Mangel an übergreifender Betrachtung gegenüber.126 Trotz der bestehenden literarischen Aufarbeitung wird, auch angesichts der praktischen Relevanz der Materie, nach wie vor ein Bedürfnis nach dogmatischer Vertiefung und Strukturierung gesehen.127 Dabei erwies sich vor allem als zutreffend, was bereits die Kritik am BGB-Gesetzgeber hervorgehoben hat, nämlich dass die gesamte Problematik auch eine ausgeprägte verfahrensrechtliche Dimension hat. Auch eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) oder die letztwillige Anordnung eines Schiedsgerichts (§ 1066 ZPO) haben zur Folge, dass die bindende Entscheidung einer Streitigkeit einem privaten Dritten übertragen wird. Entsprechend fin-

121  Siehe etwa die Verweise in den §§ 2156 S. 2, 2192 BGB; in § 2048 S. 2, 3 BGB werden Formulierungen der §§ 317 ff. BGB aufgegriffen. 122  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107; zuvor schon Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 720. 123  Ebenso HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 3 mit Fn. 8. 124  Weismann, AcP 74 (1889), 422 ff.; ders., AcP 72 (1888), 269 ff. 125  Dütz, S. 261 ff. 126  Zusammenfassende Überblicke in jüngerer Zeit bei Joussen, dessen Ansatz sich freilich von dem hier gewählten in mehreren Punkten unterscheidet: Joussen klammert einerseits Feststellungsentscheidungen (dazu unten § 2 B.II. [S. 44 ff.]) aus dem Gegenstand seiner Untersuchung aus und geht andererseits über § 317 BGB weit hinaus, indem er auch den Fall einer nachfolgenden Einigung der Parteien auf ein unverbindliches Gutachten als Leistungsbestimmung durch einen Dritten ansieht (dazu Kleinschmidt, AcP 207 [2007], 814, 817). Ausführliche Überblicke zudem bei Sieveking, der Gestaltung und Feststellung behandelt, sich dabei aber auf das Schuldrecht beschränkt; Greger/Stubbe aus Sicht der Konfliktlösung; und immer noch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 276 ff. (§ 12); aus der Kommentarliteratur vor allem Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 1 ff., § 319 Rn. 1 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 21 ff. 127  Siehe den Untertitel des Beitrags von Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 750 („Auf dem Weg zu Grundsätzen ordnungsmäßiger Schiedsgutachtenerstellung“); Greger/Stubbe, Rn. 85 f. („Es fehlt an einer klaren Dogmatik des Schiedsgutachtenrechts“); Volmer, BB 1984, 1010 („in der Praxis sehr oft Unsicherheit über die angesprochene Thematik“).

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§ 1 Problemstellung

den sich zahlreiche, unterschiedlich weit gehende Vorschläge, Anleihen bei den §§ 1025 ff. ZPO zu suchen.

E. Die Delegation von Privatautonomie in ausländischen ­Rechtsordnungen Angesichts der fragmentarischen Erfassung und verbliebenen Kontroversen lohnt ein Blick in die Erfahrungen ausländischer Rechtsordnungen. Die auf der Selbstbestimmung des Einzelnen basierte Privatautonomie ist nicht nur die „Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches“128 und von „zentraler Bedeutung für die Privatrechtsgesellschaft“129. Sie bildet ebenso ein Kernelement ausländischer Rechtsordnungen130 wie auch des europäischen Vertragsrechts131. Frühere vergleichende Aufarbeitungen der Problematik haben diese meist unter einem anderen Blickwinkel, z.B. fokussiert auf die Preisbestimmung132, auf Feststellungsentscheidungen Dritter133 oder auf die schiedsgerichtliche Gestaltung134, oder bezogen auf nur eine der hier herangezogenen Vergleichsrechtsordnungen135 betrachtet.136 Selbst wer den Blick zunächst auf das Vertragsrecht beschränkt, stellt fest, dass die Delegation von Privatautonomie in anderen europäischen Rechtsordnungen nicht überall denselben Regelungsmustern wie die §§ 317 ff. BGB folgt. Auch in 128  M.-P. Weller, S. 169 m.w.N.; Bork, AT, Rn. 99; zur gleichen rechtlichen Freiheit als zentralem Prinzip des BGB HKK/Rückert, vor § 1 Rn. 47. 129  Canaris, FS Lerche, S. 874 ff. (auf S. 877 wird der Gedanke auf die Testierfreiheit übertragen). 130  Basedow, ERPL 2008, 901, 904 m.w.N.; Bruns, JZ 2007, 385, 390 ff. Zu Privatautonomie und Vertragsfreiheit in Frankreich Ghestin, Formation, Nr. 36 („Le principe de l’autonomie de la volonté sert à expliquer et justifier la force obligatoire du contrat“); Carbonnier, Obligations, Nr. 16; Rochfeld, S. 430; Grimaldi/Barrière, S. 142 f.; zur Vertragsfreiheit in England siehe Whittaker, in: Chitty on Contracts, Rn. 1‑028 ff. 131  Siehe nur Unberath, Vertragsfreiheit, in: HWBEuP, S. 1692; Basedow, ERPL 2008, 901, 907 ff. m.w.N. (mit Hinweis auf die Bedeutung des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Vertragsfreiheit auf europäischer Ebene); Riesenhuber, Rn. 131 ff. m.w.N. (Gewährleistung auf europäischer Ebene bleibe nicht hinter der grundgesetzlichen Gewährleistung zurück); Lobinger, Vertragsfreiheit, S. 111 m.w.N.; St. Lorenz, S. 21 f.; Art. 1:102 PECL; Art. 1.1 UNIDROIT PICC; Art. 1:102 DCFR. 132  W. Witz; Tallon; Gardounis. Knappe Länderberichte ohne Vergleich finden sich in Kendall/Freedman/Farrell, Chapter 18. 133  Habscheid, FS Kralik, S. 189 ff. (deutsche Fassung von ders., FS Domke, S. 103 ff.); Niggemann, S. 59 ff. 134  Kröll zu England. 135  Für das Common law: Borowsky; für Frankreich: Sachs, FS Schlosser, S. 805 ff. Siehe außerdem für New York: Sieveking; für Italien: Hartl. 136  Siehe außerdem noch David, FS Marty, S. 383 ff.; Schlosser, RIPS, Rn. 20 ff.; Weick, FS Coing II, S. 543 ff.

E. Die Delegation von Privatautonomie in ausländischen ­Rechtsordnungen

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Einzelfragen besteht keineswegs ein Konsens. Alternative Lösungswege, die sich in Reaktion auf vergleichbare Sachprobleme herausgebildet haben, stellen einen Argumentationsschatz dar, den es für die hier anstehende Auseinandersetzung mit dem deutschen Recht zu heben gilt. Dabei können Rechtsordnungen, die im Grundsatz ähnliche Ansätze verfolgen, hier unberücksichtigt bleiben. Allgemeine Vorschriften über die Leistungsbestimmung durch einen Dritten kennen etwa das italienische137 und das niederländische Recht138. Zwar weisen beide Rechtsordnungen gegenüber dem deutschen Recht interessante Abweichungen auf.139 In den grundlegenden Fragen – etwa Bestimmungsmaßstab des Dritten, Folgen des Ausbleibens einer Bestimmung, richterliche Ersetzung der Bestimmung – nehmen sie jedoch eine den §§ 317–319 BGB vergleichbare Haltung ein. Wenn in diesem pauschalen Befund die vorsichtige Tendenz zu erkennen sein mag, dass die Grundentscheidungen des BGB auch in anderen Rechtsordnungen als sachgerecht empfunden werden, so besteht umso größerer Anlass, diese Grundentscheidungen mit Hilfe von Rechtsordnungen, die zu anderen Antworten gelangen, zu hinterfragen. Hierfür eignen sich das englische und das französische Recht in besonderem Maße, da sich dort größere Unterschiede zeigen. In beiden Rechtsordnungen wird die Bestimmung durch einen Dritten nur fragmentarisch im Gesetz geregelt, und zwar in erster Linie bezogen auf die Bestimmung des (Kauf‑)Preises.140 In England steht diese Regelung nicht mehr im Einklang mit der nach Common law für alle anderen Fälle entwickelten Lösung.141 In Frankreich hingegen wurde die aus historischen Gründen auf die Kaufpreisbestimmung bezogene Vorschrift des Art. 1592 Code civil auf andere Fälle der 137 Art. 1349

Codice civile; speziell zur Kaufpreisbestimmung Art. 1473 Codice civile. 906 Abs. 2 BW. 139  Dies gilt insbesondere für den Umgang mit Feststellungsentscheidungen eines Dritten. Das niederländische Recht wählt mit der Regelung des Feststellungsvertrags (vaststellingsovereenkomst) diese – wohl in Übereinstimmung mit der Praxis – in Art. 7:904 BW als Grundfall und setzt in Art. 7:906 Abs. 2 BW für die Ergänzung oder Änderung von Verträgen einen pauschalen Verweis auf diese Vorschriften. Dazu Dazu Asser/Hartkamp/Sieburgh, Bd. 6‑III*, Nr. 431, 435. Insofern sind die rechtsvergleichenden Notes zu den, kurz nach Inkrafttreten der betreffenden Regeln im Burgerlijk Wetboek erschienenen PECL als auch zu dem etwa 15 Jahre später publizierten DCFR nicht mehr aktuell; beide verorten die Problematik allein in den Art. 6:2, 6:248 BW, d.h. den Vorschriften des Burgerlijk Wetboek zu Treu und Glauben (redelijkheid en billikheid), siehe Lando/Beale, S. 312; wortgleich von Bar/Clive, S. 603. – Das italienische Recht kennt neben dem im Codice civile geregelten arbitraggio noch ein arbitrato irrituale, das jüngst in Art. 808–ter Codice di procedura civile eine gesetzliche Neuregelung erfahren hat und als besondere Form des „freien“, nichtförmlichen Schiedsverfahrens in den hier betrachteten Fällen zum Einsatz kommen kann. Zum arbitrato irrituale in deutscher Sprache Hartl, S. 15 ff., 47 ff. und passim; Wenger, S. 54 ff.; Schlosser, RIPS, Rn. 26 f.; Habscheid, KTS 1984, 53, 63 f. 140 Art. 1592, 1843-4 Code civil; s. 9 SGA 1979. 141  Siehe nur Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, wo die in s. 9 SGA abgelehnte richterliche Befugnis zur Ersetzung einer ausgebliebenen Leistungsbestimmung anerkannt wurde. Dazu unten § 4 D.II.3.b) (S. 247 ff.). 138 Art. 7:904,

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§ 1 Problemstellung

Preisbestimmung erstreckt. Beide Rechtsordnungen nehmen insbesondere in der Frage der richterlichen Befugnisse zur Vertragshilfe eine restriktivere Haltung ein als das deutsche Recht und scheinen damit von einer anderen Aufgabenverteilung zwischen privaten Parteien und Gerichten auszugehen. In Frankreich kommt hinzu, dass dort traditionell hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Vertragsinhalts gestellt wurden; so haben erst im Jahre 1995 vier Grundsatzentscheidungen der Cour de cassation die Leistungsbestimmung durch eine Partei in bestimmten Fällen für zulässig erklärt.142 Zuletzt ist zu bemerken, dass in beiden Rechtsordnungen gerade in der jüngeren Zeit noch wesentliche Weichenstellungen erfolgt sind143 und die Thematik insbesondere in Frankreich nach wie vor eine große Dynamik aufweist.144 Aus diesen Gründen sollen hier das englische und das französische Recht als Vergleichsrechtsordnungen herangezogen werden. Die erbrechtliche Facette der Delegation von Privatautonomie wird hier in geringerem Maße vor einem rechtsvergleichenden Hintergrund analysiert. Französisches und englisches Recht werden mehr mit einem Seitenblick erfasst. Dies liegt jedoch nicht etwa an einer fehlenden Eignung erbrechtlicher Fragestellungen für rechtsvergleichende Forschung. Die Vorstellung, dass auf dem Gebiet des Erbrechts eine sinnvolle Rechtsvergleichung aufgrund divergierender kultureller Voraussetzungen nicht möglich sei, wurde in jüngerer Zeit vermehrt in Zweifel gezogen und zu einzelnen Aspekten bereits kraftvoll widerlegt.145 Vielmehr erfolgt die Analyse der Delegation im Erbrecht vorliegend unter einem etwas anderen Blickwinkel, der eine intensive rechtsvergleichende Betrachtung weniger angezeigt erscheinen lässt. Das Erbrecht dient hier gewissermaßen rechtsordnungsintern als alternatives Regelungsregime, an dem die für das Schuldrecht entwickelten Antworten gemessen werden können. Warum ein Regelungsregime eine Frage auf die eine Weise beantwortet, ein anderes aber 142 Ausführliche Darstellung bei G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 26 ff.; Ghestin, FS Goubeaux, S. 183 ff.; C. Witz/Wolter, ZEuP 3 (1995), 648 ff.; R. Zimmermann, Principles, S. 29 f.; zu den Auswirkungen auf die Reform des französischen Schuldrechts Mazeaud, FS Larroumet, S. 344 ff Die Bestimmung des Kaufpreises bleibt jedoch von dieser Entwicklung ausgenommen, Cass. com. 7.4.2009 Bull. civ. IV, Nr. 48; Gardounis, Nr. 736. 143  Siehe für England z.B. die oben Fn. 141 genannte Entwicklung. 144  In Frankreich ist zu dem Komplex nicht nur jüngst eine zusammenfassende Monographie erschienen (Moury), sondern es sind auch zwei Konferenzen abgehalten worden (dokumentiert in Gaz. Pal. 2008, 745 ff. sowie in Gaz. Pal. 2010, 1900 ff.). Überdies war gerade eine der beiden Vorschriften zur Drittbestimmung, Art. 1843-4 Code civil, bereits Gegenstand der überhaupt erst zum 1.3.2010 eingeführten Question prioritaire de constitutionnalité (einer Art konkretes Normenkontrollverfahren), siehe Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36. 145  Siehe insbesondere R. Zimmermann, (2009) 57 Am. J. Comp. L. 479 ff. m.w.N.; als Beispiele vgl. die Studien von Reid/de Waal/R. Zimmermann; Anderson/Arroyo i Amayuelas; Schmoeckel, Testamentsformen; Kroppenberg, Rechtskulturen, S. 103 ff.; sowie die Beiträge in Röthel, Reformfragen.

F. Gang der Untersuchung

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auf eine andere, stellt eine genuin rechtsvergleichende Fragestellung dar. Dieser Vergleich findet innerhalb des deutschen Rechts statt. Wenn es ein Ziel dieser Arbeit ist, Schuldrecht und Erbrecht in Dialog zu bringen, erscheint der Ertrag einer Analyse des – in seinen internationalen Kontext eingeordneten – deutschen Erbrechts in Bezug auf das Schuldrecht vielversprechender als die jeweils parallele, aber isolierte rechtsvergleichende Untersuchung der Delegation im Schuldrecht und im Erbrecht.

F. Gang der Untersuchung Aus diesen einleitenden Gedanken ergibt sich für die Untersuchung folgendes Vorgehen: Zunächst ist eine Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes erforderlich. Die einleitend genannten Beispiele decken sich zwar mit dem Regelungsbereich der §§ 317 ff. BGB. In der Rechtswirklichkeit machen sie allerdings nur einen kleinen Teil der Fälle aus, in denen Vertragsparteien oder ein Erblasser einen Dritten einschalten. Häufiger kommt es vor, dass der Dritte eine Feststellungsentscheidung zu treffen hat. Dass auch hierin eine Delegation von Privatautonomie liegt, ist deshalb zunächst zu begründen (§ 2 B.). Des Weiteren ist noch eine Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes zu benachbarten Instituten vorzunehmen (§ 2 C.). Die grobe Struktur der weiteren Untersuchung geben die drei Problemebenen Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle vor. In einem ersten Teil zur Zulässigkeit muss zunächst eine Rückkopplung der Entscheidung des Dritten an die Privatautonomie der Parteien stattfinden. Darin ist zu begründen, weshalb diese Entscheidung für die Parteien grundsätzlich keine Fremdbestimmung mit sich bringt, bevor dann mit der AGB-Kontrolle und der Frage nach der Form mögliche Ausnahmefälle in den Blick genommen werden (§ 3). Der Problemkomplex der Aufgabenverteilung lässt sich mit dem Grundsatz, dass ein Vertragsinhalt bestimmt oder bestimmbar sein muss, rationalisieren. Deshalb werden sodann die Grenzen der Bestimmbarkeit ausgelotet und insbesondere die Frage nach den richterlichen Befugnissen zur Vertragshilfe bei fehlender Bestimmtheit beantwortet (§ 4). Sodann rückt das Erbrecht in den Blickpunkt, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Ansätze von Schuld‑ und Erbrecht in der Frage der Höchstpersönlichkeit zu hinterfragen (§ 5). Im zweiten, dem Verfahren gewidmeten Teil werden nach einem kurzen Überblick über die Ausgangslage (§ 6) einzelne Verfahrensprobleme abgearbeitet: die Neutralität des Dritten (§ 7), die Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Dritten (§ 8), ein mögliches Begründungserfordernis (§ 9), wiederum die Frage nach der Höchstpersönlichkeit, diesmal unter dem Vorzeichen, ob der Dritte seinerseits die ihm übertragene Aufgabe weiterreichen darf (§ 10), die Form der Entscheidung (§ 11) und zuletzt das Verfahren bei Gremienentscheidungen (§ 12). Die Ebene der Kontrolle wird im dritten Teil behandelt, der zunächst die bis dahin

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§ 1 Problemstellung

gewonnenen Erkenntnisse zur Verbindlichkeit der Entscheidung des Dritten zusammenführen kann (§ 13), bevor im Anschluss Grundsätze für die Kontrolle dieser Entscheidung entwickelt (§ 14) und der von § 319 Abs. 1 BGB für eine inhaltliche Überprüfung zugrunde gelegte Maßstab der offenbaren Unbilligkeit auf seine Sachgerechtigkeit befragt werden können (§ 15). Es wird sich bis zu diesem Punkt gezeigt haben, dass die oben nur kurz angedeutete Nähe zum Schiedsverfahrensrecht in erheblichem Maße für die vorliegende Thematik von Bedeutung ist. In einem vierten Teil wird deshalb noch der Frage nachgegangen, wie groß die Verwandtschaft der Delegation von Privatautonomie zur Schiedsgerichtsbarkeit tatsächlich ist (§ 16). In einer abschließenden Zusammenfassung können die erarbeiteten Konturen der Delegation von Privatautonomie zusammengeführt werden (§ 17). Rechtsvergleichende Betrachtungen werden jeweils unmittelbar im Zusammenhang mit den Sachfragen angestellt, so dass es sich erübrigt, umfängliche Länderberichte vorwegzuschicken. Ein Überblick über die Rechtslage in England und Frankreich wird im Rahmen der nun anstehenden Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes eingeschaltet (§ 2 B.II.3.).

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes A. Drei terminologische Vorbemerkungen I. Gremienentscheidungen Dritter kann auch ein Gremium sein. In Deutschland steht dies schon angesichts von § 317 Abs. 2 BGB, der sich ausdrücklich mit der Entscheidung durch mehrere Dritte befasst, außer Zweifel, auch wenn in den übrigen Vorschriften der §§ 317–319 BGB nur „ein Dritter“ genannt wird.1 Ebenso kann auch in Frankreich, wo Art. 1592 Code civil von „l’arbitrage d’un tiers“ spricht, als selbstverständlich unterstellt werden, dass die Kaufpreisbestimmung auch einem Gremium überlassen werden kann.2 Die Rechtsprechung hat diesen Punkt jedenfalls nie problematisiert, wenn mehrere Personen gemeinsam die Bestimmung vornehmen sollten.3 In den englischen Fällen scheinen Gremienentscheidungen geradezu den klassischen Fall der Bestimmung durch einen Dritten zu bilden. Häufig sind die Parteien übereingekommen, dass sie je einen Schiedsgutachter benennen würden und diese beiden dann, wenn sie sich nicht einigen können, einen Obmann bestimmen sollten, dem das Letztentscheidungsrecht zusteht.4 Wenn im Folgenden also grundsätzlich von einem Dritten die Rede ist, geschieht dies allein aus Gründen der Vereinfachung; das Gesagte lässt sich auf Gremienentscheidungen übertragen. Gesondert thematisiert werden muss allein das Problem der Entscheidungsfindung in Gremien, das sich bei einem Einzelschiedsgutachter naturgemäß nicht stellt.5

1  Dies gilt genauso im Erbrecht, siehe z.B. RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 6; RG v. 16.3.1925 RGZ 110, 271 (Mehrheit von Mitgliedern der Erbengemeinschaft kann den freihändigen Verkauf eines Grundstücks beschließen). 2  Guillouard, Vente, Nr. 99 m.w.N.; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 134. Dem Gesetzgeber des Code civil waren derartige Gremienentscheidungen noch suspekt gewesen, siehe den Discours von Grenier vor dem Tribunat in der Sitzung des Corps Législatif vom 6. März 1804 (15. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 234, der eine Beschränkung des Bestimmungsrechts in Art. 1592 Code civil auf eine Einzelperson forderte. 3  Siehe z.B. Cass. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23. 4  Siehe als frühes Beispiel Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574 = 14 Ves. 400. 5  Dazu unten § 12 (S. 594 ff.).

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

II. Gestaltende Schiedsgutachten und feststellende Schiedsgutachten Eine zweite Vorbemerkung betrifft die Frage, wie die Tätigkeit des Dritten zu bezeichnen ist. Dies soll zunächst mit Blick auf das Schuldrecht erläutert werden, um sodann zu sehen, dass im Erbrecht keine andere Terminologie erforderlich ist. Wer sich über die Regeln der Leistungsbestimmung durch Dritte i.S.d. § 317 BGB im deutschen Recht informieren will, stößt unweigerlich auf den Begriff des Schiedsgutachtens. Dieser Begriff wird auch in dieser Untersuchung zentral sein. Doch gerade zum Schiedsgutachten wird eine „verwirrende Begriffsvielfalt“6 beklagt. Dieser Verwirrung ist mit einigen Hinweisen zur Terminologie und zur Fallgruppenbildung zu begegnen, um zu erklären, wie der Begriff im Folgenden verwendet wird. Zur Strukturierung der Diskussion kann an eine Typologie von Schiedsgutachtenverträgen angeknüpft werden, die bereits das Reichsgericht geprägt hat.7 Danach lassen sich die verschiedenen Fälle auf die folgenden zwei Typen von Schiedsgutachten zurückführen:8 (i) Die Parteien eines Vertrages ermächtigen einen Dritten, rechtsgestaltend auf ihr Schuldverhältnis einzuwirken. Aufgabe des Dritten kann es sein, ein bewusst lückenhaftes Schuldverhältnis zu ergänzen oder ein zwar vollständiges, aber aufgrund geänderter Umstände nicht mehr den Parteiinteressen entsprechendes Schuldverhältnis anzupassen.9 Es ist dieser Fall, den § 317 BGB als Leistungsbestimmung durch einen Dritten bezeichnet.10  6 

Volmer, BB 1984, 1010. RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60.  8  Siehe z.B. Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 28 ff.; Habscheid, FS Lehmann, S. 810; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 Fn. 14 (§ 6 II b); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Greger/ Stubbe, Rn. 87 ff., 129 ff.; Dütz, S. 251; Kornblum, S. 97; Wittmann, S. 10 f., 42 ff., 136; Sieg, VersR 1965, 629; Volmer, BB 1984, 1010, 1011; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 149 ff.; Bulla, BB 1976, 389 ff.; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1927; Sachse, ZZP 54 (1929) 409, 428; Baumgärtel, S. 251 f., 256; B. Rauscher, BB 1974, 629. Einen vierten Typ erblickt Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 317 Rn. 32 in den „Sachverständigengutachten“, bei denen ein Sachverständiger „Tatsachen festzustellen oder Unterlagen zu beschaffen [hat], aufgrund derer die Parteien ihre Vertragsleistung bestimmen können“. Doch bestehe zu den rechtsklärenden und ‑feststellenden Gutachten nur ein „gradueller Unterschied“. Es ist richtig, dass den von Gottwald umschriebenen Fälle praktisch wohl die größte Bedeutung zukommt. Phänomenologisch unterscheiden sie sich jedoch nicht von der sogleich zu erläuternden zweiten Gruppe.  9  Das in Fn. 7 zitierte Urteil des Reichsgerichts befasste sich nur mit der Ergänzung, nicht mit der Anpassung. Beide Fälle stehen jedoch hinsichtlich der Aufgabe des Dritten auf einer Stufe. Sie werden mithin ganz allgemein im Schrifttum zu einem Typus zusammengefasst, vgl. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; differenzierend aber Wittmann, S. 13 ff., 33 ff.; Eckelt, S. 30 ff. (nur der Anpassung eigne der Bruch des Vertrauens einer Partei in eine bestehende Regelung). 10  Streng genommen meint § 317 BGB ausdrücklich sogar nur die Ergänzung und  7 

A. Drei terminologische Vorbemerkungen

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(ii) Nicht ausdrücklich im BGB angesprochen ist der zweite Typus. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen ein Dritter entweder dazu ermächtigt wird, den Vertragsinhalt, der zwar objektiv bestimmt ist und feststeht, den Parteien aber mangels eigener Sachkunde nicht zugänglich ist, klarzustellen oder einzelne für einen bestimmten Anspruch oder eine Leistungsbestimmung mittelbar relevante Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale festzustellen. Eine weitere Differenzierung innerhalb dieses zweiten Typus ist entbehrlich.11 Zwar hatte das Reichsgericht noch die Klarstellung des Vertragsinhalts und die Feststellung von Tatsachen oder Tatbestandsmerkmalen getrennt aufgeführt. In Wahrheit geht es aber immer darum, den Inhalt einer Leistungspflicht oder eines Rechtsverhältnisses herauszuarbeiten. Stets wird der Dritte nicht gestaltend, sondern feststellend tätig.

Dieser zweite Typus wird häufig als „Schiedsgutachten im engeren Sinne“12, als „echtes“13 oder als „eigentliches“14 Schiedsgutachten, bezeichnet. Hinter dem Kompositum „Schieds-Gutachten“ steht die Vorstellung, dass zum einen eine Feststellung Ergebnis einer Begutachtung ist und dass zum anderen diese Feststellung einen Streit der Parteien über die festgestellte Tatsache verhindert oder bereinigt. Für den ersten Typus wird demgegenüber verbreitet die Bezeichnung „Schiedsgutachten im weiteren Sinne“ verwendet;15 ebenso ist von „unechten“ oder „uneigentlichen“16 Schiedsgutachten die Rede. Der Zusatz „im weiteren Sinne“ soll offenbar zum Ausdruck bringen, dass die bindende Tatsachenfeststellung der Grundfall des Schiedsgutachtens ist und es bei der Gestaltung um eine Tätigkeit geht, die über eine reine Begutachtung hinausgeht. Zum Teil wird sogar die Ansicht vertreten, beide Typen seien so grundverschieden, dass die gestaltenden Drittentscheidungen überhaupt nicht als Schiedsgutachten bezeichnet werden sollten.17 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Unterscheidung beider Aufgabenstellungen für den Dritten in der Theorie einfacher zu vollnicht auch die Anpassung eines Vertrages. Zur Sichtweise des Gesetzgebers noch unten § 2 B.II.2.a) (S. 47 f.). 11  So auch z.B. Wittmann, S. 42 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 31; Volmer, BB 1984, 1010, 1011. Anders aber Kornblum, S. 102 Fn. 140, 144, der eine größere Nähe der rechtsklärenden Gutachten zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen annimmt, allerdings auf der Grundlage seiner Ansicht, dass auch der leistungsbestimmende Dritte letztlich keinen Gestaltungsspielraum habe, sondern nur den einzig billigen Leistungsinhalt aufkläre (dazu ausführlich unten § 2 B.II.4.b) [S. 67 ff.]). 12  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 32; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 3; Greger, SchiedsVZ 2006, 219; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/4. 13  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Kornblum, S. 105. 14  B. Rauscher, S. 24, 31 und öfter; Volmer, BB 1984, 1010, 1011 ff.; Nicklisch, FS Bülow, S. 169. 15  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 29; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 3; Greger, SchiedsVZ 2006, 319; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/4. 16  Volmer, BB 1984, 1010, 1011 ff. 17  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 11; PWW/Medicus/M. Stürner, § 317 Rn. 4; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 299 (§ 12 IV 3); B. Rauscher, S. 281; Joussen, S. 60; Jonas, JW 1937, 221, 222; Habscheid, FS Lehmann II, S. 810 (der den ersten Typus als „Rechts-

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

ziehen ist als in der Praxis. Tatsächlich ist die Tätigkeit eines Dritten, der Vergleichsmieten ermittelt, um sodann einen neuen Mietzins gestaltend festzusetzen, nicht grundlegend verschieden von der Tätigkeit eines Dritten, der anhand vergleichbarer Mietobjekte die ortsübliche Miete festzustellen hat.18 In beiden Situationen wird zumeist ein Sachverständiger, ein „Gutachter“, eingeschaltet. Die terminologische Nähe bringt die Verwandtschaft zwischen beiden Typen zum Ausdruck, sie ist also eher nützlich als schädlich. Allerdings sind die Zusätze „im weiteren Sinne“ und „im engeren Sinne“ wenig aussagekräftig. Vorzugswürdig ist es daher, ein Attribut hinzuzufügen, das die Tätigkeit oder die Aufgabe des Dritten präzisiert und somit die Ergänzung und Anpassung eines Schuldverhältnisses als gestaltendes (oder rechtsgestaltendes) Schiedsgutachten, die Klarstellung und Feststellung von Tatsachen oder Tatbestandsmerkmalen als feststellendes Schiedsgutachten zu bezeichnen.19 Wenn nun mit gestaltenden Schiedsgutachten die leistungsbestimmende (ergänzende oder anpassende) Tätigkeit eines Dritten erfasst ist, bleibt die Frage, ob dieser Begriff alle Fälle einer Leistungsbestimmung durch einen Dritten i.S.v. § 317 BGB erfasst oder ob daneben eine weitere Kategorie rechtsgestaltender Tätigkeit eines Dritten verbleibt. 20 Dafür könnte sprechen, dass möglicherweise nicht jeder bestimmungsberechtigte Dritte – vor allem im privaten Kontext – sich als „Gutachter“ sieht.21 Auch mag es durchaus kritisch gesehen werden, wenn ein im Gesetz geregelter Sachverhalt nicht mit der vom Gesetzgeber verwendeten Terminologie bezeichnet wird. Doch ist es trotzdem vorzuziehen, alle Fälle der gestaltenden Leistungsbestimmung durch einen Dritten als gestaltendes Schiedsgutachten zu bezeichnen. 22 Denn es lässt sich kaum ein handhabbares Kriterium dafür finden, wann die Aufgabe des Dritten als Begutachtung zu verstehen ist und wann nicht. Der Beruf oder das Selbstverständnis des Dritten als Sachverständiger ist für die Charakterisierung seiner Tätigkeit nicht entscheidend; eine „gewisse Sachkunde“ erfordert jede Leistungsbestimmung.23 Letztlich hat jeder Bestimmung eine Ermittlung und Einschätzung des Sachverhalts vorauszugehen, wenn auch je nach Aufgabenstellung in unterschiedligestaltung durch einen Dritten“ bezeichnen will); ders., FS Laufke, S. 311; ders., KTS 1957, 129, 131; A. Bachmann, S. 30 f. 18  Beispiel bei Wittmann, S. 137; näher unten § 2 B.II.4.a) (S. 65 ff.). 19  Diese Terminologie verwenden auch z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20; Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 53; Greger/Stubbe, Rn. 86 und öfter; Sieg, VersR 1965, 629, 630 (der den Begriff „Schiedsgutachten“ freilich insgesamt für „farblos“ hält); Nicklisch, FS Bülow, S. 175; Wittmann, S. 13 ff. (mit weiterer Differenzierung zwischen vertragsergänzenden und rechtsabändernden Schiedsgutachten). 20  Für eine Differenzierung: Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 28; Habscheid, KTS 1957, 129, 131; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 248 (§ 14 III 2) (Dritter fungiere „in aller Regel“ als Schiedsgutachter); wohl auch RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60. 21  Habscheid, KTS 1957, 129, 131. 22  So offenbar auch ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 (§ 6 II b); Gelhaar, DB 1968, 743. 23  So die Kriterien bei Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 28.

A. Drei terminologische Vorbemerkungen

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chem Umfang und mit unterschiedlichen Anforderungen an Fachkenntnisse. Es ist kaum vorstellbar, dass Parteien in ganz einfachen Fällen, die einem Bestimmungsberechtigten keinerlei Sachkunde abverlangen, einen Dritten zur Leistungsbestimmung einschalten. 24 Dass diese terminologische Annäherung auch in der Sache gerechtfertigt ist, wird die weitere Untersuchung zeigen. 25 Der Terminus „Schiedsgutachten“ ist im Erbrecht ebenfalls geläufig. Er wird dort meist im Zusammenhang mit feststellenden Entscheidungen Dritter verwendet, beispielsweise wenn ein Dritter den Eintritt einer vom Erblasser vorgesehenen Bedingung feststellen soll. 26 Diese Konzentration dürfte mit der Beschränkung von Gestaltungsentscheidungen durch § 2065 BGB zusammenhängen, nicht aber mit einer grundsätzlich anderen Begrifflichkeit. Denn soweit Gestaltungsentscheidungen Dritter zugelassen sind, wie etwa bei der Erbauseinandersetzung durch einen Dritten (§ 2048 S. 2 BGB), können auch diese als Schiedsgutachten bezeichnet werden. Auch im Erbrecht gibt es somit gestaltende und feststellende Schiedsgutachten: Erstere ergänzen ein Testament; Letztere treffen für die Umsetzung des – eigentlich vollständig gebildeten – Erblasserwillens erhebliche Feststellungen.

III. Schiedsgutachtenvertrag und Schiedsgutachtervertrag Aus terminologischer Sicht ist des Weiteren auf die Unterscheidung zwischen Schiedsgutachtenvereinbarung und Schiedsgutachtervereinbarung hinzuweisen:27 Als Schiedsgutachtenvertrag (‑vereinbarung, ‑abrede, ‑klausel) wird der Vertrag bezeichnet, in dem die Parteien verabreden, ein Schiedsgutachten einholen zu wollen. Davon zu unterscheiden ist der Schiedsgutachtervertrag zwischen den Parteien des Schiedsgutachtenvertrags und dem zur Erstellung des Schiedsgutachtens vorgesehenen Dritten. 28 Diese Differenzierung ist 24 Vgl. Weismann, AcP 72 (1888), 269, 294 („Der Arbitrator ist immer ‚Sachverständiger‘“). 25  Siehe unten § 2 B. (S. 30 ff.); a.A. Habscheid, KTS 1957, 129, 131, der gerade eine Verwandtschaft von Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsverfahren und eine Unterscheidung von feststellendem Schiedsgutachten und Leistungsbestimmung durch einen Dritten terminologisch zum Ausdruck bringen will. 26  KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 12; Staudinger/ Otte, § 2065 Rn. 22 ff.; F. Wagner, S. 64 f. 27  Siehe nur Münch ­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 54; Greger/Stubbe, Rn. 102; ­Volmer, BB 1984, 1010, 1010 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 302 f. (§ 12 IV 7); Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1010. Dieselbe Differenzierung besteht im französischen Recht, Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 64; Cornu, RTD civ. 1980, 366 (der Schiedsgutachtenvertrag wird hier plastisch als „base de la mission conférée“ beschrieben). 28  Die Modalitäten des Abschlusses dieses Vertrages (beide Parteien gemeinsam, eine Partei für sich und als Vertreterin der anderen, nur eine Partei) müssen hier nicht vertieft wer-

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

wichtig, 29 da sich in beiden Verhältnissen ganz unterschiedliche Fragen stellen können und beide Verträge wie auch deren Unwirksamkeit unterschiedliche Rechtsfolgen haben.30 So wird es beispielsweise erforderlich sein herauszuarbeiten, auf welchem dieser Verträge die Bestimmungsbefugnis des Schiedsgutachters beruht.31 Im Erbrecht muss eine ähnliche Differenzierung gefunden werden. An die Stelle der Schiedsgutachtenvereinbarung tritt dort die Anordnung eines Schiedsgutachtens im Testament. Den Schiedsgutachter zum Tätigwerden verpflichten kann der Erblasser einseitig jedoch nicht; insofern ist auch im Erbrecht ein Vertrag erforderlich. Diesen kann entweder der Erblasser noch zu Lebzeiten selbst abschließen. Oder aber er gibt ein Angebot auf Abschluss eines Schiedsgutachtervertrages ab, das der Schiedsgutachter annimmt, wenn seine Person nach dem Erbfall feststeht. Falls diese beiden Wege versagen, bleibt nur die Möglichkeit, durch Testamentsgestaltung dafür zu sorgen, dass die Nachfolger einen Vertrag mit dem Schiedsgutachter schließen, soll dieser nicht ohne Vertrag tätig werden.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen I. Beispiele einer Delegation von Privatautonomie Zur Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes bietet es sich an, anhand von Beispielsfällen zu zeigen, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten einer Delegation von Privatautonomie sind. Eine systematisierende Schablone bietet dabei einmal die soeben vorgestellte terminologische Unterscheidung zwischen gestaltenden Schiedsgutachten auf der einen und feststellenden Schiedsgutachten auf der anderen Seite. Innerhalb dieser Typen kann weiter nach schuldrechtlichen und erbrechtlichen Fallgestaltungen differenziert werden.

den, siehe dazu nur BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 21; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 10; ausführlich B. Meyer, S. 51 ff. 29  Immer wieder finden sich Urteile, in denen die Schiedsgutachtenvereinbarung fälschlich als „Schiedsgutachtervertrag“ bezeichnet wird, siehe etwa BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191; BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60. 30  Zum Verhältnis beider Verträge vorerst B. Meyer, S. 42 ff. 31  Zu den insoweit unterschiedlichen Antworten des deutschen und des französischen Rechts siehe unten § 3 A.II.2. (S. 104 ff.).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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1. Gestaltende Schiedsgutachten a) Beispiele im Schuldrecht Zu den gestaltenden Leistungsbestimmungen durch einen Dritten zählen die Ergänzung eines unvollständig gebliebenen Parteiwillens wie auch die Anpassung eines vollständigen Schuldverhältnisses an geänderte Gegebenheiten.

aa) Ergänzung eines Vertrages Zwar bescheinigen manche Autoren der Drittleistungsbestimmung eine „nicht gering einzuschätzende praktische Bedeutung“32. Auch der offizielle Kommentar des Draft Common Frame of Reference bezeichnet es als gängige Praxis im Wirtschaftsverkehr, die Preisbestimmung einem Dritten zu überlassen: „Using a variety of forms and types of clause, it is common practice in international con­tracts for the price or part of it to be fixed by a third person chosen by the parties.“33

Tatsächlich stellt es ein mühsames Unterfangen dar, überhaupt praktische Fälle zu finden, in denen die Parteien einen Vertrag schließen und die Bestimmung des Preises einem Dritten übertragen. Die folgenden Beispiele mögen einen Eindruck von möglichen Fallgestaltungen verschaffen: (1) Als Paradigma einer Leistungsbestimmung durch Dritte gilt immer wieder der Abschluss eines Kaufvertrages zu einem Preis, den ein Dritter bestimmen soll,34 etwa in folgender Variante: Käufer und Verkäufer eines wertvollen Gemäldes verlassen sich auf das Urteil eines anerkannten Experten, der ihnen den Kaufpreis vorgeben ­möge.35 Wer jedoch die Rechtsprechung zu den §§ 317 ff. BGB betrachtet, muss feststellen, dass derartige Gestaltungen praktisch kaum vorkommen; der BGH hält den Abschluss eines Kaufvertrages mit einem offenen, erst künftig vom Verkäufer zu bestimmenden Preis sogar für einen „in der allgemeinen Vertragspraxis ohnehin seltenen“ Fall.36 Eine alternative Erklärung für das Fehlen von Fallmaterial wäre es, wenn derlei Verträge in der Praxis so reibungslos funktionieren, dass sie die Gerichte nicht erreichen. Dies 32  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 6 (Hauptanwendungsfall des § 317 BGB sei allerdings das feststellende Schiedsgutachten, so Rn. 9). 33  v. Bar/Clive, Bd. I, S. 602. Die Formulierung dieser Passage wurde übernommen aus dem Kommentar zur Parallelnorm in den Principles of European Contract Law, vgl. Lando/ Beale, S. 311. Belege für diese Beobachtung werden nicht gegeben, als Beispiel wird vor allem auf Bauverträge nach den FIDIC-Bedingungen hingewiesen (zu diesen Weick, FS Coing II, S. 548 f.; Nicklisch, FS Habscheid, S. 217 ff.). 34  Vgl. etwa Habscheid, FS Lehmann II, S. 789 (ohne Rechtsprechungszitate, sondern nur mit Verweis auf Art. 1592 Code civil); W. Witz, S. 9; Gelhaar, DB 1968, 743; von B. Rauscher, S. 55 sogar als häufigster Fall des gestaltenden Schiedsgutachtens bezeichnet. Deutlich anders jedoch Pinckernelle, S. 14: „Unmittelbare Bestimmung einer Leistung nach §§ 317 ff. BGB ist höchst selten.“ 35  So das Beispiel im Official Comment Nr. 4 zu § 2‑305 des Uniform Commercial Code und im Comment A zu Art. II.‑9:106 DCFR; Prager, ZBH 1932, 157, 158. 36  BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1603; Triebel, S. 133.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

dürfte aber wegen der meist gegenläufigen Interessen von Käufer und Verkäufer hinsichtlich der Höhe des Kaufpreises kaum anzunehmen sein. Eher plausibel scheint die Annahme, dass Parteien sich lieber vor Abschluss eines Kaufvertrages mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens Klarheit über den zu erwartenden Preis verschaffen und auf dieser Grundlage kontrahieren. Einer der seltenen Ausnahmefälle37 betrifft deshalb eine Situation, in der sich die Preisbestimmung auf ein Ankaufsrecht für ein Grundstück beziehen sollte, dessen Ausübung erst viele Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages zu erwarten war, so dass eine Schätzung vor Vertragsschluss nichts gebracht hätte und die Unsicherheit über den Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Ankaufsfalls mit dem Leistungsbestimmungsrecht kompensiert wurde. 38 Sofern hingegen die Parteien eines Kaufvertrags sich auf den „Verkehrswert“ als Kaufpreis für ein Grundstück geeinigt haben und nun einen Dritten damit betrauen, diesen zu bestimmen,39 handelt es sich schon nicht mehr um ein gestaltendes Schiedsgutachten: Der Kaufpreis wurde bereits von den Parteien vereinbart; Aufgabe des Dritten ist es nur noch, eine noch im Dunkeln liegende Tatsache, nämlich den ortsüblichen Verkehrswert, zu ermitteln.40 (2) Andere Fälle, in denen sich die Parteien wegen Ungewissheiten hinsichtlich einer erst in der Zukunft zu erbringenden Leistung der Entscheidung eines Dritten unterstellen,41 betreffen die Bestimmung der Höhe einer für den Fall der Beendigung eines Pachtvertrages vereinbarten Entschädigung für „bauliche und sonstige, den Betrieb fördernde Maßnahmen“42 sowie die Bestimmung des Umfangs von Grundstücken43,

37  Siehe noch RG v. 16.4.1913 Warn 1913 Nr. 356 (Kaufpreisbestimmung durch eine fünfköpfige Kommission, jedoch wird leider nicht der Kaufgegenstand, sondern nur die Vereinbarung einer Obergrenze für den Kaufpreis von 235.000 Mark mitgeteilt). 38  So (vereinfacht) der Sachverhalt in BGH v. 28.9.1964 WM 1964, 1208. 39  Siehe das Beispiel in Dürkes, Rn. J 55 ff. sowie BGH v. 15.4.1994 NJW 1994, 2899 (Kaufpreis für ein Grundstück soll 7/10 des von einem Gutachter zu ermittelnden Grundstückswerts betragen); BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698 (der für ein Recht zum Ankauf eines Grundstücks vereinbarte Preis von 350.000 DM sollte sich um den Betrag erhöhen oder vermindern, um den sich der – von einem Sachverständigen festzustellende – Verkehrswert des Grundstücks bis zur Ausübung des Ankaufsrechts verändert); BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174 (Parteien eines Grundstückskaufvertrags einigten sich auf Mindestpreis und überließen die endgültige Festsetzung des Kaufpreises im Hinblick auf ein laufendes Bebauungsplanverfahren einem Sachverständigen, der dazu den Verkehrswert des Grundstücks zu ermitteln habe); OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079 (Verkehrswert als Kaufpreis bei Ausübung eines Ankaufsrechts durch Schiedsgutachter zu ermitteln). 40  So auch Habscheid, FS Lehmann II, S. 794. 41  Generell zu diesem Motiv Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 247 (§ 14 III 2). 42  BGH v. 8.6.1988 NJW-RR 1988, 1405 (vom BGH als feststellendes Schiedsgutachten behandelt – zu Unrecht, Greger, SchiedsVZ 2006, 219). 43  Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.6.1996 DNotZ 1997, 162: Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte unter bestimmten Voraussetzungen ein Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz der Gesellschaft an einen der Gesellschafter übertragen werden. Den Umfang des Anteils sollte ein Dritter nach einer dafür näher spezifizierten Berechnungsweise bestimmen. Aufgrund der Vorgabe einer konkreten Berechnungsweise hätte es näher gelegen, ein feststellendes Schiedsgutachten anzunehmen. Das OLG Düsseldorf ging jedoch von einem vertragsergänzenden Gutachten aus und hielt auch die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung dieses schuldrechtlichen Anspruchs für möglich. Siehe auch: BGH v. 22.6.1973 WM 1973,

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Erbbaurechten oder Grundstücksteilen. Hier bezieht sich die Bestimmungserklärung nicht auf den Preis, sondern auf den Kaufgegenstand.44 (3) Ebenfalls der Tatsache, dass eine bindende Vereinbarung über eine erst zukünftig feststellbare Leistung geschlossen werden muss, sind Klauseln geschuldet, die die Festsetzung der Höhe einer Vertragsstrafe einem Dritten zuweisen.45 (4) Das Interesse, von der Sachkunde und Neutralität eines Dritten zu profitieren, bewegt die Parteien eines vorzeitig beendeten Intendantenvertrages dazu, die Höhe der Vergütung für die Restlaufzeit des Vertrags von einem Dritten bestimmen zu lassen.46 (5) Dasselbe Interesse motiviert die beiden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft zu einem Vergleich über die Liquidation der Gesellschaft mit Hilfe eines Dritten, der die Sachwerte unter Berücksichtigung der Bilanzwerte zu gleichen Teilen endgültig aufteilen soll.47 (6) Sachkunde und Neutralität des Dritten geben auch den Ausschlag für Parteien eines Werkvertrages über die Erstellung von Kosten‑ und Finanzierungsplänen, die Höhe des Werklohns von einem Sachverständigen bestimmen zu lassen.48 (7) Aufgrund des großen Zeitdrucks verschieben der Kapitän des zu bergenden Schiffes und der Inhaber des bergenden Schiffes die Festsetzung des Bergelohns, indem sie diese einer Sachverständigenkommission übertragen.49 (8) Einem Interesse nach einer gewissen Standardisierung dient es, wenn nach den „Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse“ die Höhe der Vergütung für die Nutzung eines privaten Gleisstücks zur Verbindung des eigenen Abstellgleises mit dem

999: Der Inhaber von Grundstücken mit Wasserkraftanlagen und Inhaber einer Berechtigung zum Ausbau und zur Nutzung der Wasserkraft verpflichtete sich, einem Stromerzeugungsunternehmen ein Erbbaurecht „auf den nach herzustellenden Plänen zur Ausführung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage erforderlichen Grundstücken“ einzuräumen. Der BGH hielt die Vereinbarung nicht für zu unbestimmt, da ein Vertragspartner oder ein Dritter in der Lage sei, die Grundstücke genau zu bezeichnen und damit den Leistungsinhalt zu bestimmen. Ferner BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394: Ein notariell beurkundeter „Träger-Bewerber-Vertrag“ sollte als Vorvertrag für den eigentlichen Grundstückskaufvertrag zwischen dem Bauträger und dem Eigenheimbewerber dienen, ließ aber noch offen, welches der vier in Betracht kommenden Grundstücke übertragen werden sollte und wie die Grundstücke umgrenzt seien. Dem Gericht genügte die Möglichkeit einer Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, um die Wirksamkeit des Vorvertrags zu bejahen. Zur Problematik von Leistungsbestimmungsrechten im Bereich des § 311b Abs. 1 BGB siehe ausführlich unten § 4 C.III. (S. 221 ff.). 44  Derartige Bestimmungsrechte werden in der Regel einer der Parteien eingeräumt. Es finden sich jedoch auch Fälle, in denen ein Dritter bestimmungsberechtigt ist (RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f.); die Rechtsprechung sieht in diesen Konstellationen keinen grundlegenden Unterschied zwischen einer Parteileistungsbestimmung und einer Drittleistungsbestimmung (BGH v. 7.2.1986 BGHZ 97, 147, 154; BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845; BGH v. 27.4.1979 WM 1979, 861, 862; BGH v. 7.4.1978 BGHZ 71, 276, 280; BGH v. 20.12.1974 BGHZ 63, 359, 364; BGH v. 22.6.1973 WM 1973, 999, 1000; BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394; OGH v. 23.11.1949 NJW 1950, 463; RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 [1913], 948 [Nr. 60]). 45  Siehe dazu unten § 4 E.III.3.c) (S. 281 f.). 46  Siehe BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388. 47  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 48  Siehe den Sachverhalt in BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281. 49  Vgl. ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4 Nr. 88.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Gleisnetz der (damaligen) Deutschen Bundesbahn von der zuständigen Industrie‑ und Handelskammer festzulegen ist.50

Ein erhöhter Bedarf danach, die Bestimmung des konkreten Inhalts der Leistungspflicht aufzuschieben, wird bei sog. „komplexen Langzeitverträgen“ gesehen, in denen die Parteien nicht im Voraus alle Details regeln können.51 Als Mittel der Vertragsgestaltung kommt gerade hier eine Delegation der Konkretisierung an einen Dritten in Betracht.

bb) Änderung und Anpassung des Vertragsinhalts In vielen Verträgen mit einer langen Laufzeit findet sich eine Klausel, die etwa folgenden Inhalt hat: „Sollten sich die Lebenshaltungskosten gegenüber dem Stande bei Vertragsschluß  – maßgebend ist der zuletzt im Bundesanzeiger veröffentlichte Lebenshaltungskostenindex, bezogen auf 1962 – um mehr als 10 % nach oben oder unten ändern, so können beide Parteien Verhandlungen über eine künftige Neufestsetzung des Erbbauzinses verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, soll verbindlich für beide Teile ein von der Industrie‑ und Handelskammer München zu benennender Sachverständiger gemäß §§ 317 ff BGB darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe eine künftige Neufestsetzung des Erbbauzinses veranlaßt ist.“52

Der sachverständige Dritte soll in diesen Fällen die Höhe einer vertraglichen Leistungspflicht, meist handelt es sich um die Verpflichtung zur Gegenleistung in Geld, an geänderte Verhältnisse anpassen53, da die ursprünglich vereinbarte Höhe nicht mehr angemessen erscheint. Funktional handelt es sich um eine Klausel zur Wertsicherung: Eine Geldsummenforderung wird gegen den Geldwertverlust abgesichert.54 Bezeichnet wird diese Gestaltung meist als „Leistungsvorbehalt“55. Treffender wäre jedoch der seltener verwendete Begriff 50 

BGH v. 21.12.1977 NJW 1978, 631. Nicklisch, S. 19 f.; Horn, S. 19 f. mit Beispielen; Weick, FS Coing II, S. 544, 547; Busseuil, S. 673; Unberath, Long-Term Contracts, S. 142; Kröll, S. 1 f. m.w.N. 52  Klausel aus BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280. Weitere Beispiele in: BGH v. 1.3.1996 NJW 1996, 1748; BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452; BGH v. 3.2.1995 NJW 1995, 1360; BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761; BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74, 341; BGH v. 6.10.1978 WM 1979, 163; BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556; BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47 (Erbbaurechtsverträge); BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; BGH v. 17.5.1967 BGHZ 48, 25; OLG Celle v. 6.1.1966 BB 1966, 802 (Pachtverträge); BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628; BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314; OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338; OLG Celle v. 23.11.1972 MDR 1973, 314 (Mietverträge); RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201 (Literpreis für Milchlieferungen an eine Molkereigenossenschaft). 53  Je nachdem, ob der Dritte die ursprünglichen Äquivalenzvorstellungen der Parteien zu berücksichtigen hat, lässt sich seine Tätigkeit als „Anpassung“ oder als „Neufestsetzung“ bezeichnen. Zu dieser Differenzierung BGH v. 4.6.1975 NJW 1975, 1557; OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 339. 54  Zur Funktion von Wertsicherungsklauseln Kirchhoff, DNotZ 2007, 11, 13. 55  Siehe z.B. HKK/Dorn, §§ 244, 245 Rn. 59; Kirchhoff, DNotZ 2007, 11, 15. 51 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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„Leistungsbestimmungsvorbehalt“, denn es geht nicht darum, dass sich eine Partei vorbehält, ob sie überhaupt ihre Leistung erbringen möchte.56 Klauseln dieser Art erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit, wenn die Parteien eine Wertsicherung wünschen. Derartige Klauseln wahren ein gewisses Maß an Flexibilität, ohne zwangsläufig zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen zu müssen, wenn eine einvernehmliche Anpassung an der fehlenden Kooperationsbereitschaft einer Partei scheitert. Eine einerseits alternativ in Erwägung zu ziehende reine Vereinbarung einer Neuverhandlungspflicht wäre mit dem Nachteil belastet, dass gegenüber einer einigungsunwilligen Partei nur die Einschaltung des Gerichts als Ausweg verbleibt.57 Die andererseits als Gestaltungsinstrument zur Auswahl stehende Koppelung an einen oder mehrere Vergleichsparameter ist gerade bei lang laufenden Verträgen mit Unwägbarkeiten belastet, da die Vertragspartner die Entwicklung des Bezugsmaß­ stabs, für den sie sich entschieden haben, schwer vorhersehen können.58 Vor allem aber unterliegen derartige „automatische“ Wertsicherungsklauseln anders als Leistungsbestimmungsvorbehalte nach § 1 Abs. 1 PrKlG59 im Interesse der Preisstabilität60 einem grundsätzlichen Verbot, sofern darin der Betrag einer Geldschuld „unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt [wird], die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind“. Nicht verboten sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PrKlG demgegenüber „Leistungsvorbehaltsklauseln“:61 Charakteristisch für derartige Klauseln ist nach der Legaldefinition, dass „hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages ein Ermessensspielraum verbleibt, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen“. Zwar kann der Tatbestand, der die Anpassung auslöst, starr an einen Index oder den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne62 gekop56  So

auch Dürkes, Rn. D 201; Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 253. Kronke, AcP 183 (1983), 113, 119 spricht vom „Leistungsneubestimmungsvorbehalt“. 57 Vgl. Kronke, AcP 183 (1983), 113, 120. 58  Zu diesem Problem Gernhuber; Schuldverhältnis, S. 643 (§ 28 I 2); Kirchhoff, DNotZ 2007, 11, 13. 59  Früher § 2 PaPkG bzw. § 3 S. 2 WährG. 60 Zum Schutzgut des § 2 PaPkG vgl. etwa Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166 f.; zu Zweifeln an dem Indexierungsverbot siehe die Nachw. bei HKK/Dorn, §§ 244, 245 Rn. 66 Fn. 246 f., zu seiner Geschichte ebenda Rn. 56 ff. 61  Unter § 3 S. 2 WährG fehlte es an dieser ausdrücklichen Ausnahme, die aber in der Sache ebenfalls anerkannt war, siehe nur die Nachweise bei Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 253 ff.; Dürkes, Rn. B 27 ff. – Ebenfalls ausgenommen sind in § 4 PrKlG Preisklauseln in Erbbaurechtsbestellungsverträgen und Erbbauzinsreallasten mit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren, so dass in einem wichtigen Fall lang laufender Verträge der Nachteil der Genehmigungspflicht für starre Wertsicherungsklauseln entfallen ist. Es bleibt der Vorteil der Flexibilität des Leistungsbestimmungsvorbehalts. 62  So etwa in BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452 (alle zehn Jahre); BGH v. 3.2.1995 NJW 1995, 1360; OLG Celle v. 6.1.1966 BB 1966, 802 (alle fünf Jahre). Skeptisch zu Anpassungs-

36

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

pelt sein, was Gernhuber63 in Anlehnung an den verhaltenen Anspruch von einer „verhaltenen Änderung“ sprechen lässt. Doch verbleibt auf Rechtsfolgenseite ein – unter Umständen sehr schmales64 – Ermessen. Die Anpassung tritt also gerade nicht „unmittelbar und selbsttätig“ ein.65 Der Leistungsbestimmungsvorbehalt antizipiert also in Verträgen mit langer Laufzeit die Notwendigkeit einer Anpassung des Äquivalenzverhältnisses an geänderte Umstände und schafft dafür einen Regelungsmechanismus, der wesentlich konkreter und leichter zu handhaben ist als die Geschäftsgrundlagenänderung nach § 313 BGB.66 In einem Leistungsbestimmungsvorbehalt kann die Bestimmungsbefugnis auf den Geldgläubiger übertragen werden, für den dann § 315 BGB gilt. Häufiger67 und vorzugswürdig68 ist aber wohl die Übertragung auf einen Dritten, von dem sich die Parteien Neutralität und Sachkunde erhoffen. Auf diese Übertragung werden von einer ganz herrschenden Ansicht die §§ 317 ff. BGB angewendet.69 Wie bei der Ergänzung des Parteiwillens durch eine Leistungsbestimmung greift auch hier ein Dritter rechtsgestaltend in die Beziehungen der Parteien ein.70 Zum Teil heißt es jedoch, diese Normen könnten nur analog angewendet werden, da Ergänzung und Anpassung „unverkennbar verschiedene Dinge“ seien.71 Anders als in dem von § 317 BGB ins Auge gefassten Fall sei das Schuldverhältnis zu keiner Zeit unbestimmt, sondern nur „ungewiß für die Zukunft“: Vor der Änderung gelte das Vereinbarte, danach das neu Be­stimmte.72 rechten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 646 (§ 28 II 2). 63  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 644 (§ 28 I 3). 64  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 646 (§ 28 II 3). 65  Zur Begriffsbestimmung und Abgrenzung Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 254 ff.; Dürkes, Rn. B 27 ff., D 200 ff.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 119 (noch zu § 3 S. 2 WährG); Kirchhoff, DNotZ 2007, 11, 15 f.; Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166, 3167; Morsch, BB 2004, 1803, 1804. Nachweise aus dem älteren Schrifttum bei v. Maydell, S. 376 Fn. 2. 66 Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 255. Die Nähe der Geschäftsgrundlage zur Änderung betonen auch Dütz, S. 267; v. Maydell, S. 375; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 121; generell für rechtsändernde Schiedsgutachten Habscheid, FS Lehmann II, S. 797. 67 Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 260. 68 Näher G. Bachmann, S. 396 f., 399 ff. m.w.N.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 642 ff. (§ 28 I); Unberath, Long-Term Contracts, S. 142. 69  Zur Rechtsprechung siehe die Nachweise oben in Fn. 52. Aus dem Schrifttum siehe nur Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 7, 30; Jauernig/Stadler, § 317 Rn. 5; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 Fn. 14 (§ 6 II b), S. 172 (§ 12 V); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657; Kröll, S. 140; Habscheid, FS Lehmann II, S. 795; J.F. Baur, S. 60; ders., FS Steindorff, S. 517; Lettl, JuS 2001, 144, 145; Horn, NJW 1985, 1118, 1121; Steindorff, BB 1983, 1127, 1128. 70  Habscheid, FS Lehmann II, S. 795. 71  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 644 (§ 28 II 5). 72  Zitat von Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 280 (§ 12 I 4); außerdem Kornblum, S. 102; Habscheid, KTS 1957, 129, 131. Dütz, S. 264 trennt beide Fälle und will die §§ 317 ff. BGB „jedenfalls sinngemäß“ auf das rechtsändernde Schiedsgutachten anwenden. Differenzierend auch Eckelt, S. 30 ff., 122, 131.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Diese Sichtweise reißt Verwandtes unnötig auseinander.73 Die Grenzen zwischen Vertragsergänzung und Vertragsanpassung lassen sich mit Hilfe einer „Halbautomatik“, die mit einer auflösenden Bedingung zum Wegfall der anpassungsbedürftigen Gegenleistung bei Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen führt, leicht verwischen.74 Die Bestimmung des Dritten kann nicht nur als einseitige unmittelbare Einwirkung auf ein bestehendes Schuldverhältnis gedeutet werden; danach ginge es tatsächlich nicht darum, die Unbestimmtheit eines Schuldverhältnisses zu beseitigen.75 Genauso würde es einleuchten, die Tätigkeit des Dritten als Bestimmung des Inhalts eines noch lückenhaften Anpassungsvertrages, den ansonsten die Parteien selbst hätten schließen müssen und der dann seinerseits in das bestehende Schuldverhältnis eingreift, zu verstehen.76 Selbst wenn man also daran festhalten wollte, dass sich die §§ 317 ff. BGB ausschließlich auf die Regelung unbestimmter Fragen beziehen,77 sollten die §§ 317 ff. BGB auf diese Änderung unmittelbar Anwendung finden.

cc) Gegenstand der Drittbestimmung: Nicht nur Leistungen Die §§ 315 ff. BGB sprechen von der Bestimmung der Leistung und meinen damit das Schuldverhältnis im engeren Sinne nach § 241 Abs. 1 BGB.78 Die vorgenannten Beispiele betrafen zumeist die Gegenleistung in Geld. Jedoch differenziert das BGB nicht nach der Art der Leistungspflicht. Insbesondere trifft es keine Sonderregel für die Bestimmung des Kaufpreises durch einen Dritten. Das römische Recht hatte demgegenüber noch nicht zu einer allgemeinen Regelung für die Festsetzung einer Leistungspflicht durch einen Dritten gefunden. Vielmehr bezogen sich Regeln über die Leistungsbestimmung durch einen Dritten jeweils nur auf einen bestimmten Geschäftstyp. Dabei ragt die Bestimmung des Kaufpreises durch einen Dritten heraus.79 Ausführlich angesprochen wird auch die Auseinandersetzung einer societas durch einen Dritten.80 Spätere Versuche, aus anderen Erwähnungen der Bestimmbarkeit des Leistungsinhalts bei negotia bonae fidei einen allgemeinen Grundsatz zu extrapolieren, haben zu dem Ergebnis geführt, dass außerhalb des Bereichs der Kaufpreisbestimmung ebenfalls eine Leistungsbestimmung durch einen Dritten zulässig gewesen sein 73  Teilweise wird deshalb ein weiter Begriff der Vertragsanpassung vertreten, der die Lückenfüllung einbezieht, Horn, S. 16 ff.; Maskow, S. 85. 74 Dazu Mittelbach, Rn. 167; Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D 261. 75  So die Sichtweise von Kornblum, S. 98 f. 76  Die ergänzungsbedürftige Lücke besteht also in dem Änderungsvertrag, nicht in dem Ursprungsvertrag; anders Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 613. 77  Dagegen Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 116. Zum historischen Kontext der §§ 315 ff. BGB, der diese Deutung freilich nahelegt, siehe unten § 2 B.II.2.a) (S. 47 f.). 78 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 131. 79  Vor allem C. 4,38,15; Inst. III,23,1; Gai. III,140. 80  D. 17,2,75 ff. Zu beiden Fällen noch unten § 4 C.I.2.b) (S. 196 ff.).

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

muss, die römischen Juristen diese Systematisierungsarbeit aber nicht geleistet haben.81 Den Äußerungen in den Quellen zur Kaufpreisbestimmung kommt eine Sonderstellung für die weitere Rechtsentwicklung zu: Wenn beispielsweise der französische Code civil in Art. 1592 Code civil eine spezielle Regel für die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten, aber keine allgemeine Norm über die Leistungsbestimmung durch einen Dritten enthält, wird darin dieses römische Erbe sichtbar.82 Auch Pandektenlehrbücher des 19. Jahrhunderts enthielten einerseits einen allgemeinen Abschnitt über die Bestimmbarkeit der Leistung, andererseits aber zur Kaufpreisbestimmung eigene – inhaltlich teilweise abweichende – Ausführungen.83 Ähnlich lässt sich in anderen europäischen Vertragsrechtsordnungen beobachten, dass die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten eine Sonderstellung einnimmt.84 Für eine derartige Sonderbehandlung gerade des Kaufpreises lässt sich kein überzeugender Grund finden.85 Spätestens seit der Klagbarkeit aller pacta hätte die Spezialregelung aufgegeben bzw. in eine allgemeine Vorschrift über die Leistungsbestimmung durch einen Dritten überführt werden können.86 Das Bestimmungsrecht kann sich überdies auf andere Pflichten als die Primärleistungspflichten und auf die Modalitäten der Leistung erstrecken.87 Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die essentialia negotii ist nichts ersichtlich. Wenn der Dritte die Leistungspflicht vollumfänglich regeln kann, so muss es ihm erst recht möglich sein, lediglich begleitende Nebenpflichten zu bestimmen. Dies gilt letztlich auch für gänzlich untergeordnete, nicht zu einer Nebenpflicht erhobene Modalitäten der Leistung wie der Stunde der Leistung, wenn der Tag feststeht, oder Details der Versendung. Es besteht kein Grund

81 

Fels, S. 56 ff. mit Quellennachweisen; Unterholzner, Bd. I, S. 219 (§ 106); vgl. auch Kaser, S. 490 (§ 115 II 3). 82  Dazu noch unten § 4 C.I.2.b) (S. 196 ff.). 83  Siehe etwa Windscheid/Kipp, Pandekten II, § 254 und § 386; Seuffert, Pandekten II, S. 67 f. (§ 258) und S. 191 (§ 322). 84  Kleinschmidt, Leistungsbestimmung, nachträgliche, in: HWBEuP, S. 1009. Siehe etwa § 1056 ABGB und die vom französischen Code civil beeinflussten Gesetzbücher Belgiens und Luxemburgs. 85  Zum Erfordernis eines pretium certum siehe noch unten § 4 C.I.2.b) (S. 198 ff.). 86  Auf diesen Zusammenhang stellt z.B. Fels, S. 65 ff., 91 ab. Siehe auch Arndts, S. 513 (§ 300 Anm. 3) und Seuffert, Pandekten II, S. 191 Fn. 9 (§ 322), für die ein Vertrag, der den Kaufpreis in das billige Ermessen eines beliebigen Dritten stellt (arbitrium boni viri) zwar nicht als emptio venditio, wohl aber als sonstigen bindenden Vertrag aufrechterhalten wollen. 87 RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 2; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 278 (§ 12 I 2 a); Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 251 (§ 15 I 1); H. Eckert, S. 10; v. Hoyningen-Huene, S. 55; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 451; für das Gemeine Recht ders., S. 93. Bezogen auf die Parteileistungsbestimmung, für die insoweit nichts anderes gelten kann, RG v. 22.9.1906 RGZ 64, 114; RG v. 14.11.1911 JW 1912, 73 (Leistungszeit und Höhe einzelner Raten); Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 315 Rn. 3, 23; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn.131 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 245 f. (§ 14 III); Poulakos, S. 46.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

39

dafür derlei Details aus dem Anwendungsbereich der §§ 315 ff. BGB auszunehmen.88 Praktisch vorkommen dürfte ein Bestimmungsrecht eines Dritten, das sich isoliert auf die Modalitäten der Leistung bezieht, wegen des damit verbundenen Aufwands wohl nie. Im Zusammenhang mit weiterreichenden Gestaltungsbefugnissen muss es dem Dritten jedoch auch möglich sein, alle Punkte mitzuregeln, über die statt seiner die Parteien eine Vereinbarung hätten treffen können.89 Gerade in Bereich der Vertragsanpassung zeigt sich schließlich, dass das Leistungsbestimmungsrecht nicht auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne beschränkt sein muss. Der Dritte kann auch das Schuldverhältnis im weiteren Sinne gestalten, etwa indem er die Voraussetzungen eines Kündigungsrechts90 oder das Äquivalenzverhältnis insgesamt an geänderte Umstände anpasst.91 Diese umfassendere Anpassungsbefugnis dürfte wiederum im Rahmen komplexer Langzeitverträge einen wesentlichen Anwendungsbereich finden, wenn die Parteien nicht jede zukünftige Entwicklung vorhersehen und in ihrem Vertragstext bedenken können, sondern stattdessen auf einen prozeduralen Lösungsansatz ausweichen und einen Anpassungsmechanismus für den Eintritt bestimmter vertragsimmanenter oder externer Ereignisse vorsehen.92 Verschiedentlich geäußerte Zweifel93 an den tatsächlichen Fähigkeiten von Gerichten und Schiedsgerichten zu einer komplexen Vertragsanpassung können für die Anpassung durch einen Schiedsgutachter sprechen.

b) Beispiele im Erbrecht Die wesentlichen Einsatzgebiete für ein gestaltendes Schiedsgutachten im Erbrecht werden von den §§ 2048 S. 2, 2151–2154, 2156, 2192 f., 2198 BGB umrissen. Es sind dies die Erbauseinandersetzung durch einen Dritten, die Befugnis eines Dritten zur Präzisierung des Empfängers oder des Gegenstands eines Vermächtnisses, entsprechende Befugnisse bei der Auflage sowie die Auswahl des Testamentsvollstreckers. Die Aussagen zum Gegenstand der Drittbestimmung gelten hier entsprechend: So ist etwa der Dritte beim Zweckvermächtnis 88  So aber zu § 315 BGB ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 f. (§ 6 II a); Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 223; dagegen Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 279 (§ 12 I 2). 89  Vgl. Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 135 f. 90  Beispiel nach Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 137. 91  Ein eigens zur Vertragsanpassung an geänderte Umstände geschaffenes Verfahren der ICC wurde jedoch kaum genutzt, so dass das 1979 dafür eingeführte Regelwerk inzwischen nicht mehr angewendet wird, dazu Bredow, S. 96 f.; Storme, Rev. dr. int. dr. comp. 62 (1985), 285, 296 ff.; Trost, ZVglRWiss 79 (1980), 290 ff.; Nicklisch, FS Habscheid, S. 230 f. 92  Horn, S. 9 ff.; ders., NJW 1985, 1118, 1123; Kröll, S. 2; Unberath, Long-Term Contracts, S. 138 ff. 93  G. Bachmann, S. 270 f.; Unberath, Long-Term Contracts, S. 144; Horn, S. 61 f.; Maskow, S. 96.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

des § 2156 BGB nicht auf eine Festsetzung der Primärleistung beschränkt.94 Wenn in dieser Aufzählung die Bestimmung des Erben durch einen Dritten fehlt, liegt dies an § 2065 Abs. 2 BGB, der ein gestaltendes Schiedsgutachten in diesem Punkt für die Kautelarjurisprudenz unattraktiv macht – ob zu Recht, wird noch zu klären sein.95 All diese Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass der Erblasser einen Dritten mit dem Ziel der Ergänzung seines letzten Willens einschaltet. Sofern sich Miterben darauf einigen, ein gestaltendes Schiedsgutachten einzuholen – beispielsweise zur Konkretisierung der den einzelnen Miterben zustehenden Nachlassgegenstände96 –, so spielt sich der Fall zwar in einem erbrechtlichen Kontext ab. Es geht aber um die Ergänzung eines Auseinandersetzungsvertrags unter Lebenden. Ihre Privatautonomie delegieren die Miterben, nicht der Erblasser.

2. Feststellende Schiedsgutachten a) Beispiele im Schuldrecht Mannigfaltig sind die Anwendungsfelder für feststellende Schiedsgutachten.97 In der Praxis dürfte hier der hauptsächliche Anwendungsbereich für Schiedsgutachten liegen.98 Selbst Fälle, die auf den ersten Blick nach einer Gestaltungsentscheidung des Dritten aussehen, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Feststellung. Hier sollen nur einige typische Situationen vorgestellt werden, die gleichzeitig die Bandbreite möglicher Einsatzbereiche illustrieren.99

94 Staudinger/Otte,

§ 2156 Rn. 3; Palandt/Weidlich, § 2156 Rn. 1; Erman/M. Schmidt, § 2156 Rn. 1; Kanzleiter, DNotZ 1992, 511, 513. 95  Siehe unten § 5 B. (S. 352 ff.). 96  RG v. 4.9.1940 DR 1941, 434. 97  Weismann, AcP 74 (1889), 422, 432: „Die Verwendung von Arbitratoren ist eine ungemein häufige und eine ungemein manichfaltige.“ 98  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 32; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 657. Feststellenden Schiedsgutachten wird, zumindest in einzelnen Branchen, eine wirtschaftliche Bedeutung zugemessen (B. Rauscher, S. 24 ff.; Volmer, BB 1984, 1010; anders aber Greger/ Stubbe, Rn. 16: nur in „bestimmten Spezialgebieten“). Empirische Anhaltspunkte über die Verbreitung liefern Nestler/Hammes/Breidenbach/Gläßer/Kirchhoff: Danach schalten die befragten Unternehmen einem Gerichtsverfahren zwar immer noch selten ein Schiedsgutachten, aber immerhin häufiger als einen Schlichtungsversuch oder eine Mediation vor. Als Vorteile des Schiedsgutachtens werden vor allem in der kurzen Verfahrensdauer, der Qualität des Ergebnisses und der Vertraulichkeit gesehen. Doch zeigen sich auch hier branchenspezifische Unterschiede. – Weitere mögliche Motive nennt B. Rauscher, S. 27 ff. m.w.N.: Schnelligkeit, mögliche Kostenersparnis, größeres Vertrauen in eine selbst ausgewählte Entscheidungsperson, Wunsch nach außergerichtlicher Konfliktlösung. 99  Siehe z.B. auch die Übersichten bei Lachmann, Rn. 75; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 2; Greger, ZKM 2013, 43, 44 f.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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(1) Die Parteien vereinbaren, dass ein „angemessener“ Kaufpreis geschuldet ist100 oder dass der Kaufpreis einem Schätzpreis101, dem „wahren Wert“102, dem „Verkehrswert“103 oder einem von ihnen festgelegten Bruchteil des Verkehrswerts104 entsprechen soll. (2) Häufig sind Klauseln in Unternehmenskaufverträgen, die einem Schiedsgutachter die Aufstellung oder Überprüfung einer Stichtagsbilanz oder die Ermittlung bestimmter Kennzahlen zum Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmens aufgeben. Aus der Abweichung des Schiedsgutachtens von der letzten Jahresbilanz errechnet sich mit Hilfe eines von den Parteien spezifizierten Mechanismus eine Kaufpreisanpassung.105 Relevant wird dies zum Beispiel, wenn zwischen dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrags (Signing) und dem tatsächlichen Übergang (Closing) noch ein längerer Zeitraum verstreicht, etwa weil noch kartellrechtliche Genehmigungen einzuholen sind.106 Als Schiedsgutachter wird hier häufig ein Wirtschaftsprüfer eingesetzt, der die dabei aufgeworfenen Bewertungsfragen sachkundig lösen kann.107 (3) Der Schiedsgutachter soll das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters ermitteln, beispielsweise durch Aufstellung einer Abschichtungsbilanz.108 (4) Zur Anpassung eines Mietvertrags soll der Dritte ein Schiedsgutachten über die „ortsübliche“109 oder die „angemessene“110 Miete oder zur Anpassung eines Erbbaurechtsvertrags über den Verkehrswert des Grundstücks erstellen. 100 

Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 212; Gelhaar, DB 1968, 743. 101  Einige Berühmtheit haben in diesem Zusammenhang die Schätzpreise der DAT (Deutsche Automobil Treuhand) erlangt, mit deren Hilfe Kfz-Händler den Einkauf‑ und Verkaufspreis gebrauchter Fahrzeuge ermitteln. Dazu Reinking/Eggert, Rn. 1205 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 7 f.; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868 ff. 102  Beispiel: BGH v. 20.11.1975 WM 1976, 251 (Schiedsgutachten, falls sich die Parteien nicht über den „wahren Wert“ eines verkauften Kommanditanteils einigen können). 103  Beispiele: BGH v. 14.10.1988 NJW 1989, 2129; OLG Rostock v. 26.5.2004 OLGR 2006, 2 (dort unzutreffend als „Leistungsbestimmung“ bezeichnet). 104  Beispiel: BGH v. 15.4.1994 NJW 1994, 2899 (Kaufpreis für ein bebautes Grundstück sollte 7/10 des von einem Schiedsgutachter zu bestimmenden Werts des Grundstücks betragen). 105  Zu diesem Komplex siehe die Beiträge von Sessler, S. 98 ff.; dies./Leimert, Arb. Int. 20 (2004), 151 ff.; Sachs, FS Schlosser, S. 805 ff.; Habersack/Tröger, DB 2009, 44 ff.; Triebel, S. 125 ff.; Bruski, BB-Special 7/2005, 19 ff.; Geyrhalter/Zirngibl, FS Spiegelberger, S. 668 f.; Witte/Mehrbrey, NZG 2006, 241 ff. (skeptisch hinsichtlich des praktischen Nutzens); Beispiel: BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775 (Ausgleichspflicht für ausstehende Steuer‑ und Sozialabgabenpflichten bei GmbH-Anteilskaufvertrag). 106  Sessler, S. 99; Habersack/Tröger, DB 2009, 44. 107  Sessler, S. 97; Geyrhalter/Zirngibl, FS Spiegelberger, S. 669. 108  Beispiele: BGH v. 7.6.2011 NJW-RR 2011, 1059 (Abfindungsguthaben bei Ausscheiden aus geschlossenem Fonds in der Rechtsform einer GbR); BGH v. 14.2.2005 NZG 2005, 394; BGH v. 24.9.1990 NJW-RR 1991, 228; BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191 (Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens eines ausscheidenden Kommanditisten); RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71; RG v. 31.3.1904 DJZ 1904, 554 (Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters einer oHG). 109  Beispiel: BGH v. 21.10.1964 NJW 1965, 150; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 14. 110  Beispiele: BGH v. 4.6.1975 NJW 1975, 1557; OLG Hamburg v. 22.6.1994 WuM 1995, 650.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

(5) Dem Schiedsgutachter wird die Entscheidung darüber übertragen, ob ein bestimmtes Ereignis, wie etwa ein Kündigungsfall, eingetreten ist.111 (6) Die Mangelhaftigkeit einer Ware112, eines Grundstücks113, einer Bauleistung114 oder (seltener)115 eines verkauften Unternehmens wird von einem Sachverständigen begutachtet. Aus dem von ihm festgestellten Minderwert berechnet sich der Minderungsbetrag. Dieser Fall wird auch als „Qualitätsarbitrage“ bezeichnet;116 als Bau­ stoffgutachten hat er in der VOB/B seinen Platz gefunden.117 Aus dem angelsächsischen Raum stammt die Tendenz, große Bauprojekte von einem Dritten begleiten zu lassen, der laufend Feststellungen über den Fortgang des Projekts trifft.118 (7) Ein Preisrichter soll darüber befinden, welche von mehreren Einsendungen zu einem Wettbewerb den Bedingungen am besten entspricht.119 Dieser Fall ist in § 661 Abs. 2 BGB ausdrücklich erfasst. Der Preisrichter agiert hier – entgegen der herrschenden Ansicht120 – als Schiedsgutachter, da er lediglich ein Tatbestandsmerkmal innerhalb eines vom Auslobenden begründeten Anspruchs konkretisiert. (8) Der Schiedsgutachter soll die Höhe eines eingetretenen Schadens oder die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs wie etwa Kausalität oder Verschulden feststellen.121

Dieser letzte Fall, den die Verfasser des VVG von 1908 bereits als eine „wohlbewährte Einrichtung“122 angesehen haben, hat im Versicherungsvertragsrecht 111  Beispiele: BGH v. 20.3.1953 BGHZ 9, 138 (Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines vertraglichen Kündigungsrechts); RG v. 28.11.1935 JW 1936, 820 (dito); RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190 (Feststellung, ob der nach Vertrag vorgesehene „zwingende Fall“ für die Veräußerung eines Grundstücks an die benachbarten Kaliwerke eingetreten ist). 112 Beispiele: BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB; OLG Köln v. 29.11.1996 NJW-RR 1997, 1412 (Funktionsfähigkeit von Software); OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378. 113  Beispiel: RG v. 10.12.1935 RGZ 150, 7 (Sachverständigenkommission soll Minderwert wegen Bewuchs mit giftigen Pflanzen feststellen). 114  Beispiel: BGH v. 24.11.2005 SchiedsVZ 2006, 217; Greger/Stubbe, Rn. 235 ff. (insgesamt eine eher geringe Verbreitung feststellend); Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 115  Dann meist als Verletzung bestimmter Garantien im Unternehmenskaufvertrag, dazu Sessler, S. 102. 116  Beispiel: OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276. Straatmann, FS Stödter, S. 109 ff.; nach Habscheid, NJW 1962, 5, 9 handelt es sich um den „Paradefall des Schiedsgutachters“; differenzierend Pinckernelle, S. 5, 23 ff.; O. Wolff, S. 19 ff. 117  Beispiel: OLG Celle v. 16.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 21. 118  Große Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die FIDIC-Regeln. Allerdings sind die Entscheidungen des Dritten nicht immer mit derselben Bindungswirkung wie Schiedsgutachten ausgestattet. Siehe zu diesem Komplex Nicklisch, FS Habscheid, S. 217 ff.; Böhm, S. 87 ff.; Greger/Stubbe, Rn. 218 ff. 119  Beispiele: BGH v. 14.6.1955 BGHZ 17, 366 (Versprechen eines Preisgeldes von DM 25.000 für die Widerlegung einer wissenschaftlichen These); BGH v. 8.5.1967 LM Nr. 2a zu § 661 BGB; BGH v. 23.9.1982 NJW 1983, 442 (Architektenwettbewerb). 120  Zu dieser Vorschrift noch unten § 14 B.II.3.a) (S. 659 ff.). 121 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 14; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 149. 122  Motive VVG, S. 332. Die Vereinbarung eines Sachverständigengutachtens sei „häufig“ in Versicherungsbedingungen zu finden, Motive VVG, S. 137.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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eine eigene Regelung erfahren. Nach § 84 Abs. 1 S. 1 VVG, der für die Schadensversicherung und über § 189 VVG für die Unfallversicherung gilt, kann der Versicherungsvertrag die bindende Feststellung einzelner Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige vorsehen. Zahlreiche Allgemeine Versicherungsbedingungen enthalten entsprechende Regelungen.123 Auch diese Sachverständigen sind Schiedsgutachter.124 Die Vorschrift bildet das versicherungsrechtliche Pendant zu den §§ 317 ff. BGB; ihr Wortlaut ist offenkundig an § 319 Abs. 1 BGB angelehnt.125 Zugleich bestehen aber auch Besonderheiten, die es erforderlich und zugleich reizvoll erscheinen lassen, in dieser Untersuchung immer wieder diese Sachverständigenverfahren im Versicherungsrecht einzubeziehen.

b) Beispiele im Erbrecht Ähnlich wie im Vertragsrecht können auch im Erbrecht gestaltende und feststellende Entscheidungen Dritter unterschieden werden. Während die testamentarische Anordnung, ein Dritter möge den Erben auswählen, gestaltender Natur ist, wird der Dritte bei folgender Anordnung um eine Feststellung ersucht: Der Erblasser trifft eine bedingte Verfügung und ordnet an, dass ein anderer – der Bedachte, ein Dritter oder auch der Testamentsvollstrecker – entscheiden möge, ob die Bedingung eingetreten ist.126 Der Bestimmungsbefugte hat also den Eintritt oder den Nichteintritt bestimmter Tatsachen festzustellen. Der Erblasser könnte den Dritten beispielsweise auch darum ersuchen, im Rahmen einer Erbauseinandersetzung den Preis zu ermitteln, zu dem ein Miterbe einen Nachlassgegenstand übernehmen kann,127 oder allgemein einen Dritten mit einer für die Erben verbindlichen Bewertung des Nachlasses betrauen.128 Die Aufgabe dieser Dritten entspricht der eines feststellenden Schiedsgutachters.129 Eine derartige Schiedsgutachterklausel kann für den Erblasser verschiedene Vorteile ha123 

Siehe die Zusammenstellung bei Römer/Langheid, § 84 Rn. 1. BGH v. 11.6.1976 VersR 1976, 821, 823. 125  Zu Recht bezeichnet es G. Wagner, Prozeßverträge, S. 656 daher als „erstaunlich“, wie wenig Einfluss diese gesetzliche Regelung „auf die allgemeine Diskussion um das Schiedsgutachten ausüben können“. Siehe aber Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 103, der die VVG-Normen analog anwenden möchte. 126 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22. Beispiele: BGH v. 27.4.1970 WM 1970, 930; KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182 (die Testamentsvollstrecker sollten feststellen, ob der Vorerbe „sich in geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftlicher Lage befindet“ und somit zum Vollerben werden kann); KG v. 21.2.1924 OLGE 43, 394 (überlebende Ehefrau soll feststellen, ob das Verhalten des als Alleinerbe eingesetzte Sohnes dem Willen der Eheleute „voll und ganz entspricht“). 127 Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 11; OLG Rostock v. 15.4.1918 OLGE 36, 242. 128  BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB. 129  Vgl. Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 12; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 24; F. Wagner, S. 64 f. Zu Unrecht offengelassen von KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182 (Schiedsgutachter oder Schiedsrichter). – Die Zweite Kommission sprach hier noch von einem „Schieds124 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

ben:130 Es entscheidet eine Person, die das Vertrauen der Familie genießt und die vielleicht über besondere Sachkunde verfügt; zudem werden die staatlichen Gerichte und die Öffentlichkeit aus Familienangelegenheiten herausgehalten. Für diese erbrechtliche Variante des feststellenden Schiedsgutachtens gibt es ebenso wie im Vertragsrecht keine unmittelbare Normierung im BGB. Ein passender dogmatischer Anknüpfungspunkt sind grundsätzlich die §§ 317 ff. BGB.131 Ob diese im Hinblick auf erbrechtliche Besonderheiten zu modifizieren sind, stellt eine der Fragen dieser Untersuchung dar. Die Einholung eines feststellenden Schiedsgutachtens durch die Erben, beispielsweise zur Festsetzung des Werts eines Nachlassgrundstücks, das ein Miterbe übernimmt, steht zwar in einem erbrechtlichen Kontext.132 Dennoch ist dieser Fall bei den schuldrechtlichen Beispielen einzuordnen, da nicht der Erblasser eine Entscheidung an den Dritten delegiert hat.

II. Feststellungsentscheidungen als delegierte Privatautonomie Dass die Einschaltung eines gestaltenden Schiedsgutachters einen Fall der Delegation von Privatautonomie darstellt, ist unmittelbar einsichtig. Der Dritte ergänzt im Vertragsrecht den Willen der Parteien, die den Inhalt ihres (Änderungs‑)Vertrages nicht vollständig selbst festlegen. Er gibt seine Erklärung „an Stelle des Einverständnisses der Parteien in die Seele der Kontrahenten“ hinein ab, so das plastische Bild des Gesetzgebers.133 Seine Tätigkeit bleibt ganz im materiell-rechtlichen Bereich.134 Es sind die §§ 317 ff. BGB darauf anzuwenden, nicht die §§ 1025 ff. ZPO.135 Ganz entsprechend ergänzt der testamenrichter“ (Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523); ebenso v. Lübtow I, S. 142 mit Nachweisen aus dem älteren Schrifttum. 130  Otte, FamRZ 2006, 309, 311. 131  BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 9; Bamberger/ Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 5; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33 ff.; Lange/Kuchinke, S. 550 (§ 27 I 10). Sowohl § 317 BGB als auch Schiedsgerichte nennen als Anknüpfungspunkte Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 12 („analog zur Schiedsrichterernennung und auch zu § 317“); Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 4. Dieser parallele Rekurs auf ganz verschiedene Verfahren kann nicht überzeugen, für eine Differenzierung auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 24. 132  Beispiel: RG v. 20.6.1912 Rheinisches Archiv für Zivil- und Strafrecht 110 (1914), 377. 133  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107; zuvor schon Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 720. 134  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 340; Dütz, S. 262; Kornblum, S. 101 f.; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 136; ders., FS Horn, S. 1029; Habscheid, FS Lehmann II, S. 794, 797 f.; Greger, SchiedsVZ 2006, 219; Jonas, JW 1937, 221 (speziell zu Änderungen durch Dritte). 135 Statt aller Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 13; Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 6 f.; Greger/Stubbe, Rn. 89; Kornblum, S. 101 f.; Habscheid, FS Lehmann II, S. 794; ders.,

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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tarisch mit seiner Aufgabe betraute Dritte den letzten Willen des Erblassers. Auch sein Handeln beruht auf einer Delegation von Privatautonomie. Anders der feststellende Schiedsgutachter: Warum auch seine Tätigkeit, im Schuldrecht wie im Erbrecht, auf eine Delegation von Privatautonomie gegründet ist, erscheint auf den ersten Blick durchaus fraglich, bewegt sich seine Entscheidungsfindung doch äußerlich zunächst im Tatsächlichen. Nicht wenige Stellungnahmen zu der Thematik haben das Ziel, das Trennende zwischen gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten herauszuarbeiten. Damit geht oft das Plädoyer einher, beide Typen von Schiedsgutachten unterschiedlichen Regelungsregimes zu unterwerfen und auf das feststellende Schiedsgutachten nicht (nur) die §§ 317 ff. BGB, sondern ausschließlich oder jedenfalls auch die Vorschriften über das Schiedsgerichtsverfahren (§§ 1025 ff. ZPO) anzuwenden.136 Dogmatisch verknüpft ist damit eine Qualifikation der Vereinbarung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, als Prozessvertrag. Das feststellende Schiedsgutachten wird auf diese Weise vom gestaltenden Schiedsgutachten entfernt und dem Schiedsverfahren angenähert. Sieht man alle drei Institute, gestaltendes Schiedsgutachten, feststellendes Schiedsgutachten und Schiedsverfahren, als „Phänomene einer Typenreihe“137, so verläuft der große Trennstrich zwischen gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten. Entsprechend wichtig wird eine Abgrenzung zwischen beiden Typen von Schiedsgutachten. An den verschiedenen Abgrenzungsversuchen lässt sich verdeutlichen, wo die Unterschiede zwischen beiden Typen gesehen werden und woher die Zweifel an einer Erfassung des feststellenden Schiedsgutachtens als Delegation von Privatautonomie rühren können. Diese Abgrenzung ist deshalb im Folgenden vorzustellen (unten 1.), bevor sodann aus historischer (unten 2.), vergleichender (unten 3.) und dogmatischer Sicht (unten 4.) begründet werden kann, weshalb auch das feststellende Schiedsgutachten auf einer Delegation von Privatautonomie beruht und folglich in den Gegenstand dieser Untersuchung fällt. In diesem Zusammenhang kann auch ein Überblick über die Grundlagen des Schiedsgutachtenrechts in England und Frankreich gegeben werden.

KTS 1957, 129, 131. A.A. Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 5; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153, für die auch die Vereinbarung über die Vertragsanpassung durch einen Dritten einen Prozessvertrag darstellt, auf den die Regeln über das feststellende Schiedsgutachten Anwendung finden. 136  Siehe unten § 2 B.II.5.d) (S. 84 ff.). 137  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 8; siehe auch Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17. Von einem „Kontinuum“ spricht G. Wagner, Prozeßverträge, S. 581.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

1. Unterschiede zwischen gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten Gestaltender und feststellender Schiedsgutachter werden anhand verschiedener Kriterien gegenübergestellt, die jedoch im Kern alle die dem Dritten übertragene Aufgabe näher umschreiben. Der gestaltende Schiedsgutachter ergänze den Vertragswillen der Parteien. Er führe ein unbestimmtes Schuldverhältnis zur Bestimmtheit und setze Verpflichtungen fest.138 Der feststellende Schiedsgutachter treffe demgegenüber auf ein vollständiges, in jeder Hinsicht bestimmtes Schuldverhältnis. Er ermittle Tatsachen und stelle lediglich den subjektiv den Parteien ungewissen Vertragsinhalt fest.139 Diese Feststellungen sind also „für die Bestimmung einer Vertragsleistung erst mittelbar maßgebend“.140 Während der gestaltende Schiedsgutachter voluntativ entscheide, arbeite der feststellende Schiedsgutachter kognitiv.141 Ersterer solle eine billige Entscheidung treffen, Letzterer eine richtige.142 Das gestaltende Schiedsgutachten wirke konstitutiv, es setze fest, es spreche aus, „was sein soll“; das feststellende wirke hingegen deklaratorisch, es decke auf, es spreche aus, „was ist“.143 In einen größeren dogmatischen Zusammenhang wird dieser Kontrast gerückt, indem die Unterscheidung von Rechtsstreitigkeiten und Regelungsstreitigkeiten als Schablone darüber gelegt wird.144 Diese Unterscheidung besagt Folgendes:145 Beiden Streittypen liege eine Meinungsverschiedenheit zugrunde, doch während es beim Rechtsstreit darum gehe, bestehendes Recht anzuwenden, habe der Regelungsstreit eine Einigung darüber zum Gegenstand, was fortan als Recht zwischen den Streitparteien gelten solle. Im ersten Fall gebe die bestehende Rechtslage bereits den Interessenausgleich vor, während im zweiten Fall der Interessenausgleich erst noch gefunden werden müsse. Einmal streiten die Parteien über die Anwendung von Recht, einmal wollen sie Recht schaffen. 138  BGH

v. 21.10.1964 NJW 1965, 150; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 (§ 12 IV 1); Wittmann, S. 137; Joussen, S. 60. 139  BGH v. 21.10.1964 NJW 1965, 150; BGH v. 19.2.1957 LM Nr. 7 zu § 317 BGB; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 (§ 12 IV 1); Wittmann, S. 137; Joussen, S. 56, 60; Kornblum, S. 100; Kahn, S. 4 ff. 140  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60. 141  OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris), Rn. 63; Joussen, S. 45, 56; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; v. Thun und Hohenstein, S. 118; Triebel, S. 133; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1010; Sieg, VersR 1965, 629, 630; Arens, S. 24 ff. 142  Wittmann, S. 137 (der diesen Unterschied gar für „sachlogisch“ geboten hält); Joussen, S. 56 f.; Winter, S. 139 f.; sinngemäß auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 14. 143  Joussen, S. 6; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; Sieg, VersR 1965, 629; Buchdahl, S. 38. 144  Siehe etwa, wenn auch mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen, vor allem Joussen, S. 8 ff., 45 ff.; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 120 ff.; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; mit dem Begriffspaar „Rechtsstreit“-„Interessenstreit“ bereits Prager, ZBH 1932, 157, 158 ff. 145  Zum Folgenden Bötticher, FS Lent, S. 89 ff.; ders., Gestaltungsrecht, S. 16 f.; Söllner, ZfA 1982, 1, 2 ff.; Joussen, S. 8 ff.; Brox, JR 1960, 321.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Beiden Streittypen soll nun ferner ein jeweils eigener Beilegungsmechanismus zugeordnet sein: Rechtsstreitigkeiten seien dem Richter zugewiesen, während die Beilegung einer Regelungsstreitigkeit Schlichtung sei.146

2. Gemeinsamkeiten aus historischer Perspektive a) Die verengte Sichtweise des BGB-Gesetzgebers Der BGB-Gesetzgeber hat die §§ 317 ff. BGB ganz auf die Bestimmung einer Leistung zugeschnitten und deren Überprüfung am Maßstab der Billigkeit ausgerichtet. Er konzentrierte sich auf die gestaltenden Schiedsgutachten und bei diesen auch nur auf die Ergänzung des Vertragswillens, die rechtsbegründende Gestaltung.147 Der Dritte gebe seine Bestimmung „in die Seele der Kontrahenten“ hinein; „er soll … an Stelle der Kontrahenten bestimmen, den Vertragswillen ergänzen“.148 Trotz entsprechender Mahnungen aus der Wissenschaft149 ignorierte der Gesetzgeber damit das feststellende Schiedsgutachten. Implizit scheint er sich dafür ausgesprochen zu haben, die feststellenden Schiedsgutachten – die ihm geläufig waren – anderen Regeln zu unterwerfen. Dem Gesetzgeber der Civilprozeßordnung von 1877 war die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen Schiedsrichter (arbiter) und Schiedsgutachter (arbitrator) bewusst gewesen. Den arbitrator sah er als Erscheinung des materiellen Rechts an. In der Entwurfsbegründung von 1874 heißt es, dass „die Vorschriften des materiellen Rechts“ hinsichtlich der Schiedsgutachter (im Entwurf „Schätzungsmänner“ genannt) unberührt bleiben sollten.150 Den damit gespielten Ball nahmen jedoch die Verfasser des BGB, wie gesehen, nicht auf. Erst einige Jahre später wurde ein Teilbereich der feststellenden Gutachten normiert: Nach § 64 Abs. 1 S. 1 des VVG von 1908 kann ein Versicherungsvertrag vorsehen, dass „einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden“. Eine Parallelnorm zu dieser Vorschrift im Bereich der Schadensversicherung wurde für die Unfallversicherung in § 184 des VVG von 1908 geschaffen. Bei der Reform des VVG im Jahre 2008 wurde diese Parallelnorm durch einen einfachen Verweis auf § 84 VVG ersetzt, der ohne Änderung in der Sache die Regelung des § 64 Abs. 1, 2 VVG a.F. übernimmt.151 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vor146 

Joussen, S. 15 ff.; Söllner, ZfA 1982, 1, 2 ff.; Prager, ZBH 1932, 157, 160. Habscheid, FS Lehmann II, S. 792 f.; ders., KTS 1957, 129, 134 f.; Kröll, S. 126; Wittmann, S. 154; Kornblum, S. 95; Winter, S. 43; A. Bachmann, S. 20. 148  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. 149  Weismann, AcP 74 (1889), 422. Die Zweite Kommission hatte Kenntnis von Weismanns Kritik, siehe Zusammenstellung, Bd. II, S. 113 f. 150  Hahn, S. 490; dem folgend z.B. v. Bülow, Civilprozeß-Ordnung, Anm. 3 zu den Vorbemerkungen zu § 851. 151  Die Anordnung des zwingenden Charakters der Vorschrift in § 64 Abs. 3 VVG a.F. 147 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

schrift an eine bestehende Praxis in vielen Versicherungsbedingungen anknüpfen und zugleich festschreiben, dass dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen werden dürfe, die Feststellungen des Sachverständigen vor Gericht auf eine offenbare erhebliche152 Abweichung von der wirklichen Sachlage zu überprüfen. Die Nähe der Regelung zu § 319 BGB ist unverkennbar; die Begründung zum Gesetzentwurf verweist ausdrücklich darauf.153 Die Materialien bezeichnen die Sachverständigen auch als arbitratores.154 Darin liegt eine deutliche Anknüpfung an die gemeinrechtlichen Grundsätze zum Schiedsgutachtenrecht. Die Verwandtschaft mit der Leistungsbestimmung nach § 317 BGB war in dem ursprünglichen Entwurf zu § 64 VVG noch augenfälliger gewesen. Dort hatte es geheißen: „Soll nach dem Vertrage die Höhe des Schadens durch Sachverständige bestimmt werden, …“.155 Erst die sog. VIII. Kommission ersetzte den Ausdruck „bestimmt“ durch „festgestellt“ und bewegte sich damit von einer Bestimmung zu einer Feststellung des Leistungsinhalts.156 Mit Sicherheit lässt sich diesen Materialien entnehmen, dass die Sachverständigen im Versicherungsvertragsrecht nicht Schiedsrichter, sondern Schiedsgutachter sein sollen.157 Einer weitergehenden dogmatischen Qualifikation konnte sich der Gesetzgeber jedoch enthalten, da es ihm in erster Linie um die Sachfragen des Sachverständigengutachtens ging.

b) Analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB Für das allgemeine bürgerliche Recht blieb es der Rechtsprechung vorbehalten, das dogmatische Vakuum zu füllen. In seinem grundlegenden Urteil zum Schiedsgutachtenrecht entschied das Reichsgericht im Jahre 1919, dass auf das feststellende Schiedsgutachten die §§ 317 ff. BGB analog anzuwenden seien.158 ging auf in § 87 VVG n.F., der die Vorschrift des § 84 Abs. 1 S. 1 VVG n.F. für halbzwingend erklärt. 152  Zu dieser merkwürdigen sprachlichen Dopplung siehe noch unten § 15 C.I.2.b) (S. 729). 153  Motive VVG, S. 137, siehe auch S. 331. 154  Motive VVG, S. 331. 155  Motive VVG, S. 452 (Hervorhebung hinzugefügt). 156  Motive VVG, S. 331, 452. 157  Kornblum, S. 96. 158  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60 f.; seitdem st. Rspr. BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1454; BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; BGH NJW 1983, 2244, 2245 (insoweit nicht in BGHZ 87, 367); BGH v. 19.2.1957 LM Nr. 7 zu § 317 BGB; BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB; BGH v. 20.2.1970 DB 1970, 827; BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 376; BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665; RG v. 10.12.1935 RGZ 150, 7, 8; RG v. 9.2.1935 RGZ 147, 58, 60; RG v. 19.10.1932 JW 1933, 217; OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 66; OLG Zweibrücken v. 20.1.1971 NJW 1971, 943; OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276, 277; noch offengelassen in: RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 167 f. Aus dem Schrifttum Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 13; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 8; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 22; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 8; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 14; v. Thun und Hohenstein, S. 106 f.; P. Gottwald/Reichenberger/P. Wagner, NZV

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Eine einzige Modifikation ergibt sich aus den unterschiedlichen Aufgaben von gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachter: Das feststellende Schiedsgutachten sei nicht unverbindlich im Falle offenbarer Unbilligkeit, sondern bei offenbarer Unrichtigkeit seines Inhalts.159 Das Reichsgericht begründete seine Ansicht vor allem mit der engen Verwandtschaft zwischen dem rechtsgestaltenden, in § 317 BGB geregelten Schiedsgutachter und demjenigen, der einen zwar objektiv bereits bestimmten, den Parteien aber unbekannten Vertragsinhalt herausstellt.160 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass in beiden Fällen das Schuldverhältnis durch den Spruch des Dritten näher bestimmt werde. Indem § 317 BGB auf das feststellende Schiedsgutachten ausgeweitet wird, soll sich nach einem bekannten Diktum von Bötticher zeigen, dass der Gesetzgeber „mit dem § 317 BGB eine ungewöhnlich trächtige Vorschrift geschaffen hat, deren Reichweite den Vätern des Gesetzes kaum bewußt war“.161

c) Gestaltung und Feststellung im 19. Jahrhundert Als der BGB-Gesetzgeber allein die gestaltende Bestimmung des Leistungsinhalts in den §§ 317 ff. BGB mit einer gesetzlichen Regelung bedachte, konnte er sich zwar auf die für das Schiedsgutachtenrecht wesentlichen römischen Quellen beziehen.162 Er hatte damit aber einen bedeutsamen Ausschnitt der Praxis aus den Augen verloren. Denn schon vor Inkrafttreten des BGB und verstärkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es ein verbreitetes Phänomen, dass Parteien einen Dritten ersuchten, bestimmte Tatsachen verbindlich festzustel2000, 6; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1010; Bulla, NJW 1978, 397, 399; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 871 f.; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1927; Gelhaar, DB 1968, 743. 159  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 62; BGH v. 1.4.1953 BGHZ 9, 195, 198; BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 376; BGH v. 19.2.1957 LM Nr. 7 zu § 317 BGB; BGH v. 20.2.1970 DB 1970, 827; BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281; BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307; BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB; BGH v. 9.6.1983 NJW 1983, 2244, 2245; BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174; BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 237; BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885; BGH v. 20.11.1975 WM 1976, 251; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; OLG Celle v. 7.6.1962 MDR 1962, 900; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 15; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 4; Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 226; Wittmann, S. 45 f., 136 f.; Gelhaar, DB 1968, 743; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1930; Bulla, BB 1976, 389, 391. 160  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60 f.; siehe auch RG v. 9.2.1935 RGZ 147, 58, 60: analoge Anwendung gerechtfertigt, da der Schiedsgutachter die „Grundlagen der Leistung“ feststelle. 161  Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; aufgegriffen z.B. von Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 451; Joussen, S. 32. 162  Siehe oben bei Fn. 79 und ausführlich unten § 4 C.I.2.b) (S. 196 ff.). Doch liegt beispielsweise in Paulus D. 19,2,24pr. ein Beispiel für die Feststellungsentscheidung eines Dritten als arbitrium boni viri vor (Billigung eines Werks als vertragsgemäß). Broggini, S. 113 ff. berichtet von weiteren außerhalb des Corpus iuris überlieferten Fällen, in denen sich Parteien dem Ausspruch eines bonus vir unterstellt haben, etwa zur Festsetzung der Höhe eines zugefügten Schadens.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

len.163 Die Gerichte behandelten derartige Abreden genauso wie die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts. Sie fassten beide Typen unter einem Oberbegriff (arbitrium) zusammen, wendeten auf beide vergleichbare Regeln an und sahen auch dogmatisch keinen Unterschied zwischen Gestaltungs‑ und Feststellungsentscheidungen eines Dritten.164 In den dazu entschiedenen Fällen ging es oft um die Schätzung der Schadenshöhe im Versicherungsrecht.165 Doch umfasst die Bandbreite der Sachverhalte beispielsweise auch die Vermessung eines Grundstücks, aus deren Ergebnis mittels eines von den Parteien festgelegten Multiplikators der Pachtzins errechnet werden soll,166 die Feststellung einer Patentverletzung,167 die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens eines Gesellschafters,168 die Feststellung einer Berufsunfähigkeit als Voraussetzung eines Anspruchs gegen einen Knappschaftsverein,169 das Sachverständigenurteil über die „Güte und Brauchbarkeit“ eines „Apparats“170 oder die Schätzung eines Ernteverlusts durch Unglücksfälle, um daraus eine Pachtzinsreduzierung abzuleiten171. Ausdrücklich befassten sich die Gerichte in diesen Fällen nicht mit der Kategorisierung des Schiedsgutachtens. Mehrere Indizien sprechen jedoch dafür, dass sie von einer materiell-rechtlichen Qualifikation ausgingen und keinen dogmatischen Unterschied zu Gestaltungsentscheidungen sahen:

163  Winter, S. 41, 81 ff., 86 ff., 136 ff. (allerdings vorwiegend mit Blick auf die Abgrenzung zum Schiedsrichter); Kornblum, S. 95 f.; ders., AcP 168 (1968), 450, 458. 164  Sehr kritisch dazu Winter, S. 136 ff.: Die Gerichte hätten die nicht passenden Regeln über die Ergänzung des Parteiwillens herangezogen, um eine streitentscheidende Tätigkeit, die als Schiedsspruch keiner Anfechtung unterlegen hätte, einer Anfechtung wegen offenbarer Unrichtigkeit zugänglich zu machen. 165  RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130; RG v. 9.3.1882 RGZ 6, 190; ROHG v. 20.6.1871 ROHGE 3, 74; siehe auch RG v. 12.1.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 849 (Feststellung durch drei Sachverständige, ob der Tod als unmittelbare Folge eines Unfalls anzusehen ist). 166  RG v. 9.6.1888 Bolze 6 (1889), Nr. 428 (Fläche des verpachteten Areals sollte auf Kosten des Verpächters von einem namentlich benannten Feldmesser vermessen werden, um daraus den Pachtzins anhand des Faktors 10,50 Mark pro Morgen errechnen zu können). 167  RG v. 16.10.1889 RGZ 24, 411 (sachverständige Dritte sollten zunächst prüfen, ob die Beklagte ein Patent der Klägerin verletzte, und sodann in einem Schiedsspruch entweder die Beklagte zur Unterlassung der verletzenden Maßnahmen oder die Klägerin zur Unterlassung der Behauptung einer Patentverletzung verurteilen sollte). 168  RG v. 1.6.1895 Bolze 21 (1896), Nr. 373 (im Vertrag als „Schiedsrichter“ bezeichnete Arbitratoren sollten die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens eines Gesellschafters feststellen). Vgl. demgegenüber BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, wo die Vornahme der Auseinandersetzung durch einen Dritten als rechtsgestaltendes Schiedsgutachten zu qualifizieren ist, da der Dritte nicht nur die Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs ermitteln, sondern einen Auseinandersetzungsplan aufstellen und darin die zu verteilenden Gegenstände den beiden ehemaligen Gesellschaftern zuweisen sollte. 169  RG v. 25.9.1880 RGZ 2, 311. 170  RG v. 11.3.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 848. 171  RG v. 12.12.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 889.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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(i) Zunächst besteht eine sprachliche Verwandtschaft zwischen der materiell-rechtlich zu qualifizierenden gestaltenden Leistungsbestimmung und der Feststellungsentscheidung eines Dritten. Die mit der Feststellung betrauten Sachverständigen werden in den Urteilen als arbitratores bezeichnet. Dies geschieht insbesondere zur Abgrenzung gegenüber Schiedsrichtern (arbitri). Arbitrator heißt aber auch der Dritte, der für die Parteien eine Leistung bestimmen soll.172 Die Bezeichnung arbitrator kann damit sowohl den gestaltenden als auch den feststellenden Schiedsgutachter meinen. (ii) Mit der sprachlichen Nähe korrespondiert eine Vergleichbarkeit der inhaltlichen Ausgestaltung. Mit anderen Worten: Die Gerichte unterscheiden nicht danach, ob die Aufgabe des Dritten gestaltender oder feststellender Natur ist. Das sei an drei Beispielen illustriert. Erstens wenden die Gerichte die Regeln, die für den leistungsbestimmenden Dritten gelten, gleichermaßen auf den feststellenden Gutachter an. Exemplarisch gilt dies für Urteile, die mit diesen Regeln die gerichtliche Nachprüfbarkeit des Gutachtens begründen.173 Wie die Leistungsbestimmung durch einen Dritten174 soll auch die Feststellungsentscheidung des Dritten – sogar gegen eine Vereinbarung, die „den Rechtsweg ausschließen“ soll – gerichtlich kontrollierbar und im Falle offenbarer Unbilligkeit (manifesta iniquitas) unverbindlich sein. Zweitens wird die Regel, wonach die Parteien im Zweifel eine Entscheidung des Dritten nicht nach freiem Belieben (arbitrium merum), sondern nach billigem Ermessen (arbitrium boni viri) gewollt hätten, bei gestaltenden wie bei feststellenden Schiedsgutachten angewendet.175 Schließlich bleibt die Wirkung der Unterwerfung unter die Feststellung eines Dritten ebenso wie die Leistungsbestimmung durch einen Dritten im materiell-rechtlichen Bereich. Die Unterwerfung schließt eine gerichtliche Feststellung nicht aus.176 Verstärkt wird der Eindruck von der inhaltlichen Gleichstellung beider Typen von Schiedsgutachten dadurch, dass die Gerichte auf Quellen rekurrieren, die sich unmittelbar nur auf gestaltende Gutachten beziehen, um ihre Urteile zu feststellenden Gutachten zu begründen.177 172 

ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 344; PrOT v. 14.12.1844 PrOTE 11, 180, 183. v. 11.3.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 848; RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130, 131 f.; RG v. 9.3.1882 RGZ 6, 190, 201 f. Vgl. auch RG v. 4.10.1886 Bolze 3 (1887), Nr. 575 zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Kündigungsgrunds. 174  Vgl. nur die einflussreiche Entscheidung des ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4, 421, 429; siehe auch OG Wolfenbüttel v. 2.11.1877 SeuffA 33 (1878), 154 (Nr. 113). 175  Einerseits für Feststellungen RG v. 9.3.1882 RGZ 6, 190, 201 f.; wohl auch ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 345; andererseits für Gestaltungen OG Wolfenbüttel v. 2.11.1877 SeuffA 33 (1878), 154 (Nr. 113); siehe auch das Urteil des ROHG v. 2.3.1875 ROHGE 16, 427, 430, das sich eigentlich mit einer Parteileistungsbestimmung befasst, dabei aber auch zur Bestimmung durch einen Dritten Stellung nimmt. 176  RG v. 11.3.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 848; RG v. 27.11.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 890. 177  Siehe etwa RG v. 16.10.1889 RGZ 24, 411, 414 (mit Verweis auf D. 19,2,25pr., D. 17,2,76, Inst. III,23,1, um überhaupt die Zulässigkeit der Unterwerfung unter eine verbindliche Feststellung eines Dritten zu begründen); RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130, 131 (D. 17,2,79 zur 173  RG

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

(iii) Zuletzt zeigt sich auch eine dogmatische Gleichbehandlung. Ausdrücklich ausgesprochen wird dies beispielsweise in einem Urteil des Reichsoberhandelsgerichts, wonach kein Gegensatz existiere zwischen demjenigen, der „den Vertragswillen der Contrahenten in unbestimmt gelassenen Theilen zu ergänzen“ habe, und demjenigen, der „bloß den Werth einer bestimmt begrenzten Leistung durch Schätzung resp. Berechnung feststellen solle“178. Im Gegenteil seien beide als arbitrator zu bezeichnen, die Feststellung stellten sogar den hauptsächlichen Fall des arbitrium dar.179 Von dem feststellenden arbitrator heißt es in dem Urteil, dass „in dem Schätzungspunkte“ sein Wille an die Stelle des Parteiwillens trete.180 Ein derartiges Verständnis deckt sich aber vollständig mit der Vorstellung von dem „in die Seele der Kontrahenten“ abgegebenen Spruch des Dritten, der gestaltend den Leistungsinhalt bestimmt. Ein ähnliches Bild bemüht das Preußische Obertribunal, wenn es von der Feststellung des Dritten als „Vertragsbestimmung“ spricht, die „eben so behandelt werden muß, als sei dieselbe ein integrirender Theil des Vertrags der Parteien“181. Nahezu identische Worte hatte das Obertribunal etwa zehn Jahre zuvor für eine gestaltende Leistungsbestimmung gebraucht: Die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts habe zur Folge, dass die Parteien die Bestimmung des Dritten „gerade so anerkennen müssen, als wäre dieselbe von ihnen selbst geschehen und ihrem Ergebnisse nach schon dem Vertrag einverleibt“.182 Einen scharfen Gegensatz zu prozessualen Vereinbarungen baut ein Urteil des Reichsgerichts Anfechtbarkeit wegen manifesta iniquitas und D. 38,1,30 zum im Zweifel gewollten Entscheidungsmaßstab); RG v. 9.3.1882 RGZ 6, 190, 201 f. (D. 38,1,30pr. zur Beschränkung des Entscheidungsmaßstabs auf das billige Ermessen); ROHG v. 20.6.1871 ROHGE 3, 74, 75 (D. 17,2,76–80 zur Abgrenzung zum Schiedsverfahren); PrOT v. 7.2.1854 PrOTE 27, 450, 457 (Rekurs auf Inst. III,24,1, D. 19,2,25pr., D. 17,2,76–80 zur Abgrenzung zum Schiedsverfahren). 178  ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 344. Im Fall stritten die Parteien um die Höhe des Werklohnanspruchs für die bisher erbrachten Werkleistungen aufgrund des vorzeitig beendeten Vertrags über den Bau von Eisenbahnlinien. Die Vertragsparteien hatten den Gesellschaftsingenieur der Eisenbahngesellschaft damit beauftragt, diese Höhe auf der Grundlage der ausgeführten Arbeiten sowie unter Berücksichtigung von Extraarbeiten oder sonstiger Ansprüche aus dem Vertrag zu ermitteln. Nach dem Sachverhalt nicht ganz deutlich ist, ob der Gesellschaftsingenieur einen Spielraum zu eigener Gestaltung hatte oder ob er „nur“ Feststellungen zu treffen hatte. Der Fall zeigt damit auch wieder die sachliche Nähe von gestaltenden und feststellenden Gutachten. – Auf eine weitere Besonderheit des Falles weist mit Recht Weismann, AcP 72 (1888), 269, 315 hin: Nach dem vom Gericht mitgeteilten Sachverhalt, sollte der Bauunternehmer das Recht haben, dem Gutachten zu widersprechen. Da er mithin nicht an das Gutachten gebunden war, liegt kein Schiedsgutachtenvertrag vor. Diese Besonderheit hat das ROHG offenkundig übersehen. 179  ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 343 f. 180  ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 344. 181  PrOT v. 7.2.1854 PrOTE 27, 450, 458. 182  PrOT v. 14.12.1844 PrOTE 11, 180, 185. In diesem Urteil wird zudem der Gegensatz zum arbiter insofern als „ganz verschieden“ von der des arbitrator bezeichnet, als nur der arbiter an die Stelle des Richters trete (S. 183).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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aus dem Jahre 1884 auf, in dem die „für beide Theile bindende Schätzung durch vertragsmäßige Arbitratoren“ als etwas vom Sachverständigenbeweis verschiedenes charakterisiert wird.183 Schließlich ist ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichts zu nennen, demzufolge in der Wertermittlung durch einen Dritten – im Fall ging es um ein Gutachten zur Schadenshöhe im Versicherungsrecht – meist eine Bedingung zu sehen sei.184 Diese Konzeptualisierung als Bedingung lässt sich aber wiederum zurückführen auf ein Denkmuster aus dem Bereich der gestaltenden Drittentscheidungen, nämlich auf die berühmte Codex-Stelle, mit der Justinian den Streit um die Zulässigkeit der Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten entschieden hat, indem er die Wirksamkeit des Kaufvertrags als um die tatsächliche Vornahme der Bestimmung aufschiebend bedingt ansah.185 Eine materiell-rechtliche Sicht auf das feststellende Schiedsgutachten findet sich nicht nur in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, sondern auch im gemeinrechtlichen Schrifttum. Die Pandektenlehrbücher nehmen von dieser Entwicklung jedoch wenig Notiz.186 Sie ordnen den arbitrator, der meist nur knapp gewürdigt wird, systematisch bei der Bestimmbarkeit der Leistung ein und haben damit vorrangig die Ergänzung des unbestimmten Vertrages im Blick.187 Interessanter scheint ihnen die ebenfalls im 19. Jahrhundert heftig diskutierte Streitfrage nach dem Entscheidungsmaßstab des Dritten.188 Außerhalb der Pandektenlehrbücher wird die Annäherung von Gestaltung und Feststellung jedoch umfassend gewürdigt und unterstützt. Weismann etwa misst dem Schiedsgutachten „durchaus nur materiellrechtliche Bedeutung“ zu.189 Nach seiner Auffassung, die sich vor allem auf eine eingehende Analyse der Rechtsprechung stützt, bewirkt das Schiedsgutachten eine genauere Bestimmung des Rechtsverhältnisses.190 Einen grundlegenden Unterschied zwischen gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten sieht er nicht; im Gegenteil bezeichnet er sogar das feststellende Gutachten als den unzweifelhaften Fall des Schiedsgutachtens, während der Fall der Bestimmung einer Vertragsleistung durch die Problematik der Lückenhaftigkeit des Vertrages kompliziert werde.191 Auf dieser Grundlage verwundert es auch nicht, dass er die auf die Leistungs183 

RG v. 12.12.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 889. ROHG v. 20.6.1871 ROHGE 3, 74, 75. 185  C. 4,38,15,1; näher unten § 4 C.I.2.b) (S. 198 f.). 186 Bei Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15) kommt sie jedoch zwischen den Zeilen zum Ausdruck, wenn er das Gericht nach einem Ausbleiben des arbitrium boni viri die „Feststellung“ treffen lässt. 187  Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15); Baron, S. 357 (§ 208); Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 20 (§ 254); Arndts, S. 334 f. (§ 203); Puchta, S. 341 (§ 221); Keller, Pandekten I, S. 491 (§ 222). 188  Dazu unten § 4 C.I.2. (S. 194 ff.). 189  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 312. 190  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 297, 310 ff. 191  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 289. 184 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

bestimmung durch einen Dritten beschränkte Regelung im Entwurf des BGB als „nicht allgemein genug“ kritisiert hat.192 Entsprechend hatte vor ihm schon Sintenis herausgestellt, dass ein arbitrium boni viri praktisch in Form der Bestimmung von Summen und Eigenschaften wie auch in Form der Billigung einer Leistung oder der Feststellung des Eintritts einer Bedingung vorkomme.193 Auch André, Goldschmidt und J. Kohler hatten keinen maßgeblichen Unterschied zwischen gestaltender und feststellender Tätigkeit des Dritten gefunden, sondern sich vielmehr ganz auf die Abgrenzung des arbitrator vom arbiter konzentriert.194 Es handele sich um einen materiellen Vertrag, wenn ein Dritter die Höhe einer Schuld bestimmen oder das Vorliegen einer bestimmten Tatsache feststellen solle.195 Der arbitrator entscheide nicht wie ein Richter, sondern so, wie die Parteien es mutmaßlich tun würden, um eine Unvollständigkeit oder Ungenauigkeit ihres Rechtsverhältnisses zu beseitigen.196 Der Unvollständigkeit oder Ungenauigkeit lassen sich Gestaltung und Feststellung zuordnen. Ganz ähnlich heißt es bei Goldschmidt, der arbitrator vervollständige ergänzend „in die Seele der Contrahenten, und statt derselben, deren unvollständige Festsetzung“.197 Erkennbar hat der BGB-Gesetzgeber dieses Bild aufgegriffen. Anders als ihm standen Goldschmidt jedoch bei seiner Formulierung nicht nur die Bestimmung des Leistungsinhalts, als Beispiel nennt er den Kaufpreis oder den Bergelohn, vor Augen, sondern etwa auch „die Solvenz der bestellten Bürgen, de[r] Umfang des Schadens, die Menge und Qualität der gelieferten Waaren“, also typische Fälle des feststellenden Schiedsgutachtens.198

192 

Weismann, AcP 74 (1889), 422. Sintenis, Civilrecht II, S. 34 Fn. 63 (§ 83). Allerdings gehöre die zweite Form nicht zu den Fällen der bestimmbaren Unbestimmtheit, denn unbestimmt sei von vornherein nicht die Qualität der Leistung, sondern nur ihr Ausfall. Es werde nicht über den Gegenstand der Leistung entschieden, sondern nur darüber, „ob das Geschuldete geleistet sei“, ebenda, S. 33 Fn. 58. 194  Siehe außerdem Hayum, S. 34 f. 195  J. Kohler, Gruchot 31 (1887), 276, 305. Die Betonung, dass es sich um materielle Verträge handele, ist für Kohler deshalb wichtig, weil er jegliche prozessuale Vereinbarung über den Beweis von Tatsachen für unwirksam hält und deshalb bei prozessrechtlicher Qualifikation zu dem offenkundig unerwünschten Ergebnis gelangen müsste, dass auch ein Schiedsgutachtenvertrag unzulässig ist. 196  André, S. 40 f. (mit den Beispielen der Bestimmung von Anteilen an einer Gesellschaft – vgl. D. 17,2,76 – und der Abnahme eines Bauwerks durch einen Sachverständigen, mit anderen Worten: einmal Gestaltung, einmal Feststellung, ohne dass hierin ein Unterschied gesehen würde, der sich auf die rechtliche Einordnung auswirkt). 197  Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 720. 198  Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 720. Die Formulierung findet sich auch in ROHG v. 2.3.1875 ROHGE 16, 427: „Ein gebieterisches Verkehrsbedürfnis führt zu den Vereinbarungen, daß … eine nachträgliche Feststellung solcher, vielleicht sehr wesentlicher Punkte, über welche die Paciscenten absichtlich ausreichende Festsetzung unterlassen haben, durch gute Männer, gleichsam in die Seele der Contrahenten hinein, erfolge.“ 193 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Praxis des 19. Jahrhunderts ebenso wie das praxisorientierte Schrifttum in dieser Zeit Gestaltungs‑ und Feststellungsentscheidungen als Ausprägungen desselben Rechtsinstituts behandelt haben. Auf die Frage, inwieweit diese Assimilation unter dem Oberthema der Bestimmbarkeit der Leistung Bestand haben kann,199 ist bei der dogmatischen Betrachtung zurückzukommen.

3. Gemeinsamkeiten aus vergleichender Perspektive Für eine Betrachtung der Feststellung durch einen Dritten als Fall der Delegation von Privatautonomie spricht auch die Rechtsvergleichung. Mustergültig wird dies im neuen Burgerlijk Wetboek der Niederlande vorgeführt. Dort ordnet Art. 7:900 BW die Feststellung durch einen Dritten systematisch dem Feststellungsvertrag (vaststellingsovereenkomst) zu, mit dem sich die Parteien „zur Beendigung oder Vermeidung von Unsicherheit oder Streit über das, was zwischen ihnen rechtlich gilt, gegenseitig an eine Feststellung davon [binden], die auch gelten soll, soweit sie von der zuvor bestehenden Rechtslage abweichen sollte.“ Diese Feststellung kann auch ein Dritter treffen. Art. 7:904 BW regelt, unter welchen Voraussetzungen diese Feststellung angefochten werden kann und in welchen Fällen der Richter die Entscheidung ersetzen kann. Diese Vorschrift erweitert Art. 7:906 Abs. 2 BW auf Fälle, in denen „einem Dritten das Recht erteilt worden ist, die Regelung des Verhältnisses zu ergänzen oder zu ändern“. 200 Mit dieser Regelungstechnik werden Feststellung und Gestaltung inhaltlich gleichgestellt. Überdies geht die Regelung der praktischen Verbreitung entsprechend von der Feststellung als Grundfall aus und erweitert diesen auf die Gestaltung. Ganz so offen zutage liegt der Befund im englischen und im französischen Recht nicht. Doch auch hier bleibt im Ergebnis kein Zweifel daran, dass Feststellung und Gestaltung durch einen Dritten als Ausprägungen desselben Prinzips gesehen werden. Die Leichtigkeit, mit der Feststellung und Gestaltung denselben Regeln unterworfen werden, steht in markantem Gegensatz zu der Mühe, die in Deutschland auf deren Abgrenzung aufgewendet wird. 201

a) Französisches Recht Wie erwähnt, regelt der Code civil die Entscheidung durch einen Dritten nicht wie das BGB in einer allgemeinen Bestimmung, sondern punktuell in zwei Spezialvorschriften. 199 

Zur entsprechenden Kritik von Winter siehe oben Fn. 164. Beide Übersetzungen von Nieper/Westerdijk. 201 Vgl. Schlosser, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 2 (1988), 241, 256: „Die Dogmatik des Schiedsgutachtens ist ein deutsches Thema.“ 200 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Art. 1592 Code civil: „[Le prix de la vente] peut cependant être laissé à l’arbitrage d’un tiers ; si le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“ Art. 1843-4 Code civil: „Dans tous les cas où sont prévus la cession des droits so­ ciaux d’un associé, ou le rachat de ceux-ci par la société, la valeur de ces droits est déterminée, en cas de contestation, par un expert désigné, soit par les parties, soit à défaut d’accord entre elles, par ordonnance du président du tribunal statuant en la forme des référés et sans recours possible.“

Während Art. 1592 Code civil seit dem Inkrafttreten des Code civil im Jahre 1804 unverändert ist und sein römisches Erbe202 deutlich erkennen lässt, stammt Art. 1843-4 Code civil aus dem Jahre 1978. 203 Beide Vorschriften werden über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus angewendet. Rechtsprechung und Lehre haben Art. 1592 Code civil auf andere Vertragstypen erstreckt. Die darin enthaltene Regelung kommt somit auch in Mietverträgen 204, Auseinandersetzungsvereinbarungen 205 und anderen Sachverschaffungsverträgen 206 zur Anwendung. 207 Sie bleibt zudem nicht nur auf die Fest202  Vgl. C. 4,38,15; Inst. III,23,1; dazu unten § 4 C.I.2.b) (S. 196 ff.); de Loynes de Fu­ michon, Rev. arb. 2003, 285, 318 zieht eine Verbindungslinie von Art. 1592 Code civil zu D. 17,2,76 und D. 17,2,79. 203  Die Vorschrift geht zurück auf Art. 1868 Code civil a.F., der in seiner ursprünglichen Fassung von 1804 für die Fortsetzung der Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters den Erben das Recht eingeräumt hatte, eine Teilauseinandersetzung zu verlangen. Auf diese evident interessenwidrige Regel reagierte die Gestaltungspraxis mit der Aufnahme einer Abfindungsklausel in den Gesellschaftsvertrag. Zur Berechnung des Abfindungsbetrags setzte sich mit der Zeit die Feststellung des Anteilswerts im Todeszeitpunkt durch einen sachverständigen Dritten durch. Diese Vertragspraxis kodifizierte der Gesetzgeber im Jahre 1966, indem nunmehr für den Fall der Fortsetzung ein Abfindungsanspruch in Höhe des von einem Dritten zu ermittelnden Anteilswerts gewährt wurde. Diesen Mechanismus hat der Gesetzgeber im Rahmen einer weiteren Reform im Jahre 1978 in Art. 1843-4 Code civil überführt und dabei zugleich dessen Anwendungsbereich über den Fall des Todes eines Gesellschafters hinaus erweitert (loi n° 78‑9 du 4 janvier 1978). Zum Ganzen Moury, Nr. 12.11 ff. – Aus dem Gesetz verschwunden ist dabei Art. 1854 a.F., der bestimmt hatte, dass, falls die Gesellschafter vereinbart haben, die Verteilung der Anteile einem Dritten zu überlassen, die Verteilung nur dann angefochten werden kann, wenn sie evident unbillig („évidemment contraire à l’équité“) ist. Das Vorbild dieser Vorschrift in Proculus D. 17,2,76 ist deutlich sichtbar. 204  Cass. civ. 3e 4.3.1998 Bull. civ. III, Nr. 49; Cass. civ. 3e 17.7.1996 Bull. civ. III, Nr. 186; Cass. com. 8.5.1961 Bull. civ. III, Nr. 192; Planiol/Ripert/Givord/Tunc, Bd. X, Nr. 470; vgl. Pothier, Louage, Nr. 37. 205  Cass. civ. 1re 15.5.2008 Bull. civ. I, Nr. 130. Ohne Bezugnahme auf Art. 1592 Code civil, aber in der Sache nach denselben Grundsätzen urteilend Cass. civ. 2e 21.6.1956 Rev. arb. 1956, 132 (Bewertung von Waren im Zuge der Auseinandersetzung einer faktischen Gesellschaft); Cass. civ. 1re 26.10.1976 Bull. civ. I, Nr. 305 (Bewertung von Gegenständen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung); siehe aber für eine Einordnung als Schiedsvereinbarung Cass. civ. 2e 7.11.1974 Rev. arb. 1975, 302. 206  Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 66. 207 Allgemein Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 456 m.w.N.; ders., Nr. 13.22 (Art. 1592 Code civil als Grundlage einer allgemeinen Regel zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten, die grundsätzlich für alle Verträge in Betracht kommt); Oppetit, FS Goldman, S. 230 ff.; ders., Rev. arb. 1977, 315, 316; Cadiet, FS Guyon, S. 156; Cohen, Nr. 343; Niggemann, S. 60; kritisch

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setzung des Preises beschränkt, sondern wird etwa auch auf die Bestimmung von Zahlungsmodalitäten erweitert. 208 Auf Art. 1843-4 Code civil verweisen etliche Bestimmungen innerhalb und außerhalb des Code civil, die andere Gesellschaftsformen regeln. 209 Der Eindruck, es könnte sich um eine abseitige Spezialnorm handeln, wird dadurch relativiert; für die Entwicklung des Schiedsgutachtenrechts in Frankreich hat die Vorschrift inzwischen nahezu die Führungsrolle übernommen. 210 Damit übereinstimmend wird eine Verschiebung des Anwendungsbereichs der Drittbestimmung beschrieben: von der Preisfestsetzung bei der Veräußerung von Grundstücken, Ladengeschäften oder Jahresernten hin zur Wertermittlung bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen. 211 Vom Vorverständnis des deutschen Rechts kommend, könnte man nun geneigt sein, in diesen beiden Vorschriften exakt eine Dichotomie von Gestaltung und Feststellung wiederzufinden. Während sich Art. 1592 Code civil mit der gestaltenden Preisbestimmung durch einen Dritten befasst („prix“), betrifft Art. 1843-4 Code civil die sachverständige Wertfeststellung durch einen Dritten („valeur“). 212 In Wirklichkeit werden beide Mechanismen im Grundsatz nach denselben Regeln behandelt. Die Gleichbehandlung beginnt mit einer einheitlichen Terminologie. 213 Präjudizien zu der einen Vorschrift werden im Zusammenhang mit der anderen verarbeitet. 214 Zudem wird der Dritte bei beiden Vorschriften auf dieselbe Weise als gemeinsamer Vertreter der Parteien konzeptualisiert. 215 Schließlich wird auch im Umgang mit dem AusCarbonnier, JCP 1947,II,3413 (bei Dauerschuldverhältnissen sei eine Anpassung der Unwirksamkeit vorzuziehen); offenbar enger Schlosser, RIPS, Rn. 23. 208  Cass. civ. 2e 5.4.2001 – n° de pourvoi 99-13.310 (Legifrance). 209  Zusammenstellung bei Moury, Nr. 12.51 ff.; Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 64. 210  Ein Überblick zu dieser Norm in deutscher Sprache findet sich neuerdings bei Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77 (2013), 693 ff. 211  Moury, Nr. 11.12; Antonmattei/Raynard, Nr. 127. 212 Bestätigt wird dieser Eindruck bei Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 206. 213  Wie auch der Schiedsgutachter weder im BGB noch in der ZPO erwähnt wird, gilt auch die Teminologie des Code civil als unbefriedigend. Der Dritte sei weder Schiedsrichter („arbitre“, Art. 1592) noch gerichtlicher Sachverständiger („expert“, Art. 1843‑4), siehe unten § 3 A.II.2.a) (S. 105). Vielmehr wird er als tiers évaluateur oder als tiers estimateur, teils auch, dann aber untechnisch, als expert bezeichnet, ein Vertrag, der einem Dritten ein Bestimmungsrecht einräumt, à dire d’expert. 214  Siehe beispielsweise zur Frage der gerichtlichen Ersetzung einer unverbindlichen ­Bestimmung die beiden zu Art. 1843-4 Code civil ergangenen Urteile Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243 und Cass. civ. 1re 25.1.2005 Bull. civ. I, Nr. 49, die ohne Schwierigkeiten auch im Zusammenhang mit Art. 1592 Code civil zitiert werden, so etwa bei Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 84; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 205 Fn. 22 f. 215  Von einer „identité de nature“ spricht Moury, Nr. 31.91. Ausführlich unten § 3 A.II.2.a) (S. 106 ff.), dort auch zu differenzierenden Ansichten.

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bleiben 216 oder der Fehlerhaftigkeit 217 einer Drittbestimmung von denselben Grundsätzen ausgegangen. Preisbestimmung und Wertfestsetzung werden nicht etwa kategorial unterschieden, sondern miteinander in Beziehung gesetzt. Zwischen dem Dritten des Art. 1843-4 Code civil und demjenigen des Art. 1592 Code civil bestünden offenkundige Ähnlichkeiten– schließlich vertrauten die Parteien beiden die Bestimmung des Preises an.218 Symptomatisch dafür ist etwa folgende Äußerung der Cour de cassation in einem zu Art. 1592 Code civil ergangenen Urteil: „qu’il importe peu que les contractants aient employé l’expression valeur au lieu de celle de prix, l’estimation de la valeur d’une part cédée étant précisement son prix“. 219

Der von dem Dritten zu bestimmende Preis wird in dieser Formulierung mit dem Wert der verkauften Gesellschaftsanteile gleichgesetzt. Im Schrifttum heißt es zudem, dass der Tätigkeit des mit der Preisbestimmung betrauten Dritten kein voluntatives Element eigne; seine Aufgabe sei technischer Natur und auf eine Festsetzung gerichtet, die objektiv und frei von Willkür sei. 220 Wert­ ermittlung und Preisbestimmung werden synonym verwendet.221 All das darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, der Dritte habe bei Art. 1592 Code civil stets die Aufgabe, den objektiven Wert der Leistung festzustellen. Darin läge ein Rückfall in überwundene Vorstellungen vom iustum pretium; Preis im Sinne von Art. 1583 Code civil ist vielmehr der Betrag, den die individuellen Parteien in ihrer individuellen Situation als angemessen vereinbaren. 222 Erkennt der Dritte – aufgrund ausdrücklicher Vorgaben der Parteien oder aus den Umständen des Geschäfts –, dass die Kaufsache nicht zu ihrem objektiven Wert verkauft werden sollte, so hat er diese Vorgaben und Umstände in seiner Bestimmung zu berücksichtigen. 223 Fehlen ihm indes derartige Anhaltspunkte, bleibt ihm nichts anderes übrig, als einen vernünftigen, objektiv angemessenen Wert zu ermitteln.224 Für die Frage nach einer Differenzierung zwischen Gestaltungs‑ und Feststellungsentscheidungen ergibt sich daraus, dass der Dritte bei Art. 1592 Code civil nicht immer lediglich Feststellungen trifft. Wenn sich aber seine Aufgabe darauf beschränkt, folgt daraus keine Änderung der Rechtsnatur seiner Aufgabe oder der anwendbaren Regeln.

216 

Dazu unten § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.). Cadiet, FS Guyon, S. 158. Dazu unten § 14 C.II.2. (S. 678 ff.). 218  Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 66 („analogies assez évidentes“). 219  Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444. 220  Moury, Nr. 42.131; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 27 („essentiellement factuelle“). 221  Cohen, Nr. 343. 222  Siehe bereits Pothier, Vente, Nr. 20. 223  Moury, Nr. 32.23. 224  Moury, Nr. 32.23. 217 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Dies wird besonders deutlich in einer neueren Entscheidung zu einem Preis­ anpassungsmechanismus in einem Unternehmenskaufvertrag. Darin betont die Cour de cassation, dass Art. 1592 Code civil auch dann einschlägig ist, wenn der Dritte – hier eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – lediglich bestimmte Tatsachen festzustellen hat und die Parteien selbst schon vereinbart haben, welche Folgen das Vorliegen dieser Tatsachen haben soll.225 Auch die Schadensermittlung durch Sachverständige, die dann die Grundlage eines Entschädigungsanspruchs bilden soll, wird bisweilen nach Art. 1592 Code civil behandelt226 – aus deutscher Sicht ein typischer Fall des feststellenden Schiedsgutachtens. Bereits Domat hat die Bestimmung des Kaufpreises oder des Mietzinses in einem Atemzug mit der Feststellung der Qualität eines Werkes oder von Gewinnanteilen eines Gesellschafters erwähnt.227 Die Tatsache, dass Art. 1592 und Art. 1843-4 Code civil gemeinsam die Grundlage des Schiedsgutachtenrechts bilden, ist auch deshalb bemerkenswert, weil beide Vorschriften in einem unterschiedlichen Kontext zum Einsatz kommen. Dies soll hier kurz dargestellt werden, da es im Folgenden immer wieder von Bedeutung sein wird: Während Art. 1592 Code civil in der klassischen Situation einer freiwilligen Übertragung der Bestimmungsbefugnis an einen Dritten relevant wird, kann die Drittbestimmung des Art. 1843-4 Code civil von einer Partei einseitig erzwungen werden. Dieser Unterschied erklärt sich aus der ratio legis von Art. 1843-4 Code civil: Diese Vorschrift kommt dann zum Zuge, wenn eine unfreiwillige Übertragung von Gesellschaftsanteilen ansteht. 228 Sie soll den Inhaber des Abfindungsanspruchs davor schützen, seine Anteile für 225  Cass. com. 16.2.2010 Bull. civ. IV, Nr. 39 („une disposition contractuelle doit être qualifiée de clause de fixation de prix au sens de l’article 1592 du Code civil, si elle confère au tiers qu’elle désigne, le pouvoir de fixer à la place des parties par une décision définitive un élément du contrat liant les parties“); Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507. Früher schon Cass. civ. 1re 15.5.2008 Bull. civ. I, Nr. 130; Cass. com. 2e 8.4.1999 Bull. civ. II, Nr. 67; Cass. com. 26.6.1990 Bull. civ. IV, Nr. 197. 226  Cass. req. 14.8.1860 D.P. 1861,1,61: Sachverständige sollten die Wertminderung eines Grundstücks feststellen, über das eine Eisenbahntrasse gebaut werden sollte. 227  Domat, I, I, III, XI (S. 26). 228 Art. 1843-4 Code civil greift immer dann ein, wenn die Voraussetzungen einer gesetzlichen Rückkaufs‑ oder Abtretungspflicht erfüllt sind. Er ist aber nach der neueren, nicht unumstrittenen Rechtsprechung der Cour de cassation darüber hinaus auch dann einschlägig, wenn es sich um eine satzungsmäßige Pflicht (Cass. com. 5.5.2009 Bull. civ. IV, Nr. 61; dazu Moury, Nr. 12.67 f.) oder eine Nebenabrede der Gesellschafter (so die überwiegende Deutung von Cass. com. 4.12.2012 Bull. civ. IV, Nr. 223) handelt. Auch in diesem Fall geschehe die Übertragung nicht freiwillig, und deshalb müsse auch hier der Schutz des Art. 1843-4 Code civil gewährt werden. Ausführlich zum Anwendungsbereich Gaudemet, Bull. Joly Soc. 2013, 521 ff. (§ 110c5); Le Nabasque, Bull. Joly Soc. 2009, 1018 ff. (§ 206); Moury, Rev. Sociétés 2009, 503, 507 ff. Als weitere Voraussetzung fordert Art. 1843-4 Code civil einen Streit (contestation) über den Wert der Anteile. Schwer nachvollziehbar ist, warum hierin ein taugliches Abgrenzungsmerkmal liegen kann, wenn auch beim Kaufvertragsschluss die Parteien über den Preis uneins sein können, anders aber Moury, Nr. 11.12.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

eine zu niedrig bemessene Gegenleistung abgeben zu müssen. 229 Zugleich wird damit sichergestellt, dass nicht eine unkooperative Partei die Transaktion insgesamt lahmlegen kann. 230 Deshalb hält die Cour de cassation den Dritten  – anders als bei Art. 1592 Code civil – auch nicht für verpflichtet, satzungs­ mäßig vereinbarte Bewertungsmethoden zu beachten. 231 Beide Vorschriften stehen in einem Verhältnis der Exklusivität: Nur wenn die besonderen Voraussetzungen des Art. 1843-4 Code civil vorliegen, ist diese Vorschrift einschlägig; andernfalls bleibt es bei Art. 1592 Code civil, der also auch für die freiwillige Ver­äußerung von Gesellschaftsanteilen zur Anwendung kommen kann. 232 Kompliziert wird dies Exklusivitätsverhältnis freilich dadurch, dass es zur Disposition der Parteien stehen soll. Mit anderen Worten ist es Parteien auch außerhalb der Voraussetzungen des Art. 1843-4 Code civil gestattet, ihre freiwillige Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zu einem sachverständig festgesetzten Wert dieser Vorschrift zu unterstellen.233 In der Vergangenheit sollen derartige Vereinbarungen nicht ganz selten gewesen sein, teils weil die Parteien schlichtweg dachten, die Spezialnorm gelte für alle Anteilsübertragungen, teils weil sie sich von deren Anwendung erhofften, der in Art. 1592 Code civil vorgesehenen misslichen Folge einer Unwirksamkeit im Fall des Ausbleibens der Bestimmung („il n’y a point de vente“) zu entgehen.234 Seit aber die Cour de cassation zweifelsfrei erklärt hat, dass der Dritte bei Art. 1843-4 Code civil nicht an die Satzungsvorgaben der Parteien gebunden ist, wird den Parteien, die sich dieser Vorschrift angesichts ihres zwingenden Charakters nur in toto unterstellen dürfen, von einer derartigen Vertragsgestaltung abgeraten.235 Stattdessen sollten sie, was zulässig ist, die ungeliebte Rechtsfolge des Art. 1592 Code civil modifizieren. 236 An dem Spannungsverhältnis dürfte sich erst nach einer Reform des Art. 1843-4 Code civil etwas ändern, die diese von französischen 229  Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36; Cass. com. 5.5.2009 Bull. civ. IV, Nr. 61; Moury, Nr. 12.21 m.w.N.; Caffin-Moi, Nr. 216; Gautier, RTD civ. 2009, 548, 549. 230  Moury, Nr. 12.21 m.w.N., 13.11. Der Dritte sei eine Art „instrument légal“ zur Wertfestsetzung. 231  Cass. com. 5.5.2009 Bull. civ. IV, Nr. 61; Moury, Nr. 32.151 ff. m.w.N.; kritisch Caffin-Moi, Nr. 223; Lucas, FS Tricot, S. 707 ff.; Viandier, JCP E 2012, 1395; Mortier, Dr. sociétés 2013, Nr. 41 (mit Überblick über die neuere Rechtsprechung, die allenfalls für die satzungsmäßige Vorgabe des Bewertungsstichtags eine Ausnahme zuzulassen scheint). Ob der Dritte Vorgaben einer Gesellschaftervereinbarung beachten muss, gilt als ungeklärt, siehe Couret, D. 2011, 1390, 1391; Tricot et al., S. 20. 232  Moury, Nr. 13.11, 13.21; Caffin-Moi, Nr. 216; Cadiet, FS Guyon, S. 159. Beispiel: Cass. com. 26.2.2013 JCP E 2013, 1340 (Kaufpreisanpassung beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen, ohne dass die Parteien auf Art. 1843-4 Code civil Bezug genommen haben). 233  Cass. com. 4.11.1987 Bull. civ. IV, Nr. 226; Ghestin, Formation, Nr. 696; Caffin-Moi, Nr. 217; Niggemann, S. 63; kritisch Couret, FS Bouloc, S. 252; Dondero, FS Tricot, S. 648 ff.; Moury, Rev. Sociétés 2009, 503, 512. 234  Moury, Nr. 13.31 f.; Niggemann, S. 63. 235  Testu, Nr. 42.29; Moury, Nr. 13.63; Gaudemet, Bull. Joly Soc. 2013, 521, 527 (§ 110c5). 236  Moury, Nr. 13.63.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Juristen überwiegend vehement kritisierte Rechtsprechung237 korrigiert und den Dritten verpflichtet, Parteivorgaben zur Bewertung zu beachten. Mit Gesetz vom 3.1.2014 hat der französische Gesetzgeber den Weg dafür freigemacht, dass die Regierung im Verordnungswege eine Gesetzesänderung in diese Richtung vornehmen darf. 238 Neben diesen Anknüpfungspunkten im Gesetz hat sich noch das Instrument der expertise amiable (im Gegensatz zum gerichtlichen Sachverständigengutachten, der expertise judiciaire) herausgebildet. Es handelt sich dabei um ein von den Parteien eingeholtes Sachverständigengutachten, das in der Regel Tatsachenfragen, etwa die Ermittlung der Schadenshöhe im Versicherungsrecht durch medizinische Gutachten oder Bewertungen im Gesellschaftsrecht, 239 betrifft. 240 Doch während das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen nie bindet, 241 können die Parteien, gestützt auf die Generalklausel des Art. 1134 Code civil, vereinbaren, dass sie an die Feststellungen des Sachverständigen gebunden sind. 242 Zur Klarstellung wird dann häufig ergänzt, dass es sich um eine expertise irrévocable handele. 243 Derartige Abreden sollen in der Praxis in großer Zahl vorkommen. 244 Eine eher formale Sicht will diese Gutachten nicht unter Art. 1592 Code civil fassen, weil diese Norm das Zustandekommen des Vertrages, nicht die Durchführung eines wirksam geschlossenen Vertrages betreffe. 245 Gleichwohl wird die expertise amiable im Grundsatz denselben Regeln unterworfen wie die Festsetzung des Kaufpreises und in der Regel mit 237 Exemplarisch Viandier, JCP E 2012, 1395: „On n’est pas loin de l’absurde: dans les deux cas, il s’agit d’évaluer des droits sociaux, mais, selon le numéro de l’article choisi, l’expert sera souverain ou non.“ 238 Art. 3 Nr. 8 loi n° 2014–1 du 2 janvier 2014 habilitant le Gouvernement à simplifier et sécuriser la vie des entreprises: „Dans les conditions prévues à l’article 38 de la Constitution, le Gouvernement est autorisé à prendre par ordonnances toute mesure relevant du domaine de la loi afin de: … Modifier l’article 1843-4 du code civil pour assurer le respect par l’expert des règles de valorisation des droits sociaux prévues par les parties“. 239  Für Beispiele siehe die Nachw. in Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 23; ders., Rev. arb. 2005, 1049, 1057 ff.; Dumont/Goyet, Gaz. Pal. 2008, 748 ff.; sowie Cass. com. 16.2.2010 Bull. civ. IV, Nr. 39 (Preisanpassung beim Unternehmenskauf); Cass. civ. 1re 15.12.2010 Bull. civ. I, Nr. 260 (Festsetzung von Verkaufszielen im Automobilhandel); Cass. civ. 19.1.1942 Gaz. Pal. 1942,I,153 (Rücknahme eines Autos zu dem von einem Dritten zu bestimmenden Zeitwert). 240  Jarrosson, Nr. 208 ff. 241  Dass die expertise judiciaire für das Gericht nicht verbindlich ist, ergibt sich aus den Art. 263 ff. Code de procédure civile. 242  Jarrosson, Rev. arb. 2005, 1049, 1060 ff.; ders., Rev. arb. 2001, 5, 17 f.; Billemont, Rev. arb. 2011, 437 ff.; Habscheid, FS Kralik, S. 193; Niggemann, S. 71; Schlosser, RIPS, Rn. 23; gegen eine Bindungswirkung Cadiet, FS Guyon, S. 156. 243  Siehe die Beiträge in Gaz. Pal. 2008, 745 ff. 244  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 25; Dumont/Goyet, Gaz. Pal. 2008, 748, 751; anders offenbar Niggemann, S. 71. 245  Moury, Nr. 11.31; Jarrosson, Nr. 216; ders., Rev. arb. 2005, 1049, 1069. A.A. Oppetit, FS Goldman, S. 231 f.

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ihr in einem Atemzug genannt. 246 Ein Unterschied liegt freilich auf der Hand: Da der Vertrag bereits wirksam geschlossen wurde, kann das Scheitern der expertise amiable nicht dessen Unwirksamkeit zur Folge haben. 247 Wegen dieses Gleichlaufs muss sie im Folgenden nur dort eigens herausgestellt werden, wo sie Besonderheiten aufweist. In gewisser Weise spiegelt sich in diesem Vorgehen auch die dominante Stellung der Art. 1592, 1843-4 Code civil gegenüber der expertise amiable in den Problembehandlungen durch französische Juristen wider.

b) Englisches Recht Wie in Frankreich fehlt auch im englischen Recht eine allgemeine gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmung durch einen Dritten. Eine punktuelle Regelung ist in s. 9 des Sale of Goods Act für die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten zu finden. 248 Entsprechend uneinheitlich ist die Terminologie. Das Schiedsgutachten wird als „valuation“, „appraisement“, „certification“ bezeichnet; in neuerer Zeit setzt sich jedoch mehr und mehr der Ausdruck „expert determination“ durch. 249 Systematisch eingeordnet wird das Schiedsgutachten, unabhängig von seinem Gegenstand, im Vertragsrecht.250 Lord Denning brachte es auf die griffige Formel: „It is simply the law of contract.“251 Es kann in allen Phasen eines Vertrages eine Rolle spielen, vom Vertragsschluss über die Vertragsanpassung bis zur Vertragsdurchführung. 252 Sein Zweck liegt, wie in Deutschland auch, unter anderem in der Vermeidung von Streit. 253 Zentral für die Phase des Vertragsschlusses sind Bewertungen Dritter, die für die Preisfestsetzung relevant sind. Praktische Verbreitung haben Schiedsgutachtenklauseln hier vor allem, aber keineswegs ausschließlich bei Grund-

246 

Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 17 f., 22; Billemont, Rev. arb. 2011, 437, 438 mit Fn. 6 („La distinction demeure cépendant théorique“); Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507. In den in Gaz. Pal. 2008, 745 ff. dokumentierten Kolloquiumsbeiträgen scheint die expertise irrévocable als Oberbegriff zu den Festsetzungen nach den Art. 1592, 1843-4 Code civil gebraucht zu werden. 247  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 24; Dumont/Goyet, Gaz. Pal. 2008, 748, 751. 248  Zu dieser Vorschrift siehe unten § 4 D.II.3.b) (S. 247 ff.). Die adjudication des Housing Grants, Construction and Regeneration Act 1996 stellt ein nur vorläufig verbindliches Schiedsgutachten dar, das hier ausgeklammert bleiben soll. 249  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 1.1.5 ff.; Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑34 ff.; Born, S. 223 ff.; Sutton/Gill/Gearing, Rn. 1‑012; Weick, FS Coing II, S. 552. 250  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 1.2.2; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.11 f.; Borowsky, S. 52. 251  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407. 252  Borowsky, S. 53. Einen Überblick über die Vielfalt der Einsatzgebiete des Schiedsgutachtens geben Kendall/Freedman/Farrell, Kap. 2 ff.; Borowsky, S. 58 ff. 253  Lewison, Rn. 14.07; Mark, S. 105; Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1–34 („referral of a dispute to an independent third party“).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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stücksgeschäften und beim Unternehmenskauf. 254 Die englischen Gerichte unterscheiden hier nicht zwischen einer gestaltenden Preisbestimmung und einer Wertfeststellung. So wurden in Fällen, in denen der Sachverständige den Wert des Kaufgegenstandes ermitteln sollte, 255 nicht anders behandelt als Fälle, in denen eine Leistungspflicht auszufüllen war. 256 Schon in einer der frühen Entscheidungen zu diesem Rechtsbereich zeigt sich dieser fließende Übergang: Der Dritte hatte in dem Fall die Aufgabe „to fix the price“. Dieser Aufgabe kam er nach, indem er „with the assistance of surveyors, framers, workmen, &c. calculated the real value of the estate [and] adjudged the same at £ 660“. 257 Gestaltungsentscheidung und Feststellungsentscheidung treffen sich in der Regel in der Vorstellung, dass die Entscheidung des Dritten „fair“ oder „reasonable“ sein muss, 258 was dann häufig einer Wertermittlung gleichkommt. Es wird dann offenkundig als selbstverständlich unterstellt, dass ein Dritter, der einen Kaufpreis festzusetzen hat, den Wert des Kaufgegenstandes ermitteln soll. 259 Im Bereich der Vertragsänderung spielt besonders die Mietzinsanpassung (rent review) eine Rolle. Sie wäre nach deutscher Vorstellung Gestaltung; allerdings kann die Anpassungsklausel auch so gefasst sein, dass der Dritte eine Vergleichsmiete festzustellen hat. 260 Ein rechtlich relevanter Unterschied ergibt sich daraus nicht. In der Vertragsdurchführung schließlich dominieren feststellende Entscheidungen eines Dritten. 261 Hier geht es häufig um technische Bewertungsfragen, etwa in der Bilanzierung. 262 Allerdings wird die Qualitätsarbitrage, die in Deutschland einen Fall des feststellenden Schiedsgutachtens bildet, überwiegend der Schiedsgerichtsbarkeit zugeschlagen.263

254 

Kendall/Freedman/Farrell, Kap. 3. Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 535 (Veräußerung eines Unternehmens zu dessen von Sachverständigen zu ermittelnden Wert); Smith v. Peters (1875) L.R. 20 Eq. 511 (Kauf von Gaststättenzubehör „at a fair valuation to be made by Mr. Lound“); Firth v. Midland Railway Co. (1875) L.R. 20 Eq. 100 (Ermittlung von Baukosten durch Sachverständige, die dann die eine Partei an die andere zu zahlen hat). 256  Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106 (Bepflanzung einer Insel mit von einem Dritten auszuwählenden Pflanzen); Clarke v. Westrope (1856) 139 Eng. Rep. 1582 = 18 C.B. 765 („purchase … all the straw from the crops now stacked or about to be stacked in the yard, paying a fair price for the same, to be ascertained by valuers on both sides“). 257  Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318 = 3 Kenyon 87. 258  Siehe unten § 4 C.I.1.b) (S. 192 f.). 259  Deutlich wird dies z.B. bei Jones/Goodhart, S. 194. 260  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 2.3.1. 261  Blake/Browne/Sime, Rn. 21.09; Borowsky, S. 57 f. 262  Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1–34. 263  Borowsky, S. 58. 255 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Schon dieser kurze Überblick über die expert determination belegt, dass gestaltende und feststellende Entscheidungen Dritter einer einheitlichen Betrachtung unterzogen werden. Dass im Einzelfall – etwa bei Preisbestimmungen und Wertfestsetzungen – aus Sicht des deutschen Rechts durchaus schwierig erscheint, einen Sachverhalt der einen oder der anderen Kategorie zuzuschlagen, hat sich in den Urteilen englischer Gerichte nicht niedergeschlagen.

c) Feststellungen (nur) durch Schiedsgerichte? Nicht haltbar erscheint vor diesem Hintergrund die Ansicht Bert Rauschers von der Sonderstellung des deutschen Rechts in diesem Bereich. Zwar stellt auch er fest, dass in vielen Rechtsordnungen eine Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten unbekannt sei. 264 Den Aufgabenbereich des feststellenden Schiedsgutachtens zögen diese Rechtsordnungen in die Schiedsgerichtsbarkeit. 265 Zwar trifft es zu, dass in manchen Rechtsordnungen Schiedsgerichte mit der Tatsachenfeststellung betraut werden können. Ein Beispiel dafür ist das schwedische Recht, in dem gestützt auf die Privatautonomie einem Schiedsgericht auch die isolierte Tatsachenfeststellung übertragen werden kann, so dass sich offenbar kein eigenständiges Schiedsgutachtenrecht herausgebildet hat. 266 Jedoch ist keineswegs zwingend, dass dort, wo Schiedsgerichte Tatsachenfeststellungen übernehmen können, kein feststellendes Schiedsgutachten existiert. 267 Im niederländischen Recht existieren etwa Seite an Seite der drittbestimmte Feststellungsvertrag268 und die isolierte Feststellung von Tatsachen durch ein Schiedsgericht269. Und nur weil Rechtsprechung und Lehre in England und Frankreich nicht in demselben, nahezu hypertrophen Maße wie die deutsche Literatur die Abgrenzung beider Typen von Schiedsgutachten problematisiert, folgt daraus, wie gesehen, nicht, dass sich diese Abgrenzung in den dort zu entscheidenden Fallgestaltungen funktional nicht vornehmen ließe. In beiden soeben näher betrachteten Rechtsordnungen existiert, wie gesehen, ein feststellendes Schiedsgutachten neben dem gestaltenden Schiedsgutachten, dessen Regelungsregime es teilt. Allein um diese Erkenntnis geht es hier. Auf die 264 

B. Rauscher, S. 166. B. Rauscher, S. 166 f. Für die etwa zum englischen Recht als einziges Beispiel genannte Qualitätsarbitrage trifft dies freilich zu. 266  Stolle, S. 91 f. 267  Wie hier Schlosser, RIPS, Rn. 23 ff. 268  Siehe oben bei Fn. 200. 269 Art. 1020 Abs. 4 der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) bestimmt, dass durch Vereinbarung die alleinige Feststellung der Eigenschaften oder des Zustands einer Sache (lit. a) oder die alleinige Bestimmung der Höhe eines Schadens oder einer Geldschuld (lit. b) einem Schiedsverfahren unterworfen werden kann. Art. 1020 Abs. 4 lit. a erfasst damit auch die Qualitätsarbitrage. Art. 1020 Abs. 4 lit. c macht die Ergänzung oder Anpassung eines Rechtsverhältnisses zum tauglichen Gegenstand einer Schiedsvereinbarung. 265 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Frage, ob darüber hinaus eine Feststellungsentscheidung auch einem Schiedsgericht überlassen werden kann, ist später zurückzukommen.270

4. Gemeinsamkeiten aus dogmatischer Perspektive Wollte man Gestaltungs‑ und Feststellungsentscheidungen Dritter kategorial unterscheiden, müsste nicht nur auf dem Papier, sondern auch im praktischen Einzelfall eine trennscharfe Abgrenzung möglich sein. Trotz der Fülle an Abgrenzungskriterien, die dafür angeboten werden, erweist sich eine Differenzierung indes als schwieriges und im Ergebnis auch unnötiges Unterfangen. Denn erstens liegen beide Typen von Schiedsgutachten funktional näher als der mit Hilfe der Abgrenzungskritierien aufgebaute Kontrast vermuten lässt. Zweitens lässt sich auch die Feststellungsentscheidung eines Dritten als Vertragsergänzung konzeptualisieren und damit in ein einheitliches Modell der Delegation von Privatautonomie einordnen.

a) Funktional vergleichbare Aufgaben Die oben vorgestellten Beispiele haben bereits den Blick auf mögliche Grenzfälle gelenkt. Sie zeigen, dass die Übergänge zwischen Gestaltung und Feststellung fließend sind. 271 Ob beispielsweise der Dritte einen Mietzins im Hinblick auf geänderte wirtschaftliche Bedingungen neu bestimmen oder eine ortsübliche Vergleichsmiete feststellen soll, die die Parteien als neuen Mietzins im Fall geänderter Umstände vereinbart haben, ist funktional kaum auseinanderzuhalten. 272 Um ein anderes Beispiel zu wählen: Ob der Dritte den Inhalt eines Abfindungsanspruchs bestimmen oder die Höhe eines Auseinandersetzungsguthabens errechnen soll, 273 dürfte aus Sicht der Parteien, auf deren Willen es für die Einordnung ihrer Vereinbarung maßgeblich ankommen muss, 274 nahezu austauschbar sein. Der Wortwahl der Parteien dürfte wenig Aussagewert zukommen. 275 Ob die Parteien die Bestimmung des Kaufpreises einem Dritten überlassen oder einen angemessenen Kaufpreis als geschuldet vereinbaren und die Feststellung dessen, was angemessen ist, einem Dritten übertragen, wird in ihrem Vorstellungsbild dasselbe bedeuten.276 Parteien, die einem Dritten die Be270 

Siehe unten § 16 B.III.2.b) (S. 789 ff.). Eine strukturelle Nähe erkennen auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 (§ 12 IV 1); Wenger, S. 157. Deutlich im Sinne einer Gleichbehandlung aufgrund der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung jetzt auch BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1455 f. 272  Beispiel bei Greger/Stubbe, Rn. 86; Wittmann, S. 138; Sonntag, S. 68. 273  Siehe einerseits BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335; andererseits BGH v. 14.2.2005 DNotZ 2005, 709; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506. 274  Wittmann, S. 138; Joussen, S. 59; Bulla, NJW 1978, 397, 400. 275 A.A. Joussen, S. 59. 276 Ebenso Wittmann, S. 138; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 869. Siehe auch Habersack/ Tröger, DB 2009, 44, 45, die die Tätigkeit des Schiedsgutachters, der zur Preisanpassung beim 271 

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

stimmung des Kaufpreises überlassen, werden – wie dies auch schon der Blick nach England und Frankreich gezeigt hat – in aller Regel erwarten, dass sich der Dritte am Wert der Sache orientiert. 277 Ein markanter funktionaler Unterschied besteht in diesen Fällen nicht. 278 Auf diese funktionale Nähe, die durchaus auch Anhänger einer klaren Trennung anerkennen, 279 wird nun erwidert, dass sich beide Fälle in einem wesentlichen Punkt unterschieden: Der gestaltende Dritte vervollständige den Inhalt eines lückenhaften Schuldverhältnisses, der feststellende Dritte helfe bei der Erfüllung eines vollständigen Schuldverhältnisses.280 Demgemäß übe der feststellende Schiedsgutachter auch eine andere Funktion aus, da er in erster Linie die (schieds‑)richterliche Aufgabe einer Streitentscheidung wahrnehme. 281 Mit diesem Gegensatz korrespondiert wiederum die Dichotomie von Regelungsstreit und Rechtsstreit. Freilich belegt doch gerade dieses Begriffspaar, dass im Kern der Dritte in beiden Fällen eine Meinungsverschiedenheit oder Einigungsschwierigkeit der Parteien beilegen soll. 282 Rechtsstreit und Regelungsstreit dürften ohnehin mehr nützliche Denkmuster als juristische Kategorien, an die sich Rechtsfolgen knüpfen lassen, darstellen. Der Begriff der Rechtsstreitigkeit im Sinne der ZPO und von § 13 GVG ist ohnehin weiter und kann auch die gestaltende (Ersatz‑)Leistungsbestimmung nach den §§ 315 ff. BGB umfassen. 283 Rechtsstreitigkeiten lassen sich zudem in Regelungsstreitigkeiten überführen, indem sie zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht werden. 284 Das Prozessrecht liefert dafür mit der Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) oder dem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts (§ 278 Abs. 6 ZPO) den institutionellen Rahmen. Vor allem aber ergibt sich daraus, ob ein Vertragsinhalt objektiv unbestimmt und deshalb den Parteien unbekannt oder aber zwar objektiv bestimmt, aber subjektiv ungewiss und deshalb den Parteien unbekannt ist, keine maßgebliche Änderung der Inter-

Unternehmenskauf eine Stichtagsbilanz aufstellen soll, als vertragsergänzend ansehen, da aufgrund seiner Feststellungen der Kaufpreis „reflexartig“ festgelegt werde. 277  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 296 f.; Pinckernelle, S. 14. 278  So auch Wittmann, S. 139; Sieveking, S. 423; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 869. Siehe auch Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17, der die Leistungsbestimmung als Regelungstätigkeit ansieht: „Ich brauche hier nicht auszuführen, wie sich aus der Figur des die Leistung bestimmenden Dritten sowohl der Schiedsgutachter als auch der Schiedsrichter entwickeln lassen.“ Auch NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 14. 279  Schwierigkeiten einer trennscharfen Abgrenzung räumt ein Joussen, S. 58. 280  Habscheid, KTS 1957, 129, 132; Joussen, S. 60. 281  Habscheid, KTS 1957, 129, 132. 282  So auch Habscheid, FS Lehmann II, S. 796; Greger/Stubbe, Rn. 11; ­R ieble, S. 73 ff. Genau umgekehrt Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 869 (in beiden Fällen kein Streit). 283  Siehe z.B. Musielak/Voit, § 1029 Rn. 15; Kröll, S. 51 f. 284 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 120; Bötticher, FS Lent, S. 103; gegen einen scharfen Gegensatz auch Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 71.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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essenlage. 285 Deutlich wird das vor allem dann, wenn man mit Weismann den Auftrag an den Dritten, einen Kaufpreis nach billigem Ermessen zu bestimmen, ohnehin so übersetzt, dass der Dritte den Wert der Kaufsache schätzen möge. 286

b) Der Einfluss des Entscheidungsmaßstabs: Billiges Ermessen und Richtigkeit Damit richtet sich der Blick auf den Entscheidungsmaßstab des Dritten. Mit den unterschiedlichen Aufgaben des Dritten bleibt offenbar ein unterschiedlicher Entscheidungsmaßstab verknüpft: Während die Gestaltung nach billigem Ermessen geschehen soll, wird von dem feststellenden Schiedsgutachter eine richtige Entscheidung erwartet. 287 Ergibt sich nun hieraus ein Differenzierungsgrund, der die Erstellung eines feststellenden Schiedsgutachtens aus dem Untersuchungsgegenstand herausfallen lässt, weil die korrekte Ermittlung einer Tatsache eben doch etwas anderes ist als die „Gestaltung eines Rechtsverhältnisses“288? Dazu ist zunächst kurz auf einen Streit einzugehen, der sich um die Wendung „billiges Ermessen“ entsponnen hat. In der Kombination der Billigkeit mit dem Ermessensbegriff ließe sich ein Widerspruch in sich selbst erkennen, wenn das billige Ermessen in seine Bestandteile zerlegt würde und der unbestimmte Rechtsbegriff289 der Billigkeit generell eine einzige billige Lösung erlaubt. 290 Dann stünde auf der einen Seite das Ermessen, das einen Entscheidungsspielraum gewährt, auf der anderen Seite ein Begriff, der eine Wahlmöglichkeit ausschließt. Wer diesen Widerspruch zugunsten der Billigkeit auflöst, führt damit das Ermessen auf das Finden der einzig billigen Entscheidung zurück. 291 Wer hingegen das Ermessen stärker betont, 292 bewahrt den Spielraum, nimmt aber in Kauf, dass auch unbillige, weil nicht mit der einzig billigen Entscheidung übereinstimmende, Drittbestimmungen wirksam sein können. 293 285  Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 869; Pinckernelle, S. 14. Siehe jetzt auch BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1454. 286  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 296 f. 287  Siehe oben § 2 B.II.1. (S. 46 f.). 288  Siehe oben § 1 Fn. 15 Flumes Definition der Privatautonomie. 289  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 29; v. Hoyningen-Huene, S. 41; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707. 290 So v. Hoyningen-Huene, S. 22, 41 ff.; M. Wolf, S. 185; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 458 ff.; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707. 291  So dezidiert v. Hoyningen-Huene, S. 41 ff. m.w.N.; Kornblum, AcP 168(1968), 450, 463. 292 Vgl. Esser, S. 18. 293  Zu dieser letztgenannten Konsequenz Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 288 (§ 12 II 5 c). Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707 vermeidet sie, indem er „Billigkeit“ „nicht wörtlich“ auffasst.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Von Interesse ist hier die erste, maßgeblich von Kornblum geprägte Ansicht. Sie käme zu dem Ergebnis, dass nur eine einzige Leistungsbestimmung den Anforderungen des billigen Ermessens genügen würde. 294 Dann wäre aber auch im Fall des gestaltenden Schiedsgutachtens der Vertrag nicht lückenhaft. 295 Die Aufgabe des Dritten wäre stets die eines feststellenden Schiedsgutachters: Er müsste nur sachverständig ermitteln, welches Ergebnis die Gebote der Billigkeit hier vorgeben. 296 Er würde – wie dies zuvor für den feststellenden Schiedsgutachter gesagt wurde – nur eine subjektive, keine objektive Ungewissheit ausräumen. 297 Die Vertragsklausel, die ihm seine Aufgabe überträgt, unterschiede sich nicht von einer Klausel, die den Dritten dazu aufruft, die von den Parteien gewollte „angemessene“ Gegenleistung zu konkretisieren. Der Rechtsprechung sind derlei Überlegungen zu einer Zerlegung des billigen Ermessens grundsätzlich fremd. 298 Sie lässt keinen Zweifel daran, dass das billige Ermessen nicht stets nur ein einziges Resultat zulässt und der Bestimmungsberechtigte vielmehr zwischen mehreren Möglichkeiten wählen darf. 299 Entsprechend formuliert die herrschende Ansicht, dass der Maßstab des billigen Ermessens dem Dritten einen gestaltenden Ermessensspielraum gewährt.300 294  Kornblum, S. 96 Fn. 105; ders., AcP 168 (1968), 450, 458, 461; außerdem v. Hoyningen-Huene, S. 42; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 136 f.; Stoffel, S. 114; Göppinger, JJB 9 (1968/69), 86, 106 f. Ob Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137 wirklich auch, wie Kornblum meint, in diesem Sinne zu verstehen ist, erscheint zweifelhaft.   Zustimmen muss man Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 457 f. wohl darin, dass er die Äußerungen des BGB-Gesetzgebers für nicht beweiskräftig in dieser Frage hält. Einerseits heißt es in den Materialien, dass der Dritte die Bestimmung „in die Seele der Kontrahenten“ abgebe und dass er „den Vertragswillen ergänzen“ solle, was für einen Gestaltungsspielraum spreche. Andererseits ist die Rede davon, dass eine Vertragsleistung nicht „unmittelbar bezeichnet“ sei, sondern „nach den im Vertrage enthaltenen Bestimmungen ermittelt“ werden müsse. Das spreche wiederum für eine bloße Feststellung. 295  Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707. 296 Pointiert Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 458, 461. 297  Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 136. 298  Gegen eine Zerlegung z.B. auch Kronke, AcP 183 (1983), 113, 138 m.w.N. 299  BGH v. 4.4.2006 BGHZ 167, 139, 146; BGH v. 19.5.2005 BGHZ 163, 119, 130 m.w.N.; BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845 („Gestaltungsspielraum“); BGH v. 13.3.1985 BGHZ 94, 98, 102 („unter Umständen nicht unbeträchtliche Spanne der Billigkeit“); BGH v. 21.12.1983 BGHZ 89, 206 („der weite Spielraum der Billigkeit“); BGH v. 21.12.1977 WM 1978, 228; BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62; BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 280. Instruktiv auch der, allerdings zu einer steuerrechtlichen Vorschrift ergangene, Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte v. 19.10.1971 NJW 1972, 1411. Aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung siehe die Nachweise bei v. Hoyningen-Huene, S. 41 f. 300 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 299 ff.; ders., S. 112 f.; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 9, § 315 Rn. 19; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 29; Münch­Komm-­Z PO/Prütting, § 287 Rn. 4; Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 39; ders., S. 185; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 223; Joussen, S. 386, 490; M. Stürner, S. 429; C. Wagner, S. 84; H. Eckert, S. 11; Kunkel, S. 23 ff.; Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 629; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 138 f.; Söllner, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Fleischbeschauer-Dienstverhältnis; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707; für Annahme eines Beurteilungs‑ statt eines Ermes-

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Wenn man nun losgelöst von begrifflichen Streitigkeiten um das „billige Ermessen“ auf die Sachfrage blickt und überlegt, ob dieser Entscheidungsmaßstab einen Spielraum einräumt oder nur eine einzige Entscheidung zulässt, leuchtet schon aus praktischen Erwägungen ein, dass ein derartiger Spielraum bestehen muss. Wie soll etwa bei der Kaufpreisfestsetzung der Dritte in der Lage sein, exakt den einen billigen Preis zu treffen?301 Der Rechtsverkehr wird in der Praxis jeden Preis innerhalb einer bestimmten Spanne von Ober‑ und Untergrenze als billig akzeptieren.302 Die Gebote der Billigkeit dienen als Beschränkung des Spielraums des Bestimmungsberechtigten.303 Doch kann der Dritte bis an die Grenzen dieses Spielraums gehen, ohne dass seine Entscheidung unbillig wird.304 Andernfalls wäre jedenfalls bei Entscheidungen einer Partei nach § 315 BGB, die schon bei einfacher Unbilligkeit unverbindlich sind, stets eine gerichtliche Anfechtung zu befürchten.305 Überdies wäre die Bestimmung des § 317 Abs. 2 BGB für divergierende Meinungen innerhalb eines Gremiums sinnlos, wenn es nur eine billige Entscheidung gäbe. Allerdings darf nun aus dem Bestehen eines gestaltenden Spielraums für den leistungsbestimmenden Dritten nicht auf einen Unterschied zum feststellenden Schiedsgutachter geschlossen werden. Denn auch für dessen Feststellung verbleibt trotz des Ideals einer einzigen richtigen Entscheidung in aller Regel ein Beurteilungsspielraum.306 Eine Feststellung, die ohne Wertung getroffen

sensspielraums Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 24. – Einen Spielraum bejaht auch Sonntag, S. 31, allerdings indem er Entscheidungs‑ und Kontrollmaßstab vermengt. Der eingeschränkte Überprüfungsmaßstab des § 319 Abs. 1 BGB besagt nichts über den Entscheidungsmaßstab. 301 Vgl. ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a) zu § 315 BGB; Joussen, S. 386 f. Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 462, 468 erwidert darauf, dass diese Erkenntnisschwierigkeiten nichts an dem rechtsdogmatischen Ausgangspunkt ändern könnten, sondern nur „den Mangel einer Goldwaage“ belegten. Er referiert ein Extrembeispiel, in dem allein die Festsetzung einer Belohnung auf 250 billig, die auf 251 aber unbillig sei. Siehe auch Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706: „Daß bei Zahlen eine geringe Spanne möglich ist, macht noch keinen Ermessensspielraum aus.“ Gerade hier zeigt sich aber – was auch Kornblum auf S. 468 Fn. 116 einräumt –, dass in der Praxis beide Ansichten zu demselben Ergebnis führen werden, mag auch ihr rechtsdogmatischer Ausgangspunkt verschieden sein. 302  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); Büdenbender, NJW 2007, 2945. 303  Söllner, S. 126; Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 38; Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1051 Rn. 54 (Billigkeit lasse sich nicht positiv, sondern nur negativ als Unbilligkeit feststellen). 304  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 30 (beide zu § 315 BGB). 305  ­R ieble, S. 113; Sonntag, S. 43; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 139. – Am Rande bemerkt sei, dass die Theorie der einzig richtigen Entscheidung auch in Schwierigkeiten mit § 1 PrKlG geriete, der für die Zulässigkeit eines Leistungsbestimmungsvorbehalts ja gerade einen Spielraum verlangt, vgl. Kronke, AcP 183 (1983), 113, 143; Röhl, ZZP 86 (1973), 326, 327. 306  So jetzt auch BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1455; aus dem Schrifttum Staudinger/­ Rieble, § 317 Rn. 17; Wittmann, S. 139; v. Thun und Hohenstein, S. 129 ff.; Otte, FamRZ 2006, 309, 310; Röhl, ZZP 86 (1973), 326, 328; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 107.

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werden kann, bedarf in der Regel keines Schiedsgutachters.307 So werden kaum jemals zwei Sachverständige bei einer komplexen Bewertung von Unternehmensanteilen308 oder der Ermittlung von Grundstückswerten oder der ortsüblichen Miete309 zu dem identischen Ergebnis gelangen, ohne dass man deshalb annehmen müsste oder auch nur könnte, einer von beiden hätte ein unrichtiges Gutachten abgegeben.310 Wenn man für die Praxis anerkennen muss, dass ein Schiedsgutachter nicht in der Lage ist, die eine richtige Feststellung zu treffen, so liegt dies nicht an Erkenntnisschwierigkeiten des Schiedsgutachters, an dem von Kornblum angemerkten „Mangel einer Goldwaage“.311 Es ist vielmehr die komplexe und interpretationsbedürftige Realität selbst, die ein solches Unterfangen von vornherein vergeblich erscheinen lässt.312 Die Mission, den angemessenen Preis festzustellen, käme der aussichtslosen313 Suche nach dem iustum pretium, dem gerechten Preis, gleich.314 Der feststellende Schiedsgutachter verfügt somit seinerseits über einen Spielraum. In diesem Rahmen lässt sich durchaus davon sprechen, dass der endgültige Leistungsinhalt objektiv ungewiss ist.315 Im Ergebnis gleichen sich also gestaltender und feststellender Schiedsgutachter auch in dieser Hinsicht. Damit wird nicht jeglicher Unterschied in der Mission des Dritten in Abrede gestellt.316 Die Richtigkeit mag durchaus ein anderer Maßstab sein als die Billigkeit. Entscheidend ist hier allein die Erkenntnis, dass der Dritte in beiden Fällen anstelle der Parteien innerhalb eines gewissen Spielraums entscheidet.317 307 Drastischer Otte, FamRZ 2006, 309, 310: „Schiedsgutachten über Fragen, die ohne Wertung beantwortet werden können, wären so überflüssig wie ein Kropf.“ Nicht überzeugend ist jedoch das Argument von Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 17, wenn es nur eine richtige Feststellung gäbe, bräuchte man den Schiedsgutachter nicht, da an seiner statt sogleich ein Gericht entscheiden könne. Für den Einsatz eines Schiedsgutachters kann es auch noch andere Gründe wie Beschleunigung oder Geheimhaltung geben. 308  Aus englischer Sicht Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 72 („It is a fair approach (not, I emphasise, the only possible fair approach“); allgemein Kreindler/Schäfer/R. Wolff, Rn. 100. 309  BGH v. 21.10.1964 NJW 1965, 150 („daß es in aller Regel sehr schwer ist, die ortsübliche Miete für ein bestimmtes Mietobjekt zu ermitteln, und daß hierüber auch unter den Sachverständigen sehr leicht verschiedene Auffassungen aufkommen können“). 310  Schlosser, Entwicklungsstand, S. 6; v. Thun und Hohenstein, S. 126, 129 ff.; Sieveking, S. 101; siehe auch KG v. 25.11.1933 JRfPrV 1934, 75 zum Sachverständigenverfahren nach VVG: „Ihre Rechtfertigung findet diese Feststellung durch Schätzung darin, daß der entstandene Schaden in sehr vielen Fällen mathematisch genau überhaupt nicht mehr festgestellt werden kann.“ 311  Siehe nochmals oben Fn. 301. 312  v. Thun und Hohenstein, S. 129 f. 313  Canaris, NJW 1987, 609, 613. 314 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 303; M. Stürner, S. 429. 315  Wittmann, S. 137. 316  Eine differenzierende Sichtweise mahnen z.B. an Greger/Stubbe, Rn. 85. 317  Zum Verhältnis von offenbarer Unbilligkeit und offenbarer Unrichtigkeit ausführlich unten § 15 C.II.4. (S. 737 ff.).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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5. Das feststellende Schiedsgutachten als Ergänzung eines Feststellungsvertrags a) Feststellende Schiedsgutachten als Institute des materiellen Rechts Damit ist der Boden bereitet für die dogmatische Einordnung des feststellenden Schiedsgutachtens. Die Rechtsprechung und mit ihr ein Teil des Schrifttums verstehen die feststellenden Schiedsgutachten als Institute des materiellen Rechts.318 Diese Sichtweise war, wie gesehen, bereits im 19. Jahrhundert, ganz vorherrschend.319 In seinem auch heute noch als maßgeblich betrachteten Urteil aus dem Jahre 1919 formuliert das Reichsgericht, wie schon früher, dass mit dem Ausspruch des Dritten die festgestellte Tatsache „für die Parteien maßgebend“ sei.320 Das Ergebnis der Prüfung des Schiedsgutachters sei „als eine Tatsache, die nach ihrer Klarstellung in Parteieneinverständnis beruht, anzuerkennen“.321 In einem anderen Reichsgerichtsurteil aus dem Jahre 1889 heißt es: „Die Entscheidung ist nichts anderes als die Feststellung einer zwischen den Vertragskontrahenten streitigen Thatsache, und damit einerseits die Unterlage einer künftigen richterlichen Entscheidung …, andererseits ein Element des durch 318 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 22; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/ Schütze, § 1025 Rn. 33; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663 ff.; Wittmann, S. 63 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 299 f. (§ 12 IV 4); Kisch, Schiedsmann, S. 17, 102 ff.; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 310 ff.; K. P. Berger, FS Briner, S. 81 f.; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 21; Wangner, S. 32; Meckenstock, S. 12; Michalski, NZG 1998, 7, 11; P. Gottwald/Reichenberger/P. Wagner, NZV 2000, 6, 7; Gehrlein, VersR 1994, 1009; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; anders Greger, ZKM 2013, 43, der den Schiedsgutachter zwar „in einem Niemandsland zwischen materiellem Recht und Prozessrecht“ agieren sieht, seine rechtliche Regelung aber der Vertragspraxis entnimmt. Für die Rechtsprechung ergibt sich die materiell-rechtliche Einordnung meist implizit aus der Analogie §§ 317 ff. BGB (dazu oben § 2 B.II.2.b) [S. 48 f.]), ausdrücklich etwa BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665; KG v. 8.10.1979 NJW 1980, 1342, 1343; OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 66. Siehe bereits RG v. 10.12.1889 RGZ 24, 357, 359. 319  Demgegenüber gering ins Gewicht fällt eine Äußerung in einem Reichsgerichts-Urteil aus dem Jahre 1880, das die nach den Statuten eines Knappschaftsvereins erforderliche Feststellung eines Sachverständigengremiums über die Berufsunfähigkeit als „im voraus erfolgte Vereinigung über den maßgebenden Ausspruch von Zeugen und Sachverständigen“ und mithin als eher prozessualer Natur kennzeichnete (RG v. 25.9.1880 RGZ 2, 311, 314 f.; dazu Weismann, AcP 72 [1888], 269, 312). Eine ähnliche Formulierung findet sich sogar in dem Grundsatzurteil, in dem sich das Reichsgericht für die analoge Anwendung der §§ 317 ff. BGB aussprach, wenn es dort heißt, eine Tatsache solle durch den Schiedsgutachter „klargestellt und bewiesen“ werden und „einer weiteren Feststellung durch andere Beweismittel entzogen sein“ (RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 59, 61; dazu – angesichts der sonstigen Formulierungen des Urteils zu kritisch – Habscheid, FS Lehmann II, S. 804 und G. Wagner, Prozeßverträge, S. 660). Prozessuale Wirkungen und eine grundsätzlich materiell-rechtliche Deutung stehen nicht in Widerspruch. 320  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 59; siehe bereits RG v.16.10.1889 RGZ 24, 411, 414 („zwischen den Parteien“). 321  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 61.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

den Vertrag zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnisses“.322 Diese Formulierungen entsprechen einer materiell-rechtlichen Sicht der Dinge, zumal eine prozessuale Deutung eher hätte betonen müssen, dass die festgestellte Tatsache für das Gericht maßgebend sei. Die materiell-rechtliche Deutung setzt also eine im Gemeinen Recht begonnene Traditionslinie fort. Wenn somit die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers, die §§ 317 ff. BGB ganz auf die gestaltende Vertragsergänzung auszurichten, durchaus einen Bruch mit der Praxis des 19. Jahrhunderts bedeutete, stellte die Rechtsprechung des Reichsgerichts hier wieder Kontinuität her, indem sie an der Gleichbehandlung von Gestaltung und Feststellung festhielt.323 Diese Kontinuitätslinie allein vermag jedoch noch keine Rechtfertigung für die materiell-rechtliche Ansicht hervorzubringen.

b) Ergänzung eines materiell-rechtlichen Feststellungsgeschäfts In der Tat lässt sich das Schiedsgutachten im Regelfall als rein materiell-rechtlich erklären. Die Feststellungen des Schiedsgutachters könnten die Parteien, ihre Sachkunde und ihren Einigungswillen unterstellt, zumindest theoretisch auch selbst treffen. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet ersetzt das Schiedsgutachten eine Vereinbarung der Parteien.324 Die Schiedsgutachtenvereinbarung ist ein materiell-rechtlicher Feststellungsvertrag, der sich vom Grundfall des Feststellungsvertrags dadurch unterscheidet, dass nicht die Parteien die Feststellungen über die streitigen oder ungewissen Punkte treffen, sondern damit einen Dritten betrauen.325 Ein entsprechender Erklärungsansatz ist für das 322 

RG v.16.10.1889 RGZ 24, 411, 413. zur Kontinuität aufgrund der Rechtsprechung des Reichsgerichts HKK/R. Zimmermann, vor § 1 Rn. 13 ff. m.w.N. – Nicht überzeugend ist es demgegenüber anzunehmen, der BGB-Gesetzgeber habe bewusst die Feststellung nicht unter die §§ 317 ff. BGB gefasst und deshalb verbiete sich eine analoge Anwendung, so aber Habscheid, KTS 1957, 129, 134 f. 324 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 17; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4); Wangner, S. 32 f.; André, S. 40 f.; Weismann, AcP 72 (1888), 260, 310; ähnlich, allerdings auf der Grundlage der prozessualen Theorie Ritzmann, S. 83, 97 f., 153. 325 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 22; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 40; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 660, 663 ff.; Wittmann, S. 63 ff.; Wenger, S. 157 f.; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 310, 314 f. In diese Richtung auch Baumgärtel, FS Fasching, S. 77 (anders ders., S. 252 ff.); v. Tuhr, AT II/2, S. 254 Fn. 41; andeutungsweise auch Joussen, S. 131 (Unterwerfung unter die Festsetzung eines Dritten sei einem „zivilrechtlichen Anerkenntnisvertrag“ vergleichbar). OLG Düsseldorf v. 19.6.2007 OLGR 2008, 2 verwendet diese Konstruktion für ein gestaltendes Schiedsgutachten. Zum Sachverständigenverfahren im Versicherungsrecht (dessen Grundsätze in diesem Punkt verallgemeinerbar sind) ebenso Kisch, Schiedsmann, S. 17, 108, 111; Möller, in: Bruck/ Möller, 8. Auflage, § 64 Anm. 17 (Vereinbarung des Schiedsgutachtens ist ein Vertrag sui generis, der zu den Feststellungsverträgen zählt). Allerdings nimmt Möller auch prozessuale Wirkungen an: Er erklärt die Wirkung im Prozess als Beweisvertrag, der das Gericht an 323  Generell

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Erbrecht zu verfolgen. Der Schiedsgutachter erhält seine Befugnisse hier aus dem Testament des Erblassers. Zu den – gesetzlich nicht allgemein geregelten – materiell-rechtlichen Feststellungsverträgen zählen insbesondere der Vergleich und das kausale Schuld­ anerkenntnis.326 Auf diese beiden Verträge beziehen sich auch meist Aussagen zu Feststellungsverträgen allgemein. Diese Behandlung der Thematik darf jedoch nicht über die Existenz einer allgemeinen Kategorie der Feststellungsverträge hinwegtäuschen.327 Charakterisiert werden Feststellungsgeschäfte von einer Beweiserhebung und Beweiswürdigung hindere. Auch vermischt er sprachlich materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag und prozessualen Geständnisvertrag. Gegen eine Einordnung des Schiedsgutachtenvertrags bei den Feststellungsverträgen auch bei materiell-rechtlicher Deutung Baumann, S. 175 ff. mit dem Argument, diese Einordnung sei überflüssig, da ja auf materiell-rechtlicher Ebene die §§ 317 ff. BGB analog angewendet werden könnten. Diese Argumentation stellt die Dinge auf den Kopf: Die Konzeptualisierung als materiell-rechtlicher Feststellungsvertrag ist ja gerade erforderlich, um die Anwendung materiell-rechtlicher Regeln und die Nähe zu den in den §§ 317 ff. BGB ausdrücklich angesprochenen Sachverhalten zu begründen. Wenig weiterführend ist auch das Argument, auf diese Weise könne in jeder Einigung der Parteien über den Wert, den Preis oder die Schadenshöhe (als typische Gegenstände des Schiedsgutachtenvertrags) eine „Feststellung“ gesehen werden, so dass sich fragte, welchen Wert die eigene Kategorie der Feststellung hätte. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Feststellung zusätzlich die Verfolgung eines Feststellungszwecks (Beseitigung von Streit oder Ungewissheit) erfordert. Wo dieser Zweck gegeben ist, bestehen vorderhand keine Bedenken, von einer eigenen Kategorie der Feststellung zu sprechen. Eine hinreichend trennscharfe Abgrenzung zu gewöhnlichen Verpflichtungen ist gewährleistet. Um ein abstraktes Schuldanerkenntnis handelt es sich jedoch nicht. Den Parteien des Schiedsgutachtenvertrags geht es nicht darum, neue Leistungspflichten zu schaffen, sondern den Inhalt des bestehenden Pflichtenprogramms aufzudecken (Wittmann, S. 50; Kisch, Schiedsmann, S. 15 f.). 326 Bezogen auf den Vergleich siehe Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 30, 37; Münch­ Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 31; Soergel/Lorentz, § 779 Rn. 4; Bork, Vergleich, S. 155 ff. mit zahlreichen Nachw. in Fn. 39. Bezogen auf das kausale Schuldanerkenntnis Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 8; Münch­ Komm-­BGB/Habersack, § 781 Rn. 3; Soergel/Häuser/Welter, §§ 780, 781 Rn. 40; Bork, Vergleich, S. 182 mit zahlreichen Nachw. in Fn. 8; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); Gerhardt, S. 758 ff.; v. Tuhr, AT II/2, S. 247 ff., 258 ff. Gegen die Kategorie kausaler Schuldanerkenntnisse (und Feststellungsverträge allgemein) entgegen einer ganz h.M. (Nachweise bei Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 8) Baumann, S. 154 ff., 189 ff.; anders auch E. Ehmann, S. 207 ff., 220 ff. (unentgeltlicher Vergleich als „Versprechen des Schuldners, den Gläubiger für den Fall des Nichtbestands des streitigen Anspruchs so zu stellen, als ob dieser Anspruch bestünde“). 327 Zum Feststellungsgeschäft allgemein Bekker II, § 109; sowie Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 30, 37, § 781 Rn. 8; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 615 ff.; Gerhardt, S. 759; Pawlowski, AT, Rn. 892 ff.; Tägert, S. 1 f., 31 ff.; Münch ­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 31; Soergel/Lorentz, § 779 Rn. 4, 33; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 94 (§ 7 IV); v. Tuhr, AT II/2, S. 247 f., 252 ff.; Marburger, S. 47; ­Kübler, S. 129 ff. (zum historischen Hintergrund S. 66 ff. m.w.N.); J. Haas, S. 92 ff.; Pagen­ stecher, S. 94 ff.; Rümelin, AcP 97 (1905), 211, 291 ff.; Henckel, JZ 1987, 359. Siehe hingegen E. Ehmann, S. 202 (es gebe keine besondere, von Verpflichtung und Verfügung verschiedene Kategorie der Feststellung), 207 (neben Vergleich i.S.d. § 779 BGB und

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

dem ihnen zugrundeliegenden Feststellungszweck:328 Die Parteien beabsichtigen, Streit oder Ungewissheit329 über ein Rechtsverhältnis im Wege einer (potentiellen)330 Umgestaltung desselben zu beseitigen.331 Dass dies beim Vergleich im Wege gegenseitigen Nachgebens geschieht, während beim kausalen Schuldanerkenntnis nur eine Seite, der Schuldner, nachgibt, stellt hingegen lediglich einen graduellen Unterschied dar.332 Diese Zwecksetzung deckt sich mit den typischen Parteiinteressen bei der Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens. Gleichwohl erfordert die Zuordnung des feststellenden Schiedsgutachtens zur dogmatischen Kategorie des materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags eine vertiefte Begründung. Der Schiedsgutachter hat die Aufgabe, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatbestandselementen – etwa der Kausalität eines Ereignisses für einen Schadenseintritt – oder Tatsachen – etwa die Höhe des eingetretenen Schadens – festzustellen. Es ist nicht selbstverständlich, darin die Beseitigung von Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zu erblicken. Wie der Begriff des einseitigem Feststellungsvertrag als unentgeltlichem Vergleich existiere kein weiterer Typus des Feststellungsvertrags, so dass diese Kategorie aufgegeben werden solle). 328 Grundlegend Bekker II, S. 240 (§ 109) (Feststellungsgeschäft bezweckt die Ersetzung zweifelhafter Rechtsverhältnisse durch unzweifelhafte); sowie BGH v. 16.3.1988 BGHZ 104, 18, 24; BGH v. 24.3.1976 BGHZ 66, 250, 254; Marburger, S. 35 ff.; v. Tuhr, AT II/2, S. 264; Gerhardt, S. 762; Pawlowski, AT, Rn. 905; Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 37 m.w.N., § 781 Rn. 8; Münch ­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 31; Soergel/Häuser/Welter, §§ 780, 781 Rn. 38, 40 mit Rechtsprechungsnachweisen; Schäfer, S. 182 ff.; Pagenstecher, S. 94 ff.; Rümelin, AcP 97 (1905), 211, 291 ff. Von einem „Bereinigungszweck“ spricht Bork, Vergleich, S. 157 f. (der sich wiederum m.w.N. auf die österreichische Terminologie stützt), um jegliche Anklänge an eine nur deklaratorische Wirkung zu vermeiden. In der Sache ergibt sich aus der anderen Terminologie kein Unterschied. Den Ausdruck „Pazifierungszweck“ verwenden – ohne inhaltlichen Unterschied – Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 441 (§ 18 II 3 d); ­L arenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c). Gegen einen Feststellungszweck beim Vergleich E. Ehmann, S. 128 ff. (stattdessen Austauschzweck); kritisch auch Ebel, S. 105 ff. 329  Dass die festzustellenden Tatsachen objektiv gewiss sein mögen, schadet nicht. Entscheidend ist die subjektive Ungewissheit der Parteien, Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 23 f., § 781 Rn. 9 (zum kausalen Schuldanerkenntnis). Ungewissheit setzt überdies nicht voraus, dass zwischen den Parteien Streit besteht, Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 24; Soergel/Lorentz, § 779 Rn. 23; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 33 (§ 61 II 1 c); J. Haas, S. 118 ff. betont, dass der Streit auch ein zukünftiger oder erwarteter sein könne; nach Schnorr v. Carolsfeld, S. 161 ist ein Schiedsgutachtenvertrag im Falle bereits entstandenen Streits ein Vergleich. 330  Keine Umgestaltung tritt ein, sofern die wirkliche Rechtslage mit der festgestellten übereinstimmt. Nur insofern ist das von der Rechtsprechung so bezeichnete deklaratorische Schuldanerkenntnis tatsächlich nicht konstitutiv. Dazu sogleich unten § 2 B.II.5.c) (S. 81 ff.). 331 Plastisch von einem „Rechtskonflikt“ als Voraussetzung eines Vergleichs spricht Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 24 und öfter. Siehe im Übrigen die Nachweise in Fn. 328. 332 Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 28, § 781 Rn. 23; Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 67; Bork, Vergleich, S. 182 f. m.w.N.; Marburger, S. 36, 90 f.; Kübler, S. 135; Schäfer, S. 33 f.; J. Haas, S. 91. Anders Baumann, S. 260 f., der eine unterschiedliche Bindungswirkung als wesentlichen Unterschied zwischen beiden Instituten ausmacht.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Rechtsverhältnisses in § 779 Abs. 1 BGB – und damit für Feststellungsverträge allgemein – zu verstehen ist und ob er sich mit demjenigen des § 256 Abs. 1 ZPO deckt, muss hier nicht im Einzelnen geklärt werden.333 Denn jedenfalls impliziert dieser Begriff, dass sich Streit oder Ungewissheit auf Rechtsfolgen beziehen.334 Ob auch Tatbestandselemente oder Tatsachen einem Feststellungsvertrag zugänglich sind, ist damit zumindest problematisch. Das Argument, ein derartiger Feststellungsvertrag bewege sich auf Tatbestandsseite und betreffe daher kein Rechtsverhältnis,335 kann jedoch nur auf den ersten Blick überzeugen. Denn in der Regel sind die festzustellenden Tatsachen mittelbar für Beziehungen der Parteien auf Rechtsfolgenebene von Bedeutung.336 Zunächst sind mit Gerhard Wagner die Feststellung eines Tatbestandselements und die Feststellung einer dieses Element ausmachenden Tatsache als „äquivalent“ anzusehen.337 Die vertragliche Fixierung einer Tatsache kann den Parteien dazu dienen, ein Tatbestandsmerkmal ihres Rechtsverhältnisses dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen. Indem beispielsweise ein Gutachter den Händ­ler­ einkaufspreis des in Zahlung gegebenen Pkw auf einen bestimmten Betrag veranschlagt, steht zwischen den Parteien zugleich fest, in welcher Höhe sich der Kaufpreis für den Neuwagen reduziert. Es wäre in der Tat ein dem Parteiwillen zuwiderlaufendes Festhalten an Begrifflichkeiten, wenn die Parteien einen Vertrag schließen könnten, der den Betrag der Kaufpreisreduzierung auf eine bestimmte Summe festsetzt, nicht aber einen Vertrag, der mit materiell-rechtlicher Wirkung den Händlereinkaufspreis des Pkw für die Parteien verbindlich festlegt, wenn sich nach ihrer Vereinbarung der Kaufpreis in dieser Höhe er­ mäßigen soll.338 Die Feststellung einer Tatsache bewirkt somit, dass zumindest

333 

Bork, Vergleich, S. 101 beklagt, dass der Begriff meist nicht definiert werde. Die Begriffsbestimmung aus § 256 Abs. 1 ZPO übernehmen z.B. E. Ehmann, S. 105; v. Tuhr, AT I/1, S. 123 ff.; Gerhardt, S. 765 Fn. 13. Ausführlich Bork, Vergleich, S. 192 ff., der aber in der Praxis in den meisten Fällen die Definition zu § 256 Abs. 1 ZPO für ausreichend hält. 334  RG v. 5.12.1923 RGZ 107, 303, 304; Münch­ Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 32; Bork, Vergleich, S. 103, 192 ff.; Schnorr v. Carolsfeld, S. 2. Zu eng ist jedoch eine Beschränkung von Feststellungsverträgen auf Schuldverhältnisse, so aber ­L arenz, Schuldrecht I, S. 93 (§ 7 IV); Kübler, S. 132. Dagegen Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 25 mit Rechtsprechungsbeispielen. 335  Gerhardt, S. 765; zur Diskussion Bork, Vergleich, S. 103. 336  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 616 ff.; Pagenstecher, S. 134 f.; Schnorr v. Carolsfeld, S. 4; Bekker II, S. 244 (§ 109), 251 f. (Beilage III zu § 109); speziell zum „Tatsachenvergleich“ Bork, Vergleich, S. 103 ff. – Beispiele für zulässige Tatsachenvergleiche bei Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 11, 13 (insbesondere der aus dem Arbeitsrecht bekannte Tatsachenvergleich über die Zahl geleisteter Überstunden ist in Wirklichkeit ein Vergleich über die Höhe des Entgeltanspruchs). 337  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 617 f. Siehe bereits Bekker II, S. 244 (§ 109), 251 f. (Beilage III zu § 109). 338  Weitere Beispiele nach Bekker II, S. 251 (Beilage III zu § 109) m.w..N.: Erfüllung einer Verbindlichkeit (gemeint: Faktum der Zahlung), Mangelfreiheit gelieferter Ware.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

ein Ausschnitt eines Rechtsverhältnisses – nämlich das Tatbestandsmerkmal, auf das sich diese Tatsache bezieht – außer Streit gestellt wird.339 Doch selbst wenn die Feststellung einer Tatsache und die Feststellung eines Tatbestandsmerkmals als gleichwertig anzusehen sind, ist damit nicht gesagt, dass mit der Feststellung eines Tatbestandsmerkmals auch Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beigelegt wird. Bleiben noch andere Tatbestandsmerkmale streitbefangen oder ungewiss, wäre eine Beilegung bezogen auf das Rechtsverhältnis insgesamt eigentlich zu verneinen. Zwar kommt es durchaus vor, dass die festgestellte Tatsache den einzigen Streitpunkt der Parteien ausgemacht hat und mit ihrer Feststellung Streit oder Ungewissheit insgesamt ausgeräumt sind. Wenn sich die Parteien einigen, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, wird dies sogar häufig anzunehmen sein.340 So stehen etwa im Fall der Qualitätsarbitrage mit der Begutachtung und Bewertung der Mängel in der Regel zugleich die Ansprüche des Käufers fest.341 Jedoch muss die Feststellung eines Tatbestandsmerkmals keineswegs immer zur kompletten Bereinigung von Streit oder Ungewissheit führen. Dies lässt sich am Beispiel der im Versicherungsrecht üblichen Schadensfeststellungsverträge verdeutlichen: Darin legen Versicherer und Versicherter den Umfang des Schadens aus einem konkreten Schadensfall fest. Sie entziehen die Schadenshöhe, und damit ein Tatbestandsmerkmal des Anspruchs gegen den Versicherer, dem Streit oder der Ungewissheit. Ob auch alle anderen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, kann durchaus umstritten oder ungewiss bleiben. Dennoch kann der Schadensfeststellungsvertrag als materiell-rechtlicher Feststellungsvertrag geschlossen werden.342 Denn zur Annahme eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrages ist es von vornherein entbehrlich, dass sich dieser auf ein konkretes Rechtsverhältnis in seiner Gänze bezieht.343 Fehlt es an diesem Bezug, 339 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 617 f.; Mot., in: Mugdan, Bd. I, S. 562; v. Tuhr, AT II/2, S. 252 f.; siehe auch Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 128; Marburger, S. 24. 340  Nicklisch, FS Bülow, S. 160, 170; Wittmann, S. 126; Kornblum, S. 101. Beispiel RG v. 28.11.1935 JW 1936, 820: Schiedsgutachten soll im Räumungsprozess über die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Pachtvertrages befinden. 341  O. Wolff, S. 27. 342  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 618 mit Fn. 37; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 12; Kisch, Schiedsmann, S. 17; Erman/Wilhelmi, § 781 Rn. 13 (zum Schuldanerkenntnis im Schadensrecht); auf der Grundlage eines (offenbar auch materiell-rechtlich verstandenen) streitstoffreduzierenden Geständnisvertrages Bork, Vergleich, S. 293. – Der Frage, unter welchen Umständen hier ein Vergleich i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB angenommen werden kann, muss nicht nachgegangen werden, dazu Bork, Vergleich, S. 292 ff. (ablehnend), Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 30 (bejahend). 343 Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 30, § 781 Rn. 13; Bork, Vergleich, S. 107 f., 157 Fn. 45; Pagenstecher, S. 134 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 616 ff.; Kübler, S. 133; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c). – Siehe zum kausalen Schuldanerkenntnis die plastische Formulierung von Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 440 (§ 18 II 3 b), wonach die Parteien den Verlust von Einwendungen und Einreden „dosieren“ können.

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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ist damit allenfalls die Bezeichnung als Vergleich i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB344 oder als kausales Schuldanerkenntnis fraglich. Der Kreis der materiell-rechtlichen Feststellungsverträge ist jedoch weiter zu ziehen und unterliegt keinem Typenzwang.345 Es ist anerkannt, dass die Parteien sich über eine Ersatzpflicht einigen können, indem sie lediglich den Anspruchsgrund außer Streit stellen, ohne aber eine Einigung über die Höhe des Anspruchs zu erzielen.346 Ebenso entspricht es gesichertem Stand der Dogmatik, dass ein Anerkenntnis auf einzelne Einwendungen beschränkt sein kann.347 Ein Typenzwang im Sinne einer Beschränkung der materiell-rechtlichen Feststellungsverträge auf Fälle der „Totalbereinigung“ stünde überdies in nicht gerechtfertigtem Widerspruch zur Vertragsinhaltsfreiheit,348 die der Kategorie der kausalen Anerkenntnisse überhaupt zugrunde liegt.349 Vielmehr ist es den Parteien durchaus gestattet, den Streit oder die Ungewissheit über das Rechtsverhältnis nur teilweise zu beseitigen, und zwar mit materiell-rechtlicher Wirkung hinsichtlich dieses Teils.350 Das Rechtsverhältnis wird hinsichtlich dieses Teils auf ein neues Fundament gestellt, das schon materiell-rechtlich den Rückgriff auf die frühere streitige oder unsichere Rechtslage entbehrlich macht. Die Möglichkeit einer materiell-rechtlichen Feststellung nur einzelner Tatbestandsmerkmale wird bestätigt in der hier besonders interessierenden Vorschrift des § 84 Abs. 1 VVG. Das versicherungsrechtliche Sachverständigengutachten bezieht sich auf „einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens“ und muss somit ebenfalls nicht zwingend dazu führen, dass sämtliche Voraussetzungen des Versicherungsanspruchs feststehen. Diese Überlegungen widerlegen zugleich die Ansicht, ein Vertrag zur Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder Tatsachen könne keine materiell-rechtliche, sondern nur prozessuale Wirkung haben. Diese Ansicht sieht eine Exklusivität zwischen prozessualem Geständnisvertrag und materiell-rechtlichem Feststellungsvertrag. Während letzterer ausschließlich Bestehen oder Inhalt ei344 

Für eine scharfe Trennung Weismann, AcP 72 (1888), 269, 315. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 618. 346  BGH v. 16.6.1977 WM 1977, 1025, 1027; Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 13 m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 781 Rn. 5; Kübler, S. 133. 347  So das Argument von G. Wagner, Prozeßverträge, S. 617 mit zahlreichen Nachw. 348 So G. Wagner, Prozeßverträge, S. 617. 349 Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 8; Marburger, S. 30 ff.; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 615. 350  Insofern reicht der Anwendungsbereich des materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags also weiter als die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO, die – zumindest nach traditioneller Ansicht – nicht einzelne rechtserhebliche Tatsachen oder einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses umfasst, vgl. nur BGH v. 3.5.1977 BGHZ 68, 331; Thomas/Putzo/Reichold, § 256 Rn. 10; umfassend Jacobs, S. 34 ff., 297 ff., 339 ff. sowie noch unten § 16 B.III.2.b) (S. 789 ff.). Siehe aber auch BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878 (Feststellungsklage, dass der vertraglich eingesetzte Schiedsgutachter seine Bewertungen zu einem bestimmten Stichtag vorzunehmen habe, zulässig). 345 

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nes Rechtsverhältnisses betreffe, diene ersterer dazu, bestimmte Tatsachen festzuschreiben.351 In einem Geständnisvertrag verpflichten sich die Parteien, eine bestimmte Tatsache vor Gericht nicht vorzutragen bzw. einen bestimmten Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht zu bestreiten.352 Vertragswidriger Tatsachenvortrag ist dann rechtsmissbräuchlich und für das Gericht unbeachtlich.353 Der Geständnisvertrag ist damit ohne Einfluss auf die materielle Rechtslage; er äußert seine Wirkungen nur in einem konkreten Rechtsstreit. Hier zeigt sich, weshalb die Konstruktion als prozessualer Geständnisvertrag in der Regel unbrauchbar ist, um den Parteiinteressen zu genügen: Denn wenn das Geschäft keine Berührung mit der materiellen Rechtslage hat, verfehlt es den von den Parteien verfolgten Feststellungszweck, mit dem sie ihr Rechtsverhältnis auf ein sicheres Fundament stellen wollen.354 Wer jedoch einen Geständnisvertrag als wirksam und zulässig ansieht, hat auch umgekehrt keinen Anlass, die Parteien in der Wahl ihrer Handlungsform zu beschränken und ihnen zu versagen, ihrer Vereinbarung allein prozessuale Wirkung zu geben, wenn sie das Rechtsverhältnis an sich nicht beeinflussen, sondern nur die prozessuale Durchsetzung erleichtern wollen.355 Welche Art von Vertragsgegenstand – materiell-rechtlich oder prozessual – im Einzelfall vorliegt, ist dann eine Frage der Auslegung.356 351  Baumgärtel, S. 251 (anders aber ders., FS Fasching, S. 76 f.); Sellert, NJW 1968, 230, 232 ff.; Ritzmann, S. 12 ff., 47 ff., 83 ff., 153 ff.; vgl. auch Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 32 (kein Vergleich über Tatsachen, die nicht für ein Rechtsverhältnis von Bedeutung sind, wohl aber Prozessvertrag denkbar); siehe bereits Windscheid/Kipp II, S. 822 Fn. 2 (§ 412a) mit zahlreichen Nachw. zur Diskussion im 19. Jahrhundert (Anerkennung eines Rechtsverhältnisses habe stets „dispositive“, d.h. materiell-rechtliche Kraft, Anerkennung einer Tatsache habe wohl nur Beweiswirkung); zum Ganzen G. Wagner, Prozeßverträge, S. 643 ff. m.w.N. 352  Ob und in welchem Umfang ein Geständnisvertrag zulässig ist, ist umstritten, bedarf aber keiner Stellungnahme, da es hier lediglich um die Zulässigkeit des materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags geht. Siehe deshalb nur G. Wagner, Prozeßverträge, S. 640 ff.; Bork, Vergleich, S. 105 ff.; Stein/Jonas/Leipold, § 286 Rn. 210 ff.; Baumgärtel, S. 252 ff.; Schlosser, Parteihandeln, S. 86 ff., jeweils m.w.N. Während sich die befürwortende Ansicht auf die Verhandlungsmaxime (§§ 138 Abs. 3, 288 ff. ZPO) und die Privatautonomie der Parteien beruft, sieht die Gegenansicht einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Beweiswürdigung. Dem halten die Befürworter wiederum entgegen, dass ein derartiger Eingriff schon deshalb ausscheide, weil die betreffende Tatsache aufgrund des Vertrags dem Beweis von vornherein entzogen und deshalb die Würdigung des Beweises nicht berührt sei. – Interessanterweise zeigte sich – wie bei den Schiedsgutachtenvereinbarungen – auch bei den Geständnisverträgen ein „negativer Kompetenzkonflikt“ zwischen ZPO‑ und BGB-Gesetzgeber: Beide hielten den jeweils anderen für zuständig, vgl. Hahn, S. 321; Mot, in: Mugdan, Bd. II, S. 387. Anders die Entwürfe einer Zivilprozessordnung, die Regelungen enthielten, Nachweise bei Ritzmann, S. 85 f. 353  Bork, Vergleich, S. 107. 354  Vgl. zum kausalen Schuldanerkenntnis Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 8, 11 m.w.N.; Erman/Wilhemi, § 781 Rn. 12. 355  Bork, Vergleich, S. 105 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 643 ff.; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 312 f. 356  So bereits Bekker II, S. 252 (Beilage III zu § 109).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Ist damit eine Fülle von Tatsachen – nämlich alle Tatsachen, deren Fixierung der Feststellung eines bestimmten Tatbestandselements dient – dem materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag zugänglich, bleibt die Frage, ob dies auch für Tatsachen gilt, die entweder nicht unmittelbar für einen konkreten Anspruch oder gleich für mehrere verschiedenartige Ansprüche relevant sind. Vor allem die zweite Situation ist im Schiedsgutachtenrecht gut vorstellbar, wenn die Parteien nämlich – nach Art eines selbständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO)357 – zunächst losgelöst von einem konkreten Anspruch bestimmte Tatsachen fixieren wollen. Ein Beispiel bilden sachverständige Feststellungen über Baufortschritt und Baumängel während der Errichtung eines Bauwerks. Feststellungsverträgen dieser Art sprechen einige Autoren die Wirksamkeit ab, weil die Parteien nicht in der Lage seien, geschehene Tatsachen privatautonom aus der Welt zu schaffen.358 Dieser Hinweis ist ebenso zutreffend wie nichtssagend. Denn die Feststellungssituation ist gekennzeichnet von Streit oder Ungewissheit der Parteien darüber, ob oder wie eine bestimmte Tatsache sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Die Parteien wollen also nicht Tatsachen allgemeingültig feststellen, sondern eine Faktenbasis zur Beilegung ihres Streits schaffen. Ihr Vertrag bestimmt die materielle Lage nur inter partes, nicht auch im Verhältnis zu Dritten.359 Sofern die Feststellung sogar – wie beim Schiedsgutachten – einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt (§ 319 BGB analog), wird diese begrenzte Wirkung besonders deutlich: Die Parteien wollen ihrer Beziehung den Inhalt der Feststellung zugrunde legen in der Erwartung, dass diese mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Ob die Übereinstimmung objektiv besteht, ist für sie nur von Bedeutung, soweit sie selbst mit dem Inhalt der Feststellung nicht einverstanden sind. Jedoch will auch Wagner, der den Parteien grundsätzlich eine Wahl zwischen materiell-rechtlichem Feststellungsvertrag und prozessualem Geständnisvertrag geben möchte, eine von einem konkreten Anspruch unabhängige Tatsachenfeststellung nur in Form eines prozessualen Geständnisvertrags zulassen; dieser Geständnisvertrag fixiere die umstrittene oder ungewisse Tatsache für einen Streitgegenstand insgesamt.360 Zur Begründung dieser Ansicht schichtet er zunächst „Tatsachenvergleiche“ über außerrechtliche Tatsachen ab: Eine derartige Abrede – etwa bei der Beilegung einer Auseinandersetzung über allgemeinbildendes Faktenwissen361 – spiele sich außerhalb des rechtsgeschäftlichen 357 

Zum Verhältnis von Schiedsgutachten und selbständigem Beweisverfahren v. Bernuth, ZIP 1998, 2081, 2082. 358  Ritzmann, S. 71. 359 Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 16; v. Tuhr, AT II/2, S. 263. Diesen Punkt stellte auch die Zweite Kommission heraus in ihrer Debatte über die Frage, ob in den Allgemeinen Teil eine Regelung des Feststellungsvertrags (als „Anerkennungsvertrag“ bezeichnet) aufzunehmen sei, siehe Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 1035 f. 360  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645 f. 361  Verbreitetes Lehrbuchbeispiel: Zwei Personen „einigen“ sich auf die Höhe des Turmes

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Bereichs ab; den Erklärungen der Parteien fehle der Wille, Rechtsfolgen herbeizuführen.362 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Doch auch bei Feststellungen, die für eine Mehrzahl unterschiedlicher Ansprüche relevant sein könnten,363 sei die Annahme einer Vielzahl von Feststellungsverträgen für jeden einzelnen in Betracht kommenden Anspruch gekünstelt. Dies gelte umso mehr, wenn die Parteien „den Kreis der für ein Begehren in Betracht kommenden Ansprüche sowie deren Tatbestandsvoraussetzungen (!) nicht über­schauen“364. Diese Beschränkung des Anwendungsbereichs materiell-rechtlicher Feststellungsverträge ist abzulehnen.365 Soweit die Ansprüche, für die die festgestellte Tatsache von Bedeutung ist, in Anspruchskonkurrenz stehen, ergeben sich schon keine Besonderheiten zum oben Ausgeführten. Doch auch darüber hinaus ist es möglich, einen Vertrag zu schließen, dessen alleiniger Gegenstand die Feststellung einer Tatsache auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist. Ein gängiges Beispiel dafür sind Grenzfeststellungsverträge zur – verbindlichen – Feststellung des Grenzverlaufs benachbarter Grundstücke.366 Der Umstand, dass den Parteien nicht unbedingt alle in Betracht kommenden Ansprüche und deren Tatbestandsvoraussetzungen vor Augen stehen, ändert nichts an der Zulässigkeit des materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags über eine bestimmte Tatsache: Die Differenzierung danach, ob den Parteien ein konkreter zu bereinigender Anspruch vor Augen steht oder nicht, würde zu dem nicht überzeugenden Ergebnis führen, dass beispielsweise die Feststellung der Darlehensvalutierung mit materiell-rechtlicher Wirkung zulässig ist, wenn die Parteien nur um den Darlehensrückzahlungsanspruch (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) streiten, nicht aber, wenn zusätzlich noch – den Parteien möglicherweise gegenwärtig nicht bewusst – Zinsforderungen im Raum stehen.367 Meist lässt sich ein Vertrag zur Feststellung einer bestimmten Tatsache zudem interessengerecht dahin auslegen, dass mit ihm bestimmte Ansprüche (oder Elemente bestimmter Ansprüche) fixiert werden sollen. Eine derartige Auslegung ist auch im Bereich des § 256 Abs. 1 ZPO vertraute Praxis. Zulässig ist beispielsweise eine Feststellungsklage darüber, dass ein Mietvertrag mangels Schriftform (§ 550 S. 1 BGB) des Ulmer Münsters, Gerhardt, S. 765; Bork, Vergleich, S. 103 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645. 362  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645. 363  Beispiel nach G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645: Relevanz der Darlehensvalutierung für vertraglichen Darlehensrückzahlungsanspruch, für Bereicherungsanspruch, für Zins­ anspruch oder auch für Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo. 364  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645 (Ausrufezeichen im Original). 365  Siehe auch Bork, Vergleich, S. 107, 157 Fn. 45; ebenso bereits Bekker II, S. 252 (Beilage III zu § 109), der alles der Auslegung überlassen will. 366  Dazu BGH v. 9.2.1979 WM 1979, 580; RG 15.3.1906 JW 1906, 302; OLG Brandenburg v. 28.8.2008 NJW-RR 2009, 1097, 1099; Staudinger/H. Roth, § 920 Rn. 21 f. – Weiteres Beispiel: Anerkennung der Richtigkeit einer Rechnung (Bekker II, S. 244 (§ 109), 251 f. [Beilage III zu § 109]). 367  So aber G. Wagner, Prozeßverträge, S. 645.

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auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde.368 Diese Feststellung kann für ganz unterschiedliche Ansprüche relevant sein. Konstitutiv für die Annahme eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags ist das Vorliegen von Streit oder Ungewissheit. Zu fordern ist lediglich in Anlehnung an § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Derartige Anhaltspunkte bestehen in der Regel im Fall einer Schiedsgutachtenabrede, mit der die Parteien eine bestimmte Tatsache „ein für allemal“ geklärt wissen wollen. Es wäre mit dem Streben der Parteien nach einer „endgültigen“369 Feststellung durch den Schiedsgutachter kaum vereinbar, wenn sie aufgrund der Mehrzahl möglicherweise betroffener Ansprüche auf einen prozessualen Geständnisvertrag verwiesen wären und ihre materiell-rechtlichen Beziehungen in der Schwebe blieben. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Schiedsgutachten kommt Wagner auch nicht auf diesen Aspekt seiner Sicht auf den materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag zurück.370

c) (Potentielle) Umgestaltung der materiellen Rechtslage Ist freilich der Schiedsgutachtenvertrag bei den materiell-rechtlichen Feststellungsverträgen eingeordnet, so ergibt sich daraus zwanglos, dass auch ein feststellendes Schiedsgutachten die Gestaltung der materiellen Rechtslage zur Folge haben kann. Im Grundsatz eignet jedem materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag das Potential, ein Rechtsverhältnis umzugestalten, soweit dessen Inhalt von der wahren Rechtslage abweicht.371 Einem Feststellungsvertrag kann insofern konstitutive Wirkung zukommen.372 Es ist kein Grund ersichtlich, das Potential373 konstitutiver Wirkungen auf diese beiden Typen von Feststellungsverträgen zu beschränken. Vor diesem Hintergrund ist es merkwürdig, dass Vertre368 

BGH v. 18.10.2000 NJW 2001, 221. So die Formulierung in vielen Schiedsgutachtenvereinbarungen. 370  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663 ff. 371  Siehe bereits Bekker II, S. 240 f., 245 (§ 109); sowie, teils speziell zu Vergleich oder kausalem Schuldanerkenntnis, Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 44, § 781 Rn. 11 m.w.N.; Soergel/ Lorentz, § 779 Rn. 33; Tägert, S. 2 ff.; Kübler, S. 133 f.; Gerhardt, S. 764; E. Ehmann, S. 118 ff.; Marburger, S. 43 ff. 46 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 616; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 454 f. (§ 18 IV 2 b); Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 781 Rn. 5; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 94 f. (§ 7 IV); ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); Pagenstecher, S. 95 f.; J. Haas, S. 92 ff.; v. Tuhr, AT II/2, S. 254, 266. Auf welchem Wege sich diese Umgestaltung vollzieht, ist Gegenstand dogmatischer Kontroversen. Diese können hier allerdings auf sich beruhen. 372  Für die h.M. BGH v. 24.3.1976 BGHZ 66, 250, 254; BGH v. 5.12.1979 NJW 1980, 1158; Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 11; Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 781 Rn. 5; Soergel/Häuser/Welter, §§ 780, 781 Rn. 47; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 454 ff. (§ 18 IV 2); Pagenstecher, S. 96; a.A. Sellert, NJW 1968, 230 ff. 373  Es handelt sich nicht um eine Bedingung im Rechtssinne, wie Marbuger, S. 45 Fn. 34 betont. 369 

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ter der materiell-rechtlichen Ansicht zum Teil nicht müde werden zu betonen, das feststellende Schiedsgutachten gestalte die Rechtslage nicht um.374 Es trifft zwar zu, dass die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung gerade daran interessiert sind, die wirkliche – „richtige“ – Sachlage zu erfahren. Insofern lässt sich in der Tat sagen, dass ihnen nicht an einer (Um‑)Gestaltung der materiellen Rechtslage liegt, sondern vielmehr an deren Aufdeckung und deklaratorischen Fixierung. Der Schiedsgutachtenvertrag ist mithin tatsächlich auf „Feststellung“ gerichtet. Er unterscheidet sich in dieser Hinsicht vom Vergleich, bei dem die reine Feststellung der tatsächlichen Rechtslage ohne jegliche Umgestaltung die große Ausnahme darstellen und meist auf schierem Zufall beruhen dürfte.375 Jedoch ist ein feststellendes Schiedsgutachten erst dann unverbindlich, wenn seine Unrichtigkeit offenbar ist. Selbst wenn man unterstellt, es gäbe eine richtige Feststellung, würden die Parteien also im Bereich zwischen der einfachen und der offenbaren Unrichtigkeit eine Umgestaltung ihres Rechtsverhältnisses durchaus in Kauf nehmen.376 Sie unterwerfen sich der unrichtigen Feststellung des Schiedsgutachters und betrachten diese fortan als maßgeblich für ihr Rechtsverhältnis.377 Jedenfalls in dieser Hinsicht schließt die Qualifikation der Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens als materiell-rechtlicher Feststellungsvertrag eine Gestaltung nicht aus. Diese Erkenntnis bleibt auch relevant, wenn der Schiedsgutachter die wirkliche, „richtige“ Sachlage feststellt und sein Ausspruch tatsächlich nur deklaratorisch ist. Denn die Parteien wollen, dass ihr Rechtsverhältnis mit Abgabe des Schiedsgutachtens von dessen Inhalt bestimmt wird. Zur Verdeutlichung kann das Bild vom aus vielen verschiedenen „Bausteinen“ zusammengesetzten Schuldverhältnis dienen.378 Die Parteien mögen einen Vertrag schließen, wonach zur Verzinsung einer Forderung der bankübliche Zinssatz geschuldet sein soll. Stellt nun ein Schiedsgutachter für die Parteien (und an ihrer Stelle) einen banküblichen Zinssatz in Höhe von x fest, wird aus dem Schuldverhältnis ein Baustein („Anspruch auf banküb­

374  Wittmann, S. 64, 67 (siehe aber auch S. 65 f. zur Verbindlichkeit des unrichtigen Gutachtens); Weismann, AcP 72 (1888), 269, 326. 375  Dazu Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 44; Bork, Vergleich, S. 156 (auch deshalb kritisch zur Bezeichnung des Vergleichs als „Feststellungsvertrag“) und allgemein S. 110 ff. zur Potentialität des Vergleichs; Schäfer, S. 52. – Vgl. auch Kisch, Schiedsmann, S. 14 f. (Festsetzung im Vergleich ist „prinzipiell willkürlich“, Feststellung im Gutachten muss „prinzipiell (annähernd) richtig“ sein); Wittmann, S. 50; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 315; a.A. J. Kohler, Gruchot 31 (1887), 276, 305 (bedingter Vergleich). 376  Vgl. auch Wittmann, S. 66; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 468 (bezogen auf die Leistungsbestimmung). 377  Zur Bindung an ein fehlerhaftes, aber nicht offenbar unrichtiges Gutachten, BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 376. 378  Das Bild verwendet Bork, Vergleich, S. 72, 76, 167, 316 und passim; vgl. auch Kleinschmidt, S. 20 f.; Medicus, AcP 189 (1989), 490 (492); Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 84 (§ 5 pr.).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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lichen Zinssatz“) entfernt und durch ein neuen Baustein („Anspruch auf x % Zinsen“) ersetzt. Ein Rückgriff auf die zuvor bestehende streitige oder ungewisse Sachlage ist bei fortdauernder Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens ausgeschlossen.379 Mit anderen Worten: Hat das Schiedsgutachten Bestand, wissen die Parteien nicht und können (und wollen) auch nicht mehr aufklären, ob es Gestaltungswirkung hatte. Wie beim Vergleich380 werden Streit und Ungewissheit dadurch beseitigt, dass sie unerheblich werden. Anders als beim Vergleich freilich nehmen die Parteien durchaus Rücksicht auf die wirkliche Lage: Diese Rücksicht kommt darin zum Ausdruck, dass in gewissem Umfang eine inhaltliche Kontrolle des Gutachtens – d.h. eine Überprüfung seiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit – vorbehalten bleibt. In diesem Umfang ist auch ein Rückgriff auf die tatsächliche, potentiell geänderte Lage erforderlich, da sie den Bezugspunkt für die Prüfung der offenbaren Unrichtigkeit abgibt. Insofern wird – unterstellt, die Einschätzung des Richters trifft die „wahre“, objektive Sachlage – aus der Potentialität der Rechtsänderung Gewissheit.381 Selbst wenn dem Schiedsgutachten also aufgrund der Richtigkeit des Festgestellten eine materiell-rechtliche Gestaltungswirkung fehlen sollte, ist das Schiedsgutachten insofern auch in materiell-rechtlicher Hinsicht von Bedeutung, als die Parteien nunmehr geklärt haben, welche Tatsachengrundlage sie ihrer materiell-rechtlichen Beziehung zugrunde legen wollen. Die Feststellungswirkung entspricht ihrem Rechtsfolgewillen.382 Der Schiedsgutachter stellt fest, was nunmehr zwischen den Parteien rechtens sein soll.383 Das feststellende Schiedsgutachten dient somit, nach einer Formulierung der Rechtsprechung, „mittelbar der Bestimmung der Leistung“.384 Mit dem Schiedsgutachten werden die „Grundlagen der Leistung, die 379  Zu dieser Feststellungswirkung bei Vergleich und kausalem Schuldanerkenntnis Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 42 ff., § 781 Rn. 11 m.w.N.; Münch ­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 2; Soergel/Lorentz, § 779 Rn. 33; Pawlowski, AT, Rn. 894. Wie Bork, Vergleich, S. 165 ff. m.w.N. herausarbeitet, ist der Rückgriff den Vergleichsparteien nicht etwa aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung verboten. Ein Rückgriff kommt vielmehr deshalb nicht in Betracht, weil die alte Rechtslage durch den Vergleich geändert wurde und nicht mehr in ihrer bisherigen Gestalt existiert. – Anders Häsemeyer, ZZP 108 (1995), 289, 297 ff., 313 f. (prozessual wirkendes Rückgriffsverbot). 380 Dazu BGH v. 9.1.2003 WM 2003, 450, 452; Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 37; Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 31; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 96 f. (§ 7 IV). Zum Feststellungsvertrag allgemein Kübler, S. 133 f. 381  Mit dem Argument, eine Beurteilung der früheren Rechtslage sei auch beim Vergleich jederzeit möglich und zur Überprüfung der Wirksamkeit des Vergleichs auch erforderlich, wendet sich Schäfer, S. 45 ff. gegen das Rückgriffsverbot. 382  Wittmann, S. 66. 383  So ausdrücklich für den Vergleich Münch­Komm-­BGB/Habersack, § 779 Rn. 31; anders Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 24 (Schiedsgutachten „besagt, daß etwas ist, so ist, nicht ist; nicht besagt es, daß etwas sein soll, so sein soll, nicht sein soll“). 384  BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232.

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für die Bestimmung der Leistung selbst von entscheidender Bedeutung sind“, festgestellt.385

d) Die prozessuale Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens Der skizzierten materiell-rechtlichen Ansicht steht eine prozessuale Ansicht gegenüber, für die meist ein Aufsatz von Walther Habscheid aus dem Jahre 1956 als grundlegend betrachtet wird,386 die aber auch schon zuvor verschiedentlich vertreten wurde.387 Seitdem ist sie vor allem in der prozessrechtlichen Literatur vorherrschend.388 Danach sind Vereinbarungen über feststellende Schiedsgutachten als Prozessverträge zu qualifizieren. Im Unterschied zum gestaltenden Gutachten äußern sich ihre Wirkungen nicht ausschließlich auf der Ebene des materiellen Rechts, sondern zumindest auch auf prozessualer Ebene.389 Auf das feststellende Gutachten seien nicht – oder zumindest nicht nur – die §§ 317 ff. BGB, sondern die Regeln über das schiedsrichterliche Verfahren in den §§ 1025 ff. ZPO anzuwenden.390 385 

RG v. 9.2.1935 RGZ 147, 58, 60. Habscheid, FS Lehmann II, S. 801 ff.; außerdem ders., KTS 1957, 129; ders., KTS 1964, 79, 88; ders., KTS 1972, 209, 218; ders., FS Kralik, S. 200 ff.; ders., FS Laufke, S. 311 f. 387  Schiedermair, S. 122 Fn. 71 (der daneben aber einen materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag für möglich hält); Sachse, ZZP 54 (1929), 409, 428 (das Schiedsgutachten betreffe nicht die materielle Rechtslage, sondern nur deren Beweis); A. Bachmann, S. 57 ff.; Buchdahl, S. 24 ff.; Kahn, S. 21 ff. 388 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 16; Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18; B. Rauscher, S. 99 ff., 110 ff.; Greger/ Stubbe, Rn. 131; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 5; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153; ­Jäckel, S. 54 f.; Kornblum, S. 100 ff.; ders., KTS 1970, 244, 246; ders., JA 1979, 393, 395; Greger, SchiedsVZ 2006, 219; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 5 ff.; Loewenheim, S. 77. Bei einigen Autoren finden sich aber durchaus Anklänge an die materiell-rechtliche Ansicht, wenn sie die Bindung des Gerichts an den Inhalt des Schiedsgutachtens mit der Bindung an den Willen der Parteien begründen, vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 17; Greger/Stubbe, Rn. 157. Diese Annäherung zeigt, dass der Gegensatz zwischen beiden Ansichten nicht überbetont werden und vor allem nicht den Blick auf die eigentlichen Sachfragen verstellen darf. 389 Die Annahme einzelner materiell-rechtlicher Wirkungen (wie z.B. Mitwirkungspflichten oder das Entstehen eines Leistungsverweigerungsrechts) ändert nichts an der grundsätzlichen Einordnung. 390  Für ausschließliche Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO: Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 32 ff. (allerdings zusätzlich § 84 VVG); ders., FS Horn, S. 1029 (Analogie „allerdings mit Vorsicht“); B. Rauscher, S. 158 ff. (der allerdings in jedem Einzelfall prüfen will, ob die Interessenlage eine Analogie rechtfertigt, S. 211); Kornblum, S. 101 f.; ders., JA 1979, 393, 395; Sachs, FS Schlosser, S. 810 f.; Sieg, VersR 1965, 629, 634 f. Für Beurteilung nach §§ 317 ff. BGB und zusätzliche Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO: Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 173 Rn. 19; Habscheid, KTS 1972, 209, 218; Volze, VersR 1996, 1337, 1338; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153 (anders jetzt Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 5). Für ausschließliche Anwendung der §§ 317 ff. BGB: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 16; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 38, 41; Jäckel, S. 55 f. 386 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Freilich darf dieser Vorspann nicht den Eindruck erwecken, es stünden sich lediglich zwei klar abgrenzbare Ansichten gegenüber. Genauso, wie innerhalb der materiell-rechtlichen Ansicht Ausflüge in eine prozessuale Diktion391 bis hin zu einer kombinierten Ansicht392 anzutreffen sind, herrscht auch im prozessualen Lager keineswegs Einheitlichkeit. Die verschiedenen Erklärungsmuster wurden jüngst von Gerhard Wagner systematisiert:393 So wird die Schiedsgutachtenvereinbarung als Geständnisvertrag,394 als Beweismittelvertrag,395 als Vereinbarung über die Beweiswürdigung,396 als Kombination aus diesen Typen oder gar als Prozessvertrag sui generis eingeordnet.397 Diese Vielfalt muss hier nicht weiter beunruhigen, da die praktische Wirkung in allen Fällen dieselbe ist: Ein Gericht muss seinem Urteil die Feststellungen des Schiedsgutachters zugrunde legen. Dementsprechend wird die Begründung der prozessualen Einordnung auch nicht selten von dogmatischen Finessen freigehalten, sondern vor allem auf die Aufgabe und das Erscheinungsbild der Tätigkeit des Schiedsgutachters gestützt. Der feststellende Schiedsgutachter nehme (schieds‑)richterliche Funktionen wahr.398 Die Feststellung von Tatsachen obliege üblicherweise dem (Schieds‑)Richter.399 Bemerkenswert ist nun die aus dieser Beobachtung gezogene Schlussfolgerung: Da der Schiedsgutachter gewissermaßen an dessen 391 

Siehe oben Fn. 319. allem vertreten von Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 40 f. (etwas anders Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 173 Rn. 19); sowie Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 15, die die Feststellungswirkung materiell-rechtlich, die Bindungswirkung aber prozessrechtlich erklärt. 393  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 659 f. mit zahlreichen Nachweisen; ausführlicher Überblick auch bei Wittmann, S. 47 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 9 ff. 394  D.h. als Vereinbarung, die schiedsgutachterlichen Feststellungen in einem Prozess nicht zu bestreiten, G. Wagner, Prozeßverträge, S. 640 ff. m.w.N. 395  D.h. als Vereinbarung, wonach das Schiedsgutachten einzig mögliches Beweismittel für die darin festgestellten Tatsachen sein soll, G. Wagner, Prozeßverträge, S. 683 ff. m.w.N. 396  D.h. als Vereinbarung, wonach das Gericht die Feststellungen des Schiedsgutachters nicht in Frage stellen darf, mithin die §§ 286, 287 ZPO abbedungen werden, G. Wagner, Prozeßverträge, S. 692 ff. m.w.N. 397  Die Zulässigkeit all dieser Prozessverträge ist jeweils umstritten. Doch ist es – angesichts der hier vertretenen materiell-rechtlichen Sichtweise – nicht erforderlich, in diese Diskussion einzutreten. Es genügt, im Folgenden die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen – generell oder beschränkt auf Schiedsgutachten – zu unterstellen. 398  Habscheid, FS Lehmann II, S. 801; ders., KTS 1957, 129, 132; ders., FS Laufke, S. 310; ders., FS Kralik, S. 201; ders., KTS 1972, 209, 218; weiterhin Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30; Dütz, S. 252; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 16 ff.; Ritzmann, S. 57; Lindacher, KTS 1964, 35, 37; Kornblum, S. 101; B. Rauscher, BB 1974, 629; Sieg, VersR 1965, 629, 630; Sachse, ZZP 54 (1929), 409, 428; auf Grundlage der materiell-rechtlichen Ansicht: Jonas, JW 1937, 221. 399  Habscheid, FS Laufke, S. 310 („Die Schiedsgutachter besorgen mithin, wenn sie zum Zwecke der Feststellung des angemessenen Mietzins tätig werden, ein Geschäft des Richters.“); ders., KTS 1957, 129, 132 (mit dem Beispiel der Ermittlung eines Guthabens); SchmidtRäntsch, § 40 DRiG Rn. 2 („Schiedsgutachter haben ähnliche Funktionen wie staatliche Richter; sie entscheiden an seiner Stelle … über Tatsachen.“). 392  Vor

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Stelle trete, sei die Schiedsgutachtenvereinbarung dem Prozessrecht zuzuordnen.400 In den Worten Habscheids: Es „ist unbestreitbar, daß [die Schiedsgutachter] an Stelle des Richters handeln. Das Schiedsgutachten ist daher dem Prozeßrecht zuzuordnen.“401

e) Argumente in der Sache Diese Zuordnung nach dem Erscheinungsbild sollte – wie sich noch zeigen wird402 – äußerst einflussreich werden. Gegenüber Erwägungen in der Sache kann sie sich freilich nicht durchsetzen. Diese sind nun zu erörtern. Vorwegzuschicken ist die Beobachtung, dass eine ausschließliche Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf das feststellende Schiedsgutachten in jedem Fall zwei bedauerliche Konsequenzen hätte: Das bürgerlich-rechtliche feststellende Schiedsgutachten würde erstens vom versicherungsrechtlichen Sachverständigengutachten, das der Gesetzgeber ja gerade in Anlehnung an § 319 BGB ausgestaltet hat, abgekoppelt403 und zweitens einer anderen Regelung unterworfen als Tatsachenfeststellungen durch eine Partei404.

aa) Erklärung der Bindung des Gerichts In der Sache wird nun vorgetragen, dass eine prozessuale Deutung erforderlich sei, um die Bindung des Gerichts an das Gutachten, ohne die das Gutachten seine Funktion nicht erfüllen könne, zu erklären.405 Zum Teil wird ausdrücklich eine Anlehnung bei § 1055 ZPO gesucht.406 Dies Argument übersieht jedoch, dass sich eine Bindung des Gerichts auch auf materiell-rechtlicher Grundlage zwanglos erklären lässt: Der Richter ist an den Inhalt des Gutachtens gebunden, wie er auch im Übrigen an das materielle Recht und die Vereinbarungen der Parteien gebunden ist.407 Spezifische prozessuale Wirkungen sind aufgrund 400  Habscheid, FS Lehmann II, S. 801; ders., FS Kralik, S. 201; Ritzmann, S. 57; Kornblum, S. 101; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 9, 16 ff. Siehe zu diesem Argument noch unten bei Fn. 452. 401  Habscheid, FS Laufke, S. 311 f. (Hervorhebungen im Original). 402  Siehe unten § 7 B.II.2.a) (S. 437 ff.). 403  So auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 668. 404  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4). 405  B. Rauscher, S. 116 f.; Kornblum, S. 100; von einer prozessualen und materiell-rechtlichen Bindung geht Gehrlein, VersR 1994, 1009 aus. Siehe zu diesem Argument noch unten § 7 B.II.3.a) (S. 442). 406 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 35; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 15. 407  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 305 (§ 12 IV 10); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 664 f.; Greger/Stubbe, Rn. 157 (feststellende Schiedsgutachten); Wittmann, S. 67; Kisch, Schiedsmann, S. 65 Fn. 6, 111; ders., RheinZ 9 (1917/18), 12, 21, 26; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 310; dennoch von einem „Beweisvertrag im weiteren Sinne“ spricht Bongartz, S. 18. – Allgemein zur Bindung des Gerichts an den Inhalt materiell-rechtlicher Feststellungsverträge: G. Wagner, Prozeßverträge, S. 620 („Derartige Dispositionen hat das Gericht seiner Urteilsfindung selbstverständlich genauso zugrunde zu legen, wie es auch im übrigen an wirksame ma-

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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der (potentiellen) Umgestaltung der materiellen Rechtslage durch das Schiedsgutachten entbehrlich.408 Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Der Streit um die Rechtsnatur betrifft nur feststellende Schiedsgutachten.409 Gebunden ist der Richter jedoch selbstverständlich auch an gestaltende Gutachten.410 Mit der Bindung des Richters an den Inhalt des Gutachtens zu argumentieren, führt auch deshalb auf das falsche Gleis, weil einem feststellenden Schiedsgutachten nicht zwingend ein Prozess nachfolgt und nach dem Willen der Parteien zur Streitbeilegung auch nicht nachfolgen sollte.411 Schiedsgutachten haben, wie schon häufig betont wurde, nicht nur eine streitvorbeugende, sondern oft auch eine streitentscheidende Wirkung, indem sie alle zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte ausräumen.412 Ohne Prozess würde aber der Anspruch, dessen Voraussetzungen der Schiedsgutachter erhellen sollte, bei prozessualer Deutung des Schiedsgutachtens in der Luft hängen.413

bb) Auswirkungen auf die Fälligkeit des Anspruchs Des Weiteren beklagen Habscheid und in seinem Gefolge weitere Verfechter der prozessualen Ansicht vermeintliche missliche Folgen einer materiell-rechtlichen Konstruktion: Wirke das Schiedsgutachten nicht nur prozessual, sondern auch auf das materielle Recht ein, werde damit die Entstehung bzw. Fälligkeit des Anspruchs hinausgeschoben, so dass ein Schuldner bis zur Abgabe des Gutachtens nicht in Verzug kommen könne.414 Diese Wirkung stehe aber im Widerspruch zum Parteiwillen, da der Gläubiger des mit Hilfe des Schiedsgutachtens konkretisierten Anspruchs kaum auf die Verzinsung seiner Forderung bis zur Erstellung des Gutachtens verzichten wolle.415 Das Schiedsgutachten als teriell-rechtliche Rechtsgeschäfte der Parteien gebunden ist.“); Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 11, § 779 Rn. 37; Tägert, S. 49. 408  In diesem Sinne zum Schuldanerkenntnis Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 11, § 779 Rn. 37 gegen Häsemeyer, ZZP 108 (1995), 289 ff., der eine Doppelnatur des kausalen Schuldanerkenntnisses annimmt. 409  Schlosser, FS Horn, S. 1029; Joussen, S. 56. 410  Dies erkennt auch Sieveking, S. 82 Fn. 369. 411  Unrichtig daher Ritzmann, S. 60, 83 (Zweck sei die erleichterte Abwicklung von Ansprüchen im Prozess). 412 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30; PWW/Medicus/M. Stürner, § 317 Rn. 3; Kornblum, S. 101; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 664; Habscheid, FS Lehmann II, S. 796; ders., KTS 1957, 129, 132; Nicklisch, FS Bülow, S. 160; Triebel, S. 128; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 147 f.; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 216; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 148; ders., JZ 1988, 1083, 1084. Siehe auch BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628; OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388. 413  Wittmann, S. 63; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 664 f.; Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 26; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 314; nicht überzeugend dagegen B. Rauscher, S. 127 f. 414  Habscheid, FS Lehmann II, S. 802 f.; ders., KTS 1957, 129, 133; B. Rauscher, S. 102 ff.; Ritzmann, S. 54; Schlosser, Parteihandeln, S. 87 f. 415  Siehe die Nachweise in der vorigen Fn.

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Instrument der Streitbeilegung und Streitvermeidung verliere auf diese Weise an Attraktivität.416 Die prozessuale Sichtweise nimmt für sich in Anspruch, hier den Parteiinteressen eher entgegenzukommen: Der Anspruch könne bereits mit Vertragsschluss fällig sein.417 In der Tat vertreten manche Anhänger der materiell-rechtlichen Auffassung die Ansicht, dass bis zur Abgabe des Schiedsgutachtens kein Verzug möglich sei, da das Rechtsverhältnis der Parteien noch nicht in dem Maße bestimmt sei, wie diese es sich vorgestellt hätten.418 Dem entspricht die Lage beim vertragsergänzenden Gutachten, dessen materiell-rechtlicher Charakter außer Frage steht:419 Erst mit Vervollständigung des Schuldverhältnisses durch die Leistungsbestimmung kann dort der Anspruch fällig werden.420 Diese für das vertragsergänzende Schiedsgutachten logische Konsequenz ist für das feststellende Gutachten aber, wie andere Vertreter der materiellen Ansicht betonen, keineswegs zwingend: Da der Inhalt der Leistungspflicht hier bereits vor Erstellung des Gutachtens objektiv feststehe und nur den Parteien noch verborgen sei, bestehe kein Grund, die Fälligkeit des Anspruchs hinauszuschieben.421 Damit übereinstimmend hält der BGH es etwa für möglich, dass der Anspruch gegen einen ausscheidenden GbR-Gesellschafter auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bereits vor Aufstellung einer Abfindungsbilanz fällig sei.422 Notfalls könne die anspruchsberechtigte GbR eine unbezifferte Feststellungsklage erheben.423 In einer neueren Entscheidung hat der BGH jedoch festgehalten, dass der Anspruch auf Zahlung einer Erfolgsvergütung, die sich nach dem vom Schiedsgutachter festzustellenden Unternehmenswert bemisst, erst nach Erstellung eines verbindlichen Gutachtens fällig

416 

Habscheid, FS Lehmann II, S. 803. Greger/Stubbe, Rn. 137; Habscheid, FS Lehmann, S. 802 f., 805; ders., KTS 1957, 129, 133; B. Rauscher, S. 102 ff.; Ritzmann, S. 54 ff. (der allerdings von dem Sonderfall ausgeht, dass sich die Parteien während eines laufenden Prozesses auf die Einholung eines Schiedsgutachtens verständigen). 418  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 311 (unter Berufung auf Ulpian D. 45,1,43); Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 13 ff.; Bongartz, S. 28. 419  Siehe oben § 2 B.I. (S. 30 ff.). 420  BGH v. 4.4.2006 BGHZ 167, 139, 149 (zu § 315 BGB: erst mit Verbindlichkeit der Bestimmung zur Anpassung einer Vertragsleistung kann die geänderte Leistung fällig werden); BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 915, 916 (ebenso); BGH 5.7.2005 NJW 2005, 2919, 2920 (ebenso); BGH v. 24.11.1995 NJW 1996, 1054, 1056 (ebenso); BGH v. 3.2.1995 NJW 1995, 1360, 1361 (Anpassung eines Erbbauzinses); Greger/Stubbe, Rn. 98; C. Wagner, S. 89. 421  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 305 (§ 12 IV 10); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 663. Für die Fälligkeit des Anspruchs auch, allerdings in anderem Zusammenhang BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232. Dass in OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388 die Fälligkeit bis zum Vorliegen eines verbindlichen (feststellenden) Schiedsgutachtens verneint wurde, besagt nichts, da die Parteien ausdrücklich vereinbart hatten, dass der Anspruch erst dann fällig werde. 422  BGH v. 19.7.2010 NJW-RR 2010, 1401. 423  BGH v. 19.7.2010 NJW-RR 2010, 1401; Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 20. 417 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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wird.424 Denn die Schiedsgutachtenvereinbarung enthalte eine Abrede, wonach die von der Feststellung abhängige Forderung zunächst weder gerichtlich noch außergerichtlich geltend gemacht werden solle. Zudem sei es angesichts der besonderen Sachkunde, die eine Feststellung erfordere, den Parteien zuvor kaum möglich oder zumutbar, Erfüllungshandlungen vor- oder anzunehmen. Letztlich handelt es sich bei der Auseinandersetzung über die Fälligkeit des Anspruchs um ein Scheingefecht. Die Diskussion verkennt nämlich, dass es regelmäßig an den weiteren Voraussetzungen des Verzugs fehlt, und zwar sowohl nach prozessualer wie nach materiell-rechtlicher Ansicht. Der Verzug setzt nicht nur die Fälligkeit, sondern auch die Einredefreiheit des Anspruchs voraus.425 Daran fehlt es zwar nicht, weil dem Schuldner möglicherweise eine prozessuale Einrede analog § 1032 ZPO zusteht.426 Davon abgesehen, dass die überwiegende Ansicht das Bestehen einer derartigen Einrede ablehnt,427 wäre sie auch ohne Einfluss auf die materielle Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Die Einredefreiheit ist aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn man annimmt,428 dass eine Schiedsgutachtenvereinbarung ein pactum de non petendo enthält und dem Schuldner somit ein Leistungsverweigerungsrecht vermittelt, bis das Gutachten vorliegt. Mit der Annahme dieses Leistungsverweigerungsrechts soll das – offenbar als interessengerecht empfundene – Ergebnis begründet werden, dass bis zum Vorliegen des Schiedsgutachtens die Verjährung des Anspruchs gehemmt ist.429 Doch selbst wer einem derartigen Leistungsverweigerungsrecht skeptisch gegenübersteht, muss den Verzugseintritt spätestens am fehlenden Vertretenmüssen des Schuldners (§ 286 Abs. 4 BGB) scheitern lassen. Solange 424  BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1454 f. (im Streitfall wurde die Feststellung sogar nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB erst durch das Gericht getroffen). 425  Statt aller Palandt/Grüneberg, § 286 Rn. 10; MünchKomm‑BGB/Ernst, § 286 Rn. 21 ff. 426  Für das Bestehen einer derartigen Einrede z.B. Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 40; Habscheid, FS Kralik, S. 203; Schiedermair, S. 122 Fn. 71; Ritzmann, S. 145; Sieg, VersR 1965, 629, 631. Siehe auch Weismann, AcP 72 (1888), 269, 312 (wenn die Parteien von der Geltendmachung der Schiedsgutachtenvereinbarung absehen, darf das Gericht die Vereinbarung nicht von Amts wegen berücksichtigen) 427  BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878, 1879; OLG Zweibrücken v. 20.1.1971 NJW 1971, 943; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. – Der Streit um die analoge Anwendung des § 1032 ZPO ist damit zugleich ein weiteres Beispiel für ein Sachargument, in dem die Meinungsverschiedenheiten quer durch die beiden Lager gehen. 428  So BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1454 f.; BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232; KG v. 24.9.2004 BauR 2005, 1782; OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046, 1047; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 22; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 26; Greger/ Stubbe, Rn. 137; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 215; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 7. 429  Und zwar nach § 205 BGB, Münch­Komm-­BGB/Grothe, § 205 Rn. 6; Kreindler/Schäfer/R. Wolff, Rn. 106. Während der Gutachtertätigkeit tritt auch Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB ein, Greger/Stubbe, Rn. 137 Fn. 145. – Ein Anspruch auf eine Leistung, die durch gestaltendes Schiedsgutachten festgesetzt wird, kann ohnehin erst mit Eintritt der Gestaltungswirkung verjähren, BGH in BGH v. 24.11.1995 NJW 1996, 1054, 1055.

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beiden Parteien der genaue Leistungsinhalt unbekannt ist und sie mit der Einholung eines Schiedsgutachtens auf dessen Konkretisierung hinarbeiten, lässt sich kaum sagen, dass dem Schuldner das Ausbleiben der Leistung vorgeworfen werden kann.430 Auf die Frage, ob der Schuldner schon vor Erstellung des Schiedsgutachtens in Verzug geraten und dem Gläubiger Zinsen schulden kann, hat die Qualifikation des feststellenden Schiedsgutachtens als materiell-rechtlich oder prozessual folglich keinen Einfluss. Die Frage, ob eine Schuld schon vor Erstellung des Schiedsgutachtens zu verzinsen ist, ist damit grundsätzlich zu verneinen – zumindest, soweit sich der Zinsanspruch aus § 288 BGB ergeben soll. Unbenommen bleibt es den Parteien, mittels einer gesonderten Vereinbarung eine rückwirkende Pflicht zur Verzinsung zu begründen.431 Ob eine derartige Vereinbarung geschlossen wurde, ist bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Vertrag eine Frage der Auslegung. In vielen Fällen – und allein hier liegt der zutreffende Kern des von der prozessualen Ansicht vorgebrachten Einwands – wird eine Verzinsung interessengerecht sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ermittlung der vom Schiedsgutachter festzustellenden Tatsache in die Sphäre des Schuldners fällt. Als Beispiel für diesen Fall mag das Sachverständigengutachten bei der Schadensversicherung dienen. Dort wird – gestützt auf § 14 Abs. 1 VVG, der eine Fälligkeit mit „Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen“ bestimmt – allgemein angenommen, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung erst fällig wird, wenn die Sachverständigenkommission ihre Arbeit abgeschlossen hat.432 Die Folgen von § 14 Abs. 1 VVG für die Verzinsung nimmt jedoch § 91 VVG zurück, demzufolge der Versicherer mit Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls Zinsen auf die Versicherungsleistung zu entrichten hat. Die rückwirkende Verzinsung bezweckt die Kompensation für langwierige Schadensermittlungen433 und ist interessengerecht, da die Schwierigkeiten bei der Ermittlung nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen sollen.434 In vergleichbaren Fällen kann auch beim bürgerlich-rechtlichen feststellenden 430  Darauf weist auch Buchdahl, S. 22 f. hin, der freilich der prozessualen Deutung anhängt. Vgl. allgemein zur Ermittlung des Leistungsinhalts BGH v. 6.5.1981 BGHZ 80, 269, 277 (kein Vertretenmüssen der Nichtleistung eines noch von einer Wertermittlung abhängigen Pflichtteilsanspruchs); OLG München v. 8.6.1990 NJW‑RR 1990, 1433, 1434 (kein Verzug während erforderlicher Recherche); Münch­Komm-­BGB/Ernst, § 286 Rn. 115; Palandt/ Grüneberg, § 286 Rn. 34. 431  So jetzt auch BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1456. 432 BGH v. 10.2.1971 VersR 1971, 433, 435; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 15 m.w.N.; Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 32; zur fehlenden Fälligkeit bis zur Erstattung des Gutachtens des Sachverständigenausschusses auch OLG München v. 15.11.1957 VersR 1959, 302; a.A. nur Ritzmann, S. 56 mit Begründung, das Gutachten solle neutral sein und könne daher nicht zu den „Erhebungen“ des Versicherers gerechnet werden. 433 Prölss/Martin/Armbrüster, § 91 Rn. 1. 434  Dies bestätigt auch § 91 Abs. 1 VVG, der eine Hemmung der Zinspflicht ausspricht,

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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Schiedsgutachten eine konkludent vereinbarte Pflicht zur Entrichtung von Zinsen angenommen werden, und zwar in Höhe des auch von § 91 Abs. 1 VVG grundsätzlich vorgesehenen gesetzlichen Zinssatzes in Höhe von 4 % (bzw. 5 % bei beiderseitigen Handelsgeschäften, § 352 HGB435), da für die Anwendung des höheren Verzugszinssatzes mangels Vertretenmüssens kein Anlass besteht.

cc) Erklärung des einseitig verbindlichen Gutachtens Für die prozessuale Einordnung wird zudem ins Feld geführt, dass sich auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Ansicht nicht ein nur einseitig verbindliches Schiedsgutachten konstruieren lasse.436 Derartige Fallgestaltungen sind nicht selten: Sie kommen etwa im Kfz-Gewerbe vor, wo in den einzelnen Kfz-Innungen Geschäfts‑ und Verfahrensordnungen für Schiedsstellen existieren, die etwa über Notwendigkeit und die angemessene und wirtschaftliche Ausführung von Reparaturen zu entscheiden haben.437 Mehrere dieser Ordnungen sehen vor, dass zwar die Kfz-Werkstatt, nicht aber der Kunde an den Spruch der Schiedsstelle gebunden ist.438 Es handelt sich also nicht um einen Fall des feststellenden Schiedsgutachtens, an das – in den Grenzen der richterlichen Überprüfungskompetenz – beide Parteien gebunden sind. In der Tat lässt sich ein einseitig bindendes Schiedsgutachten nur als Prozessvertrag verstehen, durch die sich die eine Seite (im Beispiel: die Werkstatt) verpflichtet, die Feststellungen der Schiedsstelle in einem eventuell nachfolgenden Gerichtsverfahren entsprechend vorzutragen bzw. nicht zu bestreiten.439 Einen Einfluss auf die materielle Rechtslage kann der Spruch hingegen nicht haben, weil sonst der andere Teil (im Beispiel: der Kunde) gehindert wäre, ein abweichendes Urteil zu erstreiten.

solange der Schaden infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt werden kann. 435  Für die Fälligkeitszinsen nach § 353 HGB lassen sich die hier entwickelten Grundsätze entsprechend fruchtbar machen. Zwar kommt es hierfür in einem ersten Schritt tatsächlich darauf an, wann Fälligkeit eintritt. Doch kann die Zinspflicht durch eine entsprechend auszulegende Stundungsvereinbarung ausgeschlossen sein, MünchKomm‑HGB/K. Schmidt, § 353 Rn. 13 m.w.N.; a.A. Baumbach/Hopt/Hopt, § 353 Rn. 1. Wer also mit der hier vertretenen Ansicht annimmt, dass die Schiedsgutachtenvereinbarung ohne Einfluss auf die Fälligkeit ist, kann von einer Zinspflicht ausgehen, es sei denn, die Schiedsgutachtenvereinbarung ist nach den hier entwickelten Grundsätzen so auszulegen, dass bis Erstellung des Gutachtens keine Zinsen geschuldet sind. Wer hingegen ein Hinausschieben der Fälligkeit bejaht, kann es ebenfalls der Auslegung überlassen, ob eine Zinspflicht besteht. Mangels Fälligkeit wurde die Verzinsungspflicht nach § 353 HGB jetzt verneint von BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452. 436  Greger/Stubbe, Rn. 131. 437 Dazu Greger/Stubbe, Rn. 307 ff.; P. Gottwald/Reichenberger/P. Wagner, NZV 2000, 6 ff.; Dötsch, MDR 2012, 817 ff. 438  Greger/Stubbe, Rn. 310. 439  Greger/Stubbe, Rn. 183 ff.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Mag diesem Argument auch bis hierher zu folgen sein, so überzeugt der nächste Schritt, beim beiderseits bindenden Schiedsgutachten werde „der Vertragswille schwerlich anders zu deuten“440 sein, nicht mehr. Es handelt sich dabei um einen Schluss von dem Sonderfall auf den Grundfall. Dieser Schluss ist schon deshalb nicht zulässig, weil die grundsätzlich materiell-rechtliche Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens durchaus auch eine rein prozessual wirkende Vereinbarung zulässt – sowohl mit beiderseits als auch mit einseitig bindender Wirkung. Dass also die Parteien einen prozessual wirkenden Schiedsgutachtenvertrag schließen können, besagt nichts über die grundsätzliche Einordnung.

dd) Der eigentliche Zankapfel: Verfahrensgarantien Treffend betont Gerhard Wagner in seiner Analyse des Streits um die Rechtsnatur des Schiedsgutachtens, dass nicht die bisher genannten Streitfragen um die Wirkungen des Schiedsgutachtens, sondern die Problematik der Voraussetzungen für dessen Verbindlichkeit den Streit befeuern.441 Der Auslöser für die Entwicklung der prozessualen Ansicht war augenscheinlich die Frage, ob und in welchem Umfang der Schiedsgutachter besonderen Verfahrensregeln, vor allem dem Prinzip der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie der Gewährung rechtlichen Gehörs, unterworfen ist.442 Diese Motivation kommt vor allem dann zum Ausdruck, wenn Anhänger der prozessualen Ansicht das Eingreifen von Verfahrensregeln als „praktische Konsequenz“ – und zugleich als Vorteil – ihrer Auffassung darstellen.443 Die Streitfrage, so heißt es etwa bei Schlosser, sei „nicht nur theoretisch bedeutsam, weil von ihrer Beantwortung abhängt, inwieweit Vorschriften über das schiedsrichterliche Verfahren ganz oder teilweise entsprechend auf das Schiedsgutachten angewendet werden können“.444 Ein anderer Autor beschreibt die Loslösung von den §§ 317 ff. BGB als einen „Schritt in Richtung Rechtsstaatlichkeit“.445 Die von der materiell-rechtlichen Ansicht und namentlich von der Rechtsprechung bemühten §§ 317 ff. BGB schweigen zu Verfahrensfragen völlig, und so hat sich die Rechtsprechung darauf zurückgezogen, mögliche Ungerechtigkeiten allein mit der nachträglichen Kontrolle 440 

Greger/Stubbe, Rn. 131. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661. 442  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661. 443  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661. Beispiele dafür finden sich in Habscheid, FS Kralik, S. 202; B. Rauscher, S. 150 f.; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153 f.; Triebel, S. 137. Den Schluss in die umgekehrte Richtung zieht Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 41 (prozessuale Sicherungen erforderlich und deshalb auch Prozessvertrag). 444 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 22; siehe auch Loewenheim, S. 76: „Unter welchen Voraussetzungen … das schiedsgutachterliche Verfahren stattfinden kann, welchen Verfahrensregeln es unterliegt und welche Rechtsbehelfe möglich sind, hängt davon ab, ob man in ihm ein materiell-rechtliches oder prozessuales Rechtsinstitut erblickt.“ 445  Sieg, VersR 1965, 629, 635 (zum Sachverständigengutachten im Versicherungsrecht). 441 

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

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analog § 319 BGB zu erfassen.446 Dem setzen die Vertreter der prozessualen Ansicht – mit Unterschieden im Detail – die Verfahrensgarantien der §§ 1025 ff. ZPO entgegen, und zwar teilweise zusätzlich zu den §§ 317 ff. BGB, teilweise auch an deren Stelle.447 Sie entfernen damit das feststellende Schiedsgutachten vom gestaltenden Schiedsgutachten und nähern es dem Schiedsgerichtsverfahren an. In der Tat ist die Frage nach prozeduralen Sicherungen eine Kernfrage im Schiedsgutachtenrecht448 und auch in dieser Untersuchung. Es muss aber bezweifelt werden, dass die Entscheidung über die Rechtsnatur des Schiedsgutachtens die Beantwortung dieser Kernfrage in die eine oder andere Richtung präjudiziert.449 Abzulehnen ist insbesondere die Vorstellung, dass die Qualifikation als Prozessvertrag zwingend zu den §§ 1025 ff. ZPO führe.450 Dass ein solcher Automatismus keineswegs vonnöten ist, lässt sich schon daran ablesen, dass einige Anhänger der Qualifikation als Prozessvertrag dennoch die §§ 317 ff. BGB ganz oder teilweise darauf anwenden wollen. Ebenso wenig rechtfertigt eine (tatsächliche oder vermeintliche) Ähnlichkeit der Funktion von Schiedsgutachter und (Schieds‑)Richter451 den Schluss, deshalb müssten beide auch denselben Regeln unterstellt werden.452 Im Bereich des Schiedsverfahrensrechts hat sich bereits die Erkenntnis durchgesetzt, dass der seit langem geführte Meinungsstreit453 über die Zuordnung der Schiedsgerichtsbarkeit zum materiellen Recht oder zum Prozessrecht „die angemessene Problemlö446 

RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206. Siehe oben Fn. 390. 448 Ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662 („Bindung des Schiedsgutachters an prozessuale Grundsätze ein Hauptproblem des Schiedsgutachtenrechts“). 449  So auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661 ff., 667; Greger/Stubbe, Rn. 131 (vielmehr sei das von den Parteien Gewollte entscheidend), anders aber offenbar dies., Rn. 85; Wittmann, S. 47, 102, 109 f., 130, 134; Weick, FS Coing II, S. 560 f.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, S. 86; allgemein Henckel, S. 37. 450 Ebenso G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662. 451  Dazu oben § 2 B.II.5.d) (S. 85 f.). 452  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662. Vielmehr gibt ganz generell für die Abgrenzung zwischen prozessrechtlichen und materiell-rechtlichen Vereinbarungen nach einer Ansicht deren Gegenstand, nach anderer Ansicht deren Wirkung den Ausschlag (siehe bezogen auf das Schiedsgutachten für die erste Ansicht G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662, für die zweite Ansicht Wittmann, S. 47 und Habscheid, FS Lehmann II, S. 803; generell zu diesen beiden Theorien G. Wagner, Prozeßverträge, S. 27 ff.). – Keinen Beweiswert hat in diesem Zusammenhang § 40 DRiG. Diese Norm, die sich mit einem Richter erlaubten Nebentätigkeiten befasst, nennt zwar Schiedsrichter und Schiedsgutachter in einem Atemzug und scheint somit in beiden Fällen ein ähnliches Regelungsproblem zu erkennen. Jedoch liegt das Regelungsproblem, welcher Nebentätigkeit ein Richter nachgehen kann, auf einer anderen Ebene als der hier angeschnittene Fragenkomplex. 453 Siehe nur die umfassenden Nachweise bei Solomon, S. 288 ff.; Schwab/G. Walter, Kap. 7 Rn. 37 Fn. 133; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 578 ff.; Dütz, S. 231; Kornblum, S. 82 ff.; Schlosser, RIPS, Rn. 40 ff. 447 

94

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

sung nicht automatisch präjudizieren“ darf.454 Überdies ist die These von der Funktionsähnlichkeit von Schiedsgutachter und (Schieds‑)Richter keineswegs zwingend. Dazu sei zunächst skizziert, wie Habscheid begründet, dass beide eine ähnliche Funktion ausüben oder, in seinen Worten, dass Schiedsgutachter „an Stelle des Richters handeln“:455 Haben Parteien eines Mietvertrages vereinbart, es sei ein „angemessener“ Mietzins geschuldet, so sei dieser Betrag objektiv bestimmbar, wenn auch den Parteien verborgen. Der Vermieter könne auf der Grundlage dieses Vertrages die angemessene Miete einklagen. Er müsse dazu freilich in seiner Klage beziffern, welcher Betrag seines Erachtens als angemessen anzusehen ist. Der Richter werde dann, eventuell nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, darüber entscheiden, ob der vom Kläger genannte Betrag tatsächlich angemessen ist, und der Klage entsprechend stattgeben oder sie abweisen. Wenn nun die Ermittlung des angemessenen Betrages einem Schiedsgutachter überlassen werde, so nehme dieser exakt jene richterliche Aufgabe wahr. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Herleitung übersieht einen entscheidenden Punkt: Um seinen Antrag zu beziffern, muss der Vermieter sich selbst kundig machen, welcher Betrag angemessen ist. Dazu wird er im Zweifel einen Sachverständigen konsultieren. Der Richter muss sich dann gleichwohl noch selbst ein Urteil bilden, ob der eingeklagte Betrag angemessen ist. Wenn aber vor Klageerhebung die Parteien auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens eine Zusatzvereinbarung schließen, wonach der in diesem Gutachten ermittelte Betrag der angemessene sein solle, so ist der Richter daran gebunden. Der Schiedsgutachter nimmt mithin nicht eine Aufgabe des Richters, sondern eine Aufgabe der Parteien wahr, indem er ihnen hilft, den Vertragsinhalt zu konkretisieren. Er handelt keineswegs an Stelle des Richters, sondern an Stelle der Parteien.456 Doch auch wer nicht die Funktion, sondern die Wirkung des Schiedsgutachtens zum Maßstab nimmt, erhält daraus keine zwingende Antwort. Diese Wirkung sehen Vertreter der prozessualen Ansicht meist darin, dass das Gericht an die Feststellungen des Schiedsgutachters gebunden sei.457 Freilich wurde oben bereits gezeigt, dass sich diese Wirkung auch zwanglos auf der Grundlage des materiellen Rechts mit der generellen Bindung des Gerichts an wirksame Vereinbarungen zwischen den Parteien erklären lässt.458 Insbesondere kann kaum bestritten werden, dass ein Gericht auch an den Inhalt eines (nicht offenbar unbilligen) gestaltenden Schiedsgutachtens gebunden ist – aus dem einfachen 454  Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 6; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 581; ­Henckel, S. 37. 455  Habscheid, FS Laufke, S. 310 ff. (Zitat auf S. 312). 456  Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 870; dagegen B. Rauscher, BB 1974, 629. 457  Habscheid, FS Lehmann II, S. 803; ders., KTS 1957, 129, 133; ders., FS Laufke, S. 310. Zur Konstruktion dieser Wirkung im Einzelnen siehe oben bei Fn. 393. 458  Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 86 f.).

B. Gestaltungsentscheidungen und Feststellungsentscheidungen

95

Grund, dass es bindende Verträge zwischen den Parteien durchzusetzen hat. Wenn ein Dritter wirksam einen Betrag x als neuen Mietzins bestimmt hat, muss ein Gericht der Klage des Vermieters auf Zahlung von Miete in dieser Höhe stattgeben. In der Vereinbarung, ein gestaltendes Schiedsgutachten einzuholen, wollen die Anhänger der prozessualen Sichtweise dennoch keinen Prozessvertrag erblicken. Dass die Einordnung als prozessual oder materiell-rechtlich nicht ein bestimmtes Ergebnis in den Sachfragen determinieren kann, zeigt sich auch in der Unsicherheit bei den Anhängern der prozessualen Ansicht, ob sie zusätzlich an der analogen Anwendung der §§ 317 ff. BGB festhalten wollen, wohl weil die alleinige Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auch Folgen für den Umfang der gerichtlichen Überprüfung des Gutachtens hat: hier die engen Aufhebungsgründe des § 1059 ZPO, dort die Überprüfung auf offenbare Unrichtigkeit nach § 319 Abs. 1 BGB. Umgekehrt finden sich durchaus Verfechter der materiell-rechtlichen Ansicht, die – zumindest in einigen Fällen – ein Bedürfnis nach Verfahrenssicherungen erkennen und mit Grundsätzen aus den §§ 1025 ff. ZPO helfen wollen.459

III. Ergebnis Die Aufgabe, die der Dritte zu erfüllen hat, lässt sich je nach ihrem Inhalt als Gestaltungsentscheidung oder als Feststellungsentscheidung kennzeichnen; sein Ausspruch stellt ein gestaltendes oder ein feststellendes Schiedsgutachten dar. Beide Typen von Schiedsgutachten bilden den Gegenstand dieser Untersuchung. Gestaltungsentscheidungen treten einerseits als Ergänzung eines Vertrages oder eines Testaments und andererseits als Änderung eines Vertrages auf. Konzeptualisiert man die Änderung durch einen Dritten als Ergänzung eines Anpassungsvertrags, wird die Verwandtschaft beider Formen deutlich. Beide Formen beruhen auf einer Delegation von Privatautonomie; sofern nicht besondere Bestimmungen im Bereich des Erbrechts eingreifen, richten sie sich nach den §§ 317–319 BGB. Diese Vorschriften enthalten, anders noch als das römische Recht, ein allgemeines Regelungsregime für die Bestimmung einer Leistung oder sonstiger Vertragsinhalte durch einen Dritten. Feststellungsentscheidungen Dritter sind ebenfalls im Schuldrecht wie im Erbrecht anzutreffen; sie stellen sogar im Schuldrecht vermutlich den Hauptanwendungsfall des Schiedsgutachtens dar. Auch diese Entscheidungen beruhen auf einer Delegation von Privatautonomie. Der Dritte ergänzt mit seinem Spruch einen materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag, durch den die Parteien einen ihnen subjektiv ungewissen Punkt verbindlich festlegen wollen. Seine Tä459 

Siehe insbesondere Wittmann, S. 134 ff., 142 f.; Wangner, S. 49 ff.

96

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

tigkeit entspricht damit derjenigen des gestaltenden Schiedsgutachters, nur dass sein Ziel eine richtige Entscheidung ist und deshalb die offenbare Unrichtigkeit, nicht die offenbare Unbilligkeit den Maßstab für die Kontrolle seiner Entscheidung bildet. Da das Schiedsgutachten grundsätzlich bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit bindet, nehmen die Parteien in diesem Umfang eine potentielle Umgestaltung der materiellen Rechtslage in Kauf. Deshalb findet auch das feststellende Schiedsgutachten seine Regelung in einer analogen Anwendung der §§ 317–319 BGB. Diese Vorschriften sind zwar vom BGB-Gesetzgeber mit Blick auf die Vertragsergänzung konzipiert worden; damit wurde aber eine zuvor bestehende Praxis unnötig verengt. Auch die Erfahrungen ausländischer Rechtsordnungen bestätigen die Gleichbehandlung. Die in Deutschland diskutierte Dichotomie wird etwa in Frankreich und in England nicht in demselben Maße problematisiert. Dies dürfte auch daran liegen, dass es aus funktionaler Sicht in Grenzfällen ohnehin sehr schwer fällt, beide Typen zu unterscheiden. Eine prozessuale Qualifikation des feststellenden Schiedsgutachtens ist auf dieser Grundlage nicht erforderlich. Sie erscheint auch nicht deshalb geboten, weil der Dritte mit seiner Feststellung einer Tatsache einem Richter die Aufgabe abnehme, diese Tatsache mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln, zumal das Schiedsgutachten einen späteren Prozess gerade vermeiden helfen soll. Zugleich und vor allem aber nimmt er eine Aufgabe der Parteien wahr; deren Feststellungsvertrag hat der Richter zu beachten wie jeden anderen wirksam geschlossenen Vertrag. Ob für das Verfahren, das der feststellende Schiedsgutachter zu beachten hat, Anleihen beim Prozessrecht zu nehmen sind, wird noch zu untersuchen sein.460 Wenn sich dabei herausstellt, dass bestimmte Verfahrensregeln zu beachten sind, determiniert das keineswegs die Qualifikation als materiell-rechtlich oder prozessual. Nicht ausgeschlossen bleibt davon die Möglichkeit eines rein prozessual wirkenden Geständnisvertrages, der die materielle Rechtslage unberührt lässt. Die entscheidende Trennlinie im Kontinuum „gestaltendes Schiedsgutachten – feststellendes Schiedsgutachten – Schiedsverfahren“461 verläuft deshalb zwischen Schiedsgutachten und Schiedsverfahren. Darauf wird im abschließenden Teil 4 (unten § 16) zurückzukommen sein.

C. Abgrenzungen Schließlich sind zur Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes noch verschiedene benachbarte Erscheinungen gegenüber der hier betrachteten Delegation von Privatautonomie abzugrenzen. Abgrenzungen sind zum einen erfor460 

461 

Siehe unten §§ 6 ff. (S. 407 ff.). Siehe oben bei Fn. 137.

C. Abgrenzungen

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derlich zu anderen Formen der Delegation und zum anderen zu anderen Formen der Verweisung auf die Entscheidung eines Dritten.

I. Andere Formen der Delegation 1. Stellvertretung Auch der Stellvertreter trifft als Dritter Entscheidungen für seinen Geschäftsherrn. Wenn der Schiedsgutachter einen Vertrag vervollständigt, ähnelt seine Tätigkeit dem ersten Anschein nach dem Handeln eines Stellvertreters. Diese funktionale Ähnlichkeit kann es rechtfertigen, beide Institute, Stellvertretung und Leistungsbestimmung, als Fälle der „Delegation von Privatautonomie“ zu bezeichnen.462 Über diese funktionale Ähnlichkeit hinaus fällt die Stellvertretung gleichwohl nicht in den Gegenstand dieser Untersuchung. Dafür lässt sich zum einen ein formaler Unterschied anführen. Die Stellvertretung beruht auf einer einseitigen Delegation, während die Einholung eines Schiedsgutachtens, jedenfalls im vertraglichen Bereich, von zwei Parteien gemeinsam vereinbart wird.463 Der Stellvertreter ist deshalb im Regelfall auch nur Interessenwahrer einer Partei, während der Schiedsgutachter von beiden eingesetzt wurde. Zum anderen bestehen zwei Unterschiede in materieller Hinsicht: Den hier zu untersuchenden Fallgestaltungen ist im Gegensatz zur typischen Situation der Stellvertretung gemeinsam, dass jemand – die Vertragsparteien oder der Erblasser – schon seinen Willen gebildet hat und in Geltung setzen möchte, dieser Wille aber noch unklar ist oder Lücken aufweist. Der Dritte muss mithin nicht mehr über das „Ob“ des Geschäfts entscheiden; auch muss ihn nicht interessieren, ob das mit seiner Hilfe zustande gebrachte Geschäft für die Parteien vorteilhaft oder nachteilig ist, um gegebenenfalls davon Abstand zu nehmen.464 Vor allem aber reichen die Befugnisse eines Vertreters häufig weiter als die eines Schiedsgutachters. Dies gilt insbesondere für Vollmachten, die eine Vielzahl von Rechtsgeschäften betreffen. Deshalb ist auch die Generalvollmacht und insbesondere ihr Unterfall 462  Vgl. auch Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 22, § 315 Rn. 115, 165, der die Stellvertretung (in Anknüpfung an die von Müller-Freienfels, S. 67 entwickelte Sicht der Stellvertretung als Begründung einer andernfalls nicht bestehenden „Zuständigkeit“ des Dritten) und die Leistungsbestimmung als Fälle einer Delegation einander annähert. Ähnlichkeiten zwischen der Rechtsposition des Dritten und der Rechtsmacht des Vertreters erkennen auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 294 (§ 12 III 4); P. Bydlinski, S. 274 Fn. 2; C. Wagner, S. 28, 78; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 434; Habscheid, FS Laufke, S. 308 f. (der Schiedsgutachter sei „quasi Vertreter der Parteien“); siehe auch Herriger, JW 1935, 1785 für den rechtsgestaltenden Schiedsrichter. 463 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 115, 165. 464  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 476 mit Fn. 81.

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§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

der Vorsorgevollmacht keine Delegation von Privatautonomie im hier interessierenden Sinn. Mit der Vorsorgevollmacht trifft jemand Vorsorge für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit, indem er einen anderen zur Vornahme von Rechtsgeschäften bevollmächtigt, die selbst vorzunehmen ihm wegen Verlusts der Geschäftsfähigkeit verwehrt sein wird. Hier stellen sich andere und ganz eigene Regelungsprobleme. Diesen Unterschied drückt Muscheler bezogen auf die Drittbestimmung im Erbrecht anschaulich so aus: „Das Recht zur erbrechtlichen Drittbestimmung erschöpft sich in einem Akt, Generalvollmacht berechtigt zu einer Vielzahl von Geschäften. Der Drittbestimmer ist Geburtshelfer, der Generalbevollmächtigte alter ego.“465

Schließlich besteht noch ein Unterschied hinsichtlich des Ursprungs der Rechtsmacht des Dritten. Auf diesen Punkt ist jedoch, da er die funktionale Verwandtschaft beider Institute berührt, gesondert einzugehen.466

2. Bestimmungsbefugnisse einer Partei Zwar kann auch eine Partei die Aufgaben des Dritten wahrnehmen. Ebenso wie es Gestaltungsentscheidungen einer Partei gibt, lassen sich ihr auch Feststellungen übertragen.467 Jedoch verfolgen die Parteien damit andere Zwecke. Diese unterschiedliche Motivlage führt dazu, dass Parteileistungsbestimmung und Drittleistungsbestimmung funktional zu unterscheiden sind. Fälle, in denen ein Vertragsteil den Vertragsinhalt vervollständigen soll, unterscheiden sich meist strukturell von den Fällen der einverständlichen Übertragung auf Dritte. Nur in den letztgenannten Fällen stellen sich die Probleme, die etwa die Auswahl des Dritten betreffen. Vor allem verfolgen die Parteien mit der Delegation auf Dritte häufig ein anderes Ziel und andere Interessen als mit der Übertragung auf einen Vertragsteil:468 Die Einschaltung eines Dritten kann dazu dienen, eine Einigungsschwierigkeit zu überwinden oder fehlende Sachkunde wettzumachen, indem die Entscheidung auf eine neutrale und sachverständige Person verlagert wird. Die Übertragung des Bestimmungsrechts auf eine Partei bezweckt demgegenüber häufig eine Vereinfachung der Vertragsabwicklung, wenn sich der Umfang der Leistungen noch nicht festlegen lässt, weil dazu noch weitere Informationen einzuholen sind, weil das Leistungsdatum weit in der Zukunft liegt oder weil rein tatsächlich aus Zeit‑ oder Kostengrün-

465 

Muscheler, Erbrecht, Rn. 562. Siehe unten § 3 A.II.2.b) (S. 108 ff.). 467  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 f. (§ 12 IV 2); Kornblum, S. 91; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 129. 468  Wittmann, S. 140 f.; Kleinschmidt, Leistungsbestimmung, nachträgliche, in: HWBEuP, S. 1008. 466 

C. Abgrenzungen

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den keine Gelegenheit zur Festlegung besteht.469 Die Parteileistungsbestimmung hat in erster Linie den Zweck, die Vertragsabwicklung zu vereinfachen. Die Parteileistungsbestimmung der §§ 315 f. BGB bleibt mithin ebenfalls vom Gegenstand dieser Untersuchung ausgeklammert. Soweit sich Überschneidungen auftun, etwa zum Begriff des billigen Ermessens, der sowohl in § 315 BGB als auch in § 317 BGB verwendet wird, kann freilich auf die zu § 315 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.

II. Andere Formen der Verweisung auf Dritte 1. Vereinbarung eines Markt- oder Börsenpreises Ebenfalls von der Delegation an einen Dritten zu unterscheiden sind Fallgestaltungen, in denen die Vertragsparteien – sei es bei der erstmaligen Festlegung des Vertragsinhalts, sei es im Rahmen eines Anpassungsmechanismus – auf externe Faktoren wie Markt‑ oder Börsenpreise oder einen näher bezeichneten Index oder Zinssatz Bezug nehmen. Allein die Tatsache, dass auch diese Faktoren von dritter Seite ermittelt werden, rechtfertigt es nicht, eine gemeinsame Kategorie zu bilden.470 Denn Parteien, die auf einen externen Faktor Bezug nehmen, treffen ihre Einigung vollumfänglich selbst.471 Sie schließen ihren Vertrag in Kenntnis des Faktors oder haben jedenfalls die Möglichkeit, den Faktor mit geringem Aufwand472 in Erfahrung zu bringen. Hinzu kommt, dass der externe Faktor nicht mit Blick auf das Vertragsverhältnis der Parteien ermittelt wird. Ein Schiedsgutachter trifft seine Entscheidung jedoch zielgerichtet für das Verhältnis der Parteien, die ihn um sein Gutachten ersuchen.473 Er gibt sein Gutachten gegenüber den Parteien ab (§ 318 Abs. 1 BGB).474 Nur wenn der Dritte im Hinblick auf eine Ermächtigung durch bestimmte Parteien agiert, stellt sich seine Tätigkeit als Folge einer delegierten Parteientscheidung dar. 469  Zu den Funktionen der §§ 315, 316 BGB siehe auch Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 3 ff.; Kunkel, S. 55 ff. 470  So aber Eckelt, S. 113 (Ermittlung eines Index als Referenzwert „nichts anderes als die mittelbare Anpassung des Vertrages durch Dritte“); Carbonnier, JCP 1947,II,3413 (die mit der Erstellung von Statistiken betraute öffentliche Stelle ist im Grunde ein Dritter, der die Gegenleistung bestimmen soll). 471 Vgl. Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 2; Leveneur, CCC 2005, comm. 69. Das Bedürfnis nach einer getrennten Regelung ließ bereits das ALR in I 11, §§ 48 ff. (Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten) und I 11, §§ 52 ff. („Beziehung auf eine anderwärts schon feststehende Summe“) erkennen. 472  Diesen Vorteil gegenüber Schiedsgutachten betont Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 2. 473  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60; RG v. 15.4.1904 JW 1904, 289; LG Mannheim v. 22.6.1971 BB 1971, 1259; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 5, 8; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 31; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 2. 474  RG v. 15.4.1904 JW 1904, 289; siehe noch unten § 13 A.I.2. (S. 601 ff.).

100

§ 2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes

Allgemein festgestellte externe Faktoren werfen andere Regelungsprobleme auf. So stellt sich die Frage, was bei Wegfall des Faktors gelten soll, zwar ähnlich wie die Frage nach den Folgen eines Wegfalls des Schiedsgutachters,475 jedoch mit unterschiedlicher Schärfe. Denn im Fall der Bezugnahme auf einen externen Faktor wird in der Regel die Vertragsauslegung erlauben, einen anderen Faktor als gewollt einzusetzen.476 Ein anderes Kernproblem der Delegation an einen Dritten – die Überprüfung der Entscheidung des Dritten im Hinblick auf das individuelle Vertragsverhältnis – spielt bei der Bezugnahme auf einen externen Faktor von vornherein keine Rolle, da eine Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit (gar mit Wirkung erga omnes?) von vornherein ausscheidet.477 Nach alldem kann diese Bezugnahme nicht als Delegation von Privatautonomie angesehen werden.

2. Verweisung auf von Dritten erstellte Regelwerke Mit denselben Überlegungen lässt sich auch die vertragliche Verweisung auf Regelwerke oder Vertragsbedingungen, die ein Dritter erstellt hat, aus dem Untersuchungsgegenstand ausklammern. Diese Vertragsbedingungen werden nicht mit Blick auf das Vertragsverhältnis der Parteien, sondern „von den Regelsetzern in eigener Zuständigkeit für eigene Angelegenheiten“478 entwickelt. Werden sie von einer Seite in den Vertrag eingeführt, so kann damit der Komplex der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen angesprochen sein. Doch auch wenn nicht eine Partei die Bedingungen gestellt hat, wie dies in so unterschiedlichen Beispielen wie der Bezugnahme auf Open source-Lizenzen, die Bedingungen einer Online-Auktionsplattform479 oder eine Schiedsgerichtsordnung der Fall sein kann, stellen sich andere Regelungsprobleme.

475 

Carbonnier, JCP 1947,II,3413. Art. II.‑9:107 DCFR; Art. 6:107 PECL; Art. 5.1.7(4) UNIDROIT PICC; Tallon, S. 82 ff. Deutschland: BGH v. 31.10.2008 NJW 2009, 679; BGH v. 12.10.2007 NJW‑RR 2008, 251, 254; Palandt/Grüneberg, § 3 PrKlG Rn. 2; MünchKomm‑BGB/v. Oefele/Heinemann, § 9 ErbbauRG Rn. 52 m.w.N.; siehe aber Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff. Rn. D175, D184 (Wegfall des Wertmaßstabes ist „Beispiel für den Fortfall der Geschäftsgrundlage“ mit der Folge einer Neuverhandlungspflicht). Frankreich: Cass. civ. 3e 12.1.2005 Bull. civ. III, Nr. 4; Mazeaud, RDC 2005, 1018 ff. 477  Dazu bereits RG v. 15.4.1904 JW 1904, 289: Im Fall wollten die Parteien als Kaufpreis denjenigen Preis zugrunde legen, den eine Kommission bei anderen Buttergeschäften während des Vertragsverhältnisses ermitteln und notieren wird. – Siehe auch Carbonnier, JCP 1947,II,3413 (gegen die nationale Statistikbehörde werde wohl kaum der Vorwurf des groben Irrtums oder der offenbaren Unbilligkeit erhoben). 478 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 115, § 317 Rn. 31. 479  Siehe z.B. zum Einfluss der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inter­net­auk­t ions­ platt­form ebay auf den Abschluss des Kaufvertrags BGH v. 8.6.2011 NJW 2011, 2643. 476 Vgl.

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Teil 1:

Zulässigkeit einer Delegation § 3 Delegation und Selbstbestimmung Das BGB spricht in den §§ 317 ff. nicht ausdrücklich aus, dass Entscheidungsbefugnisse an einen Dritten delegiert werden können, sondern es setzt diese Zulässigkeit vielmehr voraus.1 Dem Erblasser hingegen wird diese Möglichkeit stets explizit eingeräumt: „Der Erblasser kann“, heißt es im BGB stets, die Auseinandersetzung, die Bestimmung des Vermächtnisnehmers, den Gegenstand des Vermächtnisses, die Auswahl des Testamentsvollstreckers usw. einem Dritten überlassen. Zum Teil wird diese Annahme des BGB-Gesetzgebers im Schuldrecht pauschal damit gerechtfertigt, dass die Möglichkeit zur Delegation „Ausfluss der Vertragsfreiheit“2 sei. Freilich legt diese Sichtweise gerade den Finger in die Wunde, will doch die Vertragsfreiheit auch davor bewahren, dass ein Individuum einem fremden Willen unterworfen wird. Und warum soll die Möglichkeit einer Delegation nicht auch „Ausfluss der Testierfreiheit“ sein, sondern eigens im Gesetz erlaubt werden? Auf der ersten Problemebene, der Ebene der Zulässigkeit, ist deshalb zu klären, warum und inwieweit die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen nicht etwa zu Fremdbestimmung führt, sondern von der Rechtsordnung als Ausübung von Selbstbestimmung angesehen werden kann. Dazu soll zunächst der „Mechanismus“3 der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden rückgekoppelt werden (unten A.), bevor sodann spezifische Beschränkungen der Delegationsmöglichkeit in AGB (unten B.) und aufgrund von Formgeboten (unten C.) zu thematisieren sind.

1  Anders aber Michalski, NZG 1998, 7, 11: § 315 BGB gewährleiste, dass ein bindender Vertrag trotz fehlender Bestimmtheit seines Inhalts zustandekommen kann. Nach NKBGB/F. Wagner, § 317 Rn. 1 enthält die Norm eine Klarstellung, dass die Leistungsbestimmung einem Dritten überlassen werden kann. 2  Greger/Stubbe, Rn. 88 (gestaltende Schiedsgutachten), 130 (feststellende Schiedsgutachten); Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 1; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 1; Sieveking, S. 55. Demgegenüber weist HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 3 Fn. 8 darauf hin, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit in den Materialien zu diesen Bestimmungen nicht erwähnt werde. 3  Diese Sichtweise wird auch in Frankreich und England geteilt, Gautier, RTD civ. 2004, 308 („mécanisme“); Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444 („machinery“).

102

§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden I. Selbstbindung als Ausübung von Privatautonomie Zur Annäherung an die Problematik ist zunächst ein Punkt festzuhalten, der zwar weitgehend selbstverständlich erscheint, für das Folgende aber dennoch in Erinnerung gerufen werden sollte. Wenn das Gebrauchmachen von Privatautonomie, etwa durch die Eingehung eines Vertrages, zu einer Bindung des Handelnden führt, so engt diese Bindung zwar dessen zukünftigen Handlungsspielraum ein.4 Gleichwohl liegt darin keine Beschränkung der Privatautonomie, sondern vielmehr deren Verwirklichung.5 Selbstbestimmung und Selbstbindung gehören insofern untrennbar zusammen.6 In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Eine … rechtsgeschäftliche Selbstbindung führt zwar zu einer Beschränkung beruf­ licher Mobilität, ist aber zugleich Ausübung individueller Freiheit.“7

Besonders plastisch wird dieser Zusammenhang in Geschäften, die – in den Grenzen des zwingenden Rechts und insbesondere des § 138 BGB – zu einer Beschränkung der Privatautonomie führen. Auch sie sind von der Privatautonomie gedeckt.8 Von der Rechtsprechung wird dies etwa im Zusammenhang mit Sperrverträgen Spielsüchtiger bestätigt: Zwar kann sich ein Spieler, der in Ausübung seiner Privatautonomie mit der Spielbank einen Sperrvertrag abschließt und sich so vor dem ruinösen Abschluss weiterer Spielverträge bewahren möchte, nicht der Freiheit begeben, bindende Spielverträge einzugehen.9 Jedoch macht sich die Spielbank, die ihn ohne hinreichende Kontrolle spielen lässt, aus dem Sperrvertrag schadensersatzpflichtig, damit der Abschluss der Spielverträge, den der Sperrvertrag eigentlich verhindern soll, für den Spieler folgenlos bleibt. Da die Spielbank zur Abwendung ihrer Ersatzpflicht den Spieler abweisen wird, liegt in dem Sperrvertrag eine „Beeinträchtigung der Ver4 

F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 68. Unberath, Vertragsfreiheit, in: HWBEuP, S. 1692 f.; Flume, AT II, S. 5 (§ 1, 3 e); Heinrich, S. 54. – v. Savigny, System VIII, S. 201 (§ 369) weist darauf hin, dass der beschränkten Freiheit des Schuldners eine erweiterte Freiheit des Gläubigers gegenübersteht. 6  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; St. Lorenz, S. 35 ff.; ausführlich zum Zusammenhang von Vertragsfreiheit und Vertragstreue M.-P. Weller, S. 153 ff.; aus der Perspektive des Gesellschaftsrechts Weber, S. 205 ff. m.w.N. Ob außer der Selbstbestimmung noch andere Elemente zur Legitimierung der Selbstbindung erforderlich sind, ist umstritten, siehe dazu einerseits St. Lorenz, S. 32 ff. (stärkere Betonung des Vertrauensschutzgedankens) und andererseits Lobinger, Verpflichtung, S. 17 ff.; Singer, S. 8 ff., 54 ff. (Rückbesinnung auf das Willensdogma). 7  BVerfG v. 7.2.1990 BVerfGE 81, 242, 254. 8  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 153. 9  Dazu BGH v. 20.10.2011 NJW 2012, 48, 49 m.w.N.; Sendmeyer, ERPL 2009, 377 ff. m.w.N.; Wagner-von Papp, AcP 205 (2005), 342, 364 ff. 5 

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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tragsfreiheit“, die aber – weil vom Spieler gewollt – keine „unverhältnismäßige Einschränkung der Privatautonomie darstellt“.10

II. Bevollmächtigung als Ausübung von Privatautonomie 1. Erteilung von Vertretungsmacht führt nicht zu Fremdbestimmung Erweitert man nun den Blick von der Zwei-Personen-Konstellation des Vertrags auf den Vertragsschluss unter Einschaltung eines Bevollmächtigten, so kommt zu der Beschränkung der Selbstbestimmung die Gefahr einer Fremdbestimmung hinzu. Diesen Gedanken hat vor allem Müller-Freienfels ausgearbeitet:11 Sobald der Vollmachtgeber eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt habe, sei er für die Dauer ihres Bestehens nicht mehr „Alleinherr in seinem (privatrechtlichen) Haus“. Solange die Vollmacht bestehe und soweit sie reiche, erfahre das Selbstbestimmungsrecht des Vollmachtgebers eine Einschränkung, da dieser seine rechtlichen Verhältnisse nicht mehr ausschließlich selbst gestalten könne. Stattdessen sei er „dem Wollen und Können des Vertreters wie eigenem Wollen und Können unterworfen“.12 Jedoch könne diese Fremdbestimmung hingenommen werden, da die rechtsgeschäftliche Vertretung ihren Ursprung in der Bevollmächtigung und damit in der Selbstbestimmung des Vertretenen habe. Zur „Rechtfertigung der rechtsgeschäftlichen Zuordnung vom Willen des primär zuständigen Betroffenen her“ genüge es, dass dieser sich vorher oder im Nachhinein mit diesen Rechtsfolgen einverstanden erklärt habe. Insofern sei die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts vom Willen des Betroffenen gedeckt.13 In seinem Beschluss zur Minderjährigenhaftung fasste das Bundesver10 

BGH v. 20.10.2011 NJW 2012, 48, 49. Siehe zum Folgenden Müller-Freienfels, S. 104 ff.; zustimmend etwa Großfeld, JZ 1968, 113, 117; Weber, S. 215 ff. 12 Mit dieser Einschränkung der persönlichen Freiheit des Vertretenen erklärt Müller-Freienfels, S. 105, den grundsätzlichen Ausschluss der unmittelbaren Stellvertretung im römischen Recht. Zu weiteren Gründen R. Zimmermann, Obligations, S. 47 ff. (Gebrauch von Spruchformeln); Kötz, S. 330 f.; Kleinschmidt, Stellvertretung, in: HWBEuP, S. 1437. Dass eine Bindung des Geschäftsherrn neben dem Vertreter größere Verbreitung hatte, zeigt Finkenauer, ZSS (RA) 125 (2008), 440 ff. Noch heute werden darauf vertretungsimmanente, vom Willen der Beteiligten unabhängige Einschränkungen der Vertretungswirkungen, wie sie etwa beim Missbrauch der Vertretungsmacht vorgenommen werden, zurückgeführt, siehe etwa Flume, AT II, S. 786 (§ 45 II 2); G. Bachmann, S. 238 (der insoweit eine seinem Legitimationskonzept entsprechende Kombination von privatautonomer Zustimmung und objektiven Kriterien erkennt). 13  Grundsätzlich anders Kirchhof, S. 481 ff.: Die Bevollmächtigung ändere nichts an der Heteronomie des Vertretergeschäfts, da beide Geschäfte „rechtsdogmatisch und faktisch streng getrennt sind“ (S. 482). Wie genau das Vertretergeschäft aussehen werde, stehe im Zeitpunkt der Bevollmächtigung noch nicht fest, wolle man nicht den Vertreter zum Boten 11 

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

fassungsgericht diese Herleitung so zusammen, dass im Fall der rechtsgeschäftlichen Vertretung anders als bei der gesetzlichen Vertretung die „‚Fremdbestimmung‘ durch den Vertreter im Ergebnis auf dem eigenen Willen des Vertretenen und damit auf seinem Recht auf Selbstbestimmung beruht.“14

Zutreffend setzt das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Fremdbestimmung in Anführungszeichen. Denn die Fremdbestimmung durch den Vertreter, der sich im Rahmen seiner rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht bewegt, besteht nur scheinbar. Das Handeln des Vertreters lässt sich vielmehr auf die Selbstbestimmung des Vertretenen zurückführen, der durch die Erteilung der Vollmacht seinen Handlungsspielraum nicht beschränkt, sondern erweitert.15 Wer einen anderen bevollmächtigt, verzichtet somit nicht auf seine Privatautonomie, sondern macht davon Gebrauch.16

2. Der Dritte als Vertreter des Delegierenden? An diesem Punkt könnte nun ein Erklärungsversuch zur Rückkopplung des Schiedsgutachtens an die Selbstbestimmung des Delegierenden ansetzen. Wäre der Dritte als Vertreter des Delegierenden – oder, im Fall der §§ 317 ff. BGB, als gemeinsamer Vertreter der Vertragsparteien – anzusehen, so stünde die Bindung, die sein Spruch entfaltet, nicht im Widerspruch zur Selbstbestimmung des Delegierenden, sondern wäre – vermittelt durch die wirksame Bevollmächtigung – davon gedeckt. Bevor dieser Ansatz für das deutsche Recht weiterverfolgt werden soll, lohnt sich jedoch ein Blick auf das französische Recht. Denn dort entspricht es der allgemeinen Auffassung, dass der Schiedsgutachter als mandataire commun, d.h. als gemeinsamer Beauftragter, aber aufgrund des im französischen Stellvertretungsrecht bestehenden Kausalprinzips17 auch als gemeinsamer Vertreter, der Parteien handele. Dass mit der Qualifikation als mandataire vorrangig die Vertretereigenschaft des Dritten gemeint ist, belegt die zunehmende Kritik im Schrifttum18 daran, dass das Rechtsverhältnis degradieren. Dieser Einwand geht von einer verengten Sichtweise aus: Der Vertretene kann sich durchaus mit allem, was der Vertreter im Rahmen seiner Vollmacht tut, einverstanden erklären. Wäre er mit bestimmten Vertretergeschäften nicht einverstanden, könnte er die Vollmacht entsprechend beschränken. 14  BVerfG v. 13.5.1986 BVerfGE 72, 155, 171. 15  Siehe z.B. Kötz, S. 329 f.; Flume, AT II, S. 754 (§ 43, 3); G. Bachmann, S. 237; O. Werner, FS Kanzleiter, S. 401. 16 Vgl. Flume, AT II, S. 754 (§ 43, 3); G. Bachmann, S. 237 (siehe auch ders., S. 173 zur Kennzeichnung der Vollmacht als Paradigma privater Regelsetzung); Thiele, S. 56 ff.; Weber, S. 215 ff. (dort auch zu Grenzen der „Selbstentmündigung im Vertretungsrecht“). 17  In der Tradition der Naturrechtler unterscheidet der Code civil noch nicht zwischen Auftrag und Vertretungsmacht, Ranieri, S. 489 f.; Kleinschmidt, ZEuP 9 (2001), 697, 700 f. m.w.N. 18  Siehe insbesondere Moury, Nr. 31.141 ff. m.w.N. Für den Fall, dass Art. 1843-4 Code civil über die Art. L.223‑14 Abs. 3, L.228‑14 Abs. 2 Code de commerce, die die Übertragung

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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zwischen dem Dritten und den Vertragsparteien angesichts seiner Komplexität nur unzureichend und zu undifferenziert als einfaches Auftragsverhältnis beschrieben ist. Da aber auch die Kritiker einer alleinigen Unterstellung unter das mandat den Dritten als Vertreter, wenn auch auf der Grundlage eines contrat d’entreprise, ansehen wollen, kann diese Kritik hier auf sich beruhen und mit der nach wie vor herrschenden Terminologie der Dritte als mandataire commun bezeichnet werden.

a) Der Dritte als mandataire commun In Art. 1592 Code civil wird die Tätigkeit des Dritten als „arbitrage“ bezeichnet. In Art. 1843-4 Code civil heißt er „expert“, also Sachverständiger. Schon lange besteht Einigkeit darüber, dass beide Begriffe an der Rechtsnatur des Dritten vorbeigehen. Die Bezeichnung als „arbitrage“ führe in die Irre, da der Dritte gerade kein Schiedsrichter sei.19 Und Sachverständiger könne er auch nicht sein, da das Gutachten eines Sachverständigen weder die Parteien noch das Gericht binden könne.20 Die bezweckte Ausräumung ihrer Meinungsverschiedenheit können die Parteien jedoch nur erreichen, wenn das Gutachten verbindlich ist. Der unglücklich gewählte21 Begriff „expert“ deutet lediglich an, dass der Dritte – gerade bei der schwierigen Bewertung von Gesellschaftsanteilen – ein Fachmann sein wird. 22 von Anteilen an einer société à responsbilité limitée betreffen und dem Anteilsinhaber ein Rücktrittsrecht nach Bekanntgabe des Schiedsgutachtens einräumen, Anwendung findet, hält Moury, Nr. 31.131 f. m.w.N. die Annahme von Vertretungswirkungen für nicht mehr haltbar, da es dem Mechanismus der Stellvertretung nicht entspreche, wenn sich der Vertretene einseitig von dem Geschäft lossagen könne. 19 Art. 1592 Code civil: Cass. civ. 3e 4.3.1998 Bull. civ. III, Nr. 49; Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; CA Pau 24.12.1861 D.P. 1862,5,336; CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 66 m.w.N.; Malaurie/ Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Ghestin, Formation, Nr. 697; Jarrosson, Nr. 298 ff.; Moury, Nr. 31.31; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Bd. XIX, Nr. 140‑I.; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 37; Clay, S. 699 f.; Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357; Serinet, RDC 2009, 657, 659. Art. 1843-4 Code civil: Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 66; Moury, Nr. 31.31; Cadiet, FS Guyon, S. 161. Details zur Abgrenzung von Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit unten § 16 B.I. (S. 779 ff.). 20 Art. 1592 Code civil: Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; Cass. req. 31.3.1862 D.P. 1862,1,242; CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; CA Pau 24.12.1861 D.P. 1862,5,336; CA Bastia 3.4.1839 S. 1840,2,195; CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–1821,2,213; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 65; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Moury, Nr. 31.71 ff.; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Bd. XIX, Nr. 140‑I; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 37; Serinet, RDC 2009, 657, 660. Art. 1843-4 Code civil: Cass. com. 26.3.2013 – n° de pourvoi 12-10.144 (Legifrance); Cour de cassation, Rapport Annuel 2005, S. 314; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 65; Moury, Nr. 31.81 ff.; Cadiet, FS Guyon, S. 161. 21  Moury, Nr. 31.61. 22  Jarrosson, Nr. 212 ff.

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

Statt also auf dem missverständlichen Gesetzeswortlaut aufzubauen, geht das französische Recht vielmehr davon aus, dass der Dritte gemeinsamer Vertreter der Parteien sei. 23 Seine Erklärung wirkt somit für die Delegierenden wie ihre eigene. Mit diesem Erklärungsansatz ist die Bestimmung des Dritten zugleich auf den Vertragswillen der Parteien zurückgeführt. Besonders augenscheinlich wird dies im Fall des Art. 1592 Code civil, wenn der Dritte den noch unvollständigen Vertrag um ein wesentliches Element ergänzt, indem er den Kaufpreis festsetzt: Der Dritte, so heißt es, nehme die Position der Parteien ein, um an ihrer Stelle zu handeln und sie mit einer Erklärung, die sich mit dem Vertrag der Parteien verbindet, aneinander zu binden. 24 Das Zustandekommen des Kaufvertrages mit einem Preis, den nicht, wie eigentlich von Art. 1591 Code civil gefordert, die Parteien, sondern ein Dritter festgesetzt hat, könne nur damit erklärt werden, dass der Dritte seine Rechtsmacht von den Parteien erhalten habe. 25 Ob der Dritte den Vertrag im Wege einer Mehrvertretung (double représentation) zustande bringt oder mit Bekanntgabe seiner Entscheidung gegenüber beiden Vertragspartnern als Vertreter des jeweils anderen handelt26, kann dabei offen bleiben, da Art. 1592 Code civil gerade als Fall einer zulässigen Mehrvertretung gesehen wird. 27 Dass die Vorstellung einer gemeinsamen Vertretung auch der Intention des Gesetzgebers entspricht, wird aus den Materialien zu Art. 1592 Code civil ersichtlich. Dort heißt es in dem Bericht an das für die Verabschiedung von Ge23 Art. 1592 Code civil: Cass. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23; Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334; Cass. civ. 1re 31.1.1974 Bull. civ. I, Nr. 38; Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333; CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 67; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Malaurie/Aynès/ Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Jarrosson, Nr. 214; G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 45; Moury, Nr. 31.101 f.; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Bd. XIX, Nr. 134; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 37; Cadiet, FS Guyon, S. 162; Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357. Art. 1843-4 Code civil: Cour de cassation, Rapport annuel 2009, S. 394; Cour de cassation, Rapport Annuel 2005, S. 314; Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 65; Moury, Nr. 31.111 m.w.N. (auch zu vereinzelten Gegenstimmen); Cadiet, FS Guyon, S. 162; Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2956. Anders als in den beiden genannten Jahresberichten bezeichnet die Cour de cassation den Dritten in ihren Urteilen nicht als mandataire. Allerdings verwendet sie zur Beschreibung von dessen Tätigkeit bei Art. 1592 Code civil wie bei Art. 1843-4 Code civil identische Formulierungen. Dies gilt insbesondere für die Wendung, dass die Parteien mit der Einschaltung des Dritten dessen Spruch zu ihrem Gesetz gemacht hätten (siehe unten § 13 A.I.1. [S. 600 f.]), vgl. Cadiet, FS Guyon, S. 157. Siehe auch Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36 („chargé de fixer cette valeur pour le compte des parties“, Hervorhebung hinzugefügt). 24  Moury, Nr. 31.101; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Bd. XIX, Nr. 134; Serinet, RDC 2009, 657, 659. 25  Baudry-Lacantinerie/Saignat, Bd. XIX, Nr. 134. 26  Für Letzteres Serinet, RDC 2009, 657, 659. Überhaupt keine Vertretung erkennt Caffin-Moi, Nr. 213. 27  Demogue, Bd. I, Nr. 62; U. Hübner, S. 51 m.w.N.

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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setzen zuständige Tribunat über die Vorschriften des Kaufrechts im Entwurf des Code civil:28 „Si l’arbitrage29 a eu lieu, le résultat lie les parties contractantes comme s’il était leur propre ouvrage. Le tiers qu’elles ont nommé a représenté le vendeur et l’acheteur. C’est en leur nom qu’il a réglé le prix“.30

Zusätzlichen Begründungsaufwand erfordert diese Einordnung im Fall des Art. 1843-4 Code civil, wenn der Dritte nicht von den Parteien, sondern vom Gericht ernannt wurde. Könnten der erzwungene Charakter der Wertfestsetzung im Rahmen von Art. 1843-4 Code civil und der geringere Einfluss der Parteien auf die von dem Dritten anzulegenden Bewertungsmaßstäbe31 ohnehin schon an der Vergleichbarkeit zur Situation des Art. 1592 Code civil zweifeln lassen,32 so scheint die Annahme einer Bevollmächtigung des Dritten vollends konstruiert, wenn dieser seine Mission nicht – was Art. 1843-4 Code civil ja auch zulassen würde – von den Parteien, sondern von dem im Fall fehlenden Parteikonsenses zuständigen Gerichtspräsidenten erhält. Vereinzelt wird aufgrund der richterlichen Benennung die Aufgabe des Dritten als „office juridictionnel“, seine Position als die eines „juge expertal“ gekennzeichnet.33 Die ganz herrschende Ansicht behandelt jedoch auch diesen Fall als einen solchen des mandat commun, und zwar häufig, ohne überhaupt die damit verbundene Schwierigkeit offenzulegen.34 Die Erklärung für diese Gleichbehandlung wird nun darin gefunden, dass auch im Fall richterlicher Benennung des Dritten ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zugrunde liege, auf das sich die Aufgabe des Dritten beziehe.35 Die Aufgabe des Gerichtspräsidenten erschöpfe sich 28  Siehe zur Entstehung des Code civil den Überblick bei Rehm, Code civil, in: HWBEuP, S. 253 f. 29  Gemeint ist damit die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten, vgl. Art. 1592 Code civil. 30  Bericht (Rapport) von Faure über das Kaufrecht an das Tribunat in der Sitzung vom 3. März 1804 (12. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. 14, S. 198. – Anklänge an diese Ansicht finden sich auch schon im droit intermédiaire, also dem französischen Recht der Revolutionszeit in einer Entscheidung des Tribunal de cassation v. 4.11.1801 (13. brumaire X) S. 1791–1804,1,549 („les parties s’étant fait la loi elles-mêmes“). 31  Cass. com. 5.5.2009 Bull. civ. IV, Nr. 61; Cass. com. 4.12.2007 Bull. civ. IV, Nr. 258; ­Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 63; Caffin-Moi, Nr. 223. Siehe oben § 2 B.II.3.a) (S. 59 ff.). 32  Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 30 Fn. 45, 47. 33  Champaud/Danet, RTD com. 2009, 368 f.; differenzierend auch Daigre, Bull. Joly Soc. 2008, 214 (§ 48) (im Fall der Benennung durch den Richter sei der Dritte nicht „mandataire des parties“, sondern „agent de détermination du prix“); Caffin-Moi, Nr. 214 („mandataire judiciaire“); Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 206; Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 65; Cohen, Nr. 363; Bonneau, Dr. sociétés 1998, Nr. 135; Leveneur, CCC 2005, comm. 79. Im Ergebnis behandeln viele dieser Autoren den Dritten gleichwohl bei beiden Vorschriften nach identischen Regeln. 34  Siehe die Nachweise oben Fn. 23. 35  Moury, Nr. 31.21; Cadiet, FS Guyon, S. 157 f.

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

in der Auswahl des Dritten, die er anstelle der Parteien vornehme. 36 Er bestimme jedoch weder den Inhalt der Aufgabe des Dritten, noch komme ihm eine Überwachungsfunktion zu.37 Nicht die Rechtsmacht des Dritten, sondern nur seine Auswahl beruhe auf dem Tätigwerden des Gerichtspräsidenten.38 So kann die Cour de cassation feststellen, dass die richterliche Auswahl des Dritten keineswegs wesentlich für den Mechanismus des Art. 1843-4 Code civil sei.39 Dahinter steht offenbar die Vorstellung, dass der Richter als Vertreter der Parteien den Dritten auswählt, damit nicht die Weigerung einer der Parteien diesen gesetzlich angeordneten Mechanismus zu Fall bringen kann.40 Überdies werde die Vertretungsmacht des Dritten bei Art. 1843-4 Code civil nicht deshalb zu einer gesetzlichen Vertretungsmacht, weil die Bewertung durch einen Dritten kraft Gesetzes und unabhängig vom Parteiwillen angeordnet ist, sofern nur die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.41 Denn das Verhältnis zwischen den Parteien und dem Dritten könne gleichwohl vertraglicher Natur sein.42 Es handele sich um eine „situation contractuelle d’origine légale“.43 Die Vertragsfreiheit der Parteien werde durch Art. 1843-4 Code civil nicht beschränkt, sondern bestätigt.44 Mit dieser Konstruktion kann an einer Gleichbehandlung aller Fälle der Drittbestimmung festgehalten werden.

b) Ein Erklärungsmodell auch für das deutsche Recht? Überträgt man das beschriebene Erklärungsmodell auf das deutsche Recht, so wird der Schiedsgutachter zum gemeinsamen Bevollmächtigten der Parteien des Schiedsgutachtenvertrags. In diesem Vertrag verabreden sie, dass offene Fragen von einem Dritten geklärt werden sollen, den sie dazu bevollmächtigen und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien wollen, um ihm die Mehrvertretung zu ermöglichen. Des Weiteren legen die Parteien in dem Schiedsgutachtenvertrag fest, dass sie etwaige Anforderungen an die Entscheidung des Dritten in 36 

Moury, Nr. 31.22; Viandier, JCP 1988,II,21050. Moury, Nr. 31.22. 38  Moury, Nr. 13.12, 31.22. 39  Diese Feststellung findet sich in dem für die Arbeit der Cour de cassation besonders wichtigen Jahresbericht, in dem das Gericht selbst die aus seiner Sicht bedeutsamsten rechtlichen Entwicklungen eines Jahres zusammenfasst: Cour de cassation, Rapport Annuel 2005, S. 314. 40  Wenn die Parteien sich nicht auf einen Dritten einigen können und deshalb freiwillig das Gericht ersuchen, einen Dritten zu benennen (was auch in der Situation des Art. 1592 Code civil möglich ist, siehe unten § 4 C.II.1.b) [S. 217 ff.]), kann an der vertraglichen Grundlage für dessen Tätigwerden ohnehin kein Zweifel bestehen. 41  Moury, Nr. 31.23. 42  Moury, Nr. 31.23. Problematisch ist es dann, wenn die Cour de cassation jüngst den Dritten i.S.d. Art. 1843-4 Code civil als „chargé par la loi“ bezeichnet hat, Cass. com. 26.3.2013 – n° de pourvoi 12-10.144 (Legifrance). 43  Moury, Nr. 13.12, 31.23; Caffin-Moi, Nr. 214. 44  D. Martin, RJC 2009, 312, 316. 37 

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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die Vollmacht aufnehmen werden. Jede Partei erteilt dem Dritten sodann Vollmacht, oder eine Partei bevollmächtigt die andere, dem Dritten Untervollmacht zu gewähren. Gibt der Dritte die gewünschte Erklärung innerhalb seiner Vertretungsmacht ab, bindet diese kraft der §§ 164 ff. BGB beide Parteien und vervollständigt ihren Vertrag. Eine Fremdbestimmung liegt in dieser Vervollständigung nicht, da das Handeln des Dritten über die Einräumung der Vertretungsmacht auf die Selbstbestimmung der Parteien zurückgeführt werden kann. Die Vorstellung vom Dritten als gemeinsamem Vertreter der Parteien lässt sich also auch im deutschen Recht ohne erhebliche Schwierigkeiten verwirklichen. Ganz treffend ist sie dennoch nicht. Funktional lässt sich der Mechanismus der Delegation damit zwar erfassen.45 Bei dogmatischer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass der eigentliche Grund für die Bindung der Parteien bereits in der Schiedsgutachtenvereinbarung zu suchen ist. Darin erklären die Parteien wechselseitig, den Spruch des Dritten zum Bestandteil ihres Vertrages machen zu wollen. Läge diese Erklärung erst in der Bevollmächtigung des Dritten, so müsste – will man nicht mit der in vielen Rechtsordnungen nicht zur Verfügung stehenden46 Erteilung einer Außenvollmacht gegenüber dem Vertragspartner (§ 167 Abs. 1 2. Fall BGB) arbeiten – konstruiert werden, dass der Dritte seine Vollmacht von beiden Parteien erhält. Tritt zunächst nur eine der beiden Parteien an ihn heran,47 müsste ihr also – etwas gekünstelt – unterstellt werden, dass sie auch in Vertretung für die andere Partei handelt.48 Schwerer wiegt schon, wenn die Konstruktion als Stellvertretung dazu führt, dass der Zeitpunkt, in dem der Vertrag wirksam wird, hinausgeschoben wird.49 Während nach § 317 BGB nichts dagegen spricht, den Vertrag mit der Einigung auf ein Leistungsbestimmungsrecht wirksam werden zu lassen, liegt die Annahme nahe, dass bei der Stellvertretung erst die Erklärung des Vertreters50 zur Wirksamkeit des Vertrages führt. Diese Annahme wird von der französischen Rechtsprechung bestätigt.51 Doch macht das französische Schrifttum demgegenüber geltend, zur Wirksamkeit des Vertrags genüge die Bestimmbarkeit des Preises, die schon mit der Delegation gegeben sei.52 Würde dieses Argument, dem sich 45  Siehe oben § 2 C.I.1. (S. 97 f.). Tatsächlich als Vertreter des Schuldners, dessen Verpflichtung konkretisiert werde, betrachtet den Dritten Endemann, Bd. I, S. 507 Fn. 14 (§ 117). 46  Kötz, S. 338 f. 47  Nach Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 88 ist dies sogar der Regelfall. 48  Etwas anders Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 165: § 315 BGB setze eine gemeinschaftliche Delegation voraus, während bei der Stellvertretung jede Partei für sich entscheide. 49  So Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 165. 50  Eine merkwürdige Folge der Mehrvertretung wäre, dass diese Erklärung nicht den Parteien bekanntgegeben werden müsste, um wirksam zu werden – ein Ergebnis, das sich nur schwer mit § 318 Abs. 1 BGB vereinbaren lässt. 51  Cass. civ. 1re 24.11.1965 Bull. civ. I, Nr. 651. 52  Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 145; Moury, Nr. 43.23. Für einen Rückbezug der Rechtsfolgen plädiert Cornu, RTD civ. 1972, 791, 792.

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

nicht die Widerruflichkeit der Vollmacht entgegenhalten lässt, nach Deutschland übertragen, entfiele die Diskrepanz zwischen den Zeitpunkten, in denen der Vertrag wirksam würde. Vor allem aber hätte die Konstruktion als Stellvertretung die missliche Folge, dass für den Umfang der Bindungswirkung nicht die Schiedsgutachtenvereinbarung, sondern vielmehr die dem Dritten erteilte Vollmacht maßgeblich wäre.53 Konsequenterweise ergeben sich Vorgaben der Parteien an den Entscheidungsmaßstab des Dritten in Frankreich aus dem Vertrag mit dem Dritten und nicht aus der Schiedsgutachtenvereinbarung.54 Dass hier jedoch eigentlich die Vereinbarung zwischen den Parteien und nicht das Verhältnis zum Dritten ausschlaggebend sein sollte, hatte demgegenüber die frühe französische Rechtsprechung noch erkannt, in der die Einigung auf die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten konstruiert wurde als „l’obligation réciproque du vendeur et de l’acquéreur de s’en rapporter, pour la fixation du prix de la chose vendue, à l’estimation d’une ou de plusieurs personnes“.55 Diese Lösung ist sinnvoll, um ein Auseinanderfallen dessen, was die Parteien in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung verabredet haben, und der Reichweite der Vertretungsmacht des Dritten zu vermeiden.56 Es ist folglich nach einem Erklärungsansatz zu suchen, der nicht an den Schiedsgutachtervertrag, sondern an den Schiedsgutachtenvertrag anknüpft. Im Erbrecht schließlich würde sich die merkwürdige Konsequenz ergeben, dass ein Dritter, der als Vertreter agiert, nicht den letzten Willen des Erblassers ergänzen, sondern rechtsgeschäftlich für dessen Erben handeln würde.57 Schlimmstenfalls könnten diese durch Widerruf der Vollmacht58 sogar die Pläne des Erblassers durchkreuzen.

53 Für Maßgeblichkeit des Schiedsgutachtenvertrags auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 165; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 12; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 (§ 12 III 2); Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 754; anders offenbar Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 9. Ausführlich unten § 15 B. (S. 707 ff.). 54  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 73. 55  CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427; ähnlich auch CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819– 1821,2,213 („le prix fixé par ce tiers doit tenir lieu de celui dont les parties contractantes auraient pu convenir“); CA Bastia 3.4.1839 S. 1840,2,195 („l’expertise est le complément du contrat“). 56  Dazu noch unten § 15 B.I. (S. 707 ff.). 57  Zur postmortalen Vollmacht siehe nur Palandt/Weidlich, Einf v § 2197 Rn. 10. 58 Palandt/Weidlich, Einf v § 2197 Rn. 13.

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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III. Delegation als Ausübung von Privatautonomie 1. „Unterwerfung“ unter die Entscheidung des Dritten In der Schiedsgutachtenvereinbarung erklären die Parteien, dass sie an die Entscheidung des Dritten gebunden sein wollen. Mit der letztwilligen Anordnung eines Schiedsgutachtens nimmt der Erblasser den Spruch des Dritten in seinen Willen auf. Für die Einräumung einer Regelungsmacht hat sich, zurückgehend auf Bötticher, in der Lehre von den Gestaltungsrechten die Denkfigur der „Unterwerfung“ eingebürgert.59 Das „Unterworfensein“ des Gestaltungsgegners sei das „Widerlager“ zur Gestaltungsbefugnis.60 Die rechtsgeschäftliche Unterwerfung61 gibt dem Gestaltungsberechtigten die Rechtsmacht, einseitig und ohne Mitwirkung des Gestaltungsgegners in dessen Rechtspositionen einzugreifen und die Rechtslage mit Wirkung auch für diesen umzugestalten.62 Dieser vorhergehende privatautonome Akt rechtfertigt die Möglichkeit einseitigen Handelns; der andere Teil hat sich freiwillig den Folgen des einseitigen Verhaltens unterstellt.63 Deshalb bedeutet die Ausübung des Gestaltungsrechts auch keine Fremdbestimmung. Kritik an dieser Denkfigur richtet sich weniger gegen den damit etablierten Mechanismus als vielmehr gegen die Begrifflichkeit, die an ein soziales Abhängigkeitsverhältnis denken lasse64, Ungerechtigkeit suggeriere65 und eine „überflüssige Dramatisierung“66 enthalte, die den unzutreffenden Eindruck einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Gestaltungsgegners wecke67. Besser 59  Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 7 ff.; ders., FS Dölle I, S. 46 (dort wird zusätzlich der Begriff der „Bedrückung“ verwendet); ihm folgend etwa Münch­Komm-­BGB/Emmerich, § 311 Rn. 22; Medicus, AT, Rn. 82; Söllner, S. 40 f.; Scholz, S. 56 f.; Joussen, S. 197 f.; ders., AcP 203 (2003), 429, 442; Leverenz, Jura 1996, 1. 60  Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 33. 61 Das „Unterworfensein“ des Gestaltungsgegners kann auch unmittelbar auf dem Gesetz beruhen, wie dies z.B. beim gesetzlichen Rücktrittsrecht oder dem Anfechtungsrecht der Fall ist (Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 9). Diese Variante kann hier außer Betracht bleiben. 62 Grundlegend Seckel, FS Koch, S. 210; außerdem etwa Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 59; Münch­Komm-­BGB/Emmerich, § 311 Rn. 21 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 612 (§ 26 II 1 a); M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 29; Medicus, AT, Rn. 81; Bork, AT, Rn. 297; Joussen, S. 197 f.; ders., AcP 203 (2003), 429, 442; Bötticher, FS Dölle I, S. 43 ff.; R. Zimmermann, FS Heldrich, S. 477 f.; H. Koch, FS Zweigert, S. 851; M. Becker, AcP 188 (1988), 24, 28. 63  Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Emmerich, § 311 Rn. 22; Medicus, AT, Rn. 81; M. Wolf/ Neuner, AT, § 20 Rn. 29; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 612 ff. (§ 26 II 1); Flume, AT II, S. 137 (§ 11, 3); Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 9; M. Becker, AcP 188 (1988), 24, 28; Leverenz, Jura 1996, 1, 5; Kleinschmidt, S. 72 ff.; in der Sache übereinstimmend Hattenhauer, S. 269 f. 64  M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 29 Fn. 50; ebenso schon ­L arenz, FS Sontis, S. 143. 65  Hattenhauer, S. 265, 272; Hau, S. 293. 66  Hattenhauer, S. 272; kritisch auch M. Becker, AcP 188 (1988), 24, 28 Fn. 16. 67  Hattenhauer, S. 267.

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

spreche man neutral von einer „Gebundenheit“ oder „Bindung“ des Gestaltungsgegners.68 Für die Einräumung einer Rechtsmacht an den Schiedsgutachter leuchtet aber gerade der Gedanke der freiwilligen „Unterwerfung“ ein.69 Diese Bezeichnung erscheint jedenfalls im Zusammenhang mit der Regelungsmacht eines Außenstehenden nicht unpassend.70 Ihr entspricht im Übrigen die Wortwahl des Gesetzgebers bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichtsverfahrens: Nach § 1029 Abs. 1 ZPO „unterwerfen“ die Parteien einer Schiedsvereinbarung ihre Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht. Die Abrede, ein Schiedsgutachten einzuholen, stellt sich somit als „Unterwerfungsvereinbarung“ dar.71 Diese Vereinbarung lässt sich mit ­Rieble umschreiben als „der innere Grund dafür, daß der Bestimmungsberechtigte rechtsgeschäftlich über den Unterworfenen ‚herrschen‘ kann“.72 Diesen Vertrag, in dem sich die Parteien eine ihren Vorgaben entsprechende Entscheidung des Dritten zu eigen machen, schließen die Parteien in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts. Auf diese Weise nehmen sie der Entscheidung des Dritten den Charakter der Fremdbestimmung.73 Daraus folgt aber zugleich: Mit dem Eingehen einer Schiedsgutachtenvereinbarung verzichten die Parteien nicht etwa auf einen Teil ihrer Privatautonomie, indem sie sich einem externen Willen ausliefern, sondern sie üben ihre Privatautonomie aus.74 Die Befugnis des Dritten beruht also auf der Schiedsgutachtenvereinbarung zwischen den Parteien – und nicht etwa auf dem Vertrag mit diesem.75 Auf diese Weise lässt sich auch der erwünschte Gleichlauf zwischen der Schiedsgutachtenvereinbarung und der Rechtsmacht des Dritten erzielen: Diese reicht soweit, wie die Parteien sich ihr unterworfen

68 

M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 29 Fn. 50; Hattenhauer, S. 267; Hau, S. 281; v. Tuhr, AT I/1, S. 170 („Bindung“). 69 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 30, § 315 Rn. 233 ff.; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; Joussen, S. 339, 343 f.; Kisch, Schiedsmann, S. 111; ders., RheinZ 9 (1917/18), 12, 21; O. Wolff, S. 22; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 281; zu § 315 BGB Adomeit, S. 36 f. Wohl eher untechnisch sehen auch andere die Parteien dem Schiedsgutachten „unterworfen“, z.B. Poulakos, S. 204; A. Bachmann, S. 100; Meckenstock, S. 25. 70  Insofern übereinstimmend Hattenhauer, S. 269. 71 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 30, § 315 Rn. 233 ff.; Joussen, S. 345. 72 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 234 (zum Leistungsbestimmungsrecht einer Partei); Joussen, S. 338 ff. 73 Ebenso Joussen, S. 343 ff. (allerdings insofern an § 317 BGB vorbeigehend, als er sowohl die vorherige Unterwerfung als auch die nachträgliche Übernahme des Ergebnisses unter diese Norm subsumiert). Zur Beendigung von Heteronomie durch Zustimmung Kirchhof, S. 95. 74  So auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 28, 249. 75  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 f. (§ 12 III 2); unklar Joussen, S. 345, der für die Legitimation des Dritten „ergänzend“ auf den mit diesem geschlossenen Vertrag zurückgreifen will, auch wenn die ihm übertragene Befugnis „jedoch weniger“, aber offenbar doch immerhin noch teilweise, auf diesem Vertrag beruht.

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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haben.76 „Der Parteiwille bildet die Grundlage, aber auch die Grenze für das Wirkungsvermögen der Gutachter.“77 Es ist dieser Mechanismus, der hier als „Delegation“ bezeichnet werden soll.78 Als Unterwerfung ist auch die letztwillige Anordnung eines Schiedsgutachtens zu betrachten. Das Stellvertretungsmodell stieße hier auf die zusätzliche Schwierigkeit, dass der Erblasser zu dem Zeitpunkt, zu dem der Stellvertreter seinen Willen vervollständigen soll, nicht mehr lebt. Mit dem Instrument der Unterwerfung hingegen lässt sich die Inkorporation des Schiedsgutachtens in seinen letzten Willen erklären. Auch hier stellt die Delegation nicht einen Verzicht auf Privatautonomie dar, sondern deren Ausübung.79 Im Ergebnis bewirkt die Entscheidung des Dritten also keine Fremdbestimmung, wenn und weil sie auf einem selbstbestimmten, privatautonomen Akt der Delegation beruht. Diese Delegation stellt eine Ausübung der Privatautonomie dar. Sie umreißt die Grenzen der Tätigkeit des Dritten und legitimiert80 seine Entscheidung. Irreführend ist es jedoch, wenn postuliert wird, die Parteien „treten [die ihnen zustehende Vertragsfreiheit] an den Schlichter vollumfänglich ab“.81 Eine „Abtretung“, bei der die Parteien nichts zurückbehalten, würde sogar über die Delegation noch hinausgehen und scheint mit dem Konzept der Privatautonomie schwer vereinbar. Auch wird nicht deutlich, weshalb die Vertragsfreiheit „vollumfänglich“ abgetreten wird; in der Regel bezieht sich die Mission des Dritten nur auf einzelne, von den Parteien umrissene Punkte, und die Parteien behalten in jedem Fall die Freiheit zurück, den Dritten einvernehmlich abzuberufen.

2. Und die Richtigkeitsgewähr? Auch wenn die Entscheidung des Dritten sich somit auf die Privatautonomie der Delegierenden zurückführen lässt, scheint diese Entscheidung nur mittelbar auf ihren Willen zurückzugehen. Insbesondere entfällt mit der Delegation 76  Siehe, in Bezug auf Gestaltungsrechte, Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 9: „Die Reichweite des vom Gestaltungsgegner eingeräumten Gestaltungsrechts entspricht dem Grade der Unterwerfung; beide müssen fugenlos aufeinander passen.“; zustimmend Joussen, S. 344. 77  Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 21; ferner Loewenheim, S. 85 Fn. 71. 78 Von „Delegation“ spricht in diesem Zusammenhang auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 115, 165, § 317 Rn. 31. Joussen, S. 339 lehnt demgegenüber die Bezeichnung als „Delegation“ ab, da der Begriff belegt sei, und plädiert – in der Sache übereinstimmend – für „Legitimation kraft Autonomie“. – Auf S. 345 verwendet Joussen den Begriff der „Delegation“ (obwohl anderweitig belegt) für den Vertrag zwischen den Parteien und dem Dritten. Das würde der hier zugrunde gelegten Sichtweise widersprechen. 79  R. Zimmermann, Quos, S. 27; Frey, S. 86. 80 Die „Legitimation“ der Entscheidung des Dritten ist Zentralmotiv bei Joussen, S. 336 ff., 343 ff. 81  So aber Joussen, S. 344, 349.

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

im vertraglichen Kontext scheinbar auch das Aushandeln der von dem Dritten zu treffenden Regelung. In seiner Auseinandersetzung mit dem Gestaltungs­ rechts­charakter des § 317 BGB bemerkt Bötticher lapidar: „Der Ausgestaltende82 übernimmt hier die Festlegung des Vertragsinhalts, den sonst beide Partner gemeinsam hätten aushandeln müssen.“83

Dieses Aushandeln verbürgt aber nach der bereits einleitend skizzierten Lehre Schmidt-Rimplers Richtigkeit des Vertragsinhalts.84 Es ließe sich also vermuten, dass aufgrund der Delegation die Richtigkeitsgewähr entfällt.85 Diese Konsequenz nehmen insbesondere für den benachbarten Fall der Leistungsbestimmung durch eine Partei nicht wenige Autoren an.86 Indes: Gänzlich fehlen kann die Richtigkeitsgewähr nicht, solange den Parteien noch ein Restbestand an Einfluss auf den Inhalt ihres Vertrages bleibt, indem sie mit der Auswahl der Person des Dritten auch die Qualität seiner Entscheidung zu steuern versuchen.87 Jedoch könnten sich die delegierenden Parteien immer noch in einem Zustand „‚verdünnter‘ Freiheit“ befinden, da sie aufgrund der Rechtsgestaltung eines Dritten „in ein Verpflichtungsverhältnis geraten“.88 Führt die Delegation tatsächlich zu einer nur noch „‚verdünnten‘ Vertragsfreiheit“?

82 

Gemeint ist der bestimmungsberechtigte Dritte. Bötticher, FS Dölle I, S. 51. 84  Siehe oben § 1 B.I.1. (S. 7 f.). Auch in Frankreich gilt „la meilleure conciliation des intérêts en présence“ als Ziel des Vertrags, so (im Zusammenhang mit Willensmängeln) Terré/ Simler/Lequette, Obligations, Nr. 204. 85 Eine „Abkehr von dem Prinzip der Vertragsfreiheit“ erkennt Joussen, S. 123 (vgl. aber auch ders., S. 129: „Abstützung der Privatautonomie“). Siehe auch, für den Fall der Festsetzung einer Vertragsstrafe durch einen Dritten, Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 139. 86 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 32 (Richtigkeitsgewähr des Vertrages außer Kraft gesetzt); Staudinger/ders., § 343 Rn. 137, 141 (einseitige Vertragsstrafenbestimmung); Münch­Komm-­ BGB/Würdinger, § 315 Rn. 4 (Richtigkeitsgewähr fehlt); Erman/J. Hager, § 315 Rn. 1; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 80 f. (§ 6 II a) (Richtigkeitsgewähr entfällt); M. Stürner, S. 428; Fromholzer, S. 125; Eckelt, S. 34; v. Hoyningen-Huene, S. 54 (es könne „eine Gerechtigkeitskorrektur durch Aushandeln naturgemäß nicht erfolgen“); Kunkel, S. 71; siehe auch Steindorff, BB 1983, 1127, 1128 („um der Vertragsgerechtigkeit willen“ dürfe ein einseitiges Bestimmungsrecht „nicht leicht bejaht werden“). Aus französischer Sicht Ghestin, FS Goubeaux, S. 193 („la fixation unilatérale … était en contradiction avec la fonction de garantie d’un équilibre des prestations jouée par le caractère bilatéral d’un contrat“). 87  Dies erkennt auch Joussen, S. 129. 88  Garger, S. 57 und öfter; zur Herkunft des Begriffs siehe bereits oben § 1 Fn. 52. Garger, der damit im Grundsatz ebenfalls die Delegation als Ausdruck der Privatautonomie der Parteien sieht, behandelt in seiner Arbeit das österreichische Recht; dieser Gedanke ist jedoch mit hinreichender Allgemeinheit formuliert, um auch hier fruchtbar gemacht werden zu können. 83 

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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a) Ansätze einer Kompensation Es liegt in der Konsequenz dieses Ansatzes, nach einer Kompensation für die reduzierte Richtigkeitsgewähr zu suchen.89 Zwei Hebel, über die die §§ 317 ff. BGB für eine Kompensation sorgen könnten, kommen in Betracht. Erstens hat der Dritte – zumindest im Zweifel – nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 317 Abs. 1 BGB). Ob nun Billigkeit und Vertragsrichtigkeit kongruente Konzepte sind, muss hier nicht entschieden werden.90 Wenn aber der Dritte seine Bestimmung nach billigem Ermessen trifft, so wird er dabei jedenfalls die Belange beider Seiten einstellen. Alle individuellen Belange zu berücksichtigen, dürfte ihm zwar unmöglich sein. Doch wird er Vor‑ und Nachteile auf beiden Seiten ermitteln und abwägen. Der Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens bewirkt somit, dass grobe Übervorteilungen ausgeschlossen sind. Insofern lässt sich sagen, dass die Beschränkung der Rechtsmacht des Bestimmungsberechtigten ihre Ursache in der fehlenden Richtigkeitsgewähr des Vertrages findet.91 Zweitens sind die Parteien durch die Möglichkeit einer richterlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung davor geschützt, an einen für sie grob nachteiligen Vertrag gebunden zu sein. Statt einer „präventiven Richtigkeitsgewähr“ kommt es zu einer „repressiven Richtigkeitskontrolle“.92 Obwohl SchmidtRimp­ler in seiner Untersuchung nichts über die Möglichkeit einer Delegation der Leistungsbestimmung sagt, lässt sich dieser Gedanke in sein Konzept einfügen. Denn „technisch“ lasse sich die „gegenseitige Einwirkung zum Richtigen“ auf verschiedene Weisen realisieren: einerseits durch Vertrag, andererseits aber auch durch eine einseitige Erklärung, die die andere Seite entweder durch Ausschlagung ex tunc oder durch Verzicht ex nunc beseitigen könne.93 Der ein-

89  Garger, S. 57 wiederum unter Berufung auf F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 106 ff. Letzterer (S. 122 ff.) legt seiner Konzeption des Verpflichtungsgeschäfts ein bewegliches System zugrunde (dazu grundlegend Wilburg, S. 12 ff.; ders., AcP 163 [1963], 346 ff., das bewegliche System auf das Vermögensrecht anwendend). Vier normative Kräfte seien am Werk: (i) der Gedanke der willentlichen Selbstbestimmung, (ii) der Gedanke der Verkehrssicherheit, (iii) der Gedanke der inhaltlichen Äquivalenz der vertraglichen Leistungen und (iv) die ethische Kraft der Vertragstreue. Übertragen auf die Leistungsbestimmung durch einen Dritten heißt das für Garger, dass eine aufgrund der Delegation geminderte Selbstbestimmung durch besondere obrigkeitliche Kontrolle und die Anwendung von Verfahrensgrundsätzen ersetzt werden muss. 90  Schmidt-Rimpler, FS ­R aiser, S. 15 schreibt selbst, dass sich der „richtige“ Preis aufgrund der Zahl der zu berücksichtigenden Kriterien nicht wird finden lassen. 91  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 4; Erman/J. Hager, § 315 Rn. 1; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); v. Hoyningen-Huene, S. 54 f.; M. Stürner, S. 428 f. (alle zwar bezogen auf die Parteileistungsbestimmung, das Argument lässt sich jedoch auch auf die Drittleistungsbestimmung anwenden). 92 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 34; Garger, S. 57; siehe auch G. Hueck, GS Dietz, S. 252 (Billigkeitskontrolle der vertraglichen Austauschgerechtigkeit); G. Bachmann, S. 270. 93  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 153.

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fachen einseitigen Erklärung fehlt jedoch die Richtigkeitsgewähr.94 Übertragen auf die Leistungsbestimmung auf einen Dritten hieße das, dass zunächst der Dritte einseitig die gewünschte Bestimmung vornimmt und sodann die Betroffenen die Möglichkeit haben, diese einseitige Bestimmung „zurückzuweisen“, weil sie offenbar unbillig und deshalb unverbindlich sei. Mit dieser „Zurückweisung“ (im untechnischen Sinne) können die Parteien einen unrichtigen Vertragsinhalt vermeiden. Auch in der richterlichen Billigkeitskontrolle lässt sich mithin eine Kompensation fehlender Richtigkeitsgewähr sehen.95 ­L arenz erblickt aus diesem Grund in § 315 Abs. 1 BGB eine „Bestätigung der Theorie Schmidt-Rimplers“.96 Beide Ansätze, eine Kompensation fehlender Richtigkeitsgewähr zu erkennen, überzeugen nicht. Wären der Bestimmungsmaßstab des billigem Ermessens und die nachgelagerte Billigkeitskontrolle Instrumente zur Kompensation fehlender Richtigkeitsgewähr, so müsste daraus im Grunde folgen, dass sie unabdingbar sind, weil ohne sie keine echte Selbstbestimmung und damit keine Vertragsrichtigkeit gewährleistet wäre. Das würde für die §§ 315 ff. BGB bedeuten: Die Parteien dürften weder ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben vereinbaren, noch wäre es ihnen gestattet, die richterliche Kontrolle nach den §§ 315 Abs. 3 S. 2, 319 Abs. 1 BGB auszuschließen. Tatsächlich sind aber beide Gestaltungsmöglichkeiten den Parteien grundsätzlich nicht verwehrt. Was erstens die Einräumung eines Bestimmungsrechts nach freiem Belieben anbelangt, so wird zwar bezogen auf die Leistungsbestimmung durch eine Partei verbreitet ein Konflikt mit § 138 BGB gesehen. Der Schuldner dürfe nicht dem Gutdünken des Gläubigers ausgeliefert sein.97 Bezogen auf die Leistungsbestimmung durch einen Dritten kommt eine generelle Unwirksamkeit des Bestimmungsrechts nach freiem Belieben nach § 138 BGB jedoch ohnehin nicht in Betracht. Die Regelung des § 319 Abs. 2 BGB, die einzelne Folgen eines Bestimmungsrechts nach freiem Belieben anordnet, wäre schlicht widersinnig, wenn bereits die Vereinbarung einer derartigen Rechtsmacht als durchweg unzulässig angesehen werden müsste. Zweitens kann ebensowenig eine nachgelagerte richterliche Kontrolle den Zweck haben, Richtigkeit zu verbürgen. Denn der Kontrollmaßstab des § 319 Abs. 1 BGB kann nur gewährleisten, dass die Leistungsbestimmung nicht of94 

Wiechmann, S. 58.

95 Staudinger/­R ieble,

§ 315 Rn. 34; Staudinger/ders., § 343 Rn. 139; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); Fikentscher, FS Gernhuber, S. 130; Hau, S. 375 Fn. 200. 96  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 Fn. 8 (§ 6 II a). 97  Häufiger vorgetragen werden Bedenken gegen ein Bestimmungsrecht einer Partei nach freiem Belieben, Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, S. 27; RGRK/Ballhaus, § 315 Rn. 13; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 82 (§ 6 II a); Erman/J. Hager, § 315 Rn. 21; Oertmann, § 315 Anm. 1; v. Tuhr, AT II/1, S. 460 Fn. 15 (§ 62 II); Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 246 (§ 14 III 1); siehe auch Kossmann, S. 165 f. Für die Zulässigkeit einer Parteileistungsbestimmung nach freiem Belieben aber RG v. 4.3.1937 Warn 1937 Nr. 80.

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fenbar „unrichtig“98 ist. Die Schlussfolgerung, dass die Parteien „ein bisschen“ Unrichtigkeit in Kauf nehmen (müssen), weil ihre Vertragsfreiheit zwar verdünnt, aber ihnen nicht ganz abhanden gekommen war, würde Zwischenstufen einziehen, die ihrerseits einer anspruchsvollen Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Richtigkeitsgewähr bedürften. Es fehlen zudem Maßstäbe, um das Verdünnungsverhältnis von Freiheit und Unfreiheit abstrakt angeben zu können. Hinzu kommt, dass es den Parteien jedenfalls unbenommen ist, die Leistungsbestimmung einem Schiedsgericht zu überantworten. Dessen Festsetzung unterliegt aber von vornherein keiner Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeit, sondern nur den Aufhebungsgründen des § 1059 ZPO. Wiederum wäre eine Begründung erforderlich, warum in diesem Fall trotz verdünnter Vertragsfreiheit die Richtigkeit gewährleistet sei. Vorweggenommen werden kann hier, dass § 319 Abs. 1 BGB im Einklang mit der überwiegenden Ansicht als insgesamt dispositiv anzusehen ist.99 Schon daraus ergibt sich, dass die nachgelagerte Kontrolle „kein Korrektiv zum Schutz“ einer benachteiligten Partei darstellen kann.100

b) Richtigkeitsgewähr durch Aushandeln der Delegation Bleibt die Vertragsfreiheit somit mangels Kompensationsmöglichkeit verdünnt? In Wirklichkeit führt schon die Prämisse einer reduzierten Vertragsfreiheit aufs falsche Gleis. Denn tatsächlich ist die Delegation von Bestimmungsbefugnissen an einen Dritten unbedenklich im Hinblick auf das Ziel, mit Hilfe des Vertragsschlussmechanismus Richtigkeit zu verbürgen. Zwar regeln die Parteien in diesem Fall ihren Vertragsinhalt nicht mehr vollständig selbst. Sie treffen indes die privatautonome Entscheidung, den Spruch des Dritten als Inhalt ihres Vertrages anzuerkennen.101 Das, was der Dritte – in den vorgegebenen Grenzen – für sie bestimmt, wollen die Parteien in ihrem Verhältnis als richtig anerkennen.102 Indem die Parteien den Dritten einschalten, üben sie ihre Privatautonomie aus.103 Folgerichtig bezeichnet Joussen die Möglichkeit einer Delegation nach § 317 BGB als „eigenständige Abstützung der Privatautonomie“.104 Wenn nun der Dritte seine Bestimmung ordnungsgemäß trifft, sind die Parteien daran gebunden – und zwar nicht gegen ihren Willen, sondern weil sie sich an die  98 

Im Schmidt-Rimplerschen Sinne von „ungerecht“. Siehe zur Begründung unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). 100 Zutreffend Fastrich, S. 16. 101  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 112 f.). 102 Ähnlich Joussen, S. 129. 103  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 112). 104  Joussen, S. 129; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 28, 249. Ähnlich für die Delegation der Erbenbestimmung R. Zimmermann, Quos, S. 27: Wenn der Erblasser als „Nächstbeteiligter“ einem Dritten die Auswahlbefugnis einräume, sollte die Rechtsordnung diese Entscheidung als typischerweise „richtig“ anerkennen.  99 

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Drittbestimmung binden wollten.105 Insofern besteht eine Parallele zu anderen Fällen, in denen Vertragspartner eine einseitige Gestaltungsmacht begründen. Das Gestaltungsrecht gibt seinem Inhaber die Rechtsmacht, einseitig und ohne Mitwirkung des Gestaltungsgegners in dessen Rechtspositionen einzugreifen und die Rechtslage mit Wirkung auch für diesen umzugestalten.106 Auch das vertraglich begründete Gestaltungsrecht stellt keine Ausnahme vom Vertragsprinzip dar, sondern bestätigt es letztlich, indem die Parteien einseitiges Handeln vertraglich legitimieren.107 Vereinbaren die Parteien etwa, dass einer von ihnen in bestimmten Fällen ein Rücktrittsrecht zustehen soll, deckt dieser Vertrag die spätere einseitige Änderung durch Ausübung des Rücktrittsrechts. Der Rücktrittsgegner hat sich in Ausübung seiner Selbstbestimmung der Gestaltungsmacht des Rücktrittsberechtigten unterworfen. Ob freilich die Entscheidung des Dritten inhaltlich exakt so ausfällt, wie es einer objektiven Richtigkeit entspricht, lässt sich kaum vorhersehen. Diese Unsicherheit haftet jedoch nicht nur einer externen Leistungsbestimmung, sondern auch jeder Parteivereinbarung an.108 Das Argument richtet sich damit gegen die Lehre von der Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlussmechanismus insgesamt. Gegen diese Lehre werden zu Recht verschiedene Einwände vorgebracht. Sie weisen auf die Schwierigkeit hin, die von Schmidt-Rimpler ins Auge gefasste materiale Richtigkeit einer Vereinbarung zu ermitteln. Seine Theorie ist insofern prozedural, als sie ein gerechtes Resultat mit Hilfe eines bestimmten Verfahrens erzeugen will.109 Schmidt-Rimpler ging es freilich nicht nur um das Verfahren des Vertragsschlusses, sondern auch um das dadurch zu erzielende Ergebnis.110 An diesem zusätzlichen Element setzt die berechtigte Kritik an. (i) Problematisch ist zunächst die Prämisse einer Parität der Parteien. Diese sei in der Realität in vielen Fällen nicht gegeben.111 Damit könne aber 105  Für eine Vereinbarkeit von Leistungsbestimmungsrecht und Konsensprinzip ebenfalls Kamanabrou, S. 47; Hromadka, FS Konzen, S. 322; keinen Widerspruch stellt es dar, wenn M. Stürner, S. 428 betont, es lasse sich „nicht vom Vorliegen eines vertraglichen Konsenses auf die Generaleinwilligung in jedwede Geltendmachung der Gestaltungsbefugnis [aus den §§ 315 ff. BGB] schließen“, da sich der Konsens nicht auf jedewede Geltendmachung bezieht, sondern nur auf eine, die sich innerhalb des von den Parteien ins Auge gefassten Rahmens hält. 106  Siehe oben bei Fn. 62. 107  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 613 f. (§ 26 II 1 b); Hattenhauer, S. 272 ff.; R. Zimmermann, FS Heldrich, S. 477 f.; Kleinschmidt, S. 67 m.w.N. 108  Canaris, FS Lerche, S. 875 mit dem berechtigten Hinweis, dass, auch wenn das Instrument des Vertrages, der auf der Übereinstimmung der Beteiligten beruht, im Idealfall das Einverständnis beider Parteien mit der getroffenen Regelung und die Übereinstimmung mit den Präferenzen beider Seiten sicherstelle, die Wirklichkeit von diesem juristischen Idealbild abweichen kann. 109 Vgl. Canaris, FS Lerche, S. 883 und Joussen, S. 134, die Schmidt-Rimplers Lehre als prozedurale Theorie kennzeichnen; außerdem Martinek, S. 255; R. Zimmermann, German Law, S. 206. 110  Auer, S. 36 ff. 111  Singer, Selbstbestimmung, S. 9 ff.

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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auch kaum noch von einem Aushandeln des Vertragsinhalts, das das Fundament der Lehre von der Richtigkeitsgewähr darstelle, gesprochen werden.112 Instrumente, um – wie die AGB-Kontrolle – typische Fälle einer fehlenden Parität aufzufangen,113 können ebenso wenig wie Ansätze, im Einzelfall – etwa über § 138 BGB – auf gestörte Vertragsparität zu reagieren, die allgegenwärtigen Situationen ungleicher Verhandlungsmacht zu beseitigen. (ii) Die Privatautonomie als Vertragsfreiheit gibt den Parteien die Befugnis, bis zur Grenze der §§ 134, 138 BGB für sie nachteilige Geschäfte abzuschließen, sei es sehenden Auges, sei es unbewusst. Auch derartige Geschäfte werden – in den Grenzen des zwingenden Rechts – von der Rechtsordnung anerkannt und sind von der Selbstbestimmung des Einzelnen gedeckt.114 „Richtigkeit“ kann dann nur noch negativ als Verbot bestimmter untragbarer Handlungen und nicht positiv als Vorgabe bestimmter Ziele verstanden werden.115 Noch kritischer ist es zu sehen, wenn „Richtigkeit“ aufgeladen wird um überindividuelle Erwägungen der Zweckmäßigkeit, wie Schmidt-Rimpler es will. Die Vorstellungen der Parteien müssen nicht mit denen der Rechtsgemeinschaft übereinstimmen, und dennoch kommt ihnen ein Spielraum privatautonomer Gestaltung zu.116 Eine Vereinbarung, die sich in den Schranken der Rechtsordnung bewegt, wird von dieser anerkannt, ohne dass es auf den Inhalt der Regelung und die Erfüllung bestimmter Zielvorgaben ankäme.117 Ein anderes Verständnis würde sich auch stoßen an einem Bild des Menschen als autonomen, selbstbestimmten, zu eigenen Entscheidungen fähigen und berufenen Subjekt.118 (iii) Vor allem aber fehlt die Möglichkeit, die „Richtigkeit“ einer Vereinbarung objektiv zu bestimmen.119 Individueller Nutzen und individuelle Präferenzen sind kaum zuverlässig messbar; ein Urteil über die materiale Richtigkeit des Vertrages lässt sich 112 

Canaris, iustitia, S. 49. versagt die Richtigkeitsgewähr, vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 Fn. 34; ders., FS ­Raiser, S. 13. 114  Busche, S. 89 f.; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284 (Verkauf zum „Liebhaberpreis“); Isensee, S. 251; vermittelnd Habersack, AcP 189 (1989), 403, 406 ff. 115  Canaris, FS Lerche, S. 883 ff.; Fuchs, AcP 196 (1996), 313, 328 Fn. 57. – Folgerichtig muss Schmidt-Rimpler, FS R ­ aiser, S. 8 ff., 17 ff. die Selbstbestimmung als Grundlage der Vertragsfreiheit ablehnen. 116  ­R aiser, FS DJT I, S. 117 ff., 121; Thiele, S. 104 f. 117  Flume, AT II, S. 7 f. (§ 1, 6 a) („Die Gestaltung aus Selbstbestimmung in einem Rahmen, der nach der Rechtsordnung der Selbstbestimmung überlassen ist, ist einem rechtlichen Urteil, ob sie ‚richtig‘ ist, unzugänglich.“); Flume, FS DJT I, S. 141 ff.; Thiele, S. 105; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 79 (§ 6 I); G. Wagner, Privatautonomie, S. 19 f. 118  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284; ders., FS Lerche, S. 884. 119  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 79 (§ 6 I); G. Wagner, Privatautonomie, S. 19 f.; siehe etwa das Panorama der Konzeptionen von Vertragsgerechtigkeit bei Oechsler, S. 54 ff. Beispielhaft sei mit Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286 an die jahrhundertealten Versuche, den iustum pretium näherzukommen, erinnert, siehe dazu nur ­R aiser, FS DJT I, S. 129 ff. m.w.N.; R. Zimmermann, Obligations, S. 255 ff., 264 ff.; Luig, Festgabe Coing, S. 171 ff. 113  Hier

120

§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

kaum fällen.120 Verbreitet wird dem Vertragsmechanismus deshalb nicht mehr die Gewähr inhaltlicher Richtigkeit zugesprochen. Es handele sich vielmehr nur noch um die Gewähr einer „Chance“ der Parteien, durch den Abschluss eines Vertrages zu einer für sie gerechten Regelung zu gelangen.121 Von einer Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus kann deshalb allenfalls in einem prozeduralen Sinne die Rede sein.122 Der Vertragsschlussmechanismus gewährleistet mithin keine objektive Richtigkeit, kein iustum pretium, sondern das, was für die Parteien in dem konkreten Einzelfall richtig ist.123 In diesem verfahrensbezogenen Verständnis treffen sich auch Vertragsgerechtigkeit und Vertragsfreiheit.124 Wenn und weil die Parteien diese Chance haben, eine Vereinbarung einzugehen oder sie abzulehnen, sind sie – in den Grenzen des zwingenden Rechts – ihrem Schicksal überlassen. Wenn die Parteien nun also aus freien Stücken125 einem Dritten die Befugnis zur Leistungsbestimmung übertragen, so machen sie von dieser Chance insoweit Gebrauch, dass sie sich der Entscheidung dieses Dritten unterwerfen. Entscheidend für die Richtigkeitsgewähr des Vertrages sind daher nicht Kompensationsmechanismen wie eine ex post-Kontrolle oder die Anwendung von Verfahrensgrundsätzen. Maßgeblich ist vielmehr das freiwillige „Unterworfensein“126 der Parteien unter den Spruch des Dritten. Die Delegation wird somit von der so verstandenen Richtigkeitsgewähr des Vertrages mitgetragen. Hinzu kommt, dass die Delegation sogar zu einem Vertragsinhalt führen kann, der das Äquivalenzverhältnis und die Interessen der Parteien besser als eine ohne Mitwirkung eines Dritten gefundene Vereinbarung trifft. Häufig motiviert gerade die Hoffnung, die Entscheidung eines sachverständigen Dritten könne fehlende eigene Sachkunde wettmachen, die Parteien dazu, überhaupt die Mühe einer Delegation auf sich zu nehmen. Wenn sich diese Hoffnung realisiert, wird der Dritte sogar eher als die Parteien zu einer „richtigen“ Regelung gelangen können. Dies lässt sich am Beispiel der Bestimmung einer Vertragsstrafe durch einen Dritten127 verdeutlichen: Der Strafschuldner stellt sich nicht unbedingt schlechter, wenn er die Strafhöhe nicht selbst mit dem Gläubiger festlegt, sondern beide vereinbaren, dass sie von einem neutralen Dritten bestimmt 120 

Flume, AT II, S. 7 f. (§ 1, 6 a). vor allem M. Wolf, S. 73 f. („Richtigkeitschance“); ferner Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 156 (§ 10 I 1); Canaris, iustitia, S. 49; ders., FS Lerche, S. 883; weitere Nachw. bei Busche, S. 88 Fn. 226; gegen die bloße „Richtigkeitschance“ Schmidt-Rimpler, FS ­Raiser, S. 12 (zu fordern sei zumindest, dass mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit die Parteien die Richtigkeit geprüft haben). 122 Deutlich Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284 („volenti non fit iniuria“). 123  Hellwege, S. 548; R. Zimmermann, German Law, S. 206. 124 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 283 ff. 125  Zu Besonderheiten in AGB siehe unten § 3 B. (S. 123 ff.). 126  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.). 127  Dazu noch unten § 4 E.III.3. (S. 277 ff.). 121 Siehe

A. Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden

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werden soll.128 Er könnte sogar besser stehen, da der Dritte ex post besser zu einer angemessenen Festsetzung gelangen könne als der Schuldner selbst, der aus seiner Sicht ex ante den Eintritt des Vertragsstrafefalls vielleicht als unwahrscheinlich ansieht und sich deshalb auch mit einer Vertragsstrafe einverstanden erklärt, die sich im Nachhinein als überhöht herausstellt.129 Die Möglichkeit einer Delegation erscheint auf diese Weise als eine Erweiterung des Handlungsspielraums der Parteien.130 Diese werden in die Lage versetzt, einen Vertrag zu schließen, den sie ohne Hilfe des Dritten nicht oder nicht in dieser Qualität abgeschlossen hätten.

3. Die Rechtsmacht des Dritten: Ein Gestaltungsrecht? Wenn somit die aus der Lehre von den Gestaltungsrechten vertraute Unterwerfung auch der Delegation von Privatautonomie zugrunde liegt, so wurde bei der Übertragung dieses Gedankens eine Frage in der Schwebe gelassen: Stellt die Rechtsmacht des Dritten ebenfalls ein Gestaltungsrecht dar? Tatsächlich wird diese Frage diskutiert, seit Seckel das Gestaltungsrecht „entdeckt“131 und die Befugnis des Dritten nach § 317 BGB den Gestaltungsrechten zugeschlagen hat.132 Von Bötticher stammt dafür die Bezeichnung als ausfüllendes Gestaltungsrecht, da hier ein „schöpferisches Moment“ hinzutrete, das bei der „normale[n] Gestaltungserklärung“ nicht vorhanden sei.133 Zuletzt hat sich Joussen mit ausführlicher Argumentation für den Gestaltungsrechtscharakter dieser Befugnis ausgesprochen.134 Die Meinungen im Schrifttum sind gleichwohl geteilt.135 Gegen die Einordnung als Gestaltungsrecht spreche, dass andernfalls 128 

Lindacher, S. 78 ff. Lindacher, S. 78 ff.; zu dieser Annahme des Schuldners auch Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 8. – In der Verhaltensökonomik wird dieses Phänomen als self-serving bias bezeichnet, vgl. Fleischer/Schmolke/Zimmer, S. 37 f.; auch Schön, FS Canaris I, S. 1209; Fleischer, FS Immenga, S. 581 f. Schön führt aus, dass das bürgerliche Recht auf diese Fehlvorstellungen „schon immer“ mit zwingendem Recht reagiert habe. Übertragen auf den vorliegenden Kontext könnte man deshalb an die zwingende Vorschrift des § 343 BGB über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe denken. Die Delegation stellt nun einen alternativen Weg dar, diesen bias zu eliminieren. 130  Joussen, S. 129. 131  Dölle, S. 18; relativierend Hattenhauer, S. 195 f. 132  Seckel, FS Koch, S. 207 Fn. 2, 214. 133  Bötticher, FS Dölle I, S. 51; als „Regelungsrecht“ bezeichnet von Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 277 (§ 12 I 1). 134  Joussen, S. 184 ff.; ders., AcP 203 (2003), 429 ff. 135  Für eine Einordnung als („ausfüllendes“) Gestaltungsrecht z.B. Staudinger/Löwisch/ Feldmann, § 311 Rn. 59; Münch­Komm-­BGB/Emmerich, § 311 Rn. 21; Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 317 Rn. 3; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 4; Hattenhauer, S. 6, 238 und öfter; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; ders., FS Dölle I, S. 51; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 (§ 12 III 2); G. Schulze, S. 384 mit Fn. 467; Scholz, S. 79 f.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 142 f. Dagegen Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 97; C. Wagner, S. 28, 78; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 469. 129 

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

der Begriff des subjektiven Rechts zu weit und konturenlos geraten würde.136 Die Frage nach der Rechtsnatur des Leistungsbestimmungsrechts könne nicht anders beantwortet werden als die parallele Frage nach der Rechtsnatur der Vertretungsmacht, die aber ebenfalls kein Gestaltungsrecht vermittle.137 Stattdessen bestehe lediglich eine „Regelungsmacht“ des Dritten.138 Ein Eingehen auf diesen Streit erübrigt sich jedoch, wenn man erkennt, dass aus der Qualifikation als Gestaltungsrecht letztlich nichts folgt. Zwar werden Gestaltungsrechten bestimmte Eigenschaften wie die Unwiderruflichkeit oder die Bedingungsfeindlichkeit nachgesagt. Doch stellt es ein gefährliches methodisches Vorgehen dar, erst den Charakter einer Befugnis als Gestaltungsrecht zu begründen und daraus auf weitere Eigenschaften dieser Befugnis zu schließen.139 Erst jüngst hat Hattenhauer die vermeintlichen „Dogmen“ der Lehre vom Gestaltungsrecht in einer ausführlichen Untersuchung nachhaltig erschüttert.140 So hätte es vermutlich Widerspruch hervorgerufen, wenn soeben zur Rückkopplung an die Privatautonomie zunächst der Gestaltungsrechtscharakter der Befugnis des Dritten begründet worden wäre, um sodann festzustellen, dass ein privatautonom begründetes Gestaltungsrecht auf einer Unterwerfung der Betroffenen beruht und sich die Parteien deshalb auch bei § 317 BGB der Entscheidung des Dritten unterworfen hätten.141 Weil die scheinbar allgemeingültigen Eigenschaften der Gestaltungsrechte Ausnahmen unterworfen sein können, muss ihr Vorliegen ohnehin im Einzelfall überprüft werden. Die lebhafte Diskussion zur Frage des Gestaltungsrechtscharakters zeigt aber eine funktionale Nähe des Drittbestimmungsrechts zu den Gestaltungsrechten. Daher kann es von Fall zu Fall bei der Untersuchung einzelner Sachfragen durchaus nützlich sein zu überlegen, ob von dem reichhaltigen Diskurs um Gestaltungsrechte Hilfestellung erwartet werden kann.142

136 

C. Wagner, S. 79. C. Wagner, S. 28, 79 im Anschluss an Müller-Freienfels, S. 40 ff.; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 11 f. 138  C. Wagner, S. 28; P. Bydlinski, S. 275 f. 139 Von Heck, DJZ 1909, 1457 ff. als „Inversionsverfahren“ bekämpft; kritisch insbesondere auch Hattenhauer, S. 261 ff. und öfter. 140  Hattenhauer, S. 283 ff., 306 ff., 405 ff.; für weitere Nachweise siehe ders., S. 203 Fn. 39 ff. 141  Ansätze dazu aber bei Joussen, S. 344 f., der freilich zuvor die Legitimation des Dritten auch ohne dieses fragwürdige Schlussverfahren mit einer „Unterwerfung“ im oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.) vertretenen Sinne begründet hat. 142 Siehe etwa unten § 9 A.III. (S. 553 ff.) zur Begründung, § 10 A.IV. (S. 570 ff.) zur höchstpersönlichen Erstellung sowie § 13 A.III.2. (S. 609 f.) zur Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens. 137 

B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB

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IV. Ergebnis Die Delegation der Entscheidungsbefugnis an einen Dritten beruht auf der Privatautonomie des Delegierenden. Die vertragliche oder testamentarische „Unterwerfung“ unter dessen Entscheidung ist ein Akt der Selbstbestimmung, der zugleich die in einer von außen gesetzten Regelung eigentlich enthaltene Fremdbestimmung entfallen lässt. Zugleich nimmt im Bereich des Vertragsrechts das Aushandeln der Delegation die Funktion der Richtigkeitsgewähr wahr. Ob aufgrund der Unterwerfung ein Gestaltungsrecht begründet wird, kann offenbleiben. Dieser Ansatz zur Rückkopplung der Entscheidung des Dritten an die Privatautonomie der Parteien ist dem Alternativmodell, den Dritten als Stellvertreter der Parteien anzusehen, überlegen, da er zu einem Gleichlauf zwischen der Rechtsmacht des Dritten und dem Umfang, in dem die Parteien sich dessen Entscheidung unterwerfen wollen, führt.

B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB Die Einräumung eines Bestimmungsrechts stellt die Richtigkeitsgewähr des Vertrages nicht in Frage. Dass beide Parteien an die Entscheidung des Dritten gebunden sind, führt nicht zu einer Fremdbestimmung. Die Macht des Dritten, ein fremdes Rechtsverhältnis zu gestalten, lässt sich zwanglos mit Hilfe der vorherigen Unterwerfung der Betroffenen legitimieren. Diese Argumentation basiert jedoch auf der Annahme, dass beide Parteien bei Abschluss der Schiedsgutachtenvereinbarung in vollem Umfang von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen konnten. Abreden über gestaltende wie feststellende Schiedsgutachten finden sich indes nicht nur in frei ausgehandelten Individualverträgen, sondern auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Seite vorformuliert hat und deren Ablehnung durch die andere Seite das Zustandekommen des gesamten Geschäfts vereitelt, weil der Verwender nur auf der Grundlage seiner Bedingungen kontrahieren will. Besonders verbreitet sind derartige Klauseln beispielsweise in der Kfz-Branche, in der Baubranche oder im Versicherungsbereich. Die Rechtsprechung – und mit ihr ein großer Teil des Schrifttums – unterwerfen die Zulässigkeit derartiger Klauseln in AGB erhöhten Anforderungen. Ob diese Anforderungen zu rechtfertigen oder gar geboten sind, ist – stets mit Blick auf die praktische Relevanz der Frage – im Folgenden zu untersuchen. Soweit sich die Gerichte mit Bestimmungsrechten eines Dritten143 zu befassen hatten, geschah dies meist anhand von Klauseln, die – wie etwa Schätzpreis143 

Und nicht des Verwenders (§ 315 BGB), dazu ausführlich z.B. Jesgarzewski.

124

§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

klauseln, die den Wert einer Leistung in das Urteil eines Dritten stellen – ein feststellendes Schiedsgutachten vorsahen. Klauseln, die einem Dritten ein Recht zur gestaltenden Vertragsergänzung oder ‑anpassung geben, nehmen demgegenüber eine geringere Bedeutung ein.144 Im Folgenden werden beide Klauselarten gemeinsam betrachtet. Bei beiden stellen sich – das kann hier vorweggenommen werden – im Wesentlichen dieselben Fragen.145

I. Kontrollfähigkeit der Schiedsgutachtenklausel Bevor jedoch im Detail inhaltliche Anforderungen an eine Schiedsgutachtenklausel diskutiert werden können, muss zunächst feststehen, dass derartige Klauseln überhaupt der Inhaltskontrolle unterliegen. Zweifel daran könnten aus zwei Richtungen geltend gemacht werden.146

1. Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB? Zweifel könnten erstens bei § 307 Abs. 3 BGB ansetzen, der alle Vertragsbestandteile, die den Leistungsinhalt und das Entgelt festlegen, aus dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ausnimmt.147 Wenn nun der Dritte eine Vertragsleistung (etwa den Preis) bestimmen oder ändern soll, so ließe sich argumentieren, dass die Einräumung des Bestimmungsrechts letztlich eine Einigung über den Leistungsinhalt oder das Entgelt darstellt und deshalb von vornherein kontrollfrei bleiben muss.148 Differenzierend ließe sich sagen, dass allenfalls die Vereinbarung eines Rechts zur Leistungsänderung bzw. ‑anpassung der Kontrolle unterworfen sei, während das Recht zur ursprünglichen Festsetzung der 144  Diese Beobachtung bestätigt auch das Schrifttum zur AGB-Kontrolle, das unter dem Stichwort „Schiedsgutachtenklausel“ oftmals nur feststellende Schiedsgutachten abhandelt, z.B. Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 1; breiter aber Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 21. 145 Für eine Differenzierung aber Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 1, der die Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens mittels AGB noch kritischer sieht als die Einräumung eines Leistungsbestimmungsvorbehalts. Doch sind die dort genannten Kritikpunkte (Unterwerfung unter das Bestimmungsermessen ohne Mitwirkungsmöglichkeit, fehlende Ablehnungsmöglichkeit) bei beiden Klauseltypen gleichermaßen denkbar. – Differenzierend auch v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/5, der sich gegenüber gestaltenden Schiedsgutachten noch zurückhaltender zeigt und jedenfalls auf eine differenzierende Interessenanalyse drängt. 146  Eine Qualifikation des feststellenden Schiedsgutachtens als prozessrechtlich hätte keine Auswirkungen auf die Kontrollfähigkeit: Die Regeln der AGB-Kontrolle gelten auch für Prozessverträge, siehe nur Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 21; allgemein G. Wagner, Prozeßverträge, S. 130 ff. 147  Zum Hintergrund dieser Ausnahme siehe oben § 1 B.II.2. (S. 13 f.). 148 Ausführlich Dylla-Krebs, S. 199 ff.; außerdem ­L arenz, Schuldrecht II/1, S. 135 ff. (§ 43a II).

B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB

125

Leistung nur auf Transparenz kontrolliert werde könne.149 Im ersten Fall werde von einem zunächst einvernehmlich festgesetzten Preis abgewichen. Im anderen Fall hingegen müsse dem Vertragspartner klar vor Augen stehen, dass er sich bei der Bestimmung des Preises in die Hände eines anderen begebe; ein mit Hilfe der Inhaltskontrolle auszugleichendes Marktversagen liege nicht vor.150 Dieser Differenzierung ist zuzugeben, dass beide Fälle eine unterschiedliche Nähe zu der aus gutem Grund kontrollfreien Festlegung des Äquivalenzverhältnisses aufweisen. Gleichwohl sollte in beiden Fällen – bei der Befugnis zur nachträglichen Änderung einer Leistungsverpflichtung wie bei der Befugnis zu ihrer ursprünglichen Bestimmung – eine Kontrolle nicht nur der Transparenz, sondern auch des Inhalts der Klausel stattfinden (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Dies ist auch die Ansicht der Rechtsprechung,151 die betont, dass es insbesondere keine Rolle spiele, wenn sich die Klausel auf die Hauptleistung einer Partei beziehe.152 Der überwiegende Teil des Schrifttums folgt dieser Lösung.153 149  Dylla-Krebs, S. 199 ff.; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 1 Rn. 17; Münch­Komm-­ BGB/Wurmnest, § 309 Nr. 1 Rn. 16; ­L arenz, Schuldrecht II/1, S. 137 (§ 43a II); Kamanabrou, S. 119; Bartsch, DB 1983, 214 ff. 150  Vgl. Münch­Komm-­BGB/Wurmnest, § 309 Nr. 1 Rn. 16 zu Listenpreisklauseln. 151  Insbesondere BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229 (Bestimmung des Architektenhonorars durch das vom Bauherrn beauftragte Baubetreuungsunternehmen); BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1854, 1855 (DAT-Schätzpreisklausel – eigentlich feststellendes Schiedsgutachten). Weiterhin BGH v. 20.7.2005 BGHZ 164, 11, 25 (Leistungsbestimmungsrecht des Verwenders in Kfz-Vertragshändlervertrag); BGH v. 12.1.1994 BGHZ 124, 351, 362 (Preisänderungsvorbehalt des Verwenders in Kfz-Vertragshändlervertrag); BGH v. 20.5.1985 BGHZ 94, 335, 338 (Kontrollfähigkeit von Preisänderungsklauseln zugunsten des Verwenders bejaht, von Preisvorbehaltsklauseln zugunsten des Verwenders offengelassen); BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1603, 1605 (ebenso); BGH v. 16.1.1985 BGHZ 93, 252, 255; OLG Düsseldorf v. 1.10.2008 – VI‑U (Kart) 4/08 und 5/08 (juris), Rn. 50 (Parteileistungsbestimmungsrecht). Zur Kontrollfähigkeit von Klauseln über feststellende Schiedsgutachten, die (zumindest unmittelbar) keine Preisfestsetzung bewirken: BGH v. 10.10.1991 BGHZ 115, 329 (Feststellung von Baumängeln durch einen Schiedsgutachter nach AGB eines Fertighausvertrags); BGH v. 14.7.1987 BGHZ 101, 307, 317 ff. (Schiedsstelle des Kraftfahrzeughandwerks soll laut Kfz-Reparaturbedingungen entscheiden über das Vorliegen eines gewährleistungspflichtigen Mangels); OLG Düsseldorf v. 28.4.1999 NJW‑RR 2000, 279, 281 (Feststellung der Betriebskostenumlage in Golfplatznutzungsvertrag) – Von Leistungsbestimmungsrechten zu unterscheiden sind sog. Kostenelementeklauseln, die den Verwender wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten zur Preisanpassung berechtigen sollen. Die Anpassung geschieht nicht aufgrund billigen Ermessens, sondern entsprechend der Veränderung der Kosten. Da die Preisveränderung damit konsensual festgelegt und nicht der einseitigen Bestimmungsmacht des Verwenders unterworfen ist, handelt es sich nicht um einen Fall der §§ 315 ff. BGB. Beispiele für diesen Klauseltyp, der sehr hohen Transparenzanforderungen unterworfen wird und als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterliegt, finden sich in: BGH v. 15.7.2009 NJW 2009, 2662; BGH v. 15.11.2007 NJW 2008, 360; BGH v. 11.10.2007 NJW‑RR 2008, 134, 135; BGH v. 21.9.2005 NJW‑RR 2005, 1717. Zur Abgrenzung v. Westphalen, FS H. P. Westermann, S. 707 ff.; Büdenbender, NJW 2007, 2946 f. 152  Ausdrücklich z.B. BGH v. 12.1.1994 BGHZ 124, 351, 362. 153 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 260, § 317 Rn. 60; Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 173, 181; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/ders., § 307 Rn. 341; Stoffels, in: Wolf/Lin­

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

Für diese Lösung sprechen mehrere Gründe. Der Gesetzgeber hat in den § 308 Nr. 4 und § 309 Nr. 1 BGB die inhaltlichen Maßstäbe für zwei Sonderfälle eines Leistungsänderungsrechts ausdrücklich geregelt. Zwar ist umstritten, ob an § 309 Nr. 1 BGB, wie die herrschende Ansicht annimmt, lediglich die Klausel zur Änderung eines vereinbarten Preises gemessen werden kann, während sich die Wirksamkeit einer Klausel zur ursprünglichen Festsetzung des Preises allenfalls nach § 307 BGB bemisst.154 Davon unabhängig zeigt die Existenz dieser Klauselverbote indes zweierlei: Zum einen hält es der Gesetzgeber für grundsätzlich zulässig, ein Leistungsbestimmungsrecht in AGB aufzunehmen.155 Zum anderen lässt sich aus der Existenz dieser Verbote schließen, dass derartige Klauseln generell kontrollfähig sind.156 Es wäre ein merkwürdiges Ergebnis, wenn ein Leistungsbestimmungsvorbehalt, je nach Fassung, entweder verboten oder kontrollfrei wäre. Wenn eine Klausel nicht von § 309 Nr. 1 BGB erfasst ist, kann sie immer noch an § 307 BGB zu messen sein. Indem die Parteien einem Dritten ein Leistungsbestimmungsrecht einräumen – gleich, ob für den ursprünglichen Leistungsinhalt oder für dessen Anpassung –, einigen sie sich gerade nicht unmittelbar auf den Inhalt der Hauptleistung, sondern legen nur mittelbar einen Weg zu dessen Ermittlung fest.157 Sie weichen von dem Grundmodell des § 311 Abs. 1 BGB ab. Dieses Grundmodell sieht eine Festlegung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag selbst dacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 212; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/8; Reinking/Eggert, Rn. 1208 (zu Schätzwertklauseln beim Kfz-Kauf); Büdenbender, NJW 2007, 2951 (zu AGB in der Energiewirtschaft); Paulusch, S. 59, 64 m.w.N. (Vertragspartner sei bei zunächst gänzlich unbestimmten Preis noch schutzwürdiger als im Fall der Preisänderung); H. P. Westermann, S. 148; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 135 ff.; Horn, NJW 1985, 1118, 1121. 154 Zu dem Streit Münch­ Komm-­BGB/Wurmnest, § 309 Nr. 1 Rn. 15 f.; Jesgarzewski, S. 40 f.; Paulusch, S. 59; alle m.w.N. 155 Staudinger/Coester, § 307 Rn. 301. 156 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 173; Staudinger/Coester, § 307 Rn. 301; Paulusch, S. 59, 66; bezogen auf ein Änderungsrecht des Verwenders BGH v. 7.10.1981 BGHZ 82, 21, 23; bezogen auf die ursprüngliche Festlegung BGH v. 20.7.2005 BGHZ 164, 11, 25; a.A. Dylla-Krebs, S. 203 f. 157 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 173; Staudinger/­R ieble; § 315 Rn. 260; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116; generell für die Kontrollfähigkeit von Nebenbestimmungen, die nur mittelbar Auswirkungen auf Preis und Leistung haben (sog. Preisnebenabreden) BGH v. 13.7.2005 NJW‑RR 2005, 1479; BGH v. 24.11.1988 BGHZ 106, 42, 46. – Eine Ausnahme macht die neuere Rechtsprechung für Privatisierungsvereinbarungen mit der ehemaligen Treuhandanstalt, vgl. BGH v. 22.2.2002 ZIP 2002, 808; BGH v. 26.1.2001 BGHZ 146, 331, 338 (mit der Begründung, dass in der fraglichen Nachbewertungsklausel der Preis unmittelbar festgelegt werde), dazu Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 260; Sieveking, S. 60. Einige Oberlandesgerichte hatten die Nachbewertungsklauseln mit Hilfe der Grundsätze zu Preis­ anpassungsklauseln für unwirksam erklärt (z.B. OLG Naumburg v. 9.12.1997 VIZ 1998, 412). Dagegen wird geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Treuhandanstalt kein funktionsfähiger Grundstücksmarkt existierte und deshalb kein – aufgrund der Klausel anzupassender – Ausgangspreis festgelegt werden konnte. Die Nachbewertung betraf deshalb die Preisabrede selbst.

B. Delegation als Schiedsgutachtenklausel in AGB

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vor.158 Das dispositive Recht geht von einer bindenden Preisvereinbarung der Parteien aus.159 Im Falle der Leistungsbestimmung, sei es durch den Verwender, sei es durch einen Dritten, wird demgegenüber ein Teil des Vertragsinhalts einseitig festgelegt.160 Der Vertragspartner des Verwenders ist schutzbedürftig, da er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht genau weiß, welchen Inhalt das Äquivalenzverhältnis, auf das er sich einlässt, haben wird.161 Dass zudem die vertragliche Bindung gelockert und deshalb eine Kontrolle erforderlich sei, lässt sich indes nicht sagen.162 Diese Überlegungen zeigen zugleich, dass AGB, die ein Leistungsbestimmungsrecht begründen, von Rechtsvorschriften abweichen und deshalb auch nicht als – von § 307 Abs. 3 BGB ebenfalls kontrollfrei gestellte – bloße Wiederholung dispositiven Rechts keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Dass der Gesetzgeber selbst in den §§ 317, 319 BGB Regelungen über das Leistungsbestimmungsrecht bereitgestellt hat, kann diese Abweichung nicht rechtfertigen.163 Zwar macht der Verwender von einer gesetzlich eröffneten Befugnis Gebrauch, indem er das Bestimmungsrecht eines Dritten in seine AGB aufnimmt. Dennoch ändert eine derartige Klausel die nach dispositivem Recht bestehende Rechtslage und muss deshalb der AGB-Kontrolle unterliegen.164 Indem der Gesetzgeber – lange vor Inkrafttreten des AGBG165 – die Gestaltungsmöglichkeit des § 317 BGB eröffnete, wollte er damit nicht im Sinne ei158  BGH v. 20.7.2005 BGHZ 164, 11, 25; BGH v. 12.1.1994 BGHZ 124, 351, 362; BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 232. 159  BGH v. 22.2.2002 ZIP 2002, 808 (darin wird ein „Grundsatz der bindenden und festen Preisbestimmung“ an § 433 Abs. 2 BGB festgemacht); BGH v. 16.1.1985 BGHZ 93, 252, 255. 160  BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 233; Erman/Roloff, § 307 Rn. 141; Stoffels, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 212 (allerdings zu weitgehend, wenn in einem einseitigen Bestimmungsrecht ein Verstoß gegen § 311 Abs. 1 BGB gesehen wird). Soweit eine Klausel hingegen nur die Ausübung eines anderweit begründeten Leistungsbestimmungsrechts regelt und dabei inhaltlich mit den §§ 315 ff. BGB übereinstimmt, wird sie von § 307 Abs. 3 BGB erfasst, BGH v. 26.11.1984 BGHZ 93, 29, 35; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 215. 161 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 174. 162 So aber Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 174. Siehe jedoch oben § 3 A.III.2. (S. 113 ff.). 163  So aber OLG Saarbrücken v. 19.10.1982 DB 1983, 546, 547 (zu §§ 315, 316 BGB); Dylla-Krebs, S. 202 f.; Wittmann, S. 82 f., der damit auf die Kontrollfreiheit von lediglich das dispositive Recht wiedergebenden Klauseln abhebt und vermeiden will, dass im Falle eines bloßen Verweises auf einen gesetzlichen Mechanismus (§§ 317 ff. BGB) das dispositive Recht selbst inhaltlich überprüft würde; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 33 (man müsse „im allgemeinen die Parteien nicht über §§ 305, 307 BGB davor schützen, dass der Entscheidungsspielraum des staatlichen Richters stark reduziert wird“); außerdem Greger/Stubbe, Rn. 92, allerdings differenzierend: keine Kontrolle der Abrede als solcher, wohl aber von benachteiligenden Nebenabreden zu der Einräumung des Bestimmungsrechts. Unklar ist, wie beides zu trennen sein soll. 164 Staudinger/Coester, § 307 Rn. 301; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 211 f. 165  Zu diesem Aspekt allgemein G. Wagner, Prozeßverträge, S. 137.

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ner „Erlaubnisnorm“166 Klauseln jeglichen Inhalts zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten zulassen. Dass die Privatautonomie es den Parteien generell gestattet, von zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, kann sie – soll die AGB-Kontrolle ihren Sinn behalten – gerade nicht von der Klauselkontrolle be­freien.167 So gestattet, um ein anderes Beispiel zu nennen, das dispositive Recht auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Gleichwohl zeigt das Klauselverbot in § 309 Nr. 6 BGB deutlich, dass selbst dann eine Inhaltskontrolle stattfinden muss, wenn sich die Parteien darauf beschränken, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, die lediglich die dispositiven Vorstellungen des Gesetzgebers wiedergibt.168 Letztlich lässt sich dieser Befund rückkoppeln an die Kennzeichnung der Selbstgestaltung als Aufgabe der Vertragsparteien.169 Die Aushandlung des Vertrages ist in erster Linie Sache der Vertragsparteien.

2. Entbehrlichkeit einer Inhaltskontrolle des Schiedsgutachtens wegen nachgelagerter Kontrolle des Schiedsgutachtens? Ein anderer Ansatzpunkt, um eine Schiedsgutachtenklausel von vornherein von der AGB-Kontrolle auszunehmen, könnte darin bestehen, den Kunden auf die nachgelagerte Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit zu verweisen. Es ließe sich argumentieren, dass ihm auf diesem Wege seine Rechte erhalten blieben und deshalb die Vereinbarung des Bestimmungsrechts keiner Kontrolle bedürfe.170 Bedenken gegen das Schiedsgutachtenverfahren sei mit Vorschriften zu dem Verfahren zu begegnen, nicht mit Mitteln der AGB-Kontrolle.171 Ähnliche Wechselwirkungen zwischen den Ebenen der Zulässigkeit und der Kontrolle von Preisänderungsklauseln erkennt Whittaker im englischen Recht, der zwei konkurrierende Ansätze für eine rechtliche Regelung der Preisänderung beschreibt: Einerseits könne die Übertragung einer Befugnis zur Preisänderung überprüft werden, und andererseits komme es in Betracht, die Ausübung dieser Befugnis zu kontrollieren.172 Soweit nun die Ausübung der Befugnis nicht kontrolliert werde, sondern unbeschränkt deren Inhaber überlassen 166  Darunter werden Vorschriften verstanden, die den Parteien die Abweichung von einer bestimmten Rechtslage ausdrücklich gestatten. Dazu insbesondere Canaris, NJW 1987, 609, 611 f.; ders., NJW 1987, 2407, 2408 f.; Dylla-Krebs; S. 93 ff.; Staudinger/Coester; § 307 Rn. 302 ff., H. P. Westermann, S. 141 ff.; jeweils m.w.N. 167  Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/ders., § 307 Rn. 338 ff.; Münch­Komm-­BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 9; Dylla-Krebs, S. 95; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 136; Löwe, NJW 1987, 937 ff. 168 Siehe hierzu und zu weiteren Beispielen Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/ders., § 307 Rn. 341; Dylla-Krebs, S. 94 f. 169  Vgl. oben § 1 II.2. (S. 10 ff.). 170  Sieg, NJW 1992, 2992, 2993; Dylla-Krebs, S. 204 f. 171  Wittmann, S. 83. 172  Whittaker, FS Viney, S. 908 f. (bezogen auf Änderungsvorbehalte zugunsten einer Partei); für das deutsche Recht Wiedemann, S. 20 ff.

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werde, reagiere eine Rechtsordnung mit einer strikteren Herangehensweise hinsichtlich der Übertragung der Befugnis.173 Dies werde besonders deutlich in der AGB-Kontrolle von einseitigen Preisänderungsvorbehalten, die sich nicht auf die tatsächliche, sondern auf die potentielle Übervorteilung des Vertragspartners des Verwenders stütze.174 Umgekehrt müsste also die unbeschränkte Möglichkeit, diese Befugnis zu vereinbaren, eine verschärfte Kontrolle ihrer Ausübung bedingen. Doch auch dieser Ansatz überzeugt nicht. Richterliche AGB-Kontrolle und Überprüfung der Billigkeit stehen nebeneinander.175 Denn schon die Existenz des Bestimmungsrechts und die damit verbundene Ungewissheit berühren die Interessen des Vertragspartners.176 Der Bestimmende hat, wie gesehen,177 einen Gestaltungsspielraum, dessen Ausübung im Fall der Drittbestimmung zudem nur auf offenbare Abweichungen überprüft werden kann. Auch darin kann eine Benachteiligung liegen, die jedenfalls eine eigenständige Kontrolle erforderlich macht.178 Zudem kann in der obligatorischen Zwischenschaltung eines Schiedsgutachtens trotz der Möglichkeit der späteren Kontrolle der Zugang zu staatlichen Gerichten erschwert werden. Auch aus diesem Grund ist eine Kontrolle der Schiedsgutachtenklausel gerechtfertigt.179 Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Vereinbarung, ein Dritter möge ein Element des Vertrages bestimmen oder feststellen, grundsätzlich der AGBKontrolle unterliegt.

II. Kontrolle der Schiedsgutachtenklausel Ist damit grundsätzlich die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle der Schiedsgutachtenklausel eröffnet, ist sodann zu klären, welchen Einschränkungen eine Schiedsgutachtenklausel unterliegt. An dieser Stelle kann nicht die komplette Kasuistik zur Transparenz‑ und Inhaltskontrolle von Preisvorbehalts‑ oder 173 

Whittaker, FS Viney, S. 909. Whittaker, FS Viney, S. 908. 175  BGH v. 21.12.1983 BGHZ 89, 206, 213 (Änderungsvorbehalt zugunsten des Verwenders in Kfz-Vertragshändlervertrag, einseitig das „Marktverantwortungsgebiet“ des Vertragshändlers zu verkleinern); BGH v. 12.1.1994 BGHZ 124, 351, 361 f. (Preisänderungsvorbehalt in Kfz-Vertragshändlervertrag); BGH v. 7.10.1981 BGHZ 82, 21, 26 (Tagespreisklausel in Kfz-Kaufvertrag); BGH v. 11.6.1980 NJW 1980, 2518, 2519 (zu einem Preisänderungsrecht des Verwenders in einem Zeitschriftenabonnementsvertrag); Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 60, § 315 Rn. 259; v. Westphalen, FS H. P. Westermann, S. 726, 730 (zu Preisvorbehaltsklauseln); Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 174; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln L 212; Wiedemann, S. 22. 176 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 173 f.; Whittaker, FS Viney, S. 908. 177  Siehe oben § 2 B.II.4.b) (S. 67 ff.). 178 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 174. 179  v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/8. 174 

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Preisanpassungsklauseln referiert und gewürdigt werden. Dies ist auch nicht erforderlich, da sich ein Großteil der dazu ergangenen Stellungnahmen auf Bestimmungs‑ und Änderungsrechte des Verwenders beziehen, es hier aber um die Sonderproblematik der Bestimmungsberechtigung eines Dritten geht. Im vorformulierten Vertrag dürfte das Bestimmungsrecht des Verwenders größere Missbrauchsgefahren eröffnen und deshalb noch eher Bedenken unterliegen.180 Im Folgenden sollen daher nur diejenigen Situationen zusammengestellt werden, in denen sich gerade aus dem Umstand, dass ein Dritter mit der Entscheidung betraut wird, Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel ergeben.

1. Fehlende Transparenz Dass der Verwender einem Dritten ein Leistungsbestimmungsrecht mit der Folge des § 319 Abs. 1 BGB einräumen will, muss klar aus dem Vertragstext hervorgehen; verbleibende Zweifel über die Natur der Befugnisse des Dritten, der auch einfacher Sachverständiger sein kann, gehen als Intransparenz zu Lasten des Verwenders.181 So muss etwa bei Klauseln über den Kfz-Ankauf zum Schätzwert (sog. „DAT-Schätzpreis“) dem Kunden mitgeteilt werden, welchen Preis (Händlereinkaufspreis oder Verkehrswert) der Sachverständige ermittelt.182 Ebenso ist es unzulässig, wenn eine Klausel den Eindruck erweckt, der Rechtsweg sei – wie bei einer Schiedsklausel – ausgeschlossen. Schon dieser falsche Eindruck könnte den Vertragspartner von einer Überprüfung nach § 319 Abs. 1 BGB abhalten.183 Die Klausel verstößt dann gegen das Transparenzgebot.184

180  Diese Vermutung kann sich auch auf eine Beobachtung im französischen Recht stützen: Dort wird Bestimmungsrechten einer Partei, auch außerhalb von AGB, traditionell eine größere Skepsis entgegengebracht als Bestimmungsrechten eines Dritten. 181  LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132 (Schätzung des Zeitwerts eines Kfz nach Ablauf der Leasingdauer durch einen Sachverständigen ist nicht automatisch Schiedsgutachten); Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 61; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn.  S 26; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/24 f., der eine ausdrückliche Belehrung über die Folgen des § 319 Abs. 1 BGB verlangt. 182 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 130; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/23; Reinking/ Eggert, Rn. 1205, 1209; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116; zur Problematik BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1854, 1855. 183  BGH v. 14.7.1987 BGHZ 101, 307, 319 (feststellendes Schiedsgutachten in Kfz-Reparaturbedingungen); Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 65; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 1; Stein/Jonas/ Schlosser, vor § 1025 Rn. 26; Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 2; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 6. 184 Erman/Roloff, § 307 Rn. 156.

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2. Prüfung anhand besonderer Klauselverbote Aus der vorrangig zu prüfenden Liste der besonderen Klauselverbote kommt hier ein Verstoß gegen § 309 Nr. 12 lit. a BGB, der eine Verschiebung der Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners verbietet, in Betracht. Da die Parteien an ein verbindliches Schiedsgutachten bis zur Grenze der offenbaren Unbilligkeit (Unrichtigkeit) gebunden sind, hat dieses Einfluss auf die Beweissituation des Vertragspartners im Prozess. Gleichwohl muss eine pauschale Unwirksamkeit von Schiedsgutachtenklauseln wegen Verstoßes gegen diese Vorschrift verneint werden.185 Zwar kann eine Schiedsgutachtenvereinbarung die Möglichkeiten des Vertragspartners zur Beweisführung verändern. Doch verschiebt die Klausel nicht generell die Beweislast für Umstände, die sonst der Verwender zu beweisen hätte. Sie bürdet allenfalls der Partei, die sich auf die Unverbindlichkeit des Spruchs des Dritten beruft, die Beweislast auf. Dies kann der Vertragspartner sein, genauso gut kann dies aber auch der Verwender sein.186

3. Prüfung anhand der Generalklausel, § 307 BGB Dagegen existieren mehrere Ansatzpunkte, um zu begründen, dass eine Schiedsgutachtenklausel im Einzelfall gegen die Generalklausel des § 307 BGB verstößt.

a) Fehlendes berechtigtes Interesse an der Einschaltung eines Schiedsgutachters Mit der Einholung eines Schiedsgutachtens ist – unabhängig von dessen Bindungswirkung – ein Aufwand an Zeit, Mühen und Kosten verbunden.187 Bis zur Erstellung des Schiedsgutachtens kennt der Vertragspartner nicht den Umfang der Vertragspflichten.188 Gilt zudem der Kontrollmaßstab des § 319 Abs. 1 BGB, kann die Klausel rechtsschutzverkürzende Wirkung haben, indem der gerichtliche Kontrollmaßstab auf offenbare Unbilligkeit (Unrichtigkeit) beschränkt wird.189 Gegenüber Verbrauchern sollen daher Schiedsgutachtenklau185  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 34; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 12 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 130; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 27; P. Gottwald/Reichenberg/P. Wagner, NZV 2000, 6, 8 f. (mit dem weiteren, im Hinblick auf das oben zu § 307 Abs. 3 BGB Gesagte zweifelhaften Argument, der Verwender mache nur von einer gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch); a.A. LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132 (Feststellung des Zeitwerts der Leasingsache bei Rückgabe durch einen Sachverständigen); Baumgärtel, FS Fasching, S. 77. 186  Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 27. 187  Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 29; für unmaßgeblich hält diesen Punkt G. Wagner, Prozeßverträge, S. 682, da § 319 Abs. 1 S. 2 BGB vor einer überlangen Verfahrensdauer schütze. 188  Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 213. 189  Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 213.

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seln regelmäßig unzulässig sein, zumindest solange sie nicht eine vollumfängliche gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Dritten gestatten.190 Jedenfalls kann allein der Hinweis auf die Sachkunde des Schiedsgutachters nie die Klausel rechtfertigen, denn Sachkunde kann auch von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen erwartet werden.191 Generell wird deshalb gesagt, das Bestimmungsrecht eines Dritten könne nur dann wirksam in AGB begründet werden, wenn der Verwender ein berechtigtes Interesse an einem Schiedsgutachtenverfahren habe und die Interessen des Vertragspartners ausreichend gewahrt würden.192 Ein berechtigtes Interesse kann sich vor allem daraus ergeben, Fragen, die andernfalls aufwendig ein gerichtlicher Sachverständiger zu beantworten hätte, sachkundig und zeitsparend im Vorfeld eines – somit vielleicht sogar überflüssigen – Prozesses klären zu lassen.193 Bei Anpassungsklauseln besteht ein berechtigtes Interesse des Verwenders dann, wenn ein Leistungsbestimmungsrecht „wegen unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist und es den Anlass sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst genau beschreibt“194. Ohne eine derartige Beschreibung liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nahe.195 190 

v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/6 mit Hinweis auf lit. q des Anhangs 1 zur Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 5.4.1993, ABl. 1993 L 95/29, wonach eine Klausel den Verbraucher unangemessen benachteiligt, wenn für ihn die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird; Nicklisch, FS Bülow, S. 170 f. (zu feststellenden Schiedsgutachten, da für den Richter nach Feststellung der streitigen Punkte durch den Schiedsgutachter eigentlich nichts zu entscheiden bleibe); Kornblum, JA 1979, 393, 395. Generell sehr zurückhaltend wegen der Rechtsschutzverkürzung v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/9 ff. 191  Siehe aber v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/14 zur Möglichkeit eines beiderseitigen Interesses an sachverständiger Rechtsgestaltung. 192 Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 1; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 214; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31; Ulmer/Brandner/Hensen/ A. Fuchs, § 307 Rn. 175; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/8 ff. Zu Leistungsbestimmungsrechten des Verwenders siehe etwa Erman/Roloff, § 307 Rn. 140 ff.; BGH v. 20.7.2005 BGHZ 164, 11, 26. 193  v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/13; Wittmann, S. 83, der dieses Interesse aber stets für gegeben hält. 194 Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 175; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 214; BGH v. 19.10.1999 NJW 2000, 651, 652 (einseitiges Bestimmungsrecht in AGB einer Bank); BGH v. 6.10.1999 BGHZ 142, 358, 381 (einseitiges Änderungsrecht in Vertragshändlervertrag); BGH v. 12.1.1994 BGHZ 124, 351, 362 („wenn die Klausel schwerwiegende Änderungsgründe nennt und in ihren Voraussetzungen und Folgen erkennbar die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtigt“); BGH v. 26.11.1984 BGHZ 93, 29, 47 (keine voraussetzungslose Änderungsbefugnis des Verwenders für Garantieleistungen in Kfz-Vertragshändlervertrag); BGH v. 21.12.1983 BGHZ 89, 206, 211 (einseitige Änderungsbefugnis des Verwenders in Kfz-Vertragshändlervertrag). 195  Zur Rolle des Transparenzgebots bei einseitigen Leistungsvorbehalten Gottschalk, AcP 206 (2006), 555, 583 f.

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b) Hohes Geschäftsrisiko Nicht angemessen soll es sein, eine Schiedsgutachtenklausel in AGB zu verwenden, wenn sich ein verständiger Vertragspartner in einer Individualvereinbarung nicht damit einverstanden erklärt hätte.196 Ein Einverständnis lasse sich bei einfacheren Geschäften annehmen, nicht aber bei kompliziert abzuwickelnden Verträgen.197 Ein hohes Geschäftsrisiko für den Vertragspartner aufgrund der beschränkten Nachprüfbarkeit des Schiedsgutachtens spricht gegen die Zulässigkeit der Klausel.198 Dies wurde etwa so entschieden zu Verträgen über die Errichtung eines Fertighauses199 oder über die Errichtung eines Einfamilienhauses200 wegen der gravierenden Folgen einer Fehlbegutachtung für den Vertragspartner, der in der Regel einen derartigen Vertrag nur einmal im Leben schließt und dem deshalb mehr an einer gründlichen und zutreffenden als an einer schnellen und möglicherweise kostengünstigen Feststellung201 von Baumängeln liegt. Dem Kunden sei mit einem gerichtlichen Sachverständigengutachten besser gedient, weil erstens das Gericht auf eine Ergänzung des Gutachtens hinwirken und eine mündliche Anhörung und Erläuterung des Gutachtens veranlassen könne, zweitens das Gutachten der richterlichen Beweiswürdigung unterliege und drittens das Gericht sogar die Möglichkeit habe, eine neue Begutachtung anzuordnen. 202 Eine Übertragung dieser Grundsätze auf einen Vertrag über die Erstellung eines Geschäftshauses hat der BGH konsequenterweise abgelehnt. 203 Anstoß nimmt die Rechtsprechung daran, wenn die Drittbestim196  Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31 m.w.N.; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 62; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 6. – Mit diesem Kriterium kann also auch eine an sich faire Klausel im Einzelfall unangemessen sein. Allgemein zu dieser zweistufigen Prüfung G. Wagner, Prozeßverträge, S. 154 ff., 681. 197  BGH v. 10.10.1991 BGHZ 115, 329, 331 f.; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 62; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31. 198 Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/15 f.; a.A. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 681 ff. (allerdings missverständlich: die wirtschaftliche Bedeutung erhöht nicht, wie von Wagner als Meinung des BGH dargestellt, die Fehleranfälligkeit, sondern die Tragweite der Fehlerfolgen). 199  BGH v. 10.10.1991 BGHZ 115, 329, 331 ff.; zustimmend etwa Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31; Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 2; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 6; ablehnend Greger/ Stubbe, Rn. 134. 200  OLG Düsseldorf v. 20.7.1994 BauR 1995, 559. Siehe auch Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 261 m.w.N. 201  Dies sollen die entscheidenden Vorteile des Schiedsgutachtenverfahrens sein, Bunte, NJW 1986, 70 (zu Schiedsgutachtenklauseln in Kfz-Reparaturverträgen). 202  BGH v. 10.10.1991 BGHZ 115, 329, 331. Dagegen G. Wagner, Prozeßverträge, S. 681 (im Schiedsgutachtenrecht könne eine mündliche Erläuterung durch den Schiedsgutachter im Prozess analog zu dem für den gerichtlichen Sachverständigen geschaffenen § 411 Abs. 3 ZPO stattfinden). 203  BGH v. 27.11.2003 BGHZ 157, 102, 117. Gegen die Erstreckung auf Bauverträge im unternehmerischen Verkehr auch Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 262.

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mung dem Vertragspartner ohne berechtigtes Bedürfnis als obligatorisch aufgezwungen wird. 204 Denn ein zwingend durchzuführendes Schiedsgutachtenverfahren könne, so die Überlegung, den Rechtsschutz für den Vertragspartner erschweren oder verzögern. 205 Bei Bestimmungsrechten, die wesentliche Vertragsbestandteile betreffen, steigen die Anforderungen an die berechtigten Interessen des Verwenders.206

c) Modifizierungen von Entscheidungs‑ oder Kontrollmaßstab Eine klauselmäßige Beschränkung der Möglichkeit, die Drittentscheidung nach § 319 Abs. 1 BGB zu überprüfen, scheitert an der AGB-Kontrolle. 207 Im Anwendungsbereich der Klausel-Richtlinie ergibt sich das bereits aus dem darin enthaltenen Verbot, den Zugang zu Gericht auszuschließen. 208 Während sich die Parteien in einem Individualvertrag auch von vornherein einer offenbar unbilligen Entscheidung unterwerfen können, 209 ist dies in AGB nicht möglich. Unzulässig ist ebenso die Einräumung eines freieren Entscheidungsmaßstabs als das im Zweifel zu beachtende billige Ermessen. 210 Eine derartige Klausel weicht – trotz der Geltung des billigen Ermessens nur „im Zweifel“ – von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Ohne weiteres möglich ist hingegen die Vereinbarung eines fakultativen Schiedsgutachtens; die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vertragspartners werden dadurch in keiner Weise verkürzt. 211 Ebenso soll es zulässig sein, wenn das Schiedsgutachten vollumfänglich vom Gericht überprüft werden kann oder 204  BGH v. 14.7.1987 BGHZ 101, 307, 318; BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1854, 1855; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 5, 34; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 13. 205 Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 31. 206 Erman/J. Hager, § 315 Rn. 9. 207  BGH v. 5.7.2005 NJW 2005, 2919, 2923 (zu § 315 Abs. 3 BGB); Erman/J. Hager, § 317 Rn. 1, § 319 Rn. 2; Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 130; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 28; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 216; ders., Rn. 1073; Staudinger/Coester, § 307 Rn. 44; Greger/Stubbe, Rn. 125; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 670 f. 208  v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/5. 209 Erman/J. Hager, § 319 Rn. 2; BGH v. 28.2.1972 NJW 1972, 827. Ausführlich unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). 210  BGH v. 8.10.1997 BGHZ 136, 394, 402; BGH v. 26.11.1984 BGHZ 93, 29, 35; Stoffels, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. L 215. 211  BGH v. 7.11.1990 VersR 1991, 90, 91 (fakultative Anrufung eines Ärzteausschusses zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen in einer Berufsunfähigkeitsversicherung); OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046 (Baustoffgutachten nach § 18 Nr. 3 VOB/B); Erman/ Roloff; § 307 Rn. 156; Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 1; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 29; Acker/ Konopka, SchiedsVZ 2003, 262. A.A. v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/22, da sich aus der Wahlmöglichkeit des Verwenders ein Drohpotential gegenüber dem Vertragspartner ergebe.

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wenn die Einschränkung des Kontrollmaßstabs für den Vertragspartner kompensiert wird, z.B. bei einer Klausel über die Schätzung des Restwerts einer zurückgegebenen Leasingsache durch ein Recht des Leasingnehmers, anstelle der Abrechnung nach dem Schätzpreis einen Abnehmer für die Sache zum Marktpreis zu benennen. 212

d) Fehlende Verfahrensanforderungen Neben den vorgenannten Aspekten, die sich gegen die Einschaltung eines Schiedsgutachters überhaupt richten, kann auch die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Schiedsgutachtens im Einzelfall Bedenken hervorrufen. Eine Schiedsgutachtenklausel passiert die AGB-Kontrolle nur dann, wenn die Einholung und Erstellung des Gutachtens bestimmten Verfahrensregeln unterworfen ist. 213 Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich jedenfalls die Rechtsprechung außerhalb des AGB-Bereichs zurückhält, Anforderungen an das Verfahren zu stellen. 214 Die Behandlung von Schiedsgutachtenvereinbarungen in AGB stellt damit auch ein Beispiel für die Wechselwirkung von Zulässigkeit und Verfahren dar: Erst die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens macht die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens zulässig. Exemplarisch sollen hier zwei Verfahrensanforderungen beleuchtet werden: erstens die Auswahl eines neutralen und sachkundigen Dritten und zweitens die Gewährung rechtlichen Gehörs. Während im Individualvertrag eine fehlende Neutralität des Dritten allenfalls im Rahmen der nachträglichen Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit geltend gemacht werden kann, 215 sollen in AGB Zweifel an der Neutralität des Dritten bereits zur Unwirksamkeit der Klausel führen. Wenn die AGB einen Dritten bezeichnen, der in einem Nähe‑ oder Abhängigkeitsverhältnis zum Verwender steht oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ergebnis der Leistungsbe212  Zu dem letztgenannten Fall OLG Frankfurt v. 24.1.1989 NJW‑RR 1989, 435, 436; zu den Transparenzanforderungen bei Einräumung eines Rechts, einen Drittkäufer zu benennen, BGH v. 22.11.1995 NJW 1996, 456. Siehe jedoch Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 29: Selbst bei voller gerichtlicher Nachprüfbarkeit könne die Schiedsgutachtenklausel die Rechtsverfolgung noch faktisch erschweren, weshalb auch hier ein, wenn auch nicht so ausgeprägtes, berechtigtes Interesse zu fordern sei und das Verfahren jedenfalls für den Vertragspartner kostenfrei sein müsse. 213 Nach Greger/Stubbe, Rn. 210 sollen die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen auch für unverbindliche Schiedsgutachten gelten, da von diesen eine hohe faktische Bindungswirkung ausgehe. Zur faktischen Bindungswirkung von Gutachten mit empfehlendem Charakter Nicklisch, FS Bülow, S. 168 f., 176 f.; Stubbe, SchiedsVZ 2006, 150, 153 f.; Greger, ZKM 2013, 43, 46 (Feststellung durch einen gemeinsam ausgewählten Experten kann es einer Partei erlauben, ohne Gesichtsverlust ihre Position aufzugeben); zu weitgehend Joussen, S. 260 f., 274, 276, der bindende und nicht bindende gestaltende Schiedsgutachten grundsätzlich denselben Regeln unterwirft. 214  Siehe unten §§ 6 ff. (S. 407 ff.). 215  Siehe unten § 7 C.III. (S. 497 ff.).

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

stimmung hat, begründet dies zumindest die Gefahr, dass das Leistungsbestimmungsrecht einseitig zu Lasten des Vertragspartners ausgeübt wird. 216 Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung und somit ein Verstoß gegen § 307 BGB. 217 Besonders wichtig sei die Neutralität bei der Bestimmung wesentlicher Leistungspflichten, wie etwa des Preises, weil ohne sie der Vertrag nicht durchgeführt werden könne. 218 Zulässig ist im Umkehrschluss die Auswahl durch eine aus Sicht beider Vertragsteile vertrauenswürdige219 Stelle, die Einräumung eines Ablehnungsrechts, die Überlassung der Auswahl an den Vertragspartner oder das Recht des Vertragspartners, zwischen mehreren Sachverständigen zu wählen. 220 Gefordert wird zudem, dass der Schiedsgutachter die nötige fachliche Kompetenz mitbringt. 221

216  Zweifel an der Unabhängigkeit des Dritten bei der Erfüllung seiner Aufgaben können aus Bindungen wirtschaftlicher, rechtlicher oder sachlicher Natur herrühren, BGH v. 18.5.1983 NJW 1983, 1854, 1855 (Kraftfahrzeugsachverständige nach DAT-Schätzpreisklausel – im Fall wurde eine zu große Nähe verneint); OLG Düsseldorf v. 28.4.1999 NJW‑RR 2000, 279 (Steuerberater der Verwenderin als feststellender Schiedsgutachter); Reinking/Eggert, Rn. 1210; Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn.  S 30; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116; Kallfelz, VersR 1959, 585, 586 (zu Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Ausreichen soll schon „der geringste Anschein einer Abhängigkeit“, v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/26, deshalb lehnt v. Westphalen die Rechtsprechung zur DAT-Schätzpreisklausel ab, da der Kraftfahrzeughandel gesellschaftsrechtlich an der DAT beteiligt sei; siehe auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1 ff. – Weiteres Beispiel OLG Frankfurt v. 29.4.1993 NJW‑RR 1993, 1390: Schiedsgutachterklausel in den AGB des Veranstalters einer Kunst‑ und Antiquitätenmesse nicht unwirksam, wenn zwei von 41 Mitgliedern, der zum Ausschluss von Exponaten eingesetzten Jury, unmittelbare Wettbewerber des von einem Exponateausschluss betroffenen Vertragspartner sind. 217  BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 236 (noch zu § 9 Abs. 1 AGBG: Dritter zur Schätzung des Honorars in einem Architektenvertrag zwischen Bauherr und Architekt sollte ein Baubetreuungsunternehmen sein, dessen Vertragsmuster dem Vertrag zugrundelag); Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 63; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 34; Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/26; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 30; Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, Teil 3, (8) Schiedsgutachtenklauseln, Schiedsklauseln Rn. 1; Paulusch, S. 60; Greger/Stubbe, Rn. 134 (zu feststellenden Schiedsgutachten); Halbgewachs, NZV 2004, 115, 117; Horn, NJW 1985, 1118, 1123. A.A. Wittmann, S. 83, der das AGB-Recht für ein ungeeignetes Mittel zur Durchsetzung prozeduraler Standards bei Schiedsgutachten hält. 218  Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 30. Siehe auch v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/28, der auch hier wieder zwischen feststellenden und gestaltenden Schiedsgutachten differenziert: Wegen der weiterreichenden Folgen sei bei rechtsgestaltenden Gutachten eine Klausel nur dann mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn der Vertragspartner auf die Benennung des Dritten unmittelbar Einfluss nehmen könne. 219  Eine verwendernahe Einrichtung darf ebenfalls nicht mit der Bestellung betraut werden, Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 26. 220  OLG Naumburg v. 9.12.1997 VIZ 1998, 412, 415; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 130; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116; kritisch v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/27, da auch die Auswahl aus einer Liste keine „freie“ Wahl des Vertragspartners sei. 221 Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/26.

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Jedoch schützt diese Einschränkung nicht generell vor einer Parteinahme des Dritten. Stammt der in der Klausel genannte Dritte nicht aus dem Lager des Verwenders, so können später aufkeimende Zweifel an seiner Unparteilichkeit nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führen.222 Begründet wird dies mit dem Fehlen eines gesetzlichen Leitbildes für das Verfahren der Drittleistungsbestimmung. 223 Auch wenn dies wünschenswert erscheint, ist es deshalb nicht etwa möglich, die Klausel mit Hilfe einer analogen Anwendung des § 406 ZPO zu retten, also eine Art Ablehnungsverfahren vorzusehen, wie es beim gerichtlichen Sachverständigen existiert. 224 Auch ein Rückgriff auf andere Regelungen zur Befangenheitsablehnung scheidet aus. 225 Freilich ließen sich mit dem Argument des fehlenden gesetzlichen Leitbilds auch andere Unwirksamkeitsgründe kritisieren: Dass der Dritte nicht im Lager des Verwenders stehen dürfe, ist ebenfalls keinem Leitbild zu entnehmen. Im Gegenteil ließe sich sogar provokativ behaupten, dass es dem Leitbild der §§ 317, 319 BGB entspreche, alles der nachgelagerten Billigkeitskontrolle zu überlassen und keinerlei Anforderungen an die Person des Dritten oder das von ihm zu beachtende Verfahren zu stellen. Und warum sollten andererseits nicht auch die Vorschriften der ZPO ein gesetzliches Leitbild für Drittleistungsbestimmungen darstellen? Es zeigt sich, dass das Abstellen auf ein gesetzliches Leitbild hier kaum weiterführt. Ansatzpunkt sollte stattdessen die Frage nach einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners sein – diese ist im Einzelfall für jede Klauselgestaltung zu klären. Bei einem individuell ausgehandelten Bestimmungsrecht kann der Vertragspartner schon bei der Begründung des Bestimmungsrechts Einfluss auf die Auswahl des Dritten nehmen; ist ihm dies in der AGB-Situation verwehrt, muss eine unangemessene Benachteiligung geprüft werden. 226 Der Schiedsgutachter, heißt es, „sei verpflichtet, ein faires Verfahren einzuhalten, bei dem sichergestellt sei, dass auch der Kunde mit seinen Anträgen, Be222 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 64; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34. – LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133 deutet an, eine Klausel auch dann für unwirksam erklären zu wollen, wenn der Verwender aufgrund der Klausel, die keinen namentlich benannten Dritten, sondern nur einen „anerkannten Sachverständigen“ nach Wahl des Verwenders (im Fall: Leasinggeber) vorsieht, stets denselben Sachverständigen beauftragt, bei dem diese Aufträge einen erheblichen Anteil am Geschäft haben. Das ginge einen deutlichen Schritt über die Rechtsprechung des BGH hinaus, da die Unwirksamkeit dann nicht mehr auf den Inhalt der Klausel, sondern auf deren Anwendung gestützt würde. Noch weitergehend v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/26: Der Anschein einer Abhängigkeit besteht schon, wenn der Verwender immer wieder denselben Schiedsgutachter oder dieselbe Schiedsgutachterstelle einschaltet. 223 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 64. 224 Ebenso v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/36. 225 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 64. 226  Bunte, NJW 1986, 70.

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denken und Zweifeln ausreichend und gleichgewichtig zu Wort komme“. 227 Die Klausel müsse deshalb einen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, der zu den „wesentlichen Verfahrensvoraussetzungen“ gehöre, 228 vorsehen. 229 Nur eine Minderheit lehnt es ab, die Unzulässigkeit der Klausel auf eine fehlende Regelung des rechtlichen Gehörs zu stützen, weil ein derartiger Anspruch auch in Individualvereinbarungen nicht anerkannt sei. 230 Die überwiegende Ansicht zeigt somit, dass es wiederum nicht um die Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild, sondern allenfalls um eine unangemessene Benachteiligung geht. Während der Vertragspartner im Individualvertrag also sein Recht auf rechtliches Gehör erkämpfen muss – ohne besondere Abrede existiert es nicht –, wird er in AGB benachteiligt, wenn sein rechtliches Gehör beschränkt wird.

III. Folgen der Unwirksamkeit und Ergebnis Scheitert eine Klausel, weil der Dritte nicht unparteiisch ist, so fällt die gesamte Schiedsgutachtenvereinbarung nach der Grundregel des § 306 Abs. 2 BGB fort. 231 Eine Reaktionsmöglichkeit der Parteien ist es, durch eine Zusatzvereinbarung Ersatz für die unwirksame Klausel zu finden. Doch wird es dafür meist zu spät sein, wenn die Parteien die Unwirksamkeit entdecken. Die Folgen dieser Unwirksamkeit sind unten im Zusammenhang zu erörtern. 232 Im Ergebnis kann folglich eine Schiedsgutachtenvereinbarung grundsätzlich auch in AGB wirksam getroffen werden. Die AGB-Kontrolle führt gerade nicht zu einem pauschalen Ausschluss der Selbstbestimmung, sondern zu einer Überprüfung im Einzelfall. 233 Eine Überprüfung der Schiedsgutachtenvereinbarung ist zulässig, selbst wenn sich das Bestimmungsrecht des Dritten auf eine Hauptleistung bezieht. An ein gesetzliches Leitbild lässt sich für diese 227  LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133; zustimmend v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/29. 228 Erman/Roloff, § 307 Rn. 156. 229  LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 28; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 37; Palandt/Grüneberg; § 307 Rn. 130; Erman/Roloff, § 307 Rn. 156; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/29; Greger/Stubbe, Rn. 134 (zu feststellenden Schiedsgutachten); P. Gottwald/Reichenberger/P. Wagner, NZV 2000, 6, 9; Beispiele bei Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 262 für Bauverträge. – Eine Ausnahme macht Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 37, wenn das rechtliche Gehör aus tatsächlichen Gründen nicht gewahrt werden kann, weil es zum Beispiel um die Begutachtung leicht verderblicher Ware geht. 230  OLG Frankfurt v. 23.6.1987 WM 1987, 1402, 1404; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 117; OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046 (Schiedsgutachten – hier: Baustoffgutachten nach § 18 Nr. 4 VOB/B – habe ohnehin nur einen beschränkten Anwendungsbereich). 231  Siehe etwa OLG Naumburg v. 9.12.1997 VIZ 1998, 412, 415. 232  Siehe unten § 13 C.I. (S. 622 ff.). 233  G. Wagner, Privatautonomie, S. 34.

C. Form der Delegation

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Kontrolle jedoch nur bedingt anknüpfen. Zwar sieht die Rechtsprechung den in § 433 Abs. 2 BGB enthaltenen „Grundsatz der bindenden und festen Preisbestimmung“234 durch die §§ 317 ff. BGB relativiert. Doch enthalten diese Vorschriften wenig Anhaltspunkte zur Ausgestaltung der Delegation. Allerdings bleibt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Einzelfall denkbar. Insbesondere werden in der AGB-Kontrolle Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Problemebenen offenbar: Die reduzierte Selbstbestimmung des Klauselgegners ist durch Verfahrensanforderungen zu kompensieren. Und eine Einschränkung der Überprüfbarkeit kann zur Unzulässigkeit der Klausel insgesamt führen.

C. Form der Delegation Eine Ausprägung der Vertragsfreiheit ist die Formfreiheit. 235 Im Vertragsrecht unterliegen nur ausnahmsweise bestimmte Geschäfte besonderen Formerfordernissen. Wird jedoch eine vorgeschriebene Form nicht beachtet, führt dies  – vorbehaltlich besonderer Heilungsvorschriften – regelmäßig zur Nichtigkeit des Geschäfts, § 125 S. 1 BGB. Die darin liegende Begrenzung der Privatautonomie236 wird, jedenfalls sofern der Formzweck des Übereilungsschutzes in Rede steht, gerade auf den Schutz der Selbstbestimmungsfreiheit gestützt. 237 Kann nun angesichts der Formfreiheit eine Schiedsgutachtenvereinbarung stets formfrei geschlossen werden?238 Oder macht die Tatsache, dass die Parteien nicht selbst ihren gesamten Vertragsinhalt festlegen, einen erhöhten Schutz der Selbstbestimmung erforderlich, der nicht nur über eine AGB-Kontrolle, sondern auch über ein Formgebot zu realisieren ist? Anders als im Vertragsrecht gelten für die Ausübung der Testierfreiheit durchgängig Formerfordernisse. 239 Angesichts dieser unterschiedlichen Ausgangspunkte sind die Fragen im Erbrecht andere: Erstrecken sich diese Formerfordernisse auch auf die letztwillige Anordnung eines Schiedsgutachtens? Oder sind aus Schutzgründen andere, möglicherweise strengere Formgebote zu beachten?

234 

Siehe oben Fn. 159. Siehe nur HKK/Meyer-Pritzl, §§ 125–129 Rn. 4; Bork, AT, Rn. 1044; Heiss, S. 56; Ludwig, AcP 180 (1980), 373, 374 ff. 236  Häsemeyer, S. 203 ff.; Heiss, S. 42 ff., 56. 237  Überblick bei St. Lorenz, S. 106 ff. 238  Für generelle Formfreiheit Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 33; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 16. 239  In Deutschland: §§ 2231 ff., 2247, 2249 ff., 2267, 2276 BGB. Rechtsvergleichend: Reid/ de Waal/ R. Zimmermann. 235 

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

I. Vereinbarung eines Schiedsgutachtens unter Lebenden 1. Kein Formerfordernis analog § 1031 ZPO Als Vorbild dafür, Schiedsgutachtenvereinbarungen einem Formgebot zu unterwerfen, könnte die für Schiedsvereinbarungen geltende Formvorschrift des § 1031 ZPO dienen. Diese Norm schließt den mündlichen Abschluss einer Schiedsvereinbarung aus240 und enthält im Übrigen gestufte Anforderungen je nachdem, ob auf einer Seite der Vereinbarung ein Verbraucher steht. Diese Vereinbarungen unterliegen nach § 1031 Abs. 5 ZPO einer qualifizierten Schriftform; sie dürfen keine anderen Vereinbarungen enthalten als solche, die sich auf das schiedsrichterliche Verfahren beziehen. Ist kein Verbraucher beteiligt, so verlangen die Absätze 1 bis 4 dieser Vorschrift eine Schriftform, die aber gegenüber der Schriftform des § 126 BGB in verschiedener Hinsicht abgeschwächt ist. 241 Während eine Analogie zu § 1031 ZPO bezogen auf gestaltende Schiedsgutachten abgelehnt wird, 242 ist das Meinungsbild bezogen auf die Verabredung eines feststellenden Schiedsgutachtens geteilt. Wie zu erwarten ist, lehnen die Anhänger einer materiell-rechtlichen Sichtweise des feststellenden Schiedsgutachtens eine Analogie ab, soweit sie sich überhaupt mit der Frage befassen.243 Insbesondere für die Rechtsprechung ist mit der Qualifikation einer Vereinbarung als Schiedsgutachten‑, nicht als Schiedsvereinbarung zugleich die Frage der Form geklärt, ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den möglichen Gründen für oder gegen ein Formgebot stattfindet. Überraschender ist das Bild unter den Vertretern einer prozessualen Sichtweise: Nur ein kleiner Teil davon will § 1031 ZPO analog anwenden. 244 Überwiegend wird eine Analogie

240  Nicht

immer waren mündliche Schiedsvereinbarungen nach deutschem Recht unzulässig, siehe Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1031 Rn. 2. 241  Es reichen die Vereinbarung in einem Schriftwechsel (§ 1031 Abs. 1 ZPO), in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben (Abs. 2) und sogar die Bezugnahme auf eine Schiedsvereinbarung in einem anderen Dokument (Abs. 3 sowie speziell für das Konnossement Abs. 4). 242  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 204, Greger/Stubbe, Rn. 91; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 42. Auch Dütz, S. 266 ff., der eine analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf gestaltende Schiedsgutachten für möglich hält, hat dabei offenkundig das schiedsgutachterliche Verfahren, nicht aber die Form des § 1031 ZPO im Auge. 243 BGH 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1058; BGH v. 19.6.1975 WM 1975, 1043; BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556, 1557; BGH v. 20.3.1953 BGHZ 9, 138, 145; KG v. 8.10.1979 VersR 1980, 928, 929; RG v. 28.11.1935 JW 1936, 820; LG Kiel v. 14.4.1965 MDR 1966, 150; Münch­ Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 59; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 30; Jonas, JW 1936, 820, 821; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. – Teilweise beziehen sich die in dieser und in den folgenden Fußnoten genannten Autoren und Urteile auf § 1027 ZPO a.F., den Vorläufer zu § 1031 ZPO. In der Sache ergibt sich daraus kein Unterschied. 244  Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 6; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 154; Sieg, FS Molitor,

C. Form der Delegation

141

abgelehnt, 245 zum Teil246 mit der bemerkenswerten Begründung, eine Form sei gerade aufgrund und nicht etwa trotz des prozessualen Charakters nicht einzuhalten, da Beweisverträge generell formfrei geschlossen werden könnten. Vor diesem Hintergrund wird einmal mehr bestätigt, dass die rechtliche Qualifikation des Schiedsgutachtens nicht eine bestimmte Antwort auf eine Sachfrage präjudizieren kann. Zu überlegen ist vielmehr, ob die Funktion des § 1031 ZPO eine entsprechende Anwendung auf die Vereinbarung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, rechtfertigt. Hinsichtlich der Funktion dieser Vorschrift ist die eben genannte Unterscheidung danach, ob ein Verbraucher an der Vereinbarung beteiligt ist, aufzugreifen. 247 Eine Warnfunktion wird nur Schiedsvereinbarungen zugesprochen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist. 248 Gewarnt werden müsse der Verbraucher aufgrund der Beschränkung des Zugangs zu staatlichen Gerichten und der damit einhergehenden „Beschneidung des Justizgewährungsanspruchs“. 249 Bei Schiedsgutachten hingegen bleibt ein Zugang zu staatlichen Gerichten, jedenfalls nach Abschluss des Verfahrens, ungehindert möglich. Eine Einschränkung bringt das verbindliche Schiedsgutachten für die Parteien lediglich insofern, als nunmehr bestimmte Tatsachen oder Anspruchsinhalte unverrückbar feststehen können. Allein diese Folge macht jedoch keine Warnung erforderlich. 250 Entbehrlich ist die Warnung freilich nicht schon deshalb, weil das Schiedsgutachten nach § 319 Abs. 1 BGB gerichtlich überprüft werden kann. 251 Denn dann erhebt sich sofort die Frage, ob bei Abbedingung der richterlichen Kontrolle S. 354 (anders aber für das versicherungsrechtliche Sachverständigenverfahren ders., VersR 1965, 629, 631). 245 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 33; B. Rauscher, S. 197; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 42; Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18; Greger/Stubbe, Rn. 133. 246  Ritzmann, S. 149 f.; A. Bachmann, S. 67. 247  Siehe etwa die Darstellungen bei Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1031 Rn. 7 f. m.w.N.; Lüttmann/Breyer, ZZP 119 (2006), 475 f. 248  Demgegenüber sehen Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1031 Rn. 1 und F. Harder, S. 156 offenbar in § 1031 ZPO generell einen „Schutz der schwächeren Partei“. 249  Zitat von Musielak/Voit, § 1031 Rn. 1; siehe außerdem Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1031 Rn. 7; Zöller/Geimer, § 1031 Rn. 35; Lüttmann/Breyer, ZZP 119 (2006), 475, 476. – Eine darüber hinausgehende Befürchtung der Überrumpelung (Sieg, VersR 1965, 629, 631) oder Knebelung (Jonas, JW 1936, 820, 821) kann mit Hilfe der AGB-Kontrolle aufgefangen werden. 250  In diese Richtung auch Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18 (Schiedsgutachtenvereinbarung „tangiert den Justizgewährungsanspruch nicht in dem Maße, in dem dies bei einer Schiedsvereinbarung der Fall ist“); Greger/Stubbe, Rn. 133 (richterliche Überprüfung des Schiedsgutachtens wesentlicher Unterschied zum Schiedsspruch); Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 33 (§ 1031 BGB könne im Rahmen von Schiedsgutachtenvereinbarungen „die [ihm] zugedachte Warnfunktion“ kaum erfüllen). – Nur am Rande bemerkt sei die Inkonsistenz, die sich aus der Tatsache ergibt, dass in anderen Zusammenhängen die richterliche Überprüfbarkeit des Schiedsgutachtens gerade nicht den Ausschlag für eine unterschiedliche Behandlung von Schiedsgutachten und Schiedsspruch geben soll. 251  So aber Jonas, JW 1936, 820, 821; siehe auch Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44.

142

§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

oder im Falle einer nicht kontrollfähigen Entscheidung nach freiem Belieben, eine Analogie doch gerechtfertigt ist. Vielmehr bedarf es keiner Warnung aus folgendem Grund: Die Wirkung des Schiedsgutachtens entspricht derjenigen eines wirksam geschlossenen schuldrechtlichen Vertrages, für den ebenfalls in der Regel keine Form erforderlich ist. Insbesondere unterliegt auch ein Feststellungsvertrag, den das feststellende Schiedsgutachten vervollständigt, ebenso wie ein Vergleich (§ 779 BGB) keiner besonderen Form.252 Dass sich dieser Vertragsschluss nicht unmittelbar durch die Parteien selbst vollzieht, sondern im Wege der delegierten Privatautonomie, zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung, wie § 167 Abs. 2 BGB beweist. Diese Vorschrift gestattet es, eine formfreie Vollmacht zu erteilen. Die Erfüllung der Formzwecke durch das Vertreterhandeln reicht aus. 253 Es wird folglich als grundsätzlich 254 unbedenklich angesehen, dass jemand an einen Vertrag gebunden wird, den er nicht vollständig selbst ausgehandelt hat. Wenn nun aber, wie im Fall des Schiedsgutachtens, die Parteien selbst ihren Vertrag aushandeln und dessen Konkretisierung einem Dritten übertragen, der somit meist spezifischere Befugnisse als ein Vertreter hat, kann erst recht keine Warnung erforderlich werden. Das Formerfordernis für Schiedsvereinbarungen ohne Beteiligung eines Verbrauchers erfüllt dagegen in erster Linie eine Beweisfunktion. 255 Die Form soll den „Nachweis der Vereinbarung sicherstellen“ (§ 1031 Abs. 1 ZPO). Aus praktischer Sicht ist zu bemerken, dass die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung regelmäßig aus Gründen der Nachweisbarkeit ihre Abrede ohnehin schriftlich dokumentieren werden.256 So ist etwa kaum vorstellbar, dass eine erst viele Jahre nach Vertragsschluss zum Tragen kommende Preisanpassungsklausel in einem Dauerschuldverhältnis mit Hilfe eines Leistungsbestimmungsvor252  A.A.

eine vereinzelt vertretene Meinung, die auf den Feststellungsvertrag generell die Formvorschrift des § 781 BGB anwenden möchte, siehe Baumann, S. 243 ff. Diese Ansicht ist abzulehnen: Verträge nach § 781 BGB haben eine weiter reichende Wirkung. Das davon erfasste abstrakte Schuldanerkenntnis begründet einen eigenständigen, neuen, regelmäßig einfach durchzusetzenden Anspruch, während der Feststellungsvertrag nur einzelne Punkte innerhalb bestehender Ansprüche außer Streit stellt. Für die h.M. Staudinger/Marburger, § 781 Rn. 22; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 32 (§ 61 II 1 c); Medicus/Petersen, BürgR, Rn. 775. Zur Formfreiheit des Vergleichs siehe nur Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 34 m.w.N. 253  Bork, AT, Rn. 1464. 254  Zu Ausnahmen siehe sogleich unten. 255 Musielak/Voit, § 1031 Rn. 1; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1031 Rn. 8 (der daneben auch eine Warnfunktion sieht). 256  A. Bachmann, S. 67. Ähnlich für Schiedsvereinbarungen Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1031 Rn. 8. Allerdings sind durchaus Fälle denkbar, in denen erst im Wege der Auslegung einer Urkunde ersichtlich wird, dass die Parteien eine Schiedsgutachtenvereinbarung schließen wollten (siehe etwa OLG Hamm v. 5.11.1993 NJW‑RR 1994, 1551), oder in denen die Schiedsgutachtenvereinbarung nur mündlich geschlossen wurde (siehe etwa BGH v. 19.6.1975 WM 1975, 1043). Im Versicherungsvertragsrecht gilt zumindest § 3 Abs. 1 VVG, der die Textform vorsieht.

C. Form der Delegation

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behalts mündlich abgeschlossen wird. Sobald sich die Parteien auf differenzierte Verfahrensregeln verständigen, werden sie diese ebenfalls nicht bloß mündlich vereinbaren, sondern schriftlich niederlegen. Trotz allem besteht bei Schiedsgutachtenvereinbarungen unter Lebenden jedoch keine Notwendigkeit, diese Praxis zum Anlass zu nehmen, die Parteien aus Gründen der erleichterten Beweisführung zur Schriftlichkeit zu zwingen. Im Ergebnis ist also auch für diese Fallgruppe eine Analogie zu § 1031 ZPO abzulehnen.

2. Formbedürftigkeit als Nebenabrede Kommt eine Analogie zu § 1031 ZPO somit insgesamt nicht in Betracht, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass eine Schiedsgutachtenvereinbarung in bestimmten Fällen doch einem Formerfordernis genügen muss. Einen Ansatzpunkt dafür liefert der oben zur Untermauerung der grundsätzlichen Formfreiheit angeführte § 167 Abs. 2 BGB. Denn inzwischen hat die Rechtsprechung diese Norm in verschiedenen Konstellationen teleologisch reduziert und die Vollmacht der für das vom Vertreter in Aussicht genommene Geschäft geltenden Form unterstellt, damit deren Schutzzweck nicht leerläuft.257 Sie nähert sich damit ausländischen Rechtsordnungen, die ganz allgemein für die Vollmacht­ erteilung die Beachtung der für das Vertretergeschäft vorgeschriebenen Form fordern. 258 Eine Reduktion ist jedenfalls dann angebracht, wenn der Vollmachtgeber bereits mit Erteilung der Vollmacht in gleicher Weise gebunden wird wie bei Abschluss des formgebundenen Geschäfts. 259 Bei Abschluss einer Schiedsgutachtenvereinbarung sind beide Parteien aber stets gebunden. Sie haben bereits einen bindenden, einseitig nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Vertrag geschlossen, dessen Inhalt ein Dritter für sie konkretisieren soll. Das bedeutet jedoch, dass immer, wenn die Schiedsgutachtenvereinbarung Teil eines formbedürftigen Geschäfts ist, sie ebenfalls dieser Form genügen muss. 260 Dieser 257  Umfangreiche Nachweise z.B. bei Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 19 ff. Die Literatur stimmt dieser Rechtsprechung allgemein zu, geht zum Teil verallgemeinernd für alle Formvorschriften, die eine Warnfunktion erfüllen sollen, sogar darüber hinaus. Siehe dazu etwa Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 20 und Kandler, S. 196 f. und passim, beide mit umfassenden Nachweisen zum Streitstand; Flume, AT II, S. 860 ff. (§ 52, 2); M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 21; Medicus, AT, Rn. 929; Bork, AT, Rn. 1467 (nur bei faktischer Bindung des Vollmachtgebers). 258  Kötz, S. 340 ff. 259 Palandt/Ellenberger, § 167 Rn. 2; Bamberger/Roth/Wendtland, § 125 Rn. 12; Bork, AT, Rn. 1467; P. Rösler, NJW 1999, 1150, 1151. Weitergehende Ansichten im Schrifttum (Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 20 m.w.N.) können dieser Aussage auch zustimmen. – Auch die Vollmacht zur Eingehung einer Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich formfrei möglich, aber nicht wenn sie unwiderruflich ist, Musielak/Voit, § 1031 Rn. 2; Zöller/Geimer, § 1031 Rn. 13 (mit Ausnahme für Unwiderruflichkeit). Enger (Formbedürftigkeit nur bei von Verbraucher erteilter unwiderruflicher Vollmacht): Stein/Jonas/Schlosser, § 1031 Rn. 1; Münch­Komm-­ ZPO/Münch, § 1031 Rn. 17. A.A. (generell formbedürftig) Swoboda, BB 1984, 504, 505. 260 Zu der Frage, ob das Formgebot überhaupt die Vereinbarung eines Leistungsbe-

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§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

Gedanke führt unmittelbar zu dem letztlich entscheidenden Gesichtspunkt: Ist die Schiedsgutachtenvereinbarung Nebenabrede zu einem formgebundenen Geschäft, so ist sie als solche grundsätzlich ebenfalls formpflichtig. 261 Denn es entspricht gesicherter Erkenntnis, dass sich ein gesetzliches Formgebot generell auch auf Nebenabreden zu einem formpflichtigen Geschäft erstreckt. 262 Vereinbaren die Parteien indes erst nachträglich, wenn die Formzwecke für das Hauptgeschäft bereits erfüllt sind, die Einholung eines Schiedsgutachtens, so bedarf diese Abrede keiner Form. 263

stimmungsrechts ausschließt, weil die Form im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts die Bestimmtheit des Leistungsinhalts (statt bloßer Bestimmbarkeit) fordert, siehe vorerst Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 30, § 315 Rn. 143 ff.; ausführlich unten § 4 C.III. (S. 221 ff.). 261  So auch BGH v. 8.11.1968 NJW 1969, 131, 132 (Bestimmung des verkauften Grundstücksteils); OGH v. 23.11.1949 NJW 1950, 463 (Auswahl des Hofübernehmers unter den drei Stiefsöhnen des Hofeigentümers); RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163; siehe auch OLG Hamm v. 5.11.1993 NJW‑RR 1994, 1551; Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 34; Greger/ Stubbe, Rn. 91 (zu gestaltenden Schiedsgutachten); Sieveking, S. 63. Betont wird dies insbesondere im Zusammenhang mit Leistungsbestimmungsrechten in Grundstückskaufverträgen, siehe nur Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 168; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 311b Rn. 23. Mit diesem Schluss kann sich auch anfreunden, wer die Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens als Prozessvertrag qualifiziert: G. Wagner, Prozeßverträge, S. 289 ff. hat (im Anschluss an R. Neuner, S. 114 f.) nachgewiesen, dass Prozessvereinbarungen, die Teil eines formbedürftigen materiell-rechtlichen Rechtsgeschäfts sind, dem für dieses Geschäft geltenden Formgebot unterliegen (a.A. in Bezug auf Schiedsvereinbarungen jedoch die wohl überwiegende Ansicht, siehe nur Stein/Jonas/Schlosser, § 1031 Rn. 1; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1031 Rn. 10; Lachmann, Rn. 362 ff.; Lüttmann/Breyer, ZZP 119 [2006], 475, 476 ff.; für Formbedürftigkeit aber Zöller/Geimer, § 1031 Rn. 16, 48; ob für Schiedsvereinbarungen wegen der speziellen Regelung in § 1031 ZPO tatsächlich eine Ausnahme von dem von Wagner postulierten Grundsatz zu machen ist, muss hier nicht entschieden werden, da § 1031 ZPO – wie gesehen – keine Auswirkungen auf Schiedsgutachtenvereinbarungen hat). 262  BGH v. 27.5.2011 NJW 2011, 2953; BGH v. 24.9.1987 BGHZ 101, 393, 396; BGH v. 11.11.1983 NJW 1984, 974; BGH v. 6.4.1979 BGHZ 74, 346, 348; BGH v. 20.12.1974 BGHZ 63, 359, 361; Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 32 m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 50 ff. m.w.N.; Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 58 ff.; Palandt/Ellenberger, § 125 Rn. 9; Bamberger/Roth/Wendtland, § 125 Rn. 10; Erman/Arnold, § 125 Rn. 14 f.; Bork, AT, Rn. 1073; Flume, AT II, S. 267 f. (§ 15 III 3 a). 263  Siehe für die nachträgliche Konkretisierung einer formwirksam in einem Erbbaurechtsvertrag enthaltenen Schiedsgutachtenvereinbarung BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280, 283; Greger/Stubbe, Rn. 91. Die dort angestellten Überlegungen lassen sich auf den nachträglichen Abschluss von Schiedsgutachtenvereinbarungen übertragen. Siehe allgemein zur Formbedürftigkeit nachträglicher Nebenabreden BGH v. 28.9.1984 NJW 1985, 266; BGH v. 14.5.1971 LM Nr. 49 zu § 313 BGB; OLG Rostock v. 16.12.2004 OLGR 2005, 529; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 311b Rn. 27; Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 57 ff. (dort auch zu differenzierenden Ansichten, die etwa unwesentliche Änderungen – unter die eine hauptleistungspflichtbezogene Schiedsgutachtenvereinbarung freilich nicht fallen würde – vom Formzwang ausnehmen); Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 75; Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 18; Bork, AT, Rn. 1073.

C. Form der Delegation

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II. Anordnung eines Schiedsgutachtens von Todes wegen Für diesen Ansatz spricht zudem, dass er zu einem Gleichlauf zwischen der Delegation im Schuldrecht und im Erbrecht führt. Eine Analogie zu § 1031 ZPO scheidet im Fall letztwillig angeordneter Schiedsgutachten von vornherein aus, da es bereits an einer Grundlage für einen Analogieschluss fehlt. Die letztwillige Anordnung eines Schiedsgerichts richtet sich nach § 1066 ZPO. Das Formgebot des § 1031 ZPO gilt deshalb nicht.264 Stattdessen setzt die Formulierung des § 1066 ZPO gerade das Bestehen einer wirksamen letztwilligen Verfügung voraus. 265 Was § 1066 ZPO für die letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit zum Ausdruck bringt, nämlich den Vorrang der erbrechtlichen Entstehungstatbestände, lässt sich auch für die letztwillige Anordnung eines Schiedsgutachtens annehmen. Es genügt also, sich darauf zu besinnen, dass alle zulässigen Inhalte einer Verfügung von Todes wegen formgebunden sind. 266 Es gilt gerade nicht die im Schuldrecht vorherrschende Formfreiheit, die die Statuierung eines Formgebots zur begründungsbedürftigen Ausnahme macht. Verdeutlichen lässt sich das anhand der Beweisfunktion, die im Zusammenhang mit den erbrechtlichen Formen eine besondere Rolle spielt. 267 Im Fall der Anordnung eines SchiedsZur wirksamen mündlichen Vereinbarung, ein Schiedsgutachten einzuholen, trotz Schriftformklausel BGH v. 19.6.1975 WM 1975, 1043. 264 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1031 Rn. 1; Musielak/Voit, § 1031 Rn. 2; Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 4; Zöller/Geimer, § 1031 Rn. 21, § 1066 Rn. 15; F. Harder, S. 155 ff.; J.-C. Schulze, S. 83; U. Haas, ZEV 2007, 49, 50; ders., SchiedsVZ 2007, 1, 3; zum Parallelfall der statutarischen Schiedsklausel Lüttmann/Breyer, ZZP 119 (2006), 475, 480 f. – Zum Sonderfall der Beurteilung einer erbvertraglichen Schiedsklausel, Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 6; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 30; Münch­Komm-­ZPO/ Münch, § 1066 Rn. 4. Auch diese ist richtigerweise nach § 1066 ZPO, nicht nach § 1031 ZPO zu beurteilen, es sei denn, es geht um die Bindung von Erbvertragsbeteiligten unter Lebenden (also Erblasser und Begünstigter für den Fall der Übernahme schuldrechtlicher Verpflichtungen unter Lebenden oder mindestens zwei neben dem Erblasser beteiligte Personen); a.A. OLG Hamm v. 8.10.1990 NJW‑RR 1991, 455 (noch zu § 1027 ZPO a.F., der keinen § 1031 Abs. 5 S. 3 a.E. ZPO n.F. vergleichbaren Dispens vom Verbot, andere Vereinbarungen neben der Schiedsabrede in die Urkunde aufzunehmen, für die notarielle Beurkundung kannte); J.-C. Schulze, S. 82; scheinbar vertreten auch einige andere Autoren (z.B. Musielak/Voit, § 1066 Rn. 5; U. Haas, ZEV 2007, 49, 51 f.) diese Gegenansicht, in Wirklichkeit wenden sie § 1031 ZPO jedoch nur auf die Bindung der am Erbvertrag Beteiligten an. 265 Musielak/Voit, § 1066 Rn. 2; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 5; Münch­Komm-­ BGB/Leipold, § 1937 Rn. 29; Lange/Kuchinke, S. 738 (§ 32 II 4 a); F. Harder, S. 156. – Zudem wird hier mit der engen Verbindung zwischen den erbrechtlichen Formzwecken und dem Entstehungstatbestand der letztwilligen Schiedsgerichtsbarkeit argumentiert, U. Haas, ZEV 2007, 49, 50; Thomas/Putzo/Reichold, § 1066 Rn. 3. 266  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 10, 39 (dort speziell zur letztwilligen Schiedsgutachtenklausel); Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 13; siehe auch Muscheler, Erbrecht, Rn. 2823 ff. 267  Muscheler, Erbrecht, Rn. 1725; R. Frank/Helms, § 5 Rn. 2; Medicus, AT, Rn. 610.

146

§ 3 Delegation und Selbstbestimmung

gutachtens von Todes wegen, etwa zur Bestimmung eines Vermächtnisnehmers, besteht ein unabweisbares Interesse des Rechtsverkehrs an einem sicheren Nachweis.

III. Ergebnis Als Ergebnis ist daher festzuhalten: Die generalisierende Aussage, der Abschluss eines Schiedsgutachtenvertrages unterliege keiner Form, 268 stellt eine Verkürzung dar. Vielmehr gilt die Formfreiheit nur im Grundsatz. Ist die Grundlage eines – gestaltenden oder feststellenden – Schiedsgutachtens Teil eines formbedürftigen Geschäfts, muss das Formgebot auch auf die Delegation erstreckt werden. Richtig an der genannten Aussage ist aber, dass der Grund für die Formbedürftigkeit nicht in der Delegation von Privatautonomie liegt. Es ist – anders als bei der Schiedsvereinbarung (§ 1031 ZPO) – nicht der Abschluss eines Schiedsgutachtenvertrags, der das Formgebot auslöst. Der Grund ist vielmehr in dem Geschäft zu suchen, mit dem die Delegation verbunden ist.

268 

Siehe oben Fn. 238.

147

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung Die Delegation von Privatautonomie muss, wie einleitend beschrieben, nicht nur aus dem Blickwinkel der Abwehr von Fremdbestimmung betrachtet werden. Mit den Überlegungen zur Rückkopplung der Delegation an die Privatautonomie des Delegierenden scheint zugleich die grundsätzliche Frage beantwortet, ob die Aufgabe der Selbstgestaltung stets selbst wahrgenommen werden muss. Denn die Delegation ermöglicht grundsätzlich die Übertragung dieser Aufgabe an einen Dritten. Gleichwohl bleibt der Eindruck, dass der Dritte mit seiner Entscheidung etwas tut, „was eigentlich die Parteien hätten tun müssen“1: Er legt Inhalt fest, „den sonst beide Partner gemeinsam hätten aushandeln müssen“. 2 Kann der Dritte tatsächlich die „dem einzelnen übertragene Aufgabe [wahrnehmen], seine Interessen selbst zu wahren und nach seiner subjektiven Wertung zu verfahren“3? Auf welche Weise und in welchem Umfang die Parteien ihrer Aufgabe der Selbstgestaltung nachkommen müssen, lässt sich anhand des Bestimmtheitsgebots beurteilen. Nur ein Vertrag, dessen Inhalt bestimmt oder bestimmbar ist, kann wirksam sein (unten A.I.). Die Entstehung der §§ 315 ff. BGB ist unmittelbar mit dem Bestimmtheitsgebot verknüpft. Dieser Zusammenhang ist deshalb zunächst nachzuvollziehen (unten A.II.), bevor aus heutiger Sicht nach der Funktion des Gebots und dessen Zusammenhang mit der Delegation von Privatautonomie gefragt werden kann (unten B.). Grenzen der Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts werden auf diese Weise zugleich zu Grenzen der Zulässigkeit einer Delegation (unten C.). Dabei wird sich zeigen, dass das Bestimmtheitsgebot nicht nur die Aufgabe der Parteien näher umreißt, sondern diese auch von der Aufgabe der Gerichte abgrenzt. Wenn aber ein Gericht einem unbestimmten Vertrag grundsätzlich nicht zur Bestimmtheit verhelfen darf, erscheint fraglich, ob die Parteien im Wege der Delegation das Gericht zu einer derartigen „Vertragshilfe“ ermächtigen und auf diese Weise die Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien verschieben können (unten D.). Von einer derartigen primären Vertragshilfe zu unterscheiden ist die in § 319 Abs. 1 S. 2 BGB gesetzlich vorgesehene subsidiäre Vertragshilfe. Kann oder will der Dritte die Be1 

Joussen, S. 345. Bötticher, FS Dölle I, S. 51. 3  Singer, S. 40. 2 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

stimmung nicht treffen oder verzögert er sie, erhält das Gericht die Befugnis, die Bestimmung vorzunehmen. Wenn dadurch einer unbestimmten Vereinbarung zur Wirksamkeit verholfen wird, verändert der Gesetzgeber selbst die Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien (unten E.).

A. Zum Bestimmtheitsgebot I. Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts als Wirksamkeitsvoraussetzung Überall anerkannt ist der Grundsatz, dass ein wirksamer Vertrag nur zustandekommen kann, wenn dessen Inhalt bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.4 Steht der Inhalt einer Leistungspflicht nicht fest, so können die Parteien nicht einschätzen, was sie erwartet.5 Erst der Umstand, dass deren Inhalt bestimmt oder bestimmbar ist, versetzt die Parteien in die Lage, für sich die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zu beurteilen und davon ihre Bereitschaft zum Austausch abhängig zu machen.6 Kodifikationen romanischen Ursprungs bedenken das Bestimmtheitserfordernis meist mit einer eigenen Vorschrift. Die Art. 1108, 1129 Code civil halten deshalb fest, dass kein wirksamer Vertrag zustande kommt, wenn es an einem hinreichend bestimmten oder bestimmbaren Vertragsgegenstand (objet) fehlt.7 Die englischen Gerichte sehen ebenfalls Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts als Voraussetzung für die Durchsetzung eines Vertrages an.8 Und auch in Deutschland ist die Regel, dass ein Vertrag nur dann gültig sein kann, wenn der Gegenstand der geschuldeten Leistung bestimmt oder zumindest bestimmbar ist, zwar nicht im BGB enthalten, aber gleichwohl allgemein anerkannt.9 4  Kötz, S. 62 ff.; Beale et al., S. 319 ff.; Ranieri, S. 36 ff.; David, FS Marty, S. 383; Kleinschmidt, Leistungsbestimmung, nachträgliche, in: HWBEuP, S. 1007 f.; speziell zur Bestimmtheit des Preises Tallon, Nr. 2.0.0.01 ff. – G. Schulze, S. 384 präzisiert, dass Unbestimmtheit „die Forderungsentstehung, nicht aber notwendig die Vertragsentstehung hindere“. Fehlende Bestimmbarkeit (etwa mittels eines Leistungsbestimmungsrechts) dürfte jedoch auch die Vertragsentstehung hindern. 5  Flour/Aubert/Savaux, Nr. 236. 6  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 pr.). 7  Dazu etwa Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 265 ff. 8  Überblick bei Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2‑113 ff.; Peel, Rn. 2‑078. Dass Bestimmbarkeit ausreicht, wird häufig auf die Maxime „id certum est quod certum reddi potest“ gestützt, siehe etwa Mamidoil-Jetoil Greek Petroleum Co. SA v. Okta Crude Refinery AD [2001] EWCA Civ. 406, para. 58; Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 478B; Lewison, Rn. 8.12; Northcote, § 340; Williams, S. 5; Tallon, Nr. 2.1.1.19. 9 RGRK/Alff, Vor § 241 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, Einf v § 145 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 3; Münch­Komm-­BGB/Bachmann, § 241 Rn. 12 ff.; Gernhuber, Schuldverhält-

A. Zum Bestimmtheitsgebot

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Indem bereits die Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts für ausreichend erachtet wird, nehmen diese Rechtsordnungen zur Kenntnis, dass Verträge, in denen sich die Parteien nicht über jeden erdenklichen Punkt geeinigt haben, in der Realität vielfach vorkommen.10 Die Regel, dass der Vertragsinhalt bestimmbar sein muss, sagt für sich genommen freilich noch nichts darüber aus, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsordnung bereit ist, eine hinreichende Bestimmbarkeit anzunehmen. Die Rechtsordnungen können hier zu unterschiedlichen Ansichten gelangen, und auch innerhalb einer Rechtsordnung dürfte die Antwort einem zeitlichen Wandel unterliegen.11 Die Fallgestaltungen, die hier zu Streit führen können, sind mannigfaltig.12 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung von Interesse ist dabei die Frage, ob der Vertragsinhalt hinreichend bestimmbar ist, wenn seine endgültige Festlegung einem Dritten überlassen wurde. Diesen Zusammenhang bringen etwa die Vorschriften des Code civil über den Kaufpreis schon systematisch unmittelbar zum Ausdruck: Art. 1583 Code civil: „[La vente] est parfaite entre les parties, et la propriété est acquise de droit à l’acheteur à l’égard du vendeur, dès qu’on est convenu de la chose et du prix, quoique la chose n’ait pas encore été livrée ni le prix payé.“ Art. 1591 Code civil: „Le prix de la vente doit être déterminé et désigné par les parties.“ Art. 1592 Code civil: „Il peut cependant être laissé à l’arbitrage13 d’un tiers ; si le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“ nis, S. 210 (§ 9 1); Enneccerus/Lehmann, S. 25 f.; G. Schulze, S. 376 ff.; H. Eckert, S. 8; Poulakos, S. 27; v. Blociszewski, S. 3 f.; Czachorowski, S. 9; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 133; Bulla, NJW 1978, 397, 398; Senf, JR 1932, 234 ff. Vgl. BGH v. 26.2.1999 NJW‑RR 1999, 927 (bei fehlender Einigung der Parteien nur darüber, dass der Kaufpreis durch Verrechnung mit strittigen Gegenforderungen erbracht werden solle, nicht aber darüber, mit welcher Forderung, ist der Vertrag unwirksam, selbst wenn die Parteien dies nicht erkannt haben); BGH v. 21.1.1970 BGHZ 55, 248 (dazu noch unten § 4 C.I.3. [S. 208 ff.]); OLG Düsseldorf v. 21.12.1994 NJW-RR 1995, 718; LG Mainz v. 4.11.1997 NJW-RR 1998, 631. – Münch­Komm-­BGB/Armbrüster, § 145 Rn. 6 betont, dass bei fehlender Bestimmbarkeit schon kein wirksames Angebot vorliege. 10  Atiyah, Introduction, S. 67; Busseuil, S. 673; Horn, S. 19 f.; Kötz, S. 62; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 76 (§ 6 I). Scott, (2003) 103 Columbia L. Rev. 1641, 1656 f. identifiziert in einer Rechtsprechungsanalyse verschiedene Gründe dafür, dass Parteien nicht alle Punkte regeln, und stellt fest, dass je nach Grund die Gerichte geneigter sind, die Vereinbarung gleichwohl durchzusetzen. Maßgeblich komme es darauf an, ob die Parteien gute Gründe für ihr Vorgehen hatten, etwa weil ihnen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wesentliche Informationen fehlten. 11  Als Beispiel sei nur die Entwicklung des französischen Rechts zur Preisbestimmung durch eine Partei genannt, dazu oben § 1 V. (S.22). – Zur Grenzziehung aus ökonomischer Sicht Scott, (2003) 103 Columbia L. Rev. 1641 ff. (möglichst keine gerichtliche Durchsetzung unbestimmter Vereinbarungen); kritisch Gergen, (2009) 89 Boston U. L. Rev. 1397, 1439 ff. (Abschluss einer bewusst unbestimmten Vereinbarung senkt nicht das Prozessrisiko). 12  Vgl. allgemein Kötz, S. 66 ff.; Beale et al., S. 319 ff.; speziell zum Kaufpreis W. Witz, S. 26 ff., 91 ff., 160 ff., 231 ff.; Tallon. 13  „Arbitrage“ ist hier nicht im Sinne von Schiedsgerichtsverfahren zu verstehen. Zur dogmatischen Einordnung der Tätigkeit des Dritten siehe bereits oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Der Kaufvertrag setzt also zu seiner Wirksamkeit eine Einigung über den Preis voraus. Diese Einigung müssen die Parteien selbst treffen. Es genügt aber, wenn sie sich dahingehend einigen, dass ein Dritter den Preis bestimmt. Eine Klausel, die für den Fall des Scheiterns einer Einigung über den Preis die Preisbestimmung einem Dritten überlässt, macht somit den Vertragsinhalt bestimmbar.14

II. Der Zusammenhang zwischen § 317 BGB und dem Bestimmtheitsgebot Vor dem Hintergrund des Ersten Entwurfs wird deutlich, dass auch die Gesetzesverfasser den §§ 315 ff. BGB die Funktion zugedacht hatten, für eine Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts zu sorgen. In § 352 E I hieß es: „Ist die Leistung, welche den Gegenstand des Vertrages bilden soll, weder bestimmt bezeichnet noch nach den im Vertrage enthaltenen Bestimmungen zu ermitteln, so ist der Vertrag nichtig.“

Die Hauptfunktion dieser Vorschrift sahen die Mitglieder der Ersten Kommission in der – in ihren Augen praktisch wichtigen – Klarstellung, dass es zur Gültigkeit eines Vertrages ausreiche, wenn die Leistung nicht unmittelbar bestimmt, sondern nur mittelbar bestimmt oder nach dem Vertragsinhalt bestimmbar sei.15 Zugleich sollte § 352 E I zu den darauf folgenden Vorschriften über die Bestimmung der Leistung durch eine Partei oder einen Dritten (§§ 353 ff. E I) überleiten. Diese Vorschriften sind mithin als besondere Fälle gedacht, in denen die Vertragsleistung nach den Bestimmungen des Vertrages zu ermitteln ist.16 Sie fänden in § 352 E I „eine Art von Grundlage“17. Ein Antrag, die Norm zu streichen, da sie ausschließlich theoretischer Natur sei, hatte in der Ersten Kommission noch keinen Erfolg.18 Die Zweite Kommission hingegen entschied sich, die Vorschrift des § 352 E I als eine für die Regelungstechnik des BGB unübliche Überleitung zu den folgenden Vorschriften zu streichen. Ihre Mitglieder erwogen dabei:19 Zwar spreche für die Beibehaltung der Vorschrift, dass die von ihr geleistete Klarstellung durchaus erwünscht sei. Das Bestimmtheitsgebot gelte indes ganz allgemein für den Inhalt eines Rechtsgeschäfts: Sei dieser nicht bestimmt oder bestimmbar, sei das Rechtsgeschäft überhaupt nicht zustande gekommen. Die allein auf die nach dem Vertrag geschuldeten Leistun14 

Cass. com. 25.5.1981 Bull. civ. IV, Nr. 247; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 64. Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390; Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 105. 16  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390. Entgegen verbreiteter Ansicht stellen die §§ 315 ff. BGB also keine „Ausnahmen“ von der Regel des § 352 E I dar, dazu unten § 4 B.II.2. (S. 181 ff.). 17  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390. 18  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390. 19  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 623; Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 391. 15 

A. Zum Bestimmtheitsgebot

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gen bezogene Vorschrift stelle somit nur eine Anwendung dieses allgemeinen Satzes dar und sei somit entbehrlich. Indem das Gesetz nur diese Anwendung und nicht auch den allgemeinen Satz ausdrücklich ausspreche, drohe sogar die Gefahr eines unrichtigen e contrario-Schlusses. Die §§ 315 ff. BGB – und damit auch die Vorschriften über die Leistungsbestimmung durch Dritte – stehen somit in systematischem Zusammenhang mit dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgebot. 20 Dieses Gebot selbst wollte der BGB-Gesetzgeber selbstverständlich nicht aufgeben, als er § 352 E I aus dem Entwurf strich. Mit dem Sinn und der Funktion dieses Gebots setzten sich indes weder die Erste noch die Zweite Kommission auseinander; sie schienen es eher axiomatisch vorauszusetzen.21 Als einzige „Begründung“ versammeln die Motive eine Reihe von Belegen aus anderen Kodifikationen und Entwürfen. 22 In den Protokollen der Ersten Kommission 23 ist diese Auflistung nicht verzeichnet. Sie wurde vermutlich vom Redaktor der Motive aus dem Vorentwurf v. Kübels übernommen. 24 Für diesen stellte „das Erforderniß der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Gegenstandes … ein Essentiale des Vertrags“ dar, das, „weil aus dem Wesen desselben fließend, allgemein anerkannt“ sei. 25 Es bleibe „sich schließlich gleich, ob Jemand überhaupt nicht gebunden oder ob unbestimmt ist, zu was er verbunden werden sollte oder wollte“. 26 Eine Gebundenheit des Schuldners sei „nur in Beziehung auf einen bestimmten Gegenstand denkbar“. 27 Über die Gründe für das Bestimmtheitsgebot teilen diese Textstellen wenig mit. Zum Verständnis des § 317 BGB ist deshalb die heutige Funktion des Bestimmtheitsgebots näher zu untersuchen und dann auf den Mechanismus der Delegation zu beziehen.

20  Vgl. nur Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 4; Kornblum, AcP 168 (1968), 450 f. Deutlich auch z.B. BGH v. 13.3.1985 BGHZ 94, 98, 100: „Ein Hauptanliegen des § 316 BGB ist es Vorsorge dafür zu treffen, daß Verträge …, die von den Beteiligten als verbindlich gewollt sind, bei denen aber z.B. die Höhe des Kaufpreises, des Mietzinses oder der Vergütung unbestimmt gelassen werden, nicht aus diesem Grunde scheitern.“ 21  Das betont zu Recht J.F. Baur, S. 62. 22  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 105 Fn. **. 23 Bei Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390. 24 Siehe v. Kübel, Bd. II/1, S. 36. 25  v. Kübel, Bd. II/1, S. 36. 26  v. Kübel, Bd. II/1, S. 36. Zugleich verwirft v. Kübel damit das Argument, „die Vertragsleistung müsse deshalb bestimmt sein, weil sich ohnedies nicht ermessen lasse, ob ein oder welcher Vermögenswerth der Leistung innewohne“. 27  v. Kübel, Bd. II/1, S. 36.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung I. Zur Funktion des Bestimmtheitsgebots 1. Bestimmtheit und prozessuale Durchsetzung Ist das Geschuldete nicht bestimmt, so ist ein Vertrag nicht durchführbar. Im Rahmen der Leistungsklage ließe sich kein hinreichend bestimmter Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) formulieren. Ein derartiger Antrag ist aber erforderlich, um die Entscheidungsbefugnis des Gerichts abzugrenzen (§ 308 ZPO), Art und Umfang des Rechtsschutzbegehrens festzulegen, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft vorzuzeichnen und eine Entscheidung über die Kostenlast abhängig von Erfolg oder Nichterfolg zu ermöglichen.28 Zugleich gewährleistet ein bestimmter Antrag, dass eine Zwangsvollstreckung ohne Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren möglich ist. 29 Die Festlegung des genauen Urteilsinhalts darf nicht erst in der Zwangsvollstreckung, womöglich durch nichtrichterliche Organe wie den Gerichtsvollzieher und ohne die Garantien des Zivilprozesses, erfolgen.30 An der Eignung des begehrten Titels zur Vollstreckung lässt sich deshalb die Bestimmtheit des Antrags ablesen.31 Über einen geltend gemachten Anspruch muss mit einem hinreichend bestimmten Titel entschieden werden, da ein unbestimmter Titel nicht vollstreckbar wäre. Ein Vollstreckungsorgan wüsste nicht, was zur zwangsweisen Durchsetzung des Titels zu veranlassen wäre, und der Schuldner hätte keinen Anhaltspunkt dafür, welche Vollstreckungsmaßnahmen ihm drohen. Die hinter jedem Schuldverhältnis stehende Chance der prozessualen Durchsetzung erfordert mithin die Bestimmtheit der zu fordernden Leistung.32 28  BGH v. 14.12.2006 NJW‑RR 2007, 1530, 1530 f.; BGH v. 17.7.2003 BGHZ 156, 1, 8 f.; BGH v. 28.11.2002 BGHZ 153, 69, 75; BGH v. 14.12.1998 NJW 1999, 954; BGH v. 11.10.1990 NJW 1991, 1114, 1115; Zöller/Greger, § 253 Rn. 13; Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 88; Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 253 Rn. 38, 75; Musielak/Foerste, § 253 Rn. 29; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 95 Rn. 26 f. 29  Siehe die oben in der vorigen Fn. Genannten; anders Sutschet, ZZP 119 (2006), 279 ff. (vollstreckbar müsse der Tenor sein, nicht der Antrag; der Antrag müsse nicht bestimmter gefasst sein als der Tenor, der aber zum Beispiel bei der Verurteilung zur Vornahme einer Handlung stets eine Konkretisierung durch das Vollstreckungsgericht erfordere). 30 Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 26. Ähnlich sehen Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I) die Bestimmtheit von Klageantrag und stattgebendem Titel als „unverzichtbare Voraussetzung für rechtsstaatliche Zwangsvollstreckung“. 31  Münch ­Komm-­Z PO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 88. 32  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I); Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 5; G. Schulze, S. 382 mit Fn. 457 („materiellrechtliche Grundlage des prozessualen Bestimmtheitserfordernisses“); G. Wagner, AcP 193 (1993), 319, 327; Senf, JR 1932, 234 (wäre eine Klage

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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Bei unbefangener Lektüre tragen diese prozessualen Erfordernisse kein schuldrechtliches Bestimmtheitsgebot, das sich mit einer bestimmbaren Leistung zufrieden gibt. Wenn es nach materiellem Recht möglich ist, sich zu einer unbestimmten, aber bestimmbaren Leistung zu verpflichten, so fragt es sich, ob und wie diese Leistung angesichts des Erfordernisses eines bestimmten, nicht bloß bestimmbaren Antrags eingeklagt werden kann. Die §§ 315 ff. BGB auf der einen und § 253 ZPO auf der anderen Seite stehen – zumindest vordergründig – in einem gewissen Spannungsverhältnis.33 Von Bedeutung ist deshalb, wie der Satz, auch ein Vertrag über eine bestimmbare Leistung sei gültig, ins Prozessrecht übersetzt werden kann. Die Bestimmtheit des Antrags i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird, wie soeben gesehen, maßgeblich daran gemessen, ob der Antrag auf einen aus sich heraus vollstreckungsfähigen Urteilstenor gerichtet ist. Nur ein hinreichend bestimmter Titel ist vollstreckungsfähig. Um hinreichend bestimmt zu sein, muss ein Titel den Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen.34 Ein Zahlungstitel – viele Schiedsgutachten dürften zur Ermittlung der Höhe einer Geldforderung eingeholt werden – ist aber nur hinreichend bestimmt, wenn der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt ist oder sich aus dem Titel ohne weiteres errechnen lässt.35 Muss der Titel durch das Vollstreckungsorgan ausgelegt werden, so muss der Titel aus sich heraus für diese Auslegung hinreichend bestimmt sein oder zumindest sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen.36 Nach diesen Grundsätzen kann ein Titel nicht auf eine von einem Schiedsgutachter festzusetzende Leistung lauten; ein derartiger Titel wäre nicht vollstreckbar.37 Hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags wird in den Fällen der §§ 315 ff. BGB hingegen großzügiger verfahren. Erhebt der Klä„zwecklos“, ist der Vertrag unwirksam). Siehe auch die Definition des „sufficient agreement“ in Art. 2:103(1)(a) PECL („so that the contract can be enforced in court“). 33  So auch Röhl, ZZP 86 (1973), 326, 327 („Diskrepanz“). 34  BGH v. 7.12.2005 BGHZ 165, 223, 228. 35  BGH v. 7.12.2005 BGHZ 165, 223, 228; BGH v. 10.12.2003 NJW‑RR 2004, 649 (Titel mit Wertsicherungsklausel, die auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten abstellt, ist hinreichend bestimmt); BGH v. 30.6.1983 BGHZ 88, 62, 65; BGH v. 24.10.1956 BGHZ 22, 54, 57 ff. m.w.N. (Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung wegen einer Verpflichtung zur Zahlung einer Rente in Höhe der Hälfte der jeweiligen Höchstpension eines bayerischen Notars ist unbestimmt und damit unwirksam, auch ein entsprechender Klageantrag wäre nicht hinreichend bestimmt, S. 63); OLG Koblenz v. 2.5.2002 NJW‑RR 2002, 1509, 1510 (Vergleich über Zahlung des „vereinbarten Pachtzinses“ unbestimmt); Zöller/Stöber, § 704 Rn. 4; Thomas/Putzo/Chr. Seiler, Vorbem vor § 704 Rn. 20; Musielak/Lackmann, § 704 Rn. 6 ff. mit zahlreichen Beispielen. 36  BGH v. 7.12.2005 BGHZ 165, 223, 228. 37  OLG Hamm v. 30.4.2010 – 25 W 74/10 (juris); siehe auch OLG Saarbrücken v. 29.6.2009 NJW‑RR 2010, 95 (Titel über die Vornahme von Bauleistungen, die ein Architekt näher spezifizieren soll); OLG Koblenz v. 11.5.1989 Rpfleger 1990, 306 (Prozessvergleich unbestimmt, wenn die darin übernommene Zahlungsverpflichtung von einem Minderungsbetrag abhängt, der von einem namentlich genannten Dritten zu bestätigen ist).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

ger eine Gestaltungsklage auf richterliche Bestimmung nach den §§ 315 Abs. 3 S. 2, 343 BGB, so hat er die gewünschte Gestaltung eindeutig zu bezeichnen. Einen Betrag muss er jedoch nicht nennen.38 Es genügt, wenn der Kläger angibt, in welcher Größenordnung sich die Forderung bewegt und auf welche Tatsachen sie sich gründet.39 Dahinter steht der Gedanke, dass der Kläger ja keine Geldsumme einklagt, sondern eine Gestaltung – nämlich die Leistungsbestimmung durch das Gericht – begehrt und deshalb auch nur die Gestaltung, nicht ihr Ergebnis bezeichnen muss.40 Auch wenn der Kläger sogleich die vom Gericht zu bestimmende Leistung einklagt, wird von ihm nicht verlangt, dass er seinen Antrag beziffert.41 Dem ist zuzustimmen. Zwar darf ein unbezifferter Antrag nicht den Zweck haben, dass der Kläger das Risiko einer Beweisaufnahme oder der Kosten von sich abwälzt.42 Deshalb ist es beispielsweise dem Kläger, der in den Fällen der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2, 653 Abs. 2 BGB seine Vergütung einklagt, zu versagen, einen unbezifferten Antrag zu stellen.43 Anders liegt es aber, wenn der Kläger eine Leistungsbestimmung als offenbar unbillig angreift und das Gericht um deren Ersetzung ersucht. Dieser Fall ist aus Sicht der Parteien nicht anders zu bewerten als die isolierte Gestaltungsklage auf Festsetzung der Leistung.44 Beide sind im Ungewissen, welchen Leistungsinhalt das Gericht als billig ansehen wird. Der Vorteil einer vereinfachten Prozessführung, den die Rechtsprechung damit gewährt, dass sie eine unmittelbare Leistungsklage auf die vom Gericht festzusetzende Leistung zulässt,45 wäre entwertet, wenn der Kläger bereits beziffern müsste, welche Leistung das Gericht in seiner Erwar38  BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 915, 916 (zu § 315 BGB); BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62 (zu § 319 BGB); Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 26 (es genüge z.B. der Antrag auf Herabsetzung der Vertragsstrafe „auf einen angemessenen Betrag“); Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 253 Rn. 54, 66; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 414; Witte/Mehrbrey, NZG 2006, 241, 243; Wedemeyer, DB 1969, 1926, 1930; a.A. Röhl, ZZP 86 (1973), 322, 328 (Kläger muss zur Ermittlung von Streitwert und Beschwer den Gestaltungsinhalt genau bezeichnen); kritisch auch Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 123, 126 ff. 39 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 414. 40  Kisch, Urteilslehre, S. 131; kritisch Röhl, ZZP 86 (1973), 322, 327 f. 41 Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 45; Musielak/Foerste, § 253 Rn. 35; Rosenberg/ Schwab/P. Gottwald, § 95 Rn. 40; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 414; Schlosser, Gestaltungs­ klagen, S. 134; Kisch, Urteilslehre, S. 130 f.; offengelassen in BGH v. 18.10.1972 JZ 1973, 61, 62. – Wie bei jedem zulässigerweise unbezifferten Antrag sollte von dem Kläger verlangt werden, dass er ausreichende tatsächliche Grundlagen für die Feststellung des Betrages angibt und eine ungefähre Größenordnung des Anspruchs festlegt. 42  Vgl. nur Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 45; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 253 Rn. 51 m.w.N. 43  BAG v. 4.5.1977 AP Nr. 17 zu § 611 BGB Bergbau; Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 45; Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 128; a.A. Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 95 Rn. 40. 44  So wohl auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 414. 45  BGH v. 7.4.2000 NJW 2000, 2986, 2987; BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 280 (zu § 315 BGB); Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 413, § 319 Rn. 32.

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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tung als billig ansehen wird.46 Zugleich wird auf diese Weise ermöglicht, dass auch eine bloß bestimmbare Leistung prozessual durchgesetzt werden kann.

2. Bestimmtheit und Auslegung Dass eine Leistung bestimmt oder bestimmbar zu sein hat, bedeutet nicht, dass ihr Inhalt ohne weiteres dem Vertrag zu entnehmen sein muss. Auslegung und ergänzende Vertragsauslegung gehören zum Standardrepertoire der Rechtsanwendung. Der Richter ist aufgerufen, den Parteiwillen zu ermitteln, und festzustellen, ob und worauf sich die Parteien geeinigt haben.47 Lässt sich durch Auslegung ein bestimmter oder bestimmbarer Vertragsinhalt gewinnen, kann der Vertrag nicht wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam sein. Folglich dürfte die Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens von vornherein nicht in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot geraten.48 Denn während im Falle des vertragsergänzenden Gutachtens der Vertragsinhalt erst mit Einholung des Gutachtens hinreichend bestimmt ist, genügt im Falle des feststellenden Schiedsgutachtens der Vertragsinhalt schon vor diesem Zeitpunkt den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots.49 Eigentlich liegt in diesem Fall ein hinreichend bestimmter Vertrag vor, dem ein Gericht im Wege der Auslegung einen Inhalt entnehmen könnte.50 Beispielsweise kann die Vereinbarung einer „üblichen“, „angemessenen“ oder „marktgerechten“ Leistung oder das Abstellen auf den „Verkehrswert“ eines Grundstücks vom Gericht voll überprüft werden.51 Der Leistungsinhalt steht objektiv fest, er ist nur subjektiv den Parteien verborgen. Diese Rollenverteilung zwischen Parteien und Richter spiegelt sich auch im Prozessrecht wider, wenn der genaue Leistungsinhalt im Dunkeln liegt, dem 46  Dies steht nicht in Widerspruch zu BGH v. 18.10.1972 JZ 1973, 61: Dort hatte nicht der Schuldner auf Neufestsetzung des Pachtzinses im Wege richterlicher Gestaltung geklagt, sondern der bestimmungsberechtigte Gläubiger hatte Klage auf Leistung eines vom Gericht festzusetzenden Pachtzinses erhoben. Diesen Antrag hielt der BGH für unbestimmt. Der Kläger dürfe nicht dem Risiko, mit der entsprechenden Kostenfolge teilweise zu unterliegen, zu entgehen versuchen, indem er einen unbezifferten Anspruch auf die vom Gericht festzusetzende Leistung stellt, wenn ihm selbst das Leistungsbestimmungsrecht (§§ 315, 316 BGB) zusteht. Vielmehr müsse er das Bestimmungsrecht ausüben und sodann die von ihm festgesetzte Leistung mit beziffertem Antrag einklagen. Zustimmend zu dieser Entscheidung etwa Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 118; Zöller/Greger, § 253 Rn. 13a (der Kläger dürfe nicht ein ihm selbst zukommendes Bestimmungsrecht auf das Gericht abschieben). 47  Zu diesem Zusammenhang Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I); J.F. Baur, S. 63; Senf, JR 1932, 234, 235. 48  Ähnliches lässt sich für die gestaltende Änderung eines Schuldverhältnisses sagen, da ja ein bestimmter und wirksamer Vertrag vorliegt, der lediglich geändert wird, vgl. Habscheid, KTS 1957, 129, 131. 49  Siehe RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 60. 50  Siehe nur Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 22. 51  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 15.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Vertrag aber durch Auslegung zu entnehmen ist. Hätte sich eine Partei beispielsweise schlicht zur Zahlung der ortsüblichen Vergleichsmiete verpflichtet, ohne einen Modus für deren Ermittlung festzulegen,52 so könnte der Gläubiger wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht einfach die Verurteilung des Schuldners zur Zahlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete beantragen und die Ermittlung der exakten Höhe seines Anspruchs dem (sachverständig beratenen)53 Gericht überlassen.54 Er würde damit sein Kostenrisiko für den Fall des Teilunterliegens in unzulässiger Weise zu mindern versuchen.55 Der Kläger muss seinen Anspruch vielmehr beziffern und dafür eigenständig die ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln.56 Diese Ermittlung ist aufwendig, und es bleibt das Risiko einer teilweisen Abweisung der Klage, wenn das Gericht einen niedrigeren Wert für ortsüblich hält, falls es aufgrund Bestreitens der Gegenseite zu einer eigenen Erforschung aufgerufen ist. Die Vereinbarung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, nimmt dem Gläubiger dieses Risiko – wie auch das Risiko, einen zu niedrigen Betrag einzuklagen – ab. Die Einigung auf ein feststellendes Gutachten hat aber eine wichtige Folge: Mit der Verabredung, die Konkretisierung des Vertrages einem Dritten zu überlassen, nehmen die Parteien ihrem Vertrag die objektive Bestimmtheit. Denn nunmehr ist, um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, nicht mehr die ortsübliche Miete geschuldet, sondern diejenige Miete, die ein Dritter als ortsüblich festsetzen wird. Wird die Schiedsgutachtenvereinbarung als materiell-rechtlicher Feststellungsvertrag verstanden, so ist dessen Inhalt unbestimmt und von dem Dritten auszufüllen. Dabei kann die Entscheidung des Dritten durchaus eine Umgestaltung der Rechtslage nach sich ziehen und somit zu einem anderen Ergebnis als demjenigen, zu dem das Gericht gelangt wäre, führen.57 Mit dem Spruch des Dritten tritt an die Stelle der Verpflichtung zur Zahlung der ortsüblichen Vergleichsmiete die Pflicht zur Zahlung eines zahlenmäßig bestimmten Geldbetrages. In den Worten von Weismann lässt sich dieser Vorgang so umschreiben: „Durch das Schiedsgutachten wird das Rechtsverhältnis genauer und im Besonderen bestimmt, in einem Punkte, in welchem … es nur im Allgemeinen bestimmt war“.58

Vertragsergänzendes und feststellendes Schiedsgutachten haben also gemeinsam, dass sie den Vertragsinhalt inhaltlich bestimmen.59 Insbesondere sperrt die 52 

Beispiel in Anlehnung an Habscheid, FS Laufke, S. 310. BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885. 54  BGH v. 18.10.1972 JZ 1973, 61, 63. 55  Münch­Komm-­Z PO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 118; Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 45. 56 Vgl. Habscheid, FS Laufke, S. 310. 57  Siehe oben § 2 B.II.5.c) (S. 81 ff.). 58  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 310. 59 Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 22; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 6; G. Wagner, Prozeßver53 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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Vereinbarung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, die Auslegungstätigkeit des Richters.60 Auch den Inhalt eines Vertrages, der ohne diese Vereinbarung ohne weiteres einer Auslegung zugänglich wäre, konkretisiert nunmehr nicht das Gericht, sondern der von den Parteien damit betraute ­Dritte.61

3. Bestimmtheit und Dissens Das Gesetz verlangt in § 154 Abs. 1 BGB von den Parteien grundsätzlich, dass sie über jeden Punkt ihres Vertrages eine Einigung erzielen. Diese Anforderung lässt sich als eine Kehrseite des Bestimmtheitsgebots verstehen.62 Sie gilt unabhängig davon, ob es sich bei diesem Punkt um ein essentiale negotii oder um ein accidentale negotii handelt. Fehlt es an einer Einigung über die essentialia negotii – will etwa eine Seite eine Sache verleihen, während die andere von einer Schenkung ausgeht –, so kann kein Vertrag zustande gekommen sein.63 Doch träge, S. 658; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 310 ff. Nicht damit in Widerspruch steht die Aussage, dass das feststellende Schiedsgutachten den Vertrag nicht ergänzt, da dieser bereits vollständig abgeschlossen wurde, dazu oben § 2 B.II.1. (S. 46 f.) und Habscheid, FS Kralik, S. 198, der meint, die materiell-rechtliche Ansicht tue dem Parteiwillen Gewalt an, wenn sie in der Feststellung von Tatsachen die Schaffung eines Rechtsverhältnisses sieht. 60 Ähnlich Kisch, RheinZ 9 (1917/18), 12, 17, indem er dem Anspruch vor Ergehen des Schiedsgutachtens die Erfüllungsreife versagt. 61  An diese Wirkung knüpft sich die Frage nach der angemessenen prozessualen Reaktion auf eine verfrühte Klage vor Erstellung eines feststellenden Schiedsgutachtens. Siehe zum Streitstand nur Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 26; Greger/Stubbe, Rn. 138; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 665 f.; Walchshöfer, FS K.H. Schwab, S. 525 ff. Die hier angenommene Wirkung spricht für eine Abweisung als zur Zeit unbegründet, schließt aber nicht aus, dass dem Schiedsgutachtenvertrag darüber hinaus ein dilatorischer Klageverzicht entnommen wird, der zur Abweisung als zur Zeit unzulässig führen müsste. 62  Zu diesem Zusammenhang siehe vorerst BGH v. 20.6.1997 NJW 1997, 2671; RG v. 8.4.1929 RGZ 124, 81, 83 f.; RGRK/Piper, § 154 Rn. 4; Jauernig/Stadler, § 316 Rn. 1; Erman/ Armbrüster, § 154 Rn. 2; J.F. Baur, S. 62 f.; Joussen, S. 34 f. – Ergänzend hierzu G. Schulze, S. 380 f., der die „Bestimmtheit als Indiz für rechtsgeschäftliche Erheblichkeit und Bindung“ und „als Indiz für Ernstlichkeit“ thematisiert. 63  Richtigerweise ist § 154 Abs. 1 BGB hier gar nicht anwendbar. Statt aller Münch­Komm-­ BGB/Busche, § 154 Rn. 3; Erman/Armbrüster, § 154 Rn. 2; Staudinger/Bork, § 154 Rn. 3; Bamberger/Roth/H.-W. Eckert, § 154 Rn. 5; Flume, AT II, S. 627 (§ 34, 6 b); M. Wolf/Neuner, AT, § 38 Rn. 3; Dehner, NJW 2000, 1986, 1989; BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 1139, 1141 (der BGH hält hier § 154 BGB offenbar für anwendbar); BGH v. 23.11.2001 NJW‑RR 2002, 415 (fehlende vertragliche Bezeichnung des noch nicht gebildeten Wohnungseigentums in einem notariellen Vorvertrag führt nicht zur Unbestimmtheit, da die Bestimmung des endgültig verkauften Kaufgegenstandes nach § 315 BGB dem Veräußerer zukommt); BGH v. 26.1.2001 BGHZ 146, 331, 335; BGH v. 20.6.2000 NJW‑RR 2000, 1658 (Vereinbarung eines „Freundschaftspreises“ führt zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen fehlender Einigung über den Kaufpreis); siehe auch § 78 Abs. 1 E I: „Solange die Vertragsschließenden über die nach dem Gesetze zum Wesen des zu schließenden Vertrages gehörenden Theile sich nicht geeinigt haben, ist der Vertrag nicht geschlossen.“ Diederichsen, FS 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin, S. 89 ff. bezeichnet diesen Fall als „logischen Dissens“, die Folge des Nicht-Zustandekommens ergebe sich bereits aus dem Begriff des Vertrages; ebenso NK-­BGB/G. Schulze,

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

die Parteien dürfen auch Nebenpunkte des „Regelungsprogramms“64 ihrer Vereinbarung nicht bewusst offen lassen.65 Andernfalls ist der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen. Es kommt nicht etwa ein, wenn auch lückenhafter, Vertrag zustande, dessen offene Punkte späterer Bestimmung überlassen sind. Was auch nur eine Partei erkennbar für regelungsbedürftig hält, muss demnach in den gemeinsamen Willen der Parteien Eingang finden, damit der Vertrag wirksam geschlossen werden kann.66 Aus diesem Grund wird die Vorschrift über den Dissens in § 154 Abs. 1 BGB heute verbreitet als Ausdruck des Grundsatzes der Privatautonomie angesehen, genauer als Verkörperung der negativen Vertragsfreiheit, also des Schutzes vor einem Vertrag, über den noch kein vollkommener Konsens hergestellt wurde.67 Dass der Vertragsschluss in diesem Fall scheitert, kann für die Parteien keine Härte darstellen. Denn das Scheitern beruht allein auf ihrer mangelnden Bereitschaft zum Konsens.68 Diese Interpretation beruft sich häufig auf das Verständnis des Gesetzgebers, wie es in den Motiven zu § 154 BGB (bzw. dessen Vorläufer in § 78 E I) zum Ausdruck gelange. Jede Vertragspartei, so heißt es dort,69 habe in ihrem eigenen Interesse dafür Sorge zu tragen, dass die in den Vertragsverhandlungen angesprochenen Punkte auch Eingang in die endgültige Vereinbarung gefunden ha§ 154 Rn. 4. Andere sprechen vom „Totaldissens“, so z.B. Münch­Komm-­BGB/Busche, § 155 Rn. 2; St. Lorenz, S. 236 ff. 64 Ausführlich Leenen, AcP 188 (1988), 381, 383. Im Einzelnen werfen die §§ 154, 155 BGB und die damit verbundene Begriffsbestimmung des Dissenses viele Fragen auf, denen vorliegend jedoch nicht nachzugehen ist: Beziehen sich die §§ 154, 155 BGB auf eine andere Technik des Vertragsschlusses als den Abschluss durch Angebot und Annahme und ist der Dissens in Wirklichkeit nicht gesetzlich geregelt (so Leenen, AcP 188 [1988], 381 ff.)? Wie verhalten sich § 154 BGB und § 150 Abs. 2 BGB zueinander, wenn sich schon Angebot und Annahme nicht decken, weil eine Seite einen zusätzlichen Punkt in das vertragliche Regelungsprogramm einbringen will (dazu Staudinger/Bork, § 150 Rn. 16; Soergel/M. Wolf, § 150 Rn. 17)? 65  BGH 26.2.1999 NJW-RR 1999, 927 (Parteien haben sich nur darüber geeinigt, dass der Kaufpreis durch Verrechnung mit Gegenforderungen erbracht werden soll, nicht aber darüber, welche der in Betracht kommenden Gegenforderungen dazu verwendet werden sollen, und die Lücke ließ sich auch nicht mit Hilfe der §§ 366 Abs. 2, 367 BGB schließen); BGH v. 20.1.1954 LM Nr. 2 zu § 154 BGB; RG v. 28.1.1904 RGZ 57, 46, 51; Münch­Komm-­BGB/Busche, § 154 Rn. 1; Bamberger/Roth/H.-W. Eckert, § 154 Rn. 5; Backmann, in: jurisPK‑BGB, § 154 Rn. 6; St. Lorenz, S. 240; J. Neuner, FS Canaris I, S. 912; Leenen, AcP 188 (1988), 381, 401. 66  BGH v. 14.10.1965 WM 1966, 16; Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 4; NK-BGB/G. Schulze, § 154 Rn. 5; RGRK/Piper, § 154 Rn. 3; Leenen, AcP 188 (1988), 381, 401. 67  Münch­Komm-­BGB/Busche, § 154 Rn. 1; Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 1 („Schutz sowohl der Abschluss‑ wie der Gestaltungsfreiheit“); NK-BGB/G. Schulze, § 154 Rn. 3 Fn. 10; Backmann, in: jurisPK‑BGB, § 154 Rn. 1 f.; HKK/Hofer, vor § 145 Rn. 10; Staudinger/Bork, § 154 Rn. 1; Flume, AT II, S. 627 f. (§ 34, 6 c) (§ 154 BGB als „Bekenntnis zum Grundsatz der Privatautonomie“); AK/Hart, § 154 Rn. 3; St. Lorenz, S. 240; J.F. Baur, S. 62; Lindacher, JZ 1977, 604; Leenen, AcP 188 (1988), 381, 401. 68 Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 3. 69  Mot., in: Mugdan, Bd. I, S. 441 f.

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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ben, oder aber sie müsse auf eine Einigung darüber hinwirken, dass der Vertrag trotz des lückenhaften Konsenses binden soll. Davor, dass sich ein Vertrag als nicht geschlossen herausstellt, müsste sich jede Partei selbst schützen. Eine derartige Konzeption setze sich deutlich ab von einem Modell, das etwa Art. 2 des schweizerischen Obligationenrechts verfolgt. Diese Vorschrift lautet: „Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden.“

In den Motiven heißt es dazu weiter, dass durch eine derartige richterliche Gestaltung des Vertragsinhalts „dem Parteiwillen nach Befinden Gewalt angetan“ werde.70 Welche Punkte für ein Geschäft wesentlich seien, könne nicht der Gesetzgeber festlegen, sondern hänge vielmehr in jedem individuellen Fall vom Willen der Parteien ab. Eine Lösung, die hier dem Richter Gestaltungsmacht gebe, stelle einen „Eingriff in die Vertragsfreiheit“ dar.71 Insbesondere die verschiedentlich speziell herausgestellte72 Formulierung, dem Parteiwillen dürfe nicht „Gewalt angetan“ werden, ist indes eine nicht authentische Schöpfung der Motive. In den eigentlichen Protokollen der Ersten Kommission ist von all dem, anders als in den kompilierten Motiven zum BGB, nichts zu lesen. Vielmehr ist die Erste Kommission dem Regelungsvorschlag des zuständigen Redaktors Franz Philipp v. Kübel ausweislich des Sitzungsprotokolls ohne Aussprache über die rechtspolitischen Gründe der Vorschrift gefolgt.73 Auch die weiteren Kommissionen haben sich mit dem Sinn der Vorschriften über den Dissens nicht befasst.74 Eine ausführliche Begründung findet sich allein in der Vorlage des Redaktors:75 Ein Vertrag könne nur zustande kommen, wenn sein Inhalt alle nach Gesetz und Parteiwillen wesentlichen Punkte des ins Auge gefassten Vertrages abdecke. Für die essentialia negotii sei dieser Satz selbstverständlich. Er gelte aber auch für alle anderen Punkte, die nach dem Willen der Parteien als wesentlich anzusehen seien, denn das Prinzip der Vertragsfreiheit stelle es jedem frei, seine Zustimmung zu einem Vertrag auch 70 

Mot., in: Mugdan, Bd. I, S. 441. Mot., in: Mugdan, Bd. I, S. 441. 72  Flume, AT II, S. 628 (§ 34, 6 c); J.F. Baur, S. 62; HKK/Hofer, vor § 145 Rn. 10. 73  Jakobs/Schubert, Bd. I/2, S. 785. Dort zugleich zu der Ablehnung einer ausdrücklichen Verankerung des Konsenserfordernisses im Gesetz als entbehrlich – ebenfalls ohne Mitteilung einer kontroversen Beratung. – Die Regelungen über den Vertragsschluss fielen in die Zuständigkeit v. Kübels und nicht etwa des Redaktors zum Allgemeinen Teil, Albert Gebhard. Dieser ursprünglich geplante Aufbau wurde im E I geändert, dazu HKK/Hofer, vor § 145 Rn. 1. 74  Jakobs/Schubert, Bd. I/2, S. 803, 815 (dort zur Regelung des versteckten Dissenses in § 155 BGB); Prot., in: Mugdan, Bd. I, S. 688. 75  v. Kübel, Bd. II/1, S. 169 ff., der sich in seinen Überlegungen maßgeblich stützt auf Regelsberger, S. 129. 71 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

von an sich nebensächlichen Bedingungen und Bestimmungen abhängig zu machen. Insofern hätten die Parteien die Freiheit, die zum Vertragsschluss erforderlichen Elemente beliebig zu vermehren. Diese liege auch verschiedenen partikularrechtlichen Kodifikationen und Entwürfen zugrunde. Die Vermutung, die das Schweizer OR in Art. 2 aufstelle, entspreche dagegen erfahrungsgemäß nicht „dem unterstellten Verhältnisse“. Zwar sei es denkbar, dass die Parteien sich auch schon an einen unvollständigen Vertrag binden wollten. Üblich sei diese Annahme jedoch nicht, da es allein Sache der Parteien sei zu beurteilen, ob ihnen ein bestimmter Punkt als Voraussetzung ihres Vertragsschlusses so wichtig ist, dass sie die Wirksamkeit des Vertrages von einer Einigung über diesen Punkt abhängig machen. Wenn es aufgrund dieser Regel dazu komme, dass ein Vertrag nach langen Verhandlungen an einem Nebenpunkt scheitere, sei es, weil über diesen wirklich keine Einigung zu erzielen sei, sei es, weil er einer Partei zum Vorwand einer Abstandnahme vom Vertragsschluss gereiche, müsse das hingenommen werden. Sich dagegen zu sichern, sei jedem Kontrahenten selbst überlassen. In diese Vertragsfreiheit dürfe nicht mit „willkürlichen Präsumtionen“ eingegriffen werden. Schließlich wisse jeder, der in Vertragsverhandlungen trete, um das Risiko eines Scheiterns der Verhandlungen. Wer sich auf die Vorstellungen des Gesetzgebers in der Frage des Dissenses beruft, wird deshalb wohl allein die Begründung v. Kübels heranziehen können. Diese liest sich weniger scharf und bekenntnishaft als die Motive. In der Sache freilich kann es dabei bleiben, dass § 154 Abs. 1 BGB Verkörperung eines allgemeineren Gedankens ist, wonach es Sache der Parteien ist, für ein Gelingen des Vertragsschlusses Sorge zu tragen. Dazu gehört die Einigung über alle von mindestens einer Partei als regelungsbedürftig in die Verhandlungen eingeführter Punkte. In der Handhabung des § 154 Abs. 1 BGB wird der innere Zusammenhang von Dissens und Bestimmtheitsgrundsatz besonders deutlich. Denn die Rechtsfolge des § 154 Abs. 1 BGB greift nur im Zweifel ein. Die Vorschrift stellt es den Parteien frei, einen bewusst unvollständigen Vertrag zu schließen. In manchen Fällen, etwa bei länger dauernden Geschäftsbeziehungen, kann es geradezu unpraktikabel sein, erst hinsichtlich aller Punkte eine Einigung herbeizuführen, anstatt – im Bewusstsein der Unvollständigkeit der Regelung – mit der Ver­ trags­aus­f üh­r ung zu beginnen.76 Der Beginn mit der Vertragsdurchführung kann gerade ein Anzeichen dafür sein, dass die Parteien in jedem Fall gebunden sein wollen.77 Die Parteien haben dann einen Vertrag geschlossen, in dem 76  BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 275 (Parteien wollen nicht in einem vertragslosen Zustand handeln und ihre Leistungen den für derartige Dauerbeziehungen „gar nicht passenden“ §§ 812 ff. BGB unterstellen); KG v. 28.4.2011 NJW 2011, 2978; Staudinger/Bork, § 154 Rn. 7; Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 6 f.; RGRK/Piper, § 154 Rn. 5; M. Wolf/Neuner, AT, § 38 Rn. 9; Poulakos, S. 40 f.; Czachorowski, S. 13 ff.; Diederichsen, FS Hübner, S. 432 ff. 77  BGH v. 6.12.2001 NJW 2002, 817, 818; BGH v. 20.9.1992 BGHZ 119, 283, 288; BGH

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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Bestimmungen zu einem an sich regelungsbedürftigen Punkt fehlen. Hier zeigt sich nun die Querverbindung zur Bestimmtheit des Leistungsinhalts: Ebenso wie es dem Bestimmtheitsgebot genügt, wenn der Vertragsinhalt zwar nicht bei Vertragsschluss bestimmt, aber jedenfalls bestimmbar ist, so ist auch kein Dissens anzunehmen, wenn trotz fehlender Einigung über alle Punkte der Vertrag einen Mechanismus zur Lückenfüllung enthält. Wie die Vertragslücke zu schließen ist, richtet sich wiederum nach dem ergänzungsbedürftigen Vertrag: In Betracht kommen eine Ergänzung mit Hilfe des dispositiven Rechts, ergänzender Vertragsauslegung oder der §§ 315, 316 BGB; es ist aber auch denkbar, dass die Parteien vereinbaren, eine spätere Einigung herbeiführen zu wollen.78 All diese Regeln helfen demnach, einen Dissens zu vermeiden.79 Erst wenn sich die Lücke als unausfüllbar erweist, scheitert der Vertragsschluss.80 Oder, in die Sprache des Bestimmtheitsgebots übersetzt: Erst wenn ein Punkt des Vertrags weder bestimmt noch bestimmbar ist, ist der Vertrag unwirksam.81 v. 24.2.1983 NJW 1983, 1727, 1728; RG v. 23.1.1914 Warn 1914 Nr. 325; KG v. 28.4.2011 NJW 2011, 2978; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 709; sowie die oben in der vorigen Fußnote Genannten. Plastisch Lindacher, JZ 1977, 604, 605 („Selbstinterpretation durch späteres Verhalten“), ebenso NK-BGB/G. Schulze, § 154 Rn. 7. Zu Recht betont Dehner, NJW 2002, 3747, 3750 f., dass eine Bindung ausscheidet, wenn die Parteien ausdrücklich zum Ausdruck gebracht haben, ohne Einigung über den streitigen Punkt nicht gebunden sein zu wollen. 78 Staudinger/Bork, § 154 Rn. 9; Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 6; RGRK/Piper, § 154 Rn. 4 f.; Münch­Komm-­BGB/Busche, § 154 Rn. 3 f.; Bamberger/Roth/H.-W. Eckert, § 154 Rn. 9; Palandt/Ellenberger, § 154 Rn. 2; M. Wolf/Neuner, AT, § 38 Rn. 9 (kritisch zur ergänzenden Vertragsauslegung); J. Neuner, FS Canaris I, S. 915 f., 918 ff.; nach Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 709 liegt schon keine oder allenfalls eine scheinbare Lücke vor, wenn eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist. Siehe ferner die Rechtsprechungsnachweise in Fn. 81. 79  Diederichsen, FS 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin, S. 93; Kanzleiter, MittBayNot 2002, 13, 13 f. 80  BGH v. 20.6.1997 NJW 1997, 2671, 2672; BGH v. 20.9.1989 NJW 1990, 1234, 1235; siehe auch BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 1139 (keine Ergänzung des Kaufpreises im Wege ergänzender Vertragsauslegung im Falle einer Uneinigkeit der Parteien über den Preis); Palandt/Ellenberger, § 154 Rn. 2; Erman/Armbrüster, § 154 Rn. 8; Backmann, in: jurisPK‑BGB, § 154 Rn. 11, 13. Vor diesem Hintergrund ist § 315 BGB auch keine „Sonderregelung“ zu § 154 BGB (so aber Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK‑BGB, § 315 Rn. 1 f.), sondern allenfalls eine Konkretisierung dieser Vorschrift. 81  Beispielhaft BGH v. 24.1.2008 NJW‑RR 2008, 562; BGH v. 20.6.1997 NJW 1997, 2671: Dort hielt der BGH die Bestellung eines „gegen Zahlung von Miete“ vereinbarten Wohnrechts aufrecht, obwohl die Vertragsparteien bewusst nichts zur Höhe des Mietzinses geregelt hatten. Nach ergänzender Vertragsauslegung oder analoger Anwendung der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB gelte eine ortsübliche oder angemessene Miete als vereinbart. Möglicherweise komme auch eine vorrangige Bestimmung durch den Vermieter in Betracht. Der Mietzins sei somit in jedem Fall bestimmbar und der Vertrag scheitere nicht an einem Dissens. Siehe außerdem z.B. BGH v. 6.12.2001 NJW 2002, 817, 818 (Ergänzung der Provisionshöhe des Mak­lers nach § 653 Abs. 2 BGB, nachdem der Kaufinteressent in dem vom Makler vorbereiteten Kaufantrag die angegebene Provision durchgestrichen und durch die Worte „nach Vereinbarung“ ersetzt hatte); BGH v. 2.10.1991 NJW‑RR 1992, 517; BGH v. 11.1.1983 NJW 1983, 1189 (vertragliche Bindung trotz fehlender Einigung über den Anspruch auf Vergütung, die nach der gesetzlichen Regelung, notfalls nach Billigkeit, festzusetzen sei); BGH v. 17.12.1973 NJW 1974,

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Vereinbaren die Parteien, dass ein Dritter die noch offenen Punkte in ihrem Vertrag füllen solle, handelt es sich also nicht um einen Einigungsmangel:82 Es liegt ja gerade eine Einigung darüber vor, dass der betreffende Punkt erst später bestimmt werden solle. Ob es bei dem Punkt um ein essentiale negotii oder einen Nebenaspekt geht, spielt hier – anders als bei der Frage des Einigungsmangels – keine Rolle. Denn selbst wenn Teile der essentialia negotii, wie etwa der zu zahlende Preis, erst von dritter Seite festgelegt werden sollen, ist doch auch über diese Teile ein Konsens erzielt – nämlich der Konsens, einen Dritten einzuschalten.83 Von den §§ 317 ff. BGB wird deshalb ebenso wie von den §§ 315 f. BGB gesagt, sie stünden an der „Nahtstelle“ zwischen Konsens und Dissens.84 Es liegt 364 (Ergänzung des von den Parteien nicht geregelten Mietzinses für die Überlassung eines Grundstücks an einen von zwei Miteigentümern durch dispositives Recht analog § 745 Abs. 2 BGB); BGH v. 9.11.1966 NJW 1967, 153, 154 (offengelassener Kaufpreis in bedingtem Kaufvertrag hindert nicht die Wirksamkeit des Vertrags, wenn die Festlegung des Preises späterer Festlegung „durch Parteien, Dritte, Verkehrssitte oder Handelsbrauch“ vorbehalten und damit bestimmbar ist); BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 275 f. (Lückenfüllung nach § 315 BGB bei fehlender Einigung über die Höhe der Vergütung); RG v. 1.3.1913 JW 1913, 541 (fehlende Regelung der Vertragsdauer kann nach billigem Ermessen ersetzt werden, nicht jedoch fehlende Einigung über die Voraussetzungen einer Genehmigungspflicht); OLG Hamm v. 24.10.1975 NJW 1976, 1212 (nach Scheitern einer im Vertrag vorbehaltenen späteren Einigung über die Höhe des Kaufpreises, muss der Preis durch das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, und zwar in der Regel als angemessener Preis, ermittelt werden). 82  Beispiel: BGH v. 30.9.1992 BGHZ 119, 283 (Bierpreis in einem Bierbezugsvertrag soll später entsprechend § 317 BGB von der Brauerei gemeinsam mit dem Pächter des Vertragspartners festgelegt werden). Siehe ferner BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 1139, 1141 (generell zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten); Münch­Komm-­BGB/Busche, § 154 Rn. 3; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 7; Staudinger/Bork, § 154 Rn. 3, 8 f.; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 1a; Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 6; Medicus, AT, Rn. 432. In seinem Urteil v. 20.6.2000 NJW‑RR 2000, 1658, 1659 hat der BGH erwogen, eine von den Parteien offen gelassene Lücke (Vereinbarung eines „Freundschaftspreises“) durch Anwendung des § 317 BGB zu füllen (im Ergebnis abgelehnt). 83  Vgl. Staudinger/Bork, § 154 Rn. 3; BGH v. 7.2.2006 NJW‑RR 2006, 1139. 84  Kornblum, AcP 168 (1968), 450 f.; ähnlich Joussen, AcP 203 (2003), 429, 430. Cosack, S. 344 ff. (§ 137). Als weitere derartige „Nahtstellen“ werden immer wieder die §§ 243, 262 BGB genannt, die ebenfalls dazu dienten, eine zunächst bestehende Unbestimmtheit zu beseitigen, Cosack, S. 344 ff. (§ 137); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 212 (§ 9 3); Kornblum, AcP 168 (1968), 450 f.; Winter, S. 23; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 430. Doch liegen etwa Wahlschuld und Leistungsbestimmungsrecht weiter auseinander, als diese Gleichsetzung erkennen lässt. Überzeugender ist die Sichtweise des Redaktors v. Kübel, Bd. II/1, S. 33 f. auf die Wahlschuld: Es sei bereits „von Anfang an“ bestimmt, „daß eine der mehreren Leistungen zu erfolgen hat, und unbestimmt nur, welche der mehreren Leistungen dies sein wird“. Das Schuldverhältnis sei daher grundsätzlich unbedingt und nur dann bedingt, „wenn die Wahl auf eine Quelle gestellt ist, welche auch versagen kann, und es somit ungewiß ist, ob sie zur Lösung der Unbestimmtheit führen wird“. Dies sei gerade dann der Fall, wenn die Wahl einem Dritten übertragen sei. Diesen Unterschied erkennen auch Motive BayE, S. 63: Bei der Wahlschuld sei „der Gegenstand des Vertrages im Allgemeinen schon bestimmt, und nur unter mehreren solchen

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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zwar eine Einigung vor, doch ist das Schuldverhältnis zunächst teilweise unbestimmt. Es genügt aber, wenn durch die Delegation des Bestimmungsrechts ein Modus zur Präzisierung des Vertragsinhalts existiert und dieser damit zumindest bestimmbar ist.

4. Bestimmtheit und Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien a) Herleitung der Verteilungsfunktion des Bestimmtheitsgebots Sowohl die prozessuale Facette des Bestimmtheitsgebots als auch dessen Ausprägung in der Behandlung des Dissenses verweisen auf einen größeren Zusammenhang. Hinter dem Bestimmtheitsgebot steht eine gewisse Vorstellung über die Aufgabenverteilung zwischen Privatpersonen und staatlichen Gerichten.85 Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, einem unvollständigen Parteiwillen zur Vervollkommnung zu verhelfen. Auf der Grundlage eines bestimmt gestellten Antrags kann das Gericht dem Kläger eine Leistung zusprechen oder versagen. Sofern erforderlich, legt es dazu den Vertrag – gegebenenfalls ergänzend – aus. Ein Vertrag, dem sich im Wege der Auslegung kein eindeutiger Inhalt entnehmen lässt, ist unvollständig. Er kann dann nicht die Grundlage eines bestimmten Antrags sein und damit auch nicht ein Tätigwerden des Gerichts veranlassen. Aufgerufen sind vielmehr die Parteien, ihren unvollkommenen Willen zu vervollständigen. Das prozessual wie materiell-rechtlich verankerte Bestimmtheitsgebot bringt folglich einen „Vorrang parteiautonomer Vereinbarung“86 zum Ausdruck. Es ist „selbstverständliches Folgeprinzip der Privatautonomie“87. In den Worten von Eike Schmidt erweist sich die Bestimmtheit der Schuld „als unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlicher Zwangsvollstreckung, die nicht zu einer ‚Ersatzvornahme‘ für nicht hinreichend in Anspruch genommene Vertragsautonomie werden darf“.88 Gelange ein Gericht nach der von ihm vorzunehmenden Auslegung eines Vertrages zu dem Schluss, die Parteien hätten keine hinreichende Willensüberstimmung erzielt, sei es „nicht seine Aufgabe, in eigener Machtvollkommenheit eine Konkordanz der jeweiligen Absprachen herzustellen“.89 Diese Aufgabenverteilung ist vertraut und geradezu selbstverständlich, sofern Gegenständen eine Wahl zu treffen“, während bei der Leistungsbestimmung überhaupt „der Gegenstand selbst erst bestimmt werden soll“. Ebenso Czachorowski, S. 11. 85 Dazu Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 240 f. (§ 14 pr. und § 14 I); J.F. Baur, S. 62 f.; Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1, 3; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132. 86  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I). 87  Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132, die allerdings einem engen Verständnis schuldrechtlicher Bestimmtheit anhängen. 88  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I). 89  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 241 (§ 14 I); siehe auch Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

ein Vertrag wirksam ist und es nun darum geht, seinen Inhalt zu ermitteln.90 In den Grenzen des zwingenden Rechts hat ein Gericht den Willen der Parteien zu respektieren und darf nicht nach eigenen Wertungen korrigierend eingreifen. Eine inhaltliche Gestaltungsbefugnis kommt dem Richter nur in wenigen vom Gesetz vorgegebenen Fällen und nur im Rahmen dieser Vorgaben zu. Denn, so Gernhuber treffend, „[r]ichterliche Vertragsgestaltung steht … in einem Spannungsverhältnis zum Gedanken der Privatautonomie“.91 Es besteht kein Grund, diese Aufgabenverteilung nicht auch auf der vorgelagerten Ebene der Feststellung, ob überhaupt ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, zugrunde zu legen. Das Bestimmtheitsgebot übernimmt die Funktion einer Kompetenzverteilung zwischen Privatpersonen und dem Staat.92

b) Die Sichtweise des 19. Jahrhunderts Nach Ansicht von Jürgen Baur war es eben diese Funktion, die den Vätern des Gesetzes vor Augen stand, als sie § 352 E I in ihren Entwurf aufnahmen.93 Den Materialien entnehmen konnte er diese gesetzgeberische Intention freilich nur indirekt aus den Motiven zum heutigen § 154 BGB.94 Wer jedoch den Blick von den nicht-amtlichen Motiven auf die Protokolle der Ersten Kommission und den Vorentwurf des Redaktors Franz Philipp v. Kübel erweitert, beginnt zu zweifeln, ob die Aufgabenverteilung zwischen Bürger und Staat bereits in den Augen des historischen Gesetzgebers der eigentliche „Sinn“95 des § 352 E I und nicht bloß deren Reflex ist. Denn einen Grund für das Bestimmtheitsgebot nennen die Protokolle der beiden Kommissionen, wie gesehen, nicht. Eine Erklärung liefert nur v. Kübel in seinem Teilentwurf, der die Grundlage der Beratungen der Ersten Kommission bildete.96 Die Nichtigkeit eines Vertrages, dessen Gegenstand unbestimmt sei, folge „aus dem Wesen des Vertrags, aus welchem eine rechtliche Gebundenheit des Schuldners gegenüber dem Gläubiger zu einer Leistung sich ergeben muß; eine solche Gebundenheit ist aber nur in Beziehung auf einen bestimmten Gegenstand denkbar; es muß sicher sein, was der Schuldner leisten soll.“97

Ob jemand überhaupt nicht gebunden sei oder ob unbestimmt sei, wozu er gebunden sein wolle oder solle, mache keinen Unterschied. Da sich das Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit aus dem Wesen des Vertrages ergebe, 90  Vgl.

dazu ­L arenz, Schuldrecht I, S. 79 (§ 6 I) (mit beispielhafter Erwähnung der § 315 Abs. 3 S. 2 und der §§ 595 Abs. 6, 595a Abs. 2 BGB). 91  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 c). 92  J.F. Baur, S. 63. 93  J.F. Baur, S. 62 f. 94  Vgl. oben § 4 B.I.3. (S. 158 ff.). 95  J.F. Baur, S. 63. 96 Siehe v. Kübel, Bd. II/1, S. 266. 97  v. Kübel, Bd. II/1, S. 266 (Hervorhebung im Original).

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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sei es allgemein anerkannt. Auf die Aufgabenverteilung zwischen Privaten und Gerichten bezieht sich allenfalls eine Äußerung in v. Kübels Begründung: Die Anhaltspunkte und der Maßstab für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsgegenstandes müssen sich aus dem Willen der Kontrahenten ergeben.98 Diese Begründung spiegelt sich auch in den gängigen Stellungnahmen zum Bestimmtheitsgebot zum Ende des 19. Jahrhunderts wider. Die hauptsächliche Sorge galt der Gebundenheit des Schuldners.99 Solange diese nicht bestimmt sei, müsse die Obligation als „unfertig“ gelten.100 Die Verpflichtung zur Leistung, die das Wesen der Obligation ausmache, sei nicht damit zu vereinbaren, dass der Gegenstand der Leistung unbestimmt und damit in der Willkür des Schuldners oder des Gläubigers liege.101 Folgerichtig wurden bestimmbare Leistungsinhalte, etwa Wahlschulden, Gattungsschulden, durch einen Dritten zu bestimmende Leistungen oder Verweise auf das Übliche oder Angemessene, als unbedenklich angesehen.102 Der Mechanismus zur Beseitigung der Unbestimmtheit muss im Vertrag selbst vorgezeichnet sein, wenn nicht ohnehin die Auslegung zu einem bestimmten Vertragsinhalt führt.103 Diese Auslegung nehme der Richter nach seinem billigen Ermessen, notfalls mit Hilfe eines Sachverständigen, vor.104 Dieser Sichtweise, die die Bestimmtheit oder jedenfalls Bestimmbarkeit des Leistungsinhalts als dem Vertrag wesensmäßig erachtet, entspricht die Praxis des 19. Jahrhunderts.105 Immer wieder wird betont, dass der Gegenstand der Leistung nicht unbestimmt sein dürfe. Eine Verpflichtung, die in der  98 

v. Kübel, Bd. II/1, S. 266. Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 19 (§ 254) (sofern sich der Schuldner aufgrund der Unbestimmtheit aller Leistungspflicht entziehen könne, sei ein Forderungsrecht nur scheinbar vorhanden), S. 286 (§ 314 1); v. Savigny, OR I, S. 386 ff. (§ 38) (immerhin schon mit Hinweis darauf, dass bei einer gänzlich unbestimmten Verpflichtung „jeder Anhalt für einen richterlichen Zwang“ fehle); Brinz, Pandekten II/1, S. 97 (§ 240). Sintenis, Civilrecht II, S. 28 (§ 83) zieht zudem eine Parallele zur Unmöglichkeit: Eine unbestimmte Leistung könne nicht erbracht werden. 100  Dernburg, Pandekten II, S. 42 (§ 15). Die Bezeichnung der Obligation als unfertig („imperfecta“) lässt sich auf die Quellen zurückführen, siehe Papinian D. 45,1,115pr.; Gaius D. 18,1,35,1. 101  Wendt, S. 462 (§ 188); Goldschmidt, Bd. II, S. 41 f. mit Fn. 33. 102  Wendt, S. 462 f. (§ 188); Dernburg, Pandekten II, S. 42 ff. (§ 15); ders., Preußisches Privatrecht II, S. 50 (§ 22); v. Savigny, OR I, S. 389 (§ 38); Goldschmidt, Bd. II, S. 65. Pragmatisch Sintenis, Civilrecht II, S. 29 ff. (§ 83), der als unbestimmt dasjenige bezeichnet, was unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als bestimmbar gelten kann. 103  Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15); Sintenis, Civilrecht II, S. 28, 30 (§ 83). 104  Besonders klar Goldschmidt, Bd. II, S. 65 mit zahlreichen Beispielen in Fn. 23, von denen manche dem Richter einiges an Auslegungsarbeit abverlangen. Wenn Goldschmidt, Bd. II, S. 66 Fn. 23a schreibt, die Ergänzung unvollständiger Bestimmungen in komplizierten Verträgen durch den Richter sei hingegen undenkbar, so geht es ihm dabei weniger um die Begrenzung der richterlichen Aufgaben als vielmehr um die Komplexität des von ihm als Beispiel bemühten Sachverhalts. 105  Zum Teil wird das Bestimmtheitsgebot als überkommene Rechtsregel ohne weitere Begründung dem Urteil zugrunde gelegt, so z.B. in RG v. 8.11.1882 RGZ 8, 229; OLG Celle  99 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Willkür des Schuldners liege, sei undenkbar.106 Aus Schuldnerperspektive fehle die Ernsthaftigkeit der Verpflichtung, der Gläubiger könne auf einen unbestimmten Vertragsinhalt keine Erwartung gründen.107 Es fehle ein hinreichender Konsens der Parteien.108 Teilweise wird zudem argumentiert, aus einer unbestimmten Verpflichtung sei keine Klage und keine Verurteilung möglich.109 Jedoch gebe es zwischen unbestimmten Vertragsinhalten und ausdrücklich bestimmten Leistungsgegenständen Abstufungen. Zur Verbindlichkeit eines Vertrages reiche es aus, wenn der Leistungsinhalt anhand eines objektiven Maßstabs festgestellt werden könne110 oder seine Bestimmung in zulässiger Weise delegiert worden sei111. Bei Bestehen objektiver Anhaltspunkte könne die Festsetzung durch richterliches Ermessen erfolgen.112 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der BGB-Gesetzgeber bei der Verankerung des Bestimmtheitsgrundsatzes in § 352 E I vermutlich von der Vorstellung leiten ließ, die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit gehöre zum Wesen der Obligation. Er kodifizierte einen Satz, der in seinen Augen im Grunde eine Selbstverständlichkeit darstellen musste. Die Streichung der Norm durch v. 15.3.1884 SeuffA 39 (1884), 401 (Nr. 294); BayObLG v. 26.9.1881 SeuffA 37 (1882), 411 (Nr. 300). 106  Obertribunal Stuttgart v. 12.9.1876 SeuffA 32 (1877), 271 (Nr. 214); OAG Darmstadt v. 1.7.1873 SeuffA 29 (1874), 21 (Nr. 14); OAG Jena v. 20.12.1827 SeuffA 17 (1864), 191 (Nr. 124). 107  OAG Dresden v. 6.2.1862 SeuffA 16 (1863), 46 (Nr. 26). 108  OG Wolfenbüttel v. 4.11.1859 SeuffA 13 (1860), 306 (Nr. 219). 109 Obertribunal Stuttgart v. 12.9.1876 SeuffA 32 (1877), 271 (Nr. 214); Obertribunal Stuttgart v. 26.9.1862 SeuffA 15 (1862), 352 (Nr. 211); OAG Dresden v. 6.2.1862 SeuffA 16 (1863), 46 (Nr. 26); OAG Jena v. 20.12.1827 SeuffA 17 (1864), 191 (Nr. 124) (Versprechen „guter Bezahlung“ für die Besorgung von Geldgeschäften). Siehe auch Brinz, Pandekten II/1, S. 97 (§ 240): Wenn aus der Obligation verurteilt werden soll, muss „das unvollkommen Bestimmte in vollkommene Bestimmtheit“ übergehen. Bei der Beantwortung der an diese Feststellung angeschlossene Frage, „bei wem diese letzte Bestimmung sei“, kommt Brinz auf die – an sich naheliegende – gerichtliche Bestimmung nicht zu sprechen. 110  RG v. 8.11.1882 RGZ 8, 229; RG v. 9.7.1880 SeuffA 36 (1881), 30 (Nr. 21); BayObLG v. 4.1.1883 SeuffA 38 (1883), 280 (Nr. 220) (durch „gehörige Anwendung der Interpretationsregeln“); Obertribunal Stuttgart v. 26.9.1862 SeuffA 15 (1862), 352 (Nr. 211); OAG Dresden v. 6.2.1862 SeuffA 16 (1863), 46 (Nr. 26). 111  RG v. 8.11.1882 RGZ 8, 229; ROHG v. 18.3.1874 SeuffA 30 (1875), 205 (Nr. 138) (Verkauf von einem „Pöstchen“ Zucker räumt dem Verkäufer ein Bestimmungsrecht ein, bei dessen Ausübung er sich daran zu orientieren hat, was in der Vergangenheit zwischen den Parteien üblich war). 112  RG v. 9.7.1880 SeuffA 36 (1881), 30 (Nr. 21) (Zusage, einen bei der Arbeit verunglückten Arbeitnehmer auf Lebenszeit zu versorgen, führt zu Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Entlohnung entsprechend des bisherigen Entgelts, die durch richterliches Ermessen und notfalls durch Befragung eines Sachverständigen zu ermitteln ist); BayObLG v. 4.1.1883 SeuffA 38 (1883), 280 (Nr. 220) (Versprechen ein Defizit auszugleichen, lässt sich anhand der Höhe des Defizits konkretisieren); OAG Darmstadt v. 1.7.1873 SeuffA 29 (1874), 21 (Nr. 14) (Lieferung von soviel Holz, wie der Gläubiger zur Errichtung eines Bauwerks benötigt); Obertribunal Stuttgart v. 26.9.1862 SeuffA 15 (1862), 352 (Nr. 211) (verschiedene Zusagen, bei Errichtung und Betrieb einer Brauerei „nach Kräften behülflich“ zu sein, zu vage).

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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die Zweite Kommission als entbehrlich erscheint als logische Folge dieser Sichtweise. Die Sorge vor einem rechtsgestaltenden Richter und einem Eingriff in die Vertragsfreiheit durch richterliche Vertragsergänzung ist damit nicht das vorrangige Motiv des Gesetzgebers gewesen. Die Beschränkung der richterlichen Aufgabe auf die Auslegung dessen, was die Parteien ihm als Vereinbarung vorgeben, stellt sich aus diesem Blickwinkel als Reflex des Bestimmtheitsgebots dar. Die moderne Interpretation des Bestimmtheitsgebots als Kompetenzverteilung zwischen Privatparteien und Gerichten kehrt diese Ausgangslage um: Für den BGB-Gesetzgeber hätte – im Einklang mit Schrifttum und Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts – ein Gericht nur die Kompetenz zur Auslegung und nicht zur Vertragsergänzung gehabt, weil der Gegenstand der Leistungspflicht bestimmt oder bestimmbar sein muss. Nach der neueren Interpretation muss der Gegenstand der Leistungspflicht bestimmt oder bestimmbar sein, weil einem Gericht nur die Kompetenz zur Auslegung und nicht auch zur Vertragsergänzung zukommt. Erst diese zweite Formulierung ist in der Lage, das Bestimmtheitsgebot nicht nur auf eine apriorische Vorstellung vom Wesen der Obligation zurückzuführen, sondern ihm einen materiellen Gehalt zu geben.

c) Wandel der Aufgabenverteilung bei der Erbauseinandersetzung Dass derartige Überlegungen dem BGB-Gesetzgeber nicht ganz fremd waren, zeigt die Entwicklung der Erbauseinandersetzung durch einen Dritten im Laufe der Arbeiten am BGB. Sie stellt an einem dem § 317 BGB bis in die Formulierung hinein verwandten Institut ein Beispiel dafür dar, wie der Gesetzgeber Aufgaben von den Gerichten in die privaten Hände des Erblassers verlagert hat. Die heute in § 2048 S. 2 BGB enthaltene Möglichkeit, die Erbauseinandersetzung an einen Dritten zu delegieren, gelangte erst in einem späten Stadium der Beratungen in das BGB. Anordnungen des Erblassers, die sich auf die Auseinandersetzung des Nachlasses bezogen, waren jedoch auch im Gemeinen Recht schon bekannt gewesen. Umstritten war allerdings ihre Verbindlichkeit. Allgemein als verbindlich angesehen wurde lediglich die Zuweisung eines einzelnen Nachlassgegenstandes an einen Miterben, da es sich um ein Vermächtnis handele.113 An andere, allgemeiner gefasste Anordnungen über die Auseinandersetzung – etwa darüber, ob die Teilung durch öffentliche Versteigerung stattzufinden habe – sahen demgegenüber manche den Richter im Rahmen der 113  Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 502 Fn. 16 (§ 608); Brinz, Pandekten III/1, S. 282 f. (§ 407) (letztwillige Teilung bestehe stets in Vorvermächtnissen); P. v. Roth, S. 732 (§ 374); Mühlenbruch, in: Glück, Bd. XLII, S. 152 ff. (Verteilung einzelner Nachlassgegenstände bis zur Grenze der gesetzlichen Mindestbeteiligung am Nachlass zulässig und für den Teilungsrichter bindend, selbst wenn der Erblasser keine Erbeinsetzung vornahm); Fein, in: Glück, Bd. XLV, S. 227 ff., insb. Fn. 59 (Anordnungen des Vaters über die Verteilung seines Vermögens unter den Kindern binden den Teilungsrichter).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Erbteilungsklage (actio familiae erciscundae)114 nicht gebunden. Er dürfe sich nur nicht willkürlich über diese Anordnung hinwegsetzen.115 In dieser Ansicht spiegelt sich die große Freiheit des Teilungsrichters116 wider, den die Mit­erben zur Auflösung ihrer Gemeinschaft anrufen konnten. Schon die römischen Quellen rekurrierten zur Umschreibung des richterlichen Entscheidungsmaßstabs auf die Figur des bonus vir.117 Der Teilungsrichter, heißt es im 19. Jahrhundert, hatte nur „ex aequo et bono“118, nach „seinem besten Ermessen“119, nach „objectiver Billigkeit“120, nach „Billigkeit und Zweckmäßigkeit“121, nach „Zweckmäßigkeit und Gewissen“122 zu entscheiden; er sollte so teilen, „wie er glaubt, dass es den wohlverstandenen Interessen der Parteien am angemessensten ist“123. Es war ihm sogar gestattet, Forderungen oder Schulden, die nach Gemeinem Recht eigentlich nicht in den Nachlass fielen, sondern geteilt auf die Erben übergingen, etwa zum Zwecke der Ausgleichung einem einzelnen Erben zuzuweisen.124 Ebenso konnte er Nachlassgegenstände, an denen mit dem Erbfall eigentlich Eigentum nach Bruchteilen entstand,125 einem einzelnen Erben übertragen.126 Schon der Vorentwurf v. Schmitts und mit ihm der Erste Entwurf, mit dem der BGB-Gesetzgeber grundsätzlich noch an der gemeinrechtlichen Konzeption der Mehrheit von Erben festgehalten hatte,127 gaben Anordnungen des Erb114 

Überblick bei Glück, Bd. XI, S. 1 ff. Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 502 Fn. 16 (§ 608); Koeppen, S. 243 Fn. 6; P. v. Roth, S. 732 (§ 374) (allgemeine Anordnungen „nicht absolut verbindlich“); a.A. Dernburg, Pandekten III, S. 350 mit Fn. 17 (§ 176); Seuffert, Pandekten III, S. 250 mit Fn. 7 (§ 591) (im Anschluss an Windscheid aber die von E. A. Seuffert bearbeitete 4. Auflage, S. 289 Fn. 7); Sintenis, Civilrecht III, S. 538 (§ 188). 116  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 355 f.; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 372; Kipp/Coing, S. 637 (§ 118 I); Sintenis, Civilrecht III, S. 537 (§ 188); Koeppen, S. 243 ff.; zur actio familiae erciscundae im römischen Recht siehe Krenz, S. 110 ff. m.w.N. Zur parallelen Situation der Teilung bei der Gemeinschaft Jakobs/Schubert, Bd. II/3, S. 394 f. 117  Ulpian D. 10,2,4,1 („boni enim et innocentis viri officio eum fungi opportet“). 118  Koeppen, S. 243. 119  P. v. Roth, S. 736 (§ 374). 120  Koeppen, S. 235 sowie S. 243 („ex aequo et bono“). 121  Dernburg, Pandekten III, S. 351 (§ 176). 122  Brinz, Pandekten III/1, S. 283 (§ 407). 123  Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 502 mit Fn. 19 (§ 608) (actio familiae erciscundae sei bonae fidei, d.h. das Rechtsverhältnis zwischen den Miterben unterliege freiem richterlichen Ermessen). Ähnlich die Formulierung bei v. Schmitt II, S. 339 („wie es dem wohlverstandenen Interesse aller Betheiligten entspreche“). 124  Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 500 f. (§ 608). 125  Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 499 f. (§ 608); Koeppen, S. 222. 126  Zu den Entscheidungsmöglichkeiten des Richters Koeppen, S. 244. Der große Entscheidungsspielraum des Richters dürfte die praktischen Nachteile dieses Modells abgemildert haben, siehe etwa Binder, Bd. III, S. 3. 127 Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 281 ff., 369; Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 292 ff., 749 f.; insbesondere auch die Gründe bei v. Schmitt II, S. 147 ff., die sich die Erste Kommission 115 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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lassers über die Auseinandersetzung generell verpflichtende Wirkung. Implizit ergab sich das aus dem zeitlich früher beratenen § 1898 Abs. 1 E I, der den Testamentsvollstrecker nur dann zur Auseinandersetzung berechtigte und verpflichtete, wenn der Erblasser eine Auseinandersetzung durch den Testamentsvollstrecker angeordnet oder sonstige „besondere auf die Auseinandersetzung sich beziehende Anordnungen getroffen hat“.128 Die Erste Kommission hielt es für ratsam, darüber hinaus eine ausdrückliche Regelung aufzunehmen, um klarzustellen, dass dem Erblasser neben Vermächtnis und Auflage noch dieser weitere Typus von Anordnung zur Verfügung steht (§ 2152 E I):129 „Der Erblasser kann durch Verfügung von Todeswegen Anordnungen für die Auseinandersetzung der Erben, insbesondere für die Art der Theilung, treffen.“

Diese Anordnungen hatten – die Erste Kommission ergänzt: „selbstverständlich nur“ – verpflichtende Wirkung zwischen den Erben.130 Den gestärkten Befugnissen des Erblassers stand eine Beschränkung der Auseinandersetzungskompetenzen des Richters gegenüber: Nach § 2156 E I konnte dieser nicht mehr im Rahmen einer Erbteilungsklage den Nachlass selbst verteilen, sondern es konnte nur noch das Nachlassgericht die Auseinandersetzung unter den Erben vermitteln, sofern nicht ohnehin ein zur Bewirkung der Auseinandersetzung berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden war. Anders als der Vorentwurf v. Schmitts131 hatte die Erste Kommission mehrere Bedenken gegen die Erbteilungsklage und die damit einhergehenden „anomalen Beausdrücklich zu eigen macht. – Siehe z.B. Staudinger/O. Werner, Vorbem zu §§ 2032–2057a Rn. 5; Kipp/Coing, S. 609 (§ 114 I 1) mit Quellennachweisen; v. Lübtow II, S. 796 ff. (mit dem Hinweis, dass im E I zwei Rechtsbehelfe weggefallen waren, die im Gemeinen Recht die Nachteile des Bruchteilsmodells für Nachlassgläubiger abgemildert hatten: zum einen die amtliche Nachlassregulierung zur Abfindung aller sich meldenden Nachlassgläubiger vor der Realteilung des Nachlasses und zum anderen ein gesetzliches Veräußerungsverbot während des Teilungsprozesses); Binder III, S. 1 ff.; Hoffmann, Jura 1995, 125, 126. – Sehr kritisch zur Loslösung der Konzeption des Rechtsverhältnisses zwischen den Miterben von den historisch damit verbundenen Teilungsregeln auch Krenz, S. 1 und passim; ders., AcP 195 (1995), 361, 370 f. 128  In den Beratungen dieser Vorschrift wird die Befugnis des Erblassers mehr vorausgesetzt als wirklich thematisiert, Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1411. 129  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 758; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 370. Die Vorstellung, dass eine Anordnung über die Auseinandersetzung ein Vermächtnis enthalten könne, wirkte gleichwohl fort, Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 780. – Vgl. § 399 Abs. 2 des Vorentwurfs v. ­Schmitts: „Bei der Theilung ist zunächst auf die Anordnungen des Erblassers, soweit solche nicht durch das Gesetz ausgeschlossen sind, Rücksicht zu nehmen.“ 130  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 758. Siehe bereits v. Schmitt II, S. 332, 341 und speziell zur Bindung des Testamentsvollstreckers v. Schmitt I, S. 473; P. v. Roth, S. 810 (§ 391) (Bindung des Testamentsvollstreckers an die Anordnungen des Erblassers, wenn nicht alle Beteiligten eine Abweichung gestatten). 131  v. Schmitt II, S. 331 ff. Vorteil des gerichtlichen Teilungsverfahrens sei unter anderem, dass für die Auseinandersetzung häufig eine „Mittelsperson“ vonnöten sei, aber von den Erben nicht erwartet werden könne, dass es ihnen gelinge, sich auf eine Person zu einigen.

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fugnisse“ und die „besondere freie Stellung“ des Teilungsrichters:132 Die Klage hätte den Gleichlauf mit dem zuvor bereits beratenen Recht der Gemeinschaft im Recht der Schuldverhältnisse gestört, auf das sich der Erbrechtsgesetzgeber aber ausdrücklich beziehen wollte und das ohne eine derartige Klage auskommen musste. Eine Teilungsklage lasse sich kaum in die bestehenden Verfahrensgesetze einpassen.133 Zudem sei es nicht zu rechtfertigen, wenn ein Gericht als öffentliche Behörde gewissermaßen zum subsidiären Testamentsvollstrecker würde. Deutlich im Hintergrund dieser Überlegungen erkennbar ist die Vorstellung, dass der Miterbe keinen Anteil am Gesamtnachlass, sondern nur Anteile an jedem einzelnen Nachlassgegenstand hält.134 Diese Überlegungen bewirkten in der Sache eine – in den Beratungen freilich nicht bewusst thematisierte – Privatisierung der Erbauseinandersetzung.135 Die Erbauseinandersetzung ist in erster Linie eine Angelegenheit privatautonomer Regelung.136 Denn die actio familiae erciscundae hatte nicht nur dazu gedient, eine Auseinandersetzung zu bewirken, wenn die Erben sich über die Verteilung nicht einigen konnten. Sie hatte den Erben auch offengestanden, um ohne Streit einen Außenstehenden mit der Teilung zu betrauen.137 Den Teilungsrichter zeichnete besonders die von ihm zu erwartende Unparteilichkeit aus, mit der er den Miterben über Einigungsschwierigkeiten hinweghelfen konnte.138 Dieser Weg, einen „öffentlichen“ Dritten als Verteilungsinstanz einzuschalten, war den Erben nunmehr verwehrt; auch der Erblasser hatte sich darauf einzustellen, dass die Erben ohne diesen Weg auskommen müssen. Zuständig für die Auflösung der Rechtsverhältnisse der Miterben waren nunmehr die Miterben selbst oder ein vom Erblasser dazu berufener Testamentsvollstrecker. Der (Nachlass‑) Richter übte allenfalls noch eine helfende Funktion aus; selbst die Ansätze einer Zwangsbefugnis gegenüber passiven Miterben, die das heutige Recht in den 132  Zitate bei Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 755. Zu den im Folgenden genannten Argumenten siehe Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 755 ff.; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 372 ff.; Krenz, S. 1. 133  Problematisch erschien beispielsweise, dass für die Klage kein bestimmter Klageantrag erforderlich war (Binder, Bd. III, S. 235) und dass das Verfahren eigentlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen sei (Koeppen, S. 227). 134  Siehe etwa Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 374. 135 Aus der Dogmengeschichte der Erbauseinandersetzung gewinnt Krenz, AcP 195 (1995), 361, 370 ff. (und ausführlich ders., S. 8 und passim) die Dichotomie zwischen richterlichen Gestaltungsverfahren auf der einen und internen Gestaltungsverfahren auf der anderen Seite. Die hier beobachtete „Privatisierung“ stellt allerdings keineswegs einen Paradigmenwechsel von der einen zur anderen Verfahrensart dar. Vielmehr dürfte die Kategorie der richterlichen Gestaltungsverfahren zu eng gefasst sein: Hierher gehören auch alle anderen Verteilungsverfahren durch einen Außenstehenden, wie z.B. den Testamentsvollstrecker. 136  Ann, S. 272; Ebenroth, Rn. 795 ff.; Betzhold, S. 74. 137  Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 500 (§ 608); Koeppen, S. 235; OLG Braunschweig v. 13.3.1882 SeuffA 38 (1883), 420 (Nr. 324). Allerdings gab es auch Stimmen, die ein Bestreiten der Teilungspflicht oder des Teilungsmaßstabs zur Voraussetzung der actio familiae erciscundae erhoben, OAG Darmstadt v. 9.3.1964 SeuffA 21 (1868), 96 (Nr. 53). 138  Koeppen, S. 227.

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§§ 366, 368, 371 FamFG kennt, schienen der Ersten Kommission systemwidrig.139 Damit ist es von Interesse, welche Kompetenzen die Erste Kommission dem Testamentsvollstrecker im Rahmen der Auseinandersetzung zubilligte: Im Unterschied zum heutigen § 2204 BGB sah § 1898 Abs. 1 E I den Testamentsvollstrecker nur dann zur Auseinandersetzung befugt an, wenn der Erblasser ihm diese Aufgabe, sei es ausdrücklich, sei es mittelbar durch generelle Anordnungen zur Auseinandersetzung, übertragen hat. Die Erste Kommission erachtete die Auseinandersetzungsbefugnis als so weitreichend, dass sie nicht ohne weiteres als in der Anordnung von Testamentsvollstreckung enthalten angesehen werden könne.140 Der Testamentsvollstrecker war an Teilungsanordnungen des Erblassers gebunden.141 Im Übrigen hatte er die Auseinandersetzung nach den üblichen Regeln für die Auseinandersetzung zu bewirken (§ 1898 Abs. 2 E I). Die Festsetzungen des Testamentsvollstreckers banden die Miterben wie eine von ihnen geschlossene Auseinandersetzungsvereinbarung.142 Einer Anordnung des Testamentsvollstreckers widersprechen konnten die Erben nur, wenn diese einer Anordnung des Erblassers, dem Gesetz oder, falls der Testamentsvollstrecker nach Ermessen entscheiden durfte, der Billigkeit widersprach (§ 1898 Abs. 5 E I).143 Nicht ganz klar ist, worauf der hier besonders interessierende Verweis auf das Ermessen beruht: Geht es um die Ermächtigung zur Ermessensentscheidung durch den Erblasser? Dafür könnte sprechen, dass der Testamtensvollstrecker an Anordnungen des Erblassers gebunden war und somit auch eine Befreiung von den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln zu beachten hätte. Wahrscheinlicher ist aber eine andere Deutung. Ermessens­ entscheidungen waren dann von dem Testamentsvollstrecker gefordert, wenn ihm entweder das Gesetz oder eine bestimmte Teilungsanordnung des Erblassers einen Entscheidungsspielraum ließ. „Nicht selten“, heißt es in einem Pandektenlehrbuch, habe der Vollzug einer Anordnung vom billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers abgehangen.144 Über den Maßstab zur Kontrolle einer derartigen Entscheidung wird dort allerdings nichts mitgeteilt; zur Anfechtung der Entscheidung berechtigte aber offenbar ein Verstoß gegen Anordnungen des Erblassers, wenn er konkrete Auswahlvorgaben gemacht hatte.145 Sei der Tes139 

Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 373. Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1411; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 120. 141  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1411; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 120. Dies ergab sich auch aus dem Verweis in § 1898 Abs. 2 E I auf § 2152 E I. 142  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1412; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 121. 143 Dazu Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1412 f. 144  Seuffert, Pandekten III, S. 184 (§ 553). 145  Siehe dazu die Entscheidung OAG Jena SeuffA 2 (1848), 266 (Nr. 205): Der Erblasser hatte dem Testamentsvollstrecker die Aufgabe übertragen, aus den Erträgen einer letztwillig errichteten Stiftung Stipendien zu gewähren an zwei „arme“ Studenten aus der Verwandtschaft des Erblassers, die eine Auswahlprüfung bestehen und an einer sächsischen Universtität studieren. Der unterlegene von zwei Bewerbern auf einen freien Stipendienplatz ver140 

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tamentsvollstrecker zugleich Schiedsrichter, finde keine richterliche Kontrolle seiner Entscheidung statt.146 In dem ersten Beschluss in den Beratungen zu der maßgeblichen Vorschrift heißt es wenig konkret: „soweit bei der Theilung dem billigen Ermessen Raum gelassen werde“.147 Die Umsetzung dieses Beschlusses in einen Gesetzesvorschlag enthielt allerdings zunächst die Formulierung: „sofern nach den Vorschriften der §§ 399 bis 410 [des Erbrechtsentwurfs zur Auseinandersetzung der Miterben] das Ermessen entscheidet“.148 Damit könnte vielleicht gemeint sein, dass beispielsweise insofern „Raum“ für eine Er­mes­sens­ entscheidung besteht, als nach den in Bezug genommenen Vorschriften Forderungen und Schulden in die Auseinandersetzung einbezogen werden können und also nicht müssen. Gemeint ist aber offenbar nicht die generelle Be­freiung des Testamentsvollstreckers von den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln. Dieser Ursprung ist freilich dem Wortlaut des § 1898 Abs. 5 E I149 bereits nicht mehr anzusehen. Die Zweite Kommission änderte die Vorschriften über die Auseinandersetzung durch den Testamentsvollstrecker insofern, als diese Befugnis dem Testamentsvollstrecker nunmehr im Zweifel zukommen solle.150 Vor allem aber stellte sie heraus, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker ermächtigen könne, die Auseinandersetzung nach billigem Ermessen vorzunehmen.151 Eine Minderheit hatte sogar dem Testamentsvollstrecker stets eine Auseindandersetzung nach billigem Ermessen gestatten wollen, sofern der Erblasser keine besonderen Anordnungen über die Auseinandersetzung getroffen hatte. Denn nur auf diese Weise könne der Erblasserwille ausgeführt werden.152 Nach dieser Vorstellung impliziert also die Delegation der Auseinandersetzung, die andernfalls der Erblasser mit Hilfe von Teilungsanordnungen privatautonom reklagte vergeblich den Testamentsvollstrecker auf Vergabe des Stipendiums an ihn. Die Auswahlentscheidung sei allenfalls dann aufhebbar, wenn sie „stiftungswidrig“ sei, d.h. zu den Anordnungen des Erblassers im Widerspruch stehe. Beide Bewerber seien jedoch im Wesentlichen gleich qualifiziert, der unterlegene bedürftiger, der erfolgreiche wissenschaftlich ausgewiesener. Da der Testamentsvollstrecker als Beauftragter des Erblassers anzusehen sei (das war freilich streitig, vgl. Koeppen, S. 585 m.w.N.), müsse in einem derartigen Fall sein arbitrium boni viri entscheiden. Wo der Erblasser dem Testamentsvollstrecker einen Spielraum gewähre, dürfe dieser nach Ermessen entscheiden (die hierfür als Beleg angeführte Stelle aus Mühlenbruch, in: Glück, Bd. XLIII, S. 421 sagt freilich weniger aus, nämlich nur, dass der Testamentsvollstrecker bisweilen das Testament auszulegen habe, die definitive Auslegung des Testaments aber dem Richter vorbehalten sei). Danach sei es nicht zu beanstanden, wenn der Testamentsvollstrecker im vorliegenden Fall den Studienerfolg höher gewichtet habe als die Bedürftigkeit. 146  Seuffert, Pandekten III, S. 184 (§ 553). 147  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1412 f. 148  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1431 Fn. 5. 149  Zur Änderung siehe Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1431. 150  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 653; Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1452. 151  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 653. 152  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 653.

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geln müsste, dass der im Wege der Delegation Beauftragte nach billigem Ermessen zu entscheiden und auf diese Weise einen Willen zu bilden habe, wie er dem Willen des Delegatars entspreche. Dies erschien der Mehrheit zu weitgehend: Im Zweifel wolle der Erblasser, dass die Erben dasjenige erhielten, was ihnen nach den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln zustehe.153 Auf der Grundlage dieser Beschlüsse wurde folgende Vorschrift formuliert und gebilligt: „Der Erblasser kann den Vollstrecker ermächtigen, die Auseinandersetzung unter den Miterben nach billigem Ermessen vorzunehmen. Die von dem Vollstrecker auf Grund einer solchen Ermächtigung vorgenommene Auseinandersetzung ist für die Miterben unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. (Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urtheil.)“154

Die Beschränkung des Kontrollmaßstabs von der Unbilligkeit auf die offenbare Unbilligkeit entstammt offenbar den Formulierungen in zwei – wesentlich weiter gehenden – Anträgen.155 Über die Beratung dieses Aspekts der Anträge ist nichts mitgeteilt; die Formulierung deckt sich aber mit der Beschränkung des Kontrollmaßstabs im Schuldrecht im Verlauf der Beratungen von Erster zu Zweiter Kommission.156 Dass nun die Zweite Kommission das Rechtsverhältnis der Miterben einem grundsätzlichen Konzeptionswandel unterwarf und sich fortan an dem preußischen Vorbild der Erbengemeinschaft orientierte,157 hatte auf die einmal getroffene Entscheidung, dass auf die Teilung bezogene Anordnungen der Erblassers verbindlich sein sollen, keinen Einfluss.158 Ohne großes Aufheben ergänzte die Zweite Kommission die Vorschrift über Teilungsanordnungen auf Antrag Jacubezkys um einen zweiten Absatz, aus dem später mit nur noch sprachlichen Änderungen § 2048 S. 2 und 3 wurden: „[Der Erblasser] kann anordnen, daß die Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines Dritten erfolgen soll. In einem solchen Falle ist die von dem Dritten getroffene Bestimmung für die Erben nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist.“ 153 

Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 653. in: Mugdan, Bd. V, S. 655 (Klammerzusatz im Original). Vgl. auch die nahezu wortgleiche Weiterentwicklung in Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1492, wo lediglich aus dem „Vollstrecker“ der „Testamentsvollstrecker“ geworden ist. 155  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1446, 1448 (von Börner und von Rüger). 156  Siehe unten § 15 C.I.1.a) (S. 717 ff.). 157 Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 495; zur Kritik am Ersten Entwurf stellvertretend v. Gierke, Entwurf, S. 551 f. m.w.N.; Strützki, S. 175 ff.; Binder III, S. 3 f.; ferner S. 132 ff. der Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. V. Die Zweite Kommission sah durchaus, dass beide Modelle ihre Vorzüge und Nachteile haben, entschied sich aber letztlich für die Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft, um die Nachlassgläubiger davor zu schützen, statt eines einzigen Schuldners nunmehr eine Vielzahl von Teilschuldnern verfolgen zu müssen, siehe z.B. Staudinger/ O. Werner, Vorbem zu §§ 2032–2057a Rn. 13 ff.; Lange/Kuchinke, S. 1085 ff. (§ 42 I 4, 5); v. Lübtow II, S. 798 f.; Kipp/Coing, S. 609 f. (§ 114 I 2); Hoffmann, Jura 1995, 125, 126. 158  Vgl. die Änderungsanträge in Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 790 f. 154  Prot.,

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Damit wurde die bereits für Testamentsvollstrecker beschlossene Regel auf jeden Dritten übertragen.159 Die entsprechende Vorschrift bei den Regeln der Testamentsvollstreckung wurde gestrichen.160 Was der Erblasser jedem Dritten gestatten kann, kann er natürlich auch dem Testamentsvollstrecker einräumen.161 Der Antrag wurde ohne große Beratung angenommen, denn nach einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1888 gelte dieser Satz ohnehin schon im Gemeinen Recht.162 Insbesondere ist wie bei den Beratungen zum Testamentsvollstrecker, so auch hier nichts darüber überliefert, inwieweit den Gesetzesverfassern die Parallele zur schuldrechtlichen Regelung im späteren § 319 BGB vor Augen stand.163 Die nahezu wortgleiche Formulierung lässt jedoch vermuten, dass hier ein allgemeines Prinzip am Werk war und aus dem Schuldrecht vertraute Vorstellungen die erbrechtliche Regelung geprägt haben. In der von den Gesetzesverfassern angeführten Reichsgerichtsentscheidung ging es übrigens um folgenden Sachverhalt: Eheleute hatten sich in einem Vertrag gegenseitig ermächtigt, „die [gesetzlichen] Erbteile der Kinder an dem Nachlaß des zuerst Verstorbenen zu bestimmen“. Das Reichsgericht enthielt sich einer Stellungnahme zu der Frage, ob die Eheleute einander hätten ermächtigen können, die Erben des zuerst Verstorbenen und deren Anteile zu bestimmen. Es hielt die streitgegenständliche Vereinbarung aber für zulässig, da sie dem überlebenden Ehegatten lediglich das Recht gebe, „unter bestimmten Erben, nämlich den Kindern der Kontrahenten, an deren Intestaterbrecht nichts geändert ist, unter Berücksichtigung des Pflichtteilsrechtes den Nachlaß des zuerst Verstorbenen zu verteilen“.164 Über diese bloße Feststellung hinaus enthält die Entscheidung freilich nichts zur Frage des Entscheidungsmaßstabs des Überlebenden oder einer Kontrolle seiner Entscheidung. In der Sache war mit der Erstreckung der Auseinandersetzung nach Ermessen vom Testamentsvollstrecker auf jeden Dritten die Privatisierung der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft abgeschlossen. Die Herkunft der Regel aus dem Testamentsvollstreckerrecht mag zugleich erklären, weshalb die Gesetzesverfasser keinen Konflikt mit dem Drittbestimmungsverbot gesehen haben: Die Testamentsvollstreckung war ja gewissermaßen ein bereits anerkannter Fall der Delegation des Erblasserwillens. Versteht man die Ermessensbefugnisse des Dritten aber als Privatisierung der Erbauseinandersetzung, dann wird zugleich 159 

Vgl. Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 506. Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 802; Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 506. 161  Aus heutiger Sicht siehe nur Bamberger/Roth/J. Mayer, § 2208 Rn. 18. 162  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 506; gemeint ist RG v. 9.10.1888 RGZ 21, 188. 163 Siehe aber den Verweis auf die schuldrechtliche Leistungsbestimmung durch einen Dritten in den Änderungsvorschlägen des Redaktors v. Schmitt aus dem Jahre 1886, v. Schmitt II, S. 747. Der Testamentsvollstrecker handele bei der Teilung als leistungsbestimmender Dritter. Es sei nicht bedenklich, „die Privatautonomie des Erblassers so weit reichen zu lassen“. 164  RG v. 9.10.1888 RGZ 21, 188, 190. 160 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

175

deutlich, wie sinnvoll eine derartige Anordnung für den Erblasser sein kann: Ihm wird die Last abgenommen, selbst Teilungsanordnungen zu treffen. Den Erben wird die – vom Gesetzgeber als nicht gering eingeschätzte – Bürde genommen, sich auf eine Verteilung des Nachlasses einigen zu müssen. Zudem kann die Befreiung von den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln eine Zerschlagung oder Verschleuderung wirtschaftlicher Werte verhindern.165 Auch bei Nachlässen, deren Bestand sich zwischen Testamentserrichtung und Auseinandersetzung wahrscheinlich verändern wird, kann eine Befreiung von den gesetzlichen Teilungsregeln von Vorteil sein.166 Dieses Plädoyer für eine private Gestaltung der Erbauseinandersetzung stellt sich möglicherweise gegen einen „Trend moderner Erbrechtskodifikationen“167 hin zur Zuweisung einer Gestaltungsbefugnis an das Gericht. Die private Gestaltung stünde aber näher an den Vorstellungen des BGB-Gesetzgebers168 und dessen Vorbehalten gegen die Einpassung eines gerichtlichen Zuweisungsverfahrens in die Prozessrechtsordnungen,169 mögen diese Vorstellungen auch insofern aus heutiger Sicht zweifelhaft erscheinen, als dem Gericht durchaus in manchen Fällen ähnliche Gestaltungsbefugnisse zukommen170 – am deutlichsten im Fall des § 2048 S. 3 BGB. Für eine private Auseinandersetzung dürften in der Regel auch die schnellere Nachlassabwicklung sowie geringere Kosten sprechen.171 Ist der Dritte zugleich Testamentsvollstrecker, kann er den von ihm aufgestellten Plan aufgrund seiner Verfügungsbefugnis (§ 2205 S. 2 BGB) selbst vollziehen.172 Einem „gewöhnlichen“ Dritten ohne diese Befugnisse ist dieser Weg 165  Dazu unten § 16 B.III.3.a)aa) (S. 798 ff.). – Selbstverständlich können die Befugnisse des Dritten heute nicht so weit reichen wie die des Teilungsrichters im Gemeinen Recht. Die Zuweisung von Nachlassschulden an einen einzelnen Miterben wäre heute wohl nicht mehr angemessen, vermutlich wäre sie im Hinblick auf die Gläubigerinteressen nicht einmal verfassungsgemäß. Aber sie ist auch nicht mehr nötig, da eine Auseinandersetzung erst stattfindet, wenn die Nachlassgläubiger befriedigt sind (§ 2046 BGB). Die Miterben können nicht durch Vereinbarung ihre Haftung mit Wirkung gegenüber den Nachlassgläubigern ändern, Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 4. Und schon nach Gemeinem Recht war die Zustimmung des Gläubigers erforderlich, um einen einzelnen Miterben zum alleinigen Schuldner zu machen, Windscheid/Kipp, Pandekten III, S. 501 Fn. 9 (§ 608). 166  Exner, S. 95 f. 167  Krenz, AcP 195 (1995), 361, 384 mit Nachweisen; siehe auch die moderne Aufgabenübertragung auf den Notar, dazu unten § 16 B.III.3.a)aa) (S. 796). 168  So auch Eberl-Borges, ErbR 2009, 234, 246, die aber gleichwohl für die Einführung eines amtlichen Teilungsverfahrens plädiert, falls der Erblasser keine diesbezüglichen Anordnungen getroffen hat. 169  Sehr kritisch gegenüber einer gerichtlichen Nachlassabwicklung Muscheler, Rn. 3934. 170  Darauf weist zu Recht hin Krenz, AcP 195 (1995), 361, 385. 171  Auf die Kosten einer Erbauseinandersetzungsklage wie auch der Versilberung von Nachlassgegenständen durch Teilungsversteigerung (§§ 180 ff. ZVG) weist zu Recht hin Eberl-Borges, ErbR 2009, 234, 235. Generell Ruby, ZEV 2007, 18, 22: Kaum etwas fürchte der Erblasser mehr, „als dass der eigene Nachlass durch eine Vielzahl von Prozessen pulverisiert wird“. 172  Allerdings ist er dabei vielfach auf die Mitwirkung der Erben angewiesen. Wenn er bei-

176

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

verwehrt, die Miterben müssen die Vollzugsgeschäfte auf der Grundlage des schuldrechtlich bindenden Auseinandersetzungsplans selbst vornehmen. Wenn dem Erblasser daran liegt, die Auseinandersetzung und Teilung den Erben  – etwa zur Streitvermeidung – weitgehend aus der Hand zu nehmen, so bietet es sich also für ihn an, Testamentsvollstreckung anzuordnen. Dabei sollte er von der Möglichkeit des § 2048 S. 2 BGB Gebrauch machen.173 Doch darf nicht aus den Augen gelassen werden, dass eine Testamentsvollstreckung weitreichende Rechtsfolgen hat. Sie bedeutet immer einen gewissen Aufwand und verursacht Kosten für den Nachlass. Bei den Erben kann sie das nicht gerade die Kooperationsbereitschaft fördernde Gefühl auslösen, Verantwortung entzogen und jemanden „vor die Nase gesetzt“ zu bekommen. Wenn der Erblasser diese Nachteile vermeiden möchte und sich gleichzeitig sicher sein kann, dass die Miterben den von einer Vertrauensperson des Erblassers aufgestellten Auseinandersetzungsplan gütlich vollziehen werden,174 wird er es vorziehen, lediglich einen Dritten mit der Aufstellung des Plans zu betrauen. Eine Regel, wonach der Erblasser einen Dritten, der nach billigem Ermessen einen Auseinandersetzungsplan aufstellen soll, im Zweifel zugleich zum Testamentsvollstrecker ernennen wolle,175 dürfte danach nicht anzunehmen sein. Ebenso wenig muss es dabei verbleiben, dass die Betrauung eines Dritten mit der Auseinandersetzung in der Praxis selten vorkomme.176

d) Ergebnis Auch wenn der BGB-Gesetzgeber das von ihm in § 352 E I formulierte Bestimmtheitsgebot noch nicht im Sinne einer Aufgabenverteilungsnorm verstanden hat, zeigt doch die Entwicklung des § 2048 S. 2 BGB, dass ihm die Problematik jedenfalls geläufig war. Aus heutiger Sicht stellt gerade diese Deutung einen Weg dar, dem Gebot einen materiellen Gehalt zu geben. Der Grundsatz, dass die Festlegung des Vertragsinhalts nicht nur Freiheitsrecht, sondern auch Aufgabe der Parteien ist, findet sich ebenfalls in England.177 Anklänge an die „Selbstherrlichkeit“ des Individuums sind auch der klassischen Vertragskonzeption des französischen Rechts eigen.178 spielsweise einem Erben eine Sache aus dem Nachlass übereignen möchte und der Erbe sich der dinglichen Einigung verweigert, muss er den Erben auf Zustimmung zur Übereignung verklagen, vgl. Eberl-Borges, S. 107; dies., ErbR 2009, 234, 238. 173  Eberl-Borges, ErbR 2009, 234, 242. 174  Andernfalls ist eine Klage aus dem Auseinandersetzungsplan mit anschließender Vollstreckung erforderlich, Eberl-Borges, S. 118 f. 175  Betzhold, S. 82; Exner, S. 48. 176  So aber die Einschätzung von Exner, S. 48; Betzhold, S. 82; Kretzschmar, SächsArch 3 (1908), 153, 157. 177 Siehe Whittaker, FS Viney, S. 893 f.; ders., in: Chitty on Contracts, Rn. 1‑028 f., 1‑036 f. 178  Rochfeld, S. 430 spricht etwa von der „toute-puissance de l’individualisme“.

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

177

II. Anwendung auf die Delegation von Privatautonomie 1. Die Schwierigkeit der Grenzziehung Dem Bestimmtheitsgebot die Funktion einer Kompetenzverteilung zwischen privater Regelungsaufgabe und richterlicher Gestaltung zuzuweisen, bringt freilich eine Schwierigkeit mit sich. Die Kompetenzgrenze verläuft anders, je nachdem welche Anforderungen an die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit einer Vereinbarung gestellt werden. Wenn die Verteilung von Kompetenzen genuine Aufgabe und nicht mehr bloß Reflex des Bestimmtheitsgebots ist, lässt sich das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages mit zumindest bestimmbarem Inhalt nicht mehr mit dem Argument ablehnen, der Richter überschreite seine Kompetenzen, wenn er der bislang noch lückenhaften Vereinbarung einen bestimmten Inhalt gebe. Besonders deutlich wird das in der seit längerer Zeit kontrovers diskutierten Frage, in welchem Umfang die Parteien es einem Gericht überlassen dürfen, die noch offenen Punkte ihrer Vereinbarung aufzufüllen.179 Diese Frage, ob die Parteien ihrer Aufgabe nachkommen dürfen, indem sie ein Gericht zur Entscheidung ermächtigen, wird deshalb noch ausführlich zu analysieren sein.180 Von der Rechtsprechung selbst ist in dieser Frage erstaunlich wenig Hilfe zu erwarten. Sie entscheidet hier von Fall zu Fall, ohne generalisierend Leitlinien oder Kriterien aufzustellen. Zur Systematisierung bieten sich zwei Unterscheidungen an: Zum einen mag es einen Unterschied machen, ob die Ergänzung Haupt‑ oder Nebenpunkte des Vertrags betrifft.181 Zum anderen ist danach zu differenzieren, ob sich die Parteien eine spätere Einigung vorbehalten und mit dem Vollzug des Vertrages begonnen haben oder ob sie das Gericht ausdrücklich zur Vervollständigung ermächtigt haben. Zum Umgang der Gerichte mit Lücken ohne ausdrückliche Aufgabenübertragung an das Gericht seien exemplarisch zwei Entscheidungen des Reichsgerichts herausgegriffen. In einem vom Reichsgericht im Jahre 1928 entschiedenen Fall hatten sich die Parteien nicht über die angemessene Art der Zahlung einer Abfindung bei Ausscheiden eines Gesellschafters einigen können und deshalb in ihrem Vertrag nur die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages von 5.000 RM „in einer noch näher zu vereinbarenden Art“ verabredet.182 Das Reichsgericht sah die Parteien als gebunden an. Nach dem Parteiwillen solle „eine angemessene Zahlungsart greifen“. Über diese entscheide mangels einer 179  An eben dieser Frage entwickelt J.F. Baur, S. 60 ff. seine Deutung des Bestimmtheitsgebots als Kompetenzverteilung. 180  Siehe unten § 4 E. (S. 268 ff.). 181 Diese Differenzierung betonen vor allem Münch­ Komm-­BGB/Kramer, 5. Auflage, § 154 Rn. 7 Fn. 28, Rn. 8; Flume, AT II, S. 631 (§ 34, 6 e). 182  RG v. 19.6.1928 SeuffA 82 (1928) Nr. 182 (S. 321).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Einigung der Parteien „das richterliche Ermessen“. Eine andere, nur wenig später im Jahre 1929 ergangene Entscheidung des Reichsgerichts erhellt den Unterschied zur Ergänzung von Hauptleistungspflichten.183 Freilich wird dieser Unterschied in der Entscheidung nicht erwähnt; es lässt sich nur vermuten, dass er ihr zugrunde lag. Die Parteien eines Vorvertrages zum Verkauf eines Anwesens hatten vereinbart, dass die näheren Bedingungen des Kaufs dem abzuschließenden Kaufvertrag vorbehalten bleiben, der Kaufpreis jedoch den Betrag von 40.000 RM nicht übersteigen sollte. Das Gericht verneinte den Abschluss eines wirksamen Vorvertrags, da der Kaufpreis trotz der Obergrenze noch völlig ungewiss und deshalb keine Klage auf Abschluss des Vertrages möglich sei. Die richterliche Ergänzung von Bedingungen, die einer späteren Einigung der Parteien vorbehalten waren, sei undenkbar. Im Grunde sind diese Fälle nur Beispiele dafür, wie Gerichte generell mit bewusst lückenhaften, von den Parteien gleichwohl zumindest teilweise vollzogenen Verträgen umgehen:184 Sie ergänzen in weitem Umfang offene Punkte, damit die Parteien sich nicht in einem vertragslosen Zustand wiederfinden. Inzwischen ist sogar fraglich, ob die Differenzierung zwischen Haupt‑ und Nebenpunkten in dieser Frage von den Gerichten noch durchgehalten wird. Nachfolgende Entscheidungen haben durchaus auch in Hauptpunkten Vereinbarungen ergänzt, so etwa um eine noch offene Gegenleistung. Teils geschah dies durch Annahme eines konkludent vereinbarten Bestimmungsrechts nach § 315 BGB,185 teils unter ausdrücklicher Ablehnung eines Bestimmungsrechts unter dem Deckmantel einer ergänzenden Vertragsauslegung.186 Zum Teil glauben manche Autoren deshalb, in dieser Rechtsprechung Tendenz weg vom Dissens hin zu einem „Vorrang des Vertragszustandekommens“ beobachten zu können.187 Faktisch bestehe kaum noch ein Unterschied zwischen § 154 Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 2 OR.188 Damit nähert sich die Rechtspraxis gerade dem Zustand an, den der Redaktor v. Kübel noch als Gegenmodell zu seinem Entwurf gese-

183 

RG v. 8.4.1929 RGZ 124, 81, 84. Siehe dazu bereits oben § 4 B.I.3. (S. 157 ff.). mit weiteren Beispielen. 185  Bedeutendes Beispiel ist BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 275 f. 186  OLG Hamm v. 24.10.1975 NJW 1976, 1212, 1213 (Gericht hat im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen angemessenen Kaufpreis zu ermitteln, wenn die im Vertrag vorgesehene Einigung über den Kaufpreis fehlgeschlagen ist; ein konkludent vereinbartes Bestimmungsrecht nach § 315 BGB könne nicht angenommen werden); ablehnend Münch­ Komm-­BGB/Kramer, 5. Auflage, § 154 Rn. 7 Fn. 28. Unter Berufung auf BGHZ 41, 271, aber ohne nähere dogmatische Anbindung: BGH v. 11.1.1983 NJW 1983, 1189 (Vergütungsanspruch eines Rundfunkreporters). 187  Diese Tendenz beschreibt AK/Hart, § 154 Rn. 1 f., 7. 188 AK/Hart, § 154 Rn. 7 (mit offensichtlichem Schreibfehler: § 151 statt § 154). Zur Ausfüllung des Maßstabs, nach dem der Richter Vertragslücken in Nebenpunkten ergänzen könne, beruft sich Münch­Komm-­BGB/Kramer, 5. Auflage, § 154 Rn. 8 ausdrücklich auf Art. 2 OR. Sehr kritisch J.F. Baur, S. 63 ff. 184 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

179

hen hatte: Er wollte gerade keinen Art. 2 OR entsprechenden Zustand, sondern das Risiko, am Ende ohne Vertrag dazustehen, ganz den Parteien aufbürden. Die dogmatischen Ansatzpunkte für die Lückenfüllung sind, wie gesehen,189 vielfältig. Den Versuch einer allgemeinen Rechtfertigung unternimmt Flume unter Hinweis auf § 315 BGB.190 Zwar seien Gerichte nach den §§ 315 ff. BGB „stets erst sekundär zur Entscheidung berufen“.191 Wenn die Parteien einverständlich einen unvollständigen Vertrag im Bewusstsein dieser Unvollständigkeit ausführen und damit ihren Willen bekunden, daran gebunden zu sein, brächten sie auf diese Weise zum Ausdruck, dass sie die noch offenen Punkte „nach billigem Ermessen“ regeln würden. Gelangten die Vertragspartner nicht zu einer einvernehmlichen Regelung der offen gebliebenen Nebenpunkte, sei entsprechend §§ 315 ff. BGB die Zuständigkeit des Richters begründet. Er habe zu entscheiden, welcher der Vertragspartner die offene Frage nach billigem Ermessen entschieden habe, oder, falls er keine Bestimmung als billig ansehe, den offenen Punkt von sich aus zu regeln. Da es sich um eine sekundäre Zuständigkeit handele, müsse derjenige Vertragspartner, der den Richter um eine Entscheidung ersuche, zunächst seinerseits eine Bestimmung treffen, „die er mit der Klage – ebenso wie die etwa getroffene Bestimmung des Vertragspartners – der richterlichen Entscheidung unterwirft“192. Grundsätzlich sei erforderlich, dass die Hauptpunkte des Vertrages geregelt seien, so dass aus diesen Ableitung für die Nebenpunkte gezogen werden könnten. Hätten sich die Parteien jedoch geeinigt, die Gegenleistung gemeinsam nach billigem Ermessen festzusetzen, könne dieser Mechanismus auch hinsichtlich des Preises zur Anwendung kommen. Nach freilich umstrittener Rechtsprechung soll es den Parteien sogar möglich sein, die Lückenfüllung ausdrücklich dem Richter zu überlassen. Einem Urteil des BGH aus dem Jahre 1964 lag folgende Klausel zugrunde: „Über diesen Punkt soll in nochmaliger Verhandlung eine Einigung versucht werden, gegebenenfalls soll das Gericht entscheiden.“193 Den Parteien war keine Einigung darüber gelungen, ob die Vergütung für die Einräumung eines Wasserleitungsrechts als Geldrente oder in einer einmaligen Summe zu zahlen sei. Der BGH 189 

Siehe oben bei Fn. 78. Flume, AT II, S. 630 f. (§ 34, 6 e) (ohne Eingehen auf die dazu ergangene Rechtsprechung); ihm folgend Münch­Komm-­BGB/Kramer, 5. Auflage, § 154 Rn. 8. 191  Flume, AT II, S. 630 (§ 34, 6 e). 192  Flume, AT II, S. 630 (§ 34, 6 e). Hier treffen sich wieder materielles Recht und Prozessrecht. Das Prozessrecht verlangt vom Kläger, einen bestimmten Antrag zu stellen. Mit diesem Antrag trifft er zumindest inzident seine Bestimmung. 193  BGH v. 25.11.1964 BB 1965, 103. Siehe auch BGH v. 24.11.1995 NJW 1996, 1054, 1055 (Anpassung des Pachtzinses für einen Flughafen durch Gestaltungsurteil analog § 315 Abs. 3 S. 2 BGB, nachdem die Vereinbarung der Parteien, über eine Anpassung des Pachtzinses zu verhandeln, kein Ergebnis hervorgebracht hat); BGH v. 3.2.1995 NJW 1995, 1360; BGH v. 13.3.1985 BGHZ 94, 98, 103 f.; BGH v. 7.4.1978 BGHZ 71, 276, 284; BGH v. 21.12.1977 WM 1978, 228, 229; RG v. 1.3.1913 JW 1913, 541. 190 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

bezeichnete diese Kompetenzzuweisung explizit nicht als Gestaltung nach § 317 BGB, sondern als Vertragsauslegung. Ein Teil des Schrifttums hält diesen Weg ohne weiteres als eine Möglichkeit der Lückenfüllung für gangbar.194 Und auch wenn Flume feststellt, dass die Parteien angesichts bloß subsidiärer Entscheidungsbefugnisse des Richters diesem „zweifellos“ nicht eine Ergänzung nach billigem Ermessen übertragen vereinbaren könnten,195 so müsste er für die soeben zitierte Klausel ein Subsidiaritätserfordernis als gewahrt ansehen. Denn auch die Vereinbarung, sich später einvernehmlich über offene Punkte einigen zu wollen, sieht er als taugliche Bestimmung an, die bei Scheitern der einvernehmlichen Regelung eine Ergänzungsbefugnis des Richters auslöst.196 Im Ergebnis stellt die Rechtsprechung des BGH den Anpassungsmechanismus, gemeinsam im Verhandlungswege eine Einigung zu suchen, auf dieselbe Stufe wie den Mechanismus, eine Anpassung über eine Delegation an eine Partei oder einen Dritten herbeizuführen.197 Zum Teil hat diese Rechtsprechung jedoch auch herbe Ablehnung erfahren.198 J.F. Baur sieht darin einen „radikalen Bruch mit einer jedenfalls in den Grundlinien kontinuierlichen Rechtsprechung“, denn früher hätten die Gerichte eher § 316 BGB angewendet mit der Folge, dass die Anpassung nicht durch das Gericht, sondern durch den Gläubiger der anzupassenden Leistung vorzunehmen gewesen sei.199 Indem der Richter sich eine Gestaltungsbefugnis anmaße, die ihm der Gesetzgeber nicht zugedacht habe, dränge er die privatautonome Regelungskompetenz der Parteien zurück. 200 In der Tat ist an ihr bemerkenswert, dass sie den Richter zum „Vertragshelfer“ der Parteien macht, die sich selbst zu keiner Einigung verhelfen konnten. Der Widerspruch zu den Vorstellungen v. Kübels ist bei dieser Gestaltung dem Anschein nach besonders krass. Soweit der BGH sich zur Begründung seiner Ansicht auf seine Befugnis zur Vertragsauslegung beruft, wirkt das als relativ schwaches Argument. Denn zur Auslegung berufen wäre das Gericht auch ohne die ausdrückliche Aufgabenzuweisung im Vertrag. Zudem ist zu beden194 Staudinger/Bork, § 154 Rn. 9 (offenbar auch ohne vorhergehenden Einigungsversuch der Parteien); Soergel/M. Wolf, § 154 Rn. 6; Soergel/ders., § 315 Rn. 56; Bamberger/Roth/ Gehrlein, § 317 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 13, 42; Palandt/Grüneberg, § 315 Rn. 14; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 280 f. (§ 12 I 5 b); Kunkel, S. 83 ff.; Horn, NJW 1985, 1118, 1125; Steindorff, BB 1983, 1127, 1130 f.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 120; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926. 195  Flume, AT II, S. 630 (§ 34, 6 e). 196  Flume, AT II, S. 631 (§ 34, 6 e); zum Subsidiaritätserfordernis auch Steindorff, BB 1983, 1127, 1130. 197  Zu dieser Parallele Steindorff, BB 1983, 1127, 1131; Kunkel, S. 84. 198  Siehe insbesondere J.F. Baur, S. 56 ff., 60 ff. mit umfangreicher Analyse der Rechtsprechung; ferner ders., FS Steindorff, S. 517; Fikentscher, FS Gernhuber, S. 129 f.; Futter, BB 1978, 935, 937 f.; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133; kritisch auch Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 156 f.; Eckelt, S. 115; Thiele, JZ 1971, 292, 294; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 709. 199  J.F. Baur, S. 58 m.w.N. 200  J.F. Baur, S. 64.

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

181

ken, dass eine Vertragsauslegung auch ihre Grenzen hat, wie gerade § 154 Abs. 1 BGB zeigt: Den Parteien soll anstelle ihrer Einigung kein hypothetischer Wille untergeschoben werden.

2. Delegation von Privatautonomie bedeutet keine „Lockerung“ des Bestimmtheitsgebotes Aus diesen Überlegungen zum Bestimmtheitsgebot ergeben sich zugleich Schlussfolgerungen dafür, wie eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen im Hinblick auf die Vertragsfreiheit der Parteien zu bewerten ist. Damit verbunden ist die Frage, ob die §§ 315 ff. BGB für die Zulässigkeit einer Delegation konstitutiv sind oder ob die Parteien eine Bestimmungsbefugnis ohne diese Vorschriften, die dann lediglich Einzelheiten zur Durchführung der Leistungsbestimmung regeln würden, vereinbaren können. Verlangt mit anderen Worten die Privatautonomie, dass die Parteien selbst und gemeinsam und nicht etwa nur eine von ihnen oder ein Dritter das gesamte Vertragsprogramm festlegen? Je nachdem, wie diese Frage beantwortet wird, erscheint die Delegation von Entscheidungsbefugnissen als – eher begründungsbedürftige, möglicherweise eher restriktiv zu handhabende – Erweiterung der Privatautonomie oder aber als deren Emanation. Am Ausgangspunkt der Überlegungen zu dieser Frage steht die soeben näher dargelegte Erkenntnis, dass der Vertragsfreiheit durch das Bestimmtheitsgebot eine wegen ihres freiheitsbeschränkenden Charakters begründungsbedürftige Grenze gezogen ist. Die Vertragsfreiheit ermöglicht es den Parteien wegen dieser Grenze nicht, Rechte und Pflichten zu begründen, deren Inhalt weder bestimmt noch bestimmbar ist. In der Befugnis, ein Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren und damit die endgültige Bestimmtheit des Vertragsinhalts zeitlich hinauszuschieben 201, sehen nun manche Autoren eine Lockerung202 des Bestimmtheitsgebots oder gar eine Ausnahme203 davon. Die „Grundidee des BGB“, heißt es etwa, laufe der Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts diametral entgegen. 204 Die Vertragsgestaltung mit Hilfe der §§ 315 ff. BGB weiche vom „Idealfall des vollständigen Vertrages“ ab.205 Die Parteien dürften die von 201 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 10 bezeichnet die §§ 315 ff. als „Grundmuster der dynamischen Verweisung eines Vertrages auf eine andere und zeitlich nachfolgende Regelung“. 202 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 4 ff., § 317 Rn. 1; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPKBGB, § 317 Rn. 1; Joussen, S. 35, 346. 203  J.F. Baur, S. 61 (zu §§ 315 ff. BGB); Joussen, S. 34 f. (zu § 317 BGB: „ausnahmsweise“ stehe die bloße Bestimmbarkeit der Wirksamkeit nicht entgegen), 346; ders., AcP 203 (2003), 429, 431; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133 (zu §§ 315, 316 BGB). 204  Joussen, S. 34, der allerdings wenige Sätze später einräumt, dass die Unbestimmtheit der Leistung den Vertrag nicht unwirksam mache, solange die Leistung bestimmbar sei. 205  Joussen, S. 35. Siehe aber auch ders., S. 130 (§§ 317 ff. BGB als eine „Grundform der Vertragshilfe“).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

der Privatautonomie gestellte Aufgabe, im Konsens ein detailliertes Vertragsprogramm festzulegen, nicht an nur eine Partei oder an einen Dritten ab­schieben. 206 Dieser Sichtweise liegt augenscheinlich eine verengte Sicht auf das Bestimmtheitsgebot zugrunde. Wer dieses Gebot so versteht, dass einem Rechtsgeschäft zum Zeitpunkt seiner Vornahme jedenfalls durch Auslegung ein hinreichend bestimmter Inhalt zu entnehmen sein müsse, 207 muss in den §§ 315 ff. BGB in der Tat eine Lockerung dieses Gebots sehen. Denn diesem Bestimmtheitsgebot würde weder die Leistungsbestimmung durch eine Partei noch diejenige durch einen Dritten genügen.208 Die §§ 315 ff. BGB dienen dann dazu, durch Vereinbarung einer zeitlich nachfolgenden Konkretisierung „einen an sich unwirksamen Vertrag zu retten“. 209 Erst aufgrund dieser Vorschriften wäre es den Vertragschließenden erlaubt, ein Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren.210 Ein so verstandenes Bestimmtheitsgebot würde in der Tat gelockert, wäre die Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts wirksam. Ein derartiges Gebot wäre aber nicht mehr dasjenige des BGB. Wie gesehen, genügt es für die Wirksamkeit einer Leistungspflicht, wenn ihr Inhalt bestimmbar ist. Bestimmbar ist der Inhalt aber nicht nur, wenn er dem Vertrag mittels Auslegung als objektiv bestimmt entnommen werden kann, sondern bereits dann, wenn der Vertrag einen Mechanismus zur Ermittlung von Inhalt und Umfang der Leistungspflicht vorsieht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers stellen Leistungsbestimmungsrechte einer Partei oder eines Dritten keine Ausnahme zu dem noch in § 352 E I ausdrücklich verankerten formulierten Bestimmtheitsgrundsatz dar. Diese Vorschrift sollte vielmehr „eine Art von Grundlage“ und den „Uebergang zu den folgenden Paragraphen“ bilden. 211 206 

Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132. So Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 6, der freilich vom „Zeitpunkt des Wirksamwerdens“ spricht. Gemeint ist aber offenbar der Zeitpunkt der Vornahme, da die Formulierung sonst zirkelschlüssig wäre; ebenso J.F. Baur, S. 62 f.; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132. Dies enge Verständnis liegt ebenfalls dem Urteil des AG Heilbronn v. 1.9.1975 MDR 1976, 400 zugrunde, dass freilich nicht alle Möglichkeiten, die Leistung zu konkretisieren, ausgeschöpft hat. – Unklar RGRK/Ballhaus, § 315 Rn. 1, § 317 Rn. 1, wo von der „Bestimmung der im Vertrag noch nicht festgelegten Leistung“ die Rede ist. Richtig daran ist, dass der Leistungsinhalt noch nicht endgültig konkretisiert ist. Es ist jedoch bereits festgelegt, dass der Leistungsinhalt aufgrund eines Bestimmungsrechts durch eine Partei oder einen Dritten zu präzisieren ist. 208  Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132. 209 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 8. 210  So offenbar Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1 (ursprünglicher Zweck des § 315 BGB sei es sicherzustellen, dass sich Parteien trotz mangelnder Bestimmtheit vertraglich binden können); sowie Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 7, letzterer unter Berufung auf v. Tuhr, AT II/1, S. 460, der freilich nicht zwingend so zu verstehen ist. Eher klingt es bei v. Tuhr so, als begreife er das mit einem Leistungsbestimmungsrecht versehene Angebot als eine Möglichkeit, einen hinreichend bestimmten Vertrag hervorzubringen. 211  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 390. In den nicht amtlichen Motiven zu § 352 E I (Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 105) findet sich zudem der Hinweis, dass die §§ 353–357 E I, aus denen die heutigen §§ 315–319 BGB hervorgegangen sind, besondere Fälle darstellen, „in denen die 207 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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Erkennbar wird diese Einstellung auch darin, dass die Regelungsprobleme, die der Gesetzgeber diskutiert hat, Einzelfragen der Leistungsbestimmungsrechte, nicht aber deren grundsätzliche Zulässigkeit212 betrafen. Bildlich gesprochen ist das „Bauwerk“ Schuldverhältnis auch dann vollständig errichtet, wenn es nicht nur aus fertig behauenen Blöcken besteht, sondern einer der Bausteine vielmehr einen Mechanismus vorgibt, was an die Stelle dieses Bausteins treten soll. Wenn das Bestimmtheitsgebot besagt, dass der Inhalt der Leistung bestimmt oder nach einem im Vertrag oder nach dispositivem Recht festgelegten Mechanismus bestimmbar sein müsse, dann kann ein Leistungsbestimmungsrecht keine Lockerung dieses Gebots darstellen. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG, zu dem Vertreter eines engeren Bestimmtheitserfordernisses eine Parallele herstellen wollen. 213 Der Verweis auf diese Vorschrift geht fehl: Diese – in den Beratungen des UN-Kaufrechts stark umstrittene214 – Vorschrift bestimmt, dass eine Offerte zum Vertragsschluss bestimmt genug ist, wenn sie die Ware bezeichnet sowie Menge und Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht. Ermöglicht ist eine Festsetzung des Kaufpreises jedoch auch dann, wenn das Vertragsangebot das Recht zur Preisbestimmung durch einen Dritten oder eine der Parteien vorsieht. 215 Dem Erfordernis genügender Bestimmtheit wird auch dadurch genüge geleistet; es muss gerade nicht gelockert werden. 216 Darüber hinaus stellt Art. 14 CISG einen Kompromiss zwischen unterschiedlich weit gefassten Vorstellungen über vertragliche Bestimmtheit dar. Er folgt einem engeren Verständnis als das deutsche Recht, 217 so dass auch aus diesem Grunde der Verweis nicht überzeugt. Ein engeres Bestimmtheitsgebot wird auch nicht von der Privatautonomie gefordert. Die Parteien schieben die Aufgabe, im Konsens ihr Vertragsprogramm zu regeln, nicht ab, indem sie ein Leistungsbestimmungsrecht begründen. Vielmehr finden sie in Wirklichkeit im Konsens zu einem Mechanismus, dieses Regelungsprogramm zu konkretisieren. Wertungsmäßig besteht kein Unterschied zur vertraglichen Vereinbarung von Gestaltungsrechten: Auch hier ist die einseitige Gestaltung, die eigentlich eine Abweichung vom Vertragsprindie Vertragsleistung nicht im Vertrage unmittelbar bezeichnet ist, sondern nach den im Vertrage enthaltenen Bestimmungen ermittelt werden soll“. Diese Wendung greift nun gerade den Wortlaut von § 352 E I auf und untermauert, dass Leistungsbestimmungsrechte keine bewussten Ausnahmen (so aber J.F. Baur, S. 61 unter Berufung auf die Motive), sondern Ausprägungen des Bestimmtheitsgebotes darstellen. – Siehe außerdem v. Kübel, Bd. II/1, S. 266 ff. 212  Mit Ausnahme der Frage, ob auch einer Partei ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben eingeräumt werden könne. 213 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 8. 214  Vgl. nur Schroeter, in: Schlechtriem/Schwenzer, Art. 14 Rn. 17 f. 215  Schroeter, in: Schlechtriem/Schwenzer, Art. 14 Rn. 13 m.w.N. 216 Ausführlich W. Witz, S. 221 ff., insbesondere S. 229: Zumindest die Preisbestimmung durch einen Dritten sei sicher von Art. 14 CISG umfasst. 217  W. Witz, S. 227.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

zip des § 311 Abs. 1 BGB darstellen müsste, legitimiert durch die konsensuale Begründung der Gestaltungsmacht. 218 Genügt mithin die Bestimmbarkeit des Leistungsinhalts zur Wirksamkeit des Schuldverhältnisses, so stellt die Möglichkeit, einen Dritten mit der Bestimmung der Leistung zu betrauen, keine Ausnahme zum schuldrechtlichen Bestimmtheitsgebot dar. 219 Dieses Ergebnis wird bestätigt durch andere Rechtsordnungen, die keine den §§ 317 ff. BGB vergleichbare allgemeine Vorschriften zur Leistungsbestimmung durch Dritte kennen. Wären derartige Vorschriften für die Zulässigkeit der Delegation konstitutiv, könnte es dort kein allgemeines Leistungsbestimmungsrecht geben. Ob die Zulässigkeit einer Delegation das Bestimmtheitsgebot lockert oder vielmehr ohne weiteres von diesem umfasst ist, stellt nicht nur einen Streit um Begriffe dar. Denn die Beantwortung dieser Frage bestimmt maßgeblich die Perspektive, aus der auf die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen geblickt wird. Wenn von einer „Lockerung“ oder einem „Ausnahmecharakter“ die Rede ist, können damit, möglicherweise unbeabsichtigt, diffuse Vorbehalte geweckt werden. Ein Beispiel dafür liefert die Entstehung des Code civil, der  – wie gesehen – davon ausgeht, dass die Parteien selbst den Kaufpreis festlegen müssen. Mit diesem Ausgangspunkt erscheint Art. 1592 Code civil in der Tat als begrenzungsbedürftige Ausnahme, und als solche wurde sie in den Materialien teilweise auch beschrieben. 220 In Wirklichkeit sind Leistungsbestimmungsrechte nicht etwa ein Phänomen, das als Ausnahme mit Skepsis beäugt und sodann gebändigt werden müsste. Sie sind vielmehr eine gewöhnliche Ausprägung des Bestimmtheitsgebots und damit zugleich der Vertragsfreiheit. Die Möglichkeit einer Delegation ist in der Vertragsfreiheit enthalten. 221 Verdeutlichen lässt sich das am Beispiel der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gerade in AGB kann es erforderlich sein, der Zulässigkeit von Leistungsbestimmungsrechten Grenzen zu ziehen. 222 Wären Leistungsbestimmungsrechte bereits Ausnahmen von einem als Grundsatz anzusehenden Bestimmtheitsgebot, so würde jede Ausweitung oder Begünstigung der Zulässigkeit von Leistungsbestimmungsrechten die Ver218 

Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111). So auch, teils mit Blick auf die Parteileistungsbestimmung, Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 1a, 3 (§ 315 Abs. 1 BGB setzt die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus); C. Wagner, S. 74, 80; Poulakos, S. 27 f.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 133 f. (mit Betonung der Grenzen der Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts); wohl auch J.F. Baur, S. 60, wenn er schreibt, § 315 BGB sei eine „reine Maßstabsnorm“. 220  Siehe insbesondere den Discours von Grenier vor dem Tribunat in der Sitzung des Corps Législatif vom 6. März 1804 (15. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 234: „On sent qu’il importait de laisser le moins d’arbitraire possible sur le sort de la vente dont le prix était laissé à l’arbitrage d’un tiers.“; den Ausnahmecharakter betont auch W. Witz, S. 51. Siehe auch noch unten Fn. 546. 221  Siehe oben § 3 A. (S. 102 ff.). 222  Ausführlich oben § 3 B. (S. 123 ff.). 219 

B. Das Bestimmtheitsgebot als Verankerung der Aufgabe zur Selbstgestaltung

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einbarung weiter von den Anforderungen dieses Grundsatzes entfernen. Die Folge wäre vermutlich eine weniger großzügige Handhabung von Leistungsbestimmungsrechten, als dies nach dem Bestimmtheitsgebot, das das BGB vorgibt, gefordert und – wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Vertragsfreiheit – überhaupt zulässig wäre.223 Ein Indiz für diese Haltung kann es sein, wenn der BGH in § 433 Abs. 2 BGB einen „Grundsatz der bindenden und festen Preisbestimmung“224 erkennt und § 317 BGB als Modifikation dieses Grundsatzes ansieht. Erforderlich ist lediglich zweierlei: Zum einen sind – unbefangen von einer Vorstellung, sich sowieso schon vom Kernbereich des Bestimmtheitserfordernisses entfernt zu haben – die Grenzen auszuloten, bis zu denen dieser Bestimmungsmechanismus noch eine hinreichende Bestimmbarkeit der Leistung gewährleisten kann.225 Und zum anderen sind Regelungen vonnöten, die den Parteien helfen, das mit der Delegation verfolgte Ziel zu erreichen. Zu diesen Regelungen gehört vor allem auch ein Schutz vor einem Missbrauch der Bestimmungsbefugnis. Der einer Delegation „inhärenten Gefährdung der Vertragsgerechtigkeit“226 kann – nach dem Vertragswillen – unmittelbar begegnet werden mittels begleitender Verfahrensregeln und einer repressiven Kontrolle der Bestimmung und nicht etwa mit einer präventiven Skepsis gegenüber der Delegation. Dies entspricht nicht nur dem Postulat, Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen. Gefahren für die Vertragsgerechtigkeit bergen Leistungsbestimmungsrechte nicht deshalb, weil sie die Bestimmtheit des Vertragsinhalts zeitlich hinausschieben, sondern vielmehr, weil sie – legitimiert durch die konsensuale Begründung des Bestimmungsrechts – eine Ausnahme zum Vertragsprinzip des § 311 Abs. 1 BGB mit sich bringen.227 In dem „Unterworfensein“228 unter eine einseitige Bestimmungsmacht liegt die Bedrohung der Privatautonomie des Unterworfenen, nicht in der fehlenden bloßen Bestimmbarkeit der Leistung. Es wäre zudem unverhältnismäßig, jegliche Ausübung von Privatautonomie im Wege der Delegation zu erschweren, statt nur dort einzugreifen, wo der Privatautonomie tatsächlich Gefahr droht. Exemplarisch für diesen letztgenannten Aspekt ist die Entwicklung, die die Haltung der französischen Rechtsprechung gegenüber der Leistungsbestimmung durch eine Partei genommen hat. 229 Bis zu den wichtigen arrêts Alcatel der Assemblée plénière im Jahre 1995 hatte die Rechtsprechung es den Parteien 223  So in der Tat Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133 mit einem Plädoyer für eine generell möglichst restriktive Handhabung der §§ 315, 316 BGB. 224  Siehe oben § 3 B.III. (S. 138 f.). 225  Zu diesem Zusammenhang Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 242 (§ 14 I). 226  Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133 (zu §§ 315, 316 BGB). 227  Zu Leistungsbestimmungsrechten als Abweichung vom Vertragsprinzip siehe Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1; zu weit geht angesichts der vertraglichen Legitimation jedoch die Kennzeichnung als „Bruch mit dem Vertragsprinzip“ (so Eckelt, S. 34). 228  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111). 229  Ausführlich zum Folgenden G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 27 ff.

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versagt, die Bestimmung der Leistung – insbesondere des Preises – einer von ihnen zu überlassen. Begründet wurde diese restriktive Position damit, dass das Erfordernis eines objet déterminé ou déterminable, eines bestimmten oder bestimmbaren Vertragsgegenstandes, objektiv zu verstehen sei. Die Leistungsbestimmung durch eine Partei als von den subjektiven Vorstellungen eines Vertragsbeteiligten abhängige Konkretisierung des Leistungsgegenstandes wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Zahlreichen sinnvollen Vertragsgestaltungen, die – etwa in Dauerschuldverhältnissen oder Rahmenverträgen – eine Anpassung der Leistung an geänderte Umstände ermöglichen würden, musste auf diese Weise die Wirksamkeit versagt bleiben. Nunmehr ist es grundsätzlich zulässig, einer Partei die Bestimmung des Vertragsgegenstandes zu überlassen. 230 Allerdings unterliegt diese Bestimmung einer Missbrauchskontrolle, die das früher mit der generellen Unwirksamkeit des Vertrages unzureichend gelöste Sachproblem nun direkt angeht. 231 Ein abus dans la fixation du prix lässt die Bestimmung hinfällig werden. Was hingegen die Bestimmung durch einen Dritten nach Art. 1592 Code civil angeht, so wird auch in Frankreich hervorgehoben, dass diese Vorschrift nur scheinbar eine Ausnahme von der Grundregel der Preisbestimmung durch die Parteien macht. 232 Zwar bewirke diese Grundregel, dass niemand anstelle der Parteien, die Herren ihrer Vereinbarung seien, kontrahieren dürfe. Da jedoch der Dritte hinsichtlich der Preisbestimmung zum mandataire werde, könne seine Festsetzung als „Werk der Parteien“ angesehen werden.233 Im Ergebnis lockern die §§ 315 ff. BGB und damit auch die Vorschriften über die Leistungsbestimmung durch Dritte nicht das Bestimmtheitsgebot. Sie bestätigen es vielmehr und helfen gleichzeitig, dessen Grenzen auszuloten. Im Folgenden bleibt daher zu untersuchen, inwieweit die Vorgaben dieser Normen zur Grenzbestimmung ausreichen.

230  Unzulässig bleibt die Parteileistungsbestimmung dort, wo ein ausdrückliches gesetzliches Verbot besteht. Prominentestes Beispiel dafür ist die Preisbestimmung beim Kauf, wo sich Art. 1591 Code civil (siehe oben § 4 A.I. [S. 148 ff.]) weiterhin als Spezialvorschrift durchsetzt, G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 41, 43; Beale et al., S. 332; Gardounis, Nr. 736. 231 Vgl. Ghestin, Formation, Nr. 691, 694 ff. Eine derartige Entwicklung von einer pauschalen Invalidierung des Vertrags hin zu einer Kontrolle des Bestimmungsrechts hat auch das US-amerikanische Recht durchlaufen, Fromholzer, S. 107 ff. 232  Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 134. 233  Bestätigt wird diese Sichtweise dadurch, dass im Einzelfall eine Delegation, die dem Gericht zu unbestimmt ist, nach der Grundregel den gesamten Vertrag hinfällig werden lässt – mag dieser auch wirtschaftlich durchaus plausibel gewesen sein. Zu einem Beispiel sehr kritisch Fages, RTD civ. 2013, 110, 112.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

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III. Ergebnis Entsprechend der Erkenntnis, dass die Delegation als Ausübung von Privatautonomie zu betrachten ist und nicht als Verzicht darauf, stellt sich die Delegation als Wahrnehmung der Aufgabe zur Selbstgestaltung dar und nicht als deren Vernachlässigung. „Die Privatautonomie verlangt von den Privatrechtssubjekten nicht, daß sie alles und jedes selbst regeln und entscheiden.“234

Etwas anderes kann nur dort gelten, wo „Sondervorschriften“ eine „Unter­ werfung unter einen fremden Gestaltungswillen“ ausschließen und ausdrücklich eine höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung anordnen. 235 Ob dies aufgrund von § 2065 Abs. 2 BGB, in dem überwiegend ein Prinzip materieller Höchstpersönlichkeit erkannt wird, im Bereich der Verfügungen von Todes wegen der Fall ist, muss unten gesondert erörtert werden. 236 Im Folgenden ist zunächst vom Grundsatz der Delegierbarkeit auszugehen. Dabei bietet es sich aufgrund der zusätzlichen Problematik des § 2065 Abs. 2 BGB an, zunächst das Vertragsrecht und damit die §§ 317 ff. BGB in den Mittelpunkt zu stellen.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit Selbst wenn damit eine Delegation grundsätzlich ausreicht, um der Aufgabe der Selbstgestaltung gerecht zu werden und einen wirksamen Vertrag mit bestimmbarem Inhalt hervorzubringen, muss jedoch die Delegation ihrerseits einen hinreichend bestimmbaren Inhalt haben. Andernfalls kann mit diesem Mechanismus nicht die gewünschte Bestimmbarkeit erzielt werden.

I. Bestimmbarkeit des Inhalts der Entscheidung Wenn die Parteien sich auf ein Schiedsgutachtenverfahren verständigen, werden sie häufig eine gewisse Vorstellung davon haben, wie der Schiedsgutachter zu seiner Entscheidung gelangen soll. Sie geben ihm dann möglicherweise einen bestimmten Entscheidungsmaßstab oder eine Berechnungsmethode vor. Es kann aber ebenso vorkommen, dass die Parteien keinerlei Regelung darüber treffen, wie der Dritte seine Entscheidung zu treffen hat, oder sie dem Dritten 234 Staudinger/­R ieble,

§ 315 Rn. 29. Zitat von Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 9 f. 236  Siehe unten § 5 (S. 305 ff.). 235 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

sogar ausdrücklich ganz freie Hand lassen. Welche Anforderungen sind an die Bestimmbarkeit des Inhalts der Entscheidung zu stellen, damit der Vertragsinhalt noch als bestimmbar angesehen werden kann?

1. Eine Skala der Entscheidungsmaßstäbe a) Die Abstufungen nach deutschem Recht Nach § 317 Abs. 1 BGB hat der Dritte seine Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen. In § 319 Abs. 2 BGB wird als anderer möglicher Bestimmungsmaßstab das freie Belieben genannt; falls der Dritte nach freiem Belieben entscheiden sollte, kann seine Bestimmung nicht vom Gericht ersetzt werden, wenn er sie nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert. Billiges Ermessen und freies Belieben liegen als Punkte auf einer Skala möglicher Entscheidungsmaßstäbe. 237 Das eine Ende dieser Skala markiert die Willkür des Dritten, an ihrem anderen Ende geben die Parteien dem Dritten de facto die Entscheidung vor. 238 Dabei zeigt schon die Formulierung des § 317 Abs. 1 BGB als Zweifelsregel, dass auch andere Entscheidungsmaßstäbe vorgesehen werden können. Möglich sind sowohl eine Erweiterung als auch eine Verschärfung des Entscheidungsspielraums, insbesondere mit Hilfe konkreter Vorgaben oder zu beachtender Kriterien.239 So können die Parteien etwa bestimmen, dass im Rahmen der Neufestsetzung eines Erbbauzinses „die Veränderung der Lebenshaltungskosten“ zu berücksichtigen ist240 oder dass die Bewertung von Gesellschaftsanteilen nach einer bestimmten Methode oder auf der Grundlage bestimmter Annahmen zu erfolgen hat. 241

237  Ebenso Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 6; Joussen, S. 381; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706 f.; Alsdorf, AnwBl. 1981, 86; RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; im Ergebnis auch Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 36. 238  Joussen, S. 381 sieht an dem anderen Ende das „pflichtgemäße Ermessen“, erläutert aber nicht, was damit gemeint ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Ermessen des Dritten beliebig eng umschrieben werden kann. Soegel/M. Wolf, § 315 Rn. 42 sieht als strengsten Maßstab die „Bestimmung allein nach Billigkeit“ und geht dabei davon aus, dass die Billigkeit nur ein einziges Ergebnis als richtig erlaubt (dazu oben § 2 B.II.4.b) [S. 67 ff.]). 239  Generell Erman/J. Hager, § 317 Rn. 9, § 319 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 28 f.; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 16; BGH v. 12.2.2001 BGHZ 146, 280 (Parteien gaben im Vertrag nähere Umschreibung dessen, was sie als „allgemeine wirtschaftliche Lage“ ansehen); BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454 (Parteien können Kriterien festlegen und so den Spielraum des Dritten einschränken); RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105. 240  Beispiel nach BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452. 241  Weiteres Beispiel bei Bruski, BB-Special 7/2005, 29.

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aa) Billiges Ermessen Was nun mit billigem Ermessen gemeint ist, lässt sich abstrakt schwer mit Leben füllen. 242 Ausschließlich rechtsphilosophisch fundierte Begriffbestimmungen 243 erscheinen in der Praxis wenig operabel. Eine Umschreibung der Entscheidung als billig, wenn ein anderer in der Position des Entscheidenden ähnlich oder gleich entschieden hätte, 244 liefert keine vorhersehbaren Ergebnisse. Doch lässt sich diesen Ansätzen immerhin der Ausgangspunkt für eine „rechtstheoretische Präzisierung“245 des billigen Ermessens entnehmen. Die Entscheidung nach Billigkeit bezweckt, im Einzelfall Austauschgerechtigkeit herzustellen: Billigkeit heißt Einzelfallgerechtigkeit. 246 Der Dritte hat das zu ermitteln, was „nach Lage der besonderen Umstände des Falls als angemessen, als sachlich begründet und persönlich zumutbar erscheint“. 247 Dafür hat er alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. 248 Eine abstrakte Umschreibung des billigen Ermessens muss sich also darauf zurückziehen, dass es um die Herstellung von Gerechtigkeit im Einzelfall geht und der Begriff deshalb immer

242  Die Ausdrücke „billiges Ermessen“ und „freies Belieben“ haben bei § 315 und § 317 BGB denselben Inhalt, vgl. Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 22; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 16. Für die folgenden Ausführungen kann daher auch auf Stellungnahmen zurückgegriffen werden, die sich auf § 315 BGB beziehen. 243  Zu ihnen v. Hoyningen-Huene, S.13 ff.; Joussen, S. 382 ff. 244 So Joussen, S. 384. 245  Söllner, S. 129; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 31; die Formulierung geht zurück auf Wieacker, Präzisierung. 246  In diesem Sinne Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 31; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 305; v. Hoyningen-Huene, S. 18 mit zahlreichen Nachw., 22 ff.; Joussen, S. 384 ff. Häufig wird Aristoteles’ nikomachische Ethik als Ursprung dieses Begriffsverständnisses angegeben. 247  BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62, 64. 248 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 306; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 286 (§ 12 II 5 a); Kunkel, S. 26 ff.; Bulla, BB 1976, 389, 392; BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 280. Welche Umstände dies sein können, zählt besonders ausführlich Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 315 Rn. 31 auf: „Der Geschäftszweck, günstige bzw. ungünstige vertragliche Regelungen, Vorteile aus dem Vertrag, die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern, die beiderseitigen Bedürfnisse der Vertragspartner, die Dauer des Rechtsverhältnisses, Art und Umfang der Gegenleistung, die Herstellungs- und Gestehungskosten sowie der Verkaufspreis (Preiskalkulation), die aufgewendete Zeit und Mühe für die vertraglichen Verpflichtungen, außervertragliche Vor‑ und Nachteile, später eintretende Umstände, Vermögens‑ und Einkommensverhältnisse der Parteien, wirtschaftliche Interessen oder Belastungen der Parteien, soziale Gesichtspunkte (Lebensverhältnisse, Familie, Kinder etc.), persönliche Umstände (Lebensalter, Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit, berufliche Stellung, gesellschaftliches Engagement u. Ä.), Verschulden, Arglist, Art und Ausmaß der Nachteile bzw. des Schadens (zB Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen), … Preise konkurrierender Anbieter, Verteuerung der Lebenshaltungskosten, Belange des Betriebs (im Arbeitsrecht)“. Siehe ferner Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 40; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 (§ 6 II a); v. Hoyningen-Huene, S. 119 f.

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nur konkret mit Anschauung gefüllt werden kann. 249 Generalisierende Ermessensleitlinien – und seien sie beschränkt auf einen Geschäftstyp – können nicht aufgestellt werden. 250 Ob der Dritte über die Interessen der Parteien hinaus auch Allgemeininteressen, etwa volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, berücksichtigen soll, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Öffentliche Interessen mögen jedenfalls dann in die Ermessensausübung einzustellen sein, wenn eine der Parteien der öffentlichen Hand zuzuordnen ist, so bei Verträgen mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts; in diesem Fall decken sich Parteiinteresse und Interesse der öffentlichen Hand. 251 Einige vertreten die Ansicht, dass auch darüber hinaus bei Verträgen zwischen Privaten öffentliche Interessen einen Gesichtspunkt darstellen können. 252 Voraussetzung sei lediglich, dass sie auf das Vertragsverhältnis der Parteien und deren Interessenlage bezogen seien.253 Dem treten andere entgegen mit dem Argument, dass Privatleute nicht dem öffentlichen Wohl verpflichtet seien. 254 Eine Grenze der Ermessensausübung bestehe erst dort, wo Parteiinteresse und Gemeinwohl derart auseinanderfallen, dass die billige Entscheidung gegen §§ 138, 242 BGB verstoßen würde. 255 Vermittelnd wird gesagt, dass der Bestimmungsberechtigte Interessen der Allgemeinheit soweit zu beachten habe, wie sie mit den Individualinteressen der Parteien vereinbar seien.256 Diese vermittelnde Ansicht weist auf den Schlüssel zur Beantwortung der Frage hin: Der Bestimmungsberechtigte ergänzt den Willen der Parteien im Einzelfall. Soweit anzunehmen ist, dass die Parteien bei dem Abschluss des Vertrages, zu dem sie nur mit Hilfe des Dritten gelangen können, Gemeinwohlinteressen in den Blick genommen hätten, hat auch der Dritte diese Interessen zu beachten. Vorstellbar ist das etwa, wenn der Vertrag größere wirtschaftliche Auswirkungen haben kann oder ein Vertragspartner eine Vielzahl ähnlicher Verträge schließt, 257 beispielsweise ein Eigentümer vieler Grundstücke, an denen er jeweils Erbbaurechte bestellt258. Im Regelfall aber werden

249  Deutlich Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 307: „Eine abstrakt-generelle Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs ist … ein selbstwidersprüchliches Unterfangen.“ 250 Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 38. Dies illustriert ein Beispiel bei Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 287 (§ 12 II 5 a): Erkennt der Dritte die wirtschaftlich schwache Situation eines Vertragspartners, kann er deswegen nicht stets einen eher niedrigen Preis festsetzen; beispielsweise bei der Gewährung eines Kredits ist gerade das entgegengesetzte Vorgehen angezeigt. 251 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 311. 252  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 31; v. Hoyningen-Huene, S. 122 f. 253  v. Hoyningen-Huene, S. 56; siehe auch G. Hueck, GS Dietz, S. 255. 254 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 310; Kunkel, S. 28. 255 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 312; Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 38. 256  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 31. 257  In diesem Fall sprechen sich im Rahmen des § 315 BGB viele zusätzlich für eine Bindung an den Gleichheitsgrundsatz aus, siehe Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 287 (§ 12 II 5 b). 258  Dies kommt beispielsweise bei Grundstücken im Eigentum der Kirchen vor.

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die Parteien ihre eigenen Interessen verfolgen. Dann hat auch der Dritte andere Interessen bei seiner Ermessensausübung außer Betracht zu lassen.

bb) Freies Ermessen Eine Zwischenstation auf der Skala möglicher Entscheidungsmaßstäbe, die verbreitet mit einem eigenen Namen gekennzeichnet wird, ist das „freie Ermessen“. 259 Dieser Maßstab soll dem Bestimmungsberechtigten einen Ermessensspielraum bis an die Grenze der offenbaren Unbilligkeit geben. 260 Zum Teil wird er aber auch synonym zum freien Belieben verwendet. 261 Wegen dieser Begriffsverwirrung und aufgrund der Tatsache, dass er angesichts der in § 319 Abs. 1 BGB ohnehin auf offenbare Unbilligkeit beschränkten Kontrollmaßstabs gegenüber dem billigem Ermessen praktisch keinen Unterschied bringt, 262 kann der Maßstab des freien Ermessens hier außer Betracht bleiben.

cc) Freies Belieben Noch größere Freiheit hat der Bestimmungsberechtigte, dem eine Entscheidung nach freiem Belieben übertragen wird. Die Leistungsbestimmung kann sich nunmehr auch und ausschließlich am subjektiven Dafürhalten des Bestimmungsberechtigten orientieren. Sie richtet sich nach seinem Willen und Gutdünken. 263 Eine Grenze findet jedoch auch dieser weite Maßstab in den §§ 134, 138, 242 BGB und daher insbesondere im Verbot einer willkürlichen 264 Entscheidung. 265 259 Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 42 erkennt als weitere Zwischenstufe das „einfache Ermessen“, das zwar von den Maßstäben der Billigkeit gelöst sei, aber immer noch eine Orientierung an objektiven Kriterien wie dem Sinn und Zweck der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung verlange. Diese Begriffsbildung ist vereinzelt geblieben. 260  BAG v. 16.3.1982 DB 1982, 1939; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 285 (§ 12 II 4) m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 32; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 137 f.; a.A. PWW/ Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 9 (Spielraum bis zur Grenze der §§ 134, 138 BGB – doch was bleibt dann noch für das freie Belieben?); Lembcke, NZBau 2012, 85, 89 (weiter als offenbare Unbilligkeit). 261 Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 41; Joussen, S. 380; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 247 (§ 14 III 1); Göppinger, JJB 9 (1968/69), 86, 87. Diese Verschmelzung der Begriffe erscheint wenig sinnvoll, da sie Differenzierungsmöglichkeiten abschafft und zugleich der überkommenen Rechtsprechung zuwiderläuft. 262  Siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 f. (§ 12 III 3). 263  Weitere Umschreibungen bei Alsdorf, AnwBl. 1981, 82; ebenso Joussen, S. 379. – Das „Gutdünken“ wird besonders im 19. Jahrhundert als Gegenbegriff zum arbitrium boni viri verwendet, siehe etwa Arndts, S. 334 f. (§ 203); Puchta, S. 341 (§ 221); Baron, S. 357 (§ 208). 264  Gemeint ist damit Willkür im Sinne von Rechtsmissbrauch, Alsdorf, AnwBl. 1981, 85. Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707 definiert Willkür als „Tätigsein aus sachfremden Motiven“. – Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 246 will die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens nach Willkür umdeuten in ein solches nach billigem Ermessen, da dies Ergebnis den Parteien immer noch eher genehm sein dürfte als die Unwirksamkeit ihres Vertrags.

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b) Weniger Dogmatisierung in England und Frankreich Wer mit diesem Portfolio möglicher Bestimmungsmaßstäbe vor Augen ins Ausland blickt, wird feststellen, dass die Frage des Entscheidungsmaßstabs des Dritten in England266 und Frankreich eine geringere Rolle spielt. Eine mögliche Erklärung für diese geringere Bedeutung der Frage könnte darin zu suchen sein, aus welcher Blickrichtung die Entscheidung des Dritten betrachtet wird. Analysiert man seine Tätigkeit aus einer ex ante-Perspektive, so rückt die Frage des Maßstabs, nach dem die Entscheidung zu treffen ist, in den Vordergrund. Blickt man jedoch aus einer ex post-Sicht auf die getroffene Entscheidung, so stellt sich eher die Frage nach deren Bestand und damit nach den bei der Kontrolle anzulegenden Kriterien. Diese können mit dem Entscheidungsmaßstab übereinstimmen, müssen dies jedoch nicht, wie gerade auch die Differenzierung in den §§ 317, 319 BGB zwischen dem Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens und dem Kontrollmaßstab der offenbaren Unbilligkeit belegt. Welche Bedeutung verbliebe etwa für das freie Belieben, wenn die Parteien eine Kontrolle auf Unbilligkeit vereinbart hätten? Der Dritte würde, trotz seines freien Entscheidungsmaßstabs, versuchen, eine billige Entscheidung zu fällen. Gerade dem englischen Recht, das vom Einzelfall ausgehend nach Lösungen sucht, dürfte die zweitgenannte Perspektive in den meisten Fällen pragmatischer erscheinen, jedenfalls wenn nichts davon abhängt, welchen Entscheidungsmaßstab der Dritte zugrundezulegen hatte. Zudem dürfte die breitere Auseinandersetzung in Deutschland daran liegen, dass der Entscheidungsmaßstab in den §§ 317 ff. BGB ausdrücklich angesprochen wird und damit gewissermaßen zu einer dogmatischen Durchdringung herausfordert. Dies vorweggeschickt, zeigen sich in beiden Rechtsordnungen unterschiedliche Tendenzen. Auf die Frage des Entscheidungsmaßstabs kommt es im englischen Recht vor allem dann an, wenn der Dritte aus irgendeinem Grund ausgefallen ist und sich nun die Frage nach einer gerichtlichen Ersetzung stellt.267 Hier hat sich in neuerer Zeit die Linie herausgebildet, dass der Dritte im Zweifel seine Entscheidung am Maßstab von „fairness“ und „reasonableness“ aus265  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 283 (§ 12 II 3 a); Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 41, § 319 Rn. 22; RGRK/Ballhaus, § 319 Rn. 17; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 2; Staudinger/­Rieble, § 319 Rn. 4 (siehe aber auch Rn. 24: Kontrolle auf „grobe Unbilligkeit“); Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 230; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 249 (§ 14 III 2); Söllner, S. 119; außerdem Alsdorf, AnwBl. 1981, 82 mit zusätzlichem Hinweis auf § 226 BGB. Enger Palandt/Grüneberg, § 315 Rn. 5, der bereits die offenbare Unbilligkeit als Grenze ansieht; ebenso v. Blociszewski, S. 48 f. Im Einzelfall dürfte die Grenzziehung zwar problematisch sein; doch besteht zwischen offenbarer Unbilligkeit und Sittenwidrigkeit ein Unterschied. – A.A. Crome, S. 41, der freies Belieben und Willkür gleichsetzt und allenfalls im Verhältnis zum Dritten § 826 BGB eingreifen lassen will. 266 Ebenso Borowsky, S. 200. 267  Eventuell kann der Entscheidungsmaßstab auch für das Pflichtenprogramm des Dritten bei der Frage nach seiner Haftung eine Rolle spielen.

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zurichten hat und nur dann nach subjektiven Vorstellungen entscheiden darf, wenn sich dafür besondere Anhaltspunkte finden. 268 Dem entspricht die Vorstellung des englischen Rechts, dass bei Fehlen einer Preisbestimmung im Vertrag ein „reasonable price“ als vereinbart gilt, sofern nur ein entsprechender Bindungswille der Parteien vorliegt. 269 Diese Kategorien kommen funktional der Unterscheidung des deutschen Rechts zwischen billigem Ermessen und freiem Belieben nahe. Das französische Recht sieht den Dritten demgegenüber als grundsätzlich frei von irgendwelchen Bestimmungsmaßstäben an. Er genieße eine „pleine liberté“270 bei der Ausführung seiner Aufgabe, und zwar sowohl gegenüber den Parteien als auch gegenüber dem Gericht 271. Ihm stehe „toute latitude“272 bei 268  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 477B-C und 479B (per Lord Diplock), 483F (per Lord Fraser); Queensland Electricity Generating Board v. New Hope Collieries Pty Ltd. [1989] 1 ­Lloyd’s Rep. 205, 210 (PC): „If there are cases where the true meaning of the contract is that the arbitrator is to aim, not at objectively fair and reasonable terms, but merely at some result which appeals to him subjectively, they must be rare indeed.“ 269  Siehe s. 8(2) SGA. Die Gerichte zeigen sich im Übrigen eher geneigt, einen Vertrag trotz fehlender Preisbestimmung durchzusetzen und einen angemessenen („reasonable“ oder „fair“) Preis als vereinbart anzusehen, wenn das Vertragsverhältnis bereits teilweise vollzogen worden ist, vgl. Lewison, Rn. 8.14 m.w.N.; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑046; W. Witz, S. 102 ff. (zum Kaufpreis). Siehe etwa Beer v. Bowden [1981] 1 WLR 522 (Klausel zur Neuverhandlung des Mietzinses in einem auf 14 Jahre geschlossenen Mietvertrag nach fünf Jahren Laufzeit, die Verhandlungen endeten ergebnislos; obwohl die Klausel für diesen Fall keine Vorkehrungen getroffen hatte, nahm das Gericht ein implied term an, eine „fair market rent“ zu bezahlen, die das Gericht selbst ermitteln konnte, da das Vertragsverhältnis – möglicherweise anders als bei einem Kaufvertrag – fortdauern sollte); Thomas Bates & Son Ltd. v. Wyndham’s (Lingerie) Ltd. [1981] 1 WLR 505; Foley v. Classique Coaches Ltd. [1934] 2 K.B. 1 (Betreiber einer Busgesellschaft erwarb ein Grundstück von einem Tankstellenbetreiber und verpflichtete sich darin, seinen Kraftstoff in Zukunft exklusiv von diesem zu beziehen und dafür einen Preis „to be agreed by the parties in writing and from time to time“ zu entrichten; nachdem für drei Jahre Kraftstoff geliefert worden und der dafür geforderte Preis bezahlt worden war, erklärte der Busunternehmer, dass er sich wegen Unbestimmtheit nicht an den Vertrag gebunden fühle; das Gericht sah einen „reasonable price“ als vereinbart an); Mack & Edwards (Sales) Ltd. v. McPhail Bros. (1968) 112 Solicitors’ Journal 211 (obwohl der Käufer nie die vom Verkäufer im Hinblick auf gestiegene Steuern vorgeschlagene Kaufpreiserhöhung akzeptiert hatte, schuldete einen angemessenen Preis, da er die Kaufsache entgegengenommen hatte). Mit diesem Kriterium lässt sich auch das Urteil in May & Butcher v. R. [1934] 2 K.B. 17 abgrenzen: Hier hatten die Parteien gezeigt, dass sie erst gebunden sein wollten, nachdem sie sich auf einen Kaufpreis verständigt hatten, Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2‑127, 2‑129; als weiteres Beispiel für ein unverbindliches „agreement to agree“ siehe Acertec Con­struction Products Ltd. (Formerly BRC Ltd.) v. Thamesteel Ltd. [2008] EWHC 2966 (Comm.), para. 43. 270  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 72 m.w.N.; Moury, Nr. 32.131; Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 531 (§ 255). 271  Viandier, JCP E 2012, 1395. 272 Zu Art. 1592 Code civil: Testu, Nr. 42.30; Antonmattei/Raynard, Nr. 127. Zu Art. 1843-4 Code civil: Cass. com. 3.5.2012 JCP E 2012, 1395 (der gerichtlich benannte Dritte i.S.d. Art. 1843-4 Code civil ist nicht an einen vom Gericht vorgegeben Bewertungstichtag

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seiner Bewertung nach den Kriterien, die er für passend hält, zu. Schließlich sei er der Sachverständige. 273 Diese völlige Freiheit des Dritten kann freilich in allen freiwilligen Schiedsgutachtenverfahren durch, möglicherweise sehr präzise, Vorgaben der Parteien eingeschränkt werden.274 Schreiben diese dem Schiedsgutachter eine bestimmte Bewertungsmethode vor, darf er nicht mehr nach seiner freien Entscheidung eine andere anwenden.275 Bestimmte Interpretationsregeln, die im Zweifel von einem Willen der Parteien ausgehen, dem Dritten eine Entscheidung anhand objektiver Kriterien vorzuschreiben, haben sich jedoch, soweit ersichtlich, nicht herausgebildet. Im Ergebnis gehen daher auch das englische und das französische Recht von einer Skala der Entscheidungsmaßstäbe aus. Wo sie den Maßstab für die Entscheidung des Dritten im Einzelfall auf dieser Skala verorten würden, wird jedoch unterschiedlich beurteilt.

2. Zulässigkeit einer Entscheidung nach freiem Belieben Erforderlich für die Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts ist danach stets, dass die Parteien dem Dritten einen Entscheidungsmaßstab vorgeben. Welcher Maßstab im Einzelfall gewollt ist, richtet sich, wie gesehen, in allen drei Rechtsordnungen nach einer Auslegung des Parteiwillens. Es kann aber durchaus fraglich sein, ob der Inhalt eines Vertrages als bestimmbar angesehen werden kann, wenn der Dritte keinerlei Vorgaben hat, an denen er seine Entscheidung orientieren soll. Angesprochen ist damit die Zulässigkeit eines Schiedsgutachtens nach freiem Belieben. Auch wenn es in der Praxis vermutlich nur selten zu derartigen Vereinbarungen kommt, 276 liegt hier der erste Ansatzpunkt. Denn die Entscheidung gebunden); Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 66; Renard-Payen, JCP 2005,II, 10046 m.w.N. 273  Lucas, FS Tricot, S. 706. 274  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 73; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046; Testu, Nr. 42.30; Moury, Nr. 32.141 ff. D.h. also nicht, sofern die Voraussetzungen des Art. 1843-4 Code civil vorliegen, siehe oben § 2 Fn. 231 und Fages, RTD civ. 2013, 110. Freilich ist der Dritte auch dann nicht gehindert, von sich aus satzungsmäßige Vorgaben zu befolgen. 275  Z.B. Cass. com. 10.3.1998 Bull. civ. IV, Nr. 99. 276  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 (§ 12 III 3 b); ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b); Winter, S. 133; Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 23 (§ 254) („wenn überhaupt solche Verträge vorkommen!“). Beispiele in der Rechtsprechung sind rar, siehe aber OLG Frankfurt v. 11.3.2005 – 2 U 5/04 (juris) (dazu noch unten § 4 C.I.2.e) [S. 207 f.]) sowie den Fall RG v. 23.3.1915 G ­ ruchot 60 (1916), 154, 158, der mit Gernhuber a.a.O. „sicherlich unrichtig“ entschieden wurde, weil darin eine Vielzahl von Ermessensleitlinien identifiziert werden. Als einen Anwendungsfall bringen Dernburg, Bürgerliches Recht II/1, S. 225 (§ 87) und Crome, S. 41 f. Fn. 13 folgendes Beispiel: Der Käufer möchte eine von mehreren zum Verkauf stehenden Sachen (etwa Schmuckstücke) einem Dritten schenken, der sich den Schenkgegenstand aussuchen soll. Arens, S. 35 vermutet sogar, dass Fälle dieser Art die einzigen Beispiele für eine Drittentscheidung nach freiem Belieben seien. Dieses Beispiel ist zumindest

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nach freiem Belieben kann gewissermaßen als Prototyp einer Entscheidung, die frei von Vorgaben der Parteien getroffen wird, gelten. Eigentlich dürfte nach dem soeben Gesagten und insbesondere im Hinblick auf § 319 Abs. 2 BGB277 kein Zweifel daran bestehen, dass die Parteien den Dritten auch mit einer Entscheidung nach freiem Belieben betrauen können. Dafür spricht auch, dass das Gesetz in wenigen Fällen, etwa in § 2048 S. 2 BGB für die Erbauseinandersetzung durch einen Dritten, den Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens fest vorgibt. 278 Das erlaubt den Schluss, dass in allen übrigen Fällen auch andere, freiere Entscheidungsmaßstäbe zulässig sein müssten. unglücklich gewählt: Der Sachverhalt zeigt deutliche Verwandtschaft mit der Wahlschuld (§ 262 BGB), bei der der Schuldner oder der Gläubiger nach Belieben zwischen mehreren bestimmten Gegenständen wählen darf. Das Verhältnis der §§ 317 ff. BGB zur Wahlschuld ist bis heute umstritten, da § 262 BGB seinem Wortlaut nach nur das Wahlrecht des Schuldners oder des Gläubigers regelt (Überblick bei C. Wagner, S. 35 ff.). Die h.M. ordnet die Situation der Sache nach bei den §§ 317 ff. BGB (direkt oder analog) ein und reserviert die §§ 262 ff. BGB für das Wahlrecht des Schuldners oder des Gläubigers, siehe nur Münch­Komm-­BGB/Krüger, § 262 Rn. 4; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 21; C. Wagner, S. 37 f. m.w.N. Freilich fragt es sich in einem derartigen Fall, ob hierfür die §§ 317 ff. BGB wirklich passen. Dagegen spricht zunächst ein formaler Unterschied: Die einzelnen Möglichkeiten sind bereits bestimmt, nur besteht zwischen ihnen noch die Wahl, während bei § 317 BGB auch die einzelnen Wahlmöglichkeiten noch unbestimmt sind, Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 257 (§ 11 I 4); Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706. Darüber hinaus betrachten die Parteien alle Möglichkeiten als gleichwertig (Staudinger/­ Rieble, § 315 Rn. 173; Pescatore, S. 121). Das Wahlrecht des § 262 BGB kann deshalb nach freiem Belieben ausgeübt werden, weil die Interessen der Gegenseite schon bei der Festlegung des Kreises von Wahlmöglichkeiten berücksichtigt wurden. Deshalb will umgekehrt die Kategorie der „billigen“ Entscheidung, d.h. der im Zweifel von § 317 BGB angeordnete Maßstab, nicht passen, Ziegler, AcP 171 (1971), 193, 199 f. m.w.N.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 266 (§ 11 II 2 c); Pescatore, S. 121. Würde der Dritte in einem extremen Fall von den Parteien eines Kaufvertrags gefragt, ob der Käufer für einen bestimmten Kaufgegenstand 100 oder 200 bezahlen solle, so wäre ein Ergebnis sicher als angemessener, „billiger“ zu betrachten als das andere. Gleichwohl kann sich der enttäuschte Vertragsteil danach nicht darauf berufen, der Spruch des Dritten sei offenbar unbillig, da er sich auf diese Wahl ja eingelassen hat. Ein drittes Argument dafür, hier eine Wahlschuld anzunehmen, liefert das Wahlvermächtnis nach § 2154 S. 2 BGB, das die h.M. im Erbrecht als Wahlschuld behandelt, Staudinger/ Otte, § 2154 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2154 Rn. 1; Ziegler, AcP 171 (1971), 193, 200; Lange/­Kuchinke, S. 646 (§ 29 V 2 c a) (dort wird das Wahlvermächtnis als „Hauptfall der Wahlschuld“ bezeichnet). Dass ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben wohl tatsächlich (unabhängig von der dogmatischen Einordnung) am ehesten bei einem bloßen Wahlrecht des Dritten vorstellbar ist, zeigt eine nur geringe Veränderung des Beispielssachverhalts. Darf der Dritte nicht nur zwischen zuvor festgelegten Optionen, sondern frei eine Leistung bestimmen, wird der Fall gleich unrealistisch: Kein Schmuckhändler oder ‑käufer käme auf die Idee, dem Dritten auch die Bestimmung des zu zahlenden Preises nach freiem Belieben zu überlassen. 277 Darauf weisen hin Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 1; RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 1; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 1. 278  Trotzdem für die Möglichkeit einer Entscheidung „nach Willkür“ Kipp/Coing, S. 423 (§ 77).

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a) Keine unzulässige Gefährdung der Selbstbestimmung Gleichwohl hält ­L arenz die Übertragung eines derartigen Bestimmungsrechts in einzelnen Fällen für unwirksam, weil sie die wirtschaftliche Selbständigkeit des Schuldners in sittenwidriger Weise beschränke. 279 Und auch Flume schreibt, dass Handeln für andere stets Handeln in pflichtgemäßem Ermessen sei und als solches „in scharfem Gegensatz zu dem privatautonomen Handeln als einem solchen in ‚Selbstherrlichkeit‘“ stehe. 280 Beide Stellungnahmen gründen ihre Bedenken also weniger auf eine möglicherweise fehlende Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts als auf eine vermeintliche Gefahr für die Selbstbestimmung der Betroffenen. Vermeintlich kann diese Gefahr deshalb genannt werden, weil sie der Maßstab des freien Beliebens nicht grenzenlos ist, sondern auch hier der Dritte die §§ 134, 138, 242 BGB zu wahren hat und nicht willkürlich entscheiden darf. 281 Unwirksam – und insoweit gerichtlich voll nachprüfbar – ist deshalb allenfalls der Spruch des Dritten, nicht aber schon die Vereinbarung eines Bestimmungsrechts nach freiem Belieben selbst. 282 Wo im Übrigen in der Literatur die Möglichkeit, dass der Dritte nach freiem Belieben entscheidet, abgelehnt wird, so liegt das daran, dass freies Belieben und Willkür vermischt ­werden. 283

b) Die (vermutliche) Unzulässigkeit freien Beliebens im römischen Recht Aus historischer Sicht ist es freilich nicht selbstverständlich, dass das freie Belieben zulässiger Entscheidungsmaßstab ist. Im 19. Jahrhundert war es allgemein anerkannt, dass die Parteien die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen können. 284 Dabei war es üblich, zwischen einer Bestimmung nach billigem Ermessen (arbitrium boni viri) und einer Bestimmung nach freiem Belieben (arbitrium merum) zu unterscheiden. 285 Zwar waren die partikularrechtlichen Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts noch davon ausgegangen, dass der Dritte stets nach billigem Ermessen zu entscheiden habe. 286 279  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b); auch schon Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 23 (§ 254). Zu Bedenken gegen das freie Belieben einer Partei siehe bereits oben § 3 Fn. 97. 280  Flume, AT II, S. 9 (§ 1, 6 c). 281  Siehe oben bei Fn. 265; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 137. 282  So auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 (§ 12 III 3 b). 283  Siehe z.B. Habscheid, FS Lehmann II, S. 793 Fn. 23; A. Bachmann, S. 30; Sintenis, Civilrecht II, S. 32 Fn. 56 (§ 83); Schirmer, AcP 91 (1901), 136, 139 f. 284  Siehe nur Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15); Baron, S. 357 (§ 208); Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 20 Fn. 5 (§ 254); Winter, S. 127 ff.; sowie bereits oben § 2 B.II.2.c) (S. 49 ff.). 285  Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15); Arndts, S. 334 f. (§ 203); Baron, S. 357 (§ 208); Puchta, S. 341 (§ 221); Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 20 Fn. 5 (§ 254); a.A. Sintenis, Civilrecht II, S. 32 Fn. 56 (§ 83) (anders als im römischen Recht hat jede Drittbestimmung nach Billigkeit zu erfolgen); Mühlenbruch, Pandekten I, S. 244 Fn. 5 (§ 130). 286 § 802 sächs. BGB; Art. 35 DresdE; HessE IV 1, Art. 56 Abs. 2; BayE II, Art. 29.

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Eine Ermächtigung zur Leistungsbestimmung nach freiem Belieben war nicht vorgesehen. 287 Zum Vorbild für die Regelung der §§ 317 ff. BGB wurde jedoch die Differenzenzierung zwischen arbitrium boni viri und arbitrium merum. 288 Ob sie auch ähnlich schon das römische Recht prägte – der Begriff arbitrium merum ist anders als das arbitrium boni viri den Quellen fremd289 –, kann jedoch angezweifelt werden. Die römischen Quellen behandeln Drittbestimmungen in verschiedenen Zusammenhängen.290 Von Bedeutung für die spätere Entwicklung waren vor allem einerseits die Stellen in Codex und Institutionen über die Preisfestsetzung bei Kauf‑, Werk‑ oder Mietverträgen und andererseits ein Digestenfragment zur Verteilung von Gesellschaftsanteilen bei der societas. Proculus berichtet davon, dass zwei Gesellschafter ihren gemeinsamen Freund Nerva als Dritten damit betrauen, ihre Anteile festzulegen, und Nerva dem einen Gesellschafter einen Anteil von einem Drittel, dem anderen einen Anteil von zwei Dritteln zuweist. 291 Zu unterscheiden seien nun zwei Typen von Schiedsrichtern (arbiter): Der Ausspruch des einen sei bindend, gleich ob er gerecht oder ungerecht sei. Dies sei der Fall, wenn der Schiedsrichter aufgrund eines Schiedsvertrages aufgesucht werde. Der Ausspruch des anderen Typus habe nach dem Ermessen eines redlichen Mannes (arbitrium boni viri) zu erfolgen. In diesem Fall könne der Ausspruch korrigiert werden, wenn seine Ungerechtigkeit handgreiflich sei. Um einen derartigen Fall handele es sich auch hier. Die rechtsgestaltende Bestimmung durch einen Dritten wird also ausdrücklich zugelassen, und zwar mit der Maßgabe, dass der Dritte nach billigem Ermessen

287  Siehe etwa § 802 sächs. BGB; Prot-DresdE, Bd. I, S. 126. In § 802 S. 2 sächs. BGB war sogar eine Auslegungsregel enthalten, wonach die Vereinbarung einer Entscheidung nach „Ermessen“ oder nach „Willkühr“ als Einigung auf das billige Ermessen zu verstehen sei. 288  Aus der Vorlage (v. Kübel, Bd. II/1, S. 269 ff.) wird nicht deutlich erkennbar, ob der Redaktor ebenfalls die beiden Entscheidungsmaßstäbe unterschied. In seinem Entwurf nennt er nur das billige Ermessen. Doch soll es ausweislich der Begründung möglich sein, dass sich die Parteien dem Ausspruch des Dritten unterwerfen, „wie [er] sachlich auch ausfallen möge“ (S. 272, siehe auch S. 270). Ob damit gemeint ist, dass der Dritte schon sachlich in seiner Entscheidung frei ist (im Sinne freien Beliebens), oder ob dies lediglich die Anfechtung der dennoch nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung ausschließt, bleibt unklar. Doch dürfte diese Differenzierung im Ergebnis keinen Unterschied machen. Funktional gewährt der Ausschluss der Anfechtung einen Entscheidungsspielraum bis an die Grenze des freien Beliebens. – In den Beratungen über diese Vorlage stellt dann die 1. Kommission auf Antrag von Windscheid und Planck klar, dass das billige Ermessen nur ein möglicher Entscheidungsmaßstab ist, und verankert die auch heute in § 317 Abs. 1 BGB zu findende Zweifelsregel im Entwurf, Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 431. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die beiden Formen des arbitrium wie in Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 106 Fn. †, findet sich in den Protokollen der 1. Kommission nicht. 289 Vgl. Schirmer, AcP 91 (1901), 136. 290  Kaser, S. 490; Wenger, S. 85 ff. 291  D. 17,2,76–80.

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entscheide und seine Entscheidung im Fall der handgreiflichen Ungerechtigkeit vom Richter auf ein billiges Maß zurückgeführt werden könne. Die zweite maßgebliche Verbindungslinie des modernen Rechts der Leistungsbestimmung durch einen Dritten führt zur Bestimmtheit des Kaufpreises. In einigen Rechtsordnungen, wie zum Beispiel in Frankreich 292, wird diese Verbindungslinie noch ganz unmittelbar in der Zivilrechtskodifikation sichtbar, wenn darin nicht die Leistungsbestimmung durch einen Dritten allgemein, sondern nur der der Spezialfall der Kaufpreisbestimmung geregelt ist. Grundsätzlich ging das römische Recht davon aus, dass zu einem wirksamen (Kauf‑) Vertragsschluss auch die Einigung über einen bestimmten oder zumindest objektiv bestimmbaren Preis gehörte (pretium certum). 293 Ausgeschlossen war damit insbesondere, dass die Preisbestimmung in die Entscheidung einer Partei gestellt wurde. 294 Ob der Kauf einer Sache „um wieviel Titius sie einschätzen würde“ („ut quanti Titius rem aestimaverit“295) als wirksam geschlossen angesehen werden könne, war dagegen unter den Juristen im klassischen römischen Recht umstritten. Gaius verortet die Frage bei den Voraussetzungen eines gültigen Kaufs296 und berichtet in seinen Institutionen von dem Streit, ohne sich selbst auf eine Meinung festzulegen:297 Manche Juristen (Labeo und Cassius) hielten den gesamten Kaufvertrag mangels einer Einigung über den Preis für unwirksam. Dies lässt sich heute so deuten, dass diese Juristen die Vereinbarung einer Drittbestimmung wohl als Nebenabrede (pactum adiectum) zu dem Hauptvertrag (Kauf) betrachtet haben. Eine Nebenabrede konnte allerdings nur dann wirksam sein, wenn ein wirksamer Hauptvertrag vorlag; einem an sich unwirksamen Hauptvertrag zur Wirksamkeit verhelfen konnte sie nicht. Da der Kaufvertrag ohne Preisbestimmung unwirksam war, musste es bei dieser Unwirksamkeit verbleiben. 298 Andere (Proculus, Ofilius) sprachen sich für die Wirksamkeit aus, allerdings unter der Bedingung, dass der Dritte die Bestimmung auch tatsächlich vornehme.299 Dies hatte vor allem zur Folge, dass der Vertrag wirksam wurde mit der Festsetzung des Preises und unwirksam blieb 292  Siehe oben § 4 A.I. (S. 148 ff.); außerdem z.B. in §§ 1053, 1056 f. des österreichischen ABGB, dazu nur Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger/Apathy, § 1056 Rn. 1. 293  Inst. III,23,1 („certum pretium esse debet“); W. Witz, S. 11 ff. m.w.N.; R. Zimmermann, Obligations, S. 253 f. (mit Überblick über Digestenfragmente, die Grenzfälle der Bestimmtheit behandeln); Kaser, S. 490; Giger, Annuario di Diritto Comparato e di Studi Legislativi 38 (1964), 79, 99 f.; Mackintosh, S. 10; Hattenhauer, S. 36 f. 294  Siehe nur Gaius D. 18,1,25,1; R. Zimmermann, Obligations, S. 254 f. 295  C. 4,38,15,1; Gai. III,140. Siehe auch Gai. III,143 zur locatio conductio. 296 Vgl. Ernst, FS Mayer-­Maly, S. 160 f. 297  Gai. III, 140. 298  Zu dieser Deutung Nelson/Manthe, S. 260 f. 299 Dazu Nelson/Manthe, S. 259 f.; Bechmann, S. 344 f. (§ 217), der ein praktisches Bedürfnis nach der Wirksamkeit der Abrede darin erblickt, dass angesichts großer örtlicher Preis­ unterschiede ein Kauf unter Abwesenden überhaupt erst mit Hilfe eines Dritten, dem die Parteien Vertrauen schenkten, möglich gewesen sei.

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bei Ausfall der Bedingung, wenn nämlich der Dritte die Bestimmung nicht vornehmen konnte oder wollte.300 Digestenfragmente über diesen Streit existieren nicht.301 Eine Aufnahme des Streits in das Corpus iuris in allen Einzelheiten erübrigte sich indes auch, denn Justinian entschied die Kontroverse autoritativ zugunsten der zweiten Ansicht.302 Von de Zulueta wird diese Entscheidung angesichts des pretium certum-Erfordernisses als ein Triumph des Commonsense über die Logik gewürdigt.303 Wenn jedoch das pretium certum-Erfordernis so verstanden wird, dass damit in erster Linie eine subjektive Einflussnahme der Parteien auf den Preis ausgeschaltet werden soll, erscheint Justinians Entscheidung folgerichtig. Weshalb die Drittbestimmung des Kaufpreises größere Startschwierigkeiten als die Verteilung von Gesellschaftsanteilen durch einen Dritten hatte, kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Ein Grund könnte darin gelegen haben, dass es für die Entscheidung, wie die Gesellschaftsanteile zu verteilen sind, leicht zugängliche, objektive Kriterien gab, an denen sich der Dritte orientieren konnte.304 Insbesondere konnte Nervus sich darauf stützen, welcher Gesellschafter wie viel eingebracht hat.305 Beim Kaufvertrag seien derartige Entscheidungskriterien schon aufgrund beträchtlicher örtlicher Preisunterschiede hingegen schwerer zu greifen gewesen, so dass die römischen Juristen sich beim Kauf (zumindest zunächst) zurückhaltender gezeigt hätten, eine Preisbestimmung durch einen Dritten anzuerkennen.306 Den Preis einer Sache festzulegen, wäre dann nicht Sache einer einzelnen Person, sondern der Allgemeinheit gewesen.307 Ein anderer Grund könnte mit der Bedeutung des pretium certum beim Kauf zusammenhängen. Dies Erfordernis gewährleiste, dass dass die essentialia des Kaufvertrages wirklich von den Parteien stammen.308 Die Römer hätten zudem aufgrund der Folgen des Kaufs für die Gefahrtragung309 gefürchtet, dass der Kaufvertrag infolge von Komplikationen bei der Preisbestimmung unvollständig bleibe.310 Schließlich wird angenommen, dass die Einführung eines 300 

Siehe auch R. Zimmermann, Obligations, S. 254 f. Nelson/Manthe, S. 260. 302  C. 4,38,15,1; Inst. III,23,1 (dort wird die Entscheidung auf die locatio conductio, also auf Miete, Pacht, Dienst‑ und Werkvertrag, erstreckt). 303  de Zulueta, S. 18. 304  Wenger, S. 87. 305  Proculus D. 17,2,80. 306  Wenger, S. 87; Bechmann, S. 339 (§ 214). 307  Vinnius, S. 351 (Nr. 3 zu Inst. III,24,1). 308  R. Zimmermann, Obligations, S. 254. Auf die Ursprünge des Austauschs Sache gegen Geld rekurriert Fels, S. 43. 309 Dazu R. Zimmermann, Obligations, S. 281 ff.; Paulus D. 18,6,8pr. 310  W. Witz, S. 16 f. unter Berufung auf Bechmann, S. 339 f. (§ 214); R. Zimmermann, Obligations, S. 254. Nach de Zulueta, S. 20 markiert die Einigung auf ein pretium certum, auf einen bestimmten (bzw. objektiv bestimmbaren) Preis den Zeitpunkt der Perfektion des Kaufvertragsschlusses. 301 

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formlosen klagbaren Kaufvertrages den römischen Juristen ohnehin als kühner Schritt erscheinen musste und sie sich deshalb generell zurückgehalten hätten, diesen Vertragstyp noch mehr zu öffnen.311 Spätestens mit der Entscheidung Justinians war die Zurückhaltung, welcher Grund ihr auch letztlich zugrunde gelegen haben mag, gebrochen. Allerdings teilt Justinian nicht mit, welchen Entscheidungsmaßstab der Dritte zu beachten hat. An dieser Frage entzündete sich später eine Kontroverse. Während manche Juristen darin gerade die Entscheidung nach freiem Belieben vertypt sahen und dort einen Ansatzpunkt für das arbitrium merum erkannten, nahmen andere an, dass auch hier der Dritte als bonus vir nach billigem Ermessen entscheiden sollte. Diese Kontroverse fand freilich nicht im luftleeren Raum statt. Sie entzündete sich an der Sachfrage, ob die Parteien die Bestimmung des Titius, wenn er sie denn abgegeben hat, ebenso wegen (offenbarer) Unbilligkeit angreifen konnten, wie dies den Gesellschaftern gegenüber einer Bestimmung des Nerva zustand. Denn auch hierzu fehlt eine Auskunft Justinians. Die Anfechtbarkeit der Entscheidung erlaubt Rückschlüsse auf den Entscheidungsmaßstab. Ist eine Drittbestimmung unanfechtbar, spielt es für die Parteien keine Rolle, ob der Dritte nach billigem Ermessen oder völlig frei entscheidet.312 Ist dagegen die Anfechtung wegen Unbilligkeit gestattet, legt dies nahe, dass der Dritte den Maßstab der Billigkeit zu beachten hat oder zumindest de facto beachtet.313 Eine Ansicht im Gemeinen Recht verstand die betreffenden Stellen so, dass Titius den Kaufpreis nach freiem Belieben festlegen könne.314 Maßgeblich geprägt315 wurde diese Lesart von Donellus, indem er in seinen Ausführungen 311  Dernburg, Pandekten II, S. 258 Fn. 21 (§ 94); kritisch dazu W. Witz, S. 16, da auch die Gesellschaft als Konsensualvertrag klagbar gewesen sei. Vgl. auch Giger, Annuario di Diritto Comparato e di Studi Legislativi 38 (1964), 79, 100 (Forderung nach einem bestimmten Preis entspreche der Starrheit der Formen im frühen römischen Recht). 312  So auch, zum heutigen Recht, Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 324: „Die Frage, wie der zur Leistungsbestimmung Berufene zu entscheiden hat, ist praktisch mehr oder weniger bedeutungslos, sofern diese Bindung nicht kontrolliert wird.“ 313  Die 1. Kommission identifizierte ausdrücklich Unanfechtbarkeit und arbitrium merum, siehe Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 434. Diese Verbindung stellt auch her Bechmann, S. 345 f. (§ 217), der in Fn. 4 treffend betont, dass der Entscheidungsmaßstab letztlich keine Rolle spiele, wenn eine Anfechtung ausgeschlossen sei. 314 Z.B. Goldschmidt, 1. Auflage, S. 605 f. mit Fn. 71 (beschränkt auf das römische Recht in der 2. Auflage, siehe unten Fn. 321); Fels, S. 7 f., 53; siehe auch HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 8 m.w.N. sowie die unten in Fn. 321 Genannten; für das römische Recht auch Bechmann, S. 346 (§ 217); Mackintosh, S. 11 (jedoch zweifelnd, da eine Drittbestimmung grundsätzlich arbitrium boni viri sei); Verstegen, FS De Vroede, S. 1531 ff. (certum sei den Römern bedeutender als iustum gewesen); ferner die Nachweise bei Wenger, S. 142 Fn. 7. Heute noch z.B. Gallo, S. 416. 315  So auch die Einschätzung von Wenger, S. 142. Als Zankapfel identifiziert Wenger (und z.B. auch Scaduto, S. 36) zutreffend eine mehrdeutige Formulierung in C. 4,38,15,1: „omnimodo secundum eius aestimationem et pretia persolvi et venditionem ad effectum pervenire“. Bezieht sich „omnimodo“ auf den Inhalt der Entscheidung, die damit wirksam ist, wie sie

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zum Kauf die Billigkeitskontrolle der Entscheidung des Dritten ablehnte: Den Parteien stünde es frei, eine Sache zu teuer zu kaufen oder zu billig zu verkaufen.316 Des Weiteren wurde daran angeknüpft, dass Justinian das Drittentscheidungsrecht nur einer bestimmten Person einräumen und die Gültigkeit mit Hilfe einer Bedingung von der Vornahme der Bestimmung abhängen lassen wollte.317 Daher sei eine richterliche Kontrolle oder gar Korrektur des Ausspruchs nicht möglich.318 Es komme ja gerade auf den Ausspruch dieses bestimmten Dritten an.319 Die Parteien sind somit auch an eine unbillige Bestimmung gebunden. Auf diese Weise wurde die Entscheidung der Ansatzpunkt für die Lehre vom freien Belieben.320 Freilich gab es im 19. Jahrhundert Vertreter dieser Ansicht, die dieser Argumentation für das römische Recht folgten, für das geltende Recht aber generell und somit auch beim Kauf den Parteien die Wahl lassen wollten, welchen Entscheidungsmaßstab sie dem Dritten vorgeben wollten.321 In neuerer Zeit wird dieser Gedankengang mit plausiblen Gründen als Fehlinterpretation der römischen Quellen abgelehnt.322 Auch historisch hat es immer Stimmen gegeben, wonach generell bei bonae fidei-Geschäften und soauch ausfallen möge? Oder bezieht sich „omnimodo“ nur auf die Entscheidung des Klassi­ kerstreits und die Frage, ob ein Kauf, dessen Preis von einem Dritten bestimmt wird, wirksam sein könne? 316  Donellus, Commentarii, Buch 13, Kap. 1, § 10. Freilich lehnt Donellus damit nur die Möglichkeit ab, einen unbilligen Ausspruch zu korrigieren. Er sagt nicht ausdrücklich, dass der Dritte nicht dennoch nach Billigkeit zu entscheiden habe. Im Verhältnis der Parteien macht das freilich keinen Unterschied zu der Situation, dass von vornherein nach freiem Belieben zu entscheiden ist. 317  C. 4,38,15,2. 318  ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 345; Goldschmidt, 1. Auflage, S. 605 f.; Baron, S. 510 (§ 286); wohl auch Wächter, S. 461 (§ 204 Beilage I) (freilich mit der Einschränkung, dass ein unverhältnismäßig hoher oder niedriger Preis einem Bedingungsausfall gleichkomme). Diskutiert wurden lediglich Anfechtungsmöglichkeiten wegen dolus und wegen laesio enormis, vgl. etwa Bechmann, S. 345 Fn. 3 (§ 217). 319  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 327 (allgemein zur Entscheidung durch einen bestimmten Dritten); ders., AcP 74 (1889), 422, 424 (bezogen auf C. 4,38,15). 320  Zu diesem Gedankengang auch Winter, S. 123 ff.; Wenger, S. 142 f. 321  Somit für die Möglichkeit, den Dritten nach billigem Ermessen entscheiden und die Entscheidung folglich gerichtlich kontrollieren zu lassen nach Gemeinem Recht und im Unterschied zum römischen Recht, etwa Dernburg, Pandekten II, S. 43 Fn. 6 (§ 15); ders., Preußisches Privatrecht II, S. 51 (§ 22); Bechmann, S. 354 (§ 220); Goldschmidt, Bd. II, S. 122 ff. 322  Wenger, S. 86, 142 ff.; Winter, S. 125; Mackintosh, S. 11; generell für arbitrium boni viri auch Kaser, S. 490; ders./Knütel, § 34 Rn. 4; Giger, Annuario di Diritto Comparato e di Studi Legislativi 38 (1964), 79, 100; de Loynes de Fumichon/Humbert, Rev. arb. 2003, 285, 318. Eine Zwischenposition vertritt Scaduto, S. 35 f., für den die Konstruktion Justinians eine hybride Gestalt hat, die als abstraktes Konzept kaum und in ihren praktischen Auswirkungen noch weniger verständlich sei. Einerseits habe Justinian das arbitrium boni viri des Dritten gewollt, denn „aestimare“ ziele auf einen angemessenen Kaufpreis ab. Andererseits habe er aber nicht die Anfechtbarkeit der Bestimmung des Dritten zugelassen; anders könne das Wort „omnimodo“ nicht gedeutet werden.

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mit auch bei der Kaufpreisfestsetzung eine Leistungsbestimmung durch einen Dritten (zumindest im Zweifel) nach Billigkeit zu erfolgen hatte.323 Denn selbst wenn ein Vertrag um eine Leistungsbestimmung bedingt sei, bedeute dies nicht, dass die Parteien der Bestimmung unbedingt unterworfen seien.324 Aus den Quellen ergebe sich nichts dafür, weshalb die Bestimmung des Dritten, wenn sie einmal abgegeben sei, nicht als unbillig angefochten werden könne.325 Im Gegenteil könne die einschlägige Digestenstelle zur societas auf andere Verträge übertragen werden.326 Es sei davon auszugehen, dass die Parteien einen billigen Preis wollten.327 Justinian habe nur den Juristenstreit entscheiden, aber nicht auch den Parteien das Recht versagen wollen, eine unbillige Bestimmung durch das arbitrium boni viri zu ersetzen.328 Selbst wenn von einem Ausschluss der Anfechtung auszugehen sei, wäre es doch nicht der Parteiwille, die Bestimmung des Kaufpreises stets dem Belieben eines Dritten zu überlassen.329 Vielleicht auch wegen dieser Zweifel wurde gerade im 19. Jahrhundert ein zweiter Begründungsansatz für die Dichotomie von billigem Ermessen und freiem Belieben in dem Digestenfragment zur societas gesehen. Dieser Stelle wurde eine andere Interpretation zuteil:330 Mit dem ersten Typus von Drittem 323  Voet, Liber XVIII, Titulus I, § 23; Glück, Bd. XVI, S. 79 f. (§ 980) unter Berufung auf Noodt, S. 305 (zu D. 18,1); Ude, AcP 52 (1869), 96, 103 ff. mit Nachw. früherer Autoren in Fn. 5; Wenger, S. 86; Mühlenbruch, Pandekten II, S. 371 (§ 391); Schirmer, AcP 91 (1901), 136, 138 ff. (Gaius habe den Ausdruck „aestimare“ nie so verwendet, dass damit eine willkürliche Bestimmung gemeint gewesen sei); v. Vangerow, S. 427 (§ 632) (unbillige Kaufpreisbestimmung kann angefochten werden, jedoch ohne Möglichkeit der Ersatzbestimmung); Keller, Pandekten I, S. 491 (§ 222); Sintenis, Civilrecht II, S. 32 Fn. 56 (§ 83); außerdem bereits Pothier, Vente, Nr. 24 unter Berufung auf die Glosse. Wenger, S. 142 f. bezeichnet diese Ansicht sogar als herrschend; Winter, S. 127, hält jedoch die Gegenansicht für vorherrschend. – Dazu auch Ulpian D. 50,17,22,1, wo für bonae fidei-Klagen angenommen wird, dass eine Bestimmung nach Ermessen als arbitrium boni viri auszuüben sei. 324  Winter, S. 125; Unterholzner, S. 230 mit Fn. g (eine Ersetzung durch den Richter komme aber nicht in Betracht, vielmehr sei der Vertrag mangels Bedingungseintritts hinfällig). 325  Wenger, S. 98 (Ausschluss der Kontrolle unmöglich). 326  Glück, Bd. XVI, S. 80 (§ 980); Vinnius, S. 353 (Nr. 5 zu Inst. III,24,1); Ude, AcP 52 (1869), 96, 103. 327  Noodt, S. 305 (zu D. 18,1); Glück, Bd. XVI, S. 80 (§ 980). Der Dritte trete, so Glück, an die Stelle der Parteien. Dann müsse den Parteien aber das Recht erhalten bleiben, sich über eine Verletzung über die Hälfte zu beschweren. An anderer Stelle (Bd. VI, S. 67 [§ 475]) betont Glück, dass eine offenbare Unbilligkeit, die zur richterlichen Reduzierung der Bestimmung berechtigt, schon vorliegen kann, wenn noch keine Verletzung über die Hälfte anzunehmen ist. Die Frage war jedoch umstritten, siehe die dort gegebenen Nachw. Wie Glück Vinnius, S. 353 (Nr. 5 zu Inst. III,24,1) mit dem Argument, dass für die Verletzung über die Hälfte ohnehin schon ein eigener Rechtsbehelf zur Verfügung stehe. 328  Noodt, S. 306 (zu D. 18,1); Glück, Bd. XVI, S. 80 (§ 980); Vinnius, S. 353 (Nr. 5 zu Inst. III, 24,1). 329  Schirmer, AcP 91 (1901), 136, 140 f. 330  Vgl. beispielhaft Dernburg, Pandekten II, S. 43 (§ 15): „Es gibt zwei Klassen von Arbitratoren.“ mit Proculus D. 17,2,76: „arbitrorum enim genera sunt duo“. Ferner z.B. Windscheid/Kipp, S. 20 Fn. 5 (§ 254); Sintenis, Civilrecht II, S. 32 Fn. 56 (§ 83) (jedoch kritisch zur

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sei nicht notwendig nur der streitentscheidende Schiedsrichter gemeint. Genauso erfasst sei der Dritte, der nach freiem Belieben eine Leistung bestimme. Auch an diese Bestimmung seien die Parteien gebunden, gleich ob sie gerecht oder ungerecht sei. So wurde letztlich diese – ursprünglich wohl anders gemeinte – Aussage über die zwei Typen von arbitri in D. 17,2,76 zum Saatkorn für die Regelung in den §§ 317 ff. BGB.331 Die Kontroverse, wie die römischen Quellen zu interpretieren sind,332 kann hier nicht entschieden werden. Sie lässt jedoch vermuten, dass dem römischen Recht eine Bindung an die Entscheidung eines Dritten nach freiem Belieben suspekt war. Für die Akzeptanz einer Leistungsbestimmung eines Dritten nach billigem Ermessen gibt es dagegen klare Anhaltspunkte.

c) Delegation von Privatautonomie trägt auch Entscheidung nach freiem Belieben Mag die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers für die Zulässigkeit des freien Beliebens damit auf einem historischen Irrtum beruht haben, kann sie doch in der Sache überzeugen. Den maßgeblichen Grund dafür liefert der Hinweis bei Donellus, dass es den Parteien doch freistehe, zu billig zu verkaufen oder zu teuer zu kaufen.333 In moderne Kategorien übersetzt ist es gerade der Gedanke der Delegation von Privatautonomie, der eine Entscheidungsbefugnis nach freiem Belieben trägt. Hätten die Parteien die Leistung selbst durch Vertrag bestimmt, hätten sie – innerhalb der üblichen Grenzen (§§ 134, 138, 242 BGB, vor allem auch §§ 305 ff. BGB) – nach freiem Belieben vorgehen können. Wenn dies der Entscheidungsmacht der Parteien entspricht und sie diese auf den Dritten übertragen, so muss es prinzipiell auch dem Dritten möglich sein, nach freiem Belieben zu entscheiden.334 Funktional erscheint dieser Dritte als gemeinsamer Vertreter der Parteien, der vom Verbot der Mehrvertretung (§ 181 BGB) befreit ist. Seine Entscheidung beruht gewissermaßen auf einer Blankovollmacht der Parteien; er vermittelt einen Vertragsschluss, wie ihn auch die Parteien innerhalb der Grenzen des zwingenden Rechts hätten herbeiführen können.335 Vor Zulässigkeit freien Beliebens nach geltendem Recht); Goldschmidt, Bd. II, S. 122 Fn. 23; kritisch dazu Winter, S. 125 ff.; Wenger, S. 143; Schirmer, AcP 91 (1901), 136, 140 f. – Anzumerken ist, dass der Begriff „Arbitrator“, mit dem im 19. Jahrhundert der leistungsbestimmende Dritte bezeichnet wird, dem römischen Recht fremd ist, das von „arbiter“ sprach. Er entwickelte sich erst im Mittelalter. Dazu Ziegler, ZSS (RA) 84 (1967), 376 ff. 331 Insbesondere Wenger, S. 143; siehe auch Gallo, S. 416. – Bemerkenswert ist, dass damit für die Entwicklung des Gesellschaftsrechts weitgehend unbedeutende Digestenfragmente für die Dogmengeschichte eines ganz anderen Rechtsbereichs, nämlich die Leistungsbestimmung durch einen Dritten, überaus „wirkungsmächtig“ (Ziegler, S. 146) wurden. 332 Nach W. Witz, S. 14, ist diese Frage bis heute nicht befriedigend beantwortet. 333  Siehe oben Fn. 316. 334 Ebenso Joussen, S. 394 ff., insbesondere S. 401 f. 335  Einen Anwendungsfall hierfür erkennt G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 147 im sog.

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diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade französische Autoren, die den Dritten ja als mandataire commun konzeptualisieren,336 dessen völlige Freiheit betonen. Als gemeinsamer Vertreter entscheidet er in der Tat grundsätzlich nach freiem Belieben, es sei denn, ihm werden in seiner Vollmacht Beschränkungen auferlegt. Da aber ein derartiger gemeinsamer Vertreter auch nach deutschem Recht bestellt werden kann, muss auch die Entscheidung des Dritten nach freiem Belieben zulässig sein. Ob dieser Entscheidungsmaßstab den regelmäßigen Parteiinteressen entspricht, ist eine andere, sogleich zu betrachtende Frage. Als „absurd“337 müsste er jedoch nur dann gebrandmarkt werden, wenn er für die Parteien der einzig mögliche Entscheidungsmaßstab wäre und sie den Dritten keinen engeren Grenzen unterwerfen könnten.

d) Im Zweifel für das billige Ermessen Wenn somit eine Entscheidung nach freiem Belieben grundsätzlich zulässig ist, folgt daraus nicht zugleich, dass eine derartige Entscheidung dem Parteiwillen entspricht. Mit dem Erstarken der Ansicht von den zwei Entscheidungsmaßstäben stellte sich vielmehr im 19. Jahrhundert die Frage, welcher Maßstab nun im konkreten Fall gelten solle. Überwiegend wurde vertreten, dass im Zweifel das billige Ermessen, nicht das freie Belieben des Dritten gewollt sei.338 Nur dann, wenn die Parteien eine ganz bestimmte Person beauftragt hatten, sprachen sich einige für dessen arbitrium merum aus.339 Der BGB-Gesetzgeber übernahm die biancosegno des italienischen Rechts: Die Parteien händigen einem Dritten ein Blankett aus, das lediglich ihre Unterschriften trägt. Der Dritte setzt seine Entscheidung darüber, die damit – als Vertrag zwischen den Parteien in den Grenzen des zwingenden Rechts – akzeptiert ist, wie sie auch ausfallen möge. 336  Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.). 337 So Schirmer, AcP 91 (1901), 136, 140. 338  ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 345 (zum preußischen Recht); RG v. 3.10.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 891; OG Wolfenbüttel v. 2.11.1877 SeuffA 33 (1878), 154 (Nr. 113) mit vielen Nachweisen (Begründung: bei bonae fidei iudicia im Zweifel immer billiges Ermessen und deshalb auch bei Kauf und Miete); OG Wolfenbüttel v. 4.1.1860 SeuffA 24 (1871), 359 (Nr. 237); Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 20 Fn. 5 (§ 254); Weismann, AcP 72 (1888), 269, 327 unter Berufung auf Ulpian D. 50,17,22,1; ders., AcP 74 (1889), 422, 423 ff.; Dernburg, Pandekten II, S. 43 Fn. 6 (§ 15); Ude, AcP 52 (1869), 96, 106; Bechmann, S. 346 (§ 217); Keller, Pandekten I, S. 491 (§ 222). Anders noch das preußische ALR in I 11 § 48, wo auf das „Gutdünken“ des Dritten abgestellt wurde. Doch bezog sich diese Vorschrift nur auf Kaufverträge, für die die Leistungsbestimmung durch einen Dritten ja eine eigene Geschichte hat. So hielt auch das ROHG in der soeben zitierten Entscheidung fest, dass in allen übrigen Fällen keine Vermutung zugunsten des freien Beliebens bestünde. Anders allerdings noch das preußische Obertribunal, das Drittbestimmungen generell für unanfechtbar hielt, dazu Winter, S. 134 f. m.w.N. 339  Siehe oben bei Fn. 318. Nach der Beobachtung von Winter, S. 132 Fn. 32 beruht diese Auffassung auf einer Vermengung der Ansicht, dass der Vertrag um die Vornahme der Bestimmung durch den Dritten bedingt sei, mit dem Ausschluss einer richterlichen Kontrolle.

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Zweifelsregel ohne diese Differenzierung. Der Redaktor v. Kübel etwa betonte, dass die Parteien zwar ihr Vertrauen in die Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis des Dritten legen, dass aber die Bestimmung eine den konkreten, objektiven Verhältnissen angemessene, mit anderen Worten: billige Entscheidung sein solle.340 Dem schloss sich die Erste Kommission im Hinblick auf die mutmaßliche Absicht der Parteien, die herrschende Lehre im Gemeinen Recht und die Regelwerke des 19. Jahrhunderts341 an.342 Zwar verfolge das preußische ALR einen abweichenden Ansatz; dieser stelle aber eine auf den Kaufvertrag beschränkte Ausnahme dar.343 Die Zweifelsregel in § 317 Abs. 1 BGB wurde seither für die folgenden gut einhundert Jahre nicht in Frage gestellt.344 Jüngst kritisierte jedoch Joussen die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers als „systemwidrig“345. Im Zweifel und in Ermangelung einer anderweitigen Abrede müsse dem Dritten vielmehr der Maßstab des freien Beliebens zustehen.346 Die Vertragsparteien räumten dem Dritten das Recht ein, ihre Rechtsverhältnisse zu gestalten. Der Dritte trete an ihre Stelle; er beziehe seine Legitimation gerade aus der Autonomie der Parteien. Dann müsse dem Dritten aber derselbe Spielraum zustehen, den auch vertragsschließende Parteien in Ausübung ihrer Privatautonomie hätten, nämlich der Spielraum des freien Beliebens, das nur durch die allgemeinen Grenzen (§§ 134, 138, 242 BGB) eingeschränkt werde. Dies gelte sogar dann, wenn sich die Parteien nicht auf Augenhöhe gegenüberstehen; eine ausnahmsweise fehlende Verhandlungsparität sei mit den allgemeinen Mechanismen der Abschluss‑, Einbeziehungs‑ oder Inhaltskontrolle, nicht mit einer Verschärfung des Entscheidungsmaßstabs auszugleichen. Auf den ersten Blick erscheint es folgerichtig, das freie Belieben als Maßstab des Dritten zugrunde zu legen, da er doch letztlich den Vertrag für die Parteien schließt. Wie gesehen, kann gerade die Qualifikation des Dritten als mandataire commun erklären, weshalb im französischen Recht – sofern dort überhaupt all340 

v. Kübel, Bd. II/1, S. 270. Siehe die Nachweise oben Fn. 286. 342  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 431; Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. – Zu der Parallelproblematik bei der Parteileistungsbestimmung führte die Erste Kommission ebenfalls aus, dass die Zweifelsregel hier berechtigt sei, da sie der regelmäßigen Absicht der Parteien entspreche und helfe, den Bestand einer nicht geringen Anzahl von Verträgen zu sichern, Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 424. 343  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107; so auch die als Beleg angeführte Entscheidung des ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 345; dazu bereits oben Fn. 338. 344 Nach Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK‑BGB, § 319 Rn. 21, soll freies Belieben sogar nur dann anzunehmen sein, wenn es ausdrücklich vereinbart wurde. Das überzeugt nicht: Die Parteien verbinden nicht unbedingt mit den Begriffen „billiges Ermessen“ oder „freies Belieben“ dieselben Folgen, die die Rechtsordnung daran knüpft. Ob sie etwas anderes wollten als das im Zweifel anzunehmende billige Ermessen, ist vielmehr wie gewohnt durch Auslegung zu ermitteln. 345  Joussen, S. 402. 346  Joussen, S. 401 ff.; dort auch zu seiner im Folgenden referierten Begründung. 341 

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gemeine Aussagen über den Entscheidungsmaßstab des Dritten getroffen werden – die völlige Freiheit des Dritten hervorgehoben wird. Die ältere Literatur zu Art. 1592 Code civil spricht sogar explizit aus, dass im Zweifel eine Entscheidung nach Belieben des Dritten anzunehmen sei.347 Doch besagen all diese Überlegungen im Ergebnis letztlich nur, dass es grundsätzlich möglich sein muss, dem Dritten eine Entscheidung nach freiem Belieben einzuräumen. Sie geben keine Auskunft darüber, ob dies die Parteien auch wollen.348 Als Regel des dispositiven Rechts will die Zweifelsregel des § 317 Abs. 1 BGB nur den typischen mutmaßlichen Willen der Parteien aufgreifen. Dieser Wille dürfte freilich in aller Regel dahin gehen, den Dritten strengeren Vorgaben zu unterwerfen und ihn auf einen für beide Vertragsparteien gleichermaßen akzeptablen Spielraum festzulegen. Unterstellt, jede Partei sucht in den Verhandlungen über die Anpassung eine für sie günstige Regelung, so wird sie eine Gestaltung, die der anderen Partei die Chance auf eine für sie besonders vorteilhafte Lösung gewährt, meiden wollen. Jede Seite wird eine verständliche „Scheu … vor maßstabloser Ungewißheit“349 haben. Parteien, die sich darauf einigen, die Vervollständigung ihres Willens der Entscheidungsmacht eines Dritten zu überlassen, werden deshalb nicht irgendeinen Vertragsinhalt (bis an die Grenze der Willkür) anstreben, sondern einen für ihr Geschäft passenden und im beiderseitigen Interesse liegenden.350 Der Dritte ermittelt den Willen, den die Parteien vermutlich äußern würden, wenn sie sich beide „auf den Standpunkt eines billig denkenden und verständigen Mannes“ stellen würden.351 Unausgesprochen kommen derartige Vorgaben auch im französischen Recht zum Ausdruck, wenn die Aufgabe des Dritten, den Preis zu bestimmen, so verstanden wird, dass er den Wert der verkauften Sache ermitteln soll.352 Und auch im englischen Recht dürfte die Annahme, die Parteien hätten einen „reasonable price“ gewollt, näherliegen.353 Besonders deutlich wird dieser mutmaßliche 347  Zachariä von Lingenthal/Crome, Bd. II, S. 453 Fn. 21 (§ 329); Laurent, Bd. XXIV, Nr. 77. 348  In diese Richtung auch Scaduto, S. 37 (zu Donellus). 349  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 (§ 12 III 3 b). 350  Siehe die Gründe des BGB-Gesetzgebers zur Einführung der Zweifelsregel (oben bei Fn. 340); auch Wenger, S. 143; Luther, FS Reimers, S. 194. In diesem Sinne schon die ausführlich begründete Entscheidung des OG Wolfenbüttel v. 2.11.1877 SeuffA 33 (1878), 154 (Nr. 113): Die Parteien, die die Preisfestsetzung einem Sachverständigen überlassen, wollen keinen zu hohen oder zu niedrigen Preis. Im Fall sollte der Preis für das von einem Pächter zu übernehmende Inventar von einem sachverständigen Dritten festgesetzt werden. Ein beträchtlicher Posten waren dabei die Strohvorräte. Der Pächter behauptete, dass der Dritte bei der Schätzung deren Gewichts eine falsche Methode angewendet habe und daher zu einem um mindestens 3.110 Taler zu hohen Preis von 14.735 Talern gelangt sei. Das Gericht, das nach Gemeinem Recht entschied, gestattete eine Anfechtung der Festsetzung wegen manifesta iniquitas. 351  André, S. 41. 352  Siehe dazu oben § 2 B.II.3.a) (S. 58 ff.). 353  Siehe bereits oben bei und in Fn. 269.

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Wille der Parteien, wenn sie sich, wie dies in Anpassungsklauseln häufig anzutreffen ist, überdies noch nicht auf eine bestimmte Person als Dritten verständigen, sondern nur auf einen Weg zu seiner Bestimmung festlegen. Würde hier das freie Belieben gelten, hätten sich die Parteien dem subjektiven Belieben eines Unbekannten unterworfen. Außerdem muss es nicht notwendigerweise so sein, dass beide Parteien bei der Auswahl des Dritten dasselbe Verhandlungsgewicht haben. Hier wird die unterlegene Partei im Zweifel wenigstens den ihr vielleicht nicht erwünschten Dritten in seiner Entscheidungsmacht einschränken wollen. Die Vorschrift ist nicht systemwidrig, nur weil sie nicht die, wie oben begründet, zulässige Entscheidung nach freiem Belieben zum Regelfall erklärt. Sie verankert vielmehr den mutmaßlichen Parteiwillen.

e) Feststellungsentscheidungen nach freiem Belieben? Die bisherigen Überlegungen zum freien Belieben hatten – schon wegen ihres Bezugs zur Kaufpreisbestimmung im römischen Recht – unausgesprochen die vertragsgestaltende Tätigkeit eines Dritten vor Augen. Für Feststellungsentscheidungen mutet das freie Belieben merkwürdig an. Von einem Dritten, der beispielsweise die Höhe eines Schadens ermitteln soll, wird doch gerade erwartet, dass sein Schiedsgutachten die tatsächliche Schadenshöhe und nicht etwa irgendeine Summe nach Gutdünken enthält.354 Gernhuber schließt daraus, dass ein Dritter nie nach freiem Belieben zu einer Feststellung aufgefordert sein könne.355 Diese These setzt indes das im Regelfall Gewollte absolut. Theoretisch muss es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass Parteien den Inhalt ihres Feststellungsvertrags der subjektiven, nicht notwendig an objektiver Richtigkeit orientierten Entscheidung eines Dritten überlassen. 356 In einer Entscheidung des OLG Frankfurt hatten sich zwei Parteien eines Pachtvertrages darauf geeinigt, dass ein Schiedsgutachter Mängel der Pachtsache bei Rückgabe nach freiem Belieben feststellen solle.357 Die Intention der Parteien, die ausdrücklich § 319 Abs. 2 BGB in ihrem Vertrag zitiert haben, ging offenbar dahin, eine Anfechtung des Schiedsgutachtens vor Gericht auszuschließen. Dazu wäre die Vereinbarung freien Beliebens freilich nicht erforderlich gewesen, da auch bei Entscheidungen nach billigem Ermessen die richterliche Kontrolle eingeschränkt werden

354 

Vgl. nur Habscheid, FS Lehmann II, S. 806 f. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 305 (§ 12 IV 9). Sein weiteres Argument, nach Belieben könne man nur handeln, nicht entscheiden, erscheint begrifflich. Auch das „billige Ermessen“ passt nicht auf die Feststellungsentscheidung, deren Ziel die Richtigkeit ist. 356  Davon gehen auch Entscheidungen aus, die anlässlich eines feststellenden Schiedsgutachtens die Zweifelsregel zugunsten billigen Ermessens thematisieren, siehe etwa RG v. 3.10.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 891; OG Wolfenbüttel v. 4.1.1860 SeuffA 24 (1871), 359 (Nr. 237). 357  OLG Frankfurt v. 11.3.2005 – 2 U 5/04 (juris). 355 

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kann,358 so dass der Fall letztlich nichts beweist. Dass eine Feststellung nach freiem Belieben tatsächlich praktisch vorkommen kann, zeigen jedoch Fallgestaltungen, in denen der Dritte von vornherein ausschließlich unrichtig entscheiden kann. In der sog. „baseball arbitration“ nennen die Parteien, die etwa über den Umfang eines Schadensersatzanspruchs streiten, einem Dritten jeweils einen Betrag, den sie für richtig halten. Die Aufgabe des Dritten besteht nun nicht darin, den tatsächlichen Schaden zu ermitteln, sondern sich für einen der beiden Beträge zu entscheiden. Dieser Betrag gilt dann unanfechtbar als Schadenshöhe.359

3. Erforderlichkeit von Entscheidungskriterien Wenn die Parteien dem Dritten bestimmte Vorgaben machen, so muss er diese beachten, damit die Parteien an die Entscheidung gebunden sind. Gut beratene Parteien werden deshalb alle Anhaltspunkte, die ihnen wichtig erscheinen, in ihre Vereinbarung aufnehmen. Eine Einengung des billigen Ermessens ist gegenüber dem Bestimmtheitsgebot unbedenklich.360 Allerdings beharrt insbesondere die deutsche Rechtsprechung darauf, dass die Parteien dem Dritten nicht nur Entscheidungskriterien vorgeben können, sondern ihm auch bestimmte Vorgaben machen müssen, an denen er sich zu orientieren hat. Andernfalls sei der Vertragsinhalt nicht bestimmbar. Die „Anforderungen an die Bestimmtheit“ gelten deshalb als „herkömmlicherweise sehr streng“.361

a) Unwirksamkeit des Vertrags ohne Entscheidungskriterium? Paradigmatisch dafür ist folgender Fall, den der BGH im Jahre 1971 entscheiden musste. In einem Vertrag über die Pacht eines Kinos für 16 Jahre hatten die Parteien vereinbart: „Nach Ablauf der 16 Jahre werden neue Pachtverhandlungen geführt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so wird die Industrie‑ und Handelskammer W. ersucht, einen Sachverständigen zu bestellen, dessen Entscheidung bindend ist.“362 Nach Scheitern der Verhandlungen über die Vertragsverlängerung erhob die Pächterin Klage auf Fortsetzung des Pachtverhältnisses zu Bedingungen, die ein von der Industrie‑ und Handelskammer W. bestellter Sachverständiger festsetzt. Der BGH hielt die Vereinbarung für unwirksam,

358 

Ausführlich unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.).

359 Zur „baseball arbitration“, die wegen ihres Einsatzes bei der Verhandlung von Spieler-

verträgen im US-amerikanischen Baseball so bezeichnet wird, Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑43; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 26; Testu, Nr. 132.22. 360 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 6; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 137. 361  Kronke, AcP 183 (1983), 113, 134 (allerdings seinerseits kritisch). 362  BGH v. 27.1.1971 BGHZ 55, 248.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

209

da durch sie die Leistung weder bestimmt noch bestimmbar sei.363 Zwar reiche es aus, wenn Gegenstand und Dauer der Vertragsleistungen nur bestimmbar seien. Damit impliziert der BGH, dass die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen kann. Im konkreten Fall fehlten den Richtern aber Anhaltspunkte dafür, wie der Sachverständige die Dauer der Verlängerung und die Höhe des Mietzinses zu bemessen habe. Ein Sachverständiger könne so keine Festsetzung vornehmen; ebenso wenig könne ein Gericht die Festsetzung auf ihre offenbare Unbilligkeit hin überprüfen. Die Entscheidung hat vielfach Zustimmung erfahren:364 Fehlten dem Dritten die Maßstäbe für eine „vertragsadäquate Schuldfestlegung“, könne von einem ernsthaft zu respektierenden Bindungswillen nicht die Rede sein.365 Wenn eine Lücke im Vertrag so groß sei, dass der Dritte „die Bestimmung wesentlicher Bestandteile mangels eines Entscheidungskriteriums nicht sinnvoll treffen“ könne, führe das zur Unwirksamkeit.366 Das Bestimmtheitsgebot habe den Zweck, dass die Vertragsparteien überblicken könnten, was sie erwartet.367

b) Maßgeblichkeit des Bindungswillens Der BGH hat in diesem Fall der Pächterin nicht geholfen; doch auch dem ursprünglichen Vertragswillen des Verpächters hätte eine Fortsetzung, nicht die Beendigung des Verhältnisses entsprochen. Die Unwirksamkeit wegen fehlen363  BGH v. 27.1.1971 BGHZ 55, 248. Siehe auch RG v. 30.9.1914 RGZ 85, 289 (Vereinbarung, wonach einer Partei gegen Verzicht auf eine ausstehende Hypothek nach Einbringung des belasteten Grundstücks in eine Aktiengesellschaft eine Beteiligung in Höhe von 25.000 Mark zustehen sollte, ist nicht mangels Bestimmbarkeit der Gegenleistungspflicht unwirksam); BGH v. 26.5.1999 BGHZ 141, 391, 395 f.: Der als Dritte eingeschalteten Treuhandanstalt war die Befugnis übertragen, „aus Kenntnis der wirtschaftlichen Situation“ auf die Zahlung einer durch Abbau von Arbeitsplätzen in dem kaufgegenständlichen Unternehmen eigentlich verwirkten Vertragsstrafe zu verzichten. Der BGH hielt die Klausel für hinreichend bestimmt, um der Treuhandanstalt eine billige Entscheidung i.S.d. §§ 317 ff. BGB zu ermöglichen. BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845: „Unerheblich ist hingegen, ob der vereinbarte Bestimmungsvorbehalt eine wesentliche Vertragspflicht oder nur einen Nebenpunkt des Vertrages betrifft. … Voraussetzung ist … nur, daß die Bestimmungsbefugnis im Vertrag genügend abgegrenzt und nicht in einem Ausmaß vorbehalten ist, daß ihre Tragweite und damit die von den Parteien gewollte Bindungswirkung der zu treffenden Leistungsbestimmung selbst nicht mehr bestimmbar sind.“ 364  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b); RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 1 f.; Münch­Komm-­ BGB/Würdinger, § 317 Rn. 2; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 3; Fromholzer, S. 119 f.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 134. Siehe auch zuvor schon Kornblum, AcP 168 (1968), 462 Fn. 82 unter Berufung auf Flume, AT II, S. 632 (§ 24, 6 f): Der Dritte müsse von „konkreten Sachverhaltsangaben“ ausgehen und aus diesen die Bestimmung schlussfolgern können. 365  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 247 f. (§ 14 III 2), 242 (§ 14 I 1); ähnlich J.F. Baur, FS Steindorff, S. 517; Winter, S. 128. 366 Erman/J. Hager, § 317 Rn. 1; Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 2; ähnlich v. Hoyningen-Huene, S. 54 Fn. 40; Senf, JR 1932, 234, 235 367 Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 133.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

der Bestimmbarkeit stellte für den Verpächter eine willkommene Möglichkeit dar, sein Kino zu deutlich besseren Bedingungen zu nutzen. Ob englische oder französische Gerichte den Fall ebenso entschieden hätten, ist zumindest zweifelhaft. Ein englischer Fall zur Verlängerung eines Mietvertrags368 zu Konditionen, die ein Dritter festsetzt, unterschied sich insofern, als dort die Dauer der Verlängerung feststand und ein Kriterium zur Festsetzung der Miethöhe im Vertrag genannt war. Das kann nach Ansicht von Kötz erklären, weshalb das Gericht hier anders als der BGH zur Wirksamkeit des Vertrags gelangte.369 Unterschiedliche Ergebnisse erzielten englische und deutsche Gerichte aber auch bei näher beieinanderliegenden Fallgestaltungen. Das OLG Düsseldorf hielt die Verpflichtung der Käuferin in einem Kauf‑ und Besiedlungsvertrag über ein Grundstück aus einem Industriebrachgelände, „die Freiflächen zu bepflanzen und die Grünanlagen instand zu halten“, um eine „architektonisch angemessene Besiedlung“ zu erreichen, für zu unbestimmt.370 Der englische High Court hingegen bezeichnete die Verpflichtung, eine mit Phosphatgewinnung ausgebeutete Pazifikinsel wieder zu bepflanzen „with such indigenous trees and shrubs or either of them as shall be prescribed by the resident commissioner for the time being in Ocean Island“, für „perfectly certain and capable of being operated“.371 Der einzige Unterschied zwischen beiden Fällen, dass die Pflanzen in der englischen Entscheidung „indigenous“ sein sollten,372 dürfte kaum in der Lage sein, das unterschiedliche Ergebnis zu erklären. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass französische Gerichte die Vorgabe von Kritierien zum Wirksamkeitserfordernis erheben würden, wenn doch der Dritte im Grundsatz völlige Freiheit genießt und ihm im Fall des Art. 1843-4 Code civil überhaupt keine Richtlinien vorgegeben werden können373. Sie verlangen einzig, dass dann, wenn die Parteien zulässigerweise Vorgaben machen, diese auch hinreichend bestimmt sein müssen, so dass der Dritte sie befolgen

368 

Brown v. Gould [1972] 1 Ch. 53. Kötz, S. 71. 370  OLG Düsseldorf v. 29.11.1995 NJW‑RR 1997, 271: Zwar komme grundsätzlich nach §§ 315, 316 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht der Verkäuferin in Betracht, doch müsse dafür die Leistung im Vertrag rahmenmäßig festgelegt sein. Die Unbestimmtheit dürfe kein Ausmaß annehmen, dass die Tragweite der Bestimmungsbefugnis und der Leistungsumfang nicht feststellbar seien. Andernfalls sei auch eine gerichtliche Kontrolle oder Ersetzung unmöglich. Im Fall fehle es an der Bestimmbarkeit, weil keine Anhaltspunkte hinsichtlich Art, Umfang und genaue Örtlichkeit der Bepflanzung bestünden. 371  Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 315E. Zum Hintergrund dieses Falles siehe auch Remien, FS Hondius, S. 321 ff. 372  Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 316B bezeichnet allerdings „the range of trees and shrubs which are indigenous in Ocean Island“ als „far from extensive“. 373  Dazu siehe oben § 2 Fn. 231. 369 

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

211

kann.374 Insbesondere darf die Ausgestaltung dieser Vorgaben nicht vom Willen einer Partei abhängen.375 Auch nach deutschem Recht kann die Entscheidung des BGH nicht überzeugen. Ein Dritter, der nach billigem Ermessen zu entscheiden hat, muss auch die Rahmenumstände des Vertrags, Verhandlungen und alle weiteren Umstände berücksichtigen, von denen anzunehmen ist, dass die Parteien sie als Anhaltspunkt ausdrücklich benannt hätten, wenn sie an eine vertragliche Regelung dieses Punkts gedacht hätten. Die auf hardship-Klauseln bezogene Formulierung Horns, ein Anpassungsprogramm sei „schon durch den Gesamtzusammenhang des anpassungsbedürftigen Vertrages gegeben“376, lässt sich auch hier fruchtbar machen. Es kann ausreichen, wenn diejenige Entscheidung als billig angesehen wird, auf die sich vernünftige Vertragsparteien geeinigt hätten.377 Der Dritte hat, wie gesehen, alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen;378 auch Äquivalenzgesichtspunkte und Verkehrsüblichkeit können ihm Orientierung bieten.379 In der Kino-Entscheidung wäre also nach Vergleichsmaßstäben für die typische Dauer eines Pachtvertrages über ein Kino und die typische Höhe des Pachtzinses zu suchen. Die Pächterin hatte dazu vorgetragen, dass ein Kino üblicherweise für 25 Jahre verpachtet würde. Diese Vergleichsmaßstäbe wollte der BGH jedoch – wohl zu Unrecht – unberücksichtigt lassen, da die Parteien offenbar einen von der Typik abweichenden Willen gehabt hätten, wenn das Pachtverhältnis nicht gleich auf 25 Jahre angelegt gewesen sei. Doch stand nicht fest, dass den Parteien diese Praxis bei Abschluss ihres Vertrages bekannt war.380 Es bleibt der Eindruck, dass hier nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, den ursprünglichen gemeinsamen Willen durchzusetzen. Bestätigt wird dieser Eindruck von § 574a Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift ermächtigt das Gericht, im Rechtsstreit über die Fortsetzung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Widerspruchs des Mieters gegen die Kündigung des Vermieters durch Gestaltungsurteil Dauer und Bedingungen des Mietverhältnisses bestimmen.381 Das Gericht hat sich zu orientieren einerseits an der Härte, die eine Räumung für den Mieter bedeuten würde, und an der Unzumutbarkeit der bisherigen Be374  Cass. com. 6.11.2012 – n° de pourvoi 11-24.730 (Legifrance) (Verweisung auf erst in Zukunft noch zu erstellende Bewertungskriterien); Cass. com. 19.12.2006 – n° de pourvoi 05-10.198 (Legifrance); Cass. com. 16.2.1993 – n° de pourvoi 91-10.519 (Legifrance); Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 74; Moury, Nr. 32.141 ff.; Fages, RTD civ. 2013, 110. 375  Caffin-Moi, Nr. 222. 376  Horn, S. 35; siehe auch ders., NJW 1985, 1118, 1121. 377  So Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 247; Damrau, AcP 180 (1980), 324, 325. 378  Siehe oben § 2 B.II.4.b) (S. 67 ff.). 379  Damrau, AcP 180 (1980), 324, 325; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 242 (§ 14 I), wo aber der BGH-Entscheidung zugestimmt wird. 380  Das betont auch Damrau, AcP 180 (1980), 324, 325. 381  Zur Einordnung als Gestaltungsurteil siehe nur Münch­Komm-­BGB/Häublein, § 574a Rn. 9 m.w.N.; Palandt/Weidenkaff, § 574a Rn. 8; vgl. auch Joussen, S. 76.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

dingungen für den Vermieter. Damit ist freilich nur ein grober Rahmen vorgezeichnet, zu dessen Ausfüllung auch externe Umstände – wie etwa die ortsüb­ liche Vergleichsmiete – heranzuziehen sind.382 Die Norm ist nicht anwendbar auf gewerbliche Mietverhältnisses wie die Pacht eines Kinos. Sie zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber es einem Gericht zutraut und auch als Aufgabe zuweist, trotz geringer Anhaltspunkte im Vertrag eine Gestaltungsentscheidung über die Verlängerung eines Mietverhältnisses zu treffen. Dann sollte aber auch ein privater Dritter in der Lage sein, diese Aufgabe zu übernehmen.383 Beispielhaft können hierfür noch zwei Entscheidungen des Reichsgerichts herangezogen werden, die sich mit der Bestimmung der Leistungszeit durch eine Partei befassen. In dem der ersten Entscheidung zugrunde liegenden Fall war lediglich geregelt, dass der Käufer die Höhe der alljährlich von ihm auf den Kaufpreis von 7.500 Mark zu leistenden Raten selbst bestimmen dürfe.384 Das Reichsgericht ließ den Vertrag nicht an fehlender Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts scheitern: Selbst wenn es keine bestimmten objektiven Merkmale gebe, nach denen sich die Ratenhöhe festlegen lasse, könne das billige Ermessen betätigt werden, indem der Käufer etwa die beiderseitigen Bedürfnisse und die beiderseitigen sonstigen persönlichen Verhältnisse berücksichtige. In dem zweiten Fall hatten die beiden Inhaber zweier benachbarter, wohl als Spekulationsobjekte genutzter Grundstücke vertraglich vereinbart, dass jeder von ihnen zum Verkauf seines Grundstücks der Genehmigung des anderen bedürfe.385 Das Reichsgericht hielt diese Vereinbarung für unwirksam, da ihr Inhalt weder bestimmt noch bestimmbar sei hinsichtlich der Frage, für welchen Zeitraum diese Bindung andauern solle, und hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung erteilt werden müsse oder verweigert werden dürfe. Doch deutet das Gericht mit dem Hinweis auf den Spekulationscharakter der betreffenden Transaktionen den Hintergrund der Vereinbarung an. Aus diesem gemeinsamen Ziel können sich zugleich die Anhaltspunkte ergeben, an denen die Parteien ihr billiges Ermessen bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung hätten ausrichten können.

382  Einzelheiten bei Staudinger/Rolfs, § 574a Rn. 23 ff.; Münch­Komm-­BGB/Häublein, § 574a Rn. 7 m.w.N. 383  In OLG München v. 22.6.2005 SchiedsVZ 2005, 308 wurde ein Schiedsspruch aufgehoben, der nach Kündigung durch den Verpächter das gesamte Pachtverhältnis nach Billigkeitsgesichtspunkten neu geregelt hat. Da die Parteien das Schiedsgericht nicht zu einer Billigkeitsentscheidung (§ 1051 Abs. 3 ZPO) ermächtigt hatten, hatte zwar der Schiedsspruch keinen Bestand. Doch zeigt er, dass es durchaus möglich ist, ein Pachtverhältnis auf der Grundlage der bisherigen Regelungen und Umstände neu zu gestalten. 384  RG v. 14.11.1911 JW 1912, 73. 385  RG v. 17.4.1912 JW 1913, 541.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

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Doch selbst wenn einmal in einem Fall alle Umstände des Einzelfalls nicht ausreichen sollten, um auf ihrer Grundlage nach billigem Ermessen zu einer Entscheidung zu gelangen, sollte deshalb nicht der Vertrag wegen Unbestimmtheit unwirksam sein. Entscheidend ist vielmehr, ob der Vertrag erkennen lässt, dass die Parteien einen entsprechenden Bindungswillen besaßen.386 Die Größe der Vertragslücke stellt hingegen nicht das entscheidende Kriterium dar.387 Sie kann in diesem Zusammenhang ein Indiz für einen fehlenden Bindungswillen sein, aber auch nicht mehr. Wenn sich die Parteien tatsächlich binden wollen – wofür in dem BGH-Fall viel sprach – und dem Dritten einen sehr weiten Spielraum einräumen, so kann dies auch bedeuten, dass sie abweichend von der Zweifelsregel des § 317 Abs. 1 BGB das freie Belieben als Entscheidungsmaßstab vereinbaren wollten.388 Das Schiedsgutachten nach freiem Belieben stellt geradezu das Paradebeispiel einer Delegation ohne die Vorgabe von Entscheidungskriterien dar. Die maßgebliche Frage lautet daher, ob die Parteien sich lieber einem – möglicherweise gefährlich weiten – externen Bestimmungsrecht unterwerfen oder das Risiko in Kauf nehmen wollten zu erfahren, dass sie mangels hinreichender Anhaltspunkte für die Ausübung des Bestimmungsrechts ohne Vertrag dastehen. Von diesem Ansatz schien auch der High Court in seiner oben erwähnten Entscheidung auszugehen, wenn er betonte, dass die Vertragsparteien im Übrigen ihren Willen zur Vertragsdurchführung gezeigt hätten.

c) Abweichende Grundsätze im Erbrecht? Abweichende Grundsätze scheinen sich zu § 2151 BGB herausgebildet zu haben. Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser ein Vermächtnis mit der Maßgabe aussetzen, dass ein Dritter dessen Empfänger bestimmt. Nun wird vom Erblasser verlangt, dass er in seiner Verfügung einen bestimmten Personenkreis angibt, aus dem der Dritte auswählen soll.389 Ohne diese Vorgabe ist die Anordnung als Vermächtnisanordnung unwirksam. Fehlt es an der Angabe eines bestimmten Personenkreises, kann die Verfügung unter Umständen als Auflage 386 

Siehe nur Kötz, S. 63; G. Schulze, S. 380 f.; R. Zimmermann, JBl. 1998, 273, 286 m.w.N. Anders aber die oben in Fn. 363 und 365 Genannten; außerdem Greger/Stubbe, Rn. 96. 388 Die Möglichkeit einer derartigen Vereinbarung habe der BGH nach Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 Fn. 53 (§ 12 III 3 a), übersehen. Ähnlich Kröll, S. 61 f.; Greger/ Stubbe, Rn. 96. Nur eine unzulässige Willkürentscheidung für denkbar hielt in dem BGHFall ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b), der allerdings davon ausgeht, dass die Parteien eine Entscheidung nach billigem Ermessen wollten, womit ein Sachverständiger und das Gericht mangels Anhaltspunkte „überfordert“ seien. Auch nach Auffassung von Horn, NJW 1985, 1118, 1121 muss eine Billigkeitskontrolle möglich bleiben. 389  RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 17 f. (Abgrenzung zur Auflage, bei der diese Voraussetzung nicht besteht); OLG Düsseldorf v. 4.12.1923 JW 1925, 2147, 2148; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 3 mit Beispielen; Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 2 (ausreichend z.B. „an meine Kegelbrüder“ oder „für meine Enkel“); Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 2; Kipp/Coing, S. 328 (§ 55 III); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 432; Schlüter, Rn. 902. 387 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

aufrechterhalten werden, für die der Erblasser zwar einen Zweck, aber keinen Begünstigten angeben muss (vgl. § 2193 BGB).390 Der Grund für diese Abweichung liegt freilich in der besonderen Struktur des § 2151 BGB begründet. Es geht deshalb nicht darum, dem Dritten die Auswahl zu erleichtern oder zu ermöglichen.391 Der Kreis der potentiellen Empfänger muss vielmehr deshalb feststehen, weil diese bei Scheitern der Bestimmung nach § 2151 Abs. 3 BGB Gesamtgläubiger392 des Vermächtnisanspruchs werden.393 Unzulässig ist deshalb eine Weisung an den Testamentsvollstrecker, „versehentlich nicht berücksichtigten Personen“ etwas zukommen zu lassen.394 Anderen erbrechtlichen Drittbestimmungen ist diese Voraussetzung fremd. Verallgemeinerbare Aussagen lassen sich dieser Abweichung daher nicht entnehmen. Vielmehr lassen sich im Übrigen ähnliche Grundsätze finden. Der Erblasser kann durch die Vorgabe von Kriterien zum Ausdruck bringen, dass der Dritte nach billigem Ermessen entscheiden soll. Lässt er dem Dritten völlig freie Hand, gilt der Maßstab des freien Beliebens.395 Wie gesehen, kann die Vorgabe von Entscheidungskriterien dann erforderlich sein, wenn der Dritte nach billigem Ermessen entscheiden soll. Im Rahmen des Zweckvermächtnisses (§ 2156 BGB i.V.m. §§ 317 ff. BGB), bei dem ein Dritter über die zur Erreichung eines vom Erblasser angeordneten Zwecks zu erbringende Leistung entscheiden darf, wird nun verbreitet gefordert, der Erblasser müsse den Zweck hinreichend präzise beschreiben, so dass der Bestimmungsbefugte nach billigem Ermessen entscheiden könne.396 Ohne die Vorgabe einer Entscheidungsgrundlage durch den Erblasser sei auch nicht die von den 390  RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 18 f.; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 3; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 3 (generell für eine Umdeutung); Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 47 (ebenso); Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 6; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 2; Lange/Kuchinke, S. 631 (§ 29 III 2 b a); für Kuchinke, FS Neumayer, S. 406 ist auch das noch ein Fall der Auslegung; ebenso Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 2. Eine entsprechende Zweifelsregel nimmt z.B. Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 2 an. 391  In diese Richtung aber Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 432; Schlüter, Rn. 902. 392 Kritisch S. Meier, AcP 205 (2005), 858, 882 f. (Gesamtgläubigerschaft ungeeignet, um den Prioritätskonflikt bei der Geltendmachung des Vermächtnisses aufzulösen, da es anders als im Gemeinen Recht nicht darauf ankommt, wer als erster Klage erhoben hat, sondern darauf, an wen als erstes geleistet wurde); Keller, BWNotZ 1970, 49, 52. 393  RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 18; Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/ Rudy, § 2151 Rn. 2; Palandt/Weidlich, § 2151 Rn. 1 (die in Betracht kommenden Personen müssen „als Gesamtgläubiger nebeneinander vorstellbar sein“); Ebenroth, Rn. 463; Lange/ Kuchinke, S. 631 (§ 29 III 2 b a); Helms, ZEV 2007, 1, 5. 394  OLG Hamburg v. 16.6.1930 HansRGZ B 1930, 750. 395  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357 (zu § 2193 BGB): Gilt das freie Belieben, hat der Dritte denselben Spielraum wie der Erblasser, für den er handelt. 396  BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 3; Bamberger/ Roth/Müller-Christmann, § 2156 Rn. 2; Palandt/Weidlich, § 2156 Rn. 1 mit Beispielen; Schlüter, Rn. 917 (mit Verweis auf § 2065 Abs. 2 BGB); Lange/Kuchinke, S. 643 (§ 29 V 2 a b); Brox/ Walker, Erbrecht, Rn. 443; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 146.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

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§§ 315–319 BGB geforderte gerichtliche Überprüfung möglich.397 Eine allgemeine Formulierung wie die Zuwendung eines Vermächtnisses, „um ihm eine Freude zu machen“, reiche nicht aus.398 Maßgeblich für den Maßstab der Billigkeit sei die Zweckerreichung, daneben aber kämen aber auch die „Verhältnisse des Nachlasses und der Beteiligten“ sowie das, „was der Erblasser dem Beschwerten belassen bzw dem Bedachten zukommen lassen wollte“, in Betracht.399 Diese Anforderungen sind in der Tat dann sinnvoll, wenn der Dritte im Fall des § 2156 BGB auf eine Bestimmung nach billigem Ermessen festgelegt ist.400 Die Ermächtigung zur Entscheidung nach freiem Belieben wäre dann keine wirksame Anordnung eines Vermächtnisses, sondern allenfalls ein „rechtlich unverbindlicher Wunsch des Erblassers“.401 Für diese Beschränkung des Entscheidungsmaßstabs kann freilich weder § 2156 BGB noch den §§ 317 ff. BGB ein Anhaltspunkt entnommen werden. Dass das Ausbleiben einer Entscheidung nach freiem Belieben nach der dispositiven Vorschrift des § 319 Abs. 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vermächtnis­ anordnung führen kann, begründet keinen Konflikt mit § 2065 BGB.402 Denn § 2156 BGB verweist vollumfänglich auf die §§ 315–319 BGB. Eine einschränkende Auslegung ist auch nicht wegen eines Ausnahmecharakters zu § 2065 BGB geboten.403 Vielmehr handelt es sich bei § 2065 BGB um eine Ausnahmevorschrift.404 Eine Beschränkung des Entscheidungsmaßstabs auf das billige Ermessen ist nicht erforderlich. Richtig ist lediglich, dass ein Zweckvermächtnis ohne eine Angabe des Zwecks nicht als solches bestehen kann.

397 

J. Mayer, MittBayNot 1999, 447. v. 2.2.1999 NJW‑RR 1999, 946, 947 im Anschluss an Lange/Kuchinke, S. 643 Fn. 186 (§ 29 V 2 a b). 399 Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 6; außerdem J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 448 (maßgeblich sei die „Zweck-Mittel-Relation“). 400  So BGH v. 22.9.1982 NJW 1983, 277, 278; BayObLG v. 2.2.1999 NJW‑RR 1999, 946; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2156 Rn. 4; Staudinger/Otte, § 2156 Rn. 3; Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 5; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 448. Jedoch müsse der Erblasser diesen Entscheidungsmaßstab nicht ausdrücklich anordnen. Es genüge, wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen, da dann die Zweifelsregel aus §§ 2156 S. 2, 317 Abs. 1 BGB zum billigen Ermessen führt. 401 Staudinger/Otte, § 2156 Rn.3; außerdem BGH v. 22.9.1982 NJW 1983, 277, 278 (Vermächtniszweck: „Abfindung“ des in einem gemeinschaftlichen Testament enterbten Sohnes in einer vom überlebenden Ehegatten zu bestimmenden Höhe), dazu R. Stürner, JZ 1983, 149 f.; BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; BayObLG v. 2.2.1999 NJW‑RR 1999, 946; Erman/M. Schmidt, § 2156 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2156 Rn. 4; RGRK/Johannsen, § 2156 Rn. 3; Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 4; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2156 Rn. 3; Kipp/Coing, S. 336 (§ 57 II 4). 402  So aber Ebenroth, Rn. 484. 403  So aber Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 4; Ebenroth, Rn. 484; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 449. 404  Ausführlich unten § 5 A.III. (S. 324 ff.). 398  BayObLG

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

II. Bestimmbarkeit der Person des Dritten Die Parteien können in ihrem Vertrag bereits festlegen, wer die Bestimmung vorzunehmen hat.405 Die Einigung auf eine bestimmte Person wirft keine Bestimmtheitsprobleme auf. Bisweilen schwebt den Parteien aber keine bestimmte Person vor, sondern es sind ihnen nur bestimmte Eigenschaften oder Kenntnisse der Person wichtig.406 Oder aber der Dritte soll erst in der Zukunft den Vertrag an geänderte Umstände anpassen, so dass die Parteien bei Vertragsschluss noch nicht wissen, wer dann geeigneter Dritter sein wird.407 Soll ein Dreiergremium die Entscheidung treffen, kommt es auch vor, dass jede Partei einen Schiedsgutachter auswählen soll und diese beiden Schiedsgutachter sich dann auf einen Obmann verständigen.

1. Delegation der Auswahl des Dritten a) Delegation an einen privaten Dritten In all diesen Fällen kommt eine Delegation nicht nur der Entscheidung in der Sache, sondern auch der Auswahl der Person des Dritten in Betracht. Für das römische Recht hätte sich diese zweite Delegation einen Schritt zu weit von dem Grundsatz des pretium certum, der Einigung der Parteien auf einen objektiv bestimmten Preis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, entfernt. Wenn die Parteien sich, jedenfalls nach der Entscheidung Justinians,408 schon nicht auf einen Preis einigen mussten, sondern die Festsetzung einem Dritten anheimstellen durften, so musste wenigstens die Person dieses Dritten im Vertrag namentlich genannt oder in anderer zweifelsfreier Weise identifiziert werden.409 Andernfalls wäre die Bestimmung des Dritten wohl nicht mehr als Werk der Parteien erschienen. Im Vergleich dazu nehmen das deutsche und das englische, aber auch das im Übrigen noch am meisten dem Gedanken eines pretium certum verhaftete französische Recht eine flexiblere Ausgangsposition ein. Danach ist sowohl die Delegation der Bestimmung an eine Partei, etwa zur Bildung eines Dreiergre-

405 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 56 nennt das den Regelfall; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 69 empfiehlt diese Gestaltung; nach Beobachtung von Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 9.2.1 kommt der Fall jedoch nur äußerst selten vor, nämlich ausnahmsweise nur dann, wenn der Wirtschaftsprüfer einer Gesellschaft deren Anteile bewerten soll. 406  B. Meyer, S. 80. 407 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 57. 408  Siehe oben § 4 C.I.2.b) (S. 199). 409  Witz, S. 13 f. m.w.N.; Ude, AcP 52 (1869), 96, 98; de Zulueta, S. 19; Mackintosh, S. 11; Glück, Bd. XVI, S. 76 f. (§ 980); Noodt, S. 304 f. (zu D. 18,1); Donellus, Commentarii, Buch 13, Kap. 1, § 11. Verallgemeinernd Fels, S. 44 ff. Siehe auch Gaius D. 19,2,25pr. zur locatio conductio (die Stelle gilt als interpoliert, Scaduto, S. 36).

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

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miums,410 als auch die Delegation an eine externe Stelle zulässig. Sehr verbreitet sind etwa Klauseln, wonach der Dritte von der örtlichen Industrie‑ und Handelskammer oder einer anderen Berufsorganisation oder Institution benannt werden soll.411 Diese Entwicklung steht im Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot, da die Person des Dritten auf dieselbe Weise wie der Vertragsinhalt bestimmbar ist.412

b) Delegation an ein Gericht Überträgt man jedoch die Grundsätze zur Aufgabenverteilung zwischen Staat und Parteien, so müsste sich daraus eine Einschränkung ergeben: Die Auswahlbefugnis darf, wenn sich die Parteien selbst helfen sollen, nicht an ein Gericht delegiert werden. Vor diesem Hintergrund überrascht das französische Recht. Sofern die Parteien eine entsprechende gerichtliche Kompetenz vereinbart haben, ist es ihnen gestattet, das Gericht wegen der Auswahl eines Dritten anzurufen.413 Offenbar halten französische Autoren diese richterliche Auswahl für geradezu selbstverständlich, denn sie betonen weniger deren Zulässigkeit als vielmehr die ausnahmsweise Unzulässigkeit, falls die Parteien das Gericht nicht dazu ermächtigt haben.414 Im Fall des Art. 1843-4 Code civil besteht für das Tätigwerden des Gerichts sogar eine ausdrückliche Kompetenzzuwei410  Deutschland z.B.: BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878. England: Kendall/Freedman/ Farrell, Rn. 9.3.4, 8.8.1 m.w.N. Frankreich: Moury, Nr. 22.12 (zu Art. 1592 Code civil). – Für Frankreich ist diese Position durchaus bemerkenswert, denn die Bestimmung des Kaufpreises selbst dürfte nicht einer Partei überlassen werden. 411  Deutschland: Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 57; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 1; B. Meyer, S. 80 mit Beispielen in Fn. 395; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1927. England: Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 9.2.3; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.18 f. Frankreich: Moury, Rn. 22.11; W. Witz, S. 252 m.w.N. 412  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 14; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 6; aus der älteren Literatur Dernburg, Bürgerliches Recht II/1, S. 226 (§ 87). 413  Cass. com. 25.5.1981 Bull. civ. IV, Nr. 247; Cass. com. 20.1.1970 Bull. civ. IV, Nr. 27 (wenn sich die beiden parteibenannten Schiedsgutachter nicht einigen können, soll der Gerichtspräsident von Rouen einen Obmann benennen); Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 69; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54 (allerdings nur bei ausdrücklicher Vereinbarung); Moury, Nr. 22.21 ff. m.w.N., 43.21 (der Richter leite seine Benennungsbefugnis in diesem Fall von den Parteien ab); Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 16 (§ 349); Gardounis, Nr. 172, der die Notwendigkeit einer Delegation mit einem Prinzip der „non-immixtion du juge“ in Verbindung bringt. Die Entscheidung Cass. com. 26.6.1990 Bull. civ. IV, Nr. 197 gehört nicht hierher. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien vereinbart, dass der Betrag für eine Kaufpreisanpassung „sera fixé dans les termes de l’article 1592 du code civil par un expert désigné, soit d’un commun accord entre les parties, soit, à défaut d’accord, par ordonnance du président du tribunal de commerce“. Auf derartige subsidiäre richterliche Bestimmungen ist unten § 4 D.II.1.c) (S. 241) zurückzukommen. 414  Siehe z.B. Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 16 Fn. 29 (§ 349); Serinet, RDC 2009, 657, 661 f.; Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309 (mit dem Argument, der Richter dürfe sich nicht an die Stelle der Parteien setzen).

218

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

sung im Gesetz: Auch ohne entsprechende Vereinbarung, sondern auf Antrag nur einer Partei muss danach der Dritte gerichtlich415 benannt werden, wenn sich die Parteien nicht auf einen Dritten einigen können. Dieser Mechanismus hat den Zweck, ein Scheitern des obligatorischen Bestimmungsverfahrens des Art. 1843-4 Code civil zu vermeiden. Außerhalb des BGB existiert auch in Deutschland eine entsprechende Vorschrift. Für den Bereich des Sachverständigengutachtens im Versicherungsvertragsrecht lässt es § 84 Abs. 2 VVG zu, dass die Auswahl des Dritten einem Amtsgericht übertragen wird.416 Während zum Teil eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift außerhalb des VVG erwogen wird,417 steht es den Parteien nach überwiegender Ansicht nicht zu, ein Gericht, einen Spruchkörper oder einen Gerichtspräsidenten in dieser Funktion um die Benennung des Dritten zu ersuchen.418 Die Begründung lieferte das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1918.419 Darin erkannte es zwar ein mögliches praktisches Bedürfnis nach einer gerichtlichen Benennung, hielt aber dennoch fest, dass de lege lata der Geschäftskreis der Gerichte auf die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben beschränkt sei und weder eine privatautonome Erweiterung dieses Aufgabenkreises noch eine Analogie zu bestehenden Kompetenzen in Betracht komme. Die Befugnis zur Benennung eines Testamentsvollstreckers in § 2200 BGB betreffe einen, im Übrigen während der Gesetzesberatungen umstrittenen, Sonderfall.420 Erlaube man darüber hinaus gerichtliche Benennungen, lasse sich kaum eine Grenze festlegen, für welche Positionen private Parteien um gerichtliche Hilfe nachsuchen dürften – als Extrembeispiel wird die Bitte um gerichtliche Auswahl des „Kassierers eines Kegelklubs“ genannt. Zu-

415 

Und zwar ausschließlich durch den président du tribunal, dazu Cass. civ. 3e 28.3.2012 Bull. civ. III, Nr. 53. 416  Flankierend enthalten die §§ 410 Nr. 2, 411 FamFG ein Verfahren für „die Ernennung, Beeidigung und Vernehmung des Sachverständigen in den Fällen, in denen jemand nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts den Zustand oder den Wert einer Sache durch einen Sachverständigen feststellen lassen kann“. 417 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; B. Rauscher, S. 220 f.; B. Meyer, S. 81. Eine Delegation an den OLG-Präsidenten enthält auch die von Triebel, S. 134 vorgeschlagene Musterklausel. 418 MünchKomm-FamFG/W. Zimmermann, § 410 Rn. 18; Greger/Stubbe, Rn. 93 Fn. 17; Brettner, ArchBürgR 17 (1900), 213, 217 (zu § 2198 BGB); a.A. OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, allerdings ohne Eingehen auf das Problem (Präsident des OLG München); Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 9; PWW/Medicus/M. Stürner, § 317 Rn. 6. – In RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71 waren die Schiedsgutachter zwar von einer Kammer für Handelssachen ernannt worden, dies allerdings unter der erst vom Reichsgericht korrigierten Annahme, es handele sich um Schiedsrichter, so dass die Entscheidung wenig beweist. 419  RG v. 28.11.1918 RGZ 94, 172, 174 f. 420  Auch die Verfahrensregelung im FamFG (siehe oben Fn. 416) könne nicht als Analogiebasis dienen, da sie ein Recht auf gerichtliche Benennung nicht begründe, sondern dessen Bestehen nach bürgerlichem Recht voraussetze.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

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lässig sei nur das Ersuchen einer natürlichen, durch ihr Richteramt bezeichneten Person. Mit anderen Worten: Als Privatperson darf ein Richter zur Benennungsinstanz gemacht werden, in seiner Funktion als Richter nicht. Zu demselben Ergebnis gelangt das englische Recht. Die richterliche Ernennung, heißt es dort, passe nicht zu einem Mechanismus, der auf dem Parteiwillen aufbaut.421 Im Hintergrund scheint bei dieser Begründung wieder die Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht auf. Inwieweit diese Überlegungen auch im Rahmen der Übertragung nicht nur der Auswahl des Dritten, sondern der von diesem zu treffenden Entscheidung insgesamt an ein Gericht Gültigkeit haben, wird noch zu untersuchen sein. Denn dass zwischen der Kompetenz zur Entscheidung in der Sache und zur Auswahl des Dritten kein Gleichlauf bestehen muss, zeigt das französische Recht.422

2. Vorbehalt einer späteren Einigung Noch näher an die Grenze zur fehlenden Bestimmbarkeit begeben sich die Parteien, wenn sie die Auswahl der Person des Dritten einer späteren Einigung vorbehalten. Gleichwohl ist nach deutschem423 und nach englischem424 Recht auch eine derartige Gestaltung zulässig. In Frankreich hat die Rechtsprechung diese Gestaltung ebenfalls akzeptiert, im Schrifttum dafür aber Widerspruch erfahren, da eine hinausgeschobene Parteieinigung nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit des Preises entspreche.425 Gegenüber der Einigung auf einen Dritten, der die Benennung vornehmen soll, hat diese Gestaltung den Nachteil, dass die Weigerung einer Partei, an den Verhandlungen über die Person des Dritten mitzuwirken, das gesamte Schiedsgutachtenverfahren behindern kann.426 Unwirksam ist der Vertrag nur dann, wenn weder die Person des Dritten noch ein Mechanismus zu seiner Bestimmung vereinbart ist.427 In diesem Fall fehlt eine Einigung über einen wesentlichen Punkt des Vertrags und dieser gilt 421 

Collins v. Collins (1858) 53 Eng. Rep. 916, 919 = 26 Beav. 306, 314. Siehe unten § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.). 423  B. Meyer, S. 80; siehe bereits aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB OG Wolfenbüttel v. 15.5.1877 SeuffA 33 (1878), 292 (Nr. 212) (unschädlich, dass die feststellenden Schiedsgutachter zur Abschätzung von Abzugsposten beim Pachtzins noch nicht im Pachtvertrag selbst benannt sind). Zurückhaltender RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 3. 424  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 9.2.2. 425  Cass. com. 26.6.1990 Bull. civ. IV, Nr. 197; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 69; Abwendung von der römischen Ansicht schon bei Pothier, Vente, Nr. 25; enger aber Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 145 (Benennung des Dritten darf nicht späterer Einigung vorbehalten werden); W. Witz, S. 51, 251; enger auch zum Teil die ältere Rechtsprechung, z.B. CA Bordeaux 6.2.1878 D.P. 1879,2,38. Zum Streitstand Caffin-Moi, Nr. 220. 426  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 9.2.2; B. Meyer, S. 80. 427  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 1; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 55. 422 

220

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

deshalb als noch nicht geschlossen (§ 154 Abs. 1 BGB).428 Eine Zweifelsregel wie § 316 BGB, der im Rahmen der Parteileistungsbestimmung für die Bestimmung der Gegenleistung dem Gläubiger der Gegenleistung das Bestimmungsrecht zuweist, steht bei Drittbestimmungen nicht zur Verfügung; wer sollte auch typischerweise im Zweifel als Bestimmungsberechtigter gewollt sein?429

3. Scheitern des Mechanismus Während in dem zuletzt genannten Fall, in dem sich die Parteien weder auf einen bestimmten Dritten noch auf einen Mechanismus zu dessen Benennung geeinigt haben, die Unwirksamkeit des Vertrages als Folge der Unbestimmtheit anzunehmen ist, kann durchaus fraglich sein, ob dieselbe Folge eingreift, wenn der von den Parteien erdachte Mechanismus scheitert. Ob der Vertrag auch dann unwirksam ist, wenn die um Benennung des Dritten ersuchte Institution sich weigert oder die vertraglich vorgesehenen Verhandlungen der Parteien über die Personen des Dritten ergebnislos bleiben, könnte vielmehr genauso zu beantworten sein wie die Frage, was gilt, wenn der Dritte sich weigert, seine Aufgabe zu erfüllen. Die Rechtsfolgen des Scheiterns des Mechanismus sind deshalb vorläufig offenzulassen und an passender Stelle im Zusammenhang zu erörtern.430

428  Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 142; Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 106; v. Kübel, Bd. II/1, S. 271: Können die Parteien sich über die Wahl des Dritten nicht einigen, sei der Vertrag nichtig. Dies müsse im Gesetz nicht explizit ausgesprochen werden. 429  In dem Extremfall, dass dem Vertrag schon nicht zu entnehmen ist, ob ein Dritter oder eine der Parteien die Regelungslücken füllen soll, will eine Literaturansicht im Zweifel die Vereinbarung einer Parteibestimmung annehmen. Das ergebe sich aus der Systematik der §§ 315, 317 BGB, vgl. Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 242. Als „Grundnorm zu §§ 316–319“ bezeichnet den § 315 BGB Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 3, ohne allerdings daraus eine Vermutungsregel abzuleiten. Auf diese Weise gelangt man für die Fälle der Bestimmung der Gegenleistung zu der Zweifelsregel des § 316 BGB. Gegen die Ansicht spricht jedoch, dass sich aus der Entstehungsgeschichte der §§ 315, 317 BGB nichts für ein Stufenverhältnis der beiden Arten von Leistungsbestimmung herleiten lässt. Im Gegenteil ist die Bestimmung durch einen Dritten die historisch ältere Institution. Auch können für eine Parteibestimmung eigene und unter Umständen ganz andere Gründe streiten als für die Vereinbarung eines Drittbestimmungsrechts. Es lässt sich daher nicht typischerweise ein Parteiwille zugunsten der Parteibestimmung unterstellen. Vielmehr ist von der Unbestimmtheit der Vereinbarung auszugehen, wenn schon nicht klar ist, ob der Bestimmungsberechtigte ein Dritter oder eine Partei sein soll. – Daher kann es bei einem unbestimmten Vertragsinhalt (anders als nach § 316 BGB) keine Vermutung dafür geben, dass sich die Beteiligten dem Spruch eines Dritten ausliefern wollten, Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 30; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 4. 430  Siehe unten § 4 D. (S. 224 ff.).

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

221

III. Verschärfung des Bestimmtheitsgebots durch Formvorschriften? Das Bestimmtheitsgebot verlangt die Vereinbarung eines bestimmten oder wenigstens bestimmbaren Leistungsinhalts. Bestimmbar ist der Leistungsinhalt auch dann, wenn seine Konkretisierung der Bestimmungserklärung eines Dritten überantwortet ist. Das in den §§ 315 ff. BGB enthaltene Angebot, ein Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren, begründet folglich keine „Lockerung des Bestimmtheitsgebotes“431. Mithin stellt nicht etwa dieses Angebot die begründungsbedürftige Ausnahme dar, sondern vielmehr bedarf jede Verschärfung des Bestimmtheitsgebots einer Rechtfertigung. Zu überlegen ist nun, ob die §§ 315 ff. BGB für jeglichen schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag Anwendung finden oder ob Ausnahmen bestehen, in denen ein verschärfter Bestimmtheitsgrundsatz anzunehmen ist und der Leistungsinhalt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht nur bestimmbar, sondern bestimmt sein muss. Die systematische Stellung der §§ 315 ff. BGB im allgemeinen Schuldrecht würde Ersteres nahelegen.432 Eine Ausnahme könnte aber dort in Betracht kommen, wo der Vertrag einer bestimmten Form unterworfen ist. Paradigmatisch sind hierfür Verträge über die Veräußerung oder den Erwerb eines Grundstücks, die gemäß § 311b Abs. 1 BGB einer notariellen Beurkundung bedürften. An diesem Beispiel soll die Problematik hier diskutiert werden. Diese Norm bezweckt die Warnung beider Parteien eines Vertrages über Veräußerung oder Erwerb eines Grundstücks, damit sie nicht voreilig oder zu unüberlegten Konditionen eine derartige Verpflichtung eingehen.433 Insbesondere ­Rieble sieht diese Warnfunktion des § 311b Abs. 1 BGB ausgehebelt, wenn das Grundstück als Kaufgegenstand nicht im Vertrag bestimmt, sondern erst über ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB434 oder § 317 BGB435 bestimmbar ist. Ein Käufer könne sich nicht wirksam zum Erwerb „irgendeines Grundstücks“ verpflichten, ein Verkäufer nicht zur Veräußerung irgendeines Grundstücks aus seinem Bestand.436 Ein derartiger Vertrag käme dem Kauf einer „Katze im Sack“ gleich.437 Ein Leistungsbestimmungsrecht sei allenfalls im Hinblick auf die Ge431 Staudinger/­R ieble,

§ 315 Rn. 4 ff., 143 ff. Reinelt, NJW 1986, 826, 827. 433  BGH v. 8.10.2004 NJW 2004, 3626, 3626 f.; BGH v. 25.3.1983 BGHZ 87, 153; Palandt/ Grüneberg, § 311b Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 1 f.; Staudinger/Schu­ macher, § 311b Abs 1 Rn. 3. 434 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 146; ebenso OLG Düsseldorf v. 29.10.1980 DNotZ 1981, 743. Die Kritik von Löwe, BB 1986, 152 ff. und dems., NJW 1986, 1479 an der Einräumung eines Bestimmungsrechts setzt nicht bei § 311b Abs. 1 BGB, sondern bei Gründen des AGBRechts an und kann vorliegend deshalb außen vor bleiben. 435 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 30. 436 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 146. 437  Formulierung bei Löwe, BB 1986, 152, 153, der damit die Möglichkeit der Einräumung 432 So

222

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

genleistung, typischerweise den Kaufpreis, denkbar, da § 311b Abs. 1 BGB in dieser Hinsicht „keine eigenständige Warnfunktion“ zukomme.438 Tatsächlich sind derartige Leistungsbestimmungsrechte in Grundstücksverträgen auch im Hinblick auf den Leistungsgegenstand weit verbreitet. Die höchstrichterliche Rechtsprechung beanstandet sie nicht,439 und auch der überwiegende Teil des Schrifttums hält sie für zulässig.440 Es müsse nur das Bestimmungsrecht selbst hinreichend klar umrissen sein.441 Ein typischer Fall betrifft die nachträgliche Festlegung der genauen Grundstücksgrenzen.442 Das Formgebot für Grundstücksverträge, so das Reichsgericht in einer frühen Entscheidung zu der Problematik, ändere nichts an den üblichen Voraussetzungen für die Bestimmbarkeit einer schuldrechtlichen Verpflichtung.443 Die Vorschrift des § 311b Abs. 1 BGB wolle nur die Form, nicht den Inhalt des Vertrages erschweren.444 Diese Ansicht überzeugt. Eine Verschärfung des Bestimmtheitsgebots in diesem Fall würde zu merkwürdigen Konsequenzen und Diskrepanzen führen. Zum einen müsste konsequenterweise auch der Verkauf eines von zwei gleichartigen eines Bestimmungsrechts an den Veräußerer von Wohnungseigentum hinsichtlich der Ausgestaltung der Teilungserklärung als unwirksame AGB kritisiert. 438 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 149. 439  Meist wird in den Entscheidungen zu § 315 BGB obiter ein entsprechendes Ergebnis für § 317 BGB postuliert: BGH v. 7.2.1986 BGHZ 97, 147, 154; BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845; BGH v. 27.4.1979 WM 1979, 861, 862; BGH v. 7.4.1978 BGHZ 71, 276, 280; BGH v. 20.12.1974 BGHZ 63, 359, 364; BGH v. 22.6.1973 WM 1973, 999, 1000; BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394; OGH v. 23.11.1949 NJW 1950, 463; RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948 (Nr. 60). Speziell zu § 317 BGB: BGH v. 8.11.1968 NJW 1969, 131, 132; RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f. 440  Münch ­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 51; Palandt/Grüneberg, § 311b Rn. 29; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 168; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 311b Rn. 23; v. Campe, NotBZ 2003, 41 ff.; ders., DNotZ 2000, 109 ff. 441  BGH v. 23.11.2001 NJW-RR 2002, 415; BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845 (unter Bezugnahme auf BGH v. 27.1.1971 BGHZ 55, 248 – dazu oben § 4 C.I.3. [S. 208 ff.]); OLG Brandenburg v. 25.2.1998 NJW‑RR 1999, 741; Palandt/Grüneberg, § 311b Rn. 29; anders Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 168 mit Hinweis auf die ergänzenden gesetzlichen Zweifelsregeln in den §§ 315 ff. BGB; großzügiger auch Geißel, MittRhNotK 1997, 333, 336. 442  BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394 (Auswahl des zu übereignenden Grundstücks durch den Bauträger); BGH v. 22.6.1973 WM 1973, 999 (für Bestimmung des mit einem Erbbaurecht zu belastenden Grundstücks durch den Eigentümer); RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f. (Bestimmungsbefugnis eines Dritten); RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948 (Nr. 60) (notarieller Verkauf eines „bis zu 3000 qm“ großen Grundstücksteils). 443  RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948, 950 (Nr. 60); ebenso BGH v. 8.11.1968 NJW 1969, 131, 132; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 159; Reinelt, NJW 1986, 826, 827 (mit Verweis auf die systematische Stellung der §§ 315 ff. BGB im allgemeinen Schuldrecht); Ludwig, DNotZ 1982, 356 ff.; siehe auch M. Wolf, DNotZ 1995, 179, 185 (zur vergleichbaren Fallgestaltung der Einräumung und Ausübung eines Optionsrechts). – Dass es hier nicht um die sachen- oder grundbuchrechtliche Bestimmtheit geht, betont BGH v. 19.4.2002 BGHZ 150, 334. 444  RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948, 950 (Nr. 60); siehe auch v. Campe, DNotZ 2000, 109, 110, 117; Geißel, MittRhNotK 1997, 333, 335.

C. Grenzen der Bestimmbarkeit

223

Grundstücken nach Wahl des Käufers unzulässig sein, obwohl hier dem Verkäufer doch seine Verpflichtung hinreichend klar vor Augen stehen dürfte. Unwägbarkeiten im Äquivalenzverhältnis ließen sich zudem durch die Vereinbarung eines Quadratmeterpreises ausgleichen.445 Zum anderen müsste auch die Stellvertretung beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ausgeschlossen werden. Zwar liegt der Fall der Stellvertretung insofern anders, als dort der Vertragsschluss und die endgültige Bindung erst vom Stellvertreter hervorgebracht wird und zu diesem Zeitpunkt der Vertragsinhalt bestimmt sein kann, während zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung noch nicht unbedingt feststehen muss, welches Grundstück der Vertreter erwerben wird. Doch kann ein bindungsähnlicher Zustand jedenfalls dann eintreten, wenn dem Vertreter eine unwiderrufliche (und deshalb nach herrschender Meinung446 formbedürftige) Vollmacht erteilt wird. Ein derartiger Zustand ließe sich schwer mit einem verschärften Bestimmtheitsgebot vereinbaren. Allein die Warnfunktion des § 311b Abs. 1 BGB vermag deshalb nicht zu einer Verschärfung des Bestimmtheitsgebots zu führen. Seine Schutzfunktion reicht nur soweit wie die allgemeinen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Bestätigt werden diese Überlegungen insbesondere aus dem Blickwinkel der Privatautonomie: Wenn die Formvorschrift davor schützen soll, von seiner Vertragsfreiheit in voreiliger oder unüberlegter Weise Gebrauch zu machen, so ist dieser Schutz angebracht bei Ausübung dieser Freiheit. Da die Delegation auf einen Dritten eine Form der Ausübung von Privatautonomie darstellt, bedarf es des Schutzes nur im Zeitpunkt der Delegation. Der Delegierende erklärt sich mit allen denkbaren Inhalten einer wirksamen Bestimmungserklärung einverstanden. Bei der Eingehung einer derart weitreichenden Verpflichtung schützen ihn die notarielle Form und die damit einhergehende Beratung.447 Entsprechende Überlegungen lassen sich für andere Formvorschriften, die die Warnung einer Partei bezwecken, anstellen. Beispielsweise kann auch das notariell beurkundete Versprechen, dem Enkel eines von mehreren wertvollen Möbelstücken oder einen Geldbetrag bis zu einer bestimmten Obergrenze nach näherer Bestimmung durch dessen Eltern zu schenken (§ 518 Abs. 1 BGB), nicht deshalb zu Fall gebracht werden, weil dem Schenker nicht klar ist, wozu er sich verpflichtet.448 Schließlich belegen auch die §§ 2151 ff. BGB, dass der Gesetzgeber es sehr wohl für möglich hält, trotz warnender Formen auf die Bestimmung eines Dritten zur Konkretisierung des Leistungsinhalts zu vertrauen. 445 

v. Campe, DNotZ 2000, 109, 118 ff. Siehe oben § 3 C.I.2. (S. 143). 447  Nur in diesem Zeitpunkt ist die notarielle Belehrung erforderlich, aber auch ausreichend, Reinelt, NJW 1986, 826, 827. 448  Anders aber auch hier Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 145, § 317 Rn. 30, der ein derartiges Leistungsbestimmungsrecht für unvereinbar mit dem Formzweck des § 518 Abs. 1 S. 1 BGB hält. 446 

224

§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

IV. Ergebnis Die Grenzen des Bestimmtheitsgebots geben vor, was die Rechtsordnung von den Parteien erwartet, um ein wirksames Rechtsgeschäft hervorzubringen. Dabei erweisen sich diese Grenzen als äußerst weit. Anders als vermutlich noch im römischen Recht ist es den Parteien gestattet, den Dritten bis an die Grenze der Willkür nach freiem Belieben entscheiden zu lassen. Ebensowenig müssen sie ihm, abweichend von der Ansicht des Bundesgerichtshofs, konkrete Entscheidungskriterien vorgeben. Im Regelfall wird dies jedoch nicht ihrem Willen entsprechen, so dass § 317 Abs. 1 BGB mit dem billigen Ermessen zu Recht im Zweifel einen engeren Entscheidungsmaßstab als vereinbart ansieht. Der genauen Inhalt des billigen Ermessens lässt sich abstrakt kaum bestimmen, da der Dritte immer für den konkreten Einzelfall eine Entscheidung zu treffen hat. Diese Grundsätze gelten für gestaltende wie für feststellende Enscheidungen eines Dritten. Geringe Anforderungen bestehen auch an die Bestimmbarkeit der Person des Dritten. Deren Bestimmung kann ebenfalls delegiert werden, wobei das französische Recht auch ein Ersuchen des Gerichts um diese Bestimmung gestattet. Das deutsche und das englische Recht ziehen hier eine Grenze, hinter der sie ein unzulässiges Abschieben der privatautonomen Regelungsverantwortung auf die Gerichte erkennen. Wenn ein Vertrag, der vorsieht, dass sein Inhalt erst durch eine spätere vertragliche Einigung bestimmt wird, als bestimmbar von der Rechtsordnung anerkannt wird, spricht auch nichts dagegen, den Vorbehalt einer späteren vertraglichen Verständigung auf die Person des Dritten zuzulassen. Generell erhöhte Bestimmheitsanforderungen bei formbedürftigen Rechtsgeschäften lassen sich nicht rechtfertigen.

D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe Zur Wirksamkeit eines Vertrages reicht es aus, wenn dessen Inhalt zwar nicht bestimmt, aber doch bestimmbar ist. Der Rechtsordnung genügt es zur Anerkennung des Vertragswillens, dass ein Weg besteht, die anfängliche Unbestimmtheit aufzulösen.449 Einen derartigen Weg stellt die Delegation von Privatautonomie dar. Wenn nun aber diese Delegation fehlschlägt und die Entscheidung des Dritten ausbleibt, wird der ursprünglich bestimmbare Inhalt der Forderung unbestimmt. Die logische Konsequenz dieses Fehlschlagens müsste 449 Vgl.

Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 210 (§ 9 1); ­L arenz, Schuldrecht I, S. 80 (§ 6 II).

D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe

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die Unwirksamkeit des Vertrages sein. Genau jene Konsequenz zog Justinian, als er anordnete: „Sin autem ille vel noluerit vel non potuerit pretium definire, tunc pro nihilo esse venditionem quasi nullo pretio statuto.“450

Will oder kann der Dritte den Kaufpreis nicht festsetzen, ist der Kauf mangels bestimmten Preises nichtig. Eine ähnliche Lösung hatte sich für den Fall entwickelt, dass ein Dritter, der nach seinem Ermessen die Anteile an einer societas festsetzen sollte, vor seiner Entscheidung starb: Es „tritt keine Rechtswirkung ein. Denn es ist nun einmal vereinbart worden, daß die Gesellschaft nur so bestehen solle, wie [der Dritte] sie nach seinem Ermessen festgesetzt haben ­w ürde.“451 Der Justinian-Stelle entspricht in nahezu wörtlicher Übersetzung der zweite Halbsatz von Art. 1592 Code civil: „[S]i le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“

Das BGB wählt demgegenüber in § 319 Abs. 1 S. 2 eine andere Lösung: „Die Bestimmung erfolgt … durch Urteil …, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.“

Auf Tatbestandsseite ist gegenüber Justinian und dem Code civil nur die Verzögerung der Leistungsbestimmung hinzugekommen; zudem werden das Nichtkönnen und das Nichtwollen in umgekehrter Reihenfolge aufgeführt. Radikal abweichend wird jedoch die Rechtsfolge geregelt: Die ursprünglich den Parteien zukommende Aufgabe, in Ausübung ihrer Privatautonomie einen wirksamen Vertrag zu schließen, geht auf das Gericht über. Das Gericht soll an der Stelle des Dritten und damit auch an der Stelle der Parteien für die Bestimmtheit des Vertragsinhalts sorgen. Im Folgenden ist deshalb zu untersuchen, wie sich dieses Abgehen von der Aufgabenverteilung, wie sie die Privatautonomie eigentlich vorzeichnet, erklären lässt (unten II.). Zuvor bedarf jedoch der Tatbestand des Fehlschlagens der Delegation der Präzisierung (unten I.). Dabei kann vorweg betont werden, dass es sich nie um ein Fehlschlagen der Delegation handeln kann, wenn die Parteien selbst für einen tauglichen Ersatzmechanismus gesorgt haben. Ist dieser durchführbar, besteht für subsidiäre richterliche Vertragshilfe ohnehin kein Anlass.452

450 

C. 4,38,15,2. Siehe auch Inst. III,23,1. Celsus D. 17,2,75 (Übersetzung Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler). 452  Siehe als Beispiel OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris): Die Auslegung des Schiedsgutachtenvertrags kann ergeben, dass der Vertrag nicht mit einer bestimmten Person „stehen und fallen“ soll und dass sich die Parteien nach dem Wegfall des Schiedsgutachters auf eine andere Person verständigen können. 451 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

I. Fehlschlagen der Delegation: Ein allgemeiner Tatbestand 1. Direkte und analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB a) Nichtwollen und Nichtkönnen Schon vom Wortlaut des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB als Fälle des Fehlschlagens erfasst sind das Nichtwollen und das Nichtkönnen des Dritten. Dazu gehört auch der Fall, dass der Dritte die Mitwirkung verweigert. Denn erstens muss der Dritte den Parteien nicht notwendig zur Erstellung des Schiedsgutachtens verpflichtet sein. Zwar unterwerfen sich die Parteien der Entscheidung des Dritten. Es würde jedoch einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen, wenn damit zugleich eine Pflicht des Dritten begründet würde, die Bestimmung auch tatsächlich vorzunehmen.453 Eine entsprechende Pflicht des Dritten kann sich erst aus dem von der Unterwerfungsvereinbarung unabhängigen454 Schiedsgutachtervertrag ergeben.455 Selbst wenn der Dritte zur Vornahme der Leistungsbestimmung verpflichtet ist, kann er zweitens nicht dazu gezwungen werden. Dies ergibt sich für eine Mindermeinung schon daraus, dass mit Abschluss des Schiedsgutachtervertrags stillschweigend das Klagerecht ausgeschlossen werde.456 Werde der Schiedsgutachter verklagt, sei nicht mehr mit einem unparteilichen Gutachten zu rechnen. Außerdem laufe es dem Zweck der Schiedsgutachtenvereinbarung, eine schnelle Entscheidung zu erlangen, zuwider, wenn der Dritte erst mühsam im Klagewege zum Tätigwerden angehalten werden müsse. Auch wer dieser Ansicht nicht folgt, wird eine zumindest die Vollstreckbarkeit eines auf Erstellung des Gutachtens gerichteten Leistungstitels verneinen müssen. Ist der Vertrag mit dem Schiedsgutachter als Dienstvertrag anzusehen,457 folgt das schon aus § 888 Abs. 3 ZPO. Eine Vollstreckung nach § 888 ZPO scheidet aber auch dann 453  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 106; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 86; Joussen, S. 42; ders., AcP 203 (2003), 429, 436. 454  Zur Abstraktheit von Unterwerfungsvereinbarung und Vereinbarung mit dem Dritten Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 86; Joussen, S. 42; ders., AcP 203 (2003), 429, 437. 455  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 21; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 10. 456  B. Meyer, S. 90 f.; a.A. z.B. Sieveking, S. 71 Fn. 285; Wangner, S. 45 f. 457  Dann als entgeltliche Geschäftsbesorgung; für die Annahme eines Dienstvertrages: Staudinger/Richardi/Fischinger, Vorbem zu §§ 611 ff Rn. 97; B. Meyer, S. 25 ff.; Wangner, S. 46. Außerdem (Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 18; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 303 (§ 12 IV 7 a). Einen Dienstvertrag nahm auch an BGH v. 13.12.1956 BGHZ 22, 343, 345; später ließ der BGH dann die Einordnung aber offen, BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 376; BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967. In der zweiten Entscheidung wird den Parteien dann aber jedenfalls das (dem Dienstvertragsrecht entstammende) Kündigungsrecht der §§ 626 f. BGB gewährt. – Die Argumente zur Abgrenzung drehen sich vornehmlich um die Frage, ob aufgrund des reduzierten Kontrollmaßstabs des § 319 BGB noch von einer erfolgsbezogenen Tätigkeit des Dritten gesprochen werden kann, wie es die Annahme eines Werkvertrags voraussetzt.

D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe

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aus, wenn der Vertrag als Werkvertrag458, als Auftrag459 oder als Vertragstyp sui generis460 qualifiziert wird461. Denn in jedem Fall handelt es sich um eine Leistung, die nicht allein vom Willen des Schuldners abhängt.462 Für derartige Leistungen steht § 888 ZPO nicht zur Verfügung.

b) Verzögerung Auch wenn der Dritte die Bestimmung verzögert, kann nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB das Gericht die Bestimmung vornehmen.463 Freilich entsteht hier, anders als bei der einfach zu bestimmenden Weigerung, die Frage, wann eine Verzögerung anzunehmen ist. Eine „Verzögerung“ setzt der BGH nicht mit Verzug im technischen Sinne des BGB gleich; weder ist ein Verschulden des Dritten erforderlich, noch muss die Verzögerung überhaupt aus seinem Aufgabenbereich herrühren.464 Es reicht aus, wenn die Leistungsbestimmung nicht innerhalb objektiv angemessener Zeit vorgenommen wird.465 Welcher Zeitraum objektiv angemessen ist, kann schwer zu ermitteln sein; die Maßgabe des BGH, dass an das Vorliegen einer Verzögerung einerseits strenge Anforderungen zu stellen seien, die aber andererseits auch nicht überspannt werden dürften,466 hilft kaum weiter. Schon aufgrund dieser Schwierigkeit scheint es in einem derartigen Fall nahezuliegen, zunächst dem Dritten eine entsprechende Frist zu setzen. Mit Ab458  So neuerdings BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296, 1297; aus dem Schrifttum Greger/ Stubbe, Rn. 102; Greger, ZKM 2013, 43, 44; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 9; ders., VersR 1994, 1009, 1010; W. Döbereiner, VersR 1983, 712, 714. 459  Greger/Stubbe, Rn. 102 (bei Unentgeltlichkeit); O. Wolff, S. 44. 460  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 51 (aber offengelassen in Rn. 21); Lembcke, DS 2011, 96, 97 461  Rechtliche Qualifikation offen gelassen von Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 10; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 436. 462  O. Wolff, S. 45; ähnlich Sieveking, S. 71 Fn. 285 („Höchstpersönlichkeit“); a.A. ohne Begründung Bongartz, S. 32. Für die Parteileistungsbestimmung bejaht eine Vollstreckbarkeit nach § 888 ZPO Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 17. 463  Historisch geht diese Innovation des Gesetzgebers gegenüber den römischen Quellen auf die Regelwerke des 19. Jahrhunderts zurück, die auch dann die Nichtigkeit des Vertrages anordneten, wenn die Parteien eine Zeit bestimmen und der Ausspruch nicht innerhalb dieser Zeit erfolgt (§ 11 des Vorentwurfs; BayE II, Art. 30; Art. 40 DresdE; HessE IV 1, Art. 57). Nach HessE IV 1, Art. 59 musste der Vertrag sogar zwingend eine Frist enthalten, sollte dieser nicht unwirksam sein. Siehe v. Kübel Bd. II/1, S. 269 f. 464  BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74, 341, 345; BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390; BGH v. 17.3.1971 NJW 1971, 1455, 1456 (Sachverständigengutachten nach § 64 VVG a.F.); aus der Literatur siehe nur Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 22; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 435. 465  BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74, 341, 345; BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390; strenger Soergel/ M. Wolf, § 319 Rn. 20 (zusätzlich Ablauf einer gesetzten Frist oder Verstreichen eines bestimmten Zeitpunkts). 466  BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232 (über drei Jahre).

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lauf der Frist würde aus der Verzögerung der Bestimmung eine Weigerung des Dritten und damit ein Fall des Nichtwollens. Nach § 2198 Abs. 2 BGB kann das Nachlassgericht dem zur Auswahl des Testamentsvollstreckers ermächtigten Dritten eine Frist setzen, nach deren Ablauf dessen Bestimmungsrecht erlischt. Eine Frist kann nach § 2151 Abs. 3 S. 2 BGB auch dem Dritten, der einen Vermächtnisnehmer bestimmen soll, gesetzt werden; nach Ablauf der Frist werden die potentiellen Vermächtnisnehmer Gesamtgläubiger. Für die Leistungsbestimmung im Vertragsrecht hatte § 807 sächs. BGB einen derartigen Mechanismus vorgesehen.467 Die Frage, ob Ähnliches nicht auch im Rahmen der §§ 317 ff. BGB denkbar wäre, muss jedoch verneint werden. Anders als der verstorbene Erblasser sind die Vertragsparteien in der Lage, sich selbst zu helfen und von dem Dritten innerhalb einer bestimmten Frist die Entscheidung zu verlangen.468 Die Anrufung des Gerichts zur Fristsetzung würde demgegenüber nur einen Umweg darstellen. Zudem stehen im Erbrecht auch Drittinteressen auf dem Spiel, die hier ein richterliches Einschreiten rechtfertigen können: Nachlassgläubiger wollen erfahren, wer Testamentsvollstrecker wird, und die Erben haben ein Interesse daran, die Inhaber von Vermächtnisansprüchen zu kennen.

c) Verweigerte Mitwirkung des Vertragspartners Wenn die Verzögerung ihren Ursprung nicht in der Sphäre des Dritten haben muss, ist es sogar unschädlich, wenn die Ursache für die Verzögerung aus der Sphäre der Partei, die nun nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB vorgehen möchte, stammt.469 Doch fällt darunter auch die Situation, dass der Vertragspartner nicht an der Benennung des Dritten mitwirkt? Vom Wortlaut des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ist dieser Fall strenggenommen nicht gedeckt, da noch überhaupt kein Dritter feststeht, der die Bestimmung verzögern könnte. Der BGH hat die Frage gleichwohl bejaht. Kooperiert der Gegner nicht bei der Benennung des Dritten, kann das eine Verzögerung i.S.d. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen mit der Folge, dass die Leistungsbestimmung analog dieser Vorschrift ersatzweise vom Gericht vorgenommen werden kann.470 Es wäre treuwidrig, wenn sich der 467  Danach konnte jede Partei bei Gericht beantragen, dass dem Dritten eine Frist von mindestens einem Monat gesetzt werde, nach deren fruchtlosem Verstreichen der Vertrag unwirksam sei. 468  Aus diesem Grund lehnten die Verfasser des Dresdener Entwurfs eine Regel wie § 807 sächs. BGB ab. Wenn sich die Parteien nicht selbst auf eine Frist verständigt hätten, so stelle das eine „Nachlässigkeit“ dar, „welcher abzuhelfen das Gesetz nicht berufen sei“, ProtDresdE, Bd. I, S. 134. 469  BGH v. 7.4.2000 NJW 2000, 2986, 2987 (Vorenthalten von Informationen, die der Schiedsgutachter zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt); Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 20; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 21. 470  BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1455; BGH v. 7.6.2011 NJW‑RR 2011, 1059, 1060; BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280, 285; BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390; BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74,

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säumige Teil gegenüber einer gerichtlichen Leistungsbestimmung auf die Vereinbarung berufen würde, ein privater Dritter solle die Leistungsbestimmung vornehmen.471 In den zitierten Entscheidungen bestand eine Verpflichtung des Gegners zur Mitwirkung an der Benennung eines Dritten. Doch auch dann, wenn eine derartige Verpflichtung fehlt und die Parteien lediglich in der Erwartung handeln, man werde sich verständigen, sollte nichts anderes gelten, da eine Verzögerung keine Pflichtverletzung voraussetzt.472 Vor allem aber würde eine Klage gegen den Vertragspartner auf Mitwirkung bei der Schließung der Vertragslücke durch gemeinsame Benennung eines Dritten keine gangbare Alternative darstellen: Zweifelhaft ist schon, je nach Vertragsgestaltung, das Bestehen einer entsprechenden Pflicht.473 Doch wäre jedenfalls das auf eine solche Klage hin ergehende Urteil ohne Nutzen:474 Eine Verurteilung zum Abschluss oder zur Ergänzung eines Vertrags ist natürlich nicht ausgeschlossen.475 Doch kann das Gericht grundsätzlich nicht ohne weiteres den Inhalt des Vertrages bestimmen, wenn sich dieser nicht aus (vor‑)vertraglichen Vereinbarungen der Parteien oder anderen Quellen ergibt. Die Verurteilung zur Benennung eines allein von der klagenden Vertragspartei in ihrem Klageantrag ausgewählten Dritten ist damit ausgeschlossen. Die Verurteilung zur Mitwirkung bei der Benennung 341, 345; BGH v. 17.3.1971 NJW 1971, 1455, 1456 (Sachverständigengutachten nach § 64 VVG a.F., in dem sich der Versicherer weigerte, die eigentlich vorgesehene Entscheidung des Obmannes einzuholen) mit weiteren Nachw. zu versicherungsvertragsrechtlichen Sachverständigenverfahren; zustimmend Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 22; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 17; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 435; Döser, LMK 2011, 322671 (allerdings mit unzutreffendem Vorschlag, die Ersatzbestimmung auf § 315 Abs. 3 S. 2 BGB zu stützen, da die Verzögerung aus der Sphäre einer Partei herrühre); Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1929; auf Grundlage der prozessualen Ansicht Habscheid, KTS 1972, 209, 218 (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB und § 64 VVG a.F. bezweckten eine rasche und glatte Bereinigung des Streits). Es ließe sich zudem der Gedanke bemühen, dass nach § 160 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Beeinträchtigung oder Vereitelung eines bedingten Anspruchs der Haftung nach vollwirksamem Entstehen des Anspruchs entspricht, dazu Bergmann, FS Reuter, S. 23. 471  BGH v. 26.10.1989 NJW 1990, 1231, 1232; BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390. 472 Ebenso Kröll, S. 83; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 296 (§ 12 III 5 c); a.A. RGRK/ Ballhaus, § 317 Rn. 3. 473  Für das Bestehen einer generellen Pflicht jeder Partei, „zur Ausführung des Vertrages mitzuwirken, Alles dasjenige zu thun, was von ihrer Seite dazu erforderlich ist“, Weismann, AcP 72 (1888), 269, 318. Daraus folge auch die Pflicht, einen Schiedsgutachter zu ernennen. Außerdem Greger/Stubbe, Rn. 100; Habscheid, KTS 1957, 129, 130 (auf der Grundlage einer „Verfahrensgesellschaft“ verpflichteten sich die Parteien, „alles zu tun, um ihren Zweck zu erreichen“); Volmer, BB 1984, 1010, 1014. 474  So auch BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47, 51. 475  Ein Beispiel findet sich in BGH v. 18.10.1972 JZ 1973, 61, 62: Der Klageantrag, der Beklagte solle gemeinsam mit der Klägerin bei der Industrie- und Handelskammer einen Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen zur Ermittlung des neuen Pachtzinses stellen, ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und vollstreckbar nach § 894 ZPO, da sich diese Vorschrift nicht nur auf „Willenserklärungen im Sinne des bürgerlichen Rechts“ beziehe.

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irgendeines Dritten ist dagegen nicht vollstreckbar.476 Zudem hätte diese Lösung die unbefriedigende Situation zur Folge, dass zunächst ein Prozess über die Ergänzung des Vertrages hinsichtlich der Person des Dritten erforderlich wäre, sodann der Dritte seine Entscheidung abgeben müsste und sich endlich noch ein Rechtsstreit über die Kontrolle dieser Entscheidung auf ihre offenbare Unbilligkeit anschließen könnte. Dies würde zu „schwerwiegenden, mit dem Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit und Sicherheit im Rechtsverkehr kaum zu vereinbarenden Folgen“ führen.477 Es erscheint daher gerechtfertigt, die verweigerte Mitwirkung des Vertragspartners als Verzögerung i.S.d. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zu behandeln.

d) Wegfall des Dritten Mit einer Analogie zu § 319 Abs. 1 S. 2 BGB erfasst der BGH außerdem den Fall, dass der ursprünglich von den Parteien vorgesehene Dritte wegfällt und kein hinreichend bestimmter Ersatzmechanismus zur Verfügung steht.478 Beispielhaft dafür sind zwei Fälle: In dem ersten Fall479 ging es um das Begehren der klagenden Stadt nach Erhöhung des mit dem Beklagten vereinbarten Erbbauzinses; falls sich die Parteien auf die Anpassung des Vertrages nicht einigen können, sollte „die Preisbehörde oder eine andere amtliche Schätzstelle“ darüber entscheiden. Der daraufhin von der klagenden Stadt eingeschaltete Regierungspräsident lehnte ein Tätigwerden ab: Seit der Freigabe der Grundstückspreise sei er nicht mehr Preisbehörde, die ihm nunmehr unterstellte Preisüberwachungsstelle sei zur Erstattung von Schiedsgutachten nicht befugt. Die Klägerin holte deshalb ein Gutachten bei dem von ihr eingesetzten „Gutachterausschuss für die Stadt W.“ ein und nahm den Beklagten auf Zahlung des von dem Gutachterausschuss ermittelten Unterschiedsbetrags zum bisherigen Erbbauzins in Anspruch. Der BGH bejahte eine Befugnis zur Bestimmung des Anpassungsbetrags durch Urteil nach billigem Ermessen. Zwar passe § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nicht direkt auf die vorliegende Situation, da die „andere amtliche Schätzstelle“ bereits nicht bestimmbar ist und nicht bloß nicht tätig werden kann oder will, 476 A.A. Bongartz, S. 27 (Vollstreckung nach § 888 ZPO); anders auch Weismann, AcP 72 (1888), 269, 318 f.: Vollstreckung nicht nach den Regeln über die Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen, sondern Benennung durch den Richter, dazu sogleich. 477  BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47, 51; Volmer, BB 1984, 1010, 1014 (mit dem Vorschlag, eine Vertragsstrafe für die Verweigerung der Mitwirkung zu vereinbaren); Habscheid, KTS 1984, 53, 67; nach Ansicht von dems., KTS 1972, 209, 218 drohte sogar eine „Rechtsschutzverweigerung“. 478  Der Wegfall der Funktion des Dritten als Steuerberater der Gesellschaft ist nicht mit dem Wegfall als Schiedsgutachter gleichzusetzen, wenn es den Parteien gerade darum ging, dass der Dritte im Bewertungszeitraum als Steuerberater tätig gewesen war, BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775. 479  BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47; zustimmend etwa Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 21; Habscheid, KTS 1972, 209, 217 f.

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wie dies die Norm eigentlich fordert. Die Vorschrift könne aber analog angewendet werden: Ihr Sinn und Zweck sei es, dem Richter die Befugnis zur Ersatzbestimmung zu übertragen, wenn der in erster Linie für die Vornahme der Leistungsbestimmung vorgesehene Weg nicht gangbar sei – hier wegen des Wegfalls der ursprünglich als Dritte gewollten Preisbehörde.480 In dem zweiten Fall481 beruhte der Wegfall des Dritten sogar auf einer Entscheidung der Parteien: Der Kläger war Intendant des von der beklagten Stadt betriebenen Theaters. Ihm war unter bestimmten Umständen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt. Für den Fall der Kündigung sollte das Schiedsgericht des Deutschen Bühnenvereins über die Höhe und die Dauer der Weiterzahlung der Vergütung des Klägers entscheiden, falls eine Einigung der Parteien hierüber nicht zustande komme. Der Kläger kündigte den Vertrag und rief das Schiedsgericht an. Nachdem das Schiedsgericht erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung angemeldet und die Beklagte eine Erneuerung der Schiedsvereinbarung abgelehnt hatte, erhob der Kläger Klage vor dem staatlichen Gericht. Der BGH sah in der „Schiedsvereinbarung“ eine Abrede, das Schiedsgericht als leistungsbestimmenden Dritten anzurufen. Das Verhalten der Parteien nach der Kündigung des Klägers wertete er als Einigung, das Bühnenschiedsgericht doch nicht zur Leistungsbestimmung heranzuziehen. Vielmehr sei nun das vom Kläger angerufene Gericht zur Bestimmung der Vergütung nach billigem Ermessen berufen. Auch hier argumentierte der BGH mit dem „Gesichtspunkt des Anspruchs der Parteien auf einen effektiven Rechtsschutz“.482

e) Weitere Fälle Um einen Fall des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB soll es sich schließlich auch handeln, wenn mehrere Mitglieder eines Schiedsgutachtergremiums sich nicht einigen können und deshalb nicht zu einer gemeinsamen Entscheidung gelangen483 oder wenn die mit der Auswahl des Dritten betraute Stelle keinen Dritten benennt484.

480 

BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47, 52. BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388. 482  In BGH v. 8.4.1968 WM 1968, 575 gelangte der BGH in einem ähnlichen Fall auf anderem Wege zu demselben Ergebnis: Die Parteien hatten die ursprünglich vereinbarte Schiedsgutachtenklausel für die Anpassung des Mietzinses nachträglich aufgehoben. Der BGH sah nunmehr das Gericht zur Mietzinsbestimmung befugt, da in diesem Fall davon auszugehen sei, die Parteien hätten einen „angemessenen“ Mietzins gewollt. Dessen Höhe könne das Gericht im Wege der Auslegung ermitteln. 483  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 21; Laule, DB 1966, 769, 771. 484  Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1928. 481 

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2. Zusammenführung Am Ausgangspunkt dieser Überlegungen zum Fehlschlagen der Delegation stand die Erwartung, dass mit dem Fehlschlagen der ursprünglich bestimmbare Vertragsinhalt endgültig unbestimmt wird und der Vertrag konsequenterweise infolge des Bestimmtheitsgebots unwirksam sein müsste. Fügt man nun aber alle diese Fälle als Mosaiksteine zusammen, ergibt sich ein Bild, das zu dieser Erwartung diametral entgegengesetzt ist. Stattdessen wird durch eine großzügige Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB der Vertrag aufrechterhalten. Die eigentlich aufgrund des Bestimmtheitsgebots zu erwartende Unwirksamkeitsfolge ist praktisch zur Ausnahme geworden, indem „die Leistung immer dann durch das Gericht bestimmt werden soll, wenn sich die von den Parteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist“.485 Das Bild zeigt einen allgemeinen Tatbestand des „Ausbleiben[s] der Leistungsbestimmung“486 bzw. des Fehlschlagens der Delegation.

a) Kritik Wenn nun auf das Fehlschlagen der Delegation mit einer richterlichen Ersatzbestimmung reagiert wird, scheint dieser allgemeine Tatbestand der aus Sicht der Privatautonomie gebotenen Aufgabenverteilung zuwiderzulaufen. Zum Teil wird die weitreichende (analoge) Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB deshalb abgelehnt.487 Das endgültige und ersatzlose Entfallen des primär zur Bestimmung aufgerufenen Dritten sei von dem in § 319 Abs. 1 S. 2 BGB geregelten Fall, dass der Dritte die Entscheidung nicht vornehmen könne oder wolle, zu unterscheiden.488 Denn dort werde nicht lediglich ein Problem bei der Umsetzung einer ihrerseits hinreichend bestimmten Übertragung des Bestimmungsrechts, sondern bereits ein Mangel der Vereinbarung selbst kompensiert.489 Den Parteien werde so die Last einer hinreichend effektiven Bestimmung des Dritten genommen.490 Richterliche Vertragshilfe sei stets sub485  BGH v. 4.7.2013 WM 2013, 1452, 1455; BGH v. 7.4.2000 NJW 2000, 2986, 2987; BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314, 1315 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 14.7.1971 BGHZ 57, 47, 52. Diese Einschätzung teilen etwa Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 20 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 296 (§ 12 III 5); Kröll, S. 83 f. – Habscheid, KTS 1972, 209, 218 bezeichnet es als ratio des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB, dass das Gericht immer dann entscheide, wenn eine Entscheidung durch den Dritten nicht herbeiführbar sei. 486 Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 19. 487 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 54; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 17; siehe auch H. Eckert, S. 21. Eine Ausnahme macht Völzmann-Stickelbrock für den Wegfall einer Behörde, der zu § 319 Abs. 1 S. 2 BGB führen könne. Ein einsichtiger Grund für diese Differenzierung fehlt, vgl. auch RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 3. 488 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 54; H. Eckert, S. 21. 489 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 54. 490 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 54; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 17.

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sidiär.491 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses die Unterwerfungsvereinbarung nicht an einem Mangel litt, der Dritte zu diesem Zeitpunkt vielmehr noch existierte. Insofern ging es auch in den genannten Entscheidungen gerade um ein Vollzugsproblem. Weitere Nahrung erhält die Kritik an einer einheitlichen Betrachtung der Fälle des Fehlschlagens aus dem Versicherungsvertragsrecht. Dort machen sich viele Stimmen dafür stark, die dem § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nachgebildete Vorschrift des § 84 Abs. 1 S. 3 VVG einschränkend auszulegen. Nur wenn es sich wirklich um einen auf die Sache, nicht auf die Person bezogenen Grund des Nichtkönnens oder Nichtwollens handele, solle nach dieser Vorschrift die gerichtliche Ersetzung Platz greifen.492 Der Tod des Sachverständigen, dessen Weigerung wegen Arbeitsüberlastung und auch seine Ablehnung wegen Befangenheit führten deshalb dazu, dass die Parteien gewissermaßen in die Ausgangsposition zurückversetzt werden; es müsse dann ein neuer Sachverständiger gesucht werden.493 Die Schiedsgutachtenvereinbarung wird in diesen Fällen offenbar als „nicht verbraucht“ angesehen. Das Sachverständigenverfahren dürfe nicht unterlaufen werden.494 In der Person des Dritten liegende Umstände hätten mit dem Sachverständigenverfahren nichts zu tun und könnten leicht durch dessen Auswechslung behoben werden.495 Besonders überzeugend ist diese Einschränkung nicht: Warum die Begründung des Sachverständigen, der Untersuchungsgegenstand liege anders als ursprünglich angenommen außerhalb seiner Sachkunde, gänzlich anders zu behandeln ist als die Begründung, er könne das Gutachten nicht weiter bearbeiten, weil er erkrankt oder überlastet ist, lässt sich nicht erkennen. Eher wird mit dieser zusätzliche Abgrenzungsnotwendigkeit ein auf Schnelligkeit angelegtes Verfahren belastet. Wer mit der Rechtsfolge des § 84 Abs. 1 S. 3 VVG unzufrieden ist, sollte nicht vergessen, dass die Parteien stets privatautonom eine andere Regelung finden können.496 Ein tragfähiges Differenzierungskriterium zwischen den unterschiedlichen Varianten eines Fehlschlagens lässt sich kaum finden; auch der weggefallene Dritte „kann“ die Bestimmung nicht mehr vornehmen. Deutlich wird dies etwa in der Behauptung, der Tod des Schiedsgutachters falle nicht unter § 319 Abs. 1 491 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 54; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 17. 492 Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 31; MünchKomm-VVG/Halbach, § 84 Rn. 36; Bruck/ Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 64. 493 Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 12, 31; Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 9, 30; MünchKomm-VVG/Halbach, § 84 Rn. 36; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 64. Auch dieser Sachverständige kann erforderlichenfalls vom Gericht benannt werden, § 84 Abs. 2 VVG. 494 Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 31. 495 Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 64. 496  Für die Annahme einer Pflicht, in bestimmten Fällen nach Treu und Glauben einer Auswechslung zuzustimmen, Römer/Langheid, § 84 Rn. 5.

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S. 2 BGB, wohl aber eine längere Krankheit.497 Erforderlich ist lediglich, dass die Vereinbarung ursprünglich einmal bestimmbar war. Auf diese Weise wird auch ein Dammbruch vermieden, der drohen würde, wenn die großzügige Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB auf jeglichen Fall fehlender Bestimmtheit des Dritten übertragen würde.498 Wer Bedenken gegen die subsidiäre Vertragshilfe hat, muss die Rechtsfolge des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB insgesamt in Zweifel ziehen.499

b) Ein allgemeiner Tatbestand in England und Frankreich Das Fehlen eines Differenzierungskriteriums zeigt sich auch im englischen und im französischen Recht. Auch wenn dort an das Fehlschlagen unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden,500 besteht doch insofern Einigkeit, dass auf Tatbestandsseite nicht zwischen den verschiedenen möglichen Auslösern eines Fehlschlagens der Delegation unterschieden werden sollte. Die auf die Fälle des Nichtwollens oder Nichtkönnens beschränkte Formulierung des Art. 1592 Code civil wird nicht als Hindernis gesehen, auch andere Situationen des Scheiterns des Bestimmungsmechanismus unter diese Regel zu fassen,501 zumal das Nichtkönnen ohnehin sowohl tatsächliche als auch rechtliche Hindernisse einschließen soll.502 So wird es entsprechend behandelt, wenn die verkaufte Gesellschaft die Ermittlung des Jahresüberschusses durch Sachverständige vereitelt,503 wenn eine Partei sich weigert, ihren Schiedsgutachter zu benennen,504 wenn eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Schiedsgutachtern nicht aufgelöst werden kann505 oder wenn der Verkäufer jeden vom Käufer vorgeschlagenen Schiedsgutachter ablehnt506. Ebenso haben englische Gerichte die unterschiedlichsten Schwierigkeiten im Rahmen des Drittbestimmungsmechanismus, die teils auf den Dritten oder auf sonstige zufällige Umstände zurückgehen, teils aber auch aus der Sphäre einer 497 

H. Eckert, S. 21. Siehe auch RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 3; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 434. 499 Ähnlich Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 297 (§ 12 III 5 c). 500  Dazu sogleich unten § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.) (Frankreich) und § 4 D.II.3.b) (S. 247 ff.) (England). 501  Cass. civ. 25.4.1952 Bull. civ. I, Nr. 138; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 39; Béna­ bent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 467 ff.; Carbonnier, RTD civ. 1952, 515. 502  Cornu, RTD civ. 1980, 366, 367. 503  Cass. civ. 2e 8.4.1999 Bull. civ. II, Nr. 67. 504  Cass. com. 27.4.1968 Bull. civ. IV, Nr. 141; Cass. civ. 1re 24.11.1965 Bull. civ. I, Nr. 651; CA Dijon 15.12.1881 S. 1882,2,238; CA Rennes 26.1.1876 D.P. 1877,2,107. 505  CA Paris 23.5.1986 Gaz. Pal. 1987,I,613; Cass. com. 29.2.1972 D. 1973, 255 (Dritte haben lediglich einen Mindest- und einen Höchstpreis für die verkauften Gesellschaftsanteile genannt). 506  CA Dijon 15.2.1893 S. 1894,2,144. 498 

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Partei stammen, nach derselben Regel behandelt.507 Beispiele umfassen etwa die Einigungsschwierigkeiten zwischen den beiden parteibenannten Schiedsgutachtern,508 den Tod des Dritten509 oder einer Partei510 oder desjenigen, der den Dritten benennen soll,511 vor Abgabe des Gutachtens, die Weigerung der benannten Person, das Gutachten zu erstellen,512 die Weigerung einer Partei, einen Kostenvorschuss an die Gutachter zu zahlen,513 einen Dritten zu benennen514 oder diesem Zutritt zu dem zu bewertenden Grundstück zu gewähren,515 oder ein sonstiges Verhalten, mit dem eine Partei die Fertigstellung des Gutachtens verhindert516. Ein wertungsmäßiger Unterschied zwischen den verschiedenen Fällen des Scheiterns lässt sich nicht erkennen517 und wird häufig nicht einmal thematisiert. Allenfalls kann zusätzlich, wenn das Scheitern auf der Pflichtverletzung einer der Parteien beruht, die Frage nach den Folgen dieser Pflichtverletzung hinzutreten.518 Dieser Befund bestätigt die Ansicht, dass auch im deutschen 507  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 8.3.1, 9.3.5, 12.10.1 ff.; Borowsky, S. 95; Sudbrook Trad­ing Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 484C; Re Malpass [1985] 1 Ch. 42, 49; Gillatt v. Sky Television Ltd. [2000] 1 All ER (Comm.) 461; a.A. McPherson, (1986) 60 Austr. L.J. 8, 10. Siehe auch noch unten bei und in Fn. 638. 508  Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574 = 14 Ves. 400; Clarke v. Westrope, (1856) 139 Eng. Rep. 1572 = 18 C.B. 752. 509  Firth v. Midland Railway Co. (1875) L.R. 20 Eq. 100. Unter Umständen kann der Vertrag so ausgelegt werden, dass nach dem Wegfall einer mit der Leistungsbestimmung betrauten Stelle diejenige Stelle, die deren sämtliche Zuständigkeiten übernommen hat, zur Leistungsbestimmung befugt sein soll, Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 312B. 510  Blundell v. Brettargh (1810) 34 Eng. Rep. 90 = 17 Ves. 232; zum Hintergrund der Auswirkungen des Todes einer Partei auf den Vertragsschluss siehe Christandl, ERCL 7 (2011), 463 ff., insbesondere 472 f. Nach Einschätzung von Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.16.3 würde dieser Fall heute anders entschieden. 511  Morgan v. Milman (1853) 43 Eng. Rep. 10 = 3 De G.M. & G. 24. 512  Cooper v. Shuttleworth (1856) 25 L.J. Exch. 114. 513  Gregory v. Mighell (1811) 34 Eng. Rep. 341 = 18 Ves. 328; Wilks v. Davis (1817) 36 Eng. Rep. 195 = 3 Mer. 507. 514  Agar v. Macklew (1825) 57 Eng. Rep. 405 = 2 Sim. & St. 418. 515  Smith v. Peters (1875) L.R. 20 Eq. 511; Morse v. Merest (1821) 56 Eng. Rep. 999 =  6 Madd. 26. 516  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529. 517  So auch Tallon, S. 95 ff. 518  Zu Frankreich: Cass. com. 27.4.1968 Bull. civ. IV, Nr. 141 (Berufungsgericht durfte dem Beklagten unter Fristsetzung und Androhung einer astreinte aufgeben, seinen Schiedsgutachter zu benennen); Cass. civ. 1re 24.11.1965 Bull. civ. I, Nr. 651 (Schadensersatz); Cass. civ. 1re 30.10.1961 Bull. civ. I, Nr. 495 (Sanktion offengelassen); CA Paris 1.3.1951 D. 1951, 315 (astreinte); CA Dijon 15.2.1893 S. 1894,2,144 (Schadensersatz aus Delikt, da mangels Kaufvertrags auch keine wirksame Pflicht zur Benennung eines Schiedsgutachters bestehen konnte); Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 39; Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 470; Cornu, RTD civ. 1966, 310 f. m.w.N. Zu England: s. 9(2) SGA 1979 und Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 478G (per Lord Diplock), 487A (per Lord Russell). In diesem Urteil stellen die Lordrichter freilich fest, dass Schadensersatz in der Regel unzureichend sein wird.

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Recht von einem allgemeinen Tatbestand des Fehlschlagens der Delegation ausgegangen werden sollte.

II. Subsidiäre richterliche Vertragshilfe Gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB geht grundsätzlich das Bestimmungsrecht auf das Gericht über.519 Nur wenn der Dritte nach freiem Belieben entscheiden sollte, hat das Fehlschlagen der Delegation nach § 319 Abs. 2 BGB die Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge. Zur Bewertung dieser Entscheidung sollen die beiden Lösungswege gegenübergestellt werden.

1. Unwirksamkeit als Rechtsfolge a) Besonderes Vertrauen in die Person des Dritten Zwei Gründe sprechen dagegen, beim Entscheidungsmaßstab des freien Beliebens den Richter an die Stelle des Dritten treten zu lassen, wenn dieser die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder sie verzögert. Erstens spricht gegen eine richterliche Ersatzbestimmung, dass ein Gericht nicht nach dem Maßstab des freien Beliebens entscheiden könnte.520 Einerseits fehlen dem Gericht Anhaltspunkte, an denen es seine Entscheidung orientieren kann.521 Andererseits ist es dem Richter aus rechtsstaatlichen Gründen verwehrt, nach Gutdünken zu entscheiden.522 Zwar ließe sich argumentieren, dass ein ersatzweise tätig werdendes Gericht sich auch dann innerhalb des weiten Maßstabs des Dritten halten würde, wenn es seine Bestimmung nach dem ihm in anderen Fällen (§ 319 Abs. 1 BGB) zustehenden Maßstabs des billigem Ermessen vornähme.523 Doch wollen die Parteien gerade einen anderen Maßstab. Zweitens lässt der weite Entscheidungsmaßstab des freien Beliebens vermuten, dass die Parteien besonders hohes Vertrauen in die Person des Dritten setzen, wenn sie sogar eine subjektiv gefärbte Leistungsbestimmung hinzunehmen gewillt sind. Dann wird der mutmaßliche Parteiwille in der Regel dahin gehen, dass gerade dieser Dritte und niemand sonst ihren Willen ergänzen soll.524 519 BGH v. 21.12.1977 NJW 1978, 631; Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 20; Staudinger/­Rieble, § 319 Rn. 19. 520 Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 23; R. Zimmermann, Obligations, S. 255 Fn. 128; Enneccerus/Lehmann, S. 29; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 (§ 6 II b); Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706. 521  Damit wird die Unmöglichkeit einer richterlichen Ersatzbestimmung vor allem begründet, siehe etwa ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 (§ 6 II b); W. Witz, S. 253; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK‑BGB, § 319 Rn. 20. 522  Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706. 523  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 294 (§ 12 III 3 b). 524  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 626; W. Witz, S. 253; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143;

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Dieser Grund war insbesondere für den BGB-Gesetzgeber ausschlaggebend.525 Parteien, die einerseits besonders großes Vertrauen in einen bestimmten Dritten setzen wollen, andererseits aber auch ihren Vertrag retten möchten, sind somit gut beraten, Vorkehrungen zu treffen für den Fall, dass die Drittbestimmung ausfällt.526 Jedoch gelten beide Gründe nur im Regelfall. Die Auslegung des Vertrages kann durchaus ergeben, dass trotz des Entscheidungsmaßstabs des freien Beliebens die Parteien eine richterliche Ersatzbestimmung nach billigem Ermessen wollten.527 Die Unausführbarkeit des Vertrages bei Ausbleiben der Bestimmung beruht deshalb nicht so sehr auf dem Entscheidungsmaßstab des freien Beliebens als vielmehr auf dem dahinter stehenden Sachgrund, dass die Parteien besonders großes Vertrauen in einen bestimmten Dritten gesetzt haben und nur die Entscheidung dieses Dritten für maßgeblich erachteteten – und zwar unabhängig vom Entscheidungsmaßstab des Dritten. Hierin dürfte aber ein verallgemeinerungsfähiger Gedanke liegen, der auch anderen Rechtsordnungen geläufig ist: Wenn es den Parteien auf die Entscheidung genau jenes Dritten ankam und sie besonderes Vertrauen in dessen Person gesetzt haben, wäre eine richterliche Ersetzung unpassend; sorgen die Parteien nicht privatautonom für Abhilfe, muss der Vertrag scheitern.528 Zweifelhaft ist, ob diese Grundsätze auch die Ansicht tragen, dass die Weigerung des Dritten bei § 2048 S. 2 BGB generell zur Unwirksamkeit der AnH. Eckert, S. 12. Aus dem 19. Jahrhundert z.B. Weismann, AcP 72 (1888), 269, 327; Sintenis, Civilrecht II, S. 36 (§ 83). 525  Ein dritter Grund, der in diesem Zusammenhang diskutiert wird, ist rein formaler Natur: Beruht die Unwirksamkeit darauf, dass die Wirksamkeit eines Vertrages, in dem ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben vereinbart wird, um die Vornahme der Bestimmung bedingt ist (so nach dem Vorbild von C. 4,38,15 und Inst. III,23,1 z.B.: Dernburg, Pandekten II, S. 43 [§ 15]; Baron, S. 357 [§ 208]; Weismann, AcP 72 [1888], 269, 327; Brinz, Pandekten II/1, S. 706 [§ 325a]; Wächter, S. 461 [§ 204 Beilage I]; nach Inkraftttreten des BGB noch Palandt/ Grüneberg, § 319 Rn. 9; Dernburg, Bürgerliches Recht II/1, S. 225 [§ 87]; Enneccerus/Lehmann, S. 28 f.; H. Eckert, S. 12)? Dies wird heute häufig verneint, wenn nicht der Dritte über die Wirksamkeit des Geschäfts insgesamt entscheiden sollte, z.B. Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 28; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 294 (§ 12 III 3 b); ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b); W. Witz, S. 179; Arens, S. 36. Der Gesetzgeber hatte diese Frage ausdrücklich der Wissenschaft überlassen, Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 433 (für die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen lehnte er die Annahme einer Bedingung jedoch explizit ab, Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 626). Der Streit bleibt auch nahezu ohne praktische Auswirkungen (so auch Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 23), er kann hier auf sich beruhen. 526 Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13; Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 28 mit dem weiteren Vorschlag, den unwilligen Dritten durch eine andere Person auszuwechseln. 527  So auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 29; Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 28; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 24; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13. Siehe auch noch unten § 14 C.II.1.c) (S. 675 f.). 528  Lando/Beale, S. 312; v. Bar/Clive, S. 602; Tallon, S. 98, 100; Gillatt v. Sky Television Ltd, [2000] 1 All ER (Comm.) 461 (CA); Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 479B (per Lord Diplock).

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ordnung führen und stattdessen die üblichen Teilungsregeln Anwendung finden.529 Eher sollte auch hier im Grundsatz von einem Erblasserwillen ausgegangen werden, der der Regel des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB entspricht.530 Mit der Einschaltung eines Dritten hat der Erblasser gerade dokumentiert, dass er die störende Anwendung der gesetzlichen Teilungsregeln531 vermeiden wollte. Nur dann, wenn spezielle Anzeichen für ein besonderes Vertrauen bestehen, muss es bei der Unwirksamkeit verbleiben. Da § 2048 S. 2 BGB den Dritten auf den Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens festlegt, können sich diese Anzeichen nicht aus der Einräumung einer Entscheidung nach freiem Belieben ergeben.

b) Feststellende Schiedsgutachten? Des Weiteren fragt es sich, ob die Unwirksamkeit – nicht des gesamten Vertrages, sondern nur der Schiedsgutachtenvereinbarung – nicht auch stets im Fall eines feststellenden Schiedsgutachtens sachgerecht ist. Darauf läuft die Ansicht Gerhard Wagners hinaus, der § 319 Abs. 1 S. 2 BGB in diesem Bereich „mit der Maßgabe“ anwendet, „daß der Anspruch ohne vorherige Durchführung des Sachverständigenverfahrens gerichtlich geltend gemacht werden kann“, wenn die Voraussetzungen des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen.532 In diesen Fällen erledige sich der „in der Schiedsgutachtenvereinbarung enthaltene antizipierte Feststellungsvertrag“. Der Anspruch könne nunmehr gerichtlich geltend gemacht werden; seine Voraussetzungen seien nach den üblichen Beweisregeln der ZPO festzustellen. Der Unterschied dieser Ansicht zum Mechanismus des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ist fein, aber nicht unwichtig. Denn § 319 Abs. 1 S. 2 BGB, analog auf das feststellende Schiedsgutachten angewendet, würde es den Parteien auch erlauben, die streitige Tatsache isoliert, d.h. unabhängig von der Geltendmachung des Anspruchs, dessen Voraussetzung sie ist, gerichtlich feststellen zu lassen. Wenn das Gericht an die Stelle des Schiedsgutachters tritt, so kann es zudem von demselben Entscheidungsspielraum Gebrauch machen.533 Das Gericht bildet sich über die Tatsache eine eigene Überzeugung534 und schafft auf diese Weise eine Re529 Dafür

Kipp/Coing, S. 642 (§ 118 V 2); Kretzschmar, SächsArch 3 (1908), 153, 155. Dafür Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 20; RGRK/Kregel, § 2048 Rn. 9; Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 16; Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12; Bamberger/Roth/Lohmann, § 2048 Rn. 9; Ann, S. 293; Ruby, ZEV 2007, 18, 22. 531  Siehe oben § 4 B.I.4.c) (S. 175). 532  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 667; ebenso Greger/Stubbe, Rn. 137; B. Rauscher, S. 108; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 8 (jedoch nur, wenn nicht analog § 1039 ZPO ein Ersatzgutachter gefunden werden kann); Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 26 (anders aber § 319 Rn. 25); Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 28. 533 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 27. 534 BGH v. 7.10.1983 WM 1984, 64. Beispiele aus jüngerer Zeit: OLG München v. 530 

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gelung, die den Feststellungsvertrag der Parteien ersetzt.535 Dass auch der Gesetzgeber diesen Unterschied durchaus für beachtlich hielt, zeigt § 84 Abs. 1 S. 3 VVG: Danach erfolgt die Feststellung der Sachverständigen im Versicherungsrecht durch gerichtliche Entscheidung, wenn diese die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern. Es besteht folglich kein Anlass, § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auch auf Feststellungsentscheidungen anzuwenden.

c) Generelle Unwirksamkeit: Der Ansatz des französischen Rechts Dürfte die Unwirksamkeit des Vertrags dann, wenn die Parteien besonderes Vertrauen in den Dritten gesetzt haben, einen allgemeinen Konsens darstellen, gehen die Ansichten in den verbleibenden Fällen international auseinander. Der Lösung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber steht ein historisch älterer Ansatz, der den Vertrag stets der Unwirksamkeit anheim gibt, falls die Parteien keine Vorsorge getroffen haben. Für diesen Ansatz steht heute noch der zweite Halbsatz des Art. 1592 Code civil: „[S]i le tiers ne veut ou ne peut faire l’estimation, il n’y a point de vente.“

Diese systematisch bei der Bestimmung des Kaufpreises angesiedelte Vorschrift lässt sich über Pothier gedanklich bis in das römische Recht zurückverfolgen.536 Pothier rekurrierte dabei auf das Vertrauen, das die Parteien dem von ihnen ausgewählten Dritten entgegengebracht haben und das nicht auch gegenüber einem beliebigen Ersatzmann bestehe.537 Dieser historisch wichtige Gedanke liefert jedoch heute keine Begründung mehr in der vermutlich überwiegenden538 Zahl von Fällen, in denen es den Parteien weniger auf die Person des Dritten als auf seine Sachkunde ankommt und sie deshalb den Dritten nicht einmal selbst auswählen, sondern seine Auswahl einer externen Stelle, etwa einer Organisation von Sachverständigen, überlassen. Es ist deshalb bemerkenswert, dass gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts Art. 1592 Code civil teilweise teleologisch re3.12.2009 – 23 U 3904/07 (juris); OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris); OLG Rostock v. 26.5.2004 OLGR 2006, 2.; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 28. 535 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 27. Zum Ganzen siehe noch unten § 14 C.II.3.b) (S. 693 ff.). 536  Pothier, Vente, Nr. 24. Siehe auch die – für heutige französische Urteile ungewöhnliche – Bezugnahme auf die Übereinstimmung von Art. 1592 Code civil mit den „anciens principes“ in CA Pau 30.11.1859 D.P. 1860,2,36. Pothier berichtet, dass die Regel auch im droit coutumier angewendet wurde: So habe das Parlement von Bordeaux die Klage eines Verkäufers abgewiesen, mit der dieser den Käufer zur gemeinsamen Bestellung eines neuen Dritten verpflichten wollte. 537  Pothier, Vente, Nr. 24. 538  Carbonnier, RTD civ. 1952, 515. Für diese Vermutung spricht auch die Rechtfertigung, die dafür angegeben wird, dass statt der Bestimmtheit die Bestimmbarkeit des Kaufpreises ausreiche: Die Parteien müssten auf Umstände Rücksicht nehmen können, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch ungewiss sind, Antonmattei/Raynard, Nr. 127. Es kommt den Parteien folglich mehr auf den Mechanismus der Bestimmung als auf die Person des Dritten an.

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duziert wurde: Die darin für den Fall der Weigerung des Dritten angeordnete Nichtigkeitsfolge passe nur dann, wenn die Begutachtung der Kaufsache ganz besondere Kenntnisse erfordere und nicht von jedem anderen Sachkundigen vorgenommen werden könne oder wenn der Dritte als Vertrauensperson der Parteien erscheine, die sich ausschließlich der Entscheidung dieser Person unterwerfen wollten.539 Diese aus heutiger Sicht sehr moderne Differenzierung war bald überholt, und eine gerichtliche Intervention wurde auch dann abgelehnt, wenn die Person des Dritten gleichgültig war und seine Tätigkeit keine besonderen Kenntnisse erforderte.540 Hinzu tritt deshalb ein weiterer Gesichtspunkt: Da der Kaufpreis von den Parteien bestimmt werden müsse, sei insbesondere eine gerichtliche Intervention zu dessen Bestimmung ausgeschlossen.541 Die Preisbestimmung stelle traditionell eine Aufgabe der Parteien und nicht des Richters („office du juge“)542 dar.543 Die Urteile selbst lassen wenig Zweifel daran, dass die Festlegung des Preises auf die Parteien zurückgehen muss.544 Der Unwirksamkeit entkommen können die Parteien nur, indem sie 539 

CA Paris 18.11.1831 S. 1832,2,133. bereits CA Pau 30.11.1859 D.P. 1860,2,36 (allerdings könne im dem konkreten Fall schon deswegen, weil die Parteien die beiden Sachverständigen namentlich benannt haben, keine Gleichgültigkeit angenommen werden); anders versteht diese Entscheidung W. Witz, S. 255 (gerichtliche Ersatzbenennung, falls kein besonderes Vertrauen), der aber das Problem mit der Möglichkeit der Delegation an eine juristische Person vermengt. 541  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 69, 77; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 39 („c’est la stricte application du principe qu’il n’y a pas de vente sans prix fixé“); Flour/Aubert/Savaux, Nr. 236; kritisch Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54 (weigere sich eine Partei, an der Benennung des Dritten mitzuwirken, so würde ihr die Unwirksamkeit des Vertrags ein Einfallstor bieten, sich von einem unerwünschten Geschäft loszusagen). 542 Der office du juge ist ein Argumentationstopos, den das französische Recht in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen bemüht, um die Abgrenzung der richterlichen Befugnisse von den Befugnissen der Parteien vorzunehmen. Bezeichnend ist etwa die Äußerung von Simler, Avant-projet, S. 113 im Zusammenhang mit der – von französischen Gerichten traditionell verneinten – Frage, ob der Richter eine Vertragsanpassung anordnen darf: Der Richter sei Vermittler zwischen den Parteien, trete aber nicht selbst als Rechtsgestalter auf. Bemüht wird der Topos auch bei der Verurteilung zu einer unverhältnismäßigen Naturalerfüllung, siehe Bernheim-Desvaux, JCP 2005,II,10152. Freilich kommt der bloßen Feststellung, dem Richter fehle die Kompetenz zu einer bestimmten Maßnahme, weil diese nicht dem office du juge entspreche, kein eigener Begründungswert zu, solange kein Grund für die damit getroffene Bestimmung des office du juge angegeben wird. 543  Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 205. 544 Ebenso Ghestin, Formation, Nr. 696; G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 43. Speziell zum Scheitern der Drittbestimmung siehe die oben Fn. 503 ff. zitierten Entscheidungen sowie Cass. civ. 25.4.1952 Bull. civ. I, Nr. 138; CA Bordeaux 6.2.1878 D.P. 1879,2,38; CA Pau 30.11.1859 D.P. 1860,2,36. Allgemein und meist gestützt auf Art. 1591 Code civil: Cass. civ. 1re 28.11.2000 CCC 2001, comm. 40; Cass. civ. 1re 19.1.1999 Bull. civ. I, Nr. 25; Cass. civ. 1re 16.7.1998 Bull. civ. I, Nr. 265; Cass. civ. 1re 24.2.1998 Bull. civ. I, Nr. 81; Cass. civ. 1re 16.5.1984 Bull. civ. I, Nr. 164 (wenn sich die Parteien nicht auf den Mechanismus nach Art. 1592 Code civil verständigen, kann nicht das Gericht eine Preisbestimmung mit Hilfe eines Dritten vornehmen); Cass. com. 29.6.1981 540  Ausdrücklich

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für den Fall des Ausbleibens der Entscheidung des Dritten das Gericht ermächtigen, einen neuen Dritten zu benennen. Doch ohne entsprechende Ermächtigung können die Gerichte nicht einmal einen anderen Dritten benennen oder wenigstens den Parteien aufgeben, sich einen neuen Dritten zu suchen.545 Selbst eine Ermächtigung des Gerichts zur Ersatzbenennung, die nicht auf den speziellen, tatsächlich eingetretenen Fall des Scheiterns zugeschnitten ist, hilft den Parteien nicht weiter.546 Allenfalls kann das Ausbleiben der Drittbestimmung die Haftung des Dritten begründen, wenn er damit eine Pflicht im Verhältnis zu den Parteien verletzt hat.547 Den Parteien wird daher sogar empfohlen, eine richterliche Kompetenz zur Benennung eines anderen Dritten zu vereinbaren.548 Es wundert insgesamt nicht, dass dieser Aspekt des Art. 1592 Code civil als sein Hauptnachteil bezeichnet wird.549 Besonders schmerzlich trete diese Schwäche des Art. 1592 Code civil im Vergleich zum Schiedsverfahrensrecht mit seinen vielfältigen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen hervor.550 Vordergründig beruht diese restriktive Haltung auf einem positivistischen Ansatz, nämlich dem Verweis auf die entsprechenden Bestimmungen im Code civil, die zum Kaufvertragsschluss einen bestimmten oder bestimmbaren Preis erfordern.551 Im Hintergrund scheint allerdings ein grundsätzlicher Gedanke auf, nämlich der hier thematisierte Gedanke der Aufgabenverteilung: Die Befugnis der Parteien, ihre Freiheit zum Vertragsschluss, stellt zugleich ihre Aufgabe dar, deren Wahrnehmung ihnen nicht der Staat mit seinen Gerichten abnimmt.552 Das traditionelle Vertragsverständnis überantwortet die Festlegung Bull. civ. IV, Nr. 298 (gestützt auf Art. 1129 Code civil); Cass. civ. 1re 18.7.1979 Bull. civ. I, Nr. 220; Cass. civ. 3e 4.1.1973 Bull. civ. III, Nr. 21. 545  Siehe Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334; Cass. civ. 1re 24.11.1965 Bull. civ. I, Nr. 651; CA Paris 1.3.1951 D. 1951, 315, 316; CA Dijon 15.2.1893 S. 1894,2,144; CA Dijon 15.12.1881 S. 1882,2,238; Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 469; Ch. Gaury, JCP 1966,II,14602; Serinet, RDC 2009, 657, 661, die die Möglichkeit einer derartigen Einschaltung des Gerichts auf die Vertragsfreiheit der Parteien zurückführt. 546  CA Pau 30.11.1859 D.P. 1860,2,36: Laut Vertrag sollte ein Gericht einen Obmann benennen, wenn sich die beiden gemäß Art. 1592 Code civil von den Parteien eingesetzten Schiedsgutachter nicht einigen können. Einer der beiden verweigerte die Mitwirkung. Das Gericht hielt den Vertrag daraufhin für unwirksam, da das Scheitern der Kaufpreisbestimmung einen anderen als den im Vertrag vorgesehen Grund hatte. – Siehe auch CA Bordeaux 6.2.1878 D.P. 1879,2,38: Art. 1592 Code civil ist als Ausnahmevorschrift „dans les limites les plus étroites“ auszulegen. 547  Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 534 (§ 255). 548  Z.B. von Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 469 Fn. 50; Serinet, RDC 2009, 657, 661 f. 549  Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255) („son principal inconvénient“); Cohen, Nr. 345 („la singulière faiblesse“). 550  Cohen, Nr. 345. 551  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 470 f. mit Fn. 57. Dieser positivistische Ansatz scheint vor allem in der Argumentation der älteren oben Fn. 544 zitierten Entscheidungen durch. 552  Siehe etwa die Formulierung in Cass. civ. 25.4.1952 Bull. civ. I, Nr. 138: „là où la loi n’a voulu que l’action libre et exclusive des parties“; dieselbe Formulierung findet sich bereits in CA Rennes 26.1.1876 D.P. 1877,2,107, wo eine richterliche Benennung eines Dritten als

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des Vertragsinhalts allein dem freien und gleichen Willen der Parteien und lehnt deshalb jede richterliche Vertragshilfe ab.553 Die Aufgabe der Gerichte beschränkt sich auf die Vertragsauslegung. Haben die Parteien objektive Faktoren zur Preisermittlung vereinbart, so darf der Richter daraus den Kaufpreis berechnen.554 Hingegen darf er keine vertragsexternen Faktoren zugrunde legen.555 Helfend eingreifen können und sollen die Gerichte erst, wenn sie von den Parteien zu ihrer Hilfstätigkeit gesondert ermächtigt wurden und ihre Beteiligung sich somit wiederum auf den Parteiwillen zurückführen lässt. Diese Deutung wird durch Art. 1843-4 Code civil nicht etwa weniger plausibel, sondern vielmehr bestätigt. Auffällig ist, dass nach Art. 1843-4 Code civil weder die Weigerung oder Verhinderung des Dritten noch die verweigerte Mitwirkung der Gegenseite die Wertfestsetzung verhindern können, da notfalls das Gericht kraft gesetzlicher Ermächtigung einen neuen Dritten berufen kann.556 Diese Möglichkeit der gerichtlichen Ersatzbenennung garantiert den Erfolg des Mechanismus.557 Damit schafft diese, wesentlich jüngere, Norm ein Verfahren, dessen Grundannahme auf den ersten Blick in direktem Gegensatz zu der überkommenen Sichtweise des Art. 1592 Code civil zu stehen scheint und vielleicht sogar zu einem Überdenken dieser Sichtweise einladen sollte. Bei näherer Betrachtung jedoch löst sich dieser Gegensatz auf. Die Konstellationen, in denen Art. 1843-4 Code civil eingreift, unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von der Situation des Art. 1592 Code civil. Während nämlich die Kompetenz des Dritten nach Art. 1592 Code civil auf der freiwilligen Unterwerfung der Kaufvertragsparteien beruht, enthält Art. 1843-4 Code civil ein zwingendes, gesetzlich oktroyiertes Verfahren für bestimmte Fälle der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, in denen das Drittbestimmungsverfahren vor allem dem Schutz vor Übervorteilung dient.558 Das bedeutet, dass die Wertfestsetzung bei „contraire à l’économie générale de la loi“ bezeichnet wird; ferner CA Pau 30.11.1859 D.P. 1860,2,36: die gerichtliche Benennung eines Ersatzgutachters „serait manifestement contraire au texte et à l’esprit de la loi“. Zu den vielfältigen Funktionen, die die Preisbestimmung durch die Parteien erfüllt (Vertragstypbestimmung, Wirksamkeitsvoraussetzung, cause der Verkäuferpflichten) und die deshalb in ihrer Freiheit liege, siehe Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 135. 553  Rochfeld, S. 432; Jamin, D. 2002, 901 ff. 554  Cass. com. 24.3.1965 RTD civ. 1965, 821; Cass. req. 7.1.1925 D.H. 1925, 57; Planiol/ Ripert/Esmein, Bd. VI, Nr. 220. 555  Cass. civ. 1re 28.11.2000 CCC 2001, comm. 40. 556 Plastisch Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 468: „le processus de l’article 1843‑4 conduira inéluctablement à la détermination de la valeur des droits sociaux puis à leur cession ou leur rachat“. 557  Folglich können auch für die Perfektion des Vertragsschlusses unterschiedliche Zeitpunkte angenommen werden: Bei Art. 1592 Code civil kommt der Vertrag erst mit der Bestimmung zustande, während er im Fall des Art. 1843-4 Code civil schon mit der Delegation perfekt ist, Desaché, JCP E 2013, 1520. 558  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 457; siehe bereits oben § 2 B.II.3.a) (S. 59 ff.).

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Art. 1843-4 Code civil gerade nicht als ausschließliche und ureigene Aufgabe der Parteien angesehen werden kann. Ein noch weitergehendes Eingreifen der Gerichte mittels einer gerichtlichen Feststellung des Anteilswerts kommt jedoch auch nach dieser Norm nicht in Betracht.559 Freilich befindet sich das französische Vertragsrecht derzeit in Bewegung.560 Generell wird beobachtet, dass sich das Vertragsverständnis unter dem Eindruck einer Art „Materialisierung“ zu einer „conception sociale du contrat“, die mit deutlich gesteigerten richterlichen Einwirkungsmöglichkeiten einhergeht, wandelt.561 Gerade die Aufgabenverteilung zwischen den Vertragsparteien und den Gerichten wird in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen auf den Prüfstand gestellt.562 Zudem üben sich die französischen Gerichte bei anderen Vertragstypen weit weniger in Zurückhaltung, wenn es um die Bestimmung oder Anpassung eines von den Parteien offen gelassenen Preises geht.563 Und zuletzt werden der Praxis Schwierigkeiten im Umgang mit der rigiden Linie der Rechtsprechung attestiert.564 Deshalb erwarten Teile des Schrifttums, dass die Rechtsprechung ihre Zurückhaltung in Zukunft aufgeben könnte.565 Ein Schritt in diese Richtung würde auch dem generellen Prinzip des favor contractus entsprechen.566

559  Cass. civ. 1re 20.12.2007 Bull. civ. I, Nr. 398 (Aufhebung eines Urteils, in der die Cour d’Appel ohne vorherige Anrufung eines Dritten einen Anteilswert festgesetzt und den Beklagten zur Übertragung von Anteilen zu diesem Wert verurteilt hat). 560  Siehe den Überblick bei Vogenauer, S. 17 ff.; Mazeaud, FS Larroumet, S. 329 ff. 561  Rochfeld, S. 442 ff., 479 ff. 562  Siehe den Überblick bei Rochfeld, S. 442 ff., 479 ff., die eine deutlich stärkere Rolle des Richters konstatiert; Mazeaud, FS Larroumet, S. 336 ff.; speziell zur Parteileistungsbestimmung Aubert de Vincelles, D. 2006, 2629 ff. 563  Überblick bei Ghestin, Formation, Nr. 694, 698 ff.; Planiol/Ripert/Esmein, Bd. VI, Nr. 220. Speziell zum contrat d’entreprise Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 734 („Il y a là un bon exemple d’intervention judiciaire dans le contrat, souvent méconnu, mais qui mérite d’être approuvé.“) m.w.N.; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 291. Ergänzend ließe sich auch auf die richterliche Ersetzung eines weggefallenen Index durch einen anderen Index hinweisen, dazu Cass. civ. 3e 12.1.2005 Bull. civ. III, Nr. 4, wo diese Ersetzung als Auslegung des gemeinsamen Parteiwillens verstanden wird (dazu Mazeaud, RDC 2005, 1018 ff.); sowie bereits früher Carbonnier, JCP 1947,II,3413 m.w.N. Dazu auch Tallon, S. 82 ff. 564  Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 142; Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 470 („inconvénients, … notamment, lorsque des droits ont été consentis entre-temps au bénéfice de tiers“). 565  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54 (mit dem Hinweis auf die bonne foi des Art. 1134 Abs. 3 Code civil, die es einer Partei verbieten könne, die Unwirksamkeit eines Vertrages mit dem Scheitern eines Mechanismus zu begründen, dem sie selbst zugestimmt habe); Malaurie/ Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 205 (mit dem Hinweis, dass die französische Linie „contraire aux droits des grands pays commerçants“ liege); Cornu, RTD civ. 1966, 310, 311. Skeptisch Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 471 Fn. 57. 566  Antonmattei/Raynard, Nr. 127.

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Für das geltende Recht wird die in Art. 1592 Code civil vorgezeichnete Aufgabenverteilung indes mitgetragen, zumal die Rechtsprechung ihre weniger strenge Haltung zur Bestimmtheit des Preises angesichts der speziellen Regelungen in den Art. 1591, 1592 Code civil gerade nicht auf Kaufverträge zu erstrecken scheint.567 Kritisiert wird zum Teil lediglich, dass die gerichtliche Benennung eines neuen Dritten auf der Grundlage eines vermuteten Parteiwillens zulässig sein müsse, wenn die Gerichte überhaupt akzeptierten, dass die Parteien sie darum ersuchten.568

2. Zwischenlösung: Gerichtliche Benennung eines neuen Dritten Auch wenn die zuletzt genannte Kritik bislang nur eine Forderung einzelner Autoren darstellt, lohnt es sich, für einen Moment diesen Gedanken aufzugreifen. Denn sie führt zu einer Regel, wie sie die Verfasser von Art. 6:106(1) PECL und ihnen folgend die Urheber von Art. II.‑9:106(1) DCFR vorschlagen. Diese Bestimmungen lauten: Art. 6:106(1) PECL: „Where the price or any other contractual term is to be determined by a third person, and it cannot or will not do so, the parties are presumed to have empowered the court to appoint another person to determine it.“569 Art. II.‑9:106(1) DCFR: „Where a third person is to determine the price or any other contractual term and cannot or will not do so, a court may, unless this is inconsistent with the terms of the contract, appoint another person to determine it.“570 567  Siehe als Beispiel Cass. com. 14.12.1999 Bull. civ. IV, Nr. 234 (Unternehmenskaufvertrag mit Preisanpassungsmechanismus, der eine einverständliche Unternehmensbewertung erforderlich macht, ohne Vorkehrungen für den Fall einer Meinungsverschiedenheit zu treffen, ist unwirksam); Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 291; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 203. – Die Entscheidungen, mit denen die Cour de cassation ihren Richtungswechsel eingeleitet hatte, hatten gerade einen Vorbehalt hinsichtlich „dispositions légales particulières“ enthalten, Cass. ass. plén. 1.12.1995 Bull. civ. A.P., Nr. 7 (arrêts 1 und 2). 568  Ghestin, Formation, Nr. 696; Carbonnier, RTD civ. 1952, 515. 569  Übersetzung bei v. Bar/R. Zimmermann, S. 53: „Wenn der Preis oder irgendeine andere Vertragsbedingung durch einen Dritten zu bestimmen ist und dieser die Bestimmung nicht treffen kann oder will, gilt das Gericht als von den Vertragsparteien ermächtigt, eine andere Person zu bestellen, um die Bestimmung vorzunehmen.“ 570 Die rechtsvergleichenden notes der PECL und des DCFR (Lando/Beale, S. 312; v. Bar/Clive, S. 603) sehen Vorbilder für diese Regel in Belgien und den Niederlanden. Übersehen wird dabei aber, dass der niederländische Gesetzgeber das Problem jedenfalls im neuen Burgerlijk Wetboek anders löst: Nach Art. 7:904(2) BW kann der Richter eine Entscheidung treffen, wenn die Entscheidung eines Dritten nicht innerhalb einer diesem gesetzten angemessenen Frist ergeht, es sei denn, dass sich aus dem Vertrag oder der Art der Entscheidung ergibt, dass sie auf andere Weise ersetzt werden muss. Nach Art. 7:906(2) BW findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung, wenn dem Dritten die Befugnis gegeben wurde, den Inhalt eines Rechtsverhältnisses zu ergänzen oder zu ändern. Dazu Asser/Hartkamp/Sieburgh, Bd. 6‑III*, Nr. 431, 435.

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In der Sache soll die Ersatzbenennung ausweislich des Kommentars den Vertrag „retten“.571 Diese Lösung soll verhindern, dass sich eine Partei aus dem Vertrag stiehlt, den sie inzwischen als nachteilig ansieht.572

3. Gerichtliches Ersatzgutachten Noch weitergehende Befugnisse verleiht, wie gesehen, § 319 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn auf ihn ein gerichtliches „Ersatzgutachten“573 gestützt werden kann, in dem das Gericht nicht lediglich einen neuen Dritten benennt, sondern stattdessen selbst dessen Aufgabe wahrnimmt.574 Für diese Lösung hat sich im Laufe der Beratungen des BGB jedoch erst spät die Zweite Kommission entschieden. In England fand diese Entwicklung sogar noch später statt. Beide Entwicklungen sollen hier zunächst dargestellt werden, um auf diese Weise die Gründe für die weitreichende gerichtliche Befugnis zu erkennen.

a) Die Entstehung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Nach dem Vorentwurf des Redaktors Franz Philipp von Kübel sollte der Vertrag nichtig sein, wenn der Dritte die Bestimmung nicht vornehmen könne oder wolle. Dieser gebe seine Bestimmung „gewissermaßen in die Seele der Kontrahenten“575 ab und tue damit etwas, wozu eigentlich die Parteien aufgerufen wären. Legen weder die Parteien noch der Dritte erfolgreich den fehlenden Vertragsbestandteil fest, müsse der Vertrag nichtig sein.576 Diese Lösung entsprach – mit Ausnahme des Bayerischen Entwurfs – den partikularrechtlichen Kodifikationen und den Entwürfen des 19. Jahrhunderts.577 Die darin enthaltenen Regeln beruhten auf der Annahme, dass der Vertrag mit Ausbleiben der Bestimmung der Leistung endgültig unbestimmt sei.578 Zudem entspreche es, so etwa die Überlegungen zum Dresdener Entwurf, dem mutmaßlichen Willen der Parteien, dass der von ihnen ausgewählte Dritte und nicht der Richter den Vertrag vervollständige.579 Nur der Bayerische Entwurf580 ließ ausnahmsweise 571  Lando/Beale, S. 312; v. Bar/Clive, S. 602. Die Verfasser des DCFR haben die Comments in diesem Punkt überarbeitet und betonen noch stärker den damit verbundenen favor contractus: „The preferred general policy is, however, to save contracts whenever this is likely to be in accordance with the wishes of the parties.“ 572  Lando/Beale, S. 312; übereinstimmend v. Bar/Clive, S. 602. 573 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 27. 574  Eine vergleichbare Regel besteht in § 84 Abs. 1 S. 3 VVG, der jedoch einschränkend ausgelegt wird, dazu oben § 4 D.I.2.a) (S. 233). 575  v. Kübel, Bd. II/1, S. 269. 576  v. Kübel, Bd. II/1, S. 269. 577  ALR I 11, § 51 (zur Kaufpreisbestimmung); § 804 S. 1 sächs. BGB; Art. 37 DresdE; BayE II, Art. 30 Abs. 2; HessE IV 1, Art. 59. 578  Motive HessE, S. 42; Motive BayE, S. 63; Siebenhaar, Bd. II, S. 93. 579  Prot-DresdE, Bd. I, S. 130. 580  BayE II, Art. 30 Abs. 4.

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den Richter an die Stelle des Dritten treten, wenn die Aufgabe des Dritten darin bestanden hatte, die Gegenleistung in Geld für eine bereits erbrachte Leistung zu bestimmen. Dass in diesem Fall das Ausbleiben der Bestimmung nicht zum Nachteil des Vorleistenden, dessen Leistung möglicherweise wertlos geworden oder schwer rückabzuwickeln sei, gehen dürfe, stelle ein „Postulat der Gerechtigkeit“ dar.581 Die Verfasser des Dresdener Entwurfs freilich sahen auch in diesem Fall keinen Anlass zur „Abweichung von der strengen juristischen Consequenz“, da der Vorleistende aufgrund seiner Unvorsichtigkeit keinen Schutz verdiene und die Ungewissheit, ob er eine gerichtlich festgesetzte Gegenleistung fordern oder seine Leistung zurückverlangen werde, die Gegenseite ungerechtfertigt belaste.582 Die Unwirksamkeitslösung war im Schrifttum zwar nicht unangefochten,583 aber doch herrschend.584 Der Entwurf von Kübels stand folglich in einer gefestigten Tradition. Einen Widerspruch zu dieser Tradition wollte auch die Erste Kommission vermeiden.585 Sie folgte mit ihrem § 355 E I dem Vorentwurf und nicht etwa einem Antrag Gottlieb Plancks, der es im Zweifel als Willen der Parteien ansehen wollte, den Richter nach billigem Ermessen entscheiden zu lassen, falls der Dritte die Entscheidung nicht treffen könne oder wolle oder nicht rechtzeitig vornehme.586 Planck hatte seinen Antrag damit begründet, dass andernfalls viele Verträge, auf deren Bestand die Parteien vertraut hätten, unerwartet hinfällig werden könnten. Demgegenüber beruhte für die Mehrheit die Wahl des Dritten auf besonderem Vertrauen; könne oder wolle er die Bestimmung nicht vornehmen, sei der Vertrag gescheitert.587 Gleichzeitig entschied sich die Kommission indes dafür, einen wegen Unbilligkeit anfechtbaren Spruch durch richterliche Entscheidung zu ersetzen und den Vertrag also aufrecht zu erhalten.588 Den argumentativen Widerspruch zwischen beiden Lösungen erkannten auch die Kommissionsmitglieder, hielten aber einen Gleichlauf nicht für zwingend.589 Erst die Zweite Kommission beseitigte diese Differenzierung, indem sie – bezogen auf Entscheidungen nach billigem Ermessen, bei denen die Person 581  Motive BayE, S. 63 f., auch mit dem Hinweis, dass der Richter die Hilfe eines Sachverständigen einholen könne. 582  Prot-DresdE, Bd. I, S. 131 f. 583  Goldschmidt, 1. Auflage, S. 605, wenn es den Parteien nicht um das Urteil eines ganz bestimmten Dritten gehe. Später auch Weismann, AcP 72 (1888), 269, 327. 584  Mühlenbruch, Pandekten II, S. 371 (§ 391); Seuffert, Pandekten II, S. 68 (§ 258); Keller, Pandekten I, S. 491 (§ 222). 585  Siehe zu diesem Grund Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 433. 586  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 432. 587  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 433. 588  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 434 f. So auch schon der Vorentwurf, der die richterliche Ersetzungskompetenz mit „praktischen Gründen“ und einer „vermuthlichen Absicht der Parteien“ legitimierte, v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. Anders jedoch Art. 39 S. 2 DresdE, wonach die unbillige Leistungsbestimmung zur Unwirksamkeit des Vertrags führte. 589  Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 435.

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des Dritten im Zweifel von untergeordneter Bedeutung sei – die richterliche Ergänzung des Vertrags der Unwirksamkeitsfolge vorzog.590 Die Zweite Kommission führte aus:591 Andernfalls müsse auch im Fall einer offenbar unbilligen Bestimmung der Vertrag unwirksam sein, was aber ausdrücklich abgelehnt wurde. Im Falle einer Bestimmung nach billigem Ermessen könne die „regelmäßige Art der Entscheidung von Streitfragen dh. die Entscheidung des Gerichts an die Stelle treten“. Dies entspreche in der Regel dem Parteiwillen und sei auch konsequent im Hinblick auf die Festlegung, dass eine unbillige Entscheidung vom Gericht korrigiert werden könne. Auch die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht könne bei näherer Betrachtung nicht als Argument zugunsten der Entwurfsfassung ins Feld geführt werden: Das Gemeine Recht stütze sich nämlich auf eine Kodexstelle, die gar nicht den zu regelnden Fall betreffe, sondern gerade die Entscheidung nach freiem Belieben.592

b) Die Entwicklung im englischen Recht aa) Die traditionelle Lösung: Unwirksamkeit des Vertrags Grundsätzlich zulässig ist eine richterliche Ersetzung auch im englischen Recht. Zwar könnte s. 9(1) des Sale of Goods Act 1979593 zu der gegenteiligen Annahme verleiten. Und in der Tat haben früher die Gerichte allgemein angenommen, dass bei einem Scheitern eines von den Parteien ausgehandelten Drittbestimmungsmechanismus die Gerichte grundsätzlich nicht einen eigenen Bestimmungsmechanismus an dessen Stelle setzen und den Parteien damit einen nicht gewollten Vertragsinhalt vorgeben könnten.594 Nach einer sorgfältigen Ana590  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 626. Ersichtlich nahm die Zweite Kommission damit die Kritik von Weismann, Die §§ 355–357 des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs (Leistung nach Ermessen eines Dritten „Arbitrator“), AcP 74 (1889), 422–432 (424 ff., 431) auf. Im Zusammenhang mit der Frage, an welchem Maßstab das Gericht die Entscheidung des Dritten überprüft, wird Weismann ausdrücklich zitiert, Prot., in: Achilles/Gebhard/Spahn, Bd. I, S. 469, insoweit nicht in Mugdan, Bd. II, S. 626. 591  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 626, auch zum Folgenden. 592  Siehe oben § 4 C.I.2.b) (S. 198 ff.) zur umstrittenen Auslegung von C. 4,38,15. 593  „Where there is an agreement to sell goods on the terms that the price is to be fixed by the valuation of a third party, and he cannot or does not make the valuation, the agreement is avoided; but if the goods or any part of them have been delivered to and appropriated by the buyer he must pay a reasonable price for them.“ 594  Siehe etwa Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574 = 14 Ves. 400; Blundell v. Brettargh (1810) 34 Eng. Rep. 90 = 17 Ves. 232 (weil eine Partei zwar nach Abschluss der Vereinbarung, dass Sachverständige die Kaufsache bewerten sollten, aber vor Erstellung des Sachverständigengutachtens verstorben war, verneinte das Gericht einen Vertragsschluss zu Lebzeiten der Beteiligten); Wilks v. Davis (1817) 36 Eng. Rep. 195 = 3 Mer. 507 (mit der Kaufpreisbestimmung betrautes Schiedsgericht hat nie ein Urteil gefällt); Agar v. Macklew (1825) 57 Eng. Rep. 405 = 2 Sim. & St. 418; Darbey v. Whitaker (1857) 62 Eng. Rep. 52 = 4 Drew. 134; Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529; Firth v. Midland Railway Co. (1875) L.R. 20 Eq. 100 (Tod eines von drei zur Ermittlung von Baukosten eingesetzten Sachverständigen); in Collins v.

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lyse dieser Rechtsprechung stellte der Court of Appeal im Jahre 1981 mit Bedauern595 fest: „[T]he parties have succeeded in selecting a classically uncertain formula which the court cannot assist them to operate.“596

Die Regelung des Sale of Goods Act, dessen Vorläufer 1893 verabschiedet wurde und 1894 in Kraft getreten ist, sollte als sogenanntes „codifying statute“ im Wesentlichen die bestehende Rechtsprechung im Bereich des Warenkaufs in Gesetzesform zusammenfassen.597 In den zugrunde liegenden Fällen begehrte in der Regel eine Vertragspartei Naturalerfüllung (specific performance) einer Vereinbarung, deren Inhalt zum Teil von der – gestaltenden oder feststellenden – Bestimmung eines Dritten abhängen sollte.598 Das Gericht musste sich also, bevor es zu den weiteren Voraussetzungen der specific performance gelangte,599 mit Collins (1858) 53 Eng. Rep. 916 = 26 Beav. 306 wurde ergänzt, dass eine gerichtliche Benennung von Sachverständigen in Analogie zu den Vorschriften des Schiedsgerichtsverfahrens nicht in Betracht kommt. Siehe aber Hall v. Warren (1804) 32 Eng. Rep. 738, 740 = 9 Ves. 605, 612 (nachträgliche Geschäftsunfähigkeit einer Vertragspartei stellt kein Hindernis dar, den Leistungsbestimmungsmechanismus durch einen „mode equivalent, and as effectual and fair“ zu ersetzen, wobei das Gericht keine nähere Angaben darüber machen musste, wie es sich einen derartigen Modus vorstellt). 595 Eine „enormous inconvenience“ wurde bereits in Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 536 beklagt. 596  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1981] 3 WLR 361, 377 (per Templeman L.J.). Zur Entscheidung des House of Lords in dieser Sache siehe unten § 4 D.II.3.b)cc) (S. 253 ff.). 597  Siehe nur Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 1‑002; Bridge, Sale of Goods, Rn. 1.08 f.; Atiyah/Adams/MacQueen, S. 3 f.; Chalmers, (1903) 19 LQR 10 ff. Speziell zu s. 9 SGA: Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑049; Bridge, Sale of Goods, Rn. 1.46. Freilich betrafen die vor 1893 zu dem Problem ergangenen Entscheidung nicht nur Warenkäufe, sondern vor allem auch Grundstücksgeschäfte. 598  Es existieren auch vergleichbar gelöste Fällen at common law, in denen es also nicht um Durchsetzung in natura, sondern um Schadensersatz ging, z.B. Thurnell v. Balbirnie (1837) 150 Eng. Rep. 975 = 2 M. & W. 786 (Schadensersatzklage des Verkäufers abgewiesen, nachdem Käufer von Einrichtungsgegenständen die vertraglich vereinbarte Schätzung des Wertes durch einen Sachverständigen verweigert hat); Ess v. Truscott, (1837) 150 Eng. Rep. 806 =  2 M. & W. 385 (Schadensersatzklage des Käufers abgewiesen, da nicht die vertraglich vereinbarte Person die Schätzung vorgenommen hatte, siehe dazu noch unten § 10 A.V.2 [S. 578]). Hierher gehören auch Fälle, in denen das Gericht eine Klage abwies, weil die zur Fälligkeit des Werklohnanspruchs einzuholende Fertigstellungsbescheinigung noch nicht vorlag, siehe Milner v. Field (1850) 155 Eng. Rep. 363 = 5 Exch. 829; Morgan v. Birnie (1833) 131 Eng. Rep. 766 = 9 Bing. 672. 599  Siehe dazu nur Peel, Rn. 21‑016 ff. Allerdings deutet sich in manchen Entscheidungen eine gewisse Überlagerung durch die Probleme der specific performance an, wenn etwa in Tillett v. Charing Cross Bridge Co. (1859) 53 Eng. Rep. 959 = 26 Beav. 419 das Gericht die Durchsetzung eines Vertrages, der unter anderem Dritten die Befugnis gab, die Bebauung der vertragsgegenständlichen Grundstücke näher festzulegen, deshalb verneinte, weil es nicht in der Lage sei, ein derartiges Urteil durchzusetzen; ähnliche Überlegungen in Darbey v. Whitaker (1857) 62 Eng. Rep. 52 = 4 Drew. 134.

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dem Problem befassen, ob sich überhaupt ein durchsetzbarer Vertrag ausmachen lässt, wenn die Drittbestimmung – aus welchem Grund auch immer – ausgeblieben ist.600 Vielfach betrafen diese Fälle die Bestimmung eines Kaufpreises durch Bewertung der Kaufsache; sie sind jedoch mitnichten auf diese später vom Sale of Goods Act aufgegriffene Thematik beschränkt.601 Erster in einer Kette von einschlägigen Entscheidungen ist der Fall Milnes v. Gery aus dem Jahre 1807.602 Darin begehrte der Käufer eines Anwesens, dass das Gericht neue Sachverständige ernennen oder auf andere Weise den Wert des Anwesens feststellen solle, nachdem sich die beiden ursprünglich von den Parteien mit der für den Kaufpreis maßgeblichen Feststellung betrauten Sachverständigen weder auf einen Wert noch auf einen für diesen Fall vorgesehen Obmann einigen konnten.603 In späteren Entscheidungen beruhte das Scheitern des

600  Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Naturalerfüllung einer Pflicht des Vertragspartners, bei dem Leistungsbestimmungsverfahren mitzuwirken, begehrt werden kann, wenn das Ausbleiben der Bestimmung auf ein Verhalten des Vertragspartners zurückgeht. Gegen specific performance spricht hier die Schwierigkeit für das Gericht, seine Anordnung durchzusetzen und deren Befolgung zu überwachen, vgl. J. M. T., (1982) 98 LQR 2. Generell zum Ausschluss der Naturalerfüllung aufgrund des Erfordernisses einer „constant supervision by the courts“ Peel, Rn. 21‑038 ff. Einen anderen Grund gibt Lord Fraser in Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 486D an, indem er die drastischen Sanktionen des contempt of court, die zur Durchsetzung eines auf specific performance gerichteten Titels eingesetzt werden müssten, als „clearly … inappropriate“ bezeichnet; Lord Diplock hingegen scheint einer Durchsetzung der Verpflichtung, einen Sachverständigen zu benennen und seine Arbeit verrichten zu lassen, weniger abgeneigt (S. 479F). Noch ein anderes Argument wählt Templeman L.J. in Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1981] 3 WLR 361, 376: Wenn das Gericht den Vertrag nicht unmittelbar mittels specific performance durchsetzen kann, muss ihm auch eine mittelbare Durchsetzung verwehrt sein, indem es mit Hilfe von „partial specific performance“ auf die Bestimmtheit des Vertrages hinarbeitet. Skeptisch auch die Urteile nach Sudbrook, siehe z.B. Royal Bank of Scotland plc v. Jennings (1998) 75 P. & C.R. 458, 463 f. (CA). Siehe aber unten Fn. 618 zu Smith v. Peters sowie Morse v. Merest (1821) 56 Eng. Rep. 999 = 6 Madd. 26 (injunction gegen eine Vertragspartei, die die Sachverständigen gehindert hat, das zu bewertende verkaufte Anwesen zu betreten). Beide Fälle lassen sich nur schwer mit der generellen Linie der Gerichte in Einklang bringen; anders Borowsky, S. 89, der gerade in diesen beiden Fällen eine allgemeine Regel erkennt. Einige Autoren betrachten die Verurteilung, an dem Verfahren mitzuwirken, als unproblematisch und gegenüber einer gerichtlichen Ersetzung der Bestimmung weniger einschneidend, Hodkinson, [1983] Conv. 76, 77; Harpum/Jones, (1982) 41 CLJ 233, 236. Ein Anspruch gegen die Partei, deren Gutachter die Mitwirkung verweigert, wurde verneint in Cooper v. Shuttleworth (1856) 25 L.J. Exch. 114. 601  Tillett v. Charing Cross Bridge Co. (1859) 53 Eng. Rep. 959, 962 = 26 Beav. 419, 426 (dazu bereits oben Fn. 599). 602  Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574 = 14 Ves. 400. Von einem „principle of Milnes v. Gery“ sprechen etwa Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 534; Leigh v. English Property [1976] 2 ­Lloyd’s Rep. 298, 301 (allerdings das Prinzip in Frage stellend auf S. 302). 603  Dasselbe Problem trat etwa auf in Clarke v. Westrope, (1856) 139 Eng. Rep. 1572 = 18 C.B. 752.

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Bestimmungsmechanismus auf ganz unterschiedlichen Ursachen; die einschlägigen Fälle wurden oben bereits zusammengestellt.604

bb) Gründe für die Unwirksamkeit Drei Begründungslinien lassen sich in den Urteilen für die Zurückhaltung der Gerichte ausmachen. Als einen ersten maßgeblichen Grund beriefen sich die Urteile auf das Vertrauen, das die Parteien in den Dritten gesetzt haben: „How can a man be forced to transfer to a stranger that confidence, which upon a subject, materially interesting to him, he has reposed in an individual in his own selec­ tion?“605

Wenn der Vertrauensmann der Parteien ausfällt, stellt das einen Fall von frustration dar, der zum Scheitern des Vertrages führt.606 Eine zweite Begründung enthüllt eine direkte Verbindungslinie zur Rechtsentwicklung auf dem Kontinent. Sie liefert damit ein weiteres Beispiel für die starken Einflüsse kontinentalen Rechtsdenkens auf das englische Recht gerade im Bereich des Warenkaufrechts,607 indem das Vorliegen eines Vertrages bis zur Vornahme der Bestimmung verneint wird. Ohne diesen Vertrag, so wiederum der Court of Appeal in Rückschau auf über 150 Jahre Rechtsentwicklung, seien dem Gericht die Hände gebunden: „[W]here the agreement on the face of it is incomplete until something else has been done, whether by further agreement between the parties or by decision of an arbitrator or valuer, the court is powerless, because there is no complete agreement to enforce.“608

In einem Fall, der die Übertragung eines Unternehmens zwischen zwei Brüdern zu dessen von Dritten zu ermittelnden Wert betraf und in dem der Ver­ äußerer den von ihm benannten Sachverständigen an der Fortsetzung der Begutachtung gehindert hatte, wurde formuliert: „[T]he price was to be ascertained only in one way, namely, by the decision of two persons, to be nominated in the manner described. If a nomination of that kind fails, or if the two persons do not make their award, this Court has said there is no constat of the price; the contract is not a complete contract, and there is nothing on which it can act.“609 604 

Siehe oben Fn. 508 ff. Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574, 577 = 14 Ves. 400, 407. 606  So die Analyse in Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 479B. 607 Dazu Schmitthoff, S. 5 ff. Ein Beispiel liefert die umfassende Berücksichtigung kontinentalen Rechts und insbesondere der Lehren Pothiers durch Lord Blackburn in ders., S. 265 ff. Allgemein zum vielfältigen Einfluss kontinentalen Rechtsdenkens auf die Entwicklung des englischen Rechts R. Zimmermann, ZEuP 1993, 4 ff. 608  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1981] 3 WLR 361, 373E (Hervorhebung hinzugefügt). 609  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 535; ebenso Hart v. Hart (1881) 18 Ch.D. 670, 605 

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Dieser Grundsatz sei übernommen worden „from the civil law as stated in the Code of Justinian“.610 Vermutlich sei die Entscheidung Justinians sogar noch ausgedehnt worden: Nicht nur der darin unmittelbar angesprochene Fall, dass die Bestimmung ausbleibt, weil der Dritte diese nicht vornehmen will oder kann, führe zur Unwirksamkeit des Vertrages, sondern auch die Situation, dass eine der Parteien die Vornahme der Bestimmung schuldhaft verhindert.611 Zweifel daran, ob diese Ausdehnung gerechtfertigt sei oder ob in dieser Situation nicht vielmehr mit einer gerichtlichen Ersetzung der bona fides des Vertrages zum Durchbruch verholfen werden sollte, stellte das Gericht angesichts der Präjudizienbindung zurück.612 Verwehrt sei es dem Gericht auch, Außenstehende als neue Sachverständige einzusetzen.613 Ausschließlich die von den Parteien benannten Personen seien zur Bewertung des Unternehmens befugt.614 Dieser Exklusivitätsgedanke führt unmittelbar zu dem dritten Grund:615 Es stünde im Widerspruch zu den Aufgaben des Gerichts, von dem vertraglich vereinbarten Modus zur Bestimmung abzuweichen und selbst eine Bestimmung vorzunehmen. Wenn das Gericht einen anderen als den von den Parteien vorgesehenen Weg zu der Bewertung anordne, führe es nicht eine Vereinbarung der Parteien aus, sondern es diktiere diesen eine Vereinbarung.616 Auch hier wird 689 (dort wurde Unbestimmtheit allerdings verneint, da dem Vertrag im Wege der Auslegung ein bestimmter Inhalt gegeben werden konnte). Ähnlich bereits Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574, 577 = 14 Ves. 400, 406: „The only agreement into which the Defendant entered, was to purchase at a price, to be ascertained in a specified mode. No price having ever been fixed in that mode, the parties have not agreed upon any price. Where then is the complete and concluded contract, which this Court is called upon to execute? The price is of the essence of a contract of sale.“ 610  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 535. In Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574, 577 = 14 Ves. 400, 408 wird sogar wörtlich aus dem Corpus iuris zitiert, ergänzt um den Zusatz: „and such clearly is the Law of England“. Eine Parallele zieht auch de Zulueta, S. 19. 611  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 535. 612  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 535 („Whether that is a desirable conclusion or not, it is now too late to question; the Court has so determined, and that, I apprehend, is the law.“). Es trug diesen Zweifeln allerdings insofern Rechnung, als es davon absah, dem Kläger, der sich vertragstreu verhalten hatte, die Kosten aufzuerlegen. Zum Aufkommen der besonders rigiden Präjudizienbindung in dieser Epoche siehe nur Vogenauer, ZNR 2006, 48 ff. 613  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 536. 614  Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, 536. Dieses Argument mutet schon deswegen merkwürdig an, weil nach dem Vertrag jede Partei einen Sachverständigen benennen sollte und deshalb ohnehin nicht beide Sachverständige das Vertrauen beider Parteien genossen. 615  Einen engen Zusammenhang erkennt auch Kröll, S. 91. 616  Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574, 577 = 14 Ves. 400, 407 („The Court, declaring, that the one shall take, and the other shall give, a price, fixed in any other manner, does not execute any agreement of their’s; but makes an agreement for them; … The Court never professes to bind a man to any agreement, except that, which he has made“); Agar v. Macklew (1825) 57 Eng. Rep. 405, 407 = 2 Sim. & St. 418, 423 (eine gerichtliche Ersetzung „would be to bind the parties contrary to their agreement“); Morgan v. Milman (1853) 43 Eng. Rep. 10, 14 = 3 De G.M. & G. 24, 35 („if … the price is not ascertained according to the mode in which the parties have stipulated, this Court has no right to make a different contract from

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also die zentrale Rolle der Aufgabenverteilung zwischen Staat und privaten Parteien sichtbar. Nur ausnahmsweise sah sich das Gericht in der Lage, die Bestimmung zu ersetzen, wenn entweder der Vertrag bereits teilweise erfüllt worden war617 oder der Bestimmungsmechanismus nur ein Anhängsel in einem größeren Vertragsrahmen, der für sich wirksam und durchsetzbar ist und nicht wegen der fehlenden Durchsetzbarkeit des Anhängsels ebenfalls scheitern soll, darstellte618. that which the parties have entered into, and ascertain it for them in some different mode“); Williams, S. 55. Interessanterweise erkannte das Gericht, dass es aufgrund eines Verkaufs „at a fair valuation“ ohne vertragliche Präzisierung, wie diese Bewertung vorzunehmen sei, sehr wohl den Wert selbst festsetzen könnte, da seine Tätigkeit dann im Bereich der Auslegung bliebe. Diese Differenzierung wurde später aufgegriffen, z.B. in Morgan v. Milman (1853) 43 Eng. Rep. 10, 14 = 3 De G.M. & G. 24, 34; Hart v. Hart (1881) 18 Ch.D. 670 (die Vereinbarung, einen Vertrag mit den „usual covenants“ zu schließen, sei auslegungsfähig und im Wege von specific performance durchsetzbar); Brown v. Gould [1972] 1 Ch. 53; Talbot v. Talbot [1968] Ch. 1, 12 f.: Ein Erblasser hatte zweien seiner Söhne das Recht eingeräumt, den gemeinsam bewohnten Hof „at a reasonable valuation“ zu erwerben. Weil sich die Beteiligten über den Wert des Hofes nicht einigen konnten, nahm das Gericht die Bewertung selbst vor. Generell kann ein bindender Vertrag auch ohne ausdrückliche Einigung über den Preis geschlossen werden, sofern nur ein entsprechender Bindungswille der Parteien feststellbar ist, siehe nur Guest/Reynolds/Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 43‑040; Lewison, Rn. 6.17. 617  Section 9(1) SGA 1979 a.E.; Gregory v. Mighell (1811) 34 Eng. Rep. 341, 343 = 18 Ves. 328, 333 f. (nachdem der Vermieter mit Verweis auf die generell gestiegenen Mietpreise sich weigerte, einen Kostenvorschuss für den vertraglich zur Festsetzung des Mietzinses vorgesehenen Dritten zu entrichten, setzte das Gericht den Mietzins fest, weil der Mieter bereits das Grundstück bezogen und Aufwendungen getätigt hatte: „[The agreement] is in part performed, and the court must find some means of completing its execution; as I have already said the plaintiff is not to be considered as a trespasser. Some rent he must pay: the amount must be fixed in some other mode; and it seems to me, that it should be ascertained by the Master, without sending it to another arbitration; which might possibly end in the same way.“); Clarke v. Westrope, (1856) 139 Eng. Rep. 1572 = 18 C.B. 752 (weil sich die Schiedsgutachter nicht auf den anwendbaren Bewertungsmaßstab oder auf einen Obmann einigen konnten und das zu bewertende Stroh deshalb verbraucht wurde, gab das Gericht einer quantum meruit-Klage auf einen vom Gericht festgesetzten Betrag statt); Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 316D-E; siehe auch Dinham v. Bradford (1869) 5 Ch.App. 519, 523 (Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens kann, wenn sich die zwei zu diesem Zweck eingesetzten Schiedsrichter nicht einigen können, durch das Gericht vorgenommen werden, da sich der Fall grundlegend von einem Kaufvertrag, bei dem noch keine Leistungen ausgetauscht worden sind, unterscheidet und es vielmehr darum geht, den Preis für etwas festzulegen, das „has been had and enjoyed“). In dieser Ausnahme kann die Ausprägung eines generellen Prinzips erkannt werden, dazu bereits oben Fn. 269. 618  Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 314B-F, 315H (zu diesem Fall siehe bereits oben bei Fn. 371); Firth v. Midland Railway Co. (1875) L.R. 20 Eq. 100, 112 (obiter); Smith v. Peters (1875) L.R. 20 Eq. 511: Dem Antrag des Übernehmers einer Gaststätte und Käufers des Gaststättenzubehörs zu dem von einer namentlich bezeichneten Person festzustellenden Wert, dass der Verkäufer diese Person das Grundstück betreten lassen müsse, damit diese ihre Feststellungen treffen könne, wurde stattgegeben. Es handele sich lediglich um eine gerichtliche Unterstützungsmaßnahme, um dem im Aussicht genommenen Geschäft nach Parteiwillen

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Wann freilich der Vertragsteil, der dem Leistungsbestimmungsrecht eines Dritten unterliegt, als bloßes untergeordnetes „Anhängsel“ anzusehen ist, handhabten die Gerichte ganz unterschiedlich: In Jackson v. Jackson619 hielt das Gericht einen Vertrag über den Verkauf eines Grundstücks und einer Bleicherei zu einem Festpreis und der Maschinen zu einem von einem Dritten zu bestimmenden Preis für durchsetzbar; das Erfordernis einer Leistungsbestimmung stelle kein Hindernis dar. Demgegenüber wurde in Darbey v. Whitaker620 die Durchsetzbarkeit eines Kaufvertrags über eine Gaststätte nebst Zubehör, dessen Wert ein Dritter ermitteln sollte, verneint. Spätere Entscheidungen versuchten den Widerspruch – wenig überzeugend – damit zu erklären, dass das Zubehör bei der Gaststätte wesentlich („an essential part“), bei der Bleicherei hingegen untergeordnet („a minor and subsidiary part“) darstellten.621

cc) Der neue Ansatz: Gerichtliche Ersetzung möglich Diesen traditionell befolgten Ansatz verwarf das House of Lords im Jahre 1982 – jedenfalls dort, wo es nicht wie im Bereich des Warenkaufs durch statute gebunden war – in der Sache Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton mit einem spektakulären Urteil. Darin gab es – ausdrücklich gestützt auf sein bekanntes Practice Statement (Judicial Precedent) aus dem Jahre 1966622 – die zahlreichen Präzedenzfälle seit dem Jahre 1807 auf.623 Den klagenden Mietern von Industrieflächen war die Option zum Kauf der vermieteten Grundstücke eingeräumt worden. Den Preis sollten zwei Sachverständige bestimmen, von denen jede Partei jeweils einen benennen sollte und die ihrerseits einen Obmann zum Erfolg zu verhelfen. Dieser Fall scheint auf den ersten Blick kaum vereinbar mit dem Fall Vickers v. Vickers (1867) L.R. 4 Eq. 529, auf den sich das Gericht ausdrücklich stützt und in dem es ebenfalls darum ging, einen Vertragspartner zu seiner Mitwirkung am Leistungsbestimmungsverfahren zu zwingen. Auflösen lässt sich dieser Widerspruch mit Blick auf die unterschiedliche Reichweite des Leistungsbestimmungsrechts; ausdrücklich ausgesprochen wird dies in Smith v. Peters freilich nicht. Einen anderen Ansatz wählte Richardson v. Smith (1870) 5 Ch.App. 648, 654, in dem das Gericht den untergeordneten Teil abtrennte und als unwirksam behandelte und den nicht von der Bestimmung eines Dritten abhängigen Teil durchsetzte; kritisch dazu Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 316D-E („plainly unjust“); sympathisierend aber Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1981] 3 WLR 361, 373G-H („more logical“). 619  Jackson v. Jackson (1853) 65 Eng. Rep. 80 = 1 Sm. & Giff. 184. 620  Darbey v. Whitaker (1857) 62 Eng. Rep. 52 = 4 Drew. 134. 621  Richardson v. Smith (1870) 5 Ch.App. 648; Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 314E; dagegen aber der Court of Appeal als Vorinstanz in dem sogleich zu besprechenden Fall Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, dort S. 455A. Siehe zu den Abgrenzungsschwierigkeiten auch Axelsen v. O’Brien (1949) 80 C.L.R. 219, 226. 622  Abgedruckt in: [1966] 1 WLR 1234. Allerdings wäre, wie Lord Diplock (S. 476F) klarstellt, ein overruling auch ohne Practice Statement möglich gewesen, da keiner der Präzendenzfälle vom House of Lords stammte. 623  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444.

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benennen sollten, wenn sie sich nicht einigen können. Nachdem der Mieter die Option ausgeübt hatte, weigerte sich der Vermieter – wohl weil er nicht mehr verkaufsbereit war –, einen Sachverständigen zu benennen. Nach der überkommenen Rechtsprechung wäre der Kaufvertrag unwirksam gewesen, und so hatte das Berufungsgericht624 den Fall entschieden. Dieses Ergebnis bezeichneten vier der fünf Lordrichter als „a public disservice“625 und als nicht „fit for ­survival in a civilised system of law“626. Dieser Fall bot sich für einen Recht­ sprechungswandel auch deshalb an, weil darin eine besonders unerwünschte Konsequenz des nunmehr aufgegebenen Ansatzes hervortrat. Die Unwirksamkeitsfolge kann eine reuige Vertragspartei zu opportunistischem Verhalten einladen, wenn sie einen ursprünglich als bindend gewollten Vertrag aus der Welt schaffen kann, indem sie den darin enthaltenen Bestimmungsmechanismus hintertreibt.627 Die Mehrheit war daher sichtlich davon motiviert, eine als wirtschaftlich sinnvoll erkannte und von beiden Parteien gewollte Vertragsklausel nicht der Unwirksamkeit anheim zu geben.628 Um nun das unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, stellte die Mehrheit in einem ersten Schritt fest, dass entgegen der überkommenen Ansicht trotz Delegation der Preisfestsetzung ein vollständiger Vertrag besteht. Dazu formulierten sie mit großer Klarheit, dass es zur Wirksamkeit eines Vertrags ausreicht, wenn dessen Inhalt bestimmbar ist: „A contract is complete as soon as the parties have reached agreement as to what each of its essential terms is or can with certainty be ascertained: for it is an elementary principle of the English law of contract id certum est quod certum reddi potest.“629 „The price, which was of course an essential term of the contract, was … capable of being ascertained and was therefore certain.“630

Die Entscheidung fügt sich damit ein in eine generelle Tendenz, die Unwirksamkeit von Verträgen wegen Unbestimmtheit (uncertainty) zu vermeiden.631 An der Bestimmbarkeit des Preises, so die Mehrheit der Lordrichter weiter, ändere sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn der Mechanismus, der die Be624 

Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1981] 3 WLR 361. Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 488C (per Lord Scarman). 626  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 479F (per Lord Diplock). 627  Für Beispiele siehe oben Fn. 513 ff. 628  Siehe z.B. Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 476G (per Lord Diplock), 483E und 486B-C (per Lord Fraser), 488C (per Lord Scarman). 629  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 478B (per Lord Diplock). 630  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 482B (per Lord Fraser). 631  Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 313A („It seems clear that the court strains against holding a contract void [for uncertainty]“); Brown v. Gould [1972] 1 Ch. 53, 56 („[T]he proper approach, I think, is that the court is reluctant to hold void for uncertainty any provision that was intended to have legal effect.“); Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2‑129; Lewison, Rn. 8.13 m.w.N.; Robertshaw, (1983) 46 MLR 493, 494 mit Fn. 12. Siehe aber auch Reynolds, (1988) 104 LQR 352 („English law has the reputation of imposing rather firm requirements of certainty for the existence of a binding contract.“); Smith, S. 193. 625 

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stimmbarkeit gewährleisten soll, versage. Denn letztlich richte sich der Parteiwille auf die Vereinbarung eines angemessenen Preises, und die Einschaltung von Sachverständigen diene nur dazu, diesen zu ermitteln.632 Wenn dies aber der eigentliche Zweck des Mechanismus sei, so nehme dieser sich als „subsidiary and non-essential“ aus.633 Wenn er nicht zum Ziel führe, so könne das Gericht – wie auch sonst, wenn die Parteien keinen konkreten, sondern lediglich einen angemessenen Preis vereinbart hätten634 – einen eigenen Mechanismus an die Stelle treten lassen.635 Dieser eigene gerichtliche Mechanismus bestehe nicht etwa darin, die Parteien zur Durchführung des Bestimmungsverfahrens zu zwingen, sondern in der Ermittlung eines angemessenen Preises mit Hilfe gerichtlicher Sachverständiger.636 Dies beruhe auf einem allgemeinen Prinzip: „Where the machinery is not essential, if it breaks down for any reason the court will substitute its own machinery.“637

Bemerkenswert ist, dass mit diesem allgemeinen Prinzip eine Weichenstellung verbunden ist, die deutlich über den eigentlich zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt hinausreicht. Denn dieses Prinzip erfasst nicht nur Fälle, in denen opportunistisches Verhalten einer Partei die Bestimmung vereitelt, sondern jegliche Situation („for any reason“), in der eine Bestimmung des Vertragsinhalts durch einen Dritten misslingt.638 Dies belegt den Wunsch nach einer Neu-

632  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 477B-C und 479B (per Lord Diplock), 483F (per Lord Fraser). 633  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 483G (per Lord Fraser). 634  Siehe oben Fn. 616. 635  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 484A (per Lord Fraser). 636  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 486C (per Lord Fraser). Nicht ganz so eindeutig erteilte Lord Diplock der Möglichkeit einer Verurteilung zur Durchführung des Bestimmungsverfahrens eine Absage, jedenfalls wenn eine Vertragspartei darauf bestehe (S. 479F). 637  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 484C (per Lord Fraser). 638  Siehe bereits oben § 4 D.I.2.b) (S. 234 f.). Etwas schwieriger erscheint diese Verallgemeinerung auf der Grundlage des Begründungsansatzes von Lord Diplock, der im Wesentlichen auf eine Pflicht der Vertragsparteien zur Mitwirkung an dem Bestimmungsverfahren abstellt. Die gerichtliche Ersetzung sei deshalb zulässig, weil beide Parteien von dem ursprünglichen Mechanismus abgerückt seien (S. 479E). Hier liegt ein gewisses Problem: Der Kläger verzichtet auf den Mechanismus durch Klageerhebung. Doch was ist mit dem Beklagten, wenn das Scheitern des Mechanismus anders als in Sudbrook nicht auf seiner Weigerung beruht, sondern der Grund dafür aus der Sphäre des Dritten stammt? Lord Diplock lässt diese Frage unbeantwortet, deutet aber an, dass er das Scheitern wegen Weigerung oder Wegfalls des Dritten nicht anders lösen würde. Sogar schon den Fall der Weigerung des Beklagten für problematisch erachten Jones/Goodhart, S. 193. Diese etwas andere Akzentuierung in der Begründung kann aber auf sich beruhen, da sich in der Folgezeit das im Text zitierte Diktum Lord Frasers verselbständigt hat und als Kernaussage des Urteils angesehen wurde (siehe z.B. Re Malpass [1985] 1 Ch. 42, 48 f.; Jones v. Sherwood Computer Services Plc [1992] 1 WLR 277, 285; Royal Bank of Scotland plc v. Jennings (1998) 75 P. & C.R. 458, 463; Infiniteland Ltd. v.

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ausrichtung der Grundsätze des englischen Rechts zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten. Hat die Mehrheit der Lordrichter damit dem Argument, es bestehe schon gar kein wirksamer Vertrag, eine Absage erteilt und sich zugleich eindeutig für die gerichtliche Aufgabe, den Vertrag zu „retten“, ausgesprochen, lebt der Gedanke, dass die Parteien in den Dritten besonderes Vertrauen setzen, in gewisser Weise fort. Er hilft bei der Beantwortung der Frage, wann die Delegation der Leistungsbestimmung ausnahmsweise doch eine wesentliche Vertragsklausel darstellt. Zwei verschiedene Ansatzpunkte für die Wesentlichkeit lassen sich unterscheiden. Zum einen könne die Wesentlichkeit auf der Person des Dritten beruhen, wenn die Parteien einen Sachverständigen bereits im Vertrag namentlich bezeichnen oder dieser, etwa als Abschlussprüfer des verkauften Unternehmens, besondere Sachkunde für den zu beurteilenden Sachverhalt mitbringt.639 Zum anderen könne der Mechanismus aufgrund des Entscheidungsmaßstabs des Dritten als wesentlich anzusehen sein, wenn nämlich der Dritte „such subjective standards as he personally thinks fit“ zugrunde legen solle und eine gerichtliche Ersetzung deshalb mangels impliziter Verständigung auf einen angemessenen Preis ausscheiden müsse.640 Eine hier mehr angedeutete, später ausdrücklich hervorgehobene641 Implikation dieses Urteils besteht darin, dass der Dritte im Zweifel seine Entscheidung am Maßstab von „fairness“ und „reasonableness“ auszurichten hat und nur dann nach subjektiven Vorstellungen entscheiden darf, wenn sich dafür besondere Anhaltspunkte finden. Diese Zweiteilung verdient auch deshalb Hervorhebung, weil sie daran erinnert, dass die in § 319 Abs. 2 BGB geregelte Entscheidung nach freiem Belieben ein wichtiger, aber keineswegs der einzige Grund für einen Ausschluss der gerichtlichen Ersetzung ist.642 Für gewöhnlich aber erscheinen Sachverständige der Mehrheit der Lordrichter als austauschbar.643 Dass dies zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als es sich noch nicht um einen etablierten Berufsstand gehandelt habe, anders gewesen sein mag, könne erklären, weshalb die Gerichte zunächst eine andere Richtung eingeschlagen hätten.644 Artisan Contracting Ltd. [2005] EWCA Civ. 758, para. 54; McMeel, Rn. 6.45 ff.). Noch zurückhaltend gegenüber einer Verallgemeinerung Tallon, Nr. 3.3.2.04. 639  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 483H-484A (per Lord Fraser). 640  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 479B (per Lord Diplock), mit der nicht unwichtigen Einschränkung, dass das Ausbleiben der Bestimmung in diesem Fall nicht auf das Verhalten einer der Parteien zurückzuführen sein dürfe. 641  Queensland Electricity Generating Board v. New Hope Collieries Pty Ltd. [1989] 1 ­Lloyd’s Rep. 205, 210 (PC): „If there are cases where the true meaning of the contract is that the arbitrator is to aim, not at objectively fair and reasonable terms, but merely at some result which appeals to him subjectively, they must be rare indeed.“ 642  Siehe oben § 4 D.II.1.a) (S. 236 ff.). Das übersieht Borowsky, S. 200. 643  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 477D (per Lord Diplock). 644  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 477D (per Lord Diplock), 483E (per Lord Fraser).

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Am Rande zu bemerken ist, dass viele Autoren bereits de lega lata die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit des Kaufvertrages nach s. 9(1) Sale of Goods Act nur noch dann eintreten lassen wollen, wenn die Bestimmung des Dritten als wesentlich im Sinne dieser Grundsätze anzusehen ist.645 Andere sehen zwar für die Sonderbehandlung des Problems in dieser Vorschrift abweichend von den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts ebenfalls keine Rechtfertigung, plädieren aber für eine Lösung de lege ferenda: „This would allow the law to develop unimpeded by a nineteenth-century approach to formation in one corner of the law.“646

Handelt es sich also letztlich nur um eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses, indem die bereits etablierte Ausnahme von der Unwirksamkeit des Vertrages, wenn sich der Mechanismus als untergeordnetes Anhängsel darstellt, zur Regel erhoben wird?647 Auch wenn in beiden Fällen auf die Wesentlichkeit des Mechanismus abgestellt wird, ist diese Frage dennoch zu verneinen. Zum einen hat sich der Bezugspunkt der Wesentlichkeit geändert: Es geht nun nicht mehr darum, ob der Mechanismus innerhalb des Vertragswerks einen wesentlichen Teil ausmacht, sondern vielmehr darum, ob dieser Mechanismus für das Ziel der Parteien, einen angemessenen Preis zu ermitteln, wesentlich ist. Diese Abgrenzung erscheint weniger gekünstelt und mehr auf das eigentliche Problem bezogen, auch wenn vielleicht schon früher Gerichte die fehlende Wesentlichkeit vorgeschoben haben, um einen wirtschaftlich sinnvollen und von den Parteien ursprünglich als bindend gewollten Vertrag zu retten. Zum anderen hat sich die Sicht auf den Bestimmungsmechanismus insgesamt gewandelt, wie insbesondere die Auseinandersetzung mit dem einzigen abweichen Votum in dem Urteil erhellen kann. Der entscheidende Begründungsschritt der Mehrheit der Lordrichter liegt in der Annahme, dass die Einschaltung eines Dritten grundsätzlich nur Mittel zum Zweck sei, einen angemessenen Vertragsinhalt hervorzubringen. Dieser Zweck kann dem Vertrag in der Regel nur durch Auslegung entnommen werden. Gegen diese Auslegung und gegen die Annahme eines derartigen Zwecks richtet sich das abweichende Votum des überstimmten Lordrichters: Vertragsparteien seien üblicherweise gierig und wollten deshalb keinen angemessenen, sondern einen für sie jeweils besonders günstigen Preis.648 Versage der zur Preis645 

Atiyah/Adams/MacQueen, S. 32 mit Fn. 149; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑050; Fortier, Journal du droit international (Clunet) 123 (1996), 315, 349 f.; skeptisch Tallon, Nr. 3.3.2.02 Fn. 3. Generell besteht unter modernen Autoren die Tendenz, den Sale of Goods Act als nicht mehr zeitgemäß anzusehen, siehe z.B. Atiyah/Adams/MacQueen, S. 6; Bridge, Sale of Goods, Rn. 1.03 ff. 646  Bridge, Sale of Goods, Rn. 1.46. 647  Auf diesen Gedanken könnte man etwa kommen bei der Lektüre von Northcote, §§ 355 ff. 648  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 486G (per Lord Russell);

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bestimmung vereinbarte Mechanismus, könne nicht darauf geschlossen werden, dass ein angemessener („fair“) Preis gewollt sei. Im Grunde schlägt dieser Einwand noch einmal die Schlacht, die beginnend bei Donellus hin zur Zweifels­ regel zugunsten des billigen Ermessens geführt hat.649 Denn er verkennt letztlich den Interessenausgleich, den jeder Vertragsschluss herbeiführt. Wenn jede Partei einen für sie günstigen Preis herausschlagen möchte, hat das unter idealen Bedingungen zur Folge, dass sie sich in der Mitte treffen. Indem die Drittbestimmung letztlich nur als Mechanismus zur Ermittlung eines angemessenen Preises angesehen wird, macht sich auch das englische Recht diese Zweifelsregel zu eigen: Im Zweifel wollen die Parteien eine billige Bestimmung des Vertragsinhalts, es sei denn, es liegen ausnahmsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dritte größere Freiheiten haben sollte. Die Unwirksamkeit des Vertrages würde besonders dann merkwürdig anmuten, wenn die Parteien als Gegenleistung den von einem Dritten zu ermittelnden Wert der Leistung vereinbart haben. Dieser Wert ist letztlich eine objektiv feststellbare Tatsache, die in Auslegung des Vertrages auch ein Gericht feststellen könnte. Dieser Aufgabe könnte das Gericht bei Scheitern des Drittbestimmungsmechanismus nachkommen. Dagegen ließe sich freilich einwenden, dass die Parteien dem Gericht diese Aufgabe gerade entziehen wollten, indem sie sie in die Hände eines privaten Dritten legten. Für einen derartigen Parteiwillen sollten aber eindeutige Anzeichen wie etwa ein besonderes Vertrauen, das sie in die Person des Dritten gesetzt haben, erforderlich sein.

dd) Festigung des neuen Ansatzes Im Schrifttum wurde dieser Rechtsprechungswandel überwiegend, wenn auch nicht einhellig begrüßt.650 Er gilt den meisten als „triumph of common sense over precedent“651 – eine Formulierung, in der, wenn auch vermutlich unbeabsichtigt, die Kennzeichnung von Justinians Entscheidung als Triumph des Commonsense über die Logik652 widerhallt. Zum Teil wird darin sogar ein bedeutender Schritt hin zu einer begrenzten Anerkennung von „good faith“ gesehen.653 Der neue Ansatz ist heute allgemein akzeptiert.654 Die Rechtsprechung kritisch ebenfalls Hodkinson, [1983] Conv. 76 f. („If the parties meant a fair and reasonable price, they could have said so.“). 649  Siehe oben § 4 C.I.2. (S. 200 ff.). 650  Harpum/Jones, (1982) 41 CLJ 233; Robertshaw, (1983) 46 MLR 493; John Murdoch, (1982) 98 LQR 539–541; zurückhaltend Hodkinson, [1983] Conv. 76. Aus deutscher Sicht Borowsky, S. 94 („zeitgemäß und praxisgerecht“). 651  Harpum/Jones, (1982) 41 CLJ 233. 652  Siehe oben Fn. 303. 653  Atiyah, Introduction, S. 116. 654  Siehe nur Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2‑132; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑050; Bridge, International Sale of Goods, Rn. 12.08; Kendall/Freedman/ Farrell, Rn. 9.3.1 ff.

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hat ihre neue Linie in der Folgezeit in verschiedene Richtungen präzisiert. So wurde etwa die neue Formel angewendet, wenn der „district valuer“ die Wertfestsetzung für einen Hof, für den dem Sohn des Erblassers testamentarisch ein Ankaufsrecht zugewandt worden war, verweigerte; die Möglichkeit der gerichtlichen Ersetzung wurde somit auf einen Fall, in dem der Grund des Scheiterns in der Sphäre des Dritten lag, erstreckt.655 Ebenso kommt eine Ersetzung in Betracht, wenn es den Parteien nach annähernd zwei Jahren nicht gelungen ist, sich auf Instruktionen für den Dritten zu einigen.656 Mit Hilfe der Sudbrook-Formel wurde auch eine geringe Genauigkeit in der Klausel selbst, mit der der Anpassungsmechanismus vereinbart wurde, für unbeachtlich erklärt.657 Kein Scheitern des Bestimmungsmechanismus stellt es hingegen dar, wenn der Kläger den Mechanismus noch überhaupt nicht in Gang gesetzt hat.658 Auch zu der schwierigen und mit einigen Unwägbarkeiten belasteten Frage, wann der Bestimmungsmechanismus als wesentlich und damit die Entscheidung des Dritten einer gerichtlichen Ersetzung als nicht zugänglich anzusehen sind, erging spätere Rechtsprechung.659

655  Re Malpass [1985] 1 Ch. 42. Darin wird zudem mit Recht ausgeführt, dass der testamentarische Ursprung der Befugnis des Dritten kein Differenzierungskriterium darstelle. 656  Ursa Major Management Ltd. v. United Utilities Electricity Plc [2002] EWHC 3041 (Ch.). 657  Queensland Electricity Generating Board v. New Hope Collieries Pty Ltd. [1989] 1 ­Lloyd’s Rep. 205, 210 (PC): „At the present day, in cases where the parties have agreed on an arbitration or valuation clause in wide enough terms, the Courts accord full weight to their manifest intention to create continuing legal relations. Arguments invoking alleged uncertainty, or alleged inadequacy in the machinery available to the Courts for making contractual rights effective, exert minimal attraction.“ 658  Gillatt v. Sky Television Ltd. [2000] 1 All ER (Comm.) 461, 470; Infiniteland Ltd. v. Artisan Contracting Ltd. [2005] EWCA Civ. 758, para. 57–60. 659  Gillatt v. Sky Television Ltd. [2000] 1 All ER (Comm.) 461: In einem Unternehmenskaufvertrag wurde dem Veräußerer für den Fall der Weiterveräußerung des Unternehmens durch den Erwerber ein Anspruch auf „55 per cent of the open market value of such shares … as determined by an independent chartered accountant“ eingeräumt. Die intuitive Annahme, dass auch hier – schon, weil der Dritte nur der Qualifikation und nicht auch dem Namen nach bestimmt ist – der Bestimmungsmechanismus unwesentlicher Bestandteil der Vertragsklausel ist, schließt sich das Gericht nicht an. Da die Formulierung „open market value“ auf mehrere unterschiedliche Weisen verstanden werden könnte, haben die Parteien dem „independent chartered accountant“ einen so großen Spielraum eingeräumt, dass ein gerichtliches Einschreiten ausgeschlossen sei. Zweifelhaft ist freilich das weitere Argument (S. 470), die außergerichtliche Bestimmung sei schneller, kostengünstiger und besser vorhersehbar als eine gerichtliche Ersetzung. Diese Vorteile gelten doch nur, solange der Bestimmungsmechanismus nicht gescheitert ist. Außerdem: Bruce v. Carpenter [2006] EWHC 3301 (Ch.) (namentlich genannte Sachverständige).

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4. Bewertung Sowohl in Deutschland als auch in England hat sich die Reaktion auf das Ausbleiben der Entscheidung des Dritten im Laufe der Zeit gewandelt.660 Ursprünglich bestand Einigkeit darüber, dass dieses Ausbleiben grundsätzlich die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge haben müsse. Beide Rechtsordnungen waren dabei vom römischen Recht beeinflusst. Nunmehr bedeutet das Ausbleiben der Drittbestimmung indes nicht mehr, dass der Vertrag gescheitert ist. Vielmehr kann ein Gericht an die Stelle des Dritten treten und – sachverständig beraten – dessen Entscheidung ersetzen. Eine Ersetzung bleibt jedoch ausgeschlossen, sofern sie nicht dem Parteiwillen entspricht. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn es den Parteien auf die Entscheidung einer bestimmten Person ankam, in die sie besonderes Vertrauen gesetzt haben. In diesem Fall ist der Vertrag unwirksam.

a) Ersetzbarkeit des Dritten Wenn als ein Grund für diese gewandelte Sichtweise angeführt wird, dass früher das Vertrauen in den Dritten häufiger eine Rolle gespielt habe, während das Berufsbild des Sachverständigen heute hingegen in wesentlich stärkerem Maße standardisiert und seine Person von untergeordneter Bedeutung seien,661 so kann das vordergründig einen Erklärungsansatz bieten.662 Das in den Dritten gesetzte Vertrauen war nicht nur in der prägenden Behandlung des Themas durch Pothier, sondern auch in den Beratungen zum BGB und in den englischen Entscheidungen des 19. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung. Die wirklichen Gründe für diese Entwicklung liegen aber tiefer.

b) Richterliche Ersatzbestimmung und Aufgabenverteilung Der Idee der richterlichen Substitutionsbefugnis liegt offenkundig eine andere Sichtweise auf die Entscheidung des Dritten zugrunde als im französischen Recht. Sofern den Gerichten keine Substitutionsbefugnis zukommt, hat der Spruch des Dritten die Qualität einer Wirksamkeitsvoraussetzung. Sofern hingegen ein Gericht die Entscheidung, falls erforderlich, selbst treffen darf, wird der Spruch des Dritten zu einem Mittel zum Zweck. Besonders deutlich kommt dies im englischen Recht zum Ausdruck, wenn es dort in der Leitentscheidung heißt, die in der Bestimmungsbefugnis eines Dritten bestehende „machinery for ascertaining the price“ sei „subsidiary to the main purpose of the agreement“.663 660 

Siehe auch das Fazit von Tallon, Nr. 3.3.2.04 („une intervention judiciaire accrue“). oben Fn. 644; Carbonnier, RTD civ. 1952, 515; J. M. T., (1982) 98 LQR 2; Bo­ rowsky, S. 97. 662  Maßgeblich auf die „Ersetzbarkeit des Dritten“ stellt W. Witz, S. 254 f. ab. 663  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444, 483 (per Lord Fraser). 661  Siehe

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Allein die Tatsache, dass die Parteien dem Bestimmungsmechanismus keine wesentliche Bedeutung beigemessen haben, kann die gerichtliche Ersetzungsbefugnis jedoch nicht erklären.664 Denn mit diesen unterschiedlichen Sichtweisen geht vor allem eine unterschiedliche Gewichtung der Aufgaben und Befugnisse von Parteien und Gerichten einher. Die gerichtliche Substitutionsbefugnis hat eine wichtige Folge: Der Richter wird zum Vertragshelfer der Parteien – eine Rolle, die durchaus Fragen aufwirft. „Courts do not make contracts“ lautet eine bekannte, etwa im Zusammenhang mit der Vertragsauslegung bemühte Maxime des Common law.665 Ein Gericht, so der zugrunde liegende Gedanke, sollte es den Parteien nicht abnehmen, ihre eigenen Interessen zu verfolgen, indem sie einen vollständigen und bindenden Vertrag abschließen.666 Erst wenn den Parteien dies zur Überzeugung des Gerichts gelungen ist, kann und wird das Gericht zur Durchsetzung schreiten.667 Mit der Annahme, dass die Parteien einen angemessenen (reasonable) Vertragsinhalt vereinbaren wollten, verschiebt sich zugleich die Aufgabe des Dritten und damit auch die Aufgabe des Gerichts: Es muss nicht mehr gestaltend einen Vertragsinhalt festsetzen, sondern nur noch feststellen, was im Einzelfall angemessen ist.668 Pointiert formuliert macht das Gericht somit etwas, was von jeher zu seinen Aufgaben gehört und was es auch vor Sudbrook schon bereitwillig getan hat, indem es im Wege der Auslegung einen bereits feststehenden, aber den Parteien noch unbekannten Vertragsinhalt ermittelt.669 Freilich darf diese Bewertung nicht den Eindruck erwecken, das Gericht halte sich inhaltlich ganz aus dem von den Parteien verabredeten Vertragsver664 

In diese Richtung aber Borowsky, S. 200. Atiyah, Introduction, S. 89 („an oft-repeated dogma“); Kessler/Gilmore, S. 116, 744 („one of our most cherished common law slogans“); Trollope & Colls Ltd. v. North West Metropolitan Regional Hospital Board [1973] 1 WLR 601, 609A (per Lord Pearson); Attorney General of Belize v. Belize Telecom Ltd. [2009] UKPC 10, para. 19; Gourlay v. Somerset (1815) 34 Eng. Rep. 576, 577 = 19 Ves. 429, 431 („the price is of the essence of a contract of sale, and the Court cannot make a contract, where there is none“); W. Witz, S. 96 ff. 666  Smith, S. 193, der die Vermutung, dass ein „reasonable price“ vereinbart sei, allerdings befürwortet. 667  Gourlay v. Somerset (1815) 34 Eng. Rep. 576, 577 = 19 Ves. 429, 431 f.: „but, where the Court has determined, that the agreement is binding and concluded and ought as such to be executed, it does not require foreign aid to carry the details into execution“. 668  Kröll, S. 92. 669  Siehe oben Fn. 616. In Brown v. Gould [1972] 1 Ch. 53, 59 f. differenzierte das Gericht zwischen gestaltenden und feststellenden Befugnissen. Die Parteien können dem Gericht keine reine Ermessensentscheidung übertragen. Das Gericht kann aber sehr wohl dann, wenn zwar eine hinreichend konkrete Formel zur Berechnung der Miethöhe vereinbart wurde, aber die Parteien sich weder auf einen Mechanismus zur Anwendung dieser Formel verständigt haben noch eine Einigung über die Miethöhe erzielen können, selbst – mit Hilfe von Sachverständigen – die Miethöhe festsetzen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um einen unzulässigen Vertrag, mit dem dem Gericht neue Kompetenzen übertragen werden. Gerichte seien zu derartigen Feststellungen auch praktisch in der Lage (S. 61). 665 

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hältnis heraus. Indem es in den Vertrag den implied term hineinliest, die Parteien hätten sich auf einen angemessenen Preis geeinigt, unternimmt es den entscheidenden Schritt zur Rettung des Vertrags.670 Derartige implied terms lassen sich auch als dogmatische Brücke zu einer richterlichen Vertragsergänzung finden, wenn andere Vertragsbestandteile als der Preis unbestimmt sind.671 Damit liegt auch der grundlegende Unterschied zu der Lösung des französischen Rechts offen. Denn auch in Frankreich würden die Gerichte keine Schwierigkeiten sehen, wenn ein Dritter lediglich mit seiner Sachkunde einen den Parteien verborgenen Preis aufdecken sollte. In diesem Fall kann das Gericht, wenn der Dritte seine Aufgabe nicht erfüllt, eigenständig mit Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen die Feststellung treffen.672 Eine Vertragsauslegung anhand vertraglich vereinbarter externer Faktoren gilt als ohne weiteres zulässig.673 Das Gericht käme jedoch – wie die obigen Ausführungen gezeigt haben – nicht auf den Gedanken, in Fällen, in denen objektive Anhaltspunkte für die Feststellung fehlen und der Dritte den Kaufpreis gestaltend feststellen sollte, den Vertrag weiterzudenken und einen angemessenen Preis festzustellen.674 Darin kommt in aller Deutlichkeit ein anderes Vertragsverständnis zum Ausdruck. Wer dieses als besonders hart kennzeichnen will,675 darf indes nicht übersehen, dass diesem Ansatz zumindest vordergründig die größere logische Stringenz eignet, indem er das Bestimmtheitsgebot ohne richterliche Intervention zu Ende denkt. Wenn die Parteien die Gerichte bei ihren Vertragsverhandlungen nicht unmittelbar um Hilfe ersuchen können, indem sie privatautonom neue richterliche Kompetenzen schaffen,676 erscheint es zumindest begründungsbedürftig, weshalb ihnen staatliche Hilfe zuteil werden soll, wenn sie der 670 Vgl.

BJ Aviation Ltd. v. Pool Aviation Ltd. [2002] EWCA Civ. 163, para. 23 f. die generellen Ausführungen zur Vertragsergänzung in Treitel, in: Chitty on Contracts, Rn. 2‑132; Kröll, S. 93 f. (zur Ergänzung durch Schiedsrichter). 672 Cass. com. 10.3.1998 Bull. civ. IV, Nr. 99; Gardounis, Nr. 172; Collart Dutilleul/­ Delebecque, Nr. 145 m.w.N. Das Gutachten des Sachverständigen entfaltet dann freilich nicht die Bindungswirkung der Entscheidung eines Dritten i.S.d. Art. 1843-4 Code civil, Mestre, RTD civ. 1998, 898, 899. Nur scheinbar strenger ist die zu einem ähnlichen Sachverhalt ergangene Entscheidung Cass. com. 14.12.1999 Bull. civ. IV, Nr. 234, da die Parteien dort vereinbart hatten, die Ermittlung mit Hilfe einer gemeinsam aufgestellten Bilanz selbst vorzunehmen, und sich die Cour de cassation deshalb gehindert sah, ihnen mit einem gerichtlichen Sachverständigen zu helfen, sondern vielmehr eine neuerliche Vereinbarung der Parteien für erforderlich hielt (zu dieser Deutung Mestre/Fages, RTD civ. 2000, 318, 319; Huet, Nr. 11191). 673  Siehe oben bei Fn. 554. 674  Siehe noch zu dieser Differenzierung Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 203; Cass. civ. 1re 16.7.1998 Bull. civ. I, Nr. 265 (die Cour de cassation hielt, gestützt auf Art. 1591 Code civil, die Preisermittlung im Rahmen der Kaufpreisklage mit Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen für ausgeschlossen, weil die Parteien des Kaufvertrages über ein Auto keine objektiven Anhaltspunkte vereinbart hatten, auf deren Grundlage der Preis ermittelt werden könnte). 675  Siehe etwa Tallon, Nr. 3.3.2.02. 676  Kröll, (1999) 2 Int. A.L.R. 9, 12. 671  Siehe

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richterlichen Bestimmung den Versuch, die Entscheidung eines Dritten zu erlangen, vorschalten. Zudem vermeidet dieser Ansatz Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen wesentlichen und unwesentlichen Drittbestimmungen, auf die auch Verfechter der richterlichen Substitutionsbefugnis hinweisen.677 Indem die Gerichte somit aus der Festlegung des Vertragsinhalts herausgehalten werden, wird schließlich scheinbar die Privatautnomie in stärkerem Maße betont. Doch ist das wirklich so? Daran lässt sich schon deshalb zweifeln, weil die dem französischen Recht zugrunde liegende Prämisse heute nicht mehr sonderlich überzeugt. Nach der ursprünglichen Vorstellung des Code civil ist die Kaufpreisbestimmung durch die Parteien selbst ein Indikator für die Perfektion des Kaufvertrages.678 Solange der Preis nicht bestimmt sei, bleibe sogar das Einverständnis der Parteien zweifelhaft.679 Die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten wurde als Ausnahme zugelassen, jedoch nur, wenn sie tatsächlich zum Erfolg führte.680 Das Erfordernis eines durch die Parteien bestimmten Preises gilt bei anderen Vertragstypen, wie gesehen, nicht in demselben Maße und ist ganz generell auf dem Rückzug befindlich.681 Vor allem aber geht auch die Substitutionslösung zunächst davon aus, dass die Privatautonomie den Parteien nicht nur die Befugnis vermittelt, bindende Verträge einzugehen, sondern ihnen deren wirksamen Abschluss auch zur Aufgabe macht. Bei der richterlichen Ersatzbestimmung handelt es sich nicht um eine primäre Vertragshilfe, sondern nur um ein subsidiäres Einschreiten, falls der ursprüngliche Versuch der Parteien nicht zum Erfolg geführt hat. Die Parteien haben von ihrer Privatautonomie hinreichend Gebrauch gemacht, um einen Vertrag mit bestimmbarem Inhalt auszuhandeln. Wenn das Gericht diesen Inhalt konkretisiert, verhilft es den Parteien nicht zu einem vollständigen Vertrag, sondern es rettet den Vertrag vor der Unwirksamkeit. Die Parteien woll677  Hodkinson, [1983] Conv. 76, 77. Siehe auch Tito v. Waddell (No. 2) [1977] Ch. 106, 315G („There is always difficulty in applying expressions such as ‚minor‘ or ‚subsidiary‘ when used in apposition to ‚essential‘ or ‚entirety‘.“). 678  Siehe nur Art. 1583 Code civil: „[La vente] est parfaite entre les parties … dès qu’on est convenu de la chose et du prix, quoique la chose n’ait pas encore été livrée ni le prix payé.“ Außerdem Exposé de motifs von Portalis zu Art. 1591 Code civil in der Sitzung des Corps Législatif vom 27.2.1804 (7. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 146; W. Witz, S. 26 ff. 679  Discours von Grenier vor dem Tribunat in der Sitzung des Corps Législatif vom 6. März 1804 (15. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 233 f. („L’incertitude sur le prix ferait naître une incertitude sur le consentement même, et dès lors comment pourrait-on voir une vente?“); diese Ansicht findet sich auch heute noch, z.B. Antonmattei/Raynard, Nr. 125 („[L]’exigence d’un prix déterminé est structurelle à la formation du consentement à la vente.“). 680  Exposé de motifs von Portalis zu Art. 1591 Code civil in der Sitzung des Corps Législatif vom 27.2.1804 (7. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 146; Discours von Grenier vor dem Tribunat in der Sitzung des Corps Législatif vom 6. März 1804 (15. ventôse XII), abgedruckt in: Locré, Bd. XIV, S. 234; siehe bereits oben § 4 B.II.2. (S. 185 f.). 681  Siehe oben bei Fn. 560 ff.; außerdem W. Witz, S. 29 ff., 87; R. Zimmermann, Principles, S. 29 f.

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ten einen bindenden Vertrag schließen. Die richterliche Ersetzung verhindert, dass sich eine Partei, die das Geschäft bereut, aus dem Vertrag stehlen kann.682 Insofern dient die Ersetzung einem favor contractus, für den der Staat seine Ressource Justiz zur Verfügung stellen sollte. Ob die Gerichte dann mit Hilfe von implied terms den Anschein eines bestimmten, bloß auslegungsbedürftigen Vertragsinhalts erwecken oder wie im deutschen Recht offen Vertragsbestandteile ergänzen oder anpassen, dürfte sich dabei weniger als Unterschied in der Sache denn als Unterschied in der Herangehensweise darstellen. Jedoch kann der letztgenannte Weg für sich beanspruchen, das Problem unmittelbar anzugehen. Angesichts der dogmatischen Schwierigkeiten einer implication of terms683 scheint dieser Weg auch pragmatischer. In praktischer Hinsicht besteht insofern keine Schwierigkeit, als Gerichte bei der Durchsetzung von Verträgen ständig in der Lage sind, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

c) Die Benennung eines neuen Dritten als „milderes Mittel“? Wenn somit eine gerichtliche Intervention nicht vorderhand zurückzuweisen ist, kann sich aber dennoch fragen, ob es gegenüber einer gerichtlichen Ersetzung nicht ein milderes Mittel darstellen würde, wenn das Gericht nach einem Fehlschlagen der Delegation nur dafür sorgt, dass ein von ihm ausgewählter Dritter die Aufgabe übernimmt. Maßgeblich sollte sein, inwieweit die Interessen der Parteien ein Abweichen von der Aufgabenverteilung, wie sie die Privatautonomie eigentlich vorsieht, erforderlich machen. Welche Lösung dem ursprünglichen Parteiwillen näher kommt, lässt sich kaum generalisierend beantworten. Dies zeigt sich etwa in den durchaus gegenläufigen Reaktionen im englischen Schrifttum auf die Sudbrook-Entscheidung.684 Die englische Entscheidung Collins v. Collins, in der der Versuch, Problemen bei der Durchführung der Drittbestimmung mit einer richterlichen Ersatzbenennung zu begegnen, verworfen wurde und die insoweit bis heute Bestand hat, lässt sich für die Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen nicht fruchtbar machen. Sie ist dafür noch zu stark in dem in England mittlerweile überwundenen Denken verhaftet, dass es den Parteien auf eine bestimmte, von ihnen ausgewählte Person, in die sie ihr Vertrauen gesetzt haben, ankam.685 682 Vgl. Unberath, Long-Term Contracts, S. 139: „Saving the contract is not, which should be stressed, an end in itself. Only those contracts ought to be saved which the parties pre­ sumably intended to remain binding.“ 683  Siehe zuletzt etwa den Überblick bei McMeel, Rn. 11.01 ff.; zur Entwicklung der Arbeit mit implied terms siehe R. Zimmermann, AcP 193 (1993), 121 ff. 684  Für die einen liegt die Durchsetzung der Pflicht, einen Schiedsgutachter zu ernennen, näher am Parteiwillen, Hodkinson, [1983] Conv. 76, 78. Für andere entspricht die gerichtliche Ersetzung eher dem Parteiwillen, Harpum/Jones, (1982) 41 CLJ 233, 235. Es handele sich daher nicht um „judicial paternalism“, Robertshaw, (1983) 46 MLR 493, 494. 685  Collins v. Collins (1858) 53 Eng. Rep. 916, 918 = 26 Beav. 306, 310.

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Von Interesse ist demgegenüber die Argumentation des deutschen Bundesgerichtshofs. Ansatzpunkte im Gesetz für eine gerichtliche Ersatzbestimmung wären durchaus vorhanden, und zwar im Bereich der Schiedsrichterbestellung (§ 1035 Abs. 3–5 ZPO) sowie bei der Auswahl eines gerichtlichen Sachverständigen (§ 404 ZPO). So ordnet etwa § 1035 Abs. 4 ZPO an: „Haben die Parteien ein Verfahren für die Bestellung vereinbart und handelt eine Partei nicht entsprechend diesem Verfahren oder können die Parteien … eine Einigung entsprechend diesem Verfahren nicht erzielen oder erfüllt ein Dritter eine ihm nach diesem Verfahren übertragene Aufgabe nicht, so kann jede Partei bei Gericht die Anordnung der erforderlichen Maßnahmen beantragen, sofern das vereinbarte Bestellungsverfahren zur Sicherung der Bestellung nichts anderes vorsieht.“686

Flankierend sieht § 1039 ZPO vor, dass ein Ersatzschiedsrichter nach dem ursprünglichen Bestellungsmechanismus zu bestellen ist, falls ein Schiedsrichter wegen erfolgreicher Ablehnung oder wegen einer Beendigung seines Amtes nach § 1038 ZPO (d.h. wenn er rechtlich oder tatsächlich außerstande ist, sein Amt zu erfüllen, oder aus anderen Gründen seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkommt) wegfällt. Die Auswahl des Sachverständigen im Prozess übernimmt ebenfalls das Gericht, allerdings nur dann, wenn sich die Parteien nicht auf einen Sachverständigen einigen können. Andernfalls ist das Gericht an die Wahl der Parteien gebunden (§ 404 Abs. 4 ZPO). Für eine Übertragung dieser Vorschriften haben sich vor allem Schlosser687 und Weismann688 ausgesprochen. Der Richter sei zur Auswahl eines Schiedsgutachters in der Lage, schließlich müsse er auch im Prozess Sachverständige 686  Siehe etwa zu einer gerichtlichen Bestellung des Obmanns eines Dreierschiedsgerichts durch das staatliche Gericht, nachdem die ersatzweise zur Bestimmung des Obmanns angerufene Präsidentin des OLG München ein Tätigwerden abgelehnt hatte, BayObLG v. 20.6.2000 BB 2000 Beilage 12, 21. 687 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34, 40 will nicht § 319 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern § 1039 ZPO anwenden, wenn der vorgesehene Schiedsgutachter, auch beim gestaltenden Schiedsgutachten, wegfällt oder seine Entscheidung verzögert. Dies sei „im Ergebnis ziemlich gleichlaufend“. Diese Schlussfolgerung ist jedoch schwer nachvollziehbar: Im Ergebnis besteht ja gerade der Unterschied, dass nicht der Richter an die Stelle des weggefallenen Dritten tritt, sondern das Verfahren gewissermaßen „von vorn“ beginnt. Außerdem B. Rauscher, S. 228 ff.; Sieveking, S. 440; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 8 (für feststellende Schiedsgutachten); Wangner, S. 50; O. Wolff, S. 39 (für die Qualitätsarbitrage). 688  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 318 f. (bezogen auf die CPO von 1877). Analog §§ 855, 857 CPO, die die Schiedsrichterbestellung bei fehlender Mitwirkung der Gegenseite oder Wegfall eines zunächst benannten Schiedsrichters regeln, könne eine Partei Klage erheben auf Ernennung eines Schiedsgutachters durch den Richter, wenn die andere Partei ihrer Verpflichtung zur Benennung nicht nachkomme. Weismann geht in seiner Analogie so weit, dass er die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens – mangels besonderer Vereinbarung – für hinfällig erachtet, wenn der schon im Vertrag benannte Dritte wegfällt, die Übernahme des Amtes ablehnt oder seine Tätigkeit „ungebührlich“ verzögert. Diese Regelung für die Schiedsvereinbarung (§ 859 CPO) dürfte nicht ohne weiteres übertragbar sein: Bei Außerkrafttreten der Schiedsvereinbarung stehen subsidiär die staatlichen Gerichte zur Streitentscheidung zur

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ernennen. Der Rechtsprechung bot sich eine Gelegenheit, an diese Vorschriften anzuknüpfen, als sie über die Folgen des Wegfalls des ursprünglich vorgesehen Schiedsgutachters entscheiden musste. Sie hielt jedoch, wie gesehen, jegliches Modell, in dem bei Ausbleiben der Bestimmung zunächst nur auf die Bestellung eines neuen Dritten geklagt werden könnte, für unzumutbar und einen Verstoß gegen die Grundsätze der Prozessökonomie.689 Ähnliche Erwägungen stellt das Schrifttum an, wenn es dort heißt, die Möglichkeit, eine gerichtliche Leistungsbestimmung zu beantragen, diene der „Vereinfachung“ gegenüber der Klage gegen einen widerspenstigen Dritten oder der Einschaltung eines neuen Dritten.690 Es sei deshalb dem Gericht versagt, lediglich einen neuen Dritten zu bestellen.691 Tatsächlich dürfte es in der Regel vom Einzelfall abhängen, ob der von einer Ersatzbenennung erhoffte Beschleunigungseffekt eintritt. Möglicherweise gelangt der als Ersatz benannte Dritte schneller zu einer Entscheidung als das Gericht. Denn das Gericht müsste sich unter Umständen selbst sachverständig beraten lassen – es ging den Parteien ja gerade darum, besondere Sachkunde zu nutzen692 –, und es käme daher später zu einem Abschluss des Verfahrens. Im Falle einer sorgfältigen Auswahl der Ersatzperson ist es zudem durchaus wahrscheinlich, dass sich die Parteien mit deren Spruch abfinden werden, während die richterliche Ersatzbestimmung für die Parteien, die ja eine nicht-staatliche Vertragsergänzung intendierten, eine geringere Legitimation haben und damit eine größere Gefahr, dass die Überprüfung in der nächsthöheren Instanz gesucht wird, bergen dürfte. Die gerichtliche Benennung eines neuen Dritten geht somit zumindest auf den ersten Blick sparsamer mit der Ressource Justiz um. Außerdem wollten die Parteien ja gerade ein nicht-staatliches Verfahren.693 Indem das Gericht lediglich einen neuen Dritten benennt, bleibt das Verfahren soweit wie möglich in privater Hand. Erkennt nun aber eine Partei, dass sie mit der vom Gericht ersatzweise benannten Person oder deren Spruch nicht einverstanden ist, muss ein neuer Prozess geführt werden, in dem sich das Gericht dann doch auch inhaltlich mit dem Gegenstand der Leistungsbestimmung auseinandersetzen muss. In diesem Fall Verfügung. Bei Entfallen der Schiedsgutachtervereinbarung fehlt es an einem Ersatzmechanismus. 689  Siehe oben § 4 D.I.1.d) (S. 230 f.); gegen eine Analogie zu § 1035 ZPO auch die bei Kröll, SchiedsVZ 2012, 136, 137 berichtete Entscheidung des OLG München v. 21.1.2011 – 34 SchH 9/10. 690  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 1; ­R ieble, S. 113 („Beschleunigungsmaxime“); Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1013. 691  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 25. 692  Das betont auch der BGH in dem oben geschilderten Fall BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388; ebenso BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74, 341, 345. 693  Allzu positivistisch weist der BGH diesen Einwand zurück in BGH v. 30.3.1979 BGHZ 74, 341, 345.

D. Fehlschlagen der Delegation: Subsidiäre richterliche Vertragshilfe

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würde die gerichtliche Befassung also nur hinausgezögert. Prozessökonomische Erwägungen geben folglich nicht zwingend für die eine oder die andere Lösung den Ausschlag. Sie deuten jedoch eine Präferenz für die gerichtliche Substitution der Entscheidung an. Mit dieser lässt sich dem Interesse der Parteien, das Geschäft aufrecht zu erhalten, mit größerer Sicherheit Rechnung tragen. Für diese Lösung spricht zudem der Gleichlauf mit der Rechtsfolge im Fall einer offenbar unbilligen Entscheidung.694 Dass beide Fälle der gleichen Regelung unterworfen werden sollten, hat auch der BGB-Gesetzgeber im Laufe seiner Beratungen erkannt und deshalb nicht, wie ursprünglich vorgeschlagen, nur im Fall der offenbaren Unbilligkeit, sondern auch im Fall des Ausbleibens der Bestimmung die richterliche Ersatzbestimmung vorgesehen.695 Umgekehrt verneint das französische Recht eine gerichtliche Ersatzbestimmung nicht nur, wenn der Dritte keine Bestimmung trifft, sondern auch dann, wenn er sie grob unbillig trifft.696 Die PECL enthalten keinen derartigen Gleichlauf. Für den Regelfall bestehen im Ergebnis keine Gründe, von der de lege lata nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB geltenden Reaktion auf ein Fehlschlagen der Delegation abzugehen. Wo den Parteien die darin vorgesehene gerichtliche Intervention zu intensiv erscheint, können und müssen sie selbst privatautonom Vorsorge für ein Fehlschlagen des ursprünglich vorgesehenen Mechanismus treffen. Diese Vorsorge kann in Deutschland freilich nicht in der Ernennung eines Ersatzschiedsgutachters durch das Gericht liegen.697 Wohl aber kann einem privaten Dritten die Aufgabe übertragen werden, erforderlichenfalls für Ersatz zu sorgen.

III. Ergebnis Wenn die im Bestimmtheitsgebot verankerte Aufgabenverteilung zwischen staatlichen Gerichten und privaten Parteien besagt, dass es Sache der Parteien ist, einen hinreichend bestimmten und damit vor Gericht durchsetzbaren Vertrag zu schließen, so müsste prima facie die Unwirksamkeit des Vertrages die Folge sein, wenn ein von den Parteien vorgesehener Mechanismus zur Herstellung dieser Bestimmtheit nicht zum Ziel führt und sie auch keinen Ersatz694  Rein prozessökonomisch könnte eine Ungleichbehandlung noch zu rechtfertigen sein: Um im Falle des Ausbleibens der Bestimmung einen Ersatz zu benennen, muss das Gericht sich nicht inhaltlich mit dem Gegenstand der von dem Dritten zu treffenden Entscheidung befassen. Bevor es indes eine grob unangemessene Bestimmung ersetzen kann, hat es zwingend Ressourcen für eine inhaltliche Auseinandersetzung aufgewendet, um überhaupt die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Dritten feststellen zu können. Die Ersatzbestimmung würde deshalb in diesem Fall nur einen geringeren Mehraufwand an Zeit und Kosten nach sich ziehen. Dieser Gedanke wurde bereits angedeutet in Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3894. 695  Siehe oben § 4 D.II.3.a) (S. 245 ff.). 696  Ausführlich unten § 14 C.II.2. (S. 678 ff.). 697  Siehe oben § 4 C.II.1.b) (S. 217 ff.).

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

mechanismus vereinbart haben. Diese Position entspricht im Grundsatz dem geltenden französischen Recht. Danach muss es den Gerichten verwehrt sein, einen unvollständig gebliebenen Parteiwillen zu ergänzen. Die richterliche Tätigkeit bleibt auf die Auslegung beschränkt. Erkennbar wird dahinter eine Auffassung von der Bestimmung durch einen Dritten als Ausnahme vom Bestimmheitsgebot – eine Auffassung, die oben698 bereits zurückgewiesen wurde. Zudem schwingt darin immer noch der Gedanke mit, der Dritte sei eine Vertrauensperson der Parteien, die nicht durch gerichtliche Entscheidung ersetzt werden dürfe. Überzeugender ist die vom englischen Recht und auch in § 319 BGB eingenommene Position, die im Falle des Fehlschlagens der Delegation das Gericht an die Stelle des Dritten treten lassen, sofern es den Parteien nicht ersichtlich um den Spruch genau jenes Dritten ging. Diese Lösung nimmt stärker Rücksicht auf den ursprünglichen Willen der Parteien, einen gültigen Vertrag zu schließen. Indem sie diesen Willen weiterdenkt und verwirklicht, stellt sie auch keinen Widerspruch zur Privatautonomie dar. Gegenüber der alternativ denkbaren Benennung eines neuen Dritten, die das Schiedsgutachtenverfahren in stärkerem Maße in privaten Händen lassen würde, hat die gerichtliche Ersatzbestimmung den Vorzug, dass sie größere Gewähr für das Aufrechterhalten des Vertrages bietet und zudem einen Gleichlauf mit den Rechtsfolgen einer offenbar unbilligen Entscheidung bewirkt. Die Fälle des Fehlschlagens der Delegation sind dabei nicht auf die im Gesetz erwähnten Fälle beschränkt, dass der Dritte die Bestimmung nicht vornehmen kann oder will oder sie verzögert. Vielmehr sind diese Fälle nur Beispiele eines allgemeinen Tatbestands, der etwa auch Schwierigkeiten bei der Benennung eines Dritten oder dessen späteren Wegfall umfasst.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe I. Einschaltung des Gerichts als Dritter? Falls es bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten zu Schwierigkeiten kommt, weil der Dritte seiner Aufgabe nicht nachkommen kann oder will, lässt § 319 Abs. 1 S. 2 BGB die Bestimmungsbefugnis auf den Richter übergehen. Ebenso ist der Richter zur Vornahme der Bestimmung aufgerufen, wenn er die Entscheidung des Dritten wegen offenbarer Unbilligkeit kassiert hat. Und selbst wenn der Richter die Entscheidung des Dritten nicht beanstandet, muss er sich doch zumindest inhaltlich mit ihr befassen, falls eine Partei mit der Ent698 

Siehe oben § 4 B.II.2. (S. 181 ff.).

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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scheidung des Dritten nicht einverstanden ist. Wenn es nun aber aus all diesen Gründen gut möglich erscheint, dass sich früher oder später ein Gericht mit der Meinungsverschiedenheit der Parteien befassen muss, können auf Schnelligkeit und Effizienz bedachte Parteien fragen, warum sie nicht von vornherein ein Gericht mit der Leistungsbestimmung betrauen sollen. Möglicherweise fehlender Sachverstand des Richters für die betreffende Materie müsste kein Hindernis darstellen, da er seinerseits einen Sachverständigen (§§ 402 ff. ZPO) einschalten kann.699 Eine maßgeblich von Schlosser geprägte Ansicht hält deshalb die Einsetzung eines staatlichen Gerichts als Schiedsgutachter für zulässig.700 Die ganz herrschende Meinung betrachtet demgegenüber eine richterliche „Vertragshilfe“701 infolge einer Delegation der Leistungsbestimmung an ein staatliches Gericht als unzulässig und eine entsprechende Vereinbarung als unwirksam. Im Kern beruft sich diese Ansicht auf einen numerus clausus der Gestaltungsklagen, der es verbiete, privatautonom neue gerichtliche Zuständigkeiten zu schaffen und auf diese Weise über die knappe Ressource702 staatliche Justiz zu disponieren.703 Ausgeschlossen wäre ein derartiges Vorgehen wohl auch nach englischem704 und angesichts des zuvor705 zum „office du juge“ Entwickelten auch nach französischem Recht. Auch in England gilt es als Angelegenheit des Gesetzgebers, die richterlichen Befugnisse zu bestimmen.706 Die Frage soll hier beschränkt auf das deutsche Recht untersucht werden, um daraus Erkenntnisse über die Rolle des Richters im Vertragsgefüge der Parteien zu gewinnen. Auszugehen ist dabei von dem häufig anzutreffenden Diktum, ein Gericht könne nicht „Dritter“ i.S.d. § 317 BGB sein.707 Diese Aussage greift für sich genommen zu kurz. Sie bedarf in zweierlei Hinsicht einer Qualifizierung. 699 

Generell skeptisch gegenüber den Fähigkeiten von Gerichten und Schiedsgerichten zur Regelung komplexer Fragen G. Bachmann, S. 270 f.; Unberath, Long-Term Contracts, S. 144; Horn, S. 61 f.; Maskow, S. 96. 700  Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 292 ff.; ders., Parteihandeln, S. 18 f.; Stein/Jonas/ders., vor § 1025 Rn. 34; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926. 701  Der Begriff meint eine Situation, in der den Parteien von außen dabei geholfen wird, eine Einigungsschwierigkeit zu überwinden. Er ist damit nicht beschränkt auf die Anpassung eines Vertrages an veränderte Umstände nach dem Vertragshilfegesetz v. 26.3.1952, BGBl. I, S. 198. Zu einem auf die Anpassung beschränkten Vertragshilfebegriff siehe Brox, JR 1960, 321. 702  Das Wort von der Rechtsgewährung als „knappes Gut“ geht zurück auf Benda, DRiZ 1979, 357, 362, der Überlegungen zu einem „Prinzip einer möglichst gerechten Zuteilung der nicht unbegrenzten Rechtsfindungsressourcen“ anstellt. 703  Siehe unten § 4 E.IV.3.a) (S. 293 ff.). 704  Kröll, S. 38 f.; ders., (1999) 2 Int. A.L.R. 9, 12; sowie zur Maxime „Courts do not make contracts“ oben bei Fn. 665. 705  Siehe oben § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.). 706  Kröll, S. 39. 707  BGH v. 5.1.1955 LM Nr. 3 zu § 317 BGB; BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390; BGH v. 3.2.1995 NJW 1995, 1360; BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64; BGH v. 8.4.1968 WM

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

II. Handeln als Richter oder Handeln als Privatperson? Erstens ist zu klären, ob die Parteien, die einen Richter (oder ein Richtergremium) als Dritten einschalten wollen, damit diesen Richter als Person oder in seiner Funktion als Gerichtsperson benennen wollten. Geht es ihnen lediglich darum, den Richter nicht in seiner Eigenschaft als Richter, sondern als Privatperson zu ermächtigen, so mögen damit allenfalls dienstrechtliche Fragen (§ 40 Abs. 1 DRiG)708 angesprochen sein.709 Eine unzulässige Erweiterung des Tätigkeitsbereichs staatlicher Gerichte kann darin von vornherein nicht erblickt werden.710

1. Schiedsgutachten als Urteil Ganz anders liegen die Dinge, wenn die Parteien den Richter tatsächlich in seiner Funktion als Richter einschalten und die schiedsgutachterliche Entscheidung einem gerichtsförmigen Verfahren unterstellen wollen. Diese Vorstellung der Parteien, ein Gericht werde in dieser Funktion als „Dritter“ tätig, manifestiert sich etwa in dem Versuch, die Entscheidung einem bestimmten Spruchkörper innerhalb des Gerichts zuzuweisen.711 Eine derartige Vereinbarung wäre nicht zulässig. Denn der Mechanismus, den die §§ 317–319 BGB vorsehen, passt nicht zu einem gerichtlichen Verfahren.712 Dies erhellt schon aus folgender Überlegung: Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, ist die Entscheidung des Dritten i.S.v. § 317 BGB unverbindlich, wenn sie offenbar unbil1968, 575; LG Mannheim v. 7.4.2009 – 2 O 1/07 (juris), Rn. 75; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 16; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 9; PWW/Medicus/M. Stürner, § 317 Rn. 5; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 2; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 280 (§ 12 I 5 a); Joussen, S. 40 (allerdings für Ausnahmen); Kornblum, S. 98; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926; speziell zur Bestimmung einer Vertragsstrafe siehe unten Fn. 768. A.A. Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 9. 708  Diese Vorschrift besagt, dass der Richter für eine Tätigkeit als Schiedsrichter oder Schiedsgutachter einer Nebentätigkeitsgenehmigung bedarf. Diese Genehmigung darf ihm nur erteilt werden, wenn die Parteien ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist. Sie ist zu versagen, wenn der Richter zur Zeit der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung mit der Sache befasst ist oder nach der Geschäftsverteilung befasst werden kann. Daneben gelten die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen über Nebentätigkeiten (§ 46 DRiG i.V.m. § 99 BBG und der Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst v. 15.10.1965 [BGBl. I, S. 1719] sowie § 71 DRiG i.V.m. § 40 BeamtStG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften). Ausführlich Schmidt-Räntsch, § 40 DRiG Rn. 3 ff.; Lachmann, Rn. 831 ff. m.w.N. (zur Parallelproblematik bei der Übernahme einer Schiedsrichtertätigkeit). 709  Siehe auch Sieveking, S. 75; Poulakos, S. 241 f. 710  Für Zulässigkeit auch BayObLG v. 8.12.1950 ZZP 64 (1951), 307, 310; Sieveking, S. 75. 711  So geschehen in dem von BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64 entschiedenen Sachverhalt, in dem die Parteien die Höhe der Vertragsstrafe von „der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main“ festsetzen lassen wollten. 712  Vgl. das parallele Argument von Kröll, S. 48 f. zur Unzulässigkeit einer Einsetzung eines Schiedsgerichts als Dritter i.S.d. § 317 BGB.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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lig ist. Wann eine Gerichtsentscheidung erfolgreich beanstandet werden kann, ist dagegen den Verfahrensordnungen zu entnehmen. Auch ein Gestaltungsurteil unterliegt der Nachprüfung durch die üblichen Rechtsbehelfe. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn nun, wie in § 319 BGB vorgesehen, ein Gericht (möglicherweise sogar das bestimmungsberechtigte)713 in dem von § 319 BGB vorgesehenen Verfahren durch Urteil die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens festzustellen und das fehlerhafte Schiedsgutachten zu ersetzen hätte. Den Parteien ist es auch nicht möglich, Rechtsbehelfe privatautonom zu modifizieren. Können sie schon nicht eine über § 1059 ZPO hinausgehende Überprüfung eines Schiedsspruchs vereinbaren,714 so ist ihnen das erst recht in einem dem staatlichen, nicht-privaten Bereich zuzurechnenden Gerichtsverfahren versagt. Mit den Verfahrensordnungen nicht vereinbar wäre es ebenso, gegen eine verzögerte Behandlung der Sache durch das Gericht eine auf Ersetzung der Entscheidung gerichtete Klage (möglicherweise sogar vor demselben Gericht) zuzulassen, wie dies eine Anwendung von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zur Folge hätte.

2. Schiedsgutachten als Justizverwaltungsakt Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wenn eine Entscheidung des OLG Stuttgart die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers (§ 2198 BGB) durch einen dazu mittels letztwilliger Verfügung ersuchten OLG-Präsidenten zu dessen kraft Gesetzes vorgegebenen Amtsbefugnissen rechnet.715 Seine mit Amtsbezeichnung unterschriebene und mit Dienstsiegel versehene Bestimmungserklärung sei daher eine öffentliche Urkunde, die trotz § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB keiner öffentlichen Beglaubigung bedurft habe.716 Die Übertragung des Bestimmungsrechts durch den Erblasser stelle jedoch – wie das OLG hervorhebt – keine unzulässige Erweiterung des Aufgabenkreises einer Behörde dar. Denn der OLG-Präsident sei zur Vornahme der Bestimmung nicht verpflichtet. Er könne vielmehr nach freiem Ermessen entscheiden, ob er von der Befugnis Gebrauch machen wolle. Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung sei nicht erforderlich, da es sich vorliegend um bürgerlich-rechtliche Amtsbefugnisse handele, die nicht dem Gesetzesvorbehalt unterlägen. Die Bestimmung des Testamentsvollstreckers stelle ein Geschäft der Justizverwaltung, einen „für713 Vgl.

Habscheid, MDR 1954, 392, 393. v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1057 (noch zum alten Schiedsrecht). Wegen dieser fehlenden Modifikationsmöglichkeit könne ein Schiedsgericht nicht Dritter i.S.d. § 317 BGB sein, Kröll, S. 48 f. 715  OLG Stuttgart v. 17.9.1985 NJW‑RR 1986, 7. 716  Da der bestimmungsberechtigte OLG-Präsident seine Bestimmung in notariell beglaubigter Form nachgeholt hatte, wäre es auf diese Frage freilich im Ergebnis gar nicht angekommen; der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der ersten Erklärung fehlte im Grunde das Rechtsschutzbedürfnis. Der Beschluss des OLG liest sich deshalb wie der Versuch des Gerichts, zusätzliche Aufgaben an sich zu ziehen. 714  BGH

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

sorglichen Akt der Rechtspflege“717 dar. Einen derartigen Akt den Amtsbefugnissen des OLG-Präsidenten als Organ der Rechtspflege zuzurechnen, gebiete „ein zeitgemäßes Verständnis“ seines Amtes.718 Dies Ergebnis entspreche auch den Erwartungen, „die von der Gesellschaft an das Amt eines Präsidenten des OLG herangetragen werden“.719 Erblasser würden mitunter Gerichtsvorstände zur Ernennung des Testamentsvollstreckers ermächtigen.720 Es erscheine „gekünstelt“, darin eine Ermächtigung des Adressaten als Privatperson zu erblicken. Ließe sich mit ähnlicher Begründung nicht auch die Befugnis eines OLG-Präsidenten zur Erstellung eines Schiedsgutachtens konstruieren? In mehreren anderen Fällen wurde die Möglichkeite einer privatautonomen Erweiterung des Geschäftskreises von Behörden und Gerichten um nicht gesetzlich übertragene Aufgaben verneint.721 Hierzu gehören insbesondere Entscheidungen, die es ablehnten, einen Schiedsrichter zu benennen.722 Das OLG Stuttgart grenzt diese Fälle ab, denn in keinem dieser Fälle sei es um Bestimmungsberechtigte gegangen, denen kraft Gesetzes die Geschäfte der Justizverwaltung zugewiesen gewesen seien. Doch auch als Justizverwaltungsakt kann die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers durch einen OLG-Präsidenten keinen Bestand haben. Im Rahmen der Justizverwaltung nehmen Behörden der Gerichtsbarkeit außerhalb eines anhängigen Verfahrens eine Verwaltungstätigkeit wahr.723 Diese Aufgaben gehören nicht zur Rechtsprechung, sondern zur 717 

OLG Stuttgart v. 17.9.1985 NJW‑RR 1986, 7, 8. OLG Stuttgart v. 17.9.1985 NJW‑RR 1986, 7, 8. 719  OLG Stuttgart v. 17.9.1985 NJW‑RR 1986, 7, 8. 720  So auch Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 1, allerdings ebenfalls nicht belegt. 721  OLG Hamm v. 8.7.1964 DNotZ 1965, 48 (Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch Amtsgerichtsdirektor nicht als Behördenleiter, sondern als Privatperson); OLG Neustadt v. 4.4.1951 DNotZ 1951, 339, 340; KG v. 18.6.1942 JFG 23 (1943), 306, 307 (Bestimmung eines Testamentsvollstreckers fällt in Zuständigkeitsbereich des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer); KG v. 5.5.1938 JW 1938, 1900 (Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch IHK-Präsidenten als Privatperson). 722  RG v. 17.10.1902 RGZ 53, 1 (Vorsitzender einer Zivilkammer); OLG Hamburg v. 19.9.1916 OLG 35, 159 (Landgericht); OLG München v. 14.12.1908 OLG 19, 165 (LG-Präsident); nicht entschieden werden musste die Frage in BayObLG v. 13.5.2002 NJW‑RR 2002, 1437 (LG-Präsident); BayObLG v. 16.1.2002 NJW‑RR 2002, 933 (LG-Präsident); BayObLG v. 20.6.2000 BayObLGZ 2000, 187 (OLG-Präsident). – Auch ein Großteil der Literatur geht davon aus, dass der Benennungsberechtigte nicht in amtlicher Funktion, sondern als Privatperson handele, Lachmann, Rn. 810 (zwar werde der Dritte regelmäßig nicht aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, sondern aufgrund seiner Stellung mit der Auswahl betraut, doch könnten Private nicht durch Vereinbarung den Kompetenzbereich von Gerichten oder Behörden erweitern); Stein/Jonas/Schlosser, § 1035 Rn. 8 (ausdrücklich auch auf OLG-Präsidenten bezogen); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1035 Rn. 6; H. Arnold, NJW 1968, 781 f. m.w.N. (keine privatautonome Erweiterung gesetzlicher Zuständigkeiten, denn eine private Entscheidung mit gewisser Hilfestellung durch die ZPO gehöre zudem zum „Wesen“ der Schiedsgerichtsbarkeit). Im Ausland wird dies teilweise anders gesehen, siehe Schlosser, RIPS, Rn. 596; H. Arnold, NJW 1968, 781, 782 mit Fn. 11. 723  Schilken, Rn. 254. 718 

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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allgemeinen öffentlichen Verwaltung.724 Sie können der Gerichtsbarkeit unter anderem deshalb, weil dort besondere Sachkunde oder ein innerer Zusammenhang mit anderen Gerichtstätigkeiten besteht, oder einfach aus Gründen der Tradition übertragen sein.725 Ein innerer Zusammenhang mit dem Aufgabenkreis der Behörde besteht vorliegend gerade nicht.726 Denn das BGB trifft in § 2200 eine eigene Regelung für eine gerichtliche Bestimmung des Testamentsvollstreckers und weist diese Bestimmung dem Nachlassgericht zu. Welchen Mehrwert daneben noch ein Verfahren zur amtlichen Bestimmung durch einen OLG-Präsidenten oder andere Personen, die Geschäfte der Justizverwaltung wahrnehmen, haben soll, ist nicht ersichtlich.727 Ein innerer Zusammenhang besteht deshalb allenfalls mit dem Aufgabenkreis des Nachlassgerichts. Und wenn die Bestimmung durch das Nachlassgericht eine Maßnahme der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, leuchtet nicht ein, weshalb die Bestimmung durch den OLG-Präsidenten ein – davon kategorial zu unterscheidender728 – Justizverwaltungsakt sein soll. Darüber hinaus bleibt das OLG Stuttgart eine Antwort schuldig auf die Frage, wie die Rekonstruktion der Bestimmungserklärung als Maßnahme der Justizverwaltung mit den zivilrechtlichen Mechanismen der Delegation in Einklang zu bringen ist. Ob eine Bestimmung des Testamentsvollstreckers die verbindlichen Vorgaben des Erblassers beachtet und auch im Übrigen wirksam ist, überprüft das Nachlassgericht, wenn es ein Testamentsvollstreckerzeugnis für den Benannten ausstellen soll.729 Dieses Verfahren ist jedoch nicht dafür geschaffen, die Wirksamkeit von Maßnahmen der Justizverwaltung auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts zu überprüfen.730 Nicht einzusehen ist ferner, warum der Staat für einen haftungsrelevanten Fehler bei der Auswahl einstehen

724 Stein/Jonas/Jacobs,

§ 1 GVG Rn. 7, 9; Kissel/H. Mayer, § 12 GVG Rn. 106. Schilken, Rn. 254; Kissel/H. Mayer, § 12 GVG Rn. 106. 726  So aber Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 3 in Verteidigung der Entscheidung des OLG Stuttgart. 727 Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 3, sieht einen Unterschied darin, dass das Gericht bei § 2200 BGB zur Bestimmung verpflichtet sei, während bei § 2198 BGB keine Verpflichtung des Bestimmungsberechtigten zum Tätigwerden bestehe. Richtig ist, dass der Dritte nach § 2198 BGB zur Benennung nicht verpflichtet ist (vgl. Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 2), doch auch das Nachlassgericht ist nur gehalten, nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob es dem Ersuchen des Erblassers nachkommen möchte (vgl. Palandt/Weidlich, § 2200 Rn. 4). Im Übrigen ist nicht erkennbar, weshalb dieser unterschiedliche Maßstab ein zusätzliches amtliches Bestimmungsverfahren erforderlich macht. 728  Kissel/H. Mayer, § 12 GVG Rn. 139. 729  W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 72. Beantragt der Benannte kein Testamentsvollstreckerzeugnis, kann nur im Rahmen eines Feststellungs‑ oder eines Unterlassungsprozesses geklärt werden, ob die Bestimmung wirksam war. 730  Gleichwohl müsste das Verfahren nach § 23 EGGVG wegen dessen Absatz 3 als subsidiär angesehen werden. 725 

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sollte.731 Auch ein OLG-Präsident bestimmt den Testamentsvollstrecker folglich als Privatperson.732 Die vom OLG Stuttgart zur Bestimmung eines Testamentsvollstreckers angestellte Überlegung, diesen Vorgang der Justizverwaltung zuzuordnen, vermögen also nichts an dem zuvor gefundenen Ergebnis zu ändern. Im Gegenteil erweist sich diese Zuordnung bei Schiedsgutachten nach den §§ 317 ff. BGB aufgrund der Kontroll‑ und Ersetzungsbefugnisse nach § 319 BGB als noch weniger passend. Wird ein Richter zum Schiedsgutachter bestellt, so wird er folglich stets als Privatperson tätig. Diese Annahme liegt offenbar auch § 40 DRiG zugrunde, der die schiedsgutachterliche Tätigkeit eines Richters ausdrücklich erwähnt und diese generell als Nebentätigkeit und nicht etwa als Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben begreift.

III. Aufgabenübertragung analog § 319 Abs. 1 BGB Damit aber noch nicht gesagt, dass die Parteien ein Gericht (in dieser Funktion) nicht zum Schiedsgutachter machen können. Denn die Aussage, ein Gericht könne nicht Dritter sein, bedarf noch einer zweiten Qualifizierung. Im Regelfall des Verfahrens nach § 317 BGB ist ein Gericht auf der zweiten Stufe der Entscheidung beteiligt: Nach § 319 Abs. 1 S. 1 BGB überprüft es die Leistungsbestimmung des Dritten und nimmt, falls es die Entscheidung des Dritten für offenbar unbillig hält, eine eigene Leistungsbestimmung vor. Schlägt die Delegation fehl, wird es sogar leistungsbestimmend tätig, ohne dass zuvor ein privater Dritter eine Entscheidung abgegeben hat. In diesem Fall wird im Grunde die erste Entscheidungsinstanz übersprungen – und zwar aus Gründen der Praktikabilität und um zu verhindern, dass der Vertrag der Unwirksamkeit wegen Unbestimmtheit anheimfällt. Ist es den Parteien nun auch gestattet, die „erste Instanz“ privatautonom zu überspringen, indem sie vereinbaren, dass ein Gericht unter Auslassung eines nach § 317 BGB eigentlich vorzuschaltenden Dritten sogleich die Leistungsbestimmung vornehmen möge?

731  Vgl. den Hinweis auf die unterschiedlichen Haftungsfolgen je nach Qualifikation des Handelns bei RG v. 5.5.1938 JW 1938, 1900 und W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 64. 732 So auch W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 56, 64; Münch­ Komm-­ BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 7; wie das OLG Stuttgart aber Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 2; Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 3.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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1. „Überspringung“ des Dritten bei Gestaltungsentscheidungen eines Schiedsgerichts Dieses Überspringungsmodell wird als Erklärung dafür herangezogen, weshalb es Vertragsparteien möglich sein soll, ein Schiedsgericht wirksam mit der Vornahme einer Leistungsbestimmung zu betrauen.733 Das Reichsgericht sah „keine Bedenken dagegen, daß in einem Vertrage bestimmt wird, die Festsetzung der Leistung durch einen oder mehrere Dritte mit der Möglichkeit der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit solle übergangen werden und es solle gleich an Stelle des ordentlichen Gerichts ein Schiedsgericht rechtsgestaltend die Leistung bestimmen“.734

Der Bundesgerichtshof übernahm diese Konstruktion.735 Sie liegt überdies jedenfalls implizit Entscheidungen zugrunde, in denen das Gericht eine Abgrenzung zwischen rechtsgestaltendem Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsverfahren für erforderlich hält und diese Abgrenzung (auch) daran ausrichtet, in welchem Umfang die von den Vertragsparteien begehrte Gestaltung durch den Dritten überprüfbar sein soll.736 Wollen die Parteien, so heißt es etwa in einem 733  Besonders deutlich RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193, 195 f. (Anpassung eines Pachtvertrages); RG v. 9.7.1937 ZAkDR 1937, 655 (bei Scheitern einer Einigung der Vertragspartner über die Höhe der Vertragsstrafe sollte diese von einem Schiedsgericht nach bestimmten Richtlinien, „in letzter Linie nach freiem Ermessen“ festgesetzt werden); BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 339 (Aufteilung der Sachwerte bei Auflösung einer oHG); BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1389; aus dem Schrifttum (teils nur mit generellem Hinweis, ein Schiedsgericht könne auch ohne vorherige Leistungsbestimmung durch einen Dritten zur Vertragsgestaltung ermächtigt werden) Kröll, S. 47 ff.; Zöller/Geimer, § 1030 Rn. 5; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 26; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 15; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 75; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 13; J.F. Baur, S. 56; Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 Rn. 25; ders., RIPS, Rn. 21; Schwab/G. Walter, Kap. 3 Rn. 7; U. Haas, ZEV 2007, 49, 54; Kornblum, S. 98 f.; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 151 Fn. 43; Berger, ZVglRWiss 102 (2003), 1, 27 ff. Nicht erkennbar wird diese Konstruktion in einigen anderen Entscheidungen, in denen eine Vertragsgestaltung durch ein Schiedsgericht für möglich gehalten wird. Freilich bieten diese Entscheidung auch keine alternative Konstruktion an, sondern betonen in erster Linie, dass die Befugnisse des Schiedsrichters weiter reichen können als diejenigen des staatlichen Richters. Siehe RG v. 1.2.1935 RGZ 147, 22 (Anordnung des Schiedsgerichts, eine oHG nicht aufzulösen, sondern in eine KG überzuleiten, konnte für vollstreckbar erklärt werden, da die Befugnisse eines Schiedsgerichts weitergehen können als die des ordentlichen Gerichts); OLG Koblenz v. 10.10.1958 MDR 1959, 130, 131 (Schiedsgericht sollte einen auf Abschluss eines Gesellschaftsvertrages über eine oHG gerichteten Vorvertrag ergänzen); BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056 (Ergänzung und Durchführung einer Auseinandersetzungsvereinbarung anlässlich einer Ehescheidung kann Aufgabe eines Schiedsgerichts sein). 734  RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193, 196. 735  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 339 (allerdings interpretierte der BGH die Parteivereinbarung im konkreten Fall als Schiedsgutachtenabrede). 736 Vgl. Kröll, S. 53 Fn. 194; siehe etwa BGH v. 27.5.1953 LM Nr. 7 zu § 1025 ZPO (Anpassung des Mietzinses, falls eine Einigung der Parteien scheitert); BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493 (Gestaltung einer Erbauseinandersetzungsvereinbarung zur Bereinigung der Streitigkeiten in einer Erbengemeinschaft); BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281 (Festsetzung eines

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Urteil aus dem Jahre 1953,737 dass die Entscheidung des Dritten von einem Gericht auf offenbare Unbilligkeit überprüft werden kann, so handelt es sich danach um ein Schiedsgutachten im Sinne der §§ 317 ff. BGB. Soll dagegen der Dritte „sogleich“ endgültig und urteilsgleich ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung entscheiden, so ist der Parteiwille auf die Einsetzung eines Schiedsgerichts gerichtet. Eine Abgrenzung zwischen beiden Instituten wäre unnötig, wenn einem Schiedsgericht nicht die primäre Bestimmung einer Leistung übertragen werden könnte. Die Verwendung des Wortes „sogleich“ deutet darauf hin, dass der schiedsgerichtlichen Leistungsbestimmung die Vorstellung zugrunde liegt, der Dritte werde übersprungen. In den zitierten Entscheidungen ging es überwiegend um Fälle einer Vertragsanpassung, etwa wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Gegebenheiten. Doch auch die Ergänzung eines Vertrages ist nach diesen Entscheidungen möglicher Gegenstand eines schiedsgerichtlichen Verfahrens. Um eine Vertragsergänzung handelt es sich insbesondere auch, wenn das Schiedsgericht eine bindende Auseinandersetzungsvereinbarung eines Personenverbands (z.B. einer Erbengemeinschaft) gestalten soll.738

2. Einwände gegen die schiedsgerichtliche Gestaltung, insbesondere Kompetenzgleichlauf Freilich existieren auch Gegenstimmen, die es nicht für zulässig halten, einem Schiedsgericht die Befugnis zur primären Leistungsbestimmung zu übertragen.739 Ein Einwand setzt daran an, dass die Leistungsbestimmung keine Entscheidung eines Rechtsstreits darstelle und damit keine schiedsrichterliche Aufgabe sein könne (§ 1029 Abs. 1 BGB).740 Streitrichterliche Funktion sei nur die Subsumtion unter Rechtsnormen, nicht aber die von einem Konflikt unabhängige Ergänzung oder Ersetzung einer Parteivereinbarung.741 Dieses Argument Werklohnanspruchs für die Erstellung von Kosten- und Finanzierungsplänen für ein Bauvorhaben – im Fall wurde ein Schiedsgutachten angenommen); BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910 (Anpassung des Mietzinses für ein Tankstellengrundstück); alle unter Berufung auf die soeben zitierte Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 153, 193. 737  BGH v. 27.5.1953 LM Nr. 7 zu § 1025 ZPO; die Formulierung findet sich wieder in BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910. 738  Unklar insofern Kröll, S. 53, der in BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493 keinen Fall einer schiedsrichterlichen Ergänzung eines unvollständigen Vertrages erblickt. Am Ende des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Schiedsverfahrens stand jedoch ein vom Schiedsgericht aufgestellter Auseinandersetzungsplan; zugleich hatte das Schiedsgericht die einzelnen Pflichten zum Vollzug des Plans ausgeurteilt. Damit hat es den streitenden Miterben aber die Aufgabe abgenommen, privatautonom eine Auseinandersetzungsvereinbarung zu schließen, und somit an deren Stelle Vertragsbestimmungen aufgestellt. 739  Vgl. den Überblick bei Kröll, S. 49 ff. 740  Ebbing, S. 266 f.; Herriger, JW 1935, 1785. 741  Ebbing, S. 266 f.; Jonas, JW 1937, 532 f.; Herriger, JW 1935, 1785.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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lässt sich bereits entkräften, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch der Wunsch nach einer schiedsrichterlichen Gestaltung von einer Meinungsverschiedenheit und also einem Streit ausgelöst wird. Der Begriff des Rechtsstreits sollte nicht zu eng gefasst werden.742 Vor allem aber belegen die richterlichen Befugnisse aus den §§ 315 Abs. 3 S. 2, 319 Abs. 1 BGB und verwandte Erscheinungen (z.B. §§ 343, 655 BGB), dass die begehrte Gestaltung Gegenstand eines Rechtsstreits sein kann.743 In diesen Normen wird einem Richter gerade die gestaltende Ergänzung des Parteiwillens zugewiesen. Gewichtiger ist der Einwand, die schiedsrichterlichen Befugnisse dürften nicht weiter reichen als die eines staatlichen Richters.744 Da Schiedsspruch und staatliches Urteil in § 1040 ZPO weitgehend gleichgestellt werden, dürfe ein Schiedsspruch nur dort erlassen werden, wo auch ein staatliches Gericht eine Entscheidung treffen könne.745 Nach dieser Ansicht besteht also ein „Kompetenzgleichlauf“746 zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht. Bevor freilich auf dieses – im Ergebnis zurückzuweisende747 – Argument eingegangen werden kann, ist die ursprünglich aufgeworfene Frage nach den Entscheidungsbefugnissen des staatlichen Richters näher zu untersuchen. Der Seitenblick auf vertragsergänzende Schiedssprüche an dieser Stelle hatte in erster Linie den Zweck, eine denkbare rechtstechnische Konstruktion für ein leistungsbestimmendes Gestaltungsurteil – nämlich die „Überspringung“ des Dritten – heranzuziehen. Es fragt sich nunmehr, ob auch der staatliche Richter – in dieser Funktion – unter Überspringung eines Dritten zu einer Leistungsbestimmung ermächtigt werden kann.

3. „Überspringung“ des Dritten bei der richterlichen Festsetzung einer Vertragsstrafe Zur Beantwortung empfiehlt es sich, zunächst einen Themenkomplex herauszugreifen, in dem diese Frage besonders eingehend diskutiert wurde, nämlich die Bestimmung der Höhe einer Vertragsstrafe. 742 

Schwab/G. Walter, Kap. 3 Rn. 7. So auch Kröll, S. 50 f.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 32 Fn. 72. 744  Habscheid, FS Lehmann II, S. 797 (allerdings nur für rechtsbegründende Gutachten, da es durchaus rechtsändernde Urteile staatlicher Gerichte gebe); Lionnet/Lionnet, S. 59 f.; B. Rauscher, S. 175 f.; Ernemann, S. 29 ff.; sowie noch RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71, 73 (zu einem feststellenden Schiedsgutachten bei Auseinandersetzung einer Handelsgesellschaft): Der Schiedsrichter dürfe nur, was auch dem Richter im ordentlichen Rechtsweg zustehe. Durch die bloße Feststellung werde ein Rechtsstreit weder ganz noch teilweise erschöpft, was aber wesentliche Voraussetzung für einen Schiedsvertrag sei. 745  Habscheid, FS Lehmann II, S. 797; ders., KTS 1957, 129, 132; B. Rauscher, S. 175; Ernemann, S. 29; F. Harder, S. 81; R. Werner, ZEV 2011, 506, 508 (die beiden Letztgenannten zum letztwilligen Schiedsgericht). 746  Kröll, S. 54; Lionnet/Lionnet, S. 59. 747  Siehe unten § 4 E.IV.3.b) (S. 302). 743 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Nach § 343 Abs. 1 BGB kann ein Gericht eine verwirkte Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabsetzen, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist. Der Richter hat dabei eine „freiere Stellung“ inne, die ihn nicht auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt.748 Vielmehr kommt ihm – zumindest nach herrschender Meinung – eine Gestaltungsaufgabe zu. Sein Urteil ist ein (je nach prozessualer Situation: verdecktes) Gestaltungsurteil.749 Wie bei § 319 BGB, so scheint jedoch auch hier das Gesetz den Richter nur subsidiär, nämlich zur Korrektur einer von den Parteien getroffenen Entscheidung, einschalten zu wollen. Ob ein Richter auch mit der Erstbestimmung der Vertragsstrafe betraut werden kann, ist seit vielen Jahrzehnten umstritten.

a) Delegation der Vertragsstrafenbestimmung Die Parteien können bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe ein Interesse daran haben, dass deren Festsetzung nicht mit dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung über ihre Höhe und einer möglichen gerichtlichen Herabsetzung befrachtet wird.750 Die Gefahr, nach Festlegung einer Vertragsstrafe vom Gericht zu erfahren, dass die Strafe unverhältnismäßig hoch751 angesetzt war, lässt sich reduzieren, indem die genaue Höhe der Vertragsstrafe im Vertrag zunächst offen bleibt und sich die Parteien lediglich auf einen Bestimmungsmechanismus einigen.752 Drei derartige Bestimmungsmechanismen sind nach ganz überwiegender Ansicht zulässig: (i) die Delegation an den Vertragsstrafengläubiger (§ 315 BGB)753, (ii) die Delegation an einen Drit748 Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 1; R. Zimmermann, Moderationsrecht, S. 90 („ungebundene Stellung“), dort auch zur Entstehung der Vorschrift. Auch hier (siehe oben § 2 B.II.4.b) [S. 67 ff.]) ist umstritten, ob die Herabsetzung auf ein angemessenes Maß eine Ermessensentscheidung darstellt. Dies wird zum Teil verneint mit dem Argument, nur eine bestimmte Vertragsstrafenhöhe könne „angemessen“ sein, so etwa Stoffel, S. 96; Brüggemann, S. 269. 749 Zöller/Greger, Vor § 253 Rn. 8; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 8; Musielak/Foerste, Vor § 253 Rn. 17; Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 50 ff.; Erman/S. Schaub, § 343 Rn. 6; Münch­Komm-­ BGB/P. Gottwald, § 343 Rn. 1; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 378 (§ 24 II a); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 778 (§ 34 IV 1 b); Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 11; Stoffel, S. 83 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 34; a.A. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 138 ff. (Feststellungsentscheidung, da sich auch ein Dritter in präjudiziellen Zusammenhängen auf die unverhältnismäßige Höhe der Gestaltungsentscheidung berufen könne). 750  Jedenfalls soweit nicht § 348 HGB eine gerichtliche Herabsetzung der von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochenen Vertragsstrafe verhindert. 751  Oder aber auch unangemessen niedrig, so dass beispielsweise im Rahmen einer vertragsstrafenbewehrten Unterwerfung die Gefahr einer Wiederholung des Wettbewerbsver­stoßes nicht ausgeräumt wird, Harte/Henning/Brüning, § 12 Rn. 200. Freilich erwartet Lin­dacher, S. 78, dass eine von den Parteien festgesetzte Vertragsstrafe eher zu hoch ausfallen dürfte, da der Schuldner bei Abgabe seines Versprechens nicht damit rechne, die Strafe zu verwirken. 752 Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 136 f. 753  BGH v. 23.11.1970 WM 1971, 165, 166; Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 28; Erman/S. Schaub, § 339 Rn. 2; Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 137; Palandt/Grüneberg, § 339

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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ten (§ 317 BGB)754 und, davon zu unterscheiden,755 (iii) die Delegation an ein Schiedsgericht756. Doch bleibt in allen drei Fällen die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Die Bestimmung durch den Gläubiger oder einen Dritten kann nach den §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB überprüft werden. Diese Kontrolle ist nach überwiegender Ansicht gegenüber der Herabsetzung als speziellere Vorschrift vorrangig und macht zugleich eine Kontrolle nach § 343 Abs. 1 BGB entbehrlich.757 Es dürfte aber vom Richter zu verlangen sein, dass er die bei § 343 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden Faktoren in die Billigkeitskontrolle einstellt, insbesondere also das Vermögensinteresse des Gläubigers, die Schwere der Vorwerfbarkeit oder die Folgen der Pflichtverletzung.758 Da die Parteien die Garantie eines Ermäßigungsrechts in § 343 Abs. 1 BGB nicht unterlaufen dürfen, können sie die Kontrolle nach §§ 315, 319 BGB auch nicht im Voraus ausschließen oder erschweren, weder unmittelbar noch mittelbar, indem sie das nicht justitiable freie Belieben als Entscheidungsmaßstab vereinbaren.759 Die Festsetzung durch ein Schiedsgericht schließlich ist zwar nicht nach den §§ 315, 319 Rn. 17; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5; ders., S. 81 ff.; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 117 Fn. 30; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960; Reichel, AcP 136 (1932), 169, 201; siehe auch noch die Nachweise unten Fn. 770 zum „neuen Hamburger Brauch“. – Differenzierend jedoch ­L arenz, Schuldrecht I, S. 377 (§ 24 II a) mit Nachw. aus dem älteren Schrifttum: Zulässig sei nur die Delegation an einen Dritten, die Unterwerfung unter das „Strafdiktat“ des Gläubigers sei „mit Rücksicht auf die hier stets unvermeidliche Interessenkollision“ sittenwidrig und damit nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB. 754  Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 28; Erman/S. Schaub, § 339 Rn. 2; Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 137; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 17; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5; ders., S. 78; ders., BB 1978, 270; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960; Bötticher, ZfA 1970, 3, 33. – Einen Sonderfall behandelt BGH v. 26.5.1999 BGHZ 141, 391: Die Treuhandanstalt hatte als Dritte i.S.d. § 317 BGB über den Verzicht auf eine Vertragsstrafe und nicht über deren Höhe zu entscheiden. 755  Wie sonst auch sind Schiedsgutachten und Schiedsverfahren zu trennen. Deshalb ist es schief, wenn Erman/S. Schaub, § 339 Rn. 2 das Schiedsgericht als Dritten bezeichnet. Die Befugnis zur schiedsrichterlichen Gestaltungsentscheidung beruht nicht auf § 317 BGB, sondern auf § 319 Abs. 1 BGB, siehe oben § 4 E.III.1. (S. 275 f.). 756 RG v. 9.7.1937 ZAkDR 1937, 655; Münch­ Komm-­BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 30; Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 146; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5; Palandt/Grüneberg, § 343 Rn. 3; Erman/S. Schaub, § 339 Rn. 2; Bötticher, ZfA 1970, 3, 31 ff.; Lindacher, BB 1978, 270. 757  BGH v. 30.9.1993 NJW 1994, 45, 46; BGH v. 31.5.1990 NJW‑RR 1990, 1390, 1391; BGH v. 23.11.1970 WM 1971, 165, 166; Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 142; Münch­Komm-­ BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 29; Soergel/Lindacher, § 343 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 17; Erman/S. Schaub, § 343 Rn. 2; B. Kaiser, S. 189; Flume, FS Bötticher, S. 129; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1961 f.; Reichel, AcP 136 (1932), 169, 201. Teilweise abweichend ­Köhler, FS Gernhuber, S. 214 f. mit Nachw. zum Streitstand. 758  BGH v. 30.9.1993 NJW 1994, 45; Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 143, 104; B. Kaiser, S. 188. 759 Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 143; ­Köhler, FS Gernhuber, S. 213 f.; Lindacher, WRP 1975, 7, 8. ­R ieble will darüber hinaus auch die von einem Dritten bestimmte Strafhöhe auf einfache, nicht nur auf offenbare Unbilligkeit kontrollieren. – In RG v. 9.7.1937 ZAkDR 1937,

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

BGB kontrollierbar. Sie unterliegt jedoch der Überprüfung im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO.760

b) Der „alte Hamburger Brauch“ Bleiben damit auch diese Mechanismen zur nachträglichen Bestimmung der Strafhöhe mit der Unsicherheit ihrer Unverbindlichkeit und der Gefahr einer gerichtlichen Auseinandersetzung behaftet, ist es verständlich, dass findige Parteien den Wunsch hatten, die Bestimmung von vornherein einem Gericht zu überlassen.761 In die Tat umgesetzt wurde dieser Wunsch in Unterwerfungs­ vereinbarungen, in denen sich der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in einer von einem genau bezeichneten Gericht – gegebenenfalls innerhalb eines bestimmten Strafrahmens – festzusetzenden Höhe verpflichtete. Für Vereinbarungen dieser Art hat sich die Bezeichnung „alter Hamburger Brauch“ eingebürgert, da sie zunächst vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, später auch anderswo für zulässig erachtet wurden.762 Als das OLG Hamburg in einer Entscheidung aus dem Jahre 1963 erstmals eine derartige Vereinbarung billigte, lehnte es sich an die bereits etablierte Möglichkeit an, ein Schiedsgericht „unter Überspringung der zunächst berufenen Bestimmungsinstanz (Dritter)“ mit der Vervollständigung des Parteiwillens zu betrauen.763 „Um so weniger“ bestünden Bedenken, mit dieser Begründung ein staatliches Gericht die Bestimmung treffen zu lassen.764 Das Gericht wird also nicht als „Dritter“ im Sinne des § 317 BGB tätig, sondern als Instanz zur Ersetzung einer unverbindlichen oder ausgebliebenen Drittbestimmung. Dass das Gericht „Dritter“ sein könne, wurde auch in späteren Entscheidungen nicht behauptet, sondern im Gegenteil ausdrücklich abgelehnt.765 In seinem Urteil aus dem Jahre 1968 wandelte das OLG Hamburg das „Überspringungs“-Argument etwas ab: Übersprungen werde nicht die Leistungsbestimmung eines (fiktiven) Dritten, 655 hatte das Reichsgericht eine schiedsgerichtliche Vertragsstrafenbestimmung nach freiem Ermessen für zulässig gehalten. 760  Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 30; Bötticher, ZfA 1970, 3, 31. 761  Ein Bedürfnis der Praxis „nach richterlicher Erstleistungsbestimmung, um den Vertragsinhalt schnell und rechtssicher zu konkretisieren“, konzediert auch (im Ergebnis jedoch ablehnend) Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 22. 762  OLG Hamburg v. 11.7.1962 JZ 1963, 172; OLG Karlsruhe v. 26.3.1975 WRP 1975, 306. Das in diesem Zusammenhang ebenfalls häufig zitierte Urteil OLG Hamburg v. 16.5.1968 WRP 1968, 301 deutet indes schon eine Abkehr von dieser Rechtsprechung an, dazu sogleich. 763  OLG Hamburg v. 11.7.1962 JZ 1963, 172, 173. Speziell für die Bestimmung einer Vertragsstrafe RG v. 9.7.1937 ZAkDR 1937, 655. 764  OLG Hamburg v. 11.7.1962 JZ 1963, 172, 173. 765  OLG Hamburg v. 16.5.1968 WRP 1968, 301, 302; OLG Karlsruhe v. 26.3.1975 WRP 1975, 306, wo allerdings sodann unklar postuliert wird, das Gericht entscheide nach § 315 BGB.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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sondern eine (von den Parteien freilich nicht ausdrücklich vereinbarte) Bestimmung durch den Gläubiger, die angesichts der Weigerung des Schuldners „nutzlose Förmelei“ sei.766 Mit dieser gewundenen Konstruktion war es dem Gericht möglich festzustellen, es sei „als hoheitlich tätig werdendes Prozeßgericht und nicht etwa als ein auf privatrechtlicher Basis tätig werdender Schiedsgutachter“ zuständig.767 Der Hinweis in dem Urteil, Zuständigkeiten von Behörden würden durch Gesetz, nicht durch Parteivereinbarung geschaffen, nimmt sich danach wie ein Lippenbekenntnis aus.

c) Der „neue Hamburger Brauch“ Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht erteilten dieser Gestaltung eine Absage:768 Zulässig sei es nach den §§ 315, 317 BGB zwar, die Bestimmung der Vertragsstrafe einer der Vertragsparteien (in der Praxis: dem Gläubiger) oder einem Dritten zu übertragen. Staatliche Gerichte könnten aber nicht Dritte im Sinne des § 317 BGB sein,769 sondern seien allenfalls subsidiär nach §§ 315 766  OLG Hamburg v. 16.5.1968 WRP 1968, 301, 302. Die in einem Prozessvergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung „bei Meidung einer vom Gericht festzusetzenden Vertragsstrafe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung“ sei „dahin auszulegen, jedenfalls aber nach § 140 BGB dahin umzudeuten, daß im Falle einer Zuwiderhandlung zunächst einmal der Kläger eine ihm angemessen erscheinende Vertragsstrafe von der Beklagten zu fordern hat und erst bei Verweigerung ihrer Zahlung das Gericht angerufen werden soll“. Zustimmend ­Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.144. 767  OLG Hamburg v. 16.5.1968 WRP 1968, 301, 302. Das Gericht wollte auf diese Weise einen Gleichlauf mit der Zuständigkeit des Prozessgerichts erster Instanz zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO herstellen. 768  BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64 (ebenso bereits die Vorinstanz OLG Frankfurt v. 15.7.1976 WRP 1976, 563); BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB (= NJW 1981, 1799); zuvor auch schon LG München I v. 8.5.1974 WRP 1974, 709 unter Berufung auf eine unveröffentlichte Praxis des OLG München. – In tatsächlicher Hinsicht mag eine Rolle gespielt haben, dass in dem vom BGH zu entscheidenden Fall die Delegation an das Gericht in einer vorprozessualen Unterwerfungserklärung enthalten war, während den Urteilen, die eine Delegation für möglich hielten, ein Prozessvergleich zugrunde lag. Stehen sich die Parteien wie im Fall des Prozessvergleichs bereits vor Gericht gegenüber, mag die Hemmschwelle, eine Delegation für zulässig zu erachten, niedriger liegen. 769  Unter Berufung auf BGH v. 5.1.1955 LM Nr. 3 zu § 317 BGB: Mit der Vereinbarung, dass über die Bedeutung einer Vertragsbestimmung die ordentlichen Gerichte entscheiden sollen, könne keine Bestimmungsbefugnis nach § 317 BGB begründet werden; vielmehr komme den zur Streitentscheidung berufenen ordentlichen Gerichten die Aufgabe zu, die zwischen den Parteien streitige Vertragsbestimmung auszulegen. Ein ordentliches Gericht könne innerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises niemals Dritter i.S.d. § 317 BGB sein. Zur Begründung beruft sich der BGH lediglich auf die Entscheidungen RG v. 25.6.1942 RGZ 169, 232, 237 (Vereinbarung, das ordentliche Gericht solle im Streitfall die Anteilsquoten zweier Gemeinschafter feststellen, sei kein Schiedsabkommen, da die Fällung eines Schiedsspruchs nicht zu den Aufgaben des ordentlichen Gerichts gehöre) und OLG Bamberg 22.9.1949 NJW 1950, 917: Nach dieser letztgenannten Entscheidung konnte die Feststellung der Angemessenheit von Ersatzraum in einem Räumungsvergleich nicht dem staatlichen Gericht als Schiedsgutachter oder Schiedsrichter übertragen werden, da die sachliche Zustän-

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB zur Festsetzung aufgerufen. Es sei auch nicht möglich, die Parteiabrede „abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch“ so auszulegen, dass darin eine Unterwerfung unter eine einseitige Bestimmungsbefugnis des Gläubigers mit subsidiärer Bestimmungsbefugnis des Gerichts zu erblicken sei. Den Hinweis auf zulässige Gestaltungen hat die Praxis dankbar aufgegriffen: Dem sogenannten „neuen Hamburger Brauch“ entspricht es nun, die Bestimmung der Vertragsstrafe – mit oder ohne Angabe einer Obergrenze – dem Gläubiger oder einem Dritten zu überlassen.770 Zur Ruhe gekommen ist die Diskussion um die gerichtliche Primärbestimmung der Vertragsstrafe trotz der eindeutigen Haltung von BGH und BAG jedoch nicht.771

digkeit der Gerichte auf die durch Gesetz übertragenen Angelegenheiten beschränkt sei und weder durch Parteivereinbarung noch durch eine Entscheidung des Gerichts auf andere Angelegenheiten erstreckt werden könne. Einen entsprechenden Schiedsgutachtervertrag könnten deshalb weder die Parteien untereinander noch mit dem Gericht schließen. Dem Gericht dürfe nicht einmal die Ernennung eines Gutachters, dann erst recht nicht die Erstattung des Gutachtens selbst übertragen werden (vgl. RG v. 28.11.1918 RGZ 94, 172). Schiedsgutachtervertrag wie Schiedsvertrag hätten vielmehr den Zweck, den ordentlichen Rechtsweg auszuschließen. – Freilich hat BayObLG v. 12.1.1950 NJW 1950, 909 ein Schiedsgutachten über die Angemessenheit einer Ersatzwohnung durch das Vollstreckungsgericht für zulässig erachtet, ohne sich vertieft mit der Frage auseinanderzusetzen. Die Entscheidung dürfte daher als „Ausreißer“ zu betrachten sein. 770  BGH v. 12.7.1984 NJW 1985, 191 = GRUR 1985, 155 (Vertragsstrafe bis zu … I); BGH v. 14.2.1985 NJW 1985, 2021 = GRUR 1985, 937 (Vertragsstrafe bis zu … II); BGH v. 31.5.1990 NJW‑RR 1990, 1390 = GRUR 1990, 1051 (Vertragsstrafe ohne Obergrenze); BGH v. 30.9.1993 NJW 1994, 45 = GRUR 1994, 146 (Vertragsstrafebemessung); Harte/Henning/ Brüning, § 12 Rn. 202 ff. (mit Formulierungsbeispiel in Rn. 204); ­Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.142 ff. m.w.N.; Staudinger/­Rieble, § 339 Rn. 35; ­Köhler, FS Gernhuber, S. 212 ff.; Lin­ dacher, BB 1978, 270. Kritisch Heckelmann/Wettich, WRP 2003, 184, 188; Pastor, GRUR 1974, 423, 425 mit Fn. 27 und 31 sowie ders., WRP 1974, 710, 711, mit dem Argument, der Ausdruck „Geldsumme“ sowie die Möglichkeit der Herabsetzung in § 343 BGB implizierten, dass es sich um eine zahlenmäßig bestimmte Geldsumme handeln müsse. Andernfalls würde außerhalb von § 890 ZPO ein unzulässiges „kaufmännische[s] Privatstrafrecht“ geschaffen. Allerdings gilt richtigerweise hier, wie sonst auch, dass die Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit ausreicht. Die Ordnungsmittel nach § 890 ZPO und eine Vertragsstrafe – die bereits unterschiedliche Gläubiger haben – stehen nach herrschender Ansicht funktionsverschieden nebeneinander, BGH v. 5.2.1998 BGHZ 138, 67, 68 ff. m.w.N.; Staudinger/­Rieble, Vorbem zu §§ 339 ff Rn. 108 ff.; Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, Vor § 339 Rn. 52 ff.; Zöller/Stöber, § 890 Rn. 7; Harte/Henning/Brüning, § 12 Rn. 243; für eine Funktionsidentität dagegen Lindacher, WRP 1975, 7; eine Annäherung der vom Gläubiger festzusetzenden Vertragsstrafe an die Ordnungsmittel des § 890 ZPO erkennt D. Fischer, FS Piper, S. 214. 771  Dies zeigt allein ein Blick in die – nach wie vor geteilte – Kommentarliteratur. Siehe, den alten Hamburger Brauch bejahend, Erman/S. Schaub, § 339 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/ P. Gottwald, § 339 Rn. 31; Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5. Dagegen Palandt/Grüneberg, § 339 Rn. 17; Bamberger/Roth/Janoschek, § 339 Rn. 2; Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 145; ­Köhler/ Bornkamm, § 12 Rn. 1.144.

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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IV. Keine primäre richterliche Vertragshilfe Auf den geschilderten Versuch, ein Gericht mit der Festsetzung der Höhe einer Vertragsstrafe zu betrauen, wird häufig erwidert, es gehöre nicht zu den Aufgaben staatlicher Gerichte, „beim Vertragsschluss der Parteien und der Festsetzung der einzelnen Vertragsbedingungen mitzuwirken, soweit im Einzelfall nicht ein anderes bestimmt ist“.772 Die Parteien könnten nicht durch eine vertragliche Vereinbarung dem Gericht die Aufgabe übertragen, den Inhalt eines von ihnen geschlossenen Vertrages durch eine vertragsgestaltende Tätigkeit zu ergänzen.773 Auf jegliche Leistungsbestimmung bezogen heißt es, das kontradiktorische Verfahren habe nicht den Sinn, den Parteien die Mühe ihrer Vertragsgestaltung abzunehmen.774 Die Justiz dürfe nicht in den Dienst „entscheidungsunwilliger Parteien“ gestellt werden.775 Wo das Gesetz keine richterliche Gestaltung vorsehe, werde die Privatautonomie zur Pflicht: Die Parteien seien „als die Hauptbetroffenen“ dazu aufgerufen, sich zunächst selbst zu helfen.776 Konflikte, so ist plakativ zu lesen, seien zu lösen und sollten nicht den Gerichten zugeschoben werden.777 Freilich darf diese Aufgabenverteilung, wie gesehen,778 nicht so verstanden werden, als dürften die Parteien ihre Aufgabe überhaupt nicht delegieren.779 Privatautonomie ist delegierbar, und gerade § 317 BGB zeigt, dass Parteien, die selbst nicht zu einer Einigung über alle Punkte gelangen können oder wollen, Hilfe von dritter Seite einholen dürfen. Jedoch, so die Gegner einer primären richterlichen Vertragshilfe weiter, könnten die Parteien ihre Aufgabe primär nur auf einen Privaten delegieren. Dieser Private könne auch ein Schiedsgericht sein, nur an ein staatliches Gericht könnten die Parteien ihre Aufgabe nicht primär weiterreichen.780 Danach sieht die Aufgabenverteilung zwischen privaten Parteien und staatlichem Gericht also so aus, dass es einerseits Aufgabe der Parteien ist, einen wirksamen und vollständigen Vertrag zu schließen, dass sie andererseits aber diese Aufgabe auf andere private Stellen, nämlich gestaltende 772  BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB. Siehe auch BGH v. 8.4.1968 WM 1968, 575, wo die einleitende Feststellung, Vertragsgestaltung sei grundsätzlich keine richterliche Aufgabe, eher als Lippenbekenntnis erscheint, wenn der BGH sodann einen „angemessenen“ Mietzins festsetzt, obwohl die Parteien in dem Vertrag über die Anpassung des Mietzinses keine Regelung getroffen hatten. 773  BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64. 774 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23; ebenso Staudinger/ders., § 343 Rn. 145; Kröll, S. 57. 775 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 22. 776  Grunewald, ZZP 101 (1998), 152, 164 f. 777 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23; Köndgen/König, ZIP 1984, 129, 132. 778  Siehe oben § 4 B.III. (S. 187); Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23. 779  So aber LG Mannheim v. 7.4.2009 – 2 O 1/07 (juris), Rn. 75; auch die soeben zitierte Ansicht von Grunewald, ZZP 101 (1998), 152, 164 f. geht in diese Richtung. 780 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 25.

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Schiedsgutachter und Schiedsgerichte, delegieren können. Eine richterliche Vertragshilfe wäre danach immer allenfalls subsidiär.781 Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass das Gericht nach den §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 S. 2 BGB keineswegs nur kontrollierend eingreift.782 Immer wenn ein Dritter die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder sie verzögert, erfolgt die Bestimmung durch gerichtliches Urteil. Eine kontrollfähige Bestimmung liegt in diesen Fällen nicht vor. Vielmehr wird der Richter originär rechtsgestaltend tätig.783 Mangels einer Richtschnur durch den Spruch eines privaten Dritten, den er zunächst zu überprüfen hat, muss er selbst – meist mit Hilfe eines Sachverständigen – die maßgeblichen Interessen ermitteln und die nötigen Bewertungen vornehmen. Auch diese Tätigkeit bleibt freilich subsidiär; sie ist nur statthaft, wenn der eigentlich von den Parteien vorgesehene Mechanismus ausfällt.784 Gernhuber weist in diesem Zusammenhang auch auf andere Konstellationen hin. So hat es die Rechtsprechung seit längerer Zeit anerkannt, dass Parteien die Präzisierung ihres Vertragsinhalts einer späteren Einigung vorbehalten und bei Scheitern ihrer Verhandlungen aber dem Richter die Bestimmung überantworten dürfen.785 Außerdem gebe es eine richterliche Erstbestimmung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung.786 Es sei bei staatlichen Gerichten eine Tendenz zu beobachten, „unbestimmtes Vertragsrecht gestaltend (und nicht nur interpretierend) zu präzisieren“.787 Dieser Tendenz sei nicht generell mit Skepsis zu begegnen; richterliche Vertragsgestaltung habe sich vielfach bewährt.788 Sie stehe aber „in einem Spannungsverhältnis zum Gedanken der Privatautonomie, in dem jede Zeit für sich die Felder abzugrenzen hat“.789 Dieses Spannungsfeld zeigt sich etwa bei der ergänzenden Vertragsauslegung.790 Es zeigt sich aber auch in der vorliegenden Frage nach der – im Gegensatz zur ergänzenden Vertragsauslegung: offenen791 – primären richterlichen 781 

Siehe insbesondere Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 23; J.F. Baur, FS Steindorff, S. 517. § 343 Rn. 145; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599 f. 783 Vgl. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 296 (§ 12 III 5 c): Der Richter „bestimmt nicht korrigierend, sondern im ersten Zugriff.“ 784  Siehe oben § 4 D. (S. 224 ff.). 785  Dazu bereits oben § 4 B.II.1. (S. 177 ff.). 786  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 b). 787  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 c). 788  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 c); siehe auch bejahend zur Vertragsgestaltung als richterlicher Aufgabe Kröll, S. 48; Salzmann, S. 51. 789  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 c). 790  Siehe nur G. Bachmann, S. 238 ff.; Heinrich, S. 48 f.; Singer, S. 52 („Störlösung des Gesetzgebers im Interesse des Verkehrs“); M. Wolf/Neuner, AT, § 35 Rn. 66 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 216. Dabei besteht eine Tendenz anzunehmen, dass die ergänzende Vertragsauslegung zwar die Privatautonomie unterstützt, indem sie hilft, unvollkommene Verträge sinnvoll durchzuführen. Sie bleibe dabei jedoch heteronom. 791  Kröll, S. 14 f. 782 Staudinger/­R ieble,

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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Vertragsgestaltung. Zu deren Beantwortung sollen zunächst zwei grundsätzliche Einwände gegen eine derartige richterliche Funktion untersucht werden (unten 1.), bevor nach dem Eingehen auf vermittelnde Ansichten (unten 2.) mit einem aus der Privatautonomie begründeten numerus clausus der Gestaltungsklagen der entscheidende Grund gegen diese Funktion herausgearbeitet werden kann (unten 3.).

1. Grundsätzliche Einwände a) Rechtsschutzverkürzung durch „Überspringung“ des Dritten? Wird das Gericht, wie es die Konstruktion des OLG Hamburg will, tatsächlich nicht als „Dritter“, sondern ersatzweise nach §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB tätig, könnte sich folgendes Problem ergeben: Gegen die Entscheidung eines privaten Dritten steht die gerichtliche Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit offen, die sodann zu einer gerichtlichen Ersetzung der Drittentscheidung führen kann. Wird die Stufe der Drittentscheidung übersprungen, fällt diese Kontrolle aus. Es wird deshalb gegen diese Konstruktion eingewendet, dass dadurch der Rechtsschutz verkürzt werde.792 Dies widerspreche, so wird insbesondere gegen die gerichtliche Festsetzung einer Vertragsstrafe vorgetragen, den Interessen des Schuldners der Vertragsstrafe, der sich von der Delegation der Straffestsetzung gerade eine angemessene Berücksichtigung seiner Interessen erhoffe.793 Darauf erwidern die Verfechter der gerichtlichen Primärbestimmung, dass es kaum rechtsstaatlichen Bedenken unterliegen könne, ein unabhängiges Organ in einem mit allen Rechtsschutzgarantien ausgestatteten Verfahren die Festsetzung treffen zu lassen.794 Im Übrigen müsste dieses Argument ebenso die schiedsgerichtliche Festsetzung der Vertragsstrafe treffen, die aber weitgehend unangefochten anerkannt ist.795 Die schiedsgerichtliche Festsetzung ist nicht nach § 319 BGB kontrollierbar, sondern unterliegt nur den Aufhebungsgründen der ZPO.796 Es sei aber durchaus vorstellbar, dass Parteien einem staatlichen Gericht größeres Vertrauen entgegenbrächten als einem privaten Dritten oder einem Schiedsgericht.797 Im Übrigen werde auch bei der Übertragung der Erstbestimmung an ein Schiedsgericht nicht der Rechtsschutz verkürzt, da das Schiedsgericht bei der Festsetzung die Grundsätze des § 343 BGB zu beachten habe.798 792 

BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB; Pastor, GRUR 1974, 423, 425 Fn. 31. BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB. 794  Lindacher, WRP 1975, 7, 8; ders., AP Nr. 7 zu § 339 BGB; vgl. auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599. 795  Lindacher, AP Nr. 7 zu § 339 BGB. 796  Siehe oben bei Fn. 760. 797  Lindacher, AP Nr. 7 zu § 339 BGB. 798  Bötticher, ZfA 1970, 3, 33. 793 

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Entscheidend dürfte sein, dass die Parteien selbst ihren Rechtsschutz in noch weitergehender Form beschneiden können. Die herrschende Ansicht hält es für zulässig, dass Parteien – zumindest in einem Individualvertrag – die gerichtliche Kontrolle einer Drittbestimmung nach § 319 BGB abbedingen.799 Der Dritte hat dann in den zwingenden Grenzen der §§ 134, 138 BGB das letzte Wort. Ein Rechtsschutz gegen offenbare Unbilligkeit findet nicht statt. Wenn die Parteien § 319 BGB nicht abbedingen wollen, bleiben ihnen andere Wege einer Einwirkung auf ihre Rechtsschutzmöglichkeiten. Mildere Formen sind etwa die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands (§ 38 ZPO) oder der Abschluss einer Schiedsvereinbarung800.

b) Vertragshilfe als Domäne der freiwilligen Gerichtsbarkeit? Richterliche Rechtsgestaltung und Vertragshilfe begegnen in ganz verschiedenen Zusammenhängen. Dies zeigen einige Beispiele:801 So übt ein Gericht etwa eine gestaltende Tätigkeit aus, wenn es einen Vertrag infolge einer Störung der Geschäftsgrundlage anpasst.802 Einen gestaltenden Charakter kann auch die richterliche Entscheidung im Rahmen der Verteilung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen anlässlich einer Ehescheidung nach §§ 1568a, 1568b BGB haben.803 Besonders deutlich wird dies dort, wo der Richter überhaupt erst 799 

Siehe unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). Dass die subsidiäre Leistungsbestimmung nach § 319 Abs. 1 BGB einem Schiedsgericht an der Stelle des dort genannten staatlichen Gerichts anvertraut werden darf, ist unstreitig, siehe unten § 16 B.III.1. (S. 788). 801 Jedenfalls „de facto“ hat auch das Urteil, das auf die Klage eines Teilhabers einer Bruchteilsgemeinschaft auf Zustimmung zu einer billigen Regelung der Verwaltung und Benutzung aufgrund von § 745 Abs. 2 BGB ergeht, eine gestaltende Wirkung (Münch­Komm-­ BGB/K. Schmidt, §§ 744, 745 Rn. 38; siehe auch Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 74). Indes ist dieser Anspruch nach ganz h.M. im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, da die Klage auf Zustimmung zu einer vom Kläger zu formulierenden Regelung lautet, siehe nur Münch­ Komm-­BGB/K. Schmidt, §§ 744, 745 Rn. 38 m.w.N.; Staudinger/Langhein, § 745 Rn. 57. 802 Erman/Hohloch, § 313 Rn. 40; Eckelt, S. 115; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2698; H. Rösler/Massing, ZGS 2008, 374, 377. Nach altem Schuldrecht vollzog sich die Vertragsanpassung nach nahezu einhelliger Meinung kraft Gesetzes, siehe nur BGH v. 19.11.1971 NJW 1972, 152; Münch­Komm-­BGB/Finkenauer, § 313 Rn. 82; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 41, M. Wolf/Neuner, AT, § 42 Rn. 32, alle m.w.N.; differenzierend aber Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 146, 155. Als rechtsgestaltend wurde die Tätigkeit nur ganz vereinzelt angesehen, so aber Horn, AcP 181 (1981), 255, 279 f. und obiter BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493, 1493. – Umstritten ist, ob die Anpassung einen bezifferten Klageantrag erfordert, siehe nur bejahend Zöller/Greger, § 253 Rn. 13c; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 253 Rn. 94; NKBGB/Krebs, § 313 Rn. 94; verneinend Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 44 (wegen der für den Kläger kaum vorhersehbaren Ergebnisse); Musielak/Foerste, § 253 Rn. 35; H. Rösler/Massing, ZGS 2008, 374, 378 f. 803  Siehe nur Münch­Komm-­BGB/Wellenhofer, § 1568a Rn. 48; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 29 Rn. 10 ff.; A. Roth, FamRZ 2008, 1388 ff.; Götz/Brudermüller, FamRZ 2009, 1261, 800 

E. Delegation an ein Gericht: Primäre richterliche Vertragshilfe

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ein Mietverhältnis über die Wohnung begründet. So erlaubt ihm § 1568a Abs. 5 BGB die Begründung eines Mietverhältnisses über die Ehewohnung zwischen dem Ehegatten, der Anspruch auf deren Überlassung hat, und der zur Vermietung berechtigten Person zu ortsüblichen Bedingungen.804 Nach § 21 Abs. 8 WEG fällt dem Gericht die Aufgabe zu, nach billigem Ermessen eine Regelung zu treffen, wenn den Wohnungseigentümern eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme – etwa zur Regelung des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums – nicht gelingt. Die gerichtliche Entscheidung beruht auf der Gestaltungsklage eines Wohnungseigentümers, mit der er eine Regelung nach billigem Ermessen begehrt.805 Die Vorschrift ermöglicht dem Gericht eine Gestaltung materiellen Rechts.806 Es handelt sich um die Beilegung einer Regelungsstreitigkeit.807 Die Klage ist jedoch nur zulässig, wenn sich der klagende Wohnungseigentümer zuvor um eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung bemüht hat.808 Diese mit der WEG-Novelle eingeführte Vorschrift soll den einzelnen Wohnungseigentümer davon befreien, abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in seinem Klageantrag eine bestimmte Maßnahme zu bezeichnen.809 Als Vorbild der Norm sah der Gesetzgeber § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.810 Ebenfalls eine Gestaltungsentscheidung ist die in § 660 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene Verteilung einer ausgelobten Prämie unter mehreren Personen, die einen Mitwirkungsbeitrag zum Erfolg der vom Auslobenden begehrten Handlung geleistet haben.811 Auf die Befugnis des Gerichts zur Gestaltung des Mietver1263 f. (dort auch zur Einschränkung von Gestaltungsbefugnissen gegenüber der Hausratsverordnung). Die Verfahren nach der Hausratsverordnung, dem Vorläufer der §§ 1568a, 1568b BGB, werden von Joussen, S. 72 ff. als eines von zwei Beispielen richterlicher Vertragsgestaltung beschrieben. Das andere Beispiel ist die richterliche Ordnung des Gebrauchs von Gemeinschafts‑ und Sondereigentum nach § 15 Abs. 3 WEG a.F., dazu sogleich. Vor Joussen bereits Bötticher, FS Lent, S. 95 f., der als dritten, inzwischen obsoleten Streittyp noch Auseinandersetzungen nach dem Vertragshilfegesetz hinzufügte. 804  Das heißt: teilweise abweichend von den dispositiven Regeln der §§ 535 ff. BGB, da ortsüblich beispielsweise eine Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter sein dürfte, vgl. Blank, WuM 2009, 555, 556; Götz/Brudermüller, NJW 2010, 5, 9 f. 805 Bärmann/Klein, § 15 WEG Rn. 49 f. Alternativ kann diese Aufgabe einem Schiedsgericht übertragen werden, vgl. Elzer, ZWE 2010, 442 f. 806 Bärmann/Merle, § 21 WEG Rn. 198; ders., ZWE 2008, 9. Siehe auch OLG München v. 22.12.2009 NJOZ 2010, 1872, 1873 (Gericht „erlässt“ den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung). 807 Bärmann/Merle, § 21 WEG Rn. 202; siehe auch Bärmann/Klein, § 15 WEG Rn. 49. 808 BGH v. 15.1.2010 BGHZ 184, 88; Bärmann/Merle, § 21 WEG Rn. 207; MünchKomm‑BGB/Engelhardt, § 21 WEG Rn. 52. 809  BT-Drucks. 16/887, S. 28; Bärmann/Pick, § 21 WEG Rn. 56; Bärmann/Merle, § 21 WEG Rn. 199 (Wohnungseigentümer wäre zur Stellung eines bestimmten Antrags kaum in der Lage). 810  BT-Drucks. 16/887, S. 28; MünchKomm‑BGB/Engelhardt, § 21 WEG Rn. 51; Merle, ZWE 2008, 9. 811 Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 11; a.A. wohl Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 132 ff. auf der Grundlage seiner These, dass die festzusetzenden Leistungen objektiv

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trages nach § 574a BGB wurde oben bereits hingewiesen.812 Die Abweichung vom Antragsgrundsatz in § 308a ZPO ermächtigt das Gericht dazu, diese Gestaltungsentscheidung im Räumungsprozess auch ohne Antrag des Mieters zu treffen. Eine Parallelnorm zu § 574a Abs. 2 BGB für Landpachtverträge findet sich in § 595 Abs. 6 BGB; ferner ermöglicht § 595a Abs. 2 BGB gerichtliche Anordnungen für die Abwicklung eines vorzeitig gekündigten Landpachtvertrags. Die Rechtsgestaltung nach § 343 BGB, der die Herabsetzung des Mäklerlohns in § 655 BGB nachgebildet ist,813 wurde oben bereits behandelt.814 Ebenso sind hier die richterlichen Befugnisse nach den §§ 315 Abs. 3 S. 2, 319 Abs. 1 BGB zu nennen. Diese – keineswegs abschließende – Übersicht über richterliche Befugnisse zur Vertragsgestaltung belegt, dass die (Um‑)Gestaltung privater Verträge keine gänzlich ungewohnte richterliche Tätigkeit darstellt.815 Sie widerlegt zugleich die häufig anzutreffende Bemerkung, richterliche Vertragshilfe bei Regelungsstreitigkeiten gehöre grundsätzlich zur freiwilligen Gerichtsbarkeit.816 Richtig an dieser These ist zwar, dass Entscheidungen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig – vermutlich häufiger als Urteile in ZPO-Verfahren – einen gestaltenden Charakter tragen. In der Denkschrift zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von 1897 heißt es über das „Wesen der nichtstreitigen Rechtspflege“, dass „deren Aufgabe der Hauptsache nach nicht auf die Entscheidung über das Bestehen von Rechten, sondern auf eine Thätigkeit gerichtet ist, durch welche Rechtsverhältnisse begründet, abgeändert oder aufgehoben werden sollen“.817 Entsprechend hält sich bis heute die Ansicht, dass Gestaltungsklagen generell – also nicht nur solche, die auf eine „Vertragshilfe“ abzielen – weniger eine Angelegenheit der streitigen als vielmehr feststehen und nur subjektiv ungewiss sind. Zu dieser These siehe bereits oben § 2 B.II.4.b) (S. 67 ff.). 812  Siehe oben Fn. 381. 813  Münch­Komm-­BGB/H. Roth, § 655 Rn. 1 (§ 655 BGB „gehört zu den seltenen Vorschriften einer geltungserhaltenden Reduktion durch Richterspruch“); Bamberger/Roth/ Kotzian-Marggraf, § 655 Rn. 1, 10; Erman/O. Werner, § 655 Rn. 1; Palandt/Sprau, § 655 Rn. 1. 814  Siehe oben § 4 E.III.3. (S. 278). Zur Unterscheidung zwischen Festsetzung und Herabsetzung Kisch, Urteilslehre, S. 133 ff.; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 72 ff., 132 ff.; Stoffel, S. 76 ff., 103 ff. Siehe auch die Präzisierung von Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 101, 111 der zwischen Festsetzung, Herabsetzung und Verteilung der Leistung differenziert. 815  Siehe aber Bötticher, DRW 7 (1942), 125, 129; Stoffel, S. 6, 9. 816 So etwa Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23; Staudinger/ders., § 343 Rn. 145; Joussen, S. 63 ff.; Röhl, ZZP 86 (1973), 326 (echtes richterliches Ermessen gebe es nur in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, „richterliches Ermessen“ in der streitigen Gerichtsbarkeit sei in Wahrheit stets die Befugnis zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe); Rothe, AcP 151 (1950/51), 33, 39; vgl. ferner die Nachweise in Fn. 819. Wie hier Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 72 ff. (mit weiteren Beispielen), der allerdings die Klagen nach §§ 315, 319, 343 BGB nicht als Gestaltungsklagen ansieht (ebenda S. 142); Hess, S. 402 f.; Stoffel, S. 172 ff., 182; Salzmann, S. 53 f.; Brox, JR 1960, 321, 321 f.; Bötticher, DRW 7 [1942], 125, 131. 817  Hahn/Mugdan, Bd. VII, S. 38.

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der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellten.818 Dies gelte besonders für Gestaltungsurteile, durch die der Richter eine Leistungspflicht festsetze oder herabsetze und damit eine ordnende Funktion wahrnehme.819 Einige der zuvor genannten Verfahren, etwa die gestaltende Tätigkeit nach den §§ 1568a, 1568b BGB, zählen in der Tat zur freiwilligen Gerichtsbarkeit.820 Andere hingegen, etwa solche nach § 21 Abs. 8 WEG, werden als ZPO-Verfahren vor der streitigen Gerichtsbarkeit geführt.821 Besonders augenscheinlich wird die fehlende Überzeugungskraft des Gestaltungscharakters einer richterlichen Entscheidung für die Zuordnung zur freiwilligen oder zur streitigen Gerichtsbarkeit im Falle gerichtlicher Anordnungen über die Fortsetzung eines gekündigten Gebrauchsüberlassungsvertrages. Derartige Auseinandersetzungen sind Sache der streitigen Gerichtsbarkeit, sofern es um einen Wohnraummietvertrag geht.822 Liegt dem Verfahren hingegen ein Landpachtvertrag zugrunde, ist die Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen.823 Dass ein Streit der Sache nach eine richterliche Vertragsgestaltung betrifft, beweist demnach nichts für seine Zuordnung zur streitigen oder zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Gründe, die den Gesetzgeber dazu bewegen, eine Auseinandersetzung dem einen oder dem anderen Zweig der ordentlichen Gerichtsbarkeit, innerhalb derer beide Zweige gleichwertige Bestandteile bilden,824 zuzuweisen, sind anderer Natur. Maßgeblich dürfte sein, welche Verfahrensgrundsätze besser passen.825 818 Ausführlich Lakkis, S. 47 ff. m.w.N. Als Vertreter dieser Ansicht siehe z.B. Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 253 Rn. 10: Bei Gestaltungsklagen übe das Gericht eine verwaltende Tätigkeit aus. Diese Klagen seien daher begrifflich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuweisen. 819  Dazu wiederum Lakkis, S. 47 ff.; Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 16; sowie insbesondere Calavros, S. 127 m.w.N. 820  Siehe § 200 FamFG. Im Gegensatz zu den Vorschriften der Hausratsverordnung sind die §§ 1568a, 1568b BGB als Anspruchsgrundlagen ausgestaltet. H. Roth, JZ 2009, 585, 587 erkennt darin eine „beifallswerte … Tendenz“ zu einer Beschränkung des sozialen Ausgleichs durch Richterspruch; kritisch demgegenüber Gernhuber/Coester-Waltjen, § 29 Rn. 10. In der Tat kann das Gericht nunmehr etwa eine Wohnung nur noch auf Antrag und nur noch an den beantragenden Ehegatten zuweisen, Staudinger/Weinreich, § 1568a Rn. 6; Münch­Komm-­ BGB/Wellenhofer, § 1568a Rn. 5, 9; Götz/Brudermüller, NJW 2010, 5 ff. In der Sache freilich orientiert es sich dabei nach wie vor am Tatbestandsmerkmal der Billigkeit, vgl. BR-Drucks. 635/08, S. 43. Auch die rechtsgestaltenden Folgen des Ausspruchs, insbesondere gegenüber Dritten, bestehen fort. 821  Siehe nur Merle, ZWE 2008, 9. 822  Dies erkennt auch Joussen, S. 76 Fn. 174, der aber gleichwohl daran festhält (S. 76 unten), dass die richterliche Vertragsgestaltung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört. 823 §§ 9, 1 Nr. 1 LwVG. 824  H. Roth, JZ 2009, 585 (zumindest nach der umfassenden Kodifikation im FamFG sowie der Änderung von § 2 EGGVG und § 12 GVG). 825  In diesem Sinne A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 290 (für den allerdings, bezogen auf das Gesellschaftsrecht, die freiwillige Gerichtsbarkeit der „normale Weg“ ist); Hess, S. 402 f.; siehe auch die Differenzierung bei Stoffel, S. 179 ff. (freiwillige Gerichtsbarkeit, wenn dem Richter zur Regelung komplexer Rechtsverhältnisse ein echtes Wahlrecht zusteht). Siehe

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§ 4 Delegation und Aufgabenverteilung

Gegen die Begründung einer richterlichen Befugnis zur Vertragsgestaltung lässt sich also nicht einwenden, eine derartige Angelegenheit sei Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit.826 Denn dieser Einwand würde einen einheitlichen materiellen Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstellen, den es nicht gibt.

2. Richterliche Gestaltung bei besonderem Bedürfnis? Somit ist festzuhalten: Die Leistungsbestimmung könnte grundsätzlich richterliche Aufgabe sein. Sie könnte auch den Gegenstand eines Verfahrens vor der streitigen Gerichtsbarkeit bilden. Ob und wann eine Delegation an ein Gericht zulässig ist, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Zwei vermittelnde Ansichten wollen diese Frage abhängig vom Einzelfall beantworten. Manfred Wolf hält die Übertragung von Gestaltungsbefugnissen auf den staatlichen Richter grundsätzlich für legitim.827 Es müsse jedoch ein berechzur Überführung der WEG-Streitigkeiten aus der freiwilligen in die streitige Gerichtsbarkeit BT-Drucks. 16/887, S. 12 (Verhandlungsgrundsatz statt Amtsermittlung, Möglichkeiten der Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens nach ZPO); Niedenführ, NJW 2007, 1841, 1843; H. Roth, JZ 2009, 585, 586. Der WEG-Reformgesetzgeber bezeichnete die Zuweisung der WEG-Sachen zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die es keinen überzeugenden Grund gebe, als „unsystematisch“, BT-Drucks. 16/887, S. 12. Entsprechend gab bei den §§ 1568a, 1568b BGB für den Verbleib in der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Ausschlag, dass der Gesetzgeber gerade kein von der Parteiherrschaft bestimmtes ZPO-Verfahren wollte, siehe BR-Drucks. 635/08, S. 43. Spätestens mit dieser bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ist auch das Argument (Stoffel, S. 180 f., 183) entkräftet, der Gesetzgeber habe ordnend-gestaltende richterliche Entscheidungen nur deshalb im Zivilprozess belassen, weil er ihre Sonderstellung noch nicht erkannt habe. – Nicht vertieft werden müssen hier Ansätze in der Literatur, auf Ermessensentscheidungen im Zivilprozess den Amtsermittlungsgrundsatz anzuwenden, dazu (im Ergebnis ablehnend) Stoffel, S. 182 ff. m.w.N. 826  Nicht weiterführend ist in diesem Zusammenhang die von Joussen, S. 64 vorgeschlagene Unterscheidung zwischen einer subsidiären richterlichen Vertragsgestaltung nach dem Beispiel des § 319 BGB und einer originären richterlichen Vertragsgestaltung, die regelmäßig Sache der freiwilligen Gerichtsbarkeit sei. Unter einer originären Gestaltung versteht er Fälle, in denen „der staatliche Richter schon von vornherein dazu ausersehen ist, als Dritter qua Amt bei fehlender Einigungsfähigkeit der Parteien die Leistung zu bestimmen“. Diese Terminologie führt gleich doppelt in die Irre: Zum einen ist der Richter auch in den von Joussen als originär bezeichneten Fällen nur nachrangig nach den Parteien zur Gestaltung aufgerufen. Nur wenn sie sich nicht einigen können, kann überhaupt das Gericht um Hilfe ersucht werden. Auch hier wird es somit „subsidiär“ tätig. Das gilt insbesondere in den beiden von Joussen hauptsächlich behandelten Beispielen der Ehewohnungs‑ und Haushaltssachen (zum „Vorrang der gütlichen Einigung“ Staudinger/Weinreich, Vorbem zu §§ 1568a und b Rn. 5, 40 ff.; Götz/Brudermüller, FamRZ 2009, 1261, 1267) und WEG-Sachen (siehe oben Fn. 808). Irreführend ist die Terminologie zum anderen, weil sie übersieht, dass sich die Parteien nicht nur für das Fehlschlagen einer Drittbestimmung, sondern auch für das Scheitern eines bilateralen Einigungsversuchs auf eine richterliche Bestimmung einigen können (dazu oben § 4 B.II.1. [S. 179 ff.]). Nach Joussens Terminologie wäre dies eine originäre Gestaltung. Sie folgt aber den Grundsätzen der subsidiären Gestaltung der §§ 315 ff. BGB und ist insbesondere Sache der streitigen Gerichtsbarkeit. 827 Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 56 und 6, § 317 Rn. 9. Die von M. Wolf zur Unterstützung

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tigtes Bedürfnis für die Übertragung bestehen, „da eine unnötige Inanspruchnahme des Gerichts nach Möglichkeit vermieden werden muß und nach dem für das Prozeßrecht maßgebenden Rechtsschutzbedürfnis die Parteien grundsätzlich den einfacheren Weg einschlagen müssen“. Unzulässig sei die gerichtliche Primärbestimmung daher, sofern „die Parteien oder Dritte aufgrund ihrer Sachnähe und Kenntnisse die Bestimmung besser treffen können“. Darauf ist zu erwidern, dass kaum ein Fall vorstellbar ist, in dem ein Gericht in einer besseren Lage ist als die Parteien oder ein von ihnen eingesetzter Sachverständiger.828 Zudem ist sehr zweifelhaft, ob Parteien, die bewusst einen unvollständigen Vertrag schließen, sich auf ein berechtigtes Bedürfnis für die Delegation der Entscheidung an den Richter berufen können.829 Nach Ansicht von Mayer-­Maly hingegen begründet die Delegation der Primärbestimmung an ein Gericht nur die Möglichkeit, nicht aber eine Pflicht zur richterlichen Gestaltung.830 Dagegen ist einzuwenden, dass ein Gericht sich nicht nach Belieben in einem Fall für zuständig und im anderen für unzuständig erklären darf.831 Wenn eine gerichtliche Primärbestimmung zulässig ist, dann muss sie dies nach verlässlichen und voraussehbaren Regeln sein, nicht nach einer Entscheidung im Einzelfall. Stattdessen legt die Ansicht Mayer-­Malys ein weiteres Argument gegen die Delegation an ein Gericht offen: Der von den Parteien benannte Dritte ist ohne vertragliche Vereinbarung – gewöhnlich in einem Schiedsgutachtervertrag – zur Leistungsbestimmung nicht verpflichtet. Eine gerichtliche Kompetenz müsste aber stets auch die Verpflichtung zum gerichtlichen Tätigwerden enthalten.

3. Numerus clausus der Gestaltungsklagen In Wirklichkeit muss die primäre richterliche Leistungsbestimmung de lege lata als unzulässig angesehen werden. Diese Einschätzung beruht auf folgenden Erwägungen: Eine Klage auf Vornahme der Bestimmung wäre eine Gestaltungsklage; eine Klage auf eine vom Gericht zu bestimmende Leistung eine verdeckte Gestaltungsklage.832 Für Gestaltungsklagen vor staatlichen Gerichten nimmt seiner Ansicht zitierten Urteile des RG passen freilich nicht: In dem ersten Urteil (RG v. 8.5.1907 RGZ 66, 116, 121) ging darin um die Verurteilung zur Zustimmung zu einem hinreichend bestimmten Vorvertrag. Das andere Urteil (RG v. 1.3.1913 JW 1913, 541) betraf die subsidiäre richterliche Bestimmung, falls die Parteien sich nicht darüber verständigen können, wie eine Vertragslücke zu schließen ist. 828  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 601. Siehe aber die Einschätzung in BGH v. 12.7.1984 NJW 1985, 191, 192: Das Gericht habe die besseren Erkenntnismöglichkeiten zur Angemessenheit einer Vertragsstrafe als der Gläubiger. 829  Salzmann, S. 52. Schon rein praktisch verneint ein derartiges Bedürfnis für den Regelfall Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 16. 830 Staudinger/Mayer-­Maly, 12. Auflage, § 317 Rn. 4. 831  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 157. 832  Näher unten § 14 C.II.3.b) (S. 697 ff.).

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aber eine nahezu allgemeine Meinung einen numerus clausus an.833 Anders als Leistungs‑ und Feststellungsklagen seien Gestaltungsklagen nicht generell zulässig.834 Mit diesem – im Folgenden noch zu begründenden – numerus clausus lässt sich in der Tat begründen, weshalb die Parteien einem staatlichen Gericht nicht die Bestimmung einer vertraglich geschuldeten Leistung übertragen können.835 Denn danach ist jegliche nicht gesondert vom Gesetz zugelassene gerichtliche Primärbestimmung unzulässig. Warum Gestaltungsklagen ausschließlich in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig sein sollen, wird allerdings nur selten hinterfragt. Statt einer Begründung findet sich in der Rechtsprechung eher eine Umschreibung des numerus clausus, wenn es heißt, die Zuständigkeit der Gerichte werde vom Gesetzgeber festgelegt und stünde nicht zur privatautonomen Disposition der Parteien.836 Repräsentativ ist die Formulierung des BGH aus seinem Urteil, mit 833  Allgemein: BGH v. 11.12.1989 NJW‑RR 1990, 474, 475; Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 89, 91; Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, Vor §§ 253 ff. Rn. 28, § 253 Rn. 154; Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem vor § 253 Rn. 7; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 4; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152 ff.; Rothe, AcP 151 (1950/51), 33 ff.; A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 287 ff., 292; Bötticher, FS Lent, S. 105; Brüggemann, S. 164; Windel, S. 240 (bezogen auf erbrechtliche Gestaltungsakte); K. Schmidt, JuS 1986, 35, 39; Jauernig/Hess, § 34 Rn. 17; Salzmann, S. 52. Speziell mit Bezug zur gerichtlichen Bestimmung einer Vertragsstrafe: Staudinger/­Rieble, § 343 Rn. 145; Bötticher, ZfA 1970, 3, 34; ders., DRW 7 (1942), 125, 129. – Implizit gehen auch die Urteile zur Primärbestimmung durch Schiedsgerichte von diesem Grundsatz aus, siehe z.B. BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493, 1494; RG v. 1.2.1935 RGZ 147, 22, 25. Trotz Übereinstimmung im Ausgangspunkt anderer Ansicht vor allem Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 286 ff. für die Möglichkeit einer gerichtlichen Leistungsbestimmung aufgrund Parteivereinbarung; außerdem Grunsky, S. 375; ­L arenz/M. Wolf, AT, § 29 Rn. 18 (zur Preisbestimmung durch ein Gericht); Lindacher, S. 80; ders., WRP 1975, 7, 8; ders., AP Nr. 7 zu § 339 BGB; B. Meyer, S. 77 ff.; J.F. Baur, S. 68 Fn. 37; ders., FS Steindorff, S. 518; Sieg, NJW 1951, 506, 507 f.; dazu sogleich. Ausnahmen zulassen will auch Joussen, S. 40 f. 834  Bötticher, ZfA 1970, 3, 34. In Bezug auf Feststellungsklagen ist zu ergänzen: in den Grenzen des § 256 ZPO. 835 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 23; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 155 ff. Im Bereich von Vertragsstrafen sei daher nur die in § 343 Abs. 1 BGB normierte Herabsetzungsklage, nicht aber eine privatautonom vereinbarte Festsetzungsklage zulässig, BAG v. 25.9.1980 AP NR. 7 zu § 339 BGB; Bötticher, ZfA 1970, 3, 34. 836  BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390; BGH v. 3.2. 1995 NJW 1995, 1360; BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB; BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64; siehe bereits RG v. 28.11.1918 RGZ 94, 172, 174 (keine Benennung von Schiedsgutachtern durch staatliche Gerichte). Diese Formel ist auch im Schrifttum verbreitet anzutreffen: Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 317 Rn. 16; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 4; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 4; A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 288; Joussen, S. 40; Windel, S. 240 (bezogen auf erbrechtliche Gestaltungsakte); Pastor, GRUR 1974, 423, 425 Fn. 31 (speziell zur Vertragsstrafe); Habscheid, MDR 1954, 392, 393 (allerdings ist die fehlende Dispositionsmacht der Parteien eher ein Reflex des eigentlichen Ziels, Interessenkollisionen in der Person des Richters auszuschließen, der sonst möglicherweise über sein eigenes Schiedsgutachten zu befinden hätte, siehe oben bei Fn. 713).

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dem er der gerichtlichen Bestimmung der Höhe einer Vertragsstrafe eine Absage erteilt hat: „Dritter i.S. des § 317 BGB … kann jedoch nicht das ordentliche Gericht innerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises sein … Denn die Parteien können nicht durch eine vertragliche Vereinbarung dem Gericht die Aufgabe übertragen, den Inhalt eines von ihnen geschlossenen Vertrages durch eine vertragsgestaltende Tätigkeit zu ergänzen …“837

Dabei könnte gerade die Privatautonomie der Parteien für eine großzügige Zulassung von Gestaltungsklagen streiten. Wenn es den Parteien möglich ist, privatautonom Gestaltungsrechte zu vereinbaren,838 warum sollten sie dann, so ließe sich fragen, nicht auch Gestaltungsklagerechte privatautonom vereinbaren dürfen?839 Denn Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht stellen sich als funktionsäquivalente Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen dar.840 Die Gestaltungsklage stellt insofern lediglich eine besondere Form der Ausübung eines Gestaltungsrechts dar.841 Vorgesehen ist sie dort, wo zusätzlich ein öffentliches Interesse daran besteht, dass der Eintritt der Gestaltungswirkung eindeutig feststeht.842 Dann stellt sich aber die Frage nach den Sachargumenten für den beschränkten Kreis statthafter Gestaltungsklagen. Zur Beantwortung dieser Frage ist zu untersuchen, welche privaten oder öffentlichen Interessen es rechtfertigen, den Parteien die Vereinbarung eines Gestaltungsklagerechts zu versagen.843

a) Justizökonomische Erwägungen Den Hauptansatzpunkt zur Beantwortung dieser Frage sehen viele im öffentlichen Interesse der Prozessökonomie, wenn auch mit durchaus unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Dies sei hier am Beispiel einer Vereinbarung nach altem Hamburger Brauch exemplifiziert:

837 

BGH v. 14.10.1977 WM 1978, 64. Siehe oben bei § 3 Fn. 63. 839  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 152 f. 840 Zur „Austauschbarkeit“ beider Konstruktionen (zumindest, soweit es auf deren Auswirkungen im Einzelnen nicht ankommt) Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 103 m.w.N.; Münch­Komm-­Z PO/Becker-Eberhard, Vor §§ 253 ff. Rn.30; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 2 f.; Lakkis, S. 10 ff., 22 ff., 31 ff., 38 ff. m.w.N.; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 28 ff.; Calavros, S. 125; Medicus, AT, Rn. 83 f.; M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 41 f.; Bötticher, FS Dölle I, S. 42 f., 54 ff.; K. Schmidt, S. 4; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153. 841 Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 103; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 2 f.; Medicus, AT, Rn. 83 f. 842  Medicus, AT, Rn. 84; Hattenhauer, S. 239; differenzierend Grunsky, S. 375 f. (teilweise öffentliches, teilweise privates Interesse an Rechtsklarheit). 843  Zu diesem Ansatz grundlegend Schlosser, S. 292 ff.; zustimmend G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599. Speziell zum alten Hamburger Brauch Lindacher, AP Nr. 7 zu § 339 BGB. 838 

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Befürworter des alten Hamburger Brauchs verweisen zunächst auf die Funktion außergerichtlicher Unterwerfungserklärungen überhaupt. Eine wirksame Unterwerfung beseitige die Wiederholungsgefahr, mache auf diese Weise eine gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen entbehrlich und bewirke damit eine Entlastung der Gerichte. Die Fälle, in denen dann tatsächlich Gerichte mit einer Klage auf Festsetzung der Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden müssen, fielen gegenüber dieser Entlastung nicht ins Gewicht.844 Freilich haben diesen prozessvermeidenden Effekt alle vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärungen, nicht nur solche mit richterlicher Festsetzungsbefugnis. Hinzugefügt wird deshalb, dass die Festsetzungsbefugnis des Richters besonders wirksam den Streit der Parteien befrieden und „psychologische Hemmnisse zur außergerichtlichen Streitbeilegung“ abbauen könne. Denn die Vertragsstrafenvereinbarung nach altem Hamburger Brauch sei nicht mit dem Risiko einer unangemessen hohen oder niedrigen Strafhöhe belastet; zudem werde der Schuldner die Festsetzung durch ein unabhängiges Organ gegenüber einer Gläubigerbestimmung mit nur subsidiärer Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB vorziehen.845 Dagegen wird eingewandt, dass die Zulassung eines richterlichen Primärbestimmungsrechts eher zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Gerichte führen dürfte, da nun jeder Streit über die Höhe der Vertragsstrafe vor Gericht ausgetragen werden müsste, während andernfalls ein Prozess nur unter den Voraussetzungen der §§ 315 Abs. 3, 343 Abs. 1 BGB möglich wäre und sich der Schuldner der Vertragsstrafe eine Klage wegen des Kostenrisikos gut überlegen werde.846 Allgemeiner gesprochen wird geltend gemacht, dass es nicht in der Hand der Parteien liegen dürfe, über den Einsatz der Ressource Justiz zu disponieren.847 Die von den Prozessparteien entrichteten Gerichtskosten seien nicht kostendeckend.848 Für welche Streitigkeiten die staatliche Justiz eingesetzt werde, müsse deshalb der Gesetzgeber entscheiden.849 Dabei habe er in § 319 BGB festgelegt, dass zwar die Kontrolle und gegebenenfalls die Ersetzung der Vertragsstrafenbestimmung, die ein Dritter getroffen hat, Aufgabe eines staatlichen Gerichts sein könne, nicht aber die primäre Festsetzung der Strafhöhe.850 Zwischen der primären Festsetzung einer Leistung und der nachträglichen Kontrolle der Be-

844 Soergel/Lindacher, § 339 Rn. 5; ders., WRP 1975, 7, 8; ders., AP Nr. 7 zu § 339 BGB; Kunkel, S. 79 f. (der im Übrigen aber eine primäre Vertragshilfe aus Kostengründen ablehnt). 845  Lindacher, BB 1978, 270 f. 846  B. Kaiser, S. 44 ff.; allgemein Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 155. 847  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599 ff.; Kröll, S. 57; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 153 ff. 848  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600; Kröll, S. 57; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 153. 849  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599 ff.; Kröll, S. 57; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 153 ff. 850  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 157.

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stimmung durch einen Dritten bestehe aber ein großer Unterschied.851 Selbst wenn es auch einigen Aufwand erfordere, die Entscheidung des Dritten zu überprüfen, nehme dies doch weniger Ressourcen in Anspruch als eine erstmalige Bestimmung.852 Denn die vertragliche Aushandlung einer Vertragsstrafe, die in den Augen beider Parteien angemessen ist, setze nicht nur einen Ausgleich widerstreitender Interessen, sondern auch eine umfangreiche Sichtung und Bewertung von Tatsachen voraus, mit denen sich das Gericht erst vertraut machen müsste.853 Beschränke sich die Aufgabe des Gerichts dagegen darauf, das Ergebnis einer privaten Festsetzung zu überprüfen, sei ihm bereits ein Orientierungspunkt und „grober Rahmen der Billigkeit bzw. Verhältnismäßigkeit“ vorgegeben.854 Dass die Gerichte erst tätig würden, wenn ein vorgeschaltetes Bestimmungsverfahren versagt habe, wirke „offensichtlich gerichtsentlastend“.855 Die Überprüfung einer vorgegebenen Entscheidung sei einfacher und weniger zeitaufwendig als die Erarbeitung einer eigenen Entscheidung.856 851 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 157. G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600. – Im Fall der Vertragsstrafenbestimmung dürfte dieser Unterschied jedoch geringer ausfallen: Ein der Höhe nach unbestimmtes Vertrags­ strafenversprechen, das dem Gläubiger die endgültige Bestimmung der Strafhöhe überlässt und lediglich eine Obergrenze für die Strafe angibt, räumt nach Ansicht des BGH nur die Wiederholungsgefahr aus, wenn „die Obergrenze des Vertragsstraferahmens die Höhe eines fest zu vereinbarenden Betrags in angemessener Weise übersteigt“ (BGH v. 14.2.1985 NJW 1985, 2021). In der Regel sei vom Doppelten der als fester Betrag in Betracht kommenden Strafe auszugehen (BGH v. 12.7.1984 NJW 1985, 191, 192; BGH v. 14.2.1985 NJW 1985, 2021; siehe nur K ­ öhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.143). Denn der Gläubiger trage bei einem derartigen Versprechen das Risiko, dass sich seine Bestimmung nach § 315 BGB als unverbindlich erweise. Daraus folgt aber, dass sich Gerichte auch in zulässigen Fällen der Vertragsstrafenvereinbarung mit Bestimmungsvorbehalt mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Höhe angemessen wäre. Die Fragestellung unterscheidet sich letztlich nicht von der Aufgabe, eine angemessene Vertragsstrafe zu bestimmen. Auch der Aufwand dürfte derselbe sein. 853  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600 f. 854  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 600 (Hervorhebung weggelassen). Eine Bestätigung dieses Ansatzes erkennt G. Wagner, Prozeßverträge, S. 604 f. im Verhältnis der §§ 612, 632, 653 Abs. 2 BGB auf der einen und der §§ 315, 316 BGB auf der anderen Seite. Sofern die erforderlichen Informationen in Form von Taxen oder Marktpreisen verfügbar und die Beurteilungsmaßstäbe verlässlich seien und es daher keinen großen Aufwand erfordere, das unvollständige Rechtsgeschäft zu ergänzen, könne der Richter dies selbst tun. Andernfalls falle die Primärbestimmungsbefugnis dem Gläubiger zu; der Richter sei nur zur Überprüfung berufen. Freilich ist nicht sicher, inwieweit sich die Justiz dieser ökonomischen Komponente bewusst ist, wenn neuere Urteile des BGH den Eindruck erwecken, dass die Bestimmung durch den Gläubiger wirklich nur in letzter Linie nach einer großzügigen Anwendung der §§ 612, 632 BGB und einer ergänzenden Vertragsauslegung in Betracht kommt (BGH v. 26.9.2006 NJW‑RR 1007, 103, 105; BGH v. 4.4.2006 BGHZ 167, 139, 142 ff.). Bei der Ermittlung von Taxen, Marktpreisen oder „angemessenen“ Preisen (BGH v. 8.4.1968 WM 1968, 575) können die Gerichte zudem auf die Hilfe von Sachverständigen angewiesen sein. 855  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 159; zu diesem Gedanken auch Habscheid, FS Lehmann II, S. 800 f. 856  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 155 (zur Verteilung des Vermögens einer aufgelösten Gesellschaft). 852 

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Mit der fehlenden Verfügungsmacht der Parteien über die knappe öffentliche Ressource Justiz lasse sich auch erklären, weshalb die Parteien Schiedsgerichten Gestaltungsaufgaben übertragen und sie insbesondere zur primären Festsetzung einer Vertragsstrafe oder einer anderen Leistung berufen können.857 Parteien, die vertraglich die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für eine Gestaltungsklage vereinbaren, nehmen keine öffentlichen Mittel in Anspruch.

b) Richterliche Gestaltung und Privatautonomie Diese Begründung berührt den Kern der Sache lediglich. Denn ob sich sagen lässt, dass die Justiz kostendeckend arbeitet, hängt vor allem davon ab, welchen Ausschnitt staatlicher Gerichtsbarkeit der Betrachter in den Blick nimmt. Umfangreiche und hinreichend differenzierte empirische Studien fehlen.858 Soweit etwa nur die Tätigkeit der Kammern für Handelssachen betrachtet wird, lässt sich vermuten, dass hier angesichts hoher Streitwerte eine Kostendeckung möglich ist. Von Nachlassabteilungen der Amtsgerichte wird berichtet, dass sie erhebliche Überschüsse generieren.859 Auch die Tatsache, dass sich Schiedsgerichtsinstitutionen formieren, die ihre Dienste im Bereich der Rechtsgestaltung – etwa bei der Erbauseinandersetzung – anbieten,860 deutet darauf hin, dass mit Gestaltungsentscheidungen im Einzelfall Geld zu verdienen ist. Wird diesen Überlegungen nun entgegengehalten, dass eine Öffnung der Ziviljustiz für diese zusätzliche Einnahmequelle nur zu einer Quersubventionierung861 verlustbringender Bereiche der ordentlichen Gerichtsbarkeit und nicht etwa zu einer Erweiterung und einem Ausbau der Ressource Justiz führen wird, so bestätigt das nur, wie sehr es im Spekulativen gefangen bleibt, gegen die privatautonome Vereinbarung richterlicher Gestaltungsbefugnisse ökonomisch zu argumentieren.862 Hinzu kommt, dass die ökonomischen Überlegungen vor dem Hintergrund der §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 S. 2 BGB weiter an Überzeugungskraft einbüßen. Denn danach fällt dem Richter die Aufgabe zu, bei Aus-

857 

Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 154; Kröll, S. 57 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 603. die Hinweise bei G. Wagner, RNotZ 2010, 316, 319 f.; Hodges/Vogenauer/Tulibacka, S. 13 (aber auch S. 28, 75, 101: in den meisten Staaten werde keine Kostendeckung angestrebt); nach Hess/R. Hübner, S. 361 deckt die Struktur der Gerichtskosten grundsätzlich die meisten Staatsausgaben für die Ziviljustiz ab; vage Hartmann, GKG, Grundzüge Rn. 10 (Gerichtskosten sollen „besonders in Zivilsachen die Kosten einigermaßen abdecken“). 859  G. Wagner, RNotZ 2010, 316, 320 mit Nachw. 860  Es existiert mit dem Verein Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (www.dse-erbrecht.de) eine eigene Schiedsgerichtsorganisation. Auch das Netzwerk deutscher Erbrechtsexperten e.V. (www.ndeex.de) bietet eine eigene Schiedsordnung nebst Musterschiedsklausel. 861  Zum Grundgedanken der Quersubventionierung Hess/R. Hübner, S. 352 f., 361, 370. 862  Zur Vorsicht mit dem Argument der Kostendeckung mahnt in anderem Zusammenhang G. Wagner, RNotZ 2010, 316, 320. 858  Vgl.

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bleiben der eigentlich vereinbarten Leistungsbestimmung erstmalig und ohne Vorgabe der Parteien bestimmend tätig zu werden. Der eigentliche, tiefer liegende Grund ist vielmehr in der Privatautonomie selbst zu suchen. Der Staat nimmt für sich ein Gewaltmonopol in Anspruch, das den Rechtsunterworfenen grundsätzlich den Griff zur Selbsthilfe verbietet (§ 229 BGB).863 Um einen Ausgleich für dieses Verbot der Selbsthilfe zu schaffen, stellt er seine Gerichte und die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung zur Verfügung; der Zwang, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wird durch einen Justizgewährungsanspruch kompensiert.864 Dieser Anspruch existiert – garantiert von Art. 6 Abs. 1 EMRK und dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes865 – grundsätzlich auch im bürgerlichen Recht.866 Bestünde deshalb ein Anspruch gegen den Staat, seine Gerichte für gestaltende Entscheidungen zur Verfügung zu stellen, wäre die hier zu untersuchende Frage rasch beantwortet und jegliche ökonomische Überlegung ohnehin hinfällig. Freilich wird eine derartige Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs von niemanden diskutiert – mit Recht, denn der Staat kann im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben selbst entscheiden, in welchem Umfang er sein Gewaltmonopol in Anspruch nimmt.867 Auch die Schiedsfähigkeit findet ihre Grenze 863 

Siehe nur Isensee, FS Sendler, 39 ff.; Merten, S. 35 ff.; Chr. Calliess, JZ 2006, 321 m.w.N. Zur zivilrechtlichen Seite etwa M.-P. Weller, S. 173 f.; Jacobs, S. 184 ff.; Remien, S. 317 f.; F. Bydlinski, System, S. 138; Bruns, JZ 2011, 325, 329. 864  In diesem Sinne auch Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 284 („Wenn der Staat dem einzelnen Bürger die Selbsthilfe verbietet, muß er ihm dafür Rechtsschutz gewähren. Dem Selbsthilfeverbot korrespondiert daher der … Anspruch des Bürgers gegen den Staat, daß die Gerichte in seiner Sache tätig werden.“); Papier, in: HStR, § 176 Rn. 1, 8; Schmidt-Aßmann, in: HStR, § 26 Rn. 70 f.; F. Baur/R. Stürner/Bruns, Rn. 1.3, 7.1; Remien, S. 318; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 408 (Justizgewährungsanspruch als „Korrelat des rechtsstaatlichen Verbots der Selbsthilfe“); M.-P. Weller, S. 173 f.; Bruns, JZ 2011, 325, 329; Chr. Calliess, JZ 2006, 321; F. Baur, AcP 153 (1954), 393, 396. 865  Siehe zur Herleitung nur Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 Rn. 286 ff.; Rosenberg/Schwab/ P. Gottwald, § 3 Rn. 4 m.w.N.; Papier, in: HStR, § 176 Rn. 2 ff. 866  Siehe nur BVerfG v. 30.4.2003 BVerfGE 107, 395, 406 f.; BVerfG v. 27.1.1998 BVerfGE 97, 169, 185 f.; BVerfG v. 20.6.1995 BVerfGE 93, 99, 107; BGH v. 26.1.1989 BGHZ 106, 336, 338 („Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist auch für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten; dieser muß die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes und eine verbindliche Entscheidung durch einen Richter ermöglichen …“); Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 120; Dütz, S. 95 ff. 867  Siehe, freilich noch vor dem Grundgesetz, RG v. 28.11.1918 RGZ 94, 172, 174 (Ersuchen eines staatlichen Gerichts um Benennung eines Schiedsgutachters unzulässig, da der Gesetzgeber abschließend den Kompetenzbereich der Gerichte festlege und jeweils im Einzelfall prüfe, ob ein Interesse am gerichtlichen Tätigwerden bestehe). Überlegungen, wo er dem Staat ein „Entscheidungsmonopol“ vorbehalten will, hat der Gesetzgeber zum Beispiel bei der Regelung der Schiedsfähigkeit (§ 1030 ZPO) im Rahmen der Reform des Schiedsverfahrensrechts angestellt, siehe BT-Drucks. 13/5274, S. 34 f. – Ausgehend von seiner (abzulehnenden, siehe unten § 14 A.II.1. [S. 628 ff.]) Position, dass es sich bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten um Rechtsprechung handele, erkennt auch Joussen, S. 126 darin einen „Verzicht

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erst dort, wo der Staat ein Rechtsprechungsmonopol begründet, indem er sich die ausschließliche Entscheidungskompetenz vorbehält.868 Soweit die Parteien nicht darauf verwiesen sind, ein Gericht anzurufen, bleibt es beim Primat der Privatautonomie.869 Die Parteien sind berechtigt, sich selbst zu helfen. Mangels umfassender staatlicher Hilfe sind sie zugleich dazu aufgerufen, durch einen von ihnen gewählten Mechanismus eigenständig eine Lösung hervorzubringen.870 Daraus ergibt sich Folgendes: (i) Gerichte haben die Aufgabe, Verträge auszulegen. Diese Auslegung bewirkt freilich noch keine Leistungsbestimmung durch das Gericht, sondern nur eine Aufklärung dessen, was die Parteien gewollt haben.871 Sofern also die Parteien vereinbaren, dass im Streitfall ein Gericht zu klären habe, was sie mit ihrer Verabredung eigentlich gemeint haben, bringen sie damit nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck. So lässt sich die Entscheidung des BGH zur Erbbauzinsanpassung 1995 erklären, die von manchen872 als Beispiel für [des Staates] auf sein Jurisdiktionsmonopol“. Die Leistungsbestimmung durch einen Dritten ist nach dieser Konzeption privatisierte Staatsaufgabe (siehe auch ders., S. 1). Nach hiesigem Verständnis handelt es sich um eine private, in der Freiheit der Parteien wurzelnde Angelegenheit, die der Staat nicht an sich genommen hat. 868  BGH v. 19.7.2004 NJW 2004, 2898, 2899 f.; BGH v. 29.3.1996, 278; Zöller/Geimer, § 1030 Rn. 1 ff.; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1030 Rn. 1, 5 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 98 ff., 583 ff. m.w.N.; Bork, ZZP 100 (1987), 249 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 13/5274, S. 34. 869 Siehe Canaris, FS Lerche, S. 886 f. zum „Primat der Vertragsfreiheit“ im Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gerechtigkeit. 870  In diese Richtung auch A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 288: „Es müssen besondere Gründe vorliegen, wenn das Gesetz die Beteiligten nicht auf den Weg der Selbsthilfe verweist, sondern ihnen gerichtliche Hilfe zur Umgestaltung der Rechtslage zur Verfügung stellt. Fehlt es an einer besonderen Rechtsvorschrift, so ist der Berechtigte im allgemeinen nicht nur befugt, außergerichtlich vorzugehen, sondern es besteht für ihn gar keine Möglichkeit, auf Umgestaltung der Rechtslage durch ein Gericht zu klagen.“; Bötticher, FS Dölle I, S. 42: „Freilich tritt der Richter, der ein Gestaltungsurteil fällt, aus seiner normalen (feststellenden) Funktion heraus: er gibt eine Erklärung ab, die prinzipiell … der Kompetenz der beteiligten Parteien unterfällt.“ Siehe auch Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 1: Der Richter sei „entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie auf die Willensbestimmung der Parteien angewiesen“; Kröll, S. 32 (generelle Gestaltungsbefugnis des Richters wäre „nur schwer mit dem Grundsatz der Privatautonomie der Parteien vereinbar“); Salzmann, S. 52; ferner Kunkel, S. 78, der die „primäre Gestaltungspflicht der Parteien“ allerdings auf justizökonomische Gründe zurückführt. 871  Siehe etwa BAG v. 25.9.1980 AP Nr. 7 zu § 339 BGB; BGH v. 8.4.1968 WM 1968, 575; LG Mannheim v. 7.4.2009 – 2 O 1/07 (juris), Rn. 76 (die Herbeiführung eines Vertragsschlusses im Wege der Auslegung ist zwar keine unzulässige Vertragshilfe, eine derartige Auslegung ist aber nicht möglich, wenn die Parteien bewusst zu erkennen gegeben haben, dass sie sich über den fraglichen Punkt – im Fall: Höhe einer Lizenzgebühr – nicht geeinigt haben); Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 16 (Beispiel: Vereinbarung des „Marktpreises“ als objektiver Maßstab); Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 56, 61; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 27; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 b); J.F. Baur, S. 68; Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 158; Rothe, AcP 151 (1950/51), 33, 38 ff.; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 708. 872 Vgl. Joussen, S. 40 f.

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eine – ausnahmsweise zulässige – richterliche Primärbestimmung vorgebracht wird.873 In Wirklichkeit ging es hier nämlich nur darum, dass ein Gericht auslegt, was mit dem Begriff „angemessene Vergütung“ gemeint ist. Das ist nun freilich nichts Besonderes.874 (ii) Soll ein Gericht darüber hinaus nach Art eines Schiedsgutachters Tatsachen feststellen, so hat der Staat die Reichweite richterlicher Befugnisse in § 256 Abs. 1 ZPO festgelegt. Danach ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn sie sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses bezieht. Eine reine Tatsachenfeststellung scheidet – mit Ausnahme der Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde – aus.875 Eine Klausel in einem Unternehmenskaufvertrag, wonach der Verkäufer einen aufgrund der Änderung bestimmter Unternehmenszahlen angepassten Kaufpreis schuldet, kann deshalb zu einer Klage auf den angepassten Kaufpreis berechtigen; der Unternehmenswert wäre dann im Rahmen der Anspruchsprüfung vom Gericht mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln. Unzulässig wäre aber eine Klage auf Feststellung des Unternehmenswerts. (iii) Zur Frage der Vereinbarung von Gestaltungsbefugnissen schließlich lässt sich dem geltenden Recht eine klare Entscheidung entnehmen: Rechtsgestaltung durch den Richter kommt immer nur in zweiter Linie in Betracht, wenn das Bemühen der Parteien, sich – mit einem Einigungsversuch, einer Parteileistungsbestimmung, einer Drittleistungsbestimmung oder einer Schiedsgerichtsvereinbarung – selbst zu helfen, gescheitert ist. Vorrangig zur Einigung aufgerufen sind die Parteien beispielsweise bei § 21 Abs. 8 WEG und bei §§ 1568a, 1568b BGB.876 Auch von vertraglichen Neuverhandlungspflichten wird ein, freilich nicht zu überspannendes, Mindestmaß an Bestimmtheit verlangt, um 873 

So zutreffend Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 27. auch Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 25, 27; allgemein Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 279 (§ 12 I 3). 875  Dazu noch unten § 16 B.III.2.b) (S. 789 ff.). 876  Siehe oben Fn. 826. Umstritten ist, ob eine Anpassung des Vertrages wegen Geschäftsgrundlagenstörung ohne vorherigen Einigungsversuch begehrt werden kann, ob mit anderen Worten die Parteien nach reformiertem Schuldrecht stets eine Neu‑ bzw. Nachverhandlungspflicht trifft. Dafür z.B. BGH v. 30.9.2011 BGHZ 191, 139; Erman/Hohloch, § 313 Rn. 40; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 41; Heinrichs, FS Heldrich, S. 191, 193 ff.; Lüttringhaus, AcP 213 (2013), 266 ff.; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2698 ff. (auch rechtsvergleichend). Die Gegenansicht wird meist als die überwiegend vertretene bezeichnet, ihr hängen an z.B. Münch­ Komm-­BGB/Finkenauer, § 313 Rn. 122 f. (allenfalls vertragliche Mitwirkungspflicht); NKBGB/Krebs, § 313 Rn. 85; Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, § 313 Rn. 78 f.; Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 925. Eine Verhandlungspflicht kennen auch Art. 6:111 PECL und Art. 6.2.3 UNIDROIT PICC. Für eine vorherige Verhandlungspflicht spricht, dass sie konsequent die im Text herausgearbeitete Ersetzungsfunktion staatlicher Gerichte und einen Vorrang der privatautonomen Anpassung (dazu Lüttringhaus, AcP 213 [2013], 266, 267; Heinrichs, FS Heldrich, S. 191; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2701 f.) wahrt (anders aber Martinek, AcP 198 [1998], 329, 374 ff.; siehe ferner Horn, AcP 181 [1981], 255, 276 ff.). Vertieft werden muss der Streit jedoch nicht, da es nach dem oben Gesagten dem Gesetzgeber durchaus möglich ist, 874  So

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zu ihrer Durchsetzung gerichtlichen Rechtsschutz suchen zu können.877 Augenscheinlich ist die Subsidiarität in § 319 Abs. 1 S. 2 BGB, der ein Scheitern der vereinbarten Leistungsbestimmung voraussetzt, weil der Dritte die Leistungsbestimmung nicht vornehmen kann oder will. Sie lässt sich jedoch auch in allen anderen Fällen erkennen, in denen Gesetzgeber oder Gerichte eine Befugnis zur gerichtlichen Gestaltung angenommen haben. Die Ausweitungen des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege der Analogie878 erfordern allesamt, dass ein von den Parteien vereinbarter Mechanismus nicht funktioniert hat. Eine Erweiterung des numerus clausus im Wege der Analogie zu einzelnen, im Gesetz geregelten Gestaltungsklagen unterliegt geringeren Bedenken als eine gerichtliche Primärbestimmung.879 Auch wenn es sich der Sache nach um eine gerichtliche Erstbestimmung handelt,880 wird der Richter doch subsidiär und nicht primär als „Dritter“ i.S.d. § 317 BGB tätig.881 Ob die gerichtliche Ersetzungsbefugnis angesichts der Großzügigkeit, mit der die Gerichte eine § 319 Abs. 1 BGB vergleichbare Situation annehmen,882 noch als „Notkompetenz“883 bezeichnet werden kann, muss hier nicht entschieden werden. Selbst die oben zitierte Klausel, wonach bei Scheitern der Verhandlungen über einen offenen Punkt das Gericht entscheiden solle,884 sah einen vorgängigen Einigungsversuch der Parteien vor. Diese systematischen Erwägungen erhellen, dass sich eine Parteiermächtigung zur richterlichen Primärbestimmung nicht als – geringeren Bedenken unterliegende885 – Analogie zu einer bestehenden Gestaltungsklage, sondern als privatautonome Schaffung einer neuen darstellt.886 Sie erklären zugleich, weshalb der richterlichen Festsetzung einer Vertragsstrafe ein Festsetzungsversuch der Parteien vorangegangen sein muss.887 Allgemein lässt sich sagen, dass dem einen Gang zu den Gerichten ohne vorherige privatautonome Suche nach einer Lösung zuzulassen. 877  Horn, AcP 181 (1981), 255, 283; Martinek, AcP 198 (1998), 329, 352 ff. 878  Siehe zum Fehlschlagen der Delegation oben § 4 D.I.1. (S. 226 ff.). 879 Allgemein zur Zulässigkeit von Analogien zu Gestaltungsklagen: Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 91; Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem vor § 253 Rn. 7; Münch­Komm-­ BGB/Würdinger, § 317 Rn. 16 (speziell zu § 319 BGB); Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 4; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 276 ff.; Grunsky, S. 375; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 599; A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 289, 292 ff.; Stoffel, S. 70 f.; Jauernig/Hess, § 34 Rn. 17 Fn. 23; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 39. 880  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 16; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 280 (§ 12 I 5 a). 881  Dies verkennt Joussen, S. 40 f. 882  Vgl. die Einschätzung bei Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 280 (§ 12 I 5 a). 883 So Grunewald, ZZP 101 (1998), 152, 159. 884  Siehe oben § 4 B.II.1. (S. 179 ff.). 885  Siehe oben bei Fn. 879. 886  Während die Annahme einer richterlichen Bestimmungsbefugnis bei Scheitern von Einigungsbemühungen der Parteien als Analogie zu § 315 Abs. 3 S. 2 BGB angesehen werden kann, Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 277 f.; a.A. Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926. 887  Siehe oben § 4 E.III.3.c) (S. 281 f.).

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Richter eine Ersetzungsfunktion zukommt.888 Diese geht über eine reine Kontrollfunktion, auf die manche die Gerichte beschränken wollen,889 hinaus, denn der Richter wird auch dann tätig, wenn es nichts zu kontrollieren gibt – etwa weil ein von den Parteien benannter Dritter keine Leistungsbestimmung vorgenommen hat. Mit der Ersetzungsfunktion ist zugleich das Argument entkräftet, die gerichtliche Primärbestimmung könne zugelassen werden, da sich doch ein Gericht „früher oder später“ – nämlich im Rahmen des § 319 Abs. 1 BGB – ohnehin mit der Sache befassen müsste. Stellt der Staat seinen Justizapparat bereit, so kann auch er dessen Aufgaben festlegen. Hat er sich nun entschieden, dass die Gerichte (lediglich) eine Ersetzungsfunktion wahrnehmen sollen, so ist für eine darüber hinausgehende privatautonome Aufgabenzuweisung – die also über eine Analogie zu bestehenden Kompetenzen hinausreicht – von vornherein kein Raum. Dass die Parteien in einem Erbbaurechtsvertrag eine gerichtliche Festsetzung des Erbbauzinses, falls sie über dessen Anpassung keine Einigung erzielen, vereinbaren könnten, bezeichnet der BGH als zulässige Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Gericht nicht als Dritter i.S.v. § 317 BGB zur Leistungsbestimmung ermächtigt werden könne, weil der gesetzliche Aufgabenbereich des Gerichts nicht der Parteidisposition unterliege.890 In Wirklichkeit stellen diese Fälle keine Ausnahme dar. Denn die Gerichte werden von den Parteien nicht als Dritte berufen. Sie nehmen vielmehr ihre subsidiäre Bestimmungsbefugnis, ihre Ersetzungskompetenz bei Scheitern des eigentlich vorgesehenen Bestimmungsmechanismus, wahr. Am Rande ergibt sich aus diesen Überlegungen zudem, dass der Staat keineswegs verpflichtet wäre, diese Ersetzungsfunktion anzubieten. Denn das Ergebnis der richterlichen Gestaltung wäre bei entsprechendem Einigungswillen der Parteien auch auf privatautonomem Wege zu erzielen.891 Der Gesetzgeber hätte sich ohne weiteres dafür entscheiden können, einen wegen Scheiterns des Bestimmungsmechanismus unvollständig gebliebenen Vertrag der Unwirksamkeit anheim zu geben.892 Die Ersetzungsfunktion des staatlichen Richters stellt 888 

Von einer „Supplementärfunktion“ spricht Brüggemann, S. 265 Fn. 689. Siehe oben bei Fn. 782. 890  BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390. Zu dieser Gestaltung siehe bereits oben bei Fn. 193. 891 Musielak/Foerste, Vor § 253 Rn. 17. 892  Ebenso wenig ist die Herabsetzung der Vertragsstrafe zwingender Bestandteil der Vertragsrechtsordnung. Der BGB-Gesetzgeber, genauer die Vorkommission des Reichs­ justizamts, hat auch hier aus einem spezifischen Schutzinteresse heraus gehandelt und das Herab­setzungsrecht aufgrund der Missbrauchsgefahr, die der Vertragsstrafe eignet, eingeführt. Das „Hauptbedenken“ richtete sich dabei gegen ein richterliches Ermäßigungsrecht (Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 547; Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 722). Aufgabe des Richters sei eine deklarative, keine konstitutive Tätigkeit (Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 722, dort auch zu den folgenden Argumenten). Es gehe prinzipiell nicht an, den Richter nach Zweck­mäßigkeits‑ statt nach Rechtmäßigkeitserwägungen entscheiden zu lassen. Dem Richter würde eine Um889 

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eine Möglichkeit unter mehreren dar, einen Ausgleich zwischen staatlicher Fürsorge und Privatautonomie zu finden. Deshalb ist die fehlende Möglichkeit einer gerichtlichen Primärbestimmung – entgegen dem ersten Eindruck – auch keine Beschränkung der Privatautonomie. Denn Privatautonomie bedeutet im Grundsatz eine Selbstgestaltung der eigenen Verhältnisse ohne staatliche Hilfe. Folgerichtig kann zu dieser Selbstgestaltung auch der Rückgriff auf ein Schiedsgericht, also eine private Einrichtung, zur Leistungsbestimmung gehören.893 In der Vereinbarung einer Vertragsergänzung durch ein Schiedsgericht sind die Parteien keinen vergleichbaren Beschränkungen unterworfen. Entkräftet ist damit zugleich das Argument vom Kompetenzgleichlauf zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten.

c) Umgehung der gerichtlichen Ersetzungsfunktion? Es bleibt die Frage, ob nicht die Parteien die Ersetzungsfunktion allzu leicht nutzen können, um doch eine richterliche Primärbestimmung zu erlangen. Wenn § 319 BGB den Parteien die Vereinbarung eines subsidiären gerichtlichen Bestimmungsrechts ermögliche, könnten die Parteien nach Ansicht von Schlosser diese richterliche Kompetenz „im praktischen Ergebnis aber weitgehend zu einer primären erweitern, indem als Dritter eine Person vereinbart wird, die höchstwahrscheinlich die Bestimmung nicht vornehmen kann oder wird“.894 Angesichts dieser Möglichkeit müsse den Parteien gestattet werden, von vornherein eine Befugnis zur primären Bestimmung zu vereinbaren. § 319 BGB solle nicht etwa die Parteien zwingen, einen privaten Dritten zur Beilegung ihrer Meigestaltung des Vertrages zugemutet, ohne dass er über die notwendigen Informationen verfüge. Darüber hinaus führe ein richterliches Ermäßigungsrecht zu „richterlicher Willkür“, zu einer Zunahme von Prozessen, zu Ungerechtigkeiten gegenüber dem Gläubiger und zur Benachteiligung von dessen Gläubigern. Doch hielt die Zweite Kommission diese Bedenken gegenüber einer „Beschränkung der Vertragsfreiheit“ durch ein Ermäßigungsrecht nach ­„freie[m] richterliche[m] Ermessen“ nicht für durchschlagend (Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 723). Sie erwartete freilich, dass Gerichte in Deutschland „einen nicht zu weitgehenden Gebrauch“ von dieser Befugnis machen würden, und hatte gleichzeitig Vertrauen in die Richterschaft, dass sie zur Ermittlung einer angemessenen Strafhöhe in der Lage sei (Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 723). Auch viele andere Rechtsordnungen kennen ein derartiges richterliches Herabsetzungsrecht (M. Baum, Vertragsstrafe, in: HWBEuP, S. 1701 ff.). – Es dürfte dieser Hintergrund sein, der Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 12 ff. veranlasst, § 343 BGB als „Fremdkörper im Vertragsrecht des BGB“ zu bezeichnen. Es passe nicht zum Konzept der Vertragsautonomie des BGB, wenn ein Gericht den Vertrag so umgestalte, wie es ihm gerecht erscheine. Dennoch sei § 343 BGB eine sinnvolle Ausnahmeregelung, die aber wegen dieses Charakters eng anzuwenden sei. Allgemein zur Handhabung von Bestimmungen, die eine gerichtliche Ergebniskontrolle erlauben, Canaris, FS Lerche, S. 886 f. 893  Insoweit zutreffend Schlosser, S. 291; siehe ferner zu dieser Facette des Verhältnisses von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit Habscheid, KTS 1959, 113, 114; Bötticher, ZfA 1970, 3, 34. Weitere Befürworter einer Gestaltungskompetenz des Schiedsgerichts bereits oben in Fn. 733. 894  Schlosser, S. 294.

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nungsverschiedenheiten über den Leistungsinhalt einzuschalten, bevor sie sich an die Gerichte wenden dürfen. Dass § 319 BGB nur eine subsidiäre Kompetenz regele, finde seinen Grund vielmehr in dem Bestreben, den Parteien „den Weg zu privatautonomer Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen auch unter Einschaltung eines leistungsbestimmenden Dritten“ offenzuhalten.895 Dieser Argumentation entspricht es, wenn das OLG Hamburg in einem seiner Urteile zum alten Hamburger Brauch896 postuliert, das Bestehen auf der vorgängigen außergerichtlichen Bestimmung der Vertragsstrafe sei eine „nutzlose Förmelei“.897 Wenn diese Argumentation tatsächlich so zu verstehen ist, dass ohne § 319 BGB die Parteien keinen leistungsbestimmenden Dritten einschalten könnten, liegt ihr bereits eine merkwürdige Prämisse zugrunde. Denn die Möglichkeit, eine Drittleistungsbestimmung einzuholen, ist Teil der Privatautonomie, der nicht eigens vom Gesetzgeber gewährt werden müsste. Unabhängig davon wird ein Gericht, das zur Ersatzbestimmung aufgrund einer Klausel, die einen erwartbar nicht zur Leistungsbestimmung bereiten Dritten benennt, angerufen wird, diese Klausel auslegen. Wenn es erkennt, dass die Parteien in Wahrheit die Absicht verfolgten, eine gerichtliche Primärbestimmung zu vereinbaren, wird es der Vereinbarung keine Wirkung beimessen und die Klage abweisen.898 Lediglich eine Spielart dieses Tricks ist der folgende im Schrifttum anzutreffende Vorschlag:899 Die Benennung des Gerichts als Leistungsbestimmer sei zwar nicht zulässig. Sie führe indes dazu, dass der von den Parteien benannte Dritte die Bestimmung aus rechtlichen Gründen im Sinne von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB nicht vornehmen könne und deshalb an dessen Stelle das Gericht eine Ersatzbestimmung zu treffen habe. Dieser Vorschlag ist aus den soeben angestellten Überlegungen ebenfalls zurückzuweisen. All diese Überlegungen weisen zugleich den Weg für Parteien, die eine Konkretisierung des Leistungsinhalts durch den staatlichen Richter wünschen: Da eine Auslegung des Vertrages zu den ureigenen richterlichen Aufgaben gehört, müssen die Parteien ihre Vereinbarung so abfassen, dass ihr im Wege der Auslegung ein bestimmter Inhalt entnommen werden kann. Vereinbaren sie etwa die 895 

Schlosser, S. 294. Siehe oben § 4 E.III.3.b) (S. 280 f.). 897  OLG Hamburg v. 16.5.1968 WRP 1968, 301. 898  Grunewald, ZZP 101 (1988), 152, 159 betrachtet eine derartige Klausel als missbräuchlich. Außerdem hätten die Parteien nicht die Sicherheit, dass der Dritte sein Bestimmungsrecht nicht doch wahrnehme, weshalb die Konstruktion auch bislang nicht praktisch geworden sei. Auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 281 (§ 12 I 5 c) hält die Forderung nach einer Partei‑ oder Drittbestimmung als Voraussetzung eines richterlichen Akts nicht für eine bloße „Förmelei“; ebenfalls kritisch zur „Förmelei“ B. Kaiser, S. 46 899  Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926. Ebenso argumentiert F. Harder, S. 80 f. zur Zulässigkeit einer Erbauseinandersetzung durch ein letztwillig angeordnetes Schiedsgericht. Dieses Schiedsgericht könne zwar nicht Dritter i.S.d. § 2048 S. 2 BGB sein. Damit liege aber der Fall vor, dass der Dritte seine Aufgabe nicht wahrnehmen könne, so dass ein Gericht – oder eben in diesem Fall ein Schiedsgericht – an seine Stelle trete. 896 

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Zahlung eines „angemessenen“ Preises oder einer „ortsüblichen“ Miete, so können die Parteien zwar keine Gestaltungsklage auf Bestimmung des Preises erheben. Auf eine derartige Klage sind sie freilich auch nicht angewiesen, da der Gläubiger bereits im Wege der Leistungsklage vorgehen und das Gericht den Vertrag  – möglicherweise mit der Hilfe eines Sachverständigen – auslegen kann.900 Indes handelt es sich in dieser Situation nicht um die Leistungsbestimmung durch einen Dritten.

V. Ergebnis Staatlichen Gerichten kommt eine Ersetzungsfunktion zu. In diesem Rahmen hat ein Gericht auf entsprechende Initiative der Parteien die Befugnis und die Aufgabe, die ausgebliebene oder unverbindliche Entscheidung eines privaten Dritten zu ersetzen. In diesem Umfang stellt der Staat, ohne dazu verpflichtet zu sein, seinen Justizapparat im Interesse der Privatautonomie zur Verfügung. Zwar würden einer darüber hinausgehenden primären richterlichen Gestaltungsfunktion keine grundsätzlichen Bedenken entgegenstehen; weder wäre eine Verkürzung des Rechtsschutzes zu besorgen noch müsste ein derartiges Ansinnen zwingend in den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwiesen werden. Erforderlich wären aber klare, von richterlichem Handlungsermessen freie Regeln, wann eine derartige Vertragshilfe statthaft ist. Mit diesen Regeln gibt der Gesetzgeber den Kreis zulässiger Gestaltungsklagen vor. Dieser Kreis steht zwar einer Erweiterung im Wege der Analogie901, nicht aber im Wege privatautonomer Aufgabenzuweisung offen. Ein Gericht kann deshalb zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und in diesem Zusammenhang selbstverständlich zur Tatsachenfeststellung verpflichtet sein. Eine isolierte Tatsachenfeststellung, wie sie ein Schiedsgutachter vornehmen könnte, stößt jedoch auf die Grenze des § 256 ZPO. Gestaltend wird der Richter immer nur in zweiter Linie tätig, nachdem die Parteien zunächst versucht haben, sich selbst zu helfen. Diese „Selbsthilfe“ kann sowohl die Delegation an einen Dritten wie auch an ein Schiedsgericht einschließen. Unbenommen bleibt es den Parteien auch, einen Richter als Privatperson um ein Schiedsgutachten zu ersuchen und auf diese Weise zu einem privaten Dritten zu machen.

900  Insoweit übereinstimmend Schlosser, S. 294 ff.; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1926. – Diesen Ausweg weist auch Lindacher, S. 80 Parteien, die eine richterliche Festsetzung der Vertragsstrafe vereinbaren wollen: Ihr Vertragsstrafeversprechen könne so ausgelegt werden, dass der Schuldner eine angemessene Vertragsstrafe für seine Pflichtverletzung verspreche, die der Gläubiger nun im Wege der Leistungsklage einklage. 901  Diese trägt auch die Konstruktion eines allgemeinen Tatbestandes des Fehlschlagens der Delegation, dazu oben § 4 D.I. (S. 226 ff.).

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit Wenn in dem vorangegangenen Abschnitt zur Aufgabenverteilung das erbrechtliche Schiedsgutachten nur in zweiter Linie behandelt wurde, so war das zum einen dadurch bedingt, dass diesen Fragen im Schuldrecht eine ausführlichere Regelung zuteil wurde, auf die im erbrechtlichen Kontext außer in den angesprochenen Sonderfällen verwiesen wird. Zum anderen aber blieb stets das Fragezeichen, das aufgrund von § 2065 BGB hinter die Zulässigkeit einer Delegation gesetzt werden musste.1 Diese Norm könnte dazu führen, dass die Aufgabenbereiche im Erbrecht anders abgesteckt werden müssen, konkret: dass die Aufgabe der Selbstgestaltung anders als im Schuldrecht nicht die Freiheit zur Delegation einschließt. Nach § 2065 Abs. 1 BGB kann der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll. Nach § 2065 Abs. 2 BGB kann er die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen.

Zusammengefasst wird diesen Regeln ein Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit entnommen.2 Sie gelten als Ausdruck einer „streng persönlichen Natur des Testirrechts“3. Die Höchstpersönlichkeit eines Rechts kann jedoch auch noch andere Facetten wie etwa den Ausschluss von Stellvertretung, Vererblichkeit oder Abtretung haben.4 Einige dieser Facetten verstehen sich bei der Testierfreiheit von selbst, so dass insofern die Höchstpersönlichkeit nicht in Frage steht.5 Um präziser zu bezeichnen, welcher Aspekt der Höchstpersönlichkeit hier angesprochen ist, wird deshalb im Folgenden auch von einem „Drittbestimmungsverbot“ gesprochen.6 Es geht darum, ob und in welchem Umfang 1 

Siehe oben § 4 B.III. (S. 187). dieser Bezeichnung siehe nur Muscheler, Erbrecht, Rn. 552 ff.; Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3). 3  So die Formulierung des Redaktors des Fünften Buchs v. Schmitt, Bd. I, S. 239. Zu den Erwägungen im weiteren Verlauf der BGB-Gesetzgebung siehe unten § 5 A.V.1. (S. 342 ff.). 4  O. Werner, FS Kanzleiter, S. 401. 5  So wäre es geradezu widersinnig anzunehmen, dass die Testierfreiheit nicht mit dem Tod des Erblassers endet, sondern auf seine Erben übergeht, so dass diese anstelle des Erblassers dessen Nachfolge regeln könnten. Zum Streit um die Zulässigkeit erbrechtlicher Auslegungsverträge durch die Rechtsnachfolger des Erblassers siehe unten § 13 B.II.2. (S. 615 ff.). 6  Ebenso z.B. Helms, ZEV 2007, 1 ff.; Halding-Hoppenheit, S. 1 ff. 2  Zu

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

der Erblasser einem Dritten die Befugnis übertragen darf, an seiner Stelle letztwillige Entscheidungen zu treffen. Synonym ließe sich die Bezeichnung „Delegationsverbot“ verwenden. Positiv gewendet kann von einem „Grundsatz der Eigenbestimmtheit“7 gesprochen werden. Das Drittbestimmungsverbot wird hier vor allem mit Blick auf das deutsche Recht untersucht werden, um es den zum Schuldrecht gewonnenen Erkenntnissen gegenüberzustellen, wo, wie gesehen, ein derartiges Verbot nicht gilt. Die Haltungen ausländischer Rechtsordnungen sind durchaus unterschiedlich. Der französische Code civil enthält keine Regelung zu einer Delegation der Testierfreiheit.8 Jedoch muss der Zuwendungsempfänger, auch wenn er nicht namentlich bezeichnet sein muss, bestimmt oder bestimmbar sein.9 Die Bestimmbarkeit kann nicht mit Hilfe eines Dritten gewährleistet werden: Rechtsprechung und Schrifttum sind sich einig, dass ein legs avec faculté d’élire, d.h. eine von der Wahl eines Dritten abhängige Einsetzung des Zuwendungsempfängers, grundsätzlich unzulässig und nichtig ist, ebenso wie andere Anordnungen, deren Konkretisierung vom Willen eines Dritten abhängt.10 Das vorrevolutionäre ancien droit hatte gegenüber Drittbestimmungen insgesamt eine liberalere Haltung eingenommen.11 Zwar sei auch damals das Testieren ein persönlicher Akt gewesen, doch habe der Erblasser den geforderten persönlichen Willen geäußert, indem er einen Dritten mit der Auswahl betraute.12 Zwei Gründe werden für die striktere Haltung des heutigen Rechts angegeben, nämlich zum ei 7  Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 18 ff.; siehe auch H. Westermann, FS Möhring, S. 197 („Prinzip der Selbstentscheidung“); Raape, AcP 140 (1935), 233, 236 („Grundsatz der Selbständigkeit des Testaments“).  8  Zu den Gründen Legier, JCP N 1978,I,87, 87 ff.  9  CA Dijon 1.4.1998 Dr. famille 1999, 21; zur relativ großzügigen Haltung der Gerichte bei Ermittlung dessen, was noch bestimmbar ist, Malaurie, Successions, Nr. 520 m.w.N. 10  Grundlegend Cass. civ. 12.8.1863 D.P. 1863,1,356; siehe außerdem Cass. civ. 1re 8.11.2005 Bull. civ. I, Nr. 411 (Auswahl von Begünstigten durch einen Notar unzulässig); Cass. civ. 1re 16.3.1999 JCP N 1999, 1015 (Einsetzung des Neffen zum alleinigen Nachfolger verbunden mit der Befugnis, seinen beiden Töchtern daraus „une dot très honorable“ zu geben, unzulässig); Cass. civ. 1re 6.3.1984 Bull. civ. I, Nr. 88 (Bestimmung der Höhe eines Geldvermächtnisses durch Testamentsvollstrecker „en son âme et conscience“ unzulässig); Cass. civ. 1re 25.11.1952 JCP 1953,II,7696bis (keine Auswahl des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten); CA Dijon 1.4.1998 Dr. famille 1999, 21 (Zuwendung des Hauses der Erblasserin „à telle œuvre humanitaire que mon fils jugera nécessiteuse“); Malaurie, Successions, Nr. 520; Legier, JCP N 1978,I,87; Letellier, JCP N 2001, 1548, 1552 m.w.N.; Beignier, Dr. famille 1998, comm. 21 m.w.N. – Jedoch kann dem Vermächtnisnehmer die Wahl zugestanden werden, welche Gegenstände er dem Nachlass bis zur Höhe der ihm zugewandten quotité disponible entnimmt, Cass. civ. 1re 11.7.1979 Bull. civ. I, Nr. 211. 11  Überblick bei Beignier, Dr. famille 1998, comm. 21 m.w.N. Siehe auch aus deutscher Sicht Großfeld, JZ 1968, 113, 119, der vor allem auf den Aspekt einer Vermeidung von Vermögenskonzentrationen abhebt, dazu auch Legier, JCP N 1978,I,87, 88 sowie unten § 5 B.I.4. (S. 366 ff.). 12 Kritisch Beignier, Dr. famille 1998, comm. 21.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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nen der persönliche Charakter des Testierens13 und zum anderen die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Zuordnung der Nachlassgegenstände bis zur Vornahme der Bestimmung in der Schwebe bliebe.14 Jedoch wird eine gewisse Entspannung bei der Ablehnung drittbestimmter Zuwendungen beschrieben, sofern nur der Erblasser selbst einen eigenen Willen gebildet habe, indem er den Kreis der potentiellen Empfänger und die Kriterien für die Auswahl vorgegeben habe.15 Zulässig sind insbesondere Einsetzungen unter der Auflage, einem anderen etwas zukommen zu lassen oder eine Stiftung zu errichten, sowie die Anordnung der Erbauseinandersetzung durch einen Dritten.16 Großzügiger zeigt sich demgegenüber das englische Recht, das es dem Erblasser gestattet, mit Hilfe eines sog. „power of appointment“ in seinem Testament die Auswahl des Zuwendungsempfängers einem Dritten zu übertragen.17 Die Verfügung des Erblassers muss jedoch einen bestimmbaren Inhalt haben, um die Befolgung seines Willens kontrollierbar zu halten.18 Ferner hat der Erblasser die Möglichkeit, einen Trust als sog. „discretionary trust“ zu errichten und damit zugleich die Auswahl des Begünstigten (beneficiary) zu delegieren.19 Im Folgenden gilt es nun, zunächst die Reichweite des Drittbestimmungsverbots in deutschen Recht näher zu bestimmen (unten A.), um sodann die Frage nach seiner Rechtfertigung zu stellen (unten B.).

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots I. Delegation des Erblasserwillens? Eine Verfügung von Todes wegen ermöglicht es dem Erblasser, nach seinem Willen von den Regeln der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Muss der Erblasser diesen Willen in allen Einzelheiten selbst bilden, oder darf er die Willensbildung auf einen Dritten delegieren? Die Antwort auf diese Frage fällt je nach Inhalt der Verfügung und Aufgabe des Dritten unterschiedlich aus. 13 

Jubault, Nr. 731; Leroyer, Nr. 214; Legier, JCP N 1978,I,87, 92 ff. (kritisch). Leroyer, Nr. 214; Beignier, Dr. famille 1998, comm. 21; Legier, JCP N 1978,I,87, 89 ff. (kritisch). 15  Leroyer, Nr. 214; Malaurie, Successions, Nr. 520; ausführlich Legier, JCP N 1978,I,87 ff. Ein entsprechender Vorschlag wurde im Rahmen der Erbrechtsreform des Jahres 2006 jedoch nicht verwirklicht. 16  Malaurie, Successions, Nr. 520; Leroyer, Nr. 214. 17  Barlow et al., Williams on Wills, Kap. 39; Kerridge, Rn. 14‑63; R. Zimmermann, Quos, S. 41 ff.; Sünner, S. 4 ff., alle m.w.N. 18  Emery, (1982) 98 LQR 551 ff. (speziell zum Kreis der Begünstigten); R. Zimmermann, Quos, S. 42 f. 19  R. Zimmermann, Quos, S. 42. Zum discretionary trust siehe nur Hayton/Matthews/ Mitchell, Nr. 5.1 ff.; Swadling, in: English Private Law, Rn. 4.162, 4.172 ff. 14 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Schon lange ist bekannt, dass nicht Unentschlossenheit, Zaudern oder Flucht vor der Verantwortung einen Erblasser veranlassen müssen, einem Dritten die Ergänzung seines letzten Willens zu übertragen. 20 In bestimmten Situationen kann ein Erblasser ein nachvollziehbares Bedürfnis nach einer derartigen Testamentsgestaltung haben. 21 Generalisierend betrachtet wurzelt dieses Bedürfnis in einem Wunsch des Erblassers, mit zukünftigen Umständen, die er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht vorhersehen oder beeinflussen kann, angemessen und flexibel umzugehen. 22 Denn womöglich ist es später dem Erblasser aus Altersgründen oder wegen eines überraschenden frühen Todes nicht mehr möglich, eine aufgeschobene Entscheidung noch selbst zu treffen oder eine einmal getroffene Entscheidung zu korrigieren. Der Hinweis auf die jederzeitige Widerruflichkeit eines Testaments, mit der der Erblasser auf eine Änderung der Umstände reagieren könne, 23 würde deshalb zu kurz greifen.24 Als klassisches Beispiel für dieses Interesse des Erblassers gilt das frühzeitige Unternehmertestament. 25 Darin trifft der Unternehmensinhaber – Einzelunternehmer oder Personengesellschafter – im Interesse des Unternehmenserhalts frühzeitig eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Nachfolgeregelung. 20  Unentschlossenheit kann ein Motiv gewesen sein in BayObLG v. 2.12.1997 NJW‑RR 1998, 727; BayObLG v. 19.10.1992 NJW‑RR 1993, 138. 21 Zweifelnd Windel, S. 238 Fn. 170: Ein praktisches Bedürfnis für eine Erbenbestimmung durch einen Dritten sei mehr empfunden als objektiv anzuerkennen. Trete der Erbfall ein, bevor auch nur ein Kind des Erblassers seine Ausbildung abgeschlossen habe, helfe ohnehin nur Vorerbschaft oder Testamentsvollstreckung weiter. Sterbe der Erblasser nach diesem Zeitpunkt, hätte er seinen letzten Willen rechtzeitig der neuen Sachlage anpassen können. 22  In diesem Sinne etwa RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 17; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 2; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 2; ders., WM 1972, 866, 869; H. Westermann, FS Möhring, S. 195 f.; Breitschmid, FS Hausheer, S. 478 m.w.N. aus dem schweizerischen Schrifttum. Als weitere Beweggründe nennt AK/Finger, § 2065 Rn. 2 einen langen Klinikaufenthalt, Auslandsgeschäfte oder Strafhaft. Dieser Grundsatz ist auch ausgesprochen in Prot., in: Mugdan, S. 521 zur Begründung eines (letztlich nicht erfolgreichen) Antrags, den Bestand einer Verfügung von Todes wegen vom Willen eines Dritten abhängig zu machen. 23  Vor dem Tod des Erblassers ist ein Drittbestimmungsrecht nach den allgemeinen Vorschriften über den Testamentswiderruf frei widerruflich (§§ 2253 ff. BGB). Jedoch wird das Drittbestimmungsrecht nach seinem Tod in der Regel unwiderruflich (so auch Großfeld, JZ 1968, 113, 117). Denn die gesetzlichen Erben können dort, wo der Erblasser eine Drittbestimmung seines Erben angeordnet hat, nicht etwa durch Vereinbarung diesen Mechanismus außer Kraft setzen. Eine postmortale Vollmacht hingegen kann nicht unwiderruflich sein (zum Ganzen siehe Palandt/Weidlich, Einf v § 2197 Rn. 13). 24  So auch Breitschmid, FS Hausheer, S. 479. 25 Grundlegend H. Westermann, FS Möhring, S. 183 ff.; als „typisch“ auch schon bezeichnet von Flad, ZAkDR 1938, 431, 433; außerdem z.B. K.W. Lange, Kap. 6 Rn. 16; Großfeld, JZ 1968, 113; Keim, FamRZ 2003, 137; für mehr theoretisch scheint das Beispiel zu halten NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 20. – Die zu § 2065 BGB entschiedenen Fälle einer Drittbestimmung betreffen vor allem den Übergang eines Hofes. Auch dort können es die „soziologischen Gegebenheiten“ (Klunzinger, BB 1970, 1197) erforderlich machen, die Auswahl eines geeigneten Nachfolgers einem Dritten zu überlassen, wenn die dafür in Betracht kommenden Personen noch zu jung sind, um dem Erblasser ein abschließendes Urteil zu erlauben.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Häufig kann er jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen, wer als Unternehmensnachfolger am besten geeignet ist, beispielsweise weil seine Kinder noch minderjährig sind. Kann er eine Vertrauensperson, etwa die Ehefrau des Erblassers, mit der Auswahl des Nachfolgers betrauen? Ein striktes Drittbestimmungsverbot würde diese Gestaltung verbieten.

II. Abgrenzungen Die Reichweite des Drittbestimmungsverbots kann zunächst negativ durch eine Abgrenzung gegenüber benachbarten Erscheinungen bestimmt werden.

1. Ausschluss der Stellvertretung (formelle Höchstpersönlichkeit) Dem Drittbestimmungsverbot des § 2065 BGB wird in § 2064 BGB das Prinzip der formellen Höchstpersönlichkeit vorangestellt. Mit der darin 26 vorgeschriebenen persönlichen Errichtung wird eine Stellvertretung, aber auch eine Botenschaft, 27 in dreifacher Hinsicht ausgeschlossen:28 Verboten wird damit erstens ein Testieren des gesetzlichen Vertreters für den Vertretenen. Untersagt ist zweitens die Erteilung einer formfreien (§ 167 Abs. 2 BGB) Vollmacht, ein Testament für den Erblasser zu errichten. Verhindert wird drittens, dass der Erblasser eine derartige Vollmacht einem anderen in testamentarischer Form einräumt. Man könnte nun vermuten, dass § 2065 BGB letztlich eine Ergänzung zu § 2064 BGB darstellt; der Erblasser, so ließe sich argumentieren, könnte andernfalls durch die Einräumung einer Bestimmungsbefugnis der Sache nach erreichen, was das Vertretungsverbot gerade verhindern will.29 Der BGB-Gesetzgeber hatte die Einräumung einer Bestimmungsbefugnis als eine Art der Delegation der Testamentserrichtung gesehen.30 Und auch die Rechtsprechung scheint von einem Zusammenhang auszugehen, wenn sie §§ 2064, 2065 BGB gemeinsam zitiert, um darin ein Bekenntnis des Gesetzgebers zu erblicken zu dem Grundsatz, dass „der Erblasser allein vor seinem Gewissen die Verantwortung dafür übernehmen muß, wenn er die Erbfolge anders regelt, als das Gesetz sie vorgesehen hat“31. 26  Gleiches bestimmt § 2274 BGB für den Erbvertrag. Siehe zudem §§ 2284 S. 1, 2290 Abs. 2 S. 1, 2296 Abs. 1 S. 1, 2347 Abs. 2, 2351 BGB. 27  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 825. 28  Muscheler, Erbrecht, Rn. 548 f.; zur Vollmacht als Gestaltungsmittel R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 92 ff. 29  Z.B. Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 2; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 1; R. Frank/Helms, § 4 Rn. 8; F. Wagner, S. 29 ff.; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 96 f.; Helms, ZEV 2007, 1; H. Westermann, FS Möhring, S. 193 (Vorschriften bilden eine „materielle Einheit“). 30  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 16, 19; dazu Immel, S. 117 ff. 31  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 200.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Wenn hingegen jeder Norm ein eigenständiger Gehalt zugewiesen werden soll, erscheint ein anderer Ansatzpunkt sinnvoll. Kaum in Betracht kommt dafür angesichts der Möglichkeit einer postmortalen Vollmacht der Versuch, § 2064 BGB für Drittbestimmungen vor dem Tod des Erblassers zu reservieren und § 2065 BGB auf den Zeitraum danach anzuwenden.32 Weiterführend erscheint vielmehr die in der Ersten Kommission geäußerte Meinung zum Vorläufer von § 2064 BGB, dieser habe „die Natur einer Formvorschrift“33. Damit die erbrechtlichen Formgebote nicht leerlaufen, verlangt § 2064 BGB vom Erblasser „Selbsttätigkeit“ im Errichtungsakt.34 Der Erblasser muss seinen letzten Willen selbst in eine testamentarische Form bringen, damit die Formgebote ihren Zweck erfüllen können.35 Damit kann auch das Verbot einer Vollmacht zur Testamentserrichtung in testamentarischer Form erklärt werden: Die Formgebote wollen gewährleisten, dass der Erblasser im Moment des Testierens „weiß, was er tut“: Er legt seinen letzten Willen nieder und schreibt nicht bloß eine Vollmacht.36 Versteht man § 2064 BGB als Verlängerung der Formgebote,37 so folgt aus ihm nicht zwingend die Unzulässigkeit einer Delegation innerhalb eines formwirksam erklärten letzten Willens.38 Denn selbst wenn das Testament noch der Zustimmung oder Ergänzung durch einen Dritten bedarf, bleibt es ein Testament.39

2. Feststellungsentscheidungen Dritter Wie gesehen,40 kann der Erblasser einem Dritten auch Feststellungsentscheidungen, wie etwa die Feststellung des Eintritts einer Bedingung oder Wert­ ermittlungen41, übertragen. Der Dritte agiert dann als feststellender Schiedsgutachter; auf seine Tätigkeit können die §§ 317 ff. BGB angewendet werden. Darin liegt kein Verstoß gegen das Drittbestimmungsverbot.42 Denn der Erb32 

So aber Sens, S. 2; Goebel, S. 285. Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 827. Systematisch war deshalb § 1911 E I noch im Abschnitt über die Errichtung und Aufhebung von Testamenten platziert. 34  Muscheler, Erbrecht, Rn. 549; O. Werner, FS Kanzleiter, S. 402. 35  R. Zimmermann, Quos, S. 35; siehe auch Staudinger/Otte, § 2064 Rn. 2, der aber in Rn. 4 materiale Gründe für ausschlaggebend erachtet. 36  R. Zimmermann, Quos, S. 36. 37 Ablehnend Windel, S. 235 mit Fn. 148 (auch § 2064 BGB enthalte ein materiales Prinzip, keine Formvorschrift); Spiro, FS Druey, S. 260 (Vertretung in der Erklärung werde schon durch die Formgebote ausgeschlossen). 38  R. Zimmermann, Quos, S. 35 f.; Breitschmid, FS Hausheer, S. 477. 39  R. Zimmermann, Quos, S. 36. 40  Siehe oben § 2 B.I.2.b) (S. 43 f.). 41  J. Mayer, ZEV 2000, 263, 267. 42  BGH v. 27.4.1970 WM 1970, 930; KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182; OLG Stuttgart v. 19.8.1997 FamRZ 1998, 260; KG v. 21.2.1924 OLGE 43, 394; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22; ders., FamRZ 2006, 309, 310; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 21, 34; F. Wagner, S. 64 f.; ders., ZEV 1998, 184 f. 33 

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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lasser hat seinen Willen vollständig gebildet; der Dritte wirkt nur bei dessen Umsetzung mit.43 Pointiert formulierte die Zweite Kommission, der Dritte treffe seine Entscheidung nicht anstelle des Erblassers, sondern anstelle des eigentlich zur Feststellung des Bedingungseintritts aufgerufenen Gerichts.44 Insofern wird keine Entscheidung, die eigentlich der Erblasser zu treffen hätte, auf den Schiedsgutachter verlagert.45 Anders soll es allerdings sein, wenn der Erblasser in seiner Verfügung eine gerichtliche Kontrolle des Schiedsgutachtens ausgeschlossen hat und diese Entscheidung somit unter allen Umständen verbindlich sein soll.46 Dieser Fall gleiche der Abhängigkeit der Verfügung vom Willen eines anderen.47 Darauf ist zu erwidern, dass zwar nunmehr endgültig ein Dritter und nicht mehr das ohne die Anordnung eines Schiedsgutachtens eigentlich feststellungsbefugte Gericht über die Erbfolge entscheidet. Doch liegt darin immer noch kein Konflikt mit § 2065 BGB, denn Erbe wird nur jemand, den der Erblasser zuvor dafür ausersehen hat.48 Eine Kontrolle der Entscheidung des Schiedsgutachters auf die Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB bliebe von einem Ausschluss ohnehin unberührt.49

3. Potestativbedingungen Wegen § 2065 Abs. 1 BGB ist es einem Erblasser nicht gestattet, seine Verfügung von der Zustimmung eines anderen abhängig zu machen.50 Unzulässig ist folglich eine Erbeinsetzung des ältesten Kindes unter der Bedingung, dass sich die Ehefrau nach dem Tod des Erblassers damit einverstanden erklärt (sog. Wol43  Vgl. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 12 (Erblasser sehe die Entscheidung des Dritten nur im Vertrauen auf dessen sachgerechte Beurteilung des Eintritts der Bedingung vor); Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22 ff.; v. Lübtow I, S. 142 mit Nachweisen aus dem älteren Schrifttum. A.A. Ivo, DNotZ 2002, 260, 266 (Dritter nimmt unmittelbar Einfluss auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung); F. Wagner, ZEV 1998, 184, 185, der die Beschränkungen des BGH für eine Erbenbestimmung durch einen Dritten übertragen will. Diese Übertragung geht freilich ins Leere, da der Schiedsgutachter nicht den Erben benennt. – Für eine Trennung beider Problemkomplexe schon Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523. 44  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523. 45 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 5. 46  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 13; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 5; a.A. Kipp/Coing, S. 124 (§ 18 III 6). 47  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 13. 48  Keine Bedenken gegen den Ausschluss der Überprüfung hatte die Zweite Kommission, Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523. Ein solches Vorgehen sei in Anlehnung an die Preisrichterentscheidung (§ 661 BGB) gestattet. Ob der Erblasser den Rechtsweg ausschließen wollte, sei Auslegungsfrage; regelmäßig sei davon auszugehen. 49  Zu diesem zusätzlichen Kontrollmaßstab Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 36; allgemein unten § 14 B.II.2. (S. 645). 50  Siehe RG v. 4.3.1912 RGZ 79, 32; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 41 m.w.N.; vgl. aber auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 1, 25 zur Schwierigkeit einer exakten Grenzziehung zwischen beiden Absätzen des § 2065.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

lensbedingung).51 Andererseits ist eine bedingte Erbeinsetzung nicht schlechthin unzulässig, wie schon die §§ 2074 f. BGB bestätigen. Insbesondere ist allgemein anerkannt, dass eine Verfügung auch mit einer Bedingung, deren Eintritt allein vom Willen eines anderen (des Bedachten oder eines Dritten) abhängt (sog. Potestativbedingung), versehen werden kann.52 Klassische Beispiele einer generell zulässigen Potestativbedingung sind Wiederverheiratungsklauseln oder Pflichtteilsstrafklauseln.53 In gewissem Umfang kann der Erblasser also durchaus die Entscheidung über die Geltung seiner Verfügung in die Hände und den Willen eines anderen legen. Das Verbot des § 2065 Abs. 1 BGB wird damit gelockert. Jedoch könnte der Erblasser nun diese Vorschrift ganz aushebeln, indem er seine Verfügung an die Vornahme einer ganz und gar bedeutungslosen Handlung knüpft und mit einer derartigen „Zauderbedingung“54 die Entscheidung über die Gültigkeit der Verfügung auf einen anderen abwälzt. Wer ein Drittbestimmungsverbot etabliert, muss deshalb bestimmte Potestativbedingungen im Hinblick auf dieses Verbot für unzulässig halten.55 Welche Bedingungen zu diesem Kreis zählen, ist nicht einfach abzustecken, wenn die Bedingung äußerlich allenfalls mittelbar die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der Verfügung bezweckt.56 Der BGH hat zwei miteinander verknüpfte Kriterien zur Abgrenzung gefunden:57 Der Erblasser dürfe hinsichtlich seiner Entscheidung nicht unentschlossen gewesen sein. Nicht unentschlossen sei er in der Regel, wenn er am Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung interessiert war und den Inhalt seiner Verfügung auf die 51  Vgl. nur Helms, ZEV 2007, 1; zu Wollensbedingungen allgemein Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 41 (zugleich zu Recht kritisch zu dem farblosen Begriff). 52 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 41; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 10; Blomberg, S. 9. Umstritten ist dagegen der Kreis zulässiger Potestativbedigungen, siehe nur Knobbe-­ Keuk, FamRZ 1972, 9 ff. (mit einer Beschränkung auf vermögensbezogene Anordnungen); Kroppenberg, DNotZ 2006, 86, 90 ff.; Budzikiewicz, AcP 209 (2009), 354, 355 ff. 53  Weitere Beispiele typischer zulässiger Potestativbedingungen bei Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 45 ff.; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 11. 54  Raape, FS Zitelmann, S. 9. 55  Siehe z.B. Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 11; Keim, FamRZ 2003, 137, 139 (auch bedingte Verfügung ist an den Anforderungen des Drittbestimmungsverbots zu messen); a.A. Frey, S. 124. – Das Problem hatte schon der Gesetzgeber erörtert, seine Lösung allerdings auch nur einer Entscheidung im Einzelfall vorbehalten können, Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 16; Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523; dazu auch Brox, FS Bartholomeyczik, S. 42 f. 56  Vgl. auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 42; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2074 Rn. 15. 57  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 201 f.; zustimmend die herrschende Lehre, siehe z.B. RGRK/Johannsen; § 2065 Rn. 10; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 11 ff. (der zudem das Interesse des Dritten am Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung betont); Kipp/Coing, S. 123 (§ 18 III 3); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 96. Das zweite Kriterium betonen Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 44, 62 (ausgehend von einer formalen Unterscheidung, ob sich der Wille des Bedachten unmittelbar oder nur mittelbar auf die Geltung der Verfügung bezieht); ders., ZEV 2001, 318, 319; F. Wagner, ZEV 1998, 255, 256. Das erste Kriterium sei ungeeignet, da der Erblasser stets einen Schwebezustand in Kauf nehme, wenn er eine bedingte Verfügung treffe, und zudem eine bedingte Verfügung gerade Ausdruck verantwortungsbewussten Testierens sein könne.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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durch Eintritt oder Nichteintritt geschaffene Sachlage abstimmen wollte. Wer seinen Neffen zum Alleinerben einsetzt unter der Bedingung, dass dessen Mutter fünf Euro an das Rote Kreuz spendet,58 möchte in Wirklichkeit der Mutter die Entscheidung über die Erbeinsetzung zuspielen. Eine derartige Delegation der Entscheidung will aber § 2065 Abs. 1 BGB gerade untersagen. Die betreffende Verfügung wäre wegen Verstoßes gegen § 2065 BGB oder zumindest wegen Umgehung dieser Vorschrift unwirksam. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass die Abgrenzung nach der genannten Formel nicht immer ein eindeutiges Ergebnis liefert.59 Gleiches gilt für anders nuancierte Abgrenzungsformeln, wie etwa das Postulat, die Bedingung müsse mehr sein als eine bloße Umkleidung der Ernennung des Erben,60 die Formulierung, die Bedingung dürfe nicht auf eine Vertretung im Willen hinauslaufen,61 oder das Kriterium, die Entscheidung über die Vornahme der Handlung müsse unabhängig von der Erbfolge getroffen werden.62

4. Verhältnis zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot Wiederholt hat die Rechtsprechung Erbeinsetzungen als zu unbestimmt an § 2065 BGB scheitern lassen, wenn die vom Erblasser angeordnete Bedingung von einer nicht von diesem näher bestimmten Gruppe von Personen erfüllt werden kann. Meist ging es dabei um Zuwendungen an denjenigen, der den Erblasser im Alter pflegt oder der mit dem Leichnam des Erblassers in bestimmter Weise verfährt.63 Dem entspricht eine Literaturansicht, derzufolge § 2065 BGB alle Anordnungen erfasse, die zu einer Verlagerung der Entscheidung über die 58  Beispiel nach R. Frank/Helms, § 4 Rn. 12; siehe auch Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 13; Raape, FS Zitelmann, S. 8 f. 59  So auch R. Frank/Helms, § 4 Rn. 12 (ab welchem Betrag kann ein Interesse des Erblassers an der Spende angenommen werden?); R. Zimmermann, Quos, S. 55; Helms, ZEV 2007, 1, 5 (mit dem Vorschlag, nur Potestativbedingungen für unzulässig zu erklären, die „einer reinen Wollensbedingung ganz nahe kommen“). 60  v. Lübtow I, S. 140; Raape, FS Zitelmann, S. 6 ff. 61  So die Umschreibung bei Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 10 für die BGH-Kriterien; ebenso Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 5; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 11; Helms, ZEV 2007, 1, 3. 62  Schmoeckel, Erbrecht, § 19 Rn. 27 f. 63  Nachweise bei Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 19; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 7. Z.B. OLG München v. 22.5.2013 ZEV 2013, 617 (Erbeinsetzung zugunsten derjenigen Person, die „sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“); KG v. 24.2.1998 ZEV 1998, 260 (Erbeinsetzung derjenigen Personen, die die tätowierten Hautpartien des Erblassers abziehen, konservieren und auf einen Rahmen spannen lassen); LG Frankfurt v. 18.11.1986 MDR 1987, 762 (Erbeinsetzung desjenigen, der die Einäscherung besorgt); LG Magdeburg v. 10.6.1999 Rpfleger 1999, 493 („dem, der mich würdig neben die Urnen meines Mannes und meiner Mutter legen lässt“); OLG Frankfurt v. 13.2.1995 NJW‑RR 1995, 711 (Anordnung: „Wer zuletzt mich pflegt und sorgt, bekommt das Haus, Schmuck und alles“, ist nicht unwirksam, wenn der Erblasser pflegebedürftig war und die Pflegeperson selbst ausgesucht hat). – Weniger problematisch ist es, wenn der Erblasser selbst die Pflegeperson bestimmt, da

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Erbeinsetzung führen.64 In diesen Fällen § 2065 BGB anzuwenden, überzeugt nicht:65 Es handelt sich nach den oben genannten Maßstäben um eine Anordnung unter einer Bedingung, an deren Eintritt der Erblasser gewiss ein Interesse hat.66 Die Anordnung verstößt somit nicht gegen § 2065 Abs. 1 BGB. Doch auch § 2065 Abs. 2 BGB, der in mehreren Entscheidungen zur Begründung angeführt wird, ist nicht unmittelbar einschlägig: Dass die begünstigte Person nicht von vornherein feststeht und nur durch Nachforschungen festzustellen ist, macht die Verfügung noch nicht zur Einräumung einer Bestimmungsbefugnis an einen Dritten. Die betreffenden Anordnungen nennen schon keinen Dritten – warum sollten sie auch, wenn der Erblasser glaubt, alles Erforderliche erklärt zu haben?67 Dritter könnte allenfalls derjenige sein, der die Bedingung erfüllt und damit sich selbst bestimmt,68 oder das Nachlassgericht69. Dieses kann aber nicht bestimmungsbefugter Dritter, sondern allenfalls Instanz zur verbindlichen Auslegung des Testaments sein.70 Es geht in diesen Fällen allein sich dieser Fall nach den allgemeinen Grundsätzen über Potestativbedingungen lösen lässt, vgl. Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 96. 64  Schlüter, Rn. 142; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 23; ders., JZ 2000, 705, 708 (indem § 2065 Abs. 2 die Drittbestimmung ausschließe, sage er nach seinem Zweck zugleich, dass der Erblasser die Person des Bedachten festlegen muss); der Sache nach auch v. Lübtow I, S. 143 f. 65  So auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 16 ff.; ders., ZEV 2013, 619; Bamberger/Roth/ Litzenburger, § 2065 Rn. 4, 11; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 26; R. Frank/Helms, § 4 Rn. 13; Keim, FamRZ 2003, 137, 138 f.; F. Wagner, ZEV 1998, 255, 256 gegen KG v. 24.2.1998 ZEV 1998, 260; Breitschmid, FS Hausheer, S. 483. 66  Aus welchen Motiven heraus der Dritte handelt, ist nach hier vertretener Auffassung irrelevant. Der Einwand, der Dritte werde bei der Vornahme der Handlung allein von der Aussicht auf die Erbschaft geleitet (Lange/Kuchinke, S. 546 [§ 27 I 6 b]), geht daher an der Sache vorbei. Die Wirkungen der Potestativbedingung auf die Handlungsfreiheit des Dritten sind nicht an § 2065 BGB, sondern an anderen Vorschriften (z.B. § 138 BGB – Heiratsklauseln) zu messen. Nach dieser Deutung des § 2065 BGB müsste jede „belohnende“ Erbeinsetzung scheitern. Die „Selbstbestimmung“ des Dritten, der die Bedingung erfüllt, stellt sich nicht als Drittbestimmung i.S.d. § 2065 BGB dar, denn der Erblasser selbst hat abschließend die Kriterien für den Eintritt der Bedingung vorgegeben, Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 28. 67 Vgl. F. Wagner, S. 88. 68  So offenbar das LG Magdeburg v. 10.6.1999 Rpfleger 1999, 493; kritisch zu dieser „Selbstbestimmung“ des Erben Lange/Kuchinke, S. 546 (§ 27 I 6 b), vgl. Fn. 66. 69  So die Deutung von Otte, ZEV 2013, 619. 70  BayObLG v. 23.5.2001 FamRZ 2002, 200, 201 (Einsetzung der „Diakonissen in S.“, wenn in S. zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Diakonissen mehr tätig waren); LG Frankfurt v. 18.11.1986 MDR 1987, 762; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 16, 19; Münch­ Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 5, 15; F. Wagner, S. 89 f., der sich hierbei auch auf die parallele Diskussion im Schuldrecht beruft. A.A. offenbar KG v. 29.4.1968 OLGZ 1968, 329 (Einsetzung einer nicht näher identifizierbaren „Kriegsversehrten-Stelle“ kann nicht mit auswählender oder wertender Entscheidung des Nachlassgerichts bestimmt werden); OLG Dresden v. 4.3.1948 NJW 1949, 346 (Testamentsvollstrecker, Nachlassgericht oder Prozessgericht als Dritter i.S.d. § 2065 Abs. 2 BGB bei Entscheidung darüber, wer die Erblasser im

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darum, ob das Nachlassgericht durch Auslegung71 und gegebenenfalls Beweiserhebung dem Erblasserwillen zur Wirkung verhelfen kann, oder ob der Erblasser seinen Willen dafür zu unbestimmt zum Ausdruck gebracht hat.72 Für diese Frage ist es aber irrelevant, ob der Kreis von Personen, die die Bedingung erfüllen können, beschränkt oder offen ist.73 Die Offenheit des Personenkreises erschwert allenfalls die Auslegungstätigkeit, führt aber nicht zu einer Fremdbestimmung des Erben.74 Die Anwendung des § 2065 BGB ist einer Auslegung des Testaments nachgelagert.75 Die Notwendigkeit einer Auslegung stellt nicht in Frage, dass die ausgelegte Erklärung vom Erblasser stammt.76 Wie zuvor bereits für die Delegation im Schuldrecht festgestellt, erweist sich auch hier, dass Auslegung keine Drittbestimmung bedeutet.77 Dass bei der Auslegung nicht ausschließlich außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände über die Erbenstellung entscheiden dürfen, ist schon den allgemeinen Regeln der Testamentsauslegung zu entnehmen78 und bedarf keiner zusätzlichen Begründung mit Hilfe von § 2065 BGB.79 Für die Auslegung gilt das allgemeine Bestimmtheitsgebot: Eine Willenserklärung, der sich auch mit Hilfe der Auslegung kein bestimmter oder bestimmbarer Inhalt entnehmen lässt, ist unwirksam.80 Alter gepflegt hat); ErbKomm/Gemmer, § 2065 Rn. 4 (auch der Auslegende sei Dritter, dessen Wille nicht an die Stelle des Erblasserwillens treten dürfe). 71 Eventuell mit Hilfe gesetzlicher Auslegungsregeln wie § 2072 BGB, siehe z.B. BayObLG v. 19.4.2000 ZEV 2001, 22, 23 (das Gericht löste den Fall analog § 2072 BGB, da die Erblasserin „ein Heim für körperbehinderte Kinder in München“ als Alleinerben eingesetzt hatte). 72  Otte, ZEV 2013, 619. 73  Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 11; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 19; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 26; a.A. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 11; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 31; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 11; v. Lübtow I, S. 144. – Nicht vertieft werden kann hier die rechtspolitische Frage, auf welchem Wege und in welchem Umfang derartige Pflegeleistungen zu honorieren sind. Doch kann das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit, derlei Dienste angemessen zu entschädigen (siehe dazu den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb‑ und Verjährungsrechts, BT-Drucks. 16/8954, S. 6, 17 f.), ein Indiz dafür sein, dass Klauseln der genannten Art eher zu begünstigen sind. 74  So aber ausdrücklich Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 11 („[u]nzulässige Vertretung im Willen“). 75  BayObLG v. 23.5.2001 FamRZ 2002, 200, 201; OLG Zweibrücken v. 4.7.1988 NJW‑RR 1989, 453 (zur Auslegung eines Briefes mit dem Inhalt: „Dir gehört alles, was Du willst“ als Einsetzung zum Alleinerben); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 5; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 3; Muscheler, Erbrecht, Rn. 555. 76  O. Werner, FS Kanzleiter, S. 402 f. 77  Siehe oben § 4 B.I.2. (S. 155 ff.). 78  Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 14 ff., 25 ff., 60, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, auch zur Gegenansicht; Schlüter, Rn. 192. 79  So aber ErbKomm/Gemmer, § 2065 Rn. 4 (§ 2065 sei auch „eine gewisse Grenze der Auslegung zu entnehmen“). 80  Drastisches Beispiel OLG Köln v. 1.4.1981 Rpfleger 1981, 357: Hat der Erblasser in

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Darin liegt aber keine erbrechtliche Besonderheit und kein Grund, auf § 2065 BGB zu rekurrieren. Die Vorschrift des § 2065 BGB verschärft das Bestimmtheitsgebot. Es ist aber nicht erforderlich, das Bestimmtheitsgebot aus § 2065 BGB oder zumindest mittelbar aus dem Zweck der Vorschrift herzuleiten.81 Die Berufung auf § 2065 BGB in diesem Zusammenhang sorgt sogar eher für Verwirrung. Erst wenn Inhalt und Bestimmtheit der Verfügung geklärt sind, kann sich die Frage stellen, ob ein – vom Nachlassgericht verschiedener – Dritter über die Geltung der Verfügung oder über Empfänger oder Gegenstand der Zuwendung zu entscheiden hat.

5. Ermächtigung des Vorerben Bis heute umstritten ist das Zusammenspiel von § 2065 BGB mit Anordnungen des Erblassers, die es dem Vorerben freistellen, die vom Erblasser angeordnete Vor‑ und Nacherbschaft zu modifizieren. Dieser Streit muss hier nicht in allen Verästelungen82 nachgezeichnet werden. Von Bedeutung sind vielmehr zwei Erkenntnisse: Es existiert erstens ein praktisches Bedürfnis danach, einer Vertrauensperson (dem Vorerben) in bestimmtem Umfang einen Entscheidungsspielraum über das Schicksal des Vermögens des Erblassers nach dessen Tod einzuräumen.83 Und zweitens bereitet es vor dem Hintergrund dieses Bedürfnisses sowohl der Gestaltungspraxis als auch der Dogmatik erhebliche Schwierigkeiten, die Grenzen des § 2065 BGB exakt abzustecken. Nicht selten verknüpft ein Erblasser die Anordnung einer Vor‑ und Nacherbfolge mit der Bedingung eines bestimmten Verhaltens des Vorerben. Drei Typen von Verhaltensweisen des Vorerben dominieren dabei die Diskus­ sion:84 (i) Der Eintritt der Nacherbschaft soll davon abhängen, dass der Vorseinem privatschriftlichen Testament versehentlich nicht erklärt, wer Erbe werden soll („Es ist mein Wille das [sic!] nach meinem Tode mein gesamtes Vermögen einschließlich Hausrat erben soll“), so kann die fehlende Angabe nicht durch Aussagen Dritter über den Willen des Erblassers ersetzt werden. Das Gericht berief sich auf den Zweck des § 2065 BGB. In Wirklichkeit ist § 2065 BGB überhaupt nicht berührt. Siehe auch BayObLG v. 12.3.1992 FamRZ 1992, 987 (Erbeinsetzung desjenigen, der „die Pflege der Grabstätte“ übernimmt, zu unbestimmt, da sich nicht aus dem Testament heraus ermitteln lässt, ob die Pflege den Vorstellungen des Erblassers entspricht); BayObLG v. 27.11.1990 FamRZ 1991, 610 (Erbeinsetzung desjenigen, der der Erblasserin „beisteht“, zu unbestimmt, weil nicht ersichtlich ist, an welche Art von Beistand die Erblasserin dachte). 81  Für eine Trennung insbesondere Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 11, 14; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 3, 16 ff.; ders., ZEV 2013, 619; F. Wagner, 88 ff.; differenzierend Sens, S. 19 ff. (Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB möglich, wenn mehrere, z.B. mehrere Altersheime, gleichwertig als Erben in Betracht kommen). 82 Von „einer der diffizilsten und umstrittensten Fragen des Erbrechts“ spricht Kanz­ leiter, DNotZ 2001, 149, 150. 83  Vgl. z.B. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16. 84 Siehe z.B. die Darstellung bei R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 10 Rn. 70 ff.; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 6 ff.

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erbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt. Für den Inhalt dieser Verfügung enthält die Anordnung des Erblassers keine Vorgabe. (ii) Die Nacherbschaft soll dann nicht eintreten, wenn der Vorerbe in bestimmter Weise testiert. Der Vorerbe kann bei dieser Gestaltung ermächtigt werden, die Erbquote unter den vom Erblasser ausgewählten Nacherben zu ändern. Er kann aber auch ermächtigt sein, die Nacherbschaft wegfallen zu lassen, indem er einen der Nacherben zu seinem Alleinerben bestimmt. (iii) Der Erblasser bestimmt diejenige Person zu seinem Nacherben, die der Vorerbe als Erbe einsetzt. Mehrere Gesichtspunkte können einen Erblasser zur Anordnung einer modifizierbaren Vor‑ und Nacherbschaft veranlassen. Generell kann die Anordnung einer Vor‑ und Nacherbschaft von dem Wunsch getragen sein, aufgrund der Bindung des Vorerben nach den §§ 2113 ff. BGB Vermögenswerte für einen endgültig Bedachten zu bewahren.85 Diesem endgültig Bedachten soll das Vermögen aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zukommen, beispielsweise weil er zum Zeitpunkt des Erbfalls noch zu jung ist oder weil zunächst der Vorerbe in gewissem Umfang von dem Vermögen profitieren soll. Sie kann aber insbesondere auch in einem frühzeitigen Unternehmertestament zum Tragen kommen:86 Der Erblasser setzt seine Ehefrau als Vorerbin und seine noch minderjährigen Kinder als Nacherben ein. Gleichzeitig versieht er die Nacherbfolge mit der auflösenden Bedingung, dass seine Ehefrau durch Verfügung von Todes wegen eines der Kinder zu ihrem Alleinerben einsetzt. Auf diese Weise soll der Ehefrau die Bestimmung eines geeigneten Unternehmensnachfolgers überlassen werden; zugleich ist die Weiterführung des Unternehmens bis zum Heranreifen dieses Nachfolgers durch die Ehefrau als Vorerbin sichergestellt.87 Aber auch außerhalb des frühzeitigen Unternehmertestaments mag diese Motivation eine Rolle spielen, nämlich dann, wenn der Erblasser bestimmte Vorstellungen über das Schicksal seines Vermögens hat, gleichzeitig aber die zunächst Bedachte nicht übermäßig einengen möchte, sondern vielmehr davon ausgeht, dass diese – wenn sie denn testiert – dies schon in einem Sinne tun werde, mit dem er einverstanden wäre.88 Nur 85  Außer Betracht bleiben hier die steuerlichen Folgen der Vor‑ und Nacherbschaft (§ 6 ErbStG), die allerdings wegen der grundsätzlichen zweimaligen Versteuerung desselben Vermögens in der Praxis zur Zurückhaltung bei diesen Gestaltungen mahnen müsste. Dass sie trotzdem verwendet werden, mag das besondere Bedürfnis nach derartigen Konstruktionen in Anbetracht von § 2065 BGB unterstreichen. Dazu auch F. Wagner, S. 104 Fn. 7. 86  Formulierungsbeispiel bei Helms, ZEV 2007, 1, 3 m.w.N.; siehe ferner W. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 22 Rn. 14. 87  Nicht verkannt werden dürfen die Nachteile dieser Gestaltung: Sie funktioniert nur, wenn die Ehefrau zur Führung des Unternehmens willens und in der Lage ist (vgl. Goebel, DNotZ 2004, 101, 102). Das Ziel der Erhaltung des Unternehmens in einer Person wird zudem nur erreicht, wenn die Ehefrau auch tatsächlich letztwillig einen Nachfolger auswählt. 88  Brox, FS Bartholomeyczik, S. 48; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 49.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

für den Fall, dass die Vorerbin keine Verfügung von Todes wegen trifft, hält die Anordnung der Nacherbschaft eine „Reservelösung“ bereit. Schließlich ist es auch denkbar, dass der Erblasser dem Vorerben die Möglichkeit einräumen möchte, seine Wahl des Nacherben zu billigen.89 Neben dieser Motivation kann jedoch noch eine ganz andere, ebenfalls für die Anordnung der Vor‑ und Nacherbschaft typische Überlegung maßgeblich sein. Dem Erblasser kann es, wie im Beispiel des Geschiedenentestaments,90 darum gehen, Pflichtteilsberechtigte des Vorerben vom Nachlass fernzuhalten.91 Die Einschränkung und Bindung seines Nachfolgers nach den Regeln der Vor‑ und Nacherbschaft nimmt er dafür nur nolens volens in Kauf. Bei allen drei Gestaltungstypen besteht auf den ersten Blick der Verdacht eines Konflikts mit § 2065 BGB.92 Denn in je nach Gestaltung mehr oder minder ausgeprägtem Umfang entscheidet eine andere Person als der Erblasser darüber, ob es bei den Verfügungen des Erblassers bleibt und was mit seinem Nachlass geschieht. Die Klauselarten werden in unterschiedlichem Maße für zulässig gehalten. Zulässig soll es nach ganz herrschender Meinung sein, der Vorerbin völlig freie Hand nach dem Gestaltungstyp (i) zu lassen.93 Das muss auf den ersten Blick überraschen, denn einer Klausel, wonach der Vorerbe einen neuen Nacherben aussuchen darf, steht der Verstoß gegen § 2065 Abs. 2

89 So

Raape, AcP 140 (1935), 233 ff. Keim, FamRZ 2003, 137, 138. Der geschiedene Erblasser setzt seine Kinder nicht als Vollerben, sondern nur als Vorerben ein, damit nicht, wenn nach seinem Tod ein Kind verstirbt, der frühere Ehegatte doch noch am Nachlass teilhaben kann. Um den Kindern eine größtmögliche Entscheidungsfreiheit zu belassen, ordnet der Erblasser zugleich an, dass Nacherbe diejenige Person sein solle, die der Vorerbe zu seinem Erben einsetzt. Diese Gestaltung wird auch „Dieterle-Klausel“ genannt, da sie zurückgeht auf Dieterle, BWNotZ 1971, 14. 91  Diesen Aspekt betonen Keim, FamRZ 2003, 137, 138; Ivo, DNotZ 2002, 260 f. 92  Haegele, Rpfleger 1965, 355, 357 spricht von einer „wegen § 2065 BGB etwas überraschenden Möglichkeit“. 93  Siehe z.B. RG v. 16.4.1919 RGZ 95, 278; BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 204; BGH v. 14.7.1972 BGHZ 59, 220; BayObLG v. 3.8.2001 ZEV 2001, 483, 484; OLG Hamm v. 24.8.1999 ZEV 2000, 197, 198; OLG Oldenburg v. 6.11.1990 NJW-RR 1991, 646; Staudinger/ Otte, § 2065 Rn. 49 mit Nachweisen zur früheren Rechtsprechung; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 18 m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 6; RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 10 (anders aber Rn. 16); Jauernig/R. Stürner, § 2065 Rn. 1; Lange/Kuchinke, S. 547 f. (§ 27 I 7 b); Schlüter, Rn. 143; F. Wagner, S. 111 ff. mit umfangreichen Nachweisen; Raape, AcP 140 (1935), 233, 238 f.; Brox, FS Bartholomeyczik, S. 43; Keim, FamRZ 2003, 137, 140; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 6; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 10 Rn. 70 m.w.N.; Flad, ZAkDR 1938, 431 ff.; Sünner, S. 80 ff. (allerdings mit der abweichenden und unzutreffenden Begründung, der Vorerbe werde aufgrund seiner anderweitigen Verfügung selbst Nacherbe); ausdrücklich offengelassen aber in BGH v. 4.12.1980 NJW 1981, 2051, 2052. – Ablehnend Erman/M. Schmidt; § 2065 Rn. 5; v. Lübtow I, S. 140 f.; Stiegeler, S. 99; ders., BWNotZ 1986, 25 ff.; F. Wagner, S. 101 ff.; Maenner, LZ 1925, 570 ff.; kritisch Kipp/ Coing, S. 123 (§ 18 III 4). 90 Z.B.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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BGB auf die Stirn geschrieben.94 Entsprechend hat sich die herrschende Ansicht eine andere Auslegung der Testamentsklausel gesucht. Sie argumentiert dabei äußerst formal:95 Indem die Vorerbin anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfüge, schwinge sie sich zur Vollerbin auf. Mit ihrem Tod96 trete die auflösende Bedingung ein, so dass die Vor‑ und Nacherbschaft wegfalle und die Vorerbin für eine „logische Sekunde“97 Vollerbin des Erblassers werde. Dessen Nachlass stelle damit kein von ihrem Nachlass getrenntes Sondervermögen mehr dar, sondern sie verfüge nur über ihren eigenen Nachlass. Zu einem Konflikt mit § 2065 Abs. 2 BGB komme es daher nicht. Zudem habe ja der Erblasser selbst die Vollerbin ausgewählt.98 Zumindest die Übertragung seines Vermögens an die nächste Generation habe der Erblasser somit selbst geregelt; mache er sich darüber hinausgehende Gedanken über die Verwendung in der übernächsten Generation, dürfe das, wie teilweise im Schrifttum hinzugefügt wird, im Rahmen des § 2065 BGB nur an weniger strengen Maßstäben gemessen werden, da eine wirksame Verfügung auch ohne derartige Überle94  Brox, FS Bartholomeyczik, S. 42 f., 48 (mit dem Vorschlag einer „Rettung“ der Verfügung im Wege der sogleich vorzustellenden Auslegung); Ivo, DNotZ 2002, 260. Beispiele aus der Rechtsprechung: In BayObLG v. 18.3.2004 FamRZ 2005, 65; LG München I v. 13.2.1996 FamRZ 1998, 1261; OLG Hamm v. 6.7.1995 FamRZ 1996, 378 war jeweils dem Vorerben die Auswahl des Nacherben aus einem bestimmten Personenkreis überlassen. Die Gerichte hielten diese Anordnung für unwirksam und setzten die konstruktive Nacherbfolge nach § 2104 S. 1 BGB an deren Stelle. – Der oben vorgestellte Typ (iii) unterscheidet sich insofern, als der Vorerbe nur mittelbar den Nacherben bestimmt, indem der Erblasser die testamentarischen Erben des Vorerben zu seinen Nacherben macht. 95 Zum Folgenden siehe z.B. Münch­ Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16; Staudinger/ Otte, § 2065 Rn. 49 f.; Soergel/Loritz; § 2065 Rn. 18; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 24; Blomberg, S. 8 f.; Brox, FS Bartholomeyczik, S. 43 ff.; Keim, FamRZ 2003, 137, 140; Helms, ZEV 2007, 1, 3. – Weitere Argumente in diesem Zusammenhang müssen hier nicht vertieft werden: Früher wurde vorgebracht, der Bedachte sei nicht „ein anderer“ i.S.d. § 2065 BGB (dazu Raape, AcP 140 (1935), 233, 238; dagegen Stiegeler, S. 93 ff.; F. Wagner, S. 124 m.w.N.). Ferner werden Verstöße gegen die Ausschlagungsregeln, gegen die Regeln der Vor‑ und Nacherbschaft und gegen § 2302 BGB diskutiert. Zusammenfassend F. Wagner, S. 107 ff. m.w.N.; Brox, FS Bartholomeyczik, S. 45 ff., jeweils m.w.N. 96  Möglich soll es auch sein, eine Verfügung zu Lebzeiten der Vorerbin als auflösende Bedingung vorzusehen, OLG Hamm v. 24.8.1999 ZEV 2000, 197, 198. In BGH v. 26.2. 1970 DNotZ 1970, 358 abgelehnt wurde das Vorbringen, die Bedingung könne auch aufgrund einer vor dem Tode des Erblassers errichteten Verfügung von Todes wegen eintreten, da der Vorerbe zu diesem Zeitpunkt mangels Erbfalls auch nicht Vollerbe werden und auch keinen dahingehenden Willen haben könne. Diese Entscheidung treibt die formale Argumentation auf die Spitze, übersieht dabei aber, dass die Verfügung des Vorerben erst mit dessen Tod seine Wirkung entfaltet und der Vorerbe, auf dessen Willen es für die Interpretation des Testaments des Erblassers ohnehin nicht ankommt, zu diesem Zeitpunkt sehr wohl Vollerbe werden kann, so auch Brox, FS Bartholomeyczik, S. 47; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 21. 97 Mit dieser argumentieren Brox, FS Bartholomeyczik, S. 45; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 21 („juristische Sekunde“); Helms, ZEV 2007, 1, 3. 98  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

gungen möglich sei.99 Es bleibt allerdings ein weiterer Einwand: In der Entscheidung der Vorerbin darüber, ob die Vor‑ und Nacherbschaft bestehen bleiben soll, könnte ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 1 BGB liegen. Hier verweist die herrschende Meinung auf die Grundsätze zur Potestativbedingung: Das Verhalten der Vorerbin wirke sich nur mittelbar auf die Geltung der Verfügung des Erblassers aus; der Erblasser habe ein eigenes Interesse an der Abhängigkeit von der Verfügung der Vorerbin und bezwecke nicht nur eine Geltungserklärung der Vorerbin.100 Die Testamentserrichtung hat für die Vorerbin ein Eigengewicht, das über die Einwirkung auf die Verfügung des Erblassers hinausgeht.101 Diese Herleitung wird zum Teil als einschränkende Auslegung des § 2065 BGB bezeichnet.102 Formal gesehen wird § 2065 BGB jedoch aufgrund des „Kniffs“, aus dem Vorerben einen Vollerben zu machen, nicht anders ausgelegt als sonst auch. Zu Gestaltungstyp (ii) gehen die Meinungen auseinander. Teilweise wird die Klausel als zulässig angesehen,103 teilweise gilt sie als Verstoß gegen § 2065 BGB.104 Wer die Zulässigkeit bejaht, argumentiert ähnlich wie soeben dargestellt. Nur ist die Bedingung, deren Eintritt zum Wegfall der Vor‑ und Nacherbschaft führen soll, enger gefasst, indem die Vorerbin sie nur mit bestimmten Verfügungen erfüllen kann.105 Besonders problematisch ist die Änderung der  99 

So Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 20; vgl. auch Windel, S. 238 Fn. 167. Aufgrund der Lehre von den Potestativbedingungen wird teilweise auch betont, dass eine bloße Entscheidung des Vorerben über die Vor‑ und Nacherbschaft ohne testamentarische Anordnungen über den eigenen Nachlass gegen § 2065 BGB verstoßen würde, Keim, FamRZ 2003, 137, 140. 101  Helms, ZEV 2007, 1, 5 (auch wenn die Vorerbin kaum eigenes Vermögen hat); siehe aber noch unten bei Fn. 114. 102  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16; als „teleologische Auslegung“ bezeichnet bei J. Mayer, ZEV 2000, 1, 6; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 20 („teleologische Rechtfertigung“). 103 Bejahend: Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 22; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 12; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 6; Lange/Kuchinke, S. 548 (§ 27 I 7 c); Helms, ZEV 2007, 1, 5; Goebel, DNotZ 2004, 101, 102; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 7; J. Frank, MittBayNot 1987, 234, 235; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 10 Rn. 71 ff. m.w.N.; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 52. 104 Ablehnend: Brox, FS Bartholomeyczik, S. 49 ff. (wegen unzulässiger Umgehung des § 2065 Abs. 2 BGB); RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 16 (dezidiert gegen die Auslegung, dass der Vorerbe Vollerbe werden könne, wenn er das wolle); ErbKomm/Gemmer; § 2065 Rn. 13; Herrmann, AcP 155 (1956), 434, 437; Stiegeler, BWNotZ 1986, 25, 26; Christoph Keim, S. 123 ff. (im Anschluss an Brox). – Allerdings zulässig, wenn Erbenbestimmung zulässig übertragen werden dürfte, Brox, FS Bartholomeyczik, S. 53; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 18 (Begründung: Vorerbe verfüge in diesem Fall nicht als Vollerbe, sondern über den Nachlass des Erblassers); Flad, ZAkDR 1938, 431, 433. Zweifelnd Großfeld, JZ 1968, 113, 115 Fn. 17 (wegen unzulässiger Einschränkung der Testierfreiheit des Vorerben und Herbeiführen einer fideikommissähnlichen Regelung) 105  Von der Bindung der Vorerbin kann der Erblasser bei dieser Gestaltung jedoch nur noch eingeschränkt profitieren. Wenn die Vorerbin mit ihrem Tod zur Vollerbin wird, sind auch alle Geschäfte, die sonst gegen die §§ 2113 ff. BGB verstoßen hätten, nicht mehr zu bean100 

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Erbquote unter den Nacherben, sofern diese nicht auch wegen Eintritts der auflösenden Bedingung zu „Schlusserben“ nach dem zum Vollerben gewordenen Vorerben werden sollen. Eine Bestimmung, die dem Vorerben das Recht gibt, unter Aufrechterhaltung der Vor‑ und Nacherbschaft die Quoten zu ändern, müsste einen Verstoß gegen § 2065 BGB darstellen.106 Der BGH hat sie – im besonderen Fall, dass der eine Sohn des Erblassers auf die Hälfte eingesetzt und von dessen Ehefrau als Vorerbin zum alleinigen Nacherben gemacht wurde – gleichwohl nicht beanstandet.107 Die Gestaltung nach Typ (iii) war lange Jahre gängige Praxis in der Testamentsgestaltung, ist jedoch in jüngerer Zeit in Zweifel geraten.108 Teile des Schrifttums wollen daran festhalten.109 Es handele sich nur um einen besonderen Fall der Umschreibung eines nicht namentlich bezeichneten Erben. Die Gestaltung sei entsprechend der Grundsätze über Potestativbedingungen zuzulassen.110 Der Erblasser sei in einem derartigen Fall gerade nicht unentschlossen.111 Dem Erblasser sei generell zu erlauben, denjenigen, den ein anderer bedenke oder gerade nicht bedenke, zum Erben einzusetzen und damit eine Vermögensstanden. Eine Bindung besteht allenfalls faktisch fort, da der Rechtsverkehr die Vorerbin zu Lebzeiten noch als gebundene Vorerbin ansieht und auch ein Nacherbenvermerk im Grundbuch nicht gelöscht werden darf (OLG Hamm v. 24.8.1999 ZEV 2000, 197). Dazu R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 10 Rn. 70; Brox, FS Bartholomeyczik, S. 50 f.; F. Wagner, S. 105 f.; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 6; sowie bereits Raape, AcP 135 (1940), 233, 237 f. – Wenn es umgekehrt dem Erblasser gar nicht darauf ankommt, die Vorerbin zu beschränken, wird er diese faktischen Restwirkungen als hinderlich empfinden (so auch z.B. Keim, FamRZ 2003, 137, 140). Zudem entfällt mit dem Eintritt der Bedingung der Effekt, dass unerwünschte Pflichtteilsberechtigte ferngehalten werden, Keim, FamRZ 2003, 137, 140; Kanzleiter, DNotZ 2002, 149, 152; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 6; siehe auch F. Wagner, S. 106 Fn. 14. Diese Nachteile sollen nach Stiegeler, S. 97 ff.; ders., BWNotZ 1987, 25, 27 schon gegen ein praktisches Bedürfnis für derartige Klauseln überhaupt sprechen. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen: Es bleibt einerseits die „faktische“ Wirkung der Vor‑ und Nacherbschaft. Zum anderen bleibt das von Stiegeler nicht ausreichend beachtete Bedürfnis, auf diese Weise einen Unternehmensnachfolger zu bestimmen; die Anordnung von Vor‑ und Nacherbschaft ist dabei nur Mittel, nicht Ziel des Erblassers. 106 Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 20; RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 16; Lange/Kuchinke, S. 548 (§ 27 I 7 c); Stiegeler, S. 88 f.; ders., BWNotZ 1986, 25, 26; Schlüter, Rn. 143; a.A. Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 19 m.w.N. mit der Konstruktion einer doppelt bedingten Einsetzung des Nacherben; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 7. 107  BGH v. 14.7.1972 BGHZ 59, 220; siehe auch die Nachweise bei Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 19; a.A. OLG Hamm v. 21.6.1966 DNotZ 1967, 315. 108  Seit OLG Frankfurt v. 10.12.1999 ZEV 2001, 316, wo – allerdings ohne vertiefte Auseinandersetzung – ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB bejaht wurde. Offengelassen in OLG Stuttgart v. 27.2.1997 BWNotZ 1998, 47. Der BGH hat sich zu dieser Gestaltung noch nicht eindeutig geäußert. 109  Ivo, DNotZ 2002, 260 ff.; Otte, ZEV 2001, 318, 319; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 19; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 19; J. Mayer, ZEV 2000, 1,7; Palandt/ Weidlich, § 2065 Rn. 7; AK/Finger; § 2065 Rn. 7. 110  Keim, FamRZ 2003, 137, 140. 111  Ivo, DNotZ 2002, 260, 264 m.w.N.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

konzentration zu bewirken.112 Die Gegenansicht113 sieht in dieser Gestaltung einen Verstoß gegen das Drittbestimmungsverbot. Schon dieser kurze Überblick belegt, dass der Einfluss des § 2065 BGB auf Gestaltungen, mit deren Hilfe diese Norm gerade umschifft werden soll, unklar ist. Zweifel können an verschiedenen Stellen der Argumentation ansetzen: Handelt es sich wirklich um eine zulässige Potestativbedingung, wenn der Vorerbe mittels anderweitiger Verfügung die Vor‑ und Nacherbschaft wegfallen lassen kann?114 Mit anderen Worten: Hat der Erblasser ein Interesse am Schicksal des eigenen – vielleicht vergleichsweise geringen – Vermögens des Vorerben, oder geht es ihm doch in erster Linie um den eigenen Nachlass?115 Auch fragt es sich, ob und unter welchen Umständen die Vor‑ und Nacherbschaft trotz einer Ermächtigung des Vorerben bestehen bleiben kann. Mit anderen Worten: Kann der Vorerbe in einzelnen Fällen doch Person oder Gegenstand der Zuwendung anstelle des Erblassers bestimmen? Unbefriedigend ist aber vor allem, dass diese Fragen allein anhand eines formalen Kriteriums beantwortet werden sollen. Die Abgrenzungsprobleme sind weniger in der Sache begründet, sondern wurzeln vielmehr in besonderer kautelarjuristischer Raffinesse, die einem Bedürfnis entsprechen will, dessen unmittelbare Befriedigung § 2065 BGB verbietet, und dem sie dennoch zum Teil nur unzureichend116 nachkommen kann. Der Sache nach greift der Vorerbe in

112 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 47 m.w.N.; AK/Finger, § 2065 Rn. 4; Staudinger/Avenarius, § 2100 Rn. 38; Lange/Kuchinke, S. 546 (§ 27 I 6 b); v. Lübtow I, S. 143; a.A. Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 24, 28; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 14; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 14; R. Zimmermann, Quos, S. 53 (Verstoß gegen § 2065 BGB); einschränkend Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 24 (Erblasser muss den Personenkreis vorgeben). – Den umgekehrten Fall behandelt Siber, JW 1925, 2121, 2122: Es sei zulässig, diejenigen aus einem bestimmten Personenkreis zu bedenken, die ein anderer nicht berücksichtigt. – Unproblematisch ist die Einsetzung der gesetzlichen Erben eines anderen, die objektiv und unabhängig vom Willen eines Dritten gefunden werden können, Soergel/ Loritz, § 2065 Rn. 14; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 14. 113 Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 14; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 24, 28 (soweit nicht eine ausnahmsweise zulässige Erbenbestimmung nach den unten § 5 A.IV.2. [S. 328 ff.] geschilderten Grundsätzen vorliegt); Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 6; Jauer­n ig/R. Stürner, § 2065 Rn. 1; J. Frank, MittBayNot 1987, 231, 235; Lange/Kuchinke, S. 548 (§ 27 I 7 c) (der aber andererseits auf S. 546 es zulässt, diejenigen zu bedenken, die ein Dritter einsetzt); F. Wagner, S. 138 ff.; wohl auch Kanzleiter, DNotZ 2001, 149, 150, der die Klausel für nicht mehr verwendbar hält. 114  Eine zulässige Potestativbedingung verneinen Stiegeler, S. 89 ff. (unzulässige Wollensbedingung); ders., BWNotZ 1986, 25, 26; F. Wagner, S. 131 f. 115  Siehe etwa Helms, ZEV 2007, 1, 3. 116  Gerade die Klausel vom Typ (i), die noch am ehesten allgemein akzeptiert ist, muss dem Vorerben eine „vom Zweck her nicht erforderliche Machtfülle“ (Großfeld, JZ 1968, 113, 115 Fn. 17) einräumen. Dass die detaillierte Regelung der Vor‑ und Nacherbschaft im Gesetz diese Schwächen im Vergleich zu der weniger vollkommen geregelten Anordnung eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses aufwiegen kann (auf diesen möglichen Vorteil

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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allen diskutierten Fällen in das Schicksal des Nachlasses ein.117 Auch die anderweitige Verfügung des Vorerben verstößt zumindest mittelbar gegen das Drittbestimmungsverbot: Die Verfügung des Vorerben ist ein Instrument, dem Nacherben seine Position zu entziehen und damit, wenn auch vom Erblasser autorisiert, dessen Verfügung wegfallen zu lassen. Dabei wird er – etwa bei der Auswahl eines Unternehmensnachfolgers – auch versuchen, die Wünsche, Vorstellungen und Interessen des Erblassers zu berücksichtigen, also eine Entscheidung zu treffen, wie dieser sie gutheißen würde. Zudem lässt sich kaum sagen, der Erblasser habe sich über den Kreis der Zuwendungsempfänger einen abschließenden Willen gebildet. In exakt diesen Fällen müsste § 2065 BGB aber nach üblicher Lesart eingreifen. Insofern liegen die verschiedenen Klauseltypen und auch die Interessen der Beteiligten nicht weit auseinander:118 Nicht einzusehen ist etwa die Inkonsequenz, Klauseln vom Typ (ii), die dem Vorerben geringere Freiheiten gewähren als Klauseln vom Typ (i), für unwirksam, die größere Befreiung aber für zulässig zu halten.119 Ebensowenig überzeugt es aus materieller Sicht, Typ (iii) ganz anders zu analysieren als die Typen (i) und (ii), weil sich dort ja der Vorerbe nicht zum Vollerben aufschwinge. Der Unterschied zu Typ (ii) ist nur konstruktiver Natur, denn in beiden Fällen geht es darum, den Nachlass anderweitig zu verteilen.120 Und auch bei Typ (iii) trifft der Vorerbe eine für Typ (i) charakteristische „anderweitige Verfügung“.121 Soweit das Spannungsverhältnis mit § 2065 BGB offen angegangen wird, wird meist nach Gründen gesucht, in den Fällen der Ermächtigung des Vorerben einen Konflikt mit den Zielen der Vorschrift zu vermeiden.122 Für das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument, bei Entscheidungen für die übernächste Generation seien geringere Anforderungen an die Höchstperweist Keim, FamRZ 2003, 137, 140 hin), ist zu bezweifeln – zumal die Folgen der Vor‑ und Nacherbschaft keineswegs immer erwünscht sind, sondern nur in Kauf genommen werden. 117 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 19 („[u]nbestreitbar wird damit die Auswahl der Nacherben ebenso wie die Festlegung der Anteile auf den Vorerben verlagert“); Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 5; v. Lübtow I, S. 141; Lange/Kuchinke, S. 547 (§ 27 I 7 b) (wo aber dennoch ein Verstoß gegen § 2065 BGB verneint wird, da die Wahlmöglichkeit des Vorerben zwischen Vorerbschaft und Vollerbschaft von geringem Gewicht sei); F. Wagner, S. 122 (gegen den Rückzug auf formale Kriterien); noch Münch­Komm-­BGB/Leipold, 3. Auflage, § 2065 Rn. 10 (zur Bedingung, dass der Vorerbe nicht anderweitig über den Nachlass verfüge). 118 Vgl. F. Wagner, S. 144 ff. 119  R. Zimmermann, Quos, S. 56. – Siehe etwa Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 52, der maßgeblich darauf abstellt, dass der Vorerbe durch sein Handeln den Eintritt einer vom Erblasser gesetzten auflösenden Bedingung hinsichtlich der Nacherbeinsetzung herbeiführe; sowie J. Frank, MittBayNot 1987, 231, 234, der sogar im Gegenteil Typ (i) skeptischer gegenüberseht als Typ (ii), da dort der Vorerbe größere Freiheiten bei der Erbenbestimmung habe. 120  Otte, ZEV 2001, 318, 319; Ivo, DNotZ 2002, 260, 265. 121  Vgl. Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 51. 122 Charakteristisch Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 19, der die Ziele des § 2065 BGB in Abweichung von der herrschenden Ansicht definiert und dadurch einen Konflikt vermeidet.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

sönlichkeit zu stellen,123 fehlt jeglicher Anhaltspunkt im Gesetz. Zudem ist als Vorerbe häufig der Ehegatte eingesetzt, der damit nur eine „Zwischenstation“ beim Übergang des Vermögens auf die Kinder des Erblassers und damit auf die nächste, nicht auf die übernächste Generation ist. Gewiss ist auch richtig, dass die Verwendung einer derartigen Nachfolgeregelung nicht Ausdruck von Zaudern oder Unentschlossenheit, sondern Ausdruck vorausschauenden Verantwortungsbewusstseins ist.124 Darin aber die Bildung eines fertigen und selbständigen Willens zu sehen, wie sie § 2065 BGB verlange, legt in die Vorschrift gerade das hinein, was ihr sodann entnommen werden soll. Was daraus folgt, ist freilich nicht eindeutig. Wer die Sachargumente für durchschlagend hält, kann sich entweder damit trösten, dass das Prinzip des § 2065 BGB auch an anderen Stellen durchbrochen wird.125 Oder aber es müsste jegliche Einflussnahme des Vorerben auf die Erbfolge nach dem Erblasser am Drittbestimmungsverbot scheitern.126 Immerhin hat es der BGH in seiner letzten Äußerung zu der Frage ausdrücklich offengelassen, ob er an seiner Rechtsprechung zu diesen von ihm selbst so bezeichneten „Grenzfälle[n]“127 festhalten will.128 Vor allem aber weckt es Zweifel an der Berechtigung des Drittbestimmungsverbots insgesamt, wenn derartige Anstrengungen und Anwendungsschwierigkeiten erforderlich sind, um ihm zu entgehen.

III. Zulässigkeit einer Drittbestimmung und Ausnahmen von § 2065 BGB Während die Entscheidung über die Geltung (§ 2065 Abs. 1 BGB) bei jedweder letztwilliger Verfügung vom Erblasser stammen muss, existieren zum Verbot einer Drittbestimmung von Empfänger oder Gegenstand einer Zuwendung (§ 2065 Abs. 2 BGB) weitreichende Ausnahmen. Da sich § 2065 Abs. 2 BGB schon dem Wortlaut nach nur auf Zuwendungen (d.h. Erbeinsetzung, Vermächtnis) und über § 2192 BGB auf Auflagen bezieht, stellt es bereits keine Ausnahme dar, wenn § 2048 S. 2 BGB dem Erblasser gestattet, die Auseinandersetzung unter Miterben dem billigen Ermessen eines Dritten anheim zu stellen.129 123 

Siehe oben Fn. 99. So etwa Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 47, 49. 125  So Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 16 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht. 126  Diese Konsequenz ziehen v. Lübtow I, S. 140 f.; Stiegeler, S. 99; ders., BWNotZ 1986, 25 ff.; F. Wagner, S. 148; Maenner, LZ 1925, 570 ff.; siehe auch R. Zimmermann, Quos, S. 56. 127  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 204. 128  BGH v. 4.12.1980 NJW 1981, 2051, 2052. 129  Vgl. Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 7: § 2048 S. 2 BGB enthält nur eine Klarstellung, denn auch bei der gesetzlichen Erbfolge muss der Erblasser die Auseinandersetzung nicht persönlich vornehmen. Dann kann dies bei der gewillkürten Erbfolge nicht anders sein. 124 

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Auch die Person des Testamentsvollstreckers muss nicht der Erblasser selbst bestimmen. Er kann nach § 2198 BGB einen Dritten mit der Auswahl betrauen.130 Echte Ausnahmen enthalten indes die §§ 2151–2154, 2156 BGB:131 Der Erblasser kann mehrere Personen mit einem Vermächtnis bedenken und die Auswahl des Vermächtnisnehmers dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen (§ 2151 BGB mit der Auslegungsregel in § 2152 BGB). Ebenso kann er mehrere Personen mit einem Vermächtnis bedenken und dem Beschwerten oder einem Dritten die Aufgabe übertragen zu bestimmen, was jeder von dem vermachten Gegenstand erhalten soll (§ 2153 BGB). Diese Vorschriften sind überdies kombinierbar, so dass der Dritte die Aufgabe haben kann, sowohl den Empfänger als auch dessen Anteil an dem vermachten Gegenstand zu bestimmen.132 Mit einem Wahlvermächtnis lässt der Erblasser einen Dritten zwischen mehreren Gegenständen wählen, von denen nur der eine oder nur der andere zugewendet sein soll (§ 2154 BGB).133 Im Falle des Zweckvermächtnisses wiederum 130  Obwohl vom Wortlaut des § 2065 Abs. 2 BGB nicht erfasst, wird die Bestimmung des Testamentsvollstreckers häufig ungenau als „Abweichung“ von § 2065 BGB oder dessen Grundgedanken bezeichnet, Staudinger/Reimann, §2198 Rn. 1; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 59; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 21; Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 1; Haegele, BWNotZ 1974, 109, 111 („Durchbrechung“); Brettner, ArchBürgR 17 (1900), 213, 217. Kritisch auch Windel, S. 237 Fn. 165. Einen bemerkenswerten Fall, in dem § 2198 BGB gleich mehrfach zur Anwendung kam, berichtet W. Zimmermann, FS Spiegelberger, S. 1146 f.: In einem Erbvertrag vom 23.12.1938 zwischen dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II., seinem Sohn, dem Kronprinzen Wilhelm, und dessen zweitältestem Sohn Louis Ferdinand hatte Wilhelm II. zugunsten des Kronprinzen auf sein in Deutschland belegenes Vermögen verzichtet. Vorerbe des Kronprinzen sollte Louis Ferdinand sein; die Frage, wer Nacherbe des 1994 verstorbenen Louis Ferdinand ist, hat jahrelang die Gerichte beschäftigt (zu diesem Hintergrund Otte, ZEV 2006, 309). Über den Nachlass war Testamentsvollstreckung angeordnet worden. Dabei soll, wie sich aus einem Testament von 1950 ergibt, der „Präsident des deutschen Bundesgerichts“ die Befugnis haben, auf Vorschlag der noch vorhandenen Testamentsvollstrecker weitere Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Von dieser Befugnis habe der jeweilige BGH-Präsident in den Jahren 1966, 1975, 2002 und 2004 Gebrauch gemacht, nachdem jeweils ein Testamentsvollstrecker durch Kündigung oder Tod weggefallen gewesen sei. Bemerkenswert ist dieser Fall nicht nur wegen der daran beiligten Personen, sondern auch wegen der rechtlichen Gestaltung, die den eigentlich billigem Ermessen unterworfenen Dritten (immerhin BGH-Präsident!) dem Vorschlag der bestehenden Testamentsvollstrecker unterwirft. Eigentlich entspreche diese Gestaltung eher § 2199 Abs. 2 BGB. Dazu auch BGH v. 5.12.2007 BGHZ 174, 346. 131  Siehe auch den Überblick bei J. Mayer, MittBayNot 1999, 447 ff. Keine Ausnahme zu § 2065 Abs. 2 BGB, sondern vielmehr eine Spezialnorm zu § 243 BGB, stellt das Gattungsvermächtnis (§ 2155 BGB) dar, J. Mayer, a.a.O., 449. 132  RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 17; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2153 Rn. 1; Erman/M. Schmidt, § 2153 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 2153 Rn. 2; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 449. 133  Die Vorschrift ist in Parallele zur Regelung der Wahlschuld (§ 262 BGB) zu sehen. Sie kann im Folgenden weitgehend unberücksichtigt bleiben, ebenso wie die Wahlschuld anderen Regeln folgt als die Leistungsbestimmung durch einen Dritten. Folgerichtig werden die §§ 317 ff. BGB bei § 2154 BGB für unanwendbar gehalten, Palandt/Weidlich, § 2154 Rn. 2.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

legt der Erblasser einen Zweck fest und überlässt die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder einem Dritten (§ 2156 BGB). Von § 2156 BGB umfasst sind nicht nur die Bestimmung des Gegenstands der Leistung, sondern auch deren Modalitäten wie etwa die Leistungszeit.134 Eine Kombination von § 2151 und § 2156 BGB eröffnet dem Erblasser weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten.135 Die Vorschriften über das Wahlvermächtnis und das Zweckvermächtnis gelten über § 2192 BGB auch für die Auflage. Bei der Auflage kann darüber hinaus auch die Bestimmung der Person dem Beschwerten oder einem Dritten übertragen werden, wenn der Erblasser den Zweck der Auflage festgelegt hat (§ 2193 BGB).136 Durch geschickte Kombination dieser Drittbestimmungsmöglichkeiten und Zuweisung des Bestimmungsrechts an einen Testamentsvollstrecker kann der Erblasser das Drittbestimmungsverbot sehr weitgehend aushebeln.137 So kann eine Kombination von § 2193 BGB und §§ 2192, 2156 BGB dazu führen, dass der Erblasser bei einer Auflage weder Zuwendungsempfänger noch Zuwendungsgegenstand angeben muss. Jedoch sind dann wegen § 2156 BGB strengere Anforderung an die Bezeichnung des Zuwendungszwecks zu stellen, da dieser für die Überprüfung der Bestimmung nach § 2156 BGB bekannt sein muss.138 Gibt der Erblasser jedoch überhaupt keinen Zweck an (und lässt sich auch aus einem von ihm genannten Kreis möglicher Begünstigter kein Zweck ableiten)139, kann er sich nicht nach § 2193 BGB die Auswahl eines Auflagebegünstigten abnehmen lassen.140 Die Zusammenschau dieser Regelungen lässt den Grundsatz des § 2065 Abs. 2 BGB im Bereich des Vermächtnisrechts fast schon als Ausnahme erscheinen.141 Anders im Bereich der Erbeinsetzung: Hier kennt das Gesetz nur 134 Palandt/Weidlich, § 2156 Rn. 1; Staudinger/Otte, § 2156 Rn. 3; Bamberger/Roth/ Müller-Christmann, § 2156 Rn. 2; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 9 Rn. 90. 135  Siehe z.B. Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 55; kritisch Keller, BWNotZ 1970, 49, 51. 136  Die §§ 2151–2153 BGB sind deshalb von der Verweisung in § 2192 BGB ausgenommen, RGRK/Johannsen, § 2193 Rn. 3. Mit § 2193 BGB hat der Gesetzgeber Neuland betreten. Die Norm sei erst von der Zweiten Kommission eingefügt worden und habe in den Partikularrechten keine Vorbilder, Schubert, JR 1994, 158. § 2193 BGB ist z.B. auch einschlägig, wenn der Erblasser verfügt, der nach Befriedigung verschiedener Vermächtnisse verbleibende Nach­ lassrest solle „wohltätigen Zwecken“ zugute kommen, RG v. 4.12.1919 Recht 1920 Nr. 1531. 137  J. Mayer, in: ders./Bonefeld, § 2 Rn. 2; ders., MittBayNot 1999, 447, 449 ff. Zur Kombinationsmöglichkeit allgemein Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2153 Rn. 2; Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 1; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 6 Rn. 208 f. (mit Formulierungsvorschlag). Je größer der Umfang des vom Beschwerten weiterzugebenden Nachlassteils, desto unattraktiver wird jedoch dessen Position, dazu noch unten § 5 A.V.3. (S. 348 ff.). 138 Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 2; Erman/M. Schmidt, § 2193 Rn. 1. 139  Dazu Soergel/Dieckmann, § 2193 Rn. 2. 140  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 640; Erman/M. Schmidt, § 2193 Rn. 1; Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 1; RGRK/Johannsen, § 2193 Rn. 1. 141  Zur weiteren Begrenzung dieser Ausnahme mit Hilfe eines drittbestimmten Universalvermächtnisses siehe unten § 5 A.V.1. (S. 340 ff.).

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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eine, überdies nur auf einen spezifischen Nachlassgegenstand gerichtete und damit sehr begrenzte Ausnahme. Nach § 14 Abs. 3 HöfeO kann anstelle des Hof­eigentümers sein überlebender Ehegatte unter den Abkömmlingen des Hof­ eigentümers den Hoferben bestimmen, wenn ihm der Eigentümer durch Verfügung von Todes eine dahingehende Befugnis erteilt hat.142 In diesem Bereich wird also dem im Zusammenhang mit der Diskussion um das frühzeitige Unternehmertestament formulierten Bedürfnis nach Vorausplanung in der Übergabe eines „Betriebs“ an die nächste Generation Rechnung getragen. Ob diese Norm eine „Aus­nahme­vorschrift“143 darstellt und eng auszulegen ist oder nicht vielmehr ein allgemeines Prinzip gegenüber einem „störenden Fremdkörper im System des Erbrechts“144 wiederherstellt, hängt von der Einstellung zu § 2065 BGB ab.145

IV. Die Drittbestimmung des Erben zwischen Gestaltung und Feststellung 1. Der fließende Übergang zwischen einer Konkretisierung und einer Bestimmung des Erben durch einen Dritten Das Drittbestimmungsverbot des § 2065 Abs. 2 BGB scheint sich also vor allem auf die Erbeinsetzung zu beziehen. Doch auch in diesem Bereich wird es nicht strikt durchgehalten. In gewissem, im Einzelnen umstrittenem Umfang lassen Rechtsprechung und herrschende Lehre auch zu, dass ein Dritter sagt, wer Erbe ist. Ausgangspunkt dieser Ausnahme ist die selbstverständliche Feststellung, dass der Erblasser seinen Erben nicht namentlich bezeichnen muss.146 Es genügt, wenn sich die Person des Erben im Wege der Auslegung anhand der vom 142  Details bei Wöhrmann, § 14 HöfeO Rn. 81 ff.; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, § 14 HöfeO Rn. 84 ff.; Hermann, FamRZ 1995, 1396 ff.; siehe auch H. Westermann, FS Möhring, S. 187 ff. – Statt seinem Ehegatten die Bestimmungsbefugnis nach § 14 Abs. 3 HöfeO einzuräumen, kann der Erblasser ihn auch als Vorerben einsetzen und ihm mit Hilfe einer auflösenden Bedingung erlauben, Vollerbe zu werden, oder ihm – soweit zulässig – die Auswahl des Nacherben überlassen (dazu oben § 5 A.II.5. [S. 316 ff.]). Ob auch darin ein Fall von § 14 Abs. 3 HöfeO liegt, ist umstritten, OLG Köln v. 1.2.1994 FamRZ 1995, 57 (bejahend); Staudinger/ Otte, § 2065 Rn. 15 (verneinend). 143 Siehe Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1397 m.w.N.; Gehse, RNotZ 2008, 339, 340. 144  R. Zimmermann, Quos, S. 50. 145  Siehe die unterschiedlichen Stellungnahmen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 11 (§ 2151 BGB sei Ausnahme zur Regel des § 2065 Abs. 2 BGB); Schlüter, Rn. 142 (§ 14 Abs. 3 HöfeO spreche für eine einschränkende Auslegung des § 2065 Abs. 2 BGB); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 4 (§ 2065 weise einen „Kompromiss­ charakter“ auf). 146  Vgl. Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 27.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Erblasser aufgestellten Kriterien eindeutig ermitteln lässt.147 Es muss nicht einmal bei Testamentserrichtung feststehen, auf wen die Kriterien zutreffen werden (z.B. Einsetzung des jüngsten Kindes).148 Das Gericht ist dann in der Lage festzustellen, wer Erbe ist; die Feststellung kann aber auch außergerichtlich von einem Dritten getroffen werden, der dann die Funktion eines feststellenden Schiedsgutachters wahrnimmt.149 In dieser Hinsicht fordert also auch das Erbrecht wie das Schuldrecht keine Bestimmtheit, sondern begnügt sich mit der Bestimmbarkeit des Erklärungsinhalts. Im Schuldrecht erwies sich die gestaltende Leistungsbestimmung durch einen Dritten als ein wesentliches Instrument, die Bestimmbarkeit eines Geschäfts sicherzustellen. Im Erbrecht scheint dagegen § 2065 Abs. 2 BGB eine über die Feststellung des Erben anhand objektiver Kriterien hinausgehende gestaltende Bestimmung des Erben durch einen Dritten, der einen Entscheidungsspielraum hat, auszuschließen.

2. Entscheidungsspielraum des Dritten? Diese Grenze zwischen Feststellung und Gestaltung hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1954 gezogen:150 Die Kriterien des Erblassers dürfen dem Dritten keinen Entscheidungsspielraum belassen. Ein Testament hatte den beiden Testamentsvollstreckern die Möglichkeit eingeräumt, nach Zweckmäßigkeitserwägungen den Zeitpunkt des Nacherbfalls festzulegen.151 In den Augen des BGH verstößt diese Anordnung gegen § 2065 Abs. 2 BGB. Es sei dem Erblasser verwehrt, „seinen letzten Willen in der Weise unvollständig zu äußern, daß es einem Dritten überlassen bleibt, ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen.“152 Von § 2065 Abs. 2 gestattet werde nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung des Erben durch einen Drit147 

Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 25. Einsetzung der künftigen Adoptivkinder, auch wenn die Auswahl dem überlebenden Ehegatten überlassen ist OLG Köln v. 19.3.1984 OLGZ 1984, 299 m.w.N.; siehe auch OLG Dresden v. 4.3.1948 NJW 1949, 346. 149  Besonders deutlich betont dies jetzt auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22, 24, indem er die gesamte Diskussion um „Bestimmung“ und „Bezeichnung“ des Erben im Zusammenhang mit der Problematik schiedsgutachterlicher Feststellungen erörtert. Siehe oben § 5 A.II.2. (S. 310 f.). 150  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199; siehe auch BGH v. 27.4.1970 WM 1970, 930, 931. 151  Die maßgebliche Passage in dem Testament lautete: Die beiden Testamentsvollstrecker „können auch, sofern die Bestimmungen des Testaments über die Nacherbschaft im einzelnen Fall durch die Entwicklung der Verhältnisse unzweckmäßig und dem Grundgedanken des Testaments [das Vermögen in der Familie zu belassen] hinderlich geworden sind, mit den mutmaßlichen Nacherben bindende Vereinbarungen über den endgültigen Eintritt der Nacherbfolge treffen“. Die Entscheidung über den Zeitpunkt des Nacherbfalls ist einer Entscheidung über die Person oder den Gegenstand der Zuwendung funktional vergleichbar, wie z.B. F. Wagner, S. 61 ff. herausarbeitet. Man denke nur an den Fall der Nacherbeneinsetzung aller Enkel des Erblassers, deren Zahl sich im Laufe der Zeit ändern kann. 152  Hervorhebung hinzugefügt. 148  Zur

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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ten. Diese erbrechtsspezifischen Begriffe meinen nichts anderes als das hier in einen allgemeineren Kontext gestellte Begriffspaar Feststellung und Gestaltung.153 Um eine Bezeichnung handele es sich dann, wenn der Erblasser selbst in seiner Verfügung „diejenigen Angaben gemacht hat, die es jeder mit genügender Sachkunde ausgestatteten Person ermöglichen, den Bedachten oder den Gegenstand der Zuwendung auf Grund dieser Angaben zu bezeichnen, ohne daß ihr eigenes Ermessen dabei bestimmend oder mitbestimmend ist“154. Die Bezeichnung müsse für einen Sachkundigen objektiv bestimmt sein. Der Dritte hat nur ­ önnte.155 Er durch Subsumtion festzustellen, was auch das Gericht feststellen k 156 erstellt ein feststellendes Schiedsgutachten. Großzügiger klang noch die Formulierung in der meist so bezeichneten „Ritterguts-Entscheidung“157 des Reichsgerichts aus dem Jahre 1939. Darin heißt es, der Erblasser könne „sich damit begnügen, einen begrenzten Kreis von Personen zu bezeichnen, aus dem der Erbe nach bestimmten sachlichen Gesichtspunkten, z.B. seiner Eignung für eine besondere Aufgabe, durch einen Dritten bindend ausgewählt werden soll, sofern nur der Personenkreis so eng begrenzt ist und die Gesichtspunkte für die Auswahl so genau festgelegt sind, daß für eine Willkür des Dritten kein Raum bleibt, sondern die Entscheidung auf sein Urteil über das Vorliegen jener Voraussetzungen abgestellt ist, mag dieses auch ein reines Werturteil darstellen oder ein solches einschließen“.158

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der kinderlose Erblasser im Jahre 1934 angeordnet, seine Nichte solle unter ihren Söhnen denjenigen als Alleinerben auswählen, den sie „als den Geeignetsten erachten werde, unter den heutigen schwierigen Verhältnissen [das Gut] zu bewirtschaften und in sozialem Geiste zu wirken“159. Das Reichsgericht sah in dieser Anordnung keinen Verstoß gegen § 2065 BGB.160 Es stützte sich dabei einerseits auf ein praktisches Bedürfnis und andererseits auf die These, die Vorschrift des § 2065 BGB wolle nur ver153  Damit wird auch die Kritik (z.B. von OLG Köln v. 19.3.1984 OLGZ 1984, 299, 301 f.; H. Westermann, FS Möhring, S. 193) an der sprachlichen Differenzierung zwischen Bezeichnung und Bestimmung, die im Einzelfall kaum durchführbar sei, entkräftet. 154  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 202 f. 155  Schlüter, Rn. 142 („reine Subsumtion“); Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 38 („Auslegung“). 156  F. Wagner, S. 77 f.; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 25 ff. (den Anwendungsbereich des feststellenden Schiedsgutachtens jedoch weiter fassend als der BGH). Diesen Fall und Schiedsgutachten aber differenzierend Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 9, 30. 157  RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296. In der Entscheidung ist jedoch nur von einem „Gut“, nicht von einem Rittergut die Rede. 158  RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296, 299. Frühere Urteile des Reichsgerichts waren in der Handhabung des § 2065 BGB strenger gewesen, RG v. 6.7.1916 Warn 1916 Nr. 231; RG v. 18.1.1912 Warn 1912 Nr. 174. 159  RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296, 297. 160  Die Vorschrift wird in dem Urteil ohne Angabe des Absatzes zitiert. Da es um die Bestimmung des Zuwendungsempfängers geht, ist § 2065 Abs. 2 BGB betroffen.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

hindern, dass Willkür des Dritten an die Stelle der Selbstbestimmung des Erblassers trete.161 Teile des Schrifttums haben sich der Ansicht des Bundesgerichtshofs angeschlossen.162 Teilweise wird der Ansatz des Reichsgerichts für überzeugend erklärt.163 Darüber hinaus werden weitere Ansätze vertreten, die in noch stärkerem Maße als das Reichsgericht dem Dritten einen Entscheidungsspielraum zugestehen wollen. (i) Von Harry Westermann stammt der einflussreiche Vorschlag, die Motivation des Erblassers für maßgeblich zu erachten:164 Zulässig sei eine Delegation der Erbenbestimmung dann, wenn der Erblasser wegen der Unsicherheit der maßgebenden Umstände zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung eine eigene Entscheidung nicht verantworten könne. Als unzulässig sei sie dagegen anzusehen, wenn sie als Flucht vor einer dem Erblasser bereits möglichen selbstverantworteten Entscheidung erscheint. Dieses Kriterium geht einerseits über die Grundsätze der Ritterguts-Entscheidung hinaus. Andererseits wäre nach dieser Differenzierung in der Ritterguts-Entscheidung gerade ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu bejahen gewesen, da die Neffen des Erblassers bereits reif und erwachsen waren und dem Erblasser selbst deshalb eine Wahl möglich war.165 Dann müsse es aber ausreichen, wenn die Vorgaben des Erblasser eine willkürliche Entscheidung ausschließen, dem Dritten 161 

RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296, 299 f. Schmidt, § 2065 Rn. 7 f.; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 15; Kipp/Coing, S. 124 (§ 18 III 4 b) (Abgrenzung zwischen nachprüfbaren Ermessensentscheidungen und ungebundenen Entscheidungen in der Praxis kaum möglich); v. Lübtow I, S. 145; Schlüter, Rn. 142; Schmoeckel, Erbrecht, § 19 Rn. 24; Sünner, S. 78; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 11; Helms, ZEV 2007, 1, 2; F. Wagner, S. 77 ff. (wie bei einem Schiedsgutachten sei eine Wertung nur soweit zulässig, wie es einer Auslegung der Vorgaben des Erblassers entspricht); Windel, S. 240 f.; Christoph Keim, S. 108 f.; Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 200; Sudhoff, DB 1966, 649, 650; Dobroschke, DB 1967, 803; Haegele, Rpfleger 1965, 355, 356; auf der Grundlage seiner Interpretation der BGH-Entscheidung auch Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 27. 163  Siehe nur Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 30; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 30 f.; RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 16; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 10; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 28; Lange/Kuchinke, S. 544 (§ 27 I 4); Ebenroth, Rn. 186; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 97; Johannsen, WM 1972, 914, 924; Goebel, S. 310; ders., DNotZ 2004, 101, 117 f.; Vogels, DR 1939, 310. 164  So vor allem H. Westermann, FS Möhring, S. 195 f.; Großfeld, JZ 1968, 113, 120 f.; Stiegeler, S. 115 ff.; Flad, ZAkDR 1938, 431 ff. (Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht nach Willkür); ferner Rohs, DNotZ 1951, 371, 372. – Während Großfeld fordert, dass dem Erblasser bis zu seinem Tod eine Entscheidung nicht möglich sein darf, will H. Westermann es genügen lassen, wenn eine eigene Verfügung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung unmöglich ist. Gegen ein derartiges Kriterium Windel, S. 239, da die Ergebnisse im Einzelfall nicht hinreichend vorhersehbar seien. 165  H. Westermann, FS Möhring, S. 196; Rötelmann, NJW 1958, 953, 954; Vogels, DR 1939, 310. Dagegen Stiegeler, S. 25: Es könne dem Erblasser ja auch darum gegangen sein, denjenigen, der „im Zeitpunkt seines Todes“ am besten geeignet ist, einzusetzen. 162 Erman/M.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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aber dennoch die Wahl verbleibe.166 (ii) Ein anderer Vorschlag will generell eine Entscheidung nach billigem Ermessen gestatten.167 Der Erblasser muss danach keine Auswahlkriterien angeben. (iii) Zuletzt wird mit einem methodisch gewagten Kunstgriff vorgeschlagen, § 2065 BGB aus Gründen der Gleichbehandlung von Erbeinsetzung und Vermächtnis teleologisch zu reduzieren, um die so geschaffene Lücke mit einer analogen Anwendung des § 2151 BGB zu füllen, soweit deren Voraussetzungen vorliegen.168 Auch dieser Vorschlag kann im Einzelfall über die Ansicht des Reichsgerichts hinausgehen. Wie weit Bundesgerichtshof und Reichsgericht tatsächlich auseinanderliegen, erscheint durchaus fraglich. Zwar hält der BGH eine Entscheidung „nach Ermessen“ für ausgeschlossen, während das Reichsgericht ein „Werturteil“ erlauben will. Jedoch kann auch die Ausfüllung eines objektiven Kriteriums einen Bewertungsspielraum belassen.169 Ebenso wie die Feststellung der ortsüblichen Miete einem feststellenden Schiedsgutachter übertragen werden kann, sollte auch die Eignung zur Unternehmensnachfolge als Feststellungsentscheidung in diesem Sinne erscheinen.170 Besonders deutlich fasst jetzt Otte beide Entscheidungen als Beispiele eines feststellenden Schiedsgutachtens.171 Dafür, dass auch der BGH so verstanden werden wollte, könnten zwei Gründe sprechen: Erstens hat der BGH eine ausdrückliche Stellungnahme zu der Formel des Reichsgerichts vermieden; es könne offenbleiben, ob er diesem Urteil auf der Grundlage der von ihm formulierten Kriterien zustimmen könne.172 Und zweitens hat er einer späteren Entscheidung173 nicht seinen eigenen Ansatz, sondern den des Reichsgerichts wiedergegeben, sodann aber die – nach der Reichs-

166 

H. Westermann, FS Möhring, S. 191. Rötelmann, NJW 1958, 953, 954; ders., DNotZ 1958, 434, 435; Spiro, FS Druey, S. 263. 168  Sens, S. 97 ff.; für Gleichbehandlung von Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung auch Frey, S. 101 ff. Zu den Anforderungen an Vorgaben des Erblassers bei § 2151 BGB siehe bereits oben § 4 C.I.3.c) (S. 213 f.). 169  KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182 (Testamentsvollstrecker durfte Nacherbenbeschränkung ignorieren, wenn der zum Vorerbe eingesetzte Sohn glaubhaft machte, sich in „geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftliche Lage“ zu befinden); Münch­Komm-­BGB/ Leipold, § 2065 Rn. 28; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 31; Windel, S. 240; Voit, in: Reimann/ Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 27; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1198 f. 170  Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 27; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1198 f. (Merkmale wie „Geeignetheit“ oder „Tüchtigkeit“ verlieren ihre Normativität, indem sie auf das zur Nachfolge anstehende Unternehmen bezogen werden); siehe auch Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1399 („Funktionsnachfolge“ in Hof oder Unternehmen anhand objektiv überprüfbarer Merkmale); dagegen aber K.W. Lange, Kap. 6 Rn. 18. 171 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 25 ff. (wobei dem Verständnis des Reichsgerichts der Vorzug zu geben sei). 172  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 202. 173  BGH v. 14.7.1965 NJW 1965, 2201. Zutreffend weist F. Wagner, S. 72 Fn. 58 darauf hin, dass die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Dritten dem Testament nur im Wege der Auslegung zu entnehmen war. 167 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

gerichts-Formel hinreichend konkrete174 – Anordnung, Hoferbe solle derjenige Enkel werden, der am besten für die Landwirtschaft geeignet sei, daran scheitern lassen, dass der Erblasser nicht selbst den entscheidungsbefugten Dritten bestimmt habe. Gerade mit diesem Argument setzt sich der BGH jedoch in Widerspruch zu seiner Vorstellung, jeder sachkundige Dritte müsse aufgrund der Angaben des Erblassers zu der Entscheidung in der Lage sein.175 Gänzlich ausräumen können diese Indizien die Interpretationszweifel jedoch nicht, zumal der BGH nur negativ die Unzulässigkeit einer Testamentsgestaltung ausgesprochen hat. Verbreitet ist deshalb auch eine andere Lesart des Urteils anzutreffen: Der BGH stelle Kriterien auf, die insbesondere in den typischen Fällen der Wahl eines Nachfolgers zu eng seien, da diese Entscheidung nicht rein feststellender Natur sein könne.176 Die Person des Entscheidenden und ihre Ansichten seien mitbestimmend für die Entscheidung selbst, wenn etwa der Erblasser eine Auswahl nach Eignung angeordnet habe.177 Nach dieser Deutung würde der BGH eine Delegation nur für die Feststellung von Tatsachen zulassen, an deren Eintritt kein Zweifel bestehen kann.178 Die Instanzgerichte haben sich zum Teil dem BGH angeschlossen.179 Zum Teil legten sie dagegen die Formel des Reichsgerichts zugrunde und ließen dem 174 

So auch F. Wagner, S. 72. R. Zimmermann, Quos, S. 52 f.; Sens, S. 11; Ebenroth, Rn. 186; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 97: Einschaltung des Dritten überhaupt sei entbehrlich, wenn die Feststellung jedem möglich sei; zustimmend aber Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1399. – Dagegen wendet Windel, S. 240 ein, dass eine Benennung des Dritten durch den Erblasser auch auf der Grundlage der BGH-Ansicht erforderlich sei, da der Rechtsverkehr wissen müsse, welche Person den Erben bezeichnen soll. Die Alternative einer Bezeichnung durch das Nachlassgericht sei ausgeschlossen, da gerichtliche Zuständigkeiten nicht privatautonom erweitert werden könnten. Dieser Einwand überzeugt nicht: Es müsste dem Rechtsverkehr genügen, wenn der zur Erbenbezeichnung Befugte nur bestimmbar ist, zumal bei einem Scheitern der Bestimmung immer noch die gesetzliche Erbfolge zur Verfügung steht. Auch der Hinweis auf die Unzulässigkeit einer privatautonomen Zuständigkeitserweiterung verfängt nicht, da die objektive Subsumtion unter die vom Erblasser angegebenen Kriterien auch dem Nachlassgericht möglich ist und die dazu erforderlichen Feststellungen sich mit seinem generellen Aufgabenspektrum der Sachverhaltsermittlung und Testamentsauslegung decken. Nach BGH-Ansicht soll die Bezeichnung ja gerade nur eine Feststellung des Erblasserwillens sein. In der von Windel dagegen ins Feld geführten Entscheidung BGH v. 27.4.1970 WM 1970, 930 hatte der Testamentsvollstrecker als Schiedsgutachter über die Eignung eines Enkels des Erblassers als Vermächtnisnehmer in der Tat umfangreiche Ermittlungen angestellt. Doch ist nicht ersichtlich, warum nicht auch ein staatliches Gericht, gegebenenfalls sachverständig beraten, derartige Ermittlungen anstellen kann. 176  H. Westermann, FS Möhring, S. 190 f.; Großfeld, JZ 1968, 113, 114; Nieder, in: Nieder/ Kössinger, § 3 Rn. 38; Dobroschke, DB 1967, 803. 177  H. Westermann, FS Möhring, S. 191. 178  Vgl. Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 31; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 39 (Beispiele: Erzielen einer bestimmten Examensnote, Abschluss einer Ausbildung); Ebenroth, Rn. 186; Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1399. 179  BayObLG v. 18.3.2004 FamRZ 2005, 65, 68; LG München I v. 13.2.1996 FamRZ 1998, 175 

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Dritten einen Wertungsspielraum.180 Sie wollten damit dem „erhebliche[n] praktische[n] Bedürfnis“ entsprechen, zu einem Zeitpunkt testieren zu können, zu dem sich noch nicht überblicken lässt, wer als Nachfolger in Frage kommt.181 Das Bestimmungsrecht sei erforderlich, um eine Zersplitterung von Vermögen zu vermeiden, das andernfalls auf die mehreren potentiellen Nachfolger verteilt werden müsse.182 Zudem wurde zwischen gemeinschaftlichem Testament und Einzeltestament differenziert: Beim gemeinschaftlichen Testament sei § 2065 Abs. 2 BGB in geringerem Maße einschlägig, wenn der Ehegatte Bestimmungsberechtigter sei; in gewisser Weise verkörpere das Testament einen einheitlichen Willen der Ehegatten.183 Wieder andere Entscheidungen vermeiden eine Festlegung, indem sie jedenfalls in dem zur Beurteilung anstehenden Fall einen zu großen Entscheidungsspielraum des Dritten annehmen.184 Schließlich finden sich auch Vermischungen beider Ansätze, indem zunächst die BGH-Formel wiedergegeben und ausdrücklich eine Ergänzung des Erblasserwillens nach Belieben oder Ermessen für unzulässig erachtet, sodann aber noch die Formel des Reichsgerichts zitiert185 oder hinzugefügt wird, dass dem Dritten ein Wertungs‑ und Beurteilungsspielraum zustehen könne186. Eine herrschende Recht1261. In beiden Fällen wurde die Zulässigkeit einer Delegation der Nacherbenbestimmung an den Vorerben verneint. In OLG Celle v. 19.9.2001 OLGR 2002, 314 wurde die Delegation der Nacherbenbestimmung an die Ehefrau des Erblassers als Vorerbin aufgrund der BGH-Ansicht als zulässig angesehen. Das ist zweifelhaft, da der Erblasser zwar den Kreis der potentiellen Nacherben auf die beiden gemeinsamen Töchter begrenzt hat und zudem die Delegation damit begründet hat, dass noch nicht feststehe, welche der Töchter einen wirtschaftsfähigen Landwirt heiraten werde. Falls jedoch beide Töchter einen Landwirt geheiratet hätten, hätte der Vorerbin jeglicher Anhaltspunkt für die Auswahl gefehlt. 180  OLG Celle v. 16.12.1957 NJW 1958, 953 (Auswahl des Hoferben unter den beiden Enkeln durch Tochter des Erblassers); OLG Hamm v. 16.2.1950 DNotZ 1951, 369 (Auswahl des Nacherben für den Hof unter den gemeinsamen Kindern durch den Vorerben); OLG Celle v. 27.4.1953 RdL 1953, 211; OLG Celle v. 21.2.1955 RdL 1955, 137 (Bestimmung über den Eintritt der Nacherbschaft durch ein Dreierkollegium), allerdings zweifelnd an der konkreten RG-Entscheidung und im Fall die Wirksamkeit der Delegation verneinend. 181  OLG Hamm v. 16.2.1950 DNotZ 1951, 369, 371; OLG Celle v. 27.4.1953 RdL 1953, 211, 212; OLG Celle v. 21.2.1955 RdL 1955, 137. 182  OLG Hamm v. 16.2.1950 DNotZ 1951, 369, 371. Zu diesem Argument noch unten § 5 B.I.4. (S. 366 ff.). 183  OLG Hamm v. 16.2.1950 DNotZ 1951, 369, 370; OLG Celle v. 27.4.1953 RdL 1953, 211. Zustimmend OLG Köln v. 1.2.1994 FamRZ 1995, 57, 58. 184  OLG Oldenburg v. 5.10.1950 RdL 1951, 183 (kinderlose Tochter soll als Vorerbin unter den Enkeln des Erblassers den Nacherben für einen Hof auswählen); OLG Hamm v. 25.3.1960 RdL 1961, 45 (Auswahl des Hofnacherben unter 19 Anwärtern); KG v. 7.9.1953 JR 1953, 422 (Auswahl eines Altersheims durch Testamentsvollstecker unter 28 in Betracht kommenden Einrichtungen ohne Angabe von Auswahlkriterien); OLG Hamm v. 11.5.1962 JMBl. NRW 1962, 211 (Erblasserin hatte nur die drei in Betracht kommenden Personen, aber keine Auswahlkriterien angegeben). 185  OLG Köln v. 1.2.1994 FamRZ 1995, 57, 58; OLG Celle v. 22.2.1965 MDR 1965, 578. 186  KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182; zustimmend Leipold, JZ 2000, 705, 708; anders die Einschätzung bei Zawar, DNotZ 1999, 685 (KG orientiere sich „strikt an der grundlegenden

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

sprechung lässt sich bei diesem Befund nicht ausmachen. Doch fällt auf, dass dem Dritten auch in den Fällen, in denen die Gerichte die Delegation aufrechterhalten haben, ein Wertungsspielraum verblieben war.

3. Unklarheit über die erforderlichen Vorgaben Darüber, welche Vorgaben der Erblasser zu treffen hat, um diesen Wertungsspielraum in den Grenzen des § 2065 Abs. 2 BGB zu halten, gehen die Meinungen auseinander.

a) Angabe eines begrenzten Personenkreises? Der Formulierung des Reichsgerichts wird eine zweite Voraussetzung einer ausnahmsweise zulässigen Erbenbestimmung entnommen: Der Erblasser selbst muss, so heißt es, einen begrenzten Personenkreis vorgeben, aus dem der Dritte zu wählen habe.187 Wenn der Personenkreis zu groß sei, bestehe die Gefahr, dass der Dritte nach Ermessen zwischen Personen zu wählen habe, die die Kriterien des Erblassers in gleichem Maße erfüllen.188 Die enge Umgrenzung des Personenkreises soll offenbar auch die Willkür des Dritten ausschalten.189 Dahinter dürfte die unausgesprochene Sorge stehen, dass jemand als Erbe bedacht werden könnte, an den der Erblasser nicht gedacht hätte, wenn er selbst die Entscheidung getroffen hätte.190 Das Erfordernis erinnert an die entsprechende Vorgabe in § 2151 BGB für die Bestimmung der Person des Vermächtnisnehmers durch einen Dritten.191 Dort ist ein derartiges Erfordernis schon deshalb sinnvoll, weil bei Ausbleiben der Auswahlentscheidung die Bedachten Gesamtgläubiger werden (§ 2151 Entscheidung des BGH“). Vgl. auch OLG Celle v. 17.2.1999 RdL 1999, 328 (zwar lehnt sich das Gericht terminologisch an den BGH an und erachtet insbesondere eine Ermessensentscheidung für unzulässig, lässt aber die Anordnung, die Tochter des Erblassers möge unter ihren beiden Söhnen den Hofnachfolger bestimmen, falls er selbst nicht mehr dazu kommt, passieren). 187  OLG Hamm v. 25.3.1960 RdL 1961, 45 (Bestimmungsbefugnis unzulässig, da insgesamt 19 Nachkommen von Halbgeschwistern des Erblassers zur Auswahl standen); KG v. 7.9.1953 JR 1953, 422 (Auswahl eines Altersheims durch Testamentsvollstecker unter 28 in Betracht kommenden Einrichtungen ohne Angabe von Auswahlkriterien); Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 32; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 28; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 31; Rohs, DNotZ 1951, 371. 188  So die Erklärung von Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 26 der Entscheidung OLG Hamm v. 25.3.1960 RdL 1961, 45, in der das Gericht allgemein eine auch nach der Reichsgerichts-Formel unzulässige Entscheidung nach Willkür befürchtet hatte. 189  Vgl. die Formulierung in RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296, 299. 190  Das wird angedeutet in LG Frankfurt v. 18.11.1986 MDR 1987, 762, wo allerdings § 2065 BGB unzutreffend angeführt wurde, weil es nicht um die Erbenbestimmung durch einen Dritten, sondern um die Bestimmtheit einer Potestativbedingung ging. 191  Helms, ZEV 2007, 1, 5: „ganz offensichtlich dem § 2151 Abs. 1 BGB entlehnt“.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Abs. 3 S. 1 BGB) und die Mitglieder der Gläubigermehrheit bestimmbar sein müssen.192 Doch handelt es sich dabei um eine Sondervorschrift, die sich auf die Erbenbestimmung nicht übertragen lässt.193 Denn Erben werden nicht Gesamtgläubiger; sie werden vielmehr im Wege des Vonselbsterwerbs unmittelbar Inhaber des Nachlasses. Eine Übertragung wäre auch nicht in dem Sinne möglich, alle in Betracht kommenden Personen statt zu Gesamtgläubigern zu Mitgliedern einer Erbengemeinschaft werden zu lassen.194 Eine Bestimmung in diese Richtung hatte zwar der Erste Entwurf noch enthalten, der eine electio personae incertae ex certis zuließ, die Problematik der Drittbestimmung dabei jedoch umschiffte, indem die Mitglieder des Personenkreises als zu gleichen Teilen als Miterben eingesetzt galten.195 Die Erste Kommission glaubte, mit dieser Regelung dem mutmaßlichen Erblasserwillen besser gerecht zu werden.196 Dem trat die Zweite Kommission entgegen und entschied sich gegen die Ausnahmeregelung. Denn auch in diesen eng umgrenzten Fällen sei sich der Erblasser „mit seinem Willen noch nicht ganz schlüssig“.197 Unabhängig davon handelt es sich um verschiedene Situationen:198 Die Gesamtgläubigerschaft führt zu einem Rennen, bei dem der Schnellste alles allein davonträgt,199 während bei der Erbengemeinschaft geteilt wird. Teile der Literatur lehnen die Voraussetzung eines begrenzten Personenkreises ab. Wenn es trotz der Weite des Personenkreises möglich sei, den Begünstigten eindeutig zu bestimmen, gebe es keinen Grund, einen Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu bejahen. 200

b) Angabe der Entscheidungskriterien im Testament? Mehrere Entscheidungen betonen, dass eine Delegation unzulässig sei, wenn der Erblasser für die Auswahl keine oder nur vage Kriterien angibt. 201 Umstände, die außerhalb des Testaments oder Erbvertrags liegen, könnten im Rah192 

Siehe oben § 4 C.I.3.c) (S. 213 f.). Siehe aber Sens, S. 117 ff. 194  So aber Helms, ZEV 2007, 1, 5. 195 §§ 1770 S. 2, 1769 E I. 196  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 18 f. Siehe auch den abgelehnten Antrag von Planck, wonach mehrere, unter denen ein Dritter den Erben auszuwählen habe, unter der auflösenden Bedingung gemeinschaftlich zu Erben eingesetzt sind, dass der Dritte die Auswahl vornimmt, Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 831. 197  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. 198 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 35. 199  S. Meier, AcP 205 (2005), 858, 882 („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“) mit Nachweisen zur Geschichte. Justinians Lösung einer Teilung (C. 6,38,4) sei als nicht dem Willen des Erblassers, der nur einer Person das volle Vermächtnis zuwenden wollte, entsprechend empfunden worden. 200  Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 26; Frey, S. 108. 201  OLG Oldenburg v. 5.10.1950 RdL 1951, 183; OLG Celle v. 22.2.1965 MDR 1965, 578 193 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

men des § 2065 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden, wenn sich für sie keine Anhaltspunkte in der Urkunde finden ließen. 202 In scheinbarem Gegensatz dazu hielten es manche Entscheidungen im Rahmen einer Bestimmung des Hoferben durch einen Dritten für möglich, dass das Entscheidungskriterium der Geeignetheit zur Führung eines Hofes dem Testament im Wege der Auslegung entnommen werde, auch wenn darin ausdrücklich kein Kriterium genannt werde.203 Doch sind diese Entscheidungen auf die besondere Situation der Hofnachfolge beschränkt, für die einerseits gesetzliche Muster und andererseits überkommene Vorstellungen bestehen. 204 Das Entscheidungskriterium ist damit zwar nicht ausdrücklich im Testament genannt, aus diesem aber zu gewinnen. Die Regeln der Testamentsauslegung müssen im Rahmen des § 2065 Abs. 2 BGB nicht modifiziert werden. 205 Dass der Erblasser Entscheidungskriterien angeben soll, ist im Zusammenhang mit dem – vom Reichsgericht und vielen Autoren vertretenen – Ausschluss einer Entscheidung nach Willkür zu sehen.206 Das „billige Ermessen“ allein reicht dieser Ansicht als Entscheidungsmaßstab nicht aus; erforderlich scheinen vielmehr Ermessensleitlinien, die unmittelbar vom Erblasser stammen. Damit zusammenhängend erscheinen die Anforderungen daran, wie konkret die Entscheidungskriterien sein müssen, eher hoch. 207 („Eignung“ ist unzureichendes Kriterium für die Bestimmung des Erben eines Vermögens, zu dem ein Hausgrundstück gehört); KG v. 7.9.1953 JR 1953, 422 (Auswahl eines Altenheims durch Testamentsvollstecker unter 28 in Betracht kommenden Einrichtungen ohne Angabe von Auswahlkriterien); OLG Hamm v. 6.7.1995 FamRZ 1996, 378, 379; OLG Hamm v. 11.5.1962 JMBl. NRW 1962, 211 (Gericht erkannte zwar Anhaltspunkte für die Bestimmung, fand diese aber nicht ausreichend im Erbvertrag angedeutet); zustimmend Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 32. 202  OLG Hamm v. 11.5.1962 JMBl. NRW 1962, 211 (in Abgrenzung zu OLG Hamm 16.2.1950 DNotZ 1951, 369, wo es angesichts der maßgeblichen bäuerlichen Vorstellungen um einen Sonderfall gegangen sei); BayObLG v. 16.10.1980 FamRZ 1981, 402, 403. 203  OLG Hamm v. 16.2.1950 DNotZ 1951, 369 (nach dem gemeinschaftliches Testament war, so die Auslegung des OLG, der überlebende Ehegatte ermächtigt, unter gemeinsamen Kindern den Nacherben für den gemeinsamen Hof auszuwählen – das Gericht hielt es für „selbstverständlich“, dass der überlebende Ehegatte nach Eignung zur Führung des Hofes entscheiden soll); zustimmend Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 29; Rohs, DNotZ 1951, 371 ff.; Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1398 f.; ablehnend Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 32; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 28 (denkbar wäre auch eine Entscheidung nach Bedürftigkeit oder zur Honorierung einer Pflege des Erblassers). Ähnlich OLG Celle v. 27.4.1953 RdL 1953, 211, 212 (obwohl keine Kriterien genannt waren, sei es „selbstverständlich“, dass der überlebende Ehegatte den Hofnacherben „nach den Maßstäben auswählte, die sonst ein Bauer bei der Auswahl des Hoferben anzuwenden pflegt“, nämlich nach Aspekten der „bestehenden familiären und bäuerlichen“ Verhältnisse); OLG Köln v. 1.2.1994 FamRZ 1995, 57, 58 (ebenso); OLG Hamm v. 25.3.1960 RdL 1961, 45 (obiter). 204  Dazu (und für die neuere Zeit zweifelnd) Windel, S. 322 f. 205  So zutreffend die Einordnung bei Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 31. 206  OLG Celle v. 22.2.1965 MDR 1965, 578. Siehe auch Großfeld, JZ 1968, 113, 114. 207  Unzureichend etwa: Auswahl der Hofnacherbin unter zwei Schwestern nach „Neigung, allgemeinen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften“ (dies sei keine nach sachlichen Gesichtspunkten, sondern nach Willkür zu treffende Auswahl, OLG Celle v. 21.2.1955 RdL

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Das OLG Oldenburg ging in einer Entscheidung sogar so weit, dass eine Wahl des Hofnacherben „nach den Gesichtspunkten eines vernünftigen bäuerlichen Denkens“ zu unbestimmt gewesen wäre, wenn dieses Kriterium im Testament angedeutet gewesen wäre. 208 Demgegenüber verzichtet die Literaturansicht, die in Analogie zu § 2048 S. 2 BGB eine Entscheidung nach billigem Ermessen zulassen will, konsequenterweise auf die Angabe eines Entscheidungsmaßstabs durch den Erblasser.209 Ein Ansatz, diese möglichen Gegensätze aufzulösen, besteht darin, eine Ermessensentscheidung des Dritten auszuschließen, ihm eine wertende Feststellungsentscheidung jedoch zuzugestehen.210

c) Benennung des Dritten? Schon zuvor erwähnt wurde die Frage, ob der Erblasser selbst den Dritten benennen muss, wie es der BGH fordert.211 Fehlt es an dieser Benennung, ist die gesamte Erbeinsetzung unwirksam. 212 Dafür wird ins Feld geführt, dass der Dritte ja auch nach subjektiven Aspekten anstelle des Erblassers entscheide.213 Durch das Erfordernis werde zugleich verhindert, dass der Erblasser die Erbenbestimmung den Gerichten überlasse.214 Denn der Erblasser dürfe nicht privat-

1955, 137); der „Würdigste“ der Verwandten des Erblassers, bemessen nach „höchstem akademischem Ausbildungsstand, Beruf und Einkommen“ (LG München I v. 13.2.1996 FamRZ 1998, 1261; ablehnend Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 31 Fn. 103; Helms, ZEV 2007, 1, 6); „Wahl nach den Gesichtspunkten eines vernünftigen bäuerlichen Denkens“ (OLG Oldenburg v. 5.10.1950 RdL 1951, 183); „Geeignetheit für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Grundbesitzes“, der offenbar schon länger in Familienhand lag (BayObLG v. 18.3.2004 FamRZ 2005, 65, 68). – Zulässig: Nachweis „geordneter und vor Gläubigern gesicherter wirtschaftliche Lage“ gegenüber den Testamentsvollstreckern für deren Entscheidung über Wegfall der Nacherbfolge (KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182, zustimmend Leipold, JZ 2000, 705, 708; Zawar, DNotZ 1999, 685); Eignung zur Führung eines Hofes „nach Vorbildung, Veranlagung und … sonstigen Fähigkeiten“ (OLG Celle v. 16.12.1957 NJW 1958, 953; zustimmend Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 28). – Sens, S. 12 hält die Angaben über die Anforderungen für „[v]öllig widersprüchlich“. 208  OLG Oldenburg v. 5.10.1950 RdL 1951, 183. 209  Ein derartiges Erfordernis findet jedenfalls keine Erwähnung bei Rötelmann, DNotZ 1958, 434; ders., NJW 1958, 953. 210 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 31. 211  Siehe oben bei Fn. 173. Zustimmend etwa Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 27. Die Entscheidungen BayObLG v. 16.7.1998 FamRZ 1999, 119 und LG Frankfurt v. 18.11.1986 MDR 1987, 762 zitieren ebenfalls zustimmend diese Voraussetzung, betreffen aber in Wirklichkeit die Testamentsauslegung und stellen keinen Fall des § 2065 BGB dar (siehe schon oben § 5 A.II.4. [S. 313 ff.]). 212  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 27; Großfeld, JZ 1968, 113, 120; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 316. 213 Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 32. 214  Schlüter, Rn. 142 auf der Grundlage der engen Ansicht des BGH; ähnlich J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 316. – Nicht beachtet wird dabei, dass das, was der Dritte tun soll, nach dieser Ansicht auch die Gerichte im Rahmen ihrer Auslegungstätigkeit erledigen könnten.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

autonom die gerichtlichen Kompetenzen erweitern. 215 Ein Ersatzmechanismus für den Wegfall des Dritten dürfe nicht dazu führen können, dass ein dem Erblasser unbekannter Ersatz an die Stelle des Dritten tritt.216

d) Sachkunde des Dritten? Umstritten ist schließlich, ob der vom Erblasser benannte Dritte über Sachkunde für die Auswahl verfügen müsse. Manche Entscheidungen machen das zur Voraussetzung einer zulässigen Delegation.217 Angelegt ist die Forderung nach der Sachkunde vermutlich in der Formel des Bundesgerichtshofs, jede „sachkundige“ Person müsse zur Bezeichnung des Erben in der Lage sein. In vielen anderen Entscheidungen wird dies Erfordernis nicht erwähnt; im Schrifttum wird es häufig abgelehnt. 218

4. Bedeutung in Praxis und Dogmatik In der Gestaltungspraxis spielt die Übertragung der Befugnis, den Erben zu bestimmen, keine Rolle. 219 Das muss angesichts der Zahl von Veröffentlichungen zu dem Thema nur auf den ersten Blick erstaunen. Denn diese Veröffentlichungen mögen zwar die Existenz eines Regelungsbedürfnisses für die Delegation der Erbenbestimmung unterstreichen. Doch wenn so viele Fragen im Umfeld von § 2065 BGB umstritten sind und selbst die Haltung der Rechtsprechung sich kaum vorhersagen lässt, scheidet eine derartige Gestaltung nach dem „Gebot des sichersten Weges“ aus. Andererseits belegen die Publikationen zu § 2065 BGB aber ein theoretisches Interesse an Funktion und Zweck dieser Norm. Selten beachtet wird dabei jedoch der Zusammenhang mit anderen Fällen der Delegation einer Entscheidungsbefugnis, namentlich mit den §§ 317 ff. BGB. Es ist zumindest bemerkenswert, dass die herrschende Ansicht (sofern sich eine solche identifizieren lässt) typische Fragen der Delegation anders beantwortet, als dies den Antworten im Schuldrecht entsprechen würde:220 Im Schuldrecht findet 215 

Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 27; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 316. Celle v. 21.2.1955 RdL 1955, 137, 138 (Übertragung der Entscheidung auf ein Dreierkollegium mit möglicherweise wechselndem Mitgliederbestand unzulässig); Großfeld, JZ 1968, 113, 120. 217  OLG Celle v. 16.12.1957 NJW 1958, 953, 954 (bestimmungsberechtigte Tochter des Erblassers bewirtschaftete selbst einen vergleichbaren Hof in unmittelbarer Nähe); OLG Köln v. 19.3.1984 OLGZ 1984, 299, 303 (zur Feststellung des Eintritts einer Potestativbedingung); OLG Köln v. 1.2.1994 FamRZ 1995, 57, 58 (Nacherbenbestimmung durch den Hofvorerben). 218 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 32; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 32. 219  Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 38 f. m.w.N.; Helms, ZEV 2007, 1, 2; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447; Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1401; Langenfeld, StJB 1987/88, 211, 220; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1199. 220  Siehe aber insbesondere Muscheler, Erbrecht, Rn. 558; Windel, S. 240; Helms, ZEV 2007, 1, 4; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33 ff.; auch BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB. 216  OLG

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sich etwa nirgends die Zulässigkeitsvoraussetzung einer besonderen Sachkunde (obwohl diese von den Parteien häufig gefordert wird). Ebenso fehlt die Vorgabe eines engen Personenkreises. Der Dritte muss nicht namentlich benannt werden; es genügt die Angabe eines Bestimmungsmechanismus. Einzig bei der Forderung nach der Angabe gewisser Mindestkriterien, an denen der Dritte seine Entscheidung auszurichten hat, ist eine Entsprechung festzustellen. Doch war im Schuldrecht gerade zweifelhaft, ob eine derartige Voraussetzung sinnvoll ist.

V. „Umgehung“ des Verbots der Erbenbestimmung Da ein Erblasser vor diesem Hintergrund schlecht beraten wäre, einem Dritten die Befugnis zur Erbenbestimmung einzuräumen, muss er auf andere Gestaltungsinstrumente ausweichen. Alternative Gestaltungsmöglichkeiten werden zum einen in einer Testamentsvollstreckung, zum anderen in der Anordnung eines Vermächtnisses gesucht. Dabei muss der Versuch, mit Hilfe einer Testamentsvollstreckung die Auswahl und den Aufbau eines Nachfolgers in der Unternehmensleitung auf den Zeitraum nach dem Tod des Erblassers zu verlagern, hier nur kurz angesprochen werden, da er nicht zu einer Verlagerung der Entscheidung über den Nachfolger in das Vermögen führen kann. Im Kern sieht eine derartige Gestaltung vor, dass der Testamentsvollstrecker selbst darüber befinden könne, ob und wann bestimmte Nachlassgegenstände aus der Verwaltungsvollstreckung freigegeben werden und wann sein Amt ende.221 So kann der Erblasser beispielsweise seine beiden Söhne die Anteile an dem von ihm als GmbH geführten Unternehmen erben lassen und einen Testamentsvollstrecker einsetzen, der, sobald ein geeigneter Nachfolger unter den Söhnen feststeht, diesen als Amtsnachfolger zu bestimmen hat. 222 Ebensogut könnte er ein Testamentsvollstreckergremium mit der Verwaltung der Anteile betrauen und das Gremium ermächtigen, einen der Söhne zu gegebener Zeit zum Mitvollstrecker zu ernennen (§ 2199 BGB) und nach eigenem Dafürhalten die Testamentsvollstreckung zu beenden. 223 Ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 1 BGB224 liegt darin nicht. 225 Der Testamentsvollstrecker hat nach § 2226 BGB ein jederzeitiges Kündigungsrecht, dessen Ausübung Parallelen zwischen der Delegation im Erbrecht (vor allem bei § 2048 BGB) und den §§ 317 ff. BGB ziehen außerdem z.B. Kornblum, S. 94; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 11; Windscheid/ Kipp, Pandekten III, S. 509 (§ 608); Rötelmann, DNotZ 1958, 434, 435. 221 Dazu Muscheler, Universalsukzession, S. 89 f. 222  Muscheler, Universalsukzession, S. 90; siehe auch Säcker, ZEV 2006, 288, 290. 223  So der Sachverhalt in BayObLG v. 29.3.1976 NJW 1976, 1692. 224  Absatz 2 der Vorschrift ist nicht berührt. 225  Siehe nur BayObLG v. 29.3.1976 NJW 1976, 1692; Palandt/Weidlich, § 2210 Rn. 1; Muscheler, Universalsukzession, S. 90; W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 22 (der den Fall des BayObLG als Eintritt einer auflösenden Bedingung versteht).

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ihn allenfalls nach § 671 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichten kann. In der Beendigung der Vollstreckung auf Initiative des Testamentsvollstreckers liegt also keine Besonderheit. 226 Überdies endet jede Testamentsvollstreckung ohnehin automatisch mit Erledigung aller dem Testamentsvollstrecker zugewiesenen Aufgaben. 227 Lag die Aufgabe darin, die Unternehmensnachfolge zu sichern und einen Nachfolger aufzubauen, so besteht kein Bedürfnis mehr nach einer Vollstreckung, wenn der ausgewählte Nachfolger bereit ist, die Unternehmensleitung zu übernehmen. 228 Ein tatsächlicher Übergang des Vermögens auf den nachträglich ausgewählten Nachfolger lässt sich allerdings nur auf anderem Weg erreichen. Als alternative Gestaltung zur Erbenbestimmung durch einen Dritten wird dem rechtskundig beratenen Erblasser empfohlen, ein Vermächtnis über einen wesentlichen Vermögensgegenstand (ein Unternehmen, einen Hof, ein Grundstück) oder sein gesamtes Vermögen anzuordnen und die Auswahl des Vermächtnisnehmers einem Dritten zu überlassen. 229 Die Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers ist, wie gesehen, unter den Voraussetzungen des § 2151 BGB zulässig. Schon die Zweite Kommission hatte eine Ausnahme vom Drittbestimmungsverbot bei der Erbeinsetzung deshalb für entbehrlich gehalten, weil ein noch unschlüssiger Erblasser ein Vermächtnis oder eine Auflage anordnen und in diesem Zusammenhang einen Dritten einschalten könne. 230

1. Keine Unwirksamkeit des drittbestimmten Universalvermächtnisses wegen Umgehung des § 2065 BGB Doch stellt sich die Frage, ob eine derartige Gestaltung nicht die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB in unzulässiger Weise umgeht und deshalb ebenfalls unwirksam sein muss, wenn der vermachte Vermögensgegenstand nahezu das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht und der Erbe nur gebraucht wird, um den Nachlass weiterzugeben. 231 Eine allgemein anerkannte Definition der Gesetzesumgehung existiert nicht; gerade die Rechtsprechung zeigt sich uneinheit-

226 

Muscheler, Universalsukzession, S. 90. BGH v. 22.1.1964 BGHZ 41, 23, 25; BayObLG v. 29.6.1995 ZEV 1995, 370; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 166. 228  Muscheler, Universalsukzession, S. 90. 229 Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 1; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/ Rudy, Vor § 2147 Rn. 8; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 39; N. Mayer, ZEV 1995, 247, 249; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1199 f.; R. Zimmermann, Quos, S. 56 ff.; Helms, ZEV 2007, 1, 2 f.; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447. A.A. Windel, S. 244. 230  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. 231 Die Rechtsfolge der Umgehung ist grundsätzlich das Ergebnis einer „Gleichstellung“ mit den Rechtsfolgen der umgangenen Norm (Westerhoff, S. 86 ff.; Benecke, S. 23, 97 ff. m.w.N.), vorliegend also mit der Unwirksamkeit nach § 2065 Abs. 2 BGB. Siehe Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200; ihm folgend Christoph Keim, S. 151. 227 

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lich. 232 Arndt Teichmann hat eingehend begründet, weshalb die Gesetzesumgehung kein eigenes Rechtsinstitut ist; vielmehr komme es allein darauf an zu entscheiden, ob ein Verhalten in den Anwendungsbereich einer Norm falle oder ob eine durch Analogieschluss zu schließende Lücke bestehe. 233 Diesem Ansatz folgt heute im Grundsatz die ganz herrschende Lehre.234 Freilich bleibt damit für die Rechtsanwendung die Aufgabe, im Einzelfall zu bewerten, ob eine rechtliche Gestaltung das Ziel eines Verbotsgesetzes vereitelt und dabei eine gewisse Intensität aufweist, mithin die „Eingriffsschwelle“235 überschreitet. 236 Wirtschaftlich tritt infolge der Drittbestimmung des Universalvermächtnisnehmers das ein, was § 2065 Abs. 2 BGB verhindern möchte. Vereinzelt wird daher eine Unwirksamkeit wegen Umgehung angenommen. 237 Hinter dieser Annahme stehen Bedenken wegen des atypischen Charakters eines Vermächtnisses, dessen Umfang einer Erbeinsetzung entspricht. Der Erblasser dürfe nicht mit dem Ziel, der Unwirksamkeitssanktion des § 2065 BGB zu entgehen, ein Vermächtnis anordnen, wo eine Erbeinsetzung typisch wäre. Zwar kann die Atypizität einer Gestaltung ein Indiz für eine Umgehung darstellen. 238 Dennoch ist vorliegend mit der ganz überwiegenden Ansicht eine Umgehung abzulehnen. 239 Auf die Typizität des Erblasserwillens kann es nicht 232 Vgl.

Benecke, S. 22 ff. m.w.N. Teichmann, S. 106; ders., JZ 2003, 761, 765; siehe auch Schurig, 2. FS Ferid, S. 408. 234  Siehe nur Münch­Komm-­BGB/Armbrüster, § 134 Rn. 15 mit zahlreichen Nachw. zum Diskussionsstand in Fn. 42; Benecke, S. 208 f. (allerdings einschränkend, dass eine Analogie nicht immer weiterhilft, S. 212 f.); Sieker, S. 9, 45, 214; Bork, AT, Rn. 1121; M. Wolf/Neuner, AT, § 45 Rn. 27; Flume, AT II, S. 350 (§ 17, 5), 409 (§ 20, 2 b cc); vgl. ferner Staudinger/Sack/ Seibl, § 134 Rn. 144 ff. auf der Grundlage von § 138 BGB. Aus Sicht des europäischen Privatrechts Basedow, FS Stathopoulos, S. 167 ff. 235  Begriff nach Schurig, 2. FS Ferid, S. 401. 236  Münch­Komm-­BGB/Armbrüster, § 134 Rn. 17; Benecke, S. 117 ff. 237 Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 4; Lenz-Brendel, in: jurisPK‑BGB, § 2065 Rn. 5; Menz, DB 1966, 1719 (ausgehend von einem zwingenden Charakter des § 2087 BGB); Halding-Hoppenheit, S. 151 ff.; Sudhoff, DB 1966, 1720 (allerdings nur für das Universalvermächtnis). Differenzierend F. Wagner, S. 95 ff. Unentschieden Christoph Keim, S. 150 ff. (Gesetzesumgehung komme „nur im Ausnahmefall“ in Betracht, S. 154). Unklar RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 2, der zwar den Unterschied zur Erbeinsetzung betont, dabei aber nur vom Vermächtnis als „Zuwendung einzelner Gegenstände“ im Gegensatz zur Gesamtrechtsnachfolge ausgeht. 238 Dazu Benecke, S. 140 ff. m.w.N., die zugleich nachweist, dass sich anhand der Rechtsprechung keine einheitliche Aussage über die Bedeutung der Atypizität einer Gestaltung für die Frage der Gesetzesumgehung gewinnen lässt. 239  Vgl. nur Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 2; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 1; NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 2; Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 1; Windel, S. 243; R. Zimmermann, Quos, S. 61 f. (im Zusammenhang mit der Umdeutung einer unwirksamen Erbeinsetzung in eine Vermächtnisanordnung, die deshalb keine Umgehung darstelle, weil § 2065 BGB eines überzeugenden Normzwecks ermangele); Schlüter, Rn. 902 mit Fn. 30; Sens, S. 147; Zawar, S. 115; Helms, ZEV 2007, 1, 2 f.; N. Mayer, ZEV 1995, 247, 248; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1199 f.; Dobroschke, DB 1967, 803, 804 ff.; Haegele, Rpfleger 1965, 355, 358 Fn. 26; insbesondere im Zusammenhang mit der Nachfolge in ein Unternehmen, auch wenn es den wesentlichen Vermögensgegenstand bildet: Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 1; Münch­Komm-­ 233 

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ankommen. Denn § 2087 BGB belegt, dass es dem Erblasser überlassen bleibt, unabhängig vom Umfang der Zuwendung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis zu wählen, und dass nur bei fehlender Erkennbarkeit eines Erblasserwillens die Typizität maßgeblich ist. Die Vorschrift des § 2087 BGB ist gerade nicht zwingend ausgestaltet. 240 Entscheidend ist vielmehr, ob ein drittbestimmtes Vermächtnis ab einem gewissen Umfang das Ziel des § 2065 Abs. 2 BGB vereitelt. Dann müsste diese Vorschrift das Ziel haben, dem Erblasser dann, wenn er sein Vermögen im Wesentlichen einer Person zukommen lassen will, eine Drittbestimmung zu verbieten. Dieses Verständnis des § 2065 Abs. 2 BGB lässt sich aber bereits anhand des Intention des Gesetzgebers widerlegen. Mit der Erbeinsetzung einerseits und der Vermächtnisanordnung andererseits hat der Gesetzgeber zwei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahl gestellt. Dass nun in dem einen Fall eine Delegation ausgeschlossen sein soll und in dem anderen nicht, entspricht dem Willen des Gesetzgebers.241 Die Zweite Kommission hatte zunächst unter Berufung auf ein praktisches Bedürfnis die Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers zugelassen 242 und dann in vollem Bewusstsein der Diskrepanz eine Drittbestimmung des Erben abgelehnt.243 Zweifel daran, ob daraus für die Frage der Umgehung etwas zu gewinnen sei, weil die Kommissionsmitglieder angesichts der gemeinrechtlichen falzidischen Quart vielleicht nicht an ein Vermächtnis dachten, das den Nachlass ganz oder im Wesentlichen aufzehrt, 244 sind wohl nicht berechtigt. Denn schon die Erste Kommission hatte sich zuvor in Übereinstimmung mit neueren Rechten gegen eine Mindestbeteiligung des Erben am Nachlass ausgesprochen. 245 Die Zweite Kommission betonte sogar, dass sich Vermächtnis und Erbeinsetzung in ihren wirtschaftlichen Folgen ähnelten. 246 Maßgeblich waren vielmehr in erster Linie zwei rechtstechnische Eigenheiten der Erbeinsetzung:247 Anders als beim Vermächtnis stoße eine Drittbestimmung bei der Erbeinsetzung auf Bedenken wegen der Frage, wie der SchwebeBGB/Rudy, § 2151 Rn. 8; Reymann, in: jurisPK-BGB, § 2151 Rn. 38 ff.; AK/Dubischar, § 2151 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 2151 Rn. 1. Beispiel in BayObLG v. 2.2.1996 FamRZ 1996, 1036, wo anlässlich der Übertragung eines Hausgrundstücks als wesentlichem Vermögensgegenstand nach § 2151 BGB die Umgehungsproblematik nicht einmal aufgeworfen wurde. 240 Ob in § 2087 BGB nun eine Auslegungsregel (Staudinger/Otte, § 2087 Rn. 2; Erman/M. Schmidt, § 2087 Rn. 2) oder eine Ergänzungsregel (RGRK/Johannsen, § 2087 Rn. 1) zu sehen ist, ist hier ohne Belang (zu der Unterscheidung Leipold, Rn. 366 Rn. 19). Kritisch zum Universalvermächtnis Lange/Kuchinke, S. 624 (§ 29 II 2 a) („nicht förderungswürdig“). 241 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 1; Sünner, S. 89 f.; N. Mayer, ZEV 1995, 247, 248; Klunzinger, BB 1970, 1199 f.; Piltz, ZEV 2005, 469, 471; a.A. Christoph Keim, S. 154. 242  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 526 f. 243  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 525, 528. 244  Helms, ZEV 2007, 1, 3; Christoph Keim, S. 154. 245  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 108. Darauf weist auch hin R. Zimmermann, Quos, S. 61. 246  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. 247  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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zustand bis zur Vornahme der Bestimmung überbrückt werden könne. An sich müsste die bedingte Einsetzung des von dem Dritten Auszuwählenden dazu führen, dass bis zur Wahl die Intestaterben als Vorerben eingesetzt seien, was aber kaum dem Willen des Erblassers entspreche. Zudem stelle die Außenwirkung der Erbenstellung Nachlassgläubiger und Nachlassschuldner vor die „besonders mißlich[e]“ Schwierigkeit, „mit Sicherheit und rechtzeitig zu erfahren, wer und wann gewählt worden, und wer mithin als Erbe zu betrachten sei“. Angesichts dieser Komplikationen solle der Erblasser auf die Anordnung eines Vermächtnisses oder einer Auflage ausweichen. Im Vordergrund standen damit jedenfalls in diesem Stadium der Gesetzesberatungen eher praktische Erwägungen als die Deduktionen aus einer „streng persönlichen Natur des Testirrechts“248, von der noch der Redaktor v. Schmitt ausgegangen war. Auch heute dienen gerade die unterschiedlichen Rechtsfolgen beider Verfügungsarten als Argument gegen die Annahme einer Umgehung des § 2065 BGB. 249 Präzisierend wird die Diskrepanz zwischen § 2065 BGB und § 2151 BGB damit erklärt, dass nur die Erbeinsetzung zum Vonselbsterwerb führe und die stärksten Außenwirkungen habe, wie sich in der Haftung für Nachlassschulden, der Verantwortung der Erben für die Nachlassabwicklung und im Schutz des Vertrauens Dritter in die Erbenstellung aufgrund des Erbscheins zeige. 250 Eine Drittbestimmung beim Vermächtnis berühre dagegen die Interessen der Nachlassgläubiger nicht. 251 Die genannten Gründe sind aber unabhängig vom Umfang des Nachlassteils, der einer Drittbestimmung unterliegt. Wenn der Erblasser die – durch § 2087 BGB nicht beschränkte – Wahl zwischen zwei Gestaltungsmöglichkeiten hat, kann seine Entscheidung für ein zulässiges Gestaltungsmittel keine Umgehung darstellen. 252 Schon rein praktisch ließe sich keine Wertgrenze fin248 

v. Schmitt, Bd. I, S. 239.

249 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 2; Windel, S. 243. – F. Wagner, S. 83 ff. sieht einen weiteren

Unterschied in den Wirkungen einer Anfechtung oder Aufhebung der Drittbestimmung: Nur bei der Erbeinsetzung seien Außenstehende davon betroffen. Dies ist freilich kein Argument gegen den Ausschluss der Drittbestimmung. Denn die Problematik stellt sich genauso bei der Anfechtung einer testamentarischen Anordnung nach den §§ 2078 ff. BGB. 250  Schlüter, Rn. 142; F.Wagner, S. 57 ff., 83 ff. (zwar haben Erbeinsetzung und Vermächtnis ähnliche wirtschaftliche Konsequenzen, doch unterscheiden sie sich in der Außenwirkung); Sünner, S. 76 f., 90. Siehe auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 11 (Unterscheidung nach dinglicher Nachfolge oder schuldrechtlichem Anspruch ist nicht bloß formaler Natur); Muscheler, Erbrecht, Rn. 2594; a.A. H. Westermann, FS Möhring, S. 194 (Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis aus Empfängerperspektive nur „rechtstechnisch“). – Nach RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 2 sei außerdem bei einem Vermächtnis häufig mehr der damit verfolgte Zweck als die Person des Bedachten maßgebend. Dieses Argument hat freilich in einem Kontext, in dem ein rechtskundig beratener Erblasser nach einer Gestaltungsmöglichkeit zur Verwirklichung seiner Ziele sucht, geringe Überzeugungskraft. 251  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 1; NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 1. 252  So auch Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200; Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 204; Christoph Keim, S. 152.

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den, ab der eine Umgehung angenommen werden müsste und eine Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers damit unzulässig wäre. 253 Und andererseits würde § 2065 Abs. 2 BGB ja auch dann eingreifen, wenn ein Dritter einen zu einer geringen Quote eingesetzten Erben bestimmen soll. Soll § 2065 nach dem Willen des Gesetzgebers (auch) dem Schutz der Nachlassgläubiger dienen, so kann er nicht mit einer Gestaltung umgangen werden, die deren Interessen nicht berührt. 254 Problematisch ist es demgegenüber, den Unterschied zwischen § 2065 BGB auf der einen und § 2151 BGB auf der anderen Seite mit einem Stufenverhältnis nach „erbrechtlicher Wichtigkeit“255 erklären zu wollen. So heißt es mitunter, in der „zentrale[n] Frage der Erbeinsetzung“ sei die Pflicht des Erblassers zu einer persönlichen Entscheidung am stärksten. 256 Das Vermächtnis habe demgegenüber eine geringere Tragweite, weshalb eine Auflockerung des Drittbestimmungsverbots unbedenklich sei. 257 Diese Differenzierung wird durch die Gesetzesmaterialen in Frage gestellt:258 Den juristischen Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis betrachtete die Zweite Kommission in diesem Zusammenhang gerade als irrelevant. 259 Und im Zusammenhang mit der Zulassung der Testamentsvollstreckerauswahl durch einen Dritten hielt sie ausdrücklich fest, dass die Anordnung einer Testamentsvollstreckung von derselben Wichtigkeit wie irgendeine andere Verfügung von Todes wegen sei. 260 Wie im Vermächtnisrecht gab wiederum der Rekurs auf praktische Gesichtspunkte den Ausschlag für eine Lockerung des Drittbestimmungsverbots: Nicht selten werde es so sein, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht überblicken könne, wer nach seinem Tod als geeigneter Testamentsvollstrecker zur Verfügung stehe, gleichwohl aber eine Vertrauensperson kenne, die ihn überleben und die Wahl in seinem Sinne treffen werde. 261 Entscheidendes Argument gegen eine Umgehung bleibt damit, dass der Gesetzgeber selbst eine zulässige Gestaltungsmöglichkeit geschaffen hat.

253 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 2; NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 2; Schlitt, ZErb 2006, 226, 227. Für eine Gleichbehandlung von Erbeinsetzung und Vermächtnis wegen wirtschaftlicher Vergleichbarkeit auch Spiro, FS Druey, S. 263. 254  Zum Argument der „Schutznorm“-Qualität in Umgehungsfällen allgemein Benecke, S. 127 ff. 255  Formulierung nach Stiegeler, S. 50, der aber unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien ein Stufenverhältnis gerade ablehnt, dazu sogleich. 256  Zitat von R. Frank/Helms, § 4 Rn. 10; außerdem Schlüter, Rn. 142. 257 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 1; Münch ­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 1; Lange/­ Kuchinke, S. 630 (§ 29 III 2 b). 258  So auch Stiegeler, S. 50. 259  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. 260  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 644; a.A. Schlüter, Rn. 142 wegen der Korrekturmöglichkeit nach § 2227 BGB; gegen ihn Windel, S. 237 Fn. 165. 261  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 644.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Als Nebenprodukt dieser Argumentation konnte auch die gesetzgeberische Absicht hinter § 2065 BGB genauer konturiert werden. Ausschlaggebend waren für die Zweite Kommission die Folgen der zeitweiligen Ungewissheit der Person des Erben.

2. Umdeutung einer unwirksamen Erbeinsetzung Wenn damit anerkannt ist, dass im Rahmen eines Universalvermächtnisses eine Drittbestimmung möglich ist, ist zu überlegen, ob eine unwirksame Anordnung der Erbenbestimmung durch einen Dritten in eine wirksame Einräumung der Befugnis, einen Universalvermächtnisnehmer zu bestimmen, umgedeutet werden kann.262 Gegen eine derartige Umdeutung wendet sich Kuchinke. Denn erstens setze sich eine Umdeutung über den erklärten Willen des Erblassers hinweg und zweitens ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 2065 Abs. 2 BGB ein Umdeutungsverbot. 263 Einer Umdeutung sei jedoch stets die Auslegung des Erblasserwillens vorgeschaltet (§ 2084 BGB). 264 Schon mit Hilfe der Auslegung ließe sich eine Anordnung häufig als Vermächtnis oder Zweckauflage aufrechterhalten. 265 Insbesondere dem Willen des weniger rechtskundigen Erblassers266 kann auf diese Weise meist geholfen werden. Überspitzt lässt sich Kuchinkes Ansicht so verstehen, als solle nur dann, wenn der Erblasser sehenden Auges eine Drittbestimmung des Erben angeordnet hat und es ihm auf einen Vonselbsterwerb des auf diese Weise Bestimmten ankam, eine Umdeutung ausscheiden. Das entspricht dann aber den allgemeinen Grundsätzen der Umdeutung, die nie gegen den eindeutigen wirklichen Willen der Beteiligten möglich ist, 267 und bedarf nicht der Annahme eines zusätzlichen Umdeutungsverbots in § 2065 Abs. 2 BGB. Letztlich beruht diese Ansicht auf einer Grenzziehung zwischen Auslegung und Umdeutung, die die Aufgabe der Umdeutung schon der Auslegung anheimstellt.268 Das Verhältnis von Auslegung und Umdeutung ist gerade im Erbrecht umstritten und im Einzelfall schwierig zu bestimmen. 269 Doch selbst wenn die 262  Nach Ansicht von Schmoeckel, Erbrecht, § 19 Rn. 24 führt ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB nicht zur Unwirksamkeit, sondern dazu, dass von vornherein keine letztwillige Verfügung gegeben ist. Eine Umdeutung müsste dann in Ermangelung eines umzudeutenden Aktes ausgeschlossen sein. 263  Lange/Kuchinke, S. 549 (§ 27 I 8); Kuchinke, FS Neumayer, S. 405 f.; zustimmend K.W. Lange, Kap. 6 Rn. 15. 264  Lange/Kuchinke, S. 548 f. (§ 27 I 8); vgl. außerdem z.B. Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 3. 265  Lange/Kuchinke, S. 548 f. (§ 27 I 8). 266  Mit ihm argumentiert F. Wagner, S. 94 gegen Kuchinke. 267  Münch­Komm-­BGB/Busche, § 140 Rn. 20 mit Nachweisen zu Einzelfragen; Staudinger/H. Roth, § 140 Rn. 25 f.; Palandt/Ellenberger, § 140 Rn. 8; M. Wolf/Neuner, AT, § 57 Rn. 6. 268  Auch Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 2 will offenbar alles der Auslegung überlassen und geht im Übrigen davon aus, dass es bei der Unwirksamkeit der Anordnung verbleibe. 269  Münch­Komm-­BGB/Busche, § 140 Rn. 3; Jauernig/R. Stürner, § 2084 Rn. 8.

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Auslegung zu dem Ergebnis führen sollte, der Erblasser habe eine Erbeinsetzung gewollt, ist mit der herrschenden Ansicht festzuhalten: Eine Umdeutung ist – bis zur Grenze des hypothetischen Parteiwillens270 – trotz § 2065 Abs. 2 BGB möglich. 271 Es entspricht dem Zweck der Umdeutung, „den von den Parteien erstrebten wirtschaftlichen Erfolg auch dann zu verwirklichen, wenn das rechtliche Mittel, das sie dafür gewählt haben, unzulässig ist, jedoch ein anderer, rechtlich gangbarer Weg zur Verfügung steht, der zum annähernd gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führt“272. Die wirtschaftliche Ähnlichkeit von Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung brachte schon die Zweite Kommission im vorliegenden Zusammenhang deutlich zum Ausdruck. 273 Wenn es dem Erblasser nicht gerade auf die spezifischen Folgen der Erbeinsetzung ankommt, treten formale Unterschiede zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis zurück hinter dem Ziel des Erblassers, die endgültige Zuordnung seines Vermögens mit der Hilfe eines Dritten zu regeln. Anerkannt ist jedoch, dass eine Umdeutung nicht den Zweck eines Unwirksamkeitsgrundes vereiteln darf. 274 Gebräuchlich ist die Formulierung, es dürfe nur umgedeutet werden, wenn das 270  Diese Grenze dürfte insbesondere erreicht sein, wenn sich aus dem Testament Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Person, die nach der Vermächtnislösung als Erbe notwendige Durchgangsstation für das Vermögen ist, nicht am Nachlass beteiligt werden sollte. Wenn beispielsweise der Erblasser sein Vermögen wohltätigen Zwecken zuführen will und damit seine gesetzlichen Erben übergeht, kann die Auslegung oder Umdeutung der Verfügung nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Erben doch am Nachlass beteiligt werden, indem sie zu mit einer Auflage beschwerten Erben werden. Wohl aber könnte der Erblasser einen Testamentsvollstrecker einsetzen und mit der Auswahl des Zwecks betrauen; die Verfügung wäre dann in eine Erbeinsetzung des Testamentsvollstreckers umzudeuten, BayObLG v. 20.9.2000 FamRZ 2001, 317; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 65; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 2; a.A. Lange/Kuchinke, S. 549 (§ 27 I 8), der aber offenbar nicht an die Möglichkeit einer Erbeinsetzung des Testamentsvollstreckers denkt. 271 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 21; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 65; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 2; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 27; KK-Erbrecht/Löhnig, § 2065 Rn. 2; R. Zimmermann, Quos, S. 60 ff.; Kanzleiter, DNotZ 2001, 149, 153. Zurückhaltend AK/Finger, § 2065 Rn. 10 („nur in Ausnahmefällen“); Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 40; vgl. auch F. Wagner, S. 99 (Umdeutung überall dort zulässig, wo nach § 2151 BGB wirksam ein Vermächtnis hätte angeordnet werden können). Enger Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200, der eine Umgehung des § 2065 BGB annimmt, wenn entgegen dem nach § 2087 BGB maßgeblichen Erblasserwillen zugunsten einer Erbeinsetzung umgedeutet werde. Damit wird freilich der hypothetische Wille des Erblassers für unbeachtlich erklärt und somit dem Erblasser eine in der Realität wohl häufig fehlende Kenntnis des Unterschieds zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis zugetraut. Dass bei ausdrücklichem Erblasserwillen gegen ein Vermächtnis eine Umdeutung ausscheidet, bedarf demgegenüber keiner Erwähnung. 272  BGH v. 21.3.1977 BGHZ 68, 204, 206 m.w.N.; BGH v. 10.12.1997 NJW 1998, 896, 897; Münch­Komm-­BGB/Busche, § 140 Rn. 1; Staudinger/H. Roth, § 140 Rn. 1. 273  Siehe oben bei Fn. 246. 274 Staudinger/H. Roth, § 140 Rn. 16; Münch­Komm-­BGB/Busche, § 140 Rn. 1. – Wenig hilfreich ist hier der Rekurs auf den Grundsatz wohlwollender Auslegung (so aber Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 21), da wohlwollende Auslegung nicht darüber entscheiden kann, ob überhaupt ein Umdeutungsverbot vorliegt.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

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Recht nicht den Erfolg, sondern nur das Mittel missbillige. 275 Ein solches Verbot des Erfolgs, die endgültige Nachlasszuordnung einem Dritten zu überlassen, enthält § 2065 Abs. 2 BGB aber gerade nicht. Der genannte Erfolg wird durch § 2151 BGB gerade ermöglicht, und zwar, wie gesehen, auch für den Fall des Universalvermächtnisses. Im Ergebnis kann daher eine Verfügung, mit der es einem Dritten überlassen wird, den Erben zu bestimmen, als Vermächtnisanordnung mit Bestimmungsrecht dieses Dritten aufrechterhalten werden, wenn nicht aus dem Testament erhellt, dass es dem Erblasser gerade auf eine Erbeinsetzung ankam. 276 Je nach Gestaltung des Einzelfalls sind weitere Lösungen im Wege der Auslegung oder Umdeutung denkbar. Als Fall einer Auslegung des Erblasserwillens möchte Otte für bestimmte Fälle § 2073 BGB analog anwenden und damit alle Personen aus dem Kreis, aus dem der Dritte den Erben auswählen sollte, als zu gleichen Teilen berufen ansehen:277 Überlässt beispielsweise der Erblasser dem Vorerben die Auswahl des Nacherben unter mehreren Personen, kann diese Lösung seinem Willen näher kommen als eine Berufung aller gesetzlichen Erben des Vorerben im Wege einer konstruktiven Nacherbfolge (§ 2104 S. 1 BGB)278 oder ein Erstarken der Vorerbschaft zur Vollerbschaft. 279 Wenn ein Dritter aufgerufen ist, eine Erbquote festzulegen, kommt die Umdeutung in ein Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB) in Betracht. 280 Wo § 2151 BGB nicht eingreifen kann, weil der Erblasser keinen bestimmten Kreis potentieller Empfänger bestimmt hat, ist prinzipiell die Umdeutung in eine Zweckauflage möglich.281 Als Beispiel mag der nicht seltene Fall dienen, dass der Erblasser einen Teil seines Vermögens einem wohltätigen Zweck zuwenden und die Auswahl des Empfängers dem Erben des restlichen Vermögens überlassen möchte. 282

275  BGH

v. 21.3.1977 BGHZ 68, 204, 206 f. m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Busche, § 140 Rn. 1; R. Zimmermann, Moderationsrecht, S. 85. 276  Zu der Folgefrage, wer dann Erbe sein soll, vgl. Windel, S. 243 f. 277 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 64. 278  Dafür LG München I v. 13.2.1996 FamRZ 1998, 1261; OLG Hamm v. 6.7.1995 FamRZ 1996, 378. 279 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 64; siehe die Lösung in BayObLG v. 2.2.1996 FamRZ 1996, 1036, wo allerdings § 2065 Abs. 2 BGB nicht erörtert wurde. 280  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 37; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 65; zurückhaltend Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 40 („in Ausnahmefällen“). 281 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 21; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 37; Lenz-Brendel, in: jurisPK-BGB, § 2065 Rn. 40; R. Zimmermann, Quos, S. 59; mittels Auslegung gelangen zu demselben Ergebnis BGH v. 4.2.1987 NJW-RR 1987, 1090, 1091; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 2 f. – Ebenso ist die Umdeutung einer wegen Unbestimmtheit des Personenkreises unwirksamen Vermächtnisanordnung in eine Auflage ist möglich, siehe oben § 4 Fn. 390. 282 Vgl. Lange/Kuchinke, S. 549 (§ 27 I 8), der darin allerdings einen Fall der Auslegung erblickt.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Ob darüber hinaus, d.h. bei Fehlen der Angabe eines Personenkreises (Vermächtnis) oder eines Verwendungszwecks (Zweckauflage oder Zweckvermächtnis), die Ermächtigung eines Dritten, den Erben zu bestimmen, im Wege der Umdeutung aufrechterhalten werden kann, ist umstritten. Reinhard Zimmermann schlägt vor, darin eine Erbeinsetzung des Dritten zu erblicken.283 Der Wille des Erblassers richte sich darauf, dass dieser Dritte über das Schicksal des Nachlasses entscheide. Er könne den Nachlass – mittels Geschäft unter Lebenden – weitergeben oder behalten. Wie der Dritte im Einzelnen mit dem Nachlass verfahre, sei für den Erblasser offenbar irrelevant. Da der Erblasser seine Vermögensangelegenheiten voll dem Dritten anvertraue, sei auch die Erbenstellung des Dritten von seinem Willen gedeckt. Andere halten diese Umdeutung für zu weit gehend. 284

3. Nachteile eines drittbestimmten Universalvermächtnisses Diese Möglichkeiten der Umdeutung, mit der sich übrigens auch französische Gerichte seit langem behelfen, 285 verstärken einerseits die Zweifel an der Berechtigung des Drittbestimmungsverbots. Andererseits erscheint das Drittbestimmungsverbot vor diesem Hintergrund weniger dramatisch und einschneidend für die Gestaltungsfreiheit des Erblassers, als man zunächst glauben könnte. Dennoch wäre es verfehlt, deswegen das Drittbestimmungsverbot als kleine Lästigkeit im Erbrecht anzusehen, mit der die Praxis längst umzugehen weiß. Denn erstens wird daran doch immerhin ein erbrechtliches Prinzip, das Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit, festgemacht, zu dem strenggenommen auch das drittbestimmte Universalvermächtnis eine Ausnahme bilden soll. Und zweitens ist auch das drittbestimmte Universalvermächtnis kein Allheilmittel ohne Nachteile. Diese Nachteile sollen deshalb hier kurz skizziert werden. 286 Damit das Vermögen zum Vermächtnisnehmer gelangt, bedarf es eines Erben als Durchgangsstation. 287 Das führt zu zwei separaten Erwerbsvorgängen von Todes wegen, die jeweils der Erbschaftsteuer unterliegen, und damit zu einem gravierenden Nachteil für den auf Vermögenserhalt bedachten Erblasser. 288 Auch für den Erben ist die Position als Durchgangsstation nicht besonders vorteilhaft: Er muss alle Vermögensvorteile weiterreichen und gleichzeitig 283  R. Zimmermann, Quos, S. 58; skeptisch OLG Düsseldorf v. 4.12.1923 JW 1925, 2147, 2148. Siehe noch unten bei Fn. 355. 284  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 37. 285  Überblick bei Legier, JCP N 1978,I,87, 94 f. m.w.N. zur Auslegung einer unwirksamen faculté d’élire als Auflage (charge) des somit zum Erben eingesetzten Dritten. 286  Sehr kritisch NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 21 (praktische Tauglichkeit in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Häufigkeit der Erörterung im Schrifttum). 287  Von einem „Durchgangserwerb“ sprechen Lange/Kuchinke, S. 624 (§ 29 II 2 a). 288 Vgl. Sudhoff/Scherer, § 6 Rn. 12 („In den meisten Fällen verbietet sich daher dieser Weg.“).

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die Nachlassverbindlichkeiten berichtigen, um seiner persönlichen Haftung zu entgehen. 289 Die Stellung des Erben wird zu der eines Nachlassabwicklers verkürzt. 290 Zwar lassen sich auf das Universalvermächtnis die Regeln über den Erbschaftskauf anwenden. 291 Doch selbst wenn danach im Innenverhältnis zwischen Universalvermächtnisnehmer und Erbe der Vermächtnisnehmer die Nachlassverbindlichkeiten zu tragen hat, bleibt im Außenverhältnis auch der Erbe verpflichtet (§ 2382 Abs. 1 S. 1 BGB). 292 Dieser steht also weiterhin unter der Belastung, zur Haftungsvermeidung umgehend die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen und damit in den Nachlass einzugreifen. Gehört zum Nachlass ein Handelsgeschäft, muss der Erbe zudem die Haftung nach § 27 HGB fürchten. 293 Die Frage nach einer sinnvollen Verwaltung des Nachlasses stellt sich umso dringlicher, wenn bis zur Bestimmung des Universalvermächtnisnehmers ein längerer Zeitraum zu überbrücken ist, beispielsweise weil beim Unternehmertestament die in Betracht kommenden Kinder des Erblasser noch minderjährig sind und über ihre Eignung zur Unternehmensfortführung noch nicht entschieden werden kann. 294 Eine Abwicklung im Wege der Universal­ sukzession erscheint demgegenüber einfacher. 295 Wer diese unbequeme Position einnehmen soll, bestimmt der Erblasser am besten selbst, indem er den bestimmungsberechtigten Dritten als Person seines Vertrauens zum Alleinerben einsetzt. 296 Freilich wird der Erblasser bei Familienfremden vor diesem Schritt vielleicht zurückschrecken, oder eine Erbeinsetzung kann sich als gänzlich unpraktikabel erweisen, wenn ein Gremium die Auswahlentscheidung treffen soll.297 Überhaupt dürfte eine Erbeinsetzung als Durchgangsstation nur unter harmonischen Familienverhältnissen in Betracht kommen. 298 Andernfalls wäre zu befürchten, dass der Alleinerbe die ihm angetragene Stellung durch Ausschlagung der Erbschaft ablehnt.299 Bleibt nur 289 

R. Zimmermann, Quos, S. 57; Windel, S. 243. Windel, S. 243. 291 § 2385 BGB; vgl. v. Lübtow I, S. 355; Lange/Kuchinke, S. 624 (§ 29 II 2 a); Schlitt, ZErb 2006, 226, 227. 292  Das betont Windel, S. 243; auf das Innenverhältnis stellt R. Zimmermann, Quos, S. 59 ab. 293  Siehe auch F. Wagner, S. 81 Fn. 95. 294  Helms, ZEV 2007, 1, 3 (zweifelnd, ob eine Testamentsvollstreckung, die einen weiteren Beteiligten bringt, alle Probleme lösen kann); N. Mayer, ZEV 1995, 247, 249; Bedenken gegen „‚führungslose‘ Transferzeiten“ auch bei Reymann, in: jurisPK-BGB, § 2151 Rn. 45. 295 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 8. 296  R. Zimmermann, Quos, S. 57 ff.; Windel, S. 243. Ob sich allein aus der Einräumung des Bestimmungsrechts die Erbeinsetzung ergibt, wird angezweifelt von Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 6; vgl. auch BayObLG v. 2.12.1997 NJW-RR 1998, 727 (Leiter eines Waisenhauses, der für zehn Kinder aus dem Nachlass Sparbücher anlegen sollte, ist bestimmungsberechtigter Dritter, nicht Miterbe). 297  Windel, S. 243. 298  R. Zimmermann, Quos, S. 59 f.; ihm folgend Windel, S. 244. 299  Vgl. auch Schlitt, ZErb 2006, 226, 228. 290 

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die gesetzliche Erbfolge, wäre diese Stellung sogar besonders misslich, wenn mehrere Personen als gesetzliche Erben berufen sind und somit als Erbengemeinschaft den Nachlass bis zur Weitergabe an den Universalvermächtnisnehmer abwickeln müssen.300 Aspirieren die Mitglieder der Erbengemeinschaft zugleich auf die Benennung als Universalvermächtnisnehmer, wird eine Abwicklung und Einigung weiter erschwert.301 Im Ergebnis birgt diese Gestaltung also ein „nicht unerhebliches Konfliktpotenzial“302. Im Vergleich dazu wäre es einfacher, ein Dritter könnte den Erben bestimmen.303

VI. Lebzeitige Alternativen Die Nachfolgeplanung ist eine Spielwiese der Gestaltungspraxis. Deshalb verwundert es nicht, dass sich gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge die verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten herausgebildet haben, um dem Willen des Erblassers bestmöglich zum Erfolg zu verhelfen. Neben den Rechtsgeschäften von Todes wegen kommen auch Geschäfte unter Lebenden in Betracht. Darunter finden sich auch Konstruktionen, mit denen ebenfalls das Ziel verfolgt werden kann, einer von einem Dritten auszuwählenden Person etwas zuzuwenden. Im englischen Recht ist hier sofort an den oben304 bereits erwähnten discretionary trust zu denken.305 Doch auch im deutschen Recht kann mit der Errichtung einer Stiftung in bestimmten Fällen dem Erblasserwillen geholfen werden. Der Stiftungsvorstand kann, auch wenn die Satzung keinen Anspruch des Destinatärs begründet, durch einseitiges Rechtsgeschäft Leistungsansprüche zur Verfolgung des satzungsmäßigen Stiftungszwecks begründen.306 Diese Institute räumen einerseits dem Erblasser große Einflussmöglichkeiten 300 

Windel, S. 243 f. Von gesetzlicher Erbfolge als Regelfall geht aus Klunzinger, BB 1970, 1179, 1200. 301  Windel, S. 244. 302  Helms, ZEV 2007, 1, 3; NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 21. Weiteres Konfliktpotenzial bietet das Pflichtteilsrecht (dazu NK-BGB/J. Mayer, a.a.O.): Wer schon die bloße Aussicht, als Vermächtnisnehmer bestimmt zu werden, für pflichtteilsmindernd i.S.d. § 2307 Abs. 1 BGB hält, stellt den potentiellen Nachfolger vor die Entscheidung, das Vermächtnis auszuschlagen (§ 2180 BGB), um einen berechenbaren Pflichtteil zu erhalten, oder darauf zu spekulieren, in der Zukunft als Vermächtnisnehmer ausgewählt zu werden. 303 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 8. 304  Siehe oben bei Fn. 19. 305  Für eine Treuhandlösung im deutschen Recht Kossmann, S. 157 ff. 306  BGH v. 7.10.2009 NJW 2010, 234; differenzierend Muscheler, NJW 2010, 341, 342 (nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2151 BGB). Siehe auch RG v. 13.5.1919 RGZ 96, 15, 19 (die Aussetzung eines Geldbetrags zur Verteilung an „wohltätige oder gemeinnützige Anstalten sowie bedürftige Personen“ durch ein von den Testamentsvollstreckern beratenes Gremium von Dritten stellt die Errichtung einer „unselbständigen Stiftung“ dar); Kuchinke, FS Neumayer, S. 396 zum Zusammenspiel von unselbständiger Stiftung und § 2065 BGB.

A. Reichweite des Drittbestimmungsverbots

351

für die Zeit nach seinem Tod ein und ermöglichen ihm andererseits die Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf einen Dritten, der nach Eintritt des Erbfalls seine Interessen wahrnimmt. Jedoch erscheint das Verbot der Erbenbestimmung durch einen Dritten vor diesem Hintergrund nur auf den ersten Blick weniger gravierend. In Wirklichkeit unterstreicht die Existenz alternativer Gestaltungen nur das Bestehen eines Bedürfnisses nach einer Erbenbestimmung durch einen Dritten.

VII. Ergebnis Ein Erblasser kann ein Interesse daran haben, einen Dritten um die Ergänzung seines letzten Willens zu ersuchen; dies kommt etwa in Betracht, wenn er die Zukunft noch nicht in ausreichendem Maße überblicken kann, um selbst vollständig zu entscheiden, was mit seinem Nachlass geschehen soll. Das geltende Recht kommt diesem Bedürfnis nach einer Delegation nicht in allen Punkten nach. Während für Vermächtnisse, Auflagen, die Erbauseinandersetzung und die Auswahl des Testamentsvollstreckers weitreichende Drittbestimmungsbefugnisse zugelassen werden, steht im zentralen Bereich der Erbeinsetzung § 2065 Abs. 2 BGB im Wege. Allerdings ist die Reichweite dieser Vorschrift, abgesehen von der gesetzlichen Ausnahme in § 14 Abs. 3 HöfeO, zumindest in Grenzbereichen unklar. Gestaltende Entscheidungen Dritter werden weitgehend verhindert. Ein feststellendes Schiedsgutachten schließt die Norm dagegen grundsätzlich nicht aus. Allerdings sind hinsichtlich des Bereichs, der den Feststellungsentscheidungen verbleibt, und den notwendigen Anordnungen des Erblassers, um eine solche Entscheidung einzuholen, fast alle Fragen umstritten. Wenn er von dem Dritten mehr verlangt als die Feststellung objektiv gesicherter Tatsachen wie dem Eintritt einer Bedingung, begibt er sich bereits auf rechtlich unsicheres Terrain. Die Praxis hat deshalb nach alternativen Gestaltungsmöglichkeiten gesucht und zum Teil in der Anordnung eines Vermächtnisses oder einer Auflage gefunden, in die eine wegen § 2065 Abs. 2 BGB unwirksame Erbeinsetzung grundsätzlich umgedeutet werden kann. Vor allem aber stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der Legitimation des Drittbestimmungsverbots.

352

§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

B. Die Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung „Erbrecht ist kein Sonderprivatrecht.“307 Die Testierfreiheit ist Ausprägung der Privatautonomie des Erblassers im Erbrecht.308 Ihre Gewährleistung folgt aus der Achtung der Person und ihrer Privatautonomie, selbst über die Verwendung ihres – möglicherweise über ihr gesamtes Leben hinweg erarbeitetes – Vermögen und über das Ergehen ihr nahestehender Menschen oder über das Schicksal von Unternehmen bestimmen zu dürfen.309 Vertragsfreiheit und Testierfreiheit sind Ausprägungen derselben Privatautonomie.310 Das Drittbestimmungsverbot hat unmittelbare Rückwirkung auf den Umfang dieser Privatautonomie. Die Testierfreiheit als erbrechtliche Ausprägung der Privatautonomie müsste auch das Recht einschließen, Entscheidungsbefugnisse nicht selbst auszuüben, sondern auf einen Dritten zu übertragen.311 Im Vergleich zur Vertragsfreiheit als Ausformung der Privatautonomie unter Lebenden, die grundsätzlich eine Delegation erlaubt, ist die Testierfreiheit in diesem Punkt beschränkt.312 Vor dem Hintergrund der Delegationsmöglichkeiten im Schuldrecht fällt das erbrechtliche 307 

Otte, ErbR 2009, 2, 4 gegen Versuche, die „Grenze für die Zulässigkeit von Verfügungen von Todes wegen anders ziehen [zu] wollen als für Rechtsgeschäfte unter Lebenden“. 308  Statt vieler Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 54 f.; Münch­Komm-­BGB/ Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 17; Großfeld, JZ 1968, 113, 116; R. Zimmermann, Quos, S. 8; Kipp/Coing, S. 109 (§ 16 I 1); Muscheler, Erbrecht, Rn. 327; BVerfG v. 16.10.1984 BVerfGE 67, 329, 341; Maunz/Dürig/Papier (59. Lfg.), Art. 14 Rn. 303 f. Die Parallele zwischen Privatautonomie unter Lebenden und von Todes wegen findet sich bereits beim BGB-Redaktor v. Schmitt I, S. 168. Grundsätzlich anders Papantoniou, AcP 173 (1973), 385, 393. 309  Canaris, FS Lerche, S. 877. Ausführlich zur Begründung der Testierfreiheit Muscheler, Erbrecht, Rn. 383 ff. 310  Münch­Komm-­BGB/Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 17 mit Fn. 15; Muscheler, Erbrecht, Rn. 409 f. und öfter; Kroppenberg, JZ 2011, 97, 98. Siehe auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt etwa BVerfG v. 25.3.2009 ZEV 2009, 390. 311 Zutreffend Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 1; Frey, S. 76 f., 101; Halding-Hoppenheit, S. 109; vgl. auch Kanzleiter, DNotZ 1992, 511, 512. Grundsätzlich anders aber Schlüter, Rn. 142: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Testierfreiheit schütze nur die höchstpersönliche Entscheidung des Erblassers. Den im Vergleich zur Vertragsfreiheit engeren Schutzbereich begründet Schlüter mit der oben diskutierten Verantwortung des Erblassers für seine gegenüber der Familie „weit tragende Entscheidung“. Der Verfassung ist diese Einschränkung jedoch nicht zu entnehmen. 312  Treffend beschreibt H. Westermann, FS Möhring, S. 193 die Vorschrift des § 2065 BGB als Einschränkung der „sonst fast unbeschränkte[n] Autonomie des Erblassers“; Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3). Grundsätzlich anders v. Lübtow I, S. 139: Durch die Delegation werde in Wahrheit der Dritte zum Testator. Da der Erblasser materiell nichts verfügt habe, könne § 2065 BGB auch keine Beschränkung seiner Testierfreiheit darstellen. Diese Ansicht ist formal wie wertungsmäßig unzutreffend: Die Weitergabe der Entscheidungsbefugnis stellt eine Verfügung dar, wie sich an den §§ 2151 ff., 2198 BGB zeigt. Selbst wenn der Dritte nun den Erben auswählt, bleibt der Erblasser Testator, da der Dritte seine Rechtsmacht von ihm ableitet.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

353

Drittbestimmungsverbot noch mehr als Fremdkörper auf.313 Wenn Privatautonomie grundsätzlich delegierbar ist, folgt aus dieser Erkenntnis, dass nicht die Ausnahmen zum Drittbestimmungsverbot der Rechtfertigung bedürfen, sondern das Verbot selbst.314 Dies schließt freilich nicht aus, dass spezifische Unterschiede zwischen Vertragsrecht und Erbrecht eine Ungleichbehandlung legitimieren können.315 Konkret einer Klärung bedürftig ist die Frage, warum § 2065 Abs. 2 BGB die Delegation der Erbenbestimmung an einen Dritten verbietet. Hierfür kommt eine Reihe von Legitimationsversuchen in Betracht. Dabei kann unterschieden werden zwischen materialen Gründen (unten I.) und strukturellen Gründen (unten II.).

I. Materiale Gründe 1. Unverzichtbare Privatautonomie Gerechtfertigt wird diese Beschränkung von manchen mit dem Schutz gerade dieser „im Kern unverzichtbaren Privatautonomie“.316 Das Drittbestimmungsverbot beschränke die „Testierfreiheit um der Testierfreiheit willen“.317 Der Erblasser dürfe seine Testierfreiheit nicht so weit aufgeben, dass ein anderer die wichtigste von der Testierfreiheit ermöglichte Entscheidung für ihn treffe und seinen Erben bestimme.318 Ein derartiger Verzicht, der nach dem Erbfall nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, stünde geradezu im Widerspruch zu der Privatautonomie.319 Zur Untermauerung dieser These dient meist der Vergleich mit der unwiderruflichen Generalvollmacht unter Lebenden. Dass jeder 313 

Helms, ZEV 2007, 1, 4; Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 189; ferner Kipp/Coing, S. 334 (§ 57 II) zu Wahlvermächtnis, Gattungsvermächtnis und Zweckvermächtnis: „[H]insichtlich der Bestimmung des Vermächtnisgegenstands [kehren] Möglichkeiten wieder, die auch bei der vertraglichen Bestimmung des Leistungsgegenstandes vorkommen“. Den Zusammenhang zwischen der Erbauseinandersetzung durch einen Testamentsvollstrecker und der schuldrechtlichen Leistungsbestimmung kehrt deutlich heraus v. Schmitt II, S. 747. – Zu Zurückhaltung mahnt demgegenüber Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 2: „Auf die §§ 317ff sollte [im Rahmen des § 2151 BGB] nur mit Vorsicht zurückgegriffen werden, weil sich hier erbrechtliche Vorstellungen mit allg[emein] vertraglichen treffen.“ 314  Ebenso sehen Lange/Kuchinke, S. 547 (§ 27 I 3) die Begründungslast bei den Befürwortern eines Drittbestimmungsverbots, da die Delegation der Erbenbestimmung eine „sinnvolle Maßnahme zur Regelung erbrechtlicher Verhältnisse“ sein könne. 315  Siehe für den umfassenden Ansatz, eine „Privatautonomie von Todes wegen“ zu etablieren, Kroppenberg, Privatautonomie. 316  Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3); Leipold, Rn. 237; Otte, ZEV 2001, 318. 317  Otte, ZEV 2001, 318; siehe auch Kletecka, JBl. 1999, 277, 279 („Selbstausschaltung“ der Privatautonomie). 318  Großfeld, JZ 1968, 113, 116 ff.; Kipp/Coing, S. 122 (§ 18 I 3); NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 1; Christoph Keim, S. 26 ff. 319 Vgl. Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3).

354

§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Vollmachtgeber zwar bei Erteilung der Vollmacht seine Privatautonomie ausübt, diese aber gleichzeitig beschränkt, wurde oben bereits erläutert.320 Besonders bedenklich müsse es nun erscheinen, wenn der Vollmachtgeber auf den Widerruf der Vollmacht verzichtet habe und deshalb in noch größerem Maße dem Willen eines anderen unterworfen sei. Zutreffend weist diese Ansicht321 darauf hin, dass die Rechtsprechung und herrschende Lehre einen Ausschluss der freien Widerruflichkeit nur unter besonderen Voraussetzungen zulassen wollen322 und selbst dort, wo diese Voraussetzungen vorliegen, immer noch einen Widerruf aus wichtigem Grund für möglich halten323. Die Unzulässigkeit einer Delegation der Erbenbestimmung sei die erbrechtliche Parallele zu diesen Grundsätzen, denn nach dem Tode des Erblassers sei die Erteilung der Bestimmungsbefugnis unwiderruflich.324 Überdies stünde im Erbrecht mit der gesetzlichen Erbfolge sogar eine „Reservelösung“ bereit, falls der Erblasser seine Testierfreiheit nicht selbst ausübe.325

a) Delegation ist Ausübung von Privatautonomie Schon der Verweis auf die unwiderrufliche Vollmacht unter Lebenden überzeugt nicht.326 Denn die Bevollmächtigung führt nur vordergründig zu einer Beschränkung der Selbstbestimmung; in Wirklichkeit übt der Vollmachtgeber seine Privatautonomie aus, um seinen Handlungsspielraum zu erweitern.327 Vor allem aber ist das Testament vor dem Tod des Erblassers grundsätzlich frei widerruflich. Selbst wenn er dies will, kann der Erblasser – außerhalb von gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag – seine Befugnis zum Widerruf nicht ausschließen. Nach seinem Tod ist ein Widerruf 320 

Siehe oben § 3 A.II.1. (S. 103 f.). Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3); Großfeld, JZ 1968, 113, 117. 322  Maßgeblich ist der Zweck der Vollmacht. Als berechtigte Gründe für die Unwiderruflichkeit gelten z.B. die Tatsache, dass die Vollmacht im Interesse des Bevollmächtigten erteilt wurde, oder der Umstand, dass der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten zur Vornahme des Geschäfts verpflichtet ist. Zum Ganzen insbesondere Müller-Freienfels, S. 109 ff. (mit rechtsvergleichender Bestandsaufnahme auf S. 118 ff.); ferner Palandt/Ellenberger, § 168 Rn. 6; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 42 f., alle m.w.N. 323  Zum Widerruf aus wichtigem Grund BGH v. 8.2.1985 WM 1985, 646; BGH v. 12.5.1969 WM 1969, 1009; Palandt/Ellenberger, § 168 Rn. 6; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 43; anders Flume, AT II, S. 881 f. (§ 53 4). 324  Großfeld, JZ 1968, 113, 117; Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3). 325  Großfeld, JZ 1968, 113, 117. 326  So auch Muscheler, Erbrecht, Rn. 562; Goebel, S. 303 f.; R. Zimmermann, Quos, S. 27; Sens, S. 69 f.; Frey, S. 85 f.; F. Wagner, S. 42. Letzterer weist zutreffend darauf hin, dass es sich schon nicht um eine der Generalvollmacht vergleichbare Situation handele, wenn der Dritte nur für einen Bruchteil des Nachlasses einen Erben bestimmen soll. 327  Siehe noch v. Schmitt II, S. 797 zur Ermächtigung des Testamentsvollstreckers, die Erbauseinandersetzung vorzunehmen: „Es wird keinem Bedenken unterliegen, die Privatautonomie des Erblassers so weit reichen zu lassen.“ 321 Z.B.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

355

in der Tat ausgeschlossen.328 Doch ist dann ein Konflikt mit der Privatautonomie des Erblassers nicht mehr denkbar: Der Erblasser kann keinen anderen Willen mehr bilden.329 Dass die Delegation nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, berührt ihn nicht.

b) Delegation ist Entscheidung des „Nächstbeteiligten“ In diesem Sinne entfaltet eine delegierte Erbenbestimmung auch nicht, wie verschiedentlich befürchtet,330 eine geringere Richtigkeitsgewähr als eine Erbenbestimmung durch den Erblasser selbst.331 Auch die Entscheidung, die Erbenbestimmung zu delegieren, ist eine Entscheidung des „Nächstbeteiligten“332, der zur Regelung seiner Verhältnisse aufgerufen ist. Zudem könnte der Dritte – zumindest faktisch – ebenfalls „Nächstbeteiligter“ sein.333 Vorkommen kann dies entweder hinsichtlich der in Frage stehenden Zuwendungsempfänger, so etwa wenn der Erblasser der Mutter seiner drei Nichten ein Bestimmungsrecht einräumt, oder hinsichtlich des Erblasservermögens, so etwa wenn die Ehefrau des Erblassers Bestimmungsberechtigte ist. Gravierender mag erscheinen, dass der Erblasser die Ausübung der Bestimmungsbefugnis – anders als ein Vollmachtgeber – nicht mehr kontrollieren kann. Darin dürfte bei manchen Autoren der Kern der Bedenken gegen einen zu weitreichenden „Verzicht“ auf die Privatautonomie liegen.334 Doch kann diese Sorge vor unkontrollierter Entscheidungsmacht nur durchdringen, wenn tatsächlich kein geeigneter Kontrollmechanismus besteht. Dass sich ein derartiger Mechanismus finden lässt und die Sorge damit unbegründet ist, wird unten zu zeigen sein. Nach alldem ist es schon im Ansatz unzu­ elegation der Erbenbestimmung als Verzicht auf die Testiertreffend, die D freiheit zu kennzeichnen. Der Erblasser übt vielmehr seine Testierfreiheit aus, indem er einem Dritten die Macht gibt, nach seinem Tod die Erbfolge zu regeln.335 Deshalb ist es in diesem Zusammenhang auch verfehlt, nach einer

328 

Anders als etwa bei der postmortalen Vollmacht, die die Erben widerrufen können. R. Zimmermann, Quos, S. 27; Goebel, S. 304; Sens, S. 70. An dieser faktischen Grenze kann auch das von Kletecka, JBl. 1999, 277, 279 vorgetragene Argument, mit der Erstreckung privatautonomer Gestaltungen über den Tod hinaus durch die Testierfreiheit müsse auch der Schutz der Privatautonomie über den Tod hinaus andauern, nichts ändern. 330 Insbesondere Großfeld, JZ 1968, 113, 116; Stiegeler, S. 68 f. (Erblasser erhalte vom Gesetz einen Vertrauensvorschuss, müsse dann aber seine Entscheidung auch selbst verant­ worten). 331  R. Zimmermann, Quos, S. 27; Goebel, S. 302 f. 332  Kipp/Coing, S. 110 (§ 16 I 2); Großfeld, JZ 1968, 113, 117. 333  Goebel, S. 303. 334 Insbesondere Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3); Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169. 335  R. Zimmermann, Quos, S. 27; Frey, S. 86. Das verkennt Windel, S. 239, der nur in der höchstpersönlichen Erbeinsetzung eine Ausübung der Privatautonomie sieht. 329 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

„Grenze zwischen der Eigenbestimmung des Erblassers und der Fremdbestimmung durch einen Dritten“ zu suchen.336

2. Verantwortung des Erblassers Die Vorschrift des § 2065 BGB wird immer wieder mit einer „Verantwortung“ des Erblassers für seine Verfügung begründet.337 Er müsse für seine Entscheidung Rede und Antwort stehen.338 Teils ist von einer moralischen Verantwortung339, einer höchstpersönlichen Verantwortung340 oder einer Verantwortung vor dem Gewissen341 die Rede. Wer über das postmortale Schicksal eines Vermögens entscheide, müsse sich als Inhaber seiner Verantwortung bewusst werden.342 Der Erblasser müsse seine Verfügung persönlich durchdenken343 und sich selbst über den Inhalt der wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung schlüssig werden344. Er dürfe vor dieser Aufgabe nicht aus „Unentschlossenheit oder Verantwortungsscheu“ fliehen.345 Diese Verantwortung entspringe der besonderen Reichweite und Bedeutung einer letztwilligen Anordnung.346 Es gehe häufig um das gesamte Vermögen des Erblassers.347 Eine vergleichbare Verantwortung wird im Vertragsrecht nicht postuliert. Liegt hierin also der Unterschied zwischen beiden Rechtsgebieten?

a) Delegation als Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein Dagegen lassen sich aus zwei Richtungen Zweifel geltend machen. Zum einen ist zweifelhaft, ob die Anordnung eines Drittbestimmungsverbots ein geeignetes Mittel ist, jemanden zum verantwortungsbewussten Testieren anzuhalten. Wer sich unter Lebenden zu einer Übertragung seines gesamten Vermögens 336 

So aber Klunzinger, BB 1970, 1197, 1198. § 2064 Rn. 1; AK/Finger, § 2065 Rn. 1; Schlüter, Rn. 142; Brox/ Walker, Erbrecht, Rn. 96; Ebenroth, Rn. 182; H. Westermann, FS Möhring, S. 193; Stiegeler, S. 68 f.; Flad, ZAkDR 1938, 431. 338  H. Westermann, FS Möhring, S. 194 Fn. 13. 339  Breitschmid, FS Hausheer, S. 478; RGRK/Johannsen, Vor § 2064 Rn. 2 („sittliche Verantwortung“). 340  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 1; ErbKomm/Gemmer, § 2065 Rn. 1; Lenz-Brendel, in: jurisPK-BGB, § 2065 Rn. 2. 341  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 200. 342 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 2 sowie Rn. 3 gegen die Einräumung von „Macht ohne Verantwortung“; Gehse, RNotZ 2008, 339. 343  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 2064 Rn. 1. 344  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 200; BayObLG v. 16.7.1998 FamRZ 1999, 119; Jauernig/R. Stürner, § 2064 Rn. 1. 345  OLG Zweibrücken v. 4.7.1988 NJW‑RR 1989, 453, 454; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 96. 346 AK/Finger, § 2065 Rn. 1; Soergel/Loritz; § 2064 Rn. 2; RGRK/Johannsen, Vor § 2064 Rn. 2. 347 Soergel/Loritz; § 2065 Rn. 2. 337 Palandt/Weidlich,

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

357

oder auch nur eines Bruchteils davon verpflichtet, muss die Form der notariellen Beurkundung einhalten (§ 311b Abs. 3 BGB). Dadurch wird sichergestellt, dass sich der Erklärende der besonderen Bedeutung und Reichweite seiner Erklärung bewusst wird und nur ein abgeschlossener, beurkundungsfähiger Wille zum Ausdruck gelangt.348 Ein darüber hinausgehendes Verbot der Drittbestimmung mit Hilfe der §§ 317 ff. BGB besteht nicht.349 Diese Diskrepanz gewinnt noch an Schärfe in Anbetracht der Tatsache, dass Verträge über das Vermögen vielfach der vorweggenommenen Erbfolge dienen.350 Unerklärt bleibt, warum das Maß der Verantwortung im Erbrecht höher sein soll als im Schuldrecht.351 Die Einschaltung eines Dritten zur Ergänzung einer letztwilligen Verfügung kann zudem gerade Ausdruck verantwortungsbewussten Testierens sein,352 wie das einerseits schon wiederholt angeführte Beispiel des frühzeitigen Unternehmertestaments belegt und andererseits auch in folgender Überlegung deutlich wird: Für einen Erblasser, der sich seiner Sache nicht sicher ist oder aus bestimmten Gründen eine Entscheidung, z.B. über eine Erbeinsetzung oder eine Enterbung, nicht selbst treffen möchte, kann es einen Ausweg darstellen, einen Dritten einzuschalten, auf dessen Urteil er vertraut. Für den Bereich des feststellenden Schiedsgutachtens wird diese Motivation gerade als besonderer Vorzug betont.353 Dieser Ausweg schützt den Erblasser möglicherweise davor, eine zwar von ihm selbst stammende, aber unausgegorene Entscheidung zu treffen.354 Nichts würde ihn im Übrigen daran hindern, eine Person seines Vertrauens als Alleinerben einzusetzen und dieser eine gerechte Verteilung des Nachlasses zu überlassen.355

348 

Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Krüger, § 311b Rn. 99; Palandt/Grüneberg, § 311b Rn. 63. Vollmacht zum Abschluss eines Gesamtvermögensgeschäfts bedarf entgegen § 167 Abs. 2 BGB der notariellen Beurkundung, Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 24. Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 5 hielte eine drittbestimmte Vermögensübertragung unter Lebenden für sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB. 350  Zu diesem praktischen Anwendungsgebiet Münch­Komm-­BGB/Krüger, § 311b Rn. 99. 351  Goebel, S. 297 f.; R. Zimmermann, Quos, S. 8. 352  So auch F. Wagner, S. 46; Spiro, FS Druey, S. 260 f. („es sind nicht gerade die Schlechtesten, die ihre Schwächen und Grenzen kennen und zwar wissen, was sie möchten, aber Mittel und Wege dazu nicht kennen oder grosszügig nicht auf Einzelheiten Wert legen“); Muscheler, Erbrecht, Rn. 560; Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1400. 353 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 22. 354  Helms, ZEV 2007, 1, 4 f. 355  Helms, ZEV 2007, 1, 4; Spiro, FS Druey, S. 262; für die Möglichkeit einer entsprechenden Umdeutung siehe oben bei Fn. 283. Kritisch Frey, S. 106 f., da der Bestimmungsbefugte dann keinen Anreiz mehr habe, seine Entscheidung zu treffen. Da der Erblasser eine Person seines Vertrauens mit der Bestimmung betrauen wird, überzeugt dies Argument nicht. 349  Eine

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

b) Möglichkeiten „verantwortungslosen“ Testierens Zum anderen fragt es sich, wie es wirklich um diese besondere Verantwortung bestellt ist angesichts vielfältiger Möglichkeiten, das Schicksal des Nachlasses nicht vollumfänglich selbst regeln zu müssen.356 Denn ein informierter Erblasser kann durch die Anordnung eines Vermächtnisses doch noch auf den Entschluss eines Dritten verweisen (§ 2151 BGB).357 Ein Dritter kann bei der Verteilung des Nachlasses dafür maßgeblich sein, wem welcher Nachlassgegenstand im Ergebnis zufällt (§ 2048 S. 2 BGB). Und auch wer die wichtige und einflussreiche Position des für den Nachlass verantwortlichen Testamentsvollstreckers358 ausfüllen soll, muss der Erblasser nicht durchdenken (§ 2198 ­BGB).359 Die Verantwortung kann sich damit von vornherein nur auf einen Kern des Erblasserwillens beziehen.360 Doch selbst in diesem Kernbereich steht es dem Erblasser mit Billigung der Rechtsprechung frei, auf eine Weise zu testieren, die von verantwortungsbewusstem Handeln weit entfernt ist, und es sogar einem Losentscheid361 zu überlassen, wer sein Alleinerbe wird.362 Wenn es § 2065 BGB um „Selbstentscheidung des Erblassers statt Drittentscheidung“363 ginge, müsste dem Erblasser eine derartige Anordnung verwehrt sein. 364 Zwei Argumente werden 356 Vgl.

Goebel, S. 296 f. Muscheler, Erbrecht, Rn. 560. Die von Schlüter, Rn. 902 angebotene Erklärung, dass ein Vermächtnis im Gegensatz zur Erbeinsetzung auf Einzelzuwendungen beschränkt sei und der Gesetzgeber deshalb die persönliche Verantwortung des Erblassers gelockert habe, widerspricht nicht nur den Erwägungen des Gesetzgebers (siehe oben § 5 A.V.1. [S. 342 ff.]), sondern auch der von Schlüter befürworteten Möglichkeit eines Universalvermächtnisses. 358  Goebel, S. 296. Nach Windel, S. 237 Fn. 165 wären aufgrund dieser Stellung an die Auswahl des Testamentsvollstreckers ähnliche Maßstäbe wie bei der Erbeinsetzung anzulegen. 359  Kritisch zu § 2198 BGB deshalb Windel, S. 237 Fn. 165: Da die Testamentsvollstreckung die „stärkste Form des Fortlebens“ des Erlasserwillens darstelle, seien hier ähnlich strenge Maßstäbe wie bei der Erbeinsetzung anzulegen. 360  Schlüter, Rn. 142 erkennt darin eine „Abstufung nach der erbrechtlichen Bedeutung der letztwilligen Anordnungen“, denn die Erbenbestimmung habe die „stärksten Außenwirkungen“. 361  Für dessen Zulässigkeit: RG v. 18.3.1937 SeuffA 91 (1937), Nr. 106; AK/Finger, § 2065 Rn. 4; Frey, S. 82; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 18; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 41 (Vorerbschaft der gesetzlichen Erben nach § 2105 BGB bis zum Eintritt des Losentscheids); Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 190; a.A. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 23; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 11; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 15; v. Lübtow I, S. 144; Lange/Kuchinke, S. 547 (§ 27 I 6 d); jetzt auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 7. Allgemein zum Losentscheid im Rechtsstaat Depenheuer, JZ 1993, 171 ff., der ihm nur einen schmalen Anwendungsbereich bei tatsächlich gleichwertigen Entscheidungsalternativen zuweisen will. 362  Auf diesen Widerspruch weisen hin z.B. Großfeld, JZ 1968, 113, 115; R. Zimmermann, Quos, S. 33; Stiegeler, S. 54; Frey, S. 82 f. 363  H. Westermann, FS Möhring, S. 194. 364  Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1400 („Konstellation, bei der sich der Erblasser der Selbstentscheidung evident vollkommen entäußert“). 357 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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für die Zulässigkeit einer Erbenbestimmung per Losentscheid erörtert. Beide vermögen nicht zu überzeugen. Erstens wird geltend gemacht, der Erblasser habe in diesem Fall zwar nicht den Erben, aber wenigstens ein Verfahren zu seiner Bestimmung angeordnet.365 Ein Verfahren zur Bestimmung des Erben stellt freilich auch die Delegation der Erbenauswahl auf einen Dritten dar, die aber der Vertreter dieses Arguments366 für unzulässig hält. Der Unterschied muss also auf einer anderen Ebene liegen. Beide Verfahren unterscheiden sich darin, dass der Losentscheid objektiv zu einem Ergebnis führt, während die Auswahl durch einen Dritten kaum frei von dessen subjektiven Präferenzen sein kann. Beim Losentscheid geht die Verantwortung für die Erbfolge nicht auf einen Außenstehenden über. Es besteht, so ließe sich zweitens argumentieren, keine Missbrauchsgefahr durch ein Auseinanderfallen von Macht und Verantwortung.367 Diese Beobachtung trifft zu, doch würde sich unausgesprochen der Akzent des § 2065 BGB verschieben, wenn man sie für relevant hielte. Denn dann ginge es dieser Lesart des § 2065 BGB nicht mehr in erster Linie um die Verantwortung des Erblassers, der zu einer derartigen Testamentsgestaltung wohl am ehesten aus Unentschlossenheit und Verantwortungsscheu greifen wird.368 Bei dieser Interpretation ist der Grad der an den Tag zu legenden Verantwortung somit stark vermindert. Ein Dritter mag bei Entscheidungsschwierigkeiten des Erblassers sogar mit größerer Verantwortung an die Sache herangehen. Vielmehr geht es vorrangig um die Verantwortung als In­haber. Doch ist der Gehalt der Aussage, jemand müsse ein Geschäft selbst vornehmen, weil nur er es selbst vornehmen könne, gering. Darüber hinaus bleibt im Dunkeln, warum nur der Erblasser sich dieser besonderen Verantwortung kraft Inhaberschaft gewahr werden kann. Seine Ehefrau dürfte, gerade mit Blick auf die gemeinsamen Kinder, dieselbe Verantwortung empfinden für ein Vermögen, das sie zwar nicht rechtlich, aber doch wirtschaftlich und faktisch viele Jahre als Vermögen, das auch ihr gehört, betrachten konnte.369

c) Verantwortung wem gegenüber? Im Ergebnis bestehen gravierende Zweifel daran, wie ernst es dem Erbrecht des BGB mit der besonderen Verantwortung des Erblassers ist, die über das üblicherweise erwartbare und etwa im Schuldrecht anzulegende Maß hinausgeht. 365 

Schmoeckel, Erbrecht, § 19 Rn. 25. Schmoeckel, Erbrecht, § 19 Rn. 24. 367 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 7, der diesen Unterschied jetzt jedoch (anders als in der Vorauflage) nicht mehr für ausschlaggebend hält, sondern vielmehr die in beiden Fällen vorliegende Gleichgültigkeit des Erblassers betont. 368 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 7 („Gleichgültigkeit“); Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 11. 369  Aus diesem Grund will Dobroschke, DB 1967, 803 gerade eine „Versachlichung der Auswahl“ erreichen, indem ein Familienfremder bestimmungsberechtigt wird. 366 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Schwerer noch wiegt, dass häufig auf eine Verantwortung des Erblassers verwiesen wird, ohne näher anzugeben, wofür und wem gegenüber diese Verantwortung besteht.370 Ohne diese Qualifikation bleibt der Begründungsansatz aber inhaltsleer oder – in den Worten Großfelds – „einigermaßen unsubstantiiert“371. Wenn aber Richtung und Adressat der Verantwortung näher ausgefüllt werden, so heißt es stets, die Verantwortung des Erblassers bestehe gegenüber den gesetzlichen Erben bzw. dafür, dass er sein Vermögen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge verteile.372

3. Schutz der gesetzlichen Erbfolge und der Angehörigen des Erblassers Dieser zuletzt genannte Aspekt, die Verknüpfung der Verantwortung des Erblassers mit der gesetzlichen Erbfolge, verweist auf einen weiteren, eigenständigen Begründungsstrang für das Drittbestimmungsverbot: Die Ausübung der Testierfreiheit führe in erster Linie zu einer Zurücksetzung der gesetzlichen Erben; diese Entscheidung dürfe nur der Erblasser selbst treffen.373 Zum Teil wird nicht generell auf die gesetzlichen Erben als vielmehr auf die nächsten Angehörigen abgestellt374 und ergänzt, das Erbrecht des BGB beruhe auf der Idee des Familienerbrechts375. Den Regeln der gesetzlichen Erbfolge komme nicht bloß eine „Lückenbüßerfunktion“, sondern „die Rolle eines Wertmaßstabs“ zu.376

370 

Das kritisiert auch Goebel, S. 298. Großfeld, JZ 1968, 113, 115. Vgl. auch Helms, ZEV 2007, 1, 4: eigenverantwortliche Entscheidung könne „kein Selbstzweck“ sein, sondern müsse dem Schutz rechtlich anerkannter Interessen dienen. 372  BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 200 (Erblasser müsse allein vor seinem Gewissen die Verantwortung dafür übernehmen, „wenn er die Erbfolge anders regelt, als das Gesetz es vorgesehen hat“); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2064 Rn. 1; RGRK/Johannsen, Vor § 2064 Rn. 2; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 1; Schlüter, Rn. 142; H. Westermann, FS Möhring, S. 193 f.; Stiegeler, S. 68 f. Diffus hingegen Flad, ZAkDR 1938, 431, der vom Erblasser die volle Verantwortung gegenüber den davon Betroffenen verlangt. Doch wird nicht näher ausgeführt, wer Betroffener sein soll: Die gesetzlichen Erben? Alle Pflichtteilsberechtigten? Auch Familienfremde? 373  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 1; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 2; Großfeld, JZ 1968, 113, 118; v. Lübtow I, S. 139; Christoph Keim, S. 35 ff.; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 1; Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 1; RGRK/Johannsen, Vor § 2064 Rn. 2; Lenz-Brendel, in: ­jurisPK-BGB, § 2065 Rn. 2; Gehse, RNotZ 2008, 339 f.; generell ablehnend (außer den in den folgenden Fußnoten Genannten) Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3); Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 1; Stiegeler, S. 68 f.; Linker, S. 11. 374  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2064 Rn. 1; Kipp/Coing, S. 122 (§ 18 III 3); Großfeld, JZ 1968, 113, 118; Stiegeler, S. 68 f. – Sens, S. 70 ff. erblickt hinter § 2065 Abs. 2 BGB einen „stark ausgeprägte[n] Familienschutzgedanke[n]“ (S. 78), hält diesen aber angesichts der Systeme sozialer Sicherung zur Versorgung Angehöriger für nicht mehr zeitgemäß. 375  Siehe vor allem Großfeld, JZ 1968, 113, 118. 376  Leipold, AcP 180 (1980), 160, 195. 371 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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Nur der Erblasser selbst könne eine sachgemäßere Entscheidung über seinen Nachlass treffen als die Regeln der gesetzlichen Erbfolge.377 Das Zusammenspiel von Testierfreiheit und gesetzlicher Erbfolge war bereits für die Zweite Kommission maßgeblicher Erwägungsgrund: Das Erbrecht beruhe auf der Familie und müsse dieser möglichst erhalten bleiben; die Testierfreiheit bestehe nur, um „den individuellen Verhältnissen des Einzelfalles Rechnung tragen zu können“.378 Wenn der Erblasser nicht abschließend über seinen letzten Willen Klarheit gewonnen habe und deshalb den Willen eines anderen entscheiden lassen wolle, sei den Dingen ihr natürlicher Lauf zu lassen, was eventuell zur gesetzlichen Erbfolge führe.379 Angedeutet wird dieser Gedanke auch in der Rechtsprechung, wenn es heißt, die gesetzliche solle nur hinter einer vom Erblasser selbst bestimmten Erbfolge zurücktreten.380 Ein Zusammenhang zwischen der Höchstpersönlichkeit der Erbenbestimmung (und damit zugleich Enterbung) und einer familiären Bedeutung der Testierfreiheit wird besonders von Großfeld hervorgehoben:381 Die letztwillige Verfügung stelle einen „tiefen Eingriff in die engsten familiären Beziehungen“ dar.382 Jeder gesetzliche Erbe habe eine „Chance“ auf sein gesetzliches Erbteil, die ihm durch die Delegation genommen werde. In diesen Kernbereich familiärer Beziehungen solle kein Außenstehender hineinwirken können; nur der Familienvater selbst besitze die nötige Autorität, um Maßnahmen zu treffen, die einzelne Familienmitglieder schwer belasten können. Es wird ergänzt, ein Außenstehender habe nicht den nötigen Einblick in Art und Intensität familiärer Bindungen und gehe nicht bewusst mit dem Nachlass um, weil er das Vermögen nicht selbst erworben habe.383

a) Keine schutzwürdigen Erwerbsaussichten Diese Begründung des Drittbestimmungsverbots ist nicht überzeugend. Eine Kritik kann auf zwei Ebenen ansetzen: Zum einen ist auf grundsätzlicher Ebene problematisch, inwieweit die Familienangehörigen des Erblassers in ihrer Hoffnung, nach der gesetzlichen Erbfolge berufen zu werden, schutzwürdig sind. Denn durch Ausübung seiner – verfassungsrechtlich abgesicherten384 – Testier377  Großfeld, JZ 1968, 113, 118; Linker, S. 11 (Erblasser hat den besten Einblick in die familiären Verhältnisse); Christoph Keim, S. 38; Sens, S. 88 f.; Stiegeler, S. 68 f. 378  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 522. Mit dieser Passage in den Protokollen belegt Kroppenberg, Privatautonomie, S. 15 die Abhängigkeit der beiden Institute Testierfreiheit und Familienerbfolge voneinander. 379  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 522. 380  RG v. 4.3.1912 RGZ 79, 32, 33; RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296, 299. BGH v. 18.11.1954 BGHZ 15, 199, 200 betont mehr die Verantwortung des Erblassers als den Schutz der Familie. 381  Großfeld, JZ 1968, 113, 118 und 121; ähnlich Sens, S. 85 ff.; Linker, S. 11. 382  Ähnlich RGRK/Johannsen, Vor § 2064 Rn. 2. 383  Sens, S. 88 f. 384  BVerfG v. 25.3.2009 ZEV 2009, 390; BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 348 f.; BVerfG v. 19.1.1999 BVerfGE 99, 341, 350.

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freiheit als Möglichkeit, Familienangehörige durch Verfügung von Todes wegen zu bedenken oder zu enterben, kann der Erblasser die Erwerbsaussicht einseitig frustrieren. Gesetzliche Erben haben keine rechtlich geschützte Aussicht und erst recht kein Anwartschaftsrecht darauf, tatsächlich zu erben.385 Im Gegenteil beschränkt sich der grundrechtliche Schutz des Erben bei testamentarischer Erbfolge auf den vom Erblasser gewährten Umfang.386 Nun ist zwar auch das Recht der Familienerbfolge im BGB verankert und ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattet.387 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wie eine Enterbung als Eingriff in eine dem gesetzlichen Erben „eigentlich“ zustehende Rechtsposition388 begriffen werden kann. Die Bedeutung des Familienerbrechts betonte auch das BVerfG in seiner Pflichtteils-Entscheidung: Von Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG werde eine grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers am Nachlass gewährleistet.389 Die Testierfreiheit unterliege von Verfassungs wegen grundsätzlich den „durch die Abstammung begründeten familienrechtlichen Bindungen“.390 Doch wies das BVerfG zugleich darauf hin, wie der Widerstreit von Testierfreiheit auf der einen und Familienerbrecht auf der anderen Seite aufzulösen ist. Das Pflichtteilsrecht bringe beide Prinzipien zum Ausgleich.391 Es sei Ausdruck der Solidarität zwischen den Generationen und genieße ebenfalls Verfassungsrang.392 Damit stärkte das BVerfG die Absicherung einer Partizipation der engsten Angehörigen am Nachlass. Hier ist der Testierfreiheit des Erblassers eine Grenze gezogen.393 Mag die Enterbung auch im Übrigen „kein wertfreier, gleichsam neutraler Vorgang“394 sein, so kann dies doch grundsätz385  BVerfG v. 16.10.1984 BVerfGE 67, 329, 341; BVerfG v. 14.12.1994 BVerfGE 91, 346, 360; BVerfG v. 19.1.1999 BVerfGE 99, 341, 349 (begünstigter Erbe kann sich „jedenfalls vom Zeitpunkt des Erbfalls an“ auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen); Erman/Schlüter, Einl § 1922 Rn. 11; Jauernig/R. Stürner, Vor § 1922 Rn.2; R. Zimmermann, Quos, S. 33 f.; Dörner, 2. FS Ferid, S. 68; Hüftle, S. 119 ff. 386  BVerfG v. 25.3.2009 ZEV 2009, 390, 391 (Dauer der Testamentsvollstreckung). 387  So die ganz h.M.: BVerfG v. 30.8.2000 NJW 2001, 141; BVerfG v. 22.6.1995 BVerfGE 93, 165, 173; offengelassen in BVerfG v. 14.12.1994 BVerfGE 91, 346, 359; Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 78 ff.; Münch­Komm-­BGB/Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 35; Muscheler, Erbrecht, Rn. 232; Th. Rauscher, S. 75 ff; Otte, AcP 202 (2002), 317, 318 ff.; sehr kritisch Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 82. 388  So insbesondere Leipold, AcP 180 (1980), 160, 195. 389  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 348. 390  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 353. Otte, ErbR 2009, 2 bezeichnet die Testierfreiheit und „eine gewisse Familiengebundenheit des Vermögens“ als „Grundpfeiler“ des deutschen Erbrechts; siehe bereits ders., AcP 202 (2002), 317, 318 ff. 391  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 354 ff. 392  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 352 ff. 393  Zustimmend z.B. Otte, JZ 2005, 1007 ff.; J. Mayer, FamRZ 2005, 1441 ff.; Schöpflin, FamRZ 2005, 2025 ff.; Gaier, ZEV 2006, 2, 5 ff.; Leipold, Rn. 72 ff.; ablehnend Muscheler, Erbrecht, Rn. 235; Kroppenberg, JZ 2011, 97, 98. 394  Leipold, AcP 180 (1980), 160, 195.

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lich nur auf der zwischenmenschlichen Beziehungsebene und nicht in rechtlicher Hinsicht relevant sein. Das Familienerbrecht muss insoweit der Testierfreiheit weichen.395 Ein „Eingriff“ in eine rechtlich geschützte Position muss demnach ausscheiden.396 Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Nicht jeder, der zum Kreis der gesetzlichen Erben zählen kann, ist auch pflichtteilsberechtigt. Indem auch gegenüber diesen Angehörigen – Geschwistern, Großeltern, Neffen und Nichten, etc. – das Drittbestimmungsverbot Schutzwirkung entfalten soll, wird die Wertung des Gesetzgebers, wer als Pflichtteilsberechtigter zum engeren Kreis der Familie gehört und damit besonderen Schutz vor Enterbung genießen soll, unterlaufen. So scheint es, als würde in der Herleitung des Drittbestimmungsverbots aus dem Familienerbrecht „gesetzliche Erbfolge“ mit der Erbberechtigung engster, nämlich pflichtteilsberechtigter Angehöriger gleichgesetzt.397 Dabei kann gerade bei Fehlen pflichtteilsberechtigter Angehöriger das Bedürfnis danach, einen Dritten, der den potentiellen Zuwendungsempfängern möglicherweise nähersteht und über ein höheres Maß an Sachkunde verfügt, in die Entscheidung einzubinden, besonders groß sein. In der Leitentscheidung des Reichsgerichts398 ging es beispielsweise gerade um die Wahl zwischen drei Nichten.

395 AK/Finger, § 2064 Rn. 1; Frey, S. 83; Spiro, FS Druey, S. 261; Muscheler, Erbrecht, Rn. 413 ff.; Leipold, Rn. 234; zurückhaltender noch ders., AcP 180 (1980), 160, 194 f. (es entspreche nicht der Rechtsüberzeugung der Bevölkerung, dass die Testierfreiheit außerhalb des Pflichtteilsrechts im freien Belieben des Erblassers stünde) sowie 197 (da das Pflichtteilsrecht als alleinige Schranke der Testierfreiheit nicht ausreiche, sei für Extremfälle eine flexible richterliche Kontrolle vorzuschlagen). – Helms, ZEV 2007, 1, 4 bezweifelt, dass diese Grenze stets haarscharf entlang des Pflichtteilsrechts verläuft und verweist zur Begründung auf Fälle, in denen familiäre Bindungen im Rahmen der Entscheidung über die Sittenwidrigkeit einer letztwilligen Verfügung zum Tragen kamen – bei Geliebtentestamenten und Enterbungen, durch die Familienangehörige in existentielle Not gestürzt werden. Doch räumt Helms selbst ein, dass es sich um „absolute Ausnahmefälle“ handelt und die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Geliebtentestamenten auch nicht mehr zeitgemäß ist. Sedes materiae für den Ausgleich der widerstreitenden Interessen bleibt das Pflichtteilsrecht. Für Korrekturen in Randbereichen sind einzelfallbezogene Mechanismen wie § 138 Abs. 1 BGB zu wählen (siehe jüngst Otte, ErbR 2009, 2, 4 ff. zur Sittenwidrigkeit wegen „Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme“). Eine pauschale Ergänzung durch ein Drittbestimmungsverbot stellt keine passende Reaktion dar. Wird hingegen der Schutz durch das Pflichtteilsrecht insgesamt als unzureichend empfunden, so ist dort anzusetzen und nicht eine Verstärkung des Schutzes auf anderem Wege zu suchen. 396  So auch H. Westermann, FS Möhring, S. 194 Fn. 14; R. Zimmermann, Quos, S. 27 Fn. 89; Goebel, S. 298 ff. – Vgl. auch im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 205: „Der Erblasser, welcher pflichtwidrig über seinen Gesammtnachlaß verfügt, greift nicht in eine fremde Rechtssphäre ein.“ 397  Großfeld, JZ 1968, 113, 121 definiert ausdrücklich den Kreis der Familienangehörigen über die Pflichtteilsberechtigung. 398  RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 296.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

b) Delegationsverbot als ungeeignetes Schutzinstrument Zum anderen ist ein Drittbestimmungsverbot auch auf tatsächlicher Ebene kaum in der Lage, die Erwerbserwartungen der gesetzlichen Erben zu schützen. Das Argument geht von der unausgesprochenen Prämisse aus, dass die gesetzlichen Erben zum Zuge kommen, wenn die Delegation unwirksam ist. Das muss freilich nicht so sein, wie zu Recht betont wird: Existiere eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers, so könne darüber die gesetzliche Erbfolge ausgeschaltet sein.399 Doch selbst wenn keine frühere Verfügung vorliegt, verfängt das Argument nicht. So ist nicht ersichtlich, weshalb ein unentschlossener Erblasser stets davon Abstand nehmen sollte, überhaupt zu testieren. Vielleicht trifft er, so wird eingewendet, in diesem Fall eine undurchdachte Entscheidung, bei der die gesetzlichen Erben keineswegs besser wegkommen müssen als bei dem Votum eines Dritten.400 Die Möglichkeit, einen Dritten mit der Entscheidung zu betrauen, kann für den Erblasser sogar einen Ausweg darstellen, wenn er selbst Vorbehalte gegen seine gesetzlichen Erben hegt. Bevor er diese mit exzentrischen Erbeinsetzungen (Tierheim etc.) enterbt, kann er einen nicht voreingenommenen Dritten bitten, die Erbfolge zu regeln.401 Ebenso wenig steht fest, dass die Angehörigen sich eher mit einer Enterbung durch den Erblasser abfinden werden als mit einer Zurücksetzung durch einen Dritten.402 Im Gegenteil mag ein neutraler Dritter eine Distanz mitbringen, die seine Entscheidung eher hinnehmbar erscheinen lässt als die des Erblassers, zu dem eine vielschichtige emotionale Beziehung besteht.403 Darüber hinaus bedeutet eine Delegation des Erblasserwillens nicht, dass nun unbedingt Familienfremde bevorzugt würden.404 Der Erblasser kann von vornherein den Kreis der als Erbe in Betracht kommenden Personen auf Familienangehörige beschränken.405 Wenn der Erblasser nur deshalb den Mechanis399 

F. Wagner, S. 36; für unbeachtlich hält dies Stiegeler, S. 69, weil das wirksame frühere Testament dann nur den generellen Geltungsvorrang der gewillkürten Erbfolge zum Ausdruck bringe. 400  Helms, ZEV 2007, 1, 5; R. Zimmermann, Quos, S. 26. Der Einwand von Frey, S. 79, der Erblasser müsse ja nicht testieren, sondern könne es bei der gesetzlichen Erbfolge belassen, verfängt nicht, da es durchaus denkbar ist, dass der Erblasser es jedenfalls nicht bei der gesetzlichen Erbfolge belassen will, aber nicht definitiv entscheiden kann, was er an ihre Stelle setzt. 401 Ähnlich Goebel, S. 300. 402  So aber F. Wagner, S. 47: Die Entscheidung eines Dritten würde die Beziehungen unter Lebenden trüben, während eine unbefriedigende Entscheidung des Erblassers selbst nur das Verhältnis seiner Angehörigen zu ihm beeinträchtigen würde. Die Delegation provoziere somit Konfliktsituationen. Ein Verbot der Delegation habe mithin eine friedensstiftende Funktion. Ähnlich bereits Vogels, DR 1939, 310 (Einräumung eines Bestimmungsrechts führe leicht zu Streitigkeiten). 403  Helms, ZEV 2007, 1, 5. Zweifelnd, ob die Akzeptanz der Entscheidung des Erblassers überhaupt ein Anliegen des Erbrechts darstellt, Halding-Hoppenheit, S. 128. 404  Darauf weist hin R. Zimmermann, Quos, S. 26 f. 405  R. Zimmermann, Quos, S. 26.

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mus der Entscheidungsdelegation wählt, weil seine Kinder noch zu jung sind, wird dies besonders augenscheinlich. Auch der gesetzliche Sonderfall des § 14 Abs. 3 HöfeO belegt, dass eine Delegation es nicht zwingend mit sich bringt, dass alle Familienangehörigen zurückgesetzt und ein Familienfremder bedacht wird. In diesen Fällen kann die Delegation dem Erhalt des Familienvermögens auf Kosten einer Gleichberechtigung aller Familienmitglieder sogar eher nützlich sein.406 Umgekehrt müsste es der Ansicht, die das Drittbestimmungsverbot mit dem Familienerbrecht begründen möchte, genügen, wenn der Erblasser den Dritten nur unter Familienfremden wählen lässt: Denn dann hat der Erblasser selbst die Enterbung aller gesetzlichen Erben angeordnet.407 Ganz in diesem Sinne will Großfeld es genügen lassen, dass der Erblasser die grundsätzliche Weichenstellung vorgibt, ob das Vermögen der Familie erhalten bleiben oder aus ihr herausfallen solle, und in diesen Grenzen eine Drittbestimmung zulassen.408 Freilich lässt sich nicht begründen, weshalb es einen geringeren Eingriff in die Familienbeziehungen darstellen soll, wenn der Dritte sich nicht frei zwischen Familienangehörigen und Familienfremden entscheiden kann, sondern nur unter Familienangehörigen wählen darf.409 In die Irre führt es bereits, vom „außenstehenden Dritten“410 zu sprechen, vor dem die Familienangehörigen des Erblassers zu schützen seien und der die familieninternen Strukturen, Belange und Interessen nie so sicher einschätzen könne wie der Erblasser als Familienvater. Der Erblasser wird doch gerade einen sachkundigen Kenner der Verhältnisse als Dritten einschalten. Diesen Kenner findet er in der Regel nicht außerhalb, sondern innerhalb der Familie: Viele der oben diskutierten Fälle einer Ermächtigung des Vorerben beruhten auf Anordnungen in gemeinschaftlichen Testamenten. Der Ehegatte mag dann zwar Dritter im Rechtssinne sein, außenstehend ist er mit Sicherheit nicht.411 Sein Einblick in die Familienverhältnisse dürfte dem des Erblassers nicht nachstehen. Dass das Gesetz in diesen Fällen keine Ausnahme vom Drittbestimmungsverbot macht,412 ist ein starkes Indiz dafür, dass dieses Verbot keine Interessen gesetzlicher Erben schützen will.413 Zuletzt ist in systematischer Hinsicht nicht einzusehen, dass die gesetzlichen Erben vor einer Drittbestimmung des Erben geschützt sein sollen, nicht aber vor einer Drittbestimmung im Rahmen – möglicherweise umfangreicher – Ver406 

Dies gesteht auch Großfeld, JZ 1968, 113, 121 zu. R. Zimmermann, Quos, S. 26. 408  Großfeld, JZ 1968, 113, 121. 409  R. Zimmermann, Quos, S. 26 f.; Halding-Hoppenheit, S. 124. 410  Siehe etwa Großfeld, JZ 1968, 113, 118; Sens, S. 88 f. 411  Das betont auch F. Wagner, S. 45 f.; Großfeld, JZ 1968, 113, 121 will denn auch bei der Delegation an Pflichtteilsberechtigte großzügiger verfahren. 412  Siehe aber § 14 Abs. 3 HöfeO. 413  Vgl. auch Goebel, S. 302. 407 Vgl.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

mächtnisanordnungen (§ 2151 BGB) oder im Rahmen der endgültigen Verteilung des Nachlasses in der Erbengemeinschaft (§ 2048 S. 2 BGB).414

4. Vermögenskonzentration und Verewigung des Erblasserwillens Eine besondere Spielart der Rechtfertigung des Drittbestimmungsverbots mit dem Schutz der Familie erkennt Großfeld in der historischen Entwicklung von Testierfreiheit und Drittbestimmungsverbot.415 Typischerweise sei die Testierfreiheit früher vor allem dazu genutzt worden, um eine Zersplitterung von Familienvermögen zu vermeiden.416 Sie zeige eine „Tendenz zur Vermögenskonzen­ tration“.417 Diese Tendenz werde verstärkt durch die Möglichkeit, einen Dritten einzuschalten.418 Damit ist wohl einerseits gemeint, dass jede Stärkung und jede Ausweitung der Testierfreiheit allgemein auch eine Stärkung dieser Tendenz mit sich bringen muss. Andererseits erkennt Großfeld Belege für seine These in Beispielen, wie die Delegation der Erbenbestimmung über die Jahrhunderte zum Einsatz gekommen worden sei.419 Eine Vermögenskonzentration und die damit verbundene Verewigung des Erblasserwillens seien nun aber aufgrund von „wirtschafts‑ und sozialpolitische[n] Vorstellungen“ unerwünscht.420 Nur der Erblasser selbst, nicht auch ein Dritter, solle die Aufsplitterung seines Vermögens verhindern dürfen.421 Freilich relativiert Großfeld sein Argument selbst und dokumentiert implizit dessen geringe Überzeugungskraft.422 Zum einen hält er den Gedanken, dass das Erbrecht eine geradezu „mechanische Aufsplitterung“ des Vermögens bezwecke, für heute weniger überzeugend als in früheren Jahrhunderten. Insbesondere Unternehmen hätten häufig als Kapitalgesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit und seien somit „unsterblich“. Zum anderen schließt er sich dem Ansatz des Reichsgerichts an, § 2065 Abs. 2 BGB 414  H. Westermann, FS Möhring, S. 194; Helms, ZEV 2007, 1, 5; Goebel, S. 301; F. Wagner, S. 35 f.; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 1; Frey, S. 80 f.; Halding-Hoppenheit, S. 117. Zu diesen zulässigen Drittbestimmungen siehe oben § 5 A.III. (S. 324 ff.). 415  Zum Folgenden Großfeld, JZ 1968, 113, 118 ff.; zustimmend Christoph Keim, S. 42 ff. 416  Großfeld stützt sich bei dieser These maßgeblich auf die Arbeiten von Wieacker, FS Siber I, S. 1 ff., der das römische Testamentserbrecht in diesem Sinne interpretiert, sowie auf Staudinger/Boehmer, 11. Auflage, Einl § 14 Rn. 10. 417  Großfeld, JZ 1968, 113, 119. 418  Großfeld, JZ 1968, 113, 119. 419  Besonders deutlich werde diese Funktion im vorrevolutionären französischen Recht, in dem das Erbrecht vor allem versuchte, ein Vermögen in einer Familie zu halten und innerhalb dieser Familie auf eine Person als deren Vertreter zu übertragen. Nach der Revolution sei daher die Übertragung einer Auswahlbefugnis eingeschränkt worden. Siehe Großfeld, JZ 1968, 113, 119 mit Nachw. im Einzelnen; Legier, JCP N 1978,I,87, 88. 420  Großfeld, JZ 1968, 113, 118 f. 421  Großfeld, JZ 1968, 113, 119. 422  Großfeld, JZ 1968, 113, 121 f.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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einschränkend zu interpretieren. Einer begrenzten Auswahlbefugnis stünden die sozialpolitischen Erwägungen jedoch nicht entgegen.

a) Drittbestimmungsverbot dient nicht der Verhinderung von Vermögenskonzentration Diese Erwägungen berühren zwei getrennte Fragenkomplexe.423 Zum einen ist die Frage angesprochen, ob § 2065 Abs. 2 BGB dazu beitragen kann und möchte, eine Vermögenskonzentration zu verhindern. Zum anderen scheint dahinter, von Großfeld nur angedeutet und mit dem Problem der Vermögenskonzentration nur mittelbar verbunden, der größere Komplex der Verewigung des Erblasserwillens auf und damit verbunden die Frage, ob § 2065 Abs. 2 BGB einer derartigen Perpetuierung von Erblasservorstellungen entgegenwirken soll. Beide Fragen sind zu verneinen; ein sozialpolitisches oder gesellschaftspolitisches424 Anliegen wohnt dem Drittbestimmungsverbot nicht inne. Mag man bereits an der Prämisse zweifeln, ob die Aufsplitterung von Vermögen überhaupt ein Anliegen des Erbrechts ist oder sein sollte,425 und Großfelds These aus diesem Grund verwerfen, so ist jedenfalls nicht erkennbar, warum nun bei einer eingeschränkten Auswahlbefugnis Konzentrationswirkungen weniger gravierend und damit hinnehmbar sein sollen. Es wird sich vermutlich auch kein Grund dafür finden lassen, da es für die Konzentration des Vermögens in der Hand des ausgewählten Alleinerben keinen Unterschied macht, wie groß der Kreis der möglichen Zuwendungsempfänger gezogen wird.426 Tatsächlich lässt sich ein innerer Zusammenhang zwischen dem Drittbestimmungsverbot und einem Streben nach Vermeidung unerwünschter Vemögenskonzentration nicht herstellen.427 Selbst wenn ein – kaum gesicherter – empirischer Befund darauf hindeuten sollte, dass ein Bestimmungsrecht eher dazu genutzt würde, einen Alleinerben auszuwählen, ist dem Drittbestimmungsverbot die423 

So auch F. Wagner, S. 37. F. Wagner, S. 36. 425 Verneinend Muscheler, Erbrecht, Rn. 563; Sens, S. 85 f.; Schlüter, 12. Auflage, S. 95 f. (in späteren Auflagen fehlt diese Passage). Der Gesetzgeber habe das Problem der Vermögenskonzentration durchaus gesehen, ein klares Bekenntnis dagegen lasse sich in der Entstehungsgeschichte des Erbrechts im BGB jedoch nicht nachweisen. Zurückhaltender Coing, Gutachten 49. DJT, S. A 18, A 20; Kipp/Coing, S. 3 f. (§ 1 I 3). Leipold, AcP 180 (1980), 160, 204 f. arbeitet zu Recht einen Zielkonflikt zwischen der Erhaltung wirtschaftlicher Einheiten und der Auflösung von Vermögens‑ und Machtkonzentrationen heraus. Dem Erbrecht weist er als bloßem Annex zum Eigentumsrecht die Funktion zu, „die Weitergabe sinnvoller wirtschaftlicher Einheiten zwar nicht zu erzwingen, aber doch immerhin zu ermöglichen“ und damit eher einen „Antizersplitterungseffekt“ auszuüben. – Bejahend allerdings Papantoniou, AcP 173 (1973), 385, 387 f.; Christoph Keim, S. 48 ff. 426  R. Zimmermann, Quos, S. 25 f. 427  So auch F. Wagner, S. 38; Goebel, S. 305; Sünner, S. 73 Fn. 3; allgemein Lange/Kuchinke, S. 547 (§ 27 I 3) (Drittbestimmungsverbot lässt sich nicht mit sozialen Interessen rechtfertigen). 424 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

ser Zweck gleichwohl nicht immanent. Es würde einerseits über das Ziel hinausschießen, indem es auch Gestaltungen verhindert, mit denen ein Dritter in die Lage versetzt wird, ein Vermögen unter mehreren Personen zu verteilen.428 Andererseits wäre es auch untauglich, da ein Erblasser, der sein Vermögen in einer Hand belassen möchte, dann eben selbst einen Alleinnachfolger, möglicherweise sogar noch einen Nacherben auswählen429 oder ein nachlassaufzehrendes drittbestimmtes Vermächtnis aussetzen könnte430.

b) Drittbestimmungsverbot hindert keine Perpetuierung des Erblasserwillens Ebensowenig lässt sich erkennen, warum das Drittbestimmungsverbot einer Verewigung des Erblasserwillens entgegenwirkt. Eine derartige Funktion wird aber von einem Versuch der Deutung von Großfelds Thesen dem Drittbestimmungsverbot angesonnen: In § 2065 BGB komme wie auch an anderen Stellen des Gesetzes die Wertung zum Ausdruck, dass die Privatautonomie dort zu begrenzen sei, wo die Bildung unveräußerlichen Vermögens Allgemeininteres­ sen beeinträchtigen würde.431 Diese Wertung zeige sich in den zeitlichen Grenzen, die für den Anfall einer Nacherbschaft, für den Anfall bedingter und befristeter Vermächtnisse, für die Dauer der Testamentsvollstreckung oder für Teilungsverbote in einer Erbengemeinschaft bestehen; vor allem sei diese Wertung aber § 137 BGB zu entnehmen.432 Indem aber dem Erblasser ermöglicht würde, die Bestimmung eines Nacherben einem Dritten zu überlassen, werde es ihm leichter gemacht, sich zur Anordnung einer Vor‑ und Nacherbschaft zu entschließen. Ohne die Delegationsmöglichkeit hätte er weniger Anreize, eine Vor‑ und Nacherbschaft anzuordnen, da dieser Entschluss dann nach seinem Tode nicht mehr modifizierbar sei.433 Ob und inwieweit überhaupt die Prämisse dieser Argumentation zutrifft, muss hier nicht untersucht werden. Selbst wenn ihre Richtigkeit unterstellt würde, könnten die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht überzeugen. Nicht plausibel erscheint zunächst, dass ein Erblasser, dem nicht die Möglichkeit einer Delegation zur Verfügung steht, weniger Anreize habe, eine Vor‑ und Nacherbschaft anzuordnen. In der Regel dürfte es vielmehr so sein, dass der Erblasser zunächst ein Bedürfnis für eine möglichst weitgehende Perpetuierung seines Willens erkennt und dann in einem zweiten Schritt nach Gestaltungsmöglichkeiten dafür sucht. Einige dieser Möglichkeiten wurden zuvor bei der Diskussion der verschiedenen Varianten, 428 

F. Wagner, S. 38. R. Zimmermann, Quos, S. 25 Fn. 89; Sünner, S. 73 Fn. 3. 430  Muscheler, Erbrecht, Rn. 563. 431  F. Wagner, S. 39 f. 432  F. Wagner, S. 39. 433  F. Wagner, S. 40. 429 Ebenso

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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einen Vorerben zu Modifizierungen der Nachlassplanung zu ermächtigen,434 aufgezeigt. Ebenso bieten ihm eine Verselbständigung seines Vermögens in einer Kapitalgesellschaft oder einer Stiftung435 wie auch die Testamentsvollstreckung leistungsfähige Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem aber bleibt ihm die Möglichkeit, ein drittbestimmtes Vermächtnis anzuordnen, so dass dieser Begründungsansatz auch nicht die Diskrepanz zwischen § 2065 Abs. 2 BGB und §§ 2151, 2156 BGB erklären kann.436 Dass der Erblasser von seinem Wunsch nach einer Verewigung seines Willens insgesamt Abstand nimmt, nur weil er sich bei der Bestimmung des Nacherben nicht eines außenstehenden Dritten bedienen kann, ist demnach nicht anzunehmen. Im Ergebnis lässt sich das Verbot, seinen Erben durch einen Dritten bestimmen zu lassen, weder mit der Vermeidung von Vermögenskonzentrationen noch mit der Begrenzung einer Verewigung des Erblasserwillens rechtfertigen. Wer diese beiden Ziele erreichen möchte, muss vielmehr die Axt an die Wurzel der Testierfreiheit legen und nicht einzelne ihrer Facetten beschneiden. Dieser Schritt, eine Abschaffung der Testierfreiheit,437 wäre aber mit Sicherheit „sozial­politisch unerwünscht“.

5. Missbrauch der Bestimmungsbefugnis Den BGB-Gesetzgeber bewegte noch ein weiteres Motiv dazu, die Delegation der Erbenbestimmung auszuschließen. Ohne Drittbestimmungsverbot, so die Überlegung in der Ersten Kommission, stehe es dem Dritten frei, sich selbst als Empfänger der Zuwendung zu benennen; dies könne jedoch kaum dem Willen des Erblassers entsprechen.438 Das Argument lässt sich verallgemeinern: Es wird befürchtet, der Dritte könnte „nicht selten“ nicht im Sinne des Erblassers, sondern vielmehr nach eigennützigen Motiven entscheiden und so seine Bestimmungsbefugnis missbrauchen.439 Das Drittbestimmungsverbot diene auf diese Weise auch dem Schutz des Erblassers, der erbschleicherischem Druck, eine bestimmte Person zu begünstigen, eher widerstehen könne als dem Drängen, die Entscheidungsbefugnis abzugeben.440 434 

Siehe oben § 5 A.II.5. (S. 316 ff.). Muscheler, Erbrecht, Rn. 563. 436  So auch Goebel, S. 305. 437  Sie war nach Großfeld, JZ 1968, 113, 119 gerade die Gegenreaktion der Revolution auf die großzügige Handhabung der Auswahlbefugnis (faculté d’élire) im ancien droit. 438  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 18; v. Schmitt I, S. 239. Siehe das eindrückliche Beispiel BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357 zur Benennung eines vom Benennungsberechtigten gegründeten Vereins als Begünstigtem einer Auflage; OLG Düsseldorf v. 4.12.1923 JW 1925, 2147. 439  Z.B. Soergel/Loritz; § 2064 Rn. 2; R. Frank/Helms, § 4 Rn. 7; v. Lübtow I, S. 136; Ebenroth, Rn. 182; F. Wagner, S. 47; Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 190; vgl. auch NK-BGB/ Beck, § 2064 Rn. 1 („Schutz vor unlauteren Machenschaften“). 440  Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3); zustimmend Frey, S. 79 f. 435 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

a) Erblasser kann mit der Missbrauchsgefahr umgehen Die Absicherung der Testierfreiheit gegen Machteinflüsse auf den Erblasser stellt ein wichtiges Anliegen dar.441 Eines Drittbestimmungsverbots bedarf es aus diesem Grunde jedoch nicht:442 Bei der Errichtung des Testaments kann sich der Erblasser uneingeschränkt dem Rat eines anderen unterstellen.443 Warum er dabei weniger in Gefahr ist, einem Rat gegen seine Interessen nachzugeben, als bei dem Drängen, die Bestimmungsbefugnis einem Dritten zu überlassen, lässt sich nicht belegen. Wenn der Wille des Erblassers gerade darauf gerichtet sei, dass der Dritte nach seinen Vorstellungen entscheide, entspreche die Entscheidung auch den Vorstellungen des Erblassers.444 Würde der Erblasser eine Selbstbenennung als Missbrauch der Bestimmungsbefugnis ansehen, könnte er sie in seiner Verfügung ausschließen.445 Wäre die Missbrauchsgefahr beachtlich, so bestünde sie gleichermaßen im Rahmen des § 2151 BGB.446 Dort wird aber ganz einhellig hingenommen, dass der Bestimmungsberechtigte zum Kreis der Begünstigten gehören kann.447 Ähnlich groß oder gering ist die Missbrauchsgefahr bei treuhänderischen Rechtsgeschäften unter Lebenden, die ebenfalls nicht den genannten Bedenken unterliegen.448 Zudem bleibt unerfindlich, warum die Gefahr einer Druckausübung und unzulässigen Beeinflussung bei der Erbenbestimmung größer sein soll als bei der Bestimmung des Vermächtnisnehmers nach § 2151 BGB oder bei der Auseinandersetzung des Nachlasses durch einen Dritten nach billigem Ermessen.449

441 Umfassend

Röthel, AcP 210 (2010), 32, 55 ff. Ebenso aus französischer Sicht Legier, JCP N 1978,I,87, 95. 443  Spiro, FS Druey, S. 261. 444 So Großfeld, JZ 1968, 113, 115; H. Westermann, FS Möhring, S. 193; Frey, S. 88. 445  R. Zimmermann, Quos, S. 36 f. 446  R. Zimmermann, Quos, S. 37; Goebel, S. 305 f.; Windel, S. 237 Fn. 164; Muscheler, Erbrecht, Rn. 559. 447 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 4; Münch ­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 3; Soergel/ M. Wolf, § 2151 Rn. 2; Palandt/Weidlich, § 2151 Rn. 1; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 2; Lange/Kuchinke, S. 631 (§ 29 III 2 b a); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 433; Sens, S. 108 (Sens’ Ausführungen beziehen sich auf eine analoge Anwendung des § 2151 BGB auf eine Erbenbestimmung durch einen Dritten und können damit erst recht für eine direkte Anwendung des § 2151 BGB herangezogen werden). Etwas anders Johannsen, WM 1972, 866, 870: Nur der Dritte, nicht auch der Beschwerte könne sich selbst auswählen, da andernfalls der Beschwerte entgegen § 2065 Abs. 1 BGB über die Geltung der Verfügung entscheiden könnte. – Zum Teil wird die Ansicht vertreten, der Bestimmungsbefugte dürfe sich nur dann selbst einsetzen, wenn ein dahingehender Wille des Erblassers feststellbar sei, Münch­Komm-­ BGB/Rudy, § 2151 Rn. 3; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 8; Lange/Kuchinke, S. 631 Fn. 97 (§ 29 III 2 b a); eine besonders sorgfältige Auslegung fordert Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 4. 448  Goebel, S. 306. 449  R. Zimmermann, Quos, S. 39; Frey, S. 85. 442 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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b) Kontrolle der Drittbestimmung zum Schutz vor Missbrauch Die Befürchtung eines Machtmissbrauchs des Dritten dürfte letztlich wiederum Ausdruck der Sorge vor einer unkontrollierten Drittentscheidung sein.450 Sowohl bei der Bestimmung des Vermächtnisnehmers als auch bei der Verteilung des Nachlasses existieren – zumindest im Ansatz – Kontrollmechanismen, und es sind Personen beteiligt, die diese Kontrolle ausüben könnten. Eine offenbar unbillige Verteilung unterliegt der Anfechtung der Miterben (§ 2048 S. 3 BGB), eine Bestimmung des Vermächtnisnehmers im Widerspruch zu entsprechenden Anordnungen im Testament kann ebenfalls von einem davon Benachteiligten vor Gericht beanstandet werden451. Bei der Bestimmung des Erben hingegen kann auf den ersten Blick noch kein Erbe darüber wachen, dass der Dritte etwaige Vorgaben des Erblassers beachtet.452 Dieses Problem sollte aber dort gelöst werden, wo es entsteht.453 Nur wenn sich kein geeigneter Kon­ troll­mecha­nismus etablieren lässt, muss die Sorge vor einem Machtmissbrauch schon zu einer Beschränkung auf der Ebene der Zulässigkeit einer Delegation führen. Eine formale Beschränkung verdeckt eher die materialen Wertungen, wann eine Entscheidungsbefugnis missbraucht wird.454

6. Besonderer Status des Erben Bereits angesprochen wurde das Argument, der Erblasser habe die Verantwortung für eine Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge zu übernehmen. Damit verwandt sind Ansätze, die einen besonderen Status des Erben in den Vordergrund rücken. Diese Ansätze haben den Vorzug, dass sie zugleich erklären könnten, weshalb das Drittbestimmungsverbot im Bereich der Erbeinsetzung strikter gehandhabt wird als bei Vermächtnissen, Auflagen oder Teilungsanordnungen.

450  Vgl. Soergel/Loritz, § 2064 Rn. 2, der die §§ 2064, 2065 BGB u.a. mit Rechtswirkungen des Testaments begründet, die nach dem Tod des Erblassers „nicht mehr korrigierbar“ sind. – Für F. Wagner, S. 47 begründet die Missbrauchsgefahr die Sorge vor Streit zwischen den Familienangehörigen, der durch ein Delegationsverbot vermeidbar wäre. 451 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 8 ff.; Münch ­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 12. – Dahinstehen kann hier, welchen Kontrollmaßstab das Gericht anzulegen hat, dazu unten § 14 B.II.3.b) (S. 662 ff.). 452  In diesem Zusammenhang wird wiederum die Parallele zur Stellvertretung unter Lebenden bemüht: Der Stellvertreter sei dem Vollmachtgeber gegenüber verantwortlich; dem verstorbenen Erblasser gegenüber könne sich der Dritte aber nicht mehr verantworten. So Sens, S. 89; zustimmend F. Wagner, S. 47. 453  Muscheler, Erbrecht, Rn. 559. 454  Gegen eine formale Regel in diesem Zusammenhang auch Spiro, FS Druey, S. 261 ff.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

a) Persönlichkeitsrechtliche Dimension Was nun die Besonderheit des Erbenstatus ausmacht, wird unterschiedlich hergeleitet. Goebel geht von einer persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung der materiellen Höchstpersönlichkeit aus.455 Der Erbe habe gegenüber dem „bloßen“ Vermächtnisnehmer eine hervorgehobene Stellung; die Erbenstellung habe im kulturellen Bewusstsein etwas „Zeichenhafte[s]“. Sie spiegele die persönliche Verbundenheit des Erben mit dem Erblasser wider. Dieser „symbolischen Funktion der Erbenstellung“456 trage § 2065 BGB Rechnung. Die testamentarische Erbenbestimmung wird nach dieser Ansicht zu einer „rechtsgeschäftlichen Todesverarbeitung“, die nur der Erblasser selbst leisten könne.457 Eine Delegation müsse deshalb den symbolischen Wert der Erbenstellung wahren.458 Eine Auseinandersetzung mit der hinter diesem Ansatz stehenden Interpretation des Erbrechts kann hier nicht geleistet werden, ist aber auch nicht erforderlich.459 Denn zum einen steht es in gewissem Widerspruch zu dem „öffentliche[n] Interesse am Symbolischen der Erbenstellung“460, wenn dem Erblasser dennoch in einschränkender Auslegung des § 2065 BGB gestattet sein soll,461 im Interesse einer flexiblen Nachlassgestaltung die Erbenbestimmung dann auf einen Dritten zu delegieren, wenn dieser sich an vom Erblasser aufgestellten objektiven Merkmalen orientieren müsse. Die persönliche Verbundenheit mit dem Erblasser bleibt in diesem Fall über einen Dritten vermittelt; der Erblasser verarbeitet seinen Tod nicht vollständig selbst. Zum anderen widerstrebt schon die Testierpraxis unter Laien einer Überbewertung der Erbenstellung.462 Der allgemeine Sprachgebrauch verwendet die Begriffe „vererben“ und „vermachen“ austauschbar. Die Auslegung führt häufig dazu, dass derjenige, dem das gesamte Vermögen „vermacht“ wird, Alleinerbe ist (vgl. § 2087 Abs. 1 BGB). Selbst über die dahinter stehenden rechtlichen Konsequenzen wie Haftung für Nachlassschulden oder Beteiligung an der Nachlassabwicklung, in denen das Zeichenhafte der Erbenstellung, die Nachfolge, zum Ausdruck kommen könnte, macht sich manch ein Laie keine Gedanken. Schließlich ist die Erbenstellung von ge455  Zum Folgenden siehe Goebel, S 307 ff. Auf die „persönlichkeitsrechtliche“ Bedeutung der materiellen Höchstpersönlichkeit weist bereits hin Breitschmid, FS Hausheer, S. 478. 456  Hervorhebung weggelassen. 457  Hinter diesem Begründungsansatz steht eine „personfunktionale“ Deutung des gewillkürten Erbrechts (ausführlich Goebel, S. 36 ff. – „Erbrecht als funktionales Persönlichkeitsrecht“). Zugleich habe § 2065 BGB deshalb die Aufgabe, die Erinnerung an diese Interpretation des Erbrechts zu sichern (S. 308). Zu Recht kritisch dazu Kroppenberg, Privatautonomie, S. 117 mit Fn. 367. 458  Goebel, DNotZ 2004, 101, 117 f. 459  Ausführlich und überzeugend Kroppenberg, Privatautonomie, S. 106 ff.; kritisch auch dies., NJW 2010, 2609; Muscheler, Erbrecht, Rn. 396 ff. 460  Goebel, S. 309. 461 So Goebel, S. 310; ders., DNotZ 2004, 101, 117 f. 462 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 1; Muscheler, Erbrecht, Rn. 398, 564.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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ringem symbolischem Wert und kann auch kaum persönliche Verbundenheit zum Ausdruck bringen, wenn der rechtskundig beratene Erblasser einen Erben einsetzt und zugleich ein Universalvermächtnis zugunsten einer von einem Dritten auszuwählenden Person anordnet.

b) Materiales Gewicht des Erbenstatus Einen anderen Ansatz wählt Windel, der zwar ebenfalls von „besonderen personalen Komponenten“ des Erbenstatus ausgeht.463 Doch seien diese Komponenten nicht vom Erblasser abgeleitet, der mit der Berufung des Erben sein Persönlichkeitsrecht ausübe, sondern originär vom Erben kraft seiner Stellung als Erbe und Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers erworben.464 Der Berufungsgrund diene der Legitimierung des Erbenstatus.465 Daraus ergeben sich zugleich besondere Anforderungen an den Berufungsgrund. Während die gesetzliche Erbfolge am besten zu legitimieren sei, wenn die Berufung auf dem familienrechtlichen Status (und nicht auf faktischen Beziehungen oder Betreuungsleistungen) beruhe,466 werde bei der gewillkürten Erbfolge die personale Komponente der Sukzession „durch eine besondere Qualität der Verfügung von Todes wegen“ geschaffen.467 Das leiste das Prinzip der Höchstpersönlichkeit.468 Es gewährleiste, dass eine Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge, die einen eigenen materialen Rechtswert habe, nur aufgrund einer höchstpersönlichen Entscheidung des Erblassers möglich sei.469 Das Prinzip gelte daher in vollem Umfang nur für die Erbeinsetzung und nicht auch für die anderen Anordnungen des Erblassers.470 Diese Verknüpfung des § 2065 Abs. 2 BGB mit der gesetzlichen Erbfolge sei allerdings dem Gesetzgeber nicht durchgängig bewusst gewesen.471 463 

Windel, S. 219. Diese Komponenten seien „gleichzeitig Spezifika der Universalsukzession beim Todesfall“. 464  Windel, S. 219. 465  Windel, S. 219. 466  Windel, S. 222 ff. 467  Windel, S. 235. 468  Windel, S. 235. Windel befasst sich in erster Linie mit § 2065 Abs. 2 1. Fall BGB, da jede Bestimmung des Bedachten durch einen Dritten zumindest auch an dieser Vorschrift zu messen sei. 469  Windel, S. 236 f.; zustimmend Th. Rauscher, AcP 199 (1999), 248, 253. 470  Windel, S. 236 f. 471  Windel, S. 237 Fn. 158 beruft sich einerseits auf die oben (§ 5 A.V.1. [S. 342 ff.]) bereits zitierten Erwägungen der Zweiten Kommission, wonach das Erbrecht auf der Familie beruhe und dieser das Vermögen möglichst erhalten bleiben solle. Diese Formulierungen finden sich in den Beratungen des § 1765 E I, also der Entscheidung eines Dritten über die Geltung einer letztwilligen Verfügung (§ 2065 Abs. 1 BGB). Windel präzisiert, dass im Zusammenhang mit § 2065 Abs. 2 BGB entsprechende Überlegungen der Zweiten Kommission fehlen. Des Weiteren verweist er auf die Vorarbeiten bei v. Schmitt I, S. 239 f. Jedoch ist dort zwar von der „streng persönlichen Natur des Testirrechts“ die Rede; ein Bezug zur gesetzlichen Erbfolge und besondere Anforderungen wird nicht hergestellt. Vielmehr wird die Vermeidung eines

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Im Anschluss an und aufbauend auf Windel sieht auch Anne Röthel den Zweck des § 2065 Abs. 2 BGB in „der Konstituierung eines erbrechtlichen Berufungsgrundes, der die Erbenstellung“472 legitimiert und damit zugleich „die mit der Erbenberufung einhergehende Bevorzugung des einen und Zurücksetzung von anderen“473 begründet. Dem Verweis der gesetzlichen Erbfolge auf das Bestehen statusrechtlicher Beziehungen zwischen Erblasser und Erben entspreche ein gewillkürtes Erbrecht, das aufgrund besonderer Anforderungen an die Willensbildung des Erblassers einen „der gesetzlichen Erbfolge in Intentionalität und Eindeutigkeit vergleichbaren“ Berufungsgrund schaffe.474 Eine höchstpersönliche Entscheidung des Erblassers habe kraft ihrer größeren Intentionalität eine stärkere Legitimationswirkung als eine Drittentscheidung.475 „Intentionalität kann weder delegiert werden, noch können Intentionalitätsdefizite durch Drittentscheidungen kompensiert werden.“476 Auch dieser Ansatz ist Einwänden ausgesetzt. Gegen die zugrunde liegende Differenzierung zwischen höchstpersönlich berufenen Erben und sonstigen möglichen Nachfolgern, die als nicht „erbwürdig“ allenfalls schuldrechtlich am Nachlass beteiligt werden, wird geltend gemacht, dass sie der Neutralität des Prinzips der Universalsukzession gegenüber der Person des Rechtsnachfolgers nicht hinreichend Rechnung trage.477 Die Nachfolge im Wege der Universalsukzession erhält nach diesem Ansatz einen bestimmenden Stellenwert. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Eignung einer Person, den Erbenstatus zu erlangen, größere Bedeutung gewinnt als die Frage, ob diese Person überhaupt Schwebezustands in den Vordergrund gestellt. Das Drittbestimmungsverbot pauschal mit einer höchstpersönlichen Natur der Testierfreiheit begründen zu wollen, wäre zirkelschlüssig. 472  Röthel, Solidaritätskonzept, S. 96. Dieser Ansatz löst zugleich die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB von einem Spannungsverhältnis zwischen Testierfreiheit und Familienbindung. 473  Röthel, Solidaritätskonzept, S. 113. 474  Röthel, Solidaritätskonzept, S. 106. 475  Röthel, Solidaritätskonzept, S. 96; siehe auch dies., FS Reuter, S. 318, wo Intentionalität und „Verantwortetheit“ aufeinander bezogen werden: Zeitliche Wirkungsgrenzen ließen sich einziehen bei Verfügungen, „die solange andauern, dass der Erblasser ihre Auswirkungen typischerweise nicht mehr verantwortungsvoll bedacht haben kann“. Zustimmend Kroppenberg, JZ 2011, 97, 99: Das Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit dürfte gegenüber einer Drittentscheidung „die verlässlichere Grundlage für eine authentische Entscheidung des Erblassers bieten und so die Validität des Berufungsgrundes steigern helfen“. Darauf lässt sich erwidern, dass Authentizität ein Anliegen der erbrechtlichen Formvorschriften sein sollte. 476  Röthel, FS Reuter, S. 320. Keinen Bedenken hinsichtlich ausreichender Intentionalität unterliege die Errichtung einer Familienstiftung, dies., FS Reuter, S. 322 f. Angesichts der funktionalen Vergleichbarkeit der Erbenbestimmung durch einen Dritten und die Errichtung einer Stiftung ist das problematisch. Das mögliche Argument, mit dem Stiftungsgeschäft habe der Erblasser abschließend entschieden, was nach seinem Tod mit seinem Vermögen geschehe, erklärt den Unterschied nur vordergründig. Denn gleiches lässt sich über eine Delegation sagen. 477  Muscheler, Universalsukzession, S. 43.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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am Nachlass zu beteiligen sei.478 Röthels Modell zur Verankerung des geltenden Erbrechts in einer rechtlichen Solidarität kraft Status hat insgesamt große Überzeugungskraft. Speziell als Rechtfertigung des Drittbestimmungsverbots vermögen die Kriterien der Intentionalität und Eindeutigkeit der Erbenberufung jedoch nicht herzuhalten. Ob es generell Teil der Testierfreiheit ist, bei erbrechtlichen Verfügungen eine gesteigerte Intentionalität zu fordern, muss hier nicht erörtert werden und würde, soweit damit die Frage nach der Herrschaft des Erblassers aus dem Grabe heraus angesprochen ist, auch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Denn zweifelhaft ist jedenfalls, ob gesteigerte Intentionalität eine Legitimation der Erbeinsetzung entfaltet, die derjenigen der gesetzlichen Erbfolge entspricht, von der der Erblasser abweicht. Das gesetzliche Erbrecht beruht gerade nicht auf dem Willen des Erblassers, auch nicht auf seinem mutmaßlichen.479 Wäre das gesetzliche Erbrecht nichts anderes als eine Kodifizierung des mutmaßlichen Erblasserwillens, so ließe sich etwa das Pflichtteilsrecht, das auch dem erklärten Erblasserwillen eine zwingende Grenze zieht, nicht erklären.480 Eine Intentionalität kann daher nur über einen Umweg begründet werden als Fortsetzung der Intentionalität bei der Begründung des Status, der das gesetzliche Erbrecht verleiht.481 Statusgründung vollzieht sich aufgrund bestimmter von der Rechtsordnung anerkannter Akte oder Fakten wie Eheschließung oder Geburt. Während nun den statusgründenden Akten eine Intentionalität eignet, ist dies bei statusgründenden Fakten problematisch. Hier ist die Entfernung zur Erbenberufung, die ja legitimiert werden soll, noch einen Schritt größer: Eine Legitimation könnte dann allenfalls noch über eine Intentionalität bei Schaffung der statusgründenden Fakten vermittelt werden. Doch worin besteht diese Intentionalität bei der Begründung einer Statusbeziehung des Kindes zu seinen Eltern, die immerhin gesetzliche Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB) und mögliche Pflichtteilsberechtigte (§ 2303 Abs. 2 BGB) sind? Hier bleibt nur das Kriterium der formalen Abgrenzbarkeit und Eindeutigkeit.482 Intentionalität und Eindeutigkeit der Berufung zum Testaments­erben sind in manchen Fällen, in denen die Rechtsprechung eine Verfügung von Todes 478 

Muscheler, Universalsukzession, S. 44. Zum Streitstand um das Verhältnis von Erblasserwille und gesetzlicher Erbfolge siehe Münch­Komm-­BGB/Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 14; Windel, S. 219 f. m.w.N.; Muscheler, Erbrecht, Rn. 418 ff.; Röthel, Solidaritätskonzept, S. 98 ff.; nach wie vor Staudinger/Boehmer, 11. Auflage, Einl § 12 ff.; Th. Rauscher, S. 268 ff. Vgl. andererseits BVerfG v. 14.12.1994 BVerfGE 91, 346, 359: Das Interesse des Erblassers müsse Richtschnur der Ausgestaltung der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sein. Freilich kann mit dem Interesse des Erblassers nicht der mutmaßliche Erblasserwille im Einzelfall gemeint sein, sondern nur „das Interesse eines verständigen Erblassers aus objektiver Sicht“. 480  Münch­Komm-­BGB/Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 14; Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 52; anders Th. Rauscher, S. 269, demzufolge sich für keine der beiden Ansichten eine „dogmatisch zwingende Begründung“ geben lässt. 481  Röthel, Solidaritätskonzept, S. 114. 482 Dazu Röthel, Solidaritätskonzept, S. 114 f. 479 

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wegen aufrechterhalten hat, eher fraglich. Wer diejenige von mehreren Personen zu seinem Erben bestimmt, die die höchste Zahl würfelt, oder eine Verfügung trifft, der nur mit größtmöglichen Auslegungsbemühungen ein ausführbarer Inhalt entnommen werden kann, legt keine gesteigerte Intentionalität an den Tag. Eine eindeutige Delegation, begleitet von Auswahlkriterien und Weisungen des Erblassers, erscheint demgegenüber als stärkere und entschiedenere Form der Willenskundgabe. Dagegen lässt sich nicht einwenden, im ersten Fall stamme die Anordnung immer noch allein vom Erblasser und sei deshalb in höherem Maße von seinem Willen getragen und legitimiert. Denn auch die Delegation ist eine Willensentscheidung des Erblassers; indem er die Erbenbestimmung delegiert, übt er, wie gesehen,483 seine Testierfreiheit aus. Dies kommt schon in der Begründung v. Schmitts zum Ausdruck: „Von einem absoluten Mangel eigenen Willens des Erblassers kann man in solchen Fällen [der Bezeichnung mehrerer bestimmter Personen, aus denen ein Dritter die engere Auswahl treffen soll,] mit Grund nicht sprechen, denn er hat die Zuwendung jedenfalls für den Einen oder Anderen selbst bestimmt … Auch bleibt es, wer immer die Zuwendung seiner Zeit empfängt, in letzter Linie der Erblasser, aus dessen Willen er empfangen wird. Es handelt sich sonach nur noch um den Gesichtspunkt der augenblicklichen Ungewißheit des Berufenen.“484

Im Ergebnis kann auch dem besonderen Status des Erben keine Rechtfertigung des Drittbestimmungsverbots für die Erbeinsetzung entnommen werden. Dieser Status war insbesondere für den Gesetzgeber nicht ausschlaggebend.485

7. Zwischenergebnis Die Suche nach einer Rechtfertigung des § 2065 Abs. 2 BGB hat erbracht, dass dessen Drittbestimmungsverbot nicht von materialen Gründen getragen wird. Kein unverzichtbarer Kern der Privatautonomie, nicht die Verantwortung des Erblassers, nicht der Schutz der Angehörigen oder der gesetzlichen Erbfolge, nicht die Verhinderung von Vermögenskonzentration und einem perpetuierten Erblasserwillen, nicht die Sorge vor einem Missbrauch der Bestimmungsbefugnis und daraus erwachsenden Streitigkeiten und auch nicht der besondere Status des Erben vermögen zu begründen, weshalb ein Erblasser nicht – generell oder zumindest in bestimmtem Umfang – einen Dritten damit betrauen darf, seinen Erben zu bestimmen. Vielmehr bleibt von den verschiedenen Begründungsansätzen stets nur eine doppelte Befürchtung zurück: Es ist dies einerseits die 483 

Siehe oben § 5 B.I.1.b) (S. 354 f.). v. Schmitt I, S. 240. 485  So gibt auch Windel, S. 237 einen zweiten Begründungsansatz: Es komme hinzu, dass bei der Erbeinsetzung anders als bei der Vermächtnisanordnung ein Schwebezustand zu befürchten sei, der mit dem Anfall‑ und Ausschlagungsprinzip kollidiere. Zu dieser Problematik unten § 5 B.II.3. (S. 393 ff.). 484 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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Befürchtung, eine Erbenbestimmung ließe sich auf Verfahrensebene nicht realisieren, und andererseits die Besorgnis unkontrollierter und auch unkontrollierbarer Macht des Dritten, da ja der Erblasser als Wächter über die Ausübung des Bestimmungsrechts in seinem Sinne nicht mehr zur Verfügung steht. Diese strukturellen Gründe sind im folgenden Abschnitt zu analysieren.

II. Strukturelle Gründe Wiegen nun strukturelle Probleme auf den Ebenen des Verfahrens und der Kontrolle so schwer, dass schon die Zulässigkeit einer Delegation der Erbenbestimmung beschränkt werden muss? Regeln, wie ein Dritter bei der Erbenbestimmung vorzugehen hat und wie sein Spruch kontrolliert werden kann, fehlen naturgemäß im Gesetz. Sie wären auch überflüssig angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung, schon bei der Zulässigkeit einen Riegel vorzuschieben. Doch bedeutet dies nicht, dass derartige Regeln nicht gefunden werden können. Ansatzpunkte für Regeln zu Verfahren und Kontrolle bestehen zum einen innerhalb des Erbrechts bei den Ausnahmen vom Drittbestimmungsverbot, die in Wirklichkeit nur Ausprägungen der Testierfreiheit sind (§§ 2151–2154, 2156, 2192, 2048 S. 2, 2198 BGB). Hier hat der Gesetzgeber selbst Möglichkeiten der Delegation im Erbrecht normiert und zugleich, wenn auch fragmentarisch, die nähere Ausgestaltung der Drittentscheidung mitgeregelt. Zum anderen aber existiert ein Gerüst von Regeln zu Verfahren und Kontrolle einer Drittentscheidung im Schuldrecht im Rahmen der §§ 317 ff. BGB. Dort wird eine Delegation als Ausübung der Privatautonomie in weitem Umfang zugelassen. Zum Teil nehmen die erbrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich auf das Regelungsgerüst der §§ 317 ff. BGB Bezug.486 Das schuldrechtliche Regelgerüst erscheint zwar in manchen Punkten unzureichend und ausfüllungsbedürftig, doch war dies nie ein Anlass, an der Grundentscheidung des § 317 BGB zu zweifeln. Nur im besonderen Fall der Delegation in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wiegen, wie gesehen,487 die Bedenken auf Verfahrensebene so schwer, dass die Möglichkeit zu delegieren insgesamt unterbunden wird.

1. Strukturelle Unterschiede zur Delegation im Vertragsrecht Zu überlegen ist deshalb, ob der Hinweis auf Delegationsmöglichkeiten im Schuldrecht als Argument für eine generelle Zulassung auch im Erbrecht streiten und ob das schuldrechtliche Regelungsmodell Vorbildwirkung im Erbrecht 486  Siehe etwa § 2156 BGB. Zu der Frage, ob im Rahmen dieser Vorschrift nicht nur im Zweifel, sondern stets der Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens gilt, siehe bereits oben § 4 C.I.3.c) (S. 214 f.). 487  Siehe oben § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.).

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

entfalten bzw. zur Lückenschließung herangezogen werden kann. Diese Lösung hätte gleich aus mehreren Gründen ihren Reiz: Sie könnte helfen, Streitfragen und Problempunkte im Rahmen einer ausnahmsweise zulässigen Erbenbestimmung durch einen Dritten zu klären. Sie könnte darüber hinaus generell ein Modell einer Drittbestimmung des Erben hervorbringen und so deren Unzulässigkeit in Frage stellen. Ferner könnten so auch Unklarheiten im Rahmen anderer Fälle einer Delegation im Erbrecht beseitigt werden. Schließlich wäre damit ganz allgemein der Boden bereitet für eine übergreifende Theorie der Delegation von Privatautonomie mit ihren spezifischen Anwendungsfällen unter Lebenden und von Todes wegen. Ein derartiges Vorgehen lässt sich nicht vorderhand zurückweisen mit dem Argument, als schuldrechtliche Norm gelte § 315 BGB im Erbrecht nicht.488 Auch andere schuldrechtliche Normen werden in erbrechtlichen Zusammenhängen angewendet; man denke nur an Leistungsstörungen im Rahmen eines Vermächtnisanspruchs. Wenn zudem die §§ 317 ff. BGB Ausdruck allgemeiner Grundsätze über die Delegation von Privatautonomie sind, besteht darin eine Klammer zwischen beiden Rechtsgebieten. Gleichwohl darf diese Hoffnung nicht den Blick auf mögliche strukturelle Unterschiede zwischen Schuld‑ und Erbrecht verstellen, die einer Verbindung entgegenstehen könnten. Von ihnen soll zunächst die Rede sein, um zu ermitteln, ob deshalb eine Ungleichbehandlung beider Rechtsgebiete geboten ist.

a) Unterschiedliches Gewicht einer Drittbestimmung Ein erster Einwand könnte dahin gehen, dass eine die Bestimmung des Erben ein größeres wirtschaftliches Gewicht hat als die Bestimmung einer einzelnen Leistung in einem Vertrag. Einer derartigen These würde jedoch bislang die empirische Grundlage fehlen. Zwar wird die Drittbestimmung im Erbrecht meist anhand der Übertragung eines Unternehmens oder eines Hofes und damit anhand bedeutender Wirtschaftsgüter diskutiert. Doch auch im Schuldrecht kann dem Dritten die Aufgabe zufallen, wirtschaftlich bedeutende Entscheidungen zu treffen, beispielsweise als Schiedsgutachter im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags.489 Jedenfalls ist nicht nachgewiesen, dass eine Delegation im Erbrecht ausschließlich oder wenigstens typischerweise bei umfangreichen Nachlässen angeordnet würde. Zwar hat derjenige, der viel zu vererben hat, häufig mehr Grund, sich über das Schicksal seines Vermögens Gedanken 488  So aber Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 76: § 315 BGB gelte im Erbrecht „zunächst nicht“, werde aber durch ausdrückliche Verweise in den §§ 2156, 2192, 2193, 2048 S. 2 BGB in Bezug genommen. 489  Selbst wenn es sich dabei um feststellende Schiedsgutachten handelt, hat der Dritte mit seinen Feststellungen (etwa im Rahmen der Kaufpreisanpassung) im Ergebnis einen enormen Einfluss auf das Äquivalenzverhältnis.

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zu machen.490 Aber auch bei geringeren Nachlasswerten können persönliche Gründe einen Erblasser dazu bewegen, auf zukünftige Entwicklungen mit einer Delegation zu reagieren. Ebensowenig ist es zwingend, dass der Erblasser den Dritten einen Alleinerben für den gesamten Nachlass bestimmen lässt. Auch eine Delegation hinsichtlich einer quotenmäßigen Beteiligung am Nachlass ist denkbar. Ein Differenzierungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Charakter der jeweiligen Geschäfte als entgeltlich oder unentgeltlich:491 Zwar erbringt der Erbe keine Gegenleistung für die Erbeinsetzung und könnte sich wegen § 2302 BGB nicht einmal wirksam dazu verpflichten, während eine Leistungsbestimmung nach § 317 BGB üblicherweise in einem Austauschvertrag anzutreffen sein dürfte. Jedoch spricht nichts dagegen, einen Dritten den Gegenstand eines Schenkungsversprechens nach billigem Ermessen bestimmen zu lassen. Entscheidend gegen eine Differenzierung je nach wirtschaftlichem Gewicht spricht vielmehr, dass es systemwidrig wäre, allein wegen der Bedeutung und Tragweite eines Geschäfts dieses ganz zu verbieten. Das Recht kennt in Gestalt von Formvorschriften und Normen zur Inhaltskontrolle vielfältige Schutzmechanismen, die eine reifliche Überlegung, eine rechtskundige Beratung wie auch einen Schutz vor Übervorteilung sicherstellen können. Allein auf das – vermeintliche – wirtschaftliche Gewicht einer Drittbestimmung des Erben lässt sich eine Differenzierung zwischen Schuldrecht und Erbrecht nicht stützen.

b) Bestimmung einer Leistung und Bestimmung einer Person Jedoch könnten strukturelle Unterschiede eine Differenzierung gebieten. Ein struktureller Unterschied zwischen der Leistungsbestimmung durch einen Dritten und einer Erbenbestimmung durch einen Dritten liegt darin, dass der Dritte im Rahmen der Erbenbestimmung eine Person auszuwählen und nicht eine Leistungspflicht festzulegen hat. Es ist zu überlegen, ob die Auswahl einer Person von einer anderen Qualität ist, so dass sie nicht einem Dritten überlassen werden kann. Jedoch kann auch im Schuldrecht einem Dritten die Auswahl oder Bestimmung einer Person überlassen werden.492 Dies zeigen die folgenden Beispiele. 490 

Leipold, AcP 180 (1980), 165, 202 f. mit Zahlenmaterial. Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 71 ziele die Leistungsbestimmung als Instrument des Schuldrechts „zuerst auf Austauschverträge, bei denen eine Hauptleistung nachträglich konkretisiert werden soll“. 492  Zur Bestimmung des Empfängers einer Geldleistung in ebenfalls noch zu bestimmender Höhe durch den Vertragspartner siehe BGH v. 6.3.1985 NJW‑RR 1986, 164 (der Erblasser hatte sich in einem Vertrag über die Übertragung eines Grundstücksteils in vorweggenommener Erbfolge vorbehalten, dem Begünstigten Ausgleichszahlungen an seine Geschwister aufzuerlegen); Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 13. Zur Auswahl des (lebzeitigen) Hofübernehmers unter den drei Stiefsöhnen des Hofeigentümers OGH v. 23.11.1949 NJW 1950, 463; siehe auch zu Grundstücksverträgen Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 61 und insbeson491  Nach

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aa) Bestimmung des Belohnungsempfängers, §§ 660, 661 BGB Deutlich wird das an der Regelung der Auslobung. Nach § 660 Abs. 1 BGB hat der Auslobende, wenn mehrere zu dem Erfolg beigetragen haben, für den die Belohnung ausgesetzt ist, die Belohnung unter Berücksichtigung des Anteils eines jeden an dem Erfolg nach billigem Ermessen unter ihnen zu verteilen. Gemeint ist damit beispielsweise die Mitwirkung mehrerer an der Ergreifung eines gesuchten Verbrechers.493 Die Vorschrift zielt damit auf eine Leistungsbestimmung des Auslobenden.494 Diese Bestimmung hat zwar in erster Linie die Höhe der einzelnen Belohnungsansprüche zum Gegenstand. Mittelbar ergibt sich daraus jedoch auch die Wahl einer Person unter mehreren in Betracht kommenden.495 Augenscheinlich wird das, wenn der Beitrag eines Beteiligten so stark überwiegt, dass ihm nach billigem Ermessen die Belohnung voll zuzuerkennen ist. Der Auslobende kann die Verteilungsentscheidung einem Dritten als Preisrichter überlassen.496 Doch selbst wenn er als Schuldner der Belohnung die Verteilung selbst vornimmt, steht der Fall näher an der Leistungsbestimmung durch einen Dritten als der Bestimmung durch eine Partei.497 Die Zweite Kommission führte dazu aus, dass der Auslobende nicht wie ein Schuldner das Maß seiner Leistung zu bestimmen habe, denn dieses stehe fest; vielmehr gehe es darum, den Anteil eines jeden an der Herbeiführung des Erfolges an der Belohnung festzusetzen.498 Dies zeigt sich zum einen darin, dass der Verteilungsplan gemäß § 660 Abs. 1 S. 2 BGB nur im Falle offenbarer Unbilligkeit unverbindlich ist – im Fall der Parteileistungsbestimmung hätte einfache Unbilligkeit genügt. Zum anderen müssen die Bewerber einen Streit über die Verbindlichkeit der Verteilung ohne Beteiligung des Auslobenden untereinander austragen.499 dere BGH v. 29.6.2012 NJW 2012, 3431 zur Wirksamkeit einer Vormerkung zugunsten eines noch zu benennenden Dritten. 493  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 940; OLG Hamburg v. 27.5.1904 OLGE 10 (1905) 181; OLG Frankfurt v. 14.7.1920 OLGE 41 (1921) 123; LG Frankfurt v. 31.3.1954 NJW 1954, 1685. 494 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 142. Zum Hintergrund der Vorschrift HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 27. Als „Ausdruck eines allgemeinen Billigkeitsgrundsatzes“ bezeichnet Knütel, ZHR 144 (1980), 289, 311, die Vorschrift des § 660 BGB. 495  So auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 140 ff. 496  RG v. 1.8.1941 RGZ 167, 225, 234 f.; Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 2; Münch­Komm-­ BGB/Seiler, § 660 Rn. 2; HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 25. Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 9 weist auf die abweichenden Grundsätze der Drittleistungsbestimmung nach §§ 317 ff. BGB hin, wonach die Entscheidung des Dritten höchstpersönlich und eine Delegation ausgeschlossen sei. Den Unterschied begründet er damit, dass im Bereich des § 660 BGB eine Pflicht zur Vornahme der Bestimmung besteht, die in den §§ 317 ff. BGB gerade fehlt. 497  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 941; HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 27; Münch­ Komm-­BGB/Seiler, § 660 Rn. 7 m.w.N.; Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 1, 7. 498  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 941. 499  Siehe Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 941 (eine Verwicklung des Auslobenden in den Rechtsstreit sei auch nicht erforderlich, da eine Verweigerung der Belohnung nicht zu erwarten sei); Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 7 f., 18; HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 27;

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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Gerade die Erwägungen der Zweiten Kommission lassen sich auf die Erbenbestimmung übertragen: Der Umfang des Nachlasses steht fest, zu bestimmen ist lediglich der Anteil der potentiellen Erben daran. Dass unter Umständen ein Alleinerbe zu bestimmen ist, hindert die Parallele nicht, denn auch nach § 660 BGB kann die Belohnung nur einem der Beteiligten zuerkannt werden. Eine besondere Form der Auslobung ist das Preisausschreiben nach § 661 BGB. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Auslobende nicht die Vornahme einer bestimmten Handlung erstrebt, sondern die beste Bewerbung prämieren will. Die Entscheidung über die Preiswürdigkeit obliegt einem vom Auslobenden benannten Preisrichter oder Preisrichterkollegium, subsidiär dem Auslobenden selbst (§ 661 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein Dritter wählt also unter mehreren Personen den Empfänger eines Vermögenswerts aus.500

bb) Bestimmung des Drittbegünstigten beim Vertrag zugunsten Dritter Die Frage, ob darüber hinaus § 317 BGB ganz generell verwendet werden kann, um einem Dritten die Auswahl einer Person zu überlassen, wird kaum behandelt.501 Denkbar wäre das beispielsweise im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter, wobei die Vertragspartner einen anderen damit betrauen festzusetzen, wer dieser Drittbegünstigte sein soll. Die Zulässigkeit einer derartigen Konstruktion ist in zwei Schritten zu begründen: Anerkannt und verbreitet sind Gestaltungen, wonach der Versprechensempfänger, also eine Vertragspartei, einseitig den Drittbegünstigten auswählen darf. Von dieser Erkenntnis kann sodann auf die Zulässigkeit einer Auswahl durch einen Dritten geschlossen werden. Die Zulässigkeit der Auswahl durch eine Partei fügt sich ein in den Grundsatz, dass der Drittbegünstigte nicht bestimmt, sondern nur bestimmbar sein muss.502 Zu verOLG Frankfurt v. 14.7.1920 OLGE 41 (1921), 123 f. Erst die Leistungsklage aus dem durch Gestaltungsurteil geänderten Verteilungsplan richtet sich dann gegen den Auslobenden, LG Frankfurt v. 31.3.1954 NJW 1954, 1685. 500  Irrelevant ist in diesem Zusammenhang der Streit, ob die Stellung des Preisrichters insofern der eines Schiedsrichters oder der eines Schiedsgutachters angenähert ist, dazu HKK/ Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 38 m.w.N. 501  Siehe aber Kossmann, S. 165 f. Ohne Begründung bezeichnen Lange/Wulff, 6. Auflage, § 14 HöfeO Anm. 196 Fn. 1 die Leistungsbestimmung durch einen Dritten und die Hoferbenbestimmung durch den überlebenden Ehegatten als „zu verschiedenartig gestaltet“, um § 319 BGB im Höferecht anzuwenden. Dagegen Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 38; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39. – Als „subjektive Wahlschuld“ werden Fälle diskutiert, in denen die Person des Gläubigers oder des Schuldners durch Wahl bestimmt wird. Diese Fälle seien zwar nicht nach den Regeln der Wahlschuld zu beurteilen, nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit jedoch grundsätzlich zulässig, Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 256 Fn. 8 (§ 11 I 3); Ziegler, AcP 171 (1971), 193, 208; Staudinger/Bittner, § 262 Rn. 6; C. Wagner, S. 49 (es werde nicht die Leistungspflicht inhaltlich bestimmt, sondern überhaupt erst die Verpflichtung einer Partei begründet). 502  Zu diesem Grundsatz Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 14; Münch­Komm-­BGB/P. Gott-

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langen ist nur, dass der Vertrag selbst angibt, anhand welcher Kriterien der Dritte eindeutig ermittelt oder auf welch anderem Weg er bestimmt werden kann.503 Beispiele dafür sind die Bezugsberechtigung „der Kinder“ des Lebensversicherungsnehmers, die auch die noch nicht geborenen Kinder einschließt, oder die Begünstigung des jeweiligen Eigentümers eines Nachbargrundstücks.504 Insbesondere kann sich der Versprechensempfänger – wie von § 332 BGB vorausgesetzt wird – die Befugnis vorbehalten, ohne Zustimmung des Versprechenden eine andere Person an die Stelle des im Vertrag bezeichneten Dritten zu setzen505 oder den Drittbegünstigten überhaupt erst nach Abschluss des Vertrages zu benennen.506 Der Vertrag zugunsten Dritter wird deshalb von manchen aufgespalten in Grundgeschäft und Fremdklausel.507 Dem Bestimmbarkeitserfordernis ist in jedem Fall genügt, da die Person des Drittbegünstigten im Wege der einseitigen Benennungserklärung einer Partei eindeutig festgelegt ist. Ausdrücklich vorgesehen ist ein derartiges Bestimmungsrecht des Versprechensempfängers bei der Lebens‑ und der Unfallversicherung (§§ 159, 185 VVG), die dem Versicherungsnehmer die einseitige Befugnis zur erstmaligen Benennung und zum Austausch des Bezugsberechtigten geben,508 sowie beim Frachtvertrag (§ 418 Abs. 1 S. 2 HGB), bei dem der Absender durch nachträgliche Weisung den Empfänger auswechseln kann.509 Sofern der Versprechensempfänger die Person des Drittbegünstigten (als Ausnahme zum Vertragsprinzip des § 311 Abs. 1 BGB) einseitig ändern kann, handelt es sich um ein Recht zur Vertragsänderung. Bestimmt er einseitig den Drittbegünstigten, dessen Person zuvor noch offengeblieben war, vervollständigt er das Vertragsverhältnis.510 wald, § 328 Rn. 24; HKK/Vogenauer, §§ 328–335 Rn. 106 (mit rechtsvergleichenden Hinweisen); Raab, S. 50. 503  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 481 (§ 20 III 3). 504  Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 328 Rn. 24 m.w.N.; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 14 m.w.N.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 483 f. (§ 20 III 3 c). – Weitere Beispiele bei Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 14 m.w.N. 505 Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 17, § 332 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 328 Rn. 28; Raab, S. 52, 467, 470 ff. 506  BGH v. 17.1.1985 BGHZ 93, 271; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 17; Münch­Komm-­ BGB/P. Gottwald, § 332 Rn. 1; Schinkels, in: jurisPK-BGB, § 328 Rn. 21; Bayer, S. 211 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 481 f. (§ 20 III 3 a); Dörner, S. 168 f.; Raab, S. 50 ff. – Es ist Auslegungsfrage, ob der Vertrag bis zur Benennung zwar bindend, aber unvollständig ist oder ob zunächst der Versprechensempfänger Berechtigter sein soll, vgl. nur Bayer, S. 212; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 482 (§ 20 III 3 a). 507  v. Lübtow II, S. 1232; M. Harder, S. 137; Bayer, S. 212 f.; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 222 (§ 17 I b); E. Lorenz, FS Farny, S. 338 f.; Dörner, S. 169. Gegen eine Aufspaltung Windel, S. 438. 508  Bei der Unfallversicherung kommt diese Gestaltung selten zum Einsatz, Bayer, Karlsruher Forum 1998, S. 70 Fn. 96. 509  Vgl. nur Bayer, S. 211 f.; Baumbach/Hopt/Merkt, § 418 Rn. 1; Noltenius, S. 62 ff. 510 Vgl. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 481 f. (§ 20 III 3 a). Undeutlich Raab, S. 51, der zwischen beiden Fällen keinen qualitativen Unterschied und in der Ungewissheit über die

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Der Grundsatz, dass die Person des Drittbegünstigten bestimmbar sein muss, steht dabei in auffälliger Parallele zu dem Grundsatz, dass die Vertragsleistung bestimmbar sein muss.511 Die Entsprechung geht sogar soweit, dass sich sowohl der vertragsergänzenden als auch der vertragsändernden Leistungsbestimmung ein Pendant zur Seite stellen lässt. Ob der Versprechensempfänger einseitig den Vertrag vervollständigt, indem er den Leistungsinhalt bestimmt,512 oder ob er die Vollständigkeit bewirkt, indem er die Person des Drittbegünstigten bestimmt, macht keinen qualitativen Unterschied. Raab513 schlägt deshalb vor, das Benennungsrecht des Versprechensempfängers nach den §§ 315 ff. BGB zu behandeln und insbesondere diesen Vorschriften die Folgen einer Verzögerung der Bestimmung zu entnehmen. Die Nichtausübung des Rechts führe bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen zur gerichtlichen Ersetzung, bei einer Entscheidung nach freiem Belieben analog § 319 Abs. 2 BGB zur Unwirksamkeit des Vertrages.514 Ferner wird § 315 BGB von manchen herangezogen, um zu begründen, weshalb die Benennung grundsätzlich durch empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Versprechenden zu erfolgen habe (§ 315 Abs. 2 BGB) und § 332 BGB nur eine Ausnahme von diesem Grundsatz mache, indem er auch eine Benennung durch nicht empfangsbedürftige letztwillige Verfügung zulasse.515 Besteht damit ein Zusammenhang zwischen Benennungsrecht beim Vertrag zugunsten Dritter und Leistungsbestimmungsrecht, ist damit noch nicht gesagt, dass auch eine Delegation der Benennung an einen Dritten (bzw. „Vierten“) zulässig ist.516 Anhaltspunkte dafür liefert vor allem der LebensversicherungsverPerson des Dritten nie einen Unwirksamkeitsgrund sieht. Richtigerweise ist es Auslegungsfrage, ob im Verhältnis Versprechender – Versprechensempfänger schon vor der erstmaligen Bestimmung des Drittbegünstigten ein wirksamer Vertrag anzunehmen ist. Zuzugeben ist aber, dass die Wirksamkeit im Regelfall dem Parteiwillen entsprechen dürfte. 511 Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 14; Raab, 48 ff., 52. 512  Ob ein Leistungsbestimmungsrecht dem Versprechensempfänger oder dem Drittbegünstigten zustehen soll, ist Frage der Vertragsauslegung, Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 80. Zur Streitfrage, ob auf ein Leistungsbestimmungsrecht des Drittbegünstigten § 315 oder § 317 BGB anzuwenden ist, siehe BGH v. 30.5.2003 NJW‑RR 2003, 1355; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 30 einerseits (§ 315 BGB) und Staudinger/­R ieble, § 316 Rn. 3 andererseits (§ 317 BGB). 513  Raab, S. 48 ff., 52. 514  Raab, S. 48 ff., 52. 515  So z.B. Schinkels, in: jurisPK-BGB, § 332 Rn. 2; Oertmann, § 332 Anm. 2. Die wohl überwiegende Ansicht wendet auf die vorbehaltene erstmalige Benennung des Drittbegünstigten durch den Versprechensempfänger § 332 BGB analog an, RG v. 17.2.1933 RGZ 140, 30, 33; Soergel/Hadding, § 332 Rn. 3; Staudinger/Jagmann, § 332 Rn. 2. Der praktische Unterschied zwischen beiden Ansichten liegt darin, dass bei analoger Anwendung des § 315 Abs. 2 BGB eine Benennung in einer Verfügung von Todes wegen ausscheidet. – Von § 332 BGB weichen die neueren ALB freilich ab und verlangen eine schriftliche Anzeige an den Versicherer, vgl. nur Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 5; Bayer, S. 252 m.w.N. 516  Dieser Begründungsschritt fehlt bei Kossmann, S. 165; die von Kossmann angeführten

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trag, der mit seiner gesetzlichen Regelung des einseitigen Bestimmungsrechts in § 159 VVG zugleich das Hauptbeispiel für ein derartiges Recht darstellt. Das Gestaltungsrecht517, den Drittbegünstigten aus der Lebensversicherung einseitig zu benennen oder auszutauschen, ist nicht höchstpersönlicher Natur.518 Dies zeigt sich an mehreren Punkten: Mit der Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag geht auch das Bestimmungsrecht auf den Dritten über.519 Selbst wenn eine isolierte Übertragung wegen des forderungsbezogenen Charakters der Bestimmungsbefugnis ausscheidet,520 müsste nach allgemeinen Grundsätzen521 eine Ermächtigung eines anderen zur Ausübung in Betracht kommen. Ebenso kann ein Gläubiger des Versicherungsnehmers das Gestaltungsrecht mit den Rechten seines Schuldners aus der Versicherung522 pfänden und nach Überweisung523 (nach Maßgabe des Verwertungszwecks)524 selbst ausüben. Dies geschieht in der Regel, indem er die Drittbegünstigung widerruft, und hat zur Folge, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung bzw. den Rückkaufswert dem Versicherungsnehmer als Vollstreckungsschuldner zusteht und von seinem Gläubiger verwertet werden kann.525 Ein höchstpersönliches Recht wird Belege – Soergel/Hadding, § 332 Rn. 4 sowie RG v. 17.2.1933 RGZ 140, 30, 33 – betreffen beide lediglich die Bestimmung des Begünstigten durch den Versprechensempfänger, nicht durch einen Dritten. Die von Kossmann zur Herleitung ins Feld geführten nachträglichen Bestimmungsbefugnisse des Versprechensempfängers besagen nichts für die Möglichkeit, einem Dritten (bzw. einem „Vierten“) diese Befugnis einzuräumen. – Ferner für die Bestimmungsbefugnis eines Dritten, ebenfalls ohne Begründung, W. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 22 Rn. 14; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 4 Rn. 81. 517  Bayer, S. 249 mit zahlreichen Nachweisen. 518 Soergel/Hadding, § 328 Rn. 74; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 482 Fn. 57 (§ 20 III 3 a) m.w.N.; Elfring, S. 38; Bayer, VersR 1989, 17, 18. 519 Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 74, 239; NK-BGB/Teslau, Anhang zu §§ 328–335 Rn. 169; Bayer, VersR 1989, 17, 18. 520  Nach BGH v. 20.2.2003 BGHZ 154, 64, 69 ist das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers kein akzessorisches Gestaltungsrecht. Demgegenüber ist jedoch zu bemerken, dass eine Trennung von dem Anspruch aus dem Versicherungsvertrag nach dem Zweck der Befugnis und den Interessen der Beteiligten wenig sinnvoll erscheint. Für die vorliegende Problematik ist allerdings allein wichtig zu betonen, dass eine fehlende isolierte Übertragbarkeit keineswegs auf einer Höchstpersönlichkeit des Gestaltungsrechts beruht – in diesem Fall wäre das Recht auch mit dem Anspruch nicht übertragbar. – Zur Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten siehe noch unten § 10 A.IV. (S. 570 ff.). 521  BGH v. 10.12.1997 NJW 1998, 896, 897 f.; Bamberger/Roth/Rohe, § 413 Rn. 5; Staudinger/Busche, § 413 Rn. 15; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 192. 522  Eine selbständige Pfändung der Bestimmungsbefugnis nach § 159 VVG ist nicht zulässig, Zöller/Stöber, § 829 Rn. 33 sub „Lebensversicherung“; Hasse, VersR 2005, 15, 18 m.w.N. 523  Das ist umstritten, wird aber von RG v. 12.1.1937 RGZ 153, 220, 223 ff. gefordert. Ausführlich zum Streitstand Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rn. 14. 524  Bayer, S. 265; Hasse, VersR 2005, 15, 29. 525  RG v. 25.2.1930 RGZ 127, 269, 270 (noch unentschieden zur Notwendigkeit einer Überweisung); RG v. 12.1.1937 RGZ 153, 220, 223 ff.; BGH v. 20.2.2003 BGHZ 154, 64, 69; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 239; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 33 sub „Lebensversicherung“; Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rn. 14, 81; NK-BGB/Teslau, Anhang zu §§ 328–335 Rn. 181 f.;

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die Bestimmungsbefugnis auch nicht dann, wenn der Lebensversicherungsvertrag – wie häufig – auf den Todesfall abgeschlossen wurde (§ 331 BGB) und Versorgungscharakter trägt.526 Ein erbrechtliches Drittbestimmungsverbot kann hier aufgrund der Qualifikation als Schenkung unter Lebenden nicht gelten.527 Denn dazu müsste erstens einzelfallbezogen auf den Vertragszweck abgestellt werden, was für eine Vorschrift wie § 2065 BGB nicht praktikabel sei, und zweitens wäre der einheitliche Vertrag unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob es um das unzweifelhaft schuldrechtliche Grundgeschäft oder um die Fremdklausel gehe.528 Die Erkenntnis, dass die Benennung oder Ersetzung des Bezugsberechtigten kein höchstpersönliches Geschäft des Versicherungsnehmers ist, lässt sich auf andere Verträge zugunsten Dritter verallgemeinern. Sie wird dort nur seltener thematisiert.529

cc) Bestimmung des Vertragsübernehmers Ferner ist anerkannt, dass einer Partei in einem Vertrag das Recht eingeräumt werden kann, einen Dritten zu benennen, der in ihre Vertragsstellung eintreten soll.530 Dabei handelt es sich nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter.531 Vielmehr vereinbaren darin der Berechtigte und der Dritte eine Vertragsübernahme, Hasse, VersR 2005, 15, 29; Bayer, S. 264 f. m.w.N.; Ponath, ZEV 2006, 242, 244 f. – Zum Pfändungsschutz bei bestimmten Lebensversicherungen siehe § 851c ZPO sowie Ponath, ZEV 2006, 242, 243 f. 526  Vgl. zu dieser Bedeutung von Lebensversicherungen Petersen, AcP 204 (2004), 832, 841; M. Harder, S. 138 m.w.N.; E. Lorenz, FS Farny, S. 351; ablehnend Windel, S. 29 ff. mit zahlreichen Nachw. (Versorgung muss nicht Motiv des Zuwendenden sein, zumal Kapitallebensversicherungen rechtstatsächlich häufig zur Bildung von Vermögen über das zur Versorgung Notwendige hinaus verwendet werden, und tritt zudem in Widerstreit mit Interessen der Nachlassgläubiger). Bei gemischten Lebensversicherungen, die zu einer Auszahlung an den Versicherungsnehmer im Erlebensfall und an einen Dritten im Todesfall führt, lässt sich zumindest für die Todesfallkomponente ein Versorgungscharakter annehmen, vgl. Hasse, VersR 2005, 1176 (abschwächend auf S. 1178, falls Bezugsberechtigung widerruflich). 527  Windel, S. 440; Lange/Kuchinke, S. 768 (§ 33 V 2 b); a.A. noch Lange/Kuchinke, 3. Auflage, S. 546 (§ 31 IV 3 e), allerdings mit den Erleichterungen der §§ 2151 ff. BGB, da nicht die Erbeinsetzung, sondern das Vermächtnis die entsprechende Rechtsfigur im Erbrecht sei. 528  Windel, S. 440. 529  Siehe aber z.B. Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 74; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 482 Fn. 57 (§ 20 III 3 a), S. 488 Fn. 82 (§ 20 III 4 e). Generell zur Pfändbarkeit des Widerrufsrechts beim Vertrag zugunsten Dritter Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 328 Rn. 35; Staudinger/ Jagmann, § 328 Rn. 74. 530  Siehe z.B. BGH v. 22.12.1982 NJW 1983, 1543 (Grundstückskaufvertrag zugunsten einer von dem als Treuhänder auftretenden Käufer noch zu benennenden Person). 531 Staudinger/Jagmann, Vorbem zu §§ 328 ff Rn. 41; Münch­Komm-­BGB/P. Gottwald, § 328 Rn. 18; Moschel, JR 1952, 311 ff. (mit – nicht ganz passendem – Verweis auf die Art. 1401– 1405 des italienischen Codice civile zum contratto per persona da nominare).

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

in die der Vertragspartner bereits eingewilligt hat.532 Gesetzlich geregelt ist das in § 651b BGB für die „Ersetzungsbefugnis“533 des Reisenden, bis zum Reisebeginn einen Dritten in seine Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintreten zu lassen.534 In seiner Auswahlbefugnis ist der Reisende grundsätzlich frei, jedoch hat der Reiseveranstalter ein Widerspruchsrecht, wenn die Ersatzperson den besonderen Reiseerfordernissen nicht genügt oder ihrer Teilnahme gesetzliche Vorschriften oder behördliche Anordnungen entgegenstehen (§ 651b Abs. 1 S. 2 BGB).535 Aufgrund dieser speziellen Vorschrift ist ein Rückgriff auf § 315 BGB entbehrlich – und wird in diesem Zusammenhang auch nicht erörtert. Eine entsprechende Konzeptualisierung wäre jedoch möglich. Ganz generell muss der Reisende bei Buchung einer Pauschalreise noch nicht die Namen der Personen, die die Reise antreten werden, nennen, sondern kann sich die Benennung für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten.536 Praktisch wird das etwa, wenn jemand eine Reise bucht, die er als Gewinn in einem Preisausschreiben oder als Prämie („Incentive-Reise“) Dritten zuwenden möchte.537 Von diesem Grundsatz ist es nur ein kleiner Schritt zur Personenbestimmung durch einen Dritten: Es mag etwa die Teilnahme an der Reise dem Gewinner eines Preisausschreibens (§ 661 BGB) versprochen und die Entscheidung über den Gewinner einem Dritten als Preisrichter überlassen sein.

532  Pieper, S. 201 ff.; Noltenius, S. 41 f.; Moschel, JR 1952, 311, 312 f. Zur Möglichkeit einer Zustimmung im Voraus Palandt/Grüneberg, § 398 Rn. 42. 533  Tonner, § 651b Rn. 1. 534  Die Vorschrift betrifft nach heutiger Ansicht einen Fall der Vertragsübernahme, Staudinger/A. Staudinger, § 651b Rn. 18; Tonner, § 651b Rn. 4; Führich, Rn. 185; zur Rechtslage nach § 651b BGB a.F. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 466 (§ 20 I 1) sowie Seidel, S. 14 ff. m.w.N. (streitig, ob Vertrag zugunsten Dritter oder Vertragsübernahme) – Die praktische Bedeutung dieser Norm ist umstritten, jedenfalls existieren kaum veröffentlichte Entscheidungen, vgl. Führich, Rn. 184 („in der gerichtlichen Praxis keine Bedeutung“); Tonner, § 651b Rn. 1 (aus geringer Zahl von Entscheidungen sollte nicht auf fehlende Bedeutung geschlossen werden). – Nach Führich, Rn. 186 beruht der Wechsel des Vertragspartners auf einem Gestaltungsrecht des Reisenden. Es ist jedoch streitig, ob eine Vertragsübernahme vertraglich zu vereinbaren ist, zum Streitstand Staudinger/A. Staudinger, § 651b Rn. 19 mit Nachweisen. 535  Für Beispiele siehe Staudinger/A. Staudinger, § 651b Rn. 10 ff. m.w.N.; Tonner, § 651b Rn. 6 f.; Führich, Rn. 188 ff. 536  Zum Fall des vertraglich vorbehaltenen Rechts zur Vertragsübertragung auf einen Dritten siehe Staudinger/A. Staudinger, § 651b Rn. 1. 537  Dazu BGH v. 16.4.2002 NJW 2002, 2238; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 211; Führich, Rn. 88f, 92, 120 f.; Tonner, § 651a Rn. 33 ff.; Niehuus, § 3 Rn. 99. Der BGH ließ in seiner Entscheidung offen, ob es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt; Führich (Rn. 120) und Tonner (§ 651a Rn. 35) bejahen dies.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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dd) Qualitative Unterschiede zwischen Vertragsrecht und Erbrecht Im Ergebnis erscheint somit die Bestimmung einer Person durch einen Dritten auch im Vertragsrecht möglich. Ein Unterschied zur Erbenbestimmung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Universalsukzession durch den Erben als Persönlichkeitsfortsetzung gedeutet werden müsste. Die Bestimmung desjenigen, der die Persönlichkeit eines Verstorbenen fortsetzen möge, wäre dann ein qualitativ anderer Akt als die Bestimmung des Ersatzreisenden bei einer Pauschalreise. Wer so argumentiert, stellt sich in die Tradition einer Sichtweise auf das Erbrecht, die im 19. Jahrhundert Konjunktur hatte, aber im Zivilrecht538 heute weitgehend als überholt gilt.539 Der Gedanke der Persönlichkeitsfortsetzung beschäftigte zwar den BGB-Gesetzgeber, fand aber keinen sichtbaren Niederschlag im Gesetz.540 Unter der Geltung des BGB wird er weder zur Erklärung des Erbrechts insgesamt noch zur Lösung von Einzelfragen der Universalsukzession benötigt.541

ee) Kriterien zur Bestimmung einer Person Schließlich bleibt jedoch zu untersuchen, ob die Auswahl einer Person anders als die Bestimmung einer Leistung nicht den Dritten und erst recht ein Gericht regelmäßig überfordern müsste. Die Bestimmung einer Person, sei es nun des Anspruchsinhabers bei der Auslobung oder dem Vertrag zugunsten Dritter, sei es des Erben, könnte auch deshalb soviel schwieriger erscheinen als die Bestimmung einer Vertragsleistung, weil für letztere fast immer Kriterien wie das Äquivalenzverhältnis, die jeweiligen Parteiinteressen oder der Vertragszweck greifbar sind, anhand derer die Leistung festgelegt werden kann. Für die Wahl einer Person müssten derartige Kriterien im Schuldrecht erst noch gefunden werden. Nach welchem Gesichtspunkt ist etwa zu entscheiden, ob die Ehefrau des Versicherungsnehmers oder eines seiner Kinder, gegebenenfalls welches, bezugsberechtigt sein soll? Erst recht gibt das Erbrecht, wo der Erblasser bis zu den Grenzen des Pflichtteilsrechts und des § 138 BGB nach Belieben diskriminieren darf,542 keinerlei Kriterien vor. Wo-

538  Anders im Steuerrecht und in der grundrechtlichen Diskussion, vgl. Windel, S. 199 ff. m.w.N. 539  Ausführliche Darstellungen bei Staudinger/Boehmer, 11. Auflage, Einl § 4 Rn. 6 f., § 1922 Rn. 99 ff.; Windel, S. 195 ff.; Goebel, S. 63 ff., alle mit zahlreichen Nachweisen. 540  Windel, S. 195 mit Nachw. 541 Siehe Windel, S. 195 ff. (der allerdings S. 204 ff. insofern Reste einer personalen Komponente sieht, als der Erbe die Person des Erblassers ersetzt, wie sich etwa in der Erbenhaftung zeige); Goebel, S. 63 ff. 542  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 349; BVerfG v. 21.2.2000 NJW 2000, 2495; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 2064–2086 Rn. 144; Muscheler, Erbrecht, Rn. 224 ff., 337; Meyer-Pritzl, FS Reuter, S. 214 ff.; Kroppenberg, JZ 2011, 97, 98; a.A. J. Neuner, JZ 2003, 57,

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

nach soll etwa der Leiter eines Waisenhauses bestimmen, welche zehn Bewohner eine Zuwendung von je 10.000 DM aus dem Nachlass des Erlassers erhalten sollen?543 Allerdings machen diese Schwierigkeiten die Aufgabe des Dritten nicht unlösbar. Kriterien sind schließlich nur dann erforderlich, wenn verlangt wird, der Dritte möge seine Bestimmung nach billigem Ermessen vornehmen. Denn dann braucht er in der Tat einen Maßstab, an dem er seine Entscheidung ausrichten kann; er muss wissen, welche Umstände er in seine Entscheidung einzustellen hat. In manchen Fällen wird der Dritte über Anhaltspunkte verfügen. Bei der Verteilungsentscheidung nach § 660 BGB gibt beispielsweise das Gesetz vor, dass sich die Verteilung an dem Anteil eines jeden Bewerbers um die Belohnung an dem Erfolg auszurichten hat. Der Dritte muss folglich das Gewicht und die Bedeutung jedes Mitwirkungsbeitrags einschätzen und die einzelnen Beiträge gegeneinander abwägen.544 Auch aus dem Zweck der Delegation können sich Kriterien ergeben: Augenscheinlich wird das im Fall des frühzeitigen Unternehmer­testaments, wenn es dem Erblasser darum geht, den am besten geeigneten Nachfolger zu finden.545 Welche Folgen es hat, wenn nun ausreichende Kriterien fehlen, lässt sich in Anlehnung an die zur Leistungsbestimmung gefundenen Grundsätze beantworten. Nach billigem Ermessen muss der Dritte nur „im Zweifel“ (§ 317 Abs. 1 BGB) entscheiden. Das heißt, dass eine Delegation ohne hinreichende Entscheidungskriterien nicht notwendig die Unwirksamkeit des Übertragungsakts zur Folge hat. Dass die Parteien – wie in der Regel546 – keine Kriterien angegeben haben, sich aber auch keine Kriterien im Wege der Auslegung ermitteln lassen, kann auch bedeuten, dass die Parteien dem Dritten gänzlich freie Hand lassen und ihm eine Entscheidung nach freiem Belieben ermöglichen wollten.547 Eine Entscheidung nach freiem Belieben kann der Dritte bis an die üblichen Grenzen der Privatautonomie (§§ 134, 138 BGB) auch nach subjektiven Vorlieben treffen. Damit mag dann auf dem Dritten eine besonders große Verantwortung lasten; seine Aufgabe wird aber in gewisser Hinsicht sogar einfacher. Für die Bestimmung einer Person kann sich der Maßstab des freien Beliebens sogar häufig anbieten:548 Dem Frachtführer ist gleichgültig, an wen die Sendung 63. Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot findet nach § 19 Abs. 4 AGG ausdrücklich keine Anwendung auf erbrechtliche Schuldverhältnisse. 543  Siehe den Sachverhalt von BayObLG v. 2.12.1997 NJW-RR 1998, 727. 544  Vgl. nur Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 15. – Die Vorschrift beruht auf der Erkenntnis, dass eine Teilung nach Kopfteilen wie in § 659 BGB nicht immer angemessen wäre, vgl. HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 27 mit Nachweisen. 545  Siehe bereits oben § 5 A.IV.3.b) (S. 335 ff.). 546 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 309. 547  Siehe oben § 4 C.I.3. (S. 208 ff.). 548  Raab, S. 48 f. geht offenbar davon aus, dass in der Regel die Bestimmung des Drittbegünstigten nach freiem Belieben zu geschehen habe, es sei denn, in der Vereinbarung werden Kriterien für die Auswahl der Person festgelegt.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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umdirigiert wird; gegen eine Weisung, die seine Interessen beeinträchtigt, ist er durch ein Weigerungsrecht und einen Ausgleichsanspruch (§ 418 Abs. 1 S. 3, 4 HGB) geschützt. Auch der Reiseveranstalter hat kein Interesse daran, an welche Person er seine Leistung erbringen soll; in besonderen Fällen schützen ihn sein Widerspruchsrecht sowie der Anspruch auf Ersatz der durch die Ersetzung entstehenden Mehrkosten nach § 651b Abs. 1 S. 2 BGB.549 Ebensowenig ist erkennbar, warum eine Bestimmung des Bezugsberechtigten nach freiem Belieben den Versicherer belasten sollte, sofern die allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138 BGB gewahrt bleiben.550 Das freie Belieben würde auch dem Maßstab entsprechen, den der Erblasser selbst anzuwenden hätte. Wenn er nach Belieben entscheiden kann, ist nicht ersichtlich, weshalb er eine derartige Entscheidung nicht auch einem Dritten aufgeben kann. Ein Interessenausgleich zwischen zwei Vertragspartnern, der im Vertragsrecht die Zweifelsregel zugunsten des billigen Ermessens erklärt, muss im Erbrecht nicht hergestellt werden.551 Nur wo die Delegation ergibt, dass eine Entscheidung nach freiem Belieben nicht interessengerecht ist, muss das Fehlen von Entscheidungskriterien die Unzulässigkeit einer Übertragung zur Folge haben. Der Maßstab des freien Beliebens hat freilich zwei weitere Folgen: Ein Gericht kann erstens nur die Einhaltung der allgemeinen Grenzen (§§ 134, 138 BGB) sowie, sofern vorhanden, die Beachtung besonderer Grenzen überprüfen. Und zweitens muss eine gerichtliche Ersetzung der Entscheidung in der Regel ganz ausscheiden, denn ein Gericht kann nicht nach freiem Belieben entscheiden.552

c) Zwischenergebnis Die Gegenüberstellung von vertragsrechtlicher Leistungsbestimmung durch einen Dritten und Erbenbestimmung hat erbracht, dass keine strukturellen Unterschiede bestehen, die einer Erstreckung der §§ 317 ff. BGB entgegenstehen würden. Auch die Bestimmung einer Person kann einem Dritten übertragen werden. Oftmals wird ihm dafür der Maßstab des freien Beliebens eingeräumt sein.

2. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Kontrolle Entsteht über eine Verfügung von Todes wegen nach dem Erbfall Streit über den Erblasserwillen, besteht ein wesentlicher Unterschied zu Rechtsgeschäften unter Lebenden: Der Erblasser als der „einzige klassische Zeuge, den es in dieser 549  Zur Vergleichbarkeit dieser Zumutbarkeitsgrenzen nach Funktion und Zweck Noltenius, S. 65. Diese besonderen Grenzen des Entscheidungsspielraums könnten auch erklären, weshalb in der Diskussion kaum auf die §§ 315 ff. BGB rekurriert wird. 550  Zu den Grenzen des Bestimmungsrechts MünchKomm-VVG/Heiss, § 159 Rn. 18 ff. 551  Siehe oben § 4 C.I.2.d) (S. 204 ff.). 552  Dazu unten § 14 Fn. 274.

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Sache geben kann“553 kann nicht mehr befragt werden. Ähnlich ließe sich auch gegen eine Delegation der Erbenbestimmung einwenden, dass bei der Drittbestimmung unter Lebenden die delegierenden Vertragsparteien als vornehmlich an der Bestimmung Interessierte grundsätzlich in der Lage sind zu kontrollieren, ob die Bestimmungsbefugnis in ihrem Sinne ausgeübt wurde. Der Erblasser, der die Erbenbestimmung delegiert, steht nach dem Erbfall für eine derartige Kontrolle nicht mehr zur Verfügung. Dient das Drittbestimmungsverbot damit auch dem Schutz vor „unkontrollierter Macht“ des Dritten?554

a) Schutz der Erbaspiranten, nicht des Erblassers Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst zu überlegen, wer vor dieser Macht zu schützen ist. Der Erblasser jedenfalls ist nicht (mehr) schutzbedürftig.555 Denn erstens kann er nach seinem Tod ohnehin keine schutzwürdigen Interessen mehr haben. Er existiert nicht mehr als Träger von Rechten und Pflichten. Selbst wenn er Anordnungen getroffen hat, um die Macht des Dritten zu zügeln, kann ihn ein Verstoß gegen diese Anordnungen nicht mehr in seinen Interessen betreffen.556 Das bestätigen die Regeln zur Testamentsanfechtung. Zwar wollen die §§ 2078 ff. BGB die Fehlerfreiheit des Erblasserwillens gewährleisten. Jedoch verfolgen sie dieses Ziel nicht im Interesse des Erblassers, sondern derjenigen, denen ein Wegfall der Verfügung nutzen würde und die § 2080 BGB deshalb zu Anfechtungsberechtigten macht.557 Zweitens hat der Erblasser die Bestimmungsbefugnis ja gerade in dem Bewusstsein geschaffen, dass sie erst nach seinem Tod Wirkungen entfalten soll. Dass er selbst nicht mehr kontrol553  Kipp/Coing, S. 126 (§ 19 II 1) (im Zusammenhang mit dem Formzwang); R. Zimmermann, Quos, S. 30. 554  Dafür Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 55, der allerdings konzediert, dass in engen Grenzen eine Delegation zulässig ist; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169; ähnlich Soergel/Loritz, § 2064 Rn. 2; Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3), 549 Fn. 42 (§ 27 I 8). Siehe bereits oben § 5 B.I.5. (S. 369 ff.). 555  Mit seinem Schutz operieren aber Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3), 549 Fn. 42 (§ 27 I 8) und Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169. Auf die „Ausübung unkontrollierter Macht über das Vermögen des Erblassers“ argumentiert Staudinger/Otte, Einleitung zum Erbrecht Rn. 55 (Hervorhebung hinzugefügt). 556  Damit steht nicht in Widerspruch, dass die Auslegung des Testaments das Ziel hat, auch postmortal den Willen des Erblassers zu ermitteln. 557  Vgl. statt vieler Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2078 Rn. 1 ff. (Schutz der Willensfreiheit des Erblassers nur mittelbar); Soergel/Loritz, § 2078 Rn. 1; NK-BGB/Fleindl, § 2078 Rn. 4 f.; Schlüter, Rn. 227; Röthel, Solidaritätskonzept, S. 94; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 30. Anders (stärkere Berücksichtigung des Erblasserwillens) Staudinger/Otte, § 2078 Rn. 5; Lange/Kuchinke, S. 857 Fn. 117 (§ 36 V 3); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 230; Flume, AT II, S. 430 (§ 21, 10); Singer, S. 221. Ebenfalls anders (auf der Grundlage seiner Deutung der Testierfreiheit als Persönlichkeitsrecht) Goebel, S. 281 ff. Die von Harke, JZ 2004, 180 ff. angenommene Anfechtungsmöglichkeit des geschäftsunfähig gewordenen und damit nicht mehr zum Widerruf fähigen Erblassers stellt die hier zugrunde gelegte Position nicht in Frage, da es Harke nur um einen Schutz des Erblassers zu Lebzeiten geht.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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lieren kann, wie sein Wille ergänzt wird, hat er damit sehenden Auges in Kauf genommen. Vor unkontrollierter Macht könnten damit allenfalls diejenigen zu schützen sein, die den Erblasser überleben und bei Unverbindlichkeit der Bestimmung selbst zum Zuge gekommen wären, d.h. einerseits seine gesetzlichen Erben, andererseits potentiell vom Dritten benannte Zuwendungsempfänger, wobei sich beide Gruppen auch überschneiden oder decken können.558 Es sind also diese (potentiell, d.h. bei Vornahme einer „ordnungsgemäßen“ Bestimmung) Wegfallbegünstigten, die von der Ausübung der Bestimmungsbefugnis nachteilig in ihren Interessen betroffen sein können. Gestützt wird diese Sichtweise zum einen von § 2194 BGB. Auch der Vollziehungsberechtigte bei der Auflage dient allenfalls mittelbar dem Erblasserwillen. Zwar wird er in den Materialien sinngemäß als Wächter über die Ausführung des letzten Willens umschrieben.559 Die in § 2194 BGB genannten Personen erschienen dem Gesetzgeber aufgrund ihrer Nähe zum Erblasser besonders geeignet;560 darauf, wer nun letztlich die Vollziehung der Auflage durchsetzt, komme es dem Erblasser nicht an.561 Wirklich erforderlich ist der Vollziehungsberechtigte aber im Interesse des von der Auflage Begünstigten, der selbst keinen Anspruch auf Vollziehung der Auflage hat.562 Der Vollziehungsberechtigte hat eine treuhänderische Funktion zugunsten des Zwecks der Auflage;563 die Vorschrift stellt die Durchsetzbarkeit der auferlegten Leistung sicher.564 Wäre dies nicht das vorrangige Motiv der Vorschrift, wäre es erstens unverständlich, warum die zuständige Behörde nur bei Auflagenzwecken, die im öffentlichen Interesse liegen, und nicht stets die Vollziehung verlangen kann. Zweitens wäre nicht ersichtlich, warum dem Erblasser hier, aber nicht in anderen Fällen mit der gesetzlichen „Einsetzung“ eines Vollstreckers geholfen wird, wenn er es versäumt hat, Testamentsvollstreckung anzuordnen. Zum anderen lässt sich auch eine Parallele zu der Verteilungsentscheidung nach § 660 BGB ziehen. Beteiligt an einem Streit um die Verbindlichkeit des Verteilungsplans sind nur die Prätendenten um die ausgelobte Prämie, nicht der 558 

Siehe den Kreis der potentiellen Beteiligten im Nachlassverfahren nach § 345 FamFG. Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 641. 560  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 113; Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 641. Bei den in der Vorschrift ebenfalls genannten Personen, denen der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde, dürfte noch ein weiteres Motiv eine Rolle spielen, das der Gesetzgeber mit der Formulierung „gewisses Interesse“ andeutet: „Pietät, zumindest aber die Mißgunst“ (Lange/Kuchinke, S. 660 [§ 30 III 3 a]). 561  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 641. 562  Zum Zweck des § 2194 siehe nur Staudinger/Otte, § 2194 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/ Rudy, § 2194 Rn. 1; Erman/M. Schmidt, § 2194 Rn. 1; NK-BGB/J. Mayer, § 2194 Rn. 1, 12. 563  Kipp/Coing, S. 362 (§ 64 III 4). 564 Erman/M. Schmidt, § 2194 Rn. 1. Unklar J. Mayer, ZEV 2004, 333, der einerseits von der treuhänderischen Funktion und Fremdnützigkeit des Anspruchs spricht, andererseits aber auf die Verwirklichung des Erblasserwillens abstellt. Wie J. Mayer R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 9 Rn. 119. 559 

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Auslobende selbst und auch nicht ein von ihm eingesetzter Preisrichter.565 Die Entscheidung eines von ihm eingesetzten Preisgerichts ist für den Auslobenden verbindlich.566 Das Interesse des Auslobenden erschöpft sich in der Vornahme der Handlung, für die er eine Belohnung ausgesetzt hat. Vor einer offenbar unbilligen Verteilung ist er nicht zu schützen. Wenn nun grundsätzlich im Rahmen der Erbenbestimmung Schutzinteressen Übergangener bestehen können, fragt sich dennoch, worin diese Schutzinteressen begründet sind und was aus ihnen folgt. Vor einer unkontrollierten Machtausübung des Erblassers selbst wären die Erbprätendenten nämlich nicht geschützt. Er dürfte in den Grenzen des § 138 BGB nach Belieben bevorzugen und zurücksetzen. Dies ist gerade ein Wesensmerkmal der Testierfreiheit.567 Es ist damit begründungsbedürftig, wenn vor der Machtausübung eines Dritten Schutz gewährt werden soll. Schutzwürdig erscheinen die Interessen der Prätendenten nur dann, wenn der Erblasser selbst dem Dritten bestimmte Richtlinien oder Vorgaben mit auf den Weg gegeben hat. Denn damit bringt der Erblasser zum Ausdruck, dass er sein Vermögen nicht nach Belieben, sondern nach diesen Richtlinien oder Vorgaben verteilt sehen will. Bestünde hier kein Mechanismus, um vor einer Missachtung der Vorgaben zu schützen, wäre es in der Tat problematisch, eine Delegation zuzulassen. Die fehlende Kontrollmöglichkeit müsste dann schon zu einer Einschränkung der Delegation auf der Stufe der Zulässigkeit führen.

b) Verwirklichung des Schutzes Das Gesetz sieht keinen Schutzmechanismus vor. Das ist angesichts der Normierung des Drittbestimmungsverbots auch wenig überraschend; Vorschriften zur Kontrolle einer Drittentscheidung wären schlicht überflüssig. Doch heißt das nicht, dass ein Schutzmechanismus nicht vorstellbar wäre. In den Fällen, in denen ausnahmsweise eine Delegation der Erbenbestimmung zugelassen wird, denken manche Autoren weiter und diskutieren gerade derartige Mechanismen: Vorgeschlagen wird insbesondere die analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB.568 Im Höferecht soll eine „dem mutmaßlichen Erblasserwillen of565 

Siehe oben Fn. 499. Zum Preisausschreiben HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 39. 567  Siehe oben Fn. 542. 568 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39 (entsprechend seinem Ansatz, nur die – ggf. wertende – Feststellung des Erben durch den Schiedsgutachter zuzulassen); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 31; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 32 (zweifelnd, ob darüber hinaus noch Raum für § 138 BGB bleibt); Großfeld, JZ 1968, 113, 121. Streitig ist dabei, ob das Gericht nicht nur die Bestimmung des Dritten kassieren, sondern selbst den Erben bestimmen darf. Für Ersatzbestimmung: Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39 (Feststellung kann auch ein Gericht treffen); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 31; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 32; Lange/Kuchinke, S. 545 (§ 27 I 5). Für 566 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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fenkundig widersprechende Bestimmung“569 über § 138 BGB hinaus unwirksam sein.570 Wenn die analoge Anwendung der schuldrechtlichen Regeln einen funktionsfähigen Kontrollmechanismus zugunsten möglicherweise zu Unrecht zurückgesetzter Erbaspiranten darstellt, kann von „unkontrollierter Macht“ des Dritten keine Rede mehr sein. Ein Grund gegen die Zulassung der Drittbestimmung lässt sich daraus dann nicht mehr entnehmen. Verstärkend ist noch auf die anderen Fälle der erbrechtlichen Drittbestimmung hinzuweisen. Der Dritte im Rahmen der §§ 2151 ff. BGB hat ebenfalls eine gewisse Macht über das Vermögen des Erblassers. In § 2156 BGB wird ausdrücklich auf die §§ 315–319 BGB und damit auch auf die entsprechenden Vorschriften zu einer gerichtlichen Überprüfung verwiesen. In § 2151 BGB hat der Gesetzgeber sogar eine Drittbestimmung zugelassen, ohne die Kontrolle der Drittbestimmung unmittelbar mit einer eigenen Regelung zu bedenken.571 Im Gegenteil schien ihm die Unanfechtbarkeit der Bestimmung, unabhängig vom Entscheidungsmaßstab des Dritten, sogar die sachgerechte und mit dem Willen des Erblassers regelmäßig in Einklang stehende Lösung.572 Es ließe sich zudem argumentieren, dass die Beschränkung des § 2151 BGB auf einen umgrenzten Personenkreis mittelbar vor unkontrollierter Macht des Dritten schützt. Funktional wäre diese Tatbestandsvoraussetzung somit ein Kontrollmechanismus. Das unterstreicht die Vielfalt möglicher Regeln zur Kontrolle einer Drittentscheidung und widerlegt zugleich das Bedürfnis nach einer Einschränkung schon auf Ebene der Zulässigkeit.

3. Wechselwirkung von Zulässigkeit und Verfahren a) Verfahrensfragen rund um eine Drittbestimmung des Erben Der BGB-Gesetzgeber ließ sich bei seiner Entscheidung für das drittbestimmte Vermächtnis, aber gegen die Erbenbestimmung durch einen Dritten, wie gesehen, nicht von einer „streng persönlichen Natur des Testirrechts“573, sondern vor allem von formellen Gesichtspunkten leiten.574 Kurz zusammengefasst: bloße Kassation, wegen der „besonderen erbrechtlichen Natur“ der Tätigkeit des Dritten: Großfeld, JZ 1968, 113, 121. 569  Wöhrmann, § 14 HöfeO Rn. 86. 570  Offenbar enger Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, § 14 HöfeO Rn. 102 (nur Verstoß gegen §§ 226, 138 BGB führt zur Unwirksamkeit). 571  Mit der Folge, dass die Kontrolle einer Drittbestimmung der Person des Vermächtnisnehmers kontrovers diskutiert wird, vgl. Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9 m.w.N. und unten § 14 B.II.3.b) (S. 662 ff.). 572  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 527. 573  So noch v. Schmitt, Bd. I, S. 239. Windel, S. 237 mit Fn. 158 liest daraus, dass sich v. Schmitt noch der materialen Bedeutung der in § 2065 Abs. 2 BGB enthaltenen Regel bewusst war. 574  Siehe oben § 5 A.V.1. (S. 342 ff.).

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Wird der vom Dritten ausgewählte Erbe Nacherbe nach den gesetzlichen Erben oder – in heutiger Terminologie – Vollerbe?575 Wie ist der Schwebezustand bis zur Bestimmung zu regeln, der wegen der Außenwirkung der Erbenstellung für Nachlassgläubiger und Nachlassschuldner „besonders mißlich“ ist?576 Wem gegenüber ist die Bestimmungserklärung abzugeben? Ist sie widerruflich? In welchem Zeitraum?577 Was gilt, wenn die Bestimmung ausbleibt?578 Zu diesen vom Gesetzgeber angesprochenen Verfahrensfragen kommen weitere hinzu: Ist die Bestimmungserklärung form‑ oder fristgebunden?579 Diese Auflistung formeller Schwierigkeiten unterstreicht die Wechselbeziehung zwischen der Zulässigkeit einer Delegation und der für eine Drittentscheidung geltenden Verfahrensregeln. Die scheinbar übergroßen und nur mit „verwickelten Vorschriften“580 in den Griff zu bekommenden Schwierigkeiten veranlassten den Gesetzgeber, bereits auf der Ebene der Zulässigkeit einzugreifen und eine Delegation der Erbenbestimmung zu verbieten. Zwanglos ergibt sich daraus auch, weshalb eine Delegation der Bestimmung des Vermächtnisnehmers zulässig ist: Dort glaubte der Gesetzgeber, die Probleme wegen der fehlenden Außenwirkung des Vermächtnisses bewältigen zu können.581 Wer die Privatautonomie in möglichst weitem Umfang zulassen will, muss eine Beschränkung auf der Ebene der Zulässigkeit einer Delegation als stärkste Form des Eingriffs begreifen. Wiegen die Verfahrensprobleme so schwer, dass sie diesen Eingriff rechtfertigen, oder wäre eine Lösung auf der Ebene des Verfahrens der Drittbestimmung möglich? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Welche Schlussfolgerungen aus ihrer Beantwortung de lege lata wie auch de lege ferenda gezogen werden können, ist im Anschluss zu klären. Bei näherer Betrachtung lassen sich die genannten formellen Schwierigkeiten in zwei Gruppen unterteilen: Die eine Gruppe umfasst Verfahrensfragen, die jeder Drittbestimmung innewohnen. Ob die Erklärung einer bestimmten Form unterworfen ist, ob für ihre Abgabe eine bestimmte Frist gilt, ob sie widerruflich sein kann, wer Adressat der Bestimmung ist, all das sind Fragen, die sich bei jeder Drittbestimmung stellen, und zwar im Erbrecht wie im Schuldrecht. Der anderen Gruppe gehören diejenigen Verfahrensfragen an, die erbrechtsspezifisch sind. Dies gilt für die Frage nach dem Schwebezustand bis zur Bestimmung und, damit zusammenhängend, nach den Folgen eines Ausbleibens der Bestimmung. In einem relativen Schuldverhältnis sind nur die Parteien an 575 

Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. Siehe auch schon v. Schmitt I, S. 240 (Schwebezustand aufgrund einer Drittbestimmung des Erben unverträglich um der „Ordnung der Verlassenschaft“ und „Befriedigung der Erbschaftsgläubiger“ willen). 577  Zu diesen drei Punkten Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 19. 578  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 19. 579 Dazu Großfeld, JZ 1968, 113, 115. 580  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 19. 581  Siehe oben § 5 A.V.1. (S. 343). 576 

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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der Vornahme der Bestimmung und an der Regelung bis zur Vornahme der Bestimmung interessiert. Im Erbrecht hingegen ist zumindest die Position des Erben als von selbst erwerbendem Gesamtrechtsnachfolger nicht nur für die potentiellen Erben von Bedeutung, sondern auch für Dritte. Die §§ 317 ff. BGB können sich deshalb darauf beschränken, Regeln für das Ausbleiben der Bestimmung vorzusehen. Im Erbrecht hingegen erscheint – zumindest für die Bestimmung des Erben – auch die Rechtslage bis zur Vornahme der Bestimmung regelungsbedürftig. Wenn diese erbrechtsspezifischen Verfahrensprobleme das geltende Recht vor erhebliche Schwierigkeiten stellen sollten, würde die Entscheidung des Gesetzgebers, schon die Zulässigkeit einer Delegation zu beschränken, vertretbar erscheinen.

b) Das praktische Problem: Ein langer Schwebezustand In der Tat greifen mehrere Autoren die verfahrensmäßigen Bedenken wegen des Schwebezustands auf und sehen darin allein582 oder jedenfalls auch583 den Grund für ein Drittbestimmungsverbot des § 2065 Abs. 2 BGB gerade bei der Erbeinsetzung. Um die Problematik angemessen zu erfassen, ist es wichtig zu betonen, dass dieser Schwebezustand unter Umständen von längerer Dauer sein kann, wie das Beispiel des frühzeitigen Unternehmertestaments belegt.584 Wäre eine Entscheidung über die Person des Erben schon kurz nach dem Erbfall möglich, so spricht viel dafür, dass der Erblasser selbst die Entscheidung hätte treffen können. Da anzunehmen ist, dass der Unternehmer-Erblasser seine Nachfolge selbst regelt, wenn ihm eine Entscheidung darüber möglich ist,585 kann zugleich vermutet werden, dass regelmäßig erst einige Zeit vergehen muss, bis der Dritte den Nachfolger bestimmen kann. Insbesondere dürfte dieser Zeitraum länger sein als die Ausschlagungsfristen des § 1944 BGB. Diese Feststellung ist deshalb bedeutsam, weil im Schrifttum verschiedentlich die Vorschriften über Anfall, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft als Beispiel für einen vom Gesetzgeber in Kauf genommenen Schwebezustand ins Feld geführt werden.586 Der Schwebezustand bis zur Bestimmung des Erben dürfte zumin582 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 1; K.W. Lange, Kap. 6 Rn. 11; Helms, ZEV 2007, 1, 6; Vogels, DR 1939, 310. 583  Windel, S. 237 (neben der „besonderen personalen Komponente“ der Erbfolge); Lange/ Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3) (neben der „im Kern unverzichtbaren Privatautonomie“ und der Missbrauchsgefahr). 584 Vgl. Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200; Frey, S. 106; Sünner, S. 77 f. 585  Z.B. durch regelmäßige Überprüfung seiner letztwilligen Verfügung. 586  Siehe etwa R. Zimmermann, Quos, S. 39 f.; Muscheler, Universalsukzession, S. 43. – Technisch gesehen besteht bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist bzw. bis zur Annahme kein Schwebezustand, da dem Erben die Erbschaft ohne Erfordernis einer Annahme anfällt. Faktisch bleibt aber eine Unsicherheit, da mit der Ausschlagung der Anfall als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Vgl. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1942 Rn. 2 f. (Unterschied zwischen Vonselbsterwerb und Antritts‑ oder Zuweisungserwerb nur rechtstech-

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dest in den Fällen, in denen ein besonders großes Bedürfnis gesehen wird, typischerweise länger andauern als die kurzen Fristen des § 1944 BGB. Deshalb hilft jedenfalls der Vorschlag, den Zeitraum bis zur Vornahme der Entscheidung mit Hilfe einer vom Erblasser oder hilfsweise vom Nachlassgericht zu bestimmenden Frist587 kurz zu halten,588 in den meisten Fällen nicht weiter. Dass der Schwebezustand in einzelnen Fällen auch einmal von kürzerer Dauer sein kann, ändert daran nichts, will man nicht in unlösbare Abgrenzungsfragen eintreten und die Wirksamkeit testamentarischer Anordnungen von der Dauer der zu befürchtenden Ungewissheit für den Rechtsverkehr abhängig machen. Doch auch länger anhaltende Schwebezustände muss die Erbrechtsordnung durchaus aushalten. Eine Unsicherheit über die Person des Erben besteht ganz generell in Fällen, in denen ein Erbe erst noch ermittelt, unter mehreren Testamenten das gültige gefunden oder ein Erbprätendentenstreit entschieden werden muss. Vor allem aber zeigt die Zulassung einer bedingten Erbeinsetzung, dass dem Rechtsverkehr Unsicherheiten und Schwebelagen zugemutet werden können.589

c) Erbanfall zum Zeitpunkt der Bestimmungserklärung Im Idealfall hat der Erblasser selbst eine, dem Testament zumindest im Wege der Auslegung zu entnehmende, Regelung getroffen, was bis zur Bestimmung des endgültigen Zuwendungsempfängers mit seinem Nachlass geschehen soll. In Betracht kommt hierfür – neben der Einsetzung des Bestimmungsbefugten zum Alleinerben590, der dann das Vermögen im Sinne des Erblassers weiterreichen soll – die Anordnung einer Vor‑ und Nacherbschaft.591 Ein Nacheinander zweier Vollerben sieht die Sonderregelung des § 14 Abs. 3 HöfeO für den Fall der Bestimmung des Hoferben durch den Ehegatten des Erblassers vor.592 Der gesetzliche oder vom Erblasser eingesetzte593 Hoferbe nisch); Muscheler, Universalsukzession, S. 242 ff. (Überlegenheit des Vonselbsterwerbs gegenüber Einweisung in die Erbenstellung, Verwaltermodell angelsächsischer Prägung oder Antrittserwerb). 587  Grundlage einer solchen Fristbestimmung könnte eine Analogie zu § 2198 Abs. 2 BGB sein, dafür Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 35; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; a.A. Großfeld, JZ 1968, 113, 121 Fn. 103a (§ 355 BGB a.F. analog). Freilich war die Zweite Kommission vor einer Vorschrift, nach der das Nachlassgericht einem Dritten eine kurze Frist zur Erbenbestimmung setzen könne, zurückgeschreckt, weil es dafür keine Vorbilder gebe, Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528. 588  Muscheler, Erbrecht, Rn. 561. 589 Vgl. R. Zimmermann, Quos, S. 40. Muscheler, Universalsukzession, S. 43 nennt als weiteres Beispiel die Feststellung der Erbunwürdigkeit. 590  Siehe oben Fn. 280 und Fn. 355. 591  Vgl. auch oben § 5 A.II.5. (S. 316 ff.). 592  Wöhrmann, § 14 HöfeO Rn. 81, 93. 593  Vgl. BGH v. 17.3.1966 BGHZ 45, 199; Wöhrmann, § 14 HöfeO Rn. 87 m.w.N.

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verliert seine Stellung zugunsten des vom überlebenden Ehegatten ausgewählten Abkömmlings des Erblassers.594 Diese Spezialregelung muss jedoch auf das Landwirtschaftsrecht beschränkt bleiben. Sie ist von den Vorstellungen und Traditionen der Landwirtschaft geprägt und mag deren Bedürfnissen und Wertungen entsprechen. Die Nachfolge in andere Vermögensbestandteile ist aber zu vielfältig, als dass sie dieser Spezialnorm unterstellt werden könnte,595 zumal sich in jüngerer Zeit die Zweifel an der Legitimierbarkeit ein Sondererbfolge in landwirtschaftliche Betriebe mehren.596 Hinzu kommt, dass außerhalb des Agrarbereichs eine Regelung über die Erhaltung des Nachlasses für den endgültigen Nachfolger oder eine Ausgleichung zwischen ihm und seinem Vorgänger erforderlich wäre, die § 14 Abs. 3 S. 5 HöfeO dem Gericht überantwortet. Selbst wenn das Nacheinander zweier Vollerben deshalb ausnahmsweise einmal dem Erblasserwillen entsprechen sollte, könnte er eine derartige Erbfolge außerhalb von § 14 Abs. 3 HöfeO nicht anordnen. Das Erbrecht des BGB kennt eine gestufte Nachfolge nur in der Form der Vor‑ und Nacherbschaft. Diese wird auch vorliegend zur Lösung vorgeschlagen, und zwar als konstruktive Vorerbschaft nach § 2105 BGB.597 Vorerben sind nach diesem Vorschlag in Ermangelung einer testamentarischen Anordnung die gesetzlichen Erben des Erblassers, Nacherbe ist die vom Dritten ausgewählte Person.598 Diese Vorschrift kommt etwa notwendig zum Zuge im Falle einer bedingten Erbeinsetzung,599 die ein Beispiel für einen Schwebezustand von längerer Dauer abgeben kann. Wäre § 2105 BGB anwendbar, würde damit sowohl die Frage nach der Rechtslage bis zur Abgabe der Bestimmungserklärung als auch die nach der Stellung der ausgewählten Person beantwortet. Auch könnten die Beschränkungen des Vorerben einem Interesse des Erblassers entgegenkommen, den Nachlass möglichst ungeschmälert dem von dem Dritten bestimmten Erben zu erhalten.600 Sofern eine Vor‑ und Nacherbschaft besteht, kann 594 

Verfassungsrechtliche Bedenken deswegen bei Wöhrmann, § 14 HöfeO Rn. 82 m.w.N.

595 Ebenso H. Westermann, FS Möhring, S. 188 f.; Windel, S. 241; Hermann, FamRZ 1995,

1396, 1401 (mit dem weiteren Hinweis auf den beschränkten territorialen Anwendungsbereich der HöfeO). 596  Röthel, Gutachten, S. A32 ff. m.w.N.; Windel, S. 322 f. 597  H. Westermann, FS Möhring, S. 185 Fn. 3; Großfeld, JZ 1968, 113, 115; R. Zimmermann, Quos, S. 39 f. (analoge Anwendung); Muscheler, Universalsukzession, S. 44; Sens, S. 62 ff.; Frey, S. 91 ff., 105. Von den beiden Absätzen des § 2105 BGB dürfte Abs. 2 die Situation eher treffen (so auch Sens, S. 62 ff.), doch kann dies wegen der Identität der Rechtsfolge in beiden Absätzen dahinstehen. 598  Ohne weitere Anhaltspunkte im Testament ist es nur de lege ferenda denkbar, dass die vom Erblasser genannten potentiellen Erben die Vorerbengemeinschaft bilden. Diese Konstruktion würde einem Antrag von Planck in der Ersten Kommission entsprechen, Jakobs/ Schubert, Bd. V/1, S. 831. 599  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2074 Rn. 13; Palandt/Weidlich, § 2074 Rn. 2; Kipp/ Coing, S. 261 (§ 43 III 1). 600  Frey, S. 93, 106.

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das Verstreichen eines längeren Zeitraums bis zur Bestimmung des Erben den § 2065 Abs. 2 BGB nicht rechtfertigen.601 Allerdings stößt eine Anwendung des § 2105 BGB auf Bedenken praktischer wie dogmatischer Art:602 In praktischer Hinsicht ist die konstruktive Vorerbschaft problematisch bei der Fortführung eines Unternehmens, wenn eine in der Entscheidungsfindung schwerfällige und auf Auseinandersetzung ausgelegte Erbengemeinschaft Vorerbin wird.603 Vor allem aber kann sie (trotz der Anrechnungsregel in § 6 Abs. 3 ErbStG) zu misslichen Steuerfolgen führen.604 Aus dogmatischer Sicht dürfte – neben Vorbehalten gegenüber erbrechtlichen Beschränkungen, die deshalb auf einer ausdrücklichen Testierentscheidung beruhen sollten605 – in der Regel ein Widerspruch zum Willen des Erblassers bestehen.606 Der Wille des Erblassers wird nicht darauf gerichtet sein, seine gesetzlichen Erben als Vorerben am Nachlass zu beteiligen.607 Er will kein Nacheinander verschiedener Erben, sondern eine sofortige Vollerbschaft des von dem Dritten Bestimmten.608 Läge ihm an einer Vorerbschaft, würde er den Vorerben wohl selbst einsetzen.609 Erst recht verfehlt ist es, mit der angeblichen, zahlenmäßig nicht belegten Popularität letztwilliger Verfügungen, die dem Vorerben erlauben, anderweitig zu testieren, begründen zu wollen, weshalb eine konstruktive Vorerbschaft dem Erblasserwillen entspricht.610 Denn diese Verfügungen finden auch und gerade deshalb Verbreitung, weil der direkte Weg von § 2065 BGB versperrt wird. Ohnehin ist § 2105 BGB dann unanwendbar, wenn der Bedachte zwar schon konkret vorhanden, aber noch nicht identifi601 

Goebel, DNotZ 2004, 101, 106. Bedenken sprechen im Übrigen auch gegen eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 3 HöfeO. 603  Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200. 604 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 34; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 30; F. Wagner, S. 85 Fn. 113 (der aber von § 6 Abs. 2, nicht Abs. 3 ErbStG ausgeht); allgemein R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 6 Rn. 137 ff., 198. 605  Röthel, JZ 2011, 222, 226. 606 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 34; Sünner, S. 77 Fn. 1; Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 528; a.A. Frey, S. 92 ff. – Dieser Widerspruch wiegt besonders schwer, wenn § 2105 BGB als Ausdruck eines mutmaßlichen Erblasserwillens begriffen wird (vgl. Staudinger/Avenarius, § 2100 Rn. 12, § 2105 Rn. 1 mit Nachweisen zum Streitstand; Münch­Komm-­BGB/Grunsky, § 2105 Rn. 1). 607  Der Erblasser kann aber mit Hilfe von § 2105 BGB keinen herrenlosen Nachlass schaffen, indem er alle gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausschließt (zur grundsätzlichen Beachtlichkeit von § 1938 BGB im Rahmen des § 2105 BGB Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn. 3; Münch­Komm-­BGB/Grunsky, § 2105 Rn. 5). Denn dann würde zwingend der Fiskus (§ 1936 BGB) Vorerbe (v. Lübtow II, S. 876 m.w.N.), wenn nicht die Auslegung des Testaments ein anderes Ergebnis nahelegt, wie z.B. die Vollerbschaft des Nacherben (dazu Münch­Komm-­ BGB/Grunsky, § 2105 Rn. 1; Lange/Kuchinke, S. 576 [§ 28 II 1 d]). 608  Windel, S. 237; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200; a.A. Halding-Hoppenheit, S. 92. 609  Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200. 610  So aber Frey, S. 93. 602  Diese

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ziert ist; dieser Bedachte wird sofort Erbe.611 Zumindest auf der Grundlage der BGH-Ansicht, nach der der Erbe für jedermann objektiv feststellbar ist, liegt der Vergleich mit dem konkret vorhandenen, aber noch nicht identifizierten Bedachten nahe. In dieselbe Richtung weist das Argument, die Anwendung von § 2105 BGB führe zu einer Ungleichbehandlung mit Fällen, in denen sich die Ermittlung des Erben aufgrund zeitaufwendiger und schwieriger Ermittlungen hinzieht.612 Ohne ausdrückliche Anordnung im Testament kann deshalb nicht von einer Vor‑ und Nacherbschaft ausgegangen werden. Daraus folgt zugleich, dass der Verweis auf Schwebezustände infolge einer bedingten Erbeinsetzung nicht den Schwebezustand bis zur Bestimmung des Erben durch einen Dritten legitimieren kann.

d) Erbanfall mit dem Tod des Erblassers Scheidet damit eine gestufte Nachfolge aus, ist die von dem Dritten bestimmte Person mit dem Tod des Erblassers Erbe geworden.613 Darin liegt kein Systembruch.614 Systemwidrig wäre angesichts des Anfall‑ und Ausschlagungsprinzips ein herrenloser Nachlass.615 Ein Nachlass kann weder zunächst von einem Treuhänder verwaltet werden noch besitzt er eine eigene Rechtspersönlichkeit.616 Da aber auch für die Überbrückungszeit die ausgewählte Person als Erbe anzusehen ist,617 ist der Nachlass zu keiner Zeit herrenlos. Zu beantworten bleibt freilich die Frage, wie die Interessen der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen sind und – gerade bei Verstreichen eines längeren Zeitraums bis zur Vornahme der Bestimmung – der Nachlass zu verwalten ist. Hier entscheidet sich die Praxistauglichkeit einer Erbenbestimmung durch einen Dritten. 611 Staudinger/Avenarius, § 2105 Rn. 9; Münch­Komm-­BGB/Grunsky, § 2105 Rn. 3; Palandt/Weidlich, § 2105 Rn. 2. Schulbeispiel ist die Einsetzung des unbekannten Lebensretters. 612  Siehe Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 34. 613  So auch Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 34; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 30. 614  So aber Helms, ZEV 2007, 1, 6; Halding-Hoppenheit, S. 91. Ein Systembruch ergibt sich auch nicht im Hinblick auf § 2103 BGB (so aber F. Wagner, S. 85 Fn. 112). Die ausgewählte Person soll die Erbschaft nach dem Willen des Erblassers nicht, wie von § 2103 BGB gefordert, mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses erhalten, sondern sofort mit dem Erbfall. Eine derartige Anordnung der sofortigen Herausgabe begründet keine Vor‑ und Nacherbschaft, siehe nur Münch­Komm-­BGB/Grunsky, § 2103 Rn. 2; v. Lübtow II, S. 871; Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 44 f. 615  Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Grunsky, § 2105 Rn. 1. Im Rahmen des Vermächtnisses nach § 2151 BGB stellt sich die Situation anders dar (dazu Jünemann, ZEV 2011, 163 ff.), da der Erbe und damit der Vermögensträger feststeht. 616  Lange/Kuchinke, S. 543 (§ 27 I 3). 617  Allein die Anordnung einer Testamentsvollstreckung bis zur Bestimmung des Erben würde nicht genügen, um die Inhaberlücke zu füllen, H. Westermann, FS Möhring, S. 185 Fn. 3.

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Wertungsmäßig besteht eine Parallele zum generellen Fall der Beerbung durch einen (noch) unbekannten Erben. Denn obwohl aktuell nicht bekannt ist, wer Erbe sein wird, steht fest, dass es einen Erben gibt.618

aa) Testamentsvollstreckung Dem Erblasser wird in diesem Fall zu empfehlen sein, Testamentsvollstreckung anzuordnen.619 Es ist sogar sorgfältig zu prüfen, ob das Testament nicht so auszulegen ist, dass der Bestimmungsberechtigte als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Zum Teil wird sogar vorgeschlagen, die Delegation der Erbenbestimmung nur bei gleichzeitiger Anordnung einer Testamentsvollstreckung anzuerkennen.620 Dieser Testamentsvollstrecker hätte freilich eine sehr starke Position, solange kein Erbe feststeht, der ihn überwachen und gegebenenfalls nach § 2227 BGB seine Entlassung beantragen könnte.621 Eine derartige Position wäre für die geltende Erbrechtsordnung nur schwer hinnehmbar.622 Der bestimmungsbefugte Dritte623 kann nicht zum antragsberechtigten Beteiligten i.S.d. § 2227 BGB erhoben werden. Beteiligter im Sinne dieser Vorschrift ist nur, wer „Geschäftsherr“ für den Vollzug des letzten Willens des Erblassers ist, das heißt alle, denen der Erblasser sein Vermögen zuwenden wollte, und alle, denen er ein Recht geben wollte, den Vollzug einer Drittzuwendung zu überwachen.624 Die Beschränkung des Kreises der Antragsberechtigten nach § 2227 BGB und insbesondere die Entscheidung gegen eine gerichtliche Überwachung des Testamentsvollstreckers625 stellt zwar ein generelles Problem dar, wenn die Person 618 Vgl.

Everts, NJW 2010, 2318, 2319: „Unbekannt heißt nicht ‚nicht existent‘.“ Eine derartige Gestaltung empfehlen Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 38 und (für Vermächtnis und Auflage) R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 4; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 12; Haegele, BWNotZ 1972, 74, 77, 79. Außer Betracht bleibt hier die generelle Problematik der Unternehmensfortführung durch einen Testamentsvollstrecker, die gerade im Fall des Unternehmertestaments die Testamentsvollstreckung als wenig geeignet erscheinen lassen könnte, vgl. nur Kossmann, S. 124 ff. 620  Muscheler, Erbrecht, Rn. 561; Goebel, DNotZ 2004, 101, 106. 621 Plastisch Muscheler, AcP 197 (1997), 226, 227: „Der Testamentsvollstrecker handelt, der Erbe kontrolliert: So stellt sich das Gesetz das Verhältnis der beiden vor.“ 622  So auch Helms, ZEV 2007, 1, 6. 623  Wenn er nicht ohnehin selbst Testamentsvollstrecker ist. 624 Überzeugend Muscheler, AcP 197 (1997), 226, 240. Nach anderer verbreiteter, im Kern aber deckungsgleicher Definition ist Beteiligter jeder, der ein unmittelbares rechtliches, nicht bloß wirtschaftliches Interesse daran hat, von wem und wie die Testamentsvollstreckung geführt wird (materieller Beteiligtenbegriff, BGH v. 13.7.1961 BGHZ 35, 296, 300; Münch­ Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2227 Rn. 4; Erman/M. Schmidt, § 2227 Rn. 9). 625 Ausführlich Muscheler, AcP 197 (1997), 226, 228 ff. m.w.N. und Hinweis auf den Entwurf Mommsens, der noch die Möglichkeit einer Entlassung von Amts wegen enthalten hatte; Jacoby, S. 99, 519 (dort auch zur Sonderstellung, die das Amt des Testamentsvollstreckers insofern einnimmt); Reimann, FamRZ 1995, 588, 589 und 593 („ausreichende Kontrolle des Testamentsvollstreckers nicht gewährleistet“); Offergeld, S. 182 ff.; ferner z.B. OLG Zweibrücken v. 31.10.2003 NJW-RR 2004, 941; Palandt/Weidlich, Einf v § 2197 Rn. 4; 619 

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des Erben noch nicht feststeht und kein anderer antragsberechtigter Beteiligter ersichtlich ist, so etwa im Falle eines unbekannten Erben, der Notwendigkeit einer schwierigen Testamentsauslegung oder der Ermittlung, welches von mehreren Testamenten gültig ist. Die Kritik müsste deshalb eigentlich bei den Regeln der Testamentsvollstreckung ansetzen, nicht bei der Drittbestimmung des Erben. Jedoch erscheinen Drittbestimmungsverbot und Testamentsvollstreckungsrecht aufeinander abgestimmt.

bb) Nachlasspflegschaft Wo Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, trägt der Testamentsvollstrecker Sorge für die Verwaltung des Nachlasses (§§ 2205 ff. BGB) und können sich Nachlassgläubiger an den Testamentsvollstrecker halten (§ 2213 BGB).626 In allen anderen Fällen muss ein Pfleger bestellt werden. Ob dieser Pfleger als Nachlasspfleger627 nach den §§ 1960, 1961 BGB vom Nachlassgericht oder als Pfleger für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB vom Vormundschaftsgericht zu bestellen ist,628 kann hier dahinstehen.629 Es stünde jedenfalls in der Person W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 332, 335. Seit BGH v. 13.7.1961 BGHZ 35, 296 ist geklärt, dass der einfache Nachlassgläubiger auch nicht antragsberechtigt ist; a.A. noch v. Lübtow II, S. 997 m.w.N. Die Antragsberechtigung des Nachlassgläubigers ist auf der Grundlage des herrschenden Beteiligtenbegriffs nicht möglich, da der Nachlassgläubiger nur ein wirtschaftliches Interesse an der Testamentsvollstreckung hat und sich überdies durch einen Antrag auf Nachlassverwaltung schützen kann (vgl. Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2227 Rn. 6). Sie würde den hier angesprochenen Konflikt zudem nicht befriedigend lösen, da der Nachlassgläubiger nur ein punktuelles Interesse an der Befriedigung seiner Forderung hat und nicht an der Verwaltung des Nachlasses insgesamt. 626  Eine schwächere Form der Vorsorge durch den Erblasser bietet die Erteilung einer transmortalen Vollmacht, etwa zugunsten des Bestimmungsberechtigten. Das Vorliegen einer transmortalen Vollmacht kann das Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft ausschließen, vgl. Everts, NJW 2010, 2318, 2320; zu Einzelheiten Fröhler, BWNotZ 2011, 2, 6. 627  Zum Problem der Fortführung eines Handelsgeschäfts durch den Nachlasspfleger siehe W. Zimmermann, Nachlaßpflegschaft, Rn. 383 f. Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200 glaubt, mit der Auswahl eines sachkundigen Pflegers den Problemen dieser Organisationsform gerecht werden zu können. 628  Zur Abgrenzung W. Zimmermann, Nachlaßpflegschaft, Rn. 9 ff. m.w.N. Verbreitet wird § 1960 BGB als Sonderfall der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB betrachtet, wenn der unbekannte Beteiligte endgültiger Erbe und die zu besorgende Angelegenheit der Nachlass sei, vgl. Staudinger/Marotzke, § 1960 Rn. 25; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1960 Rn. 32; Erman/A. Roth, § 1913 Rn. 4; Mot., in: Mugdan, Bd. IV, S. 670. 629  Die überwiegende Zahl von Autoren, die eine Pflegschaft bis zur Erbenbestimmung favorisieren, geht von einer Nachlasspflegschaft aus, vgl. Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 38; Sieghörtner, in: Hausmann/Hohloch, Kap. 5 Rn. 69; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200; Haegele, BWNotZ 1972, 74, 77; ferner R. Zimmermann, Quos, S. 39 Fn. 122. Anknüpfungspunkt für diese Ansicht ist die Parallele zum Fall des unbekannten Erben. Ein Erbe gilt beispielsweise auch dann als unbekannt, wenn sich der Tatrichter nicht ohne umfangreiche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe geworden ist, OLG Frankfurt v. 23.11.2004 OLGR 2005, 442. Ebenso wurde § 1960 BGB wiederholt angewendet, wenn zwar alle als

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

des Pflegers ein Vertreter für den noch zu bestimmenden Erben bereit, der in dessen Interesse630 den Nachlass verwalten und im Interesse der Nachlassgläubiger deren Forderungen befriedigen könnte.631 Ob diese Lösung freilich stets dem wohlverstandenen Interesse des Erblassers entsprechen kann, ist zumindest bei größeren Nachlässen und insbesondere bei der Vererbung eines Unternehmens oder eines Hofes zweifelhaft. Denn danach könnte sich ein Familienfremder in Vermögensangelegenheiten einmischen, die der Erblasser gerade in der Familie halten will.632 Auch wenn die Pflegschaft „nicht die ideale Organisationsform“ ist, wird doch keine bessere Alternative gesehen.633

e) Schlussfolgerungen aa) De lege lata Der vorstehende Überblick zeigt, dass das geltende Recht durchaus Instrumente bereithält, um einen Schwebezustand bis zur Erbenbestimmung zu überbrücken. Soll man deshalb daraus schließen, dass dieser Schwebezustand keinen Grund für ein Drittbestimmungsverbot abgibt? Ein Argument dafür, den Erbenstatus mit einer so hohen Dignität auszustatten, dass eine Drittbestimmung ausscheidet, kann der Schwebezustand nach dem Vorstehenden jedenfalls nicht sein.634 Eine wirklich befriedigende Lösung stellte jedoch nur die Erbe in Betracht kommenden Personen bekannt waren, aber ungewiss war, wer von ihnen tatsächlich Erbe ist, vgl. BGH v. 20.2.1968 MDR 1968, 484 (Ungewissheit über die Person des Hoferben); OLG Celle v. 20.9.1958 FamRZ 1959, 33; OLG Düsseldorf v. 9.4.1948 JR 1949, 354; Kirchhofer, S. 8 f., 90 f. (allgemein bei Erbprätendentenstreit). Gegen die Anwendung des § 1960 BGB wird geltend gemacht, dass diese Vorschrift Fälle erfasse, in denen der Erbe zwar subjektiv unbekannt bzw. ungewiss sei, objektiv aber feststehe und sich ermitteln lasse (vgl. die Übersicht bei W. Zimmermann, Nachlaßpflegschaft, Rn. 27 ff.; außerdem Kirchhofer, S. 9 m.w.N.). Sobald aber dem Dritten bei der Erbenbestimmung ein Entscheidungsspielraum zuerkannt werde, stehe der Erbe nicht einmal objektiv fest, vgl. Sens, S. 64, 136. Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200 will den § 1960 BGB nur entsprechend anwenden, was Frey, S. 105 f. mit dem wegen § 1961 BGB in dieser Pauschalität unzutreffenden Argument ablehnt, eine Nachlasspflegschaft komme nicht zur Befriedigung der Gläubiger in Betracht (vgl. dazu Staudinger/Marotzke, § 1960 Rn. 44). Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 35 spricht sich für eine Pflegschaft nach § 1913 BGB aus. 630  Und im Interesse derjenigen, die bei einem Fehlschlagen der Bestimmung zum Zuge kommen. Eine Nachlasspflegschaft dient allgemein auch dem Schutz von nur eventuell Berufenen, vgl. Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 417; enger noch Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 543 ff. (nur der unbekannte Erbe und Nachlassgläubiger werden geschützt). 631  Eine Nachlasspflegschaft bezweckt generell nicht nur den Schutz des unbekannten oder an der Sorge für den Nachlass gehinderten Erben, sondern aller Nachlassgläubiger (anders noch Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 289). 632 Ähnlich Frey, S. 106. 633  Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200. 634  Muscheler, Universalsukzession, S. 44.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

403

Anordnung einer Vor‑ und Nacherbschaft durch den Erblasser dar. Alle anderen Instrumente (§ 2105 BGB, Testamentsvollstreckung, Pflegschaft) stießen auf Schwierigkeiten mit dem Willen des Erblassers und erwiesen sich als nicht recht passend. Besonders misslich zeigt sich das am Beispiel des frühzeitigen Unternehmertestaments, mit dem häufig das praktische Bedürfnis, eine Drittbestimmung des Erben zuzulassen, illustriert, wenn nicht sogar begründet wird. Jede Lösung, die den ausgewählten Erben „rückwirkend“ mit dem Erbfall in seine Stellung einrücken lässt, steht vor der Aufgabe, die Verwaltung des Unternehmens bis zur wirksamen Bestimmung des Nachfolgers (bzw. bis zur Annahme der Erbschaft durch ihn) zu gewährleisten. Problematisch ist bereits die Person des Verwalters: Nicht jeder, der sich bereiterklärt, einen Erben zu bestimmen, wird auch bereit und in der Lage sein, ein Unternehmen zu führen und dabei, je nach rechtlicher Gestaltung, das unternehmerische Risiko zu übernehmen. Wesentliche Aspekte für den Erblasser dürften einerseits der Zeitraum sein, der zwischen dem Erbfall und der Ausübung des Bestimmungsrechts liegt, andererseits die Frage, ob jemand zur Verfügung steht, der während dieser Zwischenzeit das unternehmerische Risiko tragen und die Unternehmensleitung übernehmen kann und will. Steht dafür niemand bereit, so liegt die Delegation der Erbenbestimmung schwerlich im Interesse des Erblassers. Eine Testamentsvollstreckung kann jedoch in Konflikt treten mit den Haftungsprinzipien des Handels‑ und Gesellschaftsrechts und kommt deshalb im einzelkaufmännischen Unternehmen sowie für die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht ohne weiteres in Betracht. Delegiert der Erblasser in dieser Situation gleichwohl die Erbenbestimmung und ist anzunehmen, dass diese Bestimmung erst lange nach dem Erbfall getroffen wird, riskiert er, dass ein ihm und dem Unternehmen nicht vertrauter Nachlasspfleger die Geschicke seines Unternehmens lenkt. Vorzugswürdig dürfte es dann sein, das Unternehmen635 in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln.636 Außerhalb des Bereichs der Unternehmensnachfolge sind diese Überlegungen weniger gravierend. Wenn zum Beispiel größerer Grundbesitz weiterzugeben ist, ist die Frage nach der Verwaltung weniger delikat, da hier ein Testamentsvollstrecker ohne weiteres auch über längeren Zeitraum hinweg verwaltend tätig sein kann. Eine Testamentsvollstreckung müsste aber vom Erblasser angeordnet werden, und eine Überwachung dieses Testamentsvollstreckers wäre auch hier nicht gewährleistet. 635 

Zu Lebzeiten oder mittels Gesellschaftsgründungsklausel. der Ratschlag bei R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 124: Die rechtlichen und praktischen Probleme einer Testamentsvollstreckung beim einzelkaufmännischen Unternehmen sollten jedem Einzelkaufmann nahelegen, sein Unternehmen schon zu Lebzeiten in eine nachfolgetaugliche und fremdgeschäftsführungsfähige Rechtsform zu überführen. 636  Allgemein

404

§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

Vor diesem Hintergrund sollte aber die Tatsache, dass Intrumentarien zur rechtlichen Bewältigung des Schwebezustands bestehen, nicht gleichzeitig legitimieren, dass dieser Schwebezustand rechtlich vorzuziehen ist.637 Schwebezustände sind in aller Regel unerfreulich und zurückzudrängen. Die Lösung des § 2065 Abs. 2 BGB, ein Drittbestimmungsverbot für die Erbeinsetzung anzuordnen, führt deshalb zu einem Ergebnis, das sich in die geltende Erbrechtsordnung stimmig und kohärent einfügt. Regelmäßig nicht beachtet wird folgender Gesichtspunkt: Wer einen Schwebezustand als problematisch ansieht und weder die Regeln der Vor‑ und Nacherbschaft noch eine Nachlasspflegschaft als geeignete Überbrückung ansieht, müsste eigentlich sogar die enge BGH-Ansicht zur Erbenbezeichnung durch einen Dritten verwerfen und auch die Erbenbezeichnung durch einen Dritten für unzulässig erachten. Denn selbst wenn es dem Erblasser gelingen mag, objektive Kriterien in einer für die Formel des BGH hinreichenden Weise zu postulieren, kann ein längerer Zeitraum zwischen Erbfall und Feststellung durch den Dritten vergehen.638 Es bereitet wenig Mühe, den schon objektiv Bezeichneten mit dem Erbfall als Erben anzusehen. Die Frage, was bis zur Feststellung mit dem Nachlass geschieht, stellt sich jedoch in genau demselben Maße wie bei einem größeren Entscheidungsspielraum des Dritten. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Kriterien vom Erblasser so gefasst werden, dass die Erbeinsetzung als bedingte auszulegen wäre. Der Dritte hätte dann als Schiedsgutachter die Aufgabe, den Eintritt der Bedingung festzustellen, und für den zu überbrückenden Schwebezustand käme § 2105 BGB zur Anwendung. Allerdings: Wenn die Vermeidung des Schwebezustands damit der einzige Grund ist, der das Verbot einer Drittbestimmung des Erben trägt, dann ist § 2065 Abs. 2 BGB zu weit geraten. Wie gesehen, kann der Erblasser selbst die Rechtsunsicherheit eines Schwebezustands vermeiden, indem er die Unzuträglichkeiten einer Vor‑ und Nacherbschaft in Kauf nimmt. Wenn er anordnet, dass die von dem Dritten bestimmte Person Nacherbe sein soll, dann besteht nicht die Gefahr eines Schwebezustands, der § 2065 Abs. 2 BGB legitimieren könnte.639 In diesem Fall spricht nichts dagegen, die Delegation als wirksam zu behandeln. Diesem 637 

Röthel, Solidaritätskonzept, S. 113. denke nur an den Fall, dass der Erblasser in seinem frühzeitigen Unternehmertestament von seinem Nachfolger u.a. ein abgeschlossenes Studium der Betriebswirtschaftslehre verlangt. Stirbt er nun, lange bevor seine Kinder die Hochschulreife erlangen, bleibt die Nachfolgefrage über Jahre hinweg offen. Ob dann allein die Tatsache, dass es irgendwann mit Sicherheit – sei es durch den Dritten, sei es durch das Gericht (analog § 319 Abs. 1 BGB) – zu einer Feststellung des Erben kommen wird, den Schwebezustand und die damit verbundene Ungewissheit erträglich (und interessengerecht) macht (in diese Richtung Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39), erscheint jedenfalls fraglich. 639 Vgl. Goebel, DNotZ 2004, 101, 106 Fn. 18, der das Drittbestimmungsverbot freilich aus anderen Gründen für gerechtfertigt hält. 638  Man

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

405

Weg entspricht bereits die anerkannte Bestimmung des Nacherben durch den Vorerben.640 Hier entsteht nicht die Rechtsunsicherheit eines Schwebezustandes.641 Jedoch ist nicht einzusehen, weshalb nur der Vorerbe und nicht auch jeder andere vom Erblasser dazu ausersehene Dritte zur Bestimmung des Nacherben berechtigt sein kann.642 Die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB ist insoweit teleologisch zu reduzieren. In diesem Fall spricht indes nichts dagegen, dem Dritten einen größeren Spielraum zu gewähren und ihm eine echte Gestaltungsentscheidung zu übertragen.643 Insoweit gelten dann die obigen Ausführungen zur Delegation im Vertragsrecht entsprechend.644 Im Fall eines Fehlschlagens der Delegation gilt § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog.645 Insbesondere kommt es nicht in Betracht, stattdessen die Entstehung einer Mit­erbengemeinschaft anzunehmen.646 Die weiteren Verfahrensfragen, die sich für diese Bestimmung stellen, wie Form, Frist und Widerruflichkeit sind nicht erb­rechtsspezifisch und können deshalb dort im Zusammenhang abgehandelt werden.

bb) De lege ferenda Soweit der Erblasser keine Vor‑ und Nacherbschaft anordnen möchte, lässt ihn das obige Ergebnis jedoch etwas unbefriedigt zurück. Da § 2065 Abs. 2 BGB einer materialen Legitimierung entbehrt,647 wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, de lege ferenda die Erbrechtsordnung so umzugestalten, dass sie eine Erbenbestimmung durch einen Dritten insgesamt akkomodieren kann. Schon oben wurde festgestellt, dass es sich eigentlich um ein Problem des Testamentsvollstreckungsrechts, nicht der Regeln über die Delegation handelt.648 Vom Erblasser könnte etwa als Voraussetzung einer wirksamen Delegation verlangt werden, dass er bis zur Annahme der Erbschaft durch den Ausgewählten Testaments640 

Siehe oben § 5 A.II.5. (S. 316 ff.).

641 Bamberger/Roth/Litzenburger,

§ 2065 Rn. 19; Halding-Hoppenheit, S. 218. § 2065 Rn. 19; Lange/Kuchinke, S. 547 (§ 27 I 7 a). 643  Auch eine Anordnung wie in LG München I v. 13.2.1996 FamRZ 1998, 1261 käme somit in Betracht („Als Nacherbe kommt der Würdigste meiner Verwandten in Betracht. Würdig ist, wer nach höchstem akademischen Ausbildungsstand, Beruf und Einkommen auf ein Erbe nicht angewiesen ist, vor allem nicht, um es zu verschleudern. Die befreite Vorerbin bestimmt diesen Nacherben im Rahmen dieser letztwilligen Verfügung nach eigenem Ermessen.“); vgl. auch Helms, ZEV 2007, 1, 5 f. – Enger, weil insofern doch § 2065 Abs. 2 BGB verhaftet, Lange/Kuchinke, S. 547 f. (§ 27 I 7) (Erblasser muss bei Nacherbenbestimmung durch einen Dritten Auswahlgesichtspunkte vorgeben). 644  Siehe oben § 4 C. (S. 187 ff.). 645  So z.B., soweit er ein Schiedsgutachten für zulässig hält, Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 35; a.A. Frey, S. 117, der generell von einer Auswahlbefugnis nach freiem Belieben ausgeht. 646  Siehe oben bei Fn. 195; abzulehnen ist deshalb eine Analogie zu § 2151 Abs. 3 BGB, wie sie Klunzinger, BB 1970, 1197, 1200 f. vertritt; für Erbengemeinschaft auch Frey, S. 121 f.; differenzierend Sens, S. 117 ff. 647  Siehe oben § 5 B.I. (S. 353 ff.). 648  Siehe oben nach Fn. 625. 642 Bamberger/Roth/Litzenburger,

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§ 5 Delegation und Höchstpersönlichkeit

vollstreckung anordnet.649 Zudem müsste eine vom Erblasser oder notfalls vom Nachlassgericht gesetzte Frist sicherstellen, dass der Dritte dann, wenn die Zeit für die Bestimmung gekommen ist, diese zeitnah vornimmt.650 Zu lösen wäre dann noch das Problem der Überwachung des Testamentsvollstreckers.651 Die Überwachung durch das Nachlassgericht würde eine Kompetenzverlagerung bedeuten, deren Folgen im vorliegenden Rahmen freilich nicht untersucht werden können. Alternativ wäre daran zu denken, dem Dritten (sofern er nicht selbst Testamentsvollstrecker ist), den potentiellen Erben oder aber einer vom Erblasser benannten Vertrauensperson das Wächteramt zu übertragen.

III. Ergebnis Die Suche nach Gründen für eine Einschränkung der Testierfreiheit durch ein Drittbestimmungsverbot führt zu einem ernüchternden Ergebnis. Zwingende materiale Gründe lassen sich nicht finden.652 Insofern liegt § 2065 Abs. 2 BGB allenfalls als Reflex ein Prinzip der Höchstpersönlichkeit zugrunde. Ein Drittbestimmungsverbot ist nicht notwendig geboten. Es bestehen überdies keine strukturellen Unterschiede zur Delegation im Vertragsrecht, die eine Ungleichbehandlung erfordern würden. Schwierigkeiten auf der Ebene der Kontrolle lassen sich in den Griff bekommen. Problematisch erscheint allein, dass die Delegation der Erbenbestimmung häufig zu einem langen Schwebezustand führen wird. Zwar enthält das geltende Erbrecht Instrumentarien zu dessen Überbrückung. Jedoch haben sich diese als wenig geeignet erwiesen, so dass eine Drittbestimmung nicht gefördert werden sollte. Deshalb ist in diesem Bereich an § 2065 Abs. 2 BGB festzuhalten, solange nicht der Gesetzgeber entsprechende Änderungen vornimmt, die etwa eine Testamentsvollstreckung bis zur Annahme der Erbschaft durch den Ausgewählten erleichtern. Soweit jedoch der Erblasser durch die Anordnung einer Vor‑ und Nacherbschaft selbst Vorsorge getroffen hat, kann diese Norm teleologisch reduziert und eine gestaltende Entscheidung eines Dritten über die Person des Erben in Anlehnung an die §§ 317 ff. BGB zugelassen werden.

649 

Siehe bereits oben Fn. 620. Dazu oben bei Fn. 587. 651  Siehe oben bei Fn. 621. 652  Siehe insoweit bereits das Zwischenergebnis oben § 5 B.I.7. (S. 376 f.). 650 

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Teil 2:

Verfahren der Drittbestimmung § 6 Ausgangslage A. Warum Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? I. Der Theorienstreit um die Rechtsnatur des Schiedsgutachtens und seine Auswirkungen auf das zu beachtende Verfahren Die Auseinandersetzung mit der Einordnung des feststellenden Schiedsgutachtens in das materielle Recht oder in das Prozessrecht1 hat erbracht, dass sich dieser lebhaft geführte Qualifikationsstreit vornehmlich aus den Konsequenzen speist, die die beiden Lager hinsichtlich des zu beachtenden Verfahrens annehmen.2 Die materiell-rechtliche Theorie wird oft dahingehend zusammengefasst, der Schiedsgutachter sei in der Ausgestaltung seines Verfahrens völlig frei und es werde lediglich das Ergebnis seiner Tätigkeit nach dem Maßstab des § 319 Abs. 1 BGB kontrolliert, wobei diese Kontrolle auch Schnitzer im Verfahren von solcher Erheblichkeit auffangen kann, dass sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben.3 Die prozessuale Theorie hingegen sieht es in der Regel als ihr Ziel an, das Schiedsgutachtenwesen mit gewissen Verfahrensgarantien entsprechend dem Schiedsgerichtsverfahren auszustatten und dazu analog die §§ 1025 ff. ZPO entweder ausschließlich4 oder zusätzlich zu den §§ 317 ff. BGB5 anzuwenden. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass diese Zuspitzung auf zwei Lager durch1 

Siehe oben § 2 B.II.5.e) (S. 86 ff.). Siehe auch die Einschätzung von HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 21; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661 f.; Kornblum, KTS 1970, 244, 247. Beispielhaft etwa G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153 f. 3  Siehe etwa BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335; RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 21 f.; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 26; Palandt/ Grüneberg, § 317 Rn. 7; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 f. (§ 12 III 2); Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 258; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 871 („Es gibt also bei Schiedsgutachten … nur ein Entweder-Oder zwischen Inhalts‑ und Verfahrenskontrolle.“); v. Bernuth, ZIP 1998, 2081, 2082; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1929; aus dem älteren Schrifttum Wangner, S. 53; Meckenstock, S. 24; sowie den Problemaufriss bei Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 23; ders., RIPS, Rn. 21; B. Meyer, S. 113, 117; Triebel, S. 135; Loewenheim, S. 76. 4  B. Rauscher, S. 158 ff., 177 f. (soweit die §§ 1025 ff. ZPO nicht „den Schiedsspruch als Rechtsfolgeentscheidung“ betreffen, d.h. wie etwa die Regeln zur Vollstreckbarkeit an den Urteilscharakter des Schiedsspruchs anknüpfen). 5  G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153 f. 2 

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§ 6 Ausgangslage

aus verkürzend ist, weil sich beide Theorien keineswegs so klar gegenüberstellen lassen und zum Teil auch innerhalb der Theorien erhebliche Unterschiede bestehen.6 Um zum Zweck der Verdeutlichung für einen Moment noch bei dieser Überzeichnung zu bleiben, lassen sich eine Reihe von Konsequenzen für das Verfahren ausmachen, je nachdem, welcher Ausgangspunkt zugrunde gelegt wird.7 Besonders betont werden dabei immer wieder die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters sowie die Gewährung rechtlichen Gehörs. Während die §§ 1036 f. ZPO ein differenziertes System von Regeln zur Gewährleistung der Neutralität des Schiedsgutachters und zur Reaktion auf Neutralitätsmängel bereithalten, wird dieser Komplex im materiellen Recht nicht eigens angesprochen. Ebensowenig enthält das materielle Recht, anders als § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO, eine zwingende Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs. Des Weiteren lassen sich Unterschiede erkennen in der Form des Gutachtens, für die das materielle Recht keine dem Schriftformerfordernis des § 1054 Abs. 1 ZPO entsprechende Norm vorsieht, im Bestehen einer Begründungspflicht, die § 1054 Abs. 2 ZPO statuiert, im grundsätzlich zu befolgenden Abstimmungsmodus bei einer Mehrheit von Schiedsrichtern, bei dem sich Einstimmigkeit (§ 317 Abs. 2 BGB) und Mehrheitsentscheidung (§ 1052 Abs. 1, 2 ZPO) gegenüberstehen, sowie in der Frage, ob und in welchem Umfang der Schiedsgutachter seine Aufgabe wirksam an eine andere Person übertragen kann. Andere mögliche Unterschiede, wie die Form der zugrundeliegenden Vereinbarung8, die Wirkung im Prozess9 und schließlich die Reichweite gerichtlicher Kontrolle10 sind an anderer Stelle zu thematisieren.

II. Die entscheidende Frage nach dem Bedürfnis nach Verfahrensregeln In Wirklichkeit kann die Zuordnung des feststellenden Schiedsgutachtens zum materiellen Recht oder zum Verfahrensrecht nicht eine Analyse entbehrlich machen, in welchem Umfang die vorgenannten Verfahrensvorschriften hier tatsächlich erforderlich sind. Einschlägige Regelwerke wie die Schiedsgutachtens-Ordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS6  Dies wird auch im Schrifttum erkannt, siehe einstweilen die Überblicke bei Stein/Jonas/ Schlosser, vor § 1025 Rn. 23 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 659 ff. 7  Übersichten darüber, in welchen Punkten Unterschiede zwischen den §§ 317 ff. BGB und den §§ 1025 ff. ZPO bestehen, finden sich z.B. bei Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 59 ff.; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 8  Siehe oben § 3 C.I. (S. 139 ff.). 9  Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 86 f.). 10  Siehe unten § 15 C.III.1. (S. 740 ff.).

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

409

SchGO) oder veröffentlichte Vertragsmuster11 vermitteln zwar den Eindruck, dass die Praxis ein Bedürfnis nach derartigen Regeln erkennt. Diese Regelwerke sprechen insbesondere die Neutralität des Schiedsgutachters und die Gewährung rechtlichen Gehörs an.12 Nun hat eine frühere Untersuchung verschiedener Verfahrensordnungen indes nachgewiesen, dass sich diese Regelwerke in Detailfragen durchaus unterscheiden.13 Überhaupt kann eine intensive Regelung in Verfahrensordnungen auch ein Indiz dafür darstellen, dass Verfahrensvorschriften im dispositiven Recht gerade fehlen und aus diesem Grund der Rechtsverkehr zu einer privatautonomen, auf die spezifischen Bedürfnisse des individuellen Vertrages zugeschnittenen Regelung zu gelangen versucht. Mithin finden sich durchaus auch Stimmen, die ein generelles Bedürfnis nach Verfahrensgarantien verneinen und gerade ein möglichst freies Verfahren für vorzugswürdig halten.14 Ein Verfahren, das sich – abgesehen von den Möglichkeiten gerichtlicher Kontrolle – nicht mehr wesentlich von bestehenden Gerichts‑ und Schiedsgerichtsverfahren unterscheidet, mag den Parteien auch weniger attraktiv erscheinen.15 Die Problematik, ob und in welchem Umfang Verfahrensregeln erforderlich sind, stellt sich umso mehr vor dem Hintergrund der Erfahrungen ausländischer Rechtsordnungen. So gelangten etwa die französische Cour de cassation und der niederländische Hoge Raad in der Frage, ob ein feststellender Schiedsgutachter rechtliches Gehör zu gewähren habe, im Abstand nur weniger Monate zu diametral entgegengesetzten Ansichten. Der Hoge Raad hielt ein Gutachten (bindend advies) über den aufgrund der Ausübung eines Wiederkaufsrechts zu ermittelnden Marktwert eines Bauernhofs samt Zubehör für anfechtbar, weil die zwei Gutachter den Parteien keine Gelegenheit eingeräumt hatten, zu der Diskrepanz zwischen ihren Erkenntnissen und Kaufpreisen, die Dritte für den Hof geboten hatten, Stellung zu nehmen.16 Die Cour de cassation verneinte demgegenüber die Notwendigkeit, im Wertfeststellungsverfahren nach Art. 1843-4 Code civil bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren.17 In beiden Rechtsordnungen wird die Problematik unabhängig von einer rechtlichen Qualifikation des Schiedsgutachtens als prozessual oder materiell-rechtlich erörtert und gelöst. 11  Siehe etwa Greger/Stubbe, Rn. 374 ff.; Sessler, S. 112 ff.; Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 750 ff. 12 §§ 7, 16 DIS-SchGO. 13  B. Rauscher, S. 242 ff. (zur Neutralität), S. 250 ff. (zum rechtlichen Gehör). 14  Volmer, BB 1984, 1010, 1012. Im Ausgangspunkt auch B. Rauscher, S. 249, der dann aber die Beachtung einiger unabdingbarer Verfahrensgarantien fordert. 15  B. Rauscher, S. 249. 16  Hoge Raad v. 8.7.2011 NJ 2011, Nr. 310. Am Rande bemerkt sei, dass die Parteien die Begutachtung durch einen unabhängigen Sachverständigen vereinbart hatten. 17  Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36; siehe zuvor bereits Cass. com. 19.4.2005 Bull. civ. IV, Nr. 95.

410

§ 6 Ausgangslage

Der hier teils erbittert geführte Theorienstreit findet in diesen Rechtsordnungen keinen Widerhall. Jedenfalls wird er nicht mit unmittelbaren Schlussfolgerungen auf die Geltung von Verfahrensgarantien verknüpft. Auch im deutschen Recht setzt sich bei manchen Autoren die Erkenntnis durch, dass die Rechtsnatur der Schiedsgutachtenvereinbarung nicht präjudizieren kann, welche Verfahrensregeln für die Gutachtenerstellung gelten.18 Selbst wenn sich das Anliegen, das den Anstoß zur Entwicklung der prozessualen Theorie gegeben hat – nämlich: Verfahrenssicherungen zu begründen –,19 als legitim erweisen sollte, wäre es ein begriffsjuristischer Kurzschluss, nunmehr allein von einer prozessualen Qualifikation unmittelbar und vermeintlich logisch zwingend auf das einzuhaltende Verfahren zu schließen. 20 Pointiert schreibt Schlosser, man müsse sich „von begriffsjuristischen Fragestellungen freimachen und aufhören zu glauben, daß die Lösung der anstehenden Fragen mit der Qualifikation … als ‚materiellrechtlich‘ oder ‚prozessual‘ präjudiziert sei.“21

Beispielhaft ist das Vorgehen, zunächst die prozessuale Natur zu begründen, um sodann festzuhalten: „Die prozessuale Natur des Vertrages weist auf die Heranziehung prozeßrechtlicher Vorschriften.“22 Oder, in umgekehrter Stoßrichtung: Dritte im Sinne von Art. 1592 Code civil „ne sont pas des arbitres …; ces tiers ne sont donc tenus par aucune des règles que le Code de procédure impose aux arbitres“. 23 Das eigentliche Anliegen wird auf diese Weise hinter juristischer Kategorienbildung kaschiert. Dieser Vorwurf ist freilich nicht auf Vertreter der prozessualen Konzeption beschränkt. So formuliert Joussen, nachdem er festgestellt hat, dass feststellende Schiedsgutachten jedenfalls nicht direkt den §§ 317 ff. BGB unterstellt werden können:

18  Wittmann, S. 47, 102, 134; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 655, 667, 671; allgemein ­ enckel, S. 37. Speziell zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters siehe H die Nachweise unten in § 7 Fn. 48. 19  So auch die Einschätzung von G. Wagner, Prozeßverträge, S. 661. 20  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662; Wittmann, S. 102, 130; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217. 21  Schlosser, Parteihandeln, S. 86 (im Zusammenhang mit den Folgen vorzeitiger Klageerhebung). 22  B. Rauscher, S. 158, allerdings nach Erörterung anderer Analogiemöglichkeiten. Etwas abgeschwächt Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 13; ders., BB 1971, 1205: Da der Schiedsgutachter teilweise schiedsrichterliche Funktionen wahrnimmt, sind die §§ 1025 ff. ZPO analog anwendbar, „soweit sich nicht aus der gegenüber dem Schiedsrichter beschränkten Aufgabenstellung des Schiedsgutachters etwas anderes ergibt“; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153; vgl. auch (ohne Festlegung auf eine der beiden Theorien) Münch­Komm-­BGB/Heermann, § 675 Rn. 102. Kritisch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662 m.w.N. 23  Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 37.

B. Suche nach Gründen für die Beschränkung der Drittbestimmung

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„Welche Vorschriften stattdessen anzuwenden sind, hängt von der Frage nach der Rechtsnatur eines solchen Vertrages ab“. 24

Und in der Leitentscheidung des BGH zum rechtlichen Gehör bei gestaltenden Schiedsgutachten heißt es: „Die Bedeutung des Schiedsgutachtens liegt seiner materiellrechtlichen Aufgabe entsprechend allein in seinem Inhalt.“25 In etwas abgewandelter Formulierung, aber in der Sache identisch urteilte der BGH wenig später zu feststellenden Schiedsgutachten. 26 Statt um ein Problem der rechtlichen Qualifikation handelt es sich bei allen Verfahrensproblemen um Sachfragen, die anhand von Sachargumenten mit Blick auf die Funktion des Schiedsgutachtens und die Interessen der Parteien beantwortet werden müssen. Wenn also im Folgenden einzelne Verfahrensfragen behandelt werden, so soll das losgelöst von der Einordnungen in die Kategorien der Prozessvereinbarung oder des materiell-rechtlichen Vertrages geschehen. Freilich wird sich zeigen – dies sei hier vorweggenommen –, dass die zu den einzelnen Fragen gefundenen Ergebnisse, die eine differenzierte Sicht auf Verfahrensgarantien im Schiedsgutachtenwesen nahelegen, 27 sämtlich auf der Grundlage der hier favorisierten materiell-rechtlichen Sichtweise erklärt werden können. Ein Hauptgrund für die Entwicklung der prozessualen Theorie entfällt damit. Gerade vor dem Hintergrund ausländischer Rechtsordnungen zeigt sich, dass der Theorienstreit im deutschen Recht zwar wichtige Erkenntnisse in der Sache, aber auch manch hypertrophe Auseinandersetzung erst möglich gemacht hat.

III. Erweiterung des Blickfelds auf gestaltende Schiedsgutachten Kann damit das feststellende Schiedsgutachten als Instrument des materiellen Rechts erfasst werden, erscheint es auch weniger dramatisch, dass die §§ 317 ff. BGB – abgesehen von den Abstimmungsregeln des § 317 Abs. 2 BGB und der Regelung des Adressaten des Gutachtens in § 318 Abs. 1 BGB – keine unmittelbaren Verfahrensregeln enthalten. Beunruhigen muss dann auch nicht, dass andere Regelwerke – wie etwa die PECL oder der DCFR – ohne die Normierung derartiger Regeln auskommen. Stattdessen rückt eine ganz andere Thematik ins Blickfeld: Wenn Verfahrensregeln auf der Grundlage des materiellen Rechts begründet werden können, 24 

Joussen, S. 57; siehe auch Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 22. BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 341. 26  BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665. 27  Bei näherer Betrachtung lassen sich zahlreiche Stellungnahmen im Schrifttum und auch die einschlägige Rechtsprechung nicht den eingangs skizzierten Extrempositionen zuordnen. 25 

412

§ 6 Ausgangslage

muss die Verengung der Diskussion auf feststellende Schiedsgutachten hinterfragt werden. Unterstellt, ein Dritter hat tatsächlich Neutralitätsanforderungen zu genügen und rechtliches Gehör zu gewähren, wenn er einen angemessenen Mietzins feststellt, stellt sich die Frage, ob nicht ein Dritter, der zur gestaltenden Bestimmung eines Mietzinses aufgerufen ist, denselben Anforderungen unterworfen ist. Die Beschränkung der Forderung nach Verfahrensgarantien auf feststellende Schiedsgutachten bedarf dann der Überprüfung. Diese Frage wird in weitaus geringerem Umfang thematisiert.28 Erklären lässt sich dies weniger ausgeprägte Interesse möglicherweise zum Teil mit der vergleichweise geringeren praktischen Bedeutung gestaltender Schiedsgutachten. Vor allem aber dürfte dafür auch der unselige Theorienstreit über die Rechtsnatur des feststellenden Schiedsgutachtens verantwortlich sein. Dessen Überwindung kann damit zugleich bewirken, dass feststellendes und gestaltendes Schiedsgutachten wieder näher aneinander rücken und die historisch zwischen beiden Spielarten bestehende Verwandtschaft auch im heutigen juristischen Diskurs wieder stärker zum Ausdruck kommt.

B. Welche Verfahrensregeln für Schiedsgutachten? Soweit tatsächlich ein Bedürfnis nach Verfahrensregeln besteht, ist sodann zu klären, welchen Inhalt diese Regeln haben sollten. Um dieser Frage nachzugehen, soll im Folgenden nicht die pauschale Übernahme etwa der §§ 1025 ff. ZPO für das Schiedsgutachtenrecht behandelt werden. Vielmehr werden verschiedene Verfahrensprobleme getrennt voneinander untersucht, um deren spezifischen Besonderheiten und den jeweiligen Interessen der Parteien Rechnung tragen zu können.

I. Geltung von Verfahrensregeln unproblematisch In zwei Szenarien sind sowohl Geltung als auch Inhalt von Verfahrensregeln weitgehend unproblematisch und auch dem zuvor skizzierten Theorienstreit entzogen. (i) Sofern die Parteien selbst in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung eine privatautonome Vereinbarung über das Verfahren getroffen haben, kann

28  Siehe aber Wittmann, S. 134 ff., 142 f.; Dütz, S. 266 ff.; speziell zur Neutralität des Dritten Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31, 34 (auf der Grundlage seiner Ansicht, dass jede Einschaltung eines Dritten „im Hinblick auf einen bereits entstandenen oder möglicherweise auftauchenden Rechtsstreit“ Schiedsgerichtsbarkeit sei); Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 82 ff.; Joussen, S. 138; Sieveking, S. 82 Fn. 369, S. 436; Kornblum, JA 1979, 393, 395 (anders noch ders., S. 102, 105); Ramm, ZRP 1989, 136, 145; wohl auch Weick, FS Coing II, S. 563.

B. Welche Verfahrensregeln für Schiedsgutachten?

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dieser in der Regel Beachtung geschenkt werden. 29 Dies gilt insbesondere für die oben angesprochenen Verfahrensordnungen. (ii) Wie oben begründet,30 können Schiedsgutachtenvereinbarungen in AGB nicht die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Delegation von Privatautonomie passieren, wenn das danach zu befolgende Verfahren nicht gewisse Mindeststandards einhält, zu denen namentlich die Neutralität des Bestimmungsberechtigten und die Gewährung rechtlichen Gehörs zählen.

II. Offene Fragen Weitaus weniger klar ist demgegenüber, was gilt, wenn nichts ausdrücklich vereinbart wurde. Die §§ 1025 ff. ZPO und die bisherige Diskussion zum Schiedsgutachtenrecht können Hinweise liefern, welche Verfahrensregeln in Betracht kommen. Gelten mithin, aufgrund autonomer Begründung, auch für die Erstellung von Schiedsgutachten Schiedsverfahrensregeln? Oder gelten eigene Regeln? Sollten tatsächlich bestimmte Verfahrensgarantien bestehen, ist zudem zu untersuchen, ob diese zwingend oder dispositiv sind. Zuletzt stellt sich – mit Bezug auf jegliche Verfahrensvorschrift, gleich ob in AGB enthalten, individuell vereinbart oder dem dispositiven oder zwingenden Recht entnommen – die Frage, welche Folgen die Verletzung einer Verfahrensregel nach sich zieht und wie diese Verletzung geltend gemacht werden kann.

29  Siehe auch Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 28; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 11; Bamberger/ Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 10; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 672; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1929. Zum Versicherungsrecht Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 43. 30  Siehe oben § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.).

414

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters Wenn die Parteien sich zur Überwindung ihrer Einigungsschwierigkeit an einen Dritten wenden, verbinden sie damit in der Regel die Vorstellung, dieser Dritte werde keine der beiden Seiten bevorzugen, sondern vielmehr neutral entscheiden. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Dritten, seine Neutralität, kann gerade ein wesentlicher Grund dafür sein, ihn einzuschalten.1 Gleichwohl erwecken manche Urteile des BGH den Eindruck, als stelle die Neutralität des Dritten weniger ein tatsächlich zu beachtendes Gebot als vielmehr die Umschreibung eines Idealzustands dar, dessen Fehlen aber nicht unmittelbar, sondern allenfalls im Wege der Korrektur eines offenbar unbilligen Ergebnisses sanktioniert werden könne. Von diesem Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung zwar einen weiten Weg hin zu verschiedenen Formen der faktischen Anerkennung eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gegangen. Diese Entwicklung wird im Folgenden näher herauszuarbeiten sein (unten B.II.1.). Zumindest in Bezug auf feststellende Schiedsgutachten wird mit der Forderung nach einer analogen Anwendung der einschlägigen Regelungen für Schiedsrichter jedoch eine schlanke Alternative angeboten, die die Problematik unmittelbar angeht. Im Anschluss an eine Darstellung dieser Ansicht ist deshalb zu untersuchen, ob hierin eine überzeugende und tragfähige Grundlage eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für feststellende Schiedsgutachten besteht (unten B.II.2. ff.). Unmittelbar angesprochen wird das Problem auch in ausländischen Rechtsordnungen, die den Dritten gewissen Neutralitätsanforderungen unterwerfen. Dabei wird indes nicht zwischen Feststellung und Gestaltung differenziert, so dass sich weiter die Frage stellt, ob eine derartige Differenzierung im deutschen Recht vorgenommen oder aufrechterhalten werden soll (unten B.III.). Weitgehend ignoriert wird die Problematik im Erbrecht, auf das die gefundenen Ergebnisse im Anschluss zu übertragen sind (unten B.IV.). Kann die Geltung eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für Schiedsgutachter begründet werden, so stellt sich abschließend die Frage, welche Folgen ein Verstoß gegen das Gebot nach sich ziehen soll (unten C.). Einleitend ist jedoch zu verdeutlichen, welchen Inhalt ein mögliches Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit haben könnte (unten A.). 1 

Siehe oben § 1 Fn. 8.

A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Bisweilen wird über die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters diskutiert, ohne näher anzugeben, wann diese Neutralität2 vorliegt und unter welchen Umständen sie fehlt.3 Dabei kann der Inhalt eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durchaus Rückwirkungen haben auf die Fragen, ob ein derartiges Gebot interessengerecht ist und wie es sich begründen lässt. Andererseits dürfte es angesichts der Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte unmöglich sein, eine umfassende Definition aufzustellen. Es kann deshalb nur eine Annäherung versucht werden, und zwar aus zwei Richtungen: Zum einen existieren parallele Vorgaben in der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit. Auch hier hat der Gesetzgeber davon Abstand genommen, denkbare Problemfälle in der ZPO aufzuzählen und sich (mit Ausnahme der Auflistung von Ausschließungsgründen in § 41 ZPO) mit einer Generalklausel begnügt.4 Zum anderen hat auch die bisherige Praxis zum Schiedsgutachtenrecht Fälle hervorgebracht, in denen Gerichte oder Autoren im Schrifttum an der Geeignetheit des Schiedsgutachters zweifelten.

I. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern und Schiedsrichtern 1. Die Paarformel „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ Die Paarformel der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist aus dem Schiedsverfahrensrecht geläufig, wo sie sich in dem von Art. 12 des UNCITRAL-Modellgesetzes inspirierten § 1036 ZPO findet. Sie verweist gleichzeitig auf die in den §§ 41, 42 ZPO angelegte Dichotomie zwischen Ausschließungsgründen, die eher die Stellung der Entscheidungsperson zu einer der Parteien oder dem Verfahren betreffen, und dem Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit, der eher die Haltung der Entscheidungsperson berührt.5 Zum Teil wird die in 2  Der Begriff der „Neutralität“ wird hier synonym zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verwendet. 3  Siehe aber z.B. B. Rauscher, S. 213 ff.; B. Meyer, S. 63 ff.; Kisch, Schiedsmann, S. 64. Außerdem Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 14 mit pauschalem Verweis auf die Ausschlussgründe vom Schiedsrichteramt, die „wegen Gleichheit der Interessenlage“ auch für den Schiedsgutachter gelten. 4  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 5. 5  Vgl. Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 6. Siehe auch zur Unterscheidung von iudex inhabilis und iudex suspectus: Münch­Komm-­ZPO/Gehrlein, § 41 Rn. 2; Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 506. Vergleichbar sind Unterscheidungen wie die von Lachmann, Rn. 981 ff. („konstellationsbedingte“ und „verhaltensbedingte Ablehnungsgründe“) oder von Man­

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

§ 1036 ZPO verwendete Formel zur Präzisierung der §§ 41 f. ZPO herangezogen,6 teils wird vorgeschlagen, die in den §§ 41 f. ZPO genannten Gründe als Anhaltspunkte für die Anwendung des § 1036 ZPO zu verwenden.7 Eine klare Trennung beider Elemente dieses Begriffspaares erscheint kaum möglich und dürfte auch müßig sein.8 Beide, Abhängigkeit von einer Seite und Parteinahme für eine Seite, können sich wechselseitig bedingen9 oder aber ganz unabhängig voneinander vorliegen.10 Und selbst wenn im Einzelfall die Abhängigkeit von einer Partei nicht dazu führt, dass ein Richter oder Schiedsrichter diese Partei tatsächlich ungerechtfertigt bevorzugen will, genügen doch der Anschein oder die Befürchtung einer Parteinahme, um ihn ungeeignet erscheinen zu lassen. Stets kommt es nicht auf die tatsächliche Befangenheit, sondern auf die – objektiv zu würdigende – Besorgnis der Befangenheit an. Dies gilt, schon angesichts von Art. 6 Abs. 1 EMRK,11 für Richter12 und Schiedsrichter13 ebenso wie für den gerichtlichen Sachverständigen14.

2. Die Notwendigkeit einer kasuistischen Herangehensweise Dafür, was nun Parteilichkeit oder Befangenheit ausmacht, sind viele Umschreibungen anzutreffen. Immer wieder ist dabei von fehlender Neutralität der Entscheidungsperson die Rede;15 und auch in dieser Arbeit wird der Begriff „Neukowski, SchiedsVZ 2004, 304, 308 f., 311 (Ablehnungsgründe „personenbezogen“ oder „aus dem Verhalten im Schiedsverfahren“).  6 Zöller/Vollkommer, § 42 Rn. 8.  7 Musielak/Voit, § 1036 Rn. 4; Thomas/Putzo/Reichold, § 1036 Rn. 2 („Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit“ seien „nicht anders zu verstehen als die Besorgnis der Befangenheit in § 42“); Kröll, ZZP 116 (2003), 195, 207 (aber Berücksichtigung der „Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit“); skeptisch Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 7; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 307 („eher mildere Anforderungen zu stellen als an Richter“).  8  So, überzeugend, Tochtermann, S. 9 ff. mit umfassenden Nachw. in einer Untersuchung zur Verwendung des Begriffspaares im Schiedsverfahrensrecht; siehe auch Münch­Komm-­ ZPO/Münch, § 1036 Rn. 6 („Seiten derselben Münze“); differenzierend aber Kröll, ZZP 116 (2003), 195, 206 mit Fn. 43. – Während die Schiedsgerichtsordnung der ICC von 1998 nur auf die Unabhängigkeit der Schiedsrichter Bezug nahm und damit zu Überlegungen hinsichtlich eines abgrenzbaren Bedeutungsgehalts beider Bestandteile des Begriffspaares Anlass gab (z.B. Tochtermann, S. 12 ff.), spricht Art. 11.1 der ab 2012 geltenden ICC-Schiedsgerichtsordnung von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.  9  Münch ­Komm-­Z PO/Gehrlein, § 41 Rn. 1. 10  Tochtermann, S. 25 f. 11 Zöller/Vollkommer, § 42 Rn. 8. 12 § 42 Abs. 1, 2 ZPO; Stein/Jonas/Bork, § 42 Rn. 2 mit Nachw. aus der Rspr.; Zöller/ Vollkommer, § 42 Rn. 8; Münch­Komm-­ZPO/Gehrlein, § 42 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 42 Rn. 10; Musielak/Heinrich, § 42 Rn. 5; Kornblum, S. 122 f. 13 § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO; BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 395; Thomas/Putzo/Reichold, § 1036 Rn. 2; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 6; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 308 m.w.N. 14 § 406 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO; OLG Düsseldorf v. 3.8.2000 NJW‑RR 2001, 1434; Zöller/Greger, § 406 Rn. 8 m.w.N.; Morgenroth, DS 2011, 26 ff. 15 Stein/Jonas/Bork, vor § 41 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 41 Rn. 5; Münch­Komm-­Z PO/

A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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tralität“ synonym zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verwendet werden. Weitere Aspekte, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind die fehlende Distanz, die fehlende Objektivität sowie die Voreingenommenheit der Entscheidungsperson.16 Befangenheit sei eine „unsachliche innere Einstellung des Richters“.17 Größere Klarheit darüber, wann einer Entscheidungsperson die erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit fehlt, bringen diese Umschreibungen kaum. Der Gesetzgeber hat – anders als in § 41 ZPO – angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse auf eine Enumeration von Umständen, die eine Besorgnis der Befangenheit begründen, verzichtet und stattdessen eine generalklauselartige Regelungstechnik gewählt.18 Es hat sich deshalb in Rechtsprechung und Schrifttum eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet.19 Auch die International Bar Association hat es in ihren „Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration“ vom 22.5.2004 für nötig befunden, dem „general principle“, dass ein Schiedsrichter unparteilich und unabhängig sein müsse, detaillierte Listen mitzugeben, in denen typische Szenarien fehlender Neutralität aufgeführt sind. 20

II. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters – Versuch einer Kasuistik Wird somit das Konzept der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei Richtern und Schiedsrichtern am ehesten transparent mit Hilfe einer induktiven, kasuistischen Herangehensweise, ist zu vermuten, dass dies bei Schiedsgutachtern nicht anders ist. Zwar lassen sich ebenso wie bei den zuvor betrachteten PersoGehrlein, § 41 Rn. 1; Musielak/Heinrich, § 41 Rn. 1; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 1; Lachmann, Rn. 974 ff.; Schlosser, RIPS, Rn. 502 (dort auch „Integrität“). 16  Siehe die Formulierungen bei Zöller/Vollkommer, § 41 Rn. 5, § 42 Rn. 8; Münch­Komm-­ ZPO/Gehrlein, § 41 Rn. 1, § 42 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übers § 41 Rn. 2; Musielak/Heinrich, § 41 Rn. 1; Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 506 ff. („Distanz von den Parteien und dem Gegenstand des Prozesses“). 17  Münch ­Komm-­Z PO/Gehrlein, § 42 Rn. 5; Zöller/Vollkommer, § 42 Rn. 8; ähnlich Musielak/Heinrich, § 42 Rn. 4; Stein/Jonas/Bork, § 42 Rn. 2 („unsachliche Beweggründe“); siehe auch Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 24 Rn. 10. 18 Stein/Jonas/Bork, § 42 Rn. 2; zu § 1036 ZPO siehe Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 5; Lachmann, Rn. 967. 19  Siehe nur die Zusammenstellungen bei Zöller/Vollkommer, § 42 Rn. 11 ff.; Münch­ Komm-­Z PO/Gehrlein, § 42 Rn. 8 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 42 Rn. 14 ff.; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 8; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 30 ff.; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 17 ff.; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 8; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 308 f., 311; rechtsvergleichend Schlosser, RIPS, Rn. 507 ff. 20 Die „Guidelines“ sind abrufbar unter (abgerufen am 17.2.2014). Sehr kritisch dazu Lachmann, Rn. 971.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

nengruppen Umschreibungen finden, wann ein Schiedsgutachter nicht mehr als neutral angesehen werden kann. Mit Anschauung gefüllt wird die Formel von „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ aber auch für Schiedsgutachter anhand von Fällen. Deshalb sollen hier Beispiele aus Rechtsprechung oder Literatur zusammengestellt werden, in denen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verneint wurden. 21 Eine Systematisierung ist in der Weise möglich, dass sich diese Beispiele entweder auf die Stellung des Schiedsgutachters oder auf sein Verhalten, insbesondere die bevorzugte Berücksichtigung einer Partei und ihrer Interessen, beziehen. 22 Insofern besteht eine gewisse Korrelation zu dem Dualismus von Abhängigkeit und Parteilichkeit.23 Generell ist zu betonen, dass auch bei einem Schiedsgutachter bereits die Besorgnis der Befangenheit dazu führen muss, dass dieser nicht mehr als unabhängig und unparteilich angesehen werden kann.24 Erst nach Erstellung des Schiedsgutachtens auftretende Gründe für Neutralitätszweifel können auf das Schiedsgutachtenverfahren keinen Einfluss mehr ausüben. 25 Im Bereich der verhaltens‑ oder einstellungsbezogenen Befangenheitsgründe ist etwa an den Fall zu denken, dass der Schiedsgutachter mit der ihn benennenden Partei ein Honorar vereinbart, dessen Höhe von dem schiedsgutachterlich festgestellten Betrag abhängt. 26 Eine Besorgnis der Befangenheit erweckt auch ein Schiedsgutachter, der während der Erstellung des Gutachtens ohne Unterrichtung oder Zustimmung der anderen Partei rechtsgeschäftliche Beziehungen mit einer Partei des Schiedsgutachtenvertrages aufnimmt und sich so deren Interessen zu eigen macht.27 Auch die einseitige Bevorzugung einer Partei etwa bei der Versorgung mit Informationen kann Zweifel an der Unparteilichkeit wecken.28 Weitaus bedeutender scheint die Fallgruppe der Neutralitätsmängel, die an die Stellung des Schiedsgutachters zu den Parteien ansetzen. 29 Eine Besorgnis 21  Als Orientierung mögen auch die zur Befangenheit gerichtlicher Sachverständiger entschiedenen Fälle dienen, siehe etwa die Zusammenstellung bei Thomas/Putzo/Reichold, § 406 Rn. 2; Morgenroth, DS 2011, 26, 26 f. 22  Drei Fallgruppen (Eigeninteresse, Abhängigkeit, willkürliche Bevorzugung) bildet B. Meyer, S. 63 ff. Das Eigeninteresse, etwa an einer höheren ergebnisabhängigen Vergütung, führt aber mittelbar zu einer Verfolgung von Parteiinteressen und geht deshalb in der hier vorgeschlagenen zweiten Fallgruppe auf. 23 Siehe Tochtermann, S. 24 f. m.w.N.; Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Rn. 4.77. 24  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967, 968; B. Rauscher, S. 238 f., 213; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 9 f. 25  VG Sigmaringen v. 11.5.2006 – 8 K 889/04 (juris) (Schiedsgutachter übernahm nach Abschluss der Begutachtung Vertretung der Interessen einer Partei). 26  B. Rauscher, S. 214; B. Meyer, S. 64; siehe aber OLG Naumburg v. 11.9.2003 VersR 2004, 778 (vom Ausgang des Sachverständigenverfahrens abhängiges Honorar nur bedenklich, wenn die andere Partei von dieser Absprache keine Kenntnis hat). 27  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967, 968; BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191. 28  B. Meyer, S. 65; dazu noch unten § 8 B.III. (S. 527 f.). 29  B. Meyer, S. 65 begründet diese Beobachtung damit, dass ein Schiedsgutachter typischerweise „näher ‚am Streit‘“ sei als der staatliche Richter.

A. Inhalt des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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der Befangenheit besteht etwa, wenn ein Schiedsgutachter in einem anderen Verfahren von einer der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung als beisitzender Schiedsrichter benannt worden sei, da sich ein parteibenannter Schiedsrichter als Interessenvertreter der benennenden Partei verstehen könne. 30 Ebenso könne die zwischenzeitliche Übernahme der steuerlichen Beratung und Interessenvertretung einer Partei des Schiedsgutachtenvertrags durch den mit der Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz beauftragten Wirtschaftsprüfer eine Besorgnis der Befangenheit begründen.31 Eine private Tätigkeit für eine Partei des Schiedsgutachtenvertrags wurde auch in einem anderen Fall als Beeinträchtigung der Neutralität gewertet, die nur deshalb unerheblich sei, weil sie der anderen Partei bekannt gewesen sei.32 Ebenso fehle es an der Unparteilichkeit, wenn ein Schiedsgutachter ständig von einer Partei benannt werde.33 Als für sich genommen nicht ausreichend wurde demgegenüber die Tatsache angesehen, dass die Schiedsgutachterin die Tochtergesellschaft einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die in der Vergangenheit den Jahresabschluss einer der Parteien des Schiedsgutachtenvertrags erstellt hat, war, da es sich um rechtlich selbständige Unternehmen handelt.34 Die Schwierigkeit festzulegen, wann die Nähe des Schiedsgutachters zu einer Partei ein Ausmaß erreicht hat, dass er zur Ausübung seiner Tätigkeit ungeeignet ist, zeigt sich etwa bei Angestellten einer Partei. Vornehmlich im Versicherungsrecht halten es nicht wenige Stimmen für unschädlich, wenn ein Mitglied der Sachverständigenkommission Angestellter des Versicherers ist.35 Dagegen wird eingewandt, dass ein Angestellter, selbst wenn er in seiner Funktion als Schiedsgutachter keinen Weisungen unterliege, sich stets in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde, so dass die bloße Besorgnis der Befangenheit nicht ausgeräumt sei.36 Auch ein „nahes verwandtschaftliches oder dienstliches oder berufliches oder freundschaftliches Verhältnis zum Gegner“ könne diese Besorgnis begründen.37 Ein Abhängigkeitsverhältnis, das 30  BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191; zustimmend Habscheid, KTS 1972, 209, 218 f. Auf die Frage, ob ein parteibenannter Schiedsrichter geringeren Neutralitätsanforderungen unterliegt, kam es in diesem Fall nicht an, da anders als in einem Dreier-Schiedsgericht eine Nähe des betreffenden Schiedsrichters zu der einen Partei nicht durch einen von der anderen Partei und ihr möglicherweise näher stehenden Schiedsrichter kompensiert werden kann. 31  BGH v. 2.4.1990 BB 1990, 1310. 32  OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 76; ähnlich VG Sigmaringen v. 11.5.2006 – 8 K 889/04 (juris) für die Übernahme der Vertretung der Interessen einer Partei nach Abschluss der Begutachtung. 33  OLG Frankfurt v. 16.6.1955 VersR 1955, 641; B. Rauscher, S. 214; a.A. OLG Schleswig v. 28.10.1953 VersR 1954, 506. 34  LAG Chemnitz v. 23.4.2010 – 3 Sa 467/09 (juris), Rn. 34 ff. 35  RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 168; RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90; OLG Naumburg v. 11.9.2003 VersR 2004, 778 (bedenklich nur bei „einem völligen Abhängigkeitsverhältnis oder Unterordnungsverhältnis“); dazu noch unten § 7 B.II.1.b) (S. 427 ff.). 36  Kisch, Schiedsmann, S. 64; B. Rauscher, S. 213; A. Bachmann, S. 74 f. 37  Kisch, Schiedsmann, S. 64; B. Rauscher, S. 214; B. Meyer, S. 64; H. Eckert, S. 20.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

die nötige Unparteilichkeit in Frage stelle, bestehe auch bei gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretern.38

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Ist damit der mögliche Inhalt eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters mit Leben gefüllt, stellt sich erneut die Frage, ob für Schiedsgutachten ein derartiges Gebot überhaupt gilt. Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Abzuschichten sind zunächst zwei Fälle, in denen ein derartiges Gebot nahezu allgemein anerkannt ist, nämlich die Geltung kraft Parteivereinbarung und die Einigung auf ein Schiedsgutachten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Jenseits dieses Bereichs herrscht jedoch Streit. Da sich dieser Streit vor allem auf das feststellende Schiedsgutachten konzentriert, während die Frage für das gestaltende Schiedsgutachten meist entweder gleich ignoriert oder aufgrund der Zuordnung zum materiellen Recht mit wenigen Worten verneint wird, wird die folgende Untersuchung nach Typen von Schiedsgutachten differenzieren. Es kann vorweggenommen werden, dass sich diese Differenzierung aufgrund der funktionalen Verwandtschaft beider Typen als entbehrlich erweisen wird.

I. Geltung kraft ausdrücklicher Parteivereinbarung 1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bereits oben39 wurde dargestellt, dass eine Schiedsgutachtenklausel in AGB bestimmten Mindestanforderungen an das darin vorgesehene Verfahren genügen muss. Zu diesen Mindestanforderungen zählt die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der bestimmungsberechtigten Person. Eine Klausel, die diese Anforderung nicht erfüllt, ist unwirksam.

2. In Individualvereinbarungen Sofern die Parteien sich, sei es in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung, sei es durch Bezugnahme auf eine bestimmte Verfahrensordnung, darauf verständigen, dass der Schiedsgutachter unparteilich und unabhängig sein müsse, gilt diese individualvertraglich vereinbarte Anforderung an den Schiedsgutachter so wie jede andere wirksame Vereinbarung. Mit diesem Grundsatz kann sich 38  39 

B. Meyer, S. 65; Wittmann, S. 127 f.; Kisch, Schiedsmann, S. 63. Siehe oben § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.).

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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auch der BGH zwanglos anfreunden; die Vereinbarung eines Rechts zur Ablehnung des mit einer Feststellung betrauten Schiedsgutachters „i.S. der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen“ ließ er passieren.40 Letztlich ist dieser Grundsatz Ausdruck der Privatautonomie der Parteien. Ebenso wie sie bestimmen können, worüber der Schiedsgutachter zu befinden hat (Zulässigkeit) und in welchem Grade sie an ein Schiedsgutachten gebunden sein wollen (Kontrolle), haben die Parteien die Freiheit, Vorgaben zum Verfahren zu machen. Insbesondere können sie vorsehen, dass der Schiedsgutachter bestimmte Eigenschaften haben muss – in Betracht kommen besondere Anforderungen an die Sachkunde des Dritten, aber eben auch das Postulat, der Dritte müsse unparteilich und unabhängig sein. Freilich bleibt die Vereinbarung bestimmter Eigenschaften eine reine Wunschliste, wenn mit dem Fehlen dieser Eigenschaften keine Rechtsfolge verknüpft ist. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in seiner eben angesprochenen Entscheidung angenommen, dass die begründete Ablehnung durch eine der Parteien zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens führe.41 Unterstützend begründete der BGH die Unverbindlichkeit damit, dass die Parteien eine richterliche Überprüfung auch bei offenbarer Unrichtigkeit ausgeschlossen hatten und die Ablehnungsmöglichkeit daher „der einzige Schutz … gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung der anderen Seite“ dargestellt habe.42 Der Kläger, Kommanditist der Beklagten, hatte während des Schiedsgutachterverfahrens den mit der Errechnung eines Abfindungsguthabens betrauten Schiedsgutachter als befangen abgelehnt, als dieser nach Übernahme des Schiedsgutachterauftrags von dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten in einem Schiedsgerichtsverfahren mit Dritten als Schiedsrichter in einem Dreierschiedsgericht benannt worden war. Die Beklagte wie auch der Schiedsgutachter hatten die Ablehnung zurückgewiesen, und der Schiedsgutachter hatte daraufhin sein Schiedsgutachten erstellt. Der BGH hielt die Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens für begründet, da er die Voraussetzungen des Ablehnungsrechts als erfüllt ansah. Ob die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens die einzig mögliche Folge der Ausübung eines vertraglichen Ablehnungsrechts ist, soll indes unten im Zusammenhang mit der allgemeinen Frage, welche Rechtsfolgen bei fehlender Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in Betracht kommen, behandelt werden. Dabei wird den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien Rechnung zu tragen sein. 40  BGH v. 28.2.1972 NJW 1972, 827; ferner BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207; KG v. 8.10.1979 VersR 1980, 928, 933; OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328. 41  BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191, 192 (insoweit nicht in NJW 1972, 827); ebenso OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 66. 42  BGH v. 28.2.1972 NJW 1972, 827.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

II. Generelle Geltung bei feststellenden Schiedsgutachten Warfen die beiden soeben behandelten Fälle einer Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit kraft ausdrücklicher Vereinbarung wenig Schwierigkeiten auf, so hat sich um die Frage, ob dieses Gebot auch ohne ausdrückliche Vereinbarung Geltung beanspruchen kann, eine umfangreiche Debatte entzündet. Es stellt eine allgemeine Folge der Unterscheidung von gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten und vor allem der Zuordnung des zweiten Typus zum Prozessrecht dar, dass Aussagen über das Schiedsgutachten in erster Linie diesen Typus betreffen.43 Besonders deutlich zeigt sich dies hier. Da die meisten Äußerungen in der Debatte um Unabhängigkeit und Unparteilichkeit feststellende Schiedsgutachten betreffen, soll im Folgenden aus Gründen der Darstellung zwischen beiden Formen des Schiedsgutachtens getrennt und zunächst nur das feststellende Schiedsgutachten behandelt werden.44 Ob sich die dazu gefundenen Ergebnisse auf das gestaltende Schiedsgutachten übertragen lassen, wird dann im Anschluss zu klären sein. Wie gesehen, ist die Geltung prozessualer Grundsätze und insbesondere die Geltung eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters ein Anliegen, wenn nicht das Hauptanliegen der prozessualen Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens. Doch auch Vertreter der materiellen Ansicht sprechen sich für ein derartiges Gebot aus. Es dürfte deshalb heute der ganz überwiegenden Meinung entsprechen, dass ein feststellender Schiedsgutachter auch ohne vertragliche Vereinbarung eines Ablehnungsrechts seine Aufgabe unabhängig und unparteilich versehen muss.45 Stimmen, die die Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit rundheraus46 ablehnen, sind dagegen kaum noch zu finden.47 Die für die Geltung des 43 

So auch die Beobachtung von Wittmann, S. 42. Mit zu den feststellenden Schiedsgutachten werden hier die Sachverständigengutachten im Versicherungsrecht gerechnet. 45  Siehe vorerst Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; Kisch, Schiedsmann, S. 64; Wittmann, S. 96 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673 ff.; B. Meyer, S. 63; Kornblum, S. 103; B. Rauscher, S. 213 ff., 236 ff.; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 82 ff.; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 26; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 44; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 21; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 12; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153; Meckenstock, S. 19; H. Eckert, S. 20; A. Bachmann, S. 74 f.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 16 ff.; ders., FS Bülow, S. 171 ff.; Habscheid/Calavros, KTS 1979, 1, 11; Jonas, JW 1937, 221; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217; Habscheid, FS Laufke, S. 313 ff.; Prütting, JZ 1985, 261, 270; W. Döbereiner, VersR 1983, 712, 714; Riewert, GPR 2013, 62, 66. 46  Differenzierend Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18: Nur wenn die Feststellung des Schiedsgutachters Wertungen erfordere, sei dessen Neutralität vonnöten. 47  Siehe aber Jacobi, VersR 1959, 405, 406 (Versicherungsrecht); Volmer, BB 1984, 1010, 1012. Auch wer im Rahmen der Kontrolle des Schiedsgutachtens ausschließlich auf dessen 44 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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Gebots anzutreffenden Begründungen sind vielfältig. Sie sind im Folgenden zu erörtern. Maßgeblich können jedoch kaum Ableitungen aus einer Einordnung als prozessual oder als materiell-rechtlich sein. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in der Sache überzeugend ist.48 Dies entspricht dem hier vertretenen funktionalen Ansatz. Eine Regelungslücke lässt sich auch dann mit prozessualen Normen schließen, wenn sie im materiellen Recht besteht. Entscheidend für den Analogieschluss ist vielmehr die Vergleichbarkeit der Interessenlage, für die die Funktionsähnlichkeit ein maßgebliches Kriterium darstellt. Vorweggeschickt sei, dass vom Gesetz wenig Anhaltspunkte in dieser Debatte zu erwarten sind. Auch die jüngste Gelegenheit zu einem klarstellenden Wort hat der Gesetzgeber ungenutzt verstreichen lassen. Im Rahmen der Reform des Versicherungsvertragsrechts im Jahre 2008 hielt er in seiner Begründung zu § 84 VVG fest: „Für die Fälle der Befangenheit eines Sachverständigen gelten die allgemeinen Grundsätze bei Schiedsgutachterverfahren; einer besonderen Regelung bedarf es hier weiterhin nicht.“49

Dass diese „allgemeinen Grundsätze“ alles andere als unumstritten sind und eine Erläuterung des Gehalts dieser Grundsätze nützlich gewesen wäre, wird dort hingegen nicht erwähnt. Diese Äußerung bestätigt jedoch, dass im Folgenden sowohl Stellungnahmen und Beispiele zum zivilrechtlichen feststellenden Schiedsgutachten als auch zum versicherungsrechtlichen Sachverständigengutachten herangezogen werden können. Lediglich an einer wenig beachteten50 Stelle gibt der Gesetzgeber einen Hinweis darauf, dass seiner Vorstellung nach ein Schiedsgutachter neutral zu sein hat. In § 128 VVG, der auf § 158n VVG a.F. und damit mittelbar auf Art. 6 der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie von 198751 zurückgeht, wird gefordert, dass ein Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung für den Fall der Verneinung der Leistungspflicht durch den Versicherer ein „Gutachterverfahren oder Ergebnis abstellt (z.B. Bulla, BB 1976, 398, 391; ders., NJW 1978, 397, 400), kann dieses kaum auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit überprüfen. 48  So auch Nicklisch, FS Bülow, S. 174; Wittmann, S. 102; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 659, 673 ff.; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217 („Mindestbedingungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens“ einzuhalten, „gleichgültig ob man den Schiedsgutachtenvertrag als materiellrechtliche oder prozeßrechtliche Vereinbarung bewertet“). 49  BT-Drucks. 16/3945, S. 81. 50  Siehe aber Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 34. 51  Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung, ABl. 1987 L 185/77 ff. Siehe nunmehr Art. 203 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. 2009 L 335/1 ff.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit“ vorzusehen sei. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er in einem Gutachterverfahren – das unter dieser Bezeichnung auch in §§ 84, 189 VVG für die Schadens‑ und die Unfallversicherung vorgesehen ist – ein Verfahren erblickt, das Garantien für die Unparteilichkeit bietet. Die Formulierung in § 128 VVG wäre andernfalls auch nicht richtlinienkonform, da die Richtlinie ihrerseits ein „Schiedsverfahren oder ein anderes Verfahren …, das vergleichbare Garantien für die Objektivität bietet“, verlangt.52

1. Die Position der Rechtsprechung Mit einer gewissen Generalisierung kann gesagt werden, dass die prozessuale Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens und damit die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung von Verfahrensgarantien sich auch und gerade als Reaktion auf eine Rechtsprechung entwickelt hat, die jenen Garantien nur unzureichend Rechnung getragen hat.53 Es empfiehlt sich daher, zunächst die Haltung der Rechtsprechung nachzuzeichnen. Dabei wird sich zeigen, dass eine Haltung, die im Ausgangspunkt als ablehnend gekennzeichnet werden konnte, einer faktischen Anerkennung eines Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit beim feststellenden Schiedsgutachten gewichen ist. Mithin richtet sich die moderne Kritik an der Rechtsprechung auch weniger gegen deren Haltung an sich als vielmehr gegen die als unzureichend empfundene Art und Weise, wie dem Gebot Geltung verschafft wird.

a) Klassische Wahrnehmung der Rechtsprechung: Ablehnende Haltung Der Rechtsprechung wird häufig nachgesagt, sie stelle keine Anforderungen an die Unparteilichkeit des Schiedsgutachters.54 Diese Beobachtung trifft zu auf die Leitentscheidungen zum Schiedsgutachtenrecht aus den 1930er und 1950er Jahren.55 Insbesondere war das Reichsgericht in einem Urteil aus dem Jahre 1936 zu dem Schluss gekommen, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für ein Recht zur Ablehnung des Schiedsgutachters wegen Befangenheit.56 Eine Partei, die sich durch den Spruch benachteiligt fühle, sei durch ihre Möglichkeiten, 52 

Hervorhebung hinzugefügt. Siehe oben § 2 B.II.5.e)dd) (S. 92 ff.). 54  G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 153; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. Bezogen auf die „traditionelle Auffassung“ auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 672. 55  Siehe außer diesen beiden im Folgenden zu besprechenden Leitentscheidungen KG v. 8.10.1979 VersR 1980, 928, 931. 56  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206 f. Meist wird vernachlässigt, dass diese Entscheidung ein gestaltendes Schiedsgutachten betraf; sie wird häufig in der Diskussion um das feststellende Schiedsgutachten mobilisiert. 53 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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das Schiedsgutachten aus den in §§ 318, 319 BGB vorgesehenen Gründen nachträglich anzugreifen, hinreichend geschützt.57 Bei Gremienentscheidungen gewähre zudem das Einstimmigkeitserfordernis in § 317 Abs. 2 BGB „einen nahezu sicheren Schutz gegen eine parteiischen Gutachter der Gegenpartei“.58 Wer weitergehenden Schutz suche, müsse sich diesen durch Vereinbarung eines Ablehnungsrechts besonders sichern.59 Eine derartige Vereinbarung könne auch keineswegs als dem vernünftigen Parteiwillen entsprechend unterstellt werden oder durch eine analoge Anwendung des § 1032 ZPO a.F., d.h. der Vorschrift über Schiedsrichterablehnung, ersetzt werden. Die ZPO-Vorschrift könne nicht als selbstverständlich vereinbart angesehen werden, da die Normen des BGB dem Interesse der Parteien an einem objektiv zutreffenden Schiedsgutachten ausreichend nachkämen. Hervorzuheben sind die Ausführungen zum Zusammenspiel von Verfahren und Kontrolle: „Der innere Grund, weshalb es beim Schiedsgutachtenvertrage der Gewährung eines Ablehnungsrechts nicht bedarf, ist vom [Berufungsgericht] zutreffend angedeutet: die sachliche Richtigkeit des Schiedsspruchs ist grundsätzlich nicht nachprüfbar; daher muß hier die Unparteilichkeit der Schiedsrichter gesichert werden. Das Schiedsgutachten unterliegt dagegen in der entscheidenden Frage – billiges Ermessen – einer Nachprüfung, die wenigstens offenbare Unbilligkeit verhütet.“60

Auf die Frage, ob die Mitwirkung eines abgelehnten Gutachters auf das Ergebnis des Schiedsgutachtens Einfluss hatte, kommt es nach dieser Argumentation nicht mehr an.61 Wenig später ließ das Reichsgericht eine Vereinbarung unbeanstandet, mit der die Parteien eines Darlehensvertrages der Darlehensgeberin die Befugnis gaben, „unter Ausschluß des Rechtsweges“ das Vorliegen von Voraussetzungen zur vorzeitigen Kündigung des Darlehens festzustellen.62 Freilich besagt diese – verschiedentlich als Beleg für die traditionelle ablehnende Haltung der Rechtsprechung ins Feld geführte63 – Entscheidung bei näherem Hinsehen wenig für die hier interessierende Frage. Denn sie befasst sich nicht mit der Feststellungsentscheidung eines Dritten, sondern der Entscheidung einer Partei. Das Reichsgericht stellt darin klar, dass ebenso wie § 317 BGB auch § 315 BGB nicht nur Gestaltungs‑, sondern auch Feststellungsentscheidungen erlaubt. Diese Erweiterung des § 315 BGB, der – wie § 317 BGB – seinem unmittelbaren Regelungs57 

RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207. RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 208. 59  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207. In dem Schiedsgutachtenvertrag fand sich sogar eine Formulierung, wonach „jede Partei eine unparteiische sachverständige Persönlichkeit“ bestellen solle. Selbst dieser eindeutige Anhaltspunkt genügte der Rechtsprechung nicht, um einen mutmaßlichen Parteiwillen anzunehmen. 60  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207 f. 61  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 208. 62  RG v. 29.1.1937 Warn 1937 Nr. 80. 63  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 672; Sieveking, S. 79. 58 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

gehalt nach nur Gestaltungen betrifft, ließe sich allenfalls unter der Fragestellung diskutieren, ob das Gebot überparteilicher Rechtspflege, das im (Schieds‑) Prozess ein Richten in eigener Sache verbietet,64 auch eine „Feststellung in eigener Sache“ verbietet – obwohl die „Leistungsbestimmung in eigener Sache“ ausdrücklich zugelassen wird. Eine bestimmte Haltung zum Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters lässt sich dieser Erweiterung des § 315 BGB jedoch nicht entnehmen: Es müsste von vornherein kurios anmuten, wenn „sehenden Auges“ einer Partei eine Bestimmungs‑ oder Feststellungsbefugnis übertragen wird und die Ausübung dieser Befugnis sodann mit dem Argument verhindert werden soll, es bestehe die Besorgnis, diese Partei werde parteilich entscheiden. Vielmehr zeigt das Reichsgerichtsurteil Ansätze zu einer Berücksichtigung von Bedenken gegen die Neutralität, wenn auch an unvermuteter Stelle: Die Delegation der Feststellungsentscheidung an die Darlehensgeberin sei deshalb nicht sittenwidrig, weil diese als unter staatlicher Aufsicht stehende öffentlich-rechtliche Kreditanstalt eine „besondere Stellung“ genieße und in ihren „Geschäftsgang“ „besonderes Vertrauen“ zu setzen sei.65 Diese Erwägungen sind im Grunde nichts anderes als Ausdruck eines Bemühens, eine gewisse Unparteilichkeit (bei einer Parteientscheidung!) zu gewährleisten. Mag diese Inhaltskontrolle der Delegation anhand von § 138 BGB gröber sein als eine AGB-Kontrolle, so wird doch denselben, zuvor bereits angesprochenen Anliegen entsprochen. Vom BGH bestätigt wurde die Absage an ein Ablehnungsrecht für Schiedsgutachter in knappen Worten im Jahre 195566 und dann ausführlich in einem versicherungsrechtlichen Fall aus dem Jahre 1957. Darin griff er die zuvor in seiner – allerdings zum gestaltenden Schiedsgutachten ergangenen – Leitentscheidung67 entwickelten Grundsätze auf und verneinte aufgrund der Wesensverschiedenheit von Schiedsgericht und Schiedsgutachten eine (analoge) Anwendung des § 1032 ZPO a.F., der vor der Reform des Schiedsverfahrensrechts im Jahre 1998 sedes materiae des Neutralitätsgebots war: „Da die Parteien durch die Möglichkeit, bei groben sachlichen Mängeln des Schiedsgutachtens eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, hinreichend geschützt sind, liegt in der Regel kein innerer Grund vor, ihnen darüber hinaus noch das Recht zu geben, einen Gutachter wegen Befangenheit abzulehnen“.68

Der BGH betont wie zuvor schon das Reichsgericht die besondere Funktion des Einstimmigkeitserfordernisses – hier in seiner versicherungsrechtlichen Aus64 

Für staatliche Richter: § 41 Nr. 1 ZPO. Für Schiedsrichter siehe unten Fn. 172. RG v. 29.1.1937 Warn 1937 Nr. 80. 66  BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665 (kein Ablehnungsrecht erforderlich, da „jedenfalls“ Nachprüfbarkeit im Rahmen des § 319 BGB). 67  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 68  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. 65 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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prägung der Übereinstimmung zwischen den beiden parteibenannten Sachverständigen: Dass diese ihre Ansicht aufeinander abstimmen müssten, schütze hinreichend vor willkürlichen oder sachfremden Ergebnissen.69

b) Ältere Entscheidungen: Anerkennung eines Neutralitätsgebots Dabei stand die Rechtsprechung selbst nicht immer auf dem soeben geschilderten Standpunkt. Frühe Entscheidungen des Reichsgerichts gehen nahezu selbstverständlich von einer Befugnis zur Ablehnung wegen Befangenheit aus.70 Wenig beachtet71 ist eine Entscheidung aus dem Jahre 1899, in der das Reichsgericht die Rüge, ein Einzelschiedsgutachter sei befangen gewesen und sein Schiedsgutachten deshalb unverbindlich, als Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aufgrund des Schiedsgutachtens zugelassen hat.72 Der Sachverständige sei nicht Schiedsrichter im Sinne von § 851 CPO, sondern arbitrator, der über einzelne Tatsachen befinden sollte. Während des Schiedsgutachterverfahrens habe keine Partei die Möglichkeit, eine Entscheidung über die Befangenheit herbeizuführen, und außerdem diene das Schiedsgutachten nur als Entscheidungsgrundlage für einen nachfolgenden Prozess. Aus diesen zwei Gründen müsse es möglich sein, die Befangenheit in diesem nachfolgenden Prozess geltend zu machen, wenn nicht aus den Umständen ersichtlich sei, dass die Partei, die sich nun auf diese Rüge beruft, zuvor darauf verzichtet hat. Die anderen Entscheidungen betreffen Sachverständigenkommissionen im Versicherungsrecht. Sie gehen – insoweit in Einklang mit den nachfolgenden Leitentscheidungen – von einer vertragsrechtlichen Natur dieser Gutachtenverfahren aus und lehnen mithin eine analoge Anwendung der Vorschriften über den Schiedsvertrag ab, da es sich nur um ein Schiedsgutachten über einzelne Tatsachen, nicht um einen Schiedsspruch zur Entscheidung eines Rechtsstreits handele.73 Auch die Ablehnungsbefugnis rechtfertigen sie vertragsrechtlich: Die Berufung eines befangenen Gutachters in die Sachverständigenkommission stelle „einen groben Verstoß gegen die das Versicherungsverhältnis beherrschende Vertragstreue“ dar, die zur Unverbindlichkeit des Spruchs der Kommission und dessen Ersetzung durch das Gericht führe.74 Zumindest hinsichtlich des Obmanns entspreche die Neutralität des Schiedsgutachters „Zweck und 69 

BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. Auf den Obmann des Sachverständigengremiums lässt sich diese Überlegung freilich, wie auch der BGH erkennt, nicht übertragen. 70  RG v. 27.9.1899 JW 1899, 726; RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169 (zum preußischen Recht); RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90. 71  Siehe aber die Analyse der reichsgerichtlichen Rechtsprechung bei Sieveking, S. 78 f. 72  RG v. 27.9.1899 JW 1899, 726. 73  RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350, 352. 74  RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350, 352; RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90, 90 f.; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Wesen“ der betreffenden Vereinbarung.75 Die Entscheidungen bringen eine Differenzierung zum Ausdruck, je nachdem, ob das betreffende Kommissionsmitglied parteibenannter Sachverständiger oder Obmann war: Im Falle des Obmanns legte das Reichsgericht strengere Maßstäbe an;76 hinsichtlich des parteibenannten Sachverständigen könnten mildere Maßstäbe gelten, da der vom der anderen Partei benannte Sachverständige hier ein natürliches Gegengewicht bilde.77 Insbesondere sei es kein hinreichender Ablehnungsgrund, wenn der vom Versicherer benannte Gutachter schon in früheren Verfahren für den Versicherer tätig oder in demselben Verfahren schon sachlich mit dem Schadensfall befasst war.78 Nur wenn ein besonderes „Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis“ des parteibenannten Sachverständigen zu der Partei bestehe, komme seine Befangenheit in Betracht.79 Es war auch in der Folgezeit vor allem das Versicherungsrecht, in dem die Frage der Befangenheit des Schiedsgutachters aktuell wurde. Verschiedene Entscheidungen ließen es ausdrücklich zu, dass ein versicherungsrechtliches Schiedsgutachten als unverbindlich anzusehen sei, da ein befangener Schiedsgutachter mitgewirkt habe.80 Andere ließen die Frage ausdrücklich offen und zogen sich damit aus der Affäre, dass sie jedenfalls die Voraussetzungen einer Ablehnung für nicht gegeben erachteten81, nach Erstattung des Gutachtens nur noch die offenbare Unrichtigkeit und nicht mehr die mögliche Befangenheit eines Gutachters für maßgeblich hielten82 oder eine Geltendmachung in einem der Schiedsrichterablehnung entsprechenden Verfahren (§ 1045 ZPO a.F.) für unzulässig erklärten83. Auch noch nach der Reichsgerichtsentscheidung von 1936 war die Diskussion zumindest im Versicherungsrecht nicht verstummt. Mehrere Entscheidun75 

RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90. v. 27.10.1899 RGZ 45, 350, 352; RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90 (Obmann hatte den Versicherungsnehmer zuvor als „Simulanten“ bezeichnet); RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169. 77  RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 168 f. 78  RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167. 79  RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169. 80  RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90 (Befangenheit des Obmanns kann als schwerer Mangel das Schiedsgutachten zu einem offenbar unbilligen machen); KG v. 6.6.1934 JRfPrV 1934, 347, 348 (die Behauptung, der Sachverständige des Versicherten habe sich eine prozentuale Beteiligung an der Versicherungsleistung versprechen lassen, war im Ergebnis jedoch nicht durchschlagend, da nicht hinreichend substantiiert); KG v. 12.11.1932 JRfPrV 1933, 77 (behauptetes Zusammenwirken zweier Sachverständiger zum Nachteil des Versicherungsnehmers im Fall aber nicht bewiesen); KG v. 1.2.1930 JRfPrV 1930, 155, 156 (Ablehnung des Sachverständigen des Versicherers war erfolgreich, da der Sachverständige ständig vom Versicherer beauftragt war, bei jedem Schadensfall den Schaden aufzunehmen). 81  OLG Nürnberg v. 5.2.1934 JRfPrV 1934, 168, 169 (überdies sei problematisch, ob nach Abschluss der Begutachtung eine Ablehnung überhaupt noch möglich sei). 82  KG v. 25.11.1933 JRfPrV 1934, 75. 83  OLG Hamburg v. 2.11.1927 HansRGZ A 1928, 37, 38. 76  RG

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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gen befassten sich mit der Frage einer Unverbindlichkeit wegen Befangenheit, lehnten sie aber im konkreten Fall jeweils ab.84 Zu betonen ist, dass der Bundesgerichtshof seiner Entscheidung aus dem Jahre 1957 enge Grenzen zog: Er ließ es wegen einer angeblichen Verschiedenheit der Sachverhalte ausdrücklich dahinstehen, ob an den Reichsgerichtsentscheidungen zur Befangenheit des Kommissionsobmanns festzuhalten sei und was im Falle eines „völligen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis[ses]“ gelte.85 Damit stellt sich die Lage nach der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1957 wie folgt dar: Die einzige Leitentscheidung, in der ein Ablehnungsrecht vollumfänglich verneint wurde, befasste sich mit einem gestaltenden Schiedsgutachten. Zum feststellenden Schiedsgutachten außerhalb des Versicherungsrechts hatte das Reichsgericht eine Unverbindlichkeit des Gutachtens wegen Befangenheit bejaht, ohne dass dies später in Frage gestellt worden wäre. Im Versicherungsrecht existieren mehrere, vom BGH unangetastete Entscheidungen, die eine Unverbindlichkeit wegen Befangenheit zumindest des Obmanns oder wegen eines völligen Abhängigkeits‑ und Unterordnungsverhältnisses des parteibenannten Sachverständigen für möglich gehalten haben. Die generell ablehnende Haltung, die der Rechtsprechung nachgesagt wird, erweist bei näherer Betrachtung als durchaus differenzierter. Eine nähere Betrachtung der beiden Leitentscheidungen von 1936 und 1957 nährt weiter den Zweifel, ob es dem Reichsgericht und ihm folgend dem Bundesgerichtshof in diesen Fällen wirklich darum ging, einem Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters eine Absage zu erteilen. Vielmehr kommen zwei andere Ziele in Betracht, für die eine derartige Absage ein nützliches Vehikel war. Zum einen konnte die Rechtsprechung auf diese Weise das – legitime – Ziel verfolgen, dem Schiedsgutachtenvertrag gegenüber dem Schiedsgerichtsverfahren Konturen und ein eigenes Profil zu verleihen. Keine fünf Jahre vor dem Urteil von 1957 war die Leitentscheidung des BGH zur Ablehnung des rechtlichen Gehörs bei Schiedsgutachten86 ergangen. Die Argumentationslinien in diesen beiden Entscheidungen laufen weitgehend parallel. Wie noch zu zeigen sein wird,87 ist der Haltung des BGH zur Gewährung rechtlichen Gehörs im Schiedsgutachtenverfahren vollauf zuzustimmen. Womöglich handelt es sich bei dem zeitlich nachfolgenden Urteil zur Befangenheitsablehnung um eine unglückliche Übernahme von Gedanken, die auf das rechtliche Gehör zutreffen mögen, auf die Frage der Unabhängigkeit und Un84  OLG Frankfurt v. 16.6.1955 VersR 1955, 641 (Vorinstanz zu BGH WM 1957, 365) (obiter); OLG Schleswig v. 28.10.1953 VersR 1954, 506; OLG Königsberg v. 8.7.1941 JRfPrV 1941, 217; jeweils bezogen auf den vom Versicherer benannten Sachverständigen, der nur nicht in einem völligen „Abhängigkeits‑ oder Unterordnungsverhältnis“ stehen dürfe. 85  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. 86  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 87  Siehe unten § 8 C. (S. 528 ff.).

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

parteilichkeit aber nicht. Zum anderen scheint es, als konnten Reichsgericht und Bundesgerichtshof in ihren Urteilen der eigentlichen Sachfrage, die sich in den Fällen jeweils stellte, ausweichen, indem sie die Geltung des Gebots der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verneinten. In der Entscheidung des Reichsgerichts hätten sich schwierige Anschlussfragen gestellt: Ist der Gegenpartei die Ablehnung wegen Befangenheit verwehrt, weil sie – wie das Gericht an anderer Stelle erwähnt – „gegen das erstattete Schiedsgutachten längere Zeit nichts unternommen hat“88? Mit anderen Worten: Welche Präklusionsregeln gelten für eine Befangenheitsablehnung? Frühere Urteile wollten eine Geltendmachung der Befangenheit versagen, wenn der Ablehnungsgrund der Partei schon während des Gutachterverfahrens bekannt war und sie nichts unternommen hatte.89 Auch die Rechtsfolgen einer Ablehnung musste das Gericht nicht thematisieren. Dem Bundesgerichtshof blieb es erspart, sich der Frage zuzuwenden, ob der von Seiten des Versicherers benannte Sachverständige überhaupt Besorgnis zur Befangenheit gab.90 Ob etwa im Falle eines Schiedsrichters die Tatsache, dass dieser „schon in anderen Fällen Gutachten erstattet hatte und auch in diesem Fall bereits im Schadenregulierungsverfahren tätig gewesen war“91, ausgereicht hätte, um ihn erfolgreich abzulehnen, ist überaus fraglich.92 Auch erübrigte sich die Klärung der – in Bezug auf Schiedsrichter umstrittenen93 – Frage, ob an parteibenannte Schiedsgutachter dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an den Obmann.

c) Wiederentdeckung des Neutralitätsgebots Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass die Rechtsprechung in der Folge verschiedene Wege ersonnen hat, faktisch doch ein Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit anzuerkennen. Ein erster Schritt war im Jahre 1977 ein Urteil zu einem versicherungsrechtlichen Sachverständigengutachten, 88 

RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206. RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90, 91; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169. 90  Gegen die Relevanz einer Vorbefassung des Schiedsgutachters KG v. 8.10.1979 VersR 1980, 928, 933. 91  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. 92  Siehe eher für ein Ablehnungsrecht aufgrund wiederholter Tätigkeit als Schiedsrichter in Rechtsstreitigkeiten einer Partei Musielak/Voit, § 1036 Rn. 8 („wirtschaftliche Interessenverflechtung“); Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 35; eher dagegen, dass ein Schiedsrichter allein deshalb abgelehnt werden kann, weil er früher wiederholt von einer Partei als Schiedsrichter benannt worden ist, Lachmann, Rn. 996 ff.; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 309 m.w.N. In BGH v. 28.2.1972 NJW 1972, 827 bejahte der BGH einen Grund zur Ablehnung eines Schiedsgutachters, der während der Gutachtenerstellung von dem Komplementär einer der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung in anderer Sache als Schiedsrichter benannt wurde. – Zur Frage der sachlichen Vorbefassung eines Schiedsrichters als Gutachter siehe Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 36. 93  Dazu noch unten § 7 B.II.5.e) (S. 463). 89 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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in dem der BGH die Frage, ob allein die Befangenheit eines Sachverständigen ausreicht, das Gutachten unverbindlich zu machen, als streitig und nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, als höchstrichterlich geklärt bezeichnet.94 Eigentlich konnte zu diesem Zeitpunkt als feststehend95 gelten, dass die Befangenheit des Schiedsgutachters zur Unverbindlichkeit führt, wenn ein Ablehnungsrecht vereinbart wurde, und dass sie irrelevant ist und allein eine Ergebniskontrolle stattfindet, wenn kein Ablehnungsrecht vereinbart wurde. Einer Entscheidung der selbst aufgeworfenen Frage konnte der BGH jedoch dadurch ausweichen, dass er den klagenden Versicherungsnehmer für präkludiert hielt, die Befangenheit des vom Versicherer benannten Sachverständigen zu rügen. Die Klägerin hatte behauptet, der Sachverständige habe während des Sachverständigenverfahrens erklärt, er werde den Inhaber der Klägerin „fertigmachen“. Die Klägerin musste sich nun entgegenhalten lassen, sie habe folglich schon vor Erstattung des Gutachtens von dem – angeblichen – Befangenheitsgrund gewusst und hätte noch während des Verfahrens die Beklagte darüber informieren müssen. Das ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO. Danach ist die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen nach dessen Vernehmung bzw. Niederlegung des schriftlichen Gutachtens nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte. Übertragen auf das versicherungsrechtliche Sachverständigenverfahren heiße das, dass Ablehnungsgründe der anderen Partei noch während des Verfahrens mitgeteilt werden müssten, damit die andere Partei Gelegenheit erhalte, die Sachlage zu prüfen und eventuell den befangenen Sachverständigen durch einen anderen abzulösen.96 Die Präklusion sei auch von Zweck des Sachverständigenverfahrens geboten, die Schadensregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe und ohne Streit vor staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadensfeststellung zu erledigen.97 Eine Präklusion mag sinnvoll erscheinen;98 mit dieser Argumentation lässt sie sich nicht begründen. Denn so94  BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121, 123; ebenso BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1987, 506, 507. En passant werden die Mitglieder einer Sachverständigenkommission im Versicherungsrecht bereits in BGH v. 11.6.1976 VersR 1976, 821 als „unabhängige, über den Parteien stehende Schiedsgutachter“ bezeichnet, ohne dass es in der Sache aber darauf angekommen wäre. 95  Siehe aber OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047: Sofern ein Ablehnungsrecht besteht, kann gegen eine Leistungsklage aufgrund eines Schiedsgutachtens eingewendet werden, das Schiedsgutachten sei wegen der Befangenheit eines Schiedsgutachters unverbindlich. Alternativ könne die benachteiligte Partei auf Feststellung der Unverbindlichkeit des Gutachtens klagen. Offen gelassen hat das Gericht, ob eine Feststellungsklage schon vor Erstattung des Gutachtens möglich ist. Jedenfalls stehe kein Verfahren analog der Schiedsrichterablehnung offen. Nicht aber wurde in dieser Entscheidung gesagt, der benachteiligten Partei stehe auch ohne besondere Vereinbarung ein Ablehnungsrecht zu. 96  BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121, 123. 97  BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121, 123. 98  Dazu unten § 7 C.V. (S. 516 ff.).

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

lange die Befangenheit des Sachverständigen keine Auswirkungen auf die Verbindlichkeit des Gutachtens hat, hat die Gegenseite keinen Anlass, einen möglicherweise befangenen Gutachter durch einen anderen abzulösen. Es würde den vom BGH korrekt benannten Zwecken des Schiedsgutachterverfahrens zudem eher gerecht, wenn ein Streit um die Befangenheit des Gutachters ausgetragen werden könnte, ohne den Inhalt des Gutachtens thematisieren zu müssen. Die Chance zu dieser Schlussfolgerung hatte der BGH hier noch vertan. Er nutzte sie zwei Jahre später in einem Fall, in dem der mit der Neuberechnung der Umlage von Kosten für eine Klimaanlage in einem Hochhaus beauftragte Schiedsgutachter die Besorgnis der Befangenheit geweckt hatte, indem er während der Erarbeitung des Gutachtens einen weiteren Gutachtenauftrag ähnlichen Inhalts von einer Firma, die denselben Geschäftsführer hatte wie die Vermieterin, angenommen hatte.99 Die Parteien hatten in ihrem Vertrag zudem ausdrücklich von einer Begutachtung durch einen „neutralen Sachverständigen“ gesprochen; der Gutachtenauftrag sollte an einen „unabhängigen Dritten“ ergehen.100 In der Schiedsgutachtenvereinbarung war ausdrücklich bestimmt, dass die Parteien sich im Falle einer fristlosen Kündigung des Vertrages mit dem Schiedsgutachter nicht an das Schiedsgutachten gebunden fühlen und stattdessen ein Gericht die erforderliche Feststellung treffen soll. Die Mieterin hatte den Schiedsgutachtervertrag noch vor Abschluss der Begutachtung wegen der Neutralitätsverletzung gekündigt. Die Schiedsgutachtenabrede war somit „außer Kraft gesetzt worden“ und die Berechnung durch den – gegebenenfalls sachverständig beratenen101 – Richter vorzunehmen.102 Generalisierend wird dieses Urteil häufig so gedeutet, als berechtige die Besorgnis der Befangenheit generell zur fristlosen Kündigung des Schiedsgutachtervertrags mit der Folge, dass ein etwa erstelltes Schiedsgutachten hinfällig sei.103 Eine derart weitreichende Schlussfolgerung ist dem Urteil in Wahrheit nicht zu entnehmen, da die Par99  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967. Zur Übernahme eines weiteren Gutachtenauftrags als Befangenheitsgrund siehe oben zum Urteil des BGH v. 28.2.1972 NJW 1972, 827, auf das sich der BGH vorliegend ausdrücklich beruft. 100  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967, 968. 101  BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885. 102  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967, 969. 103  Diese Deutung wird beflügelt durch BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314, 1315. Dort heißt es, der BGH habe „bei Zweifeln an der Neutralität des Gutachters der benachteiligten Partei ein Recht zur Kündigung des Schiedsgutachtenvertrages aus wichtigem Grund eingeräumt“. – Im Schrifttum siehe etwa Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 24 Fn. 164; siehe noch unten § 7 C.IV.3.a) (S. 509 ff.). Ob sich eine derartige Schlussfolgerung aus BGH v. 2.4.1990 BB 1990, 1310 ergibt, ist nicht ganz klar: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte zwar die eine Seite der Schiedsgutachtenvereinbarung, die auf die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz gerichtet war, den Vertrag mit dem als Schiedsgutachter eingesetzten Wirtschaftsprüfer gekündigt, weil dieser zwischenzeitlich die Steuerberatung und Interessenvertretung der Gegenseite übernommen habe. Jedoch hatten sich die Beteiligten außerdem einvernehmlich auf eine Aufhebung des Vertrags mit dem Schiedsgutachter geeinigt.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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teien privatautonom Vorsorge getroffen hatten, indem sie Schiedsgutachtervertrag und Schiedsgutachtenvertrag in ihrem rechtlichen Schicksal verknüpft und zudem mögliche Kündigungsgründe näher spezifiziert hatten. Treffender ist daher die Deutung, der BGH habe das vertraglich vereinbarte außerordentliche Kündigungsrecht „mobilisiert“ zur Befangenheitsablehnung.104 Letztlich handelt es sich um einen weiteren Anwendungsfall der Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit kraft Parteivereinbarung. Einen wirklichen Hebel zur Befangenheitsablehnung bei Fehlen einer privatautonomen Regelung fand der BGH erst im Jahre 1994.105 Die Parteien eines GmbH-Anteilskaufvertrags hatten sich auf die Einholung eines als „Sonderprüfung“ bezeichneten Schiedsgutachtens zur Kaufpreisanpassung geeinigt. Den Auftrag zur „Sonderprüfung“ hatte die Streithelferin erhalten, die seit Jahren als Abschlussprüferin der Konzernunternehmen auf Veräußererseite und damit auch der verkauften Gesellschaft tätig gewesen war. Nach den Feststellungen des Gerichts musste aufgrund der Umstände der Eindruck entstehen, der Auftrag zur „Sonderprüfung“ sei auf die Erstellung eines Parteigutachtens für die Veräußererseite gerichtet. Der BGH hielt die Abschlussprüferin deshalb nicht für geeignet, Schiedsgutachter zu sein. Um diesen Satz zu stützen, berief sich der BGH auf eine der frühen Reichsgerichtsentscheidungen, die noch zum Gemeinen Recht ergangen war,106 und überging die dieser Entscheidung nachfolgenden höchstrichterlichen Stellungnahmen zu der Frage, in deren Licht dieser Satz zweifelhaft erscheinen müsste. Zentral ist folgende Aussage: „Da das staatliche Gericht grundsätzlich an das Ergebnis eines Schiedsgutachtens gebunden ist …, hat der Schiedsgutachter seine Aufgabe unabhängig und unparteiisch zu versehen“.107

Dieser Satz ist durchaus neu. Nur scheinbar führt er die Entscheidung von 1979 fort, auf die der BGH für seine Aussage Bezug nimmt. Dabei verkennt er, dass in dem zuvor entschiedenen Sachverhalt das Neutralitätserfordernis ausdrücklich vereinbart worden war und nunmehr in die Parteivereinbarung hineingelesen wird. Mit der Qualifizierung als Privatgutachterin schied die ursprünglich betraute Gutachterin aber als Schiedsgutachterin aus. Ihr Gutachten war hinfällig. Da die Parteien keine Vorsorge für den Fall des Wegfalls des Schiedsgutachters getroffen hatten, wendete der BGH nun § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog108 an, um die Feststellung den staatlichen Gerichten zu überlassen.109 Im Ergebnis war damit ein Weg gefunden, bei Neutralitätszweifeln einem Gutachten (auch noch 104 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675. BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314. 106  RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350. 107  BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314. 108  Zur analogen Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB siehe bereits oben § 4 D.I.1.d) (S. 230 f.). 109  BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314, 1315. 105 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

nach Erstellung) die Bindungswirkung zu versagen und es durch eine gerichtliche Feststellung zu ersetzen.110 Das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit war damit faktisch anerkannt. Obiter hat der BGH die Anwendung des Gebots auf Schiedsgutachten (im Fall: ein gestaltendes Schiedsgutachten zur Anpassung eines Erbbauzinses) kurze Zeit später auch ausdrücklich anerkannt: „Das dem Schiedsgutachter eingeräumte Bestimmungsrecht hat den Sinn, Streit zwischen den Vertragsparteien zu vermeiden. Seine Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität werden vorausgesetzt.“111

Dem entgegengesetzt ist eine Bemerkung aus einem Urteil aus dem Jahre 1999, in dem es um ein Bestimmungsrecht der damaligen Treuhandanstalt ging, auf eine bei Verstoß gegen die Vereinbarungen zur Betriebsfortführung verwirkte Vertragsstrafe zu verzichten: „Daß die Klägerin (Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) als ermächtigte Dritte nicht unparteiisch ist, ist schon deshalb unschädlich, weil es sich nicht um eine Schiedsgutachtenabrede im eigentlichen Sinn handelt.“112

Soweit ersichtlich ist dies die bislang letzte Äußerung des BGH zu der Frage. Bemerkenswert ist jedoch, was die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte seitdem aus den Vorgaben des Bundesgerichtshofs gemacht hat. Mehrere Urteile haben in der fehlenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters einen eigenen Grund für die Unverbindlichkeit des Gutachtens losgelöst vom Ergebnis gesehen.113 Dabei beachten sie nicht, dass hierin ein wesentlicher Unterschied zum oben genannten BGH-Urteil liegt: Während der BGH das Vorliegen eines Schiedsgutachtens überhaupt verneint, indem er dieses in ein Privatgutachten ummünzt, anerkennen die OLG-Urteile, dass es sich um ein Schiedsgutachten handelt, halten dieses aber wegen der Besorgnis der Befangenheit für unverbindlich. Während der BGH also gewissermaßen die Systematik des Schiedsgutachtens verlassen muss, um zu dem als sachgerecht empfundenen Ergebnis zu gelangen, gelingt dies den Oberlandesgerichten mit einer systemimmanenten Lösung. Durchaus unterschiedlich sind die Begründungen für diese Rechtsprechung. Sie zeigen damit zugleich eine gewisse Un110  In Privatgutachten getroffenen Aussagen kommt für das Gericht keinerlei Verbindlichkeit zu. Es handelt sich, sofern nicht beide Parteien einer Verwertung als Sachverständigengutachten zustimmen, um nichts weiter als „urkundlich belegter substantiierter Parteivortrag“, Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem vor § 402 Rn. 5; BGH v. 11.5.1993 NJW 1993, 2382, 2383. 111  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454. 112  BGH v. 26.5.1999 BGHZ 141, 391, 394. In die Rolle der Klägerin war die bestimmungsberechtigte Treuhandanstalt infolge einer Abtretung der Ansprüche aus dem Vertragsstrafeversprechen gelangt. 113  OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, 1083 (allerdings nur obiter, da im Fall eine Befangenheit abgelehnt wurde); OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597 (zustimmend VG Sigmaringen v. 11.5.1006 – 8 K 889/034 [juris] Rn. 35); OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328; OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388; OLG Köln v. 27.8.1999 OLGR 2000, 39.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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sicherheit im Umgang mit den Vorgaben des BGH und das Bedürfnis nach einem klärenden Wort: (i) Zum Teil wird das BGH-Urteil aus dem Jahre 1994 als Begründung angeführt, aber so paraphrasiert, als führe die Befangenheit zur Unverbindlichkeit.114 (ii) Das OLG Köln wendete die für die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen geltenden Vorschriften (§§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO) an.115 Es berief sich auf eine „Weiterentwicklung“116 einer BGH-Rechtsprechung117, die eine ergebnisunabhängige offenbare Unrichtigkeit für den Fall schwerwiegender Begründungsmängel angenommen, eine Erstreckung auf schwerwiegende Verfahrensmängel aber ausdrücklich offengelassen hatte.118 Es urteilte nunmehr, dass die Art und Weise, wie ein feststellendes Schiedsgutachten zustande gekommen sei, für die Frage der Verbindlichkeit nur grundsätzlich irrelevant sei; zur Unverbindlichkeit führten die Verletzung rechtlichen Gehörs, eine mögliche Befangenheit des Schiedsgutachters oder schwerwiegende Begründungsmängel.119 Nur am Rande bemerkt sei, dass das OLG Köln auch auf Rechtsfolgenseite die Vorgaben des BGH weiterentwickelt hat: Es wendete nach Verneinung der Verbindlichkeit des Gutachtens nicht etwa § 319 Abs. 1 S. 2 BGB analog an, sondern gab den Parteien auf, ein neues Schiedsgutachten einzuholen.120 Denn im Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt hatten die Par114  OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, 1083. Zugleich beruft sich das OLG München in diesem Urteil auf die Leitentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1936, ohne den Widerspruch zwischen beiden Entscheidungen zu erkennen. 115  OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388: Gegen einen mit der Feststellung von Baumängeln betrauten Schiedsgutachter war ein – später nach § 153a StPO eingestelltes – Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage in einem Gerichtstermin zur Erläuterung des Gutachtens eingeleitet worden. Die benachteiligte Partei hatte ihn daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. – Allerdings war der Schiedsgutachter offenbar später im Prozess noch einmal als gerichtlicher Sachverständiger zum Einsatz gekommen. Vielleicht legte das eine Anwendung des § 406 ZPO näher, als sie sonst gelegen hätte. 116  OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388; für diesen Ansatzpunkt auch Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5a. 117  BGH v. 21.5.1975, NJW 1975, 1556, 1557 (gestaltendes Schiedsgutachten); BGH v. 20.11.1975 WM 1976, 251, 253; BGH v. 2.2.1977 WM 1977, 413, 415 (gestaltendes Schiedsgutachten); BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885, 1886 (feststellendes Schiedsgutachten: Wenn schon ausdrücklich in dem Gutachten niedergelegte Äußerungen zur Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unrichtigkeit führen können, so muss dies erst recht gelten, „wenn die Ausführungen des Gutachtens so lückenhaft sind, daß der Fachmann das Ergebnis aus dem Gesamtzusammenhang des Schiedsgutachtens überhaupt nicht überprüfen kann“); BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506 (feststellendes Schiedsgutachten). – Siehe außerdem BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777. 118  BGH v. 16.11.1987 NJW-RR 1988, 506, 507. 119  OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388; OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597. Zustimmend VG Sigmaringen v. 11.5.1006 – 8 K 889/034 (juris), Rn. 35. 120  Außerdem war bereits parallel ein selbständiges Beweisverfahren über die streitigen Tatsachen anhängig.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

teien hier die Benennung des Sachverständigen der Industrie- und Handelskammer überlassen, die nach Auffassung des Gerichts nun auch einen neuen Schiedsgutachter benennen könne.121 Prozessökonomisch erklärte das OLG, eine Beweisaufnahme und Klärung durch das erkennende Gericht erscheine „nicht sachdienlich“.122 (iii) Ein anderes Urteil des OLG Köln123 bezieht sich auf eine ältere Entscheidung des OLG München, in der es um die Frage ging, ob ein besonderes Ablehnungsverfahren existiert. In dieser Entscheidung ist tatsächlich der vom OLG Köln aufgegriffene Satz gefallen, die Befangenheit des Schiedsgutachters sei als Vorfrage der Verbindlichkeit vom Gericht zu prüfen. Jedoch meinte das OLG München damit nur Fälle, in denen tatsächlich ein materielles Ablehnungsrecht bestand. Ob ein derartiges Recht auch ohne besondere Vereinbarung besteht, hatte es ausdrücklich offengelassen. (iv) Zum Teil wird der Rechtssatz sogar als so etabliert angesehen, dass keine Begründung mehr erforderlich scheint.124 Verselbständigt hat sich ebenfalls die Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung des Schiedsgutachtervertrags. Der BGH hatte sich noch darauf bezogen, dass im Schiedsgutachtervertrag ein derartiges Kündigungsrecht bei Neutralitätsverletzungen vorgesehen und der Schiedsgutachtenvertrag in seinem Schicksal ausdrücklich an den Bestand des Schiedsgutachtervertrags gekoppelt war. Spätere oberlandesgerichtliche Entscheidungen gehen nunmehr von einem generellen Recht zur fristlosen Kündigung der Schiedsgutachtenvereinbarung aus, wenn sich der Schiedsgutachter als befangen herausstellt.125 Im Ergebnis stellt es somit eine Verzerrung dar, wenn der Rechtsprechung attestiert wird, ein Neutralitätsgebot bei feststellenden Schiedsgutachten nicht anzuerkennen.126 Im Gegenteil lässt sich bei näherem Hinsehen gerade eine nahezu kontinuierliche Anerkennung dieses Gebots feststellen. So verwundert 121 

OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388. Einschätzung mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich die Parteien in der besonderen Konstellation einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde befanden. Das Gericht war letztlich nur aufgerufen, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, nicht jedoch positiv über die Höhe des Zahlungsanspruchs zu befinden. 123  OLG Köln v. 27.8.1999 OLGR 2000, 39; dem folgend OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328 (Befangenheit im konkreten Fall verneint). 124  OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 66 (feststellendes Schiedsgutachten). 125  OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328 (die Parteien hatten kein Kündigungsrecht vorgesehen, sondern lediglich vereinbart, der Schiedsgutachter müsse „unabhängig“ sein); OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 70 (im Fall jedoch verneint, da es an einer entsprechenden Kündigungserklärung fehle). – Als weiteren Ansatzpunkt zieht das OLG Hamm eine Anfechtung (wohl der Schiedsgutachtenvereinbarung) nach § 119 Abs. 2 BGB in Erwägung, lehnt diese aber auch ab, da es an einer Anfechtungserklärung fehle. 126 Ebenso Sieveking, S. 77. 122  Diese

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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es nicht, wenn Vertreter der materiell-rechtlichen Ansicht heute generalisierend schreiben, schwere Verfahrensmängel führten zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens.127

2. Keine Geltung des Gebots aufgrund einer Funktionsähnlichkeit zum (Schieds‑)Richter oder zum gerichtlichen Sachverständigen a) Funktionsvergleich mit gesetzlich geregelten Personenkreisen Es stellt einen verbreiteten Argumentationstopos dar, dem feststellenden Schiedsgutachter eine richterliche oder schiedsrichterliche Funktion zu vindizieren. Hätten die Parteien sich nicht darauf geeinigt, dass ein Schiedsgutachter den ungewissen Vertragsbestandteil für sie fixiert, wäre es Aufgabe des Gerichts, im Rahmen einer Klage aus dem Vertrag die nötigen Feststellungen zu treffen. Der Schiedsgutachter handele mithin an der Stelle des Richters;128 er übe eine richterliche Funktion aus.129 Andere Autoren schreiben dem feststellenden Schiedsgutachter eine schiedsgerichtsähnliche Funktion130 oder eine partielle schiedsrichterliche Funktion131 zu oder sehen das Schiedsgutachten als „Form nichtstaatlicher Gerichtsbarkeit“132 an. Die Aufgaben von Schiedsgutachter und Schiedsrichter seien im Bereich der Tatsachenfeststellung vergleichbar bis hin zur Identität, wenn einerseits die Tatsachen Gegenstand eines Zwischenfeststellungsschiedsspruchs würden oder andererseits dem Schiedsgutachter die Entscheidung eines ganzen Rechtsverhältnisses übertragen worden sei.133 Der Schiedsgutachter sei „nicht mehr und nicht weniger als ein ‚kleiner Schiedsrichter‘“134. 127 Palandt/Grüneberg,

§ 319 Rn. 5a. B. Rauscher, S. 213, 238 f. („Tatsachenrichter, der anstelle des staatlichen Gerichts einen Teil der Beweisaufnahme vornimmt“); Habscheid, FS Laufke, S. 310 ff. Aus dieser Erkenntnis wird auch gefolgert, dass das feststellende Schiedsgutachten dem Prozessrecht zuzuordnen sei (z.B. Habscheid, FS Laufke, S. 312). 129  Kornblum, S. 102; ders., KTS 1970, 244, 246; Habscheid, FS Kralik, S. 200; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217; B. Meyer, S. 124. 130 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31; Habscheid, FS Kralik, S. 200; B. Rauscher, S. 163 f., 168 („Wesensgleichheit“); Dütz, S. 260 (je nach Aufgabe sei sogar völlige Identität der Aufgaben möglich); Kornblum, S. 102; Winter, S. 168. 131  Nicklisch, FS Bülow, S. 175; ders., ZHR 136 (1972), 1, 10 ff. („partiell“ deshalb, weil das Schiedsgutachten „ähnlich wie ein Feststellungsurteil über die Echtheit von Urkunden“ nicht den gesamten Rechtsstreit der Parteien erschöpft, sondern eine Feststellung über eine „regelmäßig streitentscheidende Vorfrage“ trifft); ders., BB 1971, 1205; einschränkend hinsichtlich der Verbindlichkeit des Gutachtens Wittmann, S. 109; Habscheid, FS Laufke, S. 314 (Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeit bleibt möglich). 132  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 24; Nicklisch, BB 1971, 1205, 1207. 133  Dütz, S. 260. 134  Habscheid, FS Laufke, S. 314. 128 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Mit diesem Funktionsvergleich ist auch rasch ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für das Gebot schiedsgutachterlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefunden. Vorschriften zur Richterablehnung enthalten die §§ 41 f. ZPO; für den Schiedsrichter normieren die § 1036 f. ZPO eine inhaltlich vergleichbare Regel.135 Diese Regelungen haben den Zweck, in jedem Verfahrensstadium die Neutralität des Sachverständigen oder des Schiedsrichters sicherzustellen. Mit der Funktionsähnlichkeit zu Richtern oder Schiedsrichtern wird nun insbesondere begründet, dass der Schiedsgutachter ebenso wie diese gesetzlich erfassten Personengruppen bestimmten Anforderungen an seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unterliege.136 Die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung dürften verfahrensmäßig „nicht elementar schlechter gestellt werden, als wenn sie stattdessen eine Schiedsabrede getroffen hätten“.137 Gleichermaßen wird eine Parallele zu den Funktionen des gerichtlichen Sachverständigen gesehen. Ohne die Schiedsgutachtenvereinbarung wären die feststellungsbedürftigen Punkte im Falle eines Rechtsstreits typischerweise von einem gerichtlichen Sachverständigen aufzuklären.138 Es handele sich mit anderen Worten um ein vorgezogenes Sachverständigengutachten.139 Dann dürfe der Schiedsgutachter aber nicht geringeren Anforderungen unterworfen werden als ein gerichtlicher Sachverständiger.140 Im Gegenteil: das Sachverständigengutachten unterliege der vollen richterlichen Beweiswürdigung, während die Feststellungen eines verbindlichen Schiedsgutachtens den Richter binden.141 Auch hierfür besteht in § 406 ZPO, der auf die Vorschriften über die Richterablehnung (§§ 41 ff. ZPO) verweist, ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt.142 Denkt man diesen Ansatz weiter, so ergibt sich eine Skala, an deren einem Ende der gerichtliche Sachverständige steht, dessen Gutachten den Richter nicht bindet, und an deren anderem Ende der Schiedsrichter zu finden ist, dessen Spruch Rechtskraft erlangt und damit eine starke Bindungswirkung entfaltet. 135 

BT-Drucks. 13/5274, S. 40. B. Rauscher, S. 237; Kornblum, S. 103; ders., KTS 1970, 244, 247; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673 f.; Sieg, VersR 1965, 629, 632; Nicklisch, FS Bülow, S. 175 f. (kein qualitativer, sondern lediglich ein gradueller Unterschied); ders., ZHR 136 (1972), 1, 16 f.; ders., BB 1971, 1205, 1206; Habscheid, FS Laufke, S. 314 ff.; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217. Ob es sich um eine Analogie oder eine Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschriften handelt, wird zum Teil uneinheitlich gesehen. 137  Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 216 f. 138  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 10 ff.; Kurzfassung bei ders., BB 1971, 1205. 139  Jonas, JW 1937, 221; Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 140  B. Rauscher, S. 213 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 11; ders., BB 1971, 1205; Jonas, JW 1937, 221 (ausgehend vom Parteiwillen). 141  B. Rauscher, S. 213; B. Meyer, S. 62. 142  OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388; Habscheid, FS Laufke, S. 314 f.; B. Rauscher, S. 213 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 16 f.; ders., BB 1971, 1205, 1206; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673 f. (zusätzlich mit Verweis auf die Regelung beim Dolmetscher, § 191 GVG). 136 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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Beide müssen ihre Aufgabe unabhängig und unparteilich versehen. Wenn nun in der Mitte der Skala der feststellende Schiedsgutachter zu finden ist, würde es in der Tat merkwürdig anmuten, wenn für ihn geringere Neutralitätsanforderungen gelten.

b) Stellungnahme Der Bundesgerichtshof ist der Annahme einer Funktionsähnlichkeit von Schiedsgutachter und Richter entgegengetreten:143 Anders als der Schiedsrichter nehme der Schiedsgutachter keine richterliche Funktion wahr, da er keinen Rechtsstreit entscheide, sondern nur einzelne Tatbestandselemente feststelle. Er sei deshalb auch nicht „an die unabdingbaren Verfahrensgrundsätze richterlicher Streitentscheidung gebunden“. Mit dieser Gegenüberstellung der Feststellung einzelner Tatbestandselemente und der Entscheidung eines Rechtsstreits bedient sich der BGH einer populären Formel zur Abgrenzung von Schiedsgutachtenvertrag und Schiedsvereinbarung.144 Zwar wird sich zeigen, dass diese Formel zu kurz greift.145 Im vorliegenden Zusammenhang ist dem BGH im Ergebnis gleichwohl zuzustimmen: Der feststellende Schiedsgutachter nimmt keine richterliche oder schiedsrichterliche Aufgabe wahr. Diese These fußt freilich nicht darauf, dass die Legimitationsgrundlagen von Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit möglicherweise verschieden sind.146 Wie beim Schiedsgutachten stehen sich auch im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit im Wesentlichen eine materielle und eine prozessuale Theorie mit einigen Nuancierungen und vermittelnden Ansätzen gegenüber.147 Gerade die Schiedsgerichtsbarkeit zeigt, dass ein Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durchaus mit einer – verbreitet angenommenen148 – Verankerung des Streitbeilegungsmechanismus in der Privatautonomie der Parteien in Einklang zu bringen ist.149 Zudem kann in der hier zu entscheidenden funktionalen Fragestellung die dogmatische Verortung nicht ausschlaggebend sein. Aus funktionaler Perspektive trifft es zwar zu, dass sich das Schiedsgutachtenwesen in seinem Erscheinungsbild als „Subsumtion streitiger Tatbestands­ 143  Siehe BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 340 (zum gestaltenden Schiedsgutachten). 144  Siehe unten § 16 B.I. (S. 779). 145  Siehe unten § 16 B.IV. (S. 821). 146  In diese Richtung auch Wittmann, S. 109 f. 147  Siehe statt aller den Überblick bei Solomon, S. 288 ff. mit umfangreichen Nachw. 148 Ausführlich Solomon, S. 319 ff. m.w.N. Aus verfassungsrechtlicher Sicht BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 181, 185. Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 87. Dagegen aber z.B. Voit, JZ 1997, 120, 124 f. 149  Siehe BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 181, 185, 188; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 88; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 52; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 92 Rn. 44; Tochtermann, S. 36; Karl, S. 49.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

elemente unter Rechtsnormen“150 darstellt (woraus folgen soll, dass es sich um „streitige Gerichtsbarkeit“ handelt)151. Ebenso ist es völlig richtig, dass ohne die Schiedsgutachtenvereinbarung ein Gericht die Feststellungen zu treffen hätte, die die Parteien dem Schiedsgutachter übertragen haben. Jedoch besteht ein erheblicher Unterschied zur Tätigkeit eines gerichtlichen Sachverständigen. Denn das Gutachten eines Sachverständigen ist Gegenstand der richterlichen Beweiswürdigung, während das Schiedsgutachten den Richter bindet.152 Vor allem aber kann sich ein Gericht mit der Frage nur im Rahmen eines Prozesses befassen, zu dessen Einleitung ein bestimmter Antrag erforderlich ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).153 Eine Partei kann nicht auf Zahlung der ortsüblichen Miete klagen, sondern sie muss ihren Klageantrag beziffern und somit selbst einen Betrag angeben, den sie für ortsüblich hält.154 Um die Kostenfolge eines teilweisen Unterliegens zu vermeiden, wird sie dabei den Betrag zu treffen versuchen, den das Gericht – möglicherweise nach Beweisaufnahme – für ortsüblich erachten wird, und zu diesem Zweck bereits ein Privatgutachten einholen. Im Idealfall kann sich die Tätigkeit des Gerichts darauf beschränken zu überprüfen, ob es zu demselben Ergebnis wie der Kläger gelangt. In Wirklichkeit ist die Feststellung von Tatsachen, auch wenn sie für die Parteien und damit für die Gerichte verbindlich sein soll, keine ausschließlich richterliche Aufgabe. Vielmehr handelt es sich zumindest ebenso, wenn nicht sogar in erster Linie um eine Aufgabe der Parteien, klärungsbedürftige Punkte in ihrem Rechtsverhältnis zu klären. Diese Aufgabe können die Parteien wahrnehmen, indem sie von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen und einen materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag schließen, oder aber ein Gericht erfüllt diese Aufgabe, wenn im Rahmen einer bei ihm anhängigen Klage die festzustellende Tatsache relevant wird. Sogar einer Verwaltungsbehörde kann die Tatsachenfeststellung obliegen; ein von den Verfahrensbeteiligten durchsetzbares Neutralitätsgebot folgt daraus jedoch nicht (§ 21 VwVfG).155 Mit der Vereinbarung, ein Schiedsgutachten einzuholen, nehmen sich die Parteien ihrer Aufgabe an. Die These von der Funktionsähnlichkeit unterstellt jedenfalls in ihren Schlussfolgerungen, dass die Feststellung notwendig von einem – unter Umständen sachverständig beratenen – Gericht getroffen werden muss.156 Dass diese These nicht zutrifft, erhellt schon daraus, dass bei weitem nicht jede Strei150 

Jonas, JW 1937, 221; ähnlich Kornblum, S. 102. Jonas, JW 1937, 221. 152  Kisch, Schiedsmann, S. 65 Fn. 6. 153  Das erkennt auch Habscheid, FS Laufke, S. 310, zieht daraus aber keine Konsequenzen. 154  Siehe oben § 4 B.I.2. (S. 155 ff.). 155 Ähnlich Wittmann, S. 125, der aber zu weitgehend ein Neutralitätserfordernis bei Verwaltungsbehörden ganz verneint. 156  Deshalb nimmt Wittmann, S. 125 zwar eine „strukturelle Gleichheit der Funktionsausübung“ an, lehnt es aber ab, darauf ein Neutralitätsgebot zu stützen. 151 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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tigkeit vor Gericht ausgetragen wird, sondern vielmehr die Parteien vielfältige Möglichkeiten haben, schon vor dem Gang zu Gericht ihre Meinungsverschiedenheit auszuräumen. So dienen gerade Schiedsgutachtenvereinbarungen der Streitvermeidung.157 Dass die Feststellungsentscheidung des Schiedsgutachters in der Tat vielfach geeignet ist, zur Begründetheit eines Anspruchs zu führen, indem sie zur Klärung des einzigen wirklich streitigen Tatbestandsmerkmals beiträgt, und damit ein Resultat erzielt wird, das auch im Klagewege erreichbar gewesen wäre,158 trifft durchaus zu. Doch wird die Entscheidung des Schiedsgutachters deshalb nicht zu einer vorgezogenen richterlichen Entscheidung, ebenso wenig wie etwa ein Vergleichsschluss oder die Abgabe eines kausalen Schuldanerkenntnisses der richterlichen Tätigkeit funktionsähnlich sind. Auch die Bezeichnung als vorgezogenes Sachverständigengutachten trägt nicht. Nichts hindert die Parteien, klärungsbedürftige Punkte privatautonom und einvernehmlich zu klären, sei es durch einen ergänzenden Vertrag, sei es durch die Einholung eines Schiedsgutachtens. Zu einem gerichtlichen Sachverständigenverfahren kommt es dann gar nicht mehr. Die Feststellungen bleiben wiederum ganz Sache der Parteien. In diesem Sinne erweist sich auch das oben entwickelte Bild vom feststellenden Schiedsgutachter als Mittelposition auf einer Skala vom gerichtlichen Sachverständigen zum Schiedsrichter als Trugbild. Der Schiedsgutachter liegt nicht auf dieser Skala, sondern auf einer anderen Ebene, nämlich der Ebene der privatautonomen Tatsachenfeststellung. Diese Einordnung hat eine weitere wichtige Konsequenz: Feststellende und gestaltende Schiedsgutachten werden – ihrer funktionalen Verwandtschaft entsprechend – einander angenähert, da sich jedenfalls für gestaltende Schiedsgutachten das Argument der Funktionsähnlichkeit zum gerichtlichen Sachverständigen schwer vertreten lässt. Umgekehrt könnte zumindest ein Schiedsgericht auch mit der Aufgabe eines gestaltenden Schiedsgutachters betraut werden, so dass insoweit eine Ungleichbehandlung von feststellendem und gestaltendem Schiedsgutachten nicht geboten ist.159 Ein eigenes Profil erhält das feststellende Schiedsgutachten dann, wenn es sich vom Schiedsverfahren abhebt, nicht indem es ihm assimiliert wird. Es mag durchaus sein, dass sich die Parteien im Schiedsgutachtenverfahren ähnliche Verfahrensgarantien wie bei Einholung eines Sachverständigengutachtens im Prozess wünschen. Die obige Argumentation steht diesem Wunsch in keiner Weise entgegen. Sie besagt nur, dass es nicht die Funktion des Schieds157 

Siehe oben § 1 Fn. 13. Wittmann, S. 126; Dütz, S. 254 („Der Richter wird … darauf beschränkt, das auch ihn bindende Gutachten lediglich auszuführen.“). Beispiel in BVerwG v. 22.11.1960 BVerwGE 11, 245, 248: Entscheidung über Kausalität eines Unfalls für den Tod des Versicherten „bedeutet im allgemeinen die endgültige Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung der Versicherungsleistung“. 159  Wittmann, S. 135 f.; siehe auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4). 158 Siehe

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

gutachters ist, die die Geltung von Verfahrensgarantien bewirkt. Als maßgeblich erscheint vielmehr der Parteiwille. Das Schiedsgutachtenrecht hat sich daran auszurichten, wie sich die Parteien in Ermangelung besonderer Abreden dieses Verfahren vorstellen.

3. Keine Geltung aufgrund der Bindung des Richters an den Inhalt des Schiedsgutachtens a) Richter ist an Schiedsgutachten gebunden Ein weiterer Begründungsstrang knüpft an die Wirkungen des Schiedsgutachtens, genauer: an die Bindung des Richters an den Inhalt des Gutachtens, an. Plakativ beklagt Habscheid: „Denn was helfen den Bürgern die Gerichte, wenn der Rechtsschutz sich – wie im Schiedsgutachtenwesen – auf Vorinstanzen verlagert, deren gerichtsähnliche Qualität anzuerkennen sich die Rechtsprechung immer noch weigert!“160

In der Tat formulierte der BGH in seiner Entscheidung, in der er das Gutachten eines befangenen Dritten zum Privatgutachten degradierte: „Da das staatliche Gericht grundsätzlich an das Ergebnis eines Schiedsgutachtens gebunden ist …, hat der Schiedsgutachter seine Aufgabe unabhängig und unparteiisch zu versehen“.161

Schon „aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit“ gehe es nicht an, wenn ein Richter an das Gutachten eines nicht neutralen Dritten gebunden sei.162 Weil der Schiedsgutachter dem Richter einen Teil der Beweiswürdigung abnehme, müssten die an Richter zu stellenden Neutralitätsanforderungen auf den Schiedsgutachter erstreckt werden.163

b) Stellungnahme Dem ersten Eindruck nach steht dieser Begründungsansatz in unmittelbarem Zusammenhang mit der Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens als Prozessvertrag über die Beweiserhebung oder die Beweiswürdigung. Dieser Eindruck wird indes dadurch widerlegt, dass ihm auch Vertreter der mate160 

Habscheid, KTS 1972, 209, 219. v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314. Ebenso B. Rauscher, S. 213; Habscheid, FS Laufke, S. 314 ff.; ders., KTS 1972, 209, 219; ders., NJW 1962, 5, 9; Kornblum, S. 102 f.; B. Meyer, S. 62; Nicklisch, FS Bülow, S. 175 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20; Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18; Dütz, S. 254 ff., 259 ff.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675; Wittmann, S. 125 f.; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1010 f.; Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 162  Habscheid, FS Laufke, S. 315. 163  Kornblum, S. 102 f.; Habscheid, NJW 1962, 5, 9; B. Meyer, S. 62; Hau, in: Wolf/Lin­ dacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 36. 161  BGH

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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riell-rechtlichen Theorie folgen und er sogar in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Eingang gefunden hat. Dabei ist dieser Ansatz jedenfalls auf der Grundlage einer materiell-rechtlichen Sichtweise nicht zwingend. Denn der Richter ist an den Inhalt des Schiedsgutachtens gebunden wie an den Inhalt jedes anderen wirksam geschlossenen Vertrages.164 Die Wirkung eines feststellenden Schiedsgutachtens soll – zumindest im Regelfall165 – nicht allein in der prozessualen Sphäre bleiben, sondern auch und gerade die materiell-rechtlichen Verhältnisse der Parteien bestimmen. Konsequent weitergedacht führt dieser Begründungsansatz zu mehreren Ungereimtheiten. Erstens müsste das Neutralitätsgebot jedenfalls auch für gestaltende Schiedsgutachten und letztlich für jeden unter Beteiligung eines Dritten, etwa eines Stellvertreters, geschlossenen oder geänderten Vertrag Geltung beanspruchen. Sogar ein Vergleichsvertrag, mit dem Parteien ihren Streit beilegen, wäre als Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit zu qualifizieren. Dass der Richter den Inhalt dieses Vertrages grundsätzlich nicht antasten kann, bedeutet nicht, dass der Abschluss eines Kaufvertrages „nichtstaatliche Gerichtsbarkeit“ darstellt, selbst dann nicht, wenn die Parteien einen gemeinsamen Vertreter mit dem Abschluss betrauen. Das Gegenteil zu bejahen, hätte die kuriose Folge, dass für einen gemeinsamen Vertreter der Parteien, der unter Befreiung von § 181 BGB den Vergleich schließen soll, das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Anwendung fände.166 Das wird, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten, zumal die Regeln über den Umfang und den Missbrauch der Vertretungsmacht eine gewisse Sicherungsfunktion ausüben. Ebenso ist der Richter an den Inhalt eines gestaltenden Schiedsgutachtens gleichermaßen gebunden wie an den Inhalt eines feststellenden Schiedsgutachtens. Die Konsequenz, aufgrund dieser Bindungswirkung auch das gestaltende Schiedsgutachten einem Neutralitätsgebot zu unterwerfen, ziehen die meisten167 Vertreter dieses Begründungsansatzes in der Regel jedoch nicht.168 Im Gegenteil wird die Bindung des staatlichen Richters teilweise sogar als Besonderheit des feststellenden Schiedsgutachtens hervorgehoben.169 Zweitens müsste dieser Ansatz in Anbetracht der Zulässigkeit einer gestaltenden Leistungsbestimmung durch eine Partei (§ 315 BGB) sowie einer verbindlichen Tatsachenfeststellung durch eine Partei170, die der staatliche Richter seinem Urteil zugrunde zu legen hat, in Erklärungsschwierigkeiten geraten. Die 164 

Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 86 f.). G. Wagner, Prozeßverträge, S. 665. 166  Zu diesem Zusammenhang P. Bydlinski, S. 274 Fn. 2. 167  Siehe aber Wittmann, S. 134 ff. 168  So auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4). 169 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20. 170  Siehe oben Fn. 62. 165 Siehe

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

verbindliche Tatsachenfeststellung durch eine Partei lässt sich treffend als „Extremfall fehlender Unabhängigkeit“171 bezeichnen. Diese Parteibestimmungen wären als eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz überparteilicher Rechtspflege, zu dessen Kernbestandteilen das Verbot des Richtens in eigener Sache zählt,172 anzusehen. Ein staatlicher Richter wäre hier nach § 41 Nr. 1 ZPO kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. All diese Inkonsequenzen belegen, dass die Bindung des staatlichen Richters an den Inhalt des Schiedsgutachtens kein taugliches Argument für die Geltung des Neutralitätsgebot darstellen kann. Drittens hätte dieser Begründungsansatz zur Folge, dass bei Vereinbarung eines Schiedsgutachtens mit vorläufiger Bindungswirkung kein Neutralitätsgebot gälte oder jedenfalls anders begründet werden müsste. Der staatliche Richter ist – anders als die Parteien – gerade nicht an den Inhalt eines derartigen Gutachtens gebunden.173 Trotz der bloß vorläufigen Bindungswirkung entspricht eine parteiliche Entscheidung des Dritten nicht den Interessen der Parteien.174 Dies dokumentiert die Schiedsgutachtensordnung der DIS, die gerade ein Verfahren mit vorläufiger Bindungswirkung vorsieht,175 aber gleichwohl in § 7 DIS-SchGO auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters größten Wert legt. Auch die englischen Vorbilder eines vorläufig bindenden Gutachtens (adjudication) verlangen die Neutralität des Dritten.176 Das Argument lässt sich auch nicht dadurch retten, dass man andernfalls einen Richter, der an das Gutachten eines befangenen Schiedsgutachters gebunden ist, selbst für befangen halten müsste.177 Dieses in der Tat unerwünschte Ergebnis würde aber voraussetzen, dass die Befangenheit des Schiedsgutachters auf die Einstellung des Richters ausstrahlt. Eine derartige Ausstrahlungswirkung ist aber zu verneinen.178 Indem der Richter ein verbindliches Schieds-

171 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674. BGH v. 28.3.2012 BGHZ 193, 38; BGH v. 7.3.1985 BGHZ 94, 92, 98, BGH v. 25.11.1976 JZ 1977, 185; BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 258 f.; OLG Frankfurt a.M. v. 27.4.2006 SchiedsVZ 2006, 329, 331. Ausführlich Kornblum, S. 6 ff., 129 ff. mit umfassenden Nachw.; ferner Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 4 ff.; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 8 ff.; Zöller/Geimer, § 1035 Rn. 3; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 5; Schlosser, RIPS, Rn. 473; ders., FS BGH III, S. 421 ff.; Lachmann, Rn. 200 ff.; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 4, 6 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17. Dazu noch unten § 7 B.II.6.c) (S. 470 ff.). 173  Greger/Stubbe, Rn. 194, die deshalb auch das Fehlen einer „partiellen Vorwegnahme richterlicher Funktionen“ verneinen. 174  Greger/Stubbe, Rn. 194; Nicklisch, FS Bülow, S. 176 f. (zu „Gutachten mit empfehlendem Charakter“, denen eine „faktische Bindungswirkung“ zukomme). 175  Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, 131; Mazza, KSzW 2013, 126, 135. 176  Nicklisch, S. 6; Lembcke, ZZP 120 (2007), 73, 79. 177  Hierzu auch Wittmann, S. 123. 178  Wittmann, S. 123. 172 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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gutachten seinem Urteil zugrunde legt, billigt er nicht dessen Inhalt, sondern berücksichtigt nur die Vereinbarung der Parteien, dass der Inhalt des Gutachtens ihre Rechtsverhältnisse bestimmen soll.179 Befangen wird der Richter nicht dadurch, dass er diesem Parteiwillen nachkommt.180 Der Gefahr, zur Besorgnis der Befangenheit Anlass zu geben, setzte er sich vielmehr aus, wenn er sich aus eigenem Antrieb über das Schiedsgutachten hinwegsetzte.

4. Keine Geltung aufgrund einer Qualifikation von Schiedsgutachten als Rechtsprechung Feststellende Schiedsgutachten helfen den Parteien bei der Vermeidung oder Beilegung eines Rechtsstreits. Wenn sich nun auch die Tätigkeit des Schiedsgutachters ebenso wie dies des Schiedsrichters als Rechtsprechung kennzeichnen ließe, könnte darin ein hinreichender Grund zu erblicken sein, das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als elementaren Verfahrensgrundsatz auch auf das Schiedsgutachtenwesen zu erstrecken.181

a) Verfassungsrechtlicher Begriff der Rechtsprechung Welche Tätigkeiten und Aufgaben unter den Begriff der Rechtsprechung fallen, wird vor allem im Hinblick auf Art. 92 GG diskutiert. Nach dieser Bestimmung ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut. Was nun zur rechtsprechenden Gewalt zählt, teilt die Verfassung jedoch nicht mit. Sie setzt den Begriff vielmehr axiomatisch voraus.182 Ein einheitlicher, allgemein anerkannter Rechtsprechungsbegriff ist noch nicht gefunden.183 Stattdessen ist das Schrifttum von einer barocken Vielfalt von Definitionen geprägt, und auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts legt keine einheitliche Formel zugrunde. Dabei ist schon mit Blick auf die im Grundgesetz nicht eigens den Gerichten zugewiesene Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art184 deutlich, dass der verfassungsrechtliche Begriff der Rechtsprechung 179 

Wittmann, S. 123. Wittmann, S. 123. 181  Siehe, mit Betonung des Art. 97 Abs. 1 GG, Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 24 f. (Gebot überparteilicher Rechtspflege müsse „für jede Form nichtstaatlicher Gerichtsbarkeit“ gelten); ders., BB 1971, 1205, 1207; Habscheid, KTS 1972, 209, 219; Sieveking, S. 57 ff., 77. Zu diesem Ansatz auch Wittmann, S. 123 ff. 182 Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 3; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 25 183  BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 75; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 18 (Begriffsbestimmung sei das „Zentralproblem bei der Anwendung des Art. 92 GG“); BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 64; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 4; Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 20; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 25. 184  Dazu BVerfG v. 9.5.1962 BVerfGE 14, 56, 66; BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 78; BVerfG v. 16.7.1969 BVerfGE 27, 18, 28. 180 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

weiter gehen muss als die Summe aller grundgesetzlich erwähnten Rechtswegzuweisungen und Richtervorbehalte.185 Der Umfang der Rechtsprechungsaufgaben kann aber andererseits auch nicht einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegen, der zur Rechtsprechung alle den Spruchgerichten gesetzlich zugewiesenen Funktionen zählt, weil aufgrund der Definitionsmacht des einfachen Gesetzgebers die Verfassungsgarantie des Art. 92 GG außerhalb der ausdrücklichen Aufgabenzuweisungen des Grundgesetzes leerlaufen würde.186 Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff denn auch einerseits materiell und andererseits funktionell.187 Materiell zur rechtsprechenden Gewalt zählen über die ausdrücklichen grundgesetzlichen Zuweisungen hinaus alle Angelegenheiten, die nach dem Vorverständnis des Verfassungsgebers zum traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung gehören.188 Maßgeblich ist dabei die konkret zur Beurteilung anstehende sachliche Tätigkeit.189 Hinzu tritt, vor allem in der neueren Verfassungsgerichtsrechtsprechung, ein funktionelles Verständnis von Rechtsprechung, das weniger auf den konkreten sachlichen Gegenstand als auf die Ausgestaltung des Verfahrens blickt:190 „In funktioneller Hinsicht handelt es sich – ungeachtet des jeweiligen sachlichen Gegenstands – um Rechtsprechung, wenn der Gesetzgeber ein gerichtsförmiges Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung vorsieht und den dort zu treffenden Entscheidungen eine Rechtswirkung verleiht, die unabhängigen Gerichten vorbehalten ist. Zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen der Rechtsprechung in diesem Sinne gehört das Element der Entscheidung, der letztverbindlichen, der Rechtskraft fähigen Feststellung und des Ausspruchs dessen, was im konkreten Fall rechtens ist in einem Verfahren, das die hierfür erforderlichen prozessualen Sicherungen gewährleistet. Nach Art. 92 GG ist Kenn-

185  Ganz h.M.; Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 9 m.w.N.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, Art. 92 Rn. 3; Schumann, FS BGH III, S. 7. 186 BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 65 ff. m.w.N.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 3 m.w.N.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 38 f.; Voßkuhle, S. 67. 187  BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 74; BVerfG v. 3.8.2004 NJW 2004, 2725, 2726; zustimmend etwa Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 4, Art. 92 Rn. 4 f. Kritisch, da das Bundesverfassungsgericht nicht das Verhältnis der beiden Rechtsprechungsbegriffe geklärt habe, Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 18 mit dem Vorschlag einer Differenzierung zwischen ordentlichen Gerichten (materielle Rechtsprechung) und Verwaltungsgerichten (funktionelle Rechtsprechung) in Rn. 46 ff. 188  BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 77 f. (Befugnis der Finanzämter zur Verhängung von Kriminalstrafen); BVerfG v. 16.7.1969 BVerfGE 27, 18, 28; BVerfG v. 8.2.2001 BVerfGE 103, 111, 137 (hessisches Wahlprüfungsverfahren); BVerfG v. 3.8.2004 NJW 2004, 2725, 2726; aus dem Schrifttum Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 33 m.w.N.; Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 9; Kissel/H. Mayer, Einleitung Rn. 147. 189  BVerfG v. 8.2.2001 BVerfGE 103, 111, 137; BVerfG v. 3.8.2004 NJW 2004, 2725, 2726. 190  Dazu Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 21a; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 37 f. m.w.N.; kritisch Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 29 m.w.N. – Nach Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 37 Fn. 108 m.w.N. bestimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK auf ähnliche Weise.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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zeichen rechtsprechender Tätigkeit typischerweise die letztverbindliche Klärung der Rechtslage im Rahmen besonders geregelter Verfahren“.191

Somit kann funktionelle Rechtsprechung zugleich materielle Rechtsprechung darstellen, muss dies aber nicht zwingend sein.192 Soweit danach dem Richter Aufgaben übertragen werden, die nicht materiell Rechtsprechung sind, wird er dennoch als Organ der Rechtsprechung tätig, und das Verfahren muss mit den verfassungsrechtlichen Garantien des gerichtlichen Verfahrens – einschließlich der Unabhängigkeit des Richters – ausgestattet sein.193 Die dargestellte Begriffsbestimmung ist in ihrer Abstraktheit und vor allem in ihrem Verweis auf das überkommene vorkonstitutionelle Verständnis194 mehr beschreibend als definierend195 und kaum subsumtionsfähig. Das Schrifttum hat deshalb versucht, den Rechtsprechungsbegriff auf griffigere Formeln zu bringen. Es ist hier aus sogleich aufzuzeigenden Gründen entbehrlich, all diese Versuche in ihrer Gänze darzustellen und kritisch zu würdigen.196 Vielmehr genügt es, einen Punkt besonders herauszustellen, der vielen dieser Formeln gemein ist: die Neutralität der zur Entscheidung befugten Stelle gegenüber den Verfahrensbeteiligten und dem Gegenstand des Verfahrens. Deutlich wird dieser Punkt in der knappen Begriffsbestimmung von Rechtsprechung als „Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten“197. 191  BVerfG v. 3.8.2004 NJW 2004, 2725, 2726 (Vorauswahl von Insolvenzverwalterkandidaten); sinngemäß BVerfG v. 8.2.2001 BVerfGE 103, 111, 137 f. 192 Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 21a. 193  BVerfG v. 8.1.1959 BVerfGE 9, 89, 97 f.; BVerfG v. 8.2.1967 BVerfGE 21, 139, 144; BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 78 („Hat sich der Gesetzgeber jedoch entschlossen, eine gerichtliche Zuständigkeit zu begründen, so muß das Verfahren mit allen verfassungsrechtlichen Garantien des gerichtlichen Verfahrens ausgestattet sein.“); BVerfG v. 16.4.1969 BVerfGE 25, 336, 346; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 6, 12; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 48; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 60 („Art. 92 GG als Verfahrensgarantie“); Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 13, 21a; Tochtermann, S. 33 f.; Schilken, JZ 2006, 860, 862 f.; zweifelnd Voßkuhle, S. 142 ff. (selbst die verfassungsrechtlich geforderte Zuweisung einer Aufgabe an den Richter impliziere nicht ohne weiteres die Einhaltung von Verfahrensgarantien). – Dieser Punkt wird vor allem im Hinblick auf nicht streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit diskutiert, vgl. dazu Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 9; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 12; BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 144 ff.; Schilken, Rn. 63 ff. 194  Kritisch dazu Voßkuhle, S. 82 ff. (Verzicht auf eine „dogmatische Konstruktion“). 195 Kritisch deshalb BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 74 ff. m.w.N.; Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 497 ff. 196  Ausführliche Übersichten zur „Rechtsprechung im materiellen Sinne“ mit Nachw. bei Achterberg, FS Menger, S. 130 ff.; BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 81 ff.; M. Wolf, ZZP 99 (1986), 361, 367 ff.; sowie systematisierend Voßkuhle, S. 72 ff. 197  Siehe etwa Achterberg, FS Menger, S. 136; BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 110; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 146. Die Neutralität des Dritten spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in den, im Vergleich zu dieser „Minimalformel“ um weitere Merkmale aufgeladenen, Begriffsbestimmungen von Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 505 („Rechtsprechung ist die potentiell verbindliche, also rechtskraftfähige Entscheidung dessen, was rechtens ist, durch eine neu-

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Auch in der Verfassungsgerichtsrechtsprechung erscheint es als Wesensmerkmal richterlicher Tätigkeit, dass sie von einem „nichtbeteiligten Dritten“ ausgeübt wird.198 Die Neutralität und Distanz des Richters gegenüber den Verfahrensbeteiligten sei den Begriffen von Richter und Gericht immanent.199 Ein „selbstverständlicher und unentbehrlicher Bestandteil der Gerichtsverfassung“ sei daher die Möglichkeit, einen Richter, dem die nötige Neutralität fehle, ablehnen zu können. 200 Ein befangener Richter wäre zudem nicht gesetzlicher Richter i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. 201

trale Instanz“; Hervorhebung hinzugefügt); Friesenhahn, FS Thoma, S. 26 f. (Rechtsanwendung zur Entscheidung eines Rechtsstreits durch einen unbeteiligten Dritten); Rosenberg/ Schwab/P. Gottwald, § 9 Rn. 4 („i.d.R. rechtskraftfähige Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten in einem geordneten Verfahren … Soweit eine derartige Entscheidung in einem geregelten Verfahren aus Gründen der Gerechtigkeit geboten ist, handelt es sich um Rechtsprechung“; Hervorhebung hinzugefügt); Voßkuhle, S. 141 („Zur Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes gehören alle Aufgaben, die aufgrund ihres speziellen Leistungsprofils offensichtlich nur in dem von der Verfassung vorgegebenen ‚Neutralen Verfahren‘ als stark selektivem Verfahren bewältigt werden können, wobei die von der Verfassung selbst in Form von konkreten Richtervorbehalten getroffenen Zweckmäßigkeitsentscheidungen zu berücksichtigen sind.“; Hervorhebung im Original). Sinngemäß auch Schilken, Rn. 54 („letztverbindliche Entscheidung in Angelegenheiten der Rechtsanwendung durch einen unbeteiligten Dritten unter notwendig besonderen Richtigkeitsgarantien“). – Siehe ferner die Ansätze von M. Wolf, ZZP 99 (1986), 361, 371 („Rechtskontrolle unter weitestgehenden institutionellen Richtigkeitsgarantien im Interesse der Effektivität des Rechts“; Hervorhebung im Original; zu diesem von M. Wolf als „funktional-organisatorischen Rechtsbegriff“ bezeichneten Ansatz ausführlich Voßkuhle, S. 87 ff.; und Smid, S. 153 ff. (Prozess „als Verfahren streitiger, uninteressierter und unparteilicher Rechtserkenntnis; zu Smids Ansatz ausführlich Voßkuhle, S. 89 ff.). Die Nichtbeteiligung des Dritten betonen auch z.B. BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 269 ff. m.w.N.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 26 m.w.N. in Fn. 121; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 19 f., Art. 92 Rn. 32 f. mw.N.; Voßkuhle, S. 100 ff., 105 ff. (dort näher zu den Anforderungen an einen „unbeteiligten Dritten“: (i) durch Unparteilichkeit und Objektivität geprägte innere Haltung, (ii) Umsetzung dieser Haltung in einem objektiven Konfliktlösungsprozess, (iii) generelle Gewährleistung der Akzeptanz des Richters); Dütz, S. 87 ff., 114 („die staatliche Aufgabe bzw. Befugnis …, Rechtsfragen unabhängig und unbeteiligt mit verbindlicher Wirkung, die lediglich eine Abänderung im gesetzlich geregelten Instanzenzug kennt, zu entscheiden“); Joussen, S. 457 f. (Neutralität als „normatives Sachprinzip“); Tochtermann, S. 30 ff. 198  BVerfG v. 8.2.2001 BVerfGE 103, 111, 140; BVerfG v. 8.7.1992 BVerfGE 87, 68, 85; BVerfG v. 24.3.1982 BVerfGE 60, 175, 214; BVerfG v. 6.6.1967 BVerfGE 22, 49, 69; BVerfG v. 8.2.1967 BVerfGE 21, 139, 145 f.; BVerfG v. 9.11.1955 BVerfGE 4, 331, 346; BVerfG v. 29.4.1954 BVerfGE 3, 377, 381. – M. Wolf, ZZP 99 (1986), 361, 377 spricht von einer „stillschweigend und selbstverständlich vorausgesetzten institutionellen Richtigkeitsgarantie“ mit Verfassungsrang. 199  BVerfG v. 8.2.2001 BVerfGE 103, 111, 140; BVerfG v. 24.3.1982 BVerfGE 60, 175, 214; BVerfG v. 8.2.1967 BVerfGE 21, 139, 146; BVerfG v. 9.11.1955 BVerfGE 4, 331, 346. 200  BVerfG v. 8.2.1967 BVerfGE 21, 139, 146. In der Entscheidung bejahte das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (konkret: Erbscheinsverfahren) ein Ablehnungsrecht bestehen müsse. Ablehnend zu dieser Entschei-

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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b) Unbrauchbarkeit des verfassungsrechtlichen Begriffs Gerade das Argument, dass derjenige, dem als materielle Rechtsprechung zu bezeichnende Aufgaben übertragen werden, neutral sein müsse, weckt die Hoffnung, aus den verbreiteten Definitionsversuchen Gewinn für die hier interessierende Frage zu ziehen. Die Hoffnung muss jedoch enttäuscht werden.202 Es ist bereits überaus problematisch, aus einem in seinen Randbereichen derart umstrittenen Begriff wie dem der Rechtsprechung konkrete Ableitungen vornehmen zu wollen. 203 Den meisten Ansätzen zur Definition materieller Rechtsprechung wird eine „punktuelle Sichtweise“ vorgeworfen, die sich auf einen bestimmten Aspekt von Rechtsprechung konzentriere und deshalb keinen Anspruch erheben könne, in allen Fällen als Abgrenzungskriterium zu dienen. 204 Vor allem aber verfolgt die verfassungsrechtliche Begriffsbestimmung ganz andere Zwecke als die Beantwortung der Frage, in welchen Situationen ein entscheidungsbefugter Dritter unabhängig und unparteilich zu sein hat.205 Es geht vielmehr um den verfassungsrechtlichen Kontext, die Reichweite des richterlichen Rechtsprechungsmonopols und den unentziehbaren Kernbereich richterlicher Aufgaben abzustecken, 206 eine klare staatliche Funktionenordnung und die Abgrenzung der rechtsprechenden Gewalt von Verwaltung und Gesetzgeber zu erreichen 207 sowie den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG zu bestimmen. 208 Der Versuch, anhand einer Subsumtion des Schiedsgutachtens unter die Definition als „Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten“ oder vergleichbare Wendungen zu einer Antwort zu gelangen, liefe auf einen Zirkelschluss hinaus. Denn ob der Schiedsgutachter einen Streit als unbeteiligter Dritter entscheidet, soll ja gerade erst geklärt werden.209 Schließlich dung Bettermann, AöR 92 (1967), 496, 506 ff. (außer in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit) 201  BVerfG v. 8.2.1967 BVerfGE 21, 139, 145 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 16; ausführlich Voßkuhle, S. 110 ff. m.w.N. 202  Offen bleibt die Frage auch bei Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 193. 203  Vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 17 (Definition erlaube „nur grobe Abgren­ zungen“). 204  Voßkuhle, S. 85 f. 205 Ebenso Wittmann, S. 124. 206 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 1, 3. 207 BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 54 f.; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 1; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 17; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 92 Rn. 2; Voßkuhle, S. 65 ff.; Joussen, S. 456. 208  Nämlich unter der Prämisse, dass öffentliche Gewalt im Sinne dieser Vorschrift auch Gerichte außerhalb ihrer spruchrichterlichen Tätigkeit aufgrund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts sein können, dazu BVerfG v. 3.8.2004 NJW 2004, 2725, 2726; BVerfG v. 30.4.2003 BVerfGE 107, 395, 406. Vgl. Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 50; sowie die Nachweise in Voßkuhle, S. 168 Fn. 104. 209  Vgl. generell Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 43, 66. Einen Zirkelschluss für ausgeschlossen hält demgegenüber Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Stark,

450

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

kann Art. 92 GG hier auch deshalb keine Leitlinie darstellen, weil er als Verfassungsnorm nur für staatliche Gerichte gilt und sich nur auf staatliche Rechtsprechung bezieht. 210 Indem die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut wird, werden Formen nichtstaatlicher Gerichtsbarkeit – einschließlich der Schiedsgerichtsbarkeit – weder erlaubt noch verboten. 211 Nichtstaatliche oder private Gerichtsbarkeit lässt sich dabei verstehen als Tätigkeit, „die bei Wahrnehmung durch staatliche Organe als Ausübung rechtsprechender Gewalt zu bezeichnen wären“212.

c) Grund für die Einordnung von Schiedsgerichtsverfahren als materielle Rechtsprechung Wenn nun aber diese verfassungsrechtliche Verankerung nicht trägt, fragt es sich, wie der BGH und mit ihm zahlreiche Autoren behaupten können, Schiedsgerichtsbarkeit sei „materielle Rechtsprechung“. In den ersten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs dazu heißt es lapidar: „Da ein Schiedsgericht Rechtsprechung ausübt, muß eine ausreichende Gewähr dafür gegeben sein, daß es unabhängig und unparteilich ist.“213 Erst in späteren Urteilen wird diese Qualifikation näher erläutert: Argumentativer Ansatzpunkt ist für den BGH nicht ein verfassungsrechtlicher Rechtsprechungsbegriff214, sondern die FunktionsArt. 92 Rn. 12, wenn nur es bei der Forderung nach einem nicht beteiligten Dritten bleibt und nicht zusätzlich dessen Neutralität und Unabhängigkeit in die Definition aufgenommen werden. 210 BK/Achterberg, Rn. 179, 186; Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 28; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 45; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 87; Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4. Tochtermann, S. 35 rekurriert deshalb unmittelbar auf das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, das auch für nichtstaatliche Verfahren ein Neutralitätsgebot festsetze. Eine Begründung dafür, warum für Art. 20 Abs. 3 GG etwas anderes gelten soll als für Art. 92 GG, fehlt jedoch. Die angegebenen Belege stützen die Behauptung nicht. Auch der von Habscheid, KTS 1959, 113, 116 und Nicklisch ZHR 136 (1972), 1, 24 für den Zusammenhang zwischen Rechtsprechung und Unabhängigkeit angeführte Art. 97 GG hilft nicht, da darin die Unabhängigkeit nur des staatlichen Richters angesprochen ist. 211 Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 28; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 45; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 50; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 92 Rn. 41. Nicht thematisiert werden muss die heute weitgehend erledigte Frage, ob die Schiedsgerichtsbarkeit verfassungsgemäß ist, siehe dazu Lachmann, Rn. 231 ff. (mit Zweifeln an einzelnen Verfahrensregeln in Rn. 247 ff.); Prütting, FS Schlosser, S. 705 ff. m.w.N. auch zu vereinzelten Gegenäußerungen; Ebbing, S. 16 ff.; zum alten Schiedsverfahrensrecht BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 61 m.w.N.; BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 185 m.w.N.; Dütz, S. 230 ff.; kritisch noch Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 29. 212 BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 173. 213  BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 258; ebenso wenige Jahre später BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 395. 214  Insoweit undeutlich BGH v. 15.5.1986 BGHZ 98, 70, 72.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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ähnlichkeit von Schiedsrichter und staatlichem Richter.215 Der Schiedsrichter habe wie der staatliche Richter einen Rechtsstreit zu entscheiden; wie dieser habe er endgültig und bindend auszusprechen, was rechtens ist.216 Dabei sei der Schiedsrichter dem staatlichen Richter nicht bloß vorgeschaltet, sondern trete an dessen Stelle. 217 Der Schiedsspruch entfalte die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils; die staatliche Nachprüfung sei grundsätzlich ausgeschlossen.218 Aufgrund dieser Vergleichbarkeit in Funktion und Wirkung müssten die wesentlichen Verfahrensgarantien, insbesondere die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der entscheidungsbefugten Personen, auch im Schiedsgerichtsverfahren Geltung beanspruchen.219 Erst diese ausführliche Herleitung erklärt, wie es in jüngeren Entscheidungen verkürzend heißen kann: „Schiedsgerichtsbarkeit ist Rechtsprechung im weiteren Sinne, bedeutet also Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten.“220 Die Kennzeichnung der Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit als Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten und als materielle Rechtsprechung, selbst wenn ein Schiedsgericht keine öffentliche Gewalt ausübt und seine Entscheidungen keine Hoheitsakte sind, findet große Zustimmung im Schrifttum. 221 Eine Reihe von Autoren stellt dazu – wie die BGH-Rechtsprechung – zusätzlich darauf ab, 215  BGH v. 15.5.1986 BGHZ 98, 70, 72: Die Schiedsgerichtsbarkeit ist „ihrer Funktion und Wirkung nach materiell Rechtsprechung“. 216  BGH v. 5.5.1986 BGHZ 98, 32, 36; BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 61. 217  BGH v. 5.5.1986 BGHZ 98, 32, 36; BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 61. 218  BGH v. 5.5.1986 BGHZ 98, 32, 36; BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 61 f. 219 Zur Geltung des Gebots überparteilicher Rechtspflege siehe außerdem BGH v. 26.10.1972 NJW 1973, 98. 220  BGH v. 27.5.2004 BGHZ 159, 207, 212; wortgleich BGH v. 13.1.2005 BGHZ 162, 9, 16; sinngemäß ebenso OLG Braunschweig v. 12.5.2005 SchiedsVZ 2005, 262, 263 sowie in anderem Zusammenhang BGH v. 8.11.2007 SchiedsVZ 2008, 40, 42; kritisch zum Begriff der „Rechtsprechung im weiteren Sinne“ Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4. 221 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 46; Münch­Komm-­Z PO/ Münch, Vor § 1025 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 6; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 2; Habscheid, FS Laufke, S. 313; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 4; Lachmann, Rn. 8; Habscheid, NJW 1962, 5, 7; Habscheid, KTS 1959, 113, 116; Karl, S. 31; Kornblum, ZZP 82 (1969), 480, 485; Kornblum, S. 105 ff. (dort auch ausführlich zu den Problemfällen „Verbandsschiedsgerichtsbarkeit“ und „Entscheidung nach Billigkeit“) mit Nachw. zu Gegenstimmen, die allerdings von einem engeren Rechtsprechungsbegriff ausgehen, indem sie Rechtsprechung auf hoheitliche Tätigkeit beschränken wollen. Für besonderen Streit sorgte früher die – heute mit Blick auf Befugnisse des staatlichen Gerichts zur Entscheidung nach billigem Ermessen (nicht zuletzt nach §§ 315 ff. BGB) weithin bejahte (z.B. Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4) – Frage, ob auch die Tätigkeit eines Schiedsgerichts, das von den Parteien zur Entscheidung nach Billigkeit ermächtigt wurde, als materielle Rechtsprechung qualifiziert werden kann. Siehe dazu, jeweils m.w.N., die Darstellungen bei Kornblum, S. 109 ff. (mit dem Argument, es gebe für jeden Fall nur eine einzige wirklich billige Entscheidung, so dass sich die Tätigkeit des nach Billigkeit entscheidenden Schiedsrichters nicht von der des an das materielle Recht gebundenen unterscheide); Habscheid, NJW 1962, 5, 7 f.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

dass das Schiedsgericht an die Stelle des staatlichen Gerichts tritt und eine inhaltliche Nachprüfung des Schiedsspruchs grundsätzlich ausgeschlossen ist. 222 Als weiterer Beleg für diese Einordnung dient die von § 1055 ZPO angeordnete Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs. 223 Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit aufgrund deren Einordnung als materielle Rechtsprechung auch das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit – über dessen einfachgesetzliche Anordnung in den §§ 1036 f. ZPO hinaus – Geltung beanspruchen muss. 224

d) Stellungnahme Der These, schiedsrichterliche und richterliche Tätigkeit, Schiedsspruch und Urteil, seien funktional vergleichbar, ist vollauf zuzustimmen. Jedoch ist es eine begriffsjuristische Verkürzung zu sagen, Schiedsgerichte müssten den grundlegenden rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien genügen, weil sie materielle Rechtsprechung betreiben und die Neutralität der entscheidungsbefugten Person zum Wesen oder zum Begriff der Rechtsprechung gehöre. Dass ein staatliches Gericht unabhängig und unparteilich entscheiden müsste, wenn es die dem Schiedsgericht übertragene Aufgabe wahrzunehmen hätte, besagt wenig für die Frage nach Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Falle privater Aufgabenwahrnehmung. 225 Entscheidend sind die Sachgründe, die zu einer Ein222  Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 4; Karl, S. 30 f.; Habscheid, NJW 1962, 5, 7 (mit Betonung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs); Habscheid, KTS 1959, 113. – Ein vollständiger Ausschluss staatlicher Gerichte durch die Schiedsgerichtsbarkeit ist überdies im Hinblick auf Art. 92 GG problematisch: Zumindest die Überprüfung, ob die Schiedsgerichtsbarkeit in den Grenzen der Privatautonomie bleibt, darf nicht ausgeschlossen werden, Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 92 Rn. 52; Maunz/Dürig/Hillgruber (51. Lfg.), Art. 92 Rn. 88; vgl. auch BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 181, 189 (private Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich zulässig, doch ist der Staat „aufgrund seiner rechtsstaatlichen und sozialstaatlichen Letztverantwortlichkeit gehalten, Fehlentwicklungen und Missbräuchen entgegenzutreten“). 223 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 2; Tochtermann, S. 35; Wittmann, S. 125. – Zur wesentlichen Bedeutung der letztverbindlichen, rechtskraftfähigen Entscheidung für den verfassungsrechtlichen Begriff von Rechtsprechung im funktionellen Sinne siehe Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 21a; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 92 Rn. 5; ablehnend BK/ Achterberg, Art. 92 Rn. 108 (auch Verwaltungsakte könnten bestands‑ und bindungskräftig werden, auf die „Etikettierung“ komme es nicht an). 224 BK/Achterberg, Art. 92 Rn. 188; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 92 Rn. 46 f.; Kornblum, S. 115 ff.; Habscheid, FS Laufke, S. 313 (Schiedsgerichtsbarkeit sei Rechtsprechung, zu deren Wesen es gehöre, dass sie von einem unabhängigen Dritten vorgenommen werde); ders., NJW 1962, 5, 8 ff.; ders., KTS 1959, 113, 116; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 3; ders., FS Reinhardt, S. 141 (zur Weisungsfreiheit); ders., RIPS, Rn. 522; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 24; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 172 f.; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 4; Dütz, S. 238 ff.; Wittmann, S. 125; Tochtermann, S. 31, 34 ff.; Karl, S. 51; Achterberg, FS Menger, S. 139; vgl. zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters rechtsvergleichend Schlosser, FS BGH III, S. 421 ff. 225  Es hilft hier auch nicht, sich auf die Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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ordnung als materielle Rechtsprechung führen. Diese Gründe sind es, die die Geltung von Verfahrensgarantien erforderlich machen und – materiell statt nur begrifflich – erklären können, weshalb die schiedsgerichtliche Aufgabe von einer unabhängigen und unparteilichen Person wahrzunehmen ist. Die Übertragung der Verfahrensgarantien der staatlichen Gerichtsbarkeit auf das Schiedsgerichtsverfahren sind ein instruktives Beispiel für die Wechselwirkung zwischen Verfahren und Kontrolle. 226 Da der Schiedsspruch nur sehr eingeschränkt einer unabhängigen Kontrolle unterliegt, muss der Staat schon im Verfahren Sicherungen einbauen und dann zwar nicht das inhaltliche Ergebnis, aber die Einhaltung der Verfahrensgarantien überprüfen. 227 Ob die schiedsrichterliche Tätigkeit dann mit dem Begriff „materielle Rechtsprechung“ belegt wird, ist demgegenüber von sekundärer Bedeutung.228 Es wäre sogar denkbar, ein Neutralitätsgebot zu bejahen, ohne dass die Tätigkeit eines privaten Sachverständigen, der mit verbindlicher Wirkung im Auftrag der Parteien eine Tatsache feststellt, als materielle Rechtsprechung zu qualifizieren ist. 229 Folglich kann es nicht darum gehen, das feststellende Schiedsgutachten als Rechtsprechung zu charakterisieren, um daraus die Geltung von Verfahrensgarantien abzuleiten. 230 Vielmehr ist zu fragen, ob sich feststellendes Schiedsgutachten und staatliches Gerichtsverfahren funktional so ähnlich sind, dass die für dieses geltenden Verfahrensgarantien auch auf jenes Anwendung finden müssen. Ob dann schließlich, wenn eine derartige Ähnlichkeit festgestellt wird, das feststellende Schiedsgutachten deshalb mit dem Begriff „materielle Rechtsprechung“ belegt werden kann, ist im Grunde irrelevant. 231

und Schiedsgerichtsbarkeit zu berufen. Diese Gleichwertigkeit ist allenfalls Folge, nicht aber Begründung eines Neutralitätsgebots. Kritisch zur These von der Gleichwertigkeit Voit, JZ 1997, 120 ff. 226  In diese Richtung auch G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 147. 227  Zum verfassungsrechtlichen Kontext Zöller/Geimer, Vor § 1025 Rn. 4 m.w.N.; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 170 ff.; Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 5; Stein/Jonas/ Schlosser, § 1042 Rn. 6 („Der Staat darf Schiedsgerichtsbarkeit nur dulden, wenn er sie rechtsstaatlich in die Pflicht nimmt.“); Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 4 Fn. 12; Tochtermann, S. 35 ff. Ob Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK (für Art. 47 Abs. 2 GrCh dürfte Ähnliches anzunehmen sein) auf die Schiedsgerichtsbarkeit anwendbar ist, ist umstritten. Siehe dafür Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 6 m.w.N.; dagegen Tochtermann, S. 39 f. (allerdings verpflichte Art. 6 Abs. 1 EMRK die Vertragsstaaten, ein Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze sichergestellt werden kann, wenn sie nicht selbst durch ihre Organe die Einhaltung der EMRK gewährleisten, so dass die Schiedsgerichte mittelbar zur Einhaltung elementarer Verfahrensgrundsätze angehalten werden, wollen sie nicht die Aufhebung oder fehlende Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs riskieren). 228  Richtig Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 2 (Unabhängigkeit und Unparteilichkeit „sichern der Schiedsgerichtsbarkeit die Rechtsprechungsqualität“). 229 So Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 230  Entgegen dem Ansatz der oben Fn. 181 Genannten. 231  Vor der Gefahr eines Zirkelschlusses bei der Kennzeichnung eines Verfahrens als ma-

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Die Funktionsähnlichkeit von Schiedsgutachten und Gerichtsverfahren wurde oben bereits verneint. 232 Die dortige Argumentation ist nun im Hinblick auf den Rechtsprechungsbegriff um den weiteren Aspekt der Wechselbeziehung von Verfahren und Kontrolle zu ergänzen, die, wie soeben gesehen, einen wichtigen Grund für die Geltung des Neutralitätsgebots im Schiedsverfahren darstellt. Gerade hinsichtlich des Kontrollumfangs unterscheiden sich aber Schiedsverfahren und Schiedsgutachten. Während dem Schiedsspruch Rechtskraftwirkung zukommt und er nur einer eingeschränkten staatlichen Kontrolle unterliegt, ist das Schiedsgutachten aufgrund von § 319 Abs. 1 BGB im Regelfall in weiterem Umfang überprüfbar. Insbesondere kann eine, wenn auch begrenzte, inhaltliche Kontrolle stattfinden. Es lässt sich damit die Herleitung des Neutralitätsgebots für das Schiedsverfahren nicht ohne weiteres auf das Schiedsgutachten übertragen. Die begrenzte inhaltliche Überprüfung des Schiedsgutachtens stellt gegenüber dem völligen Ausschluss einer Richtigkeitskontrolle beim Schiedsspruch nicht nur ein „minus“ dar. 233 Die Kontrolle ist zwar eingeschränkt, doch sie besteht. Nicht umsonst soll der Schiedsgutachter nur „kleiner“ Schiedsrichter sein. Diesen Unterschied betont auch der Bundesgerichtshof in einem seiner Urteile zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters: „Der Schiedsrichter ist wie der staatliche Richter zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen, er hat wie dieser endgültig und bindend auszusprechen, was Rechtens ist. Das Schiedsgericht tritt dabei an die Stelle des staatlichen Gerichts, ist diesem nicht bloß vorgeschaltet. Der Schiedsvertrag begründet nach § 274 II Nr. 3 ZPO eine prozeßhindernde Einrede. Der Schiedsspruch hat nach § 1040 ZPO unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Anders als in den Fällen der §§ 315 ff. BGB, in denen unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit einer inhaltlichen Überprüfung der Bestimmung der Leistung durch eine Partei durch das ordentliche Gericht besteht, ist eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs durch das staatliche Gericht grundsätzlich ausgeschlossen.“234

Zwar darf nicht verkannt werden, dass die Parteien auch mit dem Abschluss eines Schiedsgutachtenvertrags Verbindlichkeit anstreben und einen Gang zu Gericht gerade vermeiden wollen, weil der Schiedsgutachter die einzigen streitigen Punkte zwischen ihnen ausräumt. Selbst wenn es zum Prozess kommt und das Gericht grundsätzlich an den Inhalt des Gutachtens gebunden ist, folgt daraus, wie gesehen, nicht die Geltung des Neutralitätsgebots. Dass das Schiedsgutachterielle Rechtsprechung warnt in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit auch Münch­Komm-­ ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 6. 232  Siehe oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.). 233  So aber Wittmann, S. 126. 234  BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 61 f. (Hervorhebung hinzugefügt). Entsprechend hat Sachs/Detterbeck, Art. 92 Rn. 29 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber nichtstaatlichen Entscheidungen, „die zwar auf Verbindlichkeit zielen, aber vor dem staatlichen Gericht uneingeschränkt angefochten werden können“.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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ten faktisch häufig zur Beilegung des Streits der Parteien führt und somit eine Befassung staatlicher Gerichte ausschließt, 235 ändert nichts an der rechtlichen Bewertung. Dies belegt nicht nur der Vergleich mit einem Vertragsschluss mit Hilfe eines Vertreters, sondern ein Blick auf die Mediation als weiteres Verfahren alternativer Streitbeilegung: Die Neutralität des Mediators wird als wesensbestimmendes Merkmal der Mediation bezeichnet und ist in vielen Rechtsordnungen bereits in der Definition der Mediation enthalten.236 Die Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit lässt sich indes auch für die Mediation nicht auf dieselbe Weise begründen wie für die Schiedsgerichtbarkeit. 237 Denn die Mediation schließt nicht mit einem verbindlichen Ausspruch des Mediators ab. Vielmehr ist den Parteien die rechtsverbindliche Bereinigung ihres Streits überlassen. Auch wenn faktisch das Ergebnis der Mediation bewirkt, dass die Parteien ihren Streit beilegen, sind die staatlichen Gerichte nicht ausgeschlossen. Es besteht aus rechtsstaatlichen Gründen kein Anlass, eine Kontrolle des Mediationsverfahrens vorzusehen. Eine Forderung nach Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators kann allenfalls auf vertraglichen Beziehungen der Beteiligten gestützt werden, und zwar einerseits auf den Vertrag mit dem Mediator, andererseits aber auch auf den Mediationsvertrag, mit dem sich die Parteien auf die Einleitung eines Mediationsverfahrens verständigen. 238 Doch selbst wenn es sich auf der Ebene der Kontrolle nur um ein „minus“ handelte, würde daraus nichts zwingend für die Ebene des Verfahrens folgen. Ein „Weniger“ hinsichtlich des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit stellt sich als „Mehr“ hinsichtlich des Kontrollumfangs dar. Kann dann mit dieser intensiveren Kontrolle nicht genauso gut ein „minus“ auf der Ebene der Verfahrensgarantien korrespondieren? Diese Frage ist aus zwei Gründen zu bejahen. Zum einen wäre andernfalls schwer erklärbar, warum die gerichtliche Kontrolle – wie ganz überwiegend angenommen wird – abdingbar sein soll und im Falle des § 319 Abs. 2 BGB bereits von Gesetzes wegen entfällt. Ebenso wie über die Schiedsgerichtsbarkeit in Extremfällen eine staatliche Kontrolle wacht, müsste das auch für Schiedsgutachten angenommen werden. Zum anderen wäre § 315 BGB schwer erklärbar. Diese Vorschrift regelt ausdrücklich nur Gestaltungsentscheidungen durch eine Partei; doch sollte entsprechend den hier zu § 317 BGB angestellten Überlegungen auch die Tatsachenfeststellung durch eine 235  So ein weiteres Argument von Wittmann, S. 126; Habscheid, NJW 1962, 5, 9. Siehe auch bereits oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 87) zu dem Punkt, dass das Schiedsgutachten häufig den gesamten Streit ausräumt. 236  Hopt/Steffek, S. 13 f. 237 Ebenso Tochtermann, S. 43 m.w.N. 238  Tochtermann, S. 45 f. (allerdings unscharf, da sich die „Pflicht“ des Mediators, das Verfahren unabhängig und unparteilich zu leiten, nicht aus dem Mediationsvertrag ergeben kann).

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Partei zulässig sein. 239 Überträgt man den Kontrollmaßstab der (einfachen) Unbilligkeit, wie ihn § 315 Abs. 3 BGB für die gestaltende Leistungsbestimmung durch eine Partei vorsieht, auf Feststellungen durch eine Partei, so sind derartige Feststellungen schon dann unverbindlich, wenn sie „unrichtig“ sind. 240 Fehlt es also notgedrungen an der Verfahrensgarantie von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, so verschärft der Gesetzgeber den Kontrollmaßstab.241 Bestünde hier ein lineares Verhältnis, müsste aus einer begrenzten inhaltlichen Kontrolle eine begrenzte Geltung von Verfahrensgarantien folgen. Da es aber schwer vorstellbar ist, wie „ein bisschen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ aussieht, und diese Konsequenz auch niemand zieht, streitet der gegenüber dem Schiedsspruch erweiterte Kontrollumfang beim Schiedsgutachten weder für noch gegen die Geltung von Verfahrensgarantien. 242

5. Zutreffender Ansatzpunkt: Mutmaßlicher Parteiwille a) Gründe für die Aufnahme des Gebots in den mutmaßlichen Parteiwillen Der Rekurs auf die Feststellung als Aufgabe der Parteien weist auch den Weg zur sachgerechten Lösung des Problems. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters entspricht dem mutmaßlichen Willen der Parteien. 243 Am Rande erwähnt selbst der BGH einen derartigen Parteiwillen, wenn er den Zweck eines Schiedsgutachtens in einer objektiven Beurteilung durch den Schiedsgutachter sieht.244 Wenn sie die Ausübung ihrer Privatautonomie einem 239  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 (§ 12 IV 2); Kisch, Schiedsmann, S. 63; Söllner, S. 128; Nicklisch, FS Bülow, S. 173. Beispiel: RG v. 29.1.1937 Warn 1937 Nr. 80 (dazu bereits oben bei Fn. 62). 240  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674. 241  Ähnlich dem Ausschluss des Schiedsrichtens in eigener Sache, dazu BGH v. 27.5.2004 BGHZ 159, 207 (Vereinsgerichtsbarkeit). 242  Siehe noch unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.) zum dispositiven Charakter des § 319 Abs. 1 BGB und der Möglichkeit, die inhaltliche Nachprüfung des Schiedsgutachtens auf die Rechtskontrolle der §§ 134, 138 BGB zu beschränken. 243  Jonas, JW 1937, 221; Kisch, Schiedsmann, S. 64 mit Fn. 5; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673. Andeutungsweise Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 19; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 34 (Entscheidung nach billigem Ermessen kann von einem befangenen Sachverständigen nicht erwartet werden); H. Eckert, S. 20; kritisch Wittmann, S. 103 (der jedoch ebenfalls die Interessen der Parteien als einen Begründungsansatz annimmt); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 303 (§ 12 IV 7 b); Schneider, LZ 1909, 902, 904. Siehe auch OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047: Es kommt auf Ablehnungsbefugnis nach materiellem Recht an. 244  BGH v. 21.9.1983 NJW 1984, 43, 44: „Die von den Vertragsparteien getroffene Schiedsgutachtenvereinbarung dient der raschen, einfachen, fachkundigen und kostengünstigen Beilegung etwaiger Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der vom Mieter geschuldeten Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Praxisräume. Dieser Zweckbestimmung entspricht es, daß sich die Parteien, wie hier, der Leistungsbestimmung des Schiedsgutach-

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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Dritten überlassen, statt selbst einen Feststellungsvertrag zu schließen, kann  – wenn nicht besondere Anhaltspunkte vorliegen – davon ausgegangen werden, dass sie auch innerhalb der Grenzen der offenbaren Unrichtigkeit keine einseitige Bevorzugung der jeweiligen Gegenpartei wünschen. Dieser Wunsch kann freilich nur in Erfüllung gehen, wenn der Dritte zu keiner der beiden Parteien in einem Verhältnis der Abhängigkeit oder Parteinahme steht. Diese theoretische Erwägung wird durch mehrere Beobachtungen in der Praxis gestützt: (i) Sichtbar wird die Erwartung der Neutralität in den Vereinbarungen zur Benennung des Dritten. In vielen Schiedsgutachtenvereinbarungen wird der Dritte nicht namentlich benannt, sondern seine Benennung einer externen Stelle, häufig der örtlichen Industrie‑ und Handelskammer, überlassen. 245 Diese Kammern benennen öffentlich bestellte Sachverständige, zu deren Eigenschaften die Objektivität zählt. Die Delegation der Benennungsbefugnis soll also die Neutralität des Dritten gewährleisten. Sichtbar wird die Erwartung aber auch, wenn beispielsweise in der Schiedsgutachtenvereinbarung in einem Unternehmenskaufvertrag nicht der Wirtschaftsprüfer, der das Unternehmen in den letzten Jahren geprüft hat, benannt wird, um eine Stichtagsbilanz aufzustellen. 246 Dass die Prüfung aufwendiger und schwieriger ist, weil der Schiedsgutachter das Unternehmen nicht kennt, nehmen die Parteien in Kauf, um eine neutrale Einschätzung zu erhalten. (ii) Soweit die Praxis besondere Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausdrücklich in den Vertragstext aufnimmt, ist dies bemerkenswert in Anbetracht der Tatsache, dass Streitbeilegungsklauseln häufig zum Schluss der Vertragsverhandlungen in das Vertragswerk Eingang finden und nicht immer die nötige Reflexion erfahren. Die Neutralität scheint den Parteien aber so wichtig zu sein, dass sie mit einer besonderen Regelung bedacht wird. (iii) Oft sind Schiedsgutachtenklauseln jedoch nicht sehr detailliert gehalten und schweigen deshalb zur Frage der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. 247 Musterklauseln und ‑vereinbarungen sehen dagegen häufig entsprechende Regelungen vor, wonach der Schiedsgutachter während des gesamten Verfahrens unparteilich und unabhängig sein müsse.248 Gleiches gilt für Verfahrensordnungen bestimmter Branchen, die – unabhängig davon, wie intensiv sie das Verfahren regeln – jedenfalls einen Passus zur Unabhängigkeit

ters, seine Objektivität und Sachkunde vorausgesetzt, unterwerfen.“ Die Formulierung wird aufgegriffen in OLG Hamburg v. 22.6.1994 WuM 1995, 650: Die Parteien haben „sich freiwillig der Leistungsbestimmung des Schiedsgutachters, seine Objektivität und Sachkunde vorausgesetzt, unterworfen“. 245  Vgl. auch Wittmann, S. 141. 246  Siehe den Klauselvorschlag bei Triebel, S. 134. 247 Allgemein Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 754 f. 248  Siehe z.B. § 7 DIS-SchGO; Greger/Stubbe, Rn. 375, sub 4.1; B. Rauscher, S. 242 ff.; ders., BB 1974, 629, 630; Nicklisch, FS Bülow, S. 167. Allgemein zur Vertragspraxis im Schiedsgutachtenrecht als Indiz für die Parteiinteressen B. Rauscher, S. 211.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

und Unparteilichkeit enthalten. 249 (iv) Diese letzte Beobachtung lässt sich auch zu der knappen Regelung des Schiedsgutachtens in der neuen schweizerischen ZPO machen. Auch dort sind einige Fragen ungeregelt. Die Frage der Neutralität hielt der Gesetzgeber aber für so wichtig, dass sich in Art. 189 Abs. 3 lit. b die Regel findet, dass ein Schiedsgutachten über Tatsachen nur verbindlich ist, wenn „gegen die beauftragte Person kein Ausstandsgrund vorlag“. Neben diesen Indizien spricht auch der Zweck des Schiedsgutachtenverfahrens für einen entsprechenden Parteiwillen: Den Parteien geht es um eine Bereinigung ihres Streites oder Aufklärung ihrer Ungewissheit mit Hilfe der Sachkunde eines Dritten, der dem Streit oder der Ungewissheit als neutraler Entscheider gegenübersteht. 250 Zwar konkurriert mit diesem Interesse an einer sachlich zutreffenden Entscheidung oftmals auch ein Streben nach einem möglichst schnellen und unkomplizierten Abschluss des Verfahrens. Doch dürfte dieses Streben gegenüber der Neutralität als Grundvoraussetzung einer Entscheidung, die nicht schon eine Vermutung der Unrichtigkeit in sich trägt, zurücktreten. Eine bloße inhaltliche Kontrolle wird diesem Parteiinteresse nicht gerecht.251

b) Ein „implied term“ der Neutralität – Rechtslage in England Bestätigt wird die Verortung des Neutralitätsgebots im mutmaßlichen Parteiwillen durch das englische Recht. Dort steht einerseits außer Frage, dass die Vorschriften des Arbitration Act 1996, also des englischen Gesetzes über Schiedsverfahren, auf den Sachverständigen bei einer expert determination keine Anwendung finden. 252 Entsprechend gilt das darin enthaltende Neutralitätsgebot nur für Schiedsrichter. 253 Andererseits wird es als ebenso selbstverständlich – von einem Autor sogar als „thunderingly obvious“254 – angesehen, dass der sachverständige Dritte neutral zu sein hat.255 Zum Teil wird diese An249 

B. Rauscher, S. 242 ff. setzt Jonas, JW 1937, 221 als Anhänger einer materiell-rechtlichen Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens das Argument der Funktionsähnlichkeit von Schiedsgutachter und (Schieds‑)Richter ein. Diese Ähnlichkeit stelle ein starkes Indiz für einen entsprechenden Parteiwillen zur Neutralität dar. 251  A.A. RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207 252  Sutton/Gill/Gearing, Rn. 1‑012, 2‑028. 253  Section 33(1)(a) Arbitration Act 1996 bestimmt: „The tribunal shall (a) act fairly and impartially as between the parties …“. Section 24(1)(a) regelt die Ablehnung eines Schiedsrichters, wenn „circumstances exist that give rise to justifiable doubts as to his impartiality“. Aus deutscher Sicht fällt auf, dass hier allein auf die Unparteilichkeit, nicht auf die Unabhängigkeit abgestellt wird. Tochtermann, S. 17 ff. zeigt, dass auch in England inhaltlich nicht zwischen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit differenziert wird. Vielmehr sei die Unparteilichkeit der Oberbegriff, der auch die fehlende Unabhängigkeit aufnehmen könne. 254  Coulson, Rn. 11.09. 255  So bereits einer der ältesten Fälle zu der Materie, Belchier v. Reynolds (1754) Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Keny. 87, 91. 250  Hier

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forderung bereits in die Definition der expert determination als „the referral of a dispute to an independent third party“256 aufgenommen. Wie lässt sich dieser scheinbare Widerspruch erklären? Die Antwort wird nicht in einer Nähe zum Schiedsverfahrensrecht gefunden. Insbesondere gilt die Vorstellung, dass der Dritte eine „quasi-arbitral ­function“ ausübe, inzwischen als überholt.257 Vielmehr dient der mutmaßliche Parteiwille als Ansatzpunkt: Die Vereinbarung, ein Schiedsgutachten einzuholen, enthalte einen implied term258, dass der Dritte fair und unparteilich handeln soll: „Plainly it must be implied that the valuation is to be made honestly and impartially.“259

Das Neutralitätserfordernis wird demnach in die Schiedsgutachtenvereinbarung hineingelesen. Ein Beobachter hält diese Grundannahme der Parteien für so elementar und offensichtlich, dass die Parteilichkeit des Dritten nie ausdrücklich als Unverbindlichkeitsgrund im Vertrag angesprochen wird. 260 Die Verankerung im Parteiwillen erzeugt – gerade im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Anwendungsfälle für eine expert determination261 – zugleich eine gewisse Flexibilität im Umgang mit dem Neutralitätserfordernis. Der Anschein von Voreingenommenheit (appearance of bias) wird in der Regel nicht als schädlich angesehen. Gefordert wird vielmehr eine tatsächliche Befangenheit (actual bias). 262 Mit dieser Formel soll es den Parteien ermöglicht werden, eine Person als Dritten zu benennen, die einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist und die deshalb nicht als gänzlich unabhängig angesehen werden kann. Dies kommt etwa zum Tragen, wenn ein Bausachverständiger oder Wirtschaftsprü-

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Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑34; siehe auch Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑049; Jones, (2001) 67 Arbitration 17. 257  Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), para. 95; Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 737 (per Lord Reid); Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 15.6.1 ff. 258  Zum Konzept der implied terms siehe bereits oben § 4 D.II.4.b) (S. 261 f.). 259  Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 L ­ loyd’s Rep. 175, 181. So auch Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 341; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), Rn. 96; Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 64; Arenson v. Casson Beckman Rutley & Co. [1977] AC 405, 441; Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 751; Bridge, International Sale of Goods, Rn. 2.23 f.; Borowsky, S. 102 f. Zur adjudication siehe Balfour Beatty Construction Ltd. v. Lambeth LBC [2002] EWHC 597 (TCC), para. 28. 260  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 7.3.3. 261  Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 79. 262  Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 65; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), Rn. 98 f.; Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 275; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.11.4; Blake/Browne/ Sime, Rn. 21.40.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

fer zuvor schon enge Kontakte zu einer der Parteien gepflegt hat. 263 Sogar der Architekt, der im Lager einer Partei steht, konnte als certifier den Baufortschritt überwachen. 264 Nicht der Dritte, sondern seine Entscheidung müsse unabhängig sein. 265 Obwohl actual bias nur selten vorliegen dürfte, 266 wird ein Interessenkonflikt damit allerdings nicht irrelevant. Zum einen wird von einer Tendenz der Gerichte berichtet, strengere Maßstäbe anzulegen, wenn sie die Entscheidung einer Person überprüfen, die im Lager einer der Parteien steht.267 Vor allem aber kann es zum anderen zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens führen, wenn die eine Partei bei Bestellung des Dritten nicht von dem Interessenkonflikt wusste. 268 Funktional entspricht dieser Ansatz einem Modell, das auch das Fehlen von Interessenkonflikten zur Voraussetzung eines verbindlichen Schiedsgutachtens erhebt, den Parteien aber freistellt, einen Dritten im Wissen um dessen Interessenkonflikt zum Schiedsgutachter zu bestellen.

c) „Der Dritte muss wirklich Dritter sein“ – Rechtslage in Frankreich Mit ebensolcher Selbstverständlichkeit wie das englische Recht gehen auch Rechtsprechung und Lehre in Frankreich davon aus, dass der Dritte neutral zu sein hat. 269 Die Cour de cassation brachte das Erfordernis auf die griffige Formel, dass der Dritte im Sinne von Art. 1592 Code civil tatsächlich die Eigenschaft eines Dritten haben muss und deshalb nicht von einer der Parteien abhängig sein darf.270 In dem zugrundeliegenden Fall war der zur Preisbestimmung in einem Unternehmenskaufvertrag bestellte Dritte über zwei Jahre hinweg für den Geschäftsführer einer Gesellschaft, die zu demselben Konzern wie 263 Siehe Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 65; Kendall/Freedman/Farrell,

Rn. 8.7.1, 14.12.1. 264  Borowsky, S. 101 m.w.N. 265  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.12.1; kritisch Habscheid, FS Kralik, S. 202. 266  Locabail (UK) Ltd. v. Bayfield Properties [2000] QB 451, 472. 267  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 9.8.4, 14.12.1. 268  Kemp v. Rose (1858) 65 Eng. Rep. 910 = 1 Giff. 258; Kimberley v. Dick (1871) L.R. 13 Eq. 1; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 8.7.1, 14.12.3. 269  G. Martin/Racine, JCl. Art. 1126 à 1130: fasc. 10, Nr. 45; Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 65; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 286; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Ghestin, Formation, Nr. 735 f. (mit einer Analyse der Rechtsprechung zu Vertragshändlerverträgen, in denen der Kaufpreis für ein Auto vom Hersteller festgelegt wird), 737; Gardounis, Nr. 177 ff.; Caffin-Moi, Nr. 230; Collart Dutilleul/Delebecque, Nr. 145; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 13; Bonneau, JCP E 2005, 134; Cadiet, FS Guyon, S. 165; Serinet, RDC 2009, 657, 660. 270  Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334 („si, aux termes de l’article 1592 du Code civil, le prix de la vente peut être laissé à l’arbitrage d’un tiers, il importe que ce mandataire commun des cocontractants ait véritablement la qualité de tiers, c’est-à-dire qu’il ne soit pas sous la dépendance de l’une des parties“). Außerdem Cass. com. 5.10.2004 Bull. Joly Soc. 2005, 262 (§ 44); Cass. com. 27.4.1971 Bull. civ. IV, Nr. 107.

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die Käuferin gehörte, als Finanzberater tätig gewesen. Dieser Umstand war der Verkäuferin nicht offengelegt worden. Die Cour de cassation präzisierte die Anforderungen an die Neutralität in einer neueren Entscheidung: Es komme darauf an, ob der Schiedsgutachter persönlich mit der einen Partei oder deren Vorständen Beziehungen unterhalten hatte, die geeignet sind, vernünftige und gegenwärtige Zweifel an seiner Unparteilichkeit hervorzurufen.271 Ob der betreffende Schiedsgutachter tatsächlich parteilich war, spielt nach diesem Kriterium keine Rolle. 272 Diese Anforderungen gelten unabhängig davon, ob sie ausdrücklich von den Parteien vereinbart wurden. 273 Für das Neutralitätsgebot werden verschiedene Gründe angeführt. Einigkeit besteht darüber, dass eine unmittelbare Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Schiedsverfahrensrechts ausscheiden muss. 274 Jedoch wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Dritte ähnlich gewichtige Aufgaben erfülle wie ein Schiedsrichter und deshalb denselben Neutralitätsanforderungen unterliegen müsse. 275 Dem widersprechen andere Autoren, die eine Vergleichbarkeit mit richterlichen Aufgaben bestreiten: Nicht weil er Richter sei, sondern weil er Dritter sei, müsse der Dritte unparteilich sein. 276 Die Unparteilichkeit ist nach diesem Argument in der Eigenschaft als „Dritter“ angelegt. 277 Hinzu kommt, dass der Dritte von beiden Parteien beauftragt worden sei und deshalb nicht gegenüber einer von ihnen Partei ergreifen dürfe. 278 Überdies solle das Neutralitätsgebot angesichts der zum Teil drastischen Auswirkungen einer unverbindlichen Drittbestimmung279 die Aussichten erhöhen, dass der Spruch des Dritten Bestand haben werde. 280 Die Cour de cassation hatte sich in dem oben geschilderten Fall auch darauf gestützt, dass die Verbindungen zwischen dem Dritten und der Käuferin nicht offengelegt worden waren. Im Schrifttum hat das die Frage provoziert, 271  Cass. com. 5.10.2004 Bull. Joly Soc. 2005, 262 (§ 44) („si [l’expert] avait personnellement entretenu avec la société … ou ses dirigeants des relations de nature à faire naître un doute légitime et actuel sur son impartialité“). 272  Bonneau, JCP 2005,II,134; Moury, Nr. 21.81. 273  Gleichwohl soll es zunehmend zu einer ausdrücklichen Verankerung der Neutralitätspflicht in Schiedsgutachterverträgen (d.h. Verträgen mit dem Sachverständigen!) kommen, Serinet, RDC 2009, 657, 660. 274  Siehe bereits CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427; CA Paris 1.3.1951 D. 1951, 315, 316; Jarrosson, Nr. 208. 275  Bonneau, JCP E 2005,II,134; Giorgini, Bull. Joly Soc. 2005, 263, 265 (§ 44) (mit zusätzlichem Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK). 276  Cadiet, FS Guyon, S. 165. 277  Cadiet, FS Guyon, S. 165 („Cela vaut pour tous les tiers, en présence comme en l’absence de litige.“). 278  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Moury, Nr. 21.51. 279  Das französische Recht kennt keine richterliche Ersetzung im Fall der Unverbindlichkeit. Dazu ausführlich unten § 14 C.II.2. (S. 678 ff.). 280  Gardounis, Nr. 185. Freilich schafft das Neutralitätsgebot auch einen zusätzlichen Unverbindlichkeitsgrund.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

ob es denn ausgereicht hätte, die Verbindungen aufzudecken, oder ob die Verbindungen selbst Stein des Anstoßes waren. Angesprochen ist damit wiederum die Frage, inwieweit die Parteien von der Neutralität des Dritten absehen können. Mehrere Autoren verstehen die Rechtsprechung so, als müssten Umstände, die einer Partei bei Bestellung des Dritten bekannt waren, außer Betracht bleiben. 281

d) Die Schlüsselrolle des Parteiwillens Im Vergleich zum deutschen Recht fällt zunächst die Selbstverständlichkeit auf, mit der die Neutralität des Dritten gefordert wird. Das Maß, in dem über prozessuale Anleihen zur Verwirklichung eines Neutralitätsgebots diskutiert wird, unterscheidet sich ganz erheblich. Dabei besteht über das Ziel Einigkeit. Für die Suche nach einem geeigneten Weg zu diesem Ziel unterstützen die in beiden Rechtsordnungen vorgefundenen Lösungen die Rückbesinnung auf den Willen und auf die Interessen der Parteien. Im Rahmen einer Delegation von Privat­ autonomie sollte in erster Linie der Wille der Delegierenden ausschlaggebend sein. Das französische Recht weist zugleich den Weg zu einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt für diesen mutmaßlichen Parteiwillen in § 317 BGB: Indem die Parteien einen „Dritten“ einschalten, verbinden sie mit dessen Person in der Regel bestimmte Neutralitätserwartungen. 282

e) Dispositionen über das Neutralitätsgebot Wenn somit dieser Begründungsansatz das Neutralitätsgebot auf den Parteiwillen und damit auf die Privatautonomie, die zugleich die Legitimationsgrundlage des feststellenden Schiedsgutachtens darstellt, zurückführt, so hat das eine wichtige Folge: Das Neutralitätsgebot gilt nicht zwingend. Diese Folge wurde bereits in der Analyse des französischen und vor allem des englischen Rechts sichtbar. Die Parteien können das Gebot abschwächen oder sogar abbedingen. Auf diese Weise ließe sich begründen, weshalb – wie verschiedentlich vertreten wird283 – in einem Dreiergremium, wie es im Versicherungsrecht, aber auch 281 

Giorgini, Bull. Joly Soc. 2005, 263, 265 (§ 44); Bonneau, JCP 2005,II,134. Frage um die „Materialisierung“ des Begriffs des Dritten siehe noch unten § 7 B.II.6.c) (S. 470 ff.) und insbesondere Fn. 337. 283 Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 16; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675 Fn. 305; Sieveking, S. 347 f.; Sieg, VersR 1965, 629, 632; Jacobi, VersR 1959, 405, 406; wohl auch Kisch, Schiedsmann, S. 64 Fn. 4; anders aber Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 303 f. (§ 12 IV 7 b); Kallfelz, VersR 1959, 585, 586; sowie (im Gegensatz zur Vorauflage) Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 36; kritisch Volze, VersR 1996, 1337, 1340; unentschieden Sieveking, S. 83 ff. Der Streit betrifft vor allem das Versicherungsrecht, dessen Sachverständigenkommissionen häufig aus zwei Beisitzern, die der jeweils entsendenden Partei näher stehen, und einem von diesen benannten Obmann zusammengesetzt sind. Viele Autoren würden es als praxiswidrig empfinden, an Beisitzer und Obmann dieselben Maßstäbe anzulegen. 282  Zur

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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in anderen Sachverhalten 284 üblich ist, an die parteibenannten Sachverständigen geringere Neutralitätsanforderungen zu stellen sind. Gestufte Neutralitätsanforderungen wären mit einem starren Neutralitätsgebot schwer vereinbar und stoßen deshalb im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit zu Recht auf Widerstand. 285 Sie würden jedenfalls eine Neubestimmung des Inhalts dieses Gebots in jedem individuellen Fall erforderlich machen. Denkbar wäre sogar, dass die Parteien sich von vornherein darauf verständigen, dass ihr Schiedsgutachter nicht unabhängig und unparteilich sein muss. 286 Eine derartige Verständigung muss nicht abwegig erscheinen. Denn nicht stets sind Sachkunde und Neutralität miteinander vereinbar;287 man denke nur an den Schiedsgutachter, der viele Jahre als Wirtschaftsprüfer einer verkauften Gesellschaft tätig war und nun die Stichtagsbilanz zur Kaufpreisanpassung erstellen soll. Bestätigt wird die hier angenommene Dispositionsmöglichkeit auch im Gesetz selbst. Nach § 661 Abs. 2 S. 1 BGB ist die Entscheidung über den Gewinner eines Preisausschreibens durch einen in der Auslobung bezeichneten Preisrichter oder, falls ein solcher nicht benannt ist, durch den Auslobenden selbst zu treffen. 288 Da der Auslobende nie dieselbe Unparteilichkeit wie ein außenstehender Preisrichter mitbringen kann, müsste diese Regelung bei jedem, der eine strikte Wahrung der Neutralität der Entscheidungsperson fordert, Bedenken hervorrufen. Der BGB-Gesetzgeber teilte derartige Bedenken nicht. Jeder Bewerber wisse, auf welche Bedingungen er sich einlasse; mit seiner Teilnahme an dem Preisausschreiben unterwerfe er sich diesen Bedingungen. 289 Die später 284  Beispiel BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878: Zur Ermittlung des Wertes von Aufbauten und üblichen Einrichtungen der Pächterin auf dem verpachteten Grundstück benannte jede Vertragspartei einen Sachverständigen. Für den Fall, dass die beiden Sachverständigen nicht zu einer Einigung gelangen, sollte ein von der Düsseldorfer Industrie‑ und Handelskammer zu benennender Sachverständiger entscheiden. 285 Allgemein zur Problematik der Besorgnis der Befangenheit bei parteibenannten Schiedsrichtern Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 309 f. mit zahlreichen Nachw.; liberal Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 16 (da im Grunde jeder von einer Partei ernannte Schiedsrichter abgelehnt werden könnte, komme es vielmehr auf die Neutralität des Schiedsgerichts insgesamt an); ders., ZZP 93 (1980), 121, 122 f., 135 ff. (auch rechtsvergleichend); Musielak/ Voit, § 1036 Rn. 7; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 7; strenger (keine unterschiedlichen Anforderungen an Obmann und parteibenannte Beisitzer) Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 31; Zöller/Geimer, § 1036 Rn. 2; Lachmann, Rn. 972 ff.; ders., FS Geimer, S. 515; Karl, S. 53. Der Gesetzgeber hat die Frage bei der Reform des Schiedsverfahrensrechts bewusst offengelassen, BT-Drucks. 13/5274, S. 40 f. 286  Kisch, Schiedsmann, S. 65; B. Meyer, S. 70 f. Es versteht sich, dass auf der Grundlage der anderen, zuvor abgelehnten Begründungsansätze das Neutralitätsgebot nicht in demselben Umfang dispositiv sein kann. 287  G. Bachmann, S. 374, 397. 288  Der Preisrichter bei § 661 BGB entscheidet als Schiedsgutachter, HKK/Kleinschmidt, Rn. 38 m.w.N.; anders freilich die wohl überwiegende Ansicht (Annäherung an den Schiedsrichter), dazu unten § 14 B.II.3.a) (S. 661 f.). 289  v. Kübel, Bd. II/3, S. 1183; ders., Bd. 1, S. 490. Näher HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 34 m.w.N.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Gesetz gewordene Regelung entspreche der Verkehrssitte und dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten. 290 Implizit stützt die zu dieser besonderen Ausprägung des Schiedsgutachtens getroffene Regelung folglich die Rückführung des Neutralitätsgebots auf den mutmaßlichen Parteiwillen und damit zugleich die Freiheit der Beteiligten, sich mit einem geringeren Maß an Neutralität zufrieden zu geben. Besonders augenfällig ist der Kontrast zu den Neutralitätsregeln vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten. Die §§ 41 f. ZPO sind – schon aufgrund der Verwurzelung in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK – zwingendes Recht und einer Parteivereinbarung nicht zugänglich. 291 Eine Partei kann es zwar im Einzelfall unterlassen, einen Befangenheitsantrag zu stellen. Sie kann sich ihres Rechts auf Befangenheitsablehnung aber nicht begeben. Ebensowenig können die Parteien einer Schiedsvereinbarung abstrakt auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Schiedsgerichts verzichten. 292 Der Grund für dieses Verbot wird teils293 in der grundlegenden rechtsstaatlichen Bedeutung des Neutralitätsgebots für das Schiedsverfahren, teils294 in einem allgemeinen Grundsatz, dass sich niemand seinem späteren Verfahrensgegner ausliefern dürfe, und teils295 in einem Umkehrschluss zu § 1036 Abs. 2 S. 2 ZPO gesehen. Nach dieser Vorschrift kann eine Partei einen Schiedsrichter, den sie bestellt oder an dessen Bestellung sie mitgewirkt hat, nicht aus Gründen ablehnen, die ihr zur Zeit der Bestellung bekannt waren. Es ist den Parteien also nicht verwehrt, sich in einem Individualvertrag bewusst auf einen nicht neutralen Schiedsrichter zu verständigen. 296 Selbst eine Person, die nach § 41 ZPO kraft Gesetzes vom Richteramt ausgeschlossen wäre, kann einvernehmlich zum Schiedsrichter bestellt werden. 297 Zulässig ist demnach – innerhalb der Grenzen des Gebots überparteilicher Rechtspflege – ein Verzicht hinsichtlich eines konkreten Ablehnungsgrundes und nur, wenn dieser Grund 290 

Jakobs/Schubert, Bd. II/3, S. 25. Münch­Komm-­ZPO/Gehrlein, § 41 Rn. 1. 292  BGH v. 27.2.1957 BGHZ 24, 1, 3 f.; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 11; Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 26; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 178 Rn. 28; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 2; Kröll, ZZP 116 (2003), 195, 197 f. Einen Verzicht auf bestimmte Ablehnungsgründe halten für möglich Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 226 m.w.N. 293 Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 178 Rn. 28; Kröll, ZZP 116 (2003), 195, 197. 294 Musielak/Voit, § 1036 Rn. 11; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 2 („Knebelung“). 295 Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 26. 296  Richtig BGH v. 3.7.1975 BGHZ 65, 59, 64 f.; Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 26; ders., JZ 1976, 247 ff.; Zöller/Geimer, § 1036 Rn. 1; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 500 mit Fn. 562; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 141; Lachmann, Rn. 979 Fn. 3 (Unabhängigkeit und Unparteilichkeit liegen nicht „im unverzichtbaren öffentlichen Interesse“); ders., FS Geimer, S. 517; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 178 Rn. 28. Anders BGH v. 15.5.1986 BGHZ 98, 70, 72 (Unparteilichkeit des Schiedsrichters auch im öffentlichen Interesse); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1036 Rn. 1. 297 Zöller/Geimer, § 1036 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1036 Rn. 3. 291 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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dem Verzichtenden bekannt ist.298 Im Ergebnis führt das Abstellen auf den mutmaßlichen Parteiwillen zur Begründung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei Schiedsgutachten also auch in diesem Punkt zu einer von den §§ 1025 ff. ZPO verschiedenen, insgesamt flexibleren Lösung. Indem das Recht den Parteien inhaltlich voneinander verschiedene Regelungsmodelle anbietet, erhöht es deren Wahlmöglichkeiten bei der Ausübung ihrer Privatautonomie.

6. Einfluss verfassungsrechtlicher Anforderungen a) Schiedsgutachten und gerichtlicher Privatrechtsschutz Nachdem zuvor ein Einfluss des verfassungsrechtlichen Rechtsprechungs­ begriffs zurückgewiesen wurde, 299 ist nun abschließend auf den verfassungsrechtlichen Kontext des hier gefundenen Ergebnisses zurückzukommen. Denn nach Ansicht von Dütz sind Schiedsgutachtenvereinbarungen, die ein Gericht bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit an den Inhalt des Gutachtens binden, nichtig.300 Die Vorschriften zum Sachverständigengutachten im VVG seien sogar verfassungswidrig.301 Die Bindung des Richters, zu dessen typischen Aufgaben die Tatsachenermittlung eigentlich zähle und der in der Praxis nunmehr im Wesentlichen darauf beschränkt sei, den Inhalt des Gutachtens auszuführen, bedeute eine Verkürzung der von Dütz herausgearbeiteten „Verfassungsgarantie umfassenden und effektiven richterlichen Privatrechtsschutzes“.302 Die Privatautonomie lasse eine derartige Einschränkung der verfassungsrechtlichen Stellung des Richters nicht zu.303 An diesem Resultat könne auch eine materiell-rechtliche Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens nichts ändern.304 Zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes stünden drei Lösungswege zur Verfügung:305 Erstens könne das Schiedsgutachtenverfahren zu einem „nichtrichterlichen Vorverfahren“ umfunktioniert werden, indem das Schiedsgutachten zu einem bloßen für das Gericht nicht bindenden Vergleichsvorschlag herabgestuft werde. Zweitens könnten sich die Parteien die nachträgliche Annahme des Gutachtens vorbehalten; gegen eine Parteivereinbarung, mit der sich 298 Musielak/Voit, § 1036 Rn. 11; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 2; Rosenberg/Schwab/ P. Gottwald, § 178 Rn. 28; Schlosser, ZZP 93 (1980), 121, 148, 152 (gegen s. 24 Arbitration Act 1996, der ein Ablehnungsrecht gewährt, auch wenn der Befangenheitsgrund des im Vertrag namentlich benannten Schiedsrichters den Parteien bekannt war). 299  Siehe oben § 7 B.II.4.d) (S. 452 ff.). 300  Dütz, S. 256. 301  Dütz, S. 256. Dütz bezieht seine Ausführungen auf das VVG a.F.; sie lassen sich aber auf das geltende VVG übertragen. 302  Dütz, S. 254 f.; kritisch auch Prütting, JZ 1985, 261, 270 f. 303  Dütz, S. 255 f. 304  Dütz, S. 256. 305  Zum Folgenden Dütz, S. 256 ff.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

die Parteien den Inhalt des Gutachtens nach dessen Erstattung im Vergleichswege zu eigen machen, bestünden wegen der Möglichkeit einer richterlichen Kontrolle dieser Vereinbarung nach allgemeinen Regeln nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken wie gegen eine vorherige Unterwerfung unter den Inhalt des Gutachtens. Drittens lasse eine analoge Anwendung der Verfahrensgarantien der mit dem Postulat umfassenden Privatrechtsschutzes zu vereinbarenden §§ 1025 ff. ZPO306 die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit verbindliches Schiedsgutachten entfallen, denn die Bindungswirkung von Schiedssprüchen reiche noch weiter. Im Ansatz stimmt auch Habscheid307 der These zu, dass die Regeln über feststellende Schiedsgutachten nicht mit dem vom Verfassungsgeber gewollten lückenlosen Rechtsschutz im Privatrecht in Einklang stünden. Jedoch schieße das Urteil der Verfassungswidrigkeit über das Ziel hinaus, weil durch eine Angleichung – auch bei Fehlen von Parteivereinbarungen zum Verfahren – an die Rechtsschutzgarantien des Schiedsgerichtsverfahrens eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Schiedsgutachtenrechts zu erreichen sei. Offenkundig führen die ersten beiden Lösungswege aus dem Bereich des verbindlichen Schiedsgutachtens heraus. Der erste Lösungsweg stuft die Schiedsgutachtenklausel „zu einer bloßen Schlichtungsklausel“ herab, wenn sie zwingend eine unbeschränkte Nachprüfung des Schiedsgutachtens vorsehen muss.308 In vielen Fällen mag eine derartige Klausel den Interessen der Parteien dienen;309 zum Teil wird sogar ein Vordringen nicht oder bloß vorläufig bindender Schiedsgutachten konstatiert310. Die beiden von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit zur Verfügung gestellten Verfahrensordnungen beziehen sich gerade auf nicht bindende (DIS-GO) und auf vorläufig bindende Gutachten (DIS-SchGO).311 Dennoch existieren selbstverständlich weiterhin Fälle, in denen die Parteien an einer bindenden Feststellung des Dritten interessiert sind.312 Diesem Parteiinteresse kann der erste Lösungsweg nicht entsprechen, indem er das verbindliche Schiedsgutachten verabschiedet. Gleiches gilt für den zweiten Lösungsweg, der ebenfalls einem Wunsch der Parteien danach, nicht mehr über die streitigen Punkte verhandeln zu müssen, nicht nachkommen kann. Überdies besteht auch in dogmatischer Hinsicht ein erheblicher Unterschied zwischen einem Mechanismus der unverbindlichen Begutachtung 306 Dazu Dütz, S. 230 ff. Eben diese Verfahrensgarantien und insbesondere der Grundsatz der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts, verbunden mit den Kontroll‑ und Mitwirkungsmöglichkeiten staatlicher Gerichte, sind es, die Dütz, S. 238 ff. die Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit bejahen lassen. 307  Habscheid, FS Laufke, S. 304 ff. 308  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 680 (Hervorhebung weggelassen). 309  Instruktiv hierzu die Übersicht bei Greger/Stubbe, Rn. 71 ff. 310  Greger/Stubbe, Rn. 7; Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, 131. 311  Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, 131; Mazza, KSzW 2013, 126, 132 ff. 312  Greger/Stubbe, Rn. 76; Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, 131.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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durch einen Dritten mit anschließendem Vertragsschluss der Parteien einerseits und der vertraglichen Unterwerfung der Parteien unter die bindende Bestimmung eines Dritten andererseits.313 Soll also an der Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens nicht gerüttelt werden, bliebe nur der dritte Lösungsweg, d.h. die analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO. Auf der Grundlage der Ansicht von Dütz stünde das hier gefundene Ergebnis, das die Geltung des Neutralitätsgebots auf den mutmaßlichen Parteiwillen stützt, nicht in Einklang mit der Verfassung. Denn anders als die §§ 1025 ff. ZPO fordert der mutmaßliche Parteiwille die schiedsgutachterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht zwingend ein; es wird lediglich angenommen, dass Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Regelfall dem Parteiwillen entsprechen. Nichts hindert – außerhalb von AGB314 – die Parteien daran, einen abweichenden Willen zu äußern und einen abhängigen oder parteilichen Schiedsgutachter zu bestellen. Auch eine derartige Delegation von Privatautonomie auf einen parteiischen Dritten stellt eine Form der Ausübung von Privatautonomie dar. Deshalb stellt es eine Beschränkung der Privatautonomie dar, wenn die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters analog zum 10. Buch der ZPO zwingend vorgeschrieben wird. Diese Beschränkung bedarf einer Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung sieht Dütz in der Garantie eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes im Privatrecht.

b) Präzisierung der Person des „Dritten“ Es ist hier nicht erforderlich, sich umfassend mit Dütz’ Konzeption, derzufolge das Grundgesetz „in jeder privatrechtlichen Angelegenheit eine verbindliche richterliche Entscheidung zur Hauptsache nach uneingeschränkter Wahrheits‑ und Rechtsprüfung in angemessener Zeit“315 garantiere und gleichzeitig diese Garantie grundsätzlich einer Parteidisposition entziehe316, auseinanderzusetzen.317 Denn jedenfalls soweit es um feststellende Schiedsgutachten geht, verkennt diese Ansicht die Bedeutung der Privatautonomie318 und schießt so über das Ziel hinaus: 313 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 123; Kleinschmidt, AcP 207 (2007), 814, 817 f. Diesen Unterschied konzediert auch Dütz, S. 257 ff. 314  Dazu oben § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.). 315  Dütz, S. 133. 316  Dütz, S. 155 ff. 317 Dazu G. Wagner, Prozeßverträge, S. 63 f. mit dem überzeugenden Argument, dass Parteidispositionen nicht rechtfertigungsbedürftige Ausnahme zu einer umfassenden Rechtsschutzgarantie, sondern Ausdruck der grundrechtlich gesicherten Privatautonomie seien, deren Einschränkung ihrerseits einer Rechtfertigung bedürfe. In diesem Sinne ebenfalls z.B. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 306 Fn. 87 (§ 12 IV 11 b); Schlosser, Parteihandeln, S. 9 f.; Emmerich, ZZP 82 (1969), 413 ff. 318  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 306 Fn. 87 (§ 12 IV 11 b) meint sogar, dass Dütz’ Lehre „die Privatautonomie zu gering achtet“.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

(i) Der Bundesgerichtshof hat schon früh, freilich ohne tiefgehende Begründung, festgehalten, dass das Grundgesetz – insbesondere die Vorschriften über die Gewaltenteilung sowie Art. 92 GG, auf die sich Dütz unter anderem maßgeblich stützt – eine Schiedsgutachtenvereinbarung weder beschränke noch verbiete.319 Es sei nicht der Sinn von Art. 92 GG, die Privatautonomie der Parteien durch ein Verbot von Schiedsgutachtenvereinbarungen einzuschränken.320 Die Literatur fügt hinzu, dass auch Art. 101 Abs 1 GG keine derartige Beschränkung der Privatautonomie tragen könne.321 Freilich ließe sich dieser Bewertung noch mit Dütz entgegenhalten, dass sie auf einer verfehlten materiell-rechtlichen Einordnung des Schiedsgutachtens beruhe und eine faktische richterliche Tätigkeit des Schiedsgutachters verkenne.322 (ii) Doch selbst wenn Dütz’ Prämissen zutreffen sollten, stünden seine verfassungsrechtlichen Bedenken dem hier vertretenen Ergebnis nicht entgegen. Hier hilft, wie vor allem Fritz Nicklisch und Gerhard Wagner hervorgehoben haben,323 ein Blick auf das Zusammenspiel von § 315 BGB und § 317 BGB. Genauso, wie die Parteien eine Feststellung einem Dritten überlassen können, ist es ihnen auch möglich, einer von ihnen die Feststellungsbefugnis einzuräumen.324 Während die Feststellung durch einen Dritten nach den §§ 317–319 BGB zu beurteilen ist, richtet sich die Parteifeststellung nach § 315 BGB. Daraus ergibt sich vor allem ein unterschiedlicher Kontrollmaßstab: Während die Bestimmung durch einen Dritten erst im Falle offenbarer Unbilligkeit unverbindlich ist, tritt bei der Parteibestimmung die Unverbindlichkeit schon im Falle „einfacher“ Unbilligkeit ein. Wird wie bei Feststellungen durch Dritte die offenbare Unbilligkeit durch offenbare Unrichtigkeit ersetzt, heißt das übertragen auf die Parteifeststellung, dass diese im Falle einfacher Unrichtigkeit unverbindlich ist.325 319 

BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665; so auch Bötticher, FS Hueck, S. 164 f. mit dem Argument, dass die Parteien sich freiwillig dem Schiedsgutachten unterwerfen; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4). 320  BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665 unter Berufung auf Habscheid, MDR 1954, 392, 394 („Wenn [die Parteien] die Entscheidung einer Rechtssache ganz oder teilweise dem Gericht entziehen und einem Privatmann oder einer Behörde übertragen, so hat dies mit dem Gewaltenteilungsprinzip nichts zu tun. Dies gilt für Schiedsabkommen und Schiedsgutachterverträge.“); siehe bereits BGH v. 20.3.1953 BGHZ 9, 138, 143, 145: vereinbarter „Ausschluss des Rechtswegs“ in einem Schiedsgutachtenvertrag begründet (nur) eine Bindung analog § 319 BGB. 321  B. Rauscher, S. 131 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 680. 322  Dütz, S. 256. Die dort ins Feld geführte Entscheidung BVerwG v. 22.11.1960 BVerwGE 11, 245 (es ging darin um die Genehmigung von Musterbedingungen für die Unfallversicherung) ist freilich in anderem Kontext zu würdigen: Kann eine klauselmäßige Schiedsgutachtenvereinbarung aufrechterhalten werden, wenn sie beim Verbraucher den Eindruck erweckt, der Zugang zu den ordentlichen Gerichten sei ihm verwehrt? Dazu oben § 3 B.II.3.c) (S. 134 f.). 323  Nicklisch, FS Bülow, S. 173 f.; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674. Außerdem Kisch, Schiedsmann, S. 63. 324  Siehe oben Fn. 62. 325  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674; wohl auch Nicklisch, FS Bülow, S. 173.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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Der unterschiedliche Kontrollmaßstab in § 315 Abs. 3 BGB und § 319 Abs. 1 S. 1 BGB gründet sich unter anderem auf den Vertrauensvorschuss, den die Parteien einem Dritten gewähren.326 Hintergrund des Vertrauensvorschusses ist aber gerade auch die Erwartung, der Dritte werden neutral entscheiden.327 Fehlt diese Neutralität, wie bei der Bestimmung durch eine Partei, die per se die Besorgnis der Parteilichkeit birgt, legt das dispositive Recht auch einen strengeren Kontrollmaßstab an. Die Übertragung der Feststellung auf eine Partei bezeichnet Gerhard Wagner treffend als „Extremfall fehlender Unabhängigkeit“.328 In diesem Fall richtet sich der mutmaßliche Parteiwille darauf, die fehlende Verfahrenssicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durch eine weitergehende Kontrollmöglichkeit zu kompensieren. Der Maßstab der (einfachen) Unrichtigkeit eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die Feststellung vollumfänglich zu kontrollieren.329 Es handelt sich zugleich um ein Beispiel für die Wechselbeziehung zwischen Verfahren und Kontrolle. Diese Differenzierung macht sich nun Nicklisch zunutze:330 Wenn der Grund für die abgestuften Kontrollmaßstäbe in der unterschiedlichen Neutralitätserwartung liege, dann könne „Dritter“ i.S.d. § 317 BGB nur eine Person sein, die nicht im Lager einer Partei stehe.331 Es gebe also einen Graubereich, in dem der Schiedsgutachter nicht eine Partei sei, aber auch nicht völlig unabhängig. Hier sei die Abgrenzung danach vorzunehmen, „wie stark der Schiedsgutachter der Sphäre und dem Einflussbereich einer Partei zuzurechnen oder noch als unbeteiligter Dritter anzusehen ist“332. Um diese Frage zu beantworten, sei auf die zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Kriterien, insbesondere auch auf § 278 BGB, zurückzugreifen.333 Es sei zu erwarten, dass nach diesen Kriterien dem Schiedsgutachter dann die Fähigkeit, Dritter zu sein, abzusprechen sei, wenn 326 

Näher unten § 15 C.I.1.b) (S. 721 f.). Nicklisch, FS Bülow, S. 173. 328  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674. 329 Vgl. Nicklisch, FS Bülow, S. 173. Missverständlich G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674: Das Gutachten einer Partei könne „praktisch“ überhaupt keine Bindungswirkung haben. Das „nicht unrichtige“ (vgl. § 315 Abs. 3 BGB) Schiedsgutachten ist durchaus verbindlich. Gemeint ist vermutlich, dass das Gericht nicht an ein unrichtiges Gutachten gebunden sein kann. Die praktische Schwierigkeit, bei komplexen Sachverhalten eine Feststellung zu treffen, die sich vor Gericht als „richtig“ erweist, vermag jedoch nichts an dem grundsätzlichen theoretischen Ausgangspunkt zu ändern. Es ist einer Partei durchaus zuzutrauen, eine Feststellung, wie etwa die des Vorliegens der Voraussetzungen zur vorzeitigen Kündigung eines Darlehens (RG v. 29.1.1937 Warn 1937 Nr. 80), „nicht unrichtig“ zu treffen. 330  Zum Folgenden Nicklisch, FS Bülow, S. 173 f. 331  Siehe auch Erman/J. Hager, § 317 Rn. 5 mit dem Beispiel, dass in einem Arbeitsvertrag auf die Bestimmung durch einen Arbeitgeberverband verwiesen wird. Dies sei ein Fall des § 315 BGB, nicht des § 317 BGB. Außerdem Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 2; W. Witz, S. 259. 332  Nicklisch, FS Bülow, S. 173. 333  Nicklisch, FS Bülow, S. 173; siehe auch Poulakos, S. 258 ff. (wer Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB sei, könne nicht Dritter i.S.d. §§ 317 ff. BGB sein). 327 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

ihm als Schiedsrichter die erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit fehlen würde.334 Sei der Schiedsgutachter im Einzelfall nicht Dritter, so werde sein Gutachten nach dem strengeren Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB umfassend überprüft.335

c) Schiedsgutachten und das Verbot des Richtens in eigener Sache Dieser Ansatz weist in die richtige Richtung. Er findet auch eine Entsprechung im französischen Recht, wenn dort die Cour de cassation entschieden hat, es stelle keinen Fall des Art. 1592 Code civil dar, wenn das mit der Preisfestsetzung betraute Comité professionnel du pétrole ausschließlich mit Anbietern von Erdölprodukten besetzt ist.336 Freilich geht dieser Ansatz in zweierlei Hinsicht zu weit. Sehr kritisch gegenüber einer „Materialisierung“ des Begriffs des Dritten337 hat sich ­Rieble geäußert:338 Wer Dritter i.S.v. § 317 BGB sei, müsse formal bestimmt werden, da zwischen der Bestimmung einer Partei und der Bestimmung eines Dritten noch weitere Unterschiede bestünden als nur der Umfang der Kontrollmöglichkeiten. Während beispielsweise die Nichtvornahme der Bestimmung durch eine Partei eine Leistungsstörung darstelle, könne das für das Fehlverhalten einer lediglich im Lager einer Partei stehenden Person nicht angenommen werden. Denkbar wäre allenfalls, den Kontrollmaßstab des § 315 Abs. 3 BGB auf die Überprüfung einer Person, die ein ersichtliches Eigeninteresse hat, zu übertragen.

334 

Nicklisch, FS Bülow, S. 173. Für eine flexible Annäherung des Kontrollmaßstabs an den Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 9 und 19, falls der Dritte „in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei“ steht oder „wirtschaftlich gesehen mit der Vertragspartei nahezu identisch“ ist; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011; a.A. Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116 (Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeit ausreichend). 336  Cass. com. 5.11.1971 Bull. civ. IV, Nr. 262 und 263. Da es sich folglich um eine seinerzeit noch unzulässige Delegation des Bestimmungsrechts an eine Partei handelte, war der Vertrag unwirksam. Hierher gehört auch Cass. com. 11.6.1991 – n° de pourvoi 89‑19.626 (Legifrance), ein Fall, in dem der Dritte letztlich verlängerter Arm der einen Seite bei der Preisfestsetzung war; W. Witz, S. 60 Fn. 198. 337  Nicht verwechselt werden darf diese Debatte mit der Diskussion im französischen Recht, wer „wirklich“ Dritter sei, dazu oben § 7 B.II.5.c) (S. 460 ff.). Dort geht es darum, die Bestimmung eines nicht neutralen Dritten zu invalidieren, und nicht darum, das gesamte Geschäft der Parteien anderen Regeln zu unterstellen. 338 Staudiger/­R ieble, § 317 Rn. 46 ff. (zwar auf Leistungsbestimmungen bezogen, der Gedanke lässt sich aber ohne weiteres übertragen); kritisch auch G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 154 Fn. 56 („Dieser ‚Krücke‘ bedarf es nicht, wenn man (auch für andere Zwecke) der prozessualen Konzeption folgt.“); für ein formales Verständnis auch Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 291 (§ 12 III 1). 335 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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Dieser Kritik ist zuzustimmen. Es kann allenfalls darum gehen, den Kontrollmaßstab zu modifizieren.339 Der Ansatz geht jedoch außerdem zu weit, indem er zu viele denkbare Gründe der Besorgnis einer Befangenheit ausreichen lässt, um die Drittfeststellung zur Parteifeststellung zu „degradieren“. Überhaupt erscheint es unglücklich, die in einem anderen Wertungskontext stehende und von der Rechtsprechung zudem von Billigkeitserwägungen aufgeweichte340 Vorschrift des § 123 Abs. 2 BGB zur Abgrenzung einzusetzen. Für die Frage, ob jemand in eigener Sache oder als neutraler Außenstehender entscheidet, steht vielmehr im Bereich des Schiedsgerichtswesens ein etabliertes Abgrenzungskriterium zur Verfügung. 341 Dort sichern die §§ 1036 ff. ZPO die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters. Nach § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO kann ein Schiedsrichter nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. In Satz 2 wird dieses Ablehnungsrecht eingeschränkt in Bezug auf einen Schiedsrichter, den eine Partei bestellt oder an dessen Bestellung sie mitgewirkt hat; einen solchen Schiedsrichter kann diese Partei nur aus Gründen ablehnen, die ihr erst nach der Bestellung bekannt geworden sind. Anders als im Verfahren vor den staatlichen Gerichten, wo zwischen Ausschließungs‑ und Ablehnungsgründen (§§ 41, 42 ZPO) differenziert wird, kennt das Schiedsverfahrens grundsätzlich keinen untauglichen Schiedsrichter, sondern nur den befangenen Schiedsrichter. Gründe, die im Verfahren vor dem staatlichen Gericht zur Ausschließung des Richters nach § 41 ZPO führen würden, begründen auch im Schiedsverfahren Zweifel an der Unbefangenheit des Schiedsrichters, sind aber grundsätzlich im Wege der Ablehnung geltend zu machen.342 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Parteien die Besetzung der Richterbank selbst

339  Für eine Annäherung des Prüfungsmaßstabs an § 315 Abs. 3 BGB bei befangenem Schiedsgutachter auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 9, 19; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 5. 340  Kritisch deshalb S. Martens, S. 377 f.; Hopt, FS Stimpel, S. 271. 341  Wittmann, S. 128. 342  BGH v. 10.10.1951 ZZP 65 (1952), 217, 218 f. (insoweit nicht in BGHZ 3, 215); OLG Frankfurt v. 27.4.2006 SchiedsVZ 2006, 329, 331; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 8; Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 13; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 5; vgl. auch die umfangreichen Nachweise bei Kornblum, S. 69 ff., der für eine Übertragung der Gründe des § 41 ZPO plädiert (S. 129 ff., 169). – Seit der Reform des Schiedsverfahrensrechts im Jahre 1998 verweisen die Befangenheitsregeln nicht mehr auf die §§ 41, 42 ZPO. Der Sache nach besteht die Bezugnahme auf die Gründe, aus denen ein staatlicher Richter abgelehnt werden könnte, jedoch fort, da ihr Vorliegen in der Regel Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters begründet, BT-Drucks. 13/5274, S. 40; OLG Naumburg v. 19.12.2001 SchiedsVZ 2003, 134, 136; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 4; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 5, 8; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 307.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

bestimmen können.343 Eine Ausnahme hierzu bildet freilich der auch für die Schiedsgerichtsbarkeit fundamentale Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf (vgl. § 41 Nr. 1 ZPO).344 Ein unter Verstoß gegen dieses Gebot zustande gekommener Schiedsspruch kann wegen ordre public-Widrigkeit (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO) aufgehoben werden, auch wenn kein Ablehnungsverfahren durchlaufen wurde. 345 Das Gebot überparteilicher Rechtspflege beansprucht auch im Schiedsverfahrensrecht Geltung, damit überhaupt ein privates Gericht an die Stelle des staatlichen Gerichts treten kann.346 Dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, wird als „Grundsatz von … unmittelbarer Einsichtigkeit“347 bezeichnet. Ausgeschlossen ist nicht nur die Partei selbst, sondern auch ihr gesetzlicher Vertreter.348 Wie weit darüber hinaus eine Beziehung des Schiedsrichters zu einer Partei als Fall der Parteiidentität anzusehen ist, hängt vom Einzelfall ab.349 So soll es etwa für die Frage, ob das Mitglied eines Vereins Schiedsrichter in einem Verfahren sein kann, an dem der Verein als Partei beteiligt ist, auf die Mitgliederzahl des Vereins ankommen.350 Bei Personengesellschaften sind die anderen Gesellschafter im Streit zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft ausgeschlossen.351 Der Testamentsvollstrecker kann, auch wenn er selbst Miterbe 343  BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 396; OLG Frankfurt v. 27.4.2006 SchiedsVZ 2006, 329, 331; Lachmann, Rn. 970; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 307; siehe auch Schwab/ G. Walter, Kap. 9 Rn. 5. 344  Zu diesem Grundsatz OLG Frankfurt v. 27.4.2006 SchiedsVZ 2006, 329, 331 (Grundsatz folge „aus der Natur des Schiedsverfahrens“); Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 9 ff.; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 5; Lachmann, Rn. 200; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 172; bereits RG v. 26.11.1891 Gruchot 36 (1892), 1216, 1218. – Zur Begründung umfassend Kornblum, S. 7 ff. 345  BGH v. 28.3.2012 BGHZ 193, 38 (den Aufhebungsgrund offenlassend); Musielak/Voit, § 1036 Rn. 4; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 2; Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 3 m.w.N.; Lachmann, Rn. 2310; a.A. Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 5. Vor Erlass des Schiedsspruchs hilft die Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO, Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 12; Münch­ Komm-­ZPO/Münch, § 1036 Rn. 11. – Eine ältere Ansicht wendet sogar § 134 BGB an mit der Folge, dass die Schiedsrichterbestellung, und über § 139 BGB eventuell die gesamte Schiedsvereinbarung, unwirksam ist, BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 262 f.; RG v. 28.1.1919 Warn 1919 Nr. 122; Kornblum, S. 170 ff.; siehe auch BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 400. 346  BGH v. 7.3.1985, BGHZ 94, 92, 98; BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 258 f.; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 4; außerdem die Nachweise oben Fn. 172. 347  Schlosser, FS BGH III, S. 421. 348  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 10; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 5; Stein/Jonas/ Schlosser, § 1036 Rn. 5; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 6. 349  Weitere Einzelfälle außer den im Folgenden genannten bei Kornblum, S. 10 ff.; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 4 ff.; Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 7 f.; Münch­Komm-­Z PO/ Münch, § 1036 Rn. 10, jeweils m.w.N. 350 Musielak/Voit, § 1036 Rn. 5 (mit dem Beispiel des ADAC); Schwab/G. Walter, Kap. 9 Rn. 8; a.A. Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 8; vgl. auch BGH v. 11.12.2002 NJW-RR 2003, 281 (zum staatlichen Richter). 351 Musielak/Voit, § 1036 Rn. 5; enger Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 9, der formal auf

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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ist, Schiedsrichter beim Streit unter anderen Miterben sein, solange er nicht selbst am Streit beteiligt ist.352 Die Abgrenzung zwischen § 315 und § 317 BGB nach diesen schiedsverfahrensrechtlichen Grundsätzen dürfte im Einzelfall seltener dazu führen, dass der Kontrollmaßstab des § 315 BGB anwendbar ist, als eine Abgrenzung nach § 123 Abs. 2 BGB. Wer Dritter im Sinne von § 123 BGB ist, wird eher eng verstanden, um die Anfechtung zu erleichtern.353 Zieht man mit einer verbreiteten Literaturansicht zur Präzisierung des § 123 Abs. 2 BGB den Rechtsgedanken von § 278 BGB analog heran,354 müsste im Prinzip jeder Mitarbeiter eines Unternehmens als untauglich angesehen werden. Als Schiedsrichter wären dagegen nur Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs ausgeschlossen. Auch ein beauftragter Verhandlungsgehilfe ohne Abschlussvollmacht ist in der Regel nicht Dritter im Sinne von § 123 BGB;355 er kann aber Schiedsrichter sein. Ebenso würden die gängigen Abgrenzungsformeln vom Nicht-Dritten als „Vertrauensperson“356, als „Vertrauensmann“357 oder als „im Lager“ des Täuschenden stehender Person358 den Kreis der unter § 315 BGB zu subsumierenden Fälle weiter ziehen. Erblickt man das Regelungsziel von § 123 Abs. 2 BGB in der Abgrenzung von Risikosphären von Erklärendem und Erklärungsempfänger,359 so wird deutlich, dass diese Vorschrift nicht geeignet ist zu bestimmen, wer Partei und wer Dritter im Sinne der §§ 315 ff. BGB ist. Dort geht es nicht um Risikosphären, sondern um die Frage der Neutralität der entscheidungsbefugten Person. Diese Frage lässt sich aber gerade mit der skizzierten schiedsverfahrensrechtlichen Wertung beantworten. Mit alldem ist freilich nicht gesagt, dass ein Verhandlungsgehilfe, eine Vertrauensperson oder ein Unternehmensmitarbeiter stets als unabhängig und unparteilich gelten kann. Im Schiedsgedie Vertretungsbefugnis abstellt und im Übrigen die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ausreichen lässt. 352  RG v. 27.9.1920 RGZ 100, 76, 78; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 6; Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 5. 353 Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 Rn. 49; Medicus, AT, Rn. 801; in diese Richtung auch S. Martens, S. 376 (allerdings zugleich mit der Warnung vor einer ausufernden Zurechnung des Verhaltens Dritter, S. 379). Damit steht es nicht in Widerspruch, wenn der Gesetzgeber mit § 123 Abs. 2 BGB die Anfechtungsmöglichkeiten begrenzen wollte, dazu Schubert, AcP 168 (1968), 471, 476; Windel, AcP 199 (1999), 421, 425 ff. 354 Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 13; Staudinger/Singer/v. Finckenstein, § 123 Rn. 50 (ergänzt um die §§ 164 ff. BGB); Medicus, AT, Rn. 801; Schubert, AcP 168 (1968), 471, 481. Kritisch S. Martens, JuS 2005, 887, 888. 355  BGH v. 8.12.1989 NJW 1990, 1661, 1662; BGH v. 6.7.1978 NJW 1978, 2144, 2144 f.; BGH v. 20.2.1967 47, 224, 230 f.; BGH v. 26.9.1962 NJW 1962, 1295; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 13; Flume, AT II, S. 544 (§ 29, 3); M. Wolf/Neuner, AT, § 41 Rn. 111; Bork, AT, Rn. 879. 356  BGH v. 20.1.2004 NJW‑RR 2004, 1126; BGH v. 12.11.2002 NJW 2003, 424, 425; BGH v. 8.12.1989 NJW 1990, 1661, 1662. 357  St. Lorenz, S. 322 ff.; zustimmend Münch­Komm-­BGB/Kramer, § 123 Rn. 23. 358  M. Wolf/Neuner, AT, § 41 Rn. 111; Bork, AT, Rn. 879. 359  Bork, AT, Rn. 879; S. Martens, S. 376; ders., JuS 2005, 887, 889.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

richtsverfahren würde diese Parteinähe aber nicht stets zur Untauglichkeit für das Schiedsrichteramt führen, sondern wäre über ein Ablehnungsverfahren geltend zu machen. Auch im Bereich des Schiedsgutachtens würde diesen Personen vermutlich die nach dem mutmaßlichen oder ausdrücklichen Parteiwillen erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit fehlen.360 Als von vornherein untauglich müssen sie jedoch nicht bezeichnet werden. Gegenüber der Grenzziehung mit Hilfe von § 123 Abs. 2 BGB, der bei Neutralitätszweifeln stets zu § 315 Abs. 3 BGB führt, hat die hier vertretene Lösung den Vorzug, dass sie einzelfallorientiert auf die jeweilige Situation Rücksicht nehmen kann und auf diese Weise die Privatautonomie stärkt. Nur wenn eine Partei Gutachter in eigener Sache sein soll, ist der Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB anwendbar. Im Übrigen verbleibt es trotz Zweifeln an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei § 317 BGB, und es ist an den Parteien, auf diese Zweifel zu reagieren. Wer § 123 Abs. 2 BGB als Maßstab zugrunde legt, muss hingegen auch diese Zweifelsfälle in § 315 BGB ziehen, selbst wenn die Parteien durchaus mit dem Tätigwerden der betreffenden Person als Gutachter einverstanden sind.

d) Ergebnis Im Ergebnis ist also nach dem hier vertretenen Ansatz kein Verfassungsverstoß zu befürchten. Wenn eine Person wegen ihrer Verflechtung mit einer Partei aufgrund des Verbots des Richtens in eigener Sache nicht Schiedsrichter sein könnte, könnte sie auch nicht als Schiedsgutachter im Sinne von § 317 BGB fungieren. Es existiert ein korrespondierendes Verbot, Gutachter in eigener Sache zu sein, das zur Anwendung des Kontrollmaßstabs von § 315 Abs. 3 BGB führt. In allen übrigen Fällen bleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 317, 319 BGB. Im Rahmen dieser Vorschrift ist grundsätzlich von einem Parteiwillen auszugehen, der auf die Einsetzung eines unabhängigen und unparteilichen Dritten gerichtet ist. Soweit einer Partei ein einfacher Grund, an der Unbefangenheit des Schiedsgutachters zu zweifeln, bekannt ist und sie nichts unternimmt, wäre sie sogar an einen nur in den engen Grenzen des § 1059 ZPO aufhebbaren Schiedsspruch gebunden. Dann sollte aber erst recht eine Bindung an ein in weiterem Umfang kontrollfähiges Schiedsgutachten möglich sein. Eine weitergehende Einschränkung der Privatautonomie ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.

360  Weniger streng Jacobi, VersR 1959, 405 f. (zur Beteiligung von Sachverständigen, die bei einem Versicherer angestellt sind, an Sachverständigenverfahren im Versicherungsrecht), der allerdings zu wenig auf die Besorgnis der Befangenheit abstellt. Gegen ihn Kallfelz, VersR 1959, 585, 586; auch Volze, VersR 1996, 1337, 1339, der aber – zu weitgehend – angestellte Sachverständige von vornherein für untauglich hält.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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7. Einzelheiten zur Beurteilung der „Entscheidung in eigener Sache“ nach § 315 BGB Die skizzierte Abgrenzung hat praktische Folgen. Wenn der Vertrag unmittelbar eine der Parteien zu einer Feststellung ermächtigt, ist dies ohne weiteres ein Fall des § 315 BGB. Den Regelfall dürfte es jedoch darstellen, dass eine von den Parteien verschiedene Person mit der Feststellung betraut wird. In diesem Fall ist zunächst anhand der oben genannten Kriterien zu untersuchen, ob sich die Feststellung als „Entscheidung in eigener Sache“ darstellt. Falls deren Voraussetzungen vorliegen, ist der Maßstab des § 315 BGB haranzuziehen, andernfalls ist von den §§ 317, 319 BGB auszugehen. Für diese Weichenstellung ist selbst der erklärte Wille der Parteien zunächst ohne Bedeutung. Vereinbaren sie etwa in einem Fall der Feststellung in eigener Sache ausdrücklich, dass die Entscheidung nur auf offenbare Unrichtigkeit nachgeprüft werden kann, so liegt darin kein Indiz für die Anwendbarkeit der §§ 317 ff. BGB, sondern allenfalls eine vertragsautonome Modifikation des § 315 BGB. Steht damit die grundsätzliche Einordnung fest, ergeben sich daraus auch die Regeln für die Kontrolle der Feststellung. Die Feststellung in eigener Sache ist unverbindlich, wenn sie unrichtig ist (§ 315 Abs. 3 BGB analog). Für die Feststellung eines Dritten gilt ein weniger strenger Maßstab: Sie ist erst unverbindlich, wenn sie offenbar unrichtig ist (§ 319 Abs. 1 BGB analog). Zusätzlich kann in diesem Fall aber – das sei hier vorweggenommen361 – die Unverbindlichkeit darauf gestützt werden, dass ein sonstiger Verstoß gegen das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vorliegt, d.h. ein Verstoß, der nicht zur Qualifikation der Vereinbarung als Feststellung in eigener Sache führt. Die Besorgnis der Befangenheit stellt also einen eigenen Unverbindlichkeitsgrund dar. Dieser Unverbindlichkeitsgrund steht bei § 315 BGB naturgemäß nicht zur Verfügung. Es wäre sonst jede Entscheidung nach § 315 BGB unverbindlich, weil sich bei der Parteifeststellung als „Extremfall fehlender Unabhängigkeit“362 stets mit Leichtigkeit ein Verstoß gegen das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zeigen ließe. Bei der Entscheidung einer Partei besteht immer die Besorgnis einer Befangenheit. Dieser Unterschied in den Unverbindlichkeitsgründen bewirkt freilich, dass es unter Umständen leichter sein kann, die Verbindlichkeit der Feststellung eines Dritten in Frage zu stellen als die einer Parteifeststellung, weil sich Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit im Prozess mit geringerem Aufwand darlegen lassen als inhaltliche Angriffe gegen das Schiedsgutachten. Die Unverbindlichkeit einer Parteifeststellung bedarf hingegen stets einer inhaltlichen Auseinandersetzung.

361  362 

Ausführlich unten § 7 C.III. (S. 497 ff.). G. Wagner, Prozeßverträge, S. 674.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Es hat damit den Anschein, als wären die Parteien eher benachteiligt, wenn die Parteilichkeit der Entscheidungsperson so eklatant ist, dass die Feststellung als Entscheidung in eigener Sache anzusehen ist. Ein Widerspruch gegen die hier gefundene Lösung liegt darin jedoch nicht. Denn erstens liegt die Schwelle für einen inhaltlichen Angriff gegen die Feststellungsentscheidung bei § 315 BGB deutlich niedriger, so dass die fehlende Möglichkeit eines Angriffs aus formalen Gründen teilweise kompensiert wird. Vor allem aber betreffen § 315 und § 317 BGB strukturell unterschiedliche Situationen. Bei § 317 BGB geht es um die Entscheidung eines „eigentlich“ Neutralen. Stellt sich dieser als doch nicht neutral heraus, ist den Parteien ein relativ einfach zu handhabendes Mittel an die Hand zu geben, auf die fehlende Neutralität zu reagieren. Dieses Erfordernis besteht bei § 315 BGB nicht, da die Parteien von vornherein wissen, dass sie sich auf die Entscheidung einer nicht unparteilichen Person einlassen. Wer also sehenden Auges in Kauf nimmt, dass die Feststellung nicht von einer neutralen Person getroffen wird, begibt sich des Schutzes, den ihm das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei der Drittfeststellung gewähren würde. Ob gleichwohl bei bestehenden Neutralitätszweifeln generell vom Kontrollmaßstab des § 315 Abs. 3 BGB ausgegangen werden sollte,363 ist zweifelhaft. Denn die Beschränkung auf offenbare Unbilligkeit gründet sich nicht ausschließlich auf das Neutralitätsvertrauen der Parteien, sondern auch auf ihr Interesse an einer schnellen und einfachen Streitbeilegung.364

III. Generelle Geltung auch bei gestaltenden Schiedsgutachten Die bisherigen Ausführungen zum deutschen Recht bezogen sich auf das feststellende Schiedsgutachten. Dies entspricht der bisher in den meisten Stellungnahmen zur Anwendbarkeit prozessualer Grundsätze auf das Schiedsgutachten anzutreffenden Beschränkung. Insbesondere Autoren, die in der Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens einen Prozessvertrag sehen und deshalb (schieds-)verfahrensrechtliche Grundsätze anwenden wollen,365 klammern damit gestaltende Schiedsgutachten aus ihren Überlegungen zum schiedsgutachterlichen Verfahren aus. Zum Teil wird es sogar ausdrücklich als zu weitgehend angesehen, wenn auch für Gestaltungensentscheidungen Dritter ein Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gelten soll.366 Auf diese Weise wird das 363 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 51; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 9, 19; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5; Nicklisch, S. 173 f. 364  Siehe unten § 15 C.I.1.b) (S. 719 f.). 365  Nachweise siehe oben § 2 B.II.5.d) (S. 84). 366 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20 (die dafür gegebene Begründung, dass Personen, die einer Partei nahestehen, nicht wegen §§ 315, 317 BGB als

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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feststellende Schiedsgutachten dem Schiedsverfahren angenähert. Gleichzeitig öffnet sich aber eine Kluft zwischen feststellendem und gestaltendem Schiedsgutachten. Im Kontrast dazu ist eine weitere Erkenntnis aus den oben367 untersuchten Lösungen des englischen und des französischen Rechts hervorzuheben. Dort wird nicht nur ein Neutralitätsgebot mit größerer Selbstverständlichkeit angenommen. Das Gebot wird auch ganz selbstverständlich auf beide Typen des Schiedsgutachtens bezogen. Eine Differenzierung kann aus zwei Gründen auch für das deutsche Recht nicht überzeugen: (i) Die nicht nur in England und Frankreich bestehende funktionale Nähe zwischen beiden Typen von Schiedsgutachten368 macht es im Einzelfall schwierig zu entscheiden, welcher Natur die Mission des Schiedsgutachters ist. Dann ist es aber misslich, wenn von dieser Entscheidung gravierende Rechtsfolgen abhängen, auf die sich die Parteien zudem einstellen müssen.369 Ein Schiedsgutachter, der den als Kaufpreis vereinbarten Verkehrswert eines Grundstücks, für das ein Ankaufsrecht ausgeübt wurde, ermitteln soll, müsste unabhängig und unparteilich sein; für einen Schiedsgutachter, der den vom Ankaufsberechtigten zu zahlenden Preis bestimmen soll, würde diese Anforderung nicht gelten. Dieser Unterschied leuchtet kaum ein. (ii) Ebenso wenig, wie eine prozessuale Qualifikation allein hinreichen kann, die Geltung von Verfahrensregeln zu begründen, genügt es, sich mit dem Hinweis auf einen materiell-rechtlichen Charakter zu begnügen, um die Geltung von Verfahrensregeln abzulehnen.370 Nach hier vertretenem Verständnis ist auch das feststellende Schiedsgutachten dem materiellen Recht zuzuweisen. Gleichwohl wurde soeben die Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit begründet. Bedenklich erscheint es deshalb, ein Neutralitätsgebot ausschließlich für feststellende Schiedsgutachten statuieren zu wollen.371 Es ist vielmehr erausgeschlossen gelten dürfen, verkennt jedoch, dass die Anwendung des § 315 BGB nicht zum Ausschluss einer nahestehenden Person, sondern nur zu einem modifizierten Kontrollmaßstab führt); Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 28; generell ablehnend Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 (§ 12 III 2). 367  Siehe oben § 7 B.II.5.b) (S. 458 ff.) (England) und § 7 B.II.5.c) (S. 460 ff.) (Frankreich). 368  Siehe oben § 2 B.II.4.a) (S. 65 ff.). 369  So auch Wittmann, S. 136 ff.; Kornblum, JA 1979, 393, 395. Auf die Diskrepanz weist auch hin Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 (§ 12 IV 4). 370  Wittmann, S. 139 f. 371  So z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20; Jonas, JW 1937, 221. Siehe auch BGH v. 26.5.1999 BGHZ 141, 391, 394: „Daß die Klägerin … als ermächtigte Dritte nicht unparteiisch ist, ist schon deshalb unschädlich, weil es sich nicht um eine Schiedsgutachtenabrede im eigentlichen Sinn handelt.“ Dieses Urteil hat vorliegend jedoch nur begrenzten Aussagewert: Erwerber und Veräußerer einer GmbH hatten vereinbart, die Treuhandanstalt könne bestimmen, dass bestimmte vom Erwerber verwirkte Vertragsstafen nicht zu zahlen seien. Der Veräußerer hatte sodann seinen Anspruch auf die Vertragsstrafe an die Treuhandanstalt abgetreten, so dass diese ohnehin nicht mehr Dritte, sondern Partei war.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

forderlich, auch für das gestaltende Schiedsgutachten über die Geltung dieses Gebots nachzudenken.372 Außer der erwähnten funktionalen Ähnlichkeit der Aufgaben von gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachter werden einige weitere Gründe vorgebracht, um für erstere ebenfalls ein Neutralitätsgebot anzunehmen. Als wenig weiterführend erweist sich dabei wiederum der Rekurs auf den Begriff der Rechtsprechung. Ohnehin könnten gestaltende Schiedsgutachten nur noch unter einen Begriff der „Rechtsprechung im weitesten Sinne“, wie er verschiedentlich vertreten wird,373 gefasst werden. Dieser könnte zwar sowohl die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten als auch die Beilegung von Regelungsstreitigkeiten, etwa durch den leistungsbestimmenden Dritten,374 in sich aufnehmen. Es grenzt aber an Begriffsjurisprudenz, wollte man nun den Rechtsprechungs­ begriff erst erweitern und sodann Wesensmerkmale der Rechtsprechung – wie die Neutralität der Entscheidungsperson – auf die zusätzlich unter den Begriff gefassten Erscheinungen erstrecken.375 Die Schwierigkeit im Umgang mit Rechtsprechungsbegriff und Neutralität wird auch darin erkennbar, dass andere Anhänger des Begriffs spiegelbildlich argumentieren:376 Für die Bezeichnung als Rechtsprechung konstitutiv sei die Neutralität des Dritten. Der leistungsbestimmende Dritte müsse neutral sein. Also sei die Leistungsbestimmung durch einen Dritten Rechtsprechung. Warum der Dritte neutral sein muss, wird aus diesem Schlussverfahren nicht ersichtlich.377 Das Argument der Funktionsähnlichkeit von Schiedsgutachter und (Schieds‑)Richter kehrt ebenfalls wieder, und zwar interessanterweise sowohl zur Begründung als auch zur Ablehnung eines Neutralitätsgebots, was eindrucksvoll seine geringe Überzeugungskraft dokumentiert. Wer mit dem Argument die Geltung dieses Gebots auch für gestaltende Schiedsgutachter be372  Bejahend insbesondere Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31, 34 (auf der Grundlage seiner Ansicht, dass jede Einschaltung eines Dritten „im Hinblick auf einen bereits entstandenen oder möglicherweise auftauchenden Rechtsstreit“ Schiedsgerichtsbarkeit sei); Staudinger/­ Rieble, § 317 Rn. 82 ff.; Dütz, S. 266 ff.; Wittmann, S. 134 ff.; Joussen, S. 138; Sieveking, S. 82 Fn. 369, S. 436; Kornblum, JA 1979, 393, 395 (anders noch ders., S. 102, 105); Ramm, ZRP 1989, 136, 145; wohl auch Weick, FS Coing II, S. 563. Siehe auch BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454 zu einem gestaltenden Schiedsgutachten: „Das dem Schiedsgutachter eingeräumte Bestimmungsrecht hat den Sinn, Streit zwischen den Vertragsparteien zu vermeiden. Seine Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität werden vorausgesetzt.“ 373  Ramm, ZRP 1989, 136, 138; Joussen, S. 456 ff.; wohl auch Achterberg, FS Menger, S. 140; kritisch Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4 mit Fn. 9. 374  Ramm, ZRP 1989, 136, 137; Joussen, S. 459. Dazu auch noch unten § 14 A.II.1. (S. 628 ff.). 375  So aber Ramm, ZRP 1989, 136, 145. 376  Joussen, S. 457 ff. 377  Joussen, S. 138 scheint die Neutralität eines Dritten vielmehr apriorisch vorauszusetzen: „Denn der Dritte ist ja als neutraler, unabhängiger Bestimmender berufen …“. Die Neutralität scheint sich also aus der Stellung als Dritter zu ergeben. Offen bleibt dabei sowohl, warum ein Dritter neutral zu sein hat, als auch vor allem, wie die Neutralität sichergestellt werden kann.

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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gründen möchte, ergänzt es lediglich um den zusätzlichen Begründungsschritt, auch dem Schiedsrichter könnten Gestaltungsaufgaben übertragen werden.378 Wer die Geltung des Gebots verneinen will, beruft sich darauf, dass einem Richter keine derartigen Gestaltungsaufgaben zukommen.379 Zu diesem Argument ist oben bereits das Nötige gesagt.380 Ebenso erübrigt es sich, erneut auf die verfassungsrechtlichen Bedenken aufgrund einer Verkürzung des Privatrechtsschutzes angesichts der auf offenbare Unbilligkeit beschränkten gerichtlichen Kontrolle einzugehen.381 Stattdessen liegt der Schlüssel wieder im mutmaßlichen Parteiwillen. Nicht anders und nicht weniger als beim feststellenden Schiedsgutachten erwarten auch hier die Parteien, dass der Dritte seine Aufgabe neutral versieht.382 Der Dritte soll nach ihrer Vorstellung von dem ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum weder zugunsten der einen noch zugunsten der anderen Partei Gebrauch machen, sondern einen billigen, im Einzelfall gerechten Ausgleich schaffen. Dies lässt sich insbesondere durch seine Neutralität sicherstellen.383 Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung muss der gestaltende Schiedsgutachter unabhängig und unparteilich sein.384

IV. Folgerungen für das Erbrecht Die im Schuldrecht geführte Diskussion über die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters scheint noch nicht im Erbrecht angekommen zu sein. Dabei ist es gerade im Erbrecht leicht vorstellbar, dass der Adressat der Bestimmungsbefugnis nicht unbefangen entscheidet, 378 

Wittmann, S. 135 f. Jonas, JW 1937, 221. 380  Siehe oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.). 381  Mit ihr begründen Dütz, S. 266 ff. und Kornblum, JA 1979, 393, 395 das Neutralitätsgebot für gestaltende Schiedsgutachten. BGH v. 26.5.1999 BGHZ 141, 391, 394 (dazu bereits oben Fn. 371) deutet obiter an, dass die Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit die fehlende Unabhängigkeit gerade wettmachen könne; ebenso RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 207. 382  Wittmann, S. 135; BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; auch der Ansatz von Joussen, S. 138 (dazu bereits oben Fn. 377) ließe sich so unterfüttern. Dagegen Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 (§ 12 III 2). 383  Ebenso Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 82; Wittmann, S. 135 („Unparteilichkeit des Dritten als einziger Garant für eine pflichtgemäße Ermessensausübung“). 384  A.A. RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206 f. Wenn in diesem Urteil gesagt wird, das Verhältnis der Parteien des Schiedsgutachtenvertrags bestimme sich allein nach den §§ 317 ff. BGB und im Übrigen „nach den Grundsätzen von Treu und Glauben“, so steht das der Annahme eines auf Neutralität gerichteten mutmaßlichen Parteiwillens nicht entgegen. Offenbar hatte das RG jedoch Bedenken, ein Neutralitätsgebot anzunehmen, weil in casu die Leistungsbestimmung einem Zweiergremium übertragen war, in das jede Vertragspartei einen Vertreter entsenden sollte. Das eigentliche Problem des Falles hätte dann darin gelegen, ob und inwieweit die Parteien im Einzelfall von Neutralitätsanforderungen absehen dürfen. 379 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

nämlich immer dann, wenn er als Beteiligter selbst von seiner Entscheidung betroffen ist – beispielsweise wenn er als Miterbe über die Erbauseinandersetzung zu befinden hat oder als Beschwerter den Inhalt eines Vermächtnisanspruchs näher ausgestalten soll. Eine Bestandsaufnahme der gesetzlichen Ausgangslage wird zeigen, dass die verschiedenen Fälle der Delegation von Privatautonomie im Erbrecht nicht einheitlich behandelt werden. Dennoch bewähren sich die zuvor gefundenen Grundsätze im Prinzip auch im Erbrecht. Das gilt für die Delegation von Feststellungen ebenso wie für die Delegation einer Gestaltung, soweit sie zulässig ist.

1. Bestandsaufnahme: Keine einheitliche Behandlung im Gesetz a) Strengerer Kontrollmaßstab für Entscheidung in eigener Sache bei § 2156 BGB Es empfiehlt sich, die Bestandsaufnahme mit § 2156 BGB zu beginnen, da diese Vorschrift erstens einen ausdrücklichen Verweis auf die §§ 315–319 BGB enthält und zweitens das Schrifttum zumindest mittelbar die Befangenheit des Bestimmungsberechtigten berücksichtigen will. Bestimmungsberechtigter kann bei § 2156 BGB der Beschwerte oder ein Dritter sein.385 Kann aber der Beschwerte die Vermächtnisleistung nach billigem Ermessen bestimmen, so hat seine Bestimmung unmittelbar Einfluss auf seine eigene Position. Er ist Schuldner des Vermächtnisanspruchs. Die Vorschrift des § 2156 BGB verweist auf die §§ 315– 319 BGB. Diese Verweisung wird so verstanden, dass die Bestimmung des Beschwerten nach § 315 Abs. 3 BGB zu kontrollieren ist, die eines Dritten nach § 319 Abs. 1 BGB.386 Der Beschwerte sei hier als Partei anzusehen.387 Im einen wie im anderen Fall könne jedoch keine Unbilligkeit angenommen werden, wenn die bestimmungsberechtigte Person alle Umstände berücksichtige, die für 385  Dem Bedachten kann die Bestimmungsbefugnis nicht eingeräumt werden, BGH v. 24.4.1991 NJW 1991, 1885; Staudinger/Otte, § 2156 Rn. 3; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2156 Rn. 4; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2156 Rn. 3; RGRK/Johannsen, § 2156 Rn. 3; Palandt/Weidlich, § 2156 Rn. 1; Kipp/Coing, S. 336 (§ 57 II 4); Schlüter, Rn. 917; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 443. A.A. Soergel/M. Wolf, § 2156 Rn. 4; Erman/M. Schmidt, § 2156 Rn. 1; Kanzleiter, DNotZ 1992, 511 ff. 386 Staudinger/Otte, § 2156 Rn. 4; Palandt/Weidlich, § 2156 Rn. 1; RGRK/Johannsen, § 2156 Rn. 7; Kipp/Coing, S. 336 (§ 57 II 4); Ebenroth, Rn. 484; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 451; Johannsen, WM 1972, 866, 872; siehe auch BGH v. 29.2.1984 NJW 1984, 2570, 2572 (Ersetzung einer unterbliebenen Bestimmung des Beschwerten durch das Gericht richte sich nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB); ohne diese Differenzierung Lange/Kuchinke, S. 643 (§ 29 V 2 a b); Schlüter, Rn. 917; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 443; v. Lübtow I, S. 375; undeutlich Erman/ M. Schmidt, § 2156 Rn. 2. – Sofern eine Bestimmung durch den Bedachten für zulässig gehalten wird, wird zutreffend gesagt, dass auch diese nach § 315 BGB zu beurteilen sei, Erman/ M. Schmidt, § 2156 Rn. 1. Auch der Bedachte entscheidet in eigener Sache und ist damit Partei, nicht Dritter. 387  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2156 Rn. 5; Kipp/Coing, S. 336 Fn. 11 (§ 57 II 4).

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einen Erblasser gewöhnlich bei einer letztwilligen Zuwendung eine Rolle spielen, und deshalb zum Beispiel einen Vermächtnisnehmer aufgrund von dessen Verhältnis zum Erblasser nachteilig behandele.388

b) Keine Differenzierung nach der Person des Bestimmungsberechtigten bei § 2048 S. 2 BGB Weniger differenziert werden die Dinge aber bei den übrigen Fällen einer Delegation gesehen. Nach § 2048 S. 2 BGB kann der Erblasser die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft einem Dritten übertragen. Es gilt allgemein als zulässig, dass ein Miterbe oder eine Mehrheit von Miterben Adressat der Delegation ist.389 Ein Miterbe, der als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach billigem Ermessen den Nachlass zu verteilen hat, müsste aber stets die Besorgnis der Befangenheit erwecken, da er sich bis zur Grenze der offenbaren Unbilligkeit Nachlassgegenstände zuschanzen kann, an denen auch andere Miterben ein Interesse haben. Mehr noch: Es stellt sich die Frage, ob er überhaupt „Dritter“ oder nicht vielmehr „Partei“ i.S.d. §§ 315, 317 BGB ist. Es wäre ein Trugschluss zu glauben, nur der Erblasser sei als „Partei“ der Erbauseinandersetzung durch einen anderen anzusehen. Zwar scheint dieser Schluss nahezuliegen, da es der Erblasser ist, der Anordnungen über die Auseinandersetzung trifft und in diesem Zusammenhang eine Bestimmungsberechtigung einräumt.390 Eine starre Übertragung der schuldrechtlichen Denkmuster verbietet sich hier jedoch: Partei ist nicht nur der derjenige, von dem die Bestimmungsbefugnis ausgeht. Zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung ist diese Person, der Erblasser, nicht mehr als Rechtssubjekt vorhanden; er kann nicht mehr Partei sein. Entscheidend ist vielmehr, ob die Bestimmung die Position des Bestimmungsberechtigten beeinflusst. Das ist bereits nach rein formaler Sichtweise der Fall, wenn nämlich die Mitglieder der Erbengemeinschaft Gläubiger oder Schuldner der aus dem Auseinandersetzungsplan folgenden Einzelansprüche sind. Delegiert der Erblasser also die Auseinandersetzung an einen Miterben, ist dieser Miterbe zur Gestaltung in eigener Sache aufgerufen, und zwar nicht als Vertreter des Erblassers, sondern als Partei des Auseinandersetzungsverfahrens. Die Leitentscheidung

388  BGH v. 6.6.1966 – III ZR 161/64 (unveröffentlicht, zitiert nach Johannsen, WM 1972, 866, 872); siehe auch RGRK/Johannsen, § 2156 Rn. 7. 389  RG v. 16.3.1925 RGZ 110, 270, 274 mit Anmerkung Herzfelder, JW 1925, 2120; Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 13; Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 20; Erman/Schlüter, § 2048 Rn. 10; RGRK/Kregel, § 2048 Rn. 6; Kipp/Coing, S. 637 (§ 117 IV 2); Lange/Kuchinke, S. 1152 (§ 44 III 5 g); v. Lübtow II, S. 835 (mit dem tautologischen Argument, der Miterbe könne deshalb „Dritter“ sein, weil nicht erforderlich sei, dass der Dritte außerhalb der Miterbengemeinschaft stehe). 390  Vor diesem Hintergrund ist es durchaus zutreffend, mit Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 1 eine Verbindung zwischen Teilungsanordnung und § 315 BGB herzustellen.

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des Reichsgerichts391 zur Delegation der Auseinandersetzungsbefugnis an einen Miterben bleibt in diesem Punkt unklar. Einerseits spricht sie davon, dass Satz 2 des § 2048 BGB nur ein Anwendungsfall von Satz 1 sei; daraus könnte zu folgern sein, dass die Auseinandersetzung durch einen Miterben unmittelbar unter Satz 1 fällt.392 Das Urteil beruft sich zudem auf die Parallele zu § 315 BGB, wonach die Leistungsbestimmung auch einer Partei übertragen werden könne. Das Gericht führt also gerade nicht § 317 BGB an, der wegen der Bezugnahme des § 2048 BGB auf einen Dritten eigentlich näher gelegen hätte. Offenbar hat es das Problem gesehen, dass hier eine Partei und kein Dritter entscheiden sollte. In der heutigen Literatur ist diese Nuancierung verloren gegangen, wenn es unter Berufung auf das reichsgerichtliche Urteil verkürzend heißt, Dritter könne auch ein Miterbe sein. Andererseits führt das Problembewusstsein des Reichsgerichts nicht zu Konsequenzen, denn das Gericht misst die in Streit stehende Entscheidung der Zweidrittelmehrheit der Erben, den unbeweglichen Nachlass freihändig zu verkaufen, am Maßstab des § 2048 S. 3 BGB und kontrolliert sie auf offenbare Unbilligkeit.393 Wie gesehen,394 hat der Gesetzgeber in den Beratungen zum BGB keinen ausdrücklichen Bezug zwischen § 2048 S. 3 und § 319 BGB hergestellt. Die Parallele in der Gesetzesformulierung ist gleichwohl unverkennbar. So überrascht es nicht, dass sich die Auslegung des § 2048 S. 3 BGB an den zu § 319 BGB entwickelten Grundsätzen orientiert:395 Offenbar unbillig, so heißt es, sei „eine Bestimmung, die sachlicher Gründe entbehrt und deren Sachwidrigkeit für jeden auf dem betreffenden Gebiet Sachkundigen erkennbar zutage liegt“.396 Es hätte in der Konsequenz der Einschätzung als Parteibestimmung gelegen, nicht von § 2048 S. 3 BGB, sondern dem strengeren Maßstab der einfachen Unbilligkeit (§ 315 Abs. 3 BGB) auszugehen.397 391  RG

v. 16.3.1925 RGZ 110, 270. Darin hatte der Erblasser, der seine elf Kinder als Erben eingesetzt hatte, verfügt, dass sein Grundvermögen, das im Wesentlichen den gesamten Nachlass ausmachte, nur veräußert werden dürfe, wenn zwei Drittel seiner Kinder dafür stimmten. Das Reichsgericht sah darin einerseits eine Einschränkung gegenüber den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln, da nicht mehr jeder Miterbe allein die Veräußerung eines Grundstücks verlangen könne; andererseits stelle die Verfügung aber auch eine Erweiterung gegenüber den gesetzlichen Teilungsregeln dar, da sie auch einen freihändigen Verkauf gestattete. 392  So in der Tat Herzfelder, JW 1925, 2120. 393  Im Fall wurde die offenbare Unbilligkeit bejaht, da der Kaufpreis aufgrund der Geldentwertung nunmehr viel zu gering sei. 394  Siehe oben § 4 B.I.4.c) (S. 174). 395  Vgl. nur für die entsprechende Heranziehung der Grundsätze zu § 319 BGB: RGRK/ Kregel, § 2048 Rn. 7; Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 15; Bamberger/Roth/Lohmann, § 2048 Rn. 7; Palandt/Weidlich, § 2048 Rn. 3; Erman/Schlüter, § 2048 Rn. 10; Ruby, ZEV 2007, 18, 21; ohne Verweis auf § 319 Abs. 1 S. 1 BGB, aber auch ohne Differenzierung nach Person des Bestimmungsbefugten Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12. 396  OLG Stuttgart v. 20.3.1997 OLGR 1998, 234; OLG Rostock v. 15.4.1918 OLGE 36, 242; Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12. 397  Vgl. noch anders Herzfelder, JW 1925, 2120, der ebenfalls § 2048 S. 3 BGB für unan-

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Ähnlich erscheint die Regelung des Gattungsvermächtnisses (§ 2155 BGB). In § 2155 Abs. 2 BGB wird der Bedachte als Dritter behandelt.398 Auch seine Bestimmung ist erst dann unverbindlich, wenn sie seinen Verhältnissen offenbar nicht entspricht. Begründet wird diese Gleichstellung von Bedachtem und Drittem damit, dass der Erblasser dem Bedachten „ein gewisses freieres Aussuchen gönnen“ wolle.399 Freilich kann aus der Regelung des Gattungsvermächtnisses aus zwei Gründen nichts hergeleitet werden: Zum einen hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgen einer unverbindlichen Bestimmung in § 2155 Abs. 3 BGB abweichend von den §§ 315 ff. BGB so geregelt, dass die Bestimmungsbefugnis auf den Beschwerten übergeht.400 Zum anderen handelt es sich bei § 2155 BGB nicht um eine echte Delegation und mithin auch nicht um eine Ausnahme vom Drittbestimmungsverbot, denn die Konkretisierung einer Gattungsschuld kann der Erblasser ohnehin nicht leisten.401 Auch im Schuldrecht betreffen § 243 BGB und die §§ 315 ff. BGB unterschiedliche Situationen.402 Andererseits gilt der Übergang zwischen § 2155 BGB und § 2156 BGB als „fließend“.403

c) Entscheidung in eigener Sache bei § 2151 BGB Die Auswahl des Vermächtnisnehmers aus einem bestimmten Personenkreis kann der Erblasser nach § 2151 BGB einem Dritten oder dem Beschwerten überlassen. Stets in eigener Sache entscheidet der Beschwerte als Schuldner des Vermächtnisanspruchs.404 Es steht zwar bereits aufgrund der Verfügung des Erblassers fest, in welchem Umfang der Beschwerte einen Verlust erleiden wird. Dennoch kann er mit seiner Auswahlentscheidung seine Position beeinflussen, etwa wenn er durch geschickte Auswahl des Vermächtnisnehmers zu seinem Vorteil eine Aufrechnungsmöglichkeit schaffen kann. Ebenfalls in eigener Sache entscheidet der Bestimmungsberechtigte (Beschwerter oder Dritter), der zulässigerweise405 auch sich selbst zum Vermächtnisnehmer bestimmen darf.406 wendbar hält, eine Billigkeitskontrolle aber allein aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben durchführen will. 398 In Kipp/Coing, S. 335 Fn. 8 (§ 57 II 2 b b) heißt es sogar: „wie ein dritter Unparteiischer“. 399  Kipp/Coing, S. 335 Fn. 8 (§ 57 II 2 b b). 400  Kipp/Coing, S. 335 (§ 57 II 2 b b). 401 Staudinger/Otte, § 2155 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2155 Rn. 1; a.A. v. Lübtow I, S. 373. 402  Siehe oben § 4 Fn. 84. 403  Kanzleiter, DNotZ 1992, 511, 513; sinngemäß auch Staudinger/Otte, § 2155 Rn. 2; Soergel/M. Wolf, § 2155 Rn. 2. 404  Vgl. auch § 2152 BGB: Fehlen Angaben zur Person des Bestimmungsberechtigten, ist der Beschwerte zur Auswahl des Vermächtnisnehmers befugt. 405  Siehe oben § 5 Fn. 447. 406  Eine besondere Gestaltungsform thematisieren Piltz, ZEV 2005, 469, 471; Erman/ M. Schmidt, § 2151 Rn. 3: Der Erblasser könne alle Bedachten als Bestimmungsberechtigte

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Diese Möglichkeit der Entscheidung in eigener Sache wird im Schrifttum allerdings nicht als sonderlich problematisch unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit angesehen.407 Es sei einzig „besonders sorgfältig zu prüfen“408 bzw. „einwandfrei festzustellen“409, ob die Zugehörigkeit des Bestimmungsberechtigten zum Kreis der potentiell Begünstigten dem Erblasserwillen entspreche.410 Eine Unterscheidung zwischen Parteibestimmung und Drittbestimmung hinsichtlich der Kontrolle der Entscheidung findet nicht statt.411 Angesichts der Ausführlichkeit, mit der im Übrigen die Kontrolle der Bestimmung nach § 2151 BGB diskutiert wird,412 zeigt das Fehlen einer Differenzierung, dass die Entscheidung in eigener Sache offenbar nicht als Problem angesehen wird.

d) Differenzierung bei § 2193 BGB? Nach § 2193 BGB kann der Erblasser die Auswahl des Begünstigten einer Auflage, deren Zweck er bestimmt hat, dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen. Ein Verweis auf die §§ 315–319 BGB fehlt, und zwar sowohl ausdrücklich (wie in § 2156 BGB) als auch in der Wortwahl (wie in § 2048 BGB). Gleichwohl bedient sich die Auslegung des § 2193 BGB der Sprache und Denkkategorien, wie sie von den §§ 315–319 BGB vertraut sind, allerdings mit offenen Fragen in den Details. Dies zeigt sich vor allem in der Frage, welchen Entscheidungsmaßstab der Bestimmungsberechtigte anzulegen hat, wenn der Erblasser in seiner Verfügung hierzu nichts bestimmt hat, und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen für eine Überprüfung der Bestimmung. Nach herrschender Ansicht ist die Bestimmung grundsätzlich nach freiem Belieben zu treffen; nur wenn der Erblasser dies anordne, gelte der Maßstab des billigen Ermessens.413 Allereinsetzen, die sodann einvernehmlich über die Verteilung befinden sollen. Erst wenn sie sich nicht einigen können, solle das Bestimmungsrecht auf den Beschwerten übergehen. 407  Siehe aber N. Mayer, ZEV 1995, 247, 249: Der Bestimmungsbefugte sollte nicht zum Kreis der Begünstigten gehören, um Interessenkonflikte zu vermeiden. 408 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 4; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 433. 409  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 3; Lange/Kuchinke, S. 631 Fn. 97 (§ 29 III 2 b a). Lange/Kuchinke stützen ihre Ansicht auf § 2151 Abs. 2 BGB, wonach die Bestimmungserklärung gegenüber dem Ausgewählten bzw. gegenüber dem Beschwerten abzugeben ist. Dazu ist zu sagen, dass es eine rein formale Argumentation darstellt, die Vorbehalte gegenüber der Bestimmung der eigenen Person zum Begünstigten aus dem Erklärungserfordernis herzuleiten. 410 Ohne qualifizierte Anforderungen an die Prüfung des Erblasserwillens RGRK/ Johannsen, § 2151 Rn. 8. 411  Vgl. etwa Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; Sens, S. 123 ff. 412  Siehe z.B. Sens, S. 123 ff.; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 12. 413  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357, 360 f.; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2193 Rn. 6; RGRK/Johannsen, § 2193 Rn. 4; Soergel/Dieckmann, § 2193 Rn. 5; Bamberger/Roth/ Müller-Christmann, § 2193 Rn. 4; Schubert, JR 1994, 158 (Schubert schreibt zwar freies Ermessen, meint aber – wie sich aus dem Zusammenhang ergibt – freies Belieben). Soweit Schubert, JR 1994, 158 Fn. 3 Zweckbestimmung durch den Erblasser und Bestimmung des Emp-

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dings sei zu verlangen, dass der Zweck so bestimmt sei, dass eine Entscheidung nicht völlig willkürlich erscheine.414 Begründet wird diese Ansicht zum einen formal mit dem fehlenden Verweis auf die §§ 315 ff. BGB.415 Zum anderen wird an der Stellung des Bestimmungsberechtigten angesetzt, die – als Ausnahme zu § 2065 Abs. 2 BGB – der eines Vertreters des Erblassers im Willen entspreche und deshalb ebensowenig wie eine Verfügung des Erblassers selbst am Maßstab des billigen Ermessens überprüft werden könne.416 Im Regelfall könne die Bestimmung des Auflagebegünstigten daher nur auf Arglist und auf die offensichtliche Verfehlung des Auflagezwecks kontrolliert werden.417 Arglist sei dabei in Anlehnung an die zu § 138 Abs. 1 BGB entwickelten Maßstäbe als Verfolgung eigennütziger Zwecke unter völliger Außerachtlassung des Erblasserwillens zu verstehen.418 Dass Arglist und offensichtliche Zweckverfehlung die Grenze jeder Bestimmung nach § 2193 BGB darstellen, ist allgemein anerkannt.419 Eine darüber hinausgehende entsprechende Anwendung der §§ 315 ff. BGB kommt nach einem Urteil des BGH nur in Betracht, wenn aus der letztwilligen Verfügung hervorgeht, dass der Begünstigte nach billigem Ermessen zu bestimmen sei.420 Eine Gegenansicht will demgegenüber in jedem Fall die §§ 315 Abs. 3, 319 BGB mit folgenden Konsequenzen heranziehen:421 Bestehe das Bestimmungsrecht nach freiem Belieben, sei nach § 319 Abs. 2 BGB eine Ermessenskontrolle über die allgemein anerkannten äußersten Grenzen der Bestimmung ausgeschlossen. Wenn jedoch der Berechtigte nach billigem Ermessen entscheiden solle, sei zu diffängers für untrennbar hält und deshalb stets demselben Entscheidungsmaßstab unterwerfen will, überzeugt das schon deshalb nicht, weil die Entscheidung über den Zweck der Erblasser höchstpersönlich trifft, während er die Entscheidung über den Begünstigten delegiert. 414  Schubert, JR 1994, 158; vgl. auch Palandt/Weidlich, § 2193 Rn. 1 (Erblasser müsse den Zweck in erkennbaren Umrissen bestimmen); Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 640 (geringere Anforderungen an die Bestimmtheit als im Vermächtnisrecht). 415  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2193 Rn. 6. 416  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357, 361; Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2193 Rn. 7; vgl. auch Palandt/Weidlich, § 2193 Rn. 1. 417  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357, 361; Palandt/Weidlich, § 2193 Rn. 1; Münch­Komm-­ BGB/Rudy, § 2193 Rn. 7 (Beispiel für eine offensichtliche Zweckverfehlung: Ein Museumsdirektor soll einen förderungswürdigen Künstler als Empfänger eines Geldbetrags bestimmen, lässt darauf seinen Sohn einen Zeichenkurs für Anfänger absolvieren und wählt ihn aus); Schubert, JR 1994, 158, 159. – Enger RGRK/Johannsen, § 2193 Rn. 4 (Kontrolle nur auf Arglist). 418  Schubert, JR 1994, 158, 159. 419  Siehe weiter Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 7; ohne Stellungnahme zur Frage, welcher Entscheidungsmaßstab im Zweifel gilt, außerdem Lange/Kuchinke, S. 657 (§ 30 II 3 b); Schlüter, Rn. 933; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 461. – Offenbar kontrollfreudiger Erman/ M. Schmidt, § 2193 Rn. 2 (ohne Einschränkung auf „offensichtliche“ Zweckverfehlung). 420  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357, 360 f. 421  Zum Folgenden Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 7. Diese Vorschriften seien über §§ 2192, 2156 S. 2 BGB oder analog § 2156 S. 2 BGB einschlägig.

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ferenzieren. Soweit der Beschwerte entscheide, müsse nach § 315 Abs. 3 BGB kontrolliert werden; sei ein Außenstehender bestimmungsbefugt, finde mit 319 Abs. 1 S. 1 BGB ein weniger strenger Maßstab auf die Kontrolle Anwendung.422 Erklären lässt sich diese Differenzierung nach der Person des Bestimmungsberechtigten wiederum mit Vorbehalten gegenüber einer Entscheidung in eigener Sache. Bestimmt der Beschwerte den Auflagebegünstigten, so wählt er den Gläubiger eines Anspruchs, dessen Schuldner er selbst ist. Zur Illustration einer Entscheidung in eigener Sache mag der Sachverhalt eines Urteils des BGH aus dem Jahre 1993 dienen:423 Die Erblasserin wollte einen Teil ihres Grundbesitzes zur Erfüllung kultureller, sozialer oder anderer gemeinnütziger Aufgaben verwendet wissen und betraute deshalb einen ihrer beiden Testamentserben mit der Aufgabe, das mit einer Villa bebaute Grundstück einer gemeinnützigen Organisation zu übertragen. Nach dem Tod der Erblasserin richtete der Bestimmungsberechtigte in der Villa ein gewerbliches Antiquariat für Literatur zum Thema Glaskunst ein, gründete einen Verein, dessen Zweck „die Pflege und Förderung der Erforschung der Geschichte der Glaskunst“ war, und benannte diesen Verein als Begünstigten.424 Der BGH ging von der Einräumung eines Bestimmungsrechts nach freiem Belieben aus. In diesem Fall kann das Gericht nur die äußeren Grenzen einer Bestimmung kontrollieren. Diese Grenzen bezeichnet der BGH als Arglist oder offensichtliche Zweckverfehlung. Falls jedoch – sei es aufgrund einer Zweifelsregel, sei es aufgrund ausdrücklicher Anordnung des Erblassers – die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat, genießt ein Außenstehender wiederum einen Vertrauensvorschuss gegenüber dem als Beschwerten beteiligten Bestimmungsbefugten. Es sollten deshalb auch hier unterschiedliche Kontrollmaßstäbe gelten. Im Ergebnis erweist es sich als unschädlich, dass § 2193 BGB nicht auf die §§ 315–319 BGB verweist, da diese Regeln der Sache nach auf die Bestimmung des Auflagebegünstigten übertragen werden können. Auch bei § 2193 BGB kann somit die Skepsis gegenüber einer Entscheidung in eigener Sache zum Tragen gebracht werden.

422 Auch

Lange/Kuchinke, S. 657 (§ 30 II 3 b) wenden § 315 Abs. 3 BGB auf die Kontrolle einer Bestimmung durch den Beschwerten nach billigem Ermessen an. 423  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357; zustimmend Schubert, JR 1994, 158 f. 424  Das Berufungsgericht hatte diese Bestimmung aus mehreren Gründen für unwirksam gehalten, unter anderem deswegen, weil der Bestimmungsberechtigte den Umgang der begünstigten Organisation mit dem Grundbesitz kontrollieren sollte und ihr deshalb nicht angehören dürfe. Der BGH hielt die Begründung des Berufungsgerichts für unzureichend und verwies zur weiteren Sachaufklärung zurück, BGH v. 24.2.1993 NJW 1993, 2168, 2169 f. (insoweit nicht in BGHZ 121, 357 abgedruckt).

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e) Bestimmungsrecht nach freiem Belieben bei § 2198 BGB Nähere Betrachtung verdient zuletzt die Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten nach § 2198 BGB. Hier erfüllen vor allem zwei Konstellationen die Charakteristika einer Entscheidung in eigener Sache. (i) Erstens ist an den Fall zu denken, dass der Erblasser das Bestimmungsrecht einem Erben einräumt. Eine derartige Gestaltung ist zulässig.425 Sie bietet sich etwa an, wenn die Testamentsvollstreckung in erster Linie im Interesse und zur Unterstützung des Erben angeordnet wird.426 Um eine Entscheidung in eigener Sache handelt es sich deshalb, weil zwischen dem Erben und dem Testamentsvollstrecker ein gesetzliches Schuldverhältnis mit verschiedenen Rechten und Pflichten besteht (§ 2218 BGB mit Verweis auf das Auftragsrecht) und insbesondere eine Pflichtverletzung durch den Testamentsvollstrecker zu einem Schadensersatzanspruch des Erben führen kann (§ 2219 Abs. 1 BGB). (ii) Sofern ein außenstehender Dritter die Entscheidung zu treffen hat, kommt eine Entscheidung in eigener Sache in Betracht, wenn der Bestimmungsberechtigte sich selbst auswählen kann. Nach dem formalen Verständnis der Entscheidung in eigener Sache – der Entscheidende ist selbst Schuldner oder Gläubiger des von der Gestaltung betroffenen Anspruchs – ist auch die Auswahl des Testamentsvollstreckers aus einem Personenkreis, zu dem auch der Auswählende zählt, als Entscheidung in eigener Sache zu bewerten. Der Erblasser kann den Kreis der in Betracht kommenden Personen zwar einschränken.427 Im Übrigen kann der Bestimmungsberechtigte aber jede Person auswählen, die auch der Erblasser als Testamentsvollstrecker hätte ernennen können, also auch sich selbst.428 Der Bestimmungsberechtigte kann ein Interesse daran haben, sich selbst zu benennen, und zwar nicht nur wegen der mit der Stellung als Testamentsvollstrecker verbundenen Aufgaben, sondern auch wegen des mit diesem Amt regelmäßig einhergehenden Vergütungsanspruchs (§ 2221 BGB). Aus diesem Grunde ist 425  RG v. 19.1.1918 RGZ 92, 68, 72; KG v. 4.4.1918 OLGE 40, 130; Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 1; RGRK/Kregel, § 2198 Rn. 1; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 21 (Beispiel: Ermächtigung des Vorerben, einen Nacherbentestamentsvollstrecker gemäß § 2222 BGB zu bestimmen); Greiser, DFG 1939, 216. Kritisch aber W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 57, sofern der Bestimmungsberechtigte Alleinerbe ist, da dieser es dann in der Hand habe zu entscheiden, ob Testamentsvollstreckung eintritt. „Dritter“ könne nur eine andere Person als der Alleinerbe sein. Kritisch auch Höver, DFG 1939, 25. 426  Siehe RG v. 19.1.1918 RGZ 92, 68, 72 (die betagte Alleinerbin sollte aus einem Kreis von drei nahen Angehörigen einen „Beistand“ für die unbequeme Ordnung der Geldangelegenheiten wählen). 427 Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 6. 428  Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 4; ders., Testamentsvollstreckung, Rn. 60; Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 6; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, § 15 Rn. 21; Brettner, ArchBürgR 17 (1900), 213, 217. Beispiel: OLG Oldenburg v. 26.10.1989 DNotZ 1990, 431 (Mitglieder einer bestimmten Anwaltssozietät). Anders, falls der Dritte Alleinerbe ist, Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 2; Haegele, BWNotZ 1974, 109, 112.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

es beispielsweise unzulässig, den beurkundenden Notar zum Testamentsvollstrecker zu ernennen (§§ 27, 7 Nr. 1 BeurkG), und immerhin bedenklich, wenn der – über den Sozietätsvertrag an den Einkünften aus der Vollstreckung beteiligte – Sozius des zum Testamentsvollstrecker ernannten Notars die Beurkundung vornimmt.429 In beiden Konstellationen ist der Auswählende kein „Dritter“ i.S.d. § 317 BGB, sondern „Partei“ i.S.d. § 315 BGB.430 Allerdings folgt aus dieser Erkenntnis, abgesehen von dem Zugewinn an struktureller Konsistenz und Schlüssigkeit, nicht viel: Denn der Bestimmungsberechtigte nach § 2198 BGB hat zwar die verbindlichen Vorgaben des Erblassers zu beachten,431 im Übrigen kann er aber seine Befugnis nach freiem Belieben ausüben.432 Eine Entscheidung nach freiem Belieben ist aber nur auf die äußere Grenze eines Gesetzes‑ und Sittenverstoßes zu kontrollieren,433 unabhängig davon, ob sie von einer als Partei oder einer als Dritter zu qualifizierenden Person getroffen wurde. Für die Kontrolle der Entscheidung spielt es deshalb – anders als bei § 2156 BGB – keine Rolle, wie der Entscheidungsbefugte zu qualifizieren ist. Die Vorschrift des § 2198 BGB kann also dazu führen, dass eine als „Partei“ zu qualifizierende Person ein Bestimmungsrecht nach freiem Belieben ausüben kann. Im Schuldrecht werden seit langem (allerdings unberechtigte) Bedenken gegen ein Parteibestimmungsrecht nach freiem Belieben geäußert.434 All denjenigen, die es für unzulässig halten, einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht nach freiem Belieben einzuräumen, müsste das Bestimmungsrecht nach § 2198 BGB – und ebenso das nach § 2151 BGB – dann problematisch erscheinen, wenn der Bestimmungsberechtigte auch sich selbst auswählen kann. Jedoch ist – wie schon im Schuldrecht, so auch im vorliegenden Kontext – eine Beschränkung des Entscheidungsmaßstabs auf das billige Ermessen nicht erforderlich. Im Erbrecht ist zudem das zu § 315 BGB vorgetragene Argument, die eine Partei dürfe nicht der schrankenlosen Entscheidungsmacht der anderen Partei ausgeliefert sein,435 noch weniger stichhaltig. Vermochte der Einwand schon im Schuldrecht nicht zu überzeugen, weil stets die Schranken der §§ 134, 138, 242 BGB bleiben, ist es im Erbrecht aufgrund des andersartigen Delegationsmechanismus 429  Zu Gestaltungsmöglichkeiten Reimann, DNotZ 1990, 433 ff. – Zur Testamentsvollstreckertätigkeit von Notaren siehe auch W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 94 f. 430  Vgl. zur Bestimmungsbefugnis des Alleinerben W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 57. 431 Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 2 („freies Ermessen“, gemeint ist aber freies Belieben); Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 2; W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 60. 432  Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 5; Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 2 (gemeint ist dort „freies Belieben“). 433  Die Bestimmung ist eine Willenserklärung, W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 58. Auf sie finden daher auch die §§ 134, 138 BGB Anwendung. 434  Siehe oben § 3 Fn. 97. 435 Vgl. v. Tuhr, AT II/1, S. 460 (§ 62 II).

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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schon schwierig, einen vergleichbaren Interessengegensatz und damit eine Situation des Ausgeliefertseins zu erkennen. Selbstverständlich haben beispielsweise bei § 2151 BGB die anderen potentiellen Vermächtnisnehmer ein Interesse daran, dass der Bestimmungsberechtigte nicht sich selbst zum Empfänger des Vermächtnisses bestimmt. Indes sind nicht sie es, die dem Bestimmungsberechtigten seine Befugnis verliehen haben. Die Befugnis räumt der Erblasser ein, der die „schrankenlose“ Macht aber gerade gewollt hat. Der besonders weite Entscheidungsspielraum benachteiligt den Erblasser nicht, sondern stellt für ihn gerade ein Mittel zur Verwirklichung seines Willens, der nicht auf einen Ausgleich zwischen den potentiell Bedachten gerichtet sein muss, dar. Interessen der potentiellen Vermächtnisnehmer sind damit ebenso unbeachtliche Drittinteressen wie im Schuldrecht die Interessen von nicht am Vertrag beteiligten Personen.

2. Analyse: Gleichlauf von Schuldrecht und Erbrecht a) Entscheidungen nach freiem Belieben Geht es nun auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme um die Frage, inwieweit auch für die Delegation von Privatautonomie im Erbrecht ein Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gilt, so ist zunächst eine Besonderheit vieler erbrechtlicher Drittbestimmungen zu berücksichtigen: Häufiger als im Schuldrecht ist der Dritte aufgerufen, nach freiem Belieben zu entscheiden. Teilweise ist dieser Entscheidungsmaßstab sogar – anders als im Schuldrecht (§ 317 Abs. 1 BGB) – der Regelfall. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erblasser keine Anhaltspunkte gegeben hat, an denen die Entscheidung auszurichten ist. Passt in diesen Fällen überhaupt ein Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zum Erblasserwillen? Oder zeigt der Erblasser damit, dass er jemanden nach dessen subjektiven Kriterien entscheiden lässt, nicht gerade, dass ihm letztlich gleichgültig ist, welche Interessen und Vorlieben und damit auch welche Abhängigkeiten und Parteinahme den Bestimmungsberechtigten leiten? Dazu ist zunächst eine Überlegung zum Maßstab des freien Beliebens im Erbrecht anzustellen: Der Erblasser kann – bis zur Grenze von Sittenwidrigkeit und Schikane – nach Herzenslust diskriminieren, bevorzugen und zurücksetzen; er ist an kein billiges Ermessen gebunden.436 Indes geht es, wie schon im Schuldrecht,437 nicht an, vom Entscheidungsmaßstab des Delegierenden auf den Entscheidungsmaßstab des Bestimmungsberechtigten zu schließen. Vertragsparteien können beim Vertragsschluss grundsätzlich ihren eigenen Vorteil auf Kosten der Gegenseite verfolgen.438 Gleichwohl erwarten sie im Zweifel von ei436  Siehe z.B. Lange/Kuchinke, S. 1153 (§ 44 III 5 h) zu Teilungsanordnungen sowie bereits oben § 5 Fn. 542. 437  Siehe oben § 4 C.I.2.d) (S. 205 ff.). 438  Ob es für eine Vertragspartei opportun ist, so zu handeln, ist eine andere Frage.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

nem Dritten, dem sie gemeinsam die Rechtsmacht einräumen, ihre Beziehungen gestaltend oder feststellend zu beeinflussen, dass dieser Dritte die Interessen beider Seiten berücksichtigt und für einen billigen Ausgleich sorgt. Entsprechend ist zumindest dann, wenn der Erblasser Anhaltspunkte zu erkennen gibt, an welchen Kriterien er seine Entscheidung ausrichten würde, davon auszugehen, dass er von dem Bestimmungsberechtigten eine Berücksichtigung dieser Kriterien erwartet. Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist aber nichts anderes als die Ausübung billigen Ermessens. Eine subjektive Entscheidung nach seiner eigenen Lust und Laune soll der Dritte gerade nicht treffen. Sofern aber der Erblasser die Berücksichtigung seines Willens anhand der von ihm vorgegebenen Kriterien erwartet, will er mutmaßlich auch, dass der Bestimmungsberechtigte frei von Einflüssen von außen ist, mithin dass er unabhängig und unparteilich entscheidet. Im Schuldrecht soll die Neutralität des Bestimmungsberechtigten gewährleisten, dass der Dritte einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien herstellt und nicht eine Partei bevorzugt. Im Erbrecht geht es zwar nicht um einen Interessenausgleich, sondern um die Verwirklichung des Erblasserwillens. Zur Erreichung dieses Zwecks ist aber die Neutralität im Verhältnis zum Willen anderer erforderlich. Nur dort, wo Anhaltspunkte für den Erblasserwillen fehlen, hat der Erblasser zu erkennen gegeben, dass der Bestimmungsberechtigte subjektiv nach Belieben entscheiden darf. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit liegen dennoch in seinem Willen: Denn indem er einer Person die Gestaltungsmacht einräumt, nach freiem Belieben zu entscheiden, setzt er besonders großes Vertrauen in das Urteil dieser Person.439 Dann kann der Erblasser aber nicht wollen, dass diese Vertrauensperson durch „Einflüsterungen“ oder Abhängigkeiten von Dritten beeinflusst wird. Ausschlaggebend soll vielmehr das ungetrübte Belieben des Bestimmungsberechtigten sein. Damit gehört auch – vielleicht sogar: gerade – in Fällen einer Entscheidung nach freiem Belieben die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Bestimmungsberechtigten zum mutmaßlichen Erblasserwillen.

b) Begründung des Gebots aus dem mutmaßlichen Erblasserwillen Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch im Erbrecht das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aus dem mutmaßlichen Erblasserwillen begründet werden kann.440 Freilich darf nicht vergessen werden, dass im Erb439 

Zum Schuldrecht siehe oben § 4 D.II.1.a) (S. 236 ff.). Grundsätzlich anders Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 34: Auf den Schiedsgutachter bei der Bezeichnung des Erben seien die §§ 1025 ff. ZPO analog anwendbar. Personen, die den Erbaspiranten nahestehen, scheiden deshalb als Schiedsgutachter aus und können nach den ZPO-Regeln abgelehnt werden. Jedenfalls gelte der strengere Überprüfungsmaßstab des § 315 Abs. 3 BGB. 440 

B. Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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recht häufig andere Beziehungen zwischen den Beteiligten herrschen als in den wirtschaftsrechtlich geprägten Zusammenhängen des Schiedsgutachtens im Schuldrecht. So ist es selbstverständlich, dass die Ehefrau des Erblassers nicht gänzlich unbefangen den Empfänger eines nennenswerten Vorausvermächtnisses unter den als Erben eingesetzten gemeinsamen Kindern auswählen kann. Diese Befangenheit hat der Erblasser aber sehenden Auges in Kauf genommen. Sie ist daher von den Beteiligten hinzunehmen und spricht nicht gegen die grundsätzliche Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Das zeigt schon die folgende Kontrollüberlegung: Hat der Erblasser die Vorstellung, einen Neutralen mit der Entscheidung zu betrauen – etwa einen Sachverständigen zur Auswahl eines förderungswürdigen Zwecks –, und erweist sich dieser Sachverständige nach dem Tod des Erblassers als voreingenommen, liefe es dem Erblasserwillen zuwider, wenn diese Besorgnis der Befangenheit folgenlos bliebe.

c) Entscheidungen in eigener Sache Besonders strenge Anforderungen gelten im Fall einer Entscheidung in eigener Sache. Eine derartige Entscheidung liegt immer dann vor, wenn der Bestimmungsbefugte selbst von ihren Folgen formal betroffen ist, insbesondere wenn er als (Mit-)Erbe über das Schicksal von Nachlassgegenständen zu befinden hat, da er dann selbst Partei der Abwicklung ist. Generell unzulässig ist es nach § 7 BeurkG, den das Testament beurkundenden Notar zum Bestimmungsberechtigten zu machen, da ihm die Bestimmungsbefugnis jedenfalls einen rechtlichen Vorteil verschafft.441 Im Ergebnis lässt sich aus diesen Mosaiksteinen ein Bild zusammensetzen, das den Schlussfolgerungen im Schuldrecht entspricht.

d) Feststellende Schiedsgutachten Im Schuldrecht war es das feststellende Gutachten, das als Ausgangspunkt für Überlegungen zum Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit diente. Im Erbrecht wurde umgekehrt bislang das gestaltende Schiedsgutachten betrachtet. Dieses Vorgehen dürfte der relativen Häufigkeit und Bedeutung der jeweiligen Gutachtentypen entsprechen. Zur Vervollständigung des Bildes ist abschließend noch ein Blick auf das feststellende Schiedsgutachten im Erbrecht zu werfen: Es kann etwa vorkommen zur Feststellung, ob eine Bedingung eingetreten oder ausgefallen ist oder ob eine Person vom Erblasser aufgestellte Kriterien erfüllt. Auf dieses – wie im Schuldrecht gesetzlich nicht geregelte – feststellende Schiedsgutachten sollen die Regeln der §§ 317–319 BGB analoge Anwen441  Vgl. zur Auswahl eines förderungswürdigen Zwecks BGH v. 4.2.1987 NJW‑RR 1987, 1090, 1091; Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 1. Zu § 2198 BGB: BGH v. 10.10.2012 NJW 2013, 52. Zu § 2151 BGB: W. Zimmermann, FamRZ 2013, 34, 35.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

dung finden.442 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Nicht auf den Maßstab der §§ 317 ff. BGB, sondern auf § 315 BGB ist jedoch zu rekurrieren, wenn die Feststellung in eigener Sache zu treffen ist. Das kommt etwa in Betracht, wenn die Ehefrau und Alleinerbin des Erblassers darüber befinden soll, ob die aufschiebende Bedingung für einen Vermächtnisanspruch eingetreten ist.

V. Ergebnis Das Ergebnis dieser Überlegungen lässt sich auf eine knappe Formel bringen: Der Schiedsgutachter muss unabhängig und unparteilich sein. Dies gilt für gestaltende wie für feststellende Schiedsgutachter; es gilt im Schuldrecht wie im Erbrecht. Ein derartiges Neutralitätsgebot ist unproblematisch anzunehmen, wenn die Delegation ausdrücklich ein derartiges Gebot vorsieht. Schiedsgutachtenvereinbarungen in AGB sind ohne eine ausdrückliche Vereinbarung von Neutralitätsanforderungen unwirksam. Im Übrigen ergibt sich das Neutralitätsgebot aus dem mutmaßlichen Parteiwillen. Indem ein außenstehender Dritter um seine Entscheidung ersucht wird, sind daran bestimmte Erwartungen an dessen Entscheidungsfindung geknüpft. Er soll eine Entscheidung treffen, die keine Seite bevorzugt, sondern zu einem angemessenen Interessenausgleich der Vertragspartner oder einer Entscheidung im Sinne des Erblassers bzw. zu einem sachlich richtigen Ergebnis gelangt. Besonders gut sichtbar wird dieser Parteiwille, wenn schon die Auswahl des Bestimmungsberechtigten einer neutralen Stelle überlassen wird. Eine Differenzierung zwischen feststellenden und gestaltenden Schiedsgutachten ist bei dieser Begründung weder erforderlich, noch wäre sie angesichts der funktionalen Ähnlichkeit von Gestaltung und Feststellung sinnvoll. Dass mit dem Neutralitätsgebot ein vor allem aus dem Verfahrensrecht vertrauter Grundsatz in die §§ 317 ff. BGB importiert wird, zwingt nicht zu weiteren über das materielle Recht hinaus reichenden Begründungsansätzen. Der Dritte nimmt eine Aufgabe der Parteien und nicht die Funktion eines (Schieds‑)Richters oder eines gerichtlichen Sachverständigen wahr. Sein Spruch bindet den Richter als Teil der materiellen Rechtslage. Ob seine Tätigkeit als Rechtsprechung anzusehen ist, spielt für die Anforderungen an seine Neutralität keine Rolle. Die Möglichkeit einer rein materiell-rechtlichen Begründung auf der Grundlage des Parteiwillens kann sich insbesondere auch auf die entsprechende Rechtslage in England und Frankreich stützen, wo ganz selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass die Parteien nur eine neutrale Person als Dritten einschalten wollen. Eine prozessuale Anleihe 442  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 12; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33 ff.; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 42.

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 493

sollte allein dann vorgenommen werden, wenn sich die Tätigkeit des Dritten als Entscheidung in eigener Sache im Sinne der im Schiedsverfahrensrecht dazu entwickelten Grundsätze darstellt: Der Spruch des Dritten ist dann anhand von § 315 Abs. 3 BGB zu kontrollieren.

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Die Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit besagt noch nichts darüber, welche Folgen eine Verletzung des Gebots hat. Insbesondere folgt daraus trotz der Vertrautheit dieses Gebots aus zivilprozessualen Zusammenhängen nicht zwingend die analoge Anwendbarkeit von Vorschriften der ZPO zur Ablehnung von Richtern (§§ 41 f. ZPO), Sachverständigen (§ 406 ZPO) oder Schiedsrichtern (§ 1037 ZPO). Vielmehr sind verschiedene Lösungswege in Betracht zu ziehen.

I. Unwirksamkeit des Schiedsgutachtens und der Schiedsgutachtenvereinbarung Die am weitesten reichende Folge würde es darstellen, sowohl das Schiedsgutachten als auch die Schiedsgutachtenvereinbarung als unwirksam zu betrachten. Den Parteien würde aufgrund der Unwirksamkeit des Schiedsgutachtens nicht nur die Drittbestimmung fehlen. Sie hätten auch, sofern sie sich nicht erneut über die Einholung eines Gutachtens einigen, keine Möglichkeit, dies fehlende Gutachten zu ersetzen, da mit der Schiedsgutachtenvereinbarung sowohl die Möglichkeit zur Einholung eines neuen Gutachtens als auch der Ansatzpunkt zur gerichtlichen Ersetzung nach § 319 Abs. 1 BGB entfallen ist. Ob die Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung zugleich den gesamten Vertrag, mit der sie verknüpft ist, der Nichtigkeit anheim gibt, richtet sich in erster Linie nach § 139 BGB, hängt aber zudem von der Mission des Schiedsgutachters ab: Selbst wenn die Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt, kann im Falle der Vereinbarung eines gestaltenden Schiedsgutachtens der Fall eintreten, dass ohne die Schiedsgutachtenvereinbarung der Vertrag nicht mehr dem Bestimmtheitsgebot genügt und deshalb unwirksam ist, sofern nicht die Parteien privatautonom für Abhilfe sorgen. Diese Konsequenz droht im Falle der Vereinbarung eines feststellenden Schiedsgutachtens nicht, da die nötige Tatsachenfeststellung auch durch ein Gericht vorgenommen werden kann. Wer diesen Ansatz, die Folgen eines Verstoßes gegen das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu bestimmen, als zu weitgehend empfindet,

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

muss bedenken, dass die Rechtsprechung diese Lösung unter Billigung weiter Teile des Schrifttums bei Schiedsgutachtenklauseln in AGB einsetzt.443 Für Schiedsgutachtenvereinbarungen außerhalb von AGB hat diese Ansicht jedoch nur wenige Anhänger gefunden. Vor allem Nicklisch meint, die Einigung auf einen Schiedsgutachter sei generell unwirksam im Fall der (Teil‑)Identität mit einer Partei oder im Fall der Einräumung eines unvertretbaren Übergewichts einer Partei bei der Bestellung des Schiedsrichters.444 Die Unwirksamkeit dieser Klausel führe über § 139 BGB regelmäßig zur Unwirksamkeit der gesamten Schiedsgutachtenvereinbarung und zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens.445 Nicklisch entwickelt diese Ansicht im Rahmen seiner Untersuchung zu Schätzwertklauseln im Gebrauchtwagenhandel, also einer Konstellation, in der häufig AGB zum Einsatz kommen dürften und seine Lösung deshalb eher interessengerecht erscheinen kann. Er erstreckt die Argumentation jedoch ausdrücklich auch auf Individualvereinbarungen zwischen zwei Privatleuten.446 Seine Argumentation orientiert sich an der seinerzeitigen Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen.447 Diese für Schiedsrichter geltenden Regeln seien auf Schiedsgutachter zu übertragen, da beide denselben Anforderungen hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unterliegen.448 Eine rein materiell-rechtlichen Sicht des feststellenden Schiedsgutachtens komme zu demselben Ergebnis, da der Parteiwille darauf gerichtet sei, dass eine „neutrale Stelle“ das Gutachten erstelle.449 Ihm ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Unwirksamkeit eines Schiedsspruches wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes gegen den Schiedsrichter nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen muss; Entsprechendes muss deshalb auch nicht im Bereich des Schiedsgutachtenwesen angenom443 

Siehe oben § 3 B.III. (S. 138 f.). Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17 ff.; Kurzfassung bei dems., BB 1971, 1205, 1207, Verweise im Folgenden nur auf die Langfassung. – Für Nichtigkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung nach § 134 BGB und Unwirksamkeit eines darauf gestützten Schiedsgutachtens für den Fall einer Verletzung des Gebots überparteilicher Rechtspflege auch Wittmann, S. 128; ansatzweise auch Sieveking, S. 57 f.; Kisch, Schiedsmann, S. 66, falls alle in Betracht kommenden Schiedsgutachter befangen wären. 445  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 24 f. – Die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens kann freilich, selbst wer Nicklisch bis hierhin folgt, nicht aus § 139 BGB entnehmen, da Unterwerfungsvereinbarung und Schiedsgutachten getrennte Akte sind. An späterer Stelle seiner Untersuchung präzisiert auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 101, dass die Unverbindlichkeit entsprechend der Aufhebbarkeit eines Schiedsspruchs bei Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung herzuleiten ist (heute: § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO). 446  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 26 f. Die Ansicht scheint sich also auch auf Schiedsgutachtenklauseln in Individualvereinbarungen zu beziehen, obwohl die zitierte Passage diese Problematik nicht ausdrücklich abhandelt. 447  Insbesondere BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 262; dazu bereits oben bei Fn. 345. Siehe auch BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 400. 448  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17 ff. 449  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 25 Fn. 81. 444 

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 495

men werden. In der Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters wird heute überwiegend ein Aufhebungsgrund wegen ordre public-Verstoßes gesehen.450 Die Aufhebung des Schiedsspruches lässt jedoch nach § 1059 Abs. 5 ZPO die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens grundsätzlich intakt.451 Für Ausschlussgründe ergibt sich dies zudem aus der Regelung, die § 1034 Abs. 2 ZPO für das Übergewicht einer Partei bei der Bestimmung der Zusammensetzung des Schiedsgerichts trifft.452 Für eine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB ist somit in der Regel kein Raum. Angreifbar ist dieser Ansatz ferner, weil die entsprechende Anwendung der ZPO-Vorschriften zum Schiedsverfahren letztlich auf eine Funktionsähnlichkeit zwischen Schiedsgutachter einerseits und Schiedsrichter oder Sachverständigem andererseits gestützt wird. Vor einem derartigen Schluss ist indes zu überlegen, ob die Interessen der Beteiligten die Orientierung an den ZPO-Regeln tragen. Dies ist gerade nicht der Fall: Eine Gesamtnichtigkeit würde angesichts der oben skizzierten weitreichenden Folgen insbesondere bei gestaltenden Schiedsgutachten – zumindest außerhalb von AGB – nicht den Parteiinteressen entsprechen. Viel eher bestünde die Gefahr, dass eine Partei sich auf einen Ausschlussgrund beruft, weil sie ein Geschäft später bereut und es deshalb insgesamt zu Fall zu bringen möchte. Schiedsgutachten und Schiedsverfahren unterscheiden sich insofern, als § 319 Abs. 1 BGB eine Regelung bereithält, wie ein Schiedsgutachtenverfahren „gerettet“ werden kann. Selbst wenn also alle in der Schiedsgutachtenvereinbarung bezeichneten Personen aufgrund des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht als Schiedsgutachter in Frage kämen, wäre – anders als dies früher die Rechtsprechung im Schiedsverfahrensrecht angenommen hat453 – keine Unwirksamkeit der Klausel erforderlich.454 Dass der Parteiwille auf die Erstellung 450  Siehe

oben bei Fn. 345. So bemerkenswerterweise auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 25 selbst. 451  Dies war nach altem Recht anders, siehe nur Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1059 Rn. 77 mit umfangreichen Nachw. in Fn. 324. 452  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1036 Rn. 11. 453  Im Gegensatz zu BGH v. 5.11.1970 BGHZ 54, 392, 400 und BGH v. 19.12.1968 BGHZ 51, 255, 262 zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach § 134 BGB bei Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache. Eine Ablehnung allein reiche als Rechtsbehelf nicht aus, da jeder in Betracht kommende (von einer Liste, die eine Partei aufgestellt hatte, auszuwählende) Schiedsrichter abgelehnt werden könnte. In diesem Fall gehe es nach Kornblum, ZZP 82 (1969), 480, 487 nicht um die Parteilichkeit eines Schiedsrichters und dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, sondern um die Unparteilichkeit des Schiedsgerichts als solches, deren fehlende Gewährleistung zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach § 134 BGB und Aufhebung des Schiedsspruches, der deshalb auf einem unzulässigen Verfahren beruhe, führe. – Auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht wäre in diesem Fall wohl die Zweifelsregel des § 1059 Abs. 5 ZPO widerlegt. 454 A.A. Kisch, Schiedsmann, S. 66. Die von Kisch als Beleg herangezogene, vor Inkrafttreten des BGB zu Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergangene Entscheidung RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350 stützt seine Ansicht nicht unbedingt. Das Reichsgericht hatte es darin als überflüssig angesehen, eine neue Sachverständigenkommission einzusetzen, falls ein

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

eines neutralen Gutachtens gerichtet ist, impliziert keinen darauf gerichteten Parteiwillen, dass die fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des in der Schiedsgutachtenvereinbarung benannten „Dritten“ zur Unwirksamkeit nicht nur des Gutachtens, sondern auch der Schiedsgutachtenvereinbarung führt.455 Eine Unwirksamkeit ist nicht einmal vonnöten, wenn es um eklatante Fälle geht, die – wie vor allem das Richten in eigener Sache – im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit unter das Gebot überparteilicher Rechtspflege fallen.456 Denn gerade für diese Fälle enthält das Gesetz im Zusammenspiel von § 315 BGB und § 317 BGB457 selbst eine Lösung, die einen Rückgriff auf § 134 BGB entbehrlich macht.458 Statt die Schiedsgutachtenvereinbarung für nichtig zu erklären, kann sie mit der erweiterten Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB aufrechterhalten werden.

II. Haftung des Schiedsgutachters Am anderen Ende der Skala denkbarer Lösungswege kommt ein Modell in Betracht, das die Wirksamkeit sowohl der Schiedsgutachtenvereinbarung als auch des Schiedsgutachtens selbst unangetastet und stattdessen den nicht neutralen Schiedsgutachter für Schäden, die einer Partei aus dem Neutralitätsverstoß erwachsen, haften lässt. Funktional ist dieses Lösungsmodell durchaus einschlägig. Es muss hier jedoch nicht weiterverfolgt werden, da es nicht unmittelbar auf der Delegation der Privatautonomie beruht. Denn eine vertragliche Haftung des Schiedsgutachters lässt sich nur auf die mit ihm getroffene Vereinbarung stützen, nicht jedoch auf den Schiedsgutachtenvertrag, in dem die Parteien ihre Privatautonomie delegieren. Würden sie in diesem Vertrag eine Haftung des Schiedsgutachters statuieren, läge darin eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten eines Dritten. Ein in der Schiedsgutachtenvereinbarung ausdrücklich oder nach dem mutmaßlichen Parteiwillen enthaltenes Neutralitätsgebot hätte in der Vereinbarung selbst keinerlei Sanktionen, sondern müsste gewissermaßen mediatisiert in den Vertrag mit dem Schiedsgutachter hineingetragen werden. Die Parteien müssten sich in

Schiedsgutachten nicht vertragsgemäß erstellt und deshalb unverbindlich ist. Diese Folge ließe sich nach geltendem Recht entweder mit der Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenabrede oder schlicht mit § 319 Abs. 1 BGB begründen. 455  Wiederum gilt: In AGB mag die Beurteilung der Parteiinteressen anders ausfallen. Insbesondere ist dort das Verbot geltungserhaltender Reduktion zu beachten, wenn die Einholung eines Schiedsgutachtens und die Benennung des Schiedsgutachters in derselben Klausel vereinbart werden. 456  Zur Beschränkung auf diesen Bereich siehe oben Fn. 444. 457  Dazu oben § 7 B.II.6.c) (S. 470 ff.). 458 Ähnlich Kisch, Schiedsmann, S. 63 mit Fn. 3.

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 497

der Schiedsgutachtenvereinbarung verpflichten, den Schiedsgutachter zur Neutralität zu verpflichten.

III. Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens Kann damit – zumindest in Individualvereinbarungen – der Verstoß gegen das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit die Wirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung nicht beeinträchtigen, ist nun noch zu klären, welche Wirkung der Verstoß auf die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens hat. Gegenüber der Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung und Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens stellt es eine mildere Sanktion dar, lediglich das Schiedsgutachten als unverbindlich anzusehen. Sowohl nach englischem als auch nach französischem Recht sind die Parteien nicht an die Entscheidung eines nicht neutralen Schiedsgutachters gebunden. Allerdings gelangen beide Rechtsordnungen auf unterschiedlichen Wegen zu diesem Ergebnis. Das englische Recht geht das Problem auf direktem Weg an: Handelt der Dritte tatsächlich parteilich, führt das zur Unverbindlichkeit seines Schiedsgutachtens, ohne dass es auf dessen Inhalt ankäme.459 Komplizierter ist die Konstruktion im französischen Recht, das nur mittelbar das Schiedsgutachten für unverbindlich erklärt. Fehlt es an der erforderlichen Neutralität, so wirkt sich das zunächst auf die Bestellung des Dritten aus. Diese wird aufgrund eines Willensmangels unwirksam, und die Unwirksamkeit der Bestellung des Dritten führt dann wiederum zur Unverbindlichkeit seiner Entscheidung.460 Die Auswirkungen auf das Grundgeschäft der Parteien sind unklar. Verbreitet wird angenommen, der zugrunde liegende Kaufvertrag sei mangels bestimmbaren Preises ebenfalls hinfällig.461 Dies erscheint jedoch nicht zwingend; es wird deshalb auch die Ansicht vertreten, die Parteien würden in die Ausgangsposition zurückversetzt.462 Haben sie Vorsorge für den Ausfall des Dritten getroffen, kann dieser Mechanismus eingreifen; ansonsten bleibt ihnen nur die – ungewisse – Möglichkeit der Einigung auf einen neuen Dritten. Der Fall ist folglich wie ein Fehlschlagen der Delegation zu behandeln. Darin liegt ein Unterschied zum englischen Recht, das die Bestellung des Dritten unange459 

Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 7.3.3, 14.11.1 ff.; Borowsky, S. 103, 203. civ. 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Moury, Nr. 21.111 f.; Mestre, RTD civ. 1998, 898, 900. Diese differenziertere Sichtweise stellt auch die oben Fn. 336 erwähnte Rechtsprechung in Frage, die einen abhängigen Dritten als Partei behandelt und deshalb nach Art. 1591 Code civil die Unwirksamkeit des Vertrags annimmt. 461  Mazeaud/Mazeaud/Mazeaud/Chabas, Obligations, Nr. 237‑7; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 286; Sachs, FS Schlosser, S. 818. 462  Moury, Nr. 21.121 m.w.N. 460  Cass.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

tastet lässt und vielmehr seinen Spruch als fehlerhaft behandelt. Solange aber an das Fehlschlagen der Delegation und die Unverbindlichkeit der Entscheidung eines wirksam bestellten Dritten dieselben Rechtsfolgen geknüpft sind, wirkt sich der Unterschied nicht aus. Auch für das deutsche Recht stellt die Unverbindlichkeit gewissermaßen die in § 319 Abs. 1 BGB vom Gesetz vorgezeichnete Regelsanktion für fehlerhafte Schiedsgutachten dar. Zu klären ist dann aber, wodurch ein Schiedsgutachten fehlerhaft wird. Ist es – wie in England und Frankreich – allein der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, der zur Unverbindlichkeit führt, oder muss zusätzlich das Ergebnis (deswegen) offenbar unbillig bzw. offenbar unrichtig sein? Dass ein Schiedsgutachten im zuletzt genannten Fall unverbindlich ist, ergibt sich unmittelbar aus § 319 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Neutralitätsverstoß verliert demgegenüber seine Relevanz. Denn sofern schon das Ergebnis des Schiedsgutachtens Anstoß erregt, kommt es auf Fehler, die auf dem Weg dorthin unterlaufen sind, nicht mehr an. Problematisch ist also allein der Fall, dass ein befangener Schiedsgutachter zu einem inhaltlich nicht zu beanstandenden Schiedsgutachten gelangt. Eine eigenständige Relevanz des Neutralitätsverstoßes hätte nicht geringe Auswirkungen auf die Position der Beteiligten. Denn für eine Partei, die das Schiedsgutachten angreifen möchte, kann es unter Umständen wesentlich einfacher sein, nur den Verfahrensfehler beweisen zu müssen, als darüber hinaus auch noch das Gericht von der offenbaren Unbilligkeit des Gutachtens zu überzeugen.463 Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur nimmt eine ergebnis­ unabhängige Unverbindlichkeit des von einem befangenen Schiedsgutachter erstellten Gutachtens an – unabhängig davon, wie die einzelnen Autoren das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in das Schiedsgutachtenrecht importieren.464 Nur vereinzelt wird kritisiert, dass für die fehlende Bin463 

Jonas, JW 1937, 221; allgemein zu Verfahrensverstößen Sieg, VersR 1965, 629, 634. Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 44; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 84, § 319 Rn. 11 f.; Thomas/Putzo/Reichold, § 1036 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 22; Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, § 18 VOB/B Rn. 22; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 11 (aber § 319 Rn. 9); Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 10; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675; Kisch, Schiedsmann, S. 66 f.; Greger/Stubbe, Rn. 115, 166; B. Rauscher, S. 272 f. (falls keine Ablehnung während des Schiedsgutachtenverfahrens möglich); ­Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 12; Habscheid, FS Laufke, S. 314 ff.; ders./Calavros, KTS 1979, 1, 11; O. Wolff, S. 51; Kallfelz, VersR 1959, 585, 586. Für die Anhänger einer – oben abgelehnten – rein prozessualen Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens stellt sich die Frage, ob sie die fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als von Amts wegen zu beachtenden ordre public-Verstoß qualifizieren wollen, so dass das Schiedsgutachten analog § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO ohne weiteres unverbindlich ist, oder ob sie lediglich einen analog § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO zu rügenden Mangel wegen fehlerhafter Besetzung der Position des Schiedsgutachters darstellt. Es bietet sich, etwas vereinfacht, eine Differenzierung nach der Schwere des Verstoßes an: Kommt der Verstoß einer Verletzung des Gebots überparteilicher Rechtspflege gleich, wie 464 

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 499

dungswirkung allein aufgrund des Neutralitätsmangels ein Anhaltspunkt im Gesetz fehle.465 Zudem bestehe kein Grund, einer verfahrensfehlerhaften, aber im Ergebnis richtigen Feststellung die Wirksamkeit zu versagen.466 Der Zweck des Schiedsgutachtenverfahrens gebiete, dass das in den §§ 319 Abs. 1 BGB, 84 Abs. 1 VVG verankerte Ziel einer raschen Streitentscheidung auf andere Unverbindlichkeitsgründe durchschlage und deshalb auch für diese eine Fehlerhaftigkeit des Gesamtergebnisses vorliegen müsse.467 Wenn insbesondere der BGH es in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1957 abgelehnt hat, ein Schiedsgutachten allein aufgrund eines Neutralitätsverstoßes als unverbindlich anzusehen,468 so beruht diese Weigerung darauf, dass er ein Neutralitätsgebot zusätzlich zu der Ergebniskontrolle nach § 319 BGB für entbehrlich hielt und somit bereits von einer anderen Prämisse ausging. Soweit die Rechtsprechung – vor und nach dieser Entscheidung – der Geltung eines Neutralitätsgebots größere Sympathie entgegengebracht hat, verknüpften die Gerichte mit einem Neutralitätsverstoß die Unverbindlichkeit des Gutachtens.469 Umständlich und gewunden wurde die Unverbindlichkeit konstruiert in der oben kommentierten Entscheidung, in der der BGH das Schiedsgutachten eines Dritten, der von einer Partei besondere Instruktionen erhalten hat, zu einem unverbindlichen Parteigutachten dies beim Richten in eigener Sache der Fall ist, dürfte zugleich der ordre public betroffen sein; bei Vorliegen eines „einfachen“ Befangenheitsgrundes wird dies eher zu verneinen sein. Diese Differenzierung findet sich für Schiedsgerichtsverfahren etwa bei Karl, S. 212 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, § 1059 Rn. 21 mit Anhang § 1061 Rn. 151; Musielak/Voit, § 1059 Rn. 16 und 26, § 1036 Rn. 4; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1059 Rn. 36, 45; Lachmann, Rn. 2252, 2310; wohl auch BGH v. 15.5.1986 BGHZ 98, 70, 74 f.; Zöller/Geimer, § 1059 Rn. 48. Anders (stets § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO) offenbar BGH v. 15.7.1999 BGHZ 142, 204, 206 (obiter); Schwab/ G. Walter, Kap. 24 Rn. 18; B. Rauscher, S. 272 (speziell zum Schiedsgutachten, allerdings auf der Grundlage des alten Schiedsverfahrensrechts). 465  Sieg, VersR 1965, 629, 632, der sich allerdings stattdessen für ein gesondertes Ablehnungsverfahren in Analogie zum Schiedsverfahrensrecht einsetzt; Buchdahl, S. 44; eine Vermutung der offenbaren Unrichtigkeit begründet die Befangenheit nach Halbgewachs, NZV 2004, 115, 116 f.; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 26; Wangner, S. 38 f.; offenbar auch Volmer, BB 1984, 1010, 1012; auch Sieveking, S. 436 (Unverbindlichkeit nur dann, „wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Schiedsgutachten ohne diese Befangenheit für die betreffende Partei günstiger ausgefallen wäre“). 466 NK-BGB/F. Wagner, § 319 Rn. 6. 467 Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 17, 27. 468  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365 (es kommt „für die Frage der Verbindlichkeit eines Schiedsgutachtens allein auf sein sachliches Ergebnis und nicht auf die Art und Weise seines Zustandekommens an“); ebenso schon KG v. 18.3.1904 APV 3 (1904), 146. 469  Siehe aus der Zeit vor der BGH-Entscheidung die Nachweise oben in Fn. 80. Für die Zeit danach sogleich im Text. Wegen Präklusion offen gelassen wurde die Frage der Unverbindlichkeit in BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601 (dass in diesem Urteil geäußert wird, der BGH habe „bislang nicht zu der Streitfrage Stellung genommen, ob schon die Befangenheit eines Sachverständigen das Gutachten unverbindlich machen kann, ohne daß noch nachgewiesen werden muß, daß die getroffene Feststellung selbst offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht“, ist allerdings kaum verständlich); BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

umgewidmet hat.470 Weniger umständlich gehen Entscheidungen vor, die angesichts einer Besorgnis der Befangenheit einen zur Unverbindlichkeit führenden schwerwiegenden Verfahrensmangel annehmen471 oder die Befangenheitsfrage als „Vorfrage“ im Prozess über die Inanspruchnahme des Schuldners auf die vom Schiedsgutachter festgesetzte Leistung ansehen.472 In beiden Fällen betonten die Gerichte, dass die Unverbindlichkeit unabhängig vom Inhalt des Gutachtens eintrete.473 Tatsächlich kann das Schiedsgutachten eines befangenen Dritten unabhängig von seinem Inhalt keine Verbindlichkeit entfalten. Diese inhaltsunabhängige Unverbindlichkeit mindert freilich den Bestandsschutz des Schiedsgutachtens und bedarf deshalb angesichts des gegenläufigen Interesses der Parteien an einer raschen und endgültigen Bereinigung ihres Streits einer Rechtfertigung. Als Rechtfertigung werden nun verschiedene Gründe im Schrifttum angeboten, die jedoch nicht ausschlaggebend erscheinen. Weder eine analoge Anwendung des Schiedsverfahrensrechts474 noch die Vermeidung der Bindung des Richters an ein zweifelbelastetes Gutachten475 konnten das Neutralitätsgebot begründen und tragen deshalb auch nicht die Unverbindlichkeit des Gutachtens. Die Begründung der Unverbindlichkeit mit Hilfe von § 779 BGB, da das Schiedsgutachten eine „vergleichsvertragsersetzende Funktion“ habe und seine Geschäftsgrundlage „das beiderseitige Vertrauen in die Neutralität und Kompetenz des Dritten“ sei,476 spricht mit dem Vertrauen in den Dritten einen wesentlichen Gesichtspunkt an, wählt aber einen komplizierten Umweg. Entscheidend dürften die folgenden beiden Gesichtspunkte sein: Zum einen entfällt mit der fehlenden Neutralität ein Sachgrund für die Beschränkung des gerichtlichen Kontrollmaßstabs auf „offenbare“ Fehler; zum anderen ist die Rechtfertigung im Mechanismus der Delegation und damit in der Privatautonomie der Parteien selbst zu suchen. Zu dem ersten Gesichtspunkt: Der Maßstab der offenbaren Unbilligkeit oder offenbaren Unrichtigkeit sorgt für eine eingeschränkte Er-

470 

BGH v. 6.6.1994 NJW-RR 1994, 1314. Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388 (unerheblich sei, ob eine Befangenheit tatsächlich vorliege, denn es genüge eine entsprechende Besorgnis, die sich aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen einer Falschaussage im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung ergebe); OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, 1083; BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191. Während in der BGH-Entscheidung ein Ablehnungsrecht in der Schiedsgutachtenabrede ausdrücklich vereinbart war, stützte sich das OLG Köln auf die §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO. 472  OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047. 473  Das OLG Köln v. 11.5.2001 OLG 2001, 388 ließ sich sogar zu der an sich unnötigen Bemerkung hinreißen, „[a]uf keinen Fall“ sei eines der in Streit stehenden Schiedsgutachten seinem Inhalt nach offenbar unrichtig. 474 Z.B. B. Rauscher, S. 272; Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, § 18 VOB/B Rn. 22. 475 Z.B. Greger/Stubbe, Rn. 166; Habscheid, FS Laufke, S. 315. 476 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 12. 471  OLG

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gebniskontrolle, die im sensiblen Bereich der Neutralität nicht ausreicht. Denn die Grenze der offenbaren Unbilligkeit lässt dem Schiedsgutachter einen breiten Entscheidungsspielraum, den er zum Nachteil einer Partei ausschöpfen kann, ohne dass das Gutachten unwirksam wird.477 Begründet wird dieser Spielraum unter anderem mit dem Vertrauensvorschuss, den die Parteien dem Dritten entgegenbringen.478 Stellt sich jedoch heraus, dass dem Dritten die nötige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit fehlt und damit konkrete Anhaltspunkte dies Vertrauen erschüttern, verfängt das Argument des Vertrauensvorschusses gerade nicht.479 Der zweite Gesichtspunkt basiert auf dem allgemeinen Grundsatz, dass die Parteien in ihrer Unterwerfungsvereinbarung die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens festlegen und ein Schiedsgutachten deshalb ergebnisunabhängig unverbindlich ist, wenn der Schiedsgutachter die ihm eingeräumten Befugnisse überschreitet.480 Unproblematisch bejahen lässt sich eine eigenständige Relevanz des Neutralitätsmangels daher, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass der Schiedsgutachter seine Tätigkeit unabhängig und unparteilich zu versehen habe. Die Entscheidung eines nicht neutralen Dritten ist dann nicht von der Unterwerfungsvereinbarung gedeckt.481 Daraus folgt aber, dass auch im Übrigen, d.h. ohne ausdrückliche Vereinbarung des Neutralitätsgebots, ein Neutralitätsverstoß zur Unverbindlichkeit führen muss: Denn die Geltung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit entspricht, wie gesehen,482 auch ohne ausdrückliche Abrede dem mutmaßlichen Parteiwillen. Auf diesem Weg wird dasselbe Ergebnis wie im englischen Recht erzielt. Die Folge einer Unverbindlichkeit ist den allgemeinen Regeln zu entnehmen: Sofern die Parteien Vorsorge für den Fall der Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens getroffen haben, ist diese Vereinbarung maßgebend.483 Ist der von 477 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 673. Ausführlich siehe unten § 15 C.I.1.b) (S. 721 f.). 479  Siehe oben § 7 B.II.6.b) (S. 467 ff.). 480  Habscheid, FS Lehmann II, S. 801 (allerdings ausdrücklich nur für das feststellende Schiedsgutachten); RG v. 27.10.1899 RGZ 45, 350, 352; näher unten § 15 B. (S. 707 ff.). Im Grunde ist dieser Satz auch schon in BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365 angelegt: Es komme zwar nur auf das Ergebnis des Schiedsgutachtens, nicht auf die Art und Weise seines Zustandekommens an, doch müssten zudem die „zwingenden Vertragsbestimmungen“, z.B. über die Ernennung des Schiedsgutachter, eingehalten worden sein. 481  Kisch, Schiedsmann, S. 66 (Neutralität des Dritten sei „die ‚Bedingung‘, unter welcher die Parteien sich seiner Entscheidung unterwerfen“ wollten); Sieg, VersR 1965, 629, 632. 482  Siehe oben § 7 B.II.5.d) (S. 462). 483  Greger/Stubbe, Rn. 166. Davon ging offenbar auch das OLG Köln in dem soeben zitierten Fall aus: Es trete keine gerichtliche Feststellung an die Stelle des Schiedsgutachtens, sondern es sei ein neues Schiedsgutachtenverfahren mit einem anderen, wiederum von der in der Schiedsgutachtenvereinbarung damit betrauten Industrie‑ und Handelskammer benannten Schiedsgutachter durchzuführen. 478 

502

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

den Parteien vereinbarte Mechanismus gescheitert, führt § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zu einer gerichtlichen Ersetzung.484 Ob die gerichtliche Bestellung eines neuen Schiedsgutachters zu einer unzumutbaren Verzögerung führen würde,485 lässt sich pauschal nicht entscheiden. Für ein derartiges Vorgehen würde aber jedenfalls die Rechtsgrundlage fehlen. Die Parteien selbst können aus eigener Vollkommenheit heraus keine Kompetenz des Richters zur Ersetzung des Schiedsgutachters schaffen.486

IV. Zwischenstreit über die Befangenheit Entstehen die Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters schon, bevor oder während er sein Gutachten erstellt, erscheint es unbefriedigend, ihn erst weiterarbeiten zu lassen und in einem anschließenden Rechtsstreit die Unverbindlichkeit des Gutachtens geltend zu machen. Auf diese Weise müssen die Parteien Zeit und Kosten aufwenden für ein Ergebnis, dessen Bestand nicht gesichert ist. Es ist auch nicht immer interessengerecht, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. Zumindest derjenigen Partei, die sich aufgrund des Gutachtens in der „Angreiferrolle“ befindet, weil das Schiedsgutachten Elemente eines ihr zustehenden Anspruchs festlegt, ist nicht damit gedient, die Befangenheitsfrage in ein Nachverfahren zu verschieben. Wenn man davon ausgeht, dass eine Schiedsgutachtenklausel die Ausräumung einer Meinungsverschiedenheit im Interesse beider Parteien bezweckt und die Parteien den Schiedsgutachter deshalb einvernehmlich anrufen, haben sogar beide Parteien ein Interesse daran, opportunistisches Verhalten zu verhindern. Eine Konzentration der Rüge von Verfahrensverstößen auf eine nachträgliche Prüfung der Verbindlichkeit des Gutachtens ist in dieser Situation daher problematisch. Zwei Fragen sind hier auseinanderzuhalten: (i) Haben die Parteien eine Möglichkeit, den Schiedsgutachter abzulehnen, sobald begründete Zweifel an seiner Neutralität aufkommen? (ii) Falls diese Möglichkeit besteht, fragt sich weiter, ob es Folgen hat, wenn die Parteien sie ungenutzt lassen. Nach § 43 ZPO etwa verliert eine Partei ihr Recht, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Sollte eine ähnliche Präklusionsregel für die Ablehnung des Schiedsgutachters gelten? Im Folgenden soll zunächst der ersten Frage nachgegangen werden, um dann – falls ein Verfahren zur Befangenheitsablehnung besteht – anschließend 484  BGH v. 6.6.1994 NJW-RR 1994, 1314; Greger/Stubbe, Rn. 115, 127 (zum gestaltenden Schiedsgutachten); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675 (zum feststellenden Schiedsgutachten). 485  So das Argument von BGH v. 6.6.1994 NJW-RR 1994, 1314. 486  Ausführlich zu den Folgen der Unverbindlichkeit noch unten § 13 C.II. (S. 624 f.) und § 14 C.II. (S. 669 ff.).

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zu klären, welche Folgen es hat, wenn eine Partei trotz Kenntnis von dem Ablehnungsgrund von diesem Verfahren keinen Gebrauch macht.487. Beide Fragen stellen sich indes nur, wenn der Ablehnungsgrund vor Erstellung des Schiedsgutachtens offenbar wird. Tritt der Grund erst danach hervor, bleibt ohnehin nur die Unverbindlichkeit des Gutachtens als Rechtsfolge.

1. Die Ablehnung des Schiedsgutachters im französischen Recht Wie in Deutschland können auch in Frankreich stets beide Parteien gemeinsam den Dritten abberufen. Über die Neutralität des Schiedsgutachters werden aber die Meinungen unter den Parteien typischerweise auseinandergehen. Eine einseitige Beendigung des Verhältnisses durch nur eine Partei scheitert jedoch an der Stellung des Dritten als gemeinsamer Beauftragter.488 Eine Ablehnung des Schiedsgutachters wegen Befangenheit muss gleichwohl nicht aussichtslos erscheinen: Die Frage, ob ein befangener Schiedsgutachter vor Gericht abgelehnt werden kann, hat auch die französische Rechtsprechung beschäftigt. Eine (analoge) Anwendung der Vorschriften über die Schiedsrichterablehnung wurde mehrmals ausdrücklich abgelehnt, da der Dritte kein Schiedsrichter sei.489 In Rahmen einer Preisfestsetzung nach Art. 1592 Code civil für die Veräußerung eines Ladenlokals kamen der Inhaberin des Ladens Zweifel an der Neutralität des aufgrund einer entsprechenden Klausel vom Gericht benannten Sachverständigen, weil dieser einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angehörte, die auch die Käuferin und mit ihr verbundene Unternehmen beriet. Sie beantragte deshalb die Ernennung eines neuen Sachverständigen. Die Cour d’appel gab diesem Antrag in zweiter Instanz statt. Das Urteil wurde von der Cour de cassation aufgehoben – allerdings nicht, weil ein Antrag auf Benennung eines neuen Sachverständigen unzulässig sei, sondern weil das Gericht die Neutralitätszweifel nicht für durchschlagend hielt.490 Implizit ist dieser Entscheidung also zu entnehmen, dass auf diesem Weg durchaus eine Ablehnung (récusation) des Schiedsgutachters möglich ist.491 Hier wirkt es sich aus, dass die fehlende Neutralität nach französischem Recht nicht nur zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens, sondern auch zur Unwirksamkeit des Bestellungsakts führt.492 Sofern die Parteien einen Er-

487 

Dazu unten § 7 C.V. (S. 516 ff.). Cass. civ. 1re 17.7.1973 Bull. civ. I, Nr. 247; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Caffin-Moi, Nr. 213; Serinet, RDC 2009, 657, 659; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 27 Fn. 9. 489  Moury, Nr. 22.71, 22.201 m.w.N. 490  Cass. com. 5.10.2004 Bull. Joly Soc. 2005, 262 (§ 44). 491  Abweichend bezogen auf Art. 1843-4 Code civil Tricot et al., S. 15. 492  Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334. 488 

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satz­mechanismus für die Benennung vereinbart haben493 oder im Fall des Art. 1843-4 Code civil ohnehin eine gerichtliche Benennung statthaft ist494, kann mit dessen Hilfe ein neuer Schiedsgutachter gefunden werden.

2. Ablehnung eines nicht neutralen Schiedsgutachters analog § 1037 ZPO? Dem Interesse, einen befangenen Richter, Sachverständigen oder Schiedsrichter möglichst rasch ablehnen zu können, trägt die ZPO in den §§ 41 ff., 406, 1037 ZPO Rechnung. Diese Vorschriften haben den Zweck, „möglichst rasch eine gerichtliche Klärung“ der Befangenheitsfrage herbeizuführen.495 Es fragt sich, ob mit diesen Vorschriften auch die Ablehnung eines nicht neutralen Schiedsgutachters ermöglicht werden kann. Eine unmittelbare Anwendung dieser Normen auf den Schiedsgutachter scheidet grundsätzlich aus. Lediglich in dem besonderen Fall, dass der versicherungsrechtliche Sachverständige nach § 84 Abs. 2 VVG vom Gericht benannt wurde,496 kommt eine Ablehnung nach §§ 410, 30 FamFG i.V.m. § 406 ZPO in Frage.497 Darüber hinaus setzen sich jedoch nicht wenige Autoren dafür ein, das für Schiedsrichter geltende Ablehnungsverfahren des § 1037 ZPO auch auf Schiedsgutachter anzuwenden.498 Meist beziehen sich diese Äußerungen auf feststellende Schiedsgutachten, doch besteht, nachdem das Neutralitätsgebot gleichermaßen für beide Typen von Schiedsgutachten gilt, für diese Beschränkung kein Grund. Das würde bedeuten, dass eine Partei, die berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Schiedsgutachters (§ 1036 Abs. 2 ZPO) hegt, diesem die Ablehnungsgründe innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des diese Zweifel begründenden Umstands schriftlich darlegen müsste. Bliebe dieser Ablehnungsversuch erfolglos, könnte die ablehnende Partei innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der Verweigerung der Ablehnung beim örtlich zuständigen Oberlandesgericht (§ 1062 Abs. 1 Nr. 1 493 

Siehe oben § 4 Fn. 452. D. Martin, RJC 2009, 312, 318 f. 495  Siehe insbesondere zu § 1037 ZPO: BT-Drucks. 13/5274, S. 42; Zöller/Geimer, § 1037 Rn. 6. 496  Dazu oben § 4 C.II.1.b) (S. 218 f.). 497 MünchKomm-FamFG/W. Zimmermann, § 410 Rn. 21; Looschelders/Pohlmann/ Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 11. 498  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 44; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 22; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675 ff.; Wittmann, S. 115 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; ders., Entwicklungsstand, S. 10 f.; B. Rauscher, S. 240; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 12; Schütze, Rn. 13; Wangner, S. 50; Pinckernelle, S. 35; Sieg, VersR 1965, 629, 632; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 318. In der Regel beziehen sich diese Autoren auf das feststellende Schiedsgutachten. Zum Streitstand im Versicherungsrecht siehe die Nachweise in Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 38. 494 Dazu

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 505

ZPO)499 eine Entscheidung über die Ablehnung beantragen.500 Der Schiedsgutachter könnte während des Gerichtsverfahrens seine Tätigkeit fortsetzen und auch sein Gutachten abschließen. Während das Vorverfahren vor dem Schiedsgutachter der Parteidisposition unterläge, könnten die Parteien für das Verfahren vor dem staatlichen Gericht keine privatautonome Alternative vorsehen.501 Ob den Befürwortern einer Analogie auch vorschwebt, dass nach einer erfolgreich durchgeführten Ablehnung die Parteien einen neuen Schiedsgutachter benennen müssen und es nicht zur gerichtlichen Ersetzung der Entscheidung nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB kommt, ist nicht ganz deutlich, wäre aber in der Sache konsequent.502 Die Rechtsprechung503 und mit ihr, trotz Befürwortung eines Neutralitätsgebots, ein Teil der Literatur504 haben diese Analogie stets abgelehnt. Auch die Vereinbarung eines Ablehnungsrechts führt nach Ansicht der

499  Für Schiedsgerichtsverfahren ergibt sich diese örtliche Zuständigkeit aus dem Schieds­ ort. Ein solcher ist für jedes Schiedsverfahren von den Parteien oder vom Schiedsgericht festzulegen (§ 1043 Abs. 1 ZPO) und im Schiedsspruch anzugeben (§ 1054 Abs. 3 ZPO). Woraus sich diese örtliche Zuständigkeit beim Schiedsgutachten ergeben soll, ist hingegen weniger deutlich, da ein Schiedsgutachtenverfahren keinen „Ort“ braucht. Es müssten also Hilfs­ konstruktionen ersonnen werden wie zum Beispiel die Anknüpfung an den Erfüllungsort der Pflichten des Schiedsgutachters, den (gemeinsamen) Sitz der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung oder den Sitz des Schiedsgutachters. 500  Statt einer Analogie zu § 1062 ZPO schlägt Böckstiegel/Kröll/Nacimiento/G. Wagner, § 1025 ZPO Rn. 19 die Zuständigkeit von Amts‑ oder Landgericht vor, da ihm die Befassung eines Oberlandesgerichts mit der Frage nach der Neutralität eines Schiedsgutachters überzogen vorkommt. Folgt daraus auch ein Instanzenzug? 501  Siehe zum Schiedsgerichtsverfahren Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1037 Rn. 1; Karl, S. 180. 502  Für das Tätigwerden eines neuen Schiedsgutachters offenbar Sieg, VersR 1965, 629, 632. 503  Vor allem OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047; außerdem BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121; BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, 1083; OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 66; OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328; OLG Schleswig v. 28.10.1953 VersR 1954, 506; OLG Hamburg v. 2.11.1927 HansRGZ A 1928, 37, 38; KG v. 18.3.1904 APV 3 (1904), 146; offengelassen in OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, da jedenfalls die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG nach § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur für Schiedsverfahren gelte. – Das OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388 geht zwar obiter von einem Recht zur Ablehnung des Schiedsgutachters bei Baumängeln wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO aus. Wie sich diese Ablehnung vollziehen soll, wird aus dem Urteil aber nicht ersichtlich, da es in dem Rechtsstreit nur um die Verbindlichkeit des bereits erstellten Gutachtens ging. Es ist durchaus denkbar, dass das Gericht untechnisch Ablehnungsrecht und Neutralitätsgebot als austauschbare Begriffe verwendet hat. 504 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 19; Thomas/Putzo/ Reichold, § 1036 Rn. 6; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 84; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 7; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 10; Kisch, Schiedsmann, S. 67; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 303 (§ 12 IV 7 b); Habscheid, FS Laufke, S. 315 f.; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Habscheid/ Calavros, KTS 1979, 1, 11; Jonas, JW 1937, 221; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 38 (zum Sachverständigenverfahren im Versicherungsvertragsrecht).

506

§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Rechtsprechung nicht zu dem Verfahren des § 1037 ZPO, sondern – im Fall der begründeten Ablehnung – zur Unverbindlichkeit des Gutachtens.505 Um beurteilen zu können, ob eine Analogie zu § 1037 ZPO zulässig ist, sind drei Punkte ins Gedächtnis zu rufen: (i) Erstens muss eine Analogie zu gesetzlichen Kompetenzzuweisungen an staatliche Gerichte nicht vorderhand unzulässig sein. Dies wurde bereits oben im Zusammenhang mit der insofern vergleichbaren Problematik der Vereinbarung eines primären gerichtlichen Leistungsbestimmungsrechts dargelegt.506 (ii) Die Einordnung des Schiedsgutachtens als prozessual oder als materiell-rechtlich besagt nichts über die Anwendbarkeit des § 1037 ZPO.507 Die prozessuale Qualifikation reicht zur Begründung einer Analogie ebenso wenig aus wie der zweifelhafte Rekurs auf eine Ähnlichkeit zum Schiedsgerichtsverfahren oder auf eine Wahrnehmung schiedsrichterlicher Funktionen.508 Umgekehrt folgt aber daraus, dass das Schiedsgutachten und das dafür geltende Neutralitätsgebot materiell-rechtlich begründet werden, nicht zwingend, dass Neutralitätszweifel „im ordentlichen Prozeßverfahren“ zu klären sind.509 Bezeichnenderweise finden sich auch unter den Anhängern der materiellen Sicht Verfechter einer analogen Anwendung des § 1037 ZPO.510 (iii) Schließlich ist bei der Suche nach einer angemessenen Reaktion auf Neutralitätszweifel zu berücksichtigen, dass die Delegation von Privatautonomie ihrerseits eine Form der Ausübung von Privatautonomie darstellt. Folglich muss es in erster Linie den Parteien zustehen, die Modalitäten der Delegation – bis hin zur Frage der Folgen eines Verstoßes gegen das ebenfalls ihrem (mutmaßlichen) Willen entspringende Neutralitätsgebot – durch Vereinbarung festzulegen. Ob und auf welche Weise die Ablehnung eines Schiedsgutachters wegen Zweifeln an seiner Neutralität möglich sein soll, bestimmen die Parteien. Die differenzierte Regelung zur Ablehnung eines Schiedsgutachters in § 7 DIS-SchGO dokumentiert eindrücklich, dass die Parteien diese Regelungsmacht wahrnehmen.511 Die entscheidende Frage ist demnach, was in Ermangelung einer privatautonomen Verständigung gelten soll. In Betracht kommt alles, was die Parteien auch anstelle einer dispositiven Verfahrensregelung vereinbaren könnten. Ob also die für Schiedsverfahren geltende Regelung in § 1037 ZPO analog angewendet werden kann, ist somit auf dieselbe Art und Weise zu beantworten wie die Frage, ob die Parteien ein Ablehnungs505 

BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191, 192. Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 299 ff.). 507  So aber offenbar Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 12; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34. 508  So auch die Einschätzung von G. Wagner, Prozeßverträge, S. 676. 509  Entgegen OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047. 510  Siehe oben Fn. 498. 511  Zu anderen Beispielen in Verfahrensordnungen siehe B. Rauscher, S. 242 f. 506 

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 507

verfahren nach Art des § 1037 ZPO vereinbaren und damit eine vom Gesetz nicht vorgesehene gerichtliche Zuständigkeit schaffen können.512 Entscheidend sind deshalb, wie stets bei der privatautonomen Begründung einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen gerichtlichen Zuständigkeit, die beteiligten privaten und öffentlichen Interessen.513 Dies vorweggeschickt, können die beteiligten Interessen näher beleuchtet werden. Private Interessen sind die der beteiligten Parteien. Verbunden sind die Parteien in ihrem Interesse an einem richtigen Gutachten.514 Darüber hinaus können die Interessen jedoch divergieren. Auf der einen Seite steht das bereits erwähnte Interesse der an der Neutralität des Schiedsgutachters zweifelnden Partei, möglichst rasch eine Klärung herbeizuführen.515 Dieses Interesse kann die andere Partei teilen. Sie hat jedoch auch ein Interesse, dass das – auf eine schnelle und unkomplizierte Streitbeilegung ausgerichtete – Schiedsgutachtenverfahren nicht durch obstruktive Befangenheitsanträge mutwillig verzögert wird. Diese Interessen würden durch eine Analogie zu § 1037 ZPO sinnvoll zum Ausgleich gebracht. Als öffentliches Interesse ist vor allem an einen „effektiven Einsatz knapper Justizressourcen“ zu denken.516 Nach Ansicht von Gerhard Wagner stellt dies Interesse, das der privatautonomen Begründung eines gerichtlichen Leistungsbestimmungsrechts entgegenstehe,517 kein Hindernis für ein Ablehnungsverfahren nach dem Vorbild des § 1037 ZPO dar.518 Denn indem das staatliche Gericht die Neutralität eines von den Parteien beauftragten Schiedsgutachters prüfe und über dessen Ablehnung entscheide, setze es sich lediglich mit einem Problem auseinander, das als „Vorfrage“ ohnehin in einem späteren Rechtsstreit über die Verbindlichkeit des Gutachtens zu klären wäre.519 Die frühe Befassung des Gerichts könne sogar die Justizressourcen schonen, indem ein späterer, aufwendigerer Rechtsstreit über die Verbindlichkeit des 512 

Deutlich wird das vor allem, wenn man mit dem OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, 288 (siehe oben Fn. 503) jedenfalls eine Zuständigkeit nach § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verneint und deshalb die analoge Anwendung des § 1037 ZPO immer zu einer von Gesetzgeber nicht vorgesehen Zuständigkeit führen muss. – Widersprüchlich ist es hingegen, wenn Kisch, Schiedsmann, S. 67 die Analogie zum schiedsrechtlichen Ablehnungsverfahren verneint, aber den Parteien gestatten möchte, den Richter zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung zu ermächtigen. 513  Siehe oben § 4 E.IV.3. (S. 293). Für die Interessenabwägung bedeutet es keinen Unterschied, ob die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung § 1037 ZPO ausdrücklich für analog anwendbar erklären oder diese Norm ohne Parteivereinbarung analog angewendet wird. 514  B. Rauscher, S. 239; kritisch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 676. 515  Sieg, VersR 1965, 629, 632. 516  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 676. 517  Dazu oben § 4 E.IV.3.a) (S. 293 ff.). 518  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 676; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11. 519  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 676; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11. Die Bezeichnung als Vorfrage verwendet auch das OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047, verneint aber dezidiert einer Analogie zum Ablehnungsverfahren im Schiedsverfahrensrecht.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Gutachtens entbehrlich werde.520 Auch ein Prozess über die Wirksamkeit einer Beendigung des Schiedsgutachtervertrages, der sich anders als das auf eine Instanz konzentrierte Verfahren nach § 1037 Abs. 3 ZPO über mehrere Instanzen hinziehen könne, sei belastender als eine analoge Anwendung des schiedsrichterlichen Ablehnungsverfahrens.521 Besonders bestechend im Hinblick auf die oben herausgearbeitete Kontrollfunktion staatlicher Gerichte522 ist zudem der Hinweis, dass auch bei § 1037 ZPO das staatliche Gericht nur kontrollierend tätig werde und vorrangig der Schiedsgutachter selbst mit den Neutralitätszweifeln zu befassen sei.523 Im Ganzen eröffne deshalb eine analoge Anwendung des § 1037 ZPO den Parteien keinen privilegierten Zugang zu knappen Justizressourcen.524 Dieses Fazit darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch eine analoge Anwendung von § 1037 ZPO Justizressourcen in Anspruch nimmt – und zwar, da das Oberlandesgericht und nicht das zur Beurteilung der Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens aufgerufene Gericht zuständig ist, an einer anderen Stelle als die Kontrolle der Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens im ordentlichen Verfahren. Dass sich die Justiz früher oder später ohnehin mit der Frage der Befangenheit befassen müsste, ist letztlich eine nicht verifizierbare These. Denn soweit sich die Partei, die den Schiedsgutachter ablehnen möchte, von dessen Spruch im Ergebnis nicht benachteiligt fühlt, wird sie nicht vor Gericht eine Überprüfung des Spruches einfordern oder sich zur Verteidigung gegen eine auf den Spruch des Dritten gestützten Klage auf dessen Befangenheit berufen. Möglicherweise werden deshalb durch das Ablehnungsverfahren sogar zusätzliche Justizressourcen beansprucht. Jedenfalls bedeutet die analoge Anwendung des § 1037 ZPO nicht, dass der Einsatz von Justizressourcen vermieden wird. Vielmehr kommt es nur zu einer Verlagerung und – falls sich die Hoffnung auf eine abschließende Beilegung des Streits erfüllt – zu einer Verminderung. Auch diese Verlagerung bedarf einer Rechtfertigung, die sich nicht finden lässt, wenn gleichwertige außergerichtliche Wege zur Verfügung stehen. Lassen sich derartige Wege finden, wird damit zugleich das Interesse daran gestärkt, im Schiedsgutachtenverfahren eine Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit vorzuhalten, die das Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ähnlich effektiv durchzusetzen vermag.

520 

G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677. Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11. 522  Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 296 ff.). 523  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677. 524  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677; Wittmann, S. 119. 521 

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 509

3. Alternativen zu einer Analogie zu § 1037 ZPO Es ist also nach Alternativen zu einer Analogie zu § 1037 ZPO zu suchen. In Betracht kommt dabei in jedem Fall ein Streit vor Gericht über die Verbindlichkeit des fertigen Schiedsgutachtens.525 Doch muss es im Folgenden um Alternativen gehen, die – nach Art eines Zwischenverfahrens – bereits vor Fertigstellung des Gutachtens eine Reaktion auf Neutralitätszweifel erlauben. So kommt etwa die Schiedsgutachtensordnung der DIS ohne einen Rekurs auf die staatliche Gerichtsbarkeit aus; im Gegenteil wird die Entscheidung des DIS-Ernennungsausschusses über eine Ablehnung als unanfechtbar bezeichnet (§ 7.2 S. 5 DIS-SchGO).526 Ein Konflikt mit der gerichtlichen Zuständigkeitsordnung droht dieser Regelung nicht. Sollte jedoch § 1037 ZPO grundsätzlich analog anwendbar sein, wäre indes nach einem Konflikt mit dessen zwingendem Charakter zu fragen.527

a) Außerordentliche Kündigung des Schiedsgutachtervertrags Eine mögliche Alternative zu einer analogen Anwendung des § 1037 ZPO hat der BGH in einem Streit über die Wirksamkeit eines Schiedsgutachtervertrages vorgezeichnet. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1979 akzeptierte er die fristlose Kündigung des Schiedsgutachtervertrages – also der mit dem Schiedsgutachter getroffenen Vereinbarung – aufgrund von begründeten Zweifeln an dessen Neutralität.528 Die Parteien hatten für den Fall der fristlosen Kündigung des Schiedsgutachtervertrags vereinbart, dass dann ein ordentliches Gericht die dem Schiedsgutachter übertragene Feststellung zu treffen habe. Mit dieser Vereinbarung hätten die Parteien das rechtliche Schicksal der Schiedsgutachtenvereinbarung mit dem Bestand des Vertrages mit dem Schiedsgutachter verknüpft.529 525 

Siehe nur Jonas, JW 1937, 221; Habscheid/Calavros, KTS 1979, 1, 11. Vergleichbar sind die von B. Rauscher, S. 242 f. erläuterten Verfahrensordnungen. 527  Einen derartigen Konflikt verneint B. Rauscher, S. 240. 528  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967 (die Neutralitätszweifel beruhten auf der Aufnahme einer weiteren Tätigkeit als Schiedsgutachter für eine Gesellschaft, die mit einer der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung verwoben war). Zustimmend OLG Frankfurt v. 14.2.2002 OLGR 2002, 328; vgl. auch OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, 288. Ein Kündigungsrecht bejahen auch z.B. Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 45; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 7; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 11; Greger/Stubbe, Rn. 106; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 304 (§ 12 IV 7 b); Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 10; ders., VersR 1994, 1009, 1012. Nach B. Meyer, S. 68 ff. soll darüber hinaus in eklatanten Fällen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) vorliegen, wenn der Schiedsgutachter aufgrund seiner Befangenheit nicht mehr in der Lage ist, ein verbindliches Gutachten zu erstellen. Die im Folgenden zu § 319 Abs. 1 S. 2 BGB angestellten Überlegungen gelten auch im Fall einer Unmöglichkeit der Leistung des Schiedsgutachters. 529  BGH v. 5.12.1979 DB 1980, 967. 526 

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Doch auch ohne eine derartige explizit vereinbarte Verknüpfung hätte die Entscheidung nicht anders ausfallen können. Denn mit dieser Klausel haben die Parteien lediglich den Gedanken der Regelung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich wiederholt: Ist der Schiedsgutachtervertrag gekündigt, so kann der Schiedsgutachter sein Gutachten nicht mehr erstellen mit der Folge, dass die Feststellung – in Ermangelung einer anderweitigen vertraglichen Regelung530 – durch Urteil erfolgt. Nichts anderes ergibt sich, betrachtet man die Situation als Wegfall des ursprünglich benannten Schiedsgutachters, der analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zu beurteilen ist.531 Diese Norm bildet gewissermaßen die Schnittstelle zwischen der Beendigung des Verhältnisses mit dem Schiedsgutachter und den Folgen dieser Beendigung für das Verhältnis der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung untereinander. Unnötig kompliziert und wenig sachgerecht wäre es dagegen, mit einer künstlichen Aufspaltung zwischen der Ernennung des Schiedsgutachters und der Begründung eines Vertragsverhältnisses den Schiedsgutachter trotz Kündigung „im Amt“ zu belassen und zusätzlich zur Kündigung noch eine Ablehnung als Gegenakt zur Ernennung zu fordern.532 Diese – offenbar aus dem Schiedsverfahrensrecht inspirierte – Ansicht führt zu merkwürdigen Ergebnissen, wenn an das Recht zur Kündigung und das Recht zur Ablehnung unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt werden, so dass ein gekündigter Schiedsgutachter noch ein verbindliches Gutachten erstellen kann oder einem abgelehnten Schiedsgutachter noch ein vertraglicher Vergütungsanspruch zusteht.533 Auch die Vorstellung von einem abstrakten „Amt“ des Schiedsgutachters steht im Widerspruch zu der Wertung des § 319 Abs. 1 BGB. Die wirksame fristlose Kündigung des Schiedsgutachtervertrags nimmt dem Schiedsgutachter die Befugnis, ein für die Parteien verbindliches Gutachten zu erstellen. Das genannte, freilich singulär gebliebene Urteil des BGH weist einen Weg, auf Neutralitätszweifel zu reagieren und außergerichtlich einen Schiedsgutachter abzulehnen. Dem BGH lässt sich somit kaum vorwerfen, er habe das außerordentliche Kündigungsrecht „zweckentfremdet“.534 Ein Recht zur fristlosen Kündigung des Schiedsgutachtervertrages wegen Neutralitätszweifeln besteht 530  Mit dieser Einschränkung lässt sich auch dem Bedenken von Sieg, VersR 1965, 629, 632 Rechnung tragen, dass die Parteien auf das Gutachtenverfahren großen Wert legten und die „Gutachterklausel … erst durch den Spruch selbst konsumiert“ werde. Die Vereinbarung eines Ersetzungsmechanismus hält für den Regelfall Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 39. 531  So die Lesart von Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11; wohl auch Sieveking, S. 181. Zum Wegfall des Schiedsgutachters siehe oben § 4 D.I.1.d) (S. 230 f.). 532  So aber B. Meyer, S. 43 f., 152 ff. 533  So aber die Schlussfolgerungen bei B. Meyer, S. 155 f. Während sie eine Kündigung nur bei tatsächlich bestehender Parteilichkeit zulassen möchte (S. 146), komme eine Ablehnung bereits bei Besorgnis der Befangenheit in Betracht (S. 155). 534  So aber G. Wagner, Prozeßverträge, S. 675; siehe auch Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34 (die materiell-rechtliche Theorie behelfe sich „in ganz ungeschickter Weise“).

C. Folgen einer Verletzung des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

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auch ohne ausdrückliche Vereinbarung mit dem Schiedsgutachter.535 Denn im Fall eines Neutralitätsverstoßes kann der Schiedsgutachter kein verbindliches Schiedsgutachten mehr erstellen, so dass die Fortführung des Verfahrens sinnlos geworden ist.536 Dessen ungeachtet mag sich eine klarstellende Aufnahme in den Schiedsgutachtervertrag empfehlen. Die Kündigungsregelung kann von den Parteien näher ausgestaltet werden und auf diese Weise den Ansatzpunkt zu einer privatautonomen Gestaltung eines Ablehnungsrechts bieten.537 Das Kündigungsrecht kann, auch wenn es beiden Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung zusteht, jede Partei mit Wirkung für die andere allein ausüben.538 Wenig hilfreich ist es, hiergegen mit „allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen“539 zu argumentieren, die keineswegs gesichert sind und sich ohnehin im konkreten Fall bewähren müssen. Ebensowenig steht der Alleinbefugnis zur Kündigung § 351 BGB entgegen, den die Rechtsprechung auf seinen Wortlaut beschränkt und deshalb nur auf den Rücktritt, nicht auch auf die Kündigung anwendet.540 Die Vorschrift wäre zudem abdingbar,541 was zugleich den Blick dafür öffnet, dass es ohnehin in erster Linie auf die Interessen der Beteiligten ankommt.542 Hier leuchtet es unmittelbar ein, dass Neutralitätszweifel Anlass zu Streit zwischen den Parteien geben können und ein Erfordernis gemeinsamer Ausübung ungerechtfertigte Blockademöglichkeiten eröffnen würde.543 Diejenige Partei, die den Schiedsgutachter nicht für befangen hält, könnte die 535  Anders aber Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 753; Halbgewachs, NZV 2004, 117. – Davon zu unterscheiden ist eine Kündigung der Schiedsgutachtenvereinbarung, für die Habscheid, KTS 1957, 129, 130 ein Recht zur Kündigung der von ihm angenommenen „Verfahrensgesellschaft“ analog § 723 Abs. 1 S. 2 BGB, z.B. wegen Verarmung einer Partei oder Bestechung des Schiedsgutachters, annimmt. Diesem Ansatz muss hier jedoch nicht nachgegangen werden, da davon auszugehen ist, dass die Parteien trotz der Neutralitätszweifel grundsätzlich an dem Schiedsgutachtenverfahren festhalten wollen. 536  Insofern übereinstimmend, aber in gewissem Widerspruch zu ihrer Position oben Fn. 533, B. Meyer, S. 150 f. 537  Siehe noch Greger/Stubbe, Rn. 152 Fn. 170 für die Deutung eines Ablehnungsrechts als Kündigungsrecht. 538  Greger/Stubbe, Rn. 106 (mit dem Hinweis, dass offenbar auch der BGH in der oben Fn. 528 zitierten Entscheidung von einem allein auszuübenden Kündigungsrecht ausging); Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11; Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 752; B. Meyer, S. 148 ff. mit Nachweisen zur Gegenansicht aus dem älteren Schrifttum; a.A. NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 20. Die Frage, wer ein Gestaltungsrecht ausübt, ist zu trennen von der einheitlichen Gesamtwirkung der Ausübung. Insofern unklar B. Meyer, S. 149. 539  Greger/Stubbe, Rn. 106. 540  RG v. 19.6.1917 RGZ 90, 328, 330 (wenn auch mit begrifflicher Argumentation); Palandt/Grüneberg, § 351 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Gaier, § 351 Rn. 7. 541 Staudinger/Kaiser, § 351 Rn. 14; Palandt/Grüneberg, § 351 Rn. 2; Faust, in: jurisPKBGB, § 351 Rn. 1. 542  Eine solche Interessenabwägung hat auch RG v. 19.6.1917 RGZ 90, 328, 331 f. im Fall des Kündigungsrechts vorgenommen. Allgemein Leverenz, S. 310. 543  Schlosser, Entwicklungsstand, S. 11; Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 752; B. Meyer, S. 150 f. Siehe allgemein Faust, in: jurisPK-BGB, § 351 Rn. 2.

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§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters

Kündigung verhindern und auf diese Weise, falls der Schiedsgutachter nicht von sich aus sein Mandat niederlegt, die Erstellung eines verbindlichen Gutachtens verzögern. Zumindest bei Abschluss des Schiedsgutachtervertrags unterliegt die Befugnis zur Einzelausübung auch dem Interesse aller Beteiligten an einer raschen Klärung des Befangenheitsvorwurfs.544 Mit Hilfe der Kündigung des Schiedsgutachtervertrags ließe sich eine der französischen Rechtslage vergleichbare Situation erreichen, indem die Position für einen neuen Schiedsgutachter frei würde, wenn die Parteien entsprechende Vorkehrungen getroffen haben.545 Ein Unterschied verbleibt jedoch insofern, als ein Streit um die Kündigung mit dem Schiedsgutachter ausgetragen werden muss, während das Ersuchen an das Gericht, einen neuen Dritten zu benennen, in einem Eilverfahren ohne Beteiligung des Schiedsgutachters beschieden werden kann. Eine vorherige Beendigung des Schiedsgutachtervertrags wäre nicht erforderlich. Diese Lösung kann zwar eine Verschlankung des Verfahrens bewirken. Sie hat aber zugleich den gravierenden Nachteil, dass die wichtigste Person im Streit um ihre Neutralität außen vor bleibt.

b) Erhebung einer Feststellungsklage Die außerordentliche Kündigung des Schiedsgutachtervertrags führt weitgehend dazu, auf materiell-rechtlicher Grundlage eine dem § 1037 ZPO vergleichbare Situation herbeizuführen. Sie erlaubt es jeder Partei, Neutralitätszweifel frühzeitig gegenüber dem Schiedsgutachter anzumelden. Dieser kann – auch abhängig von der Position der anderen Partei – reagieren, indem er seine Tätigkeit beendet oder trotz der Kündigung fortsetzt. Setzt er die Tätigkeit fort, ist der Streit über die Verbindlichkeit des Gutachtens in einem späteren Prozess zwischen den Parteien des Schiedsgutachtenvertrags auszutragen. Es verbleibt somit ein Unterschied zu § 1037 ZPO: Diese Vorschrift kann mit Hilfe der endgültigen gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung verhindern, dass das Schiedsgerichtsverfahren unter Beteiligung eines befangenen Schiedsrichters bis zu seinem Abschluss weiterbetrieben wird. Diese Möglichkeit einer abschließenden externen Klärung bietet das Kündigungsrecht allein nicht.546 544 Ähnlich Greger/Stubbe, Rn. 106 (Abwarten der nachträglichen Kontrolle unzumutbar für die benachteiligte Partei). Ob die Einzelbefugnis, wie Greger/Stubbe weiter annehmen, zugleich den Ausgleich für ein fehlendes Recht zur Ablehnung wegen Befangenheit darstellt, mag auf sich beruhen, da ein Zirkelschluss droht, wenn sodann die Versagung eines Ablehnungsrechts mit dem Bestehen eines Kündigungsrechts gerechtfertigt werden soll. 545  Weil andernfalls der Mechanismus des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB eingreift und damit die Beurteilung durch einen privaten Sachverständigen letztlich gescheitert ist, lehnt Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 16 die Kündigungsmöglichkeit von vornherein ab. 546  Gerade darin erblickt Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 38 aber einen Vorteil, da die informelle Ablehnung schneller und unkomplizierter sei und deshalb den Zwecken des Sachverständigenverfahrens im Versicherungsrecht besser gerecht werde.

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Jedoch bleibt es der kündigenden Partei unbenommen, im Falle des Streits über das Bestehen eines Rechts zur außerordentlichen Kündigung eine Feststellungsklage zu erheben. Nach Erstellung des Gutachtens hat die Rechtsprechung eine derartige Klage im Verhältnis zwischen den Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung als Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit des Gutachtens infolge der Ablehnung des Schiedsgutachters zugelassen.547 Das einzige Beispiel für eine Feststellungsklage vor Erstellung des Gutachtens ist eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1940, das darin eine Zuständigkeit für eine derartige Klage verneint hat, weil der Gesetzgeber es versäumt habe, ein Ablehnungsverfahren nach Vorbild der Sachverständigen‑ oder der Schiedsrichterablehnung zu schaffen.548 Ersichtlich trennt diese Entscheidung nicht zwischen dem Ablehnungsverfahren nach Schiedsverfahrensrecht und der hier in Rede stehenden Feststellungsklage. Ob letztere zulässig ist, hat das OLG München im Jahre 1976 ausdrücklich offengelassen.549 Gegen die Zulässigkeit einer derartigen Klage bestehen indes keine Bedenken.550 Unbedenklich ist zum einen die Erhebung einer Feststellungsklage gegen den Schiedsgutachter auf Feststellung der Beendigung des Schiedsgutachtervertrags durch außerordentliche Kündigung. Mit einer derartigen Klage wird freilich der Streit über die Befangenheit nicht unmittelbar zwischen den Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung ausgetragen. Zulässig ist deshalb zum anderen auch eine Klage gegen den Partner der Schiedsgutachtenvereinbarung auf Feststellung der Untauglichkeit des Schiedsgutachters. Eine derartige Klage scheitert insbesondere nicht am Fehlen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Instruktiv sind in diesem Zusammenhang Urteile, in denen der BGH es zugelassen hat, dass eine Partei des Schiedsgutachtenvertrages ihren Vertragspartner auf Feststellung verklagt, dass der Schiedsgutachter ein bestimmtes Kriterium bei der Erstellung des Gutachtens zu berücksichtigen hat.551 Der Kläger, so der BGH, 547  BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191, 192 (insoweit nicht in NJW 1972, 827). In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien ausdrücklich ein Ablehnungsrecht vereinbart und zugleich die gerichtliche Kontrolle der Festsetzungen des Schiedsgutachters ausgeschlossen. Die Feststellung der Unverbindlichkeit aufgrund erfolgreicher Ablehnung war daher die einzige Möglichkeit, sich gegen das Schiedsgutachten zur Wehr zu setzen. 548  KG v. 17.4.1940 JRfPrV 1940, 85 (Klage des Versicherungsnehmers auf Ablehnung des vom Versicherer benannten Sachverständigen zur Feststellung eines Feuerschadens). 549  OLG München v. 30.4.1976 BB 1976, 1047 (in einer Entscheidung, in der die gerichtliche Feststellung der erfolgreichen Ablehnung des Schiedsgutachters im einem Verfahren analog §§ 1032, 1045 ZPO a.F., den Vorgängernormen zu § 1037 ZPO, für unzulässig gehalten wurde). 550  Ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 19; O. Wolff, S. 40. 551  BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878 (feststellendes Schiedsgutachten zur Bewertung der von der Pächterin erstellten Aufbauten und üblichen Einrichtungen: Ausgehen von einem bestimmten Stichtag); BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452 (gestaltendes Schiedsgutachten zur

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habe ein selbstverständliches Interesse daran, „eine fehlerhafte oder unwirksame Entscheidung des Gutachters zu vermeiden“.552 Er sei „nicht gehalten, die Bestimmung … durch [den Schiedsgutachter] abzuwarten und alsdann offenbare Unbilligkeit seiner Bestimmung geltend zu machen“.553 Es handele sich auch nicht um den unzulässigen Versuch, bloße Berechnungsmethoden gerichtlich feststellen zu lassen.554 Maßgebliches Rechtsverhältnis sei vielmehr die durch die Entscheidung des Dritten näher bestimmte Verpflichtung der Beklagten.555 Hinter dieser Argumentation sind prozessökonomische Erwägungen leicht erkennbar.556 Zu Unrecht wird der Kniff des BGH, die Vorgaben für den Schiedsgutachter als Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien des Schiedsgutachtenvertrages zu behandeln, im Schrifttum teilweise als „Überdehnung des § 256 Abs. 1 ZPO“557 kritisiert. Denn im Ergebnis geht es um eine Auslegung des Schiedsgutachtenvertrags.558 Der Gedanke, zu einem frühen Zeitpunkt Klarheit herzustellen und eine nachträgliche Billigkeitskontrolle zu vermeiden, trifft auch in den Fällen der Neutralitätszweifel zu.559 Ob die fehlende Neutralität des Dritten allein feststellungsfähig ist, kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls wenn der Schiedsgutachtervertrag fristlos gekündigt wurde, stellt der Wegfall des Dritten einen feststellungsfähigen Teil des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien des Schiedsgutachtenvertrages dar.560 Mit Hilfe dieser Feststellungsklage kann

Neufestsetzung des Erbbauzinses: Berücksichtigung des Wertes des Erbbaugrundstücks); BGH v. 19.1.2001 NJW 2001, 1930 (gestaltendes Schiedsgutachten zur Neufestsetzung des Erbbauzinses: Berücksichtigung des Umstandes, dass die Mieterträge die Kostenmiete unterschreiten). 552  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 453. 553  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 453. 554  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 453. 555  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 453. 556  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 453. 557  Greger/Stubbe, Rn. 101. Die dort vorgenommene Differenzierung zwischen der – als zulässig erachteten – Vorgabe eines Stichtags als Klärung eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses und der – als unzulässig erachteten – Vorgabe bestimmter Bewertungskriterien leuchtet nicht ein. 558  Deutlich in BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878, 1879. Zustimmung zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage auch bei Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 27; Soergel/ M. Wolf, § 319 Rn. 18; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 22; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 10; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 7. 559  Siehe auch OLG Hamm v. 7.3.2002 SchiedsVZ 2003, 79 zur Feststellung der Unwirksamkeit der Bestellung eines Schiedsrichters nach § 1035 Abs. 4 ZPO. 560  In BGH v. 4.5.1984 MDR 1985, 37 hat der BGH im Rahmen einer Klage auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises infolge eines – in einem Schiedsgutachten zu quantifizierenden – unverschuldeten Ertragsrückgangs des verkauften Betriebs eine Zwischenfeststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass das erstellte Sachverständigengutachten das vertraglich vereinbarte Schiedsgutachten darstelle, für unzulässig gehalten. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von der hier diskutierten Situation insofern, als dass bereits ein Gutachten

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demnach dem Interesse der Parteien nach einer definitiven externen Klärung des Befangenheitsvorwurfs Rechnung getragen werden. Zu beachten im Hinblick auf die Subsidiarität der Feststellungsklage ist freilich, dass nach Wegfall des Dritten – zumindest bei Fehlen eines vertraglichen Mechanismus zu dessen Ersetzung – auch eine Klage auf die Leistung analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zulässig ist. Der Gläubiger des Anspruchs, dessen Inhalt der Schiedsgutachter näher bestimmen sollte, kann also sogleich auf Leistung klagen. Der Feststellungsklage bedarf nur der Schuldner.

c) Schiedsgerichtliche Entscheidung über die Ablehnung Bis zu diesem Punkt ist keinerlei besondere Vorkehrung im Schiedsgutachtenvertrag vonnöten. Ein kleiner Unterschied zum Verfahren nach § 1037 ZPO, der eine vertragliche Gestaltung erforderlich macht, verbleibt jedoch: Bis zur letztinstanzlichen Entscheidung über die (Feststellungs‑ oder Leistungs‑)Klage infolge der Kündigung des Schiedsgutachtervertrages wird viel Zeit vergehen. Dies widerspricht dem Interesse der Parteien eines Schiedsgutachtenvertrages an einer raschen Bereinigung ihrer Meinungsverschiedenheit.561 Diesem Interesse lässt sich Rechnung tragen, indem die Parteien auf einen außergerichtlichen Weg der definitiven Entscheidung über die Kündigung des Schiedsgutachtervertrages ausweichen. In Betracht kommt dazu etwa die Vereinbarung eines Schiedsgerichts, wenn nicht ohnehin wie in § 7.2 DIS-SchGO ein Ernennungsausschuss über die Neutralität des Schiedsgutachters wacht. Dass es in der Schiedsgerichtsbarkeit anerkanntermaßen unzulässig ist, ein Schiedsgericht oder einen Dritten mit der verbindlichen Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu betrauen,562 steht dem nicht entgegen. Beim Schiedsgutachten handelt es sich um ein privates Verfahren, an dessen Abschluss kein rechtskraftfähiger Schiedsspruch steht, so dass öffentliche Belange563 oder die Schutzpflicht des Staates564 in geringerem Maße tangiert sind.565 Die Installation eines schiedsgerichtlichen Ablehnungsverfahrens unterstreicht vielmehr den hier postulierten Charakter des Schiedsgutachtens als privates Entscheidungsverfahren. Dass die Parteien anders als bei der zwingenden gerichtlichen Entscheidung nach § 1037 ZPO die Wahl haben, ob sie ein derartiges Verfahren vorsehen, erhöht vorliegt und dessen Verbindlichkeit dann tatsächlich nur noch Vorfrage im Rechtsverhältnis der Parteien ist. 561  Insofern berechtigt Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34. 562  BGH v. 27.2.1957 BGHZ 24, 1, 3; RG v. 24.11.1936 RGZ 152, 375; BayObLG v. 24.2.1999 NJW‑RR 2000, 360 (zum reformierten Schiedsverfahrensrecht); Lachmann, Rn. 1049; Schwab/G. Walter, Kap. 14 Rn. 23. 563  Mit diesen hatte RG v. 24.11.1936 RGZ 152, 375, 377 die Unzulässigkeit einer Übertragung auf ein Schiedsgericht oder einen Dritten gerechtfertigt. 564 MünchKomm‑ZPO/Münch, § 1037 Rn. 1. 565  So auch, allerdings von seinem Standpunkt aus inkonsequent, B. Rauscher, S. 240.

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zugleich die Flexibilität des Schiedsgutachtenverfahrens. Steht für die Parteien ein schneller und informeller Mechanismus im Vordergrund, werden sie lieber den Ausgang des Gutachtenverfahrens abwarten wollen, um dann möglicherweise in einem anschließenden (Schieds‑)Gerichtsverfahren die Unverbindlichkeit des Gutachtens geltend machen zu können.566 Geht es ihnen um Sicherheit und die Vermeidung eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens, werden sie eine definitive Entscheidung über die Ablehnung bevorzugen.

4. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten: Eine Partei, die Zweifel an der Neutralität des Schiedsgutachters hegt, kann die außerordentliche Kündigung des mit dem Schiedsgutachter geschlossenen Vertrages erklären. Kommt es zum Streit darüber, ob tatsächlich ein Kündigungsgrund bestand, kann dieser Streit gerichtlich geklärt werden, und zwar, je nach Klägerbegehren, entweder im Wege der Feststellungsklage oder im Wege einer Klage auf die vom Schiedsgutachter festzusetzende Leistung. Einer Analogie zum Ablehnungsverfahren des § 1037 ZPO bedarf es vor diesem Hintergrund nicht. Die Parteien haben vielfältige privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten. Sie können nicht nur die Folgen einer Kündigung des Schiedsgutachtervertrags abweichend von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB regeln, sondern vor allem auch die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vereinbaren.

V. Präklusion Es bleibt die Frage, ob es nachteilige Folgen hat, sehenden Auges die Erstellung des Schiedsgutachtens durch einen nicht neutralen Dritten abzuwarten, anstatt ihn sogleich abzulehnen. In diesem Zusammenhang hilft erneut ein Seitenblick auf die Schiedsgerichtsbarkeit. Dort kann die Aufhebung eines einmal ergangenen Schiedsspruchs wegen eines Neutralitätsverstoßes nur dann noch geltend gemacht werden, wenn nicht schon eine Geltendmachung während des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens möglich war.567 Dies ergibt sich aus der Existenz eines eigenen Ablehnungsverfahrens in § 1037 ZPO und allgemein aus der Präklusionsvorschrift des § 1027 ZPO. Hinter diesen Vorschriften steht selbstverständlich der Gedanke der Verfahrensökonomie, auch ein Element von Verwirkung wird darin erkennbar.568 Dieser Gedanke tritt indes zurück bei beson566  Hierin sieht Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 38 einen Vorzug gegenüber der analogen Anwendung des § 1037 ZPO. 567 Zöller/Geimer, § 1036 Rn. 6; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1037 Rn. 34; Karl, S. 212 ff.; Lachmann, Rn. 2253 ff.; Man­kowski, SchiedsVZ 2004, 304, 306. 568  Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1037 Rn. 33 m.w.N.; Kröll, SchiedsVZ 2008, 112, 115

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ders schwerwiegenden und eindeutigen Verstößen.569 Wird der Schiedsrichter in eigener Sache tätig, so kann eine Präklusion nur mit größerer Zurückhaltung angenommen werden.570 Eine ganz ähnliche Wertung trifft § 43 ZPO für die Richterablehnung. Der darin angeordnete Verlust des Ablehnungsrechts bezieht sich nur auf eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO), nicht aber auf eine Ablehnung wegen Ausschlusses vom Richteramt (§ 41 ZPO). Gerichtliche Sachverständige schließlich sind ebenfalls innerhalb bestimmter Fristen nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes abzulehnen (§ 406 Abs. 2 ZPO). Sollte dieser Ansatz – unabhängig von einer Analogie zu den Regeln der ZPO571 – auch im Schiedsgutachtenrecht Anwendung finden mit der Folge, dass eine Partei unter Umständen präkludiert sein kann, die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens geltend zu machen? Für die Beantwortung dieser Frage ist zu differenzieren: (i) Soweit einer Partei der Grund, der Bedenken an der Neutralität des Schiedsgutachters weckt, bei dessen Benennung bekannt war, muss eine Unverbindlichkeit allein aufgrund des Neutralitätsverstoßes ausscheiden.572 Die Benennung einer nicht vollkommen neutralen Person kann sich etwa dann als nützlich erweisen, wenn der Schiedsgutachter zur sachgerechten Erfüllung seiner Aufgabe mit dem zu beurteilenden Sachverhalt bereits vertraut sein sollte, deshalb aber einer Partei näher steht.573 Ein Beispiel dafür ist der mit bestimmten Entscheidungsbefugnissen ausgestattete engineer nach den FIDIC-Bedingungen für Bauvorhaben; er steht häufig in Diensten einer Partei.574 Für diese Erkenntnis bedarf es freilich keiner analogen Anwendung von ZPO-Normen. („Abwägung zwischen der Neutralitätspflicht der Schiedsrichter einerseits und dem Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit andererseits“). 569  BGH v. 4.3.1999 BGHZ 141, 90, 95; OLG München v. 20.12.2006 OLGR 2007, 361; Zöller/Geimer, § 1037 Rn. 7; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1037 Rn. 35; Kröll, SchiedsVZ 2008, 112, 115. 570  Die Frage ist freilich umstritten. Gegen eine Präklusion BT-Drucks. 13/5274, S. 42; Musielak/Voit, § 1036 Rn. 4, 10; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1037 Rn. 39 f.; Karl, S. 218 ff. Differenzierend und die Möglichkeit einer Präklusion bei Bekanntwerden vor Ernennung des Schiedsrichters bejahend Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 Rn. 11 f.; siehe auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 500. Generell für die Möglichkeit einer Präklusion auch bei Richten in eigener Sache OLG München v. 20.12.2006 OLGR 2007, 361; Zöller/Geimer, § 1037 Rn. 8; siehe auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 95. Hinter dem Problem steht letztlich die Frage, ob hier nur private oder auch öffentliche Interessen betroffen sind. 571  Anhänger einer analogen Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO können diese Frage ohne weiteres bejahen, siehe etwa B. Rauscher, S. 241; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 39. – Für das Versicherungsvertragsrecht siehe Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 26 m.w.N. mit dem Vorschlag, § 406 Abs. 2 ZPO analog anzuwenden. 572  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 206; RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 169; RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90; OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 76; B. Meyer, S. 70 f.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 17; Weick, FS Coing II, S. 563. 573  B. Meyer, S. 70; allgemein G. Bachmann, S. 374, 397. 574  Weick, FS Coing II, S. 562.

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Denn statt auf den mutmaßlichen Parteiwillen, der grundsätzlich auf die Erstellung des Schiedsgutachtens durch einen unabhängigen und unparteilichen Schiedsgutachter gerichtet ist, kann hier auf den vorrangigen tatsächlichen Parteiwillen abgestellt werden. Tatsächlich hat eine Partei, die sich aus freien Stücken mit einem möglicherweise befangenen Schiedsgutachter einverstanden erklärt, gerade einen von diesem mutmaßlichen Parteiwillen abweichenden Willen erklärt.575 (ii) Doch auch wenn ein Neutralitätsverstoß erst nach Benennung des Dritten, aber vor dem Abschluss des Verfahrens hervortritt, kommt eine Präklusion in Betracht, wenn die Partei, die sich benachteiligt fühlt, während des laufenden Schiedsgutachtenverfahrens bereits die Möglichkeit hatte, den Schiedsgutachter abzulehnen.576 Ob ein Ablehnungsgrund geltend gemacht wird, darf nicht davon abhängen, ob das Ergebnis des Gutachtens der ablehnenden Partei genehm ist.577 Zudem fördert die Präklusion den Zweck des Schiedsgutachtenverfahrens, möglichst rasch zu einer Entscheidung des Dritten zu gelangen.578 Für den BGH beruht diese Präklusion – stets unter der Prämisse, dass ein Ablehnungsrecht z.B. kraft vertraglicher Vereinbarung tatsächlich existierte – auf einer analogen Anwendung von § 406 Abs. 2 ZPO.579 Eine Analogie zur ZPO ist indes ebenso wenig erforderlich wie ein Rekurs auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens580. Beruht das Ablehnungsrecht auf einer außerordentlichen Kündigung, so ist diese nach allgemeinen Grundsätzen innerhalb einer angemessenen Frist auszusprechen. Dies zeigt sich in § 314 Abs. 3 BGB, der für klare Verhältnisse innerhalb angemessener Zeit sorgen will und zugleich die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach längerem Abwar575  RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90. Siehe allgemein Schlosser, FS BGH III, S. 422 („[D]urch gezielte Vereinbarungen, die zwei gleich potente Partner treffen, [können] auch manche Dinge geheilt werden.“). 576  Dies wird vor allem im Zusammenhang mit dem Sachverständigenverfahren im Versicherungsrecht herausgearbeitet, siehe BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365 (für ein vereinbartes Ablehnungsrecht); BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121; BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601; Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 38 m.w.N. Siehe außerhalb des Versicherungsrechts B. Rauscher, S. 241; Wittmann, S. 114 f. A.A. Habscheid, FS Laufke, S. 314 f., der „aus rechtsstaatlichen Gründen“ die Bindung des Richters an ein parteiliches Gutachten verhindern möchte; B. Meyer, S. 71 f. mit der unzutreffenden Begründung, ein Ablehnungsverfahren zu durchlaufen, sei den Parteien nicht zumutbar, da ein derartiges Verfahren von der Rechtsprechung nicht anerkannt sei und deshalb im Hinblick auf den Stellenwert des Neutralitätsgebots keine Präklusionswirkung entfalten könne. Dieser Gedankengang steht im Widerspruch zu B. Meyers eigenen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung (S. 144 ff.). 577  BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601. 578  BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601; BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121. 579  BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601; BGH v. 30.11.1977 VersR 1978, 121; Prölss/Martin/ Voit, § 84 Rn. 16. 580  Für letzteres Greger/Stubbe, Rn. 166; andeutungsweise auch bei RG v. 6.12.1904 JW 1905, 90.

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ten in Frage stellt,581 und wird für den Dienstvertrag in § 626 Abs. 2 BGB mit einer Zwei-Wochen-Frist konkretisiert. Wer mit der Ausübung des Kündigungsrechts zuwartet, verliert dieses. Ein darüber hinaus zustehendes jederzeitiges Kündigungsrecht, das sich je nach Qualifikation des Schiedsgutachtervertrages aus § 627 Abs. 1 BGB oder aus § 649 S. 1 BGB ergeben kann, spricht nicht gegen die Annahme einer Präklusionswirkung. Dieses Kündigungsrecht unterscheidet sich grundlegend von der fristlosen Kündigung. Es kann nach den Interessen der Beteiligten nur von beiden Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung gemeinsam ausgeübt werden. Die Möglichkeit einer jederzeitigen Abberufung durch nur eine der Parteien würde dem Schiedsgutachter seine Aufgabenerfüllung unmöglich machen.582 (iii) Nicht präkludiert sind mithin nur solche Gründe, die der betroffenen Partei erst nach Erstellung des Schiedsgutachtens oder doch so kurz vor Fertigstellung bekannt wurden, dass eine Kündigung des Schiedsgutachtervertrags nicht mehr möglich war.583 Eine Ausnahme für Verstöße gegen das Verbot der Entscheidung in eigener Sache ist – anders als im Schiedsverfahrensrecht – nicht erforderlich, da diese Fälle mit Hilfe einer Modifizierung des Kontrollmaßstabs sachgerecht zu lösen sind.584

VI. Ergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot führt zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens. Dieses kann – unabhängig davon, ob sein Inhalt zu beanstanden ist – keine Bindungswirkung entfalten. Auf die Wirksamkeit des zugrunde liegenden Akts der Delegation hat der Verstoß jedoch keine Auswirkungen. Eine Ablehnung des befangenen Schiedsgutachters in Analogie zur Ablehnung eines befangenen Schiedsrichters ist nicht möglich, aber auch nicht erforderlich: Eine Partei kann auf den Neutralitätsverstoß reagieren, indem sie den Vertrag mit dem Schiedsgutachter kündigt und damit den Weg frei macht für eine gerichtliche Ersetzung. Zugleich kann sie im Wege der Feststellungsklage die Wirksamkeit der Kündigung oder – im Verhältnis zu ihrem Vertragspartner – die Untauglichkeit des Schiedsgutachters 581 

BT-Drucks. 14/6040, S. 178; Münch­Komm-­BGB/Gaier, § 314 Rn. 20. B. Rauscher, S. 234 ff. Nicht vertieft werden muss hier die – richtigerweise zu verneinende – Frage, ob für den parteiernannten Schiedsgutachter in einem Schiedsgutachtergremium eine einseitige Abberufung zulässig sein soll, dazu B. Rauscher, S. 234 ff. m.w.N. 583  Dies setzt voraus, dass der Befangenheitsgrund bereits vor Erstellung des Gutachtens bestand. Sofern der Grund überhaupt erst nach Erstellung des Gutachtens entsteht, kann das Gutachten nicht mehr aufgrund dieses Neutralitätsmangels, sondern nur noch aus anderen Gründen, insbesondere wegen inhaltlicher Defizite, unverbindlich sein, Greger/Stubbe, Rn. 114. 584  Siehe oben § 7 B.II.6.c) (S. 470 ff.). A.A. Wittmann, S. 120 ff. 582 

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gerichtlich feststellen lassen. Zu bedenken bleibt indes eine mögliche Präklusion mit dem Vorbringen von Neutralitätszweifeln: Wer eine ersichtlich nicht neutrale Person zum Schiedsgutachter macht oder nach Erlangung von Neutralitätszweifeln dessen Wirken weiterhin tatenlos zusieht, kann sich später nicht mehr auf diese Zweifel berufen.

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§ 8 Rechtliches Gehör A. Präzisierung: Was bedeutet rechtliches Gehör bei Schiedsgutachten? Der zweite Ansatzpunkt für Autoren, die die Tätigkeit des – wiederum vor allem: feststellenden – Schiedsgutachters mit Verfahrensgarantien aufladen wollen, ist die Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Schiedsgutachter. Plakativ heißt es etwa: „Die Anhörung beider Seiten ist – unabhängig vom staatlichen Charakter eines Verfahrens – ein Gebot für jeden, der bei Meinungsverschiedenheiten zweier Parteien urteilen soll und will.“1

In der Tat ist der Anspruch auf rechtliches Gehör von fundamentaler Bedeutung für den Zivilprozess (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 EMRK, Art. 47 Abs. 2 GrCh und einfachgesetzliche Regelungen in der ZPO). 2 Auch außerhalb staatlicher Verfahren ist seine Geltung für die Schiedsgerichtsbarkeit zwingend vorgeschrieben (§ 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO). Zum Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Zivilverfahren hat sich inzwischen – nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet.3 Wenn es hingegen um die inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs vor Schiedsgerichten – zu denen Anhänger von Verfahrensgarantien im Schiedsgutachtenverfahren ja gerade eine Nähe erkennen – geht, ist manches streitig; in einem Kernbereich, der dem von Art. 103 Abs. 1 GG Geforderten entspricht, herrscht jedoch weitgehende Einigkeit.4 1  B. Rauscher, S. 251; ähnlich F. Baur, AcP 153 (1954), 393 (allerdings auf Gehörsgewährung durch den Richter fokussiert). 2  Dazu, dass der einfachrechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs über die Anforderungen von Art. 103 Abs. 1 GG hinausgeht: Münch­Komm-­ZPO/Th. Rauscher, Einleitung Rn. 217; Zuck, NJW 2005, 3753 ff. 3  Überblick bei Zöller/Greger, Vor § 128 Rn. 3 ff.; Münch­Komm-­Z PO/Th. Rauscher, Einleitung Rn. 225 ff.; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 82 Rn. 9 ff.; Waldner, alle m.w.N. 4  Siehe zum Streitstand im Einzelnen den Überblick bei Lachmann, Rn. 1295 ff.; Sawang, S. 255 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 6 f. (nur dann dürfe der Staat private Gerichtsbarkeit dulden); siehe auch die Formel der Rechtsprechung, wonach „Schiedsgerichte rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren haben“ (BGH v. 26.9.1985 BGHZ 96, 40, 47 f.; BGH v. 11.11.1982 BGHZ 85, 288, 291). Der Anspruch

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Überraschend ist allerdings, dass viele Verfechter einer Gewährleistung rechtlichen Gehörs bei Schiedsgutachten nicht angeben, welchen Inhalt das rechtliche Gehör hierbei hat.5 Sofern die Gewährung rechtlichen Gehörs für feststellende Schiedsgutachten aus deren Nähe zum Schiedsgerichtsverfahren hergeleitet wird, liegt die Vermutung nahe, dass damit rechtliches Gehör in dem Umfang gefordert wird, wie es auch von Schiedsgerichten zu verlangen ist. Doch zumindest bei materiell-rechtlicher Konstruktion des Schiedsgutachtens bedürfte es eigentlich der Erläuterung, wie sich ein genuin prozessuales Konzept einfügt. Um zu begreifen, welchen Inhalt die Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Schiedsgutachter haben könnte, empfiehlt sich deshalb eine induktive Herangehensweise anhand von Fällen, in denen eine Partei einer Schiedsgutachtenvereinbarung sich im Prozess über die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens auf die Verletzung rechtlichen Gehörs berufen hat. Diese Inhaltsbestimmung dient zwei weiteren Zwecken: Wenn in der AGB-Kontrolle einer Schiedsgutachtenvereinbarung die Wirksamkeit versagt wird, weil sie der Gegenseite des Klauselverwenders unzureichend rechtliches Gehör einräumt, so kann es erforderlich sein zu wissen, was überhaupt rechtliches Gehör beim Schiedsgutachten bedeutet. Dasselbe gilt für die Auslegung einer Individualvereinbarung rechtlichen Gehörs in einer Schiedsgutachtenabrede, wenn die Verbindlichkeit des Gutachtens wegen einer Verletzung dieser Vereinbarung angezweifelt wird. Wie der Streit um die Garantie rechtlichen Gehörs überhaupt betreffen auch diese Fälle überwiegend feststellende Schiedsgutachten:6 Der Blick auf typische Rügen von Parteien, die mit dem Schiedsgutachten unzufrieden sind, erlaubt eine Abstufung nach Intensität der Gewährung rechtlichen Gehörs. Dies beginnt mit der Benachrichtigung über die Einleitung des Verfahrens. Sie ist etwa in § 18 Nr. 4 VOB/B vorgeschrieben, der die Einholung eines Schiedsgutachtens7 über die Materialeigenschaften von Baustoffen ermöglicht.8 Ein ohne diese vorherige Benachrichtigung erstelltes Gutachten auf rechtliches Gehör stelle einen „Grundpfeiler des heutigen Schiedsverfahrensrechts“ dar (BGH v. 26.9.1985 BGHZ 96, 40, 47). 5  Siehe aber Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; B. Rauscher, S. 252 ff. (unter Rekurs auf bestehende Verfahrensordnungen); ansatzweise auch Habscheid, FS Laufke, S. 317 f. (schriftliche Anhörung, Ladung zu Ortsterminen und so rechtzeitige Gelegenheit zur Äußerung, dass diese bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann); Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20 (Parteien müssen an einer Besichtigung teilnehmen dürfen). Nach Schlosser, FS Horn, S. 1034 f. ist das Maß, in dem der Schiedsgutachter rechtliches Gehör zu gewähren hat, geringer als beim Schiedsrichter oder staatlichem Richter. 6  Zur Sachverhaltsermittlung durch den Schiedsgutachter (vor allem in Bausachen) siehe noch den Überblick bei Lembcke, NZBau 2012, 85, 85 f. 7  Zur rechtlichen Einordnung als Schiedsgutachten Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, § 18 VOB/B Rn. 21; Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 21; Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 18 VOB/B Rn. 37; OLG Celle v. 16.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. 8  Die Benachrichtigungspflicht wird teilweise als Ausprägung eines Anspruchs auf recht-

A. Präzisierung: Was bedeutet rechtliches Gehör bei Schiedsgutachten?

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ist unverbindlich.9 Auch außerhalb dieses Bereichs, für den eine ausdrückliche Anordnung existiert, erscheint es schwer vorstellbar, dass ein Schiedsgutachtenverfahren durchgeführt wird, ohne dass die Gegenpartei davon erfährt. Es liegt dann näher, das so erstellte Gutachten als Privatgutachten anzusehen.10 Mehrere Fälle betrafen die Beteiligung der Parteien des Schiedsgutachtenvertrages an Ortsterminen. Mit der fehlenden Ladung zum Ortstermin, in dem die streitgegenständlichen Baustoffe untersucht wurden, begründete ein Bauunternehmer im Verfahren nach § 18 Nr. 4 VOB/B seine Rüge einer Gehörsverletzung.11 Das Gericht hielt die vorherige Benachrichtigung des Vertragspartners jedoch für ausreichend zur Wahrung des rechtlichen Gehörs.12 Die Person des Bauunternehmers sei für die Erstellung des Gutachtens unerheblich.13 Eine Ladung zum Ortstermin sei nur erforderlich, wenn die Partei dies zuvor bei dem Sachverständigen eingefordert habe; unterbleibe sie in diesem Fall dennoch, begründe dies Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen.14 In einem anderen Fall verneinte der BGH eine Verletzung dadurch, dass ein Schätzungsausschuss, der den Wert des bei Ablauf eines Pachtvertrages vom Verpächter zu übernehmenden Inventars bestimmen sollte, die Vertragsparteien nicht vor Ort liches Gehör interpretiert, Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 15. 9  BGH v. 5.10.1967 – VII ZR 64/65 (juris), Rn. 14; OLG Celle v. 16.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046; Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 17, 24; Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, § 18 VOB/B Rn. 20, 22. 10  OLG Düsseldorf v. 19.6.2007 OLGR 2008, 2. 11  OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. Die Entscheidung erweckt den Eindruck, als würde die nicht ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen einer AGB-Kontrolle und damit der Wirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung (und somit § 18 Nr. 4 VOB/B insgesamt!) thematisiert. Das Gericht erkennt jedoch zutreffend, dass § 18 Nr. 4 VOB/B nur ein fakultatives Schiedsgutachtenverfahren vorsieht (siehe auch Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 18 VOB/B Rn. 33) und deshalb in AGB geringeren Anforderungen unterliegt (siehe oben § 3 B.II.3.c) [S. 134 f.]). In Wirklichkeit hatte das Gericht also die Verbindlichkeit des Gutachtens zu prüfen. 12 Ebenso Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 23 (Benachrichtigungspflicht ausreichend im Hinblick auf die Mindestgarantie rechtlichen Gehörs); Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 18 VOB/B Rn. 34. Weitergehende Beteiligung fordern Preussner, in: Preussner/Kandel/Jansen, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 7 (Ladung zum Orts­ termin und Übermittlung des Gutachtenentwurfs erforderlich, um Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen); Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, § 18 VOB/B Rn. 22 („Bei technisch komplexen Sachverhalten, etwa betreffend noch ungeklärter Schadensursachen und ‑verläufe, kann sich jedoch im Einzelfall eine Pflicht zur Anhörung der Partei über die vorgesehenen Untersuchungsschritte ergeben.“). Alle diese Autoren begründen die Benachrichtigungspflicht mit einem Anspruch der Gegenseite auf rechtliches Gehör. 13  OLG Celle v. 16.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. 14  OLG Celle v. 16.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. Für ein weiteres Beispiel, in dem die Parteien ausdrücklich ihre Anwesenheit bei der Sachverhaltsermittlung durch den Schiedsgutachter vereinbart haben, siehe OLG Köln v. 29.11.1996 NJW‑RR 1997, 1412 (Prüfung der Funktionsfähigkeit von Software).

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zu der Schätzung hinzugezogen hatte.15 Andere Facetten rechtlichen Gehörs, die die Gerichte beschäftigt haben, sind die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme16 und die Übermittlung von Unterlagen, die die Gegenpartei zur Verfügung gestellt hat17. Am weitesten geht ein Urteil, das dem Schiedsgutachter umfangreiche Erkundigungs‑ und Informationspflichten auferlegt.18 Ebenfalls von Bedeutung für eine induktive Bestimmung des Inhalts rechtlichen Gehörs in Schiedsgutachtenverfahren kann die tatsächliche Vertragspraxis sein. Hierzu kann auf eine umfassende Untersuchung zurückgegriffen werden, die freilich bereits rund vierzig Jahre zurückliegt.19 Dort werden in zahlreichen Verfahrensordnungen für Schiedsgutachten Regelungen nachgewiesen, die in der einen oder anderen Form eine Beteiligung der Parteien vorsehen: Teils verweisen die in dieser Untersuchung analysierten Ordnungen pauschal auf die ZPO-Bestimmungen über das Schiedsgerichtsverfahren, teils treffen sie eigene Regeln ganz unterschiedlichen Inhalts. Manche sehen (zwingend oder auf Antrag) eine mündliche Verhandlung vor. In anderen wird verlangt, dass beide Parteien gemeinsam das Verfahren einleiten und den Auftrag an den Schiedsgutachter gemeinsam formulieren. Insbesondere bei der Qualitätsarbitrage wird gefordert, dass die Parteien die zu untersuchenden Stücke oder Proben gemeinsam benennen, aussondern oder zur Verfügung stellen. Anträge der einen Partei sind nach mehreren Verfahrensordnungen der anderen zuzuleiten. Die Ergebnisse der genannten Untersuchung zeigen folglich ein breites Spektrum möglicher Ausprägungen des Gehörsgrundsatzes in der Praxis. Diese Übersicht soll keineswegs alle denkbaren Aspekte rechtlichen Gehörs bei der Erstellung von Schiedsgutachten abdecken, sondern vielmehr einen Eindruck von der Vielschichtigkeit der unter dieser Chiffre verborgenen Probleme vermitteln. Die Assoziation, dass rechtliches Gehör in Schiedsgutachtenverfahren in etwa den Inhalt hat, der sich zu Art. 103 Abs. 1 GG herausgeschält hat, ist demnach mit Vorsicht zu begegnen. Bemerkenswert ist vor allem, welch 15  BGH v. 20.2.1970 – V ZR 35/67 (juris), Rn. 75 (ob eine Gewährung rechtlichen Gehörs überhaupt notwendig ist, wurde in der Entscheidung nicht problematisiert). Um die Relevanz der Ladung zum Ortstermin für das rechtliche Gehör ging es auch in OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338. 16  BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618 (Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme auch dann ausreichend, wenn ausdrücklich Anhörung der Parteien vereinbart wurde); BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335: Ein Gesellschafter hielt die von dem (rechtsgestaltend tätig werdenden) Schiedsgutachter vorgenommene Aufteilung der Sachwerte einer aufgelösten offenen Handelsgesellschaft für unwirksam, da der Sachverständige entgegen seiner Ankündigung am Ende der letzten von insgesamt vier mündlichen Erörterungen mit den Parteien diesen keine Gesamtliste mit allen zu verteilenden Gegenständen und deren Bewertung übersandt und damit eine weitere Stellungnahme verhindert habe. 17  LAG Chemnitz v. 23.4.2010 – 3 Sa 467/09 (juris), Rn. 32 f. 18  OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 339 (im Fall hatten die Parteien ausdrücklich eine Anhörung vorgesehen). 19  B. Rauscher, S. 252 ff. mit Nachweisen zu den einzelnen Verfahrensordnungen.

B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist

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unterschiedliche Anforderungen verschiedene Gerichtsentscheidungen stellen, wenn die Parteien in der Schiedsgutachtenvereinbarung ausdrücklich eine Anhörung vorgesehen haben. Dies reicht von der Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme20 bis hin zu einer Befragung der Parteien durch den Schiedsgutachter zu Punkten, die sie selbst nicht vorgebracht haben, und einer Unterrichtung in groben Zügen über die Kriterien, die er für sein Gutachten heranzuziehen gedenkt21. Derartige Anforderung gehen sogar über die Anforderungen in Schiedsgerichtsverfahren hinaus, wo § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO dem Schiedsrichter zumindest nach überwiegender Ansicht keine Hinweis‑, Frage‑ und Aufklärungspflichten auferlegen soll. 22 Wenn von der Gewährung rechtlichen Gehörs in Schiedsgutachtenverfahren zu lesen ist, kann damit also kein einheitliches Konzept gemeint sein. Diese Erkenntnis ist im Blick zu behalten, wenn es im Folgenden darum geht, die Existenz und Reichweite dieser Verfahrensanforderung zu bestimmen.

B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist Unter dem Vorbehalt, dass mit „rechtlichem Gehör“ im Schiedsgutachtenrecht folglich kein ganz eindeutiges Konzept gemeint ist, lassen sich zwei Fallgruppen identifizieren, in denen die Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Schiedsgutachter geboten ist. Über diese beiden Fallgruppen besteht in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend Einigkeit.

I. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen Erstens sind Schiedsgutachtenvereinbarungen in AGB zu nennen. 23 Hier kompensieren, wie oben bereits erläutert, 24 die erhöhten Anforderungen an das Verfahren das Defizit auf der Ebene der Zulässigkeit der Delegation. Genügt die Schiedsgutachtenvereinbarung in AGB nicht den dafür geltenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens, so ist die betreffende Klausel unwirk20 

BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618. OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 339. 22  Vgl. zur Reichweite des § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO Lachmann, Rn. 1300 f. m.w.N. zum Meinungsstand. Neuere Rechtsprechung zu Hinweispflichten des Schiedsgerichts ist zusammengestellt bei Kröll, NJW 2011, 1265, 1269. 23  LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133. Über die AGB-Kontrolle dürfte zugleich der von Riewert, GPR 2013, 62, 66 f. hergestellte Zusammenhang zwischen der Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards im Schiedsgutachtenverfahren und dem Verbraucherschutzniveau erfasst sein. 24  Siehe oben § 3 B.II.3.d) (S. 135 ff.). 21 

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sam und ein darauf beruhendes Schiedsgutachten mangels Grundlage im Parteiwillen unverbindlich. Was dann stattdessen gilt, richtet sich in erster Linie nach dem Willen der Parteien. Fehlt dieser, so ist nach der Aufgabe des Schiedsgutachters zu differenzieren. Im Fall des feststellenden Schiedsgutachtens ist die Feststellung nötigenfalls durch den (Schieds‑)Richter zu treffen, wenn der Anspruch durchgesetzt werden soll, für den der Schiedsgutachter ein Element feststellen sollte. Im Fall des gestaltenden Schiedsgutachtens kommt es darauf an, ob die Vereinbarung ohne die Schiedsgutachtenvereinbarung noch dem Bestimmtheitsgebot genügt. Sollte der Schiedsgutachter die Leistungspflichten ändern, ist das zu bejahen; sollte er Leistungspflichten bestimmen oder ergänzen, kann das zu verneinen sein mit der drastischen Folge, dass der gesamte Vertrag unwirksam ist.

II. In Individualvereinbarungen Zweitens ist rechtliches Gehör zu gewähren, wenn die Parteien diese Verfahrensanforderung in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung vorgesehen haben. 25 Folgerichtig ist anzunehmen, dass die Parteien nicht nur festlegen können, dass überhaupt rechtliches Gehör gewährt werden muss, sondern auch, in welchem Umfang. Die entsprechende Vereinbarung ist notfalls auszulegen. In § 16 DISSchGO wurde § 1042 Abs. 1 ZPO wörtlich übernommen. Diese Übernahme deutet darauf hin, dass rechtliches Gehör in demselben Umfang wie im Schiedsgerichtsverfahren intendiert ist. Dass indes die Gerichte daraus, dass die Parteien eine Entscheidung des Schiedsgutachters „nach Anhörung“ vereinbaren, ganz unterschiedliche Anforderungen an das Verfahren konstruieren, wurde zuvor schon gezeigt. 26 Wird rechtliches Gehör nicht in dem vereinbarten Umfang gewährt, ist das Schiedsgutachten schon aus diesem Grund unverbindlich, ohne dass es auf den Inhalt ankommt.27 Die inhaltsunabhängige Unverbindlichkeit des Schiedsgut25  OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338; OLG Nürnberg v. 18.12.1962 MDR 1963, 498, 499; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 7; Kisch, Schiedsmann, S. 89; v. Thun und Hohenstein, S. 287; A. Bachmann, S. 91; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1929. Offengelassen in BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618 (welche Folgen es habe, dass das Gutachten „nach Anhörung beider Parteien“ erstellt werden sollte, könne offen bleiben, da beide Parteien tatsächlich mit der Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme angehört worden seien). Ein Beispiel stellt die von Schlosser, FS Horn, S. 1024 vorgestellte Klausel dar, in der das „principle of contradictoire“ vereinbart wurde. 26  Siehe oben § 8 A. (S. 524 f.). 27  Inkonsequent insofern OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 339 f., wo einerseits die unzureichende Gewährung rechtlichen Gehörs als Grund für die offenbare Unbilligkeit des Gutachtens bezeichnet wird, die aber nur dann zur offenbaren Unbilligkeit der Leistungsbestimmung führe, wenn das Gutachten auch inhaltlich zu beanstanden sei. Statt von Unbilligkeit hätte das Gericht ohnehin von Unrichtigkeit sprechen müssen, da es um

B. Fälle, in denen „rechtliches Gehör“ zu gewähren ist

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achtens unterstreicht die Bedeutung, die die Parteien dem rechtlichen Gehör geben wollten. Demzufolge tritt die Unverbindlichkeit auch dann ein, wenn die Parteien eine gerichtliche Überprüfung des Schiedsgutachtens durch Abbedingung des § 319 Abs. 1 BGB ausgeschlossen haben. Zur Begründung lässt sich etwa auf § 321a ZPO verweisen, der hier selbstredend keine Anwendung findet, aber doch zum Ausdruck bringt, dass ein Gehörsverstoß unabhängig von sonstigen Rechtsmitteln gerügt werden können muss.

III. Kraft einseitiger Gewährung rechtlichen Gehörs? Eine dritte Fallgruppe, in der das rechtliche Gehör der Parteien zu beachten ist, könnte an die vergebliche Einforderung oder tatsächliche, aber einseitige Gewährung rechtlichen Gehörs anknüpfen. 28 Sofern sich daraus eine konkludente Vereinbarung der Parteien des Schiedsgutachtenvertrages ergibt, die vom Schiedsgutachter nunmehr generell die Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt, lässt sich die Situation nach den vorgenannten Grundsätzen behandeln. Im Übrigen kann sich aus der tatsächlichen Anhörung nur einer Partei keine privatautonom begründete Pflicht zur Anhörung auch der Gegenseite ergeben. Das bloße Realhandeln des Schiedsgutachters kann nur dann Auswirkungen auf das Schiedsgutachtenverfahren haben, wenn generell die Geltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs angenommen werden kann. Besser erfassen lässt sich diese Situation mit dem Neutralitätsgebot. 29 Ein Schiedsgutachter, der nur eine Seite anhört, obwohl sein Auftrag die Anhörung beider Parein feststellendes Schiedsgutachten zur Neufestsetzung des Mietzinses für Geschäftsräume ging. – Ebenfalls nur unter der Voraussetzung, dass sich die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf das Ergebnis des Schiedsgutachtens ausgewirkt haben kann, nimmt Habscheid, FS Laufke, S. 318, an, dass das Schiedsgutachten nicht bindet; ebenso für die Verletzung von Verfahrensregeln Pinckernelle, S. 44. 28 So G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677 f. 29  Siehe BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506, 507 („daß der Gutachter nur eine Partei anhört oder sonstwie befangen ist“); OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046 (lädt der Schiedsgutachter eine Partei nicht zum Ortstermin, obwohl diese das zuvor eingefordert hat, sei dieses Versäumnis geeignet, „Misstrauen in die Person des Sachverständigen zu begründen und der Bindungswirkung schon deshalb die Grundlage zu entziehen“). In diese Richtung auch BGH v. 11.6.1976 VersR 1976, 821, 823, wo die Unterredung eines parteibenannten Sachverständigen in der Feuerversicherung nur mit der Partei, die ihn benannt hat, als „Unkorrektheit“ bezeichnet wird. „Als Schiedsgutachter sollten [Mitglieder einer Sachverständigenkommission] – ebenso wir ein Richter oder Schiedsrichter – nicht mit einer Partei hinter dem Rücken der anderen Partei verhandeln. Soweit sie eine mündliche Erörterung für erforderlich halten, sollten sie beide Parteien dazu einladen.“ Aus dieser Formulierung lesen andere heraus, dass der Schiedsgutachter an „die von ihm selbst befolgte Übung“ (G. Wagner, Prozeßverträge, S. 677) zur Gewährung rechtlichen Gehörs gebunden sei. In Wirklichkeit bezieht sich diese Formulierung mehr auf die Person des Schiedsgutachters als auf das von ihm eingeschlagene Verfahren.

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teien oder keiner von ihnen erfordern würde, weckt Zweifel an seiner Unparteilichkeit.30

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör I. Ablehnende Position der Rechtsprechung und Reaktionen darauf Über diese Fallgruppen hinaus ist lebhaft umstritten, ob die Parteien eines Schiedsgutachtenvertrages einen Anspruch auf rechtliches Gehör haben. Die Rechtsprechung lehnt einen derartigen Anspruch traditionell31 ab, und zwar bezogen auf gestaltende Schiedsgutachten32 wie auf feststellende Schiedsgutachten33. Ein Schiedsgutachten, bei dessen Erstellung den Parteien kein rechtliches Gehör gewährt wurde, ist nicht allein deswegen unverbindlich. Die Begründung für diese Ansicht folgt dem vertrauten Muster:34 Die Vorschriften des Schiedsverfahrensrechts und damit auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs fänden auf den Schiedsgutachtenvertrag keine Anwendung. Denn die Bedeutung des Schiedsgutachtens liege allein im Bereich des materiellen Rechts. Ihm gehe kein Gerichtsverfahren oder gerichtsähnliches Verfahren voraus. Der notwendige Schutz für die Parteien sei gewährleistet, wenn eine inhaltliche Überprüfung des Gutachtens stattfinde. „Da sich sein Gutachten nicht auf der prozessualen Ebene bewegt, steht [der Schiedsgutachter] in verfahrensrechtlicher Hinsicht völlig frei. Es ist daher auch ohne wesent30 Bamberger/Roth/Gehrlein,

§ 319 Rn. 4; ders., VersR 1994, 1009, 1012; Borowsky, S. 201 Fn. 981; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 117; Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 259. Mit diesem Ansatz lässt sich entgegen Triebel, S. 136 auch auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Ansicht die gleichmäßige Gewährung rechtlichen Gehörs begründen. 31  Siehe bereits zum preußischen Recht ROHG v. 20.6.1871 ROHGE 3, 74 (Versicherungsschaden); PrOT v. 7.2.1854 PrOTE 27, 450 (feststellendes Schiedsgutachten); PrOT v. 14.12.1844 PrOTE 11, 180 (gestaltendes Schiedsgutachten). 32  Siehe vor allem das oft als Leitentscheidung des BGH zum Schiedsgutachtenrecht begriffene Urteil des BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 341. 33  BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665 (einen spezifischen Gehörsverstoß hatte der Kläger nicht gerügt, sondern vielmehr den Umstand, dass ihm sämtliche Gehörsrechte, wie er sie vor Gericht hätte, abgeschnitten seien); BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618; BGH v. 20.2.1970 – V ZR 35/67 (juris), Rn. 75; OLG Hamm v. 20.3.2003 OLGR 2003, 263 (Schiedsgutachter hat für die Berechnung eines Werklohnanspruchs keine der Parteien zum Ortstermin beigezogen); OLG Celle v. 26.1.995 NJW‑RR 1995, 1046 (Verfahren nach § 18 Nr. 4 VOB/B); OLG Nürnberg v. 18.12.1962 MDR 1963, 498, 499; LAG Chemnitz v. 23.4.2010 – 3 Sa 467/09 (juris), Rn. 32 f. (Schiedsgutachter musste Gegenseite nicht zu den von einer Partei eingereichten Unterlagen anhören). 34  Siehe nur die Begründung in BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 341 und ihre Übertragung auf feststellende Schiedsgutachten in BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665.

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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liche Bedeutung, auf welchem Wege er zu dem Ergebnis in seinem Gutachten gekommen ist. Entsprechend der materiellrechtlichen Bedeutung seines Gutachtens kommt es für die richterliche Nachprüfung daher auch nur auf das Ergebnis des Schiedsgutachtens an.“35

Ein Teil des Schrifttums teilt die Ansicht, dass ohne entsprechende Vereinbarung kein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs besteht.36 In neueren unterinstanzlichen Entscheidungen deutet sich jedoch, bislang bezogen auf feststellende Schiedsgutachten, ein Kurswechsel an.37 Danach stelle es einen schweren, zur Unverbindlichkeit des Gutachtens führenden Verfahrensmangel dar, wenn den Parteien kein rechtliches Gehör gewährt wurde.38 Die Abweichung von der traditionellen Linie des BGH wird dabei im Grunde nicht problematisiert.39 Dabei wären in einem reichhaltigen Schrifttum durchaus Argumente zu finden. Denn der wohl überwiegende Teil des Schrifttums bejaht – zumindest für feststellende Schiedsgutachten – einen Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör, dessen Nichtbeachtung zur ergebnisunabhängigen Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens führen soll.40 35 

BGH v. 25.6.1962 BGHZ 6, 335, 340 f. auch nicht stets mit derselben Begründung. Siehe z.B. Wieczorek/Schütze/ Schütze, § 1025 Rn. 33; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 304 (§ 12 IV 8 a); H. Eckert, S. 26; Kisch, Schiedsmann, S. 88; Arens, S. 40; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Halbgewachs, NZV 2004, 115, 117 (auch der gerichtliche Sachverständige nehme mit den Parteien keinen Kontakt auf); Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 870; Bamberger/Roth/ Gehrlein, § 317 Rn. 10; ders., VersR 1994, 1009, 1012; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 303. Zum Sachverständigengutachten im Versicherungsrecht: Bruck/Möller/K. Johannsen, § 84 Rn. 46 f. m.w.N.; Volze, VersR 1996, 1337, 1339 (allerdings sei der Sachverständige „sicherlich gut beraten, wenn er beide Parteien zum Schadensfall anhört“). 37  OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597 (obiter); VG Sigmaringen v. 11.5.2006 – 8 K 889/04 (juris), Rn. 35; LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133 (Schiedsgutachten zur Festsetzung des Restwerts bei Rückgabe der Leasingsache). Hierher gehört auch OLG Düsseldorf v. 19.6.2007 OLGR 2008, 2. Dort wird zwar noch eine Rückkopplung an die Begründung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mit einer entsprechenden Parteivereinbarung versucht. Diese Vereinbarung darin zu erblicken, dass dem Schiedsgutachtenverfahren nach dem Vertrag ein Einigungsversuch der Parteien vorauszugehen habe und deshalb auch am Verfahren selbst die Parteien zu beteiligen seien, erscheint jedoch reichlich gekünstelt. 38  Der BGH selbst hat diese Frage offengelassen in BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506, 507. Allein darin einen „Auffassungswandel“ zu sehen (so Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 [1989], 207, 216), dürfte indes zu weit gehen. 39  Es entsteht der Eindruck, als verstünden sich diese Entscheidungen als Fortführung der BGH-Rechtsprechung zur Unverbindlichkeit von Schiedsgutachten wegen einer lückenhaften Begründung. Deutlich wird das bei LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133; auch VG Sigmaringen v. 11.5.2006 – 8 K 889/04 (juris), Rn. 35. Zu dieser Rechtsprechung siehe noch unten § 9 A.I. (S. 548 ff.). 40 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 11, § 319 Rn. 9; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 19; B. Rauscher, S. 251; Wittmann, S. 129 ff.; Lindacher, KTS 1964, 35, 37; Nicklisch, FS Bülow, S. 175; Sieg, VersR 1965, 629, 633; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 216 f. Ausdrücklich auch zum gestaltenden Schiedsgutachten Wittmann, S. 142 f. 36 Wenn

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§ 8 Rechtliches Gehör

II. Ablehnende Position in England und Frankreich Bevor jedoch dieser Gegenansicht nachgegangen wird, soll zunächst nach England und nach Frankreich geschaut werden. In beiden Rechtsordnungen wird eine Pflicht des Dritten zur Gewährung rechtlichen Gehörs, sofern die Parteien dazu ausdrücklich nichts vereinbart haben, grundsätzlich verneint. Gerade in Frankreich ist die Frage aber nach wie vor umstritten. Eine Analyse dieses Streits kann den Blick für die Problematik im deutschen Recht schärfen.

1. Französisches Recht Das französische Prozessrecht kennt ein principe du contradictoire, das zwar mit dem deutschen Begriff des rechtlichen Gehörs nicht identisch,41 für den hier zu behandelnden Problemkomplex aber funktional einschlägig ist, betrifft es doch vor allem auch den Informationsfluss zwischen Entscheidungsperson und Parteien. Sofern die Parteien dem Dritten ausdrückliche Vorgaben gemacht haben, ob und wie er mit ihnen kommunizieren soll, muss der Dritte diese Vorgaben aufgrund seines Vertrags mit den Parteien beachten.42 Derartige Vorgaben seien in der Praxis immer häufiger anzutreffen.43 Im Ergebnis besteht hier also Übereinstimmung mit dem deutschen Recht, auch wenn diese auf einem konstruktiv anderen Weg erzielt wird: Nicht im Schiedsgutachtenvertrag als Unterwerfungsvereinbarung der Parteien muss die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs enthalten sein, sondern in der Vereinbarung mit dem Schiedsgutachter, mit der dieser zum mandataire commun wird.44 Wie in Deutschland stellt sich die Rechtslage in Ermangelung einer ausdrücklichen Vereinbarung als umstritten dar. Einigkeit besteht noch darüber, dass verfahrensrechtliche Vorschriften45 nicht unmittelbar anwendbar sind.46 Ein Rekurs auf das principe du contradictoire außerhalb staatlicher Verfahren, in denen das Prinzip insbesondere durch Art. 6 Abs. 1 EMRK abgesichert ist, scheidet aller-

41  Schlosser, FS BGH III, S. 400. Mit dieser Vorbemerkung werden die Begriffe im Folgenden trotzdem synonym verwendet. 42  Cass. com. 6.2.2007 Bull. civ. IV, Nr. 30; Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36; Moury, Nr. 41.92; Serinet, RDC 2009, 657, 660; Gautier, RTD civ. 2011, 364, 366. Etwas anderes gilt allein im Bereich der zwingenden Anwendung des Art. 1843-4 Code civil, in dem der Dritte nicht an Vorgaben der Parteien gebunden werden kann, siehe oben § 2 B.II.3.a) (S. 60 f.). 43  Serinet, RDC 2009, 657, 660. 44  Siehe oben § 3 A.II.2.b) (S. 108 ff.). Gegenstand der oben Fn. 42 genannten Entscheidung war deshalb auch nicht die Unverbindlichkeit des Gutachtens, sondern eine mögliche Haftung der Schiedsgutachter. 45 Zum principe du contradictoire im Zivilprozess Cadiet/Jeuland, Nr. 517 ff. Auch zum Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen ist Gehör zu gewähren, ebenda, Nr. 523. 46  Siehe oben § 7 B.II.5.c) (S. 461).

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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dings nicht von vornherein aus.47 Entsprechend hat es auch immer Forderungen gegeben, den Schiedsgutachter diesem Prinzip zu unterwerfen.48 Teilweise wird diese Forderung darauf gestützt, dass der Dritte eine rechtsprechende Funktion ausübe.49 Doch auch unabhängig davon heißt es, dass jeder Dritte, der zur Beilegung eines Konflikts eingeschaltet werde, gewisse prozessuale Mindestanforderungen, zu denen die Gewährung rechtlichen Gehörs zähle, beachten müsse.50 Dies gelte umso mehr, wenn ihre Entscheidung anders als diejenige eines gerichtlichen Sachverständigen Bindungswirkung entfalte, dieser aber dem Prinzip unterworfen sei.51 Rechtliches Gehör sei erst recht vor dem Hintergrund des großzügigen Entscheidungsmaßstabs des Dritten geboten.52 Hinzu kommt eine Verquickung mit dem Neutralitätsgebot: Weil der Schiedsgutachter unparteilich zu agieren habe, müsse er auch die Parteien hören.53 Die Rechtsprechung hatte eine Zeitlang durchaus Sympathie für diese Position. So sah etwa ein Urteil aus dem Jahre 1999 die Bewertung von Anteilen an einer Immobiliengesellschaft als unverbindlich an, weil der Sachverständige nicht den Anteilsinhaber zu der Besichtigung einer von der Gesellschaft gehaltenen Immobilie geladen hatte.54 In anderen Urteilen wurde jedoch der Vorwurf einer unzufriedenen Partei, ihr sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, als unmaßgeblich abgetan.55 Dieser Uneinheitlichkeit ihrer Rechtsprechung machte die Cour de cassation selbst mit einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 2005 ein Ende.56 Das Urteil erging zu Art. 1843-4 Code civil; es erstreckt sich aber auch auf Art. 1592 Code civil.57 In der Entscheidung ging es um die Bewertung der Anteile eines aus Altersgründen ausscheidenden Gesellschafters. Der aus-

47 

Moury, Nr. 41.102; Gautier, RTD civ. 2005, 613, 614 mit Nachweisen zur Anwendung auf Gesellschafterbeschlüsse. 48  Jarrosson, Nr. 208; ders., Rev. arb. 2001, 5, 12 f.; Cadiet, FS Guyon, S. 165; Serinet, RDC 2009, 657, 660; Champaud/Danet, RTD com. 2005, 537, 538; Deharo, RTD com. 2007, 643, 651 ff.; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2956; Couret, D. 2011, 1390, 1392. 49  Champaud/Danet, RTD com. 2005, 537, 538. 50  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 12 f. 51  Gautier, RTD civ. 2005, 613, 614 f.; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2956 (principe du contradictoire stehe nicht zur Disposition der Parteien); Deharo, RTD com. 2007, 643, 653. 52  Mortier, Dr. sociétés 2013, Nr. 41. 53  Cadiet, FS Guyon, S. 165; Garçon, Bull. Joly Soc. 2009, 866, 868 (§ 176). 54  Cass. civ. 3e 21.7.1999 – n° de pourvoi 98‑10.058 (Legifrance). 55  Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333 (zu Art. 1592 Code civil): Weil die zur Feststellung des Unternehmenswerts eingesetzten sachverständigen Dritten keine Schiedsrichter, sondern Beauftragte (mandataires) der Parteien sind, konnten sie ihre Aufgabe erfüllen, ohne die Parteien zu einer gemeinsamen Erörterung zu laden. 56  Cass. com. 19.4.2005 Bull. civ. IV, Nr. 95. Gleichwohl a.A. CA Pau 5.2.2009 Bull. Joly Soc. 2009, 864 (§ 176). 57  Cour de cassation, Rapport annuel 2005, 313 f.

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§ 8 Rechtliches Gehör

scheidende Gesellschafter machte eine Verletzung des principe du contradictoire geltend, weil der Dritte bestimmte Informationen nicht mitgeteilt hatte. Die Cour de cassation hielt den Angriff auf das Gutachten für unbegründet. Da die Parteien ein verbindliches Gutachten gewollt hätten, könnten sie dieses nur noch in Frage stellen, wenn es fehlerhaft sei.58 Im Jahre 2011 bestätigte die Cour de cassation ihre Haltung, indem sie den im Rahmen einer question prioritaire de constitutionnalité gestellten Antrag, dem Conseil constitutionnel die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Art. 1843-4 Code civil vorzulegen, zurückwies.59 Der Kläger hatte einen Verfassungsverstoß wegen einer Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten geltend gemacht. Dem trat die Cour de cassation entgegen: Der Dritte sei lediglich aufgerufen, im Namen und anstelle der Parteien eine Bewertung vorzunehmen; er könne keinerlei Sanktion oder Strafe verhängen. Die Zurückweisung des Antrags hat Zustimmung gefunden;60 der Versuch, einen Verfassungsverstoß zu rügen, dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass das Instrument der question prioritaire de constitutionnalité erst kurz zuvor eingeführt worden war und deshalb eine gewisse Attraktivität ausübte. Diesen Urteilen sind vor allem zwei Gesichtspunkte zu entnehmen: Erstens steht die Entscheidung des Dritten in einem vertragsrechtlichen Kontext; sie ist keinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen unterworfen. Der Forderung des Schrifttums nach einer Annäherung an prozessuale Garantien wird damit eine deutliche Absage erteilt.61 Zweitens macht sich hier der große Spielraum des Dritten bei der Ausführung seiner Aufgabe, der oben als „pleine liberté“ bezeichnet wurde, bemerkbar. Der Dritte kann selbst entscheiden, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er seinem Auftrag nachkommen möchte.62 Damit dient der Verzicht auf Verfahrensgarantien auch einer Verfahrensbeschleunigung.63 Möglich bleibt freilich ein Angriff gegen das Gutachten, wenn das Verhalten des Dritten an dessen Neutralität zweifeln lässt. Wenn diese Zweifel begründet sind, beruht die Unverbindlichkeit des Gutachtens freilich nicht auf der Miss58  Die Begründung ist freilich schwach: Warum sollte die Verweigerung rechtlichen Gehörs nicht einen Fehler darstellen? 59  Cass. com. 8.3.2011 Bull. civ. IV, Nr. 36; anders verstehen diese Entscheidung Tricot et al., S. 10, 23. Ein weiterer Anlauf, die Vorschrift vor den Conseil constitutionnel zu bringen, wurde mangels Antragsbefugnis verworfen, Cass. com. 28.6.2011 RTD civ. 2011, 557. 60  Moury, Nr. 41.113; Couret, D. 2011, 1390 ff. 61 Zustimmend Moury, Nr. 41.123; ders., D. 2011, 2421, 2423; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 72; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54 Fn. 70; Couret, FS Bouloc, S. 259 ff. 62  Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844‑17: fasc. 41, Nr. 66; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 72; Moury, Nr. 41.121; Deharo, RTD com. 2007, 643, 653. Siehe oben § 4 C.I.1.b) (S. 193 f.). – Nach Ansicht von Granotier, JCP G 2012, 653 (S. 1074) spricht die „liberté totale“ des Dritten im Fall des Art. 1843-4 Code civil gerade für die Beachtung des principe du contradictoire. 63  Deharo, RTD com. 2007, 643, 653.

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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achtung des principe du contradictoire, sondern auf der fehlenden Unparteilichkeit.64 Im Ergebnis besteht damit eine Übereinstimmung mit der Lösung des deutschen Rechts. Die von der Cour de cassation gegebene Begründung erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als dünn:65 Wenn ein fehlerhaftes Gutachten unverbindlich ist, so hätte doch die Frage nahegelegen, warum eine Gehörsverletzung keinen Fehler in diesem Sinne darstellt.66 Der Verweis auf die dogmatische Konstruktion allein taugt hier kaum als Argument; dem Neutralitätsgebot steht die Verortung im Vertragsrecht, wie gesehen,67 nicht entgegen.68 Derselbe Vorwurf lässt sich freilich auch dem Bundesgerichtshof machen.

2. Englisches Recht Eine eigene Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs als Ausprägung eines „due process“ ist dem englischen Schiedsgutachtenrecht ebenfalls fremd.69 Diese Pflicht würde, obwohl sie theoretisch vereinbart werden ­könnte,70 Schiedsgutachter und Parteien unter Umständen auch vor Probleme stellen: Eines der Kriterien zur Abgrenzung von Schiedsgutachter und Schiedsrichter fragt danach, ob der Dritte nach dem Willen der Parteien ein gerichts­ ähnliches Verfahren einschlagen sollte oder nicht.71 Wird das Verfahren nun zu justizförmig ausgestaltet, läuft es Gefahr, ungewollt in ein Schiedsverfahren „umzuschlagen“.72 Allerdings unterliegt der Schiedsgutachter auch ohne gesonderte Vereinbarung einer implied duty to act fairly.73 Diese Pflicht entspricht nicht den Geboten des due process.74 Sie kann aber im Einzelfall dazu führen, dass den Parteien bestimmte Informationen weiterzugeben sind. So kann es dem Schiedsgutachter anders als einem Richter zwar durchaus gestattet sein, eine Besprechung 64  Cour de cassation, Rapport annuel 2005, 314; Cadiet, FS Guyon, S. 165; Couret, D. 2011, 1390, 1392; Moury, Nr. 41.122; siehe auch Cass. com. 19.6.2001 – n° de pourvoi 98-18.236 (Legifrance). 65  Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2956. 66  Kritisch deshalb Champaud/Danet, RTD com. 2005, 537, 538. 67  Siehe oben § 7 B.II.5.c) (S. 460 ff.). 68  Zu einer Herleitung von Unterrichtungspflichten aus dem Auftragsrecht siehe Moury, D. 2011, 2421, 2425 f. 69  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 1.6.10; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.25; Borowsky, S. 104 ff. 70  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 1.6.10; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.21 ff. 71  Re Carus-Wilson and Greene (1887) L.R. 18 Q.B.D. 7, 9 (für Schiedsgericht spreche „a judicial inquiry worked out in a judicial manner“); Borowsky, S. 74. 72  Borowsky, S. 104; Jones, (1997) 63 Arbitration 213, 217. 73  Siehe oben § 7 B.II.5.b) (S. 458 ff.).; Worrall v. Topp [2007] EWHC 1809; Kendall/Freed­ man/Farrell, Rn. 14.13.1. 74  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.14.

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§ 8 Rechtliches Gehör

mit nur einer Partei abzuhalten.75 Falls sich aus dieser Unterredung aber Dinge ergeben, die für den Inhalt des Gutachtens relevant sein können, kann der Schiedsgutachter zur Unterrichtung der Gegenseite verpflichtet sein.76 Diese Pflicht soll indes kein „straitjacket requirement“ darstellen.77 Ihre inhaltliche Ausgestaltung hängt vom konkreten Fall ab.78 Mit dieser Verankerung werden Anhörungspflichten in die Nähe des Neutralitätsgebots gerückt. Der Schiedsgutachter hat Freiheit in der Verfahrensgestaltung, muss dabei aber alles unterlassen, was ihn parteilich erscheinen lässt.79 Borowsky ergänzt die Beobachtung, dass dieser Ansatz unausgesprochen auf der Überlegung beruhe, die Parteien hätten sich bewusst für ein nicht-förmliches Verfahren entschieden, weshalb sie nun nicht mit Verfahrensgarantien konfrontiert werden sollen, die sie Zeit und Geld kosten.80 Im Ergebnis ist auch hier Übereinstimmung mit den anderen Rechtsordnungen festzustellen. Indem Anhörungspflichten mit dem Neutralitätsgebot in Verbindung gebracht werden, entsteht ein flexibler Standard, im Einzelfall ein Schiedsgutachten für unverbindlich zu erachten. Zudem lassen sich dem englischen Recht zwei Gründe für die Ablehnung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Schiedsgutachtenverfahren entnehmen: Zum einen soll dieses Verfahren gerade eine Alternative zum Schiedsverfahren bilden können. Zum anderen machen anspruchsvolle Verfahrensgarantien das Verfahren aufwendiger. Dies könnte gerade dem Zweck des Schiedsgutachtenverfahrens zuwiderlaufen.

III. Begründungsansätze für einen Anspruch auf rechtliches Gehör Wie wird nun im deutschen Schrifttum begründet, dass ein Schiedsgutachter auch ohne dahingehende Vereinbarung den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren hat? Zwei Begründungsstränge lassen sich dafür ausmachen. Beide Ansätze können im Ergebnis nicht überzeugen.

90.

75 

Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para.

76 

Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 379. Amec Civil Engineering Ltd v. Secretary of State for Transport [2005] 1 WLR 2339,

77 

2355. 78  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.13.1 f. 79  Siehe auch Hounslow London Borough Council v. Twickenham Garden Developments Ltd. [1971] Ch. 233, 259 f. („It is the position of independence and skill that affords the parties the proper safeguards, and not the imposition of rules requiring something in the nature of a hearing.“). 80  Borowsky, S. 105.

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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1. Funktion des Schiedsgutachters und Bindungswirkung des Gutachtens Der erste Ansatz ist bereits aus der Darstellung des französischen Rechts geläufig. In der Regel bezogen auf feststellende Schiedsgutachten berufen sich Befürworter eines Grundsatzes rechtlichen Gehörs teilweise auf dieselben Argumente, wie sie ins Feld geführt werden, um die Geltung des Neutralitätsgebots zu begründen. Es ist dies einmal eine behauptete funktionale Ähnlichkeit von Schiedsgutachten und Schiedsverfahren. Da der Schiedsgutachter (teilweise) typische (schieds‑)richterliche Funktionen – nämlich die Aufnahme und Würdigung von Beweisen – wahrnehme, müsse er auch Mindestgarantien an das Verfahren beachten.81 Dass die Zuordnung des Schiedsgutachtens zum Verfahrensrecht oder zum materiellen Recht in dieser Frage nichts präjudiziere, wird  – wie beim Neutralitätsgebot – auch hier betont.82 Maßgeblich scheint vielmehr die Sicht des Schiedsgutachtens als „privatrichterliche[s] Verfahren“83. Zum anderen wird die Bindung des staatlichen Richters an die Feststellungen des Schiedsgutachters bemüht. Wenn der Schiedsgutachter ein Anspruchselement verbindlich verneine, sei damit im Grunde der Anspruch abgewiesen.84 Da der Richter zum Inhalt des Schiedsgutachtens – abgesehen von der Frage der offenbaren Unrichtigkeit – kein Gehör mehr gewähre, müssten die Parteien sich bereits in dem schiedsgutachterlichen „Vorschaltverfahren“ äußern dürfen.85 Unmittelbar an Art. 103 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 EMRK kann der private Schiedsgutachter selbstverständlich nicht gebunden sein.86 Doch anscheinend soll die Bindung des staatlichen Richters an diese Grundsätze wegen der Ver81  B. Rauscher, S. 250 f.; Nicklisch, FS Bülow, S. 175; ders., ZHR 136 (1972), 1, 27; Kornblum, S. 101 f.; ders., KTS 1970, 244, 247; Habscheid, FS Laufke, S. 316 f.; Wittmann, S. 132 f.; Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 20; Lindacher, KTS 1964, 35, 37; Sieg, VersR 1965, 629, 633; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 216 f.; B. Meyer, S. 115. 82  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 662 f.; Nicklisch, FS Bülow, S. 175; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 217. 83  Sieg, VersR 1965, 629, 634. 84  Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 18 VOB/B Rn. 34 (mit zusätzlichem Hinweis auf die Kostenlast für das Schiedsgutachten); v. Thun und Hohenstein, S. 288 f.; Kornblum, S. 101 f.; Lindacher, KTS 1964, 35, 37; Habscheid, KTS 1964, 78, 88. – Im Verfahren zur Festsetzung einer Vertragsstrafe durch einen Dritten wird jedoch gerade vorgebracht, dass die spätere Anhörung im gerichtlichen Kontrollverfahren ausreiche und deshalb keine Anhörung bei der Festsetzung erforderlich sei, Staudinger/­Rieble, Vorbem zu §§ 339 ff Rn. 103; Münch­ Komm-­BGB/P. Gottwald, § 339 Rn. 28. 85  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 43; Musielak/Voit, § 1029 Rn. 18; Habscheid, FS Laufke, S. 317; B. Meyer, S. 115; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 11. 86  Siehe aber das Grünbuch über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil‑ und Handelsrecht, KOM(2002), 196 endg., Tz. 7 ff. Darin wird Art. 6 EMRK gerade bemüht, um für die Einführung außergerichtlicher, nicht gerichtsförmiger Streitbeilegungsverfahren zu plädieren.

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§ 8 Rechtliches Gehör

bindlichkeit des Schiedsgutachtens auf den Schiedsgutachter ausstrahlen. Jedenfalls nach „dem Sinngehalt und der Bedeutung“ von Art. 103 Abs. 1 GG87 und angesichts des „hohen Stellenwerts des Prinzips“88 müsse rechtliches Gehör gewährt werden. Jeder, der zu einer Meinungsverschiedenheit ein Urteil abgeben solle, müsse beide Seiten anhören, auch wenn seine Entscheidungsbefugnis privaten Ursprungs sei.89 Es genügt, diese Argumente in geraffter Form wiederzugeben, da sie in inhaltlich vergleichbarer Weise auch zum Neutralitätsgebot vorgebracht werden und in diesem Zusammenhang bereits einer detaillierten Darstellung und Bewertung unterzogen wurden.90 Viele Vertreter dieser Argumente nehmen implizit oder auch ausdrücklich eine künstliche Trennung von gestaltendem und feststellendem Schiedsgutachten in Kauf.91 Wie zuvor im Zusammenhang mit dem Neutralitätsgebot begründet, sind weder eine Funktionsähnlichkeit zum Schiedsverfahren noch die Bindung des staatlichen Richters an den Inhalt des Schiedsgutachtens in der Lage, die Geltung von Verfahrensgrundsätzen zu begründen. Insofern verharren viele Befürworter eines Rechts auf Gehör ebenso in dogmatischen Denkmustern wie der Bundesgerichtshof, dessen Ansicht sie ablehnen. Nicht die Wahrnehmung schiedsrichterlicher Aufgaben vermag einen Anspruch auf rechtliches Gehör zu begründen, sondern die Notwendigkeit eines derartigen Anspruchs könnte eine Nähe zum Schiedsverfahrensrecht begründen. Gerade das englische Recht weist vielmehr auf die Alternativität von Schiedsgutachter und Schiedsrichter hin.

2. Mutmaßlicher Parteiwille Entscheidend kommt es deshalb – wie schon beim Neutralitätsgebot92 – auf einen zweiten Begründungsstrang an, der auf die Interessen der Parteien und ihren mutmaßlichen Willen abstellt. Ohne zwingende öffentlich-rechtliche Garantie eines Rechts auf Gehör kann dieses im Schiedsgutachtenverfahren nur aufgrund einer Auslegung der Schiedsgutachtenvereinbarung Geltung beanspruchen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es Sache der Parteien, Anforderungen an das Verfahren nach ihren Bedürfnissen und Interessen im Hinblick auf dieses Verfahren festzulegen.93 Wäre dies anders, so müsste jedes Wort über 87 

Habscheid, FS Laufke, S. 317. v. Thun und Hohenstein, S. 288. 89  B. Rauscher, S. 251. 90  Siehe oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.) und § 7 B.II.3.b) (S. 442 ff.). 91  Ausdrücklich für diese Konsequenz sogar Lindacher, KTS 1964, 35, 36; ohne diese Unterscheidung aber v. Thun und Hohenstein, S. 288 f. 92  Siehe oben § 7 B.II.5. (S. 456 ff.). 93  OLG Nürnberg v. 28.7.1994 NJW‑RR 1995, 544 (Benennung des Schiedsgutachters nicht nach ZPO, sondern nach dem vertraglich Vereinbarten); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 672; Bongartz, S. 25. 88 

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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die Honorierung eines vereinbarten Anspruchs auf rechtliches Gehör überflüssig erscheinen: Denn nähme man die Argumentation der Verfechter der Ansicht, dass auch ohne dahingehende Vereinbarung rechtliches Gehör zu gewähren ist, ernst, müsste sie dazu führen, dass dieser Anspruch zwingend ausgestaltet und der Privatautonomie gerade entzogen ist. Insbesondere wäre auch jegliche Differenzierung des Grades, in dem rechtliches Gehör zu gewähren ist, nach der Aufgabe des Schiedsgutachters unzulässig. These und Begründung passen demnach nicht zusammen. Zu fragen ist nach den Interessen der Parteien in einem privaten Verfahren, das demgemäß von ihrer Privatautonomie dominiert ist.

3. Bewertung Auf der Grundlage typischer Parteiinteressen ließe sich – ähnlich wie zuvor zum Gebot von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit – ein mutmaßlicher Parteiwille begründen, der einen Anspruch auf rechtliches Gehör in die Schiedsgutachtenvereinbarung inkorporiert. In der Tat rekurrieren manche Befürworter eines generellen Rechts auf Gehör auch darauf, dass dessen Existenz den Interessen der Parteien entspreche.94 Durch das Schiedsgutachten würden wesentliche Elemente aus einem späteren Prozess in das Schiedsgutachtenverfahren verlagert.95 Es liege nun im Interesse der Parteien, in diesem Verfahren in demselben Maße Einfluss nehmen zu können wie in dem nachfolgenden Prozess.96 Dies zeige sich etwa in der Qualitätsarbitrage: Was nutze die Gewährung rechtlichen Gehörs im Sachmängelprozess, wenn ausgerechnet die Mangelhaftigkeit der Sache dem Prozess entzogen sei?97 Ohne Anerkennung eines eigenständigen Unverbindlichkeitsgrundes wegen fehlender Gewährung rechtlichen Gehörs könnten sich die Parteien nur mit dem wesentlich schwieriger zu führenden Nachweis einer offenbaren Unbilligkeit wehren.98 Allgemeiner gesprochen fügt sich diese Argumentation in eine Sichtweise des rechtlichen Gehörs als Kompensation für das Verbot der Selbsthilfe ein: Wenn jemand dem Spruch eines Dritten unterworfen ist, so muss er wenigstens auf dessen Inhalt Einfluss nehmen können.99 Die Einräumung rechtlichen Gehörs gewährleiste, dass das Schiedsgutachten auf einer möglichst umfassenden Tatsachengrundlage beruhe 94 Böckstiegel/Kröll/Nacimiento/G. Wagner, § 1025 ZPO Rn. 17; Lindacher, KTS 1964, 35, 36; siehe auch LG Frankfurt v. 25.7.1988 NJW‑RR 1988, 1132, 1133. Für das Versicherungsrecht Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 24. 95  Lindacher, KTS 1964, 35, 36. 96  Lindacher, KTS 1964, 35, 36; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 216 f. 97  Lindacher, KTS 1964, 35, 36. 98  Lindacher, KTS 1964, 35, 36. 99  Zu dieser Sichtweise F. Baur, AcP 153 (1954), 393, 402 (allerdings bezogen auf Gerichtsverfahren); offenbar auch v. Thun und Hohenstein, S. 288.

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§ 8 Rechtliches Gehör

und nach Möglichkeit ein sachgerechtes Ergebnis hervorbringe.100 Sie erhöhe zudem die Chance, dass die Parteien später das Ergebnis des Gutachtens akzeptieren.101 Diese Interessenanalyse geht von einer Prämisse aus, die jedenfalls im Regelfall nicht zutrifft und letztlich von der Überbetonung einer Nähe zum Schiedsverfahren geprägt zu sein scheint. Denn das Interesse der Parteien eines Schiedsgutachtenvertrages dürfte – wie auch Autoren in England und Frankreich betonen102 – regelmäßig darauf gerichtet sein, dass dem Schiedsgutachten gerade kein Prozess nachfolgt.103 Gerade wenn sich der Streit auf ein wesentliches Merkmal des Anspruchs wie die Mangelhaftigkeit der Kaufsache richtet, ist er mit dessen Feststellung beigelegt und ein späterer Gang zu Gericht entbehrlich.104 Es geht damit nicht um ein Interesse an der Verlagerung prozessualer Garantien in ein vorprozessuales Stadium. Wer nun aus diesem Blickwinkel die Frage betrachtet, wird feststellen, dass sich die Parteiinteressen typisierend kaum feststellen lassen und jedenfalls nicht für die pauschale Anerkennung rechtlichen Gehörs streiten.105 Hier hilft auch die zum englischen Recht referierte Interessenanalyse. Zwar sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen es für die Parteien nützlich oder sogar erforderlich ist, wenn der Schiedsgutachter sie anhört.106 Jedoch überlassen die Parteien ihm die Tatsachenfeststellung in erster Linie deshalb, weil sie sich ein schlankes Verfahren erhoffen, das einen geringen Zeit‑ und Kosteneinsatz erfordert.107 Dies betonen (gerade) auch Verfechter eines generellen Anspruchs auf rechtliches Gehör im Schiedsgutachtenverfahren.108 Dieses Verfahren würde durch die Pflicht des Schiedsgutachters, den Parteien ein anspruchsvolles Recht auf Gehör zu gewähren, teurer und aufwendiger. In vielen Fällen ist eine Anhörung 100 

Wittmann, S. 131; v. Thun und Hohenstein, S. 289. Wittmann, S. 133. 102  Für England Lewison, Rn. 14.07; für Frankreich Gibirila, JCl. Art. 1832 à 1844-17: fasc. 41, Nr. 64. 103  Prozessvermeidende Funktion des Schiedsgutachtens: BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 664; Habscheid, KTS 1957, 129, 132; Weismann, AcP 74 (1889), 422, 432; Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg/Motzke, § 18 Nr. 4 VOB/B Rn. 2; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213, 216 (als Befürworter einer Garantie rechtlichen Gehörs). 104  Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 87). 105 Übereinstimmend G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678 f. (etwas anders aber Böckstiegel/Kröll/Nacimiento/ders., § 1025 ZPO Rn. 17); Weick, FS Coing II, S. 561; Wangner, S. 52. 106  Überzogen deshalb Poulakos, S. 203 (kein Gehör erforderlich, weil der Schiedsgutachter nur aufgrund seiner Sachkunde agieren soll). 107 Allgemein B. Rauscher, S. 211 mit einem Plädoyer, nur solche Verfahrensgrundsätze aufzustellen, „die auf jeden Fall beachtet werden müssen“ (zu diesen Grundsätzen soll das rechtliche Gehör aber zählen, S. 250 ff.). Speziell mit Blick auf das rechtliche Gehör G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678; Weick FS Coing II, S. 560 f.; Wangner, S. 52; Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 259. 108  B. Rauscher, S. 211, 249 (Parteien sollen das Verfahren möglichst frei gestalten dürfen). 101 

C. Kein genereller Anspruch auf rechtliches Gehör

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der Parteien überdies unnötig.109 Die Zahl der zu den Gerichten gelangten Fälle, in denen eine Partei nachträglich moniert hat, sie sei nicht ausreichend gehört worden, ist – wie offenbar auch im Schiedsverfahrensrecht110 – vergleichsweise gering. Wenn etwa ein Sachverständiger nach § 18 Nr. 4 VOB/B ein Gutachten über die Eigenschaften von Baustoffen zu erstellen hat, so erbringt die Anwesenheit der Parteien während der Untersuchung des Stoffes keinen Mehrwert. Ein Recht auf Gehör würde in diesen Fällen nur dazu führen, dass ein Gutachten, von dem die Parteien sich Rechtssicherheit erwarten, leichter angreifbar würde. Eine Partei, die die Verbindlichkeit des Gutachtens erschüttern wollte, erhielte dafür einen zweiten Ansatzpunkt, der sie vor weniger Herausforderungen stellt als der – schwerer zu erbringende111 – Nachweis einer inhaltlichen offenbaren Unrichtigkeit. Diese Konsequenzen empfinden offenbar auch Anhänger eines generellen Rechts auf Gehör als misslich. Sie sprechen sich teilweise dafür aus, den Umfang des rechtlichen Gehörs nach den Umständen, etwa dem Inhalt der dem Schiedsgutachter übertragenen Aufgabe, abzustufen.112 Teils wird eine Gewährung rechtlichen Gehörs nur dann für erforderlich gehalten, „wenn die Anhörung das Gutachten beeinflussen könnte“.113 Diese Abstufung soll nicht zuletzt dem Umstand Rechnung tragen, dass in der Praxis ein rechtliches Gehör in ganz unterschiedlichem Umfang vereinbart werde.114 Wie der Schiedsgutachter und die Parteien nach diesen Kriterien sicher sein sollen, dass in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt wurde, bleibt unklar – zumal ein Schiedsgutachter nicht unbedingt vor der Anhörung wissen kann, ob deren Ergebnis den Inhalt seines Gutachtens beeinflussen kann, und rechtliches Gehör ja gerade die Möglichkeit zur Einflussnahme verschaffen soll115. Mit der Idee des rechtlichen Gehörs, wie es vor staatlichen Gerichten oder auch vor Schiedsgerichten – wo das rechtliche Gehör zum ordre public zählt116 – zu beachten ist, lässt sich diese Differenzierung schwer in Einklang 109  Darauf weisen auch hin G. Wagner, Prozeßverträge, S. 678; Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 870. 110  Schlosser zählt bis zum Jahr 2000 „[r]und ein Dutzend“ veröffentlichte Äußerungen des BGH „zu Fragen des rechtlichen Gehörs im Schiedsverfahren“, Schlosser, FS BGH III, S. 401. 111  Sieg, VersR 1965, 629, 634. 112 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34 (Anpassung des rechtlichen Gehörs nach „Art und Umfang“ an den Verfahrensgegenstand); B. Rauscher, S. 252 („Der Umfang der Anhörung wird durch den Verfahrensgegenstand bestimmt.“); Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 27 f. (so sei es etwa bei DAT-Schätzungen unschädlich, wenn nur eine Seite gehört werde, da die andere Seite ohnehin kaum etwas zum Fahrzeugzustand sagen könne). 113 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 20; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 11. 114 Insbesondere B. Rauscher, S. 252 ff. 115  F. Baur, AcP 153 (1954), 393, 410. 116  Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO: OLG München v. 20.12.2006 OLGR 2007, 361; OLG Köln v. 23.4.2004 SchiedsVZ 2005, 163, 165; Zöller/Geimer, § 1059

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§ 8 Rechtliches Gehör

bringen. Sie bringt vielmehr zum Ausdruck, dass ein umfassendes Recht auf Gehör selbst seinen Verfechtern nicht ganz geheuer zu sein scheint. Ihr Hauptanliegen scheint es zu sein, die Parteien vor einer Benachteiligung im Verfahren zu schützen. Diese Fälle lassen sich jedoch mit dem zuvor bejahten Neutralitätsgebot leicht lösen.117 Die Parteien stehen nicht rechtlos ohne Gehör da, wenn sie es versäumt haben, dem Schiedsgutachter die Gewährung rechtlichen Gehörs vorzuschreiben. Wie auch das englische und das französische Recht zeigen, kann das Neutralitätsgebot den gewünschten Schutz gewährleisten. Denn bringen die Parteien aus eigenem Antrieb relevante Punkte vor, die der Schiedsgutachter bei seiner Feststellung erkennbar übergeht, oder bespricht er sich mit einer Seite, ohne die andere davon zu unterrichten, so kann sein Verhalten Zweifel an seiner Neutralität begründen.118 Und ein einseitig eingeholtes Qualitätsgutachten über gelieferte Ware, in dessen Vorfeld die andere Partei keine Gelegenheit hatte, den zu untersuchenden Gegenstand mit auszuwählen,119 kann möglicherweise schon nicht als Schiedsgutachten, sondern nur als Parteigutachten zu qualifizieren sein. Ob und in welchem Umfang Absicherungen im Verfahren erforderlich sind, können am besten die Parteien selbst beurteilen. Es muss ihnen auch nicht rechtliches Gehör garantiert werden im Hinblick darauf, dass sie der Entscheidung des Dritten unterworfen sind und ihnen insofern Selbsthilfe versagt ist. Denn ihr Unterworfensein beruht nicht auf dem staatlichen Verbot der Selbsthilfe, sondern darauf, dass sie selbst sich privatautonom ihrer Regelungsaufgabe angenommen haben. Ihnen sollte aus diesen Gründen die Vereinbarung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht nur überlassen, sondern gerade zur Aufgabe gemacht werden. Dass auch die Parteien dies als ihre Aufgabe ansehen, zeigt gerade die von manchen Befürwortern eines generellen Anspruchs auf rechtliches Gehör ins Feld geführte Vertragspraxis.120 Wenn Verfahrensordnungen zu Schiedsgutachten gewisse Anhörungspflichten statuieren, so muss daraus nicht zwingend zu folgern sein, dass in Schiedsgutachten generell rechtliches Gehör gewährt werden sollte. Vielmehr kann eine Verbreitung derartiger Klauseln auch dafür sprechen, dass grundsätzlich keine Beteiligungs‑ oder Anhörungsrechte bestehen und die Parteien in Anbetracht dieses Grundsatzes Rn. 68. Siehe auch Schlosser, FS BGH III, S. 416 f. zu der Frage, ob die Vorenthaltung rechtlichen Gehörs kausal für den Schiedsspruch geworden sein muss. 117  Selbst wenn also in einer verweigerten Anhörung eine „Missachtung der betroffenen Vertragspartei“ liegen sollte (so NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 19), folgt daraus nicht zwingend, dass ein Schiedsgutachter rechtliches Gehör zu gewähren hat, sondern nur dass er alles zu unterlassen hat, was Zweifel an seiner Unbefangenheit weckt. 118  Zutreffend OLG Celle v. 26.1.1995 NJW‑RR 1995, 1046. Zustimmend G. Wagner, Prozeßverträge, S. 679. Siehe zur parallelen Situation beim gerichtlichen Sachverständigen OLG Saarbrücken v. 16.8.2011 DS 2011, 363. 119  Diesen Punkt erachtet B. Rauscher, S. 255 als besonders wichtig. 120  Siehe insbesondere B. Rauscher, S. 252 ff.

D. Übertragbarkeit auf das Erbrecht

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eine abweichende Regelung vorsehen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Diese Sichtweise hat den weiteren Vorteil, Schiedsgutachten und Schiedsverfahren deutlich voneinander abzusetzen.121 Die Parteien erhalten eine echte Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Verfahrensarten zu wählen.

D. Übertragbarkeit auf das Erbrecht Im erbrechtlichen Kontext mutet die Frage, ob der Schiedsgutachter rechtliches Gehör zu gewähren hat, seltsam an. Derjenige, von dem er seine Befugnis ableitet, kann nicht mehr angehört werden, da der Dritte erst dann zu seiner gestaltenden oder feststellenden Entscheidung berufen ist, wenn jener nicht mehr lebt. Eine Anhörung des Delegierenden wäre damit unnötig, da dieser nicht mehr in seinen Interessen betroffen sein kann, und darüber hinaus unmöglich. Vor diesem Hintergrund muss es überraschen, wenn nun gerade im Erbrecht für einen bestimmten Fall der Delegation eine Anhörung vorgeschrieben ist. Nach § 2204 Abs. 2 BGB hat der Testamentsvollstrecker, zu dessen Aufgaben die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gehört, die Erben über den Auseinandersetzungsplan vor der Ausführung zu hören.122 Dieser Auseinandersetzungsplan stellt ein einseitig feststellendes Rechtsgeschäft des Testamentsvollstreckers dar.123 An ihn sind sowohl der Testamentsvollstrecker als auch die Erben gebunden.124 Auf den ersten Blick erscheint diese Regelung tatsächlich als Ausprägung eines Rechts der Miterben, gehört zu werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Anhörung den Erben die Gelegenheit geben, etwaige Bedenken vorzubringen.125 Prozessrechtliche Anklänge enthalten diese Überlegungen des historischen Gesetzgebers indes nicht. Die von ihm normierte Anhörungspflicht ist von ei121 

In diesem Sinne auch Weick, FS Coing II, S. 560 f. Weitergehend empfiehlt Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2204 Rn. 6, dass die Anhörung „tunlichst schon vor der endgültigen Planaufstellung erfolgen [sollte], damit die Erben Gelegenheit haben, Wünsche und Bedenken zu äußern“ (Hervorhebung im Original). Siehe auch ders., Testamentsvollstreckung, Rn. 672. 123  Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2204 Rn. 4; Eberl-Borges, S. 106; Muscheler, AcP 195 (1995), 35, 68. 124  Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2204 Rn. 4. 125  Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1452 f. – Über diese Bedenken sollte der Testamentsvollstrecker selbst entscheiden können, v. Schmitt, S. 472 f. Anders noch manche Partikularrechtsordnungen, die im Falle des Widerspruchs dem Testamentsvollstrecker bis zur Klärung durch ein Gericht weitere Ausführungshandlungen versagen wollten, wenn nicht der Erblasser den Testamentsvollstrecker zugleich als Schiedsrichter zur Entscheidung des Streits über die Auslegung seines letzten Willens eingesetzt habe, siehe P. v. Roth, S. 810 (§ 391); Förster, S. 459 (§ 255); Glück, Bd. 43, S. 418 f. (§ 1502) mit Nachw. aus dem älteren Schrifttum („die Ausübung des Richteramts liegt nicht in dem Geschäftskreise eines bloßen Testamentsvollziehers“); Beseler, ZDR 9 (1845), 144, 196 f. 122 

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§ 8 Rechtliches Gehör

nem anspruchsvollen Recht auf Gehör im verfahrensrechtlichen Sinne auch weit entfernt. Dies zeigt sich am ehesten bei einem Blick auf die Folgen eines Gehörsverstoßes. Anders als ein Richter, der rechtliches Gehör gewährt, muss der Testamentsvollstrecker nicht den Ablauf einer von ihm selbst gesetzten Frist zur Anbringung von Widersprüchen abwarten.126 Selbst eine gänzlich unterbliebene Anhörung der Erben führt nicht zur Unwirksamkeit des Auseinandersetzungsplans und der darauf beruhenden Ausführungshandlungen.127 Der Auseinandersetzungsplan kann nur unter Berufung auf inhaltliche Mängel, nicht wegen unterbliebener Anhörung angegriffen werden.128 Allenfalls haftet der Testamentsvollstrecker nach § 2219 BGB, wenn er die vorgeschriebene Anhörung unterlässt und dem Erben daraus ein Schaden entsteht.129 Ein Indiz für eine vom Parteiwillen unabhängige Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, lässt sich § 2204 Abs. 2 BGB also nicht entnehmen. Zudem ist die Situation des § 2204 Abs. 2 BGB – wie überhaupt jede Anhörung der Erben – von der zuvor betrachteten Lage im Schuldrecht in einem entscheidenden Punkt verschieden. Adressat der Anhörung nach § 2204 Abs. 2 BGB ist nicht derjenige, von dem der bestimmungsbefugte Dritte seine Rechtsmacht ableitet. Denn dies wäre der verstorbene Erblasser. Die Erben stehen somit außerhalb des Verfahrens. Sie anzuhören entspräche im Schuldrecht einer Anhörung anderer Personen als der Vertragsparteien. Der Testamentsvollstrecker leitet seine Befugnisse vom Erblasser, nicht von den Erben ab. Er führt den Willen des Erblassers aus,130 nicht die Weisungen der Erben,131 denen gegenüber er freilich verantwortlich ist. Die Erben treten auch nicht in den Willen des Erblassers ein, wie sich etwa in der Unzulässigkeit erbrechtlicher Auslegungsverträge zeigt.132 Andererseits belegt § 2204 Abs. 2 BGB, dass es in bestimmten Fällen zweckmäßig sein kann, die Erben an der Willensbildung des Dritten zu beteiligen. Nützlich kann eine Anhörung etwa generell bei § 2048 S. 2 BGB sein, um einer späteren Anfechtung des Auseinandersetzungsplans vorzubeugen. Wo der Erblasser eine Anhörung der Betroffenen für zweckmäßig hält, kann er sie dem Dritten vorschreiben. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschrift führt dann 126 

Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1452 f. entgegen § 1898 E I. Münch ­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2204 Rn. 4, 6; Soergel/Damrau, § 2204 Rn. 24; Eberl-Borges, S. 105 (jedoch Widerspruchsrecht der nicht angehörten Erben); Muscheler, AcP 195 (1995), 35, 68. 128  Zu den Einzelheiten dieser Klage eines nicht einverstandenen Erbe gegen den Auseinandersetzungsplan siehe W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 677 ff. 129  Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2204 Rn. 6; ders., Testamentsvollstreckung, Rn. 674. 130  Siehe z.B. Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, Vor § 2197 Rn. 1 (Testamentsvollstrecker hat „den fortwirkenden Willen des Erblassers zu vollziehen“). 131  BGH v. 2.10.1957 BGHZ 25, 275, 279; Münch­ Komm-­BGB/W. Zimmermann, Vor § 2197 Rn. 6. 132  Näher unten § 13 B.II.2. (S. 615 ff.). 127 

E. Gleichbehandlung der Parteien

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zur Unverbindlichkeit von dessen Entscheidung. Soll beispielsweise der Dritte in dem bekannten Beispiel des frühzeitigen Unternehmertestaments die Qualifikationen der potentiellen Nachfolger des Erblassers berücksichtigen, wird er diese Qualifikationen zunächst ermitteln müssen – in der Regel auch unter Befragung der Betroffenen. Ein genereller (mutmaßlicher) Wille des Erblassers, dem Dritten eine derartige Vorgehensweise aufzuerlegen, lässt sich jedoch nicht annehmen. Denn in manchen Situationen ist es schon zum Schutz des Dritten und zur Erhöhung der Objektivität seiner Entscheidung förderlich, wenn er sich nicht mit den potentiell davon Betroffenen auseinandersetzen muss. So kann sich etwa im Rahmen der §§ 2151 ff. BGB eine Anhörungspflicht als geradezu schädlich erweisen, wenn der Dritte dadurch den Einflüsterungen der potentiellen Vermächtnisnehmer ausgesetzt wird und nicht mehr besonnen entscheiden kann. Bei manchen eher technischen Fragen könnte eine Anhörung zudem zu einer ungewollten Komplizierung des Verfahrens führen.

E. Gleichbehandlung der Parteien Zu den unabdingbaren Anforderungen eines rechtsstaatlichen Schiedsgerichtsverfahrens zählt neben der Gewährung rechtlichen Gehörs auch die Gleichbehandlung der Parteien.133 Beide Grundsätze werden nebeneinander in § 1042 Abs. 1 ZPO zwingend vorgeschrieben. Gleichbehandlung der Parteien bedeutet etwa die gleichmäßige Versorgung der Parteien mit Informationen,134 die Vermeidung von Schlechterbehandlung einer Seite bei Fristverlängerungen135 oder die ungerechtfertigte Zuziehung lediglich einer Partei zu Verhandlung oder Beweisaufnahme136. Gegenüber dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs erhält der Gleichbehandlungsgrundsatz wesentlich weniger Aufmerksamkeit137 und hat auch in Aufhebungsverfahren weniger praktische Relevanz.138 Auch im vorliegenden Rahmen kann er in Anlehnung zu den Ergebnissen, die zuvor für das rechtliche Gehör entwickelt wurden, analysiert werden. Wie stets können die Parteien den Grundsatz der Gleichbehandlung ausdrücklich vereinbaren. Beispielweise wird in § 16 DIS-SchGO auch zur Gleichbehandlung eine dem § 1042 Abs. 1 ZPO wörtlich entsprechende Formulierung 133 Zöller/Geimer,

§ 1042 Rn. 2; Lachmann, Rn. 211; Schwab/G. Walter, Kap. 15 Rn. 1. Siehe auch § 1047 Abs. 3 ZPO; Zöller/Geimer, § 1042 Rn. 2; Ebbing, S. 304. 135 Musielak/Voit, § 1042 Rn. 2; Lachmann, Rn. 1290; weniger streng Münch­ Komm-­ ZPO/Münch, § 1042 Rn. 22; Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 7a. 136  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1042 Rn. 22. 137 Kritisch zur Konsumtion der Gleichbehandlung durch andere Konzepte Münch­ Komm-­ZPO/Münch, § 1042 Rn. 20. 138  Siehe nur Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 7a (kaum Anwendungsbereich neben Gewährleistung rechtlichen Gehörs); Lachmann, Rn. 1291: „Die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen willkürlicher Verfahrensgestaltung ist selten, jedoch schon vorgekommen.“ 134 

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§ 8 Rechtliches Gehör

gewählt.139 Zur Ausfüllung einer derartigen Vereinbarung wird man – insbesondere bei identischer Wortwahl – sich am Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Schiedsverfahrensrecht orientieren können. Wenn die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, stehen sie nicht schutzlos da. Es ist nicht erforderlich, § 1042 Abs. 1 ZPO analog anzuwenden, wie dies vor allem Vertreter einer prozessualen Sicht auf das feststellende Schiedsgutachten fordern.140 Vielmehr lassen sich problematische Ungleichbehandlungen, für die sich kein sachlicher Grund finden lässt, mit dem Neutralitätsgebot erfassen. Zwischen beiden Grundsätzen besteht ein enger Zusammenhang.141 Ein Schiedsgutachter, der eine Partei ungerechtfertigt bevorzugt, lässt die erforderliche Unparteilichkeit vermissen und gibt Besorgnis zur Befangenheit. Soweit im schiedsverfahrensrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein darüber hinausgehendes formales Prinzip erblickt wird,142 hat dies für das Schiedsgutachtenverfahren keine Relevanz, da sich alle nennenswerten und für die Parteien nachteiligen Verletzungen des Grundsatzes mit dem Neutralitätsgebot auffangen lassen.

F. Ergebnis Im Erbrecht muss eine Anhörung des Delegierenden von vornherein ausscheiden. Dies hindert den Erblasser jedoch nicht, dem Schiedsgutachter bestimmte Vorgaben zu machen, wie er verfahren soll. Für diese Vorgaben müssen sich dann aber Anhaltspunkte im Testament finden. Auch im Schuldrecht muss der Schiedsgutachter ohne eine ausdrückliche Vereinbarung, die in AGB zwingend erforderlich ist, kein rechtliches Gehör gewähren. Dies ergibt sich zwar nicht allein aus einer materiell-rechtlichen Qualifikation des Schiedsgutachtens, die einer Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht entgegenstünde. Es lässt sich indes bereits schwer generalisierend sagen, welchen Inhalt diese Pflicht hätte. In vielen technischen Fragen erscheint eine Anhörung der Parteien unnötig. Bei manchen Fragen kann sie sogar einer objektiven Entscheidungsfindung abträglich sein. Parteien, die einen Schiedsgutachter einschalten, erhoffen sich davon in der Regel auch eine schnelle und unkomplizierte Überwindung ihres Streits oder ihrer Einigungsschwierigkeit. Anspruchsvolle Verfahrens­ garantien könnten diesem Interesse zuwiderlaufen, so dass ihre Beachtung nicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht. Die Gewährung rechtlichen Gehörs wird auch nicht von der Funktion des Schiedsgutachters oder der Bindung des Richters an dessen Gutachten in einem möglichen späteren Prozess gefordert. 139 

Siehe auch die Vertragsmuster in Greger/Stubbe, Rn. 374 ff., jeweils sub II.9. So aber Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; auch Sieveking, S. 438. 141 Thomas/Putzo/Reichold, § 1042 Rn. 2. 142  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1042 Rn. 20. 140 

F. Ergebnis

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Zu Recht hat deshalb die Rechtsprechung in Deutschland, wie auch in Frankreich und England, eine Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens wegen einer Gehörsverletzung stets verneint, wenn auch zum Teil mit unzureichender Begründung.

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§ 9 Begründung der Entscheidung Hinsichtlich der Begründung eines Schiedsgutachtens stellen sich drei Fragen. Jede davon ist auf einer anderen der drei Ebenen Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle angesiedelt. Erstens fragt es sich bereits auf der Ebene der Zulässigkeit einer Schiedsgutachtenvereinbarung, ob der Dritte überhaupt Gründe für seine Entscheidung braucht. Mit dieser Frage ist der Entscheidungsmaßstab des Dritten angesprochen. Hat er seine Entscheidung nach dem im Zweifel einschlägigen Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens zu treffen, so lässt sich die Frage zwanglos bejahen. Diese Ebene ist zum Beispiel angesprochen, wenn Sintenis1 schreibt, der Dritte soll keine „reine Wahl“ treffen, sondern eine „motivierte“, und dies auf das arbitrium boni viri zurückführt. Zweitens ist zu überlegen, ob die Erwägungen des Dritten sachlich zutreffend sein müssen. Alternativ käme in Betracht, allein auf das Ergebnis seiner Entscheidung abzustellen und Fehler auf dem Weg dorthin für unbeachtlich zu erklären. In der Tat findet sich in vielen Urteilen die Auffassung, dass allein auf das Ergebnis eines Schiedsgutachtens abzustellen sei. 2 Diese Urteile haben in der Regel gestaltende Schiedsgutachten zum Gegenstand. Doch auch zu feststellenden Schiedsgutachten hat der BGH verschiedentlich festgehalten, dass nur solche Fehler im Bewertungsmaßstab von Bedeutung sind, die das Gesamtergebnis verfälschen. Ein Fehler in der Begründung könne durch einen – freilich wenig wahrscheinlichen3 – gegenläufigen Fehler ausgeglichen werden.4 Ob ein Schiedsgutachten unverbindlich ist, wenn es eine Begründung enthält, diese aber in den Augen des Gerichts feh1 

Sintenis, Civilrecht II, S. 34. v. 4.6.1975 NJW 1975, 1557 („Das Gutachten ist hinzunehmen, wenn nur sein Ergebnis dem vereinbarten Maßstab entspricht, selbst wenn der Schiedsgutachter auf einem ‚falschen‘ Wege zu diesem Ergebnis gelangt ist“); ebenso BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2761 f.; BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618; BGH v. 14.10.1958 NJW 1958, 2067; BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 341. Siehe aber die bemerkenswerte Entscheidung OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39: Da ein Gutachten zur Feststellung eines Auseinandersetzungsguthabens „zum mindesten ungenügend erläutert“ war, bestehe ein Auskunftsanspruch der Gläubigerin gegen die Schuldnerin auf Einsicht in die vom Schiedsgutachter geprüften Bücher. Ohne diesen Anspruch könne sie nicht überprüfen, ob sie nach § 319 Abs. 1 BGB gegen das Gutachten vorgehen wolle. 3  Deshalb kann ein schwerwiegender Begründungsmangel auch ein Indiz für ein fehlerhaftes Ergebnis darstellen, OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653. 4  BGH v. 1.4.1953 BGHZ 9, 195, 198 f.; BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22. 2  BGH

§ 9 Begründung der Entscheidung

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lerhaft ist,5 betrifft die Ebene der Kontrolle, wenn darüber zu befinden ist, ob eine Entscheidung offenbar unbillig bzw. offenbar unrichtig ist. Drittens, und von den zuvor genannten Fragen unabhängig, stellt sich das Problem, ob und in welchem Umfang der Dritte seine Gründe und Erwägungen den Parteien mitteilen muss. Diese Frage berührt die Ebene des Verfahrens. Nur um sie wird es im Folgenden gehen. Die §§ 317 ff. BGB sagen nichts davon, dass die Bestimmung des Dritten eine Begründung enthalten muss, um wirksam zu sein. Wer die Verbindlichkeit eines Schiedsgutachtens allein nach dessen Ergebnis beurteilt, braucht einen besonderen Grund für ein derartiges zusätzliches Erfordernis. Im Schrifttum heißt es daher verschiedentlich, dass die zu gestaltenden Schiedsgutachten ergangene Rechtsprechung dem Dritten nicht die Mitteilung einer Begründung abverlange.6 Dieser Eindruck scheint sich auf den ersten Blick zu decken mit den zahlreichen Urteilen, die ganz das Ergebnis des Schiedsgutachtens in den Vordergrund stellen. Wenn es nur auf das Resultat ankommt, müsste der Weg dorthin doch kaum interessieren.7 Ist aber einmal erkannt, dass die Frage, ob für die Kontrolle nur das Ergebnis oder auch der Weg dorthin von Bedeutung sind, und die Frage, ob der Dritte die Begründung für sein Ergebnis mitteilen muss, unterschiedliche Ebenen betreffen, so ist dieser Schluss nicht mehr zwingend. Tatsächlich nimmt die neuere Rechtsprechung für feststellende wie für gestaltende Schiedsgutachten ein Begründungserfordernis als formale Voraussetzung für die Verbindlichkeit eines Schiedsgutachtens an.8 Wäre dieser Rechtsprechung zuzustimmen, so würde eine derartige Voraussetzung bedeuten, dass ein Schiedsgutachten ohne ausreichende Begründung – unabhängig von seinem Inhalt – unverbindlich ist und nach dem Mechanismus des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB eine gerichtliche Bestimmung an seine Stelle tritt. Nicht immer wird in Stellungnahmen zu dieser Problematik deutlich, ob das Begründungserfordernis zwingenden oder dispositiven Charakter haben soll. Für den Gestaltungsspielraum der Parteien, die im Wege der Delegation von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen wollen, ist diese Frage indes von größter Bedeutung. Sie gibt da5  Z.B. BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280, 285; OLG Köln v. 29.11.1996 NJW‑RR 1997, 1412, 1413; OLG Düsseldorf v. 28.4.1999 NJW‑RR 2000, 279, 281 f. 6 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 8; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 8; Soergel/ M. Wolf, § 319 Rn. 11. Ebenso sei es nach „herrschender Praxis“ bei feststellenden Schiedsgutachten laut Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 23; B. Meyer, S. 117. 7  In diese Richtung insbesondere BGH v. 14.10.1958 NJW 1958, 2067; RG v. 17.10.1935 JW 1936, 502 („Flüchtigkeiten“ des Schiedsgutachters führen nicht zur offenbaren Unrichtigkeit). Siehe auch Haidinger, VersR 1952, 35 (in Auseinandersetzung mit einem Zurückweisungsbeschluss des BGH): An die Vollständigkeit der Begründung eines Schiedsgutachtens dürfen nicht die Anforderungen angelegt werden, die für Urteile staatlicher Gerichte gelten. 8  Siehe vorerst BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; weitere Nachweise in Fn. 12. Insoweit überholt OLG Celle v. 7.6.1962 MDR 1962, 900, wo das Gericht noch davon ausgegangen war, dass die Parteien dem Schiedsgutachter eine Begründungspflicht auferlegen müssten.

548

§ 9 Begründung der Entscheidung

her die Struktur der folgenden Überlegungen vor. Vorwegzuschicken ist, dass sich all diese Fragen dort erledigen, wo die Parteien selbst in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung dem Dritten die Übermittlung einer schriftlichen Begründung abverlangen.9

A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis I. Begründung zur Ermöglichung einer Fremdkontrolle Ein Ansatz, um ein Begründungserfordernis überhaupt und dann in einem zweiten Schritt dessen zwingenden Charakter zu begründen, liegt in den möglichen Funktionen einer Begründung.10 Eine dieser Funktionen wird verbreitet als „Fremdkontrollfunktion“ bezeichnet.11 Was damit gemeint ist, lässt sich anhand der neueren Rechtsprechung zur Begründung von Schiedsgutachten il­lustrieren. Darin wurde wiederholt betont, dass ein Schiedsgutachten auch dann unverbindlich ist, „wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, daß selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann“.12

Dahinter steht die Überlegung, dass ein Gericht im Kontrollverfahren nach § 319 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann beurteilen kann, ob ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist, wenn dessen Inhalt nachprüfbar ist.13 Es stelle „erst recht“ einen Fall der offenbaren Unrichtigkeit des Gutachtens dar, wenn schon aus den im Gutachten mitgeteilten Erwägungen heraus nicht überprüft werden kann, ob sich ein inhaltlicher Fehler einem Sachkundigen aufdrängt.14 Die Unverbindlichkeit tritt selbst dann ein, wenn das Ergebnis des Gutachtens nicht

 9 

Beispiel für eine entsprechende Klausel bei Kantenwein, FS Spiegelberger, S. 751. zu Funktionen der Begründung allgemein etwa Lücke, S. 37 ff.; Kischel, S. 39 ff. m.w.N. in Fn. 4; Stelkens, in: Stelkens/Bosch/Sachs, § 39 VwVfG Rn. 1. 11  Lücke, S. 88; Kischel, S. 48 ff. 12  BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; zu feststellenden Schiedsgutachten ferner BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777; BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; BGH v. 24.9.1990 NJW‑RR 1991, 228; BGH 2.4.1990 BB 1990, 1310, 1312; BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174; BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885, 1886; OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris), Rn. 64; OLG Rostock v. 26.5.2004 OLGR 2006, 2; OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653; OLG Düsseldorf v. 28.4.1999 NJW‑RR 2000, 279, 281 f. Zu gestaltenden Schiedsgutachten: BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556. – Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213 hält die Anforderungen an die Begründung eines Schiedsspruches im Vergleich dazu für „deutlich niedriger“. 13  BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506, 507 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801, 802 (gestaltendes Schiedsgutachten). 14  BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885, 1886. 10  Siehe

A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis

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offenbar unrichtig oder offenbar unbillig ist.15 So hat der BGH ein gestaltendes Schiedsgutachten zur Anpassung eines Mietzinses für offenbar unbillig erachtet, weil der Schiedsgutachter keinen Berechnungsmaßstab für die von ihm bestimmte Erhöhung angegeben hatte.16 Ein Gutachten zur Ermittlung eines Grundstückswerts ist unverbindlich, wenn es lediglich angibt, dass „umfangreiche Recherchen“ über Vergleichsobjekte angestellt wurden, ohne diese Objekte und die Ergebnisse der Recherchen mitzuteilen.17 Diese Verknüpfung von Überprüfbarkeit und Begründung findet auch Zustimmung im Schrifttum, und zwar unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Schiedsgutachtens. Teilweise wird sie jedoch nur auf feststellende Schiedsgutachten bezogen,18 teilweise auf beide Typen19 – bisweilen 20 mit dem zutreffenden Hinweis, dass ein sachliches Differenzierungskriterium fehle.

15  BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280, 285; OLG Köln v. 29.11.1996 NJW‑RR 1997, 1412, 1413. Ebenso z.B. Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5a; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 17; Wittmann, S. 92; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 8; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1012; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213; kritisch Bulla, NJW 1978, 397, 400 f.; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. Zurückhaltend auch Ruby, ZEV 2007, 18, 21 (an die Begründung eines Teilungsplans dürften keine hohen Anforderungen gestellt werden). 16  BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556. Andererseits muss ein Schiedsgutachter, der ein übliches Bewertungskriterium zugrundelegt, nicht erläutern, dass und warum dies Kriterium üblich ist, OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079, 1085. 17  BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174; ähnlich BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; BGH v. 15.4.1994 NJW 1994, 2899; BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628. 18  Wobei viele Autoren, die sich zum feststellenden Schiedsgutachten äußern, zu gestaltenden Schiedsgutachten keine Aussagen treffen, so dass sich aus der geringeren Reichweite ihrer Ansicht nicht schließen lässt, dass sie für gestaltende Schiedsgutachten anders entscheiden würden. Nur auf feststellende Schiedsgutachten beziehen sich: G. Wagner, Prozeßverträge, S. 670 (der eine unschlüssige oder lückenhafte Begründung als stets zu berücksichtigenden endogenen Fehler des Schiedsgutachtens kategorisiert, aber als Teil der Ergebniskontrolle ansieht); Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 7; Volze, VersR 1996, 1337, 1339 (versicherungsrechtliches Sachverständigenverfahren); Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213. Ein Begründungserfordernis bei feststellenden Schiedsgutachten im Unterschied zu gestaltenden Schiedsgutachten nehmen an Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 8, 16 f.; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 11; Jauernig/Stadler, § 319 Rn. 4; B. Meyer, S. 124. A.A. aber RGRK/Ballhaus, § 319 Rn. 7 (Unklarheit der Begründung macht das Gutachten „für sich allein noch nicht unverbindlich“, es sei denn, dies ist von den Parteien gesondert vereinbart); Sieg, VersR 1965, 629, 633 f. (Begründungspflicht nur, wenn ausdrücklich vereinbart, da nicht Teil der „fundamentalen Grundsätze jedes richterlichen, auch des privatrichterlichen, Verfahrens“); Gleiss/Bechtold, BB 1973, 868, 870 f. (mit dem kaum überzeugenden Argument, die Bewertungsmethode des Schiedsgutachters sei als Betriebsgeheimnis schutzwürdig); Kisch, Schiedsmann, S 95. 19 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 9 f. („Gutachtentransparenz“); Erman/J. Hager, § 319 Rn. 4, 8; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5a; Greger/ Stubbe, Rn. 107, 150; Wittmann, S. 31, 92. 20  Siehe vor allem Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 9.

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§ 9 Begründung der Entscheidung

Der zugrunde liegende Kerngedanke ist so einfach wie überzeugend: Eine Entscheidung, die der Nachprüfung unterliegt, muss nachvollziehbar begründet werden, um nachprüfbar zu sein. Dieser Zusammenhang wird auch bei anderen Entscheidungen gesehen. 21 Er dürfte Ausdruck eines allgemeinen Prinzips sein. 22 Besonders einleuchtend erscheint der Gedanke, wenn bei einem feststellenden Schiedsgutachten der Gegenstand der Begutachtung unmittelbar nach Gutachtenerstellung weiterverarbeitet wird. Man denke beispielsweise an die Qualitätsarbitrage oder daran, dass „die Beweisstücke im weiteren Baufortschritt hinter weiteren Tonnen von Zement verschwinden“23. Eine Pflicht zur Begründung, die über die Wahrung der Nachvollziehbarkeit für den Fachmann hinausgeht, muss jedoch gesondert vereinbart werden. 24

II. Keine zwingende Begründung analog § 1054 Abs. 2 ZPO Bemerkenswert an diesem Argument ist vor allem eine eher implizit darin enthaltene Aussage: Weil und solange ein Schiedsgutachten der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist die Begründung zwingend erforderlich. Damit geht diese vom BGH, der einer prozessualen Aufladung des Schiedsgutachtens grundsätzlich abgeneigt gegenübersteht, geteilte Ansicht weiter als eine – vor allem, aber nicht ausschließlich von Anhängern einer prozessualen Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens vertretenen – Auffassung im Schrifttum. Diese Auffassung nimmt lediglich ein dispositives Begründungserfordernis an. 25 Einige ihrer Vertreter orientieren sich an § 1054 Abs. 2 ZPO, den sie analog oder dem Gedanken nach auf feststellende Schiedsgutachten anwenden wollen. 26 Nach dieser 21  Für

Verwaltungsakte: Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 39 VwVfG Rn. 1. Für Gerichtsurteile: Zöller/Vollkommer, § 313 Rn. 2, 19; Münch­Komm-­ZPO/Musielak, § 313 Rn. 5. Für Gutachten nach § 193 BauGB: Dieterich/Voß, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz­ berger, 95. Lfg. § 193 BauGB Rn. 50 („selbstverständliche Notwendigkeit“). Zu Schieds­ sprüchen siehe sogleich unten bei Fn. 27. 22  Siehe vor allem Kischel, S. 48 ff.; Lücke, 88 ff.; Ramm, ZRP 1989, 136, 145. 23  Horn, S. 56. 24  Greger/Stubbe, Rn. 107; gegen eine Überspannung von Begründungserfordernissen Sieveking, S. 354. 25  Auch in dieser Frage gibt es keine zwei klar abgegrenzten Lager. So geht z.B. B. Rauscher, S. 267 davon aus, dass eine Begründung beim Schiedsgutachten anders als beim Schiedsspruch grundsätzlich entbehrlich ist, wenn sie nicht von den Parteien vereinbart oder vom Gegenstand der Feststellung her geboten ist. 26 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 38; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 46; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 98 (mit der Forderung auf S. 117, eine Begründung in Anlehnung an die noch in § 139 Abs. 1 BBauG normierte Begründungspflicht zwingend per Gesetz vorzuschreiben); Habscheid, KTS 1963, 1, 11 f. Noch weitergehend entnimmt Sieg, VersR 1965, 629, 633 f. dem dispositiven Charakter

A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis

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Vorschrift bedarf ein Schiedsspruch einer Begründung, es sei denn, die Parteien haben vereinbart, dass keine Begründung gegeben werden muss, oder es handelt sich um einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut. Überwiegend wird angenommen, dass ein Schiedsspruch, der nicht oder nur lückenhaft begründet wurde, der Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO unterliegt.27 Der nach diesem Aufhebungsgrund erforderliche Nachweis, dass sich der Verfahrensmangel auf den Inhalt des Schiedsspruches ausgewirkt habe, sei deshalb erbracht, weil eine inhaltliche Nachprüfung mangels Begründung nicht möglich sei.28 Andere Anhänger einer dispositiven Begründungspflicht29 beziehen sich zwar nicht auf § 1054 Abs. 2 ZPO, argumentieren in der Sache aber ganz ähnlich. Unabhängig von diesem Anknüpfungspunkt im Gesetz bringen die Vertreter dieser Ansicht vor allem zwei Gründe vor. Sie rekurrieren zum einen auf eine funktionale Verwandtschaft des feststellenden Schiedsgutachtens zur richterlichen Entscheidung. Der Schiedsgutachter treffe eine „prozessuale Feststellungsentscheidung über ein Urteilselement“; eine derartige Entscheidung müsse mit Gründen versehen werden.30 Neben diesem – bereits abgelehnten31 – Argument wird als zweiter Begründungspfeiler die Fremdkontrollfunktion der Begründung genannt.32 Diese Funktion kann eine analoge Anwendung des § 1054 Abs. 2 ZPO freilich nicht tragen. Denn sie müsste, wie gesehen, zu einem zwingenden Begründungserfordernis führen. Die Begründungspflicht in § 1054 Abs. 2 ZPO ist aber dispositiv.33 Die Begründung des Schiedsspruches dient allein dem Interesse der Parteien und nicht etwa dazu, eine ohnehin nur in engen Grenzen vorgesehene Fremdkontrolle zu ermöglichen – nicht einmal auf einen ordre public-Verstoß, den das um Aufhebung angerufene Gericht eigenständig zu ermitteln hat.34 In der Begründungspflicht im Schiedsverfahren, dass ein Schiedsgutachten grundsätzlich ­keiner Begründung bedarf, es sei denn, die Parteien hätten eine Begründungspflicht vereinbart. 27  Für die h.M. OLG Stuttgart v. 20.12.2001 OLGR 2002, 166; OLG Frankfurt v. 25.9.2002 IHR 2003, 93; Stein/Jonas/Schlosser, § 1054 Rn. 9; Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1054 Rn. 18; Zöller/Geimer, § 1059 Rn. 45; Lachmann, Rn. 2281; kritisch Musielak/Voit, § 1054 Rn. 5 (erweiternde Auslegung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO). Differenzierend Schwab/G. Walter, Kap. 19 Rn. 12 (Aufhebungsgrund nur bei gänzlichem Fehlen der Begründung). 28  Siehe die Nachweise in der vorigen Fn. Die implizite Bezugnahme dieses Arguments auf die Fremdkontrollfunktion ist durchaus fraglich, da diese Funktion § 1054 Abs. 2 ZPO gerade nicht zugrunde liegt, siehe dazu sogleich unten im Text. 29  Greger/Stubbe, Rn. 150, 165, 175. 30 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 32 ff.; B. Meyer, S. 117; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 98; Greger/Stubbe, Rn. 150. 31  Siehe oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.). 32  Habscheid, KTS 1963, 1, 11 f.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 98 (die Begründung des Schiedsgutachtens erleichtere den Parteien die Nachprüfbarkeit, häufig mache sie eine Kontrolle überhaupt erst möglich); B. Meyer, S. 117. 33 Stein/Jonas/Schlosser, § 1054 Rn. 8. Dies erhellt schon aus der im Gesetz vorgesehenen Verzichtbarkeit der Begründung. 34  BGH v. 23.4.1959 BGHZ 30, 90, 92; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1054 Rn. 32; Zöller/ Geimer, § 1054 Rn. 8.

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§ 9 Begründung der Entscheidung

einfach gelagerten Fällen sei sogar, so einige Anhänger der analogen Anwendung, häufig von einem Verzicht auf eine Begründung des Schiedsgutachtens auszugehen.35 Als bemerkenswerte Konsequenz aus diesen Überlegungen ist festzuhalten, dass der BGH zu strengeren Verfahrensanforderungen gelangt als Vertreter einer prozessualen Deutung des Schiedsgutachtens.36 An der BGH-Ansicht ist freilich die Konstruktion zu kritisieren:37 Der BGH formuliert, dass die mangelnde Nachprüfbarkeit des Ergebnisses aufgrund einer fehlenden oder lückenhaften Begründung zur offenbaren Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens führt; ein „in seinem Gesamtergebnis nicht nachprüfbares Gutachten ist … offenbar unrichtig … und muß, weil sich sein materieller Gehalt einer Bewertung entzieht, deshalb zugleich als offenbar unbillig angesehen werden“38 Dass Begründungsmängel eine offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit des Gutachtens bewirken, lässt sich indes kaum sagen. Unbilligkeit und Unrichtigkeit sind Kategorien inhaltlicher Fehler. Ein Begründungsmangel ist ein formaler Fehler. Mit dieser Verquickung wird offenbar versucht, Anschluss an den Wortlaut des § 319 Abs. 1 BGB zu finden. Ein derartiges Einpassen in die Fallgruppen des Gesetzes erscheint indes entbehrlich, wenn einmal anerkannt ist, dass die Delegation von Privatautonomie dem Dritten stets nur eine Rechtsmacht innerhalb gewisser – teils von den Parteien gezogener, teils zwingender – Grenzen vermitteln kann. Liegt hinsichtlich einer dieser Voraussetzungen ein Mangel vor, so führt das zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens.39 Diese Unverbindlichkeit löst sodann den Mechanismus des § 319 BGB aus.40

35 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 38 („im Einklang mit den entsprechenden Handelsbräuchen“), aber mit Ausnahme für Schiedsgutachtenvereinbarung in AGB; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 98; B. Meyer, S. 118. Für § 1054 Abs. 2 ZPO wird hingegen im schiedsverfahrensrechtlichen Schrifttum vermutet, dass ein Begründungsverzicht kaum vorkomme, Lachmann, Rn. 1769. 36  Nach Ansicht von Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 17 ist die „Erweiterung der ‚offenbaren Unrichtigkeit‘“ zu begrüßen, „denn damit werden manche Angriffe gegen die analoge Anwendung des § 319 auf Schiedsgutachten … gegenstandslos“. 37 Ähnlich Greger/Stubbe, Rn. 175 f. (Rechtsprechung des BGH knüpft „ungenau an das Kriterium der offenbaren Unrichtigkeit“ an); offenbar auch Wittmann, S. 92; generell gegen die Wahl „des konstruktiven, aber sehr gekünstelten Umwegs über die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit“ bei Verfahrensverstößen Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 36. 38  Bemerkenswert ist, dass diese Formel für beide Typen von Schiedsgutachten verwendet wird. BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506, 507 (feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801, 802 (gestaltendes Schiedsgutachten). Als Teil der Billigkeits‑ bzw. Richtigkeitskontrolle werden Begründungsfehler auch teilweise im Schrifttum gesehen, siehe z.B. Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 10; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 17; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25 (es sollte auf offenbare Unbilligkeit bzw. Unrichtigkeit geschlossen werden); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 670. 39 Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25; Habscheid, FS Laufke, S. 315 ff. (aber mit § 1041 ZPO a.F., d.h. § 1059 ZPO n.F., argumentierend). Ausführlich unten § 15 B. (S. 707 ff.). 40 Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25.

A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis

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III. Begründungsbedürftige Ausübung eines Gestaltungsrechts? An dieser Stelle ist noch ein weiterer Ansatz zu verfolgen, zu einer zwingenden Begründungspflicht zu gelangen. Unterstellt, der Dritte mache bei seiner Tätigkeit – wie verschiedentlich angenommen41 – von einem Gestaltungsrecht Gebrauch: Ist diese Ausübung eines Gestaltungsrechts nur wirksam, wenn der Ausübende eine Begründung für seine Erklärung gibt? Mit der Frage der Begründung von Gestaltungsrechten hat sich jüngst Büdenbender eingehend befasst.42 Im BGB sei diese Frage nur sehr punktuell angesprochen, so dass eine Verallgemeinerung nicht möglich sei.43 In Betracht komme eine Begründungslast bei solchen Gestaltungsrechten, die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterliegen – eine Voraussetzung, die für Leistungsbestimmungsrechte zu bejahen sei.44 Dennoch werde das Bestehen einer Begründungslast für das Leistungsbestimmungsrecht in § 315 BGB kaum behandelt; wenn die Thematik angesprochen werde, dann in dem Sinne, dass eine Begründung grundsätzlich nicht erforderlich sei.45 Etwas anderes werde nur angenommen, wenn die Bestimmung ohne Begründung nicht nachvollziehbar sei.46 Für eine materielle Begründungslast, die nicht mit der prozessualen Darlegungs‑ und Beweislast zu verwechseln sei,47 spreche maßgeblich die Tatsache, dass ein Leistungsbestimmungsrecht48 in Abweichung vom Konsensprinzip in möglicherweise gravierendem Maße eine einseitige Ergänzung oder Änderung der Rechtslage ermögliche.49 Aufgrund dieses „einschneidenden und einseitigen“ Eingriffs sei es erforderlich, „zumindest die Informationen im Wege einer Begründung zu geben, die [der einer Bestimmung Unterworfene] im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit, Plausibilität und Akzeptanz der Wirkungen benötigt, die mit den rechtlichen Konsequenzen infolge der Ausübung des Gestaltungsrechtes ver41 

Siehe oben § 3 A.III.3. (S. 121 f.). Büdenbender, AcP 210 (2010), 611 ff.; zum Streitstand siehe auch Scholz, S. 173 ff.; früher bereits Lent, AcP 152 (1952/53), 401 ff. (allerdings ohne Berücksichtigung der §§ 315 ff. BGB). 43  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 619 ff., 630 f. 44  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 616 ff.; Lent, AcP 152 (1952/53), 401. 45  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 630. Gegen die Notwendigkeit, den Gestaltungsgrund anzugeben, etwa M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 34 f.; Leverenz, Jura 1996, 1, 7; grds. auch Münch­Komm-­BGB/Emmerich, § 311 Rn. 23 (allerdings mit Ausnahme für § 315 BGB). 46  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 630; ebenso Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 37; Erman/J. Hager, § 315 Rn. 16; Söllner, S. 116. 47  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 618 f. 48  Büdenbender bezieht sich vorrangig auf § 315 BGB, die Ausführungen lassen sich aber  – akzeptiert man die Prämisse, auch § 317 BGB vermittle ein Gestaltungsrecht – auf die Bestimmung durch einen Dritten übertragen. 49  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 637 f. 42 

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§ 9 Begründung der Entscheidung

bunden sind“.50 Zudem habe der Adressat der Leistungsbestimmung ein legitimes Interesse, die Wirksamkeit der Ausübung beurteilen zu können, bevor er im Hinblick auf die Bestimmung disponiere.51 Wer aber Adressat eines einseitigen Eingriffs in seine Rechtsposition sei, müsse nicht im Sinne „einer Initia­ tivlast um nähere Erläuterung durch den Berechtigten bitten“.52 Aus dieser Herleitung folge auch, dass eine Begründung dann entbehrlich sei, wenn der Adressat ohnehin über die maßgeblichen Informationen verfüge.53 Diese Argumentation stellt mithin das Informationsinteresse der Betroffenen in den Vordergrund. Sie ist inspiriert von „regelmäßig einschneidenden Wirkungen von Gestaltungsrechten“54 In ihr schwingt unterschwellig eine bestimmte Sichtweise auf Leistungsbestimmungsrechte mit, die von Bestimmungsrechten einer Partei im Massenverkehr – etwa bei Energielieferverträgen – geprägt sein dürfte. Ein zwingendes Begründungserfordernis lässt sich damit nicht rechtfertigen – und zwar, ohne dass hier über die Begründungspflicht bei Gestaltungsrechten allgemein befunden werden müsste. Selbst wenn es eine allgemeine Regel gäbe, wonach der Gestaltungsberechtigte bei Ausübung seines Rechts seine Gründe erläutern müsste, müsste sich diese Regel auch für den Fall des Leistungsbestimmungsrechts bewähren. Die Auseinandersetzung mit der zuvor geschilderten Ansicht kann sich also auf diesen Fall konzentrieren. Bedenklich erscheint bereits der Ausgangspunkt: In der Tat können die Auswirkungen einer Leistungsbestimmung für die Betroffenen im Einzelfall erheblich sein. Die damit verbundene Einwirkung auf das Schuldverhältnis ist aber stets legitimiert, und zwar in der Regel durch eine konsensuale Einräumung der Bestimmungsbefugnis. Die Ausübung eines konsensual begründeten Rechts bedeutet aber keine Verletzung oder Aufweichung des Konsensprinzips.55 Das Konsensprinzip wird damit vielmehr bestätigt. Entsprechend kann der von einer Ausübung dieses Rechts Betroffene auch nicht geltend machen, es werde einseitig in seine Rechtsposition eingegriffen. Soweit hiergegen eingewendet werden soll, der Betroffene habe – wie bei Massengeschäften üblich – schon bei der Einräumung der Bestimmungsbefugnis keine Wahl gehabt, so kann dieser Einwand allenfalls den Blick dafür schärfen, ob das Recht wirksam begründet wurde oder ob etwa das AGB-Recht, das hierfür sedes materiae darstellt, erhöhte Anforderungen postuliert. Können somit die Wirkungen einer Leistungsbestimmung keine Begründungspflicht tragen, bleibt der Hinweis auf das Informationsinteresse der Be-

50 

Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 638. Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 638. 52  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 643. 53  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 641. 54  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 643. 55  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111). 51 

A. Grundsätzlich: Zwingendes Begründungserfordernis

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troffenen.56 Dieses Interesse kann sich einerseits speisen aus dem generellen Wunsch, die Bestimmung des Dritten nachvollziehen zu können, andererseits aus der konkreten Absicht, vor einem Angriff auf die Leistungsbestimmung die Erfolgaussichten eines gerichtlichen Vorgehens beurteilen zu wollen. Dieses Interesse wird im Schrifttum, das sich allgemein mit Begründungspflichten befasst, unter dem Stichwort „Individuelle Akzeptanz und Entlastung“57 abgehandelt. Gemeint sind damit einerseits die Akzeptanz, das Anerkennen, der Entscheidung durch den Betroffenen und andererseits die Entlastung der Kontrollinstanzen.58 Diese Funktionen sind ebenfalls bei Schiedsgutachten von Gewicht.59 Sie rechtfertigen jedoch kein zwingendes Begründungserfordernis. Denn wenn Parteien sich bereit erklären wollen, auch eine nicht begründete Entscheidung zu akzeptieren, so ist dagegen aus Sicht des Rechts nichts einzuwenden.60 Deutlich wird das an § 1054 Abs. 2 ZPO, der sich – wie gesehen – ebenfalls am ehesten mit dieser Begründungsfunktion erklären lässt. Folgerichtig ist die Begründungspflicht bei Schiedssprüchen dispositiv. Gegen einen zwingenden Charakter spricht zudem, dass eine Begründung unnötig erscheinen könnte in Fällen, in denen die Parteien bereits aus anderen Gründen hinreichend informiert sind.61 Im Ergebnis lässt sich somit aus einem möglichen Charakter des Leistungsbestimmungsrechts als Gestaltungsrecht kein zweiter Ansatz zur Rechtfertigung einer zwingenden Begründungspflicht neben der Fremdkontrollfunktion einer Begründung gewinnen. Die Auseinandersetzung mit dieser Ansicht hat jedoch den Blick geschärft für weitere Funktionen der Begründung. Mit diesen wird sich der folgende Abschnitt beschäftigen.

56  Dieses Interesse stellt auch Lent, AcP 152 (1952/53), 401, 403 ff. in den Vordergrund; neuerdings Thomale, AcP 212 (2012), 920, 958 f. (allerdings begrenzt auf eine Bezeichnung des Gestaltungsrechts, während eine „motivatorische Begründung der Gestaltung“ von Ausnahmen abgesehen entbehrlich sei). 57  Kischel, S. 52 ff.; von Lücke, S. 72 ff. „Befriedungsfunktion“ genannt, von der er die „Rechtsschutzfunktion“ (Möglichkeit der Abschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs), die „Bescheidungsfunktion“ (Eingehen auf das Vorbringen der Betroffenen, S. 77 ff.) und die „Entlastungsfunktion“ (S. 84 ff.) unterscheidet. 58  Kischel, S. 55 ff., 58. 59  Siehe etwa OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45: Schiedsgutachten muss den Parteien eine „überprüfbare Auskunft zu den zu beantwortenden Fragen“ geben, damit diese den Schutz des § 319 Abs. 1 BGB wahrnehmen können. 60  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45 zur Abbedingung von Auskunftsansprüchen zur Erläuterung des Gutachtens. 61  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 46.

556

§ 9 Begründung der Entscheidung

B. Keine Begründung bei Schiedsgutachten ohne Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit Auf weitere Funktionen der Begründung kann es ankommen, wenn ein Schiedsgutachten keiner Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit unterliegt, sei es, weil die Parteien den Schiedsgutachter zu einer Entscheidung nach freiem Belieben ermächtigt haben (§ 319 Abs. 2 BGB), sei es, weil sie in zulässiger Weise die gerichtliche Kontrolle (§ 319 Abs. 1 BGB) abbedungen haben.62 Jedoch bewegen sich auch diese Schiedsgutachten nicht in einem rechtsfreien Raum. Für sie gelten die allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB. Die Einhaltung dieser Grenzen ist justiziabel. Diese Fremdkontrolle auf Einhaltung der äußersten Grenzen macht jedoch keine Begründung erforderlich. Ob die genannten Grenzen verletzt sind, kann ein Gericht auch ohne Erläuterung des Inhalts des Schiedsgutachtens feststellen. Als Kontrollüberlegung mag die Frage dienen, wie eine Begründung einer Bestimmung nach freiem Belieben aussehen soll. Der Schiedsgutachter, der nach freiem Belieben entscheidet, kann sich von ganz subjektiven Erwägungen leiten lassen, die unter Umständen schon schwer in Worte zu fassen sind. Greift damit die Fremdkontrollfunktion nicht ein, so bleibt die Frage, ob andere Funktionen wenigstens eine dispositive Begründungspflicht erforderlich machen. Eine Begründung kann generell auch der Selbstkontrolle des Entscheidenden dienen, der dadurch gezwungen ist, Gründe für seine Entscheidung zu formulieren.63 Bei Schiedsgutachten nach freiem Belieben entfällt diese Funktion nach den soeben angestellten Überlegungen; im Übrigen, wenn also der Dritte zwar nach billigem Ermessen entscheiden, die Beachtung dieses Maßstabs aber nicht kontrolliert werden soll, kann eine Selbstkontrolle durchaus noch angestrebt und erreicht werden. Überdies kann eine begründete Entscheidung, wie gesehen, auf größere Akzeptanz bei den davon Betroffenen hoffen, die sich und ihre Interessen in den Gründen wiederfinden. So erlässt beispielsweise § 313a ZPO dem Richter das Abfassen von Entscheidungsgründen, wenn das Urteil unanfechtbar ist und die Parteien darauf verzichtet haben oder ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist. Diese – in der Praxis offenbar wenig genutzte64 – Norm trägt einer doppelten 62 

Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass eine gerichtliche Kontrolle deshalb nicht stattfindet, weil die Parteien das Schiedsgutachten mit keinerlei Bindungswirkung ausgestattet haben (dazu unten § 13 B.I. [S. 612 f.]). Macht auch hier eine Fremdkontrolle keine Begründung erforderlich, mag die angestrebte faktische Überzeugungskraft des Schiedsgutachtens eine Begründung sinnvoll erscheinen lassen, vgl. Riewert, GPR 2013, 62, 64. 63  „Selbstkontrollfunktion“, Lücke, S. 39 ff.; Kischel, S. 40 ff. Diese Selbstkontrolle vermag jedoch keinen Zwang zur Begründung nach außen zu tragen, Lücke, S. 45. 64 Hk-ZPO/Saenger, § 313a Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 313a Rn. 2.

B. Keine Begründung bei Schiedsgutachten ohne Kontrolle

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Funktion der Entscheidungsgründe Rechnung, nämlich einerseits der Ermöglichung einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht (Unanfechtbarkeit) und andererseits dem Interesse der Parteien an einer Unterrichtung über die Beweggründe des Gerichts (Verzicht oder anderweitige Information mit Hilfe des Protokolls).65 Auch bei § 1054 ZPO wird die Eigenständigkeit der Akzeptanzfunktion neben der Fremdkontrollfunktion sichtbar. Nach ganz überwiegender Meinung soll der Verzicht der Parteien auf etwaige Rechtsbehelfe vor staatlichen Gerichten, die manche nationalen Schiedsverfahrensrechte vorsehen, keinen Verzicht auf die Begründung einschließen.66 Ebenso lässt sich für Schiedsgutachten vermuten, dass ein begründetes Gutachten eine größere Befriedungswirkung hat und auf höhere Akzeptanz hoffen kann. Es mag deshalb zunächst überraschen, wenn hier dennoch nicht für eine dispositive Pflicht zur Begründung nicht kontrollfähiger Schiedsgutachten plädiert wird. Um die angemessene dispositive Regel zu finden, sind indes neben den Funktionen der Begründung die Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Sowohl bei Vereinbarung eines Schiedsgutachtens nach freiem Belieben als auch bei privatautonomem Ausschluss der Kontrolle auf Einhaltung des Entscheidungsmaßstabs ist anzunehmen, dass die Parteien ein ausgeprägtes Interesse an einem Schiedsgutachten haben, das endgültig und keinen Angriffen ausgesetzt ist. Sie bringen dem Schiedsgutachter besonders großes Vertrauen entgegen und antizipieren gewissermaßen die Akzeptanz der Entscheidung. Nicht die Begründung des Schiedsgutachtens muss sie überzeugen; sie sind bereits aufgrund der Person des Schiedsgutachters überzeugt. Ein Begründungserfordernis würde demgegenüber eine zusätzliche Angriffsmöglichkeit gegen das Schiedsgutachten für eine unzufriedene Partei schaffen. Überdies träte die Unverbindlichkeit anders als bei Schiedssprüchen, die nur in einem formalisierten Verfahren aufgehoben werden, ohne weiteres Zutun der Parteien ein. Jedes nicht ausdrücklich vereinbarte formale Erfordernis kollidiert mit dem Interesse der Parteien an einem Schiedsgutachten von hoher Bestandskraft und einer raschen und endgültigen Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheit oder Einigungsschwierigkeit, wie es in dem Verzicht auf eine gerichtliche Kontrolle zum Ausdruck kommt. Wünschen die Parteien in diesen Fällen dennoch eine Begründung, so müssen sie ein Begründungserfordernis abweichend von der dispositiven Regel ausnahmsweise vereinbaren. Zugleich erhellt dieser Befund die Grenzen des oben herausgearbeiteten zwingenden Begründungserfordernisses: Die Parteien können nicht die Begründungspflicht isoliert abbedingen; sie kön65 Hk-ZPO/Saenger, § 313a Rn. 1; Thomas/Putzo/Reichold, § 313a Rn. 1. Zum Unterrichtungsinteresse siehe auch Münch­Komm-­ZPO/Musielak, § 313a Rn. 1; Zöller/Vollkommer, § 313a Rn. 1. 66  BGH v. 26.9.1985 NJW 1986, 1436, 1437; Stein/Jonas/Schlosser, § 1054 Rn. 10; Musielak/ Voit, § 1054 Rn. 4; Schwab/G. Walter Kap. 19 Rn. 13; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 1054 Rn. 4.

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§ 9 Begründung der Entscheidung

nen allenfalls auf eine Begründung verzichten, indem sie die gerichtliche Kontrolle ausschließen.

C. Kontrollüberlegung: Keine Begründungspflicht in England und Frankreich Zweifel an einem zwingenden Begründungserfordernis könnten jedoch bei der Betrachtung des englischen und des französischen Rechts aufkommen. In beiden Rechtsordnungen wird eine Begründung des Schiedsgutachtens grundsätzlich für entbehrlich gehalten. In Frankreich wird dieses Ergebnis darauf gestützt, dass der Dritte als mandataire handele und die jeden Auftragnehmer treffende Rechenschaftspflicht ihn nicht zu Erläuterungen oder Begründungen verpflichte.67 Als Vertreter binde er die Parteien, die für ihr Verhalten auch keine Gründe angeben müssten.68 Es sei ihm allenfalls zu raten, als Vorsichtsmaßnahme eine Begründung mitzuliefern, da es andernfalls im Prozess über die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens ausreichen könnte, ein Gutachten beizubringen, das zu einem anderen Ergebnis gelangt.69 Stimmen, die diesen dogmatischen Rekurs auf die Qualifikation des Dritten als mandataire gegenüber möglichen Sachgründen für unmaßgeblich halten und vielmehr jede zur Beilegung eines Streits eingeschaltete Person zur Begründung ihrer Entscheidung gehalten sehen,70 konnten sich nicht durchsetzen. Im englischen Recht steht es dem Schiedsgutachter ebenfalls grundsätzlich frei, seine Entscheidung zu begründen. Liefert er eine Begründung mit, wird seine Entscheidung als speaking, andernfalls als non-speaking valuation bezeichnet. Diese Differenzierung wirkte sich früher auf die gerichtliche Kontrolle von Schiedsgutachten aus; sie soll deshalb dort im Zusammenhang behandelt werden.71 Im vorliegenden Kontext kommt es nicht auf die Folgen einer fehlerhaften Begründung, sondern allein darauf an, ob ein Pflicht zur Abgabe einer begründeten Entscheidung besteht. Eine Begründungspflicht gilt allein für eine „judicial oder quasi-judicial decision“, damit die Parteien erkennen können, warum die eine Seite gewonnen und die andere Seite verloren hat.72 Auch 67  Cass. civ. 1re 31.1.1974 Bull. civ. I, Nr. 38; Moury, Nr. 42.11. Allerdings kann diese Rechenschaftspflicht den Dritten verpflichten, den Parteien während der Erstellung des Gutachtens die dafür relevanten Grundlagen mitzuteilen, Moury, Nr. 41.131; ders., D. 2011, 2421, 2426. 68  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 471. 69  Gautier, RTD civ. 1992, 133, 134. 70  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 13. 71  Siehe unten § 15 C.III.2.a) (S. 746 ff.). 72  Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 83.

D. Nachholbarkeit der Begründung

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wenn ein Gericht Ermessen (judicial discretion) ausüben darf, muss es seine Entscheidung begründen.73 Der Schiedsgutachter muss dagegen keine Begründung mitliefern.74 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich eine speaking valuation wollten. In diesem Fall kann das Gericht prüfen, ob die Begründung ausreichend war und erforderlichenfalls den Schiedsgutachter aufzufordern, Gründe nachzuschieben.75 Dieser auf den ersten Blick beträchtliche Gegensatz zu dem hier für das deutsche Recht gefundenen Ergebnis lässt sich indes erklären, wenn man sich wiederum auf die Fremdkontrollfunktion der Begründung besinnt. Ein Schiedsgutachten unterliegt, wie unten näher dargelegt wird,76 sowohl in Frankreich als auch in England in geringerem Maße einer inhaltlichen Kontrolle, als dies in Deutschland der Fall ist. Eine Begründung zur Ermöglichung einer Fremdkontrolle scheint daher weniger wichtig. Hierin – und nicht etwa in der vordergründigen und wenig aussagekräftigen Qualifikation des Dritten – dürfte der eigentliche Grund für den Verzicht auf ein Begründungserfordernis liegen. Fällt im deutschen Recht die Überprüfbarkeit weg, führt das ebenfalls zum Wegfall der Begründungspflicht. Folglich wird die hier vertretene Ansicht von der Position des englischen und des französischen Rechts nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt.

D. Nachholbarkeit der Begründung Unabhängig vom Ursprung des Begründungserfordernisses stellt sich die Frage, ob es dem Schiedsgutachter möglich sein soll, eine fehlende Begründung nachzureichen oder eine unzureichende Begründung zu ergänzen und so die Folge der Unverbindlichkeit des Gutachtens zu vermeiden. Ein derartiger Mechanismus existiert etwa für Verwaltungsakte in § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Auch bei Schiedssprüchen, die ohnehin selbst ohne Begründung bis zum Abschluss des Aufhebungsverfahrens wirksam sind, geht eine starke Meinung von der Nachholbarkeit der Begründung aus, auch wenn das Gesetz dazu schweigt.77 Zu 73 

Andrews, S. 124 m.w.N. Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑34; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.6.6; Blake/Browne/ Sime, Rn. 21.32. 75  Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 86. Das Gericht sah es in diesem Fall als merkwürdig an, wenn das Gutachten aufgrund der unzureichenden Begründung unheilbar unverbindlich würde, während sogar einem Schiedsrichter die Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden könnte, s. 70(4) Arbitration Act 1996. Ferner Blake/Browne/Sime, Rn. 21.32. 76  Siehe unten § 15 C.III.2.a) (S. 746 ff.) (England) und § 15 C.III.2.b) (S. 754 ff.) (Frankreich). 77 Stein/Jonas/Schlosser, § 1054 Rn. 8; Zöller/Geimer, § 1059 Rn. 45 (nachholbar bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Aufhebungsverfahrens); a.A. Lachmann, Rn. 1770. 74 

560

§ 9 Begründung der Entscheidung

Schiedsgutachten existieren nur wenige Stellungnahmen, die sich aber in der Regel für eine Nachholbarkeit aussprechen.78 Den beiden genannten Beispielen kommt nicht mehr als eine Indizwirkung79 zu für ein Verfahren, das sich – im Gegensatz zu diesen Beispielen – ganz im privaten Rahmen bewegt. Im Privatrecht muss die Nachholbarkeit von Wirksamkeitserfordernissen als Ausnahme gelten.80 Dieser Ausnahmecharakter lässt sich unter anderem § 141 BGB entnehmen. Aus dieser Vorschrift erhellt der Grundsatz, dass die Voraussetzungen eines Aktes grundsätzlich im Zeitpunkt seiner Vornahme vorliegen müssen, wenn nicht ausnahmsweise ein gestreckter Tatbestand oder eine Heilung – etwa nach Art der §§ 311b Abs. 1 S. 2, 518 BGB – ausdrücklich für zulässig erklärt wird. Für Mängel einer Drittbestimmung ordnet das Gesetz keine derartige Ausnahme an. Damit korrespondiert der Satz, dass der Schiedsgutachter selbst und die Kontrolle des Schiedsgutachtens von dem Sach‑ und Streitstand ausgehen müssen, wie die Parteien ihn dem Schiedsgutachter präsentiert haben, nachträgliche Änderungen also unbeachtlich sind.81 Im Rahmen eines privatautonom begründeten Bestimmungsmechanismus können die Parteien jedoch die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Bestimmungserklärung selbst festlegen. Sofern das Begründungserfordernis ihrer Disposition unterliegt, hindert sie nichts daran, diese Wirksamkeitsvoraussetzung so auszugestalten, dass ein Begründungsmangel geheilt werden kann. Von einem derartigen Willen dürfte sogar im Zweifel auszugehen sein. Denn die zu78  OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653 (Begründung wurde erst in der Berufungsinstanz geliefert); OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39; Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 645 ff. (zu § 315 Abs. 3 BGB); allgemein (Schiedsgutachter darf unvollständiges Gutachten ergänzen) Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 36; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 18; W. Döbereiner, VersR 1983, 712, 713; Sieg, VersR 1965, 629, 634. Siehe auch einerseits OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597 (Vernehmung des Schiedsgutachters als sachverständiger Zeuge); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 681 (mündliche Erläuterung des feststellenden Schiedsgutachtens analog § 411 Abs. 3 ZPO); andererseits Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 36 („Es wäre viel zu umständlich, wenn [Schiedsgutachter] zur Anfertigung ihres Gutachtens so über ihre Methoden diskutieren müssten, wie Sachverständige auf der Schiedsrichterbank“). 79  Siehe auch Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 647 f.: § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sei „keine taugliche Grundlage für Analogie‑ und Umkehrschlüsse“ im Zivilrecht. Auf § 1054 ZPO geht Büdenbender nicht ein. 80  Unproblematisch ist die Nachholbarkeit, wenn die Begründungspflicht nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen wird, so PWW/Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 7 (obwohl die Bestimmung keiner Begründung bedarf, kann diese im Streit um die Billigkeit nachzuholen sein). 81  BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762 („Gesichtspunkte aber, die der Schiedsgutachter nicht beachten mußte, dürfen auch nicht in die gerichtliche Nachprüfung des Gutachtens einbezogen werden.“); BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885, 1886; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 62; RGRK/Ballhaus, § 319 Rn. 6; Staudinger/­Rieble, § 319 Rn. 16; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 7 (Vornahme der Bestimmung maßgeblich für die Beurteilung der offenbaren Unbilligkeit) sowie Rn. 11 (zu feststellenden Schiedsgutachten).

D. Nachholbarkeit der Begründung

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vor herausgearbeiteten Funktionen der Begründung (Akzeptanz, Selbstkontrolle) sind auch im Fall einer Nachholung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfüllt.82 Rechtskonstruktiv dürfte es sich am ehesten um die privatautonome Schaffung eines gestreckten Entstehungstatbestandes handeln. Die Entscheidung des Dritten ist erst dann vollständig getroffen, wenn auch die Begründung geliefert wurde. Ob es auch eine „übertrieben formalistische Vorgehensweise sowie ein Verstoß gegen den auch im Zivilrecht verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ wäre, eine Nachholung der Begründung auszuschließen,83 erscheint indes zweifelhaft – jedenfalls bezogen auf die privatautonom begründete Befugnis eines Dritten nach § 317 BGB. Denn eine fehlende Möglichkeit zur Nachholung der Begründung würde ebenfalls auf dem Willen der Parteien beruhen. Problematisch ist hingegen, ob eine Begründung auch dann nachgeholt werden kann, wenn sie – wie in den meisten Fällen – zwingend erforderlich war. Den Parteiinteressen würde eine Nachholung, wie soeben gesehen, nicht zuwiderlaufen. Auch die Fremdkontrollfunktion, auf die der zwingende Charakter der Begründungspflicht gestützt wurde, wäre im Falle einer Nachholung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewahrt. Auch in dieser Konstellation würde also der Parteiwille für eine Nachholbarkeit der Begründung streiten.84 Da die Begründungspflicht jedoch nicht auf dem mutmaßlichen oder erklärten Parteiwillen beruht, ist eine Modifikation des Begründungserfordernisses allein aufgrund eines darauf gerichteten Parteiwillens schwerer zu rechtfertigen. Im Gegenteil scheint § 319 Abs. 1 BGB darauf hinzudeuten, dass eine Nachholung ausgeschlossen ist. Denn diese Vorschrift besagt, ebenso wie ihr Pendant in § 315 Abs. 3 S. 2 BGB,85 dass der Bestimmungsberechtigte mit Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens seine Befugnis verliert und diese nach 82  Übereinstimmend, allerdings nur auf das Informationsinteresse der Erklärungsempfänger bezogen, Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 650. Etwas anders OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39: Vorbereitender Auskunftsanspruch gegen die Gegenseite, um nicht „auf’s Geratewohl“ Klage nach § 319 Abs. 1 BGB erheben zu müssen. Zur Bejahung eines entsprechenden Auskunftsanspruchs gegen den Schiedsgutachter Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 5; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 15 (allerdings hindere der Auskunftsanspruch nicht die Unverbindlichkeit eines nicht nachprüfbaren Schiedsgutachtens); ablehnend zum Auskunftsanspruch ohne gesonderte Vereinbarung Greger/Stubbe, Rn. 107. 83  So, bezogen auf die Begründung von Gestaltungserklärungen allgemein, Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 650. Dass ein Ausschluss der Nachholbarkeit eine „rigorose Rechtsfolge“ sei, die nur der Gesetzgeber statuieren dürfe, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, da der Gesetzgeber sich mit dem gesamten Komplex nicht befasst hat. Wer vor dieser Rechtsfolge zurückschreckt, weil sie zu rigoros erscheint, sollte das Begründungserfordernis insgesamt in Zweifel ziehen. 84 Vorsichtiger OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653: Es bestehen keine schutzwürdigen Interessen gegen eine Nachholung der Begründung, da das Schiedsgutachten ohne Frist vor Gericht angefochten werden kann. 85 Dazu Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 650 sowie 646 (der Bestimmungsberechtigte habe „keine Chance zur Heilung von Mängeln“).

562

§ 9 Begründung der Entscheidung

§ 319 Abs. 1 BGB auf die Kontrollinstanz (Gericht oder, sofern vereinbart, Schiedsgericht) übergeht. Eine Neuvornahme86 oder Ergänzung der Entscheidung durch den Dritten müsste danach ausscheiden. Denkbar wäre nun eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, dass sie sich nur auf inhaltliche, nicht auch auf formale Mängel bezieht.87 Infolge eines formalen Mangels würde die Bestimmungsbefugnis nicht auf das Gericht übergehen. Diese Auslegung würde an das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit anknüpfen, das in erster Linie eine inhaltliche Dimension hat. Sie würde aber verkennen, dass der in § 319 Abs. 1 BGB normierte Mechanismus der gerichtlichen Ersetzung inzwischen weit über bloße inhaltliche Mängel hinaus Anwendung findet.88 Schon die Tatsache, dass die Parteien weitere Unverbindlichkeitsgründe vereinbaren können, die sodann eine gerichtliche Ersatzbestimmung auslösen, zeigt, dass der Ersetzungsmechanismus nicht auf reine materielle Mängel beschränkt sein kann.89 Denn die Bestimmungsbefugnis des Dritten reicht nur soweit, wie die vertragliche Basis dieser Befugnis reicht. In der Schiedsgutachtenvereinbarung können aber formale wie materielle Anforderungen vereinbart werden. Die Vorschrift des § 319 Abs. 1 BGB gilt für beide Arten. Die einschränkende Auslegung ist deshalb abzulehnen. Stattdessen hilft folgende Überlegung weiter: Zwar ist § 319 Abs. 1 BGB grundsätzlich anwendbar. Doch können die Parteien diese Vorschrift privatautonom modifizieren.90 In Betracht kommt also eine Abbedingung des § 319 Abs. 1 BGB dergestalt, dass ein Begründungsmangel nicht zur Unverbindlichkeit führen soll, wenn eine ausreichende Begründung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt wird. Da auch die nachgeholte Begründung allen Funktionen der Begründung gerecht wird und im Regelfall keine der Parteien aus der Nachholung einen Nachteil91 erleidet, ist im Zweifel von einem dahingehenden Parteiwillen auszugehen. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass bei allen begründungsbedürftigen Schiedsgutachten die Begründung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens nachgeholt werden kann.

86  Als eine derartige erneute Ausübung des Gestaltungsrechts sieht generell Lent, AcP 152 (1952/53), 401, 410 ff. das Nachschieben von Gründen. 87 So Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 650. 88  Dazu oben § 4 D.I.1. (S. 226 ff.). 89  Näher unten § 15 B.1. (S. 707 ff.). 90  Ausführlich unten § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). 91  Zur Kostentragung bei Nachholung der Begründung siehe OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653 mit Hinweis auf §§ 93, 97 Abs. 2 ZPO.

E. Ergebnis

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E. Ergebnis Ein Schiedsgutachten muss, sofern es der (schieds‑)gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, eine Begründung enthalten, die diese Kontrolle ermöglicht. Diese auf der Fremdkontrollfunktion einer Begründung basierende Voraussetzung steht nicht zur Disposition der Parteien. Sie können diese Pflicht lediglich dadurch vermeiden, indem sie auf eine über die Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB hinausgehende Nachprüfbarkeit des Gutachtens verzichten, sei es durch einen Ausschluss der Kontrolle, sei es durch Vereinbarung des freien Beliebens als Entscheidungsmaßstab. In diesem Fall gilt nicht einmal eine dispositive Begründungspflicht, da es im Zweifel den Interessen der Parteien eher entspricht, mögliche Angriffspunkte gegen das Gutachten ganz zu vermeiden. Dieses Ergebnis wird durch die Lösungen des englischen und des französischen Rechts bestätigt: Zwar existiert in beiden Rechtsordnungen keine zwingende Begründungpflicht. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der dort stark eingeschränkten inhaltlichen Nachprüfbarkeit von Schiedsgutachten zu sehen. Fehlt eine erforderliche Begründung, so ist das Schiedsgutachten grundsätzlich unabhängig von seinem Inhalt unverbindlich. Eine Begründung kann jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Verbindlichkeit des Gutachtens nachgeholt werden. Die zur Frage einer Begründungspflicht gefundenen Ergebnisse sind in zweifacher Hinsicht bemerkenswert für die in dieser Arbeit besonders interessierende Wechselbeziehung zwischen Verfahren und Kontrolle. Bislang wurde diese Beziehung, in Übereinstimmung mit der traditionellen Linie der Rechtsprechung,92 so verstanden, dass Defizite bei den Anforderungen auf der Ebene des Verfahrens durch eine verhältnismäßig weitgehende Kontrolle kompensiert würden. Die Möglichkeit einer inhaltlichen Überprüfung des Schiedsgutachtens dient als Rechtfertigung dafür, dass nur geringe Anforderungen an das Verfahren gestellt werden. Diese Sichtweise muss nun um einen wesentlichen Punkt ergänzt werden: Denn erstens besteht nun eine erhöhte Verfahrensanforderung, nämlich ein zwingendes Begründungserfordernis, nicht trotz, sondern gerade wegen der Kontrollmöglichkeit. Die Anforderung wird gerade mit der Ermöglichung einer Fremdkontrolle begründet. Und zweitens führt ein Ausschluss der Kontrolle nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Absenkung der Verfahrensanforderungen. Die Fremdkontrollfunktion zwingt hier folglich zu einer differenzierten Sicht auf die Wechselbeziehung zwischen Verfahren und Kontrolle.

92 

Siehe oben § 6 A. (S. 407).

564

§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung Die Delegation von Privatautonomie wird erst dadurch möglich, dass die Selbstgestaltung der rechtlichen Verhältnisse grundsätzlich keine höchtspersönliche Aufgabe des Einzelnen ist, sofern nicht wie in § 2065 Abs. 2 BGB ein Drittbestimmungsverbot die Einräumung von Bestimmungsbefugnissen verhindert. Wie wirkt sich das auf der Ebene des Verfahrens aus? Muss der Schiedsgutachter seiner Aufgabe höchstpersönlich nachkommen?1

A. Zulässigkeit einer Substitution Der Schiedsgutachter als bestimmungsberechtigter Dritter ist von den Parteien damit betraut worden, an ihrer Stelle eine Entscheidung zu treffen. Gerade wenn dieser Entscheidung eine komplexe und umfangreiche Vorbereitung vorauszugehen hat, fragt es sich, in welchem Umfang der Dritte sich der Hilfe anderer Personen bedienen kann. Dabei sind Abstufungen denkbar, begonnen bei untergeordneten Hilfstätigkeiten (z.B. Schreib‑ und Kopierarbeiten bei Ausfertigung des Schiedsgutachtens) über die Einholung sachverständiger Hilfe in Einzelfragen bis hin zu einer vollständigen Weitergabe des Bestimmungsrechts. Dahinter steht die Frage, inwieweit der Dritte Befugnisse, die er im Wege der Delegation erhalten hat, weiter delegieren kann, mit anderen Worten: inwieweit diese Befugnisse eine Befugnis zur Substitution enthalten. Neben dieser theoretischen Relevanz, die Reichweite von Delegationsmöglichkeiten abzu­ stecken, hat das Problem angesichts der Komplexität mancher Aufgaben, mit denen Schiedsgutachter konfrontiert sein können, auch eine praktische Dimension. Komplexe Bewertungen von Unternehmensanteilen oder schreibintensive Begutachtungen können es erforderlich machen, dass der Schiedsgutachter die Hilfe Dritter in Anspruch nimmt.

1  Die Charakterisierung als höchstpersönlich mag auch Folgen haben im Innenverhältnis zwischen Parteien und Schiedsgutachter, d.h. für den Schiedsgutachtervertrag, für den  – je nach rechtlicher Qualifizierung – besondere Beendigungsgründe bestehen können. Im Innenverhältnis qualifizieren die Tätigkeit des Schiedsgutachters als höchstpersönlich: B. Meyer, S. 70, 157; Kisch, Schiedsmann, S. 74 f. Hier geht es indes um die Auswirkungen auf die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens.

A. Zulässigkeit einer Substitution

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Trotz dieser doppelten Relevanz wird die Problematik im Schuldrecht relativ selten behandelt. Sofern eine Stellungnahme erfolgt, heißt es meist, die Entscheidungsfindung des Schiedsgutachters müsse höchstpersönlich erfolgen. 2 Eine anderweitige Vereinbarung der Parteien wird aber für zulässig gehalten.3 Nicht immer werden dabei die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Gebot spezifiziert.4 Denn statt der hier besonders interessierenden Unverbindlichkeit kämen als Alternative Folgen lediglich im Innenverhältnis, wie etwa eine Haftung des Schiedsgutachters, in Betracht. Auch wird nicht immer ausgeführt, wie weit das Erfordernis der Höchstpersönlichkeit reicht. Ausgenommen sein sollten jedenfalls reine Hilfstätigkeiten wie etwa Schreibarbeiten. Diese Hilfstätigkeiten weisen keinen Bezug zur Willensbildung oder Entscheidungsfindung des Schiedsgutachters auf. Die Frage, ob in unzulässiger Weise die Autonomie der Parteien weitergegeben wurde, stellt sich erst gar nicht. Dass es im Übrigen gänzlich unpraktikabel wäre, wenn der Dritte nicht ein Sekretariat einschalten könnte, kommt hinzu. Für die Inanspruchnahme sachverständigen Rates eines Außenstehenden setzen hingegen einige bereits höhere Anforderungen an. Beispielhaft zum Ausdruck kommt das in § 15.2 DIS-SchGO. Danach ist eine „Beauftragung von Sachverständigen oder sonstigen Sonderfachleuten durch die Schiedsgutachter nur mit Zustimmung der Parteien möglich“. Die Regel lässt sich etwa auf den Wirtschaftsprüfer beziehen, den der Schiedsgutachter einbezieht, um die von ihm geforderte Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen.5 Andere Autoren sehen die Stellung des Schiedsgutachters als hinreichend frei an, um ihm auch ohne Einverständnis oder Unterrichtung der Parteien zu gestatten, einen anderen Sachverständigen zu konsultieren.6 Die Grenze sei erst erreicht, wenn der Schiedsgutachter „die volle Verantwortung für alles, was in seinem Gutachten steht, ablehnt“.7 Von dieser Grenze ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der wohl generell als unzulässig beurteilten vollständigen Weiterleitung der Aufgabe des Schiedsgutachters. Diese vollständige Übertragung

2  Greger/Stubbe, Rn. 107 (zu gestaltenden Schiedsgutachten), Rn. 143 (zu feststellenden Schiedsgutachten); P. Bydlinski, S. 278 (Leistungsbestimmungsrecht nur mit Zustimmung der Parteien übertragbar); Sieveking, S. 107; Sessler, S. 107; Crome, S. 41; OLG Köln v. 27.8.1999 OLGR 2000, 39. Im Versicherungsrecht: Volze, VersR 1996, 1337, 1339. Eine Stellvertretung bei der Ausübung der Gestaltungsbefungis zulassen will Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 294. 3  Sintenis, Civilrecht II, S. 34 Fn. 61; P. Bydlinski, S. 278; OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378, 379. 4  Siehe z.B. Greger/Stubbe, Rn. 107, 143 (der die Problematik im Zusammenhang mit den „Pflichten des Gutachters“ behandelt), aber auch Rn. 162, wonach ein Verfahrensverstoß, der zur Aufhebung eines gerichtlichen Urteils führen würde, zur Unverbindlichkeit eines feststellenden Schiedsgutachtens führe. 5 Vgl. Sessler, S. 102. 6  Schlosser, FS Horn, S. 1035 (mit entsprechenden Ausführungen zum Schiedsrichter und ähnlicher Mahnung, die Anforderungen nicht zu übertreiben, auf S. 1027 ff.). 7  Schlosser, FS Horn, S. 1035.

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

dürfte es auch sein, die all diejenigen Autoren vornehmlich im Blick haben, die pauschal eine höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung verlangen. Häufiger wird die Frage im Erbrecht angesprochen. Dort geht die einhellige Meinung dahin, Drittbestimmungsbefugnisse als höchstpersönlich anzusehen. Stellungnahmen in diesem Sinne finden sich im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Erben durch einen Dritten (soweit diese zulässig ist),8 mit der Bestimmung des Vermächtnisnehmers nach § 2151 BGB9 und mit der Bestimmung des Testamentsvollstreckers nach § 2198 Abs. 1 BGB10. Eine Übertragung der Befugnis auf eine andere Person komme nur dann in Betracht, wenn der ­ abe.11 Erblasser den Bestimmungsberechtigten letztwillig hierzu ermächtigt h Im Ergebnis besteht damit Einigkeit darüber, dass einem Schiedsgutachter ab einem bestimmten Umfang die Einschaltung weiterer Personen nicht gestattet ist oder diese nur unter besonderen Voraussetzungen, wie etwa der Zustimmung der Parteien, zulässig sein kann. Uneinheitlich wird demgegenüber beurteilt, wo und nach welchen Kriterien die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Zuziehung einer weiteren Person zu ziehen ist. Dieser Frage ist im Folgenden nachzugehen. Ein Argument ist in diesem Zusammenhang von vornherein auszuschalten: Dass § 319 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung ermöglicht oder die Parteien bzw. der Erblasser einen Übergang der Bestimmungsbefugnis in bestimmten Fällen vorsehen können12, spricht nicht gegen die Höchstpersönlichkeit der Aufgabe des Schiedsgutachters im Sinne einer eingeschränkten Substitutionsbefugnis. Bestimmung durch den Schiedsgutachter und subsidiäre gerichtliche Ersatzbestimmung sind zwei voneinander getrennte Wege; hier geht es allein um die Aufgabenwahrnehmung des Schiedsgutachters im Rahmen des primären Weges. Fünf weitere Ansätze können dagegen zu einer Klärung der Problematik beitragen.

 8 Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 34; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 35; Münch­Komm-­BGB/ Rudy, § 2151 Rn. 10; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor §§ 2229 Rn. 29 (Begründung: § 664 Abs. 1 S. 1 BGB).  9 Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 3; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 3; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 47; Dörner, 2. FS Ferid, S. 72. 10  W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 59. 11  Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 Rn. 29; Frey, S. 115 f. 12  Siehe dazu Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 3: Der Erblasser kann anordnen, dass die Bestimmungsbefugnis auf einen anderen übergeht, wenn der ursprünglich Berechtigte nicht innerhalb einer vom Erblasser gesetzten Frist davon Gebrauch macht.

A. Zulässigkeit einer Substitution

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I. Persönliche Aufgabenwahrnehmung des gerichtlichen Sachverständigen Für den gerichtlichen Sachverständigen hat der zu untersuchende Problemkomplex im Jahre 1990 eine gesetzliche Regelung erfahren. Mit dem RechtspflegeVereinfachungsgesetz13 wurde § 407a ZPO eingeführt. Nach § 407a Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Ob diese Weitergabe offen oder verdeckt, d.h. ohne Wissen des Gerichts und der Prozessparteien, geschieht, ist für die Vorschrift ohne Belang; in beiden Fällen führt die Übertragung zur Unverwertbarkeit des Sachverständigengutachtens.14 Soweit der Sachverständige sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er gemäß § 407a Abs. 2 S. 2 ZPO diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Auf diese Vorschrift wird in der Diskussion um die Höchstpersönlichkeit der Aufgabe des Schiedsgutachters vereinzelt hingewiesen.15 Sie wird hier nicht deshalb an den Anfang der Überlegungen gestellt, um mit einer analogen Anwendung – mit der jedenfalls Anhänger einer prozessualen Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens sympathisieren müssten – die Frage zu lösen. Vielmehr kann der gesetzliche Anknüpfungspunkt in einer nach der Art der Tätigkeit vergleichbaren Situation helfen, die relevanten Wertungsgrundlagen aufzudecken. Jedoch ist der Gedanke des § 407a Abs. 2 ZPO nicht auf die Situation beim Schiedsgutachten übertragbar. Zwei Gründe werden im Wesentlichen für den höchstpersönlichen Charakter der Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen angegeben. Der Sachverständige dürfe seinen Auftrag erstens nicht auf eine andere Person übertragen, weil es ausschließlich Aufgabe des Gerichts sei, den Sachverständigen nach Persönlichkeit und Qualifikation zu bestimmen.16 Zweitens geriete der ursprünglich ausgewählte Sachverständige in die Gefahr, ein Eidesdelikt zu begehen, wenn er nach § 410 ZPO beeiden müsste, das nicht von ihm stammende Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben.17 Dieser letztgenannte Grund ist nicht auf die Situation des Schiedsgutachtens übertragbar, da dieses nicht beeidet wird. Doch auch der erste Grund, die ausschließliche Auswahlbefugnis des Gerichts, erscheint bei Schiedsgutachten deutlich schwächer. Denn häufig wird der Schiedsgutachter gerade nicht von 13 

BGBl. I, S. 2847. § 407a Rn. 2 m.w.N. 15  So etwa von Greger/Stubbe, Rn. 107. 16 Stein/Jonas/Leipold, § 407a Rn. 4; Zöller/Greger, § 404 Rn. 1a, § 407a Rn. 2; Münch­ Komm-­ZPO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5; Musielak/M. Huber, § 407a Rn. 3. 17 Zöller/Greger, § 404 Rn. 1a; Münch­Komm-­Z PO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5. 14 Zöller/Greger,

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

den Parteien selbst ausgewählt, sondern sie überlassen die Auswahl einem Dritten, etwa der örtlichen Industrie‑ und Handelskammer.

II. Höchstpersönlichkeit als Reflex des Gebots von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Die Begründung einer Pflicht zur höchstpersönlichen Erstellung eines Schiedsgutachtens muss also auf andere Weise geschehen. In seiner Auseinandersetzung mit der Problematik schlägt Schlosser hierzu ein systematisches Argument vor. Die übrigen Regeln über das – von ihm vor allem betrachtete – feststellende Schiedsgutachten und die Art, wie dieses in Rechtsprechung und Schrifttum erörtert werde, ließen nur den Schluss zu, dass ausschließlich eine natürliche Person Schiedsgutachter sein könne.18 Insbesondere die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgutachters könne nur eine natürliche, nicht auch eine juristische Person erfüllen, da es sich um persönliche Eigenschaften handele.19 Wann die Besorgnis der Befangenheit bei einer juristischen Person ein unzulässiges Maß erreicht habe, könne kaum beantwortet werden. 20 Auch die Gewährung rechtlichen Gehörs oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei schlechterdings nur durch natürliche Personen denkbar. 21 Deshalb sei jedenfalls eine unkontrollierte Aufgabenübertragung innerhalb einer juristischen Person ausgeschlossen. 22 Dass mit diesem Argument die – offenbar verbreitete – Praxis, eine juristische Person, etwa eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 23 als Schiedsgutachter zu benennen, erschwert wird, muss hier nicht vertieft werden. 24 Entscheidend ist vielmehr, 18 

Schlosser, FS Horn, S. 1031 ff.; ders., Entwicklungsstand, S. 11 f.; die Ernennung einer Firma als „Arbitrator“ hält auch OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378, 379 für unzulässig und will deshalb durch Auslegung ermitteln, welche natürliche Person innerhalb der Firma als Schiedsgutachter fungieren solle. 19  Schlosser, FS Horn, S. 1031; ders., Entwicklungsstand, S. 12. 20  Schlosser, FS Horn, S. 1031 f. 21  Schlosser, FS Horn, S. 1033. 22  Schlosser, FS Horn, S. 1031 ff.; ders., Entwicklungsstand, S. 12 f. 23  Beispiel bei Schlosser, Entwicklungsstand, S. 12. 24  Entgegen dem Eindruck von Schlosser, FS Horn, S. 1032 mit Fn. 28, vertreten mehrere Autoren die Ansicht, eine juristische Person könne als Dritter zur Leistungsbestimmung wie auch zur Erstellung eines feststellenden Schiedsgutachtens berufen werden, siehe Staudinger/­ Rieble, § 319 Rn. 34, 53; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 14, 49; Sessler/Leimert, Arb. Int. 20 (2004), 151, 158; wohl auch Erman/J. Hager, § 317 Rn. 2; nur zu feststellenden Schiedsgutachten B. Rauscher, S. 216; zum Sachverständigen in Versicherungsrecht Kisch, Schiedsmann, S. 62. Häufiges Beispiel für ein gestaltendes Tätigwerden einer juristischen Person ist die Festsetzung einer Vertragsstrafe im Verhältnis zwischen Lizenzfußballspieler und Verein durch den Deutschen Fußballbund (BAG v. 17.1.1979 NJW 1980, 470, 471). Eine derartige Konstellation konzediert auch Schlosser – im Einklang mit Literaturstimmen, die sich allein mit dem gestaltenden Schiedsgutachten befassen (z.B. NK-BGB/F. Wagner, § 317

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dass dieses systematische Argument lediglich die Weitergabe der Aufgabe innerhalb einer juristischen Person betrifft und nicht erklären kann, weshalb auch eine Delegation von einer natürlichen Person auf eine andere natürliche Person ausgeschlossen sein soll, wenn diese andere Person ebenfalls die an einen Schiedsgutachter zu stellenden Anforderungen erfüllt und insbesondere die nötige Neutralität mitbringt.

III. Höchstpersönlichkeit als Folge des § 319 Abs. 1 BGB Einen weiteren Ansatzpunkt für ein systematisches Argument könnte jedoch § 319 Abs. 1 BGB liefern. Danach tritt, wenn nicht die Parteien einen anderen Ersatzmechanismus vorgesehen haben, ein Gericht an die Stelle eines Dritten, der seine Aufgabe nicht wahrnehmen kann oder will. Die Weitergabe des Auftrags an eine andere Person ließe sich nun als ein derartiger Fall des Nichtwollens begreifen. Ein Dritter, der einen anderen an seine Stelle treten lässt, will seine Aufgabe nicht erfüllen. Damit geht diese Aufgabe aber an ein Gericht über. Die Übertragung an die andere Person läuft ins Leere. Scheinbar steht dieser Ansatz im Widerspruch zu der Prämisse, dass die Delegation von Entscheidungsbefugnissen keinen Verzicht auf Privatautonomie bedeutet, sondern deren Ausübung. Warum nun aber der Dritte, der seinerseits seine Aufgabe delegiert, nicht Privatautonomie ausübt, sondern eine EntscheiRn. 6; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 7; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 14) – als zulässig. Die juristische Person handele dabei durch ihre Organe, Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 7; B. Rauscher, S. 216. Auch in England (Borowsky, S. 100) und Frankreich (Cass. civ. 3e 23.10.1979 Bull. civ. III, Nr. 188; Cornu, RTD civ. 1980, 366, 367) ist die Benennung einer juristischen Person ohne weiteres gestattet. Ein Bedürfnis dafür, in der Schiedsgutachtenvereinbarung nicht eine bestimmte Person, sondern eine Gesellschaft als feststellenden Schiedsgutachter vorzusehen, ist leicht einzusehen. Wenn etwa die Parteien für die Zukunft die Einholung einer Bilanz zu einem bestimmten Stichtag vereinbaren, so wird es ihnen interessengerecht erscheinen, nur eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu benennen, nicht einen bestimmten Mitarbeiter, von dem sie nicht wissen, ob er zur Zeit der Erstellung der Bilanz verfügbar ist. Jedoch ist Schlosser Recht zu geben, dass zur Tätigkeit eines feststellenden Schiedsgutachters nur die Vorstellung vom Handeln einer natürlichen Person passt. Dass diese Person – mit der überwiegenden Ansicht – zwangsläufig die Organe der juristischen Person sein sollen, stellt hingegen eine unnötige Verengung dar. Überzeugender ist die Deutung bei Schlosser, FS Horn, S. 1033 f. unter Verweis auf die parallele Lage beim Schiedsgerichtsverfahren (ebenso ders., Entwicklungsstand, S. 12; B. Rauscher, S. 216; Kisch, Schiedsmann, S. 62): Die Benennung einer juristischen Person als Schiedsgutachter könne so ausgelegt werden, dass damit diese juristische Person ermächtigt wird, (durch ihre Organe) eine natürliche Person als Schiedsgutachter zu bestimmen. Diese Lesart hat den Vorteil, einerseits den Bedürfnissen der Parteien und andererseits dem Interesse an einer transparenten und regelförmigen Erstellung des Schiedsgutachtens Rechnung zu tragen, indem nicht mehr tatsächliche Zuständigkeiten innerhalb der juristischen Person beliebig hin und her geschoben werden können.

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dung verweigert, wird deutlich, wenn zwischen der Privatautonomie der Parteien und derjenigen des Dritten getrennt wird. Der Dritte soll für die Parteien einen Teil ihrer Autonomie ausüben; sie sind es, die ihm diese Rechtsmacht verliehen haben. Er kann deshalb nicht ohne weiteres die Autonomie der Parteien weiter übertragen. Ist damit in § 319 Abs. 1 BGB ein systematischer Ansatzpunkt im Gesetz gefunden, weshalb der Dritte seine Aufgabe höchstpersönlich zu versehen hat, steht eine materielle Unterfütterung dieser Entscheidung des Gesetzgebers noch aus.

IV. Höchstpersönlichkeit wegen fehlender Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten? In diesem Zusammenhang ist auf die These zurückzukommen, dass die Befugnis des Bestimmungsberechtigten als Gestaltungsrecht einzuordnen sei. 25 Das Zutreffen dieser Prämisse unterstellt, würde die Weitergabe der Bestimmungsbefugnis mithin die Übertragung eines Gestaltungsrechts darstellen. Ob der Inhaber eines Gestaltungsrechts seine Befugnis isoliert, d.h. unabhängig von dem Rechtsverhältnis, dem das Gestaltungsrecht entspringt oder auf das es sich bezieht, nach § 413 BGB übertragen kann, wird seit jeher kontrovers diskutiert. 26 Wäre dieser Streit dahingehend zu entscheiden, dass eine selbständige Übertragung ausscheiden muss, so wäre damit auch präjudiziert, dass ein bestimmungsberechtigter Dritter seine Befugnis nicht an eine andere Person weitergeben kann. Es lassen sich im Wesentlichen drei Lager ausmachen. 27 Während manche die isolierte Übertragung eines Gestaltungsrechts für grundsätzlich unzulässig halten, 28 mehren sich gerade im neueren Schrifttum Stimmen, die eine Übertragung grundsätzlich erlauben wollen. 29 Die Vertragsfreiheit ermögliche es den Parteien, Gestaltungsrechte nach ihren Wünschen zuzuweisen.30 Dazwischen steht eine traditionell sehr starke Ansicht, die eine Kate25 

Siehe oben § 3 A.III.3. (S. 121 f.). Dazu, dass § 413 BGB selbst keine Aussage über die Übertragbarkeit zu entnehmen ist, sondern diese Norm nur den Übertragungsmechanismus regelt, wenn die Übertragbarkeit feststeht, Steinbeck, S. 40 f. 27  Zum Streitstand siehe etwa Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 180 ff.; Steinbeck, S.42 ff.; ausführlich jetzt Hattenhauer, S. 403 ff. 28  ­L arenz/M. Wolf, AT, § 15 Rn. 78; anders jetzt M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 43. 29 Staudinger/Busche, § 413 Rn. 10 (unter Berufung auf § 413 BGB); Steinbeck, S. 41 f., 111 f.; Heermann, § 7 Rn. 64; Hattenhauer, S. 459 f.; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 182 ff.; Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 221. Im Grundsatz bejaht auch BGH v. 10.12.1997 NJW 1998, 896, 897 unter Berufung auf § 413 BGB eine Übertragbarkeit, lässt aber offen, wann Ausnahmen davon zu machen sind. 30  Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 182 f.; Steinbeck, S. 41 f.; Dörner, S. 298 f.; Heer26 

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gorienbildung versucht und zwischen selbständigen und unselbständigen Gestaltungsrechten differenziert.31 Selbständige Gestaltungsrechte, die nicht auf einem anderen subjektiven Recht beruhen (z.B. Aneignungsrechte, Wiederkaufsrechte), sollen isoliert übertragbar sein. Unselbständige Gestaltungsrechte werden demgegenüber so bezeichnet, weil sie mit einem Rechtsverhältnis, auf das sie einwirken, verknüpft sind (z.B. Gläubigerwahlrechte). Meist wird daraus gefolgert, dass sie allenfalls gemeinsam mit diesem Hauptrecht übertragen werden können.32 Ein auf die §§ 315 ff. BGB gegründetes Leistungsbestimmungsrecht dürfte der zweiten Kategorie zuzuordnen sein, da es nicht ohne das Schuldverhältnis, das es ausgestalten soll, gedacht werden kann.33 Letztlich legen alle drei Ansichten nur ein Regel-Ausnahme-Verhältnis fest und treffen eine Aussage darüber, wer die Begründungslast für die Übertragbarkeit oder Nichtübertragbarkeit eines Gestaltungsrechts trägt.34 Während die erste Ansicht die Übertragbarkeit zur begründungsbedürftigen Ausnahme macht, verlangt die Betonung der Privatautonomie nach einer Begründung für den Ausschluss der Übertragbarkeit. Die differenzierende Ansicht schließlich bemüht sich mit ihrer Kategorienbildung ersichtlich darum, typisierend eine derartige Begründung zu liefern; freilich versprechen diese Kategorien wenig argumentativen Ertrag.35 Eine definitive Auskunft über die Übertragbarkeit von Drittbestimmungsbefugnissen kann aus keiner der Ansichten gewonnen werden. Selbst die Vertreter einer grundsätzlichen Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten ziehen der privatautonomen Zuweisungskompetenz der Parteien Grenzen und begründen diese Grenzen etwa mit der Akzessorietät eines Gestaltungsrechts (§ 401 BGB), aber eben auch mit dem höchstpersönlichen Chamann, § 7 Rn. 64. Zum Zusammenhang mit der Privatautonomie auch Hattenhauer, S. 412 ff. (speziell zu § 317 BGB auf S. 420). 31  Münch­Komm-­BGB/G.H. Roth, § 399 Rn. 17, 19, § 413 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, § 413 Rn. 3 ff.; Staudinger/Busche, § 413 Rn. 11 ff.; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 601 (§ 35 VI); Waltermann, S. 17, 20 ff.; Steffen, S. 84 ff.; ausführlich zu dieser Ansicht Leverenz, Jura 1996, 1, 3 f. mit zahlreichen Nachw. – Anklänge daran auch bei Seckel, FS Koch, S. 220 ff.; zur Kritik an Seckel Steinbeck, S. 42 ff. 32  Der BGH hat die Frage bislang offengelassen BGH v. 2.12.2009 NJW‑RR 2010, 544; BGH v. 2.7.2003 NJW 2003, 2987; BGH v. 10.12.1997 NJW 1998, 896, 897; BGH v. 11.7.1985 BGHZ 95, 250, 254. – Häufig wird im Schrifttum innerhalb der unselbständigen Gestaltungsrechte weiter differenziert zwischen forderungsbezogenen und vertragsbezogenen Gestaltungsrechten (siehe etwa Staudinger/Busche, § 413 Rn. 13; Palandt/Grüneberg, § 413 Rn. 4 f.). Diese Differenzierung muss hier aus den im Folgenden genannten Gründen nicht vertieft werden. 33  Steinbeck, S. 45; P. Bydlinski, S. 266; Hattenhauer, S. 409; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 181; siehe bereits Seckel, FS Koch, S. 221. 34  Zur Verteilung der Begründungslast Hattenhauer, S. 277 ff.; Steinbeck, S. 42; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 185. 35  Zur Kritik Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 183 („petitio principii“) m.w.N.; Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 218 ff. („rein begrifflich“, S. 219); Heermann, § 7 Rn. 64; P. Bydlinski, S. 10 f., 289 ff.; Kleinschmidt, Verzicht, S. 206 Fn. 31.

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rakter eines Gestaltungsrechts. 36 Ein Gestaltungsrecht sei dann höchstpersönlich, wenn es die ihm zugedachte Funktion nach einer Übertragung nicht mehr erfüllen könne.37 Als Beispiel für ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht wird etwa das Widerrufsrecht des Schenkers wegen groben Undanks nach § 530 Abs. 1 BGB genannt, dessen höchstpersönlicher Charakter aus der in § 530 Abs. 2 BGB angeordneten eingeschränkten Vererblichkeit und seinem Ursprung in der persönlichen Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem herzuleiten sei.38 Umstritten ist die Höchstpersönlichkeit des Anfechtungsrechts.39 Mit anderen Worten ist die Frage nach der Höchstpersönlichkeit eines Gestaltungsrechts vorgelagert und aus jeweils speziell auf das betreffende Gestaltungsrecht bezogenen Überlegungen anstatt anhand allgemeiner Theorien zur Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten zu beantworten.40 Selbst wenn also – was hier nicht zu entscheiden ist – die Bestimmungsbefugnis des Dritten ein Gestaltungsrecht wäre, könnten generalisierende Aussagen darüber, ob Gestaltungsrechte isoliert übertragbar sind, nicht weiterhelfen bei der Feststellung, ob der Berechtigte seine Befugnis an eine andere Person weiterreichen darf.

V. Höchstpersönlichkeit und Privatautonomie Der Ansatzpunkt für die notwendige materielle Rechtfertigung der Höchstpersönlichkeit ist vielmehr in der Rechtsmacht des Dritten selbst zu suchen. Diese Rechtsmacht beruht auf der Vereinbarung der Parteien, die sich darin der Entscheidung des Dritten unterworfen haben. Dann reichen dessen Befugnisse aber auch nur so weit, wie es dem Willen der Parteien entspricht. Wollen sie dem Dritten eine Weitergabe seiner Rechtsmacht versagen, so kann er sich nicht substituieren. Räumen die Parteien dem Dritten eine Substitutionsbefugnis ein, so steht die Aufgabenübertragung an eine andere Person durch den Dritten nicht im Widerspruch zur Privatautonomie der Parteien. Rechtstechnisch ließe sich eine derartige Substitution erklären als ein Fall des Nichtwollens des Dritten, für den die Parteien selbst einen Ersatzmechanismus vorgesehen haben, so dass 36  Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 185 ff.; zur Höchstpersönlichkeit außerdem z.B. Steinbeck, S. 50 ff., 66 f.; Seckel, FS Koch, S. 221. 37  Steinbeck, S. 50. 38 Staudinger/Busche, § 413 Rn. 12; Münch­Komm-­BGB/G.H. Roth, § 413 Rn. 11; Hattenhauer, S. 432; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 185; Steinbeck, S. 51 ff.; Seckel, S. 221; a.A. P. Bydlinski, S. 202 ff. 39  Dafür Palandt/Grüneberg, § 413 Rn. 5; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 601 (§ 34 VI). Dagegen Staudinger/Busche, § 413 Rn. 14; Hattenhauer, S. 432 f. Differenzierend u.a. Steinbeck, S. 92 ff.; Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 250 ff. 40 Von „Einzelfallerwägungen“ spricht in diesem Zusammenhang Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 185; eine „Einzelfallprüfung“ fordert Staudinger/Busche, § 413 Rn. 10. Zur Unmöglichkeit einer „allgemeingültige[n] Beurteilung“ Leverenz, Jura 1996, 1, 4.

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es nicht zu einer gerichtlichen Ersetzung nach § 319 Abs. 1 BGB kommen muss. Der Ersatzmechanismus besteht in der Benennung eines neuen Dritten durch den ursprünglichen Dritten; dass die Parteien den Dritten nicht selbst benennen müssen, ist unstreitig anerkannte Praxis.

1. Zum Vergleich: Divergierende Ansichten bei der Stellvertretung a) Deutsches Recht: Interesse des Geschäftsherrn Eine Parallele zu diesen Überlegungen findet sich im Recht der Stellvertretung. Ob ein Vertreter einer anderen Person eine Untervollmacht erteilen kann, so dass diese andere Person neben – oder im Falle eines Verzichts des Hauptvertreters auf seine Rechtsmacht auch anstelle von41 – dem Hauptvertreter Rechtswirkungen für und gegen den Geschäftsherrn herbeiführen kann, hängt von der Reichweite der dem Hauptvertreter eingeräumten Vertretungsmacht ab.42 Nur wenn der Geschäftsherr den Hauptvertreter zur Erteilung einer Untervollmacht bevollmächtigt hat, kann dieser einen Untervertreter bestellen. Diese Option des Geschäftsherrn kann als „Ausfluss der Privatautonomie“ verstanden werden.43 Da sich die Befugnis zur Unterbevollmächtigung vom Geschäftsherrn ableitet, kann zudem die Vollmacht des Untervertreters nicht weiter als die Vollmacht des Hauptvertreters reichen.44 Enthält die Hauptvollmacht keine ausdrückliche Auskunft über die Zulässigkeit einer Unterbevollmächtigung, so ist sie auszulegen.45 Maßgeblich für die Auslegung ist die Frage, „ob der Vollmachtgeber ein schutzwürdiges Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsmacht durch den Hauptvertreter hat oder nicht“.46 Ein derartiges Interesse ist im Zweifel bei einem Vertrauensverhältnis anzunehmen.47 41 Diese „Ersatzbevollmächtigung“, die häufig konstruiert wird als Erteilung einer Untervollmacht bei gleichzeitigem Verzicht auf die Hauptvollmacht, käme der hier interessierenden Weitergabe von Entscheidungsbefugnissen durch den bestimmungsberechtigten Dritten am nächsten. Ihre Zulässigkeit ist freilich umstritten. Zum Streitstand Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 60; Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 93; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 33 mit Fn. 61. 42 Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 63; Münch ­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 101; Erman/Maier-Reimer, § 167 Rn. 64; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 35; Flume, AT II, S. 836 (§ 49, 5). 43 HKK/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 18. 44 Erman/Maier-Reimer, § 167 Rn. 64; Jauernig/Jauernig, § 167 Rn. 4; Gehrlein/Weinland, in: jurisPK-BGB, § 167 Rn. 6; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 35; Bork, AT, Rn. 1451. 45 Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 63 m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 102; M. Wolf/Neuner, AT, § 50 Rn. 34. 46 Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 63 (Hervorhebung im Original); siehe ferner Erman/ Maier-Reimer, § 167 Rn. 64; Gehrlein/Weinland, in: jurisPK-BGB, § 167 Rn. 6; Münch­ Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 102; Bork, AT, Rn. 1451. 47 Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 63; Gehrlein/Weinland, in: jurisPK-BGB, § 167 Rn. 6; Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 102. Dieser Gedanke rechtfertigt auch das Verbot

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Nach Ansicht mancher Autoren ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Vertretene besonderes Vertrauen in den jeweiligen Vertreter gesetzt hat, so dass eine Unterbevollmächtigung ausgeschlossen sein soll.48

b) Französisches Recht: Interesse des Bevollmächtigten Einen grundsätzlich anderen Ansatz wählt das französische Recht. Da dort der Dritte als „mandataire commun“ betrachtet wird, sind die Regeln, die für die Weitergabe eines Auftrags (substitution) gelten, nicht nur als Parallelproblem, sondern unmittelbar einschlägig. Grundsätzlich eignet dem Auftragsverhältnis ein ausgeprägter Personenbezug, ein „caractère intuitu personae“.49 Der Auftrag begründet ein Vertrauensverhältnis.50 Folgerichtig wäre deshalb die Annahme, dass der Geschäftsherr der Substitution, d.h. dem Tätigwerden einer Person, in die er nicht persönlich sein Vertrauen gesetzt hat, stets zustimmen müsste.51 Sofern er die Substitution gestattet hat, ist sie ohne weiteres zulässig.52 Eine Gestattung wird großzügig angenommen;53 sie kann insbesondere konkludent erfolgen, wenn der Geschäftsherrn erkennen kann, dass der Auftragnehmer den Auftrag nicht allein ausführen kann oder wird.54 Andernfalls würde der Auftragnehmer seine Befugnisse überschreiten, wenn er seine Aufgabe nicht persönlich erfüllt, und Handlungen der vom Auftragnehmer eingeschalteten Person könnten den Geschäftsherrn nicht binden.55 Der Vorschrift des Art. 1994 S. 1 Nr. 1 Code civil ist indes eine andere Lösung zu entnehmen. Danach haftet der Auftragnehmer für Handlungen eines Unterauftragnehmers, sofern er keine Substitutionsbefugnis hatte. Diese wenig aussagekräftige Norm enthält zwei Aussagen: Erstens ist eine Substitution grundsätzlich zulässig, wenn nicht kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung etwas anderes bestimmt ist.56 Es muss also nicht der Geschäftsherr der Substider Erteilung einer Generalvollmacht durch einen GmbH-Geschäftsführer an ein Nichtorgan, BGH v. 18.7.2002 NJW‑RR 2002, 1325, 1326. 48  Münch­Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 102; Bork, AT, Rn. 1451 Fn. 37. In diese Richtung auch Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 63; Flume, AT II, S. 836 (§ 49, 5) (zur Spezialvollmacht). Für Österreich P. Bydlinski, S. 257 f. Siehe aber andererseits Art. 3:206 PECL, wonach ein Vertreter im Zweifel eine stillschweigende Vollmacht zur Erteilung einer Untervollmacht hat. Die rechtsvergleichenden Hinweise zu dieser Vorschrift räumen allerdings ein, dass die gegenteilige Regel weit verbreitet ist, Lando/Beale, S. 212 f. („delegatus delegare non potest“). 49  Cass. civ. 1re 26.12.1961 Bull. civ. I, Nr. 625; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 47; Mallet-Bricout, Nr. 1, 157. 50  Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 561. 51  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Guillouard, Mandat, Nr. 119; Cozian, Nr. 67. 52  Pétel, Nr. 310; Guillouard, Mandat, Nr. 121. 53  Ferid/Sonnenberger, Rn. 1 F 1054. 54  Troplong, Mandat, Nr. 461. 55 So insbesondere Pothier, Mandat, Nr. 99; siehe außerdem zu dieser Ansicht Pétel, Nr. 310 m.w.N.; Guillouard, Mandat, Nr. 119. 56  Cass. soc. 9.1.1974 Bull. civ. V, Nr. 24; Cass. com. 19.3.1991 Bull. civ. IV, Nr. 102; Cass.

A. Zulässigkeit einer Substitution

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tution ausdrücklich oder konkludent zustimmen, sondern er muss sie – wiederum ausdrücklich oder konkludent – untersagen. Von einem konkludenten Substitutionsverbot ist etwa auszugehen, wenn dem Geschäftsherrn ersichtlich an einer persönlichen Ausführung des Auftrags gelegen ist.57 So kann beispielsweise ein Dritter, der mit der Auswahl eines Schiedsrichters betraut ist, einer anderen Person diese Auswahlentscheidung überlassen.58 Wichtiger noch ist die zweite Aussage von Art. 1994 S. 1 Nr. 1 Code civil: Die fehlende Zustimmung des Geschäftsherrn bewirkt nicht etwa, dass die Substitution insgesamt unwirksam wäre; sie führt lediglich zur Haftung des Hauptauftragnehmers.59 Der Geschäftsherr wird durch die Handlungen der vom Auftragnehmer eingeschalteten Person berechtigt und verpflichtet.60 Selbst wenn also in dem vorgenannten Beispiel der Vertrag mit dem Dritten diesem nicht die Weitergabe seiner Aufgabe gestatten würde, wäre die Auswahl durch die andere Person wirksam und der Dritte wäre lediglich zum Schadensersatz für Pflichtverletzungen dieser anderen Person verpflichtet.61 Diese Lösung kann sich auf den ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers stützen.62 Maßgeblich erschien in den Beratungen zu Art. 1994 Code civil, dass ein Auftrag unentgeltlich sei und der Auftragnehmer deshalb nicht über Gebühr belastet werden dürfe, wenn er seiner Aufgabe nicht nachkommen könne. Für den Geschäftsherrn stelle diese Lösung ebenfalls einen Vorteil dar, da er von den Handlungen der vom Auftragnehmer eingeschalteten Person profitieren könne und für den Fall, dass er nicht damit zufrieden sei, einen Haftungsschuldner habe. Diese Gründe sollen weitgehend noch heute Gültigkeit beanspruchen; in Anbetracht der zunehmenden Professionalisierung von Auftragsverhältnissen durch Dienstleister, die den höchstpersönlichen Charakter des Auftrags abschwächten, sollen sie sogar in noch stärkerem Maße zutreffen.63 Der Geschäftsherr erleide keinen Nachteil; com. 2.12.1997 JCP G 1998,II,10160; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 47; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 561; Mallet-Bricout, Nr. 9, 109; Cozian, Nr. 68; Duranton, Bd. XVIII, Nr. 250; offenbar anders Cass. soc. 4.1.2000 Bull. civ. V, Nr. 8. 57  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 47; Cozian, Nr. 68. 58  CA Caen 19.11.1836 Répertoire alphab., s.v. Arbitrage, Nr. 798 f. 59  Cass. com. 2.12.1997 JCP G 1998,II,10160; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 561; Mallet-Bricout, Nr. 215 f.; Guillouard, Mandat, Nr. 120. – Ob im Falle der autorisierten Substitution auch der Hauptauftragnehmer haften soll, ist umstritten. Seine Freistellung durch das Gesetz sei historisch durch den Charakter des Auftrags als Freundschaftsdienst zu erklären. Dieser Charakter habe sich heute gewandelt, so dass auch der Ausschluss der Haftung in Frage zu stellen sei, Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 50. 60  Guillouard, Mandat, Nr. 120, 130 (anders aber ders., Mandat, Nr. 125). 61  Répertoire alphab., s.v. Arbitrage, Nr. 799. 62  Siehe die wörtliche Wiedergabe der Beratungen bei Guillouard, Mandat, Nr. 120. 63  Zu letzterem Gedanken Mallet-Bricout, Nr. 855; Pétel, Nr. 286, 312; Cozian, Nr. 68.

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

in manchen Fällen sei eine sinnvolle Ausführung des Auftrags ohne Einschaltung eines Unterauftragnehmers vor Ort gar nicht möglich.64 Dem Umstand, dass der Auftragnehmer nicht einseitig und für den Geschäftsherrn unvorhersehbar die Modalitäten des Auftrags ändern könne, werde ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass dieser für Fehler bei der Ausführung des Auftrags hafte.65 Diese Überlegungen gipfeln in der These, dass die im Außenverhältnis unbeschränkte Substitutionsbefugnis keineswegs im Widerspruch zu dem Personenbezug des Auftragsverhältnisses stehe, sondern im Gegenteil die Befugnis, eine andere, nicht vom Geschäftsherrn ausgewählte Person an die eigene Stelle zu setzen, einen besonders starken Beweis für das in den Auftragnehmer gesetzte Vertrauen darstelle.66 Lediglich im Extremfall, dass der Geschäftsherr eine Substitution untersagt hat, wollen doch manche Autoren die Unwirksamkeit der Substitution annehmen, da diese dann im Widerspruch zum Willen des Geschäftsherrn stehe.67 Die Handlungen der vom Hauptauftragnehmer eingeschalteten Person seien dann auch im Außenverhältnis unwirksam.68 Der Auftragnehmer hafte strikt für jeglichen Schaden des Geschäftsherrn.69 Der Haftung nach Art. 1994 S. 1 Nr. 1 Code civil verbleibt nach dieser Ansicht nur ein schmaler Anwendungsbereich für die Fälle, in denen der Auftrag weder die Gestattung noch das Verbot einer Substitution enthält.70 Die Gegenansicht geht indes selbst im Fall des Substitutionsverbots dahin, es bei einer Haftung des Hauptauftragnehmers zu belassen und nicht etwa die Substitution insgesamt für unwirksam zu halten.71 Zwar trage die Unwirksamkeitslösung dem Willen des Geschäftsherrn am ehesten Rechnung, doch vernachlässige sie die Interessen der anderen Beteiligten wie etwa dritter Vertragspartner, so dass zum angemessenen Interessenausgleich eine Haftungslösung vorzuziehen sei.72 Auch das französische Recht berücksichtigt damit den Willen des Delegierenden, allerdings in abgeschwächter Form. Eine nicht ausdrücklich autorisierte Weitergabe des Auftrags durch den Dritten ist nicht per se unwirksam. 64  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Troplong, Mandat, Nr. 447; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 47. 65  Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 49; Troplong, Mandat, Nr. 447; Pétel, Nr. 312. 66  Mallet-Bricout, Nr. 2. 67  Guillouard, Mandat, Nr. 125; Duranton, Bd. XVIII, Nr. 252; für Unwirksamkeit offenbar auch Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 929; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 47; Storck, JCP G 1998,II,10160. 68  Guillouard, Mandat, Nr. 125; Duranton, Bd. XVIII, Nr. 252. 69  Guillouard, Mandat, Nr. 125; Duranton, Bd. XVIII, Nr. 252. 70  Duranton, Bd. XVIII, Nr. 250 („le pouvoir est muet sur le point“). 71  Mallet-Bricout, Nr. 232, 290 f. (dort weitere Nachw.), 578; Troplong, Mandat, Nr. 449 (allerdings könne der Geschäftsherr selbstverständlich den noch nicht ausgeführten Auftrag kündigen); Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 561; Ferid/Sonnenberger, Rn. 1 F 1054. Die Rechtsprechung lässt in dieser Frage keine gesicherten Schlüsse zu. 72  Mallet-Bricout, Nr. 290 f.; ähnlich Pétel, Nr. 312.

A. Zulässigkeit einer Substitution

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2. Folgerungen für die Delegation von Privatautonomie Was bedeuten diese Überlegungen nun für die Weitergabe der Kompetenzen des Schiedsgutachters? Haben die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung eine Weitergabe der Bestimmungsbefugnis gestattet, so ist eine Übertragung zulässig.73 Gegen die Wirksamkeit einer derartigen Vereinbarung bestehen keine Bedenken.74 In der Regel ist indes davon auszugehen, dass die Parteien die in der Schiedsgutachtenvereinbarung bezeichnete Person und niemand anders um eine Entscheidung ersuchen.75 Mit der Delegation der Entscheidungsbefugnis verbinden sie ganz bestimmte Vorstellungen darüber, in welcher Weise diese Kompetenz ausgeübt wird.76 Insbesondere wenn der Dritte fehlende Sachkunde der Parteien wettmachen soll, wird in aller Regel maßgeblich sein, wem die Parteien selbst die nötige Sachkunde zutrauen.77 Es ist letztlich dieser Gedanke, der im Kern der Äußerung der Ersten Kommission zugrunde liegt, wenn sie festhält: „Aus der Vertrauensstellung des Dritten ergiebt sich ohne Weiteres, daß er die durch den Vertrag ihm übertragene Bestimmung in Person treffen muß. Eine von ihm nicht persönlich getroffene Bestimmung wäre nicht die vertragsmäßig gewollte.“78

Selbst dann, wenn die Parteien die Benennung des Schiedsgutachters nicht selbst vorgenommen, sondern einem anderen – etwa der örtlichen Industrieund Handelskammer – überlassen haben, haben sie ihre Privatautonomie dahingehend ausgeübt, dass eben die Kammer einen Schiedsgutachter auswählt und nicht der Schiedsgutachter selbst. Denn das Interesse der Parteien geht dahin, eine sachkundige Entscheidung zu erlangen. Über die Sachkunde und den erforderlichen Überblick für die Auswahl eines Sachverständigen verfügt die Industrie- und Handelskammer; die Sachkunde des derart Ausgewählten bezieht sich auf die von ihm zu klärende Sachfrage. Vor diesem Hintergrund erscheint die Lösung des französischen Rechts, für das die Substitutionsbefugnis des Vertreters nicht allein in der Privatautonomie 73 

P. Bydlinski, S. 277; OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378, 379. Siehe bereits Sintenis, Civilrecht II, S. 34 Fn. 61. 75  OLG Brandenburg v. 20.3.2008 – 5 U(Lw) 34/07 (juris), Rn. 37; OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378, 379; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 300; v. Thun und Hohenstein, S. 262 f.; Poulakos, S. 255; v. Blociszewski, S. 19; Crome, S. 41; Arens, S. 41 f. Für das Erbrecht Klunzinger, BB 1970, 1197, 1201; a.A. Frey, S. 124. 76  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 300; nach OLG Saarbrücken v. 21.9.1988 DB 1988, 2398 kann mangelnde Fachkunde sogar die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens berühren. 77  P. Bydlinski, S. 277. Ähnlich für die Parteileistungsbestimmung ders., S. 267 f., der deshalb die Zustimmung des Schuldners fordert, wenn der Gläubiger die einem Leistungsbestimmungsrecht unterworfene Forderung abtreten will. Gegen ihn Steinbeck, S. 100 f.: Der Schuldner könne sich generell nicht gegen eine Zession wehren und müsse deshalb auch die Leistungsbestimmung durch den Zessionar hinnehmen. Zudem hätte das Leistungsbestimmungsrecht ja von vornherein bereits einem Dritten zustehen können. 78  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. 74 

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

des Geschäftsherrn wurzelt, problematisch. Verkehrsschutzinteressen, die eine Wirksamkeit der Substitution im Außenverhältnis tragen könnten, haben in den hier interessierenden Fällen weniger Relevanz, da das Schiedsgutachten sich nur auf das Vertragsverhältnis der beiden Geschäftsherren auswirkt. Eine großzügigere Haltung gegenüber der Auftragsweitergabe könnte zwar erklärbar sein vor dem Hintergrund der drohenden Unwirksamkeit des Kaufvertrags, wenn der Schiedsgutachter seiner Aufgabe nicht nachkommen will (Art. 1592 Code civil). Wenn aber wie in § 319 Abs. 1 BGB das Gericht eine subsidiäre Bestimmungsbefugnis hat, die den Vertrag vor der Unwirksamkeit rettet, entfällt auch dieser Grund, eine Weitergabe gegen die Interessen des Geschäftsherrn zuzulassen. Dann erscheint es aber überzeugender, sich auf die auch dem französischen Recht zugrunde liegende Prämisse zu besinnen und die Befugnis zur Auftragsweitergabe auch mit Außenwirkung der Privatautonomie des Geschäftsherrn zu überlassen. Dem entspricht die Position des englischen Rechts. In einem noch heute maßgeblichen Fall aus dem Jahre 183779 hatten die Parteien vereinbart, dass ein J. Crook bestimmte Einrichtungsgegenstände schätzen sollte. Tatsächlich wurde die Schätzung von einem Mitarbeiter des Crook vorgenommen. Obwohl der Beklagte beobachtet hatte, dass nicht die vertraglich vereinbarte Person die Schätzung vorgenommen hat, sah das Gericht die Parteien nicht an die Schätzung gebunden. Da es sich um ein „employment of skill and discretion“ handele, hätte der Mitarbeiter seine Schätzung Crook vorlegen müssen, damit dieser sie überprüft und gutheißt. Die Parteien hätten den Mitarbeiter nicht zur Schätzung angewiesen und seien deshalb nicht an seine Entscheidung gebunden. Etwas anderes gilt deshalb, wenn die Parteien dem Dritten ausdrücklich vorgeschrieben haben, bestimmte Teile seines Gutachtens von einem anderen erstellen zu lassen.80 Bestätigt wird dieses Ergebnis außerdem von den Grundsätzen, wie sie zum Preisausschreiben nach § 661 BGB entwickelt wurden. Während der Auslobende die Entscheidung über die Vergabe des Preises einem anderen überlassen kann, ist ein vom ihm eingesetzter Preisrichter dazu nicht berechtigt.81 Ebenso ist es einem Auslobenden, der eine Verteilungsentscheidung nach § 660 BGB zu

79  Ess v. Truscott, (1837) 150 Eng. Rep. 806 = 2 M. & W. 385; siehe auch Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.16.6; Bridge, International Sale of Goods, Rn. 2.24: „Trust and reputation are important virtues in this area of practice. The effect of such a clause is that the task of inspection cannot be delegated.“ (bezogen auf Qualitätsarbitrage). Angesichts der Komplexität der Aufgabe hielt es der High Court in Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 66 für akzeptabel, dass ein mit der Bewertung von Gesellschaftsanteilen betrauter Sachverständiger, auch wenn er das Gutachten grundsätzlich persönlich erstellen müsse, den Rat anderer Sachverständiger eingeholt und sich diesen Rat zu eigen gemacht hatte. 80  Jones (M.) v. Jones (R.R.) [1971] 1 WLR 840. 81 Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 30.

B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters

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treffen hat, gestattet, die Entscheidung einem anderen zu übertragen.82 Was nun auf den ersten Blick wie ein Widerspruch zur Höchstpersönlichkeit bei § 317 BGB aussieht – denn bei § 660 BGB entspricht die Stellung des Auslobenden der eines Dritten i.S.d. § 317 BGB83 –, belegt in Wahrheit die Verwurzelung der Höchstpersönlichkeit in der Privatautonomie.84 Denn es ist der Auslobende, der kraft seiner Privatautonomie die Modalitäten seines Versprechens – einschließlich der Regeln über die Preisvergabe – bestimmt. Er kann bestimmen, wer die Belohnung oder den Preis zuteilen kann und auf welche Weise dies zu geschehen. Preisrichter hingegen entscheiden für einen anderen im Rahmen der Kompetenz, die ihnen übertragen wurde. Im Ergebnis ist es folglich die Privatautonomie der Parteien, die über die Höchstpersönlichkeit der Aufgabe des Schiedsgutachters bestimmt. Die Parteien können regeln, ob der Dritte seine Befugnis weitergeben darf, und sie können festlegen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen er bei seiner Tätigkeit Hilfe anderer Personen in Anspruch nehmen darf. Haben die Parteien – wie meist – keine ausdrückliche Regelung getroffen, ist von ihrem mutmaßlichen Willen auszugehen.

B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters Schon einleitend wurde bemerkt, dass es unterhalb der Schwelle einer vollständigen Übertragung der Befugnisse des Schiedsgutachters Möglichkeiten gibt, eine andere Person in die Gutachtenerstellung einzubeziehen. Auch in Frankreich gilt die bloße Einschaltung von Hilfspersonen (auxiliaires) nicht als Substitution. Die Hilfspersonen sind nur dem Auftragnehmer gegenüber verantwortlich; dieser bleibt seinerseits voll gegenüber dem Geschäftsherrn verantwortlich.85 Diese Hilfspersonen erscheinen letztlich als Werkzeuge des Auftragnehmers bei dessen Tätigkeit.86 Es ist demnach zu untersuchen, wo wie weit der (dispositive) höchstpersön­ liche Charakter der Schiedsgutachtenerstellung reicht. Hierzu kann sich nun  – anders als zur Begründung dieses Charakters – der Blick auf § 407a Abs. 2 ZPO 82 Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 9. Ob der Dritte zur Delegation seiner Entscheidungsmacht befugt ist, erörtert Bergmann nicht. Die Frage ist konsequenterweise zu verneinen. 83  Siehe oben § 5 Fn. 497. 84  Für Widerspruchsfreiheit auch Staudinger/Bergmann, § 660 Rn. 9, allerdings mit dem Argument, der Auslobende könne seine Aufgabe delegieren, weil er – anders als ein von ihm ermächtigter Dritter – zur Vornahme der Verteilung verpflichtet sei. Warum die Verpflichtung zur Vornahme der Verteilung eine Rolle spielen soll, ist nicht ersichtlich. Auch der Schiedsgutachter kann – aufgrund eines Schiedsgutachtervertrages – gegenüber den Parteien zur Erstellung des Gutachtens verpflichtet sein. 85  Pétel, Nr. 308; Mekki, JCl. Art. 1991 à 2002: fasc. 10, Nr. 48; Cozian, Nr. 68. 86  Pétel, Nr. 308.

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

als nützlich erweisen. Denn diese Norm enthält über das Postulat der Höchstpersönlichkeit hinaus Vorgaben, welche Verhaltensweisen einem Sachverständigen gestattet sind, ohne die persönliche Begutachtung in Frage zu stellen. Als Leitlinie zur Beantwortung dieser Frage hat sich im Rahmen des § 407a Abs. 2 ZPO das Kriterium der eigenverantwortlichen Gutachtenerstellung herausgebildet. Gestattet ist dem Sachverständigen alles, was nicht seine Eigenverantwortlichkeit bei der Erstellung des Gutachtens in Frage stellt.87 Er darf sich mithin von anderen zuarbeiten lassen,88 muss aber stets in der Lage bleiben, die Ausarbeitung des Gutachtens selbst vollständig zu übersehen.89 Verwehrt ist es ihm hingegen, das Gutachten gänzlich von einer anderen Person ausarbeiten zu lassen90 oder ein ersichtlich von einem anderen ausgearbeitetes Gutachten schlicht mitzuunterschreiben91. Zusätzlich verlangt § 407a Abs. 2 S. 2 ZPO, dass der Sachverständige, der im Rahmen des Zulässigen einen anderen einbezieht, diese Person in seinem Gutachten nennen muss. Diese Pflicht entfällt lediglich, wenn es sich um „Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung“ gehandelt hat.92 Die in § 407a ZPO statuierten Anforderungen lassen sich auf die Interessenlage bei Erstellung eines Schiedsgutachtens übertragen.93 Auch bei Schiedsgutachten kommt es entscheidend darauf an, ob der von den Parteien be87  BVerwG v. 9.3.1984 NJW 1984, 2645; KG v. 6.8.2004 DS 2005, 152, 153; Zöller/Greger, § 404 Rn. 1a, § 407a Rn. 2; Münch­Komm-­ZPO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5. 88  BSG v. 28.3.1984 NJW 1985, 1422; BVerwG v. 9.3.1984 NJW 1984, 2645; KG v. 6.8.2004 DS 2005, 152, 153 (ärztliche Voruntersuchungen); OLG Frankfurt v. 16.12.1992 VersR 1994, 610; Münch­Komm-­ZPO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5 (mit Hinweis auf § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG, der eigens die Ersatzfähigkeit von Aufwendungen für Hilfskräfte regelt); Zöller/Greger, § 404 Rn. 1a (ausschließlich „unterstützende Dienste“). 89  Münch ­Komm-­Z PO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5; Zöller/Greger, § 404 Rn. 1a (Hilfsdienste nur „nach Weisung und unter Aufsicht des Sachverständigen“); Musielak/M. Huber, § 407a Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, § 407a Rn. 4 (es darf sich nicht „um den Kern der Begutachtung“ handeln). Siehe auch zur parallelen Situation im Strafrecht BGH v. 25.5.2011 NStZ 2012, 103. 90  BGH v. 81.1985 NJW 1985, 1399, 1400; BayObLG v. 5.7.2002 NJW 2003, 216, 219; Stein/Jonas/Leipold, § 404 Rn. 10, § 407a Rn. 4. 91  BSG v. 28.3.1984 NJW 1985, 1422; BVerwG v. 9.3.1984 NJW 1984, 2645; Münch­Komm-­ ZPO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 5 m.w.N.; Stein/Jonas/Leipold, § 404 Rn. 10; Musielak/ M. Huber, § 407a Rn. 3. Urteile, die ein bloßes Zueigenmachen des Gutachtens durch den Sachverständigen ausreichen lassen (z.B. OLG Zweibrücken v. 22.6.1999 VersR 2000, 605), ohne dass der Grad von dessen Beteiligung erkennbar wird, sind durchaus problematisch. 92  Zur Abgrenzung Münch ­Komm-­Z PO/W. Zimmermann, § 407a Rn. 7, Musielak/ M. Huber, § 407a Rn. 3 (z.B. „Vorarbeiten bei Vermessungen und Grabungen, Sammlung von Material, Schreibarbeiten“); Stein/Jonas/Leipold, § 407a Rn. 4. 93  Warum die Grundsätze des § 407a Abs. 2 ZPO nicht auch für den Sachverständigen im Schiedsverfahren gelten sollen, wie vereinzelt behauptet wird (Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1049 Rn. 16; Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage v. 20.2.1967, in: Straatmann/Ulmer, Bd. I, sub B 3 Nr. 5), ist nicht ersichtlich. Der von Münch gegebene Hinweis darauf, dass mit dem Sachverständigen ein Werkvertrag geschlossen werde, sagt nichts darüber aus, auf welche Weise das geschuldete Werk zu erstellen ist.

B. Reichweite des höchstpersönlichen Charakters

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traute Schiedsgutachter für das Ergebnis die volle Verantwortung übernehmen kann.94 Weiter gehen jedoch vereinzelte Gerichtsentscheidungen, die es dem Schiedsgutachter erlauben wollen, für einzelne Fragen, in denen ihm die nötige Sachkunde fehlt, die Hilfe eines anderen Sachverständigen einzuholen und sich dessen Schlüsse ohne eigenverantwortliche Prüfung zu eigen zu machen. Als Beispiel sei hier eine – nur im Ergebnis, nicht in der Begründung überzeugende – neuere Entscheidung des OLG Köln95 herangezogen: Der zur Feststellung von Baumängeln eingesetzte Schiedsgutachter hatte mitgeteilt, für Heizungs‑ und Sanitärtechnik sei „die Hinzuziehung eines Sonderfachmanns“ erforderlich. Nachdem die eine Partei der Schiedsgutachtenvereinbarung jegliche Kooperation abgelehnt hatte, vereinbarte die andere Partei mit dem Schiedsgutachter, dass ein anderer, namentlich benannter Sachverständiger Mängel in diesem Bereich begutachten und sein Gutachten das Schiedsgutachten „ergänzen“ solle. Der Schiedsgutachter stellte die Kosten für den Sonderfachmann als Auslagen in Rechnung und legte dessen Beurteilung seinem Gutachten als Anlage bei. Das OLG Köln hielt dieses Vorgehen für zulässig. Zwar habe ein Schiedsgutachter grundsätzlich – ebenso wie ein gerichtlicher Sachverständiger oder ein Schiedsrichter – seine Aufgabe im Zweifel höchstpersönlich zu versehen. Doch könne er dort, wo ihm die erforderliche fachliche Qualifikation fehle, ebenso wie ein Schiedsrichter, andere Sachverständige hinzuziehen, solange er dies offenlege. Ob ein derartiges Vorgehen einem Schiedsrichter in dem vom OLG Köln offenbar angenommenen Umfang – unbesehene Übernahme der Einschätzung eines Sachverständigen – tatsächlich gestattet ist, erscheint schon zweifelhaft, bedarf hier aber keiner Vertiefung.96 Denn eine Parallele ist nicht in der Tätigkeit des Schiedsrichters, sondern im gerichtlich bestellten Sachverständigen zu suchen.97 Anders als ein Schiedsgutachter oder ein Sachverständiger wird der Schiedsrichter nicht notwendig aufgrund seiner Sachkunde in einem bestimmten Lebenssachverhalt ausgewählt. Wer hingegen den Rat eines Sachverständigen einholt, unterstellt damit, dass dieser die nötige Sachkunde mitbringt. Im Ergebnis dürfte die Entscheidung des OLG Köln dennoch zutreffend sein, da sich die Parteien mit der Beauftragung des Sonderfachmanns einverstanden erklärt haben.98 94  Etwas anders Schlosser, FS Horn, S. 1035: „Der Schiedsgutachter darf nur keine Formulierung wählen, in der er die volle Verantwortung für alles, was in seinem Gutachten steht, ablehnt.“ 95  OLG Köln v. 27.8.1999 OLGR 2000, 39. 96  Siehe zu diesem Komplex Musielak/Voit, § 1052 Rn. 2; Zöller/Geimer, § 1049 Rn. 3; Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 2; Schwab/G. Walter, Kap. 19 Rn. 3 f., 8; Lachmann, Rn. 4284 ff.; Schlosser, FS Horn, S. 1027 ff. 97  Zur freieren Stellung des Schiedsgutachters gegenüber dem Schiedsrichter Schlosser, FS Horn, S. 1035. 98  Die nicht kooperierende Partei muss die Absprache ihres Vertragspartners mit dem Schiedsgutachter gegen sich gelten lassen.

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

Auf den ersten Blick problematischer erscheint ein Urteil des BGH, in dem dieser pauschal ausführt: „Der Schiedsgutachter steht in verfahrensrechtlicher Hinsicht völlig frei … Um so weniger ist er gehindert, sich ebenso wie das ordentliche Gericht der Hilfe eines anderen Sachverständigen zu bedienen, wenn seine eigene Sachkunde zur Beurteilung von Einzelfragen nicht ausreicht.“99

Ein Sachverständiger in der Feuerversicherung hatte zur Bewertung verbrannter pharmazeutischer Rohprodukte die Erkenntnisse eines Diplomchemikers mitverwertet. Dieses Vorgehen hielt der BGH für unbedenklich, ohne jedoch die näheren Umstände dieser „Mitverwertung“ auszuführen. Der Hinweis auf den Sachverständigen im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht deutet aber darauf hin, dass nicht an eine informelle Übernahme fremder Erkenntnisse, sondern an eine regelförmige, transparente Einbeziehung von Expertenrat gedacht ist, wie sie auch nach § 407a Abs. 2 ZPO zulässig wäre.100 Dieses Urteil ist also durchaus mit der hier vertretenen Ansicht in Einklang zu bringen. Im Ergebnis steht also einem Schiedsgutachter im Regelfall keine Substitu­ tions­befugnis zu. Die Inanspruchnahme von Hilfe ist ihm hingegen gestattet; hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen dieser Hilfstätigkeiten erscheint eine Anlehnung an die Grundsätze zu § 407a Abs. 2 ZPO interessengerecht. Dieser Befund deckt sich zudem mit dem einleitend dargestellten § 15.2 DIS-SchGO und ermöglicht eine Begründung dieser Regel: Eine vollständige Weitergabe seiner Aufgabe ist dem Schiedsgutachter, so lässt sich dieser Regel im Umkehrschluss entnehmen, verwehrt. Die Unterstützung anderer Personen darf er aufgrund der Verwurzelung seiner Tätigkeit in der Privatautonomie der Parteien nur mit deren Willen in Anspruch nehmen.

C. Folgen einer nicht höchstpersönlichen Gutachtenerstellung Mit der Begründung, warum der Schiedsgutachter seine Aufgabe nicht einer anderen Person überlassen darf, ist noch keine Aussage darüber verbunden, welche Folgen eine unzulässige Übertragung hat. Im vorläufig bindenden Verfahren der DIS-SchGO können nur Fehler, die so schwer wiegen, dass in einem entsprechenden Schiedsverfahren der Schiedsspruch nach § 1059 Abs. 2

 99 

BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; zustimmend Sieveking, S. 107. Nichts anderes ergibt sich aus Kisch, Schiedsmann, S. 87, den der BGH zur Unterstützung seiner Ansicht anführt. Dort ist gerade von einer Beweisaufnahme durch Sachverständige die Rede. 100 

C. Folgen einer nicht höchstpersönlichen Gutachtenerstellung

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Nr. 2 ZPO101 aufzuheben wäre, zum Wegfall auch der vorläufigen Verbindlichkeit führen (§ 22.3 DIS-SchGO). Mag ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 15.2 DIS-SchGO auch einen Verfahrensfehler i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO darstellen, so erreicht er doch nicht die in Nr. 2 dieser Norm geforderte Schwelle der ordre public-Widrigkeit. Dass der Verfahrensfehler nach DIS-SchGO damit scheinbar sanktionslos bleibt, ist hinnehmbar, da dem Schiedsgutachten ohnehin keine Bindungswirkung gegenüber dem (Schieds‑) Gericht in einem eventuell nachfolgenden Verfahren zukommt.102 Wenn hingegen der Schiedsgutachter mit (im Rahmen des § 319 BGB) bindender Wirkung entscheiden soll, stellt sich die Frage nach der Verbindlichkeit eines von einer anderen Person erstellten Schiedsgutachtens. Ausgehend davon, dass die Entscheidungsbefugnis des Schiedsgutachters auf der Privatautonomie der Parteien beruht, lässt sich diese Frage im Sinne der Unverbindlichkeit beantworten: War der ursprünglich benannte Schiedsgutachter nicht zur Weitergabe des Auftrags befugt, so hat die von ihm eingeschaltete Person keine Rechtsmacht, die Parteien des Schiedsgutachtenvertrages zu binden.103 Da diese Rechtsfolge im Einzelfall harsch erscheinen und dem Interesse der Parteien an einer endgültigen, möglichst außergerichtlichen Bereinigung ihres Streits zuwiderlaufen kann, schlägt Schlosser – unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Schiedsgutachtenvereinbarung als prozessual oder materiell-rechtlich – eine entsprechende Anwendung der Präklusionsvorschrift des § 1027 ZPO vor.104 Danach kann eine Partei im Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr geltend machen, dass einem dispositiven gesetzlichen oder vereinbarten Erfordernis des schiedsrichterlichen Verfahrens nicht entsprochen worden sei, wenn sie den Mangel nicht unverzüglich oder innerhalb einer dafür vorgesehenen Frist gerügt hat.105 Entsprechend könne sich eine Partei nicht nach Ab101 Unklar Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, 134 (auch „grob fehlerhafte Entscheidungen“ nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). 102  Siehe oben § 7 Fn. 311. 103  Im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg v. 20.3.2008 – 5 U(Lw) 34/07 (juris), Rn. 37 (teilweise Weitergabe des Auftrags und ungeprüfte Übernahme der Ergebnisse des anderen Gutachters stellt einen „gravierenden Verfahrensmangel“ dar, der zur Unverwertbarkeit zumindest des von dem anderen Gutachter erstellten Teils führt); OLG Hamburg v. 18.3.1908 OLGE 17, 378, 379. Die Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung als noch weitergehende Folge diskutiert Schlosser, FS Horn, S. 1033, in Fällen, in denen eine Substitution, wie etwa bei der Bestellung einer juristischen Person, zwingend erforderlich scheint. Die Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung beruht aber, wenn die Vereinbarung nicht ohnehin im Wege der Auslegung als Ermächtigung zur Auswahl des Schiedsgutachters gerettet werden kann (siehe oben in Fn. 24), nicht auf einer Pflicht zur Höchstpersönlichkeit, sondern auf der fehlenden Bestimmtheit der Person des Schiedsgutachters und damit der Schiedsgutachtenvereinbarung insgesamt. Die Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung ist die adäquate Konsequenz ihrer unzureichenden Bestimmtheit. 104  Schlosser, FS Horn, S. 1034 f.; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 13. 105  Die Präklusion reicht auch in das Aufhebungsverfahren hinein, OLG Stuttgart v. 16.7.2002 NJW‑RR 2003, 495; Zöller/Geimer, § 1027 Rn. 3.

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§ 10 Höchstpersönlichkeit der Entscheidung

schluss des Schiedsgutachtenverfahrens darauf berufen, wenn sie nichts gegen die Erstellung des Schiedsgutachtens durch wechselnde Personen unternommen habe.106 Diese Ansicht spricht ein nachvollziehbares Anliegen an: Sollte ein im Übrigen nicht zu beanstandendes Schiedsgutachten tatsächlich allein deshalb unverbindlich sein, weil es nicht oder nicht ausschließlich von der Person erstellt wurde, die die Parteien oder ein von ihnen mit der Auswahl betrauter Dritter ursprünglich dafür ausersehen hatten? Aus der Perspektive der Privatautonomie ist diese Frage nach dem zuvor Entwickelten – zumindest im Ausgangspunkt – zu bejahen. Allerdings hindert nichts die Parteien daran, ein unverbindliches Schiedsgutachten zu bestätigen, indem sie den Inhalt der Regelung, die zwischen ihnen keine Verbindlichkeit erlangt hat, einer vertraglichen Vereinbarung zugrunde legen. Diese Vereinbarung kann auch konkludent geschlossen werden. Sie kann insbesondere dem Verhalten der Parteien, die sich bei der Durchführung des Vertrages, für den das Schiedsgutachten eingeholt werden sollte, nach dem Inhalt des unverbindlichen Schiedsgutachtens richten, zu entnehmen sein. Auch wird sich in vielen Fällen, in denen die Parteien im Laufe der Erstellung des Schiedsgutachtens von der Weitergabe der Aufgabe Kenntnis erlangen, ein (konkludentes) Einverständnis – mithin ein erneuter Akt der Delegation – finden lassen.107 Die betroffenen Parteien verzichten nicht etwa darauf, die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens wegen „Unzuständigkeit“ des Schiedsgutachters geltend machen zu können.108 Sie schließen vielmehr eine ergänzende Schiedsgutachtenvereinbarung, in der sie der bislang unzuständigen Person Bestimmungsbefugnisse einräumen. Für Präklusionsvorschriften besteht in all diesen Fällen des rechtsgeschäftlichen Einverständnisses kein Bedarf. Es bleibt ein – vermutlich schmaler – Bereich, in dem die Parteien von der Weitergabe erfahren, aber nichts unternehmen. Hier ein vom Parteiwillen getragenes Einverständnis anzunehmen, verbietet sich indes.109 Die bloße Passivität bringt keinen eindeutigen Willen zum Ausdruck; sie kann auch davon motiviert sein, zunächst das Ergebnis des 106  Schlosser, FS Horn, S. 1034; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 13. Die Ausführungen Schlossers beziehen sich auf die Schiedsgutachtenerstellung von wechselnden natürlichen Personen innerhalb einer juristischen Person, die es versäumt hat, eine bestimmte Person als Schiedsgutachter zu designieren. Der Gedanke lässt sich jedoch auf andere Konstellationen übertragen. 107  Siehe zum Beispiel den Fall OLG Köln v. 27.8.1999 OLGR 2000, 39, wo die Einschaltung eines Sonderfachmanns für einen Teilkomplex abgesprochen war. 108  Es stellt sich also auch nicht die Frage, ob Adressat eines derartigen Verzichts die Gegenpartei oder – in Anlehnung an §§ 295, 1027 ZPO – der Schiedsgutachter sein müsste. 109  Zum Unterschied siehe etwa Münch­ Komm-­Z PO/Münch, § 1027 Rn. 1, 16 in Auseinandersetzung mit Art. 4 des UNCITRAL-Modellgesetzes, das – anders als die deutsche ZPO – von einem fiktiven Verzicht ausgeht; ferner Stein/Jonas/Schlosser, § 1027 Rn. 1. – Siehe zur Parallelproblematik der Abgrenzung zwischen Verzicht und Verwirkung Kleinschmidt, Verzicht, S. 46 ff. m.w.N.

D. Ergebnis

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Schiedsgutachtens abwarten und dann das weitere Vorgehen überlegen zu wollen. Eine Präklusion nach dem Vorbild des § 1027 ZPO wegen Unterlassens einer unverzüglichen Rüge würde jedoch der Bedeutung und Tragweite des Substitionsverbots nicht gerecht. Dies Verbot berührt den Kern der Drittbestimmungsbefugnis. Eine Partei muss sich die Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse durch einen Dritten nur gefallen lassen, wenn sie diesem Dritten die entsprechende Rechtsmacht eingeräumt hat. Im Einzelfall kommt freilich nach materiell-rechtlichen Grundsätzen eine Verwirkung des Rechts, sich auf die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens zu berufen, in Betracht, wenn die eine Partei bei ihrem Vertragspartner den Eindruck erweckt hat, sie werde die unzulässige Substitution nicht beanstanden.

D. Ergebnis Auf der Ebene des Verfahrens erfährt die Frage nach der Höchstpersönlichkeit eine Antwort, die nur auf den ersten Blick von der auf der Ebene der Zulässigkeit gegebenen Antwort abweicht. Der Schiedsgutachter kann seine Entscheidungsbefugnis grundsätzlich nicht an eine andere Person delegieren, es sei denn, die Substitution ist ihm in dem Akt der Delegation gestattet worden. Insofern lässt sich seine Aufgabe als höchstpersönlich bezeichnen. Darin liegt jedoch kein Widerspruch zu der zuvor grundsätzlich bejahten Zulässigkeit einer Delegation. Denn der Schiedsgutachter übt nicht seine eigene Privatautonomie aus; er trifft eine Entscheidung für die Parteien, von denen er sein Bestimmungsrecht ableitet. Deshalb kann seine Befugnis auch nur so weit reichen, wie sie ihm eingeräumt wurde. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Parteien nicht mit einer Weitergabe des Auftrags einverstanden sind, da sie in die Sachkunde des Dritten, der ihre eigene fehlende Sachkunde wettmachen soll, besonderes Vertrauen setzen. Unbedenklich – und bei komplexen Sachverhalten bisweilen erforderlich – erscheint lediglich die Inanspruchnahme von Hilfe, die die Eigenverantwortlichkeit des Schiedsgutachters für sein Schiedsgutachten nicht in Frage stellt. Verstößt der Schiedsgutachter gegen das Substitutionsverbot, kann die Entscheidung der von ihm eingeschalteten Person keine Bindungswirkung entfalten. Jedoch steht es den Parteien frei, diese Entscheidung mittels eines neuen Vertragsschlusses zu akzeptieren.

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§ 11 Form der Entscheidung Die ständige Rechtsprechung unterwirft die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts keiner Form, und zwar selbst dann nicht, wenn das Geschäft, auf das sich die Bestimmungserklärung bezieht, formbedürftig ist. Diese Rechtsprechung wurde teils zu § 315 BGB, teils zu § 317 BGB entwickelt; eine inhaltliche Unterscheidung zwischen Parteileistungsbestimmung und Drittleistungsbestimmung trifft die Rechtsprechung in diesem Punkt nicht.1 Ein typisches Beispiel dafür ist der Fall, dass die Festlegung der Grenzen eines zu übertragenden Grundstücks dem Bauträger2 oder einem Dritten3 überlassen wird. In diesem Fall ist nur der Vertrag, in dem diese Übertragung des Bestimmungsrechts vereinbart wird, der Form unterworfen. Die Festlegung selbst kann formlos geschehen.4 Die Begründung für diese Ansicht, sofern überhaupt noch eine Begründung für nötig gehalten wird, erweckt einen eher formalen Eindruck, indem sie auf die Reichweite der für das Grundgeschäft geltenden Formvorschrift abhebt: „Die Formvorschrift des § 313 BGB. bezieht sich nur auf die Verpflichtung zur Übertragung von Grund und Boden, aber nicht auf die nähere Bezeichnung des zu übertragenden Grundstücks. Ist diese Verpflichtung in der vorgeschriebenen Form beurkundet, so ist dem Gesetz genüge getan; die in dem Vertrage vorgesehene Bestimmung des zu übertragenden Grundstücks kann dann durch den einen Vertragschließenden oder den oder die Dritten nach § 315 Abs. 2, § 318 Abs. 1 BGB. formlos geschehen.“5

1  Meist wird in den Entscheidungen zu § 315 BGB obiter ein entsprechendes Ergebnis für § 317 BGB postuliert: BGH v. 12.3.2008 NJW 2008, 1661, 1662; BGH v. 7.2.1986 BGHZ 97, 147, 154; BGH v. 8.11.1985 NJW 1986, 845; BGH v. 27.4.1979 WM 1979, 861, 862; BGH v. 7.4.1978 BGHZ 71, 276, 280; BGH v. 20.12.1974 BGHZ 63, 359, 364; BGH v. 22.6.1973 WM 1973, 999, 1000; BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394; OGH v. 23.11.1949 NJW 1950, 463; RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948 (Nr. 60). Speziell zu § 317 BGB: BGH v. 8.11.1968 NJW 1969, 131, 132; RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f. 2  BGH v. 30.6.1967 BB 1967, 1394 (Auswahl des zu übereignenden Grundstücks durch den Bauträger); BGH v. 22.6.1973 WM 1973, 999 (für Bestimmung des mit einem Erbbaurecht zu belastenden Grundstücks durch den Eigentümer); RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948 (Nr. 60) (notarieller Verkauf eines „bis zu 3000 qm“ großen Grundstücksteils). 3  RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f. 4  Siehe die Nachweise oben in den Fn. 2 f. 5  RG v. 8.11.1940 RGZ 165, 161, 163 f.

§ 11 Form der Entscheidung

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Dahinter steht die Vorstellung, dass mit dem Abschluss eines Vertrages mit jedenfalls bestimmbarem Inhalt das Formgebot erfüllt wurde und die spätere Erklärung, die aus dem bestimmbaren einen bestimmten Inhalt werden lässt, keine formbedürftige Änderung des Vertrages darstellt, da ihre Abgabe ja bereits in dem wirksam geschlossenen Vertrag angelegt ist.6 Auffällig ist, dass die geschilderten Urteile ausnahmslos gestaltende Schiedsgutachten zum Gegenstand hatten. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, weshalb die Rechtsprechung ihre Argumentation nicht auch auf feststellende Schiedsgutachten anwenden sollte. Im Schrifttum finden sich zahlreiche Äußerungen, die ebenfalls das Schiedsgutachten im Schuldrecht keiner Form unterwerfen wollen,7 und darüber hinaus andere, die auch im Erbrecht zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangen und die Bestimmungserklärung im Rahmen eines formgültig ausgesetzten Vermächtnisses nach § 2151 BGB8 oder § 2153 BGB9 wie auch die Errichtung eines Auseinandersetzungsplans durch einen Dritten10 keiner Form unterwerfen. Gleichwohl lassen sich aus zwei Richtungen Einwände gegen diese Ansicht geltend machen: Zum einen kommt in Betracht, Formanforderungen, die für den Schiedsgutachtenvertrag bestehen,11 auf das Schiedsgutachten zu erstrecken. Zum anderen ist jedenfalls in Bezug auf feststellende Schiedsgutachten zu erwägen, diese der für Schiedssprüche geltenden Form zu unterwerfen. Bevor diese Einwände, die im Ergebnis beide nicht durchgreifen, thematisiert werden, ist darauf hinzuweisen, dass es den Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung unbenommen ist, ein gewillkürtes Formerfordernis aufzustellen.12 Da sie es  6  RG v. 3.5.1913 Gruchot 57 (1913), 948 (Nr. 60); ähnlich BGH v. 7.4.1978 BGHZ 71, 276, 280: Sei der Kaufpreis für ein Grundstück einer späteren Bestimmung vorbehalten, so existiere noch keine „unmittelbare, vertragliche Vereinbarung über die Höhe des Kaufpreises, die dem Beurkundungsgebot“ des § 311b Abs. 1 BGB unterläge.  7  Bezogen auf gestaltende Schiedsgutachten: Greger/Stubbe, Rn. 91; Reinelt, NJW 1986, 826, 827; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 287 (freilich mit fehlgehendem Hinweis auf §§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB, die allenfalls der Einräumung, nicht der Ausübung des Bestimmungsrechts vergleichbar sind); bezogen auf feststellende Schiedsgutachten: Kisch, Schiedsmann, S. 94; Laule, DB 1966, 769, 770. Insbesondere bezogen auf § 311b BGB: Staudinger/ Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 169; Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 51; Bamberger/ Roth/Gehrlein, § 311b Rn. 23; Palandt/Grüneberg, § 311b Rn. 17; v. Campe, DNotZ 2000, 109, 118 (der für das Grundbuchverfahren allerdings auf das Formerfordernis in § 29 GBO aufmerksam macht).  8 Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 4; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 7; Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4; Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 2; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 47.  9 Soergel/M. Wolf, § 2153 Rn. 3; Reymann, in: jurisPK-BGB, § 2153 Rn. 9. 10 NK-BGB/Eberl-Borges, § 2048 Rn. 16; dies., S. 116. Speziell zum Auseinandersetzungsplan des Testamentsvollstreckers Muscheler, AcP 195 (1995), 35, 68. 11  Dazu oben § 3 C.I. (S. 140 ff.). 12  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 316. Dies geschieht etwa im Versicherungsrecht, siehe Volze, VersR 1996, 1337, 1339.

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§ 11 Form der Entscheidung

sind, die die Reichweite der Bestimmungsmacht des Dritten festlegen, können sie auch erhöhte Anforderungen an die Ausübung seiner Befugnis vereinbaren.13 Freilich ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob die Nichteinhaltung der gewillkürten Form tatsächlich zur Unverbindlichkeit führen sollte.14

A. Keine Erstreckung von Formanforderungen für die Schiedsgutachtenklausel auf das Schiedsgutachten I. Im Schuldrecht Vereinzelt wird im Schrifttum vorgeschlagen, die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts oder die Erstellung eines feststellenden Schiedsgutachtens der für das Grundgeschäft zu beachtenden Form zu unterstellen.15 Die im Schiedsgutachten getroffene Regelung sei Teil des Verhältnisses, für das es eingeholt worden sei, und müsse deshalb derselben Form genügen.16 Andernfalls könnten die von dem in Rede stehenden Formgebot verfolgten Zwecke nicht erfüllt werden.17 So stehe beispielsweise bei § 550 BGB, der auf länger als ein Jahr befristete Wohnraummietverträge der Schriftform unterwirft, die Klarstellung des Vertragsinhalts auch gegenüber Dritten im Mittelpunkt, die deshalb auch vom Inhalt der Leistungsbestimmung schriftlich erfahren müssten.18 Ebenso könnte es passieren, dass der Warnzweck einer Formvorschrift leerlaufe, wenn 13  Ob der Erblasser für die Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten (§ 2198 Abs. 1 S. 2 BGB) eine strengere Form als die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Beglaubigung vorsehen kann, ist umstritten, dafür RG v. 12.3.1936 JW 1936, 2462, 2463; Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 13; RGRK/Kregel, § 2199 Rn. 5; zweifelnd Höver, DFG 1939, 25, 26; dagegen die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum mit der Begründung, mit der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form sei der Schutzzweck des Gesetzes erreicht: Soergel/Damrau § 2198 Rn. 4; Erman/M. Schmidt, § 2198 Rn. 3; Palandt/Weidlich, § 2198 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 7; W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 63; Greiser, DFG 1939, 216, 217. Diese Ansicht vermischt gesetzliche Form und gewillkürte Form. Auch im Schuldrecht käme niemand auf die Idee, den Parteien eine Verschärfung der Formvorschriften mit dem Argument zu versagen, die Einhaltung der gesetzlichen Form wahre die vom Gesetzgeber vorgesehen Formzwecke. Für die Möglichkeit des Erblassers, im Rahmen der zulässigen Bezeichnung des Erben durch einen Dritten die Wahrung einer Form vorzugeben, Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 9; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 34. 14  So zu Recht in Bezug auf § 2198 Soergel/Damrau, § 2198 Rn. 4. 15  Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 34 (für gestaltende Schiedsgutachten); Weismann, AcP 72 (1888), 269, 316 f.; gegen eine derartige Erstreckung Greger/Stubbe, Rn. 91. 16  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 316 f. 17  Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 34. 18  Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 34 mit dem weiteren Beispiel des 1998 außer Kraft getretenen § 34 GWB a.F., der für bestimmte Vereinbarungen die Schriftform verlangte, um eine Überprüfung durch Kartellbehörden und Gerichte zu ermöglichen.

A. Keine Erstreckung von Formanforderungen

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die Konkretisierung des Leistungsgegenstandes in eine formfreie Leistungsbestimmung verlagert werde.19 Dieser Punkt trifft die Ansicht, dass ein Schiedsgutachten keiner Form unterstellt sein sollte, scheinbar ins Mark. In den oben als Beispiel genannten Urteilen wurde in der Tat der Gegenstand des Grundstückskaufvertrages erst durch die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts endgültig festgelegt. Gleichwohl vermag der Einwand nicht zu überzeugen, wie sich an der Warnfunktion des § 311b Abs. 1 BGB verdeutlichen lässt: Diese Norm bezweckt den Schutz von Veräußerer und Erwerber bei Eingehung oder Abänderung einer davon erfassten Verpflichtung. 20 Es lässt sich nun erstens (und eher formal) sagen, dass mit der Konkretisierung des Vertragsinhalts weder eine neue Verpflichtung geschaffen noch eine bestehende Verpflichtung geändert wird. 21 Vor allem aber wäre zweitens im Hinblick auf diese Schutzrichtung eine Warnung des bestimmungsberechtigten Dritten bei Ausübung seines Bestimmungsrechts von vornherein nutzlos. Der Dritte kann nicht Adressat der Warnfunktion sein. Ihn trifft keine Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb; vor den Folgen seiner Bestimmungserklärung muss er nicht geschützt werden. 22 Hielte man dagegen eine Warnung der Parteien auch im Zusammenhang mit der Konkretisierung der in dem Vertrag enthaltenen Bedingungen für erforderlich, würde eine notarielle Beurkundung der Bestimmungserklärung des Dritten nichts bringen. Vielmehr müssten Vereinbarungen im Anwendungsbereich des § 311b Abs. 1 BGB einem strengeren Bestimmtheitsgrundsatz als andere schuldrechtliche Verträge unterstellt und die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts von vornherein für unzulässig erklärt werden. Diese Wirkungsweise des § 311b Abs. 1 BGB wurde bereits oben abgelehnt:23 Das darin statuierte Formgebot zwingt die Parteien nicht dazu, bereits bei Vertragsschluss einen in jedem Punkt bestimmten Vertragsinhalt festzulegen. Soweit eine Formvorschrift wie etwa § 550 BGB die Klarstellung des Vertragsinhalts nach außen, nämlich zugunsten des Erwerbers eines vermieteten Grundstücks, bezweckt, 24 gilt nichts anderes: Das Gesetz verlangt nicht, dass 19 

Münch­Komm-­BGB/Einsele, § 125 Rn. 34. Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 2; Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 3. Zur Funktion von § 311b Abs. 1 BGB siehe bereits oben § 4 C.III. (S. 221 ff.). 21 Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 169; PWW/Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 6. 22  Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 30 zur Anwendbarkeit des § 311b Abs. 1 BGB ausschließlich auf eigene Verpflichtungen. Die Besinnung auf diese Schutzrichtung löst auch den scheinbaren Widerspruch, dass die Benennung der Person des zunächst noch offengelassenen Empfängers eines notariell beurkundeten Angebots im Bereich des § 311b Abs. 1 BGB durch einen Dritten keiner Beurkundung bedarf, die Benennung durch den Anbietenden selbst hingegen schon, dazu Münch­Komm-­BGB/Kanzleiter, § 311b Rn. 52; anders Staudinger/Schumacher, § 311b Abs 1 Rn. 61. 23  Siehe oben § 4 C.III. (S. 221 ff.). 24  Siehe zu den Formzwecken des § 550 BGB: BGH v. 7.5.2008 BGHZ 176, 301, 305 f. m.w.N.; BGH v. 24.9.1997 BGHZ 136, 357, 370. 20 

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§ 11 Form der Entscheidung

ein Vertrag in jeder Hinsicht vollkommen bestimmt ist. Dann muss sich auch der Rechtsverkehr damit begnügen, dass Teile eines Vertrages, die ihm vorgelegt werden, nur bestimmbar, nicht aber bestimmt sind. Zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB reicht es aus, wenn der Inhalt des Mietvertrages mit Hilfe von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen bestimmt werden kann. 25 So lässt es die neuere Rechtsprechung genügen, wenn der Mietbeginn nicht kalendermäßig bestimmt, sondern an eine noch zu erfolgende Übergabe nach Fertigstellung des Mietobjekts geknüpft wird. 26 Ebenso kann ein Optionsrecht des Mieters zur Verlängerung des Mietvertrages vereinbart werden, ohne dass die Ausübung der Option Teil der Mietvertragsurkunde werden müsste.27 Gleiches muss für den vergleichbaren Fall der Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gelten.28 Praktische Probleme ergeben sich daraus nicht: Denn wenn sich etwa der Erwerber eines vermieteten Grundstücks, dessen Schutz der von der Gegenansicht als Beispiel angeführte § 550 BGB verfolgt, dafür interessiert, ob und wie eine Vertragsbestimmung konkretisiert wurde, so wird er nachfragen und sich gegebenenfalls den Inhalt der Bestimmung bestätigen und zusichern lassen. 29 Einen Schutz vor unvollständigen Angaben durch den Vermieter kann § 550 BGB ohnehin nicht gewährleisten.30

II. Im Erbrecht Selbst im Erbrecht muss die Entscheidung des Dritten grundsätzlich keiner Form genügen.31 Es kommt insbesondere nicht in Betracht, die Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen auf die Erklärung des Dritten zu erstrecken.32 Der hauptsächliche Zweck dieser Vorschriften, die Beweisbarkeit des Erblasserwillens für die Zeit nach dessen Tod sicherzustellen,33 trifft für eine Bestimmungserklärung, die eine lebende Person nach dem Tod des für Nach25  BGH v. 7.5.2008 BGHZ 176, 301, 306 f.; BGH v. 2.5.2007 NJW 2007, 3273, 3275; BGH v. 30.6.1999 BGHZ 142, 158, 164; Palandt/Weidenkaff, § 550 Rn. 10; kritisch Staudinger/Emmerich, § 550 Rn. 24 ff. 26  BGH v. 2.5.2007 NJW 2007, 3273, 3275; BGH v. 2.11.2005 NJW 2006, 139, 140 („Ein Sachverhalt, an den die Vertragsparteien den Vertragsbeginn knüpfen, muss so genau bestimmt werden, dass bei seiner Verwirklichung kein Zweifel am Vertragsbeginn verbleibt.“). 27  BGH v. 7.5.2008 BGHZ 176, 301, 304 f.; BGH v. 2.5.2007 NJW 2007, 3273, 3275. 28  BGH v. 12.3.2008 NJW 2008, 1661, 1662 (zum Bestimmungsrecht des Vermieters nach § 315 BGB, welcher von mehreren Kellerräumen Gegenstand des Mietverhältnisses ist). 29  Siehe BGH v. 7.5.2008 BGHZ 176, 301, 304 f.; BGH v. 2.5.2007 NJW 2007, 3273, 3275; BGH v. 12.3.2003 BGHZ 154, 171, 179 (konkludente Zustimmung des Mieters zu einem Vermieterwechsel). 30  BGH v. 24.9.1997 BGHZ 136, 357, 370 BGH v. 19.3.1969 BGHZ 52, 25, 28 f. 31  Siehe bereits die Nachweise oben Fn. 8 ff. und 13. 32  So aber Großfeld, JZ 1968, 113, 115. 33 Dazu Muscheler, Erbrecht, Rn. 1725; R. Frank/Helms, § 5 Rn. 2; Medicus, AT, Rn. 610.

A. Keine Erstreckung von Formanforderungen

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forschungen nicht mehr zur Verfügung stehenden Erblassers abgibt, nicht zu. Nicht anders als im Bereich des Schuldrechts erfasst der Formzweck nur die Erklärung des hinreichend bestimmten oder bestimmbaren Willens des Delegierenden. Allerdings ordnet das Gesetz selbst in § 2198 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB an, dass die Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten in öffentlich beglaubigter Form abzugeben ist. Mit diesem Formgebot entschied sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine mündliche oder privatschriftliche Erklärung der Bestimmung. Das Gebot sollte es nach der Intention der Ersten Kommission angesichts der Bedeutung des Amtes des Testamentsvollstreckers ermöglichen, „festzustellen, wann das Bezeichnungsrecht des Dritten ausgeübt und damit erschöpft sei“.34 Heute wird der Zweck der Formvorschrift, sofern er überhaupt diskutiert wird, darin gesehen, die Urheberschaft des Bestimmungsberechtigten nachzuweisen.35 Es ließe sich nun erwägen, diese Formvorschrift auf andere erbrechtliche Bestimmungserklärungen, etwa im Rahmen der §§ 2151 ff. BGB,36 analog anzuwenden. Bejaht wird eine derartige Analogie insbesondere bezogen auf die gesetzlich nicht geregelte Bezeichnung des Erben durch einen Dritten, in der viele Autoren eine dem § 2198 BGB vergleichbare Situation erkennen.37 Eine derartige Analogie ist indes abzulehnen. Während die Bestimmungserklärung nach § 2198 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben ist und die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses auslösen kann, bleiben Drittbestimmungen in den anderen Fällen im privaten Bereich.38 Es besteht kein Anlass, diese Bestimmungen strengeren Anforderungen zu unterwerfen 34 

Jakobs/Schubert, Bd. V/2, S. 1388. § 2198 Rn. 17; W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 64. 36  In § 2151 Abs. 2 BGB ist eine formlose Erklärung vorgesehen. Für eine Analogie zu dieser Vorschrift Sens, S. 115. 37  OLG Celle v. 19.9.2001 OLGR 2002, 314 (allerdings kann von der Form abgesehen werden, wenn aus dem Kreis potentieller Nacherben nur noch eine Person übrig ist); Soergel/ Loritz, § 2065 Rn. 34; Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; Erman/M. Schmidt, § 2065 Rn. 9; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 18; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 9; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 12 (arg. Rechtssicherheit); K.W. Lange, Kap. 6 Rn. 21; Haegele, BWNotZ 1972, 74, 77; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1201 (wegen Änderung der Rechtszuständigkeit am Gesamtnachlass, für die auch z.B. § 1945 Abs. 1 S. 2 BGB ein Formgebot enthalte); Rötelmann, DNotZ 1958, 434, 435; für Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, aber ohne Eingehen auf die Form RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 16; a.A. OLG Celle 16.12.1957 NJW 1958, 953, 955 (allerdings insofern verfehlt, als nur Erklärung gegenüber den Übergangenen gefordert wird); Frey, S. 111 f. (§ 2231 BGB analog). – Bezogen auf feststellende Schiedsgutachten im Erbrecht sprechen sich für eine Analogie aus: KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182, 184 (diese Entscheidung wird auch – ungenau – von einigen der vorstehenden Autoren zum Beleg ihrer Ansicht zitiert); Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33; F. Wagner, ZEV 1998, 184, 185. 38  Dass eine „unmittelbare Vergleichbarkeit“ beider Situationen fehlt, räumt auch Zawar, DNotZ 1999, 685, 686 ein, der sich gleichwohl für eine Analogie ausspricht. Demgegenüber bejaht Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 34 ausdrücklich eine „Ähnlichkeit“. 35 Staudinger/Reimann,

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§ 11 Form der Entscheidung

als sonst im Rechtsverkehr üblich,39 zumal dies der allgemeinen Tendenz des Erbrechts, den Willen des Erblassers möglichst weitgehend umzusetzen (favor testamenti), zuwiderlaufen würde. Zudem existiert in § 2228 BGB ein besonderes Akteneinsichtsrecht, das in den anderen Fällen fehlt. Eine gewisse Parallele40 kann in § 29 Abs. 1 S. 1 GBO erblickt werden, der für Erklärungen, auf deren Grundlage das Grundbuchamt eine Eintragung vornehmen soll, einen Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde verlangt.

B. Keine Analogie zur Form des Schiedsspruches Wenig überraschend findet sich der Vorschlag, zumindest das feststellende Schiedsgutachten den für Schiedssprüche geltenden Formvorschriften zu unterwerfen und somit analog § 1054 Abs. 1 S. 1 ZPO eine schriftliche und vom Schiedsgutachter unterschriebene Entscheidung zu fordern.41 Das Hauptargument für diese Analogie ist aus anderen Sachfragen bereits geläufig: Wenn das Schiedsgutachten zumindest teilweise die Funktion eines Schiedsspruchs erfülle, müsse es denselben Formanforderungen unterworfen werden.42 Ein wirkliches Sachargument für die Schriftlichkeit des Schiedsgutachtens liefert eine ältere Entscheidung des OLG München. Darin hat das Gericht eine mündliche Erstattung des Gutachtens für unzureichend erachtet, obwohl das VVG und die darauf beruhenden Versicherungsbedingungen keine Form für das streitgegenständliche Gutachten des Sachverständigenausschusses forderten.43 Nur ein schriftliches Gutachten versetze Versicherer und Versicherungsnehmer in die Lage, das als solches erkennbare Gutachten gerichtlich kontrollieren zu lassen.44 Die Diskrepanz zwischen diesem Urteil und den eingangs angesprochenen BGH-Entscheidungen scheint durchaus erklärbar: Dem BGH ging es in seinen Entscheidungen weniger darum, die Mündlichkeit des Schiedsgutachtens zu betonen – in den zugrunde liegenden Sachverhalten dürfte die Bestimmung des Schiedsgutachters in der Regel schriftlich, aber eben nicht in notarieller Form ergangen sein. Über die mit einem mündlichen Gutachten einhergehenden Schwierigkeiten hat er sich vermutlich keine Gedanken gemacht. Die BGH-Entscheidungen sind deshalb vor allem als Beleg dafür heranzuziehen, dass das Schiedsgutachten nicht die Form des Ausgangsvertrages teilt. Die Sach39 

Haegele, Rpfleger 1965, 355, 358 (Bestimmung bei § 2151 BGB formlos). Ein Unterschied verbleibt insofern, als das Fehlen der in § 29 Abs. 1 S. 1 GBO vorgesehenen Form nicht zur materiellen Unwirksamkeit der Erklärung führt. 41 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; B. Rauscher, S. 265 ff.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97. 42  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97; wohl auch B. Rauscher, S. 265. 43  OLG München v. 15.11.1957 VersR 1959, 302. 44  OLG München v. 15.11.1957 VersR 1959, 302. 40 

C. Ergebnis

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frage, ob das Gutachten schriftlich zu erstatten und vom Schiedsgutachter zu unterschreiben ist, wird davon nicht eindeutig determiniert. Zu bejahen wäre diese Frage zwar nicht allein aufgrund einer Analogie zu § 1054 Abs. 1 S. 1 ZPO, wohl aber dann, wenn typischerweise ein entsprechender (mutmaßlicher) Parteiwille angenommen werden könnte. Ein mündliches Gutachten wäre dann wegen Abweichung von den Vorgaben der Parteien ohne weiteres unverbindlich.45 Tatsächlich wird verschiedentlich postuliert, dass eine schriftliche Erstellung des Gutachtens nützlich sei.46 Dies empfehle sich schon deshalb, damit das Schiedsgutachten in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren als Beweismittel eingesetzt werden könne.47 Ein mündliches Gutachten gebe nur Anlass zu neuem Streit und verfehle daher den mit dem Schiedsgutachtenverfahren verfolgten Zweck.48 Zudem dokumentiere die Unterschrift des Schiedsgutachters den Abschluss seiner Tätigkeit.49 Die schriftliche Erstattung sei deshalb in der Praxis der Regelfall.50 Dieser Einschätzung ist beizupflichten. Jedoch folgt daraus nicht, dass eine mündliche Erstattung des Schiedsgutachtens durchweg unzulässig sein muss. Vielmehr ist den Parteien die Wahl zu lassen, ob sie dem Schiedsgutachter Schriftlichkeit vorschreiben wollen.51 Ob ein entsprechender Parteiwille vorlag, ist dann im Einzelfall zu prüfen. Nicht anders entscheidet das französische Recht, wenn dort der Schiedsgutachter seine Entscheidung in jeglicher Form abgeben darf, da er gerade kein Schiedsrichter im prozessrechtlichen Sinne ist.52

C. Ergebnis Sofern dem Dritten nicht kraft Gesetzes (§ 2198 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB) oder als Vorgabe der Delegierenden die Einhaltung einer bestimmten Form vorgeschrieben ist, ist seine Entscheidung formfrei gültig. In der Praxis wird es sich jedoch empfehlen, das Gutachten schriftlich zu erstellen, um dessen Beweisbarkeit zu gewährleisten.

45 

So auch Kisch, Schiedsmann, S. 94. Kisch, Schiedsmann, S. 94; B. Rauscher, S. 265 f. 47  Kisch, Schiedsmann, S. 94; B. Rauscher, S. 265. 48  B. Rauscher, S. 265. 49  Kisch, Schiedsmann, S. 94; B. Rauscher, S. 266. 50  B. Rauscher, S. 266 f. mit Überblick über die in verschiedenen Branchen verwendeten Bedingungen; Kisch, Schiedsmann, S. 94. 51  So auch Kisch, Schiedsmann, S. 94; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 316. 52  Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I. 46 

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§ 12 Gremienentscheidungen Bislang war stets die Rede von einem Schiedsgutachter im Singular – mit dem Verständnis, dass damit auch ein Gremium von Schiedsgutachtern gemeint sein könne.1 Zugleich wurde damit unterstellt, dass sich alle Mitglieder des Gremiums bei ihrer Entscheidung einig sind. Diese Perspektive soll nun für die folgenden Überlegungen verlassen werden, wenn es darum geht zu untersuchen, wie trotz Uneinigkeit innerhalb eines Schiedsgutachtergremiums eine einheitliche Entscheidung getroffen werden kann. Denn auch wenn mehrere Personen mit der Entscheidung befasst sind, so kann diese nach der zutreffenden Vorstellung des Gesetzes doch nur einheitlich ergehen. 2 Zwei Lösungsansätze stehen sich gegenüber: Zum einen kommt in Betracht, Einstimmigkeit innerhalb des Gremiums zu verlangen. Dies ist der Ansatz der Zweifelsregel in § 317 Abs. 2 BGB. Zum anderen lässt sich an eine Mehrheitsentscheidung denken, wie dies § 1052 Abs. 1 ZPO bei Fehlen einer anderweitigen Parteivereinbarung für die Entscheidungsfindung in einem Schiedsrichterkollegium vorsieht. Beide möglichen Vorbilder, § 317 Abs. 2 BGB wie § 1052 Abs. 1 ZPO, unterstreichen zunächst, dass das Entscheidungsverfahren in einem Schiedsgutach­ tergremium vorrangig der Regelung durch die Parteien unterliegt.3 Die Parteien bestimmen in ihrer Schiedsgutachtenvereinbarung, wie das Schiedsgutachten zustande kommen soll. Die Parteien können den Abstimmungsmechanismus auch konkludent wählen. Ein Beispiel dafür ist die Zuerkennung eines Preises durch ein nach § 661 Abs. 2 BGB eingesetztes Preisrichterkollegium. Nach ganz überwiegender Ansicht ist dieses Gremium vom Auslobenden zur Entscheidung nach Stimmenmehrheit ermächtigt.4 Es gehört gerade zu den Merk1 

Siehe oben § 2 A.I. (S. 25). § 317 Rn. 66, 71; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 12; aus der Rechtsprechung RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190, 195; OLG Jena OLGE 22, 198. Vgl. auch C. Wagner, S. 83 zur Einheitlichkeit der Leistungsbestimmung im Rahmen von § 315 BGB. 3  Diesen Vorrang betonen auch, jeweils bezogen auf die von ihnen favorisierte Lösung, Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 19; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 12; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 66; B. Rauscher, S. 262; Kisch, Schiedsmann, S. 94. 4  v. Gierke, Privatrecht III, S. 324 Fn. 59 („Verkehrssitte“); Bamberger/Roth/Kot­zianMarggraf, § 661 Rn. 5; Soergel/v. Reden, § 661 Rn. 32. Teilweise wird das Mehrheitsprinzip bei § 661 BGB aber nur formal mit einer schiedsrichterähnlichen Stellung der Preisrichter und nicht mit dem Willen des Auslobenden begründet, siehe z.B. Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 2 Staudinger/­R ieble,

§ 12 Gremienentscheidungen

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malen der Delegation von Privatautonomie, dass die Delegierenden die Reichweite der übertragenen Entscheidungsbefugnis abstecken. Als Kehrseite davon ist es dem Schiedsgutachtergremium ohne Zustimmung der Parteien versagt, selbst abweichende Abstimmungsregeln vorzusehen, um Einigungsschwierigkeiten zu überwinden.5 Insbesondere dürfen die Mitglieder des Gremiums nicht eigenmächtig das Mehrheitsprinzip an die Stelle des § 317 Abs. 2 BGB setzen.6 Problematisch ist also allein, was gelten soll, wenn die Parteien nicht – auch nicht konkludent7 – einen Anhaltspunkt für ein von ihnen bevorzugtes Entscheidungsverfahren gegeben haben. Diese Frage ist vor allem von Bedeutung, wo das Gesetz keine ausdrückliche Regelung getroffen hat, wie dies etwa bei § 84 VVG, aber auch bei Schiedsgutachten im Erbrecht der Fall ist. Im Erbrecht soll, soweit überhaupt eine Auseinandersetzung mit der Frage stattfindet, § 317 Abs. 2 BGB zur Anwendung kommen,8 wenn nicht bei einem Gremium von Testamentsvollstreckern § 2224 Abs. 1 BGB und damit die Auflösung der Meinungsverschiedenheit durch das Nachlassgericht Vorrang hat.9 In zweiter Linie geben die folgenden Überlegungen aber auch Auskunft darüber, ob die Entscheidung des Gesetzgebers für das Einstimmigkeitsprinzip in § 317 Abs. 2 BGB sachgerecht war. Dem Gesetzgeber schien eine einstimmige Entscheidung am ehesten zu seiner Vorstellung von der „in die Seele der Kontrahenten“ abgegebenen Leistungsbestimmung zu passen.10 Im Bereich der feststellenden Schiedsgutachten soll jedoch § 1052 Abs. 1 ZPO einer Auffassung im Schrifttum zufolge das Einstimmigkeitsprinzip verdrängen.11 Dass sich alle Mitglieder des Schiedsgutachtergremiums einig sein müssten, sei „sachwidrig“.12 Das Mehrheitsprinzip hingegen stünde im Ein-

Rn. 13; Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 28. Zur Qualifikation des Preisrichters als Schiedsgutachter siehe HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 38 m.w.N.  5 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 67.  6  BGH v. 13.12.1956 BGHZ 22, 343, 346.  7  Die Einsetzung eines Gremiums mit ungerader Mitgliederzahl, die eine Mehrheitsentscheidung möglich macht, stellt für sich genommen keinen ausreichenden Anhaltspunkt für einen entsprechenden Parteiwillen dar, Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 66; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 12; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1928 (ungerade Zahl ergebe sich meist von selbst); wohl anders B. Rauscher, S. 263; RG v. 28.11.1935 JW 1936, 820.  8  Zu § 2151 BGB: RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 9; Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 3. Zu § 2156 BGB, der freilich ausdrücklich auf die §§ 315–319 BGB verweist: RGRK/Johannsen, § 2156 Rn. 5.  9 RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 9; Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4. 10  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. 11  Vertreten wird diese Auffassung vorwiegend, aber nicht ausschließlich von Anhängern der prozessualen Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens. Siehe Stein/Jonas/ Schlosser, vor § 1025 Rn. 34; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 13; B. Rauscher, S. 262 ff.; A. Bachmann, S. 95; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 320. Zum Versicherungsvertragsrecht OLG Kiel v. 17.2.1908 OLGE 16, 367. 12 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 34.

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§ 12 Gremienentscheidungen

klang mit den Regeln des allgemeinen Prozessrechts.13 Ebenso wird dieses Prinzip für das Versicherungsrecht postuliert.14 Der BGH hat demgegenüber in einem älteren Urteil für § 64 VVG a.F., den Vorgänger zu § 84 VVG, Einstimmigkeit verlangt, da Einstimmigkeit vor willkürlichen und sachfremden Ergebnissen bewahre.15 Auch im Übrigen hat das Reichsgericht schon früh eine Übertragung der schiedsgerichtlichen Regel abgelehnt.16 Das dafür vorgebrachte Argument, die Mitglieder des Gremiums stellten eine Einheit dar und könnten deshalb nur einstimmig entscheiden,17 verfängt indes nicht, da die Einheitlichkeit einer Entscheidung – wie schon § 317 Abs. 2 2. HS BGB und Regeln über Mehrheitsbeschlüsse in anderen Zusammenhängen belegen – auch auf anderem Wege hergestellt werden kann. Richtig an dem Argument ist aber, dass die konsensuale Ausübung den Grundfall eines einheitlich auszuübenden Rechts bilden dürfte und die Begründungslast bei denjenigen liegt, die sich für eine abweichende Lösung aussprechen. Insofern lässt sich den von Befürwortern des Mehrheitsprinzips ins Feld geführten verstreuten Verankerungen dieses Prinzips, etwa in § 1052 Abs. 1 ZPO, nicht zwingend dessen allgemeine Geltung entnehmen, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass im Gegenteil ein entsprechendes Regelungsbedürfnis gesehen wurde. Wiederholt ist versucht worden, die Sorge, ein Mitglied eines Schiedsgutachtergremiums könne befangen sein, mit der Wahl des passenden Abstimmungsmodus zu verknüpfen. Doch lässt sich diese Sorge in beide Richtungen argumentativ instrumentalisieren: Vom Einstimmigkeitserfordernis lässt sich ebenso sagen, dass es einen „sicheren Schutz gegen einen parteiischen Gutachter der Gegenpartei“ darstellt,18 wie vom Mehrheitsprinzip, bei dem die extreme Ansicht eines befangenen Gutachters überstimmt werden kann.19 In Wirklich13 

B. Rauscher, S. 262 mit Verweis auf § 196 GVG, auf den andere Verfahrensordnungen Bezug nehmen. 14 Prölss/Martin/Voit, § 84 Rn. 19; Sieg, VersR 1965, 629, 635 (mit Verweis auf das Schiedsverfahrensrecht). Siehe für einen Unfallversicherungsvertrag RG v. 12.1.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 849. 15  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. 16  RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190, 195; ebenfalls ausdrücklich gegen eine Analogie zum Abstimmungsmodus im Schiedsverfahrensrecht und für eine Anwendung des § 317 Abs. 2 BGB Kisch, Schiedsmann, S. 93 (der überdies und abweichend von § 317 Abs. 2 BGB Einstimmigkeit auch bei der Feststellung einer Geldsumme verlangt). Für Anwendung des § 317 Abs. 2 BGB ferner RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 22; Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 24 (allerdings sei das Einstimmigkeitserfordernis „wenig zweckmäßig“); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 19; Münch­ Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 59; Meckenstock, S. 18. Zum Teil ergibt sich die analoge Anwendung auch nur implizit aus der allgemeinen Äußerung, auf das feststellende Gutachten seien die §§ 317–319 BGB analog anzuwenden. 17  RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190, 195; so auch RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 22. 18  RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 208. In diese Richtung auch das zuvor zitierte Urteil BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365. 19 Vgl. B. Rauscher, S. 264.

§ 12 Gremienentscheidungen

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keit hat die Entscheidung für ein Abstimmungsverfahren nichts mit der Reaktion auf die Besorgnis der Befangenheit zu tun, der vielmehr direkt mit besonderen Regeln zu begegnen ist. Ausschlaggebend sollte vielmehr die folgende Überlegung sein: Selbstverständlich kann es vorkommen, dass alle Mitglieder eines Gremiums – wie insbesondere bei Bewertungsentscheidungen nicht unüblich – leicht voneinander abweichende Ansichten pflegen. 20 Kommt deswegen überhaupt kein Beschluss innerhalb des Gremiums zustande, ist die Schiedsgutachtenvereinbarung nach beiden Verfahrensarten gescheitert und das Gericht nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zur Ersatzbestimmung aufgerufen. 21 Nur für die Bestimmung einer Summe ließe sich mit einer § 317 Abs. 2 2. HS BGB entsprechenden Regelung helfen, die das arithmetische Mittel für maßgeblich erklärt. 22 Beide Verfahrensarten bauen mithin einen gewissen Einigungsdruck auf, der freilich im Fall des Einstimmigkeitsprinzips höher ist, da beim Mehrheitsprinzip nicht alle Mitglieder des Gremiums von einer Entscheidung überzeugt werden müssen. Wer also nach den Präferenzen der Parteien sucht, muss sich fragen, ob diese eher einen möglichst hohen Druck zum Konsens aufbauen wollen – mit entsprechend größerer Gefahr eines Fehlschlagens des Verfahrens, zumal schon jedes einzelne Mitglied des Gremiums durch einfaches Fernbleiben von der Abstimmung den Konsens verhindern kann 23. Oder liegt den Parteien mehr daran, eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu vermeiden, und sei es um den Preis einer nur von der Mehrheit mitgetragenen Entscheidung?24 Diese Frage lässt sich kaum allgemeingültig beantworten. Vor dem BGB in Kraft getretene Kodifikationen gelangen durchaus zu gegensätzlichen Bewertungen: Während § 1057 ABGB das Mehrheitsprinzip verankert – und zwar für die Kaufpreisbestimmung, bei der durchaus auch die Bildung einer Durchschnittssumme in Betracht käme –, hielt § 804 20 Siehe Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1928, allerdings wenig überzeugend, wenn er sich mit

diesem Hinweis gegen Mehrheitsentscheidungen ausspricht. 21  Siehe auch BGH v. 3.3.1982 NJW 1982, 1878, 1879; BGH v. 28.9.1964 WM 1964, 1208, 1209; BAG v. 29.1.1969 BB 1969, 579; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 70; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 10; RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 22; Laule, DB 1966, 769, 771 f.; siehe bereits oben § 4 D.I.1.e) (S. 231). – Sofern die Parteien privatautonom einen Ersatzmechanismus vereinbart haben, tritt dieser selbstverständlich an die Stelle der gerichtlichen Ersatzbestimmung. 22  Mühsam und den Parteien wenig geläufig (Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1928) dürfte hingegen eine analoge Anwendung des § 196 Abs. 2 GVG zur Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten bei Mehrheitsentscheidungen sein, dafür aber B. Rauscher, S. 262 f.; Laule, DB 1966, 769, 769 f. – Kritisch zur Sachgerechtigkeit der Bildung einer Durchschnittssumme Luther, FS Reimers, S. 196 f., der den Parteien dazu rät, § 317 Abs. 2 2. HS BGB zugunsten einer Mehrheitsentscheidung abzubedingen. 23  RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190, 195; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 69; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 39; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 292 (§ 12 III 2); anders die Regelung zum „truncated tribunal“ in § 1052 Abs. 2 ZPO. 24  So die Annahme von B. Rauscher, S. 263; OLG Dresden v. 21.5.1909 SeuffA 65 (1910), 7 (Nr. 4); OLG Kiel v. 17.2.1908 OLGE 16, 367, 367 f.

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§ 12 Gremienentscheidungen

S. 2 sächs. BGB Einstimmigkeit für erforderlich; nur für die Bestimmung einer Summe ist nach § 805 sächs. BGB der Durchschnittswert maßgebend. Wie das sächsische BGB entschieden auch die Entwürfe des 19. Jahrhunderts. 25 Dass offenbar die Mehrzahl von Verfahrensordnungen für Schiedsgutachten das Mehrheitsprinzip bevorzugt 26 und auch § 17.3 DIS-SchGO mangels anderweitiger Parteivereinbarung dieses Prinzip vorsieht, stellt allenfalls ein Indiz dar, dessen Überzeugungskraft in anderen Sachverhalten erst noch zu belegen wäre. Grundsätzliche Kritik an § 317 Abs. 2 BGB kann deshalb nicht überzeugen; vielmehr sollte die Ungewissheit über die typischerweise angemessene Lösung eine Anreizwirkung entfalten, im Einzelfall die Vereinbarung eines Schiedsgutachtergremium um eine Einigung auf Abstimmungsregeln zu ergänzen.

25 Art. 38

DresdE; HessE IV 1, Art. 58; BayE II, Art. 31. Die Motive BayE, S. 64 begründen das Einstimmigkeitserfordernis – kaum überzeugend, da sich eine eindeutige Leistungsbestimmung auch auf anderem Wege erzielen lässt – damit, dass andernfalls die Leistung unbestimmt bleibe. 26  Siehe die Zusammenstellung bei B. Rauscher, S. 264 f.; verbreitet, aber letztlich wenig aussagekräftig sind auch pauschale Äußerungen des Inhalts, es werde in der Praxis „vielfach eine Mehrheitsentscheidung vereinbart“ (so Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 40); ferner Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 10; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 13; Bamberger/ Roth/Gehrlein, § 317 Rn. 4.

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Teil 3:

Kontrolle der Drittbestimmung § 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens I. Bindung der Parteien an den Spruch des Schiedsgutachters 1. Unterwerfung als Grundlage der Bindungswirkung a) Im Schuldrecht Es entspricht dem Mechanismus der Delegation von Privatautonomie, dass die Parteien einer wirksamen Unterwerfungsvereinbarung an einen Spruch des Dritten, der sich im Rahmen dieser Unterwerfung hält, gebunden sind.1 Die Entscheidung des Dritten ergänzt ihren Parteiwillen, sei es bei Begründung oder Änderung eines Schuldverhältnisses, sei es bei der Vervollständigung eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags. Auch wenn der Gedanke der Unterwerfung im englischen Recht nicht ebenso deutlich artikuliert wird, liegt er der dortigen Vorstellung von der Bindung der Parteien ebenfalls zugrunde. Besonders prägnant formulierte ihn Lord Denning: „It is simply the law of contract. If two persons agree that the price of property should be fixed by a valuer on whom they agree, and he gives that valuation honestly and in good faith, they are bound by it. … The reason is because they have agreed to be bound by it.“2

Die Entscheidung des Dritten wird zu einem Bestandteil des Vertrages der Parteien, an den sie nach Vertragsrecht gebunden sind.3 Meist vereinbaren die Parteien ausdrücklich, dass die Entscheidung „final and binding“ sein soll; doch 1  Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17; Volmer, BB 1984, 1010, 1012. Ausführlich oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.). 2  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407; zustimmend z.B. Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3428 (Ch.), para. 258; Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 179; Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 284; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 22; Barclays Bank Plc. v. Nylon Capital LLP [2011] EWCA Civ. 826, Rn. 30; kritisch aber Berg, (1993) 109 LQR 35, 38 f. 3  Pontsarn Investments Ltd. v. Kansallis-Osake-Pankki [1992] 1 E.G.L.R. 148; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑049; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.3. Etwas anders

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann von einem dahingehenden Parteiwillen ausgegangen werden.4 Das französische Recht geht ebenfalls davon aus, dass die Parteien an den Spruch des Dritten gebunden sind.5 Allerdings beruht diese Bindungswirkung, wie oben bereits erläutert, nicht auf der Unterwerfungsvereinbarung der Parteien, sondern auf der Vorstellung, dass der Dritte deren mandataire sei.6 Seine Entscheidung entfaltet somit dieselbe Wirkung wie die Erklärung eines Stellvertreters. In Anlehnung an die berühmte Formel des Art. 1134 Abs. 1 Code civil7 wird deshalb auch die Bestimmung des Dritten zum „Gesetz“ der Parteien: „[E]n remettant à l’estimation d’un tiers, conformément à l’article 1592 du Code Civil, la fixation de ce prix, les parties ont fait de sa décision leur loi …“8

Die Entscheidung des Dritten bindet die Parteien, weil sie Teil ihres Vertrages geworden ist.9 Gerade ältere Entscheidungen gehen davon aus, dass der Dritte den Willen der Parteien ersetzt und auf diese Weise ihren Vertrag vervollständigt, gerade so, als hätten sie ihn selbst abgeschlossen.10 Die Bindung der Parteien beruht also auf Vertragsrecht, nicht auf Prozessrecht, wie selbst Autoren betonen, die einer Annäherung an das Prozessrecht nicht abgeneigt sind.11 Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Dritte gemäß Art. 1592 Code civil von den Parteien berufen wurde oder ob ihn gemäß Art. 1843-4 Code civil ein Richter eingesetzt hat.12 Denn auch dieser Dritte wird als mandataire commun

Lewison, Rn. 14.03, der in der Bindung des Gerichts den Grund für die Bindung der Parteien sieht.  4  Homepace Ltd. v. Sita South East Ltd. [2008] EWCA Civ. 1, para. 29; Lewison, Rn. 14.07.  5  Cass com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333 (Bewertung anlässlich eines Rückkaufs des Unternehmensanteils durch einen Mitgesellschafter); Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 78; Bénabent, Contracts spéciaux, Nr. 54; Leveneur, CCC 2005, comm. 79; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Gautier, RTD civ. 2004, 308; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046.  6  Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.).  7  „Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites.“  8  Cass. com. 6.6.1950 Bull. civ. III, Nr. 205; ähnlich Cass. com. 6.6.2001 JCP 2001,I,372; Cass. com. 26.6.1990 Bull. civ. IV, Nr. 197; Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 78; Moury, Nr. 42.11; Cadiet, FS Guyon, S. 157; Gautier, RTD civ. 1992, 133, 134; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255); Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046 (allerdings auf der Grundlage einer Qualifikation des Dritten als „une sorte d’arbitre“); Tallon, Nr. 3.3.3.06; siehe auch oben § 3 A.II.2.a) (S. 106 f.) zu der entsprechenden Vorstellung des Gesetzgebers.  9  Cadiet, FS Guyon, S. 162; Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357; Caffin-Moi, Nr. 225. 10  CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–21,2,213; Guillouard, Vente, Nr. 107. 11  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 17. 12  Siehe insbesondere Cass. com. 19.4.2005 Bull. civ. IV, Nr. 95; Cass. com. 13.10.1992 Bull. civ. IV, Nr. 310; Cass. com. 4.11.1987 Bull. civ. IV, Nr. 226; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593,

A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

601

angesehen. Seine Entscheidung bezeichnet die Rechtsprechung ebenfalls als das Gesetz der Parteien.13

b) Im Erbrecht Im Erbrecht, das hier entsprechend der Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes nur mit Blick auf das deutsche Recht anzusprechen ist, beruht die Bindungswirkung auf dem rechtsgeschäftlichen Willen des Erblassers, den der Spruch des Dritten ergänzt.14 Auswirkungen zeitigt die Bindungswirkung freilich zu einem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser als Delegierender nicht mehr lebt. Die Entscheidung des Dritten kann ihn deshalb nicht mehr binden. Sie konkretisiert jedoch in zulässiger Weise seinen letzten Willen und entfaltet damit mittelbar Bindungswirkung auch für alle, die von diesem letzten Willen betroffen sind. Der erbrechtliche Erwerb ist gleichsam um die Bindung an das Schiedsgutachten „belastet“; der Erblasser hat in Ausübung seiner Testierfreiheit den Umfang der Zuwendung einer Beschränkung unterworfen.15 Die Bindung beeinträchtigt die Erben nicht in ihren Rechten. Wie das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, beschränkt sich im Gegenteil der grundrechtliche Schutz des Erben bei testamentarischer Erbfolge auf den vom Erblasser gewährten Umfang.16

2. Zeitpunkt des Eintritts der Bindungswirkung Steht damit fest, dass die Entscheidung des Dritten bindet, muss noch präzisiert werden, zu welchem Zeitpunkt die Bindungswirkung eintritt.

a) Im Schuldrecht Nach § 318 Abs. 1 BGB soll die Bindungswirkung mit Zugang der Entscheidung des Dritten gegenüber einem der Vertragschließenden eintreten. Für feststellende Schiedsgutachten wird meist eine entsprechende Regelung angenommen.17

Nr. 78; Cadiet, FS Guyon, S. 157; Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 13  Cass. com. 19.4.2005 Bull. civ. IV, Nr. 95; Cass. com. 4.11.1987 Bull. civ. IV, Nr. 226; Cass. com. 13.10.1992 Bull. civ. IV, Nr. 310. 14  BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB. 15 Allgemein Budzikiewicz, AcP 209 (2009), 354, 364 („Heredi non fit iniuria“). 16  BVerfG v. 25.3.2009 ZEV 2009, 390, 391 (Dauer der Testamentsvollstreckung). 17  BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 36; Pinckernelle, S. 48; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 215. Speziell im Versicherungsvertragsrecht Sieg, VersR 1965, 629, 635; a.A. Volze, VersR 1996, 1337, 1339 (Zugang bei beiden Parteien).

602

§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

Richtigerweise ist für das Bekanntgabeerfordernis danach zu differenzieren, für wen das Schiedsgutachten Bindungswirkung erlangen soll. Ermöglicht wird eine derartige Differenzierung dadurch, dass § 318 Abs. 1 BGB dispositiv ist.18 Soweit es um die Bindung von Parteien eines Schiedsgutachtenvertrags geht, dürfte im Regelfall eine Erklärung gegenüber beiden Parteien gewollt sein. Dazu ist keine Anleihe im Prozessrecht – insbesondere bei § 1054 Abs. 4 ZPO – erforderlich, sondern nur eine Besinnung auf die regelungsersetzende Funktion des Schiedsgutachtens. Ohne Delegation der Privatautonomie durch Einholung eines Schiedsgutachtens hätten die Parteien selbst eine vertragliche Regelung finden müssen und wären an diese nach allgemeinen Regeln nur mit Zugang der Erklärung des jeweils anderen Teils (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB) gebunden. Eine vertragliche Bindung setzt damit im Regelfall die Kenntnis des gesamten Vertragsinhalts voraus. Übertragen auf den Fall des Schiedsgutachtens bedeutet dies, dass auch der Inhalt des Schiedsgutachtens beiden Parteien zur Kenntnis gelangen muss, damit sie daran gebunden sind. Selbstverständlich sind Wege denkbar, wie im Modell des § 318 Abs. 1 BGB diejenige Partei, die nicht Adressatin der Erklärung des Schiedsgutachters war, von dessen Entscheidung erfährt, indem etwa eine Pflicht der Parteien zur wechselseitigen Information19 oder eine Pflicht des Schiedsgutachters zur Information 20 konstruiert wird. Auch wird vielleicht das in einem Vertrag bestehende Vertrauensverhältnis ohnehin dafür sorgen, dass die Parteien sich gegenseitig von dem Schiedsgutachten unterrichten. 21 Wie ausgeprägt dies Vertrauensverhältnis jedoch in Fällen, in denen die Bestimmung durch einen Dritten erst bei Scheitern von Verhandlungsversuchen vorgesehen ist, noch ist, erscheint durchaus fraglich. Sicherer und weniger konfliktträchtig ist deshalb die Annahme, dass beide Parteien im Regelfall nur gebunden sein wollen, wenn das Schiedsgutachten einer jeden von ihnen gegenüber bekanntgegeben wird. Im Ergebnis ist somit § 318 Abs. 1 BGB für den Regelfall als unpassende dispositive Vorschrift anzusehen und von einer entsprechenden Modifizierung durch den Parteiwillen auszugehen.

b) Im Erbrecht Komplizierter liegen die Dinge im Erbrecht angesichts der Vielfalt möglicher Anwendungsfälle eines Schiedsgutachtens. Zum Teil existieren gesetzliche Regelungen. Eine spezielle Regelung enthält § 2151 Abs. 2 BGB, der den Beschwer18 Staudinger/­R ieble,

§ 318 Rn. 2; Soergel/M. Wolf, § 318 Rn. 1. OLG Schleswig v. 23.8.2007 OLGR 2007, 838; Staudinger/­Rieble, § 318 Rn. 3; als „Aufgabe der Vertragsparteien“ betrachtet Soergel/M. Wolf, § 318 Rn. 3 die gegenseitige Unterrichtung. 20 Staudinger/­R ieble, § 318 Rn. 3. 21  So die Annahme von Eberl-Borges, S. 116. 19 

A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

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ten zum Adressaten der Erklärung des Dritten, wer Vermächtnisnehmer sein soll, bestimmt. In § 2156 S. 2 BGB wird für die Leistungsbestimmung bei einem Zweckvermächtnis auf die §§ 315–319 und somit auch auf § 318 Abs. 1 BGB verwiesen, was so verstanden wird, dass die Bestimmung gegenüber dem Beschwerten oder dem Bedachten abzugeben sei.22 Für eine Auflage gilt diese Regelung entsprechend, § 2192 BGB. Die Bestimmung des Testamentsvollstreckers ist dem Nachlassgericht gegenüber abzugeben, § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB. Keine ausdrückliche Regelung besteht für die Erstellung eines Auseinandersetzungsplans durch einen Dritten nach § 2048 S. 2, 3 BGB. Diese Vorschrift ähnelt indes den §§ 317 ff. BGB, so dass an eine entsprechende Anwendung auch des § 318 Abs. 1 BGB gedacht werden könnte mit der Folge, dass die Bekanntgabe gegenüber einem Mitglied der Erbengemeinschaft ausreichen würde. 23 Gegen diese Lösung regt sich Widerstand. Der Auseinandersetzungsplan eines Dritten (§ 2048 S. 2 BGB) sei allen Miterben bekanntzugeben. 24 Denn anders als Vertragsparteien, die den Dritten selbst aussuchen und ihm besonderes Vertrauen entgegenbringen, hätten die Miterben keinen Einfluss auf die Person des Dritten gehabt. 25 Gegenüber erleichterten Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie sie die Bekanntgabe gegenüber nur einem Miterben bedeuten würden, sei der Zugewinn an Rechtssicherheit wichtiger, der sich daraus ergebe, dass alle Miterben zuverlässig von dem Plan in Kenntnis gesetzt würden. 26 Anders als im Vertragsrecht sei keineswegs gesichert, dass die Miterben sich gegenseitig über die Entscheidung des Dritten informieren. 27 Erst recht fehlt eine gesetzliche Regelung für die Bestimmung des Erben durch einen Dritten oder für von einem Dritten zu treffende Feststellungen wie etwa die Feststellung des Eintritts einer Bedingung. Nur für den Sonderfall der Hoferbenbestimmung verlangt § 14 Abs. 3 S. 3 HöfeO die Erklärung gegenüber dem Landwirtschaftsgericht. Angelehnt an diese Vorschrift und an § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB, der wie die Erbenbestimmung den gesamten Nachlass betreffe und deshalb am sachnächsten sei, verlangt eine Ansicht für die Erbenbestimmung generell die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. 28 Nur eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vermittle die 22 

Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2156 Rn. 6; Staudinger/Otte, § 2156 Rn. 4. Kipp/Coing, S. 636 (§ 117 IV 2). 24  Eberl-Borges, S. 116 f.; Ruby, ZEV 2007, 18, 20. Die Genannten verweisen zur Begründung auch auf § 315 Abs. 2 BGB, der freilich auf ein Zwei-Personen-Verhältnis zugeschnitten ist und deshalb nicht passt. 25  Eberl-Borges, S. 116 f. 26  Eberl-Borges, S. 116 f. 27  Eberl-Borges, S. 117. 28  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 34; Palandt/ Weidlich, § 2065 Rn. 9; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 18; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 12; Frey, S. 109 ff.; Rötelmann, DNotZ 1958, 434, 435; ders., NJW 1958, 953, 954; Klunzinger, BB 1970, 1197, 1201; Haegele, BWNotZ 1972, 74, 77. Zum feststellenden Schiedsgutachten: KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182, 184; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33; F. Wagner, ZEV 1998, 184, 185; Zawar, DNotZ 1999, 685, 686. 23 

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

erforderliche Rechtssicherheit. 29 Sie stehe zudem im Einklang mit der generellen Funktion des Nachlassgerichts, „Bezugsinstanz für auf den Nachlaß bezogene bzw. für die Erbfolge erheblicher Erklärungen (etwa in §§ 1945 Abs. 1, 1955 BGB)“ zu sein.30 In Rahmen seines Entwurfs zur Erbenbestimmung hatte dagegen Planck vorgeschlagen, dass die Bestimmung jedem Beteiligten gegenüber erfolgen könne.31 Einen dritten denkbaren Lösungsweg hatte das OLG Celle in einer Entscheidung aus dem Jahre 1957 beschritten und gefordert, dass die Erklärung des Bestimmungsberechtigten, welches der beiden Kinder des Erblassers dessen Hof erben solle, dem „benachteiligten Abkömmling“ bekannt gemacht werden müsse, damit dieser die Möglichkeit erhalte, „seine etwaigen Rechte wahrzunehmen“.32 Zuletzt wird noch erwogen, in Analogie zu § 2151 Abs. 2 BGB den Vorerben des von dem Dritten zu bestimmenden Erben als Erklärungsadressat zu nehmen.33 Der zuvor im Bereich des Schuldrechts vertretene differenzierende Ansatz je nach Adressat der Bindungswirkung stößt im Erbrecht, dessen Verhältnisse teilweise über das bipolare, relative Modell des Schuldrechts hinausgehen, auf Schwierigkeiten. So sind privatautonome Dispositionen über den Adressaten des Schiedsgutachtens durch den Erblasser ausgeschlossen, soweit der Empfänger in den §§ 2151 Abs. 2, 2198 Abs. 1 S. 2 BGB zwingend vorgesehen ist. Im Übrigen besteht durchaus Raum für eine Festlegung des Adressaten durch den Erblasser. In Ermangelung einer derartigen Festlegung scheint der Rekurs auf die regelungsersetzende Funktion des Schiedsgutachtens jedoch auf den ersten Blick zu dem merkwürdigen Ergebnis zu führen, dass die Entscheidung des Dritten – ebenso wie das Testament, das sie anordnet – eine nicht empfangsbedürftige Erklärung darstellt, mithin schon durch die bloße Abgabe des Schiedsgutachtens wirksam und für die Betroffenen bindend wird. Dieses Ergebnis wird freilich selten dem Willen des Erblassers entsprechen. Die fehlende Empfangsbedürftigkeit des Testaments korrespondiert mit dessen jederzeitiger Widerruflichkeit. Das Schiedsgutachten wird jedoch erst nach dem Tod des Erblassers relevant, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem der jederzeitige Widerruf keine Rolle mehr spielt und vielmehr ein Interesse der Betroffenen daran besteht, ergänzend zu dem bereits bekannten Testament des Erblassers auch noch den Inhalt des Schiedsgutachtens zu erfahren. Die Erklärung des Dritten im Rahmen von § 2048 S. 2 BGB gilt deshalb als empfangsbedürftige Willenserklärung.34 Wer von dem Schiedsgutachten betroffen ist, richtet sich nach der jeweiligen Situation, auf die sich das Schiedsgutachten bezieht: Ein Auseinandersetzungs29 

KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182, 184; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 9. KG v. 5.2.1998 ZEV 1998, 182, 184. 31  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 831. 32  OLG Celle v. 16.12.1957 NJW 1958, 953, 955. 33  Sens, S. 115. 34  OLG Celle v. 16.12.1957 NJW 1958, 953, 955. 30 

A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

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plan ist danach in der Tat allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft bekanntzugeben. Bei § 2156 BGB ist die Ähnlichkeit zu § 317 BGB so groß, dass – in Abweichung von § 318 Abs. 1 BGB – eine Erklärung gegenüber Beschwertem und Bedachtem angemessen ist. Im Fall der Erbenbestimmung schließlich muss jedenfalls der ausgewählte Erbe von der Bestimmung erfahren. Eine Erklärung gegenüber allen in Betracht kommenden Personen oder auch nur gegenüber den nicht ausgewählten ist demgegenüber unzweckmäßig, wenn dieser Kreis zu groß ist oder einzelne potentielle Erben nicht zu ermitteln sind.35 Ob über die Erklärung dem Ausgewählten gegenüber in Analogie zu § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB auch eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erforderlich ist, erscheint entgegen der überwiegenden Ansicht zweifelhaft. Hinsichtlich der Form der Bestimmungserklärung wurde eine Analogie oben bereits abgelehnt.36 Dass die Rechtssicherheit eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht verlange, ist jedenfalls dann kein überzeugendes Argument, wenn gleichzeitig dem Erblasser eine abweichende Anordnung gestattet sein soll.37 Zwar trifft es zu, dass die Erklärung des Dritten den Nachlass als Ganzes betrifft, doch folgt daraus noch nicht die Empfangszuständigkeit des Nachlassgerichts, das nicht einmal zwingend „Empfänger“ eines Testaments ist, sondern dieses gegebenenfalls erst nach dem Tode des Erblassers erhält. Insofern ist die Situation weniger der Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten als vielmehr der Auswahl eines Vermächtnisnehmers vergleichbar, die ebenfalls ohne Beteiligung des Nachlassgerichts erfolgen kann. Eine andere Frage stellt es dann aber dar, ob die Bestimmungserklärung als Ergänzung einer Verfügung von Todes wegen vom Nachlassgericht „eröffnet“ werden muss, bevor beispielsweise ein Erbschein an den ausgewählten Erben erteilt werden darf.38 Dazu wäre die Bestimmungserklärung nach § 2259 BGB beim Nachlassgericht abzuliefern. Im praktischen Ergebnis besteht für den Ablauf der Bestimmung damit kein Unterschied zu der Auffassung, die § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB analog anwenden möchte. Jedoch wird die Bestimmung zu einem früheren Zeitpunkt verbindlich, nämlich nicht erst mit Ablieferung beim Nachlassgericht – wie auch der Inhalt eines wirksamen Testaments für die Rechtslage nach dem Tod des Erblassers maßgebend ist, selbst wenn es noch nicht abgeliefert oder eröffnet wurde. Diese Lösung ist da35 

Ebenso Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 33. Siehe oben § 11 A.II. (S. 591 f.). 37  So Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 30; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 12; Lenz-Brendel, in: jurisPK-BGB, § 2065 Rn. 32; Palandt/Weidlich, § 2065 Rn. 9; Frey, S. 110; a.A. Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 34: Wegen „Ähnlichkeit“ zu § 2198 Abs. 1 S. 2 BGB kann auf eine Mitteilung an das Nachlassgericht, das die Bestimmung den potentiellen Erben mitzuteilen hat, nicht verzichtet werden. 38  Vgl. zur Eröffnung als Voraussetzung der Erbscheinserteilung MünchKomm-FamFG/ Muscheler, § 348 Rn. 3; Keidel/W. Zimmermann, § 348 FamFG Rn. 37. 36 

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

mit die konsequente Fortsetzung des Verständnisses des Schiedsgutachtens als Ergänzung des Erblasserwillens.

II. Bindung des Gerichts an den Spruch des Schiedsgutachters Sind die Parteien an die Entscheidung des Dritten gebunden, so haben auch die Gerichte (und Schiedsgerichte) diese Entscheidung hinzunehmen. Diese Bindung lässt sich, wie gesehen, zwanglos mit der Bindung der Gerichte an das materielle Recht und damit an verbindliche Parteiabsprachen erklären.39 Dass ein Gericht eine verbindliche Entscheidung des Schiedsgutachters zu beachten hat, stellt keine prozessual zweifelhafte Disposition der Parteien über richterliche Befugnisse dar. Sie bedeutet auch keine über eine rein äußerliche Verwandtschaft hinausgehende Nähe zu Schiedssprüchen.40 Die Bindung des Gerichts ist vielmehr Ausdruck der dienenden Funktion des Prozessrechts gegenüber dem materiellen Recht.41 Das Gericht ist an den Inhalt des Schiedsgutachtens gebunden, weil die Parteien sich daran gebunden haben. Diese Position entspricht dem französischen Recht.42 Insbesondere wird mit großer Deutlichkeit betont, dass der Richter den Spruch des Dritten grundsätzlich beachten müsse, so wie er jede andere Parteivereinbarung zu beachten habe.43 Auch in England dürfen die Gerichte den Inhalt eines verbindlichen Schiedsgutachtens nicht in Frage stellen.44 Ob diese Bindungswirkung ebenfalls auf eine Bindung an das materielle Recht zurückzuführen ist oder prozessuale Wirkungen hinzutreten, die einen Beweis der vom Schiedsgutachter entschie39  Siehe bereits oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 86 f.) zu feststellenden Schiedsgutachten. Für gestaltende Schiedsgutachten siehe nur Greger/Stubbe, Rn. 114; anders Wiedemann, S. 17 f. (§ 315 Abs. 3 BGB als „zivilprozessuale Vorschrift“, mit der ein Gericht eine Bestimmung beseitigt, an die die Parteien gebunden sind). 40  So aber Sieg, VersR 1965, 629, 630; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 15 (Bindung analog § 1055 ZPO). 41  Dütz, S. 125 ff. 42 Cass. com. 19.4.2005 Bull. civ. IV, Nr. 95; Cass. com. 4.2.2004 – n° de pourvoi 99-15.663 (Legifrance); Cass. com. 6.6.2001 JCP 2001,I,372; Cass. com. 13.10.1992 Bull. civ. IV, Nr. 310; Cass. com. 4.11.1987 Bull. civ. IV, Nr. 226; Cass com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333; Cass. com. 6.6.1950 Bull. civ. III, Nr. 205; Cass. civ. 19.1.1942 JCP 1942,II,1815; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 78; Couret, FS Bouloc, S. 256; Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111; Leveneur, CCC 2005, comm. 79; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 43  Cadiet, FS Guyon, S. 162 f. (mit dem Hinweis, dass aus demselben Grund auch ein Schiedsrichter an die Entscheidung gebunden ist); Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spé­ ciaux, Nr. 205; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 17. 44  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277; Beaufort Developments (N.I.) Ltd. v. Gilbert-Ash N.I. Ltd. [1999] 1 AC 266, 273 („The court’s view on these questions is irrelevant.“); Lewison, Rn. 14.03.

A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

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denen Fragen ausschließen, wird aus den Urteilen nicht ganz klar. Die Formulierungen deuten jedoch auf eine prozessuale Wirkung hin.45 Die im deutschen und französischen Recht gepflegte Sichtweise hat einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf rechtskonstruktiver Ebene, indem sie es erlaubt, die Bindungswirkung auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen. Damit werden erstens separate Begründungen für die Bindung der Parteien und die Bindung des Gerichts entbehrlich, und zweitens wird die Frage der Bindungswirkung davon abgekoppelt, ob es später überhaupt zu einem Prozess über den Gegenstand des Schiedsgutachtens kommt. In der Bindungswirkung seines Gutachtens unterscheidet sich der Schiedsgutachter vom gerichtlichen Sachverständigen, dem er sonst in vielen Punkten angenähert wird.46 Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen bildet lediglich die Grundlage für die eigene Überzeugungsbildung des Richters (§ 286 ZPO).47 Der Richter kann, muss ihm aber nicht in allen Punkten folgen. An den Inhalt des Schiedsgutachtens ist er hingegen gebunden.48 Zugleich ergibt sich aus dieser Herleitung der Bindungswirkung der Zeitpunkt, ab dem die Gerichte gebunden sind: Das Gericht ist an den Inhalt des Schiedsgutachtens gebunden, sobald die Parteien daran gebunden sind. Ist das Schiedsgutachten erst einer der Parteien der Unterwerfungsvereinbarung zugegangen, obwohl die Parteien in Abweichung von § 318 Abs. 1 BGB den Zugang bei beiden zur Voraussetzung der Verbindlichkeit erhoben haben, kann auch das Gericht das Schiedsgutachten noch nicht als verbindlich behandeln.

III. Bindung des Schiedsgutachters an seinen Spruch 1. Grundsätzlich: Unwiderruflichkeit mit Zugang der Bestimmungserklärung Nicht nur die Parteien und die Gerichte sind an den Spruch des Schiedsgutachters gebunden. Auch er selbst darf seine Entscheidung grundsätzlich nicht widerrufen oder modifizieren, sofern die Parteien ihm dies nicht gestatten.49 Sein 45 

So auch Borowsky, S. 109 f. Siehe nur Habscheid, FS Laufke, S. 310; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 298. Ebenso für das französische Recht CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158: Die Bestimmung nach Art. 1592 Code civil ist kein Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen. Es ist kein „simple avis pouvant être modifié et soumis à une juridiction supérieure“. Siehe bereits oben § 3 Fn. 20. 47  Statt aller Zöller/Greger, § 402 Rn. 7a. Zur Parallelsituation in Frankreich siehe oben § 2 Fn. 241. 48  Siehe noch Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Sieg, VersR 1965, 629, 630. 49  Zum Schiedsgutachten: BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22 (zur Möglichkeit einer Gestattung durch die Parteien); RG v. 16.4.1913 Warn 1913 Nr. 356 (Kaufpreisbestimmung); Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 215; W. Döbereiner, VersR 1983, 712 ff. Zur Erbenbezeichnung: Klunzinger, BB 1970, 1197, 1201. Zur 46 

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

Spruch ist „irrévocable“.50 In § 13 S. 1 des Vorentwurfs51 war dies noch eigens geregelt gewesen: „Haben der Dritte oder die mehreren Dritten einen Ausspruch abgegeben, so können sie von demselben nicht wieder abgehen.“

Auch § 356 E I hatte noch ausdrücklich ausgesprochen, dass die getroffene Bestimmung „unwiderruflich“ sei. Die vom Redaktor gegebene Begründung, dass die Unabänderlichkeit für die Dritten „nothwendige Folge ihrer Aufgabe und Stellung“ sei, „da sie ja die Vertragsberedung ergänzen sollen“,52 ist freilich weitgehend nichtssagend. Kaum darüber hinaus geht die vom Reichsgericht gegebene Begründung, die Leistungsbestimmung teile ihre Unwiderruflichkeit mit grundsätzlich jedem wirksam vorgenommenen Rechtsgeschäft.53 Der entscheidende Grund dürfte darin zu erblicken sein, dass der Schiedsgutachter mit der Erstellung seines Schiedsgutachtens die Regelungsmacht, die die Parteien ihm in ihrer Unterwerfungsvereinbarung übertragen haben, verbraucht hat. Mit etwas anderer Nuancierung hat die Zweite Kommission, die insoweit noch dem Bild des um die Vornahme der Leistungsbestimmung bedingten Schuldverhältnisses verhaftet scheint, den Satz als selbstverständlich gestrichen: Die durch die Erklärung „einmal eingetretene Rechtswirkung“ könne „durch einseitigen Widerruf nicht wieder rückgängig gemacht werden“.54 Einer Analogie zu § 318 ZPO, wie sie teils im Schrifttum als Begründung vorgeschlagen wird,55 bedarf es nicht. Es ist durchaus möglich und im Regelfall auch interessengerecht, den Zeitpunkt der Bindung des Schiedsgutachters unabhängig von der Bindung der Parteien zu bestimmen. Selbst wenn das Schiedsgutachten beiden Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung gegenüber abzugeben ist, so kann es doch nicht dem Parteiwillen entsprechen, dass der Schiedsgutachter seine Meinung ändert, Bestimmung des Vermächtnisnehmers nach § 2151 BGB: Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 4; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 47. Zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers siehe sogleich unten § 13 A.III.2. (S. 609 f.). 50  CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427. 51  Siehe zuvor bereits § 806 S. 1 sächs. BGB; Art. 39 S. 1 DresdE; BayE II, Art. 31a. 52  v. Kübel, Bd. II/1, S. 270. In den Motiven wird lediglich diese Begründung paraphrasiert, Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. Aus den Protokollen der Ersten Kommission, die nur die Formulierung der Regel diskutiert hat, ist ersichtlich, dass die Kommissionsmitglieder einen sachlichen Zusammenhang zur Unwiderruflichkeit der Ausübung der Wahl eines Dritten bei der Wahlschuld hergestellt haben, Jakobs/Schubert, Bd. II/1, S. 434. In beiden Fällen herrschte die Vorstellung von einem um die Vornahme der Wahl oder der Leistungsbestimmung bedingten Schuldverhältnis vor, so dass die Erklärung des Dritten zum Bedingungseintritt führt (vgl. v. Kübel, Bd. II/1, S. 34). 53  RG v. 16.4.1913 Warn 1913 Nr. 356. 54  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 624 (zu § 353 E I, auf den die Zweite Kommission bei der zweiten Lesung des § 356 E I Bezug genommen hat, S. 627). 55  Sieg, VersR 1965, 629, 634.

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sobald er die erste Partei in Kenntnis gesetzt hat. Vielmehr tritt für ihn die Bindungswirkung schon mit dem Zugang an die erste Partei ein.56 Ab diesem Zeitpunkt ist eine Korrektur von Fehlern durch den Schiedsgutachter oder eine Ergänzung durch ein Nachtragsgutachten – mit Ausnahme der Berichtigung offensichtlicher Schreib‑ und Rechenfehler57 – ausgeschlossen.58

2. Unwiderruflichkeit als Folge der Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen? Ob in dem Verbrauch der Bestimmungsbefugnis eine Parallele zur Unwiderruflichkeit von Gestaltungsrechten zu sehen ist,59 kann letztlich offenbleiben, und eine solche Parallele sollte jedenfalls nicht überbewertet werden.60 Zur Illustration kann das Recht zur Bestimmung eines Testamentsvollstreckers nach § 2198 BGB dienen. Hier ist umstritten, ob die Bestimmungsbefugnis mit ihrer erstmaligen Ausübung „verbraucht“ ist oder ob der Bestimmungsberechtigte seine Erklärung – jedenfalls bis zur Ernennung der von ihm bestimmten Person durch das Nachlassgericht – widerrufen kann mit der Folge, dass seine Befugnis wiederauflebt.61 Die Verfechter eines Verbrauchs der Bestimmungsbefugnis berufen sich zur Begründung unter anderem auf die generelle Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen.62 Ob dieser Gesichtspunkt wirklich überzeugt, wird jedoch in Frage gestellt, da eine Unwiderruflichkeit nur erfor56 

BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; Staudinger/­Rieble, § 318 Rn. 2. Ausnahme für die Berichtigung machen Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 36; Volze, VersR 1996, 1337, 1339 f.; Sieg, VersR 1965, 629, 634 (§ 319 ZPO analog); a.A. Lembcke, NZBau 2012, 85, 90; ebenso wird eine Ausnahme gemacht in England, siehe Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.5.13 m.w.N. und Hinweis auf s. 57(3) Arbitration Act 1996, der dem Schiedsrichter eine ähnliche Befugnis gewährt. 58  BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 215 (nur bei entsprechender Parteivereinbarung); a.A. jedoch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 21 (Schiedsgutachter darf offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 319 BGB berichtigen). 59  So insbesondere Joussen, S. 196 f. 60 Siehe Säcker, ZEV 2006, 288, 292. 61  Für den Verbrauch Soergel/Damrau, § 2198 Rn. 3; ders., FamRZ 2004, 421, 422; Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 18 (außer im Fall des § 2201 BGB); Säcker, ZEV 2006, 288 ff. (anders zu § 2199 Abs. 2 BGB). Für eine Widerrufsmöglichkeit Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2198 Rn. 5 f.; ders., Testamentsvollstreckung, Rn. 61. Für ein Wiederaufleben im Fall der Nichtannahme oder unwirksamen Ernennung des Ausgewählten Bamberger/Roth/ J. Mayer, § 2198 Rn. 4. 62  Damrau, FamRZ 2004, 421, 422 unter Berufung auf Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 5 f.: Das Prinzip, dass die ordnungsgemäße Erklärung das Gestaltungsrecht „konsumiert“, sei „den normalen Gestaltungsrechten gewissermaßen schon materiellrechtlich eingeboren“. Allgemein M. Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 39 f.; P. Bydlinski, S. 6 f.; Bötticher, FS Dölle I, S. 71 ff.; Seckel, FS Koch, S. 229, 236; Leverenz, Jura 1996, 1, 8 m.w.N.; Thomale, AcP 212 (2012), 920, 951 f.; zum Verzicht auf die Gestaltungswirkungen Kleinschmidt, S. 196 ff. 57  Eine

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

derlich sei, wenn die Ausübung des Gestaltungsrechts die Rechtslage unmittelbar ändere und auf diese Weise in den Rechtskreis Dritter eingegriffen werde.63 Bei leistungsbestimmenden Gestaltungsrechten sei ein „Dogma“ von der Unwiderruflichkeit häufig nicht erforderlich und auch unzutreffend.64 Schon diese Kontroverse zeigt, dass es wohl Begriffsjurisprudenz darstellt, wenn aus der Qualifikation eines Rechts als Gestaltungsrecht automatisch auf dessen Unwiderruflichkeit geschlossen würde.65 Aus dieser Qualifikation ergibt sich folglich wenig. Entscheidend sind vielmehr materielle Gesichtspunkte – die letztlich auch der Unwiderruflichkeit mancher Gestaltungserklärungen zugrunde liegen, wie insbesondere Bötticher, auf den sich beide Ansichten berufen, herausgearbeitet hat.66 In materieller Hinsicht ist vor allem die Rechtssicherheit zu bedenken, die eine unwiderrufliche Erklärung erzeugt.67 Dieser Gedanke klingt bereits in den – trotz der massiven Umgestaltung der Regelungen über die Testamentsvollstreckung insoweit noch verwertbaren68 – Protokollen der Ersten Kommission an: Dort war die Formbedürftigkeit der Bestimmungserklärung gerade mit dem Bedürfnis begründet worden, sicher feststellen zu können, „wann das Bestimmungsrecht des Dritten ausgeübt und damit erschöpft ist“.69 Diese Erwägungen sprechen im Grundsatz für die Unwiderruflichkeit. Einer erneuten Ausübung der Bestimmungsbefugnis im Fall, dass der ursprünglich Bestimmte sein ihm zugedachtes Amt nicht annimmt, sollten sie jedoch nicht entgegenstehen.70

63  Säcker, ZEV 2006, 288, 292. Kritisch zum „‚Dogma‘ der Unwiderruflichkeit“ jetzt auch Hattenhauer, S. 305 ff. 64  Säcker, ZEV 2006, 288, 292, ebenfalls unter Berufung auf Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 6 f., der als Beispiel das Direktionsrecht des Arbeitgebers, ein „‚Mutter‘‑Gestaltungsrecht“, nennt; siehe auch P. Bydlinski, S. 6. 65  Säcker, ZEV 2006, 288, 292; für Ausnahmen auch Medicus, AT, Rn. 90. 66 Siehe Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 5 ff. 67 Soergel/Damrau, § 2198 Rn. 3. 68 A.A. Säcker, ZEV 2006, 288, 289. 69  Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 115; dazu Damrau, FamRZ 2004, 421, 422; Höver, DFG 1939, 25, 26. – Formal wird auch noch § 130 Abs. 1 S. 2 BGB angeführt (Damrau, FamRZ 2004, 421, 422), der hier jedoch wenig besagt, da er abbedungen werden kann (W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 61) und ohnehin kein schutzwürdiger Erklärungsempfänger ersichtlich ist (Säcker, ZEV 2006, 288, 290). 70 Dagegen Damrau, FamRZ 2004, 421, 422, da der Bestimmungsberechtigte seine Erklärung auf diese Weise mittelbar widerrufen könne, indem er den ursprünglich Bestimmten zum Verzicht dränge.

A. Die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens

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IV. Bindung außenstehender Personen? Auf außenstehende Personen71 kann sich die Bindungswirkung eines Schiedsgutachtens im Schuldrecht nicht erstrecken. Das Schiedsgutachten komplettiert einen Vertrag der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung, an dessen Inhalt Außenstehende nicht gebunden sein können.72 So muss beispielsweise ein Bürge eine Schiedsgutachtenvereinbarung, an deren Abschluss er nicht mitgewirkt hat, nicht gegen sich gelten lassen.73 Bestätigt wird diese Aussage durch § 767 Abs. 1 S. 3 BGB, der einer nachträglichen Erweiterung der Bürgenschuld durch die Parteien des Hauptvertrages gegenüber dem Bürgen keine Wirkung beimisst. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn der Bürgschaftsvertrag eine entsprechende Einbeziehung enthält, indem der Bürge erklärt, für die Hauptschuld in ihrem schiedsgutachterlich festgesetzten Umfang haften zu wollen.74 Im Erbrecht hingegen stellt die inter partes-Wirkung einer schuldrechtlichen Schiedsgutachtenvereinbarung kein taugliches Argument dar. Die Verfügungen des Erblassers von Todes wegen legen nicht nur für die dadurch Begünstigten, sondern für den Rechtsverkehr insgesamt die Rechtsverhältnisse nach dessen Tod fest. So können etwa Gläubiger eines Vermächtnisnehmers oder eines enterbten Pflichtteilsberechtigten auf deren Ansprüche zugreifen. Dann muss aber auch die Vervollständigung des Erblasserwillens über den Kreis der unmittelbar betroffenen Personen hinaus Bindungswirkung entfalten, soweit eine entsprechende Anordnung, wenn sie unmittelbar vom Erblasser stammen würde, diese Wirkung hätte. Deshalb wirkt die Bezeichnung eines Erben durch einen Dritten auch gegenüber allen anderen Prätendenten. Ebenso muss die Bestimmung eines Vermächtnisnehmers nach § 2151 BGB auch dessen Gläubigern zugute kommen. Eine Teilungsanordnung nach § 2048 S. 1 BGB hat hingegen nur schuldrechtliche Wirkungen innerhalb der Erbengemeinschaft,75 so dass auch 71  Diese Personen als „Dritte“ zu bezeichnen, die sie im Verhältnis zu den Parteien sind, wird hier vermieden, um Verwechslungen mit dem Schiedsgutachter als „Drittem“ auszuschließen. 72  Greger/Stubbe, Rn. 157 (feststellende Schiedsgutachten); Baumann, S. 176; zur inter partes-Wirkung des materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags siehe bereits oben § 2 B.II.5.b) (S. 79). Auf dieselbe Weise lässt sich begründen, weshalb Außenstehende nicht an die gerichtliche Ersetzung eines Schiedsgutachtens gebunden sein können, was angesichts der Gestaltungswirkung dieser Ersetzung durchaus problematisch erscheinen kann. Siehe zur Problematik Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 135. 73  OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 BauR 2004, 874 (in dem Fall ging es freilich nicht um die Bindung an den Inhalt des Gutachtens, sondern um die Wirkung vorzeitiger Klageerhebung); Greger/Stubbe, Rn. 157; a.A. A. Bachmann, S. 100; Poulakos, S. 204; Lembcke, NZBau 2009, 421 ff. Vgl. auch Tägert, S. 45 ff. zur inter partes-Wirkung von Feststellungsverträgen. 74 Weiter Lembcke, NZBau 2009, 421, 424; für eine Erstreckung auf Haftpflichtversicherer Sieg, VersR 1984, 501, 502. 75  Statt aller Palandt/Weidlich, § 2048 Rn. 4; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 9.

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

nur die Miterben an den Inhalt des Auseinandersetzungsplans eines Dritten gebunden sind.

B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung Da die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens auf der Privatautonomie der Parteien basiert, steht sie privatautonomen Modifikationen offen. Derartige Modifikationen sind sowohl vor als auch nach Erstellung des Schiedsgutachtens denkbar.

I. Abschwächung der Bindungswirkung vor Gutachtenerstellung Bereits in der Schiedsgutachtenvereinbarung bzw. in der letztwilligen Anordnung des Schiedsgutachtens kann verfügt werden, dass das Schiedsgutachten keine oder nur vorläufige Bindungswirkung entfalten soll.76 Ein Gutachten ohne Bindungswirkung hat dann dieselbe Funktion wie ein unverbind­ licher Vergleichsvorschlag eines Dritten.77 Verbindlichkeit entfaltet es allenfalls rein faktisch aufgrund seiner Überzeugungskraft.78 Derartige Gutachten ohne Bindungswirkung, die die Parteien lediglich zur Vorbereitung eines Vertragsschlusses nutzen, sind selbstverständlich auch im englischen79 und im französischen80 Recht bekannt. Es heißt, dass sich die Parteien in der Praxis sehr häufig von einem derartigen Gutachten überzeugen ließen.81 Aufgrund der Abweichung vom Modell des 76  Zu weiteren Varianten siehe Greger/Stubbe, Rn. 53 f. (aufschiebend bedingt bindend), 55 f. (einseitig bindend). 77  Greger/Stubbe, Rn. 45 („Votum mit Empfehlungscharakter“), 208 ff. 78  Greger/Stubbe, Rn. 46 ff.; Nicklisch, FS Bülow, S. 168 f.; Stubbe, SchiedsVZ 2006, 150, 153 f.; Riewert, GPR 2013, 62, 62 f. 79  Siehe zuletzt etwa North Shore Ventures Ltd. v. Anstead Holdings Inc. [2011] EWCA Civ. 230, para. 48. 80  Z.B. Cass. com. 23.11.1993 Bull. civ. IV, Nr. 416 (Wirtschaftsprüfer sollte das Vermögen der Gesellschaft, deren Anteile verkauft wurde, ermitteln, allerdings wollten die Parteien daran nicht gebunden sein); Cass. civ. 3e 17.4.1996 – n° de pourvoi 94-16.276 (Legifrance) (der „simple avis“ eines Sachverständigen bindet weder Parteien noch Gericht); Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 63 (nicht bindendes oder vorläufig bindendes Gutachten). 81 Böckstiegel/Kröll/Nacimiento/G. Wagner, § 1025 ZPO Rn. 16; Greger/Stubbe, Rn. 51; Stubbe, SchiedsVZ 2006, 150, 154. Speziell zu den „Rules for Expertise“ der ICC Jarvin, S. 555 ff. Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑37 f.; Lionnet/Lionnet, S. 475 ff.: Das Verfahren nach den zuletzt im Jahre 2003 revidierten Regeln führt zu einem grundsätzlich nicht verbindlichen neutralen Sachverständigengutachten, das etwa zur Beweissicherung eingesetzt wird. In den

B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung

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§ 317 BGB sollte hier jedoch nicht von einem „Schiedsgutachten“ gesprochen werden.82 Vielmehr handelt es sich um eine Schlichtungsklausel.83 Ein vorläufig bindendes Gutachten bindet die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung in dem oben beschriebenen Sinne und sichert diese Bindung beispielsweise durch Schadensersatzpflichten bei Missachtung des Ausspruchs des Gutachters ab, hält aber den Weg zu den Gerichten offen, die nicht an das Gutachten gebunden sein, sondern ihrerseits berechtigt sein sollen, die ursprünglich dem Schiedsgutachter obliegende Feststellung zu treffen.84 Beispiele dafür sind in der Gutachtens‑ und der Schiedsgutachtensordnung der DIS (DIS-GO und DIS-SchGO) zu finden.85 Ein Vorbild für Schiedsgutachten mit vorläufiger Bindungswirkung stellt das aus dem englischen Recht bekannte adjudi­cation-Verfahren dar.86 Beide Varianten kommen sowohl für feststellende als auch für gestaltende Aussprüche des Dritten in Betracht.87 Ob sich diese Form des Schiedsgutachtens, wie neuerdings angenommen, insbesondere in ver­braucherrechtlichen Streitigkeiten eignet, muss sich noch erweisen.88 In gewisser Weise den umgekehrten Fall zum Gutachten mit vorläufiger Bindungswirkung stellt das rein prozessual wirkende Schiedsgutachten dar, das ein Bestreiten der im Gutachten festgestellten Tatsache untersagt (§ 138 Abs. 3 ZPO) und damit dem Gericht eine Beweisaufnahme über die Tatsache abnimmt, aber die materiell-rechtliche Rechtslage nicht beeinflussen soll.89

meisten Fällen würden die Feststellungen des Sachverständigen von den Parteien angenommen, und ein nachfolgendes (Schieds‑)Gerichtsverfahren würde auf diese Weise vermieden. Nach Art. 12(3) der Regeln können die Parteien vereinbaren, dass sie an die Ergebnisse des Gutachtens gebunden sein wollen. Welche Wirkung eine derartige Vereinbarung hat, gilt aber als ungeklärt. 82  Greger/Stubbe, Rn. 208; siehe demgegenüber Joussen, S. 260 f., 274, 276, der in derartigen unverbindlichen Vorschlägen, in denen der Dritte „tatsächlich nur eine Moderatorenrolle“ ausfülle, den „klassische[n] Fall des § 317 BGB“ erblickt. 83  Greger/Stubbe, Rn. 209. Siehe auch BGH v. 6.6.1994 NJW‑RR 1994, 1314 zur Abgrenzung: Es sei „mit Rücksicht auf die Lebens‑ und Geschäftserfahrung der Beteiligten“ und angesichts der kurzen Zahlungsfrist nach Abgabe des Gutachtens davon auszugehen, dass die Parteien eine verbindliche Festsetzung der Höhe etwa bestehender Ausgleichsforderungen wollten und nicht nur ein unverbindliches Gutachten. 84  Greger/Stubbe, Rn. 40, 193 ff.; Riewert, GPR 2013, 62, 63. 85  Zu beiden Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130 ff.; Stubbe/Wietzorek, SchiedsVZ 2011, 328; Mazza, KSzW 2013, 126, 132 ff. 86  Greger/Stubbe, Rn. 193. 87  Greger/Stubbe, Rn. 193, 208. 88 Dafür Riewert, GPR 2013, 62 ff. 89 Dazu G. Wagner, Prozeßverträge, S. 665.

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

II. Abschwächung der Bindungswirkung nach Gutachtenerstellung 1. Abschwächung der Bindungswirkung als erneute Ausübung von Privatautonomie Ebenso ist eine Abschwächung der Bindungswirkung nach Gutachtenerstellung denkbar. Missverständlich ist es deshalb, wenn ein französisches Gericht die Entscheidung des Dritten als „loi irréfragable“, als unwiderlegbares Gesetz, bezeichnet90 und in einem anderen Urteil sogar ausgeführt wird, die Parteien könnten den Spruch des Dritten nicht modifizieren.91 Damit kann nur eine einseitige Modifizierung durch eine Partei gemeint sein. Die einvernehmliche nachträgliche Änderung darf den Parteien als Ausfluss der in Art. 1134 Abs. 2 Code civil verankerten Vertragsänderungsfreiheit nicht verwehrt werden. Die Privatautonomie erlaubt es den Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung, durch Vereinbarung vom Inhalt des Schiedsgutachtens abzuweichen.92 Durch die Delegation einer Bestimmungsbefugnis begeben sich die Parteien nicht endgültig ihrer Regelungsmacht. Sie bleiben weiterhin zur Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse befugt. Eine vom Spruch des Schiedsgutachters abweichende Vereinbarung stellt eine neuerliche Ausübung derselben Freiheit dar, die dem Schiedsgutachter seine Befugnisse eingeräumt hat. Ausgeschlossen ist jedoch eine einseitige Abweichung von der Entscheidung des Dritten, der sich die Parteien einvernehmlich unterworfen haben. Für das Erbrecht lassen sich nicht dieselben Grundsätze aufstellen. Denn hier besteht die Besonderheit, dass derjenige, von dem der Dritte seine Rechtsmacht ableitet, im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht mehr lebt und deshalb auch keinen abweichenden Willen mehr bilden kann. Da die Bestimmungsmacht nicht auf der Privatautonomie der Erben beruht, kann eine Vereinbarung, mit der diese die Bindungswirkung der Entscheidung des Dritten abschwächen, nicht als neuerliche Ausübung derselben Freiheit erklärt werden. Es fragt sich somit, ob die Entscheidung des Dritten für die Nachwelt unabänderlich bindend bleibt oder ob die Erben – oder andere Personen wie Erbprätendenten, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker – diese Entscheidung an des Erblassers Statt abändern können. Da der Dritte den Willen des Erblassers ergänzt oder konkretisiert, ist diese Frage nicht anders zu beantworten als die Frage, ob die Nachlassbeteiligten93 bei Unklarheiten oder Missfallen 90 

CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–1821,2,213. Cass com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333. 92 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 31 (zur Parteileistungsbestimmung); Kisch, Schiedsmann, S. 123; Joussen, S. 197; Bötticher, S. 24; vgl. auch A. Hueck, FS Carl Heymanns Verlag, S. 297 (zu den Gestaltungsklagen des Gesellschaftsrechts). 93  Die Beschränkung der folgenden Ausführungen auf den Kreis der Nachlassbeteiligten 91 

B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung

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den Willen des Erblassers durch einvernehmliches Zusammenwirken mittels eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden selbst festlegen oder modifizieren können, und sei es auf die Gefahr hin, dass dieser vereinbarte Inhalt der Verfügung von Todes wegen nicht mit dem tatsächlichen Erblasserwillen übereinstimmt. Die Problematik zeigt sich deutlich in sogenannten erbrechtlichen Auslegungs‑ und Feststellungsverträgen. In diesen Verträgen einigen sich die Erben darauf, dass ein unklares und auslegungsbedürftiges Testament insgesamt – etwa bezogen auf die Erbeinsetzung oder die Höhe der Erbteile – oder hinsichtlich einzelner Punkte – etwa eines Motivs des Erblassers – in einer bestimmten Weise zu verstehen sei.94 Die Frage nach der Reichweite derartiger Verträge hat in der Vergangenheit für Kontroversen gesorgt. Um diese Frage zu beantworten, bietet es sich an, zunächst zwischen den verschiedenen Aufgaben, für die ein Erblasser einen Dritten einschalten kann, zu differenzieren.

2. Der erbrechtliche Auslegungs‑ und Feststellungsvertrag insbesondere Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die Erbeinsetzung. Den Nachlassbeteiligten fehlt die materielle Verfügungsbefugnis über die Einsetzung zum Erben und die Höhe der Erbteile.95 So kann etwa die Übertragung eines Erbteils nicht dazu führen, dass der Erwerber in die Erbenstellung des Veräußerers einrückt.96 Die Erben können nicht, wie schon die Zweite Kommission in ihrer Debatte über die – letztlich gescheiterte – Aufnahme des Anerkenntnisvertrags in den Allgemeinen Teil festhielt, durch verfügenden Vertrag bewirken, „daß derjenige, der nicht Erbe sei, Erbe werde und derjenige, der Erbe geworden sei, aufhöre, es zu sein“.97

ist allein der Lesbarkeit der Darstellung geschuldet. Im Einzelfall kann der betreffende Kreis deutlich weiter zu ziehen sein und „die Personen, die als Erben in Betracht kommen“ (OLG Oldenburg v. 10.9.2009 FamRZ 2010, 1277), sowie alle weiteren Personen, die von der Verfügung von Todes wegen begünstigt sein könnten, umfassen. 94  Allgemein Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 144 ff.; Lange/Kuchinke, S. 792 ff. (§ 34 IV); Storz, ZEV 2008, 308 ff. 95  BayObLG v. 14.7.1997 NJW‑RR 1997, 1368, 1369; Staudinger/Marotzke, § 1922 Rn. 38; Palandt/Weidlich, § 2359 Rn. 4; BeckOK-FamFG/Burschel, § 36 FamFG Rn. 9; Ebenroth, Rn. 415; Leipold, Rn. 365; Dörner, 2. FS Ferid, S. 57, 68 ff.; O. Werner, FS Kanzleiter, S. 408; Baumann, RNotZ 2011, 33, 35; a.A. MünchKomm-FamFG/Ulrici, § 36 Rn. 17, der den Erben nur die prozessuale Dispositionsbefugnis über die Erteilung des Erbscheins abspricht, ihnen über die Änderung der materiellen Rechtslage aber Einfluss auf dessen Inhalt gewährt. 96  Vgl. nur BGH v. 19.1.2011 NJW 2011, 1226; BGH v. 16.12.1992 BGHZ 121, 47; BGH v. 9.2.1983 BGHZ 86, 379, 380; Staudinger/Marotzke, § 1922 Rn. 38; R. Frank/Helms, § 23 Rn. 5; Storz, ZEV 2008, 308, 311. 97  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 1038.

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

Wer Erbe werden soll, legen allein der Erblasserwille oder, in Ermangelung eines solchen, das Gesetz fest.98 Die Befugnis, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen, haben lediglich der Erblasser selbst sowie ein von ihm mit einer Bestimmungsbefugnis ausgestatteter Dritter. Die Testierfreiheit ist nicht vererblich. Die Erben können nicht die Testierfreiheit des Erblassers ausüben. Gerade hierin wird deutlich, dass das Drittbestimmungsverbot des § 2065 BGB nur ein Ausschnitt einer ansonsten durchaus plausiblen materiellen Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung darstellt.99 Deutlich wird auch, dass es nicht etwa um eine Abwägungsentscheidung in einem „Rechtskonflikt“ zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und der Vertragsfreiheit der Erben, in der die Testierfreiheit den Vorrang genießt, gehen kann.100 Denn ein Konflikt bestünde nur, wenn sich die Vertragsfreiheit der Erben überhaupt auf die Festlegung der Erb­ rechtsverhältnisse erstreckte.101 Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich die Reichweite der Bindungswirkung von Auslegungs‑ und Feststellungsverträgen über das Erbrecht bestimmen. Eine Bindung Dritter, die nicht an dem Vertrag beteiligt waren, wird zu Recht allgemein verneint.102 Umstritten ist hingegen, ob Gerichte – insbesondere das Nachlassgericht bei der Erteilung eines Erbscheins – an den übereinstimmenden Parteiwillen gebunden sind. Gerade die Bezeichnung als Feststellungsvertrag lässt an eine derartige Bindungswirkung denken.103 Mangels Verfügungsbefugnis der Nachlassbeteiligten kommt Auslegungs‑ und Feststellungsverträgen der Nachlassbeteiligten jedoch keine dingliche Wirkung zu.104  98  OLG Oldenburg v. 10.9.2009 FamRZ 2010, 1277, 1278; KG v. 16.9.2003 FamRZ 2004, 836; Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 9; Baumann, RNotZ 2011, 33, 35; Storz, ZEV 2008, 308, 311.  99  Siehe oben § 5 pr. (S. 305 f.). Die Vorschrift des § 2065 BGB ist deshalb (entgegen Weiß, GS Küchenhoff, S. 392; Selbherr, ZErb 2005, 10, 12) kein Argument für die fehlende Dispositionsbefugnis der Erben. 100  So aber Weiß, GS Küchenhoff, S. 393; außerdem Lange/Kuchinke, S. 793 (§ 34 IV 3 pr.). 101  Storz, ZEV 2008, 308, 311. 102  BGH v. 6.3.1991 BGHZ 114, 16, 18; BGH v. 22.1.1986 NJW 1986, 1812, 1813; Münch­ Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 146; Schlüter, Rn. 195; O. Werner, FS Kanzleiter, S. 410; Storz, ZEV 2008, 308, 312; Selbherr, ZEV 2005, 10, 14; Spiegelberger, ErbR 2012, 165, 167. 103  Weiß, GS Küchenhoff, S. 396; Baumann, RNotZ 2011, 33. 104  BGH v. 22.1.1986 NJW 1986, 1812, 1813; OLG München v. 8.6.2010 NJW‑RR 2011, 12, 13; OLG Oldenburg v. 10.9.2009 FamRZ 2010, 1277, 1278; KG v. 16.9.2003 FamRZ 2004, 836; ältere Rspr. nachgewiesen bei Storz, ZEV 2008, 308, 310. Aus dem Schrifttum RGRK/ Johannsen, § 2084 Rn. 31 f.; Soergel/Loritz, § 2084 Rn. 32; Palandt/Weidlich, § 2359 Rn. 5; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 2064–2086 Rn. 119; Staudinger/Marotzke, § 1922 Rn. 38; Staudinger/Marburger, § 779 Rn. 9; BeckOK-FamFG/Burschel, § 36 FamFG Rn. 9; Lange/ Kuchinke, S. 793 (§ 34 IV 2 b); Schlüter, Rn. 195; Weiß, GS Küchenhoff, S. 391 ff., 404 ff.; Baumann, RNotZ 2011, 33, 34 (mit Hinweis auf § 137 BGB); Otte, ZEV 2001, 318, 319; v. Proff, ZEV 2010, 348, 349; Storz, ZEV 2008, 308, 311 f.; ders., ZEV 2008, 353, 355; Selbherr, ZErb 2005, 10, 12; Spiegelberger, ErbR 2012, 165, 167. Für die Gegenansicht, die eine materiell-rechtliche Änderungsbefugnis annimmt, OLG Frankfurt v. 10.12.1999 ZEV 2001, 136, 138; OLG Frankfurt v. 9.10.1989 MDR 1990, 56; MünchKomm-FamFG/Ulrici, § 36 Rn. 17;

B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung

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Das Nachlassgericht, das auf der Grundlage der materiellen Rechtslage entscheiden muss, ist an die vereinbarte Auslegung nicht gebunden.105 Es wird jedoch darin im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 2358 BGB)106 ein Indiz bei der Ermittlung des Erblasserwillens erblicken.107 Dass der Nachlassrichter das Ergebnis eines Zivilrechtsstreits über das Erbrecht zu beachten hätte, in dem die Dispositionsmaxime gilt, kann nicht die Bindungswirkung außergerichtlicher Dispositionen begründen.108 Denn ein Dispositionsgrundsatz gilt auch in Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen das Erbscheinsverfahren zählt,109 und die Bindung an ein im streitigen Verfahren ergangenes Feststellungsurteil besteht nur in den Grenzen der sachlichen und persönlichen Rechtskraft110. Vor allem aber stünde es im Widerspruch zur dienenden Funktion des Prozessrechts, wenn die prozessualen Möglichkeiten der Parteien aufgrund der Dispositionsmaxime weiter als ihre materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis reichten.111 Bestätigt wird dieser Zusammenhang in § 36 Abs. 1 Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 146; Firsching/Graf, Rn. 1.139; Dressler, ZEV 1999, 289, 291 (sofern die Verfügung des Erblassers auslegungsbedürftig ist). 105  Nachweise siehe vorige Fn. Für die Gegenansicht stellt sich die Bindung des Nachlassgerichts so dar, dass der Nachlassrichter an die von den Parteien vereinbarte materielle Rechtslage gebunden ist und seine – von ihm selbst zu treffende und nicht der Parteivereinbarung zugängliche – Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins darauf beruhen muss, vgl. MünchKomm-FamFG/Ulrici, § 36 Rn. 10. 106 Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 2064–2086 Rn. 119: „Die Auslegung ist richterliche Aufgabe“ (Hervorhebung im Original). 107  BGH v. 22.1.1986 NJW 1986, 1812, 1813; OLG München v. 8.6.2010 NJW‑RR 2011, 12; KG v. 16.9.2003 FamRZ 2004, 836, 837; Palandt/Weidlich, § 2359 Rn. 5; v. Proff, ZEV 2010, 348, 350; gegen die Indizwirkung Weiß, GS Küchenhoff, S. 405 f.; Soergel/Loritz, § 2084 Rn. 32; Baumann, ErbR 2010, 109, 113. Eine zu starke Indizwirkung nimmt O. Werner, FS Kanzleiter, S. 410, 412 an, wenn er einerseits eine Bindung des Nachlassgerichts an den Vergleich verneint, andererseits aber nur noch eine Erbscheinserteilung im Sinne der vereinbarten Auslegung für möglich hält. 108  So aber Firsching/Graf, Rn. 1.139; Lange/Kuchinke, S. 794 mit Fn. 133 (§ 34 IV 3 c); im Ansatz auch Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 145 (mit Hinweis auf die Zulässigkeit eines Anerkenntnisses im Prozess); Selbherr, ZErb 2005, 10, 13 (allerdings mit Zweifeln an der praktischen Umsetzbarkeit). Siehe auch Weiß, GS Küchenhoff, S. 406 f. (Nachlassgericht sei zwar nicht an den Vertrag gebunden, doch könnten die Parteien „unter geschickter Ausnutzung der Verhandlungsmaxime“ eine rechtskräftige Feststellung des Erbrechts erzielen, die den Nachlassrichter binde). 109  Siehe nur Bork, Vergleich, S. 453 f. 110  Siehe nur R. Frank/Helms, § 16 Rn. 26; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 11 Rn. 19, 21. 111  Das übersehen Lange/Kuchinke, S. 794 (§ 34 IV 3 c), wenn sie einerseits die Zulässigkeit von Auslegungsverträgen auf Rechtsverhältnisse beschränken, über die die Parteien verfügen können, ein Zivilgericht andererseits aber für gebunden halten. Allgemein G. Wagner, Prozeßverträge, S. 632. Instruktiv zu dieser Problematik ders., S. 59 ff., 106 ff., 620 ff. m.w.N. – Die Problematik ist nicht anders zu entscheiden als die Frage, ob die Nachlassbeteiligten eine formunwirksame Verfügung von Todes wegen als gültig „anerkennen“ können. Gegen diese Befugnis Staudinger/Baumann, § 2247 Rn. 142; dafür Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 148.

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

FamFG, der den Verfahrensbeteiligten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit einen Vergleichsschluss erlaubt, soweit sie materiell-rechtlich über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können.112 Schließlich kämen einem Erbschein, den ein Nachlassgericht auf der Grundlage des Auslegungsvertrags erteilt, auch Wirkungen gegenüber unbeteiligten Dritten zu, so dass die Unzulässigkeit einer Bindung Dritter an die vereinbarte Auslegung nicht gewährleistet wäre. Die Wirkung des Auslegungsvertrags bleibt somit im schuldrechtlichen Bereich. Es bleibt den Beteiligten unbenommen zu vereinbaren, wie sie untereinander eine testamentarische Anordnung interpretieren wollen. Indem sich alle betroffenen Nachlassbeteiligten in notarieller Urkunde darauf verständigen, dass ein Testament in bestimmter Weise auszulegen sei, begründen sie darin nur die schuldrechtliche Verpflichtung, einander so zu stellen, als treffe die zugrunde gelegte Auslegung zu.113 Insofern sind Auslegungsverträge durchaus zulässig. Ihnen kommt jedoch nur eine eingeschränkte Wirkung zu, und die Bezeichnung als Auslegungs‑ oder Feststellungsvertrag sollte keine überzogenen Vorstellungen wecken.114 Darin liegt keine dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechende Erschwerung einer einvernehmlichen Konfliktlösung.115 Zwar schließen die Nachlassbeteiligten einen Auslegungsvertrag in der Regel dann, wenn ein Testament mehrere Deutungen zulässt und sie mit dem Ziel, diese Unklarheit auszuräumen, sich für eine Deutungsmöglichkeit entscheiden und dabei – wie bei einem Vergleich (§ 779 BGB) – bewusst in Kauf nehmen, dass die vereinbarte Interpretation nicht die zutreffende ist.116 Selbst wenn man das Vorliegen eines Auslegungsbedürfnisses wegen der sonst zu befürchtenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit des Auslegungsvertrages zu Recht nicht zu dessen Voraussetzungen zählt,117 werden die Beteiligten meist aus redlichen Motiven handeln und in ihrem Vertrag einen Weg zur Streitbeilegung und Abkürzung eines möglicherweise langwierigen und kostspieligen Verfahrens erbli112 Keidel/Meyer-Holz, § 36 Rn. 15, 18; MünchKomm-FamFG/Ulrici, § 36 Rn. 15 ff.; O. Werner, FS Kanzleiter, S. 407 f. Möglich bleibt aber ein rein prozessual wirkender verfahrensbeendender Vergleich, vgl. Bumiller/Harders, § 36 FamFG Rn. 2; Keidel/Meyer-Holz, § 36 FamFG Rn. 18; Bork, Vergleich, S. 454 f.; Storz, ZEV 2008, 308, 312; KG v. 16.9.2003 FamRZ 2004, 836. 113  Siehe die oben in Fn. 104 Genannten; außerdem Palandt/Weidlich, § 2084 Rn. 1; Schiffer/Scherf, ZErb 2006, 335, 338. 114  Einen gänzlichen „Abschied“ von diesen Bezeichnungen fordert deshalb Baumann, RNotZ 2011, 33, 35 f.; ähnlich ders., ErbR 2010, 109, 114. 115  Siehe aber Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 146. 116  Zu dieser Motivlage OLG Frankfurt v. 10.12.1999 ZEV 2001, 316, 318; das Gericht übersieht dabei freilich, dass ein gewisser Widerspruch darin liegt, mehrere Auslegungsmöglichkeiten für denkbar, aber nur eine für zutreffend zu erachten. Außerdem O. Werner, FS Kanzleiter, S. 403. 117  Storz, ZEV 2008, 308, 312; a.A. Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 148; Schlüter, Rn. 195.

B. Privatautonome Modifikationen der Bindungswirkung

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cken118 – mithin etwas tun, was das Recht üblicherweise honorieren sollte (vgl. § 278 ZPO, § 36 FamFG). „Die wohlverstandene Aufgabe eines Zivilgerichts“, heißt es etwa bei Gerhard Wagner, „besteht nicht darin, einverständliche Dispositionen der Parteien zu konterkarieren, sondern ihnen zur Durchsetzung zu verhelfen.“119 Diese Aufgabe kann jedoch nur im Rahmen zulässiger Abreden bestehen. Allein die Tatsache, dass es den Beteiligten nützlich wäre, wenn das Gericht an ihre Abrede gebunden wäre, kann nicht den Ausschlag dafür geben, dass das Gericht auch gebunden sein sollte. Ein Gericht wird sich einer einvernehmlichen Auslegung des Testaments nur aus guten Gründen verweigern und somit in den meisten Fällen dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten Rechnung tragen.120 In den verbleibenden Fällen sind die Beteiligten in der Lage, durch Vollzug ihrer schuldrechtlichen Abrede die Lage herzustellen, die nach ihrer Interpretation dem Erblasserwillen entspricht. Das BGB stellt hierfür mit der Erbausschlagung, der Erbteilsübertragung, der Erbschaftsübertragung und der Erbauseinandersetzung ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung.121 Auf den Inhalt des Erbscheins haben diese Geschäfte – mangels Auswirkung auf die Erbenstellung als solche – freilich keinen Einfluss.122 Diese auf die gestaltende Bestimmung von Erben und Erbteilen gerichteten Überlegungen gelten gleichermaßen für die Feststellung von Tatsachen, die nach dem Willen des Erblassers Einfluss auf die Erbfolge haben sollen. So können die Nachlassbeteiligten wiederum nur mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbaren, dass eine vom Erblasser aufgestellte Bedingung eingetreten ist.123 Aus diesen Überlegungen erhellt zugleich, dass den Erben darüber hinaus ganz generell die erforderliche Verfügungsbefugnis über eine Anordnung des Erblassers fehlt.124 Sie können deshalb nicht einem von dem Dritten ausgewählten Vermächtnisnehmer (§ 2151 BGB) seinen Anspruch entziehen, den von einem Dritten festgelegten Inhalt des Vermächtnisses (§ 2156 BGB) einseitig ändern oder eine andere als die von dem Dritten benannte Person zum Testamentsvollstrecker bestimmen (§ 2198 BGB). Zwar können, wenn der Dritte lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch konkretisieren soll, Gläubiger und Schuldner dieses Anspruchs darüber disponieren wie grundsätzlich über jeden anderen Anspruch auch. Betraut etwa der Erblasser einen Dritten mit der 118  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2084 Rn. 146, 148; allgemein G. Wagner, Prozeßverträge, S. 624 gegen den Verdacht, einverständliche Parteidispositionen über Tatsachen dienten in der Regel unlauteren Zwecken. 119  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 624 (Hervorhebung im Original); ähnlich Dressler, ZEV 1999, 289, 291. 120  Baumann, RNotZ 2011, 33, 36. 121  Baumann, RNotZ 2011, 33, 36. 122  Vgl. nur R. Frank/Helms, § 23 Rn. 5. 123  A.A. ausdrücklich Lange/Kuchinke, S. 795 (§ 34 IV 4), allerdings allein mit dem Hinweis darauf, dass ein derartiger Vertrag aus praktischen Gründen zulässig sein „muß“. 124  So ausdrücklich Baumann, ErbR 2010, 109, 111.

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

Entscheidung, wer von zwei Freunden des Erblassers dessen Sportwagen im Vermächtniswege zugewandt bekommen soll (§ 2151 BGB), so kann der Ausgewählte das Vermächtnis ausschlagen (§ 2180 BGB) und so die Erben in die Lage versetzen, dem nicht ausgewählten Freund den Sportwagen unter Lebenden zuzuwenden. Die Grenzen dieser Konstruktion zeigen sich darin, dass der Anspruch des nicht ausgewählten Freundes kein Vermächtnisanspruch ist und damit nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB) zählt, die insbesondere im Fall der Nachlassinsolvenz eine besondere Behandlung erfahren (§ 325 InsO). Alternativ könnte der Spruch des Dritten überspielt werden, indem der ausgewählte Vermächtnisnehmer der nicht ausgewählten Person seinen Anspruch abtritt. Ohne die Mitwirkung des ausgewählten Vermächtnisnehmers können die Erben somit nicht von der Anordnung des Erblassers und der Entscheidung des Dritten abweichen. Keinen Widerspruch stellt es dar, wenn überwiegend den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft gestattet wird, durch Auseinandersetzungsvertrag von einer Teilungsanordnung des Erblassers und damit auch von einem Auseinandersetzungsplan, den ein vom Erblasser dafür ausersehener Dritter aufgestellt hat (§ 2048 S. 2 BGB), abzuweichen.125 Wenn die Miterben eine andere Verteilung des Nachlasses als der Plan des Dritten vorsehen, so weichen sie zwar auch vom Willen des Erblassers ab. Jedoch kann ihnen die Anordnung einer Drittbestimmung nach § 2048 S. 2 BGB nicht die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände entziehen.126 Mit der abweichenden Verteilung modifizieren die Erben lediglich für die Zukunft wechselseitige schuldrechtliche Pflichten, ohne dass davon Drittinteressen betroffen wären.127 Es würde eine unnötige Komplizierung darstellen, wenn sie zunächst den Plan so, wie er vom Dritten bestimmt wurde, ausführen und sodann eine ihren Wünschen entsprechende Rechtslage herstellen müssten.128 125  Eberl-Borges, S. 119; Kretzschmar, SächsArch 3 (1908), 153, 155 Fn. 21. Wenn der Vorrang der Miterbenvereinbarung vor dem Auseinandersetzungsplan des Dritten vor allem im Zusammenhang mit dem Fall der offenbaren Unbilligkeit des Plans behandelt und aufgrund der Vereinbarung eine gerichtliche Ersetzung als entbehrlich angesehen wird (Münch­Komm-­ BGB/Ann, § 2048 Rn. 20; Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12; RGRK/Kregel, § 2048 Rn. 8; Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 15; NK-BGB/Eberl-Borges, § 2048 Rn. 17), folgt daraus doch nicht, dass die offenbare Unbilligkeit Voraussetzung dieses Vorrangs ist. Die offenbare Unbilligkeit wird in diesem Szenario lediglich von den Parteien unterstellt; ob sie tatsächlich auch in den Augen eines Gerichts vorliegen würde, ist unerheblich. Dem entspricht die Befugnis, durch Vereinbarung aller Miterben eine von einer Teilungsanordnung des Erblassers abweichende Verteilung vorzusehen, da dieser keine dingliche Wirkung zukommt, siehe dazu nur Palandt/Weidlich, § 2048 Rn. 4; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 9; Bamberger/Roth/ Lohmann, § 2048 Rn. 1; Jauernig/R. Stürner, § 2048 Rn. 1. 126  RG v. 16.3.1925 RGZ 110, 270, 274; Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 14; Münch­ Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 19. 127  Baumann, RNotZ 2011, 33, 34. 128  Freilich kann der Erblasser seinen Willen gegen eine Vereinbarung der Miterben weit-

C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit

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3. Ergebnis Die nachträgliche Modifizierung oder Aufhebung der Entscheidung des Dritten beruht auf einer erneuten Ausübung derselben Privatautonomie, die dem Dritten seine Entscheidungsmacht eingeräumt hat. Auf der Grundlage dieses Verständnisses ist eine Abschwächung der Bindungswirkung nach Gutach­ tenerstellung im Schuldrecht möglich, indem die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung eine neue Vereinbarung treffen und darin den Gegenstand des Schiedsgutachtens regeln, sei es selbst, sei es durch eine erneute Delegation der Entscheidungsbefugnis. Im Erbrecht hingegen stünde eine Abschwächung der Bindungswirkung allein dem Erblasser zu, der aber nach Gutachtenerstellung nicht mehr in der Lage ist, seine Testierfreiheit auszuüben. Da die Testierfreiheit nicht vererblich und nur zu Lebzeiten auf einen Dritten delegierbar ist, können die Nachlassbeteiligten nur mit Hilfe einer schuldrechtlichen Vereinbarung und entsprechender Vollzugsgeschäfte die von ihnen favorisierte Lage herstellen. Eine materielle Änderung der Erbrechtslage ist ihnen verwehrt.

C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit Voraussetzung der Bindungswirkung des Schiedsgutachtens ist stets, dass das Gutachten verbindlich ist. Ansatzpunkte für die Unverbindlichkeit des Gutachtens wurden bereits an mehreren Stellen in dieser Arbeit aufgezeigt. Nun lohnt es sich, diese Einzelerkenntnisse zusammenzufassen und daraus eine „Fehlerlehre“ des Schiedsgutachtenrechts zu skizzieren. Fehler sind auf zwei Stufen denkbar: Fehler auf der ersten Stufe betreffen die Zulässigkeit der vertraglichen Vereinbarung oder testamentarischen Anordnung des Schiedsgutachtens an sich. Fehler auf der zweiten Stufe beziehen sich auf die Erstellung oder den Inhalt eines konkreten Schiedsgutachtens.

gehend „sichern“, indem er seine Anordnung mit einer Verwirkungsklausel versieht oder den Miterben die Auseinandersetzung durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung aus der Hand nimmt. Der Testamentsvollstrecker kann einem abweichenden Willen der Miterben folgen, muss dies jedoch nicht (Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 29, § 2048 Rn. 9; Eberl-Borges, S. 103 ff., 113). Gebunden ist er an eine Teilungsanordnung des Erblassers (Erman/Schlüter, § 2048 Rn. 9).

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

I. Fehler der ersten Stufe: Unwirksamkeit der Unterwerfung unter das Schiedsgutachten Je nachdem, auf welcher Stufe ein Fehler vorliegt, unterscheiden sich dessen Folgen. Fehler auf der ersten Stufe invalidieren die vertragliche Vereinbarung oder testamentarische Anordnung des Schiedsgutachtens. Eine unzulässige Schiedsgutachtenklausel ist unwirksam.129 Welche Auswirkungen diese Unwirksamkeit auf das Geschäft hat, in dem sie enthalten ist, richtet sich zunächst nach allgemeinen Grundsätzen. Sofern die unzulässige Schiedsgutachtenklausel in den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB fällt, bleibt der Vertrag nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam. Sein Inhalt richtet sich gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Da gesetzliche Vorschriften nicht ersatzweise ein Schiedsgutachten anordnen, führt die Unzulässigkeit der Klausel mithin zu ihrer „Streichung“. Außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB richten sich die Auswirkungen der Unwirksamkeit auf den übrigen Vertrag nach § 139 BGB, der freilich als dispositive Norm häufig mittels einer salvatorischen Klausel abbedungen sein wird und der die Gesamtnichtigkeit des Vertrages ohnehin nur im Zweifel anordnet, so dass zu fragen ist, ob die Parteien das Geschäft auch ohne die unwirksame Schiedsgutachtenabrede vorgenommen hätten. Für den Fall, dass der Dritte nach freiem Belieben entscheiden sollte, wird teilweise eine Vermutung der Gesamtnichtigkeit angenommen.130 Die entgegengesetzte Vermutung zu § 139 BGB enthält § 2085 BGB, der die Wirksamkeit von Testamenten begünstigt und den Fortbestand der übrigen Verfügungen des Erblassers sichert, wenn nicht anzunehmen ist, dass diese Verfügungen ohne die Anordnung eines Schiedsgutachtens nicht getroffen worden wären.131 Ergibt sich danach, dass das Geschäft im Übrigen wirksam ist, entbehrt zudem ein trotz Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenklausel erstelltes Schiedsgutachten einer wirksamen Unterwerfung, die die Betroffenen an die Entscheidung des Schiedsgutachters bindet. Das Schiedsgutachten ist somit unverbindlich. Eine Ersetzung des Schiedsgutachtens oder ein Austausch des Dritten scheiden in Ermangelung einer Grundlage für das Schiedsgutachten aus. Es können allenfalls die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung oder der Erblasser eine 129  Zuvor sind natürlich die Möglichkeiten von Auslegung und Umdeutung auszuschöpfen, die besonders bei einem Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB relevant werden können, siehe dazu nur Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 64 f. 130  Vgl. PWW/Medicus/M. Stürner, § 319 Rn. 4. Dort wird diese Vermutung zwar für den Fall der Unverbindlichkeit oder des Ausbleibens der nach freiem Belieben zu treffenden Bestimmung ausgesprochen. Jedoch muss sie erst recht gelten, wenn schon die Grundlage des Schiedsgutachtens hinfällig ist. 131  Auf eine missliche Folge weist Hermann, FamRZ 1995, 1396, 1399 hin: Ist die Delegation, zwischen mehreren potentiellen Erben einen Nachfolger auszuwählen, unwirksam und sind alle Erbprätendenten bis auf einen vor dem Erblasser verstorben, so könnte gleichwohl nicht der einzige verbliebene als „ausgewählt“ zum Zuge kommen.

C. Auswirkungen fehlender Verbindlichkeit

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neue, wirksame Anordnung treffen und auf diese Weise das Schiedsgutachtenverfahren von neuem beginnen lassen. Um die Folge dieser Unwirksamkeit bestimmen zu können, ist im Weiteren die Mission des Schiedsgutachters zu berücksichtigen und zugleich zwischen Schuldrecht und Erbrecht zu differenzieren. Sollte der Schiedsgutachter vertragsergänzend tätig werden, so droht ein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot, wenn kein verbindliches Schiedsgutachten eingeholt werden kann. Im Schulfall der Preisbestimmung durch einen Dritten ist damit der gesamte Vertrag zum Scheitern verurteilt. Im Fall eines vertragsändernden Schiedsgutachtens ist diese drastische Rechtsfolge nicht erforderlich, da auf den Inhalt des zu ändernden Vertrags zurückgegriffen werden kann.132 Grundsätzlich bleibt damit alles beim bisherigen Zustand. Vorbehaltlich sonstiger Änderungsmöglichkeiten, wie sie sich im Einzelfall etwa aus § 313 BGB ergeben können, ist das von den Parteien verfolgte Ziel einer Flexibilisierung und Dynamisierung ihres Rechtsverhältnisses allerdings gescheitert. Ebensowenig muss es zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen, wenn die Grundlage für ein feststellendes Schiedsgutachten fehlt. Kommt es zum Streit über die festzustellende Tatsache, kann diese Tatsache, wenn sie im Streit befangen bleibt, in einem späteren Prozess durch das Gericht festgestellt werden.133 Soll beispielsweise ein ortsüblicher Zinssatz ermittelt werden, so kann der Gläubiger des Zinsanspruchs bei Scheitern der Feststellung Klage erheben auf Zahlung eines Zinssatzes, den er für ortsüblich hält. Das Gericht hat sich dann mit der Frage zu befassen, ob es die Einschätzung des Gläubigers teilt. Das Beispiel zeigt zugleich, worin gleichwohl der Nachteil der Unwirksamkeit für die Parteien liegt: Eine Feststellung zu einem frühen Zeitpunkt würde ihnen Planungssicherheit geben und außerdem dem Gläubiger das Kostenrisiko eines teilweisen Unterliegens bzw. das Risiko, zu wenig einzuklagen, abnehmen. Es kann sogar sein, dass der Schuldner aufgrund einer verbindlichen Feststellung des Zinssatzes freiwillig Zinsen in der festgestellten Höhe leistet, so dass ein späterer Prozess ganz entbehrlich würde. Im Erbrecht lassen sich im Grundsatz entsprechende Regeln finden, allerdings existiert kein Parallelfall zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages im Fall des vertragsergänzenden Gutachtens. Denn auch ohne ein Testament des Erblassers besteht eine umfassende Nachlassregelung in der gesetzlichen Erbfolge und den weiteren Vorschriften des gesetzlichen Erbrechts, etwa zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Testament stellt faktisch nur eine Än132 

Habscheid, FS Lehmann II, S. 795. entscheidet das Gericht dann im normalen ZPO-Verfahren und nicht als Ersatz für den Schiedsgutachter. Zu den Unterschieden zwischen beiden Tätigkeitsarten Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 27 ff. sowie oben § 4 D.II.1.b) (S. 238 f.) und unten § 14 C.II.3.b) (S. 693 ff.). Zu ähnlichen Differenzierungen im französischen Recht für den Fall, dass sich die Parteien nicht auf einen Dritten einigen können, siehe bereits oben § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.). 133  Allerdings

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§ 13 Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens

derung dieser gesetzlichen Ausgangslage dar, so dass auch die gestaltende Entscheidung des Dritten nie ergänzenden, sondern nur ändernden Charakter hat. Fällt diese Gestaltungsentscheidung aus, weil sie nicht wirksam vom Erblasser angeordnet wurde, bleibt es bei den gesetzlichen Regelungen – so, wie es im Schuldrecht beim Inhalt des zu ändernden Vertrages bleibt. War die Mission des Dritten auf eine Feststellungsentscheidung gerichtet, so muss die Feststellung im Streitfall vom zuständigen Gericht getroffen werden.

II. Fehler der zweiten Stufe: Überschreitung der Befugnisse des Schiedsgutachters Während die erste Stufe das Fehlen der Rechtsmacht des Schiedsgutachters betraf, geht es auf der zweiten Stufe um die Überschreitung einer bestehenden Rechtsmacht, indem sich der Schiedsgutachter nicht an Vorgaben der Parteien hält. Eine Überschreitung kann in einem Verfahrensfehler liegen oder darin, dass der Schiedsgutachter ein inhaltlich zu beanstandendes Gutachten vorlegt und insofern von den Vorgaben hinsichtlich seines Entscheidungsmaß­stabs abweicht. In beiden Fällen ist das Schiedsgutachten nicht von der Ermächtigungsgrundlage im Vertrag oder Testament gedeckt. Es kann deshalb keine Bindungswirkung entfalten.134 Fehler auf dieser Stufe führen also zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens, lassen aber die Vereinbarung oder Anordnung, ein Schiedsgutachten einzuholen, intakt. Den allgemeinen Rahmen für die Reaktion auf diese Situation zeichnet § 319 Abs. 1 S. 2 BGB vor, der entweder direkt oder analog angewendet werden kann. Danach tritt an die Stelle des unverbindlichen Schiedsgutachtens vorrangig ein privatautonomer Ersetzungsmechanismus und in Ermangelung eines solchen ein Urteil, in dem das Gericht in Ausübung seiner Kontroll‑ und Ersetzungsfunktion135 die ausstehende Festsetzung vornimmt. Eine Unwirksamkeit des Vertrages wegen Unbestimmtheit kann auf diese Weise vermieden werden. Auch die wegen offenbarer Unbilligkeit unverbindliche gestaltende Leistungsbestimmung lässt nicht den Vertrag insgesamt scheitern.136 Davon zu unterscheiden ist jedoch die Situation, dass dem Gericht eine Ersetzung versagt ist. Hauptbeispiel dafür ist die Leistungsbestimmung nach freiem Belieben.137 Zwar bezieht sich § 319 Abs. 2 BGB seinem Wortlaut nach nicht auf die Abgabe einer unverbindlichen Leistungsbestimmung, sondern nur 134  Zur Frage einer, richtigerweise abzulehnenden, einstweiligen Verbindlichkeit siehe unten § 14 C.II.1.a) (S. 670 ff.). 135  Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 299 ff.). 136  Habscheid, KTS 1957, 129, 131. 137  Zu weiteren möglichen Gründen siehe unten § 14 C.II.1. (S. 670 ff.).

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auf das Ausbleiben einer solchen. Da aber ein Gericht nicht nach freiem Belieben die fehlerhafte Drittbestimmung ersetzen kann, kann die Rechtsfolge des § 319 Abs. 2 BGB auf diesen Fall übertragen werden.138 Bezweckten die Parteien mit der Bestimmung des Dritten eine Ergänzung ihres noch unvollständigen Vertrages, so ist dieser folglich unwirksam. Wie es nun dogmatisch zu dieser Unwirksamkeit kommt, wollte der BGB-Gesetzgeber nicht festlegen.139 Ob also, ähnlich wie bei Justinian, vom Ausbleiben einer aufschiebenden Bedingung auszugehen140 oder die Unwirksamkeit schlicht auf die „Unausführbarkeit“141 eines unvollständigen Vertrages zurückzuführen ist, bleibt damit der Auslegung des Gesetzes überlassen.142 Sollte der Spruch des Dritten einen bestehenden Vertrag ändern, so muss dessen Unverbindlichkeit hingegen nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen, da ja ein wirksamer und ausführbarer Vertrag vorliegt. Die Rechtsverhältnisse der Parteien richten sich dann im Zweifel nach dem nicht geänderten Ausgangsvertrag. Bestand die Aufgabe des Dritten in einer Feststellungsentscheidung, so hat die Unverbindlichkeit zur Folge, dass die Feststellung, falls es zu einem Streit der Parteien darüber kommt, in einem Prozess vom Gericht geklärt werden muss.143 Gravierende Folgen für die Wirksamkeit des Vertrages hat die gerichtlich nicht korrigierbare Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten somit nur im Fall des vertragsergänzenden Schiedsgutachtens. Insofern besteht eine Parallele zu den zuvor beschriebenen Folgen eines Fehlers der ersten Stufe.

138 Staudinger/­R ieble,

§ 319 Rn. 24; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 13. Soweit die Unwirksamkeit freilich auf einem Verstoß gegen die §§ 134, 138 BGB beruht, kann die Rechtsfolge unmittelbar diesen Vorschriften entnommen werden, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 319 Abs. 2 BGB bedarf. 139  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 106. 140  W. Witz, S. 179. 141  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 mit Fn. 19 (§ 6 II b) (Annahme einer Bedingung unpassend, da die Parteien von der Vornahme der Bestimmung ausgehen); Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 28 (Rechtsfolge „unmittelbar Abs. 2 zu entnehmen“). 142 Dazu Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 294 (§ 12 III 3 b) m.w.N. Nach Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13 hat die Frage keine praktische Relevanz. Anders ist dies allerdings, wenn man mit Staudinger/­Rieble, § 319 Rn. 27 „Unausführbarkeit“ in einem weitergehenden Sinne versteht: Die Formulierung des § 319 Abs. 2 BGB ordne nicht die endgültige Unwirksamkeit des Vertrages an, sondern verweise nur auf dessen vorübergehende Unausführbarkeit, solange die Leistungsbestimmung noch nicht vorliegt. Die Frage könne relevant werden, wenn der Dritte eine verzögerte Leistungsbestimmung doch noch abgebe („doch-noch-Leistungsbestimmung“). 143  Siehe hierzu auch Fn. 133.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens Ist damit die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens, die ihren Grund in der Privatautonomie des Delegierenden findet, erarbeitet, so ist im Folgenden noch zu überlegen, wann diese Bindungswirkung fehlt. Zusätzlich zur – nicht ausdrücklich geregelten – Unverbindlichkeit wegen Verfahrensfehlern ist in § 319 Abs. 1 BGB eine inhaltliche Kontrolle der Entscheidung des Dritten angelegt. Dieser inhaltlichen Kontrolle ist im Folgenden nachzugehen.

A. Zweck der Kontrolle I. Gesetzliche Grundlagen Soll ein Dritter nach billigem Ermessen eine Leistung bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung gemäß § 319 Abs. 1 S. 1 BGB für die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung nicht verbindlich, wenn die Bestimmung offenbar unbillig ist. In nahezu identischer Formulierung besagt § 2048 S. 3 BGB, dass die Bestimmung eines vom Erblasser zur Erbauseinandersetzung nach billigem Ermessen eingesetzten Dritten für die Erben nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar unbillig ist. Auf § 319 BGB verweist § 2156 BGB für die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen eines Dritten bei Anordnung eines Vermächtnisses, dessen Zweck der Erblasser bestimmt hat. Über § 2192 BGB i.V.m. § 2156 BGB ist auch auf Auflagen die Vorschrift des § 319 BGB entsprechend anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung ist – mangels einschlägiger Regelung in den §§ 2151, 2153, 2198 BGB – auch für die übrigen Fälle von Gestaltungsentscheidungen eines Dritten im Erbrecht zu überlegen.1 Auch eine Erbenbestimmung durch einen Dritten nach billigem Ermessen soll, soweit sie für zulässig erachtet wird, unverbindlich sein, falls sie offenbar unbillig ist. 2

1  Zu § 2151 BGB siehe noch unten § 14 B.II.3.b) (S. 662 ff.). Zu § 2153 BGB: dafür Staudinger/Otte, § 2153 Rn. 2; dagegen Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2153 Rn. 5. 2  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 31; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 18.

A. Zweck der Kontrolle

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Während damit für Gestaltungsentscheidungen eines Dritten im BGB verschiedene Hinweise auf eine inhaltliche Kontrolle existieren, findet sich eine entsprechende Vorschrift für Feststellungsentscheidungen nur außerhalb des BGB für das Sachverständigenverfahren in der Schadensversicherung in § 84 Abs. 1 S. 1 VVG, auf den § 189 VVG für die Unfallversicherung verweist. Danach ist die durch Sachverständige getroffene Feststellung einzelner Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder der Höhe des Schadens nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage abweicht. Die Ähnlichkeit dieser Formulierung zu den Worten des § 319 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf keiner Betonung. Gleichwohl orientiert sich die Rechtsprechung zur Kontrolle von Feststellungsentscheidungen im Schuldrecht nicht an § 84 Abs. 1 S. 1 VVG, sondern am griffigeren § 319 Abs. 1 S. 1 BGB.3 Die Feststellung eines Dritten ist unverbindlich, wenn sie offenbar unrichtig ist.4 Nur einige Verfechter der prozessualen Theorie gehen so weit, eine Kontrolle des feststellenden Schiedsgutachtens nicht an materiell-rechtlichen Normen, sondern an der Regelung des Aufhebungsverfahrens für Schiedssprüche in § 1059 ZPO auszurichten.5 Spärlich sind die Äußerungen zu Feststellungsentscheidungen im Erbrecht, doch wird – soweit die Frage behandelt wird – auch hier auf § 319 BGB zurückgegriffen, um eine Unverbindlichkeit begründen zu können, wenn die Entscheidung offenbar unrichtig ist.6 Dieser knappe Überblick über die gesetzlichen Grundlagen soll zweierlei zeigen: Die Unverbindlichkeit der Entscheidung eines Dritten aus inhaltlichen Gründen ist im Gesetz, wie das Schiedsgutachten überhaupt, nur fragmentarisch geregelt. Jedoch wird über die verstreuten Normierungen hinaus eine Unverbindlichkeit aufgrund des Inhalts ganz generell für grundsätzlich erforderlich gehalten.

II. Rechtfertigung der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen Dieser Überblick über die positiven Grundlagen einer Kontrolle der Entscheidung des Dritten sollte nicht dazu führen, die Möglichkeit einer Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen als selbstverständlich hinzunehmen. Im Gegenteil bedarf diese Unverbindlichkeit einer besonderen Rechtfertigung, da 3  Siehe sogar Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 25: Mit der Formulierung der Vorschriften im VVG sei „der sinngemäßen Anwendung des [§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB] auf [feststellende] Schiedsgutachten vom Gesetzgeber selbst der Weg gewiesen worden“. 4  Siehe oben § 2 B.II.2.b) (S. 49). 5  Siehe oben § 2 B.II.5.d) (S. 84) sowie noch unten § 15 C.III.1. (S. 740 ff.). 6  Für eine Anwendung der §§ 317 ff. BGB auf Schiedsgutachten im Erbrecht Otte, FamRZ 2006, 309, 310.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

sie – zumindest dem ersten Anschein nach – eine Einschränkung der privatautonomen Gestaltung der Parteien mit sich bringt. Bei der Stellvertretung, so ließe sich argumentieren, besteht ja auch keine Sicherung gegen besonders unvorteilhafte Geschäfte des Vertreters, die an den Inhalt des Geschäfts anknüpft.7 Zwar entfallen bei der Leistungsbestimmung Verkehrsschutzerwägungen, die eine erhöhte Verbindlichkeit der Erklärung eines Stellvertreters begreiflich machen können.8 Das Fehlen von schutzwürdigen Drittinteressen erklärt jedoch nicht den prima facie bestehenden Widerstreit mit dem Interesse der Parteien an einem verbindlichen Schiedsgutachten. Im Folgenden ist deshalb zu untersuchen, wie die Unverbindlichkeit eines Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen legitimiert werden kann.

1. Exogener Ansatz I: Schiedsgutachten als Rechtsprechung Relativ leicht hat es mit dieser Frage, wer die Tätigkeit des Dritten als Rechtsprechung betrachtet und jegliche nicht-staatliche Rechtsprechung unter staatlicher Kuratel sehen will. Im Ergebnis kann dieser Ansatz, der die Notwendigkeit einer Überprüfung gewissermaßen von außen an das Schiedsgutachtenwesen heranträgt, jedoch nicht überzeugen. Zurückzukommen ist deshalb auf den oben bereits kurz erwähnten weiten Rechtsprechungsbegriff, wie ihn Ramm und ihm folgend Joussen vertreten.9 Als Rechtsprechung im weitesten Sinne definieren sie „die Tätigkeit eines hierzu bestimmten Dritten, um eine gegenwärtige Streitigkeit oder künftige Streitigkeit zu regeln und dadurch die Störung oder Bedrohung des Friedens zu beseitigen.“10

Diese Definition erstreckt sich sowohl auf die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten als auch auf die Beilegung von Regelungsstreitigkeiten, so dass insbesondere auch ein „Schlichter“ darunter fällt.11 Zu den Schlichtern zähle auch der leistungsbestimmende Dritte, der gestaltende Schiedsgutachter.12 Für diese Annäherung werden zwei Gründe angeführt: Erstens teilten die Schiedsgerichtsbarkeit, die zweifellos Rechtsprechung darstelle, und die Leistungsbestimmung durch einen Dritten als das „materiellrechtliche Gegenstück zu § 1025 ZPO“ mit der Privatautonomie dieselbe Legitimationsgrundlage.13 Zum zweiten ar 7 

Folgerichtig deshalb auf der Grundlage der französischen Sichtweise vom mandataire commun Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I: „… ils sont des mandataires des parties. D’après cela, il faut dire que leur évaluation est inattaquable …“ (Hervorhebung hinzugefügt).  8 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 30.  9  Siehe oben § 7 B.III. (S. 478). 10  Ramm, ZRP 1989, 136, 138; zu Joussen siehe sogleich. 11  Ramm, ZRP 1989, 136, 138. 12  Ramm, ZRP 1989, 136, 137. 13  Ramm, ZRP 1989, 136, 137.

A. Zweck der Kontrolle

629

beite auch der staatliche Richter, dem die Rechtsprechung im engeren Sinne überlassen sei, nicht nur rechtsanwendend, sondern er könne wie ein Schlichter kreativ Recht schöpfen, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe ausfüllen, ungeschriebene vertragliche oder außervertragliche Pflichten entwickeln und sich sogar über das Gesetz hinwegsetzen.14 Daher sei „die frühere selbstverständliche Unterscheidung von Richten und Schlichten längst überholt“.15 Auf den feststellenden Schiedsgutachter soll dieser Rechtsprechungsbegriff hingegen nicht anwendbar sein, da dieser keinen Rechtsstreit entscheide, sondern nur die Tatsachengrundlage dafür liefere.16 Doch unterscheide sich der feststellende Schiedsgutachter wenig von seinem gestaltenden Widerpart.17 Da die sachverständigen Ermittlungen des feststellenden Schiedsgutachters häufig faktisch zur Beendigung des Streites führten oder doch jedenfalls eine wesentliche Weichenstellung für einen künftigen Rechtsstreit erbrächten, müsse auch er unabhängig sein.18 Auf den feststellenden Schiedsgutachter werden damit wichtige Elemente des Rechtsprechungsbegriffs ebenfalls angewendet. Die Zuordnung jedenfalls des gestaltenden, in gewisser Hinsicht aber auch des feststellenden, Schiedsgutachtens zu diesem Rechtsprechungsbegriff habe zur Folge, dass Wesensmerkmale und Voraussetzungen von Rechtsprechung auch auf das Schiedsgutachten zutreffen.19 Aus dieser Gleichbehandlung nach einem gemeinsamen Oberbegriff folge, dass „nichtstaatliche Schlichtungsentscheidungen durch den Staat unter dem Aspekt zu kontrollieren [sind], daß sie als Verletzung oberster Gerechtigkeitsprinzipien ‚grob unbillig‘ seien.“20

Diesem weiten Rechtsprechungsbegriff schließt sich Joussen an, der vor allem die Elemente der Beilegung eines Streits und der Neutralität des Dritten betont. 21 Diesem Begriff lasse sich „nicht nur die Tätigkeit des Richters zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zuordnen, sondern unter ihn kann auch die Tätigkeit des Schlichters gefasst werden, der durch seine Leistungsbestimmung als Dritter eine Regelungsstreitigkeit befriedet und beilegt.“22

14 

Ramm, ZRP 1989, 136, 137 f. Ramm, ZRP 1989, 136, 138. 16  Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 17  Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 18  Ramm, ZRP 1989, 136, 144. 19  Ramm, ZRP 1989, 136, 142 f. 20  Ramm, ZRP 1989, 136, 143. 21  Joussen, S. 456 ff. 22  Joussen, S. 459. Joussen stimmt also auch insofern mit Ramm überein, als er die Leistungsbestimmung durch einen Dritten ebenfalls unter das Konzept der Schlichtung fasst, vgl. Joussen, S. 32 ff. 15 

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Zwar müsse zwischen Schlichten und Richten unterschieden werden. 23 Nicht jedes Richten sei Schlichten, doch Schlichtung sei „eine besondere Form von Rechtsprechung“ und deshalb „jedes Schlichten immer auch Richten“. 24 Jedoch zieht Joussen trotz dieser Übereinstimmung im Ausgangspunkt nicht unmittelbar dieselbe Schlussfolgerung. Er gelangt erst mit aufwendigerer Argumentation zu demselben Resultat. Rechtsprechung müsse, „in rechtsstaatlichen Kategorien gedacht, nicht immer überprüfbar sein bzw. überprüft werden“. 25 Die Dogmatik zu Art. 19 Abs. 4 GG, der gerade keinen umfassenden Rechtsschutz gegen Rechtssprechungsakte vorsehe, zeige, dass „die Feststellung, die Schlichtung sei eine Form der Rechtsprechung, nicht dazu führt, dass ihr Ergebnis, ihre Leistungsbestimmung allein schon aus diesem Grund inhaltlich überprüfbar sein und überprüft werden müssten.“26

Doch treffe der Gedanke des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann zu, wenn die Schlichtung, wie etwa in bestimmten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zwangsweise angeordnet sei. 27 Da den Parteien hier ein Schlichtungsergebnis diktiert werde, müsse ihnen die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung einzuholen, gewährt werden. Im Fall der Schlichtung, die – wie die Leistungsbestimmung nach § 317 BGB – auf einem freiwilligen Entschluss der Parteien beruht, entfalle diese Begründung zwar auf den ersten Blick, so dass weder die Einordnung als Rechtsprechung noch ein Zwangscharakter rechtfertigen könnten, weshalb der Schlichterspruch, d.h. die Leistungsbestimmung, einer Überprüfung zu unterziehen sei. 28 Beruhe aber die Verbindlichkeit des Schlichterspruchs auf einer vorherigen Unterwerfung der Parteien – im Gegensatz zu dessen nachträglicher Übernahme in einen Vertrag –, so werde aus dem freiwilligen Verfahren „schon beinahe wieder“ eine zwingende Schlichtung, so dass doch dieselbe Herleitung wie bei Zwangsschlichtungsverfahren einschlägig sei.29 Im Ergebnis wird damit für den hier interessierenden Fall der Leistungsbestimmung, die ein Dritter aufgrund einer vorherigen Unterwerfung der Parteien vornimmt, doch der Rechtsprechungscharakter der Drittentscheidung zur Begründung für die Notwendigkeit einer inhaltlichen Kontrolle. Dies Ergebnis deckt sich mit Joussens genereller Position, wonach eine Überprüfung deshalb erforderlich sei, weil Schlichtung Gerechtigkeit herstellen wolle und eine Entscheidung 23 Vgl. Joussen, S. 27 ff.; Söllner, ZfA 1982, 1 ff. (der Schlichten und Richten freilich als Pole einer „Typenreihe“ sieht). 24  Joussen, S. 450, 452. 25  Joussen, S. 460. 26  Joussen, S. 462. Inwieweit der Verweis auf Art. 19 Abs. 4 GG im Bereich der nichtstaatlichen Streitbeilegung überhaupt ein taugliches Argument darstellt, muss hier nicht vertieft werden. 27  Joussen, S. 463 ff. 28  Joussen, S. 472. 29  Joussen, S. 476. Zur Assimilation von freiwilliger und Zwangsschlichtung ders., S. 261.

A. Zweck der Kontrolle

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„überhaupt nur dann als gerecht angesehen und beurteilt werden [kann], wenn sie sich nicht nur an dem … Entscheidungsmaßstab orientiert, sondern darüber hinaus auch einer wie auch immer gearteten Überprüfung, also einer zweiten, weiteren Entscheidung standhält. Denn eine gerechte Entscheidung muss eine Überprüfung schon deshalb nicht scheuen, weil sie eben gerecht ist.“30

Die Kontrollmöglichkeit kompensiere die „Fehlbarkeit und Unzulänglichkeit“ menschlichen Handelns.31 Der Begriff einer Rechtsprechung im weiteren Sinne, der vor allem für die Argumentation Ramms tragend ist, hat sich nicht durchsetzen können.32 Er führt die Dinge auf eine wenig handhabbare Abstraktionsebene und wird dadurch als zu weites Konzept überladen und jedenfalls in seinen Randbereichen unscharf. Warum etwa das gestaltende Schiedsgutachten, das einen Regelungsstreit beilegt, darunter fällt, nicht aber das feststellende Schiedsgutachten, das einen Streit über Tatsachen beenden soll und mit seiner prozessvermeidenden Funktion häufig näher an einem Gerichtsverfahren steht als die reine Leistungsbestimmung durch einen Dritten, ist wenig einsichtig. Letztlich müssten nach diesem Begriff der Vergleichsschluss und sogar jeder Vertragsschluss und jede Vertragsänderung durch einen von § 181 BGB befreiten gemeinsamen Vertreter als Rechtsprechung anzusehen sein. Diese Sichtweise eröffnet möglicherweise den Blick auf interessante Querverbindungen und Gemeinsamkeiten. Die Gefahr, dass dadurch die Wahrnehmung von Unterschieden erschwert wird, scheint indes größer. Vor allem aber dürfte es schwer sein, aus einem derart allgemeinen Konzept brauchbare konkrete Ableitungen zu gewinnen. Dieser letzte Punkt führt auch zu dem hier entscheidenden Einwand, der es zugleich entbehrlich macht, den Stab über den Begriff der Rechtsprechung im weitesten Sinne zu brechen. Denn wenn es tatsächlich zu den Wesensmerkmalen von Rechtsprechung gehören sollte, dass eine Entscheidung der Rechtsprechung einer staatlichen Kontrolle unterliegen muss,33 so kann die Tatsache, dass auch Schiedsgutachten einer Überprüfung zugänglich sein müssen, die Zuordnung zur Rechtsprechung begründen. Es kann aber nicht umgekehrt geschlossen werden, dass Schiedsgutachten deshalb, weil sie andere Charakteristika der Rechtsprechung teilen, auch in diesem Wesensmerkmal mit Instituten, die mit Sicherheit der Rechtsprechung zuzuschlagen sind, übereinstimmen. Andernfalls drohte ein – unzulässiger34 – Rückschluss von Art. 19 Abs. 4 GG auf 30 

Joussen, S. 448 f. Joussen, S. 448. 32  Sehr kritisch Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4 mit Fn. 9. Sympathie für einen gemeinsamen Oberbegriff aufgrund der „Wesensgleichheit“ von staatlicher Rechtsprechung, Schiedsgerichtsbarkeit und Schlichtung aber bei Schwab/G. Walter, Kap. 1 Rn. 7 Fn. 29. 33  Joussen, S. 460 ff. bezweifelt dies gerade im Einklang mit der überkommenen Dogmatik zu Art. 19 Abs. 4 GG. 34  Dazu näher Dütz, S. 125 ff. m.w.N. Zu Dütz’ Position, inwiefern die Gerichtsschutz31 

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

das materielle Recht, wenn die zur Durchsetzung materieller Rechtspositionen bestehende Gerichtsschutzgarantie dazu verwendet wird, derartige Positionen erst zu begründen oder auszugestalten. Plausibler wird der Versuch einer exogenen Rechtfertigung der Überprüfungsmöglichkeit nicht dadurch, dass zusätzlich der Zwangscharakter bestimmter Arten von Schlichtung betont und auf diese Weise eine Parallele zu hoheitlichen Entscheidungen hergestellt wird. Das gestaltende Schiedsgutachten, die Leistungsbestimmung durch einen Dritten, zeichnet sich gerade durch Freiwilligkeit aus. Würde die vorherige Unterwerfung unter die Entscheidung des Dritten dazu führen, das Verfahren zu einem Zwangsverfahren umzumünzen, so wäre die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwingender Schlichtung unnütz, da die vorherige Unterwerfung gerade Kernbestandteil des § 317 BGB ist.35 Selbst wenn also die Tätigkeit des Schiedsgutachters als Rechtsprechung anzusehen wäre, würde daraus nicht folgen, dass seine Entscheidung einer nachträglichen Kontrolle bedarf und gegebenenfalls aus inhaltlichen Gründen unverbindlich sein kann.

2. Exogener Ansatz II: Kontrolle wegen mangelnder Qualität als Rechtsprechung Freilich darf hieraus nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden, eine Überprüfung sei deshalb erforderlich, weil das Schiedsgutachten keine Rechtsprechungsqualität habe. Eben dies klingt aber in der Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs zu gestaltenden Schiedsgutachten an, wenn es dort heißt, die Leistungsbestimmung durch einen Dritten „verbleibt in dem materiellrechtlichen Bereich der gegebenen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Das Fehlen richterlicher Funktionen beim Schiedsgutachter ist der innere Grund für eine sachliche Nachprüfung seines Gutachtens durch das ordentliche Gericht“.36

Diese Position kehrt in anderen Urteilen in weniger pointierter Form wieder, wenn darin postuliert wird, eine Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit sei zum Schutz der benachteiligten Partei „aus dem allgemeinen Gedanken der Gerechtigkeit geboten“.37 garantie doch Einfluss auf die Ausgestaltung des Schiedsgutachtenverfahrens ausübt, siehe bereits oben § 7 B.II.6.a) (S. 465 ff.). 35 A.A. Joussen, S. 260 f., für den es gerade der „überwiegende“ und „klassische Fall des § 317 BGB“ sei, wenn sich die Parteien die Übernahme des Schlichterspruchs vorbehalten und nach dessen Spruch noch einen eigenständigen Vertrag schließen müssen, in dem sie sich den unverbindlichen Vorschlag zu eigen machen. 36  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 340. 37  BGH v. 3.10.1957 NJW 1957, 1834; derselbe Schutzgedanke findet sich auch in OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44 f.; siehe auch Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011 („Die Rechtsord-

A. Zweck der Kontrolle

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Daran ist zwar richtig, dass jeder materiell-rechtliche Akt vor Gericht auf seine Vereinbarkeit mit zwingendem Recht überprüft werden kann. Für eine darüber hinausgehende Kontrolle anhand eines eingriffsintensiveren Maßstabs kann die Rechtsnatur allein jedoch nicht als Begründung dienen. Andernfalls ließe sich jegliche Restriktion der Privatautonomie im Wege einer richterlichen Inhaltskontrolle damit rechtfertigen, dass die Erklärungen der Parteien ihre Wirkungen im materiell-rechtlichen Bereich entfalten.

3. Endogener Ansatz: Kontrolle des Schiedsgutachtens als Vertragsinhaltskontrolle Dass die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen einer Rechtfertigung bedarf, liegt an der Grundlage der Drittbestimmung in der Privatautonomie der Parteien. Wenn der Wille des Dritten an die Stelle des Parteiwillens tritt, der Dritte also seine Bestimmung „an Stelle des Einverständnisses der Parteien in die Seele der Kontrahenten“38 hinein abgibt, so käme eine richterliche Überprüfung einer Kontrolle dieses Parteiwillens gleich. Aufgrund der vorherigen Delegation von Privatautonomie macht der Dritte gewissermaßen für die Parteien von deren Privatautonomie Gebrauch.39 Immerhin ließe sich erwägen, dass eine Überprüfung der Entscheidung des Dritten schon deshalb entbehrlich ist, weil sich die Parteien ihr freiwillig unterworfen haben.40 Es hat den Anschein, als würden Billigkeit und Austauschgerechtigkeit über die Rechtssicherheit gestellt.41 Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang im französischen Recht artikuliert, wenn es dort, wie die Rechtsprechung nicht müde wird zu wiederholen,42 heißt, dass die Parteien die Bestimmung des Dritten gemäß Art. 1592 Code civil zu ihrem „Gesetz“ gemacht hätten.43 Eine richterliche Überprüfung der Entscheidung des Dritten scheint folglich mit der vertraglichen Bindung (force obligatoire du contrat) überhaupt zu konfligieren.44 Es müsste dem Richter verwehrt sein, die Entscheidung des Dritten mit einem Gegengutachten in Frage zu stellen oder zu korrigieren,45 zumal ein Entfallen der

nung versagt einem Schiedsgutachten die Anerkennung, wenn es mit grundlegenden Fehlern behaftet ist.“). 38  Mot., in: Mugdan, Bd. II, S. 107. 39 Ähnlich Joussen, S. 472: Der Schlichter könne deshalb Recht setzen, „weil ihn die Parteien, die dazu befugt sind, ihrerseits ermächtigen und ihm ihre eigene Legitimation zur Vertrags‑ und Rechtsetzung abtreten und übertragen.“ 40 Vgl. Joussen, S. 449, der dieselbe Frage aufwirft, aber ebenfalls verneint. 41  Verstegen, FS De Vroede, S. 1531 ff. 42  Gautier, RTD civ. 1992, 133, 134 („cent fois répété“). 43  Siehe oben § 13 A.I.1. (S. 600 f.). 44  Tallon, Nr. 3.3.3.02, der freilich dennoch eine eingeschränkte Überprüfung für notwendig hält. 45  Gautier, RTD civ. 1992, 133.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Bindungswirkung auch weder in Art. 1592 noch in Art. 1843-4 Code civil vom Gesetzgeber vorgesehen ist.46 Es verwundert daher wenig, wenn teilweise die richterliche Überprüfung der Drittbestimmung auf das Vorliegen einer erreur grossière des Schiedsgutachters als systemwidrig und unangemessen angesehen wird.47 Wenn die Entscheidung des Dritten eine Einigung der Parteien ersetzt, läuft eine Kontrolle seines Spruches auf eine Inhaltskontrolle dieser „Parteieinigung“ hinaus.48 Eine richterliche Überprüfung der Angemessenheit einer Leistung ist jedoch in Frankreich49 ebenso wie in Deutschland50 grundsätzlich nicht vorgesehen. Jedoch besteht dieser Konflikt nur scheinbar. Grundsätzlich ermöglicht die Privatautonomie den Parteien die Gestaltung ihrer Verhältnisse in den Grenzen des zwingenden Rechts, d.h. vor allem innerhalb der Grenzen der §§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB. Anhand dieser Vorschriften ist jeder Vertrag und jede Verfügung von Todes wegen überprüfbar. Soweit sich die inhaltliche Kontrolle der Entscheidung des Dritten auf eine reine Rechtskontrolle, d.h. die Einhaltung der zwingenden Grenzen der Privatautonomie,51 beschränkt, stellt die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen folglich keine Besonderheit dar. Im Gegenteil wäre es gerade nicht zu rechtfertigen, wenn die Entscheidung des Dritten überhaupt nicht aus inhaltlichen Gründen unverbindlich sein könnte. Denn mit der Ermächtigung eines Dritten zu einer unter allen Umständen bindenden Entscheidung könnten die Parteien die Grenzen des zwingenden Rechts umgehen, indem der Dritte einen Vertragsinhalt bestimmen kann, den zu vereinbaren den Parteien gemäß §§ 134, 138, 242 BGB verwehrt wäre.52 Die Ermächtigung eines Dritten, eine willkürliche Entscheidung mit Bindungswirkung für die ermächtigenden Parteien zu treffen, würde gegen § 138 BGB verstoßen.53 In diesen Bestimmungen liegt deshalb zugleich die äußerste Grenze, bis zu der die Überprüfung eines Schiedsgutachtens und dessen Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen stets zulässig sein müssen. Da es eine derartige Grenze gibt, steht auch fest, dass Schiedsgutachtenvereinbarungen nicht unzulässigerweise die Zuständigkeit der Gerichte vollständig 46 

Gautier, RTD civ. 2004, 308. Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29 („incohérente car dépourvue de correspondance dans notre système juridique“); Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 477 f. 48  Diese Parallele erkennt auch Joussen, S. 473 ff., beschränkt sie aber offenbar auf die nachträgliche Unterwerfung der Parteien unter die Drittbestimmung, von der hier gerade nicht zu handeln ist. 49  Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29 Fn. 36. 50  Statt aller Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 23; Fastrich, S. 36 ff.; R. Zimmermann, Moderationsrecht, S. 58 f., 190 ff. 51  Zum Begriff der „Rechtskontrolle“ als Anwendung materiellen Rechts im Wege der Subsumtion v. Hoyningen-Huene, S. 129; Fastrich, S. 9. 52  In diese Richtung auch Dütz, S. 217. 53 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 4. 47 

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derogieren, wie in England zum Teil behauptet wurde, um die hohe Verbindlichkeit von Schiedsgutachten zurückzuschrauben.54 Damit wird aber zugleich deutlich, dass es eine Beschränkung der Privatautonomie darstellt, wenn die Entscheidung des Dritten einer weitergehenden materiellen, inhaltlichen Kontrolle unterzogen wird, als sich die Parteien hinsichtlich einer von ihnen selbst getroffenen Vereinbarung gefallen lassen müssten.55 Indem § 319 Abs. 1 BGB die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens im Fall offenbarer Unbilligkeit vorsieht, geht er über eine reine Rechtskontrolle anhand der üblichen Begrenzungen der Privatautonomie hinaus.56 Ohne dass hier den Überlegungen dazu, was unter dem Kontrollmaßstab der offenbaren Unbilligkeit im Einzelnen zu verstehen ist, vorgegriffen werden muss, ist doch sicher, dass diese Eingriffsschwelle unterhalb der Voraussetzungen der §§ 134, 138, 242 BGB liegt. Wäre jedes offenbar unbillige Schiedsgutachten zugleich sittenwidrig, hätte das beträchtliche Folgen (z.B. §§ 817, 826 BGB), die im Gesetz, das dann in § 319 BGB gleich den Begriff der Sittenwidrigkeit hätte verwenden können, nicht angelegt sind. Ebenso finden sich auch andere Rechtsordnungen zu einer weitergehenden Inhaltskontrolle der Entscheidung des Dritten bereit. So geht etwa das französische Recht – trotz seines oben skizzierten besonders rigiden Ausgangspunkts – davon aus, dass eine Unverbindlichkeit bereits dann in Betracht kommt, wenn dem Dritten eine erreur grossière unterlaufen ist.57 Die Unverbindlichkeit von Schiedsgutachten aufgrund eines Inhalts, der irgendwo im Zwischenbereich58 zwischen einer vollen Billigkeitskontrolle und einer reinen Kontrolle auf die Wahrung zwingender Vorschriften liegt, bedarf deshalb einer Begründung, die über den vorstehenden Gedanken der abgeleiteten Privatautonomie hinausgeht. Rein praktisch ließe sich daran denken, das Bedürfnis nach einer Überprüfung mit dem Fehlerrisiko, das der Entscheidung des Dritten innewohnt, zu begründen.59 Jedoch haftet dieses Risiko jeder Willenserklärung an, unabhängig davon, wer sie abgibt. Auch wenn nicht die Partei selbst, sondern an ihrer 54  Berg, (1993) 109 LQR 35; gegen ihn überzeugend mit Hinweis auf nicht abdingbare Überprüfungsmöglichkeiten z.B.wegen fraud oder bias: Kendall, (1993) 109 LQR 385, 387. 55  Kisch, Schiedsmann, S. 17. Zur Verwendung des Begriffs „Inhaltskontrolle“ in diesem Zusammenhang siehe bereits oben § 1 B.I.2. (S. 8 ff.). 56 Ablehnend Joussen, S. 508 ff. 57  Näher unten § 15 A.II. (S. 701 ff.). 58  Von einer „Zwischenstufe“ sprechen BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307 (bezogen auf die offenbare Unrichtigkeit einer Feststellung); BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; BGH v. 14.10.1958 NJW 1958, 2067; RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; Wittmann, S. 27; Ruby, ZEV 2007, 18, 21; Bulla, NJW 1978, 397, 400; Laule, DB 1966, 769, 770; Gelhaar, DB 1968, 743; gleichsinnig Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 203; ähnlich G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669 („mittlerer Standard“). 59 So Tallon, Nr. 3.3.3.02 („il n’est pas possible d’ignorer les risques de fraude ou d’évaluation aberrantes“).

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Stelle ein Vertreter eine vertragliche Bindung herbeiführt, existiert kein eigens diesem Umstand Rechnung tragender Ansatz zu einer weitergehenden Inhaltskontrolle der Erklärung des Vertreters. Vielmehr führt die abgeleitete Privatautonomie dazu, dass die Erklärung des Vertreters inhaltlich so überprüft wird, als hätte sie der Vertretene selbst abgegeben. Allein die Tatsache, dass Menschen Fehler machen und die Parteien vermutlich vor Fehlern Dritter bewahrt werden wollen, vermag somit die Unverbindlichkeit der Entscheidung eines Dritten aus inhaltlichen Gründen nicht hinreichend zu rechtfertigen. Vielmehr ist die Begründung wiederum in der Privatautonomie der Parteien zu suchen. Indem die Parteien den Dritten zu seiner Entscheidung ermächtigen, sind auch sie es, die festlegen, in welchem Umfang sie an die Entscheidung gebunden sein wollen.60 Ebenso, wie sie die Verbindlichkeit überhaupt anordnen, können sie deren Grenzen bestimmen. Für das französische Recht hat bereits Domat sehr klar die Unverbindlichkeit einer Drittbestimmung auf den Willen der Parteien zurückgeführt: „[L]’intention de ceux qui se rapportent de ces sortes de choses à d’autres personnes, renferme la condition, que ce qui sera réglé sera raissonnable; & leur dessein n’est pas de s’obliger à ce qui pourroit être arbitré au-delà des bornes de la raison & de l’équité“.61

Danach enthält jede Delegation eine stillschweigend vereinbarte auflösende Bedingung, die zur Unwirksamkeit der Drittbestimmung führt, wenn diese eine bestimmte, von Vernunft und Billigkeit gezogene Grenze überschreitet. Freilich stellt die Annahme einer auflösenden Bedingung einen verzichtbaren Umweg dar, der vermutlich von der durch Justinian etablierten Konstruktion der Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten inspiriert ist. Einleuchtender als die Annahme einer grundsätzlich unbeschränkten Befugnis des Dritten, deren Ausübung aber unter bestimmten Umständen die Wirksamkeit versagt werden muss, scheint die Annahme einer von vornherein begrenzten Befugnis. Diesen Gedanken formuliert treffend Gautier in Auseinandersetzung mit Domat: „[L]’idée est que l’arbitrage du tiers ne fera la loi des parties qu’à la condition qu’il n’ait pas outrepassé les termes de son mandat“.62

60  Siehe

oben § 13 A.I.1. (S. 599 ff.). Entgegen Caffin-Moi, Nr. 229 ist diese Herleitung keineswegs „paradox“, sondern der Privatautonomie immanent. 61  Domat, I, I, III, XI (S. 26). 62  Gautier, RTD civ. 1992, 133; zustimmend Simont, FS Van Ommeslaghe, S. 274 f. (aus belgischer Sicht). Ebenso zu Art. 1843-4 Code civil Lienhard, D. 2003, 3054 und Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111: Wenn die von den Parteien dem Dritten vorgegebene Berechnungsmethode nicht beachtet wurde, „on pourra considérer que l’erreur commise par l’expert est nécessairement grossière, car le prix qui devait faire la loi des parties ne repose pas sur les éléments qui devaient le fonder.“

A. Zweck der Kontrolle

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Denselben Gedanken brachte auch das Reichsoberhandelsgericht in einem Rechtsstreit über die gestaltende Festsetzung eines Bergelohns durch einen Dritten zum Ausdruck: „Im Allgemeinen soll zwar auch [das Schiedsgutachten] bindende Kraft haben, allein das Gemeine Recht geht davon aus, daß im Zweifel jede Verweisung eines zu erledigenden Punktes an das arbitrium boni viri unter der von beiden Theilen gehegten Voraussetzung stattfinde, daß die Entscheidung, wenn auch vielleicht die eine oder die andere Seite günstiger, als hätte geschehen sollen, behandelnd, doch keine schwere Verletzung eines der Betheiligten enthalten werde.“63

Weniger pointiert, aber in der Sache übereinstimmend vertrat auch der Redaktor von Kübel diesen Standpunkt: „Es geben … die Parteien zwar ihr Vertrauen in die Gewissenhaftigkeit und die Sachkenntnis der Dritten, aber zugleich zu erkennen, daß die Bestimmung eine den konkreten, objektiven Verhältnissen angemessene, weil billige, sein solle …, womit von selbst die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Ausspruchs gegeben sind.“64

Auch anderen Äußerungen zur Kontrolle des Schiedsgutachtens ist dieser Zusammenhang zu entnehmen.65 Es ist bedauerlich, dass er in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verloren gegangen ist.66 Mithin besagt § 319 Abs. 1 BGB Folgendes: Die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung wollen an die Entscheidung des Dritten grundsätzlich gebunden sein, nicht aber, wenn diese sich als offenbar unbillig erweist. Die richterliche Überprüfung ist somit keineswegs „systemwidrig“ und exogener Rechtfertigung bedürftig, sondern dem Mechanismus der Delegation von Privatautonomie geradezu systemimmanent. Ergibt sich daraus zugleich, dass die Überprüfung auf offenbare Unbilligkeit der Struktur nach nicht verschieden ist von der zuvor skizzierten reinen Rechtskontrolle? Im Schrifttum wird die Kontrolle nach den §§ 315 ff. BGB in Unterscheidung von der ohnehin stattfindenden Kontrolle verbreitet mit dem Begriff der „Billigkeitskontrolle“ belegt und so von den üblichen Kontrollmechanismen unterschieden.67 Damit soll zum einen der besondere Kontrollmaßstab zum Ausdruck gebracht werden, der anders als etwa die Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht generalisierend, sondern im Sinne von Einzelfallgerechtigkeit indi63 

ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4, 420, 429 (Hervorhebung im Original). v. Kübel, Bd. II/1, S. 270. 65  Weismann, AcP 72 (1888), 269, 299 („ein [willkürlicher Ausspruch] lag nicht in der Absicht der Parteien“); Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 30 (eine intern privatautonome Begründung der Willkürkontrolle bei der Parteileistungsbestimmung ergebe sich daraus, dass die Parteien „in ihren privatautonomen Willen diejenige künftige Leistungsbestimmung nicht aufnehmen [können], die inhaltlich schlechterdings unvorhersehbar ist“); v. Thun und Hohenstein, S. 117; Wangner, S. 40; ausdrücklich a.A. Kisch, Schiedsmann, S. 143 (Unverbindlichkeit beruht nicht auf Parteiwillen, sondern auf Gesetz). 66  Siehe oben § 14 A.II.2. (S. 632 f.). 67  Fastrich, S. 14 ff.; v. Hoyningen-Huene, S. 129 f.; Joussen, S. 475. 64 

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

viduell auf das jeweilige Vertragsverhältnis zugeschnitten ist.68 Zum anderen wird betont, dass die Billigkeitskontrolle dem Richter eigene Gestaltungskompetenzen als Vertragshelfer einräume und deshalb über eine Wirksamkeitskontrolle hinausgehe.69 In Wirklichkeit kann mit einer Bezeichnung als Billigkeitskontrolle nicht mehr gemeint sein als die Tatsache, dass Maßstab der Kontrolle die Billigkeit ist. Dieser Maßstab ist aber nicht externen, außerrechtlichen Gerechtigkeitserwägungen geschuldet, sondern er ergibt sich gerade aus dem Vertrag.70 Insofern liegt der Begriff aber auf einer Ebene mit der Sittenwidrigkeitskontrolle.71 Der Richter überprüft den Inhalt des Schiedsgutachtens auf seine Wirksamkeit, gemessen an dem von den Parteien oder dem dispositiven Recht vorgegeben Kontrollmaßstab.72 Auch wenn er dazu unter einen unbestimmten Rechtsbegriff zu subsumieren hat, nimmt er nichts weiter als eine Wirksamkeitskontrolle vor, die sich von anderen Fällen der Inhaltskontrolle nicht unterscheidet.73 Die Frage, ob der Richter darüber hinaus zu einer eigenen Gestaltungsentscheidung befugt ist, stellt sich erst im Anschluss.

III. Folgerungen An diese Herleitung schließen sich zwei Fragen an, denen im Folgenden nachzugehen sein wird. Wenn die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens mit der Privatautonomie der Parteien begründet wird, deutet das auf einen dispositiven Charakter der Kontrolle des Schiedsgutachtens hin. Zu überlegen ist deshalb zum einen, inwieweit die Parteien einen abweichenden Kontrollmaßstab vorsehen oder die Kontrolle ganz ausschließen können (unten B.). Zum anderen fragt es sich, ob die gerichtliche Ersetzung des Schiedsgutachtens als Regelfolge einer Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen angemessen ist und inwieweit die Parteien diese Folgenanordnung modifizieren können (unten C.). Diese Zweiteilung greift zugleich die in § 319 BGB angelegte Differenzierung 68  Fastrich, S. 16 f.; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 55. Der weitere von Fastrich genannte Unterschied, dass es bei den §§ 315 ff. BGB typischerweise um Hauptleistungspflichten gehe, die von einer AGB-Kontrolle gerade ausgenommen seien, stellt nur eine Beobachtung dar, aus der im Grunde nichts folgt. 69  Fastrich, S. 17; v. Hoyningen-Huene, S. 130. 70 Vgl. Hönn, JZ 1983, 677, 680. 71 Wenn Lieb, AcP 178 (1978), 196, 207 in einem „Drei-Schichten-Modell“ der Begrenzung der Privatautonomie die „Angemessenheitskontrolle“ z.B. nach § 315 BGB als Sonderprivatrecht kennzeichnet, weil sie im Gegensatz zur Sittenwidrigkeitskontrolle nur in einer begrenzten Zahl von Verträgen zum Einsatz kommt, ist das hier ohne Einfluss: Die Tätigkeit des Kontrollierenden deckt sich in beiden Fällen. 72  So auch Joussen, S. 481; Dütz, S. 262. 73  Dies erkennt auch v. Hoyningen-Huene, S. 130. Zur Inhaltskontrolle als Wirksamkeitskontrolle, Fastrich, S. 11 f.; Hönn, JZ 1983, 677, 679 ff.; ders., JA 1987, 337, 339 („Auch die Inhaltskontrolle ist Rechtskontrolle.“).

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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zwischen der Überprüfung der Drittentscheidung durch das Gericht und den Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, auf – eine Differenzierung, die nicht immer hinreichend beachtet wird, so dass voreilig von der Überprüfbarkeit einer Entscheidung auf eine gerichtliche Korrekturbefugnis geschlossen wird.74

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle I. Erweiterung der Unverbindlichkeitsgründe Dass es den Parteien kraft ihrer Privatautonomie freisteht, die Bindungswirkung von Schiedsgutachten abzuschwächen, wurde oben bereits begründet.75 Ebenso wie die Parteien die Verbindlichkeit des Gutachtens ganz ausschließen können, können sie bestimmen, dass die Entscheidung des Dritten zwar grundsätzlich verbindlich sein soll, aber schon – wie im Fall der Parteileistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB – jede Unbilligkeit und nicht erst eine offenbare Unbilligkeit zur Unverbindlichkeit führen soll.76 Die Parteien bringen damit zum Ausdruck, dass sie ausschließlich an ein billiges und nicht bereits an ein unbilliges, aber nicht offenbar unbilliges Gutachten gebunden sein wollen. Problematisch an einer derartigen Erweiterung der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen erscheint einzig, ob die Parteien damit auch § 319 Abs. 1 S. 2 1. HS BGB modifizieren können. Diese Bestimmung schließt an die Anordnung der Unverbindlichkeit im Fall offenbarer Unverbindlichkeit an und lautet: „Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; …“

Es ließe sich nun die Auffassung vertreten, dass eine gerichtliche Kompetenz zur Ersatzbestimmung nur in dem vom Gesetz vorgesehenen Fall der offenbaren Unbilligkeit begründet ist und eine Ersetzung auch im Fall einfacher Unbilligkeit eine unzulässige vertragliche Erweiterung gerichtlicher Zuständigkeiten darstellt.77 Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht.78 Der Mechanismus

74  Siehe etwa als Beispiel für eine derartige Verquickung Joussen, S. 510. Die Notwendigkeit dieser Differenzierung betont hingegen etwa Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9. 75  Siehe oben § 13 B.I. (S. 612 f.). 76  BGH v. 5.2.1971 WM 1971, 356, 358; RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; Staudinger/­ Rieble, § 319 Rn. 4; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 6; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 2; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 3; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 297 f. (§ 12 III 6 c); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669. Allgemein den dispositiven Charakter der §§ 317–319 bei feststellenden Schiedsgutachten voraussetzend BGH v. 9.6.1983 NJW 1983, 2244, 2245 (insoweit nicht in BGHZ 87, 367). 77  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 319 Rn. 2. 78  Ebenso für eine gerichtliche Ersetzungsmöglichkeit in diesem Fall Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 4; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 297 f. (§ 12 III 6 c).

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des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB kann hier analog angewendet werden.79 Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit kein restriktives Verständnis der Ersetzungsmöglichkeit nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB an den Tag gelegt. Sie hat die Vorschrift vielmehr, wie gesehen, im Wege analoger Anwendung zu einem allgemeinen Instrument der subsidiären richterlichen Bestimmung bei Fehlschlagen eines vertraglich vereinbarten Mechanismus zur Leistungsbestimmung oder Tatsachenfeststellung ausgebaut.80 Hinter dieser Erweiterung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB steht die Erkenntnis, dass sich eine analoge Anwendung bestehender gerichtlicher Kompetenzen weniger Vorbehalten ausgesetzt sieht als die Schaffung einer gänzlich neuen Zuständigkeit.81 Wenn also die Gerichte bereit sind, einen Vertrag zu retten, falls noch gar keine Entscheidung eines Dritten vorliegt, weil eine Partei der Schiedsgutachtenvereinbarung die Mitwirkung an der Auswahl eines Schiedsgutachters verweigert, so sollte auf derselben Grundlage auch die Ersetzung einer immerhin bestehenden Drittentscheidung möglich sein. Voraussetzung für das Eingreifen des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ist aber, dass die Parteien überhaupt eine im Grundsatz verbindliche Entscheidung wollten.82 Sollte der Spruch des Dritten von vornherein vorläufig bindend oder nicht bindend sein, steht die Vereinbarung der Parteien außerhalb des Mechanismus des § 317 BGB und eine Analogie zu § 319 Abs. 1 S. 2 BGB kommt nicht in Betracht.

II. Beschränkung der Kontrolle Ebenso wie es in bestimmten Fällen dem Parteiwillen entgegenkommen mag, wenn die Entscheidung des Dritten in größerem Umfang kontrolliert und gerichtlich ersetzt werden kann, sind auch Situationen denkbar, in denen den Parteien an einer möglichst weitgehenden Bindung an das Schiedsgutachten gelegen ist. In Betracht kommt dieser Wunsch etwa in Transaktionen, in denen besonders rasch eine bestandskräftige Entscheidung benötigt wird, um auf deren Grundlage weiterarbeiten zu können, und sei es um den Preis der Fehlerhaftigkeit der Entscheidung.83 Zu überlegen ist daher, ob in diesen Situationen die Kontrolle des Schiedsgutachtens eingeschränkt werden kann. Zwei verschiedene Ansatzpunkte sind dafür zu diskutieren, nämlich die Wahl eines beschränkt kontrollfähigen Entscheidungsmaßstabs (unten 1.) sowie eine privatautonome Beschränkung des Kontrollmaßstabs (unten 2.). Nicht erforderlich ist eine Beschränkung der Kontrolle durch die Parteien, soweit schon das Gesetz die Überprüfung des Schiedsgutachtens gegenüber dem Modell des § 319 79 

Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 298 (§ 12 III 6 c). Siehe oben § 4 D.I.1. (S. 226 ff.). 81  Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 300). 82 Ebenso G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669. 83  Man denke an die oben § 4 C.I.2.e) (S. 208) erwähnte baseball arbitration. 80 

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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Abs. 1 BGB begrenzt (unten 3.). Der erstgenannte Ansatzpunkt liegt zwischen den beiden anderen, da er einerseits einen bestimmten Entschluss der Parteien voraussetzt, die Beschränkung der Inhaltskontrolle dann aber im Gesetz angeordnet wird. Da er zugleich besonders instruktiv ist, soll er am Anfang der folgenden Überlegungen stehen.

1. Vereinbarung eines beschränkt kontrollfähigen Entscheidungsmaßstabs Die Bestimmung des § 319 Abs. 1 BGB basiert auf der Annahme, dass der Dritte nach billigem Ermessen befinden soll. In § 319 Abs. 2 BGB heißt es demgegenüber: „Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verweigert.“

Mit anderen Worten schließt diese Vorschrift die richterliche Ersetzung einer nach freiem Belieben zu treffenden Bestimmung aus. Im Fall des vertragsergänzenden Schiedsgutachtens kann das schlimmstenfalls zur Folge haben, dass der gesamte Vertrag unwirksam wird. Damit ergibt sich ein struktureller Unterschied zwischen beiden Absätzen: In Absatz 1 werden zwei verschiedene Fälle geregelt, nämlich die inhaltliche Kontrolle einer vorhandenen Leistungsbestimmung und das Ausbleiben der Leistungsbestimmung. In beiden Fällen tritt die gerichtliche Ersetzung an die Stelle der unverbindlichen oder fehlenden Entscheidung des Dritten. Die Regelung in Absatz 2 erfasst hingegen nur den zweiten der genannten Fälle, nämlich das Ausbleiben der Leistungsbestimmung, und schließt für diesen eine gerichtliche Ersetzung aus. Zum erstgenannten Fall der inhaltlichen Kontrolle einer vorhandenen Leistungsbestimmung findet sich darin keine Regelung. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Vorschrift Tatbestand Folge ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– § 319 Abs. 1 BGB inhaltliche Kontrolle gerichtliche Ersetzung Ausbleiben gerichtliche Ersetzung (Kontrolle nicht geregelt) (Folge nicht geregelt) § 319 Abs. 2 BGB Ausbleiben Unwirksamkeit –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Wer die Vereinbarung einer Leistungsbestimmung nach freiem Belieben als bedingungslose Unterwerfung unter das Gutdünken eines Dritten ansieht, könnte eine Regelung auch für entbehrlich halten. Dass die Entscheidung eines Dritten nach freiem Belieben aus inhaltlichen Gründen unverbindlich ist, wäre dann ausgeschlossen. Gestützt wird eine derartige Sichtweise vordergründig davon,

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dass verschiedentlich zu lesen ist, der Maßstab des freien Beliebens sei nicht justiziabel.84 Ein Gericht könne kein Urteil nach freiem Belieben fällen, und deshalb ordne § 319 Abs. 2 BGB die Unwirksamkeit des Vertrages bei Ausbleiben einer Leistungsbestimmung nach freiem Belieben an.85 Wäre der Maßstab des freien Beliebens tatsächlich nicht justiziabel, d.h. einer gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich, so wäre es nur konsequent, Parteien unter allen Umständen an die Entscheidung des Dritten zu binden. Indes führt die Rede davon, dass das freie Belieben nicht justiziabel sei, in die Irre. Dass ein Gericht nicht nach freiem Belieben entscheiden könne, stellt allenfalls auf Rechtsfolgen‑, nicht aber auf Tatbestandsseite ein Argument dar. Ob ein anderer die Grenzen des freien Beliebens beachtet hat, kann ein Gericht feststellen, ohne selbst nach subjektiven Kriterien oder nach Gutdünken urteilen zu müssen.86 Insofern ist das freie Belieben durchaus justiziabel.87 Entsprechend wird einhellig davon ausgegangen, dass auch eine Bestimmung nach freiem Belieben darauf überprüft werden muss, ob sie gegen die §§ 134, 138 BGB verstößt.88 Der Dritte darf nicht willkürlich entscheiden.89 Eine Unterwerfung unter die Willkür eines Dritten wäre sittenwidrig nach § 138 BGB.90 Dieser Überprüfungsmaßstab entspricht den Grenzen des Entscheidungsmaßstabs des freien Beliebens.91 Es ließe sich deshalb überlegen, ob nicht ganz allgemein ein Gleichlauf zwischen Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab bestehen muss. Ein derartiger Gleichlauf, der dann eine Überprüfung der richterliche Entscheidung nach freiem Belieben und deren Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen plausibel machen könnte, wird in der Tat im Schrifttum erwogen.92 Hinter dieser 84 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 19, 28; ähnlich Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 28 („mangels objektiven Prüfungsmaßstabs“). 85  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 84 (§ 6 II b). 86  Richtig Erman/J. Hager, § 319 Rn. 13 (es fehlt der „Entscheidungsmaßstab“ für eine gerichtliche Bestimmung). 87  Kritisch auch Joussen, S. 508, allerdings ohne die vorstehende Differenzierung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge. Im Gegenteil nimmt Joussen, S. 510 tatsächlich eine richterliche Ersetzung nach freiem Belieben an. 88  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 28; Dütz, S. 217 f.; Göppinger, JJB 9 (1968/69), 86, 87. 89 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 4. 90  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45; Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 4; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669. 91  Siehe oben § 4 C.I.1.a)cc) (S. 191). 92  Joussen, S. 483 ff., 509 f. – Unklar ist insofern, wenn Joussen, S. 488 aufgrund dieses Gleichlaufs eine zweigeteilte Überprüfung annimmt und dafür differenziert zwischen der „Rechtskontrolle, ob sich der Schlichter an den ihm eröffneten Entscheidungsmaßstab des freien Beliebens gehalten hat“, und der „allgemeine[n] Rechtskontrolle hinsichtlich der Grenzen jeder Vertragsgestaltung in den §§ 134, 138 und 242 BGB“. Wer davon ausgeht, dass der Maßstab des freien Beliebens gerade einen subjektiven Spielraum bis an die Grenzen des zwingenden Vertragsrechts eröffnet (so auch Joussen, S. 403), dürfte eigentlich keinen Unter-

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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Gleichlaufthese stehe die Überlegung, dass der Dritte einen bestimmten Entscheidungsmaßstab zu beachten habe und es nun Aufgabe des Gerichts sei, die Einhaltung dieses Maßstabs anhand der Grenzen dieses Maßstabs zu überprüfen.93 Anders als der nach § 317 BGB berufene Dritte finde der Richter bereits eine Entscheidung vor, deren Rechtmäßigkeit er anhand der dafür geltenden Voraussetzungen zu überprüfen habe.94 Insofern sei die Aufgabe des Richters bei der Kontrolle verschieden von der Aufgabe des Dritten bei dessen Entscheidung.95 Die Inhaltskontrolle stelle eine reine Wirksamkeitskontrolle eines vorgefundenen Tatbestands dar.96 Ein Gleichlauf sei deshalb schon aus Gründen der „logischen Stringenz“ erforderlich.97 Tatsächlich müsste eine Entscheidung nach freiem Belieben, die sich stets in den Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB halten muss, auf die Einhaltung eben dieser Grenzen kontrolliert werden und bei deren Überschreitung unverbindlich sein, wenn ein derartiger Gleichlauf bestünde. Ein derartiger Gleichlauf existiert freilich nicht; seine Annahme beruht auf einer Verkürzung der Aufgabe des Richters. Dem Ausgangspunkt dieser Gleichlaufthese, dass der Richter – zumindest im ersten Schritt – eine andere Aufgabe als der Dritte habe und nur eine vorgefundene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe, kann auf den ersten Blick als nahezu selbstverständliche Erkenntnis zugestimmt werden.98 Allerdings wäre dann die Diskrepanz zwischen dem in § 317 Abs. 1 BGB im Zweifel vorgesehenen Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens und dem dafür in § 319 Abs. 1 BGB bestimmten Maßstab der Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit kaum zu erklären. Sie käme einem „logischen Bruch“ gleich.99 Die Erste Kommission wollte noch in einer „formal logischen Deduktion“100 eine nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung auf ihre Unbilligkeit kontrollieren, und hatte dafür heftige Kritik geerntet, weil diese Formallogik den Bedürfnissen der Praxis zuwiderlaufe.101 schied zwischen beiden Kontrollen erkennen. An späterer Stelle kommt Joussen, S. 509, auch nicht mehr auf diese Differenzierung zurück. Dort will er die Leistungsbestimmung eines Dritten nach § 317 BGB nach freiem Belieben „nur“ auf die Einhaltung der „allgemeinen Regeln des BGB, insbesondere … der §§ 134, 138 und § 242 BGB“, überprüfen.  93  Joussen, S. 479 ff.  94  Joussen, S. 482.  95  Joussen, S. 482 f.; ebenso Dütz, S. 215 f.  96  Joussen, S. 482 im Anschluss an Fastrich, S. 11; Hönn, JZ 1983, 677, 679 ff.; ders., JA 1987, 337, 340. Wenn Joussen dabei übersieht, dass Fastrich an der zitierten Stelle gerade nicht über die Kontrolle nach den §§ 315 ff. BGB schreibt, ist das insofern unschädlich, als sich das dort Gesagte übertragen lässt.  97  Joussen, S. 509.  98  Siehe auch Dütz, S. 215 f.  99  So konsequent Joussen, S. 510. 100 So Weismann, AcP 74 (1889), 422, 430. 101  Weismann, AcP 74 (1889), 422, 430. Zu den Gesetzesberatungen siehe noch unten § 15 C.I.1.a) (S. 717 ff.).

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Ein Konflikt zwischen Logik und Praxisbedürfnis besteht hier in Wirklichkeit freilich nicht. Denn der vermeintliche logische Bruch lässt sich vermeiden. Dazu ist die Aufgabe des Richters anders zu formulieren und dabei zugleich konkreter auf den Gesetzestext in § 319 BGB zu beziehen. Die Kontrolltätigkeit des Richters richtet sich nicht unmittelbar darauf zu überprüfen, ob der Dritte von seinem Entscheidungsmaßstab korrekt Gebrauch gemacht hat. Vielmehr hat er zu prüfen, ob „die getroffene Bestimmung für die Vertragsschließenden … verbindlich“ ist (§ 319 Abs. 1 BGB). Wann die Bestimmung verbindlich ist, legen die Parteien in ihrer Vereinbarung fest. Sie bestimmen darin, unter welchen Umständen sie an die Vereinbarung gebunden sein wollen. Im Rahmen dieser Prüfung hat sich dann das Gericht mit der Frage zu befassen, ob die Vorgaben der Parteien beachtet wurden. Diese Präzisierung hat eine wichtige Folge: Denklogisch spricht nichts dagegen, dass die Parteien den Dritten zu einer Entscheidung nach billigem Ermessen ermächtigen und gleichwohl bis an die Grenze der offenbaren Unbilligkeit gebunden sein wollen. Die vermeintliche Diskrepanz zwischen § 317 Abs. 1 BGB und § 319 Abs. 1 BGB löst sich damit auf.102 Denklogisch würde auch nichts dagegen sprechen, den Dritten zur Entscheidung nach freiem Belieben zu ermächtigen und sogar an einen willkürlichen Spruch des Dritten gebunden sein zu wollen. Dass eine willkürliche Drittentscheidung unwirksam wäre, beruht auf den zwingenden Grenzen des Vertragsrechts und nicht auf einem Gleichlauf von Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab. Die zutreffende Begründung für diese Unverbindlichkeit ist folglich in dem Mechanismus der Delegation selbst zu suchen: Dass auch für die Entscheidung nach freiem Belieben eine äußerste Grenze in den zwingenden Vorschriften der §§ 134, 138, 242 BGB bestehen muss, ergibt sich aus der obigen Überlegung, dass der Dritte eine Entscheidung trifft, die andernfalls die Parteien selbst hätten treffen müssen, und auch die Parteien dabei an diese Grenzen gebunden gewesen wären.103 Der vom zwingenden Recht vorgegebene Rahmen ist für die Parteien auch insoweit verbindlich, als sie Entscheidungen nicht selbst treffen, sondern sich diese von einem Dritten abnehmen lassen. Wenn nun die Entscheidung nach freiem Belieben in bestimmten Fällen unverbindlich sein kann, stellt sich die Frage, welche Folge die Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten hat: Soll sie in Anlehnung an die in § 319 Abs. 1 BGB geregelte Unverbindlichkeitsfolge gerichtlich ersetzt werden können, oder soll es in Anlehnung an die in § 319 Abs. 2 BGB geregelte Folge für das Ausbleiben der Leistungsbestimmung bei der Unwirksamkeit der Entscheidung ver102  Dass für diese Differenzierung auch Sachgründe bestehen – die die erwähnten Bedürfnisse der Praxis aufgreifen –, wird unten noch zu vertiefen sein, siehe unten § 15 C.I.1.b) (S. 719 ff.). 103  Siehe oben § 4 C.I.2.c) (S. 203 f.). Ebenso Joussen, S. 484 ff. (dort beschränkt auf die nachträgliche Übernahme eines Schlichterspruchs), 509, 537.

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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bleiben? Diese Frage wird unten im Zusammenhang mit den Folgen der Kontrolle zu behandeln sein.104

2. Privatautonome Beschränkung des Kontrollmaßstabs Damit kann nun die allgemeinere Frage behandelt werden, ob die Parteien im Fall einer Drittbestimmung nach einem anderen, engeren Entscheidungsmaßstab als dem freien Belieben die Gründe für eine Unverbindlichkeit der Bestimmung gegenüber § 319 Abs. 1 BGB einschränken können. Die vorstehenden Überlegungen können dafür unmittelbar fruchtbar gemacht werden, denn sie bestätigen zwei wichtige Erkenntnisse: Zum einen besteht kein Gleichlauf zwischen Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab. Die Parteien können beide Maßstäbe unabhängig voneinander festlegen und deshalb beispielsweise im Fall einer nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung vereinbaren, dass die Entscheidung erst im Fall offenbarer Unbilligkeit unverbindlich sein soll – so wie dies in den §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 BGB angelegt ist. Zum anderen kann eine richterliche Überprüfung über die von den §§ 134, 138, 242 BGB gezogene Willkürgrenze hinaus nicht abbedungen werden.105 Deshalb kann eine Beschränkung des Kontrollmaßstabs auch nicht mit § 2065 BGB in Konflikt geraten.106

a) Dispositiver oder zwingender Charakter des § 319 Abs. 1 BGB? Vor diesem Hintergrund und mit diesen Präzisierungen ist der ganz überwiegenden und bereits vom Redaktor von Kübel geteilten107 Ansicht zuzustimmen, die § 319 Abs. 1 BGB für dispositiv hält und es den Parteien gestattet, bis an die Grenze der Willkür die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen auszuschließen.108 Diese Ansicht wird häufig damit begründet, dass ein zwingen104 

Siehe unten § 14 C.II.1.c) (S. 675 f.). Auch anderes zwingendes Recht hat die Entscheidung zu beachten, siehe OLG Frankfurt v. 14.6.2011 – 11 U 36/10 (Kart.) (juris), Rn. 96 zur Kartellrechtswidrigkeit. 106  A.A. ErbKomm/Gemmer, § 2065 Rn. 6. 107  v. Kübel, Bd. II/1, S. 270 mit Hinweis auf ALR I 11, §§ 48 f., die für die Kaufpreisbestimmung eine unbedingte Unterwerfung verlangten und dem Käufer zusätzlich die Berufung auf die laesio enormis abschnitten. Eine Anfechtung wegen Betrugs können die Parteien jedoch, wie v. Kübel (S. 272) betont, nicht ausschließen. 108  BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556; BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191; OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39; RG v. 10.12.1935 RGZ 150, 7, 9; RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71, 74 f.; OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, 288; OLG Zweibrücken v. 20.1.1971 NJW 1971, 943; OLG Celle v. 6.1.1966 NdsRpfl 1966, 105, 106; OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276; OLG Hamburg v. 2.11.1927 HansRGZ A 1928, 37, 38; LG Kiel v. 14.4.1965 MDR 1966, 150; Zöller/Greger, § 402 Rn. 4; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 3; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 6; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 10; RGRK/Ballhaus, § 319 Rn. 16; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 297 (§ 12 III 6 a) (an105 

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der Charakter der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit kaum zu rechtfertigen wäre, wenn die Parteien doch auf den Entscheidungsmaßstab des freien Beliebens ausweichen und auf diese Weise die Entscheidung des Dritten weitgehend gerichtlicher Nachprüfung entziehen könnten.109 Dies Argument trifft zu. Es schöpft die Problematik aber nicht aus: Die Ausweichmöglichkeit auf das freie Belieben belegt zwar, dass bis zur Grenze der §§ 134, 138, 242 BGB verbindliche Drittbestimmungen denkbar und rechtlich zulässig sind. Dass derartige Bestimmungen aber auch zulässig sind, wenn doch der Dritte nach billigem Ermessen vorgehen sollte, bedarf eines zusätzlichen Begründungsschritts. Diesen Schritt liefern die oben angestellten Überlegungen zur Festlegung des Überprüfungsspielraums durch die Parteien. Neben diese eher konstruktive Begründung treten als Sachgründe eine Reihe von Vorteilen einer privatautonomen Beschränkung der möglichen Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen. Diese Vorteile wurden oben bereits erwähnt und müssen hier nur kurz in Erinnerung gerufen werden: Aufgrund der reduzierten Angriffsmöglichkeiten gegen das Schiedsgutachten wird der Ausgang eines möglichen Rechtsstreits um die Verbindlichkeit des Gutachtens besser vorhersehbar, was zu einer Beschleunigung des Verfahrens und sogar zu einer Abstandnahme von einem Rechtsstreit insgesamt führen kann.110 Zum Teil wird die Beschränkung der Kontrolle deshalb sogar als „in der Regel ratsam“ empfohlen.111 Gegenüber dieser ganz überwiegenden Ansicht im deutschen Recht bestimmt Art. 75 Abs. 4 des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, dass im Verhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nicht zum Nachteil des Verbrauchers von der Kontrolle der Leistungsbestimmung auf grobe Unangemessenheit abgewichen werden dürfe.112 Eine Begründung für diesen Vorschlag existiert nicht, so dass über

ders aber ders., S. 292 [12 III 2]); G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669; Greger/Stubbe, Rn. 125, 178; Luther, FS Reimers, S. 193; Volmer, BB 1984, 1010, 1012 („ganz h.M.“); Horschitz, NJW 1973, 1958, 1962. Neben einer derart weitreichenden Beschränkung sind selbstverständlich mildere Formen wie etwa die Vereinbarung einer Frist, innerhalb der eine Partei um gerichtliche Kontrolle nachsuchen muss, denkbar, siehe OLG Brandenburg v. 9.10.2001 OLGR 2003, 74 (Zwei-Wochen-Frist für die Geltendmachung von Einwendungen als Ausschlussfrist); Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 365; Kisch, Schiedsmann, S. 113 f. 109  Mit Hinweis auf § 138 BGB als äußerste Grenze auch bei freiem Belieben G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669. Bisweilen heißt es sogar, dass die Parteien mit der Vereinbarung freien Beliebens die richterliche Kontrolle ganz ausschließen könnten: Horschitz, NJW 1973, 1958, 1962. 110  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669; Beispiel OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276 (Erleichterung des Regresses). 111 Zöller/Greger, § 402 Rn. 4; Empfehlung auch bei Greger/Stubbe, Rn. 349. 112  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg., S. 75; zu der Bestimmung

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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die Gründe nur spekuliert werden kann.113 Es ist aber anzunehmen, dass dahinter die Sorge stand, dem Verbraucher in zu großem Maße die Möglichkeit zu nehmen, um Gerichtsschutz nachzusuchen. Entsprechend wäre auch die von einer Partei gestellte Vertragsbestimmung, deren Zweck oder Wirkung darin besteht, „dem Verbraucher die Möglichkeit zu nehmen oder ihn daran zu hindern, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen,“

nach Art. 84 lit. d des Vorschlags „per se unfair“ und damit nach Art. 79 Abs. 1 des Vorschlags für den Verbraucher nicht bindend.114 Mit dieser Erklärung wäre auch der Unterschied zum deutschen Recht nicht mehr so gravierend, da auch hier Klauseln in AGB für unwirksam erklärt werden, die die Reichweite einer gerichtlichen Überprüfung beschränken oder beim Verbraucher den Eindruck erwecken, der Rechtsweg sei ausgeschlossen.115 Allerdings besteht ein erheb­ licher Unterschied zwischen der Statuierung zwingenden Rechts und der AGBKontrolle. Während zwingendes Recht jegliche privatautonome Abweichung unterbindet, kann mit der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen „selektiv“ eingegriffen werden, wenn es hinsichtlich bestimmter Vereinbarungen „an Selbstbestimmung in ihrer voll entwickelten Form fehlt und zugleich der Wettbewerb als Korrekturmechanismus ausfällt.“116 Die Inhaltskontrolle erweist sich demgegenüber als das flexiblere Instrument, weil sie auf die Angemessenheit im Einzelfall Rücksicht nehmen kann, statt die Vertragsfreiheit punktuell komplett zu verwerfen.117 An einen Eingriff in Form zwingenden Rechts sind daher wesentlich anspruchsvollere Voraussetzungen zu stellen. Allerdings existiert auch in Deutschland im Bereich des Sachverständigengutachtens im Versicherungsrecht eine parallele Vorschrift zu dem genannten Verordnungsvorschlag. Dort verbietet § 87 VVG eine Abweichung von § 84 Abs. 1 S. 1 VVG und damit auch von der richterlichen Überprüfung auf ein offenbares Abweichen der getroffenen Feststellung von der wirklichen Sachlage zum Nachteil des Versicherungsnehmers. In den Augen des Gesetzgebers sollte nicht einmal ein Bedürfnis der Parteien nach besonderer Schnelligkeit in der Lage sein, den Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle zu legitimieren.118 durch einen Dritten in dem Verordnungsvorschlag und den früheren Textstufen Kleinschmidt, RabelsZ 76 (2012), 785 ff. 113  Der zwingende Charakter der Norm war in den Vorarbeiten noch nicht enthalten (vgl. Unberath, Long-Term Contracts, S. 143). Er geht offenbar zurück auf eine, nicht weiter begründete Eingabe von Wendehorst, Feedback Paper, S. 22. 114  Siehe bereits lit. q des Anhangs 1 zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. 1993 L 95/29. 115  Vgl. oben § 3 B.II.3.c) (S. 134 f.). 116  G. Wagner, Privatautonomie, S. 34. 117  G. Wagner, Privatautonomie, S. 46. 118  Motive VVG, S. 500 (mit dem Beispiel der Hagelversicherung, da der Schadensumfang nur unmittelbar nach Eintritt des Schadens festgestellt werden könne).

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Eine weitere Annäherung ergibt sich daraus, dass die Gerichte in Deutschland äußerst zögerlich darin sind, eine Abbedingung des § 319 Abs. 1 BGB anzunehmen. Den allgemeinen Regeln würde es entsprechen, wenn ein Ausschluss der Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit auch konkludent möglich wäre.119 Stattdessen wird aber fast immer verlangt, dass ein dahingehender Wille deutlich zum Ausdruck gekommen ist.120 Es wird gefordert, dass den Parteien die Unverbindlichkeit im Falle offenbarer Unbilligkeit bewusst sei.121 Selbst vermeintlich eindeutige Vertragsklauseln werden nicht so ausgelegt, als sei damit die Überprüfung des Schiedsgutachtens auf offenbare Unbilligkeit ausgeschlossen. So schließt weder die Vereinbarung eines „verbindlichen“ Gutachtens eine Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB aus122 noch die Abrede, die Feststellungen des Schiedsgutachters, denen die Parteien sich „im voraus unter Verzicht auf den Rechtsweg“ unterwerfen wollen, sollten „endgültig und verbindlich“ sein123. Selbst wenn der Sachverständige „endgültig und bindend“ entscheiden soll, kann sein Schiedsgutachten noch an § 319 Abs. 1 BGB scheitern.124 Dass die Parteien die Überprüfung auf offenbare Unbilligkeit ausschließen wollten, kann nur angenommen werden, wenn die Parteien um die Unverbindlichkeit einer offenbar unbilligen Bestimmung wissen und sich ihr dennoch unterwerfen wollen.125 Mit dieser restriktiven Haltung führt die Rechtsprechung eine bereits vor dem Inkrafttreten des BGB und des VVG begründete Tradition fort, einen Ausschluss der Überprüfung eines Schiedsgutachtens selbst in Anbetracht eines ausdrücklich vereinbarten „Ausschluss[es] des Rechtswegs“ nur anzunehmen, wenn „besonders zwingende Gründe“ zur Annahme eines entsprechen-

119  So immerhin OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276, 277, wonach die unbedingte Maßgeblichkeit des Schiedsgutachtens (im Fall ging es um eine Qualitätsarbitrage) auch stillschweigend vereinbart werden könne. 120  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 3; RGRK/Ballhaus, § 319 Rn. 16; Palandt/ Grüneberg, § 319 Rn. 10; Greger/Stubbe, Rn. 125; siehe aber LG Kiel v. 14.4.1965 MDR 1966, 150 (§ 319 Abs. 1 BGB könne auch stillschweigend ausgeschlossen werden). 121  OLG Celle v. 6.1.1966 NdsRpfl 1966, 105, 106. 122  OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, 288. 123  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39; OLG München 3.12.2009 – 23 U 3904/07 (juris), Rn. 46. Anders aber LG Mainz v. 17.4.2008 SchiedsVZ 1008, 263, 264: letztwilliges Schiedsgericht, da Erblasser „Ausschluss des Rechtswegs“ verfügt hatte. 124  BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556; siehe weiter BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1057; BGH v. 20.3.1953 BGHZ 9, 138, 145; OLG Hamburg v. 2.11.1927 HansRGZ A 1928, 37, 38. Anders aber OLG Köln v. 26.11.2009 – 18 U 43/09 (juris), Rn. 28: Mit der Formulierung „entscheidet … endgültig“ sei die gerichtliche Überprüfung abbedungen, denn sonst „hätte das Wort ‚endgültig‘ in der Regelung keine erkennbare Bedeutung“. – Entsprechend müssen derartige Formulierungen auch nicht auf den Willen zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung hindeuten, vgl. nur Bulla, NJW 1978, 397, 399. 125  RG v. 10.12.1935 RGZ 150, 7, 9 (zu einem feststellenden Schiedsgutachten); Münch­ Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 3; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 10.

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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den Willens bestehen.126 Im Regelfall sei davon auszugehen, dass die Parteien die Kontrolle nicht abbedingen wollten.127 Die Rechtsprechung stützte diese Zweifelsregel maßgeblich auf die Verallgemeinerung eines Digestenfragments (D. 38,1,30pr.): Wenn ein Freigelassener sich zur Leistung von Diensten nach Belieben seines Patrons verpflichtet hat, wird das Ermessen des Patrons nur Bestand haben, wenn dieser es nach Billigkeit ausübt. Kurz gefasst: Was in England als „final and binding“ vereinbart werden kann, würde von deutschen Gerichten nicht als „endgültig und verbindlich“ angesehen. Fälle, in denen die Parteien erfolgreich die Überprüfung des Schiedsgutachtens auf offenbare Unrichtigkeit abbedungen haben, sind selten zu finden.128 Zum Teil wird auch offen von einem Ausschluss der Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit abgeraten.129 Im Ergebnis wird diese Kontrolle folglich als dispositiv angesehen, tatsächliche Auswirkungen hat dieser dispositive Charakter jedoch kaum. Damit stellt sich aber die Frage, ob nicht schon die Grundannahme eines dispositiven Charakters verfehlt ist. Dass sich ein Ausschluss der Kontrolle mit den generellen Regeln über die Delegation von Entscheidungsbefugnissen konstruieren lässt und auch im Einzelfall von entsprechenden Parteiinteressen getragen sein kann, impliziert schließlich nicht die Abwesenheit von sonstigen Gründen, die gegen die Möglichkeit sprechen, sich bis an die Grenze der §§ 134, 138, 242 BGB einer Drittbestimmung zu unterwerfen. Das Hauptargument der Verfechter eines dispositiven Charakters unterstellt vergleichbare Parteiinteressen bei der Bestimmung nach freiem Belieben und bei der Bestimmung nach billigem Ermessen, indem mit dem Ausschluss einer Billigkeitskontrolle im ersten Fall auch die Möglichkeit eines derartigen Ausschlusses im zweiten Fall gerechtfertigt wird. Diese Vergleichbarkeit darf dann aber nicht nur behauptet werden. Drei Argumente gegen eine Möglichkeit, die Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit auch in Individualvereinbarungen auszuschließen, sind zu erörtern.

126  So zu einem Sachverständigengutachten im Versicherungsrecht: RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130; RG v. 9.3.1882 RGZ 6, 190, 201 f.; RG v. 3.10.1884 Bolze 1 (1886), Nr. 891 (richterliche Kontrolle bleibt zulässig, obwohl Entscheidung des Obmannes eines Sachverständigengre­ miums „unbedingt bindend und maßgebend“ sein sollte). Zu anderen Schiedsgutachten: RG v. 11.3.1886 Bolze 2 (1886), Nr. 848 (vereinbarte Ausschluss des Rechtswegs bei Einholung eines Sachverständigengutachtens über „Güte und Brauchbarkeit“ eines „Apparats“ führt nicht dazu, dass gerichtliche Feststellung unbedingt ausgeschlossen); ROHG v. 20.6.1871 ROHGE 3, 74. 127  RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130. 128  Ein Beispiel ist BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191, 192: Darin hatten die Parteien das Ergebnis des Schiedsgutachtens über ein Auseinandersetzungsguthaben „im voraus als bindend und unanfechtbar anerkannt“. Siehe außerdem OLG Hamburg v. 16.12.1927 HansRGZ B 1928, 276, 277; OLG Frankfurt v. 14.6.2011 – 11 U 36/10 (Kart.) (juris). 129  Greger/Stubbe, Rn. 125.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

b) Wesensverschiedenheit von Schiedsspruch und Schiedsgutachten Das erste dieser Argumente zielt auf die Wahrung der Alternativität von Schiedsspruch und Schiedsgutachten ab. Zu den notorischen Streitfragen des Schiedsgutachtenrechts gehört die zutreffende Abgrenzung von Schiedsverfahren und Schiedsgutachtenverfahren. Ein immer wieder in die Diskussion eingebrachtes Abgrenzungskriterium betrifft die Überprüfbarkeit von Schiedsspruch und Schiedsgutachten: Während der Schiedsrichter den Streit der Parteien endgültig entscheide und seine Entscheidung nur in sehr engen Grenzen aufgehoben werden könne, gelte für die Entscheidung des Schiedsgutachters eine weitergehende Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit.130 Schiedsspruch und Schiedsgutachten seien deshalb, so heißt es in einer Entscheidung hierzu plastisch, „wesensverschieden“.131 Diese Dichotomie ist letztlich schon in dem für das gesamte Schiedsgutachtenrecht prägende Digestenfragment über die zwei Arten von Schiedsrichtern angelegt, „den einen von der Art, daß wir, gleichgültig ob seine Entscheidung gerecht oder ungerecht ist, ihr gehorchen müssen (so verhält es sich, wenn man aufgrund eines Schiedsvertrages zu einem Schiedsrichter gegangen ist), den anderen von der Art, daß die Entscheidung nach dem Ermessen eines redlichen Mannes erfolgen muß“, wobei letztere, wenn sie „so verkehrt ist, daß ihre Ungerechtigkeit offen zu Tage tritt, … durch die Klage nach Treu und Glauben berichtigt werden“ kann.132

Auf diese Stelle rekurriert das Reichsgericht im Jahre 1883, um die Abdingbarkeit der Billigkeitskontrolle zu begründen.133 Diese Abdingbarkeit ist offenbar so zu verstehen, dass die Parteien anstelle der Einholung eines Schiedsgutachtens auch ein Schiedsverfahren vereinbaren könnten. Konsequent weitergedacht könnte aus dieser Dichotomie mithin die Unabdingbarkeit der Kontrolle des Schiedsgutachtens folgen, wenn nämlich ein privatautonomer Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung die Stellung des Schiedsgutachters in einem wesentlichen Punkt verändern und damit ein Hauptmerkmal des Schiedsgutachtenverfahrens beseitigen würde.134 Auf den ersten Blick müsste diesem Argument Sympathie entgegengebracht werden angesichts der Grundtendenz dieser Arbeit, die Alternativität von Schiedsgutachten und Schiedsverfahren und damit die Handlungsoptionen der Parteien zu stärken. Dass das Argument dennoch nicht überzeugt, liegt da130  Siehe vorerst BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1057; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 25; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 Fn. 14 (§ 6 II b); näher unten § 16 C.II.2. (S. 825 f.). 131  BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1057. 132  Proculus D. 17,2,76 und Paulus D. 17,2,79 (Übersetzung von Behrends/Knütel/­ Kupisch/Seiler, Bd. III). 133  RG v. 11.10.1883 RGZ 10, 130. 134 So André, S. 42 (für das gestaltende wie für das feststellende Schiedsgutachten).

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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ran, dass es über das Ziel hinausschießt. Die Abweichung von Wesensmerkmalen bestimmter Rechtsinstitute hat ihren Platz in der AGB-Kontrolle, in deren Rahmen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild im Zweifel als unangemessene Benachteiligung ansieht. Nicht ohne Grund ist in diesem Rahmen ein Ausschluss der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit verpönt. Darüber hinaus kann eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild jedoch nicht geeignet sein, den zwingenden Charakter einer Norm zu begründen. Denn andernfalls wäre nicht nur § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB überflüssig, weil die Abweichung ohnehin als Verstoß gegen zwingendes Recht unwirksam wäre. Es könnte sogar schon kein dispositives Recht mehr geben, weil jede Derogation einer dispositiven Regel zu einer wesentlichen Änderung führen könnte. Es existiert auch kein „Abstandsgebot“ zwischen Schiedsgutachten und Schiedsspruch, das in diesem speziellen Fall gegen einen dispositiven Charakter sprechen würde. Allein die Beschränkung der richterlichen Kontrolle auf die Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB macht aus einem Schiedsgutachten keinen Schiedsspruch. Eine derartige Metamorphose privatautonom herbeizuführen, wäre den Parteien tatsächlich verwehrt.135 Wann ein Schiedsverfahren vorliegt, richtet sich nach den §§ 1025 ff. ZPO. Diese Vorschriften reduzieren nicht nur die Angriffmöglichkeiten gegen das Ergebnis des Verfahrens, sondern sie regeln auch eine Reihe anderer Merkmale, die – wie etwa ein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs – beim Schiedsgutachtenverfahren vorliegen können, aber nicht vorliegen müssen. Im Ergebnis kann somit der Vergleich mit der weitergehenden Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nicht rechtfertigen, weshalb das Schiedsgutachten nicht auch mit einer über § 319 Abs. 1 BGB hinausgehenden Bindungswirkung ausgestattet werden kann. Entsprechend gehen auch die Vertreter der oben genannten Abgrenzungsformel von der Abdingbarkeit des § 319 Abs. 1 BGB aus, freilich ohne die Spannung zwischen beiden Positionen zu thematisieren. Auflösen lässt sich diese Spannung nur durch eine Modifikation der Abgrenzungsformel: Ist die Vereinbarung der Parteien dahingehend auszulegen, dass die Entscheidung des Dritten im Fall offenbarer Unbilligkeit unverbindlich sein soll, so handelt es sich um ein Schiedsgutachten. Soll eine derartige Nachprüfung nach dem Parteiwillen ausgeschlossen sein, so ist diesem Willen kein Anhaltspunkt für die Vereinbarung eines Schiedsgerichts‑ oder eines Schiedsgutachtenverfahrens zu entnehmen.

135  So auch RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71, 74, allerdings mit nicht mehr ganz zeitgemäßem Rekurs auf die „zum Teil öffentlichrechtlichen Funktionen“ von Schiedsrichtern.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

c) Richterliche Überprüfung keine nachgelagerte Richtigkeitsgewähr Problematisch müsste ein privatautonomer Ausschluss der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit auch all denjenigen erscheinen, die in der richterlichen Überprüfung eine Garantie für die Richtigkeitsgewähr des Vertrages erblicken.136 Die Rechtsordnung, so ließe sich argumentieren, gestatte den in einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen liegenden Verzicht auf die Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlussmechanismus, indem sie an die Stelle dieser Richtigkeitsgewähr eine (begrenzte) Inhaltskontrolle setzt. Sie würde, wie es zu § 315 BGB prägnant heißt, statt der „präventiven Richtigkeitsgewähr“ ein Instrument zur „repressiven Richtigkeitskontrolle“ anbieten.137 Heranziehen ließe sich ferner ein von Franz Bydlinski in einem allgemeineren Zusammenhang ausformulierter Gedanke:138 „Je unmittelbarer die Rechtsfolge vom Willen getragen ist und je besser die Willensbildung qualifiziert ist, umso weniger kommt es auf die Äquivalenz der Leistungen und Rechtspositionen an …, um eine gültige Verpflichtung zu begründen.“ Ein wirklich frei gebildeter Wille bedürfe keiner Überprüfung. Der nur indirekt oder fehlerhaft gebildete Wille könne hingegen nur unter zusätzlichen Voraussetzungen Bindung erzeugen, so insbesondere, wenn zwischen Rechten und Pflichten ein „ausreichende[s] Äquivalenzverhältnis“ bestehe. Entwickelt wurde diese – an der Idee eines beweglichen Systems ausgerichtete – Wechselwirkung mit Blick auf Erklärungsfahrlässigkeit, Irrtum oder Wucher. Wenn nun auch die Entscheidung eines Dritten zu den Situationen einer „indirekten“ Willensbildung zählt, müsste auch in diesem Fall der Austauschgerechtigkeit größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Tatsächlich kann dieses Argument nicht den zwingenden Charakter der Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit begründen. Zum einen war bereits die Prämisse zurückzuweisen, die Delegation von Privatautonomie beeinträchtige die Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlussmechanismus.139 Zum anderen betont ­Rieble mit Recht, dass es „dem liberalen System des BGB“ entspricht, wenn die Parteien „von diesem Angebot [einer repressiven Richtigkeitskontrolle] keinen Gebrauch“ machen müssen.140 Dies belegt ein Blick auf das Stellvertretungsrecht: Auch wer einen Stellvertreter bevollmächtigt, wird nicht durch eine nachträgliche Kontrolle des von dem Vertreter geschlossenen Vertrags geschützt.141 Wollte das BGB den Parteien diese Kontrolle als Wohltat zwingend vorschreiben, so dürfte es nicht den Vertragsschluss durch einen vom Verbot des Insich136 

Dazu bereits oben § 3 A.III.2.a) (S. 115 ff.). § 315 Rn. 34; Garger, S. 57; siehe auch G. Bachmann, S. 270. 138  F. Bydlinski, Privatautonomie, S. 151 ff., 174 (Zitat auf S. 174). 139  Siehe oben § 3 A.III.2.b) (S. 117 ff.). 140 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 35. 141 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 35.

137 Staudinger/­R ieble,

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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geschäfts nach § 181 BGB befreiten Vertreter geben, da sich auf diesem Wege funktional ein gleichwertiges Ergebnis zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten herbeiführen lässt.142 In diesem Sinne könne § 181 BGB „als Sicherung des Vertragsmechanismus“ verstanden werden.143 Schließlich erhellt die Parallele zum Stellvertretungsrecht auch, dass der mit Hilfe eines Dritten vervollständigte Wille nicht „indirekt“ gebildet wurde. Denn erstens müsste sonst auch im Stellvertretungsrecht eine besondere Äquivalenzkontrolle bestehen. Und zweitens beruht die Entscheidung des Dritten auf dem „direkt“ gebildeten Willen des Delegierenden, der diese Entscheidung in seinen Willen aufgenommen hat.

d) Wechselwirkung von Verfahren und Kontrolle Der entscheidende Grund für die verbreitete Zurückhaltung bei der Annahme einer Abbedingung der Billigkeitskontrolle und zugleich der triftigste Ansatzpunkt für einen zwingenden Charakter dieser Kontrolle dürfte in einem allgemeinen Unbehagen liegen, die Parteien einer so weitgehenden Bindung zu unterwerfen. Große Zustimmung144 hat die These erfahren, § 319 Abs. 1 BGB diene dem Ausgleich zweier widerstreitender Interessen: „einerseits dem Interesse daran, sich nur einer wirklich sachkundigen und sorgfältigen Begutachtung zu unterwerfen, andererseits dem Interesse, das Gutachten vor An­ zweifelungen geringeren Grades zu bewahren und Prozesse tunlichst zu vermeiden“.145

Auf das zweitgenannte Interesse, den Bestandsschutz des Gutachtens gegenüber „kleinliche[r] Kritik“146, wird im Zusammenhang mit den erhöhten Anforderungen, die die offenbare Unbilligkeit stellt, zurückzukommen sein.147 Hier interessiert zunächst der erstgenannte Aspekt, nach dem § 319 Abs. 1 BGB als eine „Schutzvorschrift“148 zu verstehen ist. In der zitierten Entscheidung hatte das Gericht zwar diskutiert, ob die Kontrolle des Schiedsgutachtens von den Parteien ausgeschlossen worden sei, einen wirksamen Ausschluss aber letztlich mit Blick auf den „Schutzcharakter“ von § 319 Abs. 1 BGB verneint.149 Diese Vorschrift ziehe der „Macht der Parteien, sich auf die Erledigung eines Strei-

142 Staudinger/­R ieble,

§ 315 Rn. 35. § 315 Rn. 35. 144  Etwa bei Wittmann, S. 27 f.; v. Thun und Hohenstein, S. 116 f.; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 468. 145  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44; in diese Richtung bereits das Reichsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zum feststellenden Schiedsgutachten RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 61 f. 146  RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 22 (§ 254). 147  Siehe unten § 15 C.I.1.b) (S. 719 f.). 148  Wittmann, S. 28. 149  OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 45. 143 Staudinger/­R ieble,

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

tes durch einen Schiedsgutachter festzulegen“, eine Grenze.150 In einer anderen Entscheidung heißt es: „Diese Gesetzesbestimmung beruht offensichtlich auf der Erwägung, daß es dem gesunden Rechtsempfinden und dem zu vermutenden Parteiwillen widersprechen würde, in einem solchen Fall [der offenbaren Unbilligkeit] die Vertragschließenden an die getroffene Bestimmung zu binden. Denn wenn die Parteien es schon einem Dritten überlassen, an ihrer Stelle den Vertragswillen zu ergänzen, und diese Ergänzung nach billigem Ermessen erfolgen soll, so widerspricht es der Billigkeit, die Vertragsparteien auch an eine offenbar unbillige Bestimmung zu binden.“151

Die Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB würde somit – jedenfalls auch – den Schutz der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung bezwecken.152 Bemerkenswert an den zuvor wörtlich wiedergegebenen Stellungnahmen ist dabei der nicht thematisierte Übergang von einem subjektiven Ansatz, der die Kontrolle auf den Parteiwillen stützt, hin zu einem objektiven, gesetzlich angeordneten Schutz der benachteiligten Partei. Es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob die Kontrolle auf einem Interesse der Parteien beruht, sich selbst abzusichern, oder ob das Gesetz die Parteien schützen möchte. Umgekehrt ist auffallend, dass in den wenigen Entscheidungen, die einen Ausschluss tatsächlich angenommen haben, bestimmte Verfahrenssicherungen bestanden haben und von den Gerichten im Zusammenhang mit dem Ausschluss besonders betont wurden. In einem Fall hatten die Parteien ein Ablehnungsrecht bei Besorgnis der Befangenheit vereinbart, das angesichts der vertraglich vereinbarten Unanfechtbarkeit des Gutachtens auch im Falle offenbarer Unbilligkeit in den Worten des BGH „der einzige Schutz der Vertragspartner gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung der anderen Seite“ darstellte und deshalb entsprechend streng gehandhabt werden müsse.153 In einem anderen Fall hielt das Gericht die Abbedingung der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit für „um so unbedenklicher, als das Schiedsgutachten von mehreren Personen erstattet werden soll, die im Zweifel einstimmig die Leistung bestimmen müssen …, so daß offenbar unbillige Ergebnisse in aller Regel ausgeschlossen sein dürften.“154 Hinter dem oben so bezeichneten Unbehagen wird folglich die Wechselwirkung zwischen Verfahren und Kontrolle erkennbar. Der traditionelle Standardsatz der Rechtsprechung, dass der Schiedsgutachter bei der Verfahrensgestaltung angesichts der nachträglichen Kontrolle seiner Entscheidung 150 

OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44. RG v. 10.12.1935 RGZ 150, 7, 9. 152  Siehe außerdem z.B. BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; BGH v. 3.10.1957 NJW 1957, 1834; PWW/Medicus/M. Stürner, § 319 Rn. 1 (Leistungsbestimmung durch einen Dritten „weniger bedenklich“). 153  BGH v. 28.2.1972 KTS 1972, 191, 192. 154  OLG Zweibrücken v. 20.1.1971 NJW 1971, 943, 944. 151 

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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frei sei,155 müsste nun eine Umkehrung erfahren: Wenn und weil der Schiedsgutachter auf Verfahrensebene frei ist, muss zum Schutz der Parteien die Kontrolle des Schiedsgutachtens gewährleistet sein.156 Dieser Diskrepanz ist sich die Rechtsprechung indes nicht bewusst. Auch der Schiedsspruch, so ließe sich weiter argumentieren, kann nur deshalb von einer über die ordre public-Kontrolle hinausgehenden inhaltlichen Nachprüfung verschont bleiben, weil das Verfahren zu seinem Erlass mit verschiedenen Verfahrenssicherungen – wie insbesondere die Neutralität der Entscheidungsperson, das rechtliche Gehör und die Gleichbehandlung der Parteien – ausgestattet ist.157 Sollte also aus diesem Grunde die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit auch in Individualvereinbarungen158 zwingend oder jedenfalls nur dann abdingbar sein, wenn ihr Ausschluss durch Verfahrensgarantien kompensiert wird, die sich an die §§ 1025 ff. ZPO anlehnen?159 Auf der Grundlage der lex lata muss diese Frage verneint werden. Weder ein zwingender Charakter noch die Kompensation des Defizits bei der Überprüfung durch zusätzliche Verfahrensvorschriften ließe sich mit den Wertungen in Einklang bringen, die in § 319 Abs. 2 BGB und § 181 BGB zum Ausdruck kommen. Wie zuvor herausgearbeitet, ist es den Parteien gestattet, das freie Belieben als Entscheidungsmaßstab zu vereinbaren und auf diese Weise die richterliche Überprüfung auf die Einhaltung der §§ 134, 138, 242 BGB zurückzudrängen. Eine Kompensation dieses freieren Entscheidungsmaßstabs durch zusätzliche 155 

Siehe oben § 6 A. (S. 407). Plastisch wird das bei Gernhuber, Schuldverhältnis, der auf S. 292 (§ 12 III 2) wie auch auf S. 304 (§ 12 IV 7 b und § 12 IV 8 a) annimmt, Verfahrensregeln seien entbehrlich, da § 319 Abs. 1 BGB zwingend sei, auf S. 297 (§ 12 III 6) allerdings erklärt, niemand hindere die Parteien daran, die Kontrolle auszuschließen. Auch Lembcke, NVwZ 2008, 42, 44 f. rechtfertigt die Möglichkeit, ein Schiedsgutachten ohne Gewährung rechtlichen Gehörs zu erstellen, mit der nachgelagerten gerichtlichen Kontrolle nach § 319 BGB. 157  Zwingende Verfahrensanforderungen im Schiedsverfahren dienen in erster Linie dazu, die Gleichwertigkeit zur staatlichen Gerichtsbarkeit sicherzustellen, die aufgrund einer wirksamen Schiedsvereinbarung verdrängt wird, siehe etwa BT-Drucks. 13/5274, S. 46; Münch­ Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 4 f., § 1042 Rn. 1; Zöller/Geimer, Vor § 1025 Rn. 4; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 170 ff.; Dütz, S. 238 ff. Zur Verfassungskonformität des Schiedsverfahrensrechts siehe bereits oben § 7 B.II.4.c) (S. 450 ff.). 158  Zu AGB siehe oben § 3 B.II.3.c) (S. 134 f.). 159  Nach Ansicht von Joussen, S. 486 ff. muss ohnehin keine über eine reine Rechtskontrolle hinausgehende Überprüfung stattfinden, da die Unterwerfung unter den Spruch des Dritten die Parteien in eine Situation formeller Vertragsparität versetzt (dazu auch ders., 243 ff., 260 ff.). Eine bei Eingehung der Unterwerfungsvereinbarung bestehende Imparität werde aufgehoben, da der Verhandlungsstärkere seine Übermacht aufgebe, wenn er der Entscheidung durch einen Dritten zustimme (ders., S. 261). Dieser Ansatz, der einen Ausschluss der über eine reine Rechtskontrolle hinausgehenden Überprüfung scheinbar rechtfertigen könnte, führt hier nicht weiter. Denn er beruht auf der – abzulehnenden (siehe oben § 14 B.II.1. [S. 642 ff.]) – Prämisse, dass Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab stets kongruent sein müssten. Zu der Frage, ob eine derartige Vereinbarung nicht ohnehin als Schiedsvereinbarung auszulegen ist, noch unten § 16 C.II.2. (S. 825 ff.). 156 

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Verfahrensregeln ist im Gesetz nicht angelegt und ließe sich auch nicht rechtfertigen. Mit der Ermächtigung eines Dritten zur Entscheidung nach freiem Belieben zeigen die Parteien gerade außergewöhnlich großes Vertrauen in die Fähigkeit des Dritten, eine Entscheidung, die beide Parteien akzeptieren können, zu treffen.160 Dieses Vertrauen bedarf – über die oben beschriebenen Anforderungen an die Neutralität des Dritten hinaus – keiner flankierenden Abstützung durch Verfahrensregeln. Wenn nun aber die Parteien die Entscheidung des Dritten ebenfalls einer reinen Rechtskontrolle unterwerfen, ihn aber gleichzeitig nach billigem Ermessen entscheiden lassen wollen, so muss das erst recht zulässig sein. Denn auch wenn sich ihre Angriffsmöglichkeiten gegen die Entscheidung des Dritten in diesem Fall nicht unterscheiden, kann ihnen die Verpflichtung des Dritten, nach billigem Ermessen zu entscheiden, weitergehenden Schutz gewähren, indem dadurch die Möglichkeiten, den Dritten für eine fehlerhafte Entscheidung haften zu lassen, erweitert werden können.161 Gegen die Heranziehung des freien Beliebens als Argument lässt sich auch nicht einwenden, die Entscheidung nach freiem Belieben unterscheide sich strukturell von der Entscheidung nach billigem Ermessen. Vielmehr besteht zwischen den denkbaren Entscheidungsmaßstäben ein fließender Übergang. Darüber hinaus zeigt § 181 BGB, dass es den Parteien möglich sein muss, gemeinsam einen Dritten damit zu betrauen, einen Vertrag hervorzubringen, an den beide gebunden sind, wenn er sich nur im Rahmen seiner Vertretungsmacht und der allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit hält.162 Alles, was dazu benötigt wird, ist der erkennbare Wille, den Dritten von dem Verbot der Mehrvertretung zu befreien,163 und eventuell die Wahrung der für das Hauptgeschäft vorgeschriebenen Form.164 Darüber hinausgehende regulatorische Eingriffe in die Privatautonomie der Parteien zu ihrem Schutz hält das Gesetz nicht für erforderlich. Aus systematischen Gründen haben derartige Restriktionen dann aber auch in der funktional äquivalenten Situation der Leistungsbestimmung durch einen Dritten, der anders als der gemeinsame Vertreter bei § 181 BGB nicht definitiv, sondern nur potentiell einer Interessenkollision ausgesetzt ist, keinen Platz. Die160 

Siehe oben § 4 D.II.1.a) (S. 236 ff.). welchen Umständen der Dritte den Parteien haftet, ist eine Frage des Schiedsgutachtervertrags, also der Vereinbarung zwischen ihm und den Parteien. Zu diesem Komplex siehe unten § 15 C.III.3. (S. 763 ff.). Denkbar wäre, dass eine Beschränkung der Kontrolle dem Schiedsgutachter mitgeteilt werden muss, damit dieser sein Haftungsrisiko abschätzen kann. Denn eine Reduzierung von Angriffsmöglichkeiten gegen das Schiedsgutachten erhöht das Haftungsrisiko des Schiedsgutachters, Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 3; Greger/Stubbe, Rn. 125. 162  Siehe oben § 3 A.II.2.b) (S. 108 ff.). Generell kritisch zur Erstreckung des § 181 BGB auf die Mehrvertretung U. Hübner, S. 85 ff. 163  U. Hübner, S. 116. Es ließe sich erwägen, in dieser Gestattung der Mehrvertretung ein Äquivalent zu der bewussten Benennung eines parteilichen Schiedsgutachters zu erblicken. 164  Zur Form der Vollmacht bei Befreiung vom Insichgeschäft siehe statt aller Münch­ Komm-­BGB/Schramm, § 167 Rn. 23. 161  Unter

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ses systematische Argument wird verstärkt, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der Dritte im französischen Recht als mandataire commun165 der Parteien angesehen wird und im italienischen Recht mit dem biancosegno166 ein ähnlicher Weg zur Verfügung steht. Verbindendes Element dieser Konstruktionen ist die Aufgabe des Dritten, sei er Vertreter, sei er Schiedsgutachter. Diese Aufgabe besteht im Kern darin, eine Einigung der Parteien zu ersetzen.167 Die lex lata ist aber auch interessengerecht, indem sie es den Parteien ermöglicht, nach Bedarf Schiedsgutachten mit größerer Verbindlichkeit, als in § 319 Abs. 1 BGB vorgesehen, auszustatten. Zwar mag die Forderung nach einer Kompensation des Defizits auf der Ebene der Kontrolle durch ein Mehr an prozeduralen Sicherungen auf den ersten Blick plausibel erscheinen und sich auch gut in den Topos der Wechselwirkung von Verfahren und Kontrolle einfügen. Jedoch würde eine derartige Forderung übersehen, dass das Schiedsgutachtenverfahren ohnehin die zur Kompensation in Betracht kommenden Verfahrensgarantien im Wesentlichen kennt. Ein Blick auf die verfahrensbezogenen Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die die Einhaltung der essentiellen Verfahrensgarantien im Schiedsgerichtsverfahren sicherstellen, bestätigt, dass der prozedurale Schutz, der den Parteien im Schiedsgutachtenverfahren gewährt wird, nicht erheblich dahinter zurückbleibt. Insbesondere wird auch hier die Neutralität des Dritten gewährleistet. Mit dieser Sicherung gegen eine Parteinahme des Dritten wird der vermutlich größten Gefahr einer Entscheidung, von der die eine Seite in grober Weise benachteiligt wird, begegnet und auch die bevorzugte Anhörung einer Seite kann damit aufgefangen werden. Hinzu kommt, dass die Forderung nach einer über die hier bejahten Verfahrenssicherungen hinausgehenden Prozeduralisierung, wenn sie tatsächlich durchgreifen würde, nicht nur ein Abbedingen der in § 319 Abs. 1 BGB vorgesehenen Nachprüfung erschweren, sondern diese Vorschrift insgesamt in Zweifel ziehen müsste. Denn in diesem Fall bestünde bereits in der Beschränkung der Unverbindlichkeit auf die Fälle der offenbaren Unbilligkeit ein kompensationsbedürftiges Defizit auf der Ebene der Kontrolle. Das würde dann aber der oben bereits abgelehnten Ansicht von Dütz entsprechen, wonach der eingeschränkte richterliche Kontrollmaßstab bei feststellenden wie bei gestaltenden Schiedsgutachten nur aufrechterhalten werden kann durch analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO.168

165 

Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.). Schlosser, RIPS, Rn. 27; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 147; Wenger, S. 17 ff. 167  Siehe zum biancosegno G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 147: „Hier handelt es sich zwar materiell um einen Fall der Streitbeilegung durch einen Dritten, die in ihrer Urform nach außen, formell, aber nichts anderes als eine Einigung der Parteien darstellt.“ 168  Dütz, S. 259 ff., 266 ff. Zur Auseinandersetzung mit dieser Ansicht siehe oben § 7 B.II.6. (S. 465 ff.). 166 Dazu

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Im Ergebnis muss eine Forderung nach zusätzlichen Verfahrensgarantien, die im Fall eines bis an die Grenze der §§ 134, 138, 242, BGB verbindlichen Schiedsgutachtens eingreifen, zurückgewiesen werden. Vielmehr hat diese Auseinandersetzung erbracht, dass der Ausgangspunkt dieser Forderung – die traditionelle Standardformel der Rechtsprechung für die Entbehrlichkeit von Verfahrensgarantien – sich einmal mehr als unhaltbar erwiesen hat. Steht aber damit fest, dass die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung auch in prozeduraler Hinsicht ausreichend geschützt sind, kann zugleich die übertriebene Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Annahme einer Beschränkung der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen aufgegeben werden. Im Ergebnis ist damit die tradierte Sichtweise, den Sinn des § 319 Abs. 1 BGB in einem Interessenausgleich zwischen dem Schutz der benachteiligten Partei und dem Bestandsschutz des Gutachtens zu erblicken, mit einer deutlichen Nuancierung zu versehen. Diese Norm trägt keinen objektiven „Schutzcharakter“169, sie ist keine „Schutzvorschrift“170. Ein von ihr vermittelter Schutz beruht nicht auf einer Wertentscheidung des Gesetzgebers. Vielmehr verankert diese Vorschrift lediglich einen typischen Parteiwillen, in eklatanten Fällen nicht an das Schiedsgutachten gebunden zu sein,171 im dispositiven Recht. Um zu begründen, weshalb es für § 319 Abs. 1 BGB auf die offenbare Unbilligkeit ankommt, sollte deshalb vorrangig auf das Bestandsinteresse abgestellt werden.172

3. Gesetzliche Beschränkung des Kontrollmaßstabs Eine privatautonome Beschränkung der Kontrolle ist entbehrlich, wo die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen ohnehin kraft Gesetzes beschränkt ist. Dies kann auf zwei Wegen geschehen, nämlich einmal, indem eine Spezialvorschrift eine weitergehende Verbindlichkeit der schiedsgutachterlichen Entscheidung anordnet. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Entscheidung des Preisrichters, die nach § 661 Abs. 2 S. 2 BGB „für alle Beteiligten verbindlich“ ist.173 Für den anderen Weg liefert § 2151 BGB ein Beispiel. Darin ist kein Maßstab für die Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten über die Person des Vermächtnisnehmers angegeben, und es fragt sich deshalb, ob und in welchem Um169 

Siehe oben Fn. 149. Siehe oben Fn. 148. 171  In diesem Sinne ist die einleitend zitierte Entscheidung OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44 durchaus zutreffend. Das Interesse der Parteien betont z.B. auch Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 1. 172  Ein Teil des Schrifttums konzentriert sich in der Tat auf dieses Interesse, siehe etwa Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2; v. Hoyningen-Huene, S. 54. 173  Verfehlt ist deshalb die Argumentation des BGH v. 14.6.1955 BGHZ 17, 366, 372, Preisrichter könnten nicht Schiedsgutachter sein, weil „dann ja ihre Entscheidung unter dem Gesichtspunkt einer offenbaren Unrichtigkeit in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 nachprüfbar wäre“. Diese offenkundig ergebnisorientierte Begründung ignoriert die verdrängende Wirkung der lex specialis. 170 

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fang ein Schweigen des Gesetzes zu einer Invalidierung eines Rechtsgeschäfts aus inhaltlichen Gründen berechtigt. Beide Beispiele sollen im Folgenden näher untersucht werden.

a) Die Verbindlichkeit der Preisrichterentscheidung, § 661 Abs. 2 S. 2 BGB Im Gegensatz zu der Drittbestimmung nach § 317 BGB, aber auch im Gegensatz zu der bei offenbarer Unbilligkeit korrigierbaren Verteilung einer ausgelobten Belohnung unter mehreren Mitwirkenden (§ 660 Abs. 1 S. 2 BGB) wird die Preisrichterentscheidung einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die unterlegenen Bewerber sollen damit von einer Klage auf Zuerkennung des Preises ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Regelung war schon in der ersten umfassenden Regelung des Preisausschreibens in ALR I 11, § 994 enthalten gewesen, der allen Mitbewerbern aufgab, dass sie sich dem Votum des Preisrichters „ohne alle Widerrede oder weitere Berufung“ unterwarfen. Der BGB-Gesetzgeber folgte dem und betonte, dass die Entscheidung auch im Falle offenbarer Unbilligkeit „unanfechtbar“174 sein solle.175 Damit wurde zugleich Autoren des 19. Jahrhunderts eine Absage erteilt, die die Preisrichterentscheidung als arbitrium boni viri einordneten und damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich machen wollten.176 Eine endgültige Entscheidung entsprach in den Augen der Ersten Kommission sowohl der Praxis als auch dem Willen des Auslobenden.177 Diese Rückführung der gesteigerten Verbindlichkeit auf den Parteiwillen stellt zugleich die plausibelste Erklärung für die Diskrepanz zwischen der Preisrichterentscheidung und dem Grundmuster der Drittbestimmung in den §§ 317 ff. BGB dar. Ein anderer Begründungsansatz will die geminderten Angriffsmöglichkeiten der unterlegenen Bewerber damit rechtfertigen, dass von den staatlichen Gerichten nicht erwartet werden könne, sich mit der Lösung wissenschaftlicher Streitfragen zu befassen, die beste Bewerbung zu identifizieren und im Falle offenbarer Unbilligkeit sogar ihre eigene Beurteilung an die Stelle des Preisrichterspruchs zu setzen; zu einer derartigen Tätigkeit seien die Gerichte angesichts der ihnen zur Verfügung stehenden Beweismittel auch gar nicht in der Lage.178 Dem ist freilich zu entgegnen, dass Gerichte auch 174 § 584 E I. Erst die Zweite Kommission machte aus der Unanfechtbarkeit die Verbindlichkeit der Preisrichterentscheidung. Eine Änderung in der Sache ist mit dieser terminologischen Verschiebung nicht verbunden (a.A. Eberty, ArchBürgR 39 [1913], 82, 84, der darin die Öffnung für eine Nachprüfung in formeller Hinsicht sieht). 175  Jakobs/Schubert, Bd. II/3, S. 25. 176  Regelsberger, S. 203. 177  Jakobs/Schubert, Bd. II/3, S. 25. 178 Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 33; früher schon Kuhlenbeck, JW 1908, 646; Köttgen, Das Recht 1904, 382; Heinsheimer, DJZ 1904, 625; Kohler, ArchBürgR 25 (1905) 1 ff. In diese Richtung auch BGH v. 14.6.1955 BGHZ 17, 366, 373 (eine den Gerichten nicht zukommende

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in anderen Fällen zu einer Stellungnahme in komplexen Themen aufgerufen sein können.179 Insbesondere die Verbindlichkeit eines Schiedsgutachtens kann ein staatliches Gericht oft nur mit sachverständiger Hilfe beurteilen. Ebensowenig kann es überzeugen, die eingeschränkte richterliche Kontrolle als Korrelat des weiten Entscheidungsspielraums des Preisgerichts zu betrachten.180 Schließlich hindert auch in § 319 Abs. 1 BGB ein weiter Spielraum bei der Ausfüllung des Parteiwillens das Gesetz nicht, eine gerichtliche Überprüfung vorzusehen. Indirekt bestätigt die Regelung des § 661 Abs. 2 S. 2 BGB also die Ansicht, dass es Aufgabe und Gestaltungsmacht desjenigen, der die Drittbestimmungsbefugnis einräumt, ist, die Reichweite der Verbindlichkeit dieser Drittbestimmung festzulegen. Gleichzeitig erscheint es angesichts dieser Grundlage im mutmaßlichen Willen des Auslobenden selbstverständlich, dass dieser privatautonom eine richterliche Nachprüfung vorsehen kann.181 Wenn freilich der Auslobende keinen von § 661 Abs. 2 S. 2 BGB abweichenden Willen, sondern vielleicht sogar in deklaratorischer182 Wiederholung dieser Vorschrift in den Bedingungen des Preisausschreibens bestimmt, der Rechtsweg sei ausgeschlossen, stellt sich die Frage, wie weit die Verbindlichkeit der Preisrichterentscheidung reicht. Dabei empfiehlt es sich, wiederum zwischen einer Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen und einer Unverbindlichkeit wegen Verfahrensmängeln zu unterscheiden. Sofern überhaupt eine wirksame Preisrichterentscheidung vorliegt, was insbesondere innere Widerspruchsfreiheit voraussetzt,183 soll diese einer inhaltlichen Nachprüfung entzogen sein.184 Der Satz, die gerichtliche Nachprüfung sei den Beteiligten „schlechthin verwehrt“185, bedarf jedoch einer – bei weitem nicht überall ausdrücklich genannten – Einschränkung: Als Willenserklärung186 unterliegt die Preisrichterentscheidung den allgemeinen Anforderungen der Rechtsgeschäftslehre und kann deshalb nicht binden, wenn sie gegen die §§ 134, 138 BGB verstößt. Diese Grenzen stehen nicht zur Disposition des Auslobenden, dessen Willen die Verbindlichkeit der Entscheidung ja entspringt. Selbst der Ausschluss aller „Widerrede“ in ALR I 11, § 994 konnte nicht so absolut gehandhabt werden, wie er sich liest: Aufgabe). Allgemein skeptisch zu den Regelungsfähigkeiten des Gerichts G. Bachmann, S. 270 f.; Triebel, S. 132; selbstbewusster BGH v. 6.11.1997 NJW 1998, 1388, 1390. 179  Der BGH v. 23.9.1982 NJW 1983, 442, 444 traut sich (obiter) eine derartige Entscheidung zu, gibt aber zu bedenken, dass bestimmte prüfungsspezifische Gesichtspunkte nur aus der Prüfungssituation heraus beurteilt werden könnten. 180  So Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 2; v. Gierke, Privatrecht III, S. 324. 181  So auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 130. 182  Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 657 Rn. 23. 183  Dazu Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 14; Eberty, ArchBürgR 39 (1913), 82, 82 f. 184  BGH v. 14.6.1955 BGHZ 17, 366, 373; BGH v. 6.4.1966 MDR 1966, 572; BGH v. 23.9.1982 NJW 1983, 442; Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 14; Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 34; siehe bereits oben bei Fn. 175. 185  Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 14. 186  Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 13.

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Eine (untechnisch zu verstehende) „Anfechtung wegen Arglist oder aus sonstigen Rechtsgründen“ blieb zulässig.187 Das oben beschriebene Unbehagen gegenüber einer privatautonomen Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung188 wird angesichts der Tatsache, dass hier das Gesetz einen dahingehenden Willen des Auslobenden sogar als Regelfall betrachtet, besonders offen artikuliert. Zwar ließe sich durchaus entgegnen, dass alle Beteiligten wüssten, worauf sie sich einlassen, und ihnen deshalb kein Unrecht geschehe.189 Gleichwohl wird die eingeschränkte richterliche Nachprüfbarkeit des Inhalts der Preisrichterentscheidung kritisiert, insbesondere im Falle einer Entscheidung durch den Auslobenden selbst oder durch eine in seinem Lager stehende Person.190 Es ist deshalb heute anerkannt, dass grobe Verfahrensverstöße, die offensichtlich auch das Ergebnis beeinflusst haben, zur Unverbindlichkeit der Preisrichterentscheidung führen.191 Hierunter fällt insbesondere auch eine Zuerkennung des Preises unter Verstoß gegen die Auslobungsbedingungen.192 Zur Eingrenzung, welche Verfahrensmängel diese Folge zeitigen, wird meist auf § 1059 Abs. 2 ZPO, der die Aufhebungsgründe für Schiedssprüche aufzählt, verwiesen.193 Dieser Anknüpfungspunkt rückt den Preisrichter in die Nähe des Schiedsrichters. Eine überzeugende, nicht nur ergebnisgeleitete Begründung für die Assimilation an das Amt des Schiedsrichters sucht man bei der herrschenden Meinung jedoch vergeblich.194 In Wirklichkeit ist diese Einordnung auch nicht erforderlich, um eine begrenzte Verfahrenskontrolle zu ermöglichen. Es stellt ein berechtigtes Anliegen der herrschenden Meinung dar, den geminderten Rechtsschutz durch gerichtlich nachprüfbare Verfahrensgarantien zu kompensieren. Doch ist ein dogmatisch kaum mit der Regelung des § 661 BGB verzahnter Ausflug ins Prozessrecht entbehrlich. Die angestrebte Kompensation kann auch auf der Grundlage einer Qualifikation als Schiedsgutachter erfolgen, wenn nämlich die Zweiteilung zwischen einer Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen und einer Unverbindlichkeit aus Verfahrensgründen anerkannt wird. Nur Gründe der ersten Art werden von § 661 Abs. 2 S. 2 BGB erfasst. Ein Ver187 

RG v. 26.9.1883 RGZ 11, 281, 284; Dernburg, Preußisches Privatrecht II, S. 26. Siehe oben § 14 B.II.2.d) (S. 653 ff.). 189  Siehe zu einer vergleichbaren Argumentation oben § 7 B.II.5.e) (S. 462 ff.). 190  Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 930; ­L arenz, Schuldrecht II/1, S. 407. 191  Grundlegend BGH v. 14.6.1955 BGHZ 17, 366, 372 ff.; ferner BGH v. 23.9.1982 NJW 1983, 442 (Ausschluss eines Teilnehmers zu Unrecht von einem Architektenwettbewerb); BGH v. 9.6.1983 NJW 1984, 1118 (Chancengleichheit); OLG Hamm v. 27.11.1995 SpuRt 1999, 66; OLG Nürnberg v. 8.10.1997 BauR 1998, 360 (Berücksichtigung von Bewerbungen, die gegen die Auslobungsbedingungen verstoßen); OLG Hamm v. 21.3.2000 NJW-RR 2000, 1038; Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 14; Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 35. 192  OLG Hamm v. 21.3.2000 NJW‑RR 2000, 1038. 193  Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 14; Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 35; Bamberger/Roth/Kotzian-Marggraf, § 661 Rn. 7; anders Kuhlenbeck, JW 1908, 645, 646 (§ 826 BGB); Soergel/v. Reden, § 661 Rn. 35 (§ 1059 ZPO „nur eine grobe Leitlinie“). 194 HKK/Kleinschmidt, §§ 657–661a Rn. 38 m.w.N. 188 

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stoß gegen die hier angenommenen Verfahrensregeln kann dagegen zur Unverbindlichkeit der Preisrichterentscheidung führen. Diese Interpretation des § 661 Abs. 2 S. 2 BGB bestätigt zugleich die Rückführung der Unverbindlichkeit auf den Willen des Delegierenden: Während dem Auslobenden eines Preisausschreibens in inhaltlicher Hinsicht an einer möglichst endgültigen Entscheidung liegt, hat er in verfahrensbezogener Hinsicht kein Interesse daran, dass der Preisrichter sich von eigenen Interessen leiten lässt oder von den Vorgaben der Ausschreibung abweicht.

b) Die Verbindlichkeit der Bestimmung des Vermächtnisnehmers, § 2151 BGB Keine spezielle Regelung über eine gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des Dritten enthält § 2151 BGB. Aus dem Gesetzeswortlaut wird mithin nicht ersichtlich, dass die Zweite Kommission über die Frage diskutiert hat, ob die Bestimmung des Vermächtnisnehmers, die überhaupt erst von der Zweiten Kommission als zulässige Form der Testamentsgestaltung anerkannt wurde,195 „inappellabel“ sein solle wie die Preisrichterentscheidung oder ob wie bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten „eine richterliche Nachprüfung statthaft sei“.196 Indem er eine ausdrückliche Regelung unterließ, wollte der Gesetzgeber so verstanden werden, dass „die Zulassung richterlicher Ueberprüfung und Korrektur regelmäßig nicht dem Willen des Erblassers entsprechen“ werde.197 Insofern kann auch § 2151 BGB als eine von § 319 BGB abweichende Spezial­ norm aufgefasst werden. Grundsätzlich gilt für die Bestimmung nach § 2151 BGB Folgendes: Nach welchem Maßstab der Dritte seine Entscheidung zu treffen hat, richtet sich nach dem Erblasserwillen.198 Wenn der Erblasser nichts weiter (z.B. billiges Ermessen) angeordnet hat, ist davon auszugehen, dass die Bestimmung nach freiem Belieben getroffen werden kann.199 Indem er keine spezifischen Weisungen gibt, zeigt der Erblasser, dass ihm die Bestimmung eines jeden aus dem von ihm bestimmten Personenkreis recht ist. 200 Hat aber der Bestimmungsberechtigte 195 

Siehe oben § 5 A.V.1. (S. 342 ff.). Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 527. 197  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 527. 198  Lange/Kuchinke, S. 631 (§ 29 III 2 b a); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 433. 199  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 527; Sens, S. 106 f., 123; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; ­Erman/M.  Schmidt, § 2151 Rn. 2; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 5; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 6; Nieder, in: Nieder/Kössinger, § 3 Rn. 47; Piltz, ZEV 2005, 469, 471. Zum Teil heißt es auch „freies Ermessen“, wobei der Kontext zeigt, dass freies Belieben gemeint ist: Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 450; Schäfer, BWNotZ 1962, 188, 206. A.A. Lange/Kuchinke, S. 631 (§ 29 III 2 b a) (Regelfall sei Auswahl nach billigem Ermessen). 200 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 5; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 6; Johannsen, WM 1972, 866, 870. 196 

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keine sachlichen Kriterien an der Hand, an denen er seine Entscheidung ausrichten muss, fehlen gleichzeitig die Kriterien, an denen ein Gericht201 die Billigkeit einer Entscheidung messen könnte. Selbst wenn der Bestimmungsberechtigte sich selbst benennt, kann keine weitergehende Überprüfung stattfinden. 202 Eine Überprüfung ist auf die Einhaltung der stets geltenden Grenzen der §§ 134, 138 BGB beschränkt. 203 Von diesen kann der Erblasser den Dritten nicht freistellen. Hat der Erblasser hingegen bestimmte Auswahlkriterien vorgegeben, zeigt er, dass er bei der Auswahl gewisse Präferenzen hat und bestimmte Absichten damit verfolgt. 204 Eine gerichtliche Kontrolle ist theoretisch möglich. Es ist zu fragen, ob der Erblasser gleichwohl der Bestimmung letztgültigen Charakter einräumen wollte oder ob sein Interesse an der Einhaltung der Auswahlrichtlinien auch eine gerichtliche Überprüfung einschloss. Da der Erblasser festlegen kann, wie weit die Verbindlichkeit der Bestimmung reichen soll, muss sein Wille ausgelegt werden. Häufig wird der testamentarischen Ermächtigung des Dritten kein eindeutiger Erblasserwille zu dieser Frage zu entnehmen sein. Was dann im Zweifel gelten soll, wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Die Zweite Kommission ging davon aus, dass im Zweifel selbst im Fall der Ermächtigung zu einer Bestimmung nach „dem vernünftigen Ermessen“ eine gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung nicht dem Erblasserwillen entspreche, da der Dritte als Vertrauensperson des Erblassers tätig werde. 205 Solange der Dritte eine Person aus dem vom Erblasser vorgegebenen Personenkreis aus201  Gemeint ist hier stets das Prozessgericht. Das Nachlassgericht ist im Erbscheinsverfahren nicht mit Vermächtnissen befasst und muss deshalb nicht prüfen, ob ein Bestimmungsrecht wirksam ausgeübt wurde, vgl. Piltz, ZEV 2005, 469, 471. 202 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 5. Keine weitergehende Überprüfung stellt es dar, wenn – wie RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 8 fordert – überprüft wird, ob die Selbstbenennung mit dem Erblasserwillen zu vereinbaren ist, weil sie andernfalls arglistig sei. Des Rückgriffs auf Arglist bedarf es hier nicht. Ob eine Drittbestimmung von der Delegation gedeckt ist, ist stets zu fragen. 203 Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 5; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 10; Sens, S. 123 ff. (unter ausdrücklichem Hinweis auf die parallele Situation bei § 319 Abs. 2 BGB); unklar Kipp/Coing, S. 329 (§ 55 III 5). – Wenig überzeugend ist das Beispiel von Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 12 für einen Fall einer sittenwidrigen Bestimmung (zustimmend aber Sens, S. 106): Der vom Erblasser aus dem Kreis der potentiell Begünstigten ausgeschlossene Bestimmungsberechtigte bestimmt seinen tod­ kranken Ehegatten als Vermächtnisnehmer. Eine Sittenwidrigkeit ist zu verneinen, denn der Bestimmungsberechtigte erwirbt von seinem Ehegatten, nicht vom Erblasser. Indem der Erblasser es unterlassen hat, Einfluss darauf zu nehmen, was nach dem Erwerb durch den Vermächtnisnehmer mit seinem Vermögen geschieht, hat er die Möglichkeit einer Weitergabe an den Bestimmungsberechtigten nicht ausgeschlossen. Auch eine Weitergabe des vermachten Gegenstands an den Bestimmungsberechtigten unter Lebenden wäre ohne Einfluss auf den Bestand der Bestimmung. 204  Sens, S. 125; a.A. RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 6 f. 205 Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 527; zustimmend Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; AK/ Dubischar, § 2151 Rn. 2.

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wähle, entspreche die Wahl des Dritten „zwangsläufig“ dem Erblasserwillen. 206 Nach dieser Ansicht stellen die vom Erblasser vorgegebenen Auswahlkriterien nichts weiter als unverbindliche Wünsche dar. Eine derartige Auslegung ist durchaus denkbar. Im Zweifel dürfte sie jedoch nicht den Absichten des Erblassers entsprechen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Erblasser, der einen Maßstab für die Auswahl angibt, auch die Einhaltung dieses Maßstabs sicherstellen möchte.207 Die Delegation des Erblassers deckt die Bestimmung des Dritten dann nur insoweit, wie sie dem Erblasserwillen entspricht. Im Übrigen fehlt ihr die Legitimation und sie ist deshalb unverbindlich. Eine gewisse Unklarheit herrscht nun im Schrifttum in der Frage, wie die Einhaltung der Erblasservorgaben vom Gericht kontrolliert werden kann. Einige Autoren wollen § 319 Abs. 1 S. 1 BGB analog anwenden, so dass die Bestimmung im Falle offenbarer Unbilligkeit unverbindlich sei. 208 Andere halten eine Überprüfung auf offenbare Unbilligkeit analog § 319 Abs. 1 S. 1 BGB für ausgeschlossen, weil § 2151 BGB anders als § 2156 BGB keinen ausdrücklichen Verweis enthalte und auch die Bestimmung durch den Erblasser selbst keiner Billigkeitskontrolle unterlegen hätte. 209 Dahinter steht möglicherweise auch die Sorge davor, dass über den Anknüpfungspunkt der Billigkeit Kriterien, die nicht dem Erblasserwillen entspringen, wie etwa die Bedürftigkeit der potentiellen Vermächtnisnehmer in die Entscheidung hineingetragen werden. Doch unterscheiden sich die Ergebnisse beider Ansichten nicht, denn auch die Gegner einer Analogie zu § 319 BGB wollen eine gerichtliche Überprüfung zulassen, ob diese Richtlinien offensichtlich missachtet wurden. 210 Eine derartige Kontrolle ist aber nichts ande206  Piltz, ZEV 2005, 469, 471. Stets möglich ist die Kontrolle, ob der Ausgewählte dem vom Erblasser angegebenen Personenkreis angehört, R. Zimmermann, Quos, S. 39. 207  Sens, S. 128; Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 2; J. Mayer, MittBayNot 1999, 447, 450 f.; N. Mayer, ZEV 1995, 247, 249. Ohne Zweifelsregel Lange/Kuchinke, S. 632 (§ 29 III 2 b a); Kipp/Coing, S. 330 (§ 55 III 5) (Erblasser könne gerichtliche Überprüfung anordnen); a.A. Frey, S. 124. Im Fall der zulässigen Erbenbestimmung durch einen Dritten ging auch RG v. 6.2.1939 RGZ 159, 196, 199 davon aus, dass die Bestimmung nicht bindet, „wenn sie offenbar nicht auf den vom Erblasser festgelegten sachlichen Gesichtspunkten beruht, sondern seiner Bestimmung zuwider nach Willkür vorgenommen worden ist“. 208 Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 2151 Rn. 5; NK-BGB/J. Mayer, § 2151 Rn. 11; Lange/Kuchinke, S. 632 mit Fn. 104 (§ 29 III 2 b a); Ebenroth, Rn. 465; Sens, S. 126 f.; bei ausdrücklicher Anordnung durch den Erblasser auch Soergel/M. Wolf, § 2151 Rn. 4. – Umstritten sind die Folgen einer offenbar unbilligen Bestimmung: Nach Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9 komme eine gerichtliche Ersetzung angesichts der Spezialregel in § 2151 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Sens, S. 127 tritt demgegenüber für eine gerichtliche Bestimmung des Vermächtnisnehmers analog §§ 319, 2156, 2048 S. 3 BGB anhand der Kriterien des Erblassers ein. 209  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 12; RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 6; Erman/ M. Schmidt, § 2151 Rn. 2; Kipp/Coing, S. 330 (§ 55 III 5); Johannsen, WM 1972, 866, 870. 210  Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2151 Rn. 12; Erman/M. Schmidt, § 2151 Rn. 2; Palandt/ Weidlich, § 2151 Rn. 3; enger RGRK/Johannsen, § 2151 Rn. 7 und Johannsen, WM 1972, 866, 870 (Kontrolle nur auf Arglist).

B. Privatautonome Modifizierung der Kontrolle

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res als der auch von § 319 BGB zugrunde gelegte Mechanismus zur gerichtlichen Nachprüfung, ob die Bestimmung eines Dritten verbindlich ist. Es ist lediglich der Kontrollmaßstab des § 319 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend anzupassen, wozu der Wille des Erblassers die nötige Grundlage bietet. Zu schreiben, § 319 BGB könne nicht analog angewendet werden, führt demnach in die Irre, wenn zugleich identische Grundsätze für die Nachprüfung der Drittbestimmung postuliert werden, die lediglich den – dispositiven – Kontrollmaßstab des § 319 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Einhaltung der Vorgaben des Erblassers konkretisieren. 211 Im Ergebnis schadet es daher nicht, dass § 2151 BGB keine Vorkehrungen für die gerichtliche Nachprüfung der Drittbestimmung enthält, da sich die Nachprüfung an dem allgemeinen, ebenfalls in § 319 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Grundsatz auszurichten hat, ob die Bestimmung die vom Erblasser als Delegierendem gezogenen Grenzen der Verbindlichkeit überschreitet. Dass § 2151 BGB – anders als § 2156 BGB – keinen pauschalen Verweis auf die Leistungsbestimmung im Schuldrecht enthält, erhöht lediglich die Aufmerksamkeit dafür, diese Grenzen im Einzelfall anhand einer Auslegung der Ermächtigung des Dritten zu bestimmen.

III. Ergebnis Im Ergebnis zeigt sich, dass § 319 Abs. 1 S. 1 BGB Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist. Der Spruch des Dritten ist immer gerichtlich nachprüfbar. Einen Ausschluss richterlicher Kontrolle, von dem verschiedentlich zu lesen ist, gibt es nicht und kann es nicht geben. Die Entscheidung unterscheidet sich insofern nicht von jedem anderen Rechtsgeschäft. Sie wird jedenfalls auf die Einhaltung zwingender Vorschriften, von denen auch die Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung oder der Erblasser nicht abweichen dürfen (§§ 134, 138, 242 BGB), überprüft. Jegliche darüber hinausgehende Kontrolle legt jedoch nicht das Gesetz fest, auch nicht § 319 BGB. Denn im Übrigen muss das Gericht, wiederum wie bei jedem anderen Rechtsgeschäft auch, dessen Verbindlichkeit prüfen. Diese Prüfungspflicht beruht also nicht auf einer Qualifikation der Entscheidung des Dritten als Rechtsprechung. Sie ergibt sich vielmehr daraus, dass der Dritte seine Entscheidungsmacht aus der Delegation ableitet und diese Macht deshalb nur so weit reicht, wie sie ihm in dem zugrunde liegenden Akt der Delegation eingeräumt wurde. Die Bindungswirkung seiner Entscheidung kann nicht weiter reichen als diese Grundlage. Eine Unverbindlichkeit besteht dann, wenn der Dritte ohne Delegation oder in Überschreitung einer bestehenden Delegation tätig wird. Um eine derartige Überschreitung festzustellen, 211  So etwa bei Kipp/Coing, S. 330 (§ 55 III 5). Deutlich wird die Parallele zu § 319 BGB vor allem bei Sens, S. 123 ff.; Staudinger/Otte, § 2151 Rn. 9.

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kommen zwei Ansatzpunkte in Betracht. Eine Überschreitung ist in formaler Hinsicht, d.h. bei Nichtbeachtung von Verfahrensvorgaben der Parteien, und in materieller Hinsicht, d.h. aus inhaltlichen Gründen, denkbar. In materieller Hinsicht kommt nun endlich § 319 Abs. 1 S. 1 BGB ins Spiel, der für bestimmte Entscheidungen – nämlich nach billigem Ermessen zu erstellende gestaltende Schiedsgutachten – einen im Zweifel anzuwendenden Kontrollmaßstab enthält. Dieser Kontrollmaßstab ist dispositiv. Der Akt der Delegation kann einen strengeren, aber auch einen weniger strengen Maßstab vorsehen, solange einerseits überhaupt eine bindende Entscheidung gewollt ist und andererseits die Grenzen des zwingenden Rechts beachtet werden. Ob die Parteien eine derartige Modifikation gewollt haben, muss durch eine Auslegung ermittelt werden, die die Wortwahl der Parteien ernst nimmt. Einen denkbaren Fall bildet hierbei die Ermächtigung des Dritten zu einer Entscheidung nach freiem Belieben. In § 319 Abs. 1 BGB ist keine Norm mit Schutzcharakter zu erkennen. Eventuell erforderlichen Schutz vermittelt die AGB-Kontrolle. In den skizzierten Mechanismus fügen sich auch gesetzliche Bestimmungen wie § 661 Abs. 2 S. 2 BGB und § 2151 BGB ein, die einen anderen oder keinen Kontrollmaßstab enthalten.

C. Folgen der Kontrolle Liegen die Voraussetzungen für die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens vor, müssen in einem weiteren, davon getrennten Schritt die Folgen dieser Unverbindlichkeit bestimmt werden. Analytisch entspricht diese Trennung der Zerlegung einer Regel in Tatbestand und Rechtsfolge. In § 319 Abs. 1 S. 2 BGB wird als regelmäßige Folge der Unverbindlichkeit die gerichtliche Ersetzung der Leistungsbestimmung angeordnet. Die Tatsache, dass diese Form der gerichtlichen Abhilfe ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, darf indes nicht den Eindruck erwecken, dass die Parteien nicht auch und vorrangig privatautonom für Abhilfe sorgen können. Zwar gibt es durchaus Gestaltungsklagen wie die Ehescheidung, die eine entsprechende privatautonome Gestaltung ausschließen. 212 Dieser Ausschluss beruht jedoch auf übergeordneten Ordnungsinteressen, 213 die im Bereich des Schiedsgutachtens nicht ersichtlich sind. Im Gegenteil wäre es geradezu kurios, wenn die Parteien mit der Delegation einen Mechanismus in Gang setzen würden, den sie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr selbst steuern können, ohne dass Drittinteressen dazu zwingen, ihnen das Steuer aus 212  Von einem Teil der Literatur werden diese Klagen „echte“ Gestaltungsklagen genannt, Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, Vor §§ 253 ff. Rn. 29; M. Becker, ZZP 97 (1984), 314, 322; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 4. Ablehnend zu dieser Terminologie, aber in der Sache übereinstimmend, K. Schmidt, S. 24 f. 213  Hattenhauer, S. 239.

C. Folgen der Kontrolle

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der Hand zu nehmen. Bevor deshalb die gerichtliche Abhilfe bei Unverbindlichkeit untersucht werden kann, sind die Möglichkeiten privatautonomer Abhilfe in den Blick zu nehmen.

I. Privatautonome Abhilfe Maßnahmen, wie einem unverbindlichen Schiedsgutachten abgeholfen werden kann, sind einerseits vor, andererseits nach Vornahme der Drittbestimmung denkbar. Inwieweit die Betroffenen, den Inhalt einer – verbindlichen oder unverbindlichen – Drittbestimmung mit Hilfe einer neuen Regelung nachträglich modifizieren können, wurde oben bereits behandelt.214 Hier geht es nun darum, welche Möglichkeiten bestehen, bereits in der Delegation Vorsorge für den Fall der Unverbindlichkeit zu treffen. Diese Vorsorge treffen somit im Bereich des Schuldrechts die Parteien der Unterwerfungsvereinbarung, im Bereich des Erbrechts der Erblasser. Nur wenn sie nichts Abweichendes anordnen, kommt die gerichtliche Abhilfe nach dispositivem Recht zum Zuge. Die Parteien könnten anordnen, dass der Dritte im Fall der Unverbindlichkeit seiner Entscheidung eine „zweite Chance“ erhalten und eine neue Entscheidung abgeben soll. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass das Recht auf die unwirksame Ausübung eines Gestaltungsrechts üblicherweise reagiere, indem es dem Gestaltungsberechtigten einen zweiten Versuch einräume. 215 Dass ein Leistungsbestimmungsrecht nach seiner ersten Ausübung verbraucht sei und die Befugnis auf ein Gericht übergehe, stelle demgegenüber eine Anomalie dar. 216 Mit der Zuerkennung eines zweiten Versuchs würde diese Anomalie beseitigt. Die Rolle der Gerichte wäre auf die Feststellung der Unverbindlichkeit der ersten Ausübung beschränkt, die Konsequenzen daraus müsste der ursprüngliche Schiedsgutachter ziehen. Zwar kann durchaus kritisch gesehen werden, ob sich tatsächlich ein derartiger Grundsatz über Gestaltungsrechte aufstellen lässt: Wie oft ein Gestaltungsrecht ausgeübt werden kann, bestimmt der jeweilige Gestaltungsgrund, der eine einmalige oder eine mehrmalige Ausübung tragen kann. Die Tatsache, dass die meisten Gestaltungsrechte mehrere Versuche zulassen, bedeutet nicht, dass dies bei allen Gestaltungsrechten so sein muss. In der Sache jedoch spricht nichts gegen eine Beschränkung der richterlichen Befugnisse auf die Feststellung der Unverbindlichkeit. Wenn die gerichtliche Ersetzung einer unverbindlichen Leistungsbestimmung als „Vertragshilfe“ angesehen wird, 217 dann muss es den Adressaten dieser Hilfe auch 214 

Siehe oben § 13 B.II. (S. 614 ff.). Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 629. 216  Büdenbender, AcP 210 (2010), 611, 629. 217  Zur Situation beim Fehlschlagen der Delegation siehe oben § 4 D.II. (S. 236 ff.). 215 

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

möglich sein, diese auszuschlagen und sich selbst zu helfen. Der Vertrag oder das Testament enthält dann selbst einen Mechanismus dafür, wie mit der Unverbindlichkeit der Drittbestimmung umzugehen ist. Ob die erneute Einschaltung desselben Dritten freilich in der Praxis so interessengerecht ist, müssen die Parteien beurteilen. Nachdem der Dritte sie einmal mit einem offenbar unbilligen Spruch enttäuscht hat, werden sie sich ihm eher nicht ein zweites Mal anvertrauen wollen. Wahrscheinlicher ist es anzunehmen, dass der Dritte gegen eine andere Person ausgetauscht wird. Auch eine derartige Gestaltung ist zulässig. 218 Es liegt in der Konsequenz dieser Überlegungen, dass die Parteien, wenn sie das Gericht auf die Feststellung der Unverbindlichkeit beschränken, es bei dieser Feststellung bewenden lassen können. Es findet dann überhaupt keine Ersetzung der Drittbestimmung statt. 219 Zu überlegen ist, ob die Parteien darüber hinaus dem Gericht nicht nur die Ersetzung der Entscheidung, sondern auch die Feststellung der Unverbindlichkeit aus der Hand nehmen und einem neuen Dritten überlassen können. Dagegen könnten Bedenken bestehen, weil die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Rechtsakts eine Aufgabe darstellt, die der Rechtsprechung – das heißt den Gerichten oder einem Schiedsgericht – zukommt. Im Zusammenhang mit der Bestimmung einer Vertragsstrafe wurde jedoch ein Weg vorgeschlagen, wie ein derartiger „Instanzenzug“ von einem Dritten zum nächsten konstruiert werden könnte: Die Wirksamkeit der Bestimmung des „ersten“ Dritten wird auflösend bedingt um die Entscheidung des nachgeschalteten Dritten, ob dieser die ursprüngliche Bestimmung gelten lassen möchte oder ob er sie für unverbindlich erklärt und mit seiner eigenen Bestimmung ersetzt. 220 Die Vereinbarung des Instanzenzuges, so heißt es zur Begründung, müsse den Parteien gestattet sein, da sie die gerichtliche Kontrolle auch ganz ausschließen könnten. 221 Diese Begründung zeigt zugleich die Grenzen dieses Ansatzes: Soweit die Parteien eine gerichtliche Überprüfung nicht ausschließen können, d.h. im Bereich der §§ 134, 138 BGB, können sie auch nicht aufgrund des Votums eines Dritten eine unverbindliche Entscheidung wirksam werden 218  Siehe insbesondere Motive VVG, S. 137: „Auch sind die Parteien nicht gehindert, eine sonstige Art der Erledigung zu vereinbaren, namentlich dahin, daß zunächst eine neue Abschätzung der Höhe des Schadens durch Sachverständige vorgenommen … werden soll.“; außerdem Staudinger/­Rieble, § 319 Rn. 28. 219  Freilich hätte eine derartige Vertragsgestaltung bei feststellenden Schiedsgutachten nur zur Folge, dass die Tatsache, die den Gegenstand des Schiedsgutachtens bilden sollte, wie jede andere Tatsache von einem Gericht aufgeklärt werden muss (siehe oben § 13 C.I. [S. 623]). 220  Horschitz, NJW 1973, 1958, 1961; a.A. Beuthien, BB 1968 Beilage 12 zu Heft 33, 1, 11: „Träger privater Strafgewalt sollen bei der Strafzumessung nur eine Chance haben, die angebrachte Strafhöhe zu treffen. Verfehlen sie das Strafmaß grob, setzt der Staat auf Antrag des Betroffenen die angemessene Strafe fest.“ (Hervorhebung im Original). 221  Horschitz, NJW 1973, 1958, 1961.

C. Folgen der Kontrolle

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lassen. 222 Vor allem aber produziert der nachgeschaltete Dritte wiederum eine Entscheidung, die verbindlich oder unverbindlich sein kann. Darüber befindet aber ein Gericht. Hinter der skizzierten Konstruktion eines Instanzenzugs verbirgt sich letztlich eine komplizierte Art und Weise, zu einer Drittbestimmung zu gelangen, die dann aber so behandelt werden muss wie jede andere Drittbestimmung auch. Dem Bedürfnis nach einer gänzlich privaten Streitentscheidung können die Parteien nur mit einer Schiedsvereinbarung nachkommen.

II. Gerichtliche Abhilfe Um sich der Frage, auf welche Weise ein Gericht223 einer unverbindlichen Drittbestimmung abhelfen kann, zu nähern, empfiehlt es sich, zunächst noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass das Gericht zwei klar voneinander zu unterscheidende Aufgaben haben kann: erstens die Überprüfung der Entscheidung eines Dritten und zweitens die Ersetzung der Entscheidung als Reaktion auf das Ergebnis dieser Überprüfung. 224 Die erste Aufgabe stellt keine Besonderheit dar, denn es gehört zu den ureigenen Aufgaben der Rechtsprechung, die Wirksamkeit von Rechtsakten zu überprüfen. Anders hingegen die zweite Aufgabe: Stellt ein Gericht die Unwirksamkeit eines Rechtsakts fest, so hat es üblicherweise sein Bewenden damit. Wenn darüber hinaus das Gericht die Initiative ergreifen und diesen Rechtsakt ersetzen muss, so stellt dies eine Ausnahmeerscheinung dar, die näherer Betrachtung bedarf. Die Problematik stellt somit einen Ausschnitt aus dem zu allen Zeiten aktuellen Spannungsverhältnis zwischen „Parteienfreiheit und Richtermacht“ dar. 225 Deshalb soll hier zunächst zusammengetragen werden, in welchen Fällen das Gericht auf die Erfüllung der ersten Aufgabe beschränkt ist (unten 1.), um sodann den Inhalt der zweiten Aufgabe und vor allem mögliche Alternativen zur Ersetzung der Entscheidung des Dritten näher zu beleuchten (unten 2. und 3.). Diese Aufgaben können sich in verschiedenen prozessualen Konstellationen stellen. 226 So kann die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens sowohl im 222  Ob im Erbrecht auch § 2065 Abs. 1 BGB, d.h. das Verbot einen Dritten über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung befinden zu lassen, dieser Konstruktion entgegensteht, ist eine Frage des Blickwinkels. In der Tat entscheidet der nachgeschaltete Dritte darüber, ob die Bestimmung des ersten Dritten, die wiederum den letzten Willen des Erblassers ergänzt, gelten soll oder nicht. Doch ergänzt er sodann selbst diesen Willen aufgrund des Eintritts einer Bedingung, die der Erblasser selbst gesetzt hat. 223  Wenn hier von Gericht die Rede ist, ist damit auch ein von den Parteien vereinbartes oder letztwillig angeordnetes Schiedsgericht gemeint, siehe unten § 16 B.III.1. (S. 788). 224  Deutlich in diesem Sinne auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 325. Als untrennbar vermengt werden beide Aufgaben aber bei v. Thun und Hohenstein, S. 131 ff. 225 Vgl. Brüggemann, S. 266. 226  Bötticher, FS Dölle I, S. 67.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Rahmen einer Feststellungsklage227 als auch zur Verteidigung gegen eine Leistungsklage des Vertragspartners228 geltend gemacht werden. 229 Als Vorfrage muss sich das Gericht mit der Unverbindlichkeit auseinandersetzen, wenn es um dessen Ersetzung ersucht wird. 230

1. Kassation der Entscheidung des Dritten Gelangt das Gericht als Überprüfungsinstanz zu dem Ergebnis, die Entscheidung des Dritten sei unverbindlich, so „kassiert“ es diese Entscheidung. Die Kassation kann ausdrücklich im Urteil ausgesprochen werden, wenn dieses auf eine Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit hin ergeht. 231 Häufiger wird sie – mangels Klägerinteresses an einer isolierten Feststellung – in einem Leistungsurteil oder in einem Gestaltungsurteil versteckt sein, das die vom Gericht korrigierte Leistungsbestimmung enthält. 232

a) Keine einstweilige Verbindlichkeit bis zur Kassation Die Bezeichnung als „Kassation“ darf freilich nicht den Eindruck erwecken, die Entscheidung des Dritten sei vor Ergehen des Gerichtsurteils wirksam und verbindlich. Eine weit verbreitete Meinung geht indes vom entgegengesetzten Standpunkt aus. 233 Wenn sich keine der Parteien gegen eine unverbindliche Bestimmung wehre, bleibe sie Vertragsbestandteil. 234 Und selbst wenn eine Par227 Stets unter der Voraussetzung eines entsprechenden Feststellungsinteresses, Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 407 f., § 319 Rn. 31. 228  BGH v. 5.7.2005 BGHZ 163, 321, 322. 229  Zur entsprechenden Situation in England siehe Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.2.1; als Beispiel für eine Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit siehe Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403. 230  Dazu genauer unten § 14 C.II.3.b) (S. 693 ff.). 231  Von einer „Kassation“ spricht in diesem Zusammenhang auch Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 31, § 315 Rn. 407. 232 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 32, § 315 Rn. 408; Söllner, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Fleischbeschauer-Dienstverhältnis („Inzidentfeststellung“). 233  BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59; BAG v. 22.2.2012 NJW 2012, 2605 (zu § 315 Abs. 3 BGB); OLG Frankfurt v. 3.12.1998 NJW‑RR 1999, 379; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 23 f. (anders für die Parteileistungsbestimmung in § 315 Rn. 44); Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 16; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 5; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 12; Palandt/ Grüne­berg, § 315 Rn. 16 (allerdings bestehe ein Rückforderungsrecht, wenn sich später herausstelle, dass aufgrund der Leistungsbestimmung zu hohe Leistungen erbracht wurden); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 295 (§ 12 III 5 b); Habscheid, FS Lehmann II, S. 794; Sieve­ king, S. 122; Ehricke, JZ 2005, 599, 606; Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 261; tendenziell auch Hau, S. 375 f. 234  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 62; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 16; Habscheid, FS Laufke, S. 314; ders., FS Lehmann II, S. 794; v. Thun und Hohenstein, S. 130; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 466; A. Bachmann, S. 109 f.; Wiedemann, S. 18. Problematisch in diesem Zusammenhang BGH v. 13.6.2007 BGHZ 172, 315, wo die widerspruchslose Zahlung eines nach § 315 BGB erhöhten Gaspreises als Zustimmung zu der Erhöhung gewertet wird.

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tei dagegen Klage erhebe, gebe bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Ersatzbestimmung vorläufig die Bestimmung des Schiedsgutachters Maß. 235 So soll beispielsweise ein Mieter nicht in Verzug geraten, wenn er nicht mehr den vereinbarten, sondern den von einem Schiedsgutachter festgesetzten reduzierten Mietzins überweist. 236 Ebenso wird für eine fehlerhafte Erbenbestimmung die Ansicht vertreten, sie habe solange Bestand, bis ein Gericht sie aufhebe.237 Unverbindlichkeit, so heißt es zur Begründung, bedeute nicht Nichtigkeit;238 vielmehr müsse „die offenbare Unbilligkeit … von einem der Vertragspartner geltend gemacht werden, indem binnen angemessener Frist Klage auf gerichtliche Leistungsbestimmung erhoben wird“. 239 Eine unbillige Leistungsbestimmung sei lediglich „in einer besonderen Weise anfechtbar“. 240 Eine vorläufige Verbindlichkeit entspreche eher dem Zweck der Regelungen zum Leistungsbestimmungsrecht, Verträgen nach Möglichkeit zur Wirksamkeit zu verhelfen. 241 Sie vermeide einen regelungslosen Zustand. 242 Demjenigen, der mit dem Schiedsgutachten nicht einverstanden ist, wird also eine Klagelast auferlegt; überdies wird ihm abverlangt, dass er diese Klage „binnen angemessener Frist“ anstrengt. 243 Zusätzlich müsste der Kläger die „Suspendierung“ der ihm nicht genehmen Leistungsbestimmung mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung erstreben. 244 Nach dieser Ansicht müsste ein Urteil, das eine unverbindliche Leistungsbestimmung kassiert, – ähnlich dem verwaltungsgerichtlichen Urteil, das auf eine Anfechtungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) hin ergeht – als Gestaltungsurteil, nicht als Feststellungsurteil anzusehen sein.245 235  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 24; PWW/Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 11 (allerdings durchaus zugestehend, dass es sich um eine „dem Gesetzeswortlaut eher fremde Ansicht“ handelt). 236  OLG Frankfurt v. 3.12.1998 NJW‑RR 1999, 379; Sieveking, S. 122. 237  Sens, S. 129. 238  Habscheid, FS Laufke, S. 314, 318; v. Thun und Hohenstein, S. 130; Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 261. Eine generelle Kategorie der „Unverbindlichkeit“ zwischen Nichtigkeit und Anfechtung erkennt St. Lorenz, S. 86 f. gestützt auf Canaris, AcP 184 (1984), 201, 241. 239  OLG Frankfurt v. 3.12.1998 NJW‑RR 1999, 379. 240  BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59. Siehe auch Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 16 („Parallelen zur Anfechtung“). 241  Hau, S. 375. 242 PWW/Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 11. 243  Für die Geltendmachung innerhalb einer angemessenen Frist auch BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 295 (§ 12 III 5 b); J.F. Baur, S. 67; dagegen aber (bis zur Grenze der Verwirkung) BGH v. 20.7.2010 NJW 2011, 212 (zu § 315 Abs. 3 S. 2 BGB); Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 16; Palandt/Grüneberg, § 315 Rn. 17; allgemein St. Lorenz, S. 86 (hierin liege gerade ein Unterschied zur Anfechtung, der die Unverbindlichkeit zu dem „wohl weitestgehenden Eingriff in den Grundsatz der Vertragstreue“ mache). 244  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 24, der dies allerdings nur in „extremen Fällen“ für nötig hält. Wann, so fragt sich darauf, muss ein Fall der offenbaren Unbilligkeit als extrem angesehen werden? 245  Söllner, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Fleischbeschauer-Dienstverhältnis. In die Nähe der

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Für Entscheidungen eines Dritten, die gegen zwingendes Recht (z.B. §§ 134, 138 BGB) verstoßen, kann eine derartige Belastung der benachteiligten Partei nicht richtig sein. Doch auch die „bloß“ offenbar unbillige Entscheidung eines Dritten entfaltet nicht einstweilen eine bindende Wirkung, bis sie durch einen Angriff der benachteiligten Partei beseitigt wird.246 Sie wird nicht etwa vorläufig verbindlich, bis ein Richterspruch sie aufhebt.247 Für eine derartige schwebende Wirksamkeit fehlt bereits ein Anhaltspunkt in § 319 BGB. 248 Im Gegenteil postuliert diese Norm eindeutig, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung nicht verbindlich „ist“. Die Vorstellung von der vorläufigen Verbindlichkeit vermengt zu Unrecht die einzelne, aufgrund der fehlerhaften Leistungsbestimmung unverbindliche Forderung mit dem Vertrag, der durchaus wirksam bleiben kann. 249 Eine Kategorie der Unverbindlichkeit, die zwischen Nichtigkeit und Wirksamkeit steht und einer durch Gestaltungsklagerecht geltend zu machenden Anfechtbarkeit entspricht, kennt das BGB nicht. 250 Zudem müsste eine Frist für die Geltendmachung, sei es eine zahlenmäßig bestimmte, sei es eine „angemessene“, deren Verstreichenlassen zum Rechtsverlust führt, im Gesetz ausdrücklich angeordnet werden.251 Mit dem Hinweis auf Rechtssicherheit die Beachtung einer angemessenen Frist zu fordern, 252 stellt die Dinge geradezu auf den Kopf: Die Voraussetzung der Angemessenheit würde zu einem Einfalls­ tor für Unsicherheit. Ein Beschleunigungsgebot ergibt sich auch nicht aus § 318 Abs. 2 S. 2 BGB, der anders als § 124 BGB sogar im Fall von arglistiger Täuschung oder Drohung eine unverzügliche Anfechtung verlangt. 253 Denn die offenbare „Gestaltungsabwehrklagen“ rücken die Klage des Benachteiligten aus dem insoweit parallelen § 315 Abs. 3 S. 2 BGB auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 49; Bötticher, FS Dölle I, S. 67. 246 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 17, § 315 Rn. 350; NK-BGB/F. Wagner, § 315 Rn. 15; G. Schulze, S. 488 Fn. 273; Kisch, Schiedsmann, S. 142; Lembcke, NZBau 2012, 85, 89. Wohl auch LG Mainz v. 28.2.2007 NJW‑RR 2008, 132. 247  BGH v. 19.1.1983 NJW 1983, 1777, 1778 („Ist der Einwand der Unangemessenheit berechtigt, so ist von Anfang an nur der vom Gericht bestimmte Preis geschuldet“); Staudinger/­ Rieble, § 319 Rn. 17. 248 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 17. 249  G. Schulze, S. 386. 250 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 350 (anders das Verwaltungsverfahrensrecht); Planck/ Strohal/Siber, § 319 Anm. 1; G. Schulze, S. 386 f., 488; Bötticher, FS Dölle I, S. 67. Zuzustimmen ist Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 350 auch, wenn er die in einer neueren BGH-Entscheidung (BGH v. 5.7.2005 BGHZ 163, 321, 322) verwendete Formulierung von der „Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung“ als Einrede im prozessualen Sinn identifiziert, so dass der BGH nicht etwa eine materielle Einredelast begründen will. 251  BGH v. 20.7.2010 NJW 2011, 212 (zu § 315 Abs. 3 S. 2 BGB); BGH v. 6.3.1986 BGHZ 97, 212, 220; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 351 f.; Palandt/Grüneberg, § 315 Rn. 17. – Zur Möglichkeit der Vereinbarung eines Ausschlussfrist siehe oben Fn. 108. 252  BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59. 253  So aber BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59; insoweit zustimmend Söllner, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Fleischbeschauer-Dienstverhältnis.

C. Folgen der Kontrolle

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Unbilligkeit einer Leistungsbestimmung ist funktional von einem Willensmangel verschieden. Eine Frist ergibt sich allenfalls mittelbar aus der Verjährung des Anspruchs auf Rückforderung von aufgrund des Schiedsgutachtens zuviel erbrachten Leistungen. 254 Auch bleibt eine Verwirkung möglich. 255 Eine schwebende Wirksamkeit ließe sich auch nicht mit dem Willen der Parteien in Einklang bringen. Eine offenbar unbillige Entscheidung ergeht ohne Legitimation, da sie sich nicht auf den Willen der delegierenden Parteien stützen kann. Mangels Legitimationsgrundlage kann sie auch keine einstweilige Verbindlichkeit entfalten. Diese Erkenntnis verkehrt die Gegenansicht geradezu in ihr Gegenteil, wenn es in dem erwähnten Urteil zur Neufestsetzung des Mietzinses heißt, ein offenbar unbilliges Schiedsgutachten entfalte grundsätzlich einstweilen Bindungswirkung; anders sei dies nur dann, wenn der Schiedsgutachter seine Entscheidungskompetenz eindeutig überschritten hätte. 256 Denn die offenbare Unbilligkeit des Schiedsgutachtens beruht gerade auf einer Überschreitung der Kompetenz, die auf einen billigen Spruch gerichtet war. Dass diese Kompetenzüberschreitung nicht bloß offenbar, sondern eindeutig gewesen sein muss, würde eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene, inhaltlich kaum fassbare257 und deshalb abzulehnende Zwischenstufe einziehen. Schließlich wird eine einstweilige Verbindlichkeit nicht mit Blick auf die Interessen der Parteien gefordert, wie dies offenbar das oben erwähnte Urteil zur Mietzinsfestsetzung annimmt. Zwar stünde es in der Tat im Widerspruch zur streitbeilegenden Wirkung eines Schiedsgutachtens, wenn die Parteien ihr Verhalten nicht im Vertrauen auf den Spruch des Schiedsgutachters ausrichten dürften, ohne Haftungsrisiken im Fall einer späteren Kassation zu befürchten. Doch lässt sich diesem Interesse bereits nachkommen, indem Handlungen im Vertrauen auf die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens nicht als schuldhaft angesehen werden. Auch auf diesem Wege wäre im genannten Urteil ein Verzug des Mieters zu verneinen gewesen (§ 286 Abs. 4 BGB). 258 Einen ähnlichen Weg beschreitet auch § 22.4 DIS-SchGO, um das in dieser Verfahrensordnung zugrundegelegte Konzept der vorläufigen Bindungswirkung259 zu verwirklichen: „Eine Partei ist der anderen nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie im Vertrauen auf die Bindungswirkung der Entscheidung Rechtshandlungen vorgenommen oder unterlassen hat, die in Übereinstimmung mit der Entscheidung waren.“ 254  Dazu LG Mainz v. 28.2.2007 NJW‑RR 2008, 132 (Verjährungsbeginn mit Kenntnis von der Unbilligkeit der Leistungsbestimmung). 255  BGH v. 6.3.1986 BGHZ 97, 212, 220; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 16; Palandt/Grüne­ berg, § 315 Rn. 17; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 352. Offenbar, zusätzlich zur Geltendmachung binnen angemessener Frist, auch BAG v. 16.12.1965 BAGE 18, 54, 59. 256  OLG Frankfurt v. 3.12.1998 NJW‑RR 1999, 379. 257 Allgemein Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 203. 258  So die Hilfsbegründung bei OLG Frankfurt v. 3.12.1998 NJW‑RR 1999, 379, 380; Ehricke, JZ 2005, 559, 606 (Erhebung der „Einrede der Unbilligkeit“ schließt Verzug aus). 259  Siehe oben § 7 Fn. 311.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Im Gegenteil wird von § 22.2 DIS-SchGO ein Verhalten, das sich über das Schiedsgutachten hinwegsetzt, sanktioniert:260 „Beachtet eine Partei eine Entscheidung der Schiedsgutachter nicht, so stellt dies eine vorsätzliche und schwere Vertragsverletzung dar. … Diese Vertragsverletzung besteht unabhängig davon, ob ein (Schieds‑)Gericht die Entscheidung der Schiedsgutachter für berechtigt oder unberechtigt erklärt.“

Im Ergebnis bedarf es daher keiner einstweiligen Verbindlichkeit der Entscheidung des Dritten.

b) Bestätigung der unverbindlichen Entscheidung des Dritten durch die Parteien Von der bloßen Untätigkeit der Parteien, die allenfalls zu Verwirkung oder Verjährung führen kann, muss die Bestätigung der unverbindlichen Entscheidung des Dritten unterschieden werden. Zwar enthalten die §§ 317 ff. BGB keine dem § 343 Abs. 1 S. 3 BGB entsprechende Vorschrift, so dass eine im Hinblick auf die Leistungsbestimmung bewirkte Erfüllung nicht die Geltendmachung der Unverbindlichkeit hindert. 261 Aus § 660 Abs. 2 BGB wird jedoch herausgelesen, dass die Prämienaspiranten bei der Auslobung den Verteilungsplan des Auslobenden „als verbindlich“ anerkennen können. 262 Um eine Bestätigung i.S.d. § 144 BGB handelt es sich dabei aber allenfalls im untechnischen Sinne. 263 Die Bestätigung nach § 144 BGB ist Verzicht auf ein eigentlich begründetes Anfechtungsrecht. 264 Sie macht eine schwebend wirksame Erklärung endgültig wirksam. Analog angewendet265 kann sie ein einredebehaftetes Recht in ein einredefreies verwandeln. Da die Entscheidung des Dritten jedoch keine vorläufige Verbindlichkeit entfaltet und lediglich mit der „Einrede der Unbilligkeit“ versehen ist, passt dieser Vergleich nicht. Die Parteien, die auf der Grundlage einer unverbindlichen und damit ipso iure unwirksamen Leistungsbestimmung kooperieren wollen, verzichten nicht auf ein Gestaltungsrecht, sondern sie wollen die nach Ausübung eines Gestaltungsrechts entstandene Rechtslage ändern. Das ist aber die Situation des § 141 BGB. Die Bestätigung setzt folglich eine Vereinbarung der Parteien voraus. In dem Maße, in dem die Parteien die Bindungs260  Siehe ergänzend § 24.1 DIS-SchGO: Verzugszinsen in Höhe von zehn Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Ausbleiben von Zahlungen, die der Schiedsgutachter festgesetzt hat. 261 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 351. 262 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 360. 263  Anders Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 360 ff. Für die Parteileistungsbestimmung mag dies anders sein, wenn dem Gestaltungsgegner in Anlehnung an Ramrath, JR 1993, 309, 312 f. die Befugnis zugestanden wird, die unwirksame Ausübung eines Gestaltungsrechts als wirksam zu behandeln. 264  Kleinschmidt, S. 165. 265 Dazu Kleinschmidt, S. 181 (Gestaltungsrechte), 231 (Einreden).

C. Folgen der Kontrolle

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wirkung eines verbindlichen Schiedsgutachtens nach Gutachtenerstellung abschwächen können, 266 steht es ihnen auch frei, eine Vereinbarung mit dem Inhalt des unverbindlichen Gutachtens zu treffen.

c) Beschränkung des Gerichts auf eine reine Kassationsentscheidung Indem eine Rechtsordnung staatliche Gerichte tätig werden lässt, um fehlgeschlagene Entscheidungen privater Dritter zu ersetzen, erweist sie den Parteien eine Wohltat. Dieses Tätigwerden staatlicher Institutionen im privaten Interesse mag dem typischen Parteiwillen entsprechen oder ökonomisch nützlich sein, von Rechts wegen geboten ist es nicht.267 Deshalb steht es den Parteien frei, diese Wohltat nicht in Anspruch zu nehmen. Sie können das Gericht auf eine reine Kassationsentscheidung beschränken. 268 Der Richter spricht dann aus, dass die Entscheidung des Dritten unverbindlich ist. Sein Urteil ist jedoch kein Gestaltungs‑, sondern ein Feststellungsurteil, da es mangels einstweiliger Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens lediglich einen bestehenden Zustand feststellt und nicht etwa die materielle Rechtslage umgestaltet, wie dies bei Bestehen eines Anfechtungsrechts der benachteiligten Partei der Fall wäre. 269 Das Gericht kann aber nichts unternehmen, um den Parteien doch noch zu einer verbindlichen Entscheidung zu verhelfen. Empfohlen wird den Parteien dieser Weg nicht uneingeschränkt, weil nach der Kassation der Entscheidung eine Lücke im Vertrag zurückbleiben könnte, die dessen Wirksamkeit insgesamt in Frage stellt. 270 Verbreitet heißt es, nach § 319 Abs. 2 BGB sei das Gericht auch dann auf eine bloße Kassation beschränkt, wenn der Dritte nach dem Maßstab des freien Beliebens entscheiden sollte. 271 Soweit in diesem Zusammenhang freilich darauf rekurriert wird, dass die Entscheidung des Dritten eine Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrages darstelle, 272 kann diese Begründung als überholtes Relikt aus dem Gemeinen Recht angesehen werden. Die Annahme einer Bedingung wirkt gekünstelt, und es bedarf dieser Konstruktion auch nicht. Nach einem anderen Argument komme eine über die Feststellung der Unverbindlichkeit hinausgehende gerichtliche Ersetzung nicht in Betracht, da ein Gericht 266 

Dazu oben § 13 B.II. (S. 614 ff.). Tendenziell anders OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44: „Die Macht der Parteien, sich auf die Erledigung eines Streites durch einen Schiedsgutachter festzulegen, findet aber ihre Grenze an der Vorschrift des § 319 BGB.“ Siehe bereits oben § 4 E.IV.3.b) (S. 296 ff.). 268 Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 3; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 29. 269 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 407; siehe oben § 14 C.II.1.a) (S. 670 ff.). 270  Greger/Stubbe, Rn. 125 Fn. 104. 271 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 19, 23 f.; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 249 (§ 14 III 2). 272  Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143. 267 

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nicht nach freiem Belieben entscheiden könne. 273 Tatsächlich kann es kein Urteil nach Gutdünken, nach Lust und Laune des Richters geben. 274 Doch unterstellt dies Argument, dass der Richter seiner Ersetzung denselben Entscheidungsmaßstab zugrunde zu legen hat, den schon der private Dritte zu beachten hatte. Wenn jedoch die Parteien zwar den Dritten nach freiem Belieben, den Richter aber nach billigem Ermessen entscheiden lassen wollen, steht einer richterlichen Ersetzung nichts entgegen. 275 Den typischen Interessen der Parteien, die sich durch eine Entscheidung nach freiem Belieben sehr stark einer Person ausliefern, dürfte eine derartige Ersetzung indes eher nicht entsprechen. Indem die Parteien einer Person so großes Vertrauen entgegenbringen, dass sie sich deren Entscheidung nach freiem Belieben ausliefern, dokumentieren sie in der Regel, dass es ihnen auf das Urteil genau jener Person ankommt. 276 Die Anordnung einer richterlichen Ersatzbestimmung muss sich daher eindeutig aus dem Parteiwillen ergeben. Einen Sonderfall stellt in dieser Hinsicht die Bestimmung des Testamentsvollstreckers durch einen Dritten dar. Obwohl sie in der Regel nach freiem Belieben geschehen kann, wird dem Nachlassgericht für den Fall der endgültigen Unwirksamkeit der Bestimmung ein ersatzweises Bestimmungsrecht nach § 2200 BGB zugestanden, wenn sich dies nur irgendwie dem Erblasserwillen entnehmen lässt. 277

d) Kassation als Regelfall – Englisches Recht Während sich die reine Kassation der Entscheidung des Dritten somit nach deutschem Recht als Ausnahme darstellt, bildet sie nach englischem Recht den Regelfall. Auf die Frage, was an die Stelle eines unverbindlichen Schiedsgutachtens treten soll, antwortete Lord Denning in der Leitentscheidung Campbell v. Edwards lakonisch: „Nothing.“ Nichts könne an die Stelle des unverbindlichen Schiedsgutachtens treten. 278 Eine erneute Begutachtung durch denselben Dritten komme nicht in Frage.279 Ein Ersatz für das unverbindliche Gutachten existiere nur, wenn es den Parteien gelinge, sich auf einen neuen Dritten zu ver273 Staudinger/­R ieble,

§ 319 Rn. 23 f.; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 315 Rn. 12. Hess, S. 395 f.; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 295; Göppinger, JJB 9 (1968/69), 86, 111; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 706; Stoffel, S. 55. 275 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 28; NK-BGB/F. Wagner, § 319 Rn. 13; Münch­Komm-­ BGB/Würdinger, § 319 Rn. 29; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 7. 276  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 626; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143. 277 Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 18; W. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 72. Dahinter steht der generell für § 2200 BGB prägende Gedanke, dass im Zweifel eine gerichtliche Bestimmung gewollt ist, wenn andernfalls die Anordnung der Testamentsvollstreckung scheitern müsste, dazu Münch­Komm-­BGB/W. Zimmermann, § 2200 Rn. 4. 278  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 408; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 16 („if a determination is set aside the underlying dispute is left unresolved“). 279 Ebenso Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 68 f. („it could be a prelude to 274 

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ständigen. Eine gerichtliche Befugnis zur Vertragshilfe zog Lord Denning nicht einmal in Betracht. Ignoriert hat Lord Denning damit eine zwei Jahre zuvor ergangene Entscheidung des High Court, der darin die Feststellung eines Auseinandersetzungsguthabens für unverbindlich erklärt hatte. Darüber hinaus wurde der Beklagte zur Zahlung eines Betrages verurteilt, den das Gericht selbst aufgrund der Beweisaufnahme über die Richtigkeit des Gutachtens als angemessene Festsetzung des Guthabens angesehen hat. 280 Leicht gemacht hatte sich der Richter diesen Schritt, wie er selbst betonte, nicht. Er hielt ihn aber für angebracht, weil er sich zum einen rein praktisch zu einer eigenen Bewertung befähigt sah und zum anderen vor allem die unbefriedigende Situation vermeiden wollte, dass der Auseinandersetzungsanspruch nie geklärt werden könne, obwohl die Gesellschaft längst aufgelöst und damit ein irreversibler Zustand geschaffen worden sei. 281 Dieses Urteil bildete jedoch, soweit ersichtlich, eine Ausnahme zu der generellen Linie, lediglich das Schiedsgutachten zu kassieren. An diesem Ausnahmecharakter hätte sich freilich etwas ändern können, nachdem das House of Lords in Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton für den Fall des Ausbleibens der Entscheidung des Dritten eine Kehrtwende vollzogen und grundsätzlich eine richterliche Ersetzung zugelassen hatte. 282 Zum Teil wird vermutet, dass Gerichte unter dem Eindruck dieser Entscheidung bereit sein müssten, eine unverbindliche Entscheidung selbst zu ersetzen. 283 Eine Übertragung der Sudbrook-Grundsätze wurde jedoch etwa in Jones v. Sherwood Computer Services Plc. sehr skeptisch gesehen. Die in Sudbrook ermöglichte richterliche Ersetzung betreffe nur Situationen, in denen der Drittbestimmungsmechanismus fehlgeschlagen sei, nicht aber solche, in denen der Mechanismus nicht das gewünschte Ergebnis erbracht habe. 284 Auch wenn diese Argumentation sehr begrifflich erscheinen muss, wird eine gerichtliche Erset-

yet further litigation“); Jones, (1997) 63 Arbitration 1997, 213, 222; a.A. Kendall/Freedman/ Farrell, Rn. 14.18.3 („the expert must come to a new decision“). 280  Smith v. Gale [1974] 1 All ER 401, 413 f., unter Berufung auf ein Diktum in der später vom Court of Appeal aufgehobenen Entscheidung des High Court in Dean v. Prince [1953] Ch. 590, 600 f. Allerdings hatte es der Richter des High Court darin gerade abgelehnt, selbst die von dem Schiedsgutachter geforderte Feststellung des „fair value“ von Gesellschaftsanteilen eines verstorbenen Gesellschafters zu treffen: „I do not see what jurisdiction the court has to put itself in the place of the expert that the parties have chosen.“ 281  Daran erinnert sei, dass sich auch im Falle des Ausbleibens der Entscheidung des Dritten die Gerichte eher dazu berufen sahen, eine Ersatzbestimmung vorzunehmen, wenn bereits vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen waren. Siehe oben bei § 4 Fn. 617. 282  Sudbrook Trading Estate Ltd. v. Eggleton [1983] 1 AC 444. Ausführlich oben § 4 D.II.3.b)cc) (S. 253 ff.). 283  Borowsky, S. 117. 284  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 285F.

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zung somit gewöhnlich 285 abgelehnt. 286 Immerhin halten es einige neuere Entscheidungen – unter Berufung auf Sudbrook – für möglich, dass das Gericht den Parteien aufgibt, sich einen neuen Dritten zu suchen, und diesem bestimmte Weisungen mit auf den Weg gibt. 287 Dieser Gedanke leitet über zu der zweiten denkbaren Reaktionsmöglichkeit auf die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens: die Benennung eines neuen Dritten.

2. Benennung eines neuen Dritten – Französisches Recht Wenn § 319 Abs. 1 BGB vorsieht, dass die ersatzweise Leistungsbestimmung „durch Urteil“ erfolgt, wird damit zugleich die Ersetzungskompetenz dem Gericht selbst zugewiesen. Das Gericht kann sich nicht darauf zurückziehen, einen neuen Dritten zu benennen. 288 Ebensowenig darf es selbst ein Schiedsgutachten in Auftrag geben und sich an dieses bis zur Grenze der offenbaren Unbilligkeit gebunden fühlen.289 Insofern heißt es völlig zutreffend, der Richter sei „zur subsidiären Ersatzleistungsbestimmung berechtigt (und verpflichtet)“. 290 Er kann auch nicht von den Parteien zur Benennung eines neuen Dritten ermächtigt werden. Wenn die Parteien anstelle der gerichtlichen Ersetzung die Entscheidung eines neuen Dritten wollen, so können sie dies durchaus vereinbaren, 291 müssen dann aber selbst für die Auswahl dieses neuen Dritten Sorge tragen. Anders entscheidet aber im Grundsatz das französische Recht. Dort führt Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten allenfalls zur Benennung eines neuen Dritten durch das Gericht, wenn sich die Parteien nicht auf einen neuen Dritten verständigen. Dieser abweichende Ansatz, der zugleich die Notwendig285  Eine Ausnahme bildet John Barker Construction Ltd. v. London Portman Hotel Ltd. (1996) 12 Const. L. J. 277 als Fall eines zur Begleitung eines Bauvertrages berufenen Architekten, dessen Entscheidung entgegen der vertraglichen Vorgabe nicht „fair“, sondern „fundamentally flawed“ war. In den Augen des High Court war hier – unter anderem aufgrund der verstrichenen Zeit – ein Punkt erreicht, der eine erneute Befassung des Architekten untunlich erscheinen ließ und deshalb als Fehlschlagen des vertraglich vereinbarten Mechanismus bezeichnet werden musste. Das Gericht sah sich folglich in der Lage, eine Entscheidung in der Sache zu fällen. Als einen Ausreißer betrachten diesen Fall Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.15.2 mit der Vermutung, dass der Architekt ein agent des Bauherrn war und damit in dessen Lager stand, so dass es sich ohnehin nicht um die Entscheidung eines „Dritten“ handelte. 286  Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 69 (eine gerichtliche Ersetzung scheide auch deshalb aus, weil ein Gericht seine Entscheidungen begründen müsse und deshalb keine non-speaking valuation abgeben könne); Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.18.3. 287  Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36, 68 ff.; Dutton v. Dutton [2001] W.T.L.R. 553, para. 51 ff. (die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersetzung wird hierin nicht einmal erwogen). In Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 389 ff. geschieht die Rückverweisung an den Schiedsgutachter „in analogy with“ Sudbrook. 288  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 25; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1013. 289  BGH v. 2.2.1977 WM 1977, 418. 290 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 19. 291  Siehe oben § 4 Fn. 452.

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keit belegt, zwischen der gerichtlichen Überprüfung und der gerichtlichen Ersetzung der Drittbestimmung zu differenzieren, ist im Folgenden zu erläutern. Art. 1592 Code civil regelt lediglich die Folgen eines Fehlschlagens der Delegation. Die Folgen eventueller inhaltlicher Mängel waren deshalb von der Rechtsprechung zu entwickeln. Auch nach französischem Recht kann das Gericht die Bestimmung des Dritten nachprüfen und in bestimmten Fällen deren Unverbindlichkeit feststellen. Die Gerichte haben sich also gegen eine absolute Verbindlichkeit der Drittbestimmung ausgesprochen. Ob jedoch die Entscheidung des Dritten vorläufige Verbindlichkeit entfaltet und von den Parteien beseitigt werden muss oder ob sie nie verbindlich wird, lässt sich den Stellungnahmen im französischen Recht nicht eindeutig entnehmen, scheint aber somit auch nicht als Problem wahrgenommen zu werden. Überwiegend werden Formulierungen verwendet, die für eine vorläufige Verbindlichkeit sprechen. 292 Wann nun ein Fall der Unverbindlichkeit vorliegt, beschreibt die Cour de cassation mit dem selbst erfundenen 293, im Code civil unbekannten Ausdruck der erreur grossière. Er wurde jedoch im Schrifttum schon früher in diesem Zusammenhang verwendet. 294 Eine trennscharfe Definition dieses Ausdrucks, die angesichts der fehlenden gesetzlichen Verankerung dieser richterlichen Schöpfung sicher nützlich wäre, gibt die Cour de cassation nicht. 295 Es wird vermutet, dass sie damit den Eindruck aufrechterhalten will, das Vorliegen einer ­erreur grossière stelle keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage dar und sei deshalb der eigenständigen Einschätzung der Instanzgerichte vorbehalten.296 Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass die Formulierungen in den Entscheidungen der Cour de cassation durchaus so klingen, als würde das französische Höchstgericht sich ein eigenes Urteil darüber bilden, ob eine erreur grossière vorlag oder nicht. 297 Im Ausgangspunkt besteht also insofern noch Übereinstimmung zwischen der Lösung des französischen Rechts und § 319 Abs. 1 S. 1 BGB, als beide eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Dritten zulassen und diese dann, 292  Auf eine vorläufige Verbindlichkeit deuten Ausdrücke wie „pourrait être annulée“ (Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 79), „écarter“ (Cass. com. 19.12.2000 Droit & Patrimoine 2001, 110; Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243), „remise en cause“ (Cass. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955; Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 643 [§ 140]) oder „invalider“ (Moury, Nr. 42.31, 42.133) hin. Anders dagegen Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309: „l’évaluation est réputée non avenue“. 293  Moury, Nr. 42.72 („une création prétorienne“); Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 294  So bezeichnet etwa Carbonnier, JCP 1947,II,3413 die Drittbestimmung als unverbindlich im Fall „d’erreur grossière ou d’iniquité manifeste“; Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 16 (§ 349) (Bindung besteht außer im Fall „d’erreur grossière ou d’iniquité manifeste“); Guillouard, Vente, Nr. 107 („si l’estimation est manifestement erronée, soit que les experts se soient grossièrement trompés, soit qu’ils aient rendu sciemment une décision injuste“). 295  So auch Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 296  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 477. 297  Renard-Payen, JCP 2005,II,10046 mit Nachw.

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wenn eine Bindungswirkung nicht mehr von Parteiwillen gedeckt wäre, für unverbindlich halten. Welche Folgen nun aber diese Unverbindlichkeit hat, war mangels gesetzlicher Regelung lange Zeit unklar. Zum Teil werden diese Folgen im Schrifttum auch nicht thematisiert. Vielmehr beschränken sich die Autoren auf die Aussage, die Entscheidung des Dritten sei für Parteien und Gericht verbindlich, es sei denn, es läge eine erreur grossière vor. 298 Über die Gründe für diese merkwürdige Aussparung der naheliegenden Frage, welche Konsequenz ­ erden. 299 eine erreur grossière denn dann habe, kann nur spekuliert w In der Logik des Art. 1592 Code civil könnte es liegen, die drastische Konsequenz der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages anzunehmen: „La consequence sera que le contrat devenu sans prix tombera, sans que le juge puisse le fixer lui-même ou imposer une nouvelle évaluation.“300

Die Vorschrift würde dann so gelesen, dass sie ein Scheitern des von den Parteien zur Vertragsergänzung eingerichteten Mechanismus stets mit der Unwirksamkeit des Vertrages sanktioniert. Die Unverbindlichkeit der Bestimmung würde dann genauso behandelt wie ihr Ausbleiben, das in der Vorschrift ausdrücklich geregelt wird.301 Die Unwirksamkeit stünde zudem im Einklang mit dem Grundsatz des Art. 1591 Code civil, dass ein Kaufvertrag ohne bestimmten oder objektiv bestimmbaren Preis nichtig ist.302 Allerdings begibt sich diese Lesart nicht nur in Widerspruch zur historischen Entwicklung. Sie würde auch verkennen, dass es in den meisten Fällen nicht wirklich um eine gestaltende Vertragsergänzung, sondern vielmehr um eine Feststellung des Wertes der Kaufsache geht und diese Feststellung nicht zwingend von einer bestimmten Person vorgenommen werden muss. Schließlich wird überwiegend angenommen, dass es sich bei Art. 1592 Code civil und Art. 1843-4 Code civil um verwandte Bestimmungen handelt. Im Wortlaut dieser letztgenannten Vorschrift fehlt aber ein Indiz für die Unwirksamkeit des Vertrages im Fall der Unverbindlichkeit. Deshalb sollte im Einklang mit der ganz überwiegenden Ansicht nicht mit dogmatischem Rigorismus von der Unwirksamkeit des Vertrags ausgegangen werden. Die Unwirksamkeit könnte insbesondere eine problematische und 298 

Siehe auch die Analyse der Rechtsprechung bei Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 477. Eine Vermutung könnte sich darauf richten, dass unter französischen Juristen der Eindruck verbreitet scheint, die Gerichte würden ohnehin fast nie eine erreur grossière bejahen (siehe unten § 15 C.III.2.b)cc) [S. 761 f.]). Eine vermeintlich geringe praktische Relevanz darf jedoch sowohl aus Sicht vorausplanender Parteien als auch aus dogmatischer Sicht nicht davon entheben, nach den Folgen der Unverbindlichkeit zu fragen. 300  Tallon, Nr. 3.3.3.03; siehe auch Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 27; Sachs, FS Schlosser, S. 819 (ohne gerichtliche Ersetzung „unausweichliche Konsequenz der Nichtigkeit des Vertrages“). 301  Für eine Gleichbehandlung insbesondere Pothier, Vente, Nr. 24. 302 Hierzu Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29. Siehe oben § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.). 299 

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wenig interessengerechte Rückabwicklung erforderlich machen.303 Wenn die zunächst abgegebene Entscheidung keine Bindungswirkung entfaltet, muss vielmehr eine neue Entscheidung eingeholt werden.304 Lange Zeit unklar war jedoch, wer diese neue Entscheidung zu treffen hat. Dem Gesetz ist keine Antwort auf diese Frage zu entnehmen;305 es regelt ja nicht einmal ausdrücklich die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen, die Anlass zu der Frage gibt.306 Eine Entscheidung der Cour de cassation aus dem Jahre 1952307 ließ manche Autoren vermuten, dass dem Gericht eine Kompetenz zustehe, die Entscheidung des Dritten zu ersetzen.308 Darin billigte es der Kassationshof, dass ein Untergericht angesichts der Tatsache, dass der zur Bewertung eines verkauften Unternehmensanteils berufene Dritte bestimmte Posten deutlich zu niedrig bewertet und andere ganz außer acht gelassen hat, selbst diese Aufgabe drei gerichtlichen Sachverständigen (experts judiciaires) übertragen und aufgrund der Feststellungen dieses Kollegiums selbst über die Kaufpreisforderung entschieden hat. Wenn die Feststellung des vertraglich bestimmten Dritten grundsätzlich die Parteien ebenso wie die Gerichte binde, so müsse es ihnen wenigstens in den Fällen von Irrtum, Arglist oder Drohung gestattet sein, eine Neufestsetzung des Kaufpreises durch gerichtliche Sachverständige zu verlangen.309 Dieser Weg stünde in gewisser Weise in Einklang mit der Lösung, die die Cour de cassation einschlägt, wenn der Kaufpreis ausschließlich von objektiven Faktoren wie etwa der Wertentwicklung eines Unternehmens abhängt und die Parteien keine Begutachtung durch einen Dritten vereinbart haben: In diesem Fall darf das Gericht selbst einen gerichtlichen Sachverständigen mit der Aufgabe betrauen, die Wertentwicklung zu ermitteln, und auf dieser Grundlage zur Zahlung des Kaufpreises verurteilen.310 Die deutlichste Stellungnahme zugunsten einer gerichtlichen Ersetzung findet sich in einem vergleichweise wenig beach303 

W. Witz, S. 258 Fn. 139. Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 84; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309; ders., RTD civ. 1992, 133, 134. 305  Auch Art. 1854 Code civil a.F. enthielt darauf keine Antwort. 306  Siehe zu Art. 1843-4 Code civil Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 307  Cass. com. 3.11.1952, Bull. civ. III, Nr. 333. 308  W. Witz, S. 258; missverständlich Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 38 („la partie lésée peut demander une nouvelle fixation du prix“): Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, dass eine erneute Festsetzung durch einen privaten Dritten gemeint ist. 309  Cass. com. 3.11.1952, Bull. civ. III, Nr. 333. Andeutungsweise auch in Cass. com. 6.6.1950 Bull. civ. III, Nr. 205, wenn es dort heißt, dass das Gericht den Parteien keine vom Spruch des Dritten abweichende Vereinbarung auferlegen dürfe, wenn nicht dieser Spruch mit einer erreur substantielle behaftet sei oder auf dol (arglistiger Täuschung) beruhe. In Cass. req. 14.3.1870 S. 1871,1,154 hat die Cour de cassation ein vorinstanzliches Urteil, in dem im Anschluss an die Bewertungsentscheidung eines Mitglieds des dreiköpfigen Schiedsgutachtergremiums selbst den Preis festgesetzt hat, nur deshalb nicht aufgehoben, weil die dagegen gerichtete Beschwerde verspätet war. 310  Cass. com. 10.3.1998 Bull. civ. IV, Nr. 99. 304 

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teten311 Urteil der Cour de cassation aus dem Jahre 2000. Darin ließ das höchste französische Zivilgericht ein Berufungsurteil unbeanstandet, in dem die nach Art. 1843-4 Code civil getroffene Feststellung eines Dritten über den Anteilswert eines ausscheidenden Gesellschafters nicht beachtet und durch eine eigene Feststellung des Gerichts ersetzt worden war.312 Die Vorinstanz habe zu Recht angenommen, dass die Mission des Dritten darin bestanden habe, seine Bewertung auf der Grundlage einer Fortführung der Gesellschaft vorzunehmen, während der Dritte tatsächlich von der Liquidation der Gesellschaft ausgegangen sei. Dem Dritten sei aufgrund dieses falschen Ausgangspunkts eine erreur grossière unterlaufen, so dass die Vorinstanz selbst einen Wert festsetzen durfte. Dieses Urteil hat im Schrifttum, sofern es zur Kenntnis genommen wurde, Beifall gefunden.313 Es wurde sogar eine Ausdehnung vorgeschlagen auf die Fälle, in denen der Dritte seine Bestimmung nicht vornehmen wolle oder könne.314 Würden die Gerichte etwas entschiedener einschreiten, könnte die sonst eintretende Unwirksamkeit von Verträgen verhindert werden.315 Die vorsichtige Hoffnung, dass damit ein grundlegender Umschwung eingeläutet wurde,316 wurde jedoch kurz darauf zunichte gemacht. Spätestens mit zwei Urteilen der Cour de cassation aus den Jahren 2003317 und 2005318 besteht kein Zweifel mehr daran, dass eine gerichtliche319 Ersetzung der Entscheidung nicht in Betracht kommt.320 Eine gerichtliche Ersetzung stünde im Konflikt mit

311  Der Stellenwert eines Kassationsurteils spiegelt sich häufig in der Zahl der dazu verfassten Urteilsanmerkungen wider. Zudem kann die Cour de cassation selbst steuern, wie breit und wie prominent ein Urteil publiziert wird, und damit einen Anhaltspunkt dafür geben, welche Bedeutung sie selbst diesem beimisst. 312  Cass. com. 19.12.2000 Droit & Patrimoine 2001, 110. 313  Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111. 314  Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111, 112. 315  Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111, 112 („Cela éviterait le prononcé de la nullité de l’acte de vente, acte qu’un interventionnisme judiciaire un peu plus marqué permettrait de sauver.“). 316  Sachs, FS Schlosser, S. 819. 317  Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243. Die Vorinstanz hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt, um den Preis selbst festsetzen zu können, CA Paris 5.5.1998 Dr. sociétés 1998, Nr. 135. 318  Cass. civ. 1re 25.1.2005 Bull. civ. I, Nr. 49. Sowohl dieses Urteil als auch das in der Vornote genannte betreffen Art. 1843-4 Code civil. Die Literatur sieht aber zu Recht keinen Grund, weshalb sie nicht auch auf Art. 1592 Code civil angewendet werden können, Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 84. Diese Übertragung überzeugt angesichts der Tatsache, dass beide Vorschriften auch im Übrigen als Ausdruck eines einheitlichen Konzepts verstanden werden. Es muss deshalb bezweifelt werden, dass wirklich nur die Buchstabentreue zu dem als zwingend verstandenen Art. 1843-4 Code civil hinter der deutlichen Linie der Cour de cassation steht (so aber Lienhard, D. 2003, 3054). 319  Ebensowenig eine schiedsgerichtliche, Cadiet, RDC 2004, 750, 751. 320  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 84; Cadiet, FS Guyon, S. 163; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 205 Fn. 23; Leveneur,

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der allgemeinen Unzulässigkeit einer gerichtlichen Preisbestimmung.321 Im Fall des Art. 1843-4 Code civil wäre eine Festsetzung durch den Richter bereits mit dem zwingenden Charakter des in dieser Vorschrift angeordneten Mechanismus unvereinbar.322 Vor allem aber würde eine richterliche Preisbestimmung die Parteien an einen Vertrag binden, dessen Inhalt sie nicht selbst vereinbart haben.323 Vielmehr muss wiederum ein externer Dritter – und nicht etwa ein gerichtlicher Sachverständiger – die Bestimmung vornehmen. Dies kann möglicherweise der ursprünglich vorgesehene Dritte sein. 324 Näherliegend und weitaus mehr im Interesse der bereits einmal enttäuschten Parteien erscheint es jedoch, wenn die Parteien sich einen neuen Dritten suchen und das Gericht ihnen gegebenenfalls dabei hilft, indem es einen neuen Dritten benennt.325 Zu dieser Benennung muss es jedoch gesondert ermächtigt sein – sei es von den Parteien, sei es wie in Art. 1843-4 Code civil vom Gesetz.326 Fehlt im Fall des Art. 1592 Code civil eine Ermächtigung und können sich die Parteien nicht auf einen neuen Dritten verständigen, bleibt der Preis unbestimmbar.327

CCC 2005, comm. 79; Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 642 (§ 140); Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255). 321  Leveneur, CCC 2005, comm. 79; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046; Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 642 (§ 140); Moury, Nr. 42.152. Allgemein zur Unwirksamkeit von Kaufverträgen ohne bestimmten oder bestimmbaren Preis siehe oben § 4 D.II.1.c) (S. 241 f.). 322  Moury, Nr. 12.31 mit zahlreichen Nachw. 323  Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255). 324  Leveneur, CCC 2005, comm. 79; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955 (aufgrund der Schwierigkeiten, einen neuen Dritten zu benennen). 325  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 84; Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 205; Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255); Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Champaud/Danet, RTD com. 2005, 537, 539. In den Fällen des Art. 1843-4 Code civil muss dabei zudem das in dieser Vorschrift vorgezeichnete Verfahren beachtet werden, d.h. die Benennung erfolgt in einem Eilverfahren durch den Gerichtspräsidenten – und nicht etwa durch das Berufungsgericht oder den Kassationshof, bei dem der Streit über die Wirksamkeit der ursprünglichen Bestimmung anhängig ist, siehe Cass. com. 30.11.2004 Bull. civ. IV, Nr. 210 und 211; Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243. Auch in dieser Restriktion zeigt sich, dass jedenfalls die neuere Rechtsprechung Art. 1843-4 Code civil in jeder Hinsicht als zwingendes Recht betrachtet, Lienhard, D. 2003, 3054. Sehr kritisch dazu Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 643 (§ 140); Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309: Es widerspreche dem Parteiwillen ebenso wie dem Interesse an einer zeit‑ und kostengünstigen Streiterledigung, sich am Wortlaut des Art. 1843-4 Code civil festzuhalten und einem ohnehin schon mit dem Fall befassten Spruchkörper auf der Ebene der Cour d’appel die Befugnis zur Benennung eines neuen Dritten zu verweigern, wo sich diese Benennung als unausweichlich erweist. 326  Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54; Moury, Nr. 42.153, 42.161. Zur richterlichen Benennung des Dritten siehe oben § 4 C.II.1.b) (S. 217 f.). 327  Moury, Nr. 42.153.

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3. Ersetzung der Entscheidung – Die Lösung des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Statt also die Beilegung des Streits oder der Ungewissheit mit der Benennung eines neuen Dritten im privaten Bereich zu belassen, ordnet § 319 Abs. 1 S. 2 BGB den Übergang aus der Hoheit der Parteien auf den Richter an. Im Folgenden wird zum einen zu untersuchen sein, ob diese Weichenstellung gerechtfertigt ist, und zum anderen, wie die gerichtliche Ersetzung vonstattengeht. Dabei wird sich zeigen, dass die Rechtfertigung der richterlichen Ersetzung schwerer zu begründen ist als die – davon zu sondernde – Rechtfertigung der richter­ lichen Kontrolle. Im Ergebnis stellt die Ersetzung einer unverbindlichen Drittbestimmung jedoch die überlegene und mit der Privatautonomie in Einklang stehende Lösung dar.

a) Legitimation der gerichtlichen Ersetzung aa) Hintergrund des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Die gerichtliche Ersetzung im Fall eines unverbindlichen Schiedsgutachtens wird von § 319 Abs. 1 S. 2 BGB – direkt oder analog – oder vergleichbaren Vorschriften im Erbrecht gedeckt. Die damit verbundene „Vertragshilfe“ (bzw. „Testamentshilfe“) wird somit ausdrücklich vom Gesetz zugelassen. Eine entsprechende Parteivereinbarung stellt also keine unzulässige Erweiterung gerichtlicher Zuständigkeiten dar, und zwar auch dann nicht, wenn die Ersetzungsfunktion in einem über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Fälle hinaus (z.B. schon bei einfacher Unbilligkeit) in Anspruch genommen wird.328 Diese Lösung blickt auf eine lange Tradition zurück. Im Fall einer manifesta iniquitas durfte der Prätor ein arbitrium boni viri abändern. Ausdrücklich angesprochen wurde diese Ersetzung im Zusammenhang mit der Bestimmung von Gesellschaftsanteilen durch einen Dritten: „Wenn also die Entscheidung [des Dritten] so verkehrt ist, daß ihre Ungerechtigkeit offen zu Tage tritt, kann sie durch den Klage nach Treu und Glauben berichtigt werden.“329

Für die Kaufpreisbestimmung fehlt eine vergleichbare eindeutige Stellungnahme im Corpus iuris; die Entscheidung Justinians befasst sich nur mit dem Ausbleiben der Bestimmung. Entsprechend war seitdem umstritten, ob im römischen Recht auch die offenbar unbillige Kaufpreisbestimmung für die Parteien verbindlich war oder ob sie vom Gericht korrigiert werden durfte.330 Für 328 

Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 299 ff.). Paulus D. 17,2,79 („Unde si Nervae arbitrium ita pravum est, ut manifesta iniquitas eius appareat, corrigi potest per iudicium bonae fidei.“), Übersetzung von Behrends/Knütel/ Kupisch/Seiler, Bd. III. 330  Siehe oben § 4 C.I.2.b) (S. 200 ff.). 329 

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das Gemeine Recht maßgeblich wurde indes das Digestenfragment zur societas, das auf alle Fälle einer Drittentscheidung nach billigem Ermessen verallgemeinert wurde.331 Gleichwohl war die richterliche Ersetzungskompetenz im 19. Jahrhundert nicht unumstritten. Zwar war diese Ansicht in Rechtsprechung und Lehre vorherrschend.332 Auch stellten sich viele Regelwerke auf den Standpunkt des Gemeinen Rechts.333 Die Anknüpfung an die reductio ad arbitrium boni viri kam darin sprachlich als „Ermäßigung“ der Leistungsbestimmung durch den Richter zum Ausdruck.334 Die Verfasser des Bayerischen Entwurfs stützten ihre Position auf die Intention der Parteien;335 den Urhebern des Hessischen Entwurfs muss das richterliche Ermäßigungsrecht so selbstverständlich vorgekommen sein, dass die Motive zu dem Entwurf diese Frage nicht einmal ansprechen. Jedoch erklärte demgegenüber Art. 39 S. 2 DresdE den Vertrag für nichtig, wenn der Spruch des Dritten wegen Unbilligkeit aufgehoben wurde. Über diese Entscheidung hatten die Verfasser des Entwurfs zweimal debattiert. Nachdem ein erster Versuch, die ersatzweise richterliche Festsetzung als eher dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechend festzuschreiben, vergeblich gewesen war,336 wurde mehr als ein Jahr später ein erneuter Anlauf unternommen. Befürworter der richterlichen Ersetzung machten geltend, dass die Nichtigkeit des Vertrages nicht denklogisch geboten sei und auch einem „praktischen Bedürfnisse“ widerspreche, da andernfalls bereits erbrachte Leistungen wertlos geworden oder mühsam rückabzuwickeln seien.337 Parteien, die einen Dritten mit der Bestimmung der Leistung betrauten, gehe es um die Entscheidung „eines Unbetheiligten überhaupt“, so dass die Ersetzung durch einen unbeteiligten Richter eher ihrem Willen entspreche als das Scheitern des Vertrages.338 Für 331 

Siehe auch Wenger, S. 142 f. Beispiele in: ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4, 420, 429 zur Festsetzung eines Bergelohns (unter Berufung auf D. 17,2,79); Glück, Bd. XVI, S. 80 (§ 980). Für eine Korrektur bei offenbarer Unbilligkeit unter Berufung auf die Glosse zu C. 4,38,15: Pothier, Vente, § 24. 332  Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 20 Fn. 5 (§ 254); Sintenis, Civilrecht II, S. 37 Fn. 68 (§ 83); ROHG v. 2.3.1875 ROHGE 16, 427, 430; OG Wolfenbüttel v. 2.11.1877 SeuffA 33 (1878), 154 (Nr. 113). 333  BayE II, Art. 31a; HessE IV 1, Art. 58 Abs. 3. In § 806 sächs. BGB war ausdrücklich nur die Möglichkeit der Anfechtung angesprochen und keine Rechtsfolge der Anfechtung angegeben, doch wurde die Regelung so ausgelegt, dass nicht nur ein Schadensersatzanspruch des Dritten bestand, sondern auch das Recht, eine richterliche Ermessensentscheidung zu beantragen, Siebenhaar, Bd. II, S. 94; zur Auslegung dieser Vorschrift siehe auch Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3893 ff. 334  BayE II, Art. 31a („wegen Unbilligkeit durch den Richter ermäßiget werden“); HessE IV 1, Art. 58 Abs. 3 („wegen Unbilligkeit, durch den Richter ermäßigt werden“). 335  Motive BayE, S. 64. 336  Prot-DresdE, Bd. I, S. 124. Über die Gründe der Ablehnung wird nichts mitgeteilt. 337  Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3893. Zum Argument der Rückabwicklung siehe bereits oben § 4 D.II.3.a) (S. 246). 338  Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3894.

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den Richter stelle die Ersetzung keine Schwierigkeit dar, da er aufgrund seiner Entscheidung über die Aufhebbarkeit der Leistungsbestimmung ohnehin mit dem Sachverhalt befasst sei und über alle erforderlichen Informationen verfüge.339 Diese inhaltliche Auseinandersetzung unterscheide ihn auch von einem Richter, der nach einem Ausbleiben der Leistungsbestimmung die Bestimmung vornehmen solle, so dass ein Gleichlauf der Rechtsfolgen zwischen beiden Fällen nicht erforderlich sei.340 Nach der mehrheitlichen Auffassung müssten jedoch Ausbleiben und Aufhebung der Bestimmung „mit nothwendiger Consequenz“ gleich behandelt werden.341 Auch der mutmaßliche Parteiwille helfe nicht weiter: Denn hätten die Parteien in Betracht gezogen, dass der Dritte eine aufhebbare Entscheidung trifft, so hätten sie sich nicht auf ihn verständigt.342 Es bleibe deshalb dabei, dass „die Leistung in Folge der Aufhebung des Ausspruchs unbestimmbar werde, nachdem die von den Parteien für die Ermittelung der Leistung getroffene Bestimmung der Entscheidung durch einen Dritten unausführbar geworden sei.“343

Auch einzelne Autoren tendierten zu dieser Konsequenz.344 Der Redaktor von Kübel hielt diese Lösung für „folgerichtig“, mochte sich ihr aber dennoch nicht anschließen. 345 Vorzuziehen sei „hauptsächlich aus praktischen Gründen“ die Ersetzung der Leistungsbestimmung durch das Gericht.346 Das Scheitern des Vertrages – mit der Folge, dass bereits erbrachte Leistungen kondiziert werden müssten – entspreche nicht dem mutmaßlichen Willen der Parteien.347 Vielmehr vertrauten die Parteien auf den Bestand ihres Vertrages und gingen deshalb davon aus, dass der Richter, der die Entscheidung des Dritten aufhebt, den Streit selbst entscheide.348 Der Ersten Kommission lag ein Antrag vor, statt eine richterliche Ersetzung anzuordnen den Vertrag als nicht geschlossen anzusehen.349 Sie hielt jedoch an dem Vorschlag von Kübels fest, ließ sich dabei aber weniger von Argumenten in der Sache leiten als vielmehr von einem Streben nach Konsistenz mit früher gefassten Beschlüssen und nach einer „Harmonie mit dem geltenden Rechte“:350 Für die Nichtigkeit des Vertrages hätte die Übereinstimmung mit der kurz zuvor in derselben Sitzung an339 

Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3894. Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3894, 3896. 341  Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3895, 3897. 342  Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3895, 3897. 343  Prot-DresdE, Bd. VI, S. 3895. 344  Wächter, S. 461 (§ 204 Beilage I). 345  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. 346  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. 347  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. 348  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. 349  Jakobs/Schubert, II/1, S. 434. 350 Siehe Jakobs/Schubert, II/1, S. 435. 340 

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genommenen Nichtigkeit, wenn der Dritte die Bestimmung nicht vornehmen kann oder will, gesprochen. Den Ausschlag zugunsten der richterlichen Ersetzung gab jedoch die Tatsache, dass zwei Tage zuvor für den Fall der Parteileistungsbestimmung eine richterliche Ersetzung für möglich gehalten worden war und keine hinreichenden Gründe gesehen wurden, die Leistungsbestimmung durch einen Dritten anders zu behandeln. Mehr implizit bestätigte die Zweite Kommission diese Entscheidung, indem sie sie auf das Ausbleiben der Bestimmung des Dritten erstreckte.351 Die Möglichkeit einer Ersatzbestimmung ist nicht nur auf den in § 319 Abs. 1 BGB erwähnten Fall der offenbaren Unbilligkeit beschränkt. Sie wird genauso genutzt im Fall der Abweichung von Vorgaben der Parteien352 oder bei Verfahrensmängeln353.

bb) Vergleich mit dem französischen Recht Diese eindeutige – und über den Hinweis auf den Wortlaut des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB hinaus heute kaum noch begründete – Weichenstellung des deutschen Rechts muss jedoch mit Blick auf den davon abweichenden Ansatz des französischen Rechts auf ihre Sachgerechtigkeit hinterfragt werden. Nach deutschem Recht wird der Mechanismus zur Bestimmung des Vertragsinhalts, vorbehaltlich privatautonom getroffener Vorkehrungen für diesen Fall, im Falle der Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten ebenso als – endgültig – gescheitert angesehen wie im Falle des Ausbleibens oder der Verzögerung der Bestimmung. Infolgedessen müsste der Vertrag als lückenhaft und damit möglicherweise unwirksam angesehen werden, wenn er nicht durch die gerichtliche Ersetzung der Bestimmung gerettet würde. Auch in Frankreich müsste der Vertrag als nicht geschlossen und damit als unwirksam angesehen werden. Wenn eine gerichtliche Ersetzung aus prinzipiellen Erwägungen ausscheidet, lässt sich diese unerwünschte Folge nur vermeiden, wenn die Unverbindlichkeit nicht zum endgültigen Scheitern des Bestimmungsmechanismus führt. Aus Sicht des französischen Rechts bleibt dieser Mechanismus folglich intakt;354 er ist lediglich mit der Hilfe eines anderen Sachverständigen fortzusetzen. Auf den ersten Blick stellt es sich als Stärkung der Privatautonomie der Parteien dar, wenn wie im französischen Recht der vereinbarte355 Drittbestim351 

Dazu oben § 4 D.II.3.a) (S. 246 f.). Habscheid, FS Laufke, S. 313. 353 Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25. 354 Deutlich Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309 („la mission de déterminer le prix n’est pas épuisée“); Moury, Nr. 42.152. 355  Der Mechanismus des Art. 1843-4 Code civil wird im Grunde wie eine vereinbarte Drittbestimmung behandelt, obwohl die Bestimmung dort auf einer gerichtlichen Anordnung beruht. 352 

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mungsmechanismus möglichst lange am Leben gehalten wird. Gleichzeitig wird damit scheinbar ein richterlicher Eingriff in die Privatautonomie vermieden.356 Mittels einer gerichtlichen Ersetzung, so ließe sich befürchten, würde den Parteien eine Vereinbarung vorgesetzt, die sie selbst nie gewollt haben357 und für deren Ausgestaltung ein Gericht auch weniger geeignet ist als ein privater Sachverständiger358. Nur am Rande bemerkt sei, dass im deutschen Recht im Sonderfall einer Entscheidung nach freiem Belieben die Tendenz festzustellen ist, die Rechtsmacht des Dritten trotz einer unwirksamen Ausübung als fortbestehend anzusehen, da andernfalls das gesamte Geschäft vom Scheitern bedroht ist. Beispiele dafür lassen sich im Erbrecht finden, wo als weiterer Gesichtspunkt das Bestreben, einer Anordnung des Erblassers möglichst zum Erfolg zu verhelfen, hinzutritt.359 Erst der zusätzliche Ablauf einer für die Ausübung des Bestimmungsrechts gesetzten Frist führt dann zum endgültigen Wegfall des Bestimmungsrechts.360 Dass in einem neueren BGH-Urteil hierzu der Dritte als Vertreter des Erblassers gesehen wird,361 unterstreicht die Parallele zur Sichtweise des französischen Rechts. Trotz der scheinbar damit verbundenen Stärkung der Privatautonomie erscheint diese Lösung jedoch in Wirklichkeit wenig interessengerecht. Für die Parteien, die mit Hilfe der Drittbestimmung einen Streitpunkt beilegen wollen, muss es unbefriedigend sein, wenn die Feststellung einer erreur grossière nach dem zeit‑ und kostenintensiven Durchlaufen dreier Instanzen sie zurück zum Ausgangspunkt versetzt und das gesamte Verfahren von vorn beginnt.362 Das Verfahren zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten wird 356  Dahinter steht wieder die oben § 4 D.II.1.c) (S. 239 ff.) thematisierte Vorstellung vom „office du juge“. Siehe beispielhaft auch die Formulierung in Cass. civ. 25.4.1952 Bull. civ. I, Nr. 138: „là où la loi n’a voulu que l’action libre et exclusive des parties“; ferner Cass. civ. 1re 16.5.1984 Bull. civ. I, Nr. 164 zur Benennung des Dritten. 357  Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533; Renard-Payen, JCP 2005,II,10046; vgl. auch Tallon, Nr. 3.3.3.05: Befugnis zur gerichtlichen Ersetzung bewirkt „un affaiblissement du caractère contractuel, donc strictement obligatoire, de ce mode de fixation du prix“. 358  Unberath, Long-Term Contracts, S. 144. 359  Siehe zur Bestimmung des Auflagebegünstigten BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357, 362; zustimmend Münch­Komm-­BGB/Rudy, § 2193 Rn. 7; Palandt/Weidlich, § 2193 Rn. 3; Schubert, JR 1994, 158 (der diese Tendenz auch in Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 640 erkennt); a.A. (Übergang des Bestimmungsrechts nach § 2193 Abs. 2 und 3 BGB) Staudinger/Otte, § 2193 Rn. 7. Zu § 2151 BGB: Palandt/Weidlich, § 2151 Rn. 3. Zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers ist die Frage umstritten, siehe oben § 13 Fn. 61. 360  Nachweise siehe vorige Fußnote. 361  BGH v. 24.2.1993 BGHZ 121, 357. 362  Gautier, RTD civ. 2004, 308, 310, der darauf hinweist, dass dem einschlägigen Urteil der Cour de cassation aus dem Jahre 2003 (oben Fn. 317) bereits ein sechsjähriger Rechtsstreit vorausgegangen ist; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955. Bis zu dem Urteil aus dem Jahre 2005 (oben Fn. 318) waren bereits über sieben Jahre seit der – erst auf eine Kassationsbe-

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dadurch für die Parteien deutlich schwerfälliger363 und langwieriger364. Zum Teil wird aufgrund der langen Verfahrensdauer sogar vor einem möglichen Konflikt mit Art. 6 Abs. 1 EMRK gewarnt.365 Besser wäre es, wenn die Gerichte ihre Zurückhaltung aufgeben und selbst zur Ersetzung der unverbindlichen Leistungsbestimmung schreiten würden.366 Denn wenn ein Verfahren den Zweck hat, eine Meinungsverschiedenheit möglichst zeit‑ und kostengünstig auszuräumen, stellt es keineswegs eine reine Opportunitätsüberlegung dar, einen unnützen Mehraufwand an Zeit und Kosten zu berücksichtigen.367 Hinzu kommt, dass die Einsetzung eines Dritten zur Leistungsbestimmung weniger Gefahren für die Parteien birgt, wenn eine gerichtliche Ersetzung möglich ist; die Bestimmung selbst wird aber auch weniger vorhersehbar.368 Freilich können derlei Forderungen in Frankreich allenfalls de lege ferenda von Bedeutung sein.369

cc) Gerichtliche Ersetzung als Weiterdenken der Privatautonomie Nach alldem zeigen gerade die Unzuträglichkeiten des französischen Rechts, dass der Mechanismus der Delegation mit der Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens als gescheitert angesehen werden und deshalb – vorbehaltlich einer abweichenden privatautonomen Lösung – kein privater Dritter mehr mit der Aufgabe des Dritten betraut werden sollte. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass stattdessen ein Gericht diese Aufgabe wahrnehmen solle. Warum sollte, anders formuliert, der Staat seine Gerichte in den Dienst der Parteien stellen, und sie nicht wie das englische Recht die Folgen des Scheiterns ihres privatautonom erdachten Bestimmungsmechanismus tragen lassen? Die gerichtliche Ersetzung lässt sich als Ausdruck einer „Beschleunigungsmaxime“ verstehen.370 Dahinter verbergen sich die vom Redaktor v. Kübel angeführten „praktischen Gründe“.371 Wie die endgültige Entscheidung eischwerde hin erfolgten (Cass. civ. 1re 18.6.1996 Bull. civ. I, Nr. 264) – gerichtlichen Benennung des Dritten und über fünf Jahre seit der Erstellung seines Gutachtens verstrichen. 363  Gautier, RTD civ. 2004, 308, 310. 364  Lienhard, D. 2003, 3054 („Le prix de ce respect farouche du texte sera la durée de la procédure.“). 365  Gautier, RTD civ. 2004, 308, 310. Ob diese Warnung berechtigt ist, muss hier nicht untersucht werden. Ein Verstoß erscheint jedoch angesichts der Tatsache, dass es sich im Kern um ein privates Verfahren handelt und der Staat keine Pflicht hat, seine Gerichte zur Rettung von Verträgen zur Verfügung zu stellen, zumindest zweifelhaft. 366  Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309 f. 367  So aber Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 368  Tallon, Nr. 3.3.3.05. 369  Dies gilt jedenfalls bezogen auf Art. 1843-4 Code civil, dessen Wortlaut die Bestimmungsbefugnis exklusiv dem Dritten zuweist, dazu deutlich Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 642 (§ 140). 370  ­R ieble, S. 113. 371  Siehe oben Fn. 346.

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nes Rechtsstreits durch das Revisionsgericht nach § 563 Abs. 3 ZPO verhindere auch die Festsetzung der geschuldeten Leistung durch das Gericht „im Interesse einer schnellen Konfliktlösung“, dass die Klage abgewiesen, eine neue Leistungsbestimmung eingeholt und diese dann wieder gerichtlich überprüft werden müsse.372 Im schlimmsten Fall drohe sogar eine mehrfache Wiederholung dieses Hin und Her.373 Eine andere Formulierung desselben Gedankens beschreibt die gerichtliche Ersetzung des Schiedsgutachtens als „Ersatzvornahme“, die den Parteien eine Klage gegen den Dritten auf Vornahme der Leistungsbestimmung ersparen soll – falls der Dritte überhaupt eine Verpflichtung zur Vornahme der Bestimmung übernommen hat.374 Freilich kann der Begriff „Ersatzvornahme“ hier nur untechnisch gemeint sein, da die Ersatzvornahme im vollstreckungsrechtlichen Sinne nach § 887 ZPO erstens eine vorherige Klärung der Frage voraussetzen würde, ob die Erstellung des Schiedsgutachtens überhaupt eine vertretbare Handlung darstellt, da ansonsten die Vollstreckung auf anderem Wege zu geschehen hätte, und zweitens dazu führt, dass ein vom Gläubiger zu bestellender privater Dritter – und nicht etwa das Gericht selbst – die zu ersetzende Handlung vornimmt. Letztlich dürfte also auch diese Umschreibung darauf hinauslaufen, dass die richterliche Ersetzung der Beschleunigung der Streitbeilegung dient. Damit zeigt sich aber, dass dieser Ansatz zwar die Vorteilhaftigkeit einer richterlichen Ersetzung des Schiedsgutachtens gegenüber einer „Zurückverweisung“ an einen privaten Dritten in Ergänzung zu den zuvor angestellten Überlegungen untermauert. Einen Grund dafür, weshalb die Gerichte es nicht schlicht beim Verdikt der Unverbindlichkeit mit der Folge des Scheiterns der Schiedsgutachtenvereinbarung belassen, liefert die Beschleunigung nicht. Die naheliegende Antwort, dass auf diesem Weg Verträge vor der Nichtigkeit gerettet werden sollen, scheint aus zwei Gründen zweifelhaft: Zum einen versagt dieses Argument immer dann, wenn die Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten mitnichten die Unwirksamkeit des Vertrages nach sich zieht, wie dies nicht nur bei den rechtsändernden Schiedsgutachten, sondern auch bei den zahlenmäßig wohl am häufigsten vorkommenden feststellenden Schiedsgutachten der Fall ist.375 In diesen Fällen führt die gerichtliche Ersetzung lediglich zu einer „geltungserhaltenden Reduktion“. Zum anderen ließe sich die Privatautonomie gerade als Herausforderung an die Parteien verstehen, sich selbst und ohne Hilfe von außen zu einer wirksamen Vereinbarung zu verhelfen.376 Jedoch würde diese Sichtweise zu kurz greifen. Indem ein Gericht einer Vereinbarung zur Bestimmtheit verhilft, greift der Staat nicht in die Privatautonomie 372 

­ ieble, S. 113. R ­Rieble, S. 113. 374  Bötticher, ZfA 1970, 3, 35; Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 329. 375  Hau, S. 376. 376  Siehe oben § 1 B.II. (S. 10 ff.). 373 

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ein. Vielmehr entspricht ein gerichtlich vervollständigter Vertrag eher dem Willen der Parteien als ein Fortbestehen eines vertragslosen Zustands oder die Fortdauer der Unbestimmtheit des Vertrages.377 Die wenigen englischen Entscheidungen, die über die bloße Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens hinausgehen wollen, scheinen auch von derartigen Erwägungen getragen zu sein. Die Parteien haben ihre Privatautonomie, wenn auch erfolglos, ausgeübt. Wenn nun die gerichtliche Ersetzung des Schiedsgutachtens den Parteien doch noch zum Erfolg verhilft, so stellt sich dieser Akt als Verlängerung und als Weiterdenken der Privatautonomie dar. Die Situation ist damit auch grundverschieden von dem Fall, dass Parteien überhaupt erst mit gerichtlicher Hilfe zu einem Vertrag gelangen wollen.378 Anklänge dieser Argumentation an die richterlichen Befugnisse bei Störungen der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sind nicht zufällig. Denn auch dort stellt sich das Problem, eine sachgerechten Ausgleich zwischen der Selbstbestimmung der Parteien und richterlicher Vertragshilfe zu finden. Und auch dort ist die richterliche Vertragsanpassung kein Eingriff in die Privatautonomie, sondern deren Fortschreibung.379

dd) Gerichtliche Ersetzung auch bei Bestehen einer „Auffangordnung“ Wenn somit eine richterliche Ersetzung grundsätzlich gerechtfertigt erscheint, ließe sich doch fragen, ob dies auch dann gilt, wenn ohne die Hilfe des Gerichts nicht die Unwirksamkeit des Vertrages droht. Diese Frage stellt sich zum einen, wenn die Mission des Dritten in der Feststellung von Tatsachen besteht. Eine isolierte gerichtliche Ersetzung der unverbindlichen Feststellungsentscheidung des Dritten könnte hier entbehrlich erscheiden, da in einem Rechtsstreit über den auf dieser Tatsache beruhenden Anspruch ohnehin ein Gericht zur Feststellung aufgerufen wäre. Hiergegen lässt sich jedoch einwenden, dass gerade in einem Streit, in dem es den Parteien nur auf die externe Feststellung der betreffenden Tatsache ankommt und sie im Übrigen zur freiwilligen Erfüllung des sich daraus ergebenden Anspruchs bereit sind, ein Prozess über den gesamten Anspruch nicht nur unter verfahrensökonomischen Aspekten, sondern auch im Hinblick auf die Parteiinteressen wenig sachgerecht wäre. Denkt man die Parteivereinbarung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, zu Ende, so sollte die isolierte Ersetzung einer unverbindlichen Feststellung möglich sein. Zum anderen können im Erbrecht, das eine umfassende Regelung darüber enthält, wie in Ermangelung einer testamentarischen Anordnung mit dem 377  Siehe bereits oben Fn. 347; außerdem Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 329 dazu, dass die richterliche Ersetzungsbefugnis dem „vermuteten Parteiwillen“ entspricht; ebenso Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143. 378  Dazu oben § 4 E. (S. 268 ff.). 379  Medicus, FS Flume, S. 631 f.

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§ 14 Grundsätze der Kontrolle des Schiedsgutachtens

Nachlass umzugehen ist, Zweifel an der Notwendigkeit einer gerichtlichen Ersetzung entstehen. So existiert etwa mit der gesetzlichen Erbfolge eine Art „Auffangordnung“, hinter der mit dem Prinzip der Familienerbfolge zudem ein eigenständiger Rechtswert steht.380 Wenn nun die Bezeichnung des Erben durch einen Dritten – etwa weil der Dritte nicht alle vom Erblasser für die Auswahl vorgegebenen Kriterien beachtet hat – scheitert, ist durchaus zu überlegen, ob nicht eine gerichtliche Bestimmung, sondern die gesetzliche Erbfolge an die Stelle der unverbindlichen Drittbestimmung treten sollte. Ebenso ließe sich überlegen, ob ein Vermächtnis, mit dessen näherer Ausgestaltung ein Dritter betraut ist, als Beeinträchtigung der gesetzlichen Erbfolge aufrechterhalten werden soll, wenn dem Dritten keine verbindliche Konkretisierung des Vermächtnisinhalts gelingt. Eine ähnliche Überlegung könnte etwa dazu führen, an die Stelle eines unverbindlichen Auseinandersetzungsplans, den ein vom Erblasser eingesetzter Dritter aufgestellt hat, die gesetzlichen Teilungsregeln treten zu lassen.381 Für eine gerichtliche Ersatzbestimmung, so ließe sich argumentieren, bestünde nicht nur kein Bedarf. Sie wäre in Anbetracht einer im BGB ausgearbeiteten Ordnung der Vermögensnachfolge auch nicht angebracht. Der Gesetzgeber hat sich indes anders entschieden und etwa in § 2156 S. 2 BGB i.V.m. § 319 BGB sowie in § 2048 S. 3 BGB ausdrücklich vorgesehen, dass ein richterlicher Spruch an die Stelle der offenbar unbilligen Bestimmung eines Dritten treten soll. Dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist zuzustimmen; sie ist zugleich auf nicht ausdrücklich geregelte Drittbestimmungen zu übertragen.382 Ein Erblasser, der einen Dritten mit der Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans betraut, zeigt, dass er jedenfalls nicht die Anwendung der gesetzlichen Teilungsregeln wünscht. Die Anordnung eines Vermächtnisses dokumentiert den Willen des Erblassers, sein Vermögen anders als allein von der gesetzlichen Erbfolge vorgesehen zu verteilen, auch wenn ein Dritter den Umfang des Vermächtnisses präzisieren muss. Ganz allgemein ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Ausgleich zwischen Testierfreiheit und Familien­ erbfolge mit dem Pflichtteilsrecht in verfassungskonformer Weise ausgestaltet hat.383 Über das Pflichtteilsrecht hinaus besteht kein Anlass, dem gesetzlichen Erbrecht Vorrang vor dem Willen des Erblassers einzuräumen. Im Gegenteil kommt außerhalb des Pflichtteilsrechts der gewillkürten Erbfolge eine Vor380  Siehe zur Subsumtion des Verwandtenerbrechts unter den Schutz der grundgesetz­ lichen Erbrechtsgarantie BVerfG v. 22.6.1995 BVerfGE 93, 165, 173; Münch­Komm-­BGB/­ Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 35; Muscheler, Erbrecht, Rn. 232. 381  In diese Richtung Planck/Strohal/Ebbecke, § 2048 Anm. 1. 382  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 31; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39 (für feststellende Schiedsgutachten); a.A. Großfeld, JZ 1968, 133, 121, dessen Argument, die Parteien könnten keine richterliche Befugnis schaffen, hier aber neben der Sache liegt, da es um die subsidiäre, nicht um die primäre Befugnis des Gerichts geht. 383  BVerfG v. 19.4.2005 BVerfGE 112, 332, 348 ff.; Münch­Komm-­BGB/Leipold, Einleitung zum Erbrecht Rn. 38 ff.; Muscheler, Erbrecht, Rn. 234.

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rangstellung zu.384 Dann ist es aber nur konsequent, dem Erblasserwillen auch insoweit zum Durchbruch zu verhelfen, als dies nur mit Hilfe einer gerichtlichen Ersetzung der Entscheidung des Dritten möglich ist.

b) Vornahme der Ersetzung durch den Richter Ist folglich die Ersetzung einer unverbindlichen Entscheidung des Dritten durch den Richter hinreichend legitimiert, so soll noch knapp erläutert werden, wie sich diese Ersetzung vollzieht.

aa) Übergang der Entscheidungskompetenz auf den Richter Wenn das Gericht an die Stelle des Dritten tritt, verfügt es über dieselben Befugnisse wie dieser.385 Plakativ lässt sich formulieren, die Kompetenz des Dritten gehe auf das Gericht über.386 Mithin kann das Gericht – sofern die Parteien die Kompetenz des Gerichts nicht eingeschränkt haben – von demselben Gestaltungsspielraum Gebrauch machen, wie ihn zuvor der Dritte hatte.387 Für die Rechtsprechung besteht mithin kein Zweifel, dass das Gericht bei Gestaltungsentscheidungen nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls nach billigem Ermessen innerhalb eines gewissen Spielraums zu entscheiden hat.388 Im Rahmen von Tatsachenermittlungen bildet sich das Gericht – meist mit Hilfe eines Sachverständigen, der hier aber als gerichtlicher Sachverständiger i.S.d. §§ 144 Abs. 1 384 

Lange/Kuchinke, S. 8 (§ 1 V 1), 227 f. (§ 9 II 1). § 319 Rn. 27 ff.; Wittmann, S. 93. Zu § 315 BGB Soergel/M. Wolf, § 315 Rn. 51; Sieg, NJW 1951, 506, 509; wohl auch Erman/J. Hager, § 315 Rn. 18 („Das Gericht ist zu einer eigenen Sachentscheidung befugt“). 386 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 27; ders., S. 89. Anders Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707: Für eine Ermessensentscheidung des Gerichts lasse sich nicht ins Feld führen, das Gericht trete an die Stelle des Dritten, denn dies würde die Position des Gerichts verkennen, die von der des Dritten ganz verschieden sei. Im Ergebnis bejaht Neumann-Duesberg aber auch einen Ermessensspielraum des Gerichts auf andere Weise und gelangt deshalb ebenfalls zu einem Gleichlauf: Die Vereinbarung der Parteien sei nicht auf einen bestimmten Betrag – und sei es den angemessenen Betrag – gerichtet gewesen, sondern auf eine Leistung im Rahmen einer Wahlmöglichkeit. Dies müsse auch erhalten bleiben, wenn das Gericht entscheide. Gegen diese Begründung Stickelbrock, S. 309 f. 387 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 312; ders., S. 89; Münch ­Komm-­Z PO/Prütting, § 287 Rn. 4; Hess, S. 400. Wer einen Spielraum des Dritten ablehnt (dazu oben § 2 B.II.4.b) [S. 67 ff.]), verneint konsequent auch hier einen Spielraum des Richters, der vielmehr die einzig billige Feststellung zu treffen habe, Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 136 ff.; Stoffel, S. 114; Göppinger, JJB 9 (1968/69), 86, 107. 388  Siehe insbesondere BGH v. 6.10.1978 WM 1979, 163, 164; außerdem z.B. BGH v. 11.11.1981 WM 1982, 102; BGH v. 30.3.1979 NJW 1979, 1543, 1544 f. (insoweit nicht in BGHZ 74, 341); BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314, 319; BGH v. 14.7.1971 WM 1971, 1018, 1020 (insoweit nicht in BGHZ 57, 47); BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62, 64. Entscheidungen dazu betreffen häufig die Kontrolle von Preisanpassungen im Bereich der Daseinsvorsorge nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB, vgl. etwa BGH v. 20.7.2010 NJW 2011, 212, 214; BGH v. 10.10.1991 BGHZ 115, 311, 321. 385 Staudinger/­R ieble,

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S. 1, 402 ff. ZPO und nicht als Schiedsgutachter tätig wird389 – eine eigene Überzeugung.390 Diese Unterstützung versetzt ihn auch in komplexeren Fällen in die Lage zur angemessenen Regelung des Sachverhalts.391 Nicht ganz richtig ist es deshalb, wenn die Motive zum VVG formulieren: „Soweit … die Parteien an den Ausspruch des Sachverständigen nicht gebunden sind, erfolgt die Feststellung der Höhe des Schadens … durch gerichtliches Urteil, gerade so, wie wenn im Vertrag eine Festsetzung durch Sachverständige überhaupt nicht vorgesehen ­wäre“.392

Die zutreffende Sichtweise kann jedoch dem Gesetzestext entnommen werden. In § 84 Abs. 1 S. 2 VVG wird der Übergang der Bestimmungsbefugnis angeordnet.393 Gegen diesen Gleichlauf der Entscheidungsmaßstäbe wird jedoch aus zwei Richtungen Widerspruch erhoben.394 Zum einen hebt Völzmann-Stickelbrock hervor, dass sich die Einräumung billigen Ermessens in den §§ 315 ff. BGB nur an die bestimmungsbefugte Partei bzw. an den Dritten, nicht aber an das Gericht richte.395 Der Richter entscheide nicht nach billigem Ermessen, sondern habe den nach Billigkeit angemessenen und richtigen Betrag festzusetzen.396 Er habe keine „Wahl zwischen mehreren gleich angemessenen Ergebnissen“.397 Daraus, dass der Richter die Position des bestimmungsberechtigten Dritten einnehme, ergebe sich nicht zwingend, dass er über denselben Gestaltungsspielraum wie dieser verfüge.398 Bei näherer Betrachtung verbirgt sich hinter dieser Argumentation jedoch nur scheinbar eine andere Auffassung. Denn Völzmann-Stickelbrock versteht auch die Kompetenz des ursprünglich Bestimmungsbefugten nicht als echtes Ermessen, sondern lediglich als „Spielraum bei der Konkreti-

389 

BGH v. 2.2.1977 WM 1977, 418. v. 7.10.1983 WM 1984, 64. Beispiele aus jüngerer Zeit: OLG München v. 3.12.2009 – 23 U 3904/07 (juris); OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris); OLG Rostock v. 26.5.2004 OLGR 2006, 2. 391 Skeptisch G. Bachmann, S. 270 f. 392  Motive VVG, S. 137 (Hervorhebung hinzugefügt). 393  Zu dieser Unterscheidung bereits oben § 4 D.II.1.b) (S. 238 f.) im Zusammenhang mit den richterlichen Kompetenzen bei Ausbleiben des feststellenden Schiedsgutachtens. 394  Keinen tauglichen Einwand stellt es (entgegen Stickelbrock, S. 310) dar, dass die Parteien das freie Belieben als Bestimmungsmaßstab des Dritten vereinbaren könnten und schon deshalb ein Gleichlauf ausscheiden müsse, da ein Gericht nicht nach freiem Belieben urteilen dürfe. Im Fall der Entscheidung nach freiem Belieben kommt dem Gericht bereits keine Ersetzungsfunktion zu, siehe oben § 14 C.II.1.c) (S. 675 f.). 395  So aber Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 89; Stickelbrock, S. 309. Auf das Schweigen des Gesetzes macht auch Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 707 aufmerksam, freilich mit gegenteiliger Schlussfolgerung. 396  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 90; Stickelbrock, S. 310. 397  Stickelbrock, S. 308. 398  Stickelbrock, S. 309. 390 BGH

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sierung der ‚billigen‘, d.h. im konkreten Fall angemessenen Leistung“.399 Mithin wird von dieser Ansicht der Schluss von der Befugnis des Dritten auf die Befugnis des Gerichts zu Unrecht verdächtigt, da sie letztlich für beide Befugnisse denselben Begriff des billigen Ermessens zugrunde legt. Zu ergänzen ist im Übrigen, dass folgerichtig einen Kompetenzgleichlauf auch annehmen kann, wer die Befugnis des Dritten und entsprechend die Aufgabe des Gerichts auf die Aufdeckung der einzig billigen oder richtigen Entscheidung reduziert und darin lediglich eine Feststellungsentscheidung sieht.400 Zum anderen wird verbreitet, teils ohne Begründung, die Ansicht vertreten, das Gericht müsse sich im Gegensatz zu dem bestimmungsbefugten Dritten tunlich um eine Ersatzbestimmung „auf einer mittleren Linie“ bemühen.401 Anders als der nach billigem Ermessen entscheidende Dritte dürfe der Richter nicht „frei walten“, und es komme daher nicht in Betracht, ihn auch hinsichtlich des Entscheidungsmaßstabs die Position des Dritten einnehmen zu lassen.402 Vielmehr müsse er den Vertrag so zu Ende denken, wie ihn „loyale Vertragspartner“ ausgehandelt haben würden.403 Diese Auffassung scheint also anders als die zuvor dargestellte tatsächlich für eine unterschiedliche Weite beider Entscheidungsspielräume einzutreten. Doch auch sie veranlasst letztlich nicht dazu, den Kompetenzgleichlauf in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass im Dunkeln bleibt, wo eine mittlere Linie verläuft,404 lässt sich dafür weder ein 399  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 24; diese Frage noch offen lassend in Stickelbrock, S. 309. 400  Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 294. 401  Münch ­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 23; Brüggemann, S. 265 ff.; zu § 315 Abs. 3 S. 2 BGB insbesondere ­L arenz, Schuldrecht I, S. 81 Fn. 9 (§ 6 II a); sowie LAG Köln v. 22.3.2005 – 9 Sa 1262/04 (juris); Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 30; PWW/ Medicus/M. Stürner, § 315 Rn. 14; Söllner, S. 126; C. Wagner, S. 84 f. Siehe neuerdings BGH v. 20.7.2010 NJW 2011, 212, wo im Rahmen des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eine Entscheidung, die eher zugunsten des Bestimmungsgegners ausfällt, für möglich gehalten wird. 402  Brüggemann, S. 266; im Ansatz auch Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 17 (mit fälschlicher Bezugnahme auf BGH v. 18.10.1968 BB 1969, 977, das dort fehlerhaft abgedruckt ist und somit zu Missverständnissen Anlass gibt). Eine Ausnahme macht Brüggemann (S. 204 ff., 266 ff.) für die Ersatzbestimmung nach § 2048 S. 3 BGB, da es dort um eine Verteilungsentscheidung bei der Abwicklung eines Verhältnisses und nicht um das Finden eines Ausgleichs zwischen Gläubiger und Schuldner gehe. Während die §§ 315, 319 BGB zur Komplettierung eines im Übrigen bereits perfekten Verhältnisses dienten, würden auf der Grundlage von § 2048 S. 3 BGB Verpflichtungen überhaupt erst begründet. Diese Differenzierung ist wenig einleuchtend: Hier wie dort soll das Gericht den Inhalt eines Vertrages gestalten. Dass sich dies im Fall der Erbauseinandersetzung unter Umständen als komplexer darstellt, bedeutet nur einen graduellen, keinen qualitativen Unterschied. 403  Brüggemann, S. 267. 404  Kritisch deshalb auch Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 326; Wiedemann, S. 8 (Gericht habe keine „höhere Gerechtigkeitserkenntnis“ als die Parteien). Dass der BGH – jedenfalls im Ausgangspunkt – einen vergleichbaren Ansatz bei der ergänzenden Vertragsauslegung zugrunde legt (BGH v. 13.3.1985 BGHZ 94, 98, 104) belegt nichts, da die Kompetenz zur ergänzenden Vertragsauslegung anderen Ursprungs ist; siehe aber Brüggemann, S. 266.

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Anhaltspunkt im Gesetz noch eine Begründung in den richterlichen Kompetenzen überhaupt finden. Eine unterschiedliche Behandlung von Drittem und Richter, so wird vorgebracht, sei erforderlich, da der Richter eine neutrale Position einzunehmen habe.405 Indes wird auch von dem bestimmungsberechtigten Dritten Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erwartet.406 Eine Entscheidung, die – mit entsprechender Begründung – dem einen Ende des Spielraums dessen, was noch als billig angesehen werden kann, zuneigt, muss nicht zugleich eine parteiliche Entscheidung darstellen. Weiter wird argumentiert, es sei das Amt des Richters, das ein Einschwenken auf eine mittlere Linie gebiete.407 Wörtlich heißt es bei Brüggemann: „Für die Ausfüllung und Vervollständigung von Verträgen ist der Prozeßrichter nur der Nachvollziehende, nie der Urschöpferische. Er gäbe die Grenzen seines Amtes preis, wollte er sich die Befugnis beilegen, die lex contractus selbstmächtig zu gründen, unter der er später oder vielleicht sogar gleichzeitig urteilen soll.“408

Gerade dieses Argument entlarvt aber, dass hinter dem Versuch, den Richter auf eine mittlere Linie festzulegen, vermutlich ein Unbehagen weniger mit dem Entscheidungsspielraum des Richters, als vielmehr mit den Befugnissen des Dritten – oder auch eine unklare Vorstellung davon – liegt.409 Auch der Dritte gründet nicht „selbstmächtig“ den Vertragsinhalt, sofern er nicht nach freiem Belieben zu entscheiden ermächtigt ist. Vielmehr bindet auch ihn das Ziel, einen angemessenen Vertragsinhalt festzusetzen. Pointiert zum Ausdruck kommt das, wenn J.F. Baur beide Akteure, Dritten wie Richter, im Rahmen des § 315 BGB gebunden sieht, sich auf der „mittleren Linie“ zu halten.410 Wenn in einer Spanne von 95 bis 105 jeder Kaufpreis gleich billig erscheint,411 so ändert sich an dieser Einschätzung nichts je nachdem, ob ein von den Parteien ermächtigter Dritter oder ein Richter die Bestimmung vornimmt. Meint man jedoch, einen angemessenen Interessenausgleich nur dann erkennen zu können, wenn der Richter – was wohl mit der mittleren Linie gemeint sein dürfte – den Mittelwert von 100 auswirft, so heißt das in Wirklichkeit, dass von vornherein nicht 405  Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 90; Stickelbrock, S. 310. Ob diese Argumentation im Rahmen der Parteileistungsbestimmung in einem anderen Licht erscheint, mag auf sich beruhen. 406  Siehe oben § 7 B. (S. 420 ff.). 407  Brüggemann, S. 266; wohl auch Stickelbrock, S. 310 (vom Richter „wahrzunehmende hoheitliche Aufgabe“). Zum Amt des Richters siehe bereits oben Fn. 386 die Position von Neumann-Duesberg, der freilich daraus keine Restriktion ableitet. 408  Brüggemann, S. 266. 409  Ebenso, allerdings mit abweichender Schlussfolgerung, Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 463. 410  J.F. Baur, S. 66; ebenso Joussen, S. 507. Siehe auch BGH v. 21.12.1977 WM 1978, 228. 411  Zur Gleichwertigkeit aller billigen Leistungsbestimmungen v. Thun und Hohenstein, S. 246 f., der aber auf S. 250 f. zugleich die Begrenzung des Billigkeitsspielraums für unmöglich hält.

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jeder Wert innerhalb der Spanne in gleichem Maße billig hätte erscheinen dürfen und deshalb bereits der Dritte nach billigem Ermessen gehalten gewesen wäre, sich für diesen Wert zu entscheiden. Wenn die Leistungsbestimmung des Richters „die Interessen beider Parteien berücksichtigen, sich im Rahmen des in vergleichbaren Fällen Üblichen halten und nach Lage der besonderen Umstände des Falles als angemessen, sachlich begründet und persönlich zumutbar erscheinen“ muss,412 so klingt das zwar sehr nach dem Einhalten einer mittleren Linie. Doch wird von der Entscheidung des Dritten nichts anderes erwartet. Aufrechterhalten ließe sich das zitierte Argument allenfalls, wenn es gegen die richterliche Ersetzungskompetenz insgesamt gerichtet wäre. Denn unabhängig davon, nach welchem Maßstab der Richter bei seiner Entscheidung vorgegangen ist, verurteilt er anschließend stets aus einem Vertrag, dessen Inhalt unter seiner Mitwirkung festgelegt wurde.413 Die Ersetzungskompetenz insgesamt will jedoch kein Vertreter dieser Ansicht in Zweifel ziehen. Im Ergebnis beruht der Widerspruch gegen den Kompetenzgleichlauf offenbar in erster Linie auf divergierenden Vorstellungen darüber, wie das billige Ermessen des Dritten zu fassen ist. Wird dieses sachgerecht definiert, spricht nichts dagegen, das Gericht nach demselben Maßstab entscheiden zu lassen.

bb) Prozessuale Umsetzung Für die Umsetzung dieser richterlichen Kompetenz steht das Instrument der Gestaltungsklage zur Verfügung. Dem Wortlaut des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB entspricht die Vorstellung, dass die interessierte Partei Klage auf Vornahme der Bestimmung durch das Gericht erhebt.414 Diese Klage ist als Gestaltungsklage, das Urteil als Gestaltungsurteil zu qualifizieren.415 Gestaltungsklage – und nicht 412 

BGH v. 6.10.1978 WM 1979, 163, 164. Im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nach § 2048 S. 3 BGB, die dem Richter die Ersetzung eines oftmals weitaus komplexeren mehrseitigen Vertragsverhältnisses abverlangt, hält Brüggemann es offenbar für unbedenklich im Hinblick auf das Amt des Richters, wenn dieser sodann an der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Auseinandersetzungsplan mitwirkt. Für diese Differenzierung lässt sich jedoch kein triftiger Grund finden, siehe oben Fn. 402. 414  Brüggemann, S. 268 (eine derartige isolierte Klage könne sinnvoll sein, wenn eine Partei erst einmal Klarheit über ihre rechtliche Lage gewinnen wolle); Greger/Stubbe, Rn. 121. Beispiele dafür finden sich in BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62; BGH v. 11.11.1981 WM 1982, 102. Zur Bestimmtheit des Klageantrags siehe bereits oben § 4 B.I.1. (S. 152 ff.). 415  BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 280 (zu § 315 Abs. 3 BGB); Stein/Jonas/H. Roth, vor § 253 Rn. 101; Musielak/Foerste, Vor § 253 Rn. 17; Zöller/Greger, Vor § 253 Rn. 8; Thomas/ Putzo/Reichold, Vorbem § 253 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 253 Rn. 11; Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 410; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 11; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 17; Bötticher, FS Dölle I, S. 67; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 143; Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 710; Stoffel, S. 110 f.; Windscheid/Kipp, Pandekten II, S. 21 (§ 254); die von Kisch, Urteilslehre, S. 110 ff. hierfür entwickelte Kategorie der festsetzenden Urteile konnte sich nicht durchsetzen. 413 

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etwa Feststellungsklage – ist auch die Klage, die auf Ersetzung eines feststellenden Schiedsgutachtens gerichtet ist. Das Gericht gestaltet mit seinem Urteil den Inhalt eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags zwischen den Parteien.416 Besinnt man sich auf diese vertragsgestaltende Wirkung des Richterspruchs, so wird zugleich die Einordnung als Gestaltungsklage von dem Streit um die divergierenden Vorstellungen vom richterlichen Entscheidungsmaßstab abgekoppelt.417 Weder bedarf es dann der Annahme, dass dem Richter tatsächlich „echtes“ Ermessen zukomme, um den Gestaltungscharakter zu begründen.418 Noch schließt die Annahme einer „gebundenen“, auf die eine billige bzw. richtige Bestimmung gerichteten Entscheidung den Gestaltungscharakter aus.419 Denn selbst wenn der Richter nur feststellen müsste, welcher Vertragsinhalt billig ist, würde mit seiner Entscheidung der Vertrag gestaltet. „Das Urteil“, formuliert Brüggemann, um diesen Zusammenhang zum Ausdruck zu bringen, „wirkt zwar als ein konstitutives; es wird jedoch gefunden als ein deklaratives.“420 Den häufigeren Fall dürfte es freilich darstellen, dass das Gericht im Rahmen einer Klage auf die zu bestimmende oder von der Feststellung abhängige Leistung inzident die Entscheidung des Dritten ersetzt.421 Da die Gestaltung hier nicht aus dem Urteilstenor ersichtlich wird, wird dieser Fall als „verdeckte“ Gestaltungsklage bezeichnet.422 Auch wenn sie meist im Kontext der §§ 315 ff. BGB erörtert wird, kommt eine derartige Klage gleichfalls im Erbrecht in Betracht, etwa wenn die offenbare Unbilligkeit des von einem Testamentsvollstrecker aufgestellten Teilungsplans geltend gemacht und zugleich dessen Veurteilung zur Durchführung des ersatzweise vom Gericht festgelegten Plan begehrt wird.423 Die Möglichkeit, ohne den Zwischenschritt eines Gestaltungsprozes416 Staudinger/­R ieble,

§ 317 Rn. 27; a.A. Kahn, S. 7. insbesondere Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 84 ff. und ebenso bereits Stickelbrock, S. 307 ff. 418  Siehe aber Neumann-Duesberg, JZ 1952, 705, 710: „Die Entscheidungen nach § 315 III BGB sind (als Ermessensakte) Gestaltungsurteile“ (Hervorhebung hinzugefügt). Ablehnend Rothe, AcP 151 (1950/51), 33, 38 (freilich auf der Grundlage eines zu weiten Ermessensbegriffs); Stickelbrock, S. 307. 419  So aber viele Autoren, die die Aufgabe des Gerichts darin sehen, einen objektiv feststehenden und bloß subjektiv verborgenen Leistungsinhalt aufzudecken, und aus diesem Grund das Vorliegen einer Gestaltungsklage verneinen, siehe Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 132 ff., 294; Stoffel, S. 114 ff.; Lindacher, S. 79 f.; ders., AP Nr. 7 zu § 339 BGB; Pinckernelle, S. 52; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 466. Siehe zu diesem Streit bereits oben § 2 B.II.4.b) (S. 67 ff.). 420  Brüggemann, S. 267; ebenso Stickelbrock, S. 310. 421  Siehe als Beispiel BGH v. 7.4.2000 NJW 2000, 2986, 2987 (gerichtliche Leistungsbestimmung, nachdem der Gläubiger die Durchführbarkeit der Leistungsbestimmung durch den Dritten vereitelt hat); BGH v. 2.4.1964 BGHZ 41, 271, 280 (zu § 315 BGB). 422  Siehe Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 413; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 47 f.; Palandt/Grüneberg, § 315 Rn. 17; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 315 Rn. 92; Rosen­berg/Schwab/P. Gottwald, § 91 Rn. 12. 423  Beispiel nach Ruby, ZEV 2007, 18, 21. 417  Dafür

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ses gleich auf Leistung klagen zu können, ist nicht nur im deutschen Recht anerkannt. Auch dem oben424 erwähnten Urteil, in dem die französische Cour de cassation eine gerichtliche Ersetzung der Bewertung der Gesellschaftsanteile für möglich gehalten hat, scheint eine derartige Konstellation zugrunde gelegen zu haben.

III. Ergebnis Dass ein Gericht die Entscheidung des Dritten kontrollieren darf, besagt noch nichts darüber, welche Folgen es hat, wenn sich dabei deren Unverbindlichkeit herausstellt. Vorrangig ist es Aufgabe der Parteien, diese Folgen festzulegen. Haben sie entsprechende Vorkehrungen getroffen, muss das Gericht lediglich bei der Umsetzung mithelfen. Wenn derartige Vorkehrung jedoch fehlen, ist die Entscheidung von Anfang an unverbindlich, weil sie nicht vom Willen der Delegierenden getragen ist. Nun kommen grundsätzlich drei verschiedene Reaktionsmöglichkeiten in Betracht: erstens eine Kassation der Entscheidung mit der Folge, dass die Bestimmung endgültig ausgeblieben ist; zweitens die gerichtliche Benennung eines neuen Dritten, mit dem der Bestimmungsmechanismus von vorn beginnt; oder drittens der Übergang der Entscheidungskompetenz auf das Gericht, das – sachverständig beraten – selbst die Bestimmung vornimmt. Auf eine bloße Kassation bleibt das Gericht beschränkt, wenn die Parteien eine gerichtliche Ersetzung ausgeschlossen haben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Gericht nach freiem Belieben entscheiden müsste. Im Übrigen sollte einer gerichtlichen Ersetzung gegenüber der Benennung eines neuen Dritten, wie sie im französischen Recht praktiziert wird, der Vorzug gegeben werden. Mag die Benennung eines neuen Dritten auch als geringerer richterlicher Eingriff erscheinen, entspricht es doch eher dem Parteiwillen, zügig zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen. Dieser (mutmaßliche) Parteiwille ist es auch, der letztlich die gerichtliche Ersetzung legitimiert. In dieser Intervention des Richters ist kein Eingriff in die Privatautonomie zu erblicken, sondern ihr konsequentes Weiterdenken. Der Richter verfügt bei seiner Ersetzungsentscheidung über dieselbe Entscheidungskompetenz wie zuvor der Dritte.

424 

Siehe oben Fn. 312.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit? I. Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse zum Kontrollmaßstab Im Laufe der Untersuchung wurden verschiedene Auslöser für die Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten identifiziert. Unverbindlich ist die Entscheidung eines parteilichen Dritten ebenso wie diejenige, die nicht von dem vertraglich vorgesehenen Dritten stammt. Nicht binden kann eine Entscheidung, die unter Verstoß gegen Vorgaben der Parteien entstanden ist oder der die nötige Begründung fehlt. All diese Auslöser werden in den §§ 317 ff. BGB nicht erwähnt. Stattdessen nennt § 319 Abs. 1 S. 1 BGB einen inhaltlichen Grund für die Unverbindlichkeit der Entscheidung: „Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist.“

Wie verhalten sich die vorgenannten Auslöser der Unverbindlichkeit zu diesem einzigen im Gesetz ausdrücklich angesprochenen Grund? Stehen sämtliche Gründe nebeneinander, oder gibt es einen einheitlichen Grund für die Unverbindlichkeit, auf die sich diese vielen Gründe zurückführen lassen? Diese Fragen sind nicht nur von theoretischem Interesse. Wäre etwa die Befangenheit des Schiedsgutachters als Indiz für die – eindeutig als inhaltsbezogenes Kriterium formulierte – offenbare Unbilligkeit seines Gutachtens anzusehen, so müsste sich sogleich die Frage anschließen, ob die fehlende Unparteilichkeit sich auch inhaltlich ausgewirkt haben muss oder ob sie für sich allein genommen ausreicht, die Unverbindlichkeit zu begründen. Diese Frage wurde oben in dem Sinne beantwortet, dass die Befangenheit des Schiedsgutachters allein ausreicht, um die Bindungswirkung des Gutachtens entfallen zu lassen.1 Ein maßgebliches Argument dafür bestand in der Erkenntnis, dass die Parteien des 1  Siehe oben § 7 C.III. (S. 497 ff.). Zum Parallelproblem bei der Begründungspflicht siehe oben § 9 A.II. (S. 552).

A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit?

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Schiedsgutachtenvertrags im Zweifel nicht an das Gutachten eines befangenen Dritten gebunden sein wollen und dessen Rechtsmacht, die er von den Parteien verliehen bekommen hat, deshalb nicht ausreicht, um diese zu binden. Mit dem Verweis auf die Reichweite der Unterwerfungsvereinbarung wurde aber zuvor auch erklärt, weshalb die Parteien nicht an ein offenbar unbilliges Schiedsgutachten gebunden sind. Hinter den verschiedenen Unverbindlichkeitsgründen wird damit der Parteiwille als leitendes Prinzip erkennbar. Das Schiedsgutachten entfaltet seine Bindungswirkung deshalb, weil und soweit die Parteien dies wollen. Gemeinsamer Ursprung der Unverbindlichkeitsgründe ist damit die Unterwerfungsvereinbarung als „Rahmen“2 der Kompetenz des Schiedsgutachters. Zu Recht wird hierin eine Parallele zur rechtsgeschäftlichen Stellvertretung erblickt:3 Auch der Vertreter kann seinen Geschäftsherrn nur binden, soweit ihm Verteretungsmacht zusteht. Grenzen der Rechtsmacht des Schiedsgutachters können sich aus formalen oder inhaltlichen Gründen ergeben. Nur auf letztere bezieht sich die Vorschrift des § 319 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie stellt eine Regel dispositiven Rechts dar, die angibt, welche äußerste Grenze inhaltlicher Inkorrektheit die Parteien für den Vorteil einer Überwindung ihrer Einigungsschwierigkeit in Kauf zu nehmen bereit sind.

II. Die Entwicklung in Frankreich als Kontrast Im französischen Recht bindet die Entscheidung des Dritten, wie gesehen, als „Gesetz der Parteien“.4 Trotz dieser Konzeptualisierung kennt die Bindungswirkung jedoch Grenzen.5 Um diese Grenzen zu benennen, wählt das französische Recht heute einen einheitlichen Oberbegriff. Die Entscheidung des Dritten kann die Parteien nicht binden, wenn – wie schon mehrfach erwähnt – eine e­ rreur grossière vorliegt. Anhaltspunkte zum Verständnis dessen, was mit erreur grossière gemeint ist, liefert ein Blick auf die Entstehung dieses Begriffs. Zwei Leitmotive ziehen sich durch die Interpretation der Vorschriften über die Leistungsbestimmung eines Dritten: Zum einen wird der Dritte als mandataire, als Beauftragter bzw. Vertreter, der Parteien gesehen.6 Zum anderen wird die berühmte Formel des Art. 1134 Abs. 1 Code civil so abgewandelt, dass die Parteien, indem sie sich gemäß Art. 1592 Code civil der Entscheidung des Drit2 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 279 im Zusammenhang mit der Parteileistungsbestimmung außerhalb einer vertraglich vereinbarten Marge. 3 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 279. 4  Siehe oben § 13 A.I.1. (S. 600 f.). 5  Tallon, Nr. 3.3.3.06. 6  Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.).

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

ten unterworfen haben, diese zu ihrem Gesetz gemacht haben.7 Diese beiden Motive bilden zugleich Ansatzpunkte für eine mögliche Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten. Wenn der Dritte als Vertreter der Parteien agiert, so kann alles, was er außerhalb der ihm eingeräumten Rechtsmacht tut, die Parteien nicht binden. Überschreitet dieser mandataire seine Befugnisse (dépassement de pouvoir), so kann seine Entscheidung gegenüber den Parteien keine Bindungswirkung entfalten.8 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Dritte von Weisungen der Parteien abweicht.9 Gedacht ist dabei etwa an konkrete Bewertungsmethoden, deren Befolgung die Parteien dem Dritten auferlegen.10 Die Drittbestimmung ist dann nicht mehr vom Auftrag, genauer: von der darin enthaltenen Ermächtigung, der Parteien gedeckt.11 Nichts anderes würde gelten, wenn ein Stellvertreter seine Vollmacht überschreitet,12 wobei die umstrittene Frage, wie diese Rechtsfolge im Recht der Stellvertretung dogmatisch einzuordnen ist,13 im vorliegenden Kontext keine Relevanz hat. Wird hingegen die Nähe zu Art. 1134 Abs. 1 Code civil betont, so rücken die Gründe in den Vordergrund, die einer Erklärung zum Vertragsschluss die Wirksamkeit nehmen können. Es sind dies die klassischen Willensmängel, so dass es gerade in älteren Entscheidungen hieß, die Entscheidung des Dritten binde nicht im Falle von erreur sur la substance, dol oder violence.14 Freilich ist es schwierig, Bewertungsfehler des Dritten in diese Kategorien einzupassen; in einem Urteil aus dem Jahre 1962, in dem die Gutachter nur noch 12 % des Wertes, wie ihn andere Gutachter drei Jahre zuvor festgestellt hatten, zugrunde legten, war dies denn auch misslungen.15 Von Seiten des Schrifttums wurde – in durchaus wörtlichem Verständnis des Konzepts der vices du consentement – wiederholt geltend gemacht, dass sich die Kategorie der erreur hier eigentlich  7 

Siehe oben § 13 A.I.1. (S. 600 f.). req. 14.8.1860 D.P. 1861,1,61; Cass. req. 14.3.1870 S. 1871,1,154; Cass. com. 20.1.1970 Bull. civ. IV, Nr. 27; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 79; Moury, Nr. 42.121; Baudry-­ Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑II; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Bonneau, Dr. sociétés 1998, Nr. 135.  9  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 78 f.; Cohen, Nr. 361; Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 17 (§ 349); Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑II. Dass derartige Fälle nicht sehr häufig sein dürften, vermutet Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 478. 10  Caffin-Moi, Nr. 230. 11  Zum Zusammenfallen von Auftrag und Vertretungsmacht im französischen Recht siehe bereits oben § 3 Fn. 17. 12 Art. 1998 Abs. 2 Code civil; Kleinschmidt, ZEuP 9 (2001), 697, 727 f. m.w.N. 13  Diskutiert werden inopposabilité, inexistence, nullité relative sowie nullité absolue, siehe dazu den Überblick bei Moury, Nr. 42.121 m.w.N. 14  Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444; Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333; Cass. com. 6.6.1950 Bull. civ. III, Nr. 205. Die violence wird dabei nicht immer genannt. 15  Cass. com. 12.11.1962 Bull. civ. III, Nr. 444 („l’attribution d’une valeur supplémentaire aux parts détenues par le gérant ne peut être arguée d’erreur“).  8 Cass.

A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit?

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nicht eigne, da der Dritte nicht, auch nicht als Vertreter, sein Einverständnis mit einem Vertrag (consentement) erkläre, sondern lediglich eine Aufgabe technischer Natur wahrnehme, nachdem bereits die Parteien ihre Zustimmungen zum Zustandekommen des Vertrags gegeben haben.16 Der Rechtsprechung wurde vorgeworfen, ihre Wortwahl gebe zu Missverständnissen Anlass.17 In neuerer Zeit vermeidet die Rechtsprechung deshalb Anklänge an einen Irrtum im Sinne eines Willensmangels, wenn sie Fehleinschätzungen des Dritten bezeichnet. Sie arbeitet stattdessen mit einem Konzept, das sie erreur grossière nennt.18 Allerdings wurde dieses neue Konzept nicht nur als Ersatz für die Unverbindlichkeit wegen einer erreur substantielle eingesetzt. Vielmehr kam es zu einer Fusion beider Ansatzpunkte für eine Unverbindlichkeit. In neueren Entscheidungen wird deshalb nur noch die Kategorie der erreur grossière verwendet. Selbst die Entscheidung eines Dritten, der die Grenzen seines Auftrags überschreitet, wird nicht mehr aufgrund dieses Exzesses, sondern wegen erreur grossière als unverbindlich erachtet. Auftragsüberschreitung und erreur grossière stehen nicht nebeneinander auf einer Stufe; vielmehr fasst die Cour de cassation erstere unter letztere.19 Eine Differenzierung beider Fallgruppen findet nicht mehr statt;20 stattdessen wird die erreur grossière als einzige Möglich16 

Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 82; Gautier, RTD civ. 1992, 133; Moury, Nr. 42.131 (mit dem weiteren Argument, dass es sich bei dem Irrtum des Dritten ohnehin in der Regel um eine unbeachtliche erreur sur la valeur de la chose handeln dürfte); ders., Rev. Sociétés 1997, 455, 476; Cohen, Nr. 361; freieres Begriffsverständnis aber bei Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 38 (die erreur verfälsche die Entscheidung des Dritten so, wie sie den Willen der Vertragsparteien verfälscht hätte); Festhalten an dol und violence neben erreur grossière auch bei Bénabent, Contract spéciaux, Nr. 54. 17  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 477. 18  Seit ungefähr den 1970er Jahren, siehe etwa Cass. com. 22.4.1976 Bull. civ. IV, Nr. 129; Cass. com. 4.11.1987 Bull. civ. IV, Nr. 226 (zu Art. 1843-4 Code civil); Cass. com. 9.4.1991 Bull. civ. IV, Nr. 139 (zu Art. 1592 Code civil); Cass. com. 29.6.1993 – n° de pourvoi 91-16.796 (Legifrance); Cass. com. 19.12.2000 Droit & Patrimoine 2001, 110 (zu Art. 1843-4 Code c­ ivil); Cass. com. 6.6.2001 JCP 2001,I,372; Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243; Cass. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23 (zu Art. 1592 Code civil); Cass. civ. 1re 25.1.2005 Bull. civ. I, Nr. 49; Cass. com. 8.4.2008 Bull. civ. IV, Nr. 85 (zu Art. 1843-4 Code civil). – Die Wendung wurde bereits in Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333 verwendet, dort allerdings in Anführungszeichen und als Zitat aus dem angefochtenen Berufungsurteil. Sie hatte dort weniger die Bedeutung einer eigenen Fehlerkategorie; vielmehr war offenbar an eine Verstärkung der erreur sur la substance gedacht, die in diesem Urteil Teil des Obersatzes für einen Wegfall der Bindungswirkung der Entscheidung des Dritten war (siehe oben Fn. 14). Auch in CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–21,2,213 wird die „erreur grossière“ erwähnt, allerdings als synonym zur „iniquité manifeste“. 19  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 79; Caffin-Moi, Nr. 230; Monsérié-Bon/Grosclaude, RTD com. 2004, 116, 117; Couret, Bull. Joly Soc. 2004, 288, 289 (§ 51); Lienhard, D. 2003, 3054; Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309; Cadiet, RDC 2004, 750, 753; Gibirila, Defrénois 2004, 1154, 1160 f. 20  Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 30 Fn. 45, 47 erklärt diese neue Tendenz in der Rechtsprechung wie folgt: Im Rahmen des Art. 1843-4 Code civil sei keineswegs sicher, ob der gerichtlich ernannte Dritte als mandataire commun angesehen

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

keit, die Verbindlichkeit der Drittbestimmung in Frage zu stellen, bezeichnet. 21 Deutlich wird dies etwa, wenn das französische Höchstgericht in einem Urteil zu Art. 1843-4 Code civil formuliert: „[L]a cour d’appel a pu retenir qu’en modifiant le sens de la mission qui lui était confiée, et en sortant du cadre juridique qui en était le fondement, l’expert avait commis une erreur grossière“. 22

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Tatsacheninstanzen festgestellt, dass der mit der Feststellung von Anteilswerten betraute Dritte über streitige Punkte in der Buchführung der beklagten Gesellschaft befunden habe. Damit habe er den Inhalt seiner Mission einseitig geändert und den ihm vorgegebenen Rahmen verlassen. Diese Entwicklung wird von einigen Autoren kritisiert, weil es sich in Wirklichkeit um zwei unterschiedliche Konzepte handele. 23 Zum Teil wird deshalb an differenzierenden Konzepten festgehalten und etwa zwischen „erreur objective“ (inhaltliche Fehler) und „erreur subjective“ (Nichtbeachtung von Vorgaben) unterschieden. 24 Auch ältere Stellungnahmen haben teilweise beide Fälle noch deutlicher getrennt. 25 Die an dem Einheitskonzept geübte Kritik scheint durchaus berechtigt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die erreur grossière ursprünglich den Zweck hatte, ein inhaltsbezogenes Unverbindlichkeitskriterium abzulösen. Fehler im werden könne, da ein mandat als Vertrag auf freiwilliger Unterwerfung beruhe. Die Rechtsprechung wolle sich in dieser Qualifikationsfrage nicht festlegen und vermeide deshalb die Kategorie der Kompetenzüberschreitung, die einen deutlichen Anklang an das Auftrags‑/ Vertretungsrecht enthalten würde, zugunsten der unverfänglichen Kategorie der erreur grossière. Tatsächlich werde der Dritte von der Cour de cassation nie als mandataire bezeichnet. Eher könne der Dritte als gesetzlicher Vertreter angesehen werden, auf den aber nicht die Vorschriften des mandat anzuwenden seien. 21  Siehe etwa Cass. com. 6.6.2001 JCP 2001,I,372 („seule une erreur grossière commise par ce tiers serait de nature à remettre en cause le caractère définitif de cette détermination“). Geprüft wurde in dem zugrunde liegenden Fall, ob sich der Dritte an die Bewertungsvorgaben der Parteien gehalten hatte. 22  Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243; weitere Beispiele für dieses Begriffsverständnis Cass. civ. 1re 25.1.2005 Bull. civ. I, Nr. 49; Cass. com. 19.12.2000 Droit & Patrimoine 2001, 110 (der Dritte sollte nach dem Willen der Parteien vom Fortbestand der beklagten Gesellschaft ausgehen, während er in Wirklichkeit seinen Feststellungen deren Liquidation zugrunde gelegt hat). 23  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 79; Lienhard, D. 2003, 3054 (jedoch sieht Lienhard die praktische Relevanz des Verhältnisses beider Kategorien als gering an); Cadiet, FS Guyon, S. 164; Gibirila, Defrénois 2004, 1154, 1161; differenzierend auch Moury, Nr. 42.51 ff. Zustimmend aber Caffin-Moi, Nr. 230. 24 So Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111; ähnlich Renard-Payen, JCP 2005,II,10046 („C’est bien soit l’erreur inadmissible dans l’appréciation des droits sociaux du cédant, soit le débordement manifeste de sa mission par l’expert qui peut justifier une exception au caractère obligatoire de l’évaluation.“); Couret, FS Bouloc, S. 257; Bonneau, Dr. sociétés 1998, Nr. 135. 25 Z.B. Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 38.

A. Ein einheitlicher Grund oder viele Gründe für die Unverbindlichkeit?

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Entscheidungsverfahren, die nicht auf einer inhaltlichen Fehleinschätzung des Dritten beruhen, passen somit eigentlich nicht unter dieses Kriterium. Klärungsbedüftig bleibt auch, ob daneben verbliebene Unverbindlichkeitsgründe nunmehr ebenfalls nach und nach von der Figur der erreur grossière konsumiert werden. Dies gilt etwa für die Parteilichkeit und fehlende Unabhängigkeit des Dritten 26 wie auch für die Kollusion zwischen dem Dritten und einer der Parteien 27. Dadurch würde freilich zugleich offenbar, dass es sich bei der erreur grossière keineswegs nur um ein inhaltliches Kriterium handelt und deshalb die Bezeichnung überdacht werden müsste. Über die weitere Entwicklung dieses Konzepts können hier nur Vermutungen angestellt werden. Sicher ist demgegenüber nach gegenwärtigem Stand, dass die erreur grossière das Sammelbecken der Rechtsprechung für verschiedene Unverbindlichkeitsgründe darstellt. In Wirklichkeit scheint diese Kategorie freilich einen Unterfall der Überschreitung der Befugnisse darzustellen, und es wäre hilfreicher, wenn sie als ein solcher konzeptualisiert würde. Die Bezeichnung als erreur lässt nach wie vor an Willensmängel denken, mit denen diese Kategorie – schon aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen – jedoch nichts zu tun hat. 28 Vielmehr geht es – soweit der Inhalt der Entscheidung betroffen ist – darum, dass der Spruch des Dritten so weit von einer „idealen“ Entscheidung entfernt ist, dass die Parteien nicht mehr daran gebunden sein wollen. Dieser Zusammenhang wurde früher wesentlich deutlicher zum Ausdruck gebracht. So erklärte Pothier etwa die inhaltliche Kontrolle der Kaufpreisbestimmung eines Dritten zwanglos damit, dass sich die Kaufvertragsparteien nicht einem offenbar unbilligen Preis unterwerfen wollten. 29 Wenn demgegenüber andere einwenden, die Auffassung Pothiers sei mit dem Code civil und dessen unbedingter Bindung an Verträge in Art. 1134 Abs. 1 überholt,30 so übersehen sie, dass die Parteien die Grenzen ihrer vertraglichen Bindung festlegen können. Im Bereich der vertraglichen Vereinbarung von einseitigen Vertragsaufhebungsrechten ist das anerkannt.31 Aus demselben Grund scheint auch das Argument, jegliche Erwägungen zur Billigkeit oder Angemessenheit hätten in der 26  Cass. civ. 1re 2.12.1997 Bull. civ. I, Nr. 334; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29. 27  Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; allgemein dazu Cass. civ. 3e 29.11.1972 Bull. civ. III, Nr. 647. 28  Gautier, RTD civ. 2004, 308, 309; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 82; Gautier, RTD civ. 1992, 133. Daneben sind natürlich Fälle denkbar, in denen die Willensbildung des Dritten durch Irrtum oder Täuschung gestört war. Hier kann die Preisfestsetzung des Dritten angefochten werden, Cass com. 6.6.1950 Bull. civ. III, Nr. 205; Hémard, RTD com. 1951, 105, 106. 29  Pothier, Vente, Nr. 24. 30  So insbesondere Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 38 Fn. 4; Moury, Nr. 42.11; von einer „dérogation à l’effet obligatoire de la décision du tiers“ spricht ders., Rev. Sociétés 1997, 455, 477 f. 31  Dazu nur Terré/Simler/Lequette, Obligations, Nr. 662 ff.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Phase des Vertragsschlusses anders als während der Vertragsdurchführung wegen des begrenzten Anwendungsbereichs der bonne foi, deren Verankerung in Art. 1134 Abs. 3 Code civil sich in einem Kapitel über „l’effet des obligations“ befindet, keinen Raum und würden allenfalls gefährliche Ansätze zu einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle des Preises liefern,32 wenig überzeugend.33

III. Ergebnis Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich hat sich ein Zentralbegriff für die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen herausgebildet. Es ist dies im deutschen Recht die offenbare Unbilligkeit und im französischen Recht die erreur grossière. Außerdem existiert in beiden Rechtsordnungen der Unverbindlichkeitsgrund einer Abweichung von Vorgaben der Parteien, die sich als Überschreitung der Befugnisse des Dritten darstellt. Während jedoch das französische Recht diesen Grund ebenfalls unter die erreur grossière fasst, scheint das deutsche Recht einer getrennten Betrachtung zuzuneigen, auch wenn immer wieder diskutiert wird, ob etwa formale Mängel des Schiedsgutachtens zur offenbaren Unbilligkeit führen. Vorzugswürdig scheint eine Sichtweise, die die offenbare Unbilligkeit oder die inhaltliche erreur grossière als Unterfall der Überschreitung der Befugnisse betrachtet, wie dies etwa noch Pothier getan hat und wie dies auch der Vorstellung von der Unterwerfungsvereinbarung entsprechen würde. Wenn die Parteien ihre Privatautonomie delegieren, verbinden sie damit die Vorstellung, dass der Dritte eine Entscheidung trifft, die sie inhaltlich akzeptieren können. Verfehlt der Dritte dieses Ziel, ist seine Entscheidung nicht vom Willen der Parteien getragen und kann sie nicht binden. Im Folgenden soll deshalb zunächst die Unverbindlichkeit wegen Abweichung von Vorgaben in der Unterwerfung allgemein thematisiert werden (unten B.), bevor dann auf die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere einzugehen ist (unten C.).

32 

Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 478. zum Wandel im Verständnis der bonne foi und deren Erstreckung auf alle Phasen im Lebenszyklus des Vertrages Rochfeld, S. 445, 484. Die jüngsten Entwürfe zur Reform des französischen Schuldrechts wollen die bonne foi zu einem Leitprinzip („principe directeur“) des gesamten Schuldrechts erheben, siehe Simler, Avant-projet, S. 104; Mazeaud, FS Larroumet, S. 342 ff. 33  Allgemein

B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben

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B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben in der Unterwerfung Wie weit die Befugnisse des Schiedsgutachters reichen, ergibt sich aus der Unterwerfungsvereinbarung der Parteien, die nur in dem darin festgelegten Umfang an die Entscheidung eines Dritten gebunden sein wollen. Über diesen Punkt besteht Einigkeit zwischen den drei untersuchten Rechtsordnungen, auch wenn er im Detail anders konzeptualisiert wird.

I. Deutsches Recht Sofern der Schiedsgutachter seine Kompetenzen überschreitet, kann sein Spruch keine Verbindlichkeit erlangen.34 Diese Regel lässt sich nicht nur auf Verfahrensverstöße des Schiedsgutachters anwenden,35 sondern auch auf inhaltliche Mängel des Schiedsgutachtens. Sie ist eine selbstverständliche Folge des Mechanismus der Delegation.36 Einer Analogie zur Vorschrift des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO, nach der ein nicht von einer Schiedsvereinbarung gedeckter Schiedsspruch aufgehoben werden kann, bedarf es zur Begründung nicht.37 Nützlicher erscheint ein Hinweis auf die §§ 177, 180 BGB, in denen derselbe Gedanke zum Ausdruck kommt.38 Nicht nur die Einräumung, sondern auch die Begrenzung der Gestaltungsmacht des Schiedsgutachters entspringt – wie die Erteilung und die Begrenzung einer Vollmacht – der Privatautonomie der Parteien.39 Allerdings trägt auch diese Parallele nicht ganz:40 Sie bringt zwar den Ursprung der Unverbindlichkeit in der Privatautonomie der Parteien zum Ausdruck, führt aber andererseits in die Irre, wenn dadurch der Eindruck entsteht, es ergebe sich aus dem Schiedsgutachtervertrag zwischen den Parteien und dem Dritten, inwieweit dieser eine verbindliche Entscheidung treffen kann. Maßgeblich ist vielmehr der Schiedsgutachtenvertrag, die Unterwerfung unter die Entscheidung 34  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 37; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 4 (offenbar anders ders., VersR 1994, 1009, 1012); Habscheid, FS Laufke, S. 308; B. Rauscher, S. 271; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 25; Sieveking, S. 157 ff.; Kisch, Schiedsmann, S. 89, 120 f.; ders., RheinZ 9 (1917/18), 12, 27; A. Bachmann, S. 103; Czachorowski, S. 82; Sieg, VersR 1965, 629, 634. 35  Dazu oben § 15 A.I. (S. 700). 36  Siehe bereits oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.). 37  So aber Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 36; Sieg, VersR 1965, 629, 634. Zu § 1059 ZPO noch unten § 15 C.III.1. (S. 740 ff.). 38  Habscheid, FS Laufke, S. 308. 39  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.); vgl. Habscheid, FS Laufke, S. 309. Dies gilt unabhängig von der Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens als materiell-rechtliche Vereinbarung oder als Prozessvertrag. 40  Siehe bereits oben § 3 A.II.2.b) (S. 108 ff.).

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

des Dritten. Beide Verträge sind voneinander abstrakt. Wenn also eine Parallele gesucht wird, so dürfte diese am ehesten in der Einräumung einseitiger Gestaltungsmacht liegen. Auch die Rechtsmacht des Inhabers eines Gestaltungsrechts bezieht ihre Legitimation aus der Vereinbarung der Parteien. Soweit aber die Parteien diese Rechtsmacht darin an bestimmte Voraussetzungen knüpfen, ist auch die Gestaltungsbefugnis entsprechend beschränkt.41 Um es an einem zwar wenig praktischen, aber prägnanten Beispiel zu verdeutlichen: Die Parteien eines Kaufvertrags vereinbaren, dass ein Dritter den Kaufpreis bestimmen und dieser Preis irgendwo zwischen 500 und 1.500 liegen solle. Weiß der Dritte nichts von dieser Festlegung eines Korridors und bestimmt er einen Kaufpreis von 1.600, so sind die Parteien nicht daran gebunden, obwohl er seine Pflichten aus dem Schiedsgutachtervertrag erfüllt hat. Legen umgekehrt die Parteien in ihrer Unterwerfungsvereinbarung keinen Korridor fest, geben dem Dritten aber auf, zwischen 500 und 1.500 zu bleiben, so bindet sie auch die Bestimmung eines Kaufpreises von 1.600.42 Allenfalls hat der Schiedsgutachter seine Pflichten aus dem Schiedsgutachtervertrag verletzt und schuldet dafür Schadensersatz. Anders läge es, wenn der Dritte tatsächlich wie im französischen Recht43 als gemeinsamer Vertreter der Parteien konzeptualisiert wird. Dann ergibt sich seine Rechtsmacht aus seinem Verhältnis zu den Parteien. Anzumerken ist freilich, dass sich diese theoretisch wichtige Trennung beider Verhältnisse in der Praxis nur auswirken wird, wenn die Parteien es versäumen, den Vertrag mit dem Schiedsgutachter so auszugestalten, dass die Mission des Dritten den Abreden im Schiedsgutachtenvertrag entspricht, oder vielleicht sogar diese Abrede dem Dritten vorzulegen. Weil dieser Bezug vermutlich in dem meisten Fällen hergestellt werden wird, kann sich durchaus die Vorstellung einschleichen, die Entscheidung des Dritten binde die Parteien deshalb nicht, weil er eine Vorgabe aus dem Schiedsgutachtervertrag verletzt hat. Privatautonome Vorgaben an das Schiedsgutachten haben überdies Vorrang vor den dispositiven Regeln der §§ 317 ff. BGB: Soll der Schiedsgutachter von einer bestimmten Bewertungsmethode ausgehen, so ist sein Entscheidungsspielraum insoweit determiniert. Es gilt dann nicht mehr der – ohnehin nur im Zweifel – anzuwendende Entscheidungsmaßstab des § 317 BGB.44 Deshalb kann das Schiedsgutachten nicht verbindlich sein, selbst wenn es nach diesem dispositiven Standard nicht als offenbar unbillig oder offenbar unrichtig anzu41 Deutlich Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 11 („Können“ und „Dürfen“ fallen beim Gestaltungsrecht stets zusammen); ebenso Staudinger/­Rieble, § 315 Rn. 165. 42  Wenn man nicht in dem Vertrag mit dem Schiedsgutachter, an dem beide Parteien beteiligt sind, zugleich eine Änderung des Schiedsgutachtenvertrags sehen will, also eine Abrede, die sich auf das Innenverhältnis von Beteiligten bezieht, die auf derselben Seite des Schiedsgutachtervertrags stehen. 43  Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105 ff.). 44  Habscheid, FS Laufke, S. 309.

B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben

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sehen wäre. Auf diese Weise lässt sich etwa erklären, weshalb ein feststellendes Schiedsgutachten in der Regel eine „richtige“ Entscheidung enthalten muss. Zwischen Schuldrecht, einschließlich Versicherungsvertragsrecht45, und Erbrecht bestehen in diesem Punkt keine Unterschiede. Hier gibt die Unterwerfung des Erblassers unter den Spruch des Dritten vor, wie weit dessen Rechtsmacht reicht. So kann etwa ein Teilungsplan, den ein Dritter im Widerspruch zum Willen des Erblassers aufgestellt hat, wegen dieser Überschreitung des Entscheidungsspielraums keine Verbindlichkeit erlangen.46 Ebenso kann der mit der Bestimmung eines Testamentsvollstreckers betraute Dritte dann, wenn der Erblasser ihm einen Kreis von in Frage kommenden Personen vorgeschrieben hat, nur jemanden aus diesem Kreis auswählen.47 Zu den möglichen vertraglichen Vorgaben kann auch eine ausdrückliche Vereinbarung zählen, das Schiedsgutachten solle unverbindlich sein, wenn es offenbar unbillig oder unrichtig ist. Erweist sich bei der Überprüfung des Schiedsgutachtens die offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit, so folgt die Unverbindlichkeit nicht etwa aus § 319 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern aus dem Verstoß gegen die Unterwerfungsvereinbarung. Für das deutsche Recht mag diese Differenzierung wie eine unnötige dogmatische Komplizierung erscheinen. Die Unterscheidung wird aber dann relevant, wenn eine Rechtsordnung nach dispositivem Recht eine restriktivere Haltung zur Unverbindlichkeit von Schiedsgutachten aus inhaltlichen Gründen einnimmt.

II. Englisches Recht 1. Departure from instructions in a material respect Wie oben erläutert, kann nach englischem Recht ein Verfahrensverstoß dazu führen, dass ein Schiedsgutachten unverbindlich ist. Seit jeher ist darüber hinaus anerkannt, dass die Parteien nicht an das Schiedsgutachten gebunden sind, wenn der Dritte in einem wesentlichen Punkt von den Vorgaben der Parteien abgewichen ist. Eine Abweichung kann etwa darin liegen, dass der Dritte Unternehmensgegenstände auf der Grundlage einer Liquidation und nicht, wie vertraglich verlangt, auf der Grundlage einer Fortführung des Unternehmens bewertet;48 dass er für die Bewertung einer Maschine nicht, wie eigentlich von ihm verlangt, den Rat eines anderen Sachverständigen einholt;49 dass er nicht 45 

Volze, VersR 1996, 1337, 1340. OLG Stuttgart v. 20.3.1997 OLGR 1998, 234; Bamberger/Roth/Lohmann, § 2048 Rn. 7; Ruby, ZEV 2007, 18, 21. 47 Soergel/Damrau, § 2198 Rn. 3. 48  Jones (M.) v. Jones (R.R.) [1971] 1 WLR 840. 49  Jones (M.) v. Jones (R.R.) [1971] 1 WLR 840. 46 

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

die im Vertrag vorgesehene Methode zur Qualitätsbewertung einer Ölladung anwendet, auch wenn die tatsächlich angewendete Methode zuverlässiger ist;50 dass er nicht das von den Parteien vorgesehene Computerprogramm zur kartographischen Erfassung eines Ölfeldes eingesetzt hat;51 dass er in Abweichung von seinem Auftrag die Anteile einer Gesellschaft bezogen auf den Wert des Vermögens einer anderen Gesellschaft bewertet;52 oder dass er von einem falschen Begriff dessen, was er zu beurteilen hat, ausgeht.53 Etwas weniger praktisch dürfte der ursprünglich nur obiter gebildete, aber seitdem immer wieder in der Rechtsprechung zitierte Fall sein, dass der zur Bewertung von Gesellschaftsanteilen aufgerufene Dritten die falsche Zahl von Anteilen oder Anteile einer anderen Gesellschaft bewertet.54 Den Extremfall bildet die Situation, dass eine Schiedsgutachtenvereinbarung fehlt oder von den Parteien anders gemeint war.55 Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens lassen sich auf denselben Grund zurückführen: Beide wurzeln im Mechanismus der Unterwerfung unter die Entscheidung des Dritten und damit letztlich im Willen der Parteien.56 Erinnert sei an den oben bereits wiedergegebenen Satz von Lord ­Denning: „It is simply the law of contract. If two persons agree that the price of property should be fixed by a valuer on whom they agree, and he gives that valuation honestly and in good faith, they are bound by it. … The reason is because they have agreed to be bound by it.“57

Die logische Umkehrung dieses Satzes liegt nun darin, die Verbindlichkeit zu verneinen, soweit die Parteien nicht gebunden sein wollten: „If … the expert departed from his instructions in a material respect … either party would be able to say that the certificate was not binding because the expert had not done what he was appointed to do.“58 „[I]n those circumstances the parties have not agreed to be bound.“59 50 

Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832. Shell (UK) Ltd. v. Enterprise Oil Plc. [1999] 2 L ­ loyd’s Rep. 456. 52  Macro v. Thompson (No. 3) [1997] 2 B.C.L.C. 36. 53  Homepace Ltd. v. Sita South East Ltd. [2008] EWCA Civ. 1. Im Fall ging es darum, dass der Schiedsgutachter Gesteinsvorkommen bewerten sollte und dabei den Kreis der zu berücksichtigenden Gesteinsarten anders gezogen hat, als die Parteien dies nach Auslegung des Gerichts (dem diese Auslegung vorbehalten war) intendiert hatten. 54  Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 179; aufgegriffen z.B. in Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 287; Doughty Hanson & Co. Ltd. v. Roe [2007] EWHC 2212 (Ch.), para. 39. 55  Smith v. Gale [1974] 1 All ER 401. 56 Vgl. Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 11.2.1, 11.6.1. 57  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407; siehe oben § 13 A.I.1. (S. 599 f.). 58  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 287B; Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 81. 59  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26 51 

B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben

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In der praktischen Umsetzung muss das Gericht zunächst feststellen, ob die Parteien dem Dritten bestimmte Vorgaben gemacht haben. Sodann wird es aber lediglich überprüfen, ob eine dieser Vorgaben nicht eingehalten wurde oder ob der Dritte erledigt hat, wozu die Parteien ihn bestellt haben, und ihm dabei ein Fehler unterlaufen ist.60 In der Rechtsprechung hat sich dafür eine plakative Formel etabliert: „If [the expert] has answered the right question in the wrong way, his decision will be binding. If he has answered the wrong question, his decision will be a nullity.“61

Wenn der Dritte beispielsweise den Wert eines Straßenstücks, das unbeschränkt zum Verkehr freigegeben ist, so bewertet, als bestünden noch Einschränkungen, handelt es sich nicht um eine Abweichung von Vorgaben, sondern eine fehlerhafte Ausführung seines Auftrags.62 Liegt hingegen eine Abweichung vor, wird das Gericht nicht hinterfragen, ob die Parteien gute Gründe für die Vorgabe hatten oder ob eine Abweichung davon vielleicht sogar sinnvoll war.63 Diese Weichenstellung lässt sich damit erklären, dass die Parteien eine rasche und möglichst endgültige Klärung wollen: Deshalb sollten einerseits Angriffsmöglichkeiten gegen das Schiedsgutachten reduziert werden, und andererseits sollte aber dann, wenn tatsächlich von Vorgaben abgewichen wurde, ein Streit darüber, ob das Gutachten nicht vielleicht doch bindet, ausgeschlossen sein.64

(Hervorhebung im Original); Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), Rn. 80. Soweit zwei der drei Richter in Veba Oil die fehlende Bindungswirkung mit Hilfe eines implied term erklären wollen (Rn. 38, 43), ist dies vom Standpunkt der Delegation von Privatautonomie aus nur auf den ersten Blick überzeugend: Die Parteien haben dem Dritten nur in einem bestimmten Umfang eine Entscheidungsmacht eingeräumt und sich damit dessen Spruch von vornherein nur einem bestimmten Umfang unterworfen. Eines implied term zur Beseitigung der Unterwerfung bedarf es dann nicht. 60  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 287; Nikko Hotels (UK) Ltd. v. MEPC Plc. [1991] 2 E.G.L.R. 103; Shell (UK) Ltd. v. Enterprise Oil Plc. [1999] 2 ­Lloyd’s Rep. 456, 469; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), para. 70; Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3428 (Ch.), para. 262; Ambra Borgognoni Vimercati v. BV Trustco Ltd. & Others [2012] EWHC 1410 (Ch.); Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.5.10. 61  Nikko Hotels (UK) Ltd. v. MEPC Plc. [1991] 2 E.G.L.R. 103; Cornwell v. Newhaven Port & Properties Ltd. [2005] EWHC 1469 (Ch.), para. 17 („The essential difference, as it seems to me, is the difference between asking the right question and coming to the wrong answer, and asking the wrong question in the first place. Only in the latter event can a con­ tractual certificate be successfully challenged absent fraud or collusion.“). Zum ersten Teil der Formel, der Verbindlichkeit einer fehlerhaften Beantwortung der richtigen Frage, siehe noch unten § 15 C.III.2.a)aa) (S. 747 ff.). 62  Morgan Sindall plc v. Sawston Farms (Cambs) Ltd. [1999] 1 E.G.L.R. 90. 63  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 10 („And, indeed, why else would the test method be specified?“), 14 („It is not for the court to speculate. It is sufficient that the parties have agreed [the test method]“). 64  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 15 f.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Eine gewisse Einschränkung ergibt sich daraus, dass nur wesentliche Abweichungen („in a material respect“) beachtlich sind. An die Wesentlichkeit werden jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Insbesondere forden die Gerichte nicht, dass sich die Abweichung auf das Ergebnis ausgewirkt hat65 – wobei eine derartige Auswirkung weniger wahrscheinlich erscheint, wenn es sich um die bloße Vorgabe einer Verfahrensregel gehandelt hat.66 Es soll vermieden werden, dass für ein weiteres Sachverständigengutachten Zeit und Kosten aufgewendet werden müssen.67 In einer wichtigen Entscheidung zur Frage der Wesentlichkeit zeigte sich unter den drei damit befassten Richtern am Court of Appeal eine Meinungsverschiedenheit. Zwei der Richter plädierten für einen objektiven, auf den Grundsatz de minimis non curat lex gestützten Ansatz, der jede Abweichung für wesentlich erachtet, es sei denn, sie kann als wirklich so trivial bezeichnet werden, dass sie offensichtlich keiner der Parteien in irgendeiner Weise etwas ausmachen kann.68 Demgegenüber stand ein subjektiver Ansatz, der eine Abweichung dann als wesentlich ansieht, wenn die Parteien sie vernünftigerweise für ausreichend gehalten hätten, um dem Schiedsgutachten seine Bindungswirkung zu nehmen.69 Auch wenn beide Ansichten kaum einmal zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen dürften, ist dem zweiten Ansatz analytisch der Vorzug zu geben. Er steht im Einklang damit, dass die Bindungswirkung und ihre Reichweite auf den Parteiwillen zurückzuführen sind. In späteren Entscheidungen wird zum Teil auch die zweite Formel verwendet.70 Einigkeit besteht darüber, dass das Gericht zur Feststellung der Wesentlichkeit den Gegenstand und den Text des Vertrags, die Art der Abweichung und alle 65  Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 81; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26; Shell (UK) Ltd. v. Enterprise Oil Plc. [1999] 2 ­Lloyd’s Rep. 456, 470; Nikko Hotels (UK) Ltd. v. MEPC Plc. [1991] 2 E.G.L.R. 103; Jones (M.) v. Jones (R.R.) [1971] 1 WLR 840, 856; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.37. Offengelassen in Conoco (UK) Ltd. v. Phillips Petroleum Co. (19.8.1996, Lexis). 66  Zu dieser Unterscheidung Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 269 ff. zu „express or implied procedural instructions“. Der Maßstab, nach dem sich die „materiality“ bemisst, soll aber nach diesem Urteil bei „procedural instructions“ und „substantive instructions“ identisch sein (para. 379). Freilich wird dann gesagt, dass wenn trotz der Abweichung von der Verfahrensvorgabe das Entscheidungsergebnis unausweichlich war, „materiality“ zu verneinen ist. 67  Jones (M.) v. Jones (R.R.) [1971] 1 WLR 840, 856; Borowsky, S. 116. 68  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26 (per Simon Brown LJ), 39 (per Tuckey LJ). 69  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 47 (per Dyson LJ). 70  Franbar Holdings Ltd. v. Casualty Plus Ltd. [2011] EWHC 1161 (Ch.), para. 40; sympathisierend auch Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3248 (Ch.), para. 379; im Sinne des erstgenannten Ansatzes aber Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 81; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), para. 73; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.5.9.

B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben

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anderen relevanten Tatsachen auswerten wird.71 Insgesamt wird angenommen, dass eine Abweichung von ausdrücklichen Vorgaben der Parteien nur selten vorliegen wird.72

2. Manifest error Es kann an dieser Stelle vorweggenommen werden, dass auch handgreifliche Fehler des Schiedsgutachters keine Abweichung von Vorgaben der Parteien darstellen. Es gibt also keinen implied term, wonach inhaltlich fehlerhafte Schiedsgutachten – selbst bei gröbsten Schnitzern – unverbindlich sind.73 Wenn der Dritte, in Anknüpfung an die zuvor74 zitierte Formel, die richtige Frage falsch beantwortet hat, wird sein Gutachten Bestand haben. Anders als nach deutschem Recht kann die ausdrückliche Vereinbarung, dass bestimmte inhaltliche Fehler zur Unverbindlichkeit des Gutachtens führen sollen, deshalb durchaus relevant sein. Tatsächlich besteht eine nicht ganz seltene Reaktion der Vertragspraxis auf die strikte Haltung der Rechtsprechung darin, ausdrücklich zu vereinbaren, das Schiedsgutachten solle im Fall eines „manifest error“ nicht verbindlich sein.75 Auffällig daran ist die sprachliche Nähe zur offenbaren Unrichtigkeit oder der erreur grossière. Eine unmittelbare Beeinflussung des englischen Rechts durch diese kontinentalen Konzepte lässt sich jedoch in der Rechtsprechung nicht nachweisen.76 Stellt das Gericht einen manifest error fest, entfällt die Bindungswirkung des Gutachtens.77 Zwar betrachten die Gerichte das Abweichen von vertraglichen Vorgaben und das Vorliegen eines manifest error teilweise als getrennte Prüfungspunkte.78 Die Unverbindlichkeit hat in beiden Fällen aber denselben Grund: Die Parteien wollen nicht an das 71 

Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 39 (per Tuckey LJ), para. 48 (per Dyson LJ); Shell (UK) Ltd. v. Enterprise Oil Plc. [1999] 2 ­Lloyd’s Rep. 456, 470. 72  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.5.10, 14.20. 73  Näher siehe unten § 15 C.III.2.a) (S. 746 ff.). 74  Siehe oben bei Fn. 61. 75  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.10.1; für Beispiele siehe Franbar Holdings Ltd. v. Casualty Plus Ltd. [2011] EWHC 1161 (Ch.) (Schiedsgutachtenvereinbarung zur Bewertung von Gesellschaftsanteilen enthielt folgende Klausel: „The Independent Accountant’s decision will, in the absence of manifest error or illegality, be final and binding upon the parties to this agreement.“); Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.); Invensys Plc. v. Automotive Sealing Systems Ltd. [2002] All ER (Comm.) 222; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrograde Inc. [2001] EWCA Civ. 1832. 76  Bridge, International Sale of Goods, Rn. 2.26 Fn. 82 bezeichnet den Ausdruck als „relatively recent“. 77  Franbar Holdings Ltd. v. Casualty Plus Ltd. [2011] EWHC 1161 (Ch.); Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832; Conoco (UK) Ltd. v. Phillips Petroleum Co. (19.8.1996, Lexis); Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.10.4. 78  Siehe z.B. Franbar Holdings Ltd. v. Casualty Plus Ltd. [2011] EWHC 1161 (Ch.); Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Schiedsgutachten gebunden sein. Unter einem „manifest error“ verstehen die Gerichte „oversights or blunders so obvious and obviously capable of affecting the determination as to admit of no difference of opinion“.79 Maßgeblich kommt es somit erstens auf die Erkennbarkeit des Fehlers an.80 Dabei wird die Perspektive der Parteien zugrunde gelegt.81 Wenn aufwendigere Untersuchungen zur Feststellung des Fehlers erforderlich sind, kann dies die Erkennbarkeit ausschließen.82 Als misslich kann es sich dabei erweisen, wenn die Parteien nicht zusätzlich vereinbart haben, dass der Dritte seine Entscheidung begründen solle.83 Jedoch darf das Gericht auch außerhalb der eigentlichen Entscheidung liegende Umstände berücksichtigen.84 Zweitens enthält diese Definition jedoch ein materielles Element,85 indem der Fehler nicht nur offen zutage liegen muss, sondern sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung des Dritten ausgewirkt haben kann. Denn den Parteien, so heißt es, gehe es nicht darum, offensichtliche Fehler auszuschließen, sondern solche, die zu einem Ergebnis führen, an das sie nicht mehr gebunden sein wollen.86 Diese Einschränkung erscheint plausibel.87

79  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrograde Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 33; Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 82; Franbar Holdings Ltd. v. Casualty Plus Ltd. [2011] EWHC 1161 (Ch.), para. 39, 53 („[M]anifest error is more than just patent mistake. The test is an exacting one.“); Kendall/Freedman/ Farrell, Rn. 14.10.2. 80  Siehe auch Galaxy Energy International Ltd (BVI) v. Eurobunker SpA [2001] 2 L ­ loyd’s Rep. 725 sowie Invensys Plc. v. Automotive Sealing Systems Ltd. [2002] All ER (Comm.) 222 („plain and obvious“); Bridge, International Sale of Goods, Rn. 2.26 Fn. 82. 81  Galaxy Energy International Ltd. (BVI) v. Eurobunker SpA [2001] 2 ­Lloyd’s Rep. 725, para. 16; Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.10.3 m.w.N. 82  Dixons Group Plc. v. Murray-Obodynski (23.10.1997, Westlaw). 83  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.10.3. 84  Invensys Plc. v. Automotive Sealing Systems Ltd. [2002] All ER (Comm.) 222 (allerdings zu einem teilweise mit Gründen versehenen Gutachten). 85  Anders noch Conoco (UK) Ltd. v. Phillips Petroleum Co. (19.8.1996, Lexis), wo der Zusatz „obviously capable of affecting the determination“ fehlte. Mehr auf die Erkennbarkeit abstellend auch North Shore Ventures Ltd. v. Anstead Holdings Inc. [2011] EWCA Civ. 230, para. 51 und Van der Merwe v. IIG Capital LLC [2008] EWCA Civ. 542, para. 35 („obvious or easily demonstrable without extensive investigation“). 86  Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 33. 87 Nicht allzu viel Beweiskraft hat aber das zur Untermauerung dieser Ansicht verschiedentlich bemühte Beispiel Frank H. Wright (Constructions) Ltd. v. Frodoor Ltd. [1967] 1 WLR 506, 528, wo der Schiedsgutachter an einer Stelle das Wort „not“ eingefügt und damit seinem Gutachten dort den entgegengesetzten Sinn gegeben hatte. Im Ergebnis dürfte Einigkeit bestehen, dass die Parteien nicht in der Lage sein sollten, aufgrund dieses Fehlers die Bindungswirkung des Gutachtens anzuzweifeln. Näher liegend dürfte in einem derartigen Fall aber der Ansatz sein, dem Schiedsgutachter die Korrektur dieses Fehlers zu gestatten (dazu oben § 13 A.III. [S. 608]).

B. Die Unverbindlichkeit wegen einer Abweichung von Vorgaben

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III. Französisches Recht Im französischen Recht wird die Überschreitung von Vorgaben, wie gesehen,88 als „dépassement du pouvoir“, d.h. als Vollmachtsüberschreitung des Dritten, konzeptualisiert. Auch wenn sie begrifflich in der erreur grossière aufgegangen ist, kann sie analytisch gleichwohl davon getrennt werden. Der Erklärungsansatz, dass der Dritte als mandataire commun das Gesetz der Parteien schaffe, hat eine wichtige Folge: Die Parteien können ihm als ihrem Vertreter Vorgaben inhaltlicher Art machen.89 Missachtet er diese, entfällt die Bindungswirkung, weil er damit die Grenzen seines Auftrags überschreitet.90 Beispiele für eine Auftragsüberschreitung wurden oben bereits gegeben.91 Im Schrifttum wird vermutet, dass eine erreur grossière in der Praxis häufiger in einem Fehler bei der Wertermittlung als in einer Überschreitung des Auftrags liegen dürfte.92

IV. Ergebnis Alle drei Rechtsordnungen stimmen darin überein, dass die Entscheidung eines Schiedsgutachters, der von Vorgaben der Parteien abgewichen ist, keine Bindungswirkung entfalten kann. Während diese Vorgaben nach französischem Recht jedoch in dem Vertrag mit dem Schiedsgutachter enthalten sein müssen, kommt es nach der vorzugswürdigen Ansicht des englischen und des deutschen Rechts auf die Schiedsgutachtenklausel an. Darin wird der Umfang der Bindungswirkung festgelegt. Zugleich wird darin bestimmt, wann eine 88 

Siehe oben § 15 A.II. (S. 701 ff.). Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204. 90  CA Paris 18.9.1998 JCP 1999,I,134; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 78 f.; ­Malaurie/ Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑II; ­Cadiet, RDC 2004, 750, 752. Nach der neueren Rechtsprechung der Cour de cassation entfällt diese Möglichkeit freilich im Fall des Art. 1843-4 Code civil, wenn es zwangsweise zu einer Wertfestsetzung kommt, da der Dritte in diesem Fall nicht an die satzungsmäßigen Vorgaben zur Wertermittlung gebunden ist, siehe Malaurie/Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 206 und oben § 2 B.II.3.a) (S. 59 ff.). Folglich stellt es keine erreur grossière dar, wenn sich der Dritte über satzungsmäßige Vorgaben zur Bewertung hinwegsetzt, Cass. com. 16.2.2010 – n° de pourvoi 09-11.668 (Legifrance). 91  Siehe oben § 15 A.II. (S. 701 ff.).Siehe außerdem Cass. com. 20.1.1970 Bull. civ. IV, Nr. 27: Eine Schiedsgutachtenklausel hatte die Bestimmung der Höhe des Preises für bestimmte Gesellschaftsanteile, nicht aber die Festsetzung der Zahlungsmodalitäten einem Expertengremium überlassen. Ein Berufungsurteil, das sich zu einem Urteil über die Zahlungsmodalitäten außer Stande gesehen hat, solange die Experten keine Entscheidung getroffen haben, war deshalb aufzuheben. Mit einer Entscheidung über die Zahlungsmodalitäten hätten die Sachverständigen ihren Auftrag überschritten. 92  Moury, Nr. 31.121. 89 

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Abweichung von Vorgaben zur Unverbindlichkeit führen soll. Das englische Recht macht insofern durch das Kriterium der Wesentlichkeit eine sinnvolle Einschränkung, so dass nicht jede triviale Abweichung zur Unverbindlichkeit führen muss. Im deutschen Recht sollte es möglich sein, ein derartiges Kriterium der Schiedsgutachtenklausel im Wege der Auslegung zu entnehmen. Eine typische Vorgabe im englischen Recht besteht darin, die Bindungswirkung im Fall eines manifest error auszuschließen. Im deutschen Recht nimmt es das dispositive Recht den Parteien in § 319 Abs. 1 BGB ab, dem Schiedsgutachter vorzugeben, bei welchen inhaltlichen Fehlern die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens entfallen soll. Um diese Vorgabe soll es im Folgenden gehen.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere Nicht immer treffen die Parteien eine ausdrücklich Vereinbarung zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen. Es bleibt deshalb noch zu analysieren, welche inhaltlichen Fehler zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens führen, sofern die Parteien hierzu nichts ausdrücklich geregelt haben. Im deutschen Recht sieht § 319 Abs. 1 S. 1 BGB vor, dass die Entscheidung des Dritten keine Bindungswirkung entfaltet, wenn sie „offenbar unbillig“ ist.93 Wenn dabei die vom Gesetzgeber verwendete Formulierung in ihre beiden Elemente zerlegt wird, so ist als Beobachtung vorwegzuschicken, dass die Rechtsprechung die „offenbare Unbilligkeit“ stets als Einheit behandelt. Sie fragt nicht in einem ersten Schritt, ob ein Schiedsgutachten unbillig ist, und dann in einem zweiten Schritt, ob diese Unbilligkeit überdies offenbar ist.94 Eine zweite Vorbemerkung betrifft die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten. Wie bereits bemerkt,95 werden feststellende Schiedsgutachten nach überwiegender Auffassung und insbesondere von der Rechtsprechung nicht auf offenbare Unbilligkeit, sondern auf offenbare Unrichtigkeit kontrolliert. Die zur Präzisierung dieser Kontrolle verwendeten Formulierungen decken sich vielfach. Sie erscheinen so austauschbar, dass im Folgenden insbesondere beim Rekurs auf das Fallmaterial der Rechtsprechung grundsätzlich unterschiedslos auf Entscheidungen zu beiden Typen von Schiedsgutachten zurückgegriffen werden kann.96 93  Für Sachverständigengutachten im Versicherungsrecht gilt die Verbindlichkeitsgrenze in § 84 Abs. 1 S. 1 VVG: Die in dem Gutachten getroffene Feststellung ist „nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht“. 94 Ebenso v. Thun und Hohenstein, S. 180. 95  Siehe oben § 2 B.II.2.b) (S. 49). 96 Ähnliches Vorgehen bei Joussen, S. 506 f. (sogar trotz Ausklammerung feststellender Gutachten aus dem Untersuchungsgegenstand!); v. Thun und Hohenstein, S. 138 Fn. 1;

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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I. „Offenbare“ Unbilligkeit Während nach § 315 Abs. 3 BGB die Leistungsbestimmung einer Partei unverbindlich ist, wenn sie unbillig ist, tritt diese Folge bei der Leistungsbestimmung eines Dritten nur im Fall offenbarer Unbilligkeit ein.97 Daran schließt sich erstens die Frage an, welche Gründe für diese Abstufung bestehen. Zweitens ist zu klären, welchen Inhalt dieses Attribut hat.

1. Gründe für den Standard Wie es zu der Qualifizierung der Unbilligkeit mit Hilfe des Kriteriums „offenbar“ gekommen ist, lässt sich zum einen historisch erklären. Zum anderen lassen sich darüber hinaus zwei Argumente in der Sache dafür anführen. Dass es keinen „logischen Bruch“98 darstellen muss, eine Entscheidung nach billigem Ermessen anhand des Maßstabs der offenbaren Unbilligkeit zu kontrollieren, wurde oben bereits begründet.99

a) Von der manifesta iniquitas zur offenbaren Unbilligkeit Mit der offenbaren Unbilligkeit knüpft die Wortwahl des BGB begrifflich an den Standard der manifesta iniquitas des römischen Rechts an.100 Sollte ein Dritter nach seinem Ermessen über die Verteilung der Anteile an einer societas bestimmen, so konnte seine Entscheidung „durch die Klage nach Treu und Glauben berichtigt werden“, wenn sie „so verkehrt ist, daß ihre Ungerechtigkeit offen zu Tage tritt“.101 Jedoch darf die Verwendung ähnlicher Formulierungen nicht den Eindruck einer durchlaufenden Kontinuitätslinie oder gar einer unreflektierten Übernahme tradierter Begrifflichkeiten erwecken. Zwar war der Maßstab der manifesta iniquitas auch im Gemeinen Recht anerkannt.102 Jedoch wurde insbesondere bei der Ausarbeitung des BGB darüber diskutiert, welcher Standard für die Verbindlichkeit der Leistungsbestimmung sachgerecht ist. Diese Entwicklung soll hier kurz nachgezeichnet werden.

Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 6 ff.; getrennte Betrachtung aber z.B. bei ders., S. 116 ff.; Wittmann, S. 30 f., 91 ff. 97  Keine derartige Differenzierung kennen etwa die Art. 6:105 f. PECL. Unabhängig von der Person des Bestimmungsberechtigten sind die Parteien an die Leistungsbestimmung gebunden, sofern sie nicht „grossly unreasonable“ (grob unangemessen) ist. 98  Joussen, S. 510. 99  Siehe oben § 14 B.II.1. (S. 642 ff.). 100  Dieser Zusammenhang wird allgemein gesehen, vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2; Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 203. 101  Paulus D. 17,2,79 (Übersetzung Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler). 102  RG v. 10.12.1889 RGZ 24, 357, 359.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Franz Philipp von Kübel hatte in seinem Vorentwurf nicht nur die offenbare, sondern jegliche Unbilligkeit ausreichen lassen, um die Verbindlichkeit der Drittbestimmung zu beseitigen (§ 13 S. 2): „Der Ausspruch kann aber von dem [sic!] Betheiligten wegen Unbilligkeit angefochten und die Bestimmung der Leistung durch richterliches Ermessen verlangt werden.“

Dem Redaktor war dabei bewusst, dass andere Regelwerke im Fall der Bestimmung eines Dritten durchaus einen gegenüber der Parteileistungsbestimmung eingeschränkten Kontrollmaßstab anlegten.103 So konnte der Spruch des Dritten nach Art. 39 S. 2 DresdE nur dann aufgehoben werden, wenn dieser „absichtlich oder aus grober Fahrlässigkeit einen unbilligen Ausspruch ertheilt“ hatte, während Art. 36 jeder unbilligen oder unangemessenen Parteileistungsbestimmung keine Verbindlichkeit beimaß. Die Differenzierung geht zurück auf eine „längere Besprechung“ der Streitfrage, ob die Einsetzung eines Dritten mit der Parteileistungsbestimmung vergleichbar sei oder eher mit einem Schiedsvertrag, so dass – wie bei Schiedssprüchen üblich – nur dolus oder culpa lata zur Aufhebung berechtigten.104 Ähnlich entschied das sächsische BGB in den §§ 803, 806 S. 2. Eine Differenzierung hielt von Kübel aber für unangebracht, da es den Parteien stets „auf eine den Voraussetzungen und Umständen des Einzelfalles angemessene Bestimmung“ ankomme und deshalb jede unbillige Entscheidung des Dritten anfechtbar sein müsse.105 Die Erste Kommission diskutierte nicht weniger als drei von der Vorlage abweichende Kontrollmaßstäbe, nämlich erstens einen Verweis auf § 867 Nr. 6 CPO, der als Vorläufer von § 1041 ZPO a.F. und § 1059 ZPO bestimmte Gründe für die Aufhebung des Schiedsspruchs betraf, zweitens die Unbilligkeit wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit oder aufgrund von Täuschung oder widerrechtlicher Drohung und drittens die offenbare Unbilligkeit.106 Sie beließ es aber letztlich bei dem Vorschlag von Kübels.107 Erst die Vorkommission des Reichsjustizamts108 änderte den Kontrollmaßstab auf Antrag Jacubezkys109: Unverbindlich sollte die Bestimmung nunmehr nur noch im Falle offenbarer Unbilligkeit sein. Maßgeblichen Einfluss auf diesen Umschwung dürfte die in der Zusammenstellung der gutachtlichen Äuße103  v. Kübel, Bd. II/1, S. 270. Für Unbilligkeit als Kriterium aber ebenfalls HessE IV 1, Art. 58 Abs. 3; BayE II, Art. 31a. In Motive BayE, S. 64 wird freilich „unbillig“ umschrieben als „eine den Verhältnisses des Falles zuwiderlaufende, den Leistungspflichtigen oder den Gläubiger offenbar verletzende Bestimmung“ (Hervorhebung hinzugefügt). 104  Prot-DresdE, Bd. I, S. 132 f. 105  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271; ähnlich zuvor Motive HessE, S. 41. 106  Jakobs/Schubert, II/1, S. 434 f. Die Protokolle enthalten nichts zu den in dieser Diskussion ausgetauschten Argumenten. 107 § 357 S. 2 E I. 108  Zu deren Bedeutung allgemein Schulte-Nölke, S. 169 ff. 109  Zu seiner Rolle in der Vorkommission Schulte-Nölke, S. 180.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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rungen110 breit behandelte Kritik Weismanns111 gehabt haben, der mit Hinweis auf das oben genannte Digestenfragment und dessen Rezeption in Art. 1854 Code civil a.F. geltend gemacht hatte, dass eine Anfechtbarkeit unter zu leichten Bedingungen das Schiedsgutachten praktisch nutzlos werden lasse.112 Entsprechend dieser Weichenstellung lagen der Zweiten Kommission nur noch Anträge vor, die die offenbare Unbilligkeit als Kontrollmaßstab enthielten.113 Die Kommission billigte die Erschwerung als „zweckmäßig“ und berief sich dabei ausdrücklich auf Weismanns Kritik in der Zusammenstellung wie auch auf das genannte Digestenfragment.114 Auf diesem Weg war letztlich der Anschluss an die manifesta iniquitas hergestellt, die auch nach Inkrafttreten des BGB dem Reichsgericht noch als Referenzpunkt dienen sollte.115

b) Warum einfache Unbilligkeit nicht ausreicht Über die maßgeblichen Gründe wird bei den jeweiligen Etappen des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB freilich erstaunlich wenig mitgeteilt. Selbst eine Antwort auf die Frage, warum sie eine Erschwerung der Anfechtbarkeit für „zweckmäßig“ erachtet, bleibt die Zweite Kommission – abgesehen von dem möglicherweise erst durch das Protokoll eingefügten Verweis auf Weismann – letztlich schuldig. Es lohnt sich daher, bei Weismann selbst nachzulesen. Zunächst wendet er sich gegen die vermeintliche Notwendigkeit eines Gleichlaufs zwischen Entscheidungs‑ und Kontrollmaßstab.116 Dann betont er, dass der Zusatz „offenbar“ eine vom „Wesen des Schiedsgutachtens“ geforderte Einschränkung bringe, indem nicht jede unbillige Bestimmung unverbindlich sei, sondern nur diejenige, die „derart falsch [ist], daß ihre Unbilligkeit offen zu Tage liegt“.117 „Zu leichte Anfechtbarkeit … beraubt das Schiedsgutachten allen praktischen Nutzens.“118 Das qualifizierende Merkmal soll also dem Schiedsgutachten einen gewissen Bestandsschutz sichern. Es würde, wie auch heute noch betont wird, dem Zweck der Streiterledigung, den die Parteien mit der Einschaltung eines neutralen Dritten verfolgen, zuwiderlaufen, wenn im Anschluss an dessen Tätigkeit 110  Zusammenstellung, Bd. II, S. 113 f. Zustimmende Äußerungen (z.B. Laband, AcP 74 [1889], 1, 17) werden demgegenüber zwar erwähnt, aber nicht referiert. 111  Weismann, AcP 74 (1889), 322 ff. 112  Den Einfluss Weismanns in dieser Frage hebt auch hervor Winter, S. 162; er bezieht ihn aber nur auf die Zweite Kommission. 113  Prot., in: Mugdan, Bd. II, S. 625. 114  Prot., in: Achilles/Gebhard/Spahn, Bd. I, S. 469, insoweit nicht in Mugdan, Bd. II, S. 626. 115  Siehe etwa RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106. 116  Weismann, AcP 74 (1889), 422, 430. Dazu bereits oben § 14 B.II.1. (S. 641 ff.). 117  Weismann, AcP 74 (1889), 422, 431. Siehe auch ders., AcP 72 (1888), 269, 299 mit Hinweis auf D. 17,2,79 und Art. 1854 Code civil a.F. 118  Weismann, AcP 74 (1889), 422, 432.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

jede Partei schlicht behaupten könnte, der Spruch sei unbillig, und so der Streit verlängert würde.119 Eine „kleinliche Kritik“ an diesem Spruch120 oder „willkürliche Besserwisserei“121 müsse deshalb ausgeschlossen sein. Gerade unter Kaufleuten habe die Endgültigkeit eines Schiedsgutachtens einen hohen Stellenwert; eine schnelle Entscheidung sei ihnen wichtig, auch wenn sie möglicherweise falsch sei.122 Ebenso wollte der Gesetzgeber des VVG mit dem Kriterium der offenbar erheblichen Abweichung des Sachverständigengutachtens von der wirklichen Sachlage verhindern, dass ein Richter mit „kurzer Hand und ohne Bedenken“ die Entscheidung des Sachverständigen beseitigt.123 Dieser Zielsetzung ist zuzustimmen. Die §§ 317 ff. BGB können als ein Beispiel für die Ausgestaltung des materiellen Rechts zur Vermeidung von gerichtlichen Auseinandersetzungen dienen.124 Dahinter steht freilich – entgegen dem Eindruck, den manche Vertreter dieser Ansicht vermitteln – allenfalls als Reflex eine rechtspolitische Wertung, die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern.125 Vielmehr trägt es vor allem den Intentionen, die die Parteien mit der Delegation verbinden, Rechnung, wenn eine möglicherweise langwierige und teure Auseinandersetzung vor Gericht vermieden wird.126 Ausschlaggebender Grund ist deshalb der Parteiwille. 119 

­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 (§ 6 II b); außerdem BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762; BGH v. 9.6.1983 NJW 1983, 2244, 2245 (insoweit nicht in BGHZ 87, 367); BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB; BGH v. 20.2.1970 DB 1970, 827; BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; BGH v. 3.10.1957 NJW 1957, 1834; OGHZ v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 61; OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 73; OLG Hamm v. 20.3.2003 OLGR 2003, 263 (das Gericht wusste in diesem Fall, dass dem mit der Feststellung von Baumängeln betrauten Schiedsgutachter einige sachliche Fehler unterlaufen waren, die jedoch Abweichungen mit einem Anteil von weniger als 1 % des gesamten Werklohns betrafen); OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 1; Erman/ J. Hager, § 319 Rn. 1; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 1; Greger/Stubbe, Rn. 122; G. Wagner, Prozeßverträge, S. 670; Wittmann, S. 27 f., 90; v. Thun und Hohenstein, S. 117; v. Hoyningen-Huene, S. 54; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 468; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143. Siehe auch für eine Begrenzung der Angriffsmöglichkeiten Prot-DresdE, Bd. I, S. 133: Durch die eingeschränkte Anfechtbarkeit werde „eine Menge chikanöser Prozesse abgeschnitten“. – In der Zielsetzung übereinstimmend, den Ansatz des BGB aber als „gekünstelt“ ablehnend, Joussen, S. 509 f. 120  RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; ähnlich OGHZ v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44 („das Gutachten vor Anzweiflungen geringeren Grades zu bewahren und Prozesse tunlichst zu vermeiden“). 121 Planck/Strohal/Siber, § 319 Anm. 1. 122  B. Rauscher, S. 29 m.w.N. 123  Motive VVG, S. 332. 124  Vgl. dazu Kronke, AcP 183 (1983), 113, 120; W. Gottwald, ZRP 1982, 28, 30. 125  Gleiches gilt für die umgekehrte Perspektive, die Norm bezwecke den Schutz der Parteien vor einem offenbar unbilligen Gutachten, so aber OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39, 44 f.; BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB. 126  BGH v. 3.10.1957 NJW 1957, 1834; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 61; OLG Frankfurt v. 5.5.1994 NJW‑RR 1995, 79, 80 (Parteien wollen „maßvoll die Folgen eigener Unzulänglich-

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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Zudem wird vorgebracht, die Parteien würden in der Regel eine Person auswählen, von der „sie beide eine unparteiliche und gerechte Entscheidung erwarten“, so dass dessen Entscheidung eine „Vermutung der Billigkeit“ in sich trage.127 Ob diese Formulierung einer konkreten Neutralitätserwartung heute noch zutrifft, wenn die Parteien häufig nicht einmal selbst die Person des Dritten bestimmen, sondern dessen Auswahl ebenfalls delegieren, kann durchaus bezweifelt werden. Diese Zweifel sollten jedoch nicht dazu verleiten, die Beschränkung der Angriffsmöglichkeiten in § 319 Abs. 1 BGB insgesamt für „nicht sonderlich überzeugend“ zu halten, weil der Dritte zwar regelmäßig, aber keineswegs immer ohne Eigeninteresse an einer unbilligen Bestimmung agiere.128 Denn der Delegation der Leistungsbestimmung an einen Dritten liegt jedenfalls eine abstrakte Neutralitätserwartung zugrunde. Wird diese im Einzelfall enttäuscht, so helfen die oben129 aufgezeigten Möglichkeiten, auf die fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu reagieren. Die Grundentscheidung des § 319 Abs. 1 BGB in Frage zu stellen, besteht dagegen kein Anlass, zumal sich der Neutralitätsverstoß des Dritten häufig unkomplizierter wird darlegen lassen als die Unbilligkeit seiner Entscheidung130. Folglich kann als zweiter Grund für die Begrenzung der richterlichen Kontrolle festgehalten werden, dass aufgrund der generell vorausgesetzten und auf verschiedenen Wegen abgesicherten Neutralität des Dritten ein größeres Vertrauen in die Billigkeit seiner Entscheidung gerechtfertigt ist.131 Gernhuber erkennt hierin mit Blick auf ähnliche Standards in den §§ 660 Abs. 1, 2048 S. 3 BGB sogar ein allgemeines Prinzip des BGB, „in einer von Eigeninteressen nicht abgefälschten Situation Ermessensspielräume nicht in kleinlicher Manier zu beschränken“.132 Grundsätzlicher Kritik unterzogen wird die Beschränkung der richterlichen Kontrolle auf Fälle offenbarer Unbilligkeit jedoch von Dütz, in dessen Augen keit“ tragen); Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2; für eine Verankerung im mutmaßlichen Parteiwillen auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669. Andere Nuancierung bei BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB: „Das Gesetz hat einem kraft der Privatautonomie als Schätzer berufenen Dritten einen erheblichen Ermessensspielraum eingeräumt“ (Hervorhebung hinzugefügt). 127  ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 (§ 6 II b); Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 2; NK-BGB/F. Wagner, § 319 Rn. 1; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 1; ferner OLG Hamm v. 16.10.2006 – 17 U 30/06 (juris), Rn. 73. Ähnlich Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 229 (der Dritte habe regelmäßig kein eigenes Interesse an der Bestimmung). Die entgegengesetzte Begründung gibt Czachorowski, S. 84 f.: Der Dritte kenne die Verhältnisse der Parteien nicht so genau, so dass die Parteien das Risiko einer unbilligen Bestimmung tragen. 128  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 293 (§ 12 III 3 a). Siehe aber auch unten Fn. 132. 129  Siehe oben § 7 C.III. (S. 497 ff.) und § 7 C.IV.3. (S. 509 ff.). 130  Siehe oben § 7 Fn. 463. 131  BGH v. 30.5.2003 NJW‑RR 2003, 1355, 1357; BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 1; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 1; Greger/Stubbe, Rn. 122. 132  Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 203.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

§ 319 Abs. 1 BGB eine „gerichtsschutzverkürzende Wirkung“ entfaltet und deshalb mit der Verfassungsgarantie umfassenden richterlichen Privatrechtsschutzes kollidiert.133 Ein Weg, um diesen Verfassungsverstoß zu beheben, bestehe darin, die von dieser Vorschrift bewirkte „Einschränkung der richterlichen Rechtsprüfungskompetenz“134 zu beseitigen und dem Richter eine volle Ermessenskontrolle zu gestatten.135 Die Gestaltungsentscheidung des Dritten erhalte so die Funktion „eines nichtrichterlichen Vorverfahrens“.136 Diese Kritik ist zurückzuweisen. Sie beruht bereits auf einer unrichtigen Prämisse, da die in § 319 Abs. 1 BGB ausgesprochene Beschränkung keineswegs eine „gesetzlich angeordnete“137 ist, sondern vielmehr als Regel dispositiven Rechts den mutmaßlichen Parteiwillen zur Verfolgung legitimer Ziele aufnimmt.138 Dass eine Drittbestimmung nicht wegen jeder bestehenden oder vermeintlichen Unbilligkeit angegriffen werden soll, entspricht den wohlverstandenen Interessen der Parteien. Sie sind es, die mit ihrer Delegation die Reichweite der Verbindlichkeit festlegen. Hinzu kommt folgende Überlegung: Wenn die Parteien von Verfassungs wegen nicht gehindert wären, kraft ihrer Privatautonomie selbst einen unbilligen Vertragsinhalt zu vereinbaren, muss ihnen dies – in den Grenzen des zwingenden Rechts – auch möglich sein, wenn sie einen Dritten einschalten.139

2. Evidenzbasierter oder materieller Begriff? Steht somit fest, dass die Beschränkung des richterlichen Kontrollmaßstabs auf „offenbare“ Unbilligkeiten nicht nur zulässig ist, sondern auch typischerweise gewollt sein dürfte, muss noch geklärt werden, wie dieser qualifizierende Zusatz zu verstehen ist. In Betracht kommen zwei Sichtweisen, eine evidenzbasierte und materielle.

133  Dütz, S. 263 f. (sowie S. 252 ff. zu feststellenden Schiedsgutachten). Siehe zu Dütz’ Ansicht bereits oben § 7 B.II.6.a) (S. 465 ff.). 134  Dütz, S. 263. 135  Dütz, S. 265, 268. 136  Dütz, S. 265. 137 So Dütz, S. 264. 138 Auch Dütz, S. 263 anerkennt, dass der – soeben herausgearbeitete – „Sinn dieser Abweichung in der richterlichen Nachprüfbarkeit bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten im Vergleich zur Bestimmung durch eine Partei … auf der Hand“ liegt. 139 Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 1; gegen Dütz auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 2 Fn. 5. Ferner Staudinger/Mayer-­Maly, 12. Auflage, § 319 Rn. 4 (Reduzierung gerichtlicher Auseinandersetzungen durch Beschränkung des Prüfungsmaßstabs entspricht gerade freiheitlicher Verfassungsordnung).

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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a) Evidenzbasierte Sichtweise: Augenfällige Unbilligkeit Das Attribut „offenbar“ lässt sich so verstehen, dass nur eine Unbilligkeit damit gemeint ist, die besonders evident ist.140 Der Zusatz würde in dieser Lesart ein Kriterium der Erkennbarkeit darstellen. In diesem Sinne verstanden wohl auch die Römer die manifesta iniquitas. Wo der Begriff „manifestus“ in den Quellen auftaucht, wird er im Sinne von „augenscheinlich, klar, deutlich“141, „offenkundig“142 oder „evident“143 verwendet. Ob darin auch mitschwingt, dass das, was manifest ist, mit Händen zu greifen sein soll, ist angesichts der komplizierten Etymologie des Wortes144 schwierig zu beurteilen.145 Auch heute noch wird „offenbar“ in § 319 Abs. 1 BGB teilweise synonym zu „offensichtlich“146 oder „offenkundig“147 gebraucht. Als „offenbar“ unrichtig im Sinne dieser Vorschrift bezeichnete das Reichsgericht in seiner Leitentscheidung zum feststellenden Schiedsgutachten eine Entscheidung dann, „wenn sie aus sich selbst und so, wie sie abgegeben ist, … als unrichtig und unbillig erkennbar ist, diese ihre Eigenschaft offen zutage liegt, in die Augen springt. Das braucht allerdings nicht für jedermann offen zu liegen, es genügt, wenn es dem Sachkundigen gegenüber der Fall ist.“148

Noch knapper formulieren andere Urteile, offenbar unbillig sei die Entscheidung des Dritten dann, wenn sie „eine Unrichtigkeit enthält, die sich dem Blicke eines sachkundigen und unbefangenen Beobachters sofort aufdrängt“.149

140 So

etwa Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 22; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 Rn. 33; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 f. (§ 6 II b) (an der Unbilligkeit dürfe „kein Zweifel möglich sein“); v. Thun und Hohenstein, S. 177 ff.; Joussen, S. 506; Wangner, S. 39; Poulakos, S. 250; Habscheid, FS Laufke, S. 310; E. Wolf, ZIP 1981, 235, 242; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1930; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011; Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 468; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 104; Damrau, AcP 180 (1980), 324, 326. 141  Heumann/Seckel, s.v. „Manifestus“, S. 332. 142  Rabel, ZSS (RA) 52 (1932), 466, 474. 143  Schulz, S. 582 (Nr. 997) (zum furtum manifestum). 144  Zu ihr Rabel, ZSS (RA) 52 (1932), 466, 473 ff. 145  Dafür immerhin Heumann/Seckel, s.v. „Manifestus“, S. 332. 146  Siehe z.B. Ulmer/Brandner/Hensen/A. Fuchs, § 307 Rn. 174. 147  Siehe z.B. RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 62 („Offenkundigkeit“). 148  RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 62. 149  RG v. 12.5.1920 RGZ 99, 105, 106; ähnlich BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 237; BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885; RG v. 21.5.1913 Warn 1913 Nr. 357; RG v. 16.4.1913 Warn 1913 Nr. 356; RG v. 2.4.1909 Warn 1909 Nr. 395; RG v. 20.10.1908 JW 1908, 711; OLG Düsseldorf v. 28.3.2008 – 16 U 88/07 (juris), Rn. 35; OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Nachdem das Reichsgericht noch gefordert hatte, die „augenfällige Unrichtigkeit“ müsse sich „ohne weiteres“ aufdrängen,150 bringt eine vom Bundesgerichtshof verwendete Variation dieser Formel eine gewisse Einschränkung dieses Kriteriums zur Umschreibung des Kontrollmaßstabs. Eine offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit liege vor, „wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – sei es auch erst nach eingehender Prüfung – offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen“,151

oder „wenn sich der Fehler dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – wenn auch möglicherweise erst nach eingehender Prüfung – aufdrängt“.152

All diese Umschreibungen stellen klar, dass die Unbilligkeit nicht für das Gericht oder gar für jedermann offen zutage liegen muss, sondern dass insoweit sachverständige Hilfe in Anspruch genommen werden kann und darf.153 Offenkundigkeit im Sinne von § 291 ZPO, die eine Beweiserhebung überflüssig macht, ist demnach nicht erforderlich.154 Rätselhaft bleibt jedoch, wie die beiden Elemente einer eingehenden Prüfung und eines Sichaufdrängens zusammenpassen wollen. Wenn ein Sachverhalt erst von einem Sachverständigen eingehend geprüft werden muss, um einen Fehler zu erkennen, kann davon, dass dieser offen zutage liegt, eigentlich kaum noch die Rede sein.155 Diese Einschränkung deutet darauf hin, dass die Rechtsprechung ihr Erkennbarkeitskriterium selbst nie „[g]anz ernst“ genommen hat.156 Sie mindert zudem die Beweiskraft des römischen Begriffsverständnisses, dem eine derartige Relativierung des Augenscheinlichen fremd gewesen sein muss, für die heutige Auslegung des Begriffs ganz erheblich. 150 

RG v. 21.5.1913 Warn 1913 Nr. 357. v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777 (obwohl der BGH von einer „Leistungsbestimmung“ spricht, handelte es sich um ein feststellendes Schiedsgutachten); BGH v. 21.1.2004 NJW‑RR 2004, 760, 761; BGH v. 24.9.1990 NJW‑RR 1991, 228; BGH v. 2.4.1990 BB 1990, 1310; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628, 630; OLG Hamm v. 20.3.2003 OLGR 2003, 263; OLG Karlsruhe v. 2.10.2002 OLGR 2003, 154; OLG Düsseldorf v. 28.4.1999 NJW‑RR 2000, 279, 281. 152  BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281; BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB; BGH v. 20.11.1975 WM 1976, 251; BGH v. 9.6.1983 NJW 1983, 2244, 2245 (insoweit nicht in BGHZ 87, 367); BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris), Rn. 63; OLG Karlsruhe 19.10.2004 NJW‑RR 2005, 248, 251; ähnlich BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174. 153  Ausführlich BGH v. 25.1.1979 NJW 1979, 1885. 154  v. Hoyningen-Huene, S. 39; v. Thun und Hohenstein, S. 181 ff.; Wittmann, S. 93. 155  Entsprechend fordern z.B. Bulla, NJW 1978, 397, 400; Gelhaar, DB 1968, 743 – insoweit der traditionellen Formel der Rechtsprechung verhaftet –, die Unbilligkeit müsse „sofort“ oder „auf den ersten Blick“ ersichtlich sein. 156  Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 204 Fn. 19. 151  BGH

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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b) Materielle Sichtweise: Grobe Unbilligkeit Neben diesen Umschreibungen, die die Erkennbarkeit in den Vordergrund rücken, existiert in der Rechtsprechung sowohl des Reichsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs eine andere Formel, die sich auf den ersten Blick ganz ähnlich liest, das Vorliegen einer offenbaren Unbilligkeit indes von einem materiellen Kriterium abhängig macht. Die tatsächlich vorgenommene Bestimmung muss danach nicht nur erkennbar, sondern auch in erheblichem Maße von einer billigen Entscheidung abweichen. Es reicht mit anderen Worten nicht aus, dass sich die Bestimmung nicht im Rahmen des billigen Ermessen hält.157 Eine offenbare Unbilligkeit wird auf diese Weise gleichbedeutend mit einer „groben“ Unbilligkeit.158 Zur Verdeutlichung sei auch diese andere Formel wörtlich wiedergegeben: „Eine … Entscheidung ist nur dann offenbar unbillig, wenn sie den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und wenn sich ihre Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beobachters sofort aufdrängen muß“.159

Der Bundesgerichtshof suggeriert bei Verwendung dieser Formulierung zu Unrecht eine Kontinuität zu der zuvor dargestellten Linie,160 indem er als Beleg Urteile angibt, die ohne die Ergänzung um ein materielles Kriterium auskommen,161 oder eine Übereinstimmung in Rechtsprechung und Schrifttum hinsichtlich der Definition der offenbaren Unbilligkeit behauptet.162 Auf den zusätzlichen Bedeutungsgehalt, der sich aus der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben in grober Weise ergibt, weist er nicht hin.163 Andererseits kann aber auch nicht von einem „Bruch“164 oder einem Wandel in der Rechtsprechung die Rede sein. Wie ein einfacher Blick auf die Entscheidungsdaten 157 

BGH v. 11.1.1980 WM 1982, 767; OLG Frankfurt v. 5.5.1994 NJW‑RR 1995, 79, 80. Siehe insbesondere v. Hoyningen-Huene, S. 38; Gelhaar, DB 1968, 743; sowie PWW/ Medicus/M. Stürner, § 319 Rn. 2; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 319 Rn. 4 ff.; Meckenstock, S. 29; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143. 159  BGH v. 14.10.1958 NJW 1958, 2067; ähnlich BAG v. 19.8.2008 NZA 2009, 1275, 1278; BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761; BGH v. 11.1.1980 WM 1982, 767; BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801 („auf einem groben Irrtum beruht oder in hohem Maße unrichtig ist“); BGH v. 20.2.1970 DB 1970, 827; BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307; BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; RG v. 17.10.1935 JW 1936, 502; RG v. 9.2.1935 RGZ 147, 58, 63; OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 340. Ein frühes Bekenntnis zu dieser Sichtweise stellt auch schon RG v. 12.6.1908 RGZ 69, 167, 168 dar: „wenn … bei unparteiischer und sachgemäßer Prüfung einem Sachverständigen hätte sofort in die Augen fallen müssen, daß dem erstatteten Gutachten wesentliche Mängel anhafteten“ (Hervorhebung hinzugefügt). 160 Ebenso Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 204. 161  BGH v. 26.4.1961 LM Nr. 8 zu § 317 BGB; BGH v. 14.10.1958 NJW 1958, 2067; RG v. 9.2.1935 RGZ 147, 58, 63. 162  BGH v. 20.2.1970 DB 1970, 827. 163  Einen zusätzlichen Bedeutungsgehalt verneint v. Godin, MDR 1966, 722, 723, für den der grobe Verstoß gegen Treu und Glauben lediglich die Erkennbarkeit verstärken soll. 164  Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 204. 158 

726

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

erhellt, hat die materielle Sichtweise nicht etwa die evidenzbasierte abgelöst.165 Beide Ansätze bestehen vielmehr nebeneinander fort, ohne dass dies in der Rechtsprechung thematisiert würde. Vereinzelt werden sogar beide Formeln in ein und demselben Urteil verwendet.166 Entsprechend wird im Schrifttum eine „Unklarheit“ darüber, was mit offenbarer Unbilligkeit gemeint sei, konstatiert.167 Auflösen lässt sich diese Unklarheit nicht etwa dadurch, dass die evidenzbasierte Formel den feststellenden Schiedsgutachten zugewiesen und die materielle Sichtweise für gestaltende Entscheidungen reserviert wird.168 Denn es findet durchaus sowohl die evidenzbasierte Formel bezogen auf gestaltende Schiedsgutachten169 als auch die materielle Sichtweise bei feststellenden Schiedsgutachten170 Verwendung. Auch stellt der Bezug auf Treu und Glauben in der materiellen Formel kein Hindernis bei der Überprüfung von Feststellungsentscheidungen dar,171 weil dieser Bezug erstens ohnehin nicht zu begrifflich verstanden werden darf und er zweitens durchaus eine Berechtigung haben kann, wenn es um die Vervollständigung eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrages geht. Doch ebensowenig kann die Schlussfolgerung, dass Erkennbarkeit und Erheblichkeit gleichermaßen, im Sinne eines kombinierten Ansatzes erforderlich sind,172 überzeugen. Tatsächlich sinnvoll ist allein ein ausschließlich materielles Verständnis der offenbaren Unbilligkeit im Sinne einer groben oder erheblichen Abweichung.173 Wenn die Parteien, deren mutmaßlichen Willen § 319 Abs. 1 BGB aufgreift, mit der Beschränkung des Kontrollmaßstabs verhindern wollen, dass jegliche Behauptung einer Abweichung von der Billigkeit zu einer Verlängerung des Streits führen kann, so kann mit offenbarer Unbilligkeit nur gemeint sein, dass bestimmte Fehler zwar als unbillig anzuerkennen sind, aber gleichwohl nicht die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens nach sich ziehen.174 165 

So aber Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 204 f. BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296, 1297. 167 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 6; auch v. Thun und Hohenstein, S. 177. 168  So aber Bulla, NJW 1978, 397, 400; ders., BB 1976, 389, 391; Gelhaar, DB 1968, 743; Greger/Stubbe, Rn. 122, 172; offenbar auch Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 6, 15; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 3 f.; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 2 f. 169  BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628, 630 (gestaltende Neufestsetzung eines Mietzinses); BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454 (Neubestimmung des Erbbauzinses); BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281; RG v. 16.4.1913 Warn 1913 Nr. 356 (Kaufpreisbestimmung). 170 BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307 (Ermittlung eines Grundstückswerts); RG v. 17.10.1935 JW 1936, 502 (Ermittlung eines Gebäudewerts). 171  So aber Bulla, NJW 1978, 397, 400. 172 So Wittmann, S. 27, 90; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 16; Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 24; Anklänge daran auch bei v. Hoyningen-Huene, S. 39. 173  Erheblichkeit meint also die erhebliche Abweichung des Inhalts des Schiedsgutachtens von seinem eigentlich zu erwartenden Inhalt und nicht etwa, dass dessen Gegenstand von erheblicher Bedeutung für die Parteien sei, so aber v. Thun und Hohenstein, S. 194 f. 174 Richtig Gernhuber, FS Tübinger Juristenfakultät, S. 205; ders., Schuldverhältnis, S. 286 (§ 12 II 4). 166 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

727

Etabliert wird mithin eine „weiter hinausgeschobene Toleranzgrenze“175, die den Bestand der Entscheidung des Dritten sichern soll. Der Maßstab bringt lediglich ein Ventil „zur Vermeidung untragbarer Ergebnisse“176. Anders ließe sich auch nicht die allgemein akzeptierte Aussage aufrechterhalten, dass die offenbare Unbilligkeit eine Zwischenstufe177 zwischen Unbilligkeit und Willkür einziehen soll. „Bloße Flüchtigkeiten und selbst objektive Unrichtigkeiten“ sollen gerade nicht hinreichen, um die Bindungswirkung des Gutachtens zu beseitigen.178 Bestätigt wird diese Lesart dadurch, dass die Rechtsprechung es nunmehr ausreichen lässt, wenn der Sachverständige erst nach eingehender Prüfung einen Fehler feststellen kann. Dadurch wird letztlich ein materielles Kriterium in die Erkennbarkeitsformel importiert – freilich ohne offen thematisiert zu werden.179 Dem lässt sich auch nicht mit Hilfe gestufter Anforderungen an die Erkennbarkeit begegnen, die etwa bei komplexen Fragestellungen oder geringer Erfahrung des zur Überprüfung berufenen Sachverständigen diesem mehr Zeit für eine gründlichere Überprüfung einräumen, bis ihm die Unbilligkeit schließlich in die Augen springt.180 Ein Fehler, der erst nach eingehender Prüfung „in die Augen springt“, zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er besonders offensichtlich zutage liegt, sondern dadurch, dass er in besonderem Maße von dem normalerweise zu Erwartenden abweicht. Damit deckt sich die zur Erläuterung des evidenzbasierten Ansatzes gemachte Aussage, es genüge nicht, wenn andere Sachverständige zu einem anderen Ergebnis gelangten.181 Jeglicher Hinweis auf die Erkennbarkeit oder Augenfälligkeit der Abweichung hat folglich allenfalls eine dienende Funktion. Denn ein grober Verstoß wird sich eher aufdrängen oder in die Augen springen als eine nur geringfügige Abweichung.182 Zu einem Erkennbarkeitskriterium würde es auch nicht recht passen, wenn die 175 

Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 286 (§ 12 II 4). Greger/Stubbe, Rn. 171, die dann aber für feststellende Schiedsgutachten dennoch dem evidenzbasierten Ansatz folgen. 177  Siehe oben § 14 Fn. 58. 178  RG v. 17.10.1935 JW 1936, 502. 179  Bezeichnenderweise versteht v. Hoyningen-Huene, S. 38 auch den evidenzbasierten Ansatz als eine Umschreibung „schwerwiegender“ Unbilligkeit. 180  So aber v. Thun und Hohenstein, S. 184 ff. 181  RG v. 21.5.1913 Warn 1913 Nr. 357. Nichts anderes verbirgt sich bei näherer Betrachtung von RG v. 2.4.1909 Warn 1909 Nr. 395 hinter der Erkennbarkeitsformel: Sie soll, so das Gericht, entscheiden helfen, ob die Differenz zwischen der Feststellung der Sachverständigen und der tatsächlichen Sachlage auf „wesentlichen Irrtümern“ der Schätzer oder lediglich auf einer „an sich nicht sachwidrigen anderen Auffassung“ beruht. – Vgl. auch RG v. 17.10.1935 JW 1936, 502: „objektive Unrichtigkeiten und Sachwidrigkeiten des Gutachtens genügen … nicht“. 182  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 286 (§ 12 II 4): „indem das Gröbere in der Regel leichter zu erkennen ist als das Feinere“; ders., FS Tübinger Juristenfakultät, S. 205; insoweit übereinstimmend Wittmann, S. 27: „Beide Elemente stehen in einem inneren Zusammenhang, weil zumeist auch nur ein schwerer Verstoß gegen die Grundsätze der Billigkeit evident sein wird.“ 176 

728

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Rechtsprechung immer wieder Prozentgrenzen zur Feststellung der offenbaren Abweichung zugrunde legt.183 Eine prozentuale Abweichung von einem Erwartungswert stellt ein genuin inhaltliches Kriterium dar. Überdies hilft es auch in diesem Zusammenhang, die Verbindungslinie zur Drittbestimmung im Erbrecht zu ziehen. Zwar wird die Frage, wie die offenbare Unbilligkeit in § 2048 S. 2 BGB zu verstehen ist, weniger diskutiert als bei § 319 Abs. 1 BGB, der insofern entsprechend herangezogen wird.184 Um den Begriff der offenbaren Unbilligkeit auszufüllen wird aber ganz überwiegend eine materielle Sichtweise angelegt.185 Die dafür gegebene Begründung leuchtet ein: Die Möglichkeit, nach § 2048 S. 3 BGB gegen den Teilungsplan vorzugehen, stelle nur einen „Notbehelf“ dar, „um einer unzweideutig erkennbaren groben Unbill abzuhelfen“.186 Denn häufig werde ein Teilungsplan einzelne Mitglieder der Ebengemeinschaft unzufrieden zurücklassen.187 Nun wird gegen das Abstellen auf die Erheblichkeit eingewendet, insbesondere bei offensichtlichen, aber geringfügigen Fehlern, wie etwa „klaren Rechenfehlern in den Pfennigbeträgen“, wäre allgemein unverständlich, wenn eine Partei mit Hinweis auf die Unerheblichkeit der Abweichung „zwanzig Pfennig zuviel“ fordern dürfte.188 Der Kontrollmaßstab des § 319 Abs. 1 BGB wolle die Parteien davor schützen, an eine Leistungsbestimmung gebunden zu sein, die an „derart evidenten Mängeln“ leide.189 In Wirklichkeit belegt gerade dieses Extrembeispiel, dass ein bloßes Abstellen auf die Evidenz den Interessen der Parteien zuwider liefe: Denn läge in dem für jedermann ersichtlichen Irrtum des Schiedsgutachters in Höhe von zwanzig Pfennig tatsächlich eine offenbare Unbilligkeit, so hätte dies zur Folge, dass das Schiedsgutachten unverbindlich 183  BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762 (Abweichung von 16,79 % bei gestaltender Bestimmung des Erbbauzinses zu geringfügig für offenbare Unbilligkeit); BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601 (jedenfalls keine Abweichung i.S.d. § 84 Abs. 1 VVG bei Diskrepanz unter 15 %); BGH v. 28.9.1964 WM 1964, 1208 (Abweichung in Höhe von ca. 23,5 % vom gerichtlich ermittelten Wert offenbar unbillig); OLG Frankfurt v. 21.2.2007 NZG 2007, 758, 760 (20–25 %); OLG Karlsruhe 19.10.2004 NJW‑RR 2005, 248, 251 (20–25 %); OLG Karlsruhe v. 2.10.2002 OLGR 2003, 154 (20–25 %); OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 340 (28,85 % offenbar unbillig); OLG Frankfurt v. 5.5.1994 NJW‑RR 1995, 79, 80 (Grenze zur offenbaren Unbilligkeit bei „20–25 % des ‚Leistungswerts‘“); OLG München v. 15.5.1959 VersR 1959, 1017 (20–25 %); siehe auch Volze, VersR 1996, 1337, 1340 m.w.N. 184  Siehe für einen bloßen Verweis auf § 319 BGB etwa Staudinger/O. Werner, § 2048 Rn. 15; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 20; Palandt/Weidlich, § 2048 Rn. 3. 185  OLG Stuttgart v. 20.3.1997 OLGR 1998, 234; OLG Hamburg HansRGZ B 1934, 367, 369; Kipp/Coing, S. 636 (§ 117 IV 2); Ruby, ZEV 2007, 18, 21; wohl auch Bamberger/Roth/ Lohmann, § 2048 Rn. 7. Die Erkennbarkeit in den Vordergrund rücken aber Soergel/M. Wolf, § 2048 Rn. 12; Schütte, in: jurisPK-BGB, § 2048 Rn. 25; OLG Rostock v. 15.4.1918 OLGE 36, 242. 186  OLG Hamburg HansRGZ B 1934, 367, 369 (Hervorhebung hinzugefügt). 187  OLG Hamburg HansRGZ B 1934, 367, 369. 188  v. Thun und Hohenstein, S. 194. 189  v. Thun und Hohenstein, S. 194.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

729

wäre und die in dem Beispiel genannte Partei gar nichts fordern dürfte, bis sich die Parteien – ihren fortbestehenden Kooperationswillen unterstellt – außergerichtlich auf ein korrigiertes Schiedsgutachten geeinigt haben oder eine gerichtliche Ersatzbestimmung eingeholt wurde. Die geeignete Reaktion auf Fehler der in dem Beispiel thematisierten Art liegt von vornherein nicht in der Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit, sondern in einer ausnahmsweisen Befugnis des Schiedsgutachters zu einer Korrektur von offensichtlichen Rechenfehlern.190 Zu denken geben könnte allenfalls das Argument, in § 84 Abs. 1 S. 1 VVG werde die Unverbindlichkeit der von einem Sachverständigengremium getroffenen Feststellung angeordnet, wenn diese „offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht“. Der Gesetzgeber bringe durch das Nebeneinander beider Begriffe zum Ausdruck, dass er damit Unterschiedliches meine.191 Mit „offenbar“ könne mithin nur die Evidenz des Fehlers, nicht dessen Schwere bezeichnet sein. In Wirklichkeit aber beweist diese Formulierung, dass der Gesetzgeber als offenbare Unrichtigkeit stets eine erhebliche Abweichung ansieht: Denn diese Bestimmung im VVG sollte an der bestehenden Rechtslage nichts ändern, wonach – wie die Motive zu diesem Gesetz aussprechen – bereits vor dessen Inkrafttreten eine Anfechtung wegen offenbarer Unrichtigkeit bzw. manifesta iniquitas möglich gewesen sei.192 Dem im Gesetzgebungsverfahren gestellten Antrag, das Wort „offenbar“ ganz durch „erheblich“ zu ersetzen, wurde nur deshalb nicht entsprochen, um an die überkommene Begrifflichkeit anzuknüpfen und nicht durch einen Wechsel in der Formulierung den Eindruck einer erleichterten Anfechtbarkeit zu erwecken.193 Das Attribut „erheblich“ fügt der offenbaren Abweichung also nichts hinzu, was sie nicht ohnehin schon enthielte.194 Die von der Rechtsprechung verwendete Formel muss daher als zumindest missverständlich abgelehnt werden. Die Regelwerke zum Europäischen Vertragsrecht bringen den materiellen Gehalt des Kontrollmaßstabs deutlicher zum Ausdruck, indem sie die Leistungsbestimmung des Dritten daran messen, ob diese „grossly unreasonable“195 bzw. „grob unangemessen“196 ist. Hierum geht es in Wirklichkeit.

190 

Dazu bereits oben § 13 Fn. 57. v. Thun und Hohenstein, S. 196 f.; Wittmann, S. 90. 192  Motive VVG, S. 137, 331. 193  Motive VVG, S. 331 f. 194  Vgl. BGH v. 1.4.1987 VersR 1987, 601; OLG Schleswig v. 28.10.1953 VersR 1954, 506 (Korrektur nur im Fall von „offensichtlichen Fehlentscheidungen“); anders Looschelders/ Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 84 Rn. 19 ff., der einen zweiteiligen Maßstab – Offenkundigkeit und Erheblichkeit der Abweichung – annimmt. 195 Art. 6:106(2) PECL; Art. II.‑9:106(2) DCFR. 196 Art. 6:106(2) PECL in der Übersetzung bei v. Bar/R. Zimmermann. 191 

730

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

3. Kriterien Wann nun aber eine Unbilligkeit oder Unrichtigkeit als offenbar anzusehen ist, bleibt – wie die Bestimmung der Unbilligkeit überhaupt197 – eine Frage des Einzelfalls. Sie ist nicht immer leicht zu entscheiden.198 Die Rechtsprechung versucht sich, wie eben gesehen, zum Teil mit Prozentgrenzen zu helfen. Auch im Schrifttum werden immer wieder Prozentgrenzen vorgebracht.199 Damit kann jedenfalls dann, wenn Bewertungsfragen im Vordergrund stehen, eine Näherung200 erreicht werden.

II. Offenbare „Unbilligkeit“ 1. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel des billigen Ermessens: Ermessensfehlerlehre oder Überschreitung des Gestaltungsspielraums? Wenn es nun darum geht, das andere Element des von § 319 Abs. 1 BGB vorgesehenen Kontrollmaßstabs, die Unbilligkeit, mit Anschauung zu füllen, so könnte ein naheliegender Ansatz darin bestehen, sich daran zu orientieren, was ein umfangreiches Schrifttum zur Unbilligkeit einer Parteileistungsbestimmung im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB entwickelt hat. 201 Vorgeschlagen wird insbesondere eine Anlehnung an die aus dem Verwaltungsrecht geläufige Ermessensfehlerlehre.202 Diese Lehre reflektiere den Prozess einer Abwägungsentscheidung und sei daher nicht auf das öffentliche Recht beschränkt. 203 Unterschieden werden danach folgende Kategorien von Fehlern, die einer zur Ermessensausübung berechtigten Behörde unterlaufen können:204 Sie macht von ihrem Ermessen keinen Gebrauch (Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensunterschreitung); sie fällt eine Entscheidung, die außerhalb des von der gesetzlichen Einräumung des Ermessens gezogenen Rahmens liegt (Ermessensüberschreitung); sie stützt ihre Ent197 

Siehe oben § 4 C.I.1.a)aa) (S. 189 ff.). Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 286 (§ 12 II 4); Laule, DB 1966, 769, 770. 199  20–25 %: Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 3; Reinking/Eggert, Rn. 1212; Sieg, VersR 1984, 501, 502. Mehr als 25 %: v. Hoyningen-Huene, S. 38; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 6; Laule, DB 1966, 769, 770; Bulla, BB 1976, 389, 392. Ausdrücklich gegen die Angabe von Prozentgrenzen aber Greger/Stubbe, Rn. 122; André, S. 42; v. Thun und Hohenstein, S. 249; allgemein skeptisch auch Beyer, NJW 2010, 1025, 1030. 200  Noch etwas schwächer von einem „Anhaltspunkt“ spricht Laule, DB 1966, 769, 770. 201  Sofern es nicht ohnehin davor kapituliert hat, weil ein einheitlicher Kontrollmaßstab „[k]aum festzulegen“ sei, G. Hueck, GS Dietz, S. 263. 202 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 327 ff.; ders., S. 111 ff.; Dütz, S. 218; Söllner, S. 126 ff. 203 Staudinger/­R ieble, § 315 Rn. 327; ders., S. 152 f. 204  Siehe nur Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Mai 1997), § 114 VwGO Rn. 15; Alexy, JZ 1986, 701 ff. 198 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

731

scheidung auf unzureichende (Ermessensdefizit) oder sachwidrige Erwägungen (Ermessensfehlgebrauch). All diese Fehler könnten also, von einem Schiedsgutachter begangen, die Unbilligkeit seines Schiedsgutachtens begründen. 205 Andere Autoren konzentrieren sich hingegen auf eines dieser Elemente, nämlich die Ermessensüberschreitung, indem sie vorrangig danach fragen, ob der Bestimmungsberechtigte den Rahmen, den ihm der Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens vorgezeichnet hat, verlassen hat. 206

2. Unbilligkeit aus dem Blickwinkel der Delegation von Privatautonomie Beide Ansätze treffen sich im Gedanken der Delegation von Privatautonomie. Zugleich werden sie darin gewissermaßen mediatisiert, indem die entscheidende Frage nunmehr lautet: Woran wollen die Parteien gebunden sein? Es muss dann kein abstrakter Begriff der (offenbaren) Unbilligkeit mehr entwickelt werden. Vielmehr ist – freilich mit Hilfe von Typisierungen – nach den Vorstellungen der Parteien im Einzelfall zu fragen. 207 Danach kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass die Parteien keine Bindung an ein Schiedsgutachten wollen, dessen Ergebnis davon abweicht, was unter Zugrundelegung billigen Ermessens zu erwarten wäre. Ein Ausscheren des Schiedsgutachters aus den ihm durch das billige Ermessen gezogenen Grenzen führt somit zur Unbilligkeit. Hierin liegt der zutreffende Kern der Ansicht, die ganz die Ermessensüberschreitung betont. Ob darüber hinaus die Parteien auch dann nicht gebunden sein wollen, wenn der Schiedsgutachter von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist oder wenn er nicht alle berücksichtigenswerten Belange in seine Überlegungen eingestellt hat, lässt sich bereits weniger eindeutig beantworten. Mag ein entsprechender Wille auf den ersten Blick zu bejahen sein, muss doch als gegenläufiges Argument das Interesse der Parteien an einer endgültigen Bereinigung ihrer Meinungsverschiedenheit beachtet werden. Danach ist durchaus denkbar, dass die Parteien gewillt sind, über sachfremde Überlegungen des Dritten hinwegzusehen, ja sie sogar in Kauf zu nehmen, wenn das Ergebnis seiner Begutachtung dem entspricht, was ein Dritter aufgrund ausschließlich sachangemessener Erwägungen bestimmt hätte. Könnte hier die Unbilligkeit allein an den sachfremden Erwägungen des Dritten festgemacht werden, so wäre dies unter Umständen sogar ein Einfallstor für opportunistisches Verhalten. 205  Für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung durch den Richter, der eine ausgebliebene Drittbestimmung ersetzt, legt BAG v. 30.4.1975 AP Nr. 8 zu § 38 MTB II m.w.N. diesen Standard an. Merkwürdig ist es demgegenüber, wenn BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280 auch die richterliche Ersatzbestimmung anhand des Maßstabs der offenbaren Unbilligkeit überprüft. 206  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 315 Rn. 44. 207  Kriterien bei Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D260.

732

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Diskutiert wird dieser letzte Punkt vor allem unter der Frage, ob es zur Bestimmung der offenbaren Unbilligkeit allein auf das Ergebnis oder auch auf das von dem Dritten befolgte Verfahren ankommt.

3. Konzentration auf das Ergebnis oder Beachtlichkeit von Fehlern im Verfahren? Wer die Äußerungen der Rechtsprechung zum Maßstab der offenbaren Unbilligkeit durchsieht, gewinnt leicht den Eindruck, die offenbare Unbilligkeit beurteile sich allein nach dem Ergebnis der Entscheidung des Dritten. Gesucht wird nach Fehlern, „die das Gesamtergebnis verfälschen“. 208 Wenn dabei eine Verfälschung des Gesamtergebnisses betont wird, so knüpft die Rechtsprechung damit an Urteile an, in denen hervorgehoben wurde, dass einzelne Fehler auf dem Weg zur Ermittlung dieses Gesamtergebnisses durch andere, gegenläufige Fehler kompensiert werden könnten. Fehler im Bewertungsmaßstab, so heißt es, seien unbeachtlich, „wenn sie durch andere Fehler, die sich in etwa gleicher Höhe gegenteilig auswirken, wieder ausgeglichen werden“. 209 Darin kommt eine klare Fixierung auf das Ergebnis der Entscheidung des Dritten zum Ausdruck. Der Weg zu diesem Ergebnis bleibt für die Kontrolle des Schiedsgutachtens ohne Relevanz.210 Das Schrifttum ist in dieser Frage geteilt. Während einige grundsätzlich auf das Ergebnis abstellen wollen, 211 plädieren andere dafür, im Rahmen der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit auch den Entscheidungsvorgang zu berücksichtigen. 212 Eine dritte Gruppe von Autoren meint in der Rechtsprechung 208  Siehe nur BGH v. 21.1.2004 NJW‑RR 2004, 760, 761; BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777; BGH v. 17.5.1991 NJW 1991, 2698; BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762 (gestaltende Neufestsetzung des Erbbauzinses); BGH v. 24.9.1990 NJW‑RR 1991, 228; BGH v. 2.4.1990 BB 1990, 1310; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; BGH v. 23.11.1984 WM 1985, 174; BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; OLG Hamburg v. 29.11.1962 VersR 1963, 449, 452. 209  BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; BGH v. 28.9.1964 WM 1964, 1208; BGH v. 1.4.1953 BGHZ 9, 195, 198. Zum Sonderproblem der Unbilligkeit einer Durchschnittssumme, wenn eine der darin eingebrachten Schätzungen als offenbar unbillig anzusehen ist, Laule, DB 1966, 769, 770 f. (Rechtsprechung behandele alle Schätzer als eine Einheit und stelle mithin nur auf das Ergebnis ab). 210  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281. 211  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 8; Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 7; Palandt/ Grüneberg, § 319 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 Rn. 33; Joussen, S. 506; Kisch, Schiedsmann, S. 130 f.; Pinckernelle, S. 53; Habscheid, FS Laufke, S. 312; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1012; Raeschke-Kessler Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213 f.; Bulla, NJW 1978, 397, 399; ders., BB 1976, 389, 391; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1930 f.; Gelhaar, DB 1968, 743, 744. 212 Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 8 f.; Erman/J. Hager, § 319 Rn. 4; Wittmann, S. 29 f. (gestaltende Schiedsgutachten), 89 ff. (feststellende Schiedsgutachten); Sieveking, S. 381 ff.; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; je nach Gegenstand des Schiedsgutachtens Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 104 f.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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eine Differenzierung zwischen gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten erkennen zu können und will deshalb bei ersteren allein auf das Ergebnis blicken, bei letzteren aber auch den Weg dorthin einbeziehen.213 Für den Redaktor von Kübel lagen die Dinge noch klar: Unbillig war eine objektiv unangemessene, d.h. also im Ergebnis nicht passende Entscheidung. 214 Wer sich für eine weitergehende Berücksichtigung des Entscheidungsverfahrens ausspricht, kann dafür durchaus Anknüpfungspunkte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung finden, die schon länger nicht dabei stehengeblieben ist zu betonen, dass allein das Ergebnis maßgeblich sei. 215 Erstens nimmt die Rechtsprechung inzwischen durchaus Rücksicht auf die Erwägungen des Schiedsgutachters. 216 Soweit jedoch ein Schiedsgutachten dann unverbindlich sein soll, wenn der Dritte seinem Gutachten nicht die vertraglich vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt hat, 217 liegt darin nichts Ungewöhnliches. Dadurch wird lediglich bestätigt, dass die Parteien frei vereinbaren können, unter welchen Voraussetzungen sie an die Entscheidung des Dritten gebunden sein wollen, und dabei nicht an eine bestimmte Ausle-

Ausschließlich den Entscheidungsvorgang überprüfen will v. Thun und Hohenstein, S. 245 ff., da der Dritte bei beiden Arten von Schiedsgutachten stets einen Spielraum habe, dessen Grenzen sich nicht bestimmen ließen, so dass eine Einhaltung des Spielraums nur mittelbar möglich sei, indem der Prozess der Entscheidungsfindung überprüft werde. Zudem beruhten unbillige Ergebnisse stets auf einem Fehler im Entscheidungsvorgang (S. 255; ebenso B. Rauscher, S. 151, 273). Darauf ist zu erwidern, dass sich konstruktiv durchaus Grenzen des Entscheidungsspielraums aufzeigen lassen; er wäre ja andernfalls grenzenlos. Wenn eine Entscheidung in der Nähe dieser Grenzen als weniger billig empfunden wird, so spricht das nicht gegen die Möglichkeit der Grenzziehung allgemein, sondern deutet darauf hin, dass im konkreten Fall die Grenzen zu weit gezogen wurden (siehe oben § 14 C.II.3.b)aa) [S. 693 ff.]). Dass ein Fehler im Entscheidungsvorgang eine analytische Hilfe zur Feststellung eines unbilligen Entscheidungsergebnisses darstellt, trifft hingegen zu (siehe sogleich unten bei Fn. 226), besagt aber nichts über die fehlende Maßgeblichkeit des Ergebnisses. Wenn es unbillige Ergebnisse nur aufgrund von Fehlern bei der Entscheidungsfindung gäbe, wäre die Kategorie der Ermessensüberschreitung inhaltsleer. Gegen einen Automatismus zwischen Verfahrensfehler und Ergebnisfehler auch noch unten bei Fn. 273. 213  Greger/Stubbe, Rn. 122 (mit Einschränkungen), 174. Ebenfalls hier zu nennen sind Autoren, die sich nur auf das feststellende Schiedsgutachten beziehen: Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 214  v. Kübel, Bd. II/1, S. 271. 215  Siehe insbesondere die Auswertungen bei v. Thun und Hohenstein, S. 135 ff.; Wittmann, S. 30 ff., 91 ff.; ­Rieble, S. 116 ff. 216  Hierin jedoch eine „typische Fallgruppe offenbarer Unrichtig‑ bzw. Unbilligkeit“ zu erblicken (Wittmann, S. 91; Joussen, S. 506), dürfte sehr weit gehen. 217  BGH v. 22.2.2002 ZIP 2002, 808; BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281; zitiert wird in diesem Zusammenhang auch häufig BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314, 316, wo die Parteien aber keine spezifischen Vorgaben gemacht haben. Siehe dagegen aber BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; BGH v. 4.6.1975 NJW 1975, 1557 (entscheidend ist nur, ob das Ergebnis dem vereinbarten Maßstab entspricht, auch wenn es auf „falschem“ Weg gefunden wurde).

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gung der offenbaren Unbilligkeit gebunden sind.218 Die Auslegung dieser Vereinbarung muss erbringen, ob die Parteien unabhängig vom Ergebnis die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens wollen, sofern nur der Dritte den vorgegebenen Bewertungsmaßstab missachtet hat. 219 Der vom dispositiven Recht vorgehaltene Unverbindlichkeitsgrund der offenbaren Unbilligkeit wird in Anbetracht einer vorrangigen Parteiabrede zur Unverbindlichkeit des Gutachtens überhaupt nicht benötigt. 220 An den betreffenden Urteilen ist daher allenfalls eine Vermischung der Kategorien zu kritisieren: Um zu begründen, weshalb eine Entscheidung, die die vertraglich vorgezeichneten Grenzen des Ermessens außer acht lässt, nicht bindet, bedarf es keines Rückgriffs auf die offenbare Unbilligkeit bzw. Unrichtigkeit. 221 Aufschlussreicher für den Inhalt der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit sind vielmehr Urteile, in denen die Erwägungen des Schiedsgutachters berücksichtigt werden, ohne dass die Parteien ausdrücklich etwas zu den anzuwendenen Kriterien vereinbart haben. So kann es etwa einen Grund für die offenbare Unbilligkeit darstellen, wenn der mit der Neubestimmung eines Erb­ bauzinses betraute Schiedsgutachter „seine Bestimmung maßgeblich an einem Kriterium orientiert, das mit sachgerechter Überlegung schlechthin nichts gemein hat“. 222 Ebenso kann die offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit darauf beruhen, dass der Dritte bestimmte Aspekte außer acht lässt. 223 Damit wird ein Element des Entscheidungsvorgangs kontrolliert. Jedoch soll stets erforderlich sein, dass sich der Fehler auch auf das Ergebnis des Gutachtens ausgewirkt hat. 224 In dieser letztgenannten Voraussetzung lebt die Idee fort, dass Fehler im Entscheidungsvorgang sich gegenseitig neutralisieren können. An ihr hal218 Ebenso Wittmann, S. 30 f., 91: Missachtung des Vertragsinhalts führt stets zur Unverbindlichkeit; v. Thun und Hohenstein, S. 268 ff. 219  Auf diese Weise lässt sich auch die scheinbare Diskrepanz zwischen den oben Fn. 217 zitierten Entscheidungen auflösen. 220  Deutlich BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281: „[W]enn die Parteien dem Schiedsgutachter ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben haben und jener es nicht eingehalten hat; dann folgt die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aber aus dem Vertragswillen, nicht aus dem Gesetz“. 221  Missverständlich insoweit auch Wittmann, S. 30. 222  BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454 (Sachfremdheit der Einbeziehung des erheblich gestiegenen Grundstückswerts in die Neufestsetzung des Erbbauzinses verneint); außerdem BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506; BGH v. 15.4.1983 BGHZ 87, 198; BGH v. 21.10.1964 NJW 1964, 150; OLG Celle v. 7.6.1962 MDR 1962, 900. Siehe aber demgegenüber BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617 (Wahl eines unpassenden Bewertungsmaßstabes unschädlich, solange das Ergebnis nicht offenbar unbillig oder unrichtig ist). 223  BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314, 316 und 319 (Nichtberücksichtigung des Äquivalenzverhältnisses der Parteien bei Mietzinsanpassung); BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307 (Bewertungsmaßstäbe außer acht gelassen). 224  BGH v. 1.10.1997 WM 1998, 628; BGH v. 3.11.1995 NJW 1996, 452, 454; BGH v. 14.7.1986 NJW‑RR 1987, 21, 22; BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307; OLG Celle v. 7.6.1962 MDR 1962, 900.

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ten auch Autoren fest, die sich für eine weitergehende Berücksichtigung von Fehlern im Entscheidungsvorgang aussprechen. 225 Wenn dem so ist, liegt in der Öffnung für Fehler im Entscheidungsvorgang in erster Linie ein analytischer Gewinn, indem differenzierter und mit größerer Exaktheit angegeben werden kann, worauf die Unbilligkeit oder Unrichtigkeit des Gutachtens beruht.226 Es wird zudem das Bewusstsein dafür geschärft, in jedem Fall den Vertrag der Parteien sorgfältig auszulegen, um zu ermitteln, in welchem Umfang sie an das Schiedsgutachten gebunden sein wollten. 227 Wurde jedoch nichts ausdrücklich vereinbart, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien vor allem vermeiden wollen, an ein Schiedsgutachten gebunden zu sein, dessen Inhalt weit neben dem liegt, was nach dem Entscheidungsmaßstab zu erwarten gewesen wäre. Ein Unterschied im Ergebnis folgt aus der zusätzlichen Berücksichtigung des Entscheidungsvorgangs also nicht. Dies könnte anders sein bei einer zweiten Gruppe von verfahrensbezogenen Gründen. 228 Denn ein Schiedsgutachten kann nach der Rechtsprechung auch dann offenbar unrichtig sein, „wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, daß selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann“. 229 Auf das Ergebnis des Gutachtens kommt es dabei nicht an. Dieser Zusatz zur Umschreibung der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit wird zum Teil als Herabsetzung der Anforderungen gesehen. 230 Andere nehmen ihn zum Anlass einer Binnendifferenzierung zwischen exogenen Fehlern des Schiedsgutachtens, die nur mit Hilfe einer von den Parteien eigentlich nicht gewünschten Beweisaufnahme feststellbar sind, und endogenen Fehlern, die wie die Lückenhaftigkeit oder fehlende Schlüssigkeit aus dem Gutachten selbst ersichtlich sind und dessen Verbindlichkeit ohne weiteres beseitigen.231 Angesprochen ist mit dieser erweiterten Definition das oben bereits behandelte grundsätzliche Erfordernis einer Begründung 225  Siehe etwa, jeweils unter Berufung auf das entsprechende Grundsatzurteil des BGH (v. 1.4.1953 BGHZ 9, 195), Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 14 f.; Greger/Stubbe, Rn. 174; a.A. v. Thun und Hohenstein, S. 258 f., der dabei aber vor allem Verfahrensfehler im Blick hat, die nach hier vertretener Auffassung ohnehin nicht in den Bereich der offenbaren Unbilligkeit fallen. 226  Zu Unrecht kritisch dagegen Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Bulla, NJW 1978, 397, 401, nach deren Ansicht die Berücksichtigung der zugrunde gelegten Erwägungen das Ergebnis der Kontrolle für die Parteien schwerer vorhersehbar und damit das Schiedsgutachten insgesamt weniger attraktiv mache. Siehe demgegenüber Habscheid, FS Laufke, S. 312: Abzustellen sei auf das Ergebnis; um dieses zu überprüfen, sei es aber „erforderlich, den Gedankengang und die Rechnung nachzuvollziehen“. 227 Vgl. v. Thun und Hohenstein, S. 270 ff. 228  Differenzierend auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 104. 229  BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777; BGH v. 16.11.1987 NJW‑RR 1988, 506. 230  Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213 f. 231  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 670.

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des Schiedsgutachtens. Insoweit genügt es hier aber, auf die oben ausführte Kritik an einer Verquickung der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit des Gutachtens mit formalen Fehlern wie einem Begründungsmangel zu verweisen:232 Da die Maßgabe, das Gutachten nach billigem Ermessen zu erstellen, nicht die einzige Anforderung an ein Schiedsgutachten darstellen muss, kommen neben der offenbaren Unbilligkeit auch weitere, selbständige Unverbindlichkeitsgründe in Betracht. Diese sind dann aber getrennt davon zu betrachten. Sie müssen auch nicht deshalb unter den Schirm der offenbaren Unbilligkeit gezogen werden, um an den Mechanismus des § 319 Abs. 1 S. 2 BGB Anschluss zu finden. Dieselbe Kritik richtet sich gegen Versuche, etwaige Neutralitätsmängel als Indiz für eine offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit zu instrumentalisieren. 233 Diese Einordnung würde nicht nur dazu zwingen, für einen Teilbereich das Erfordernis der Ergebnisrelevanz zu verabschieden. 234 Hier liegt sogar noch deutlicher zutage, weshalb es sich um getrennte Kategorien handelt: Das Neutralitätsgebot, dem der Schiedsgutachter unterliegt, speist sich aus dem Parteiwillen. 235 Dieser Wille ist aber zugleich die Quelle dafür, wenn das Gutachten bei einem Verstoß gegen das Gebot unverbindlich sein soll. Dieser Verfahrensmangel sollte deshalb ebenso wie die fehlende Gewährung rechtlichen Gehörs von vornherein aus dem Konzept der offenbaren Unbilligkeit herausgehalten werden. 236 Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass sich die Überprüfung anhand des Maßstabs der offenbaren Unbilligkeit nach dem Ergebnis des Schiedsgutachtens richtet, wobei zu dessen Analyse der Entscheidungsvorgang mitzuberücksichtigen ist. Was Verfahrensfehler angeht, so ist zu differenzieren: Wird gegen eine selbständige Verfahrensvorschrift verstoßen (Neutralität oder, soweit vereinbart, rechtliches Gehör oder andere Vorkehrungen), wird der von der Unterwerfung gezogene Rahmen überschritten und das Schiedsgutachten ist deshalb ergebnisunabhängig unverbindlich. Liegt der Verfahrensfehler  – nach Art eines Ermessensfehlers – im Entscheidungsvorgang begründet (z.B. Anlegen eines falschen Bewertungsmaßstabs oder Außerachtlassen wesent­ 232 

Siehe oben § 9 A.II. (S. 552). Siehe etwa Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 18; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 5a; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 84 (das dort in Bezug genommene Urteil OLG München v. 9.1.2008 NJOZ 2008, 1079 stellt diese Verbindung nicht her); v. Thun und Hohenstein, S. 280 ff.; Habscheid, FS Laufke, S. 316; H. Eckert, S. 31; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011. Dieselbe Kritik kann gegenüber der Einbeziehung einer Gehörsverletzung in den Begriff der offenbaren Unrichtigkeit erhoben werden, wie sie OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597 und OLG Schleswig v. 9.6.1999 NZM 2000, 338, 339 f. praktizieren. 234  So in der Tat Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 84. 235  Siehe oben § 7 B.II.5. (S. 456 ff.). 236  Siehe Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 36; Kisch, Schiedsmann, S. 132; speziell zu Begründungsmängeln Greger/Stubbe, Rn. 175 f.; Wittmann, S. 92; zur Besorgnis der Befangenheit zutreffend OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388; zum rechtlichen Gehör im Ergebnis übereinstimmend BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335. 233 

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licher Aspekte), bleibt es bei der Maßgeblichkeit des Ergebnisses, es sei denn die Schiedsgutachtenvereinbarung ist so auszulegen, dass eine ergebnisunabhängige Unverbindlichkeit eintreten soll. In beiden Fällen handelt es sich dann aber um privatautonome Begrenzungen der Rechtsmacht des Schiedsgutachters und nicht um Ausgestaltungen der offenbaren Unbilligkeit.

4. Unbillige Feststellungsentscheidungen und unrichtige Gestaltungsentscheidungen? Nachdem bislang Unbilligkeit und Unrichtigkeit als austauschbare Begriffe behandelt und denselben Grundsätzen unterworfen wurden, ist abschließend noch einmal auf die Frage zurückzukommen, ob im Bereich der feststellenden Schiedsgutachten nicht doch ein anderer Kontrollmaßstab anzulegen ist. Zu Brüchen in der Argumentation hat die Identifizierung beider Begriffe nicht geführt. Gleichwohl lässt sich die Frage aufwerfen, ob das Ziel und die Methode der Kontrolle sich nicht je nach Typ des Schiedsgutachtens unterscheiden. Die Rechtsprechung geht mit beiden Begriffen scheinbar nachlässig um. So stehen Entscheidungen, die einen sachlichen Unterschied zwischen Unbilligkeit und Unrichtigkeit in Abrede stellen, 237 und solche, die zwischen beiden differenzieren, nebeneinander. Differenzierenden Urteilen sind diverse Aussagen zu entnehmen: Ein feststellendes Schiedsgutachten, das offenbar unrichtig sei, müsse nicht darüber hinaus noch offenbar unbillig sein.238 Ein gestaltendes Schiedsgutachten, das sich ausschließlich auf einen einzigen, stark eine Partei bevorzugenden Bewertungsmaßstab stützt, sei offenbar unbillig, ohne dass es auch offenbar unrichtig sein müsse. 239 Stehe jedoch nur die offenbare Unrichtigkeit eines gestaltenden Schiedsgutachtens fest, so müssten noch weitere Faktoren hinzutreten, um dessen offenbare Unbilligkeit zu bewirken. 240 Ähnlich disparat ist das Bild im Schrifttum. Auf der einen Seite stehen Autoren, die in den zwei Begriffen „allein eine sprachliche Kennzeichnung des Unterschieds“241 zwischen beiden Typen von Schiedsgutachten erkennen und beide folglich als inhaltsgleich ansehen. 242 Diese Gleichsetzung erleichtere auch 237  BGH v. 21.1.1963 BB 1963, 281; BGH v. 2.2.1977 NJW 1977, 801; RG v. 17.11.1905 JW 1906, 35; OLG Karlsruhe v. 2.10.2002 OLGR 2003, 154. Terminologische Unsicherheiten auch in BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618. 238 BGH v. 21.9.1983 NJW 1984, 43, 44; BGH v. 20.11.1975 WM 1976, 251; BGH v. 14.12.1967 WM 1968, 307; OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris), Rn. 63; OLG Hamburg v. 22.6.1994 WuM 1995, 650. 239  BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314, 317 (Schiedsgutachten sei, „wenn nicht offenbar unrichtig, so jedenfalls unbillig“). 240  BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762. 241 HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 20. 242 Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 10 (jedoch erübrige sich bei offenbarer Unrichtigkeit die Feststellung der offenbaren Unbilligkeit); Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D260; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 319 Rn. 9; v. Thun und Hohenstein,

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die Abgrenzung zwischen beiden Typen. 243 Auf der anderen Seite finden sich wiederum differenzierende Stimmen: Bei der Überprüfung von feststellenden Schiedsgutachten sei für Erwägungen der Billigkeit und Einzelfallgerechtigkeit kein Raum; vielmehr dürfe nur auf offenbare Unrichtigkeit kontrolliert werden. 244 Gestaltende Schiedsgutachten seien nicht schon bei offenbarer Unrichtigkeit, sondern erst bei offenbarer Unbilligkeit unverbindlich.245 In dieser Formulierung scheint die Vorstellung eines Stufenverhältnisses auf, wonach zu der Unrichtigkeit weitere Gründe wie etwa die Missachtung der persönlichen Interessen der Betroffenen hinzutreten müssen. Aufgrund dieses Stufenverhältnisses könne die Rechtsprechung in Zweifelsfällen von einem feststellenden statt von einem gestaltenden Schiedsgutachten ausgehen, um den richterlichen Kontrollumfang auszudehnen.246 Es findet sich aber auch die Vorstellung einer Alternativität, wonach bei gestaltenden Schiedsgutachten gar nicht erst danach gefragt werden soll, ob die Bewertung durch den Schiedsgutachter richtig ist, sondern vielmehr alle Umstände der beteiligten Parteien zu berücksichtigen seien.247 Entsprechend müsse die Unrichtigkeit eines feststellenden Schiedsgutachtens objektiv und losgelöst von den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. 248 Versteht man unter einer Entscheidung nach billigem Ermessen249 ein Votum, das zur Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit alle in Betracht kommenden Belange umfassend abwägt250 und „nach Lage der besonderen Umstände des Falls als angemessen, als sachlich begründet und persönlich zumutbar erscheint“251, so liegt auf der Hand, dass eine Feststellungsentscheidung sich der Beurteilung als unbillig entzieht. Selbst wenn sie einen materiell-rechtlichen Feststellungsvertrag ergänzt, kommt es doch nicht darauf an, ob diese Ergänzung billig ist. Der zur Ermittlung der ortsüblichen Miete berufene Dritte muss und darf bei seiner Feststellung nicht etwa die Solvenz der Parteien oder ihre bisherigen Geschäftsbeziehungen berücksichtigen. Eine Gleichsetzung beider Begriffe sollte sich daher eigentlich verbieten. Urteile, die ein feststellendes Schiedsgutachten als offenbar unbillig bezeichnen, erliegen einer Begriffsverwirrung. 252

S. 129 ff.; Pinckernelle, S. 53; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; E. Wolf, ZIP 1981, 235, 242; Gehrlein, VersR 1994, 1009, 1011. 243  Volmer, BB 1984, 1010, 1012. 244  v. Hoyningen-Huene, S. 39; A. Bachmann, S. 107; Gelhaar, DB 1968, 743; Bulla, NJW 1978, 397, 400; B. Rauscher, BB 1974, 629, 630. 245  Wittmann, S. 137. 246  Wittmann, S. 137. 247  v. Hoyningen-Huene, S. 39. 248  v. Hoyningen-Huene, S. 39; Kisch, Schiedsmann, S. 129. 249  Zum Maßstab des billigen Ermessens siehe oben § 4 C.I.1.a)aa) (S. 189 ff.). 250  Bulla, BB 1976, 389, 392. 251  BGH v. 18.10.1968 WM 1969, 62, 64. 252 Ebenso Gelhaar, DB 1968, 743.

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In der Praxis jedoch wird der Unterschied kaum auffallen. 253 Wie bereits einleitend bemerkt, 254 lassen sich feststellende und gestaltende schiedsgutachterliche Tätigkeit funktional nicht trennscharf voneinander scheiden. Ebenso wie es verfehlt ist anzunehmen, dass der feststellende Schiedsgutachter punktgenau die von ihm erbetene Bewertung aussprechen könne, geht es an den typischen Vorstellungen der Parteien, die sich einem gestaltenden Schiedsgutachten unterwerfen, vorbei, ihnen zu unterstellen, dass sie von dem Dritten eine allumfassende Würdigung ihres Verhältnisses erwarten. Vielmehr hat auch der feststellende Schiedsgutachter nicht selten einen beträchtlichen Beurteilungsspielraum. 255 Und umgekehrt wird sich die Aufgabe des gestaltenden Schiedsgutachters häufig darin erschöpfen, einen Gegenstand zu bewerten und daraus seine Leistungsbestimmung zu entnehmen. 256 Tatsächlich also dürfte das Ziel einer Überprüfung von gestaltenden Schiedsgutachten meist die Feststellung einer offenbaren Unrichtigkeit sein.257 Dass eine Gestaltung, die auf einer offenbar unrichtigen Gestaltung basiert, gleichwohl nicht zugleich als offenbar unbillig angesehen werden muss, ist schwer vorstellbar.258 Wenn also ein mit der gestaltenden Neufestsetzung eines Erbbauzinses betrauter Schiedsgutachter seinen Auftrag zutreffend so versteht, dass er den Verkehrswert des Grundstücks zugrunde zu legen hat, so wäre es verfehlt, danach zu fragen, ob er noch andere, davon unabhängige Umstände hätte berücksichtigen müssen, um eine über die Unrichtigkeit hinausgehende Unbilligkeit zu ermitteln.259 Ebensowenig ist anzunehmen, dass ein offenbar unbilliges Schiedsgutachten nicht zugleich auf einer offenbar unrichtigen Bewertung fußt. Wenn der BGH die Anlegung eines einseitig eine Partei begünstigenden Kriteriums zur Mietzinsanpassung als offenbar unbillig gekennzeichnet und zugleich die offenbare Unrichtigkeit des sachverständigen Gutachtens offengelassen hat, 260 so kann hier die Richtigkeit des Gutachtens ernsthaft nur in Betracht kommen, wenn man die Mission des Sachverständigen interessenwidrig versteht. Ein Konflikt mit dem Wortlaut des § 319 Abs. 1 BGB, der schließlich von Unbilligkeit und nicht von Unrichtigkeit spricht, droht nach dieser Ansicht nicht. 261 Es wird vielmehr der Erkenntnis 253 

So auch v. Hoyningen-Huene, S. 39. Siehe oben § 2 B.II.4.a) (S. 65 ff.). 255  Das betonen in diesem Zusammenhang Wittmann, S. 138; v. Thun und Hohenstein, S. 129 ff. 256  Beispielhaft BGH v. 14.2.1968 WM 1968, 617, 618 (gestaltende Mietzinsanpassung wird auf offenbare Unrichtigkeit überprüft). Der Einwand, dass der gestaltende Schiedsgutachter statt einer objektiven Sachlage, auf der er sein Urteil aufbauen könne, eine Lücke im Vertrag vorfinde (so v. Thun und Hohenstein, S. 127), geht an der Realität vorbei. 257  Sonntag, S. 51 ff.; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; Arens, S. 28 f. 258  v. Hoyningen-Huene, S. 39. 259  BGH v. 26.4.1991 NJW 1991, 2761, 2762. 260  BGH v. 13.5.1974 BGHZ 62, 314, 317. 261  So aber v. Thun und Hohenstein, S. 124 f.; ähnlich E. Wolf, ZIP 1981, 235, 242. 254 

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Rechnung getragen, dass nach den Parteiinteressen die Billigkeitsprüfung praktisch meist in einer Richtigkeitsprüfung aufgehen wird. Diese Erkenntnis deckt sich mit den zuvor zu dem Attribut „offenbar“ angestellten Überlegungen: Ziel der richterlichen Kontrolle ist die Feststellung, ob der Inhalt des Schiedsgutachtens nicht erheblich davon abweicht, was nach sachangemessener Bewertung als dessen Inhalt zu erwarten gewesen wäre. 262 Auch die Kontrolle eines gestaltenden Schiedsgutachtens auf seine offenbare Unbilligkeit sollte sich zunächst auf das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit der darin enthaltenen Bewertungen konzentrieren.

III. Ein strengerer Standard als mutmaßlicher Parteiwille? Nimmt man den Zweck der Beschränkung des Kontrollmaßstabs auf die offenbare Unbilligkeit ernst, so kann sich durchaus die Frage stellen, ob dieser Zweck nicht mit einem strengeren Maßstab noch besser zu erreichen wäre. 263 Es wäre dann weitgehend ausgeschlossen, sich darauf zu berufen, dass das Schiedsgutachten aus inhaltlichen Gründen unverbindlich sei. Die ausdrückliche privatautonome Vereinbarung eines strengeren Standards ist, wie gesehen, zulässig. 264 Zu untersuchen bleibt, ob auch ohne eine derartige Vereinbarung der Inhalt des Schiedsgutachtens in noch geringerem Umfang kontrolliert werden sollte. Als strenger könnte erstens der Maßstab des § 1059 ZPO anzusehen sein, den einige Anhänger der prozessualen Deutung des feststellenden Schiedsgutachtens auf dessen Überprüfung anwenden wollen. Zweitens ist ein Modell zu erwägen, das die inhaltliche Unverbindlichkeit weitgehend ausschließt und die Parteien stattdessen auf Haftungsansprüche gegen den Schiedsgutachter verweist. Sollte sich erweisen, dass ein strengerer Standard eher dem typischen Parteiwillen entspricht, könnte diesem de lege lata durch ein modifiziertes Begriffsverständnis der offenbaren Unbilligkeit Rechnung getragen werden.

1. Unverbindlichkeit von feststellenden Schiedsgutachten analog § 1059 ZPO? Innerhalb der prozessualen Rekonstruktion des feststellenden Schiedsgutachtens wird darüber gestritten, ob die Vorschriften des Schiedsverfahrensrechts nur das vermeintlich bestehende Defizit auf Verfahrensebene füllen sollen und 262  Verfehlt ist die Vorstellung, die Überprüfung anhand des Maßstabs der offenbaren Unrichtigkeit laufe auf einen Vergleich des Schiedsgutachtens mit einer objektiven Realität hinaus, insoweit zutreffend v. Thun und Hohenstein, S. 130; gegen eine Ausrichtung an den Parteivorstellungen Sieveking, S. 361 f. 263  So etwa Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213; Sieveking, S. 439 f. 264  Siehe oben § 14 B.II.2. (S. 645 ff.).

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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es bei einer Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeit analog § 319 BGB (oder analog §§ 84 Abs. 1 S. 1, 189 VVG)265 verbleibt 266 oder ob die §§ 1025 ff. vielmehr vollumfänglich und „konsequenterweise“267 auch hinsichtlich der Kontrolle des Schiedsgutachtens analog angewendet werden sollen 268. Die Inhaltskontrolle des Schiedsgutachtens soll auf diese Weise ganz durch Verfahrensgarantien zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses abgelöst werden.269 Bezogen auf gestaltende Schiedsgutachten wird eine Analogie zur Aufhebung eines Schiedsspruchs wesentlich seltener vorgeschlagen, 270 so dass die Frage hier vor allem mit Blick auf feststellende Schiedsgutachten diskutiert werden soll. Dass Verfahrensgarantien auch ohne eine Anwendung des § 1059 ZPO allein auf der Grundlage der von den Parteien intendierten Bindungswirkung des Gutachtens zur Beachtung verholfen werden kann, wurde oben bereits erläutert. Gleichwohl lässt sich Verstößen gegen Verfahrensvorschriften, seien sie von den Parteien vereinbart, seien sie gesetzlich vorgegeben, mit Hilfe von § 1059 Abs. 2 lit. d ZPO besonders bequem begegnen. Danach kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das schiedsrichterliche Verfahren einer Bestimmung in den §§ 1025 ff. ZPO oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Zu den Verfahrensverstößen zählen nun selbstverständlich Neutralitätsmängel oder die Nichtgewährung des analog § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO geschuldeten rechtlichen Gehörs. Mit Mühe lässt sich damit auch ein Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Vorstellungen darüber, auf welcher Grundlage und auf welchem Weg der Schiedsgutachter seine Entscheidung treffen soll, abdecken. 271 Noch problematischer muss es erscheinen, das Außerachtlassen der „übliche[n] oder sich sonst aufdrängende[n] Methoden“ als unzulässiges Ver265  Welche dieser Vorschriften herangezogen wird, spielt für die Intensität der inhaltlichen Kontrolle keine Rolle, da der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit sich je nach Grundlage der Analogie nicht unterscheiden dürfte, Habscheid, FS Laufke, S. 311. – Im Versicherungsvertragsrecht können und müssen die §§ 84 Abs. 1 S. 1, 189 VVG ohnehin unmittelbar angewendet werden, vgl. Sieg, VersR 1965, 629, 634 f. 266  Dafür (außer Habscheid, siehe oben Fn. 265) Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 38; Kornblum, KTS 1970, 244, 247 (unklar aber noch ders., S. 102 f.); Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 103 (daneben § 1059 ZPO für Verfahrensmängel); Rosenberg/Schwab/P. Gottwald, § 174 Rn. 19. Dass eine inhaltliche Nachprüfung mit einer prozessualen Deutung durchaus kompatibel ist, begründet Kornblum, KTS 1970, 244, 248 mit dem einleuchtenden Verweis auf die inhaltliche Überprüfung eines Gerichtsurteils in der Berufungsinstanz. 267  P. Gottwald/Reichenberger/P. Wagner, NZV 2000, 6, 8. 268 Dafür B. Rauscher, S. 270 ff.; ders., BB 1974, 629, 630; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 15; Dütz, S. 260 f. (allerdings könnten die Parteien alternativ den Maßstab der § 319 Abs. 1 BGB, §§ 84 Abs. 1, 189 VVG vereinbaren). Sowohl § 1059 ZPO als auch § 84 VVG analog anwenden will Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 35 f. 269  B. Rauscher, S. 144 ff.; ders., BB 1974, 629, 630. 270  Siehe aber Dütz, S. 267 f. 271 Stein/Jonas/Schlosser, vor §1025 Rn. 36; B. Rauscher S. 272 f.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

fahren in diesem Sinne zu interpretieren.272 Jedenfalls der eigentliche Inhalt des Schiedsgutachtens könnte nur – will man nicht auf den Trick verfallen, jedes missliebige Ergebnis als Folge eines Verfahrensfehlers umzudefinieren 273 – über § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO erfasst werden. Die Kontrolle des Inhalts wäre somit auf die Feststellung eines Verstoßes gegen den ordre public beschränkt. Zu ermitteln wäre also, ob ein extremer Ausnahmefall vorliegt, in dem das Gutachten gegen zwingende Normen verstößt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens oder elementare Gerechtigkeitsvorstellungen betreffen, und seine Hinnahme deshalb unerträglich wäre. 274 Dies dürfte so selten der Fall sein, dass etwa Habscheid vereinfachend schreibt, schiedsrichterliche Entscheidungen seien nur formell nachprüfbar. 275 Gegenüber diesen Voraussetzungen scheint sich der Maßstab der offenbare Unrichtigkeit als eher zahm auszunehmen. 276 In der Beschränkung auf ordre public-Verstöße manifestiert sich das schiedsverfahrensrechtliche Verbot der révision au fond, 277 das zu der gerichtlichen Ersetzungsmöglichkeit in § 319 Abs. 1 S. 2 BGB in diametralem Gegensatz zu stehen scheint. Welcher der beiden Standards nun als dispositive Regel den Kontrollmaßstab vorgeben sollte, richtet sich nach dem mutmaßlichen Parteiwillen und hier vor allem danach, inwieweit ein Interesse der Parteien anerkannt wird, sich im Vorfeld gegen eine ihnen nicht genehme Entscheidung des Dritten abzusichern.278 Wenn nun aber einerseits die Rechtsprechung klar dazu tendiert, sogar Versuche einer vertraglichen Reduzierung der Kontrolldichte durch Vereinbarung eines „bindenden“ oder „endgültigen“ Gutachtens zunichte zu machen, 279 und andererseits auch im Schrifttum die offenbare Unrichtigkeit als angemessene Verkörperung eines „mittleren Standards“280 gutgeheißen wird, so sollte ein Aspekt nicht aus den Augen verloren werden: Zwar reichen die inhaltlichen Kontrollmöglichkeiten bei § 319 Abs. 1 BGB weiter als im Rahmen von § 1059

272  So aber Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 36, der in diesem Fall für eine Aufhebung unabhängig vom Ergebnis plädiert; Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 17; B. Rauscher, S. 273; dagegen Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 104. 273 So B. Rauscher, S. 144 f., 151, 273; dagegen zu Recht G. Wagner, Prozeßverträge, S. 668 f.; Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 104; Kornblum, KTS 1970, 244, 247; siehe bereits oben Fn. 212. 274  Zu Definitionen des internen ordre public siehe etwa Münch­ Komm-­Z PO/Münch, § 1059 Rn. 38 ff.; Zöller/Geimer, § 1059 Rn. 47 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, Anhang § 1061 Rn. 135; Schwab/G. Walter, Kap. 24 Rn. 37 ff. 275  Habscheid, FS Laufke, S. 314. 276 A.A. Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 17: Grobe Unrichtigkeit fällt unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO. 277 Zöller/Geimer, § 1059 Rn. 47 m.w.N. 278  Zu diesem Interesse bereits oben § 14 B.II.2.d) (S. 653 ff.). 279  Siehe oben § 14 B.II.2.a) (S. 648 f.). 280  G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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ZPO. 281 Eine „erheblich tiefergehende inhaltliche Überprüfung“282 eröffnen sie jedoch nicht. Denn auch an die offenbare Unrichtigkeit werden mit Blick auf das Ziel, einen Prozess zu vermeiden, strenge Anforderungen gestellt. 283 Dies Kriterium sei streng auszulegen 284 und von „sehr engen Grenzen“ umrissen 285; ihr Nachweis werde in vielen Fällen nicht zu erbringen sein. 286 Tatsächlich sei der Schiedsgutachter „fast ausnahmslos die erste und letzte Instanz“. 287 Die Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB stelle nur einen „Notweg zur Vermeidung untragbarer Ergebnisse“ dar. 288 Das Verdikt der offenbaren Unrichtigkeit sei reserviert für „krasse Fehleinschätzungen“. 289 Es bestehe „gar kein qualitativer Unterschied“ zwischen der Kontrolle von Schiedssprüchen und feststellenden Schiedsgutachten. 290 Die richterliche Praxis zeige sich „recht großzügig“ (im Passierenlassen von Schiedsgutachten) und nehme eine offenbare Unrichtigkeit „relativ selten“ an. 291 In der Tat bestätigt ein näherer Blick auf die zu § 319 BGB ergangene Rechtsprechung, das die Kassation eines Schiedsgutachtens aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit des Ergebnisses kaum vorkommt. Von zwanzig seit dem Jahr 2000 von ordentlichen Gerichten in diesem Kontext entschiedenen und in die Datenbank „juris“ aufgenommenen Fällen 292 wurde nur in drei Fällen eine offenbare Unrichtigkeit aufgrund des vom Schiedsgutachter erzielten Ergebnisses bejaht. In einem dieser drei Fälle hatte der Schiedsgutachter einen wesentlichen Bewertungsfaktor außer acht gelassen, 293 in den anderen beiden war die Bewertung selbst fehlerhaft. 294 Weitaus häufiger wurde eine offenbare Unrichtigkeit 281 

Wittmann, S. 169; Gelhaar, DB 1968, 743. aber Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 23; tendenziell auch Habscheid, KTS 1973, 232, 237. 283  BGH v. 9.6.1983 NJW 1983, 2244, 2245; BGH v. 26.10.1972 LM Nr. 13 zu § 319 BGB (im Fall wurde eine offenbare Unrichtigkeit bejaht, die darin bestand, dass der vom Schiedsgutachter festgestellte Konstruktionsfehler in Wahrheit auf einem Bedienungsfehler beruhte); OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597; OLG Hamm v. 22.1.2001 NZG 2001, 652, 653; Wittmann, S. 90 (allerdings dürften die Anforderungen auch nicht überspannt werden); Greger/Stubbe, Rn. 171; Weismann, AcP 74 (1889), 422, 432. 284 Soergel/M. Wolf, § 319 Rn. 11; Soergel/ders., § 2048 Rn. 12 bezogen auf die Erbauseinandersetzung durch einen Dritten. In der Tat existieren kaum Entscheidungen, in denen ein Teilungsplan als offenbar unbillig angesehen wurde. 285  v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/8; anders aber HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 21 („deutliche Überprüfungsmöglichkeit“). 286  Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 468; siehe auch Schlosser, Entwicklungsstand, S. 8. 287  Sieg, VersR 1965, 629, 630 (zum Gutachten im Versicherungsvertragsrecht). 288  Greger/Stubbe, Rn. 171. 289  Wittmann, S. 90. 290  Sieg, VersR 1965, 629, 630. 291  Dütz, S. 254. 292  Suche über juris mit den Kriterien „2000–2012“, „BGB § 319“, „offenbar“. 293  BGH v. 19.1.2001 NJW 2001, 1930, 1931. 294  LG Dortmund v. 30.5.2008 – 3 O 50/07 (juris), Rn. 25; OLG Rostock v. 26.5.2004 OLGR 2006, 2. 282  So

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

bejaht, weil der Schiedsgutachter die vertraglichen Vorgaben verkannt hatte, 295 weil die von ihm gegebene Begründung mangelhaft war296 oder weil Zweifel an seiner Neutralität bestanden 297. In acht Fällen wurde eine offenbare Unrichtigkeit ausdrücklich verneint, wobei in immerhin fünf dieser Fälle das Gericht durchaus eine Abweichung der Feststellungen des Schiedsgutachters von den eigenen Feststellungen konstatiert, diese aber nicht als gravierend genug angesehen hat. 298 Das bedeutet zugleich, dass nur in drei Fällen der Schiedsgutachter alles richtig gemacht hat. 299 Zugegebenermaßen wird mit diesem Querschnitt nur eine Auswahl der tagtäglich vorkommenden Schiedsgutachten erfasst. Die darin zum Ausdruck kommende Tendenz belegt jedoch, dass einerseits genau auf die Einhaltung der vertraglichen Vorgaben methodischer wie prozeduraler Natur geachtet wird und andererseits, wenn diese eingehalten wurden, Inhalt und Ergebnis der Entscheidung des Dritten kaum zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens führen. Während der erste Bereich auch bei § 1059 ZPO unangetastet bliebe, würde dessen analoge Anwendung wohl auch in den wenigen verbliebenen Fällen einer Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen die Aufrechterhaltung des Schiedsgutachtens bewirken. Die Entscheidung zwischen § 319 Abs. 1 BGB und § 1059 ZPO stellt mithin keine Wahl zwischen zwei Extremen dar. In den verbliebenen Nuancierungen aber wird den Interessen der Parteien – auch im Individualvertrag300 – mit der überwiegenden Ansicht eher dadurch entsprochen, dass ihnen ein Ventil für krass fehlerhafte Gutachten, die aber noch nicht die immer zu beachtende Schwelle der §§ 134, 138, 242 BGB erreichen, verbleibt.301 Diese Interessen, nicht etwa Schutzerwägungen302 oder 295 OLG München v. 3.12.2009 – 23 U 3904/07 (juris), Rn. 46 (Gesellschaftsvertrag enthielt Passus über die anzuwendende Bewertungsmethode für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens); OLG Brandenburg v. 4.12.2008 – 5 U 67/05 (juris), Rn. 68 ff. (außerdem Begründungsmangel); OLG Brandenburg v. 20.3.2008 – 5 U(Lw) 34/07 (juris), Rn. 38 (Anpassung an den Marktpreis gewollt, Schiedsgutachter hat nur Sachwertmethode angewendet); OLG Schleswig v. 23.8.2007 MDR 2008, 96 (Schiedsgutachter ermittelt Einkaufspreis statt, wie eigentlich von ihm verlangt, Verkaufspreis); BGH v. 27.6.2001 NJW 2001, 3775, 3777 (außerdem Lücken im Schiedsgutachten); BGH v. 12.1.2001 BGHZ 146, 280. 296  OLG Frankfurt v. 26.1.2006 – 26 U 24/05 (juris), Rn. 28 ff. 297  OLG Köln v. 11.5.2001 OLGR 2001, 388. 298  OLG Frankfurt v. 21.2.2007 NZG 2007, 758; OLG Jena v. 6.12.2005 OLGR 2006, 336; AG Bad Berleburg v. 5.11.2003 ZfS 2004, 72; OLG Hamm v. 20.3.2003 OLGR 2003, 263; OLG Karlsruhe v. 2.10.2002 OLGR 2003, 154. In OLG Köln v. 16.3.2005 OLGR 2005, 597 hatte das Gericht lediglich eine weitere Sachverhaltsaufklärung gefordert. 299  OLG Düsseldorf v. 28.3.2008 – 16 U 88/07 (juris), Rn. 36 ff.; LG Nürnberg-Fürth v. 11.10.2006 – 17 O 3304/06 (juris), Rn. 17; OLG Düsseldorf v. 26.7.2000 NZBau 2001, 207. 300  Zur zwingenden Kontrolle bei Schiedsgutachtenvereinbarungen in AGB siehe oben § 3 B.II.3.c) (S. 134 f.). 301  Siehe auch G. Wagner, Prozeßverträge, S. 669; Habscheid, KTS 1973, 232, 238 (Rechtsprechung solle sich bemühen, „den Rechtsschutz gegenüber unrichtigen Schiedsgutachten nicht zu eng zu fassen“); Kornblum, KTS 1970, 244, 247 f. 302  Siehe oben § 14 B.II.2.d) (S. 653 ff.).

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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andere objektiv-rechtliche Vorgaben303, geben den Ausschlag zugunsten einer dispositiven inhaltlichen Kontrolle. Die Parteien schalten den Dritten ein, damit er an ihrer Stelle eine Feststellung trifft. Von dieser Feststellung erwarten sie aber im Vorfeld, dass sie nicht deutlich anders ausfällt als so, wie die Parteien sie selbst getroffen hätten, verfügten sie nur über die nötige Sachkunde und Einigungsfähigkeit.304 Dem gleichzeitig bestehenden Interesse an einer Streitvermeidung trägt der um das Merkmal „offenbar“ qualifizierte Kontrollmaßstab Rechnung. Soll ein anschließender Prozess um jeden Preis vermieden werden, so wäre den Parteien eher zu raten, die Kontrolle soweit wie möglich auszuschließen – und nach Einschätzung von Bert Rauscher 305 ist dies auch der von der Praxis eingeschlagene Weg. Der Maßstab des § 1059 ZPO würde zwar die Erfolgsaussichten eines Prozesses weiter reduzieren; ein verminderter Anreiz zur Klage bliebe jedoch angesichts der unklaren Auslegung des ordre public im Einzelfall bestehen. Eine mit dem Schiedsgutachten unzufriedene Partei könnte sich immer noch bemüßigt sehen, ihr Glück vor Gericht zu versuchen. Eine Überlegenheit dieses Maßstabs lässt sich also nicht feststellen.306 Wenn das Ziel darin bestehen soll, Anreize zu Angriffen auf die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens zu beseitigen, stellt die analoge Anwendung von § 1059 ZPO folglich nicht das am besten geeignete Mittel dar. Zudem würde auch die Rechtsfolge des § 1059 ZPO nicht zu den zuvor gefundenen Ergebnissen passen: Denn wäre danach ein Schiedsgutachten unverbindlich, so enthielte diese Vorschrift nur eine Regelung für die Kassation („Aufhebung“), nicht aber für die gerichtliche Ersetzung der Entscheidung des Dritten. Nach alldem ist also eine Ersetzung des in § 319 Abs. 1 BGB vorgesehenen dispositiven Kontrollmaßstabs durch § 1059 ZPO abzulehnen. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die analoge Anwendung des § 1059 ZPO würde die Wahlmöglichkeiten der Parteien zwischen verschiedenen dispositiven Regelungsregimes ohne Grund beschneiden. Bleibt es bei der Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeit analog § 319 Abs. 1 BGB, so behalten Schiedsgutachten‑ und Schiedsgerichtsverfahren, die häufig zu identischen Zwecken ein303  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 102 f. will eine begrenzte inhaltliche Nachprüfung deshalb zulassen, weil der Schiedsgutachter nicht nur schiedsrichterliche Funktionen, sondern ebenso Funktionen eines Sachverständigen wahrnehme. An das Gutachten eines Sachverständigen sei das Gericht nur im Rahmen der Beweiswürdigung gebunden, und es könne sogar eine erneute Begutachtung anordnen, „wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet“ (§ 412 Abs. 1 ZPO). Zur unzureichenden Tragfähigkeit einer Parallele zum gerichtlichen Sachverständigen ist oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.) das Nötige gesagt. 304  Insofern setzt sich ein Beteiligter, der gegen ein offenbar unrichtiges Schiedsgutachten vorgeht, nicht „in einen gewissen Widerspruch zu seinem früheren Vertragswillen“ (so aber Greger/Stubbe, Rn. 171), sondern bestätigt diesen vielmehr. 305  B. Rauscher, S. 153 ff. 306 Anders Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 212.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

gesetzt werden können, charakteristische Merkmale, die sie auszeichnen und voneinander unterscheiden. Die Gestaltungsfreiheit der Parteien wird dadurch gestärkt.307

2. Substitution der Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen durch eine Haftung des Schiedsgutachters Wenn aber wirklich ein Bedürfnis danach besteht, Angriffe gegen das Schiedsgutachten so weit wie möglich auszuschließen, muss in einem nächsten Schritt überlegt werden, ob die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit bzw. Unrichtigkeit nicht ganz abgeschafft werden sollte. Gegen krass fehlerhafte Entscheidungen des Dritten wären die Parteien dann über Haftungsansprüche gegen den Schiedsgutachter abzusichern. Dies ist in der Tat der Ansatz des englischen Rechts, und auch das französische Recht legt strengere Standards an.308 Das hier im Übrigen ausgeblendete niederländische Recht begnügt sich ebenfalls nicht mit der offenbaren Unbilligkeit, sondern fordert, dass die Entscheidung des Dritten unannehmbar (onaanvaardbaar) ist, Art. 7:904 Abs. 1 BW. Einen Verstoß hätten die niederländischen Gericht erst selten bejaht.309

a) Englisches Recht Sofern sich der Dritte im Rahmen der vertraglichen Vorgaben der Parteien hält und diese auch nicht ausdrücklich vereinbart haben, im Falle eines manifest error nicht gebunden sein zu wollen, gibt es im englischen Recht kaum eine Möglichkeit, die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens zu beseitigen. Die Unverbindlichkeit kann sich dann nur aus einem implied term oder – in extremen Fällen – aus einem Verstoß gegen die public policy ergeben.310 Ein implied term würde die fehlende Vereinbarung einer beschränkten Bindungswirkung ersetzen und sich nahtlos in den allgemeinen Ansatz einfügen, dass es die Parteien sind, die in ihrem Vertrag die Reichweite der Bindungswirkung festlegen: „If the valuation has not been made in accordance with the express terms of the contract then it is clearly not binding. If it is made in accordance with the express terms, the next question is whether there were any implied terms that have not been complied with.“311

Stets angenommen wurde die Regel, dass ein Schiedsgutachten – ergebnisunabhängig – dann nicht binden kann, wenn es auf fraud oder collusion, d.h. also auf arglistigem Verhalten oder kollusivem Zusammenwirken mit einer Partei 307 

Näher unten § 16 D. (S. 829 ff.). Für vergleichbar halten demgegenüber Fleischer/Jaeger, RabelsZ 77 (2013), 693, 720 die erreur grossière und die offenbare Unrichtigkeit. 309 Asser/Hartkamp/Sieburgh, Bd. 6‑III*, Nr. 433. 310  Zur dieser dogmatischen Verankerung der Problematik siehe auch Borowsky, S. 112. 311  Baber v. Kenwood Manufacturing Co. [1978] 1 L ­ loyd’s Rep. 175, 181. 308 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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beruht.312 Collusion ist dabei in einem weiteren Sinne zu verstehen, der auch partiality einschließt.313 Üblicherweise wiederholen Gerichtsentscheidungen diesen Grundsatz, wenn sie allgemein die Grundsätze zur Verbindlichkeit von Schiedsgutachten skizzieren. Tatsächlich bejaht wurde fraud jedoch höchst selten.314 Was collusion und partiality angeht, so kann auf das oben zur Neutralität des Dritten Gesagte verwiesen werden.315

aa) Die Unbeachtlichkeit eines „mistake“ des Schiedsgutachters Weitaus wichtiger ist deshalb die Frage, ob auch ein Fehler des Schiedsgutachters unterhalb der Schwelle zur Arglist die Bindungswirkung entfallen lässt. Derartige Fehler werden als „mistake“ bezeichnet, die allerdings nicht mit dem identischen Begriff aus dem Recht der Willensmängel vermischt werden dürfen. Die genannte Frage muss nach heutiger Rechtslage eindeutig verneint werden.316 Auch wenn dem Dritten ein Fehler unterlaufen ist, sind die Parteien an seinen Spruch gebunden, dem sie sich als „final and conclusive“ unterworfen haben.317 Dieser Grundsatz wurde von Lord Denning im Jahre 1975 in dem Urteil Campbell v. Edwards318 formuliert und zwei Jahre später in Baber v. Kenwood 312 

Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Kenyon 87, 91; Collier v. M ­ ason (1858) 53 Eng. Rep. 613 = 25 Beav. 200; Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407 („If there were fraud or collusion, of course, it would be very different. Fraud or collusion unravels everything.“); Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 33; Kendall/ Freedman/Farrell, Rn. 14.11.1; Jones/Goodhart, S. 194; Guest/Reynolds/Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 43‑041; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑051 (zu s. 9 SGA); Jones, (1997) 63 Arbitration 213, 221. 313  Siehe bereits Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Kenyon 87, 91. Um einen Fall des Kollusion dürfte es sich auch handeln, wenn eine Partei sich unfair verhält, um ein ihr günstiges Schiedsgutachten zu erlangen, Mark, S. 105. 314  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.11.5, der lediglich einen australischen Fall nachweist, in dem eine bestimmungsberechtigte Partei die Datengrundlage ihrer Bestimmung gefälscht hatte. 315  Siehe oben § 7 B.II.5.b) (S. 458 ff.). Als „Fortwirkung und Sanktionierung des Gebots der Unparteilichkeit“ bezeichnet diese Ausnahme deshalb Borowsky, S. 112. 316  Unklar aber Bridge, International Sale of Goods, Rn. 2.26 und Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑051, die beide noch von einem heute teilweise überholten Rechtszustand auszugehen scheinen. 317  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.4.1 ff. (mit Überblick über die Entwicklung); ­Lewison, Rn. 14.07; ­Lloyd, S. 405 f.; Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑34; Guest, in: Chitty on Contracts, Rn. 32‑190; Atiyah/Adams/MacQueen, S. 32; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑051; Guest/Reynolds/Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 43‑041 (zu s. 9 SGA); Blake/ Browne/Sime, Rn. 21.35; Kuscher, IDR 2004, 178 ff. 318  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403; für wörtliche Zitate aus dem Urteil siehe oben Fn. 2 und 57. Siehe zuvor bereits aus dem Bereich der Qualitätsarbitrage Alfred C Toepfer v. Continental Grain Co. [1974] 1 ­Lloyd’s Rep. 11, 13 („a mistake by the certifier, even when afterwards admitted by him to be a mistake, does not invalidate the certificate“, ebenfalls per Lord Denning).

748

§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Manufacturing Co.319 bestätigt. In dem ersten der beiden Fälle hatte ein Grundstückssachverständiger einen Wert von £ 10.000 festgestellt, während zwei von der damit unzufriedenen Partei beauftragte Privatgutachter deutlich niedrigere Werte von £ 3.500 bzw. £ 1.250 ermittelten. Das Gericht weigerte sich, selbst in die Diskussion um die Wertermittlung einzutreten, sondern erhielt die erste, aufgrund der Schiedsgutachtenvereinbarung eingeholte Schätzung aufrecht. Im zweiten Fall war der Kläger mit der Anteilsbewertung auf der Grundlage eines Unternehmenskaufvertrags nicht einverstanden und begehrte die Feststellung von deren Unverbindlichkeit. Es verblieb gleichwohl eine Unsicherheit, weil es sich in beiden Fällen um sogenannte non-speaking valuations, d.h. ohne Begründung abgegebene Entscheidungen, gehandelt hatte. In Burgess v. Purchase & Sons (Farms) Ltd.320 ging es hingegen um eine speaking valuation, eine mit Gründen versehene Ermittlung des „fair value“ von Gesellschaftsanteilen anlässlich des Ausscheidens eines Gesellschafters. Ob auch hier alle Fehler unbeachtlich sein sollen, war in Campbell v. Edwards offengeblieben.321 Der High Court akzeptierte nun einen dahingehenden implied term, dass gravierende Fehler in der Begründung das Gutachten unverbindlich machen können. Die verbliebene Unsicherheit beseitigte schließlich der Court of Appeal in Jones v. Sherwood Computer Services Plc.322 Darin ging es um die Ermittlung bestimmter Umsatzzahlen eines Unternehmens, von denen wiederum ein Kaufpreisanpassungsmechanismus in einem Anteilskaufvertrag abhing. Das Gericht führte die in Campbell v. Edwards und Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. begonnene Rechtsprechungslinie fort und erstreckte sie auf speaking valuations.323 Die Differenzierung je nachdem, ob der Schiedsgutachter eine Begründung mitgeliefert hatte, verwarf das Urteil als irrelevant, da auch eine Begründung möglicherweise wenig aussagekräftig ist und stattdessen in jedem

319 

Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 179, 183. Burgess v. Purchase & Sons (Farms) Ltd. [1983] Ch. 216. 321  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407H. 322  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277. Das Urteil ist bereits im Jahre 1989 ergangen. 323  Nicht ganz richtig dürfte es deshalb sein, in dem Urteil die Einleitung einer „Trendwende“ zu erkennen (so aber Borowsky, S. 114 f.). Die eigentliche Trendwende haben vielmehr Campbell und Baber gebracht. Die Einschätzung Borowskys beruht vermutlich auf seiner unzutreffenden Annahme, dass nach Campbell und Baber eine non-speaking valuation nicht einmal aufgrund einer Abweichung von vertraglichen Vorgaben angegriffen werden könne und Jones v. Sherwood Computer Services Plc. dann insofern eine Neuorientierung und Angleichung an die für speaking valuations geltenden Grundsätze gebracht habe. In Wahrheit wird etwa in Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 181 ausdrücklich festgehalten, dass eine Verletzung ausdrücklicher vertraglicher Vorgaben zur Unverbindlichkeit führt. In Jones selbst werden die beiden früheren Urteile als „starting point of the reassessment of the law“ bezeichnet (S. 289F). 320 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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Fall sowohl das Gutachten als auch alle dem Gericht bekannten Begleitumstände gewürdigt werden müssten.324 Die fehlende Relevanz von Fehlern des Schiedsgutachters wurde in zahlreichen späteren Urteilen bestätigt.325 Den geltenden Rechtszustand fasst Kendall wie folgt zusammen: „In the absence of words such as ‚in the absence of manifest error‘, a patently wrong decision is usually unchallengeable unless the expert has materially departed from his instructions or exceeded his jurisdiction.“326

In praktischer Hinsicht bleibt es freilich dabei, dass eine mit Gründen versehene Entscheidung des Dritten wesentlich mehr Angriffsfläche bietet und deshalb eine Anfechtung – dann unter dem Vorbringen einer wesentlichen Abweichung von vertraglichen Vorgaben327 – immer noch eher Erfolg verspricht.328 Eine Tendenz, großzügiger die Abweichung von Vorgaben der Parteien zu bejahen, um doch noch zur Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens zu gelangen, lässt sich bislang jedoch nicht feststellen.329

bb) Gründe für die Unbeachtlichkeit Für diese restriktive Haltung lassen sich mehrere Gründe ausmachen. Ein erster Grund liegt darin, dass die Parteien sich vertraglich der Entscheidung des Dritten unterworfen haben.330 Heute weniger als früher schwingt darin eine bestimmte Vorstellung von der Aufgabenverteilung zwischen den privaten Parteien und dem Gericht mit: Weil die Parteien den Dritten zu ihrem „Richter“ in der Sache gemacht hätten, stehe es dem Gericht nicht zu, eigene Überlegungen zum wahren Wert des von dem Dritten zu schätzenden Gegenstands anzustellen.331 Moderne Entscheidungen stellen mehr den Willen der Parteien, die 324 

Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 284G: „Even speaking valuations may say much or little; they may be voluble or taciturn if not wholly dumb.“ 325  Siehe etwa Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3428 (Ch.), para. 258 ff.; Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 80; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] EWHC 977 (Comm.), para. 68; Balfour Beatty Construction Ltd. v. Lambeth LBC [2002] EWHC 597 (TCC), para. 27; Invensys Plc. v. Automotive Sealing Systems Ltd. [2002] All ER (Comm.) 222; Galaxy Energy International Ltd (BVI) v. Eurobunker SpA [2001] 2 ­Lloyd’s Rep. 725; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26; Mercury Communications Ltd. v. Director General of Telecommunications (CA) (22.7.1994, Westlaw); Nikko Hotels (UK) Ltd. v. MEPC Plc. [1991] 2 E.G.L.R. 103. 326  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.10.1. 327  Siehe oben § 15 B.II.1. (S. 709 ff.). 328  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.6.4 m.w.N., 14.9.2; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.34; ähnlich Atiyah/Adams/MacQueen, S. 32 f. 329 Übereinstimmend Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.20. 330  So auch Borowsky, S. 116. 331  Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Kenyon 87, 91 („But whatever

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

sich einem Schiedsgutachten unterwerfen, in den Vordergrund. Dies kommt in verschiedenen Formulierungen zum Ausdruck, die alle auf den einfachen Schluss hinauslaufen, dass die Parteien die Entscheidung als bindend gewollt hätten und deshalb nun daran gebunden seien.332 Parteien, die einem Dritten Entscheidungsmacht einräumen, nehmen dessen Fehlentscheidung in Kauf: „By ‚decision-making authority‘ I mean the power to make the wrong decision, in the sense of a decision different from that which the court would have made.“333

Bei näherer Betrachtung erscheint dieses Argument jedoch angesichts der Möglichkeiten, mit Hilfe von implied terms den Parteiwillen zu ergänzen, weitgehend nichtssagend. Der Umstand, dass sich die Parteien dem Spruch des Dritten unterworfen haben, kann für sich genommen nur begründen, dass die Parteien an diesen Spruch gebunden sind, nicht aber, wie weit diese Bindung reicht. Schließlich unterstellt im deutschen Recht § 319 Abs. 1 S. 1 BGB Parteien, die nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart haben, dass sie von vornherein nur dann an ein Schiedsgutachten gebunden sein wollen, das nicht grob fehlerhaft ist – und zwar selbst dann, wenn sie das Gutachten als „endgültig“ oder „verbindlich“ bezeichnen.334 Wer diese Annahme für zutreffend hält, könnte in England auf der Grundlage eines implied term die Reichweite der Bindungswirkung ganz entsprechend bestimmen. Einen implied term, wonach bestimmte inhaltliche Fehler die Bindungswirkung beseitigen, gibt es jedoch nicht, nicht einmal bei handgreiflichen Fehlern.335 Dies mag ein wenig überraschen angesichts der inzwischen allgemein anerkannten Auffassung, dass die Entscheidung eines Schiedsgutachters im Regelfall „fair“ zu sein hat;336 die Annahme eines entsprechenden implied term be the real value is not now to be considered, for the parties made Harris their judge in that point; they thought proper to confide in his judgement, and must abide by it, unless they could have made it plainly appear, that he had been guilty of some gross fraud, or partiality, on this occasion“). 332  Siehe z.B. Campbell v. Edwards [1974] 1 WLR 403, 407; Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 179; Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 287; Mercury Communications Ltd. v. Director General of Telecommunications (CA) (22.7.1994, Westlaw); Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26, 49; Halifax Life Ltd. v. Equitable Life Assurance Society [2007] EWHC 503 (Comm.), para. 80. Dieser Gedanke war auch vor diesen beiden Entscheidungen präsent, Frank H. Wright (Constructions) Ltd. v. Frodoor Ltd. [1967] 1 WLR 506, 524. 333  So die Formulierung von Dillon LJ in Mercury Communications Ltd. v. Director General of Telecommunications (CA) (22.7.1994, Westlaw) 334  Siehe oben § 14 B.II.2.a) (S. 648 f.). 335 Siehe Pontsarn Investments Ltd. v. Kansallis-Osake-Pankki [1992] 1 E.G.L.R. 148. 336  Siehe oben § 4 C.I.1.b) (S. 192 f.); außerdem z.B. Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 737. In ­Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175 war sogar ausdrücklich vereinbart worden, dass der „fair selling value“ der streitgegenständlichen Gesellschaftsanteile ermittelt werden sollte. Ein Gleichlauf von Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab wurde abgelehnt (S. 178).

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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könnte durchaus folgerichtig erscheinen. Stattdessen zeigt sich auch hier die Unabhängigkeit von Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab: Dass eine Entscheidung „fair“ sein muss, impliziert nicht ihre Unverbindlichkeit im Fall der „unfairness“. Mehr noch: Es wird sogar dann, wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart haben, ein implied term angenommen, dass das Schiedsgutachten „final and conclusive“ sein soll.337 Mithin wird der mutmaßliche Parteiwille anders bewertet als in Deutschland und dem gewollten Charakter des Schiedsgutachtens als „final and conclusive“ ein größeres Gewicht beigemessen. In dieser abweichenden Gewichtung der Parteiinteressen liegt tatsächlich ein Grund für die hohe Bestandskraft von Schiedsgutachten. Es wird davon ausgegangen, dass Parteien, die sich auf die Einholung eines Schiedsgutachtens verständigen, an einer raschen und endgültigen Beilegung ihres Streits gelegen ist.338 Sie wollen eine Auseinandersetzung vor Gericht vermeiden.339 Hinzu kommt in bestimmten Fällen, dass auch andere Vertragsverhältnisse, etwa in Lieferketten, davon beeinflusst werden können, wie das Schiedsgutachten ausgeht.340 All diese Vorteile werden gemindert, wenn mehr Angriffsmöglichkeiten gegen die Entscheidung des Dritten akzeptiert werden. Angesichts dieser Zielsetzung seien die Parteien bereit, das Risiko eines fehlerhaften Schiedsgutachtens zu übernehmen.341 Wenn die Parteien zu dieser Risikoübernahme nicht bereit sind, mögen sie vereinbaren, dass ein ­manifest error 342 beachtlich sein soll. In einem engen Zusammenhang mit dem Interesse der Parteien an einer raschen und endgültigen, nicht von den Verzögerungen oder Komplikationen ei337 

Siehe oben § 13 Fn. 4. Frank H. Wright (Constructions) Ltd. v. Frodoor Ltd. [1967] 1 WLR 506, 524 („The court will not and should not be astute to upset the decisions of those whom the parties have freely chosen to decide their problems for them. Any contrary approach would involve uncertainty and delay in ordinary every-day business affairs.“); Alfred C Toepfer v. Continen­ loyd’s Rep. 11, 13; Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] tal Grain Co. [1974] 1 L 1 WLR 277, 285E; Pontsarn Investments Ltd. v. Kansallis-Osake-Pankki [1992] 1 E.G.L.R. 148; Galaxy Energy International Ltd (BVI) v. Eurobunker SpA [2001] 2 L ­ loyd’s Rep. 725; Ackerman v. Ackerman [2011] EWHC 3428 (Ch.), para. 261. 339  Alfred C Toepfer v. Continental Grain Co. [1974] 1 ­Lloyd’s Rep. 11, 13; Arenson v. Casson Beckman Rutley & Co. [1977] AC 405, 428G (per Lord Wheatley); Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 179, 181; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 28; siehe bereits Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Kenyon 87, 92: „for those very disputes they were designed to prevent“. 340  Alfred C Toepfer v. Continental Grain Co. [1974] 1 L ­ loyd’s Rep. 11, 13; Veba Oil ­Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 14. 341  Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 L ­ loyd’s Rep. 175, 179, 181; Alfred C Toepfer v. Continental Grain Co. [1974] 1 L ­ loyd’s Rep. 11, 15 („For the sake of achieving certainty in the great majority of cases, it is worth while to take the risk that occasionally a wrong decision will be given and that there will be no means of reconsidering it.“). 342  Dazu oben § 15 B.II.2. (S. 713 f.). 338 

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

nes (Schieds‑)Gerichtsverfahrens belasteten343 Entscheidung stehen die prozessualen und praktischen Konsequenzen, die mit einer Beachtlichkeit von Fehlern einhergehen würden. Diese Konsequenzen stellen weniger einen eigenständigen Grund344 als vielmehr eine Erklärung für die Höhergewichtung des Parteiinteresses am Bestand des Schiedsgutachtens dar. In prozessualer Hinsicht ist die Schwierigkeit zu bedenken, dass eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des Dritten meist nur mit Hilfe weiterer Sachverständiger geschehen kann.345 Dieser Aufwand an Zeit und Kosten soll offenbar vermieden werden.346 Zudem muss sich ein Gericht, das ein Schiedsgutachten als unverbindlich betrachten möchte, rein praktisch fragen, was an dessen Stelle treten soll. In Deutschland beantwortet § 319 Abs. 1 S. 2 BGB diese Frage, indem er eine gerichtliche Ersetzung der unverbindlichen Entscheidung ermöglicht. Nach englischem Recht müsste es demgegenüber bei der Unverbindlichkeit des Gutachtens verbleiben. Wie oben erläutert, können sich englische Gerichte allenfalls zur Anordnung einer erneuten Durchführung des Schiedsgutachtenverfahrens durchringen.347

cc) Der entscheidende Grund: Die Haftung des Schiedsgutachters Der entscheidende348 Grund für die restriktive Haltung englischer Gerichte gegenüber Fehlern, die weder auf Arglist oder fehlender Neutralität noch auf einer Abweichung von vertraglichen Vorgaben beruhen, muss aber darin erblickt werden, dass der fahrlässige Schiedsgutachter der benachteiligten Partei  – unabhängig davon, wer ihn bestellt hat349 – aus Vertrag wie aus Delikt (negligence) haftet.350 Diese Haftung war erst wenige Jahre vor der Entscheidung in Campbell v. Edwards in zwei bedeutenden Urteilen des House of Lords etabliert worden.351 Darin wurde bezogen auf Architekten und Wirtschaftsprüfer begründet, dass den Schiedsgutachter – auch ohne ausdrückliche Ver343 

Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 285E. So aber Borowsky, S. 117. 345  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 288F („by reference to the expert evidence of yet more accountants“). 346  Kendall, (1993) 109 LQR 385, 386. 347  Siehe oben § 14 C.II.1.d) (S. 676 ff.). 348  Ähnliche Einschätzung bei Borowsky, S. 117 („wohl ausschlaggebend“). 349  Cooper v. Shuttleworth (1856) 25 L.J. Exch. 114, 115. 350  Siehe nur Guest/Reynolds/Beale, in: Chitty on Contracts, Rn. 43‑041; Rawlings, in: Benjamin’s Sale of Goods, Rn. 2‑051; Atiyah/Adams/MacQueen, S. 32; sowie die Nachweise im Folgenden. 351  Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727 (S. 735: während der Schiedsrichter nur auf der Grundlage der von den Parteien zur Verfügung gestellten Fakten entscheide, müsse der Schiedsgutachter eigene Ermittlungen anstellen; eine weitere Rolle spielte in diesem Fall vermutlich die Tatsache, das der als Schiedsgutachter eingesetzte Architekt nur von dem Bauherrn beauftragt worden war und deshalb die Situation einem Schiedsgerichtsverfahren weniger ähnlich war); Arenson v. Casson Beckman Rutley & Co. [1977] AC 405. 344 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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einbarung – wie jeden anderen Dienstleister eine Pflicht (duty of care) gegenüber beiden Parteien des Schiedsgutachtenvertrages trifft, sein Gutachten „with reason­able care and skill“ zu erstellen.352 An diese beiden Urteile knüpft Lord Denning ausdrücklich an; die Entscheidung zur Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens im Verhältnis zwischen den Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung sei „just a postscript“ dazu.353 Die Möglichkeit, den Schiedsgutachter in Anspruch zu nehmen, kompensiert somit, wie auch spätere Urteile ausdrücklich hervorheben,354 die hohe Bestandskraft des Schiedsgutachtens. Dieses Zusammenspiel wird besonders deutlich in einer Rückblende auf den diametral entgegengesetzten Rechtszustand vor diesen Urteilen. Wie ein Schiedsrichter355 hatte zuvor auch der Schiedsgutachter Immunität gegenüber Haftungsansprüchen der Parteien wegen einfacher Fehler genossen.356 Ihm war dafür der Status eines „quasi-arbitrator“ zugestanden worden, offenbar weil er wie ein Schiedsrichter eine ausgleichende und neutrale Entscheidung im Inter­ essengegensatz zweier Parteien treffen soll.357 Im Gegenzug bestand aber jedenfalls im Bereich der speaking valuations für lange Zeit358 eine gewisse Bereitschaft der Gerichte, auch bei einfachen Fehlern (oben als „mistake“ bezeichnet) die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens anzunehmen. So waren die Parteien nicht an die Entscheidung eines Dritten gebunden, wenn „some mistake, or some improper motive“ bewiesen war oder wenn das Gutachten auf einem „wholly erroneous principle“ fußte, wenn der Gutachter eine Partei schädigen wollte oder „if the price were so excessive or so small as only to be explainable by reference to some such cause“.359 Verlangt wurde nur, dass sich der Fehler 352  Zur näheren Ausgestaltung der Haftung siehe Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 15.7.1 ff.; Borowsky, S. 119 ff. 353  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407 f. (Zitat auf S. 408D). 354  Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 180; Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 286; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 22. 355  Siehe zu diesem heute noch s. 29(1) Arbitration Act 1996. 356  Siehe z.B. Pappa v. Rose (1872) L.R. 7 C.P. 525 (Qualitätsarbitrage); Chambers v. Goldthorpe [1901] 1 QB 624; weitere Nachweise in der ausführlichen Analyse in Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727 und bei Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 15.3.1 ff. 357  Siehe die scharfe Kritik von Lord Reid an der Figur des quasi-arbitrator in Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 735 ff. 358  Wenn auch nicht ganz ursprünglich: In Belchier v. Reynolds (1754) 96 Eng. Rep. 1318, 1319 = 3 Kenyon 87, 91 f. betrachtete das Gericht mangels fraud oder partiality des der Bewertung eines Anwesens betrauten Dritten dessen Schätzung als bindend, obwohl die beklagten Verkäufer ein Gegengutachten vorgelegt hatten, das den doppelten Wert auswies. 359  Collier v. Mason (1858) 53 Eng. Rep. 613 = 25 Beav. 200 (Kaufpreisbestimmung für ein Anwesen durch einen Makler); siehe außerdem Emery v. Wase (1803) 32 Eng. Rep. 451 = 8 Ves. 505; Dean v. Prince [1954] Ch. 409, 427 („if the courts are satisfied that the valuation was made under a mistake, they will hold it not to be binding on the parties“); Frank H. Wright (Constructions) Ltd. v. Frodoor Ltd. [1967] 1 WLR 506. In den älteren Fällen wurde ein „mistake“ verneint. Die beiden zuletzt genannten Fälle sind inzwischen – kurioserweise mit etwas

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

auf das Ergebnis ausgewirkt hat.360 Wäre diese Regel auch nach Anerkennung der Haftung des Schiedsgutachters beibehalten worden, hätte das die merkwürdige Folge gehabt, dass der für diesen neu geschaffenen Haftungsanspruch am nächsten liegende Schadensposten – die Bindung an ein unerwünschtes Schiedsgutachten – stets entfallen wäre.361

dd) Zusammenspiel von Unverbindlichkeit und Haftung Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass auch ein fehlerhaftes Schiedsgutachten nach englischem Recht verbindlich ist, solange der Schiedsgutachter nicht von vertraglichen Vorgaben abgewichen ist oder arglistig oder nicht neutral gehandelt hat. Dahinter steht die Vorstellung, dass eine möglichst hohe Bestandskraft trotz inhaltlicher Fehler dem Interesse der Parteien an einer schnellen Erledigung ihres Streits und einer Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzung dient. So hoch gewichten kann das englische Recht dieses Interesse vor allem auch deshalb, weil einerseits der Schiedsgutachter der von dem Fehler benachteiligten Partei zum Schadensersatz verpflichtet ist und andererseits die Unverbindlichkeit des Gutachtens mangels gerichtlicher Befugnis zur Ersatzbestimmung für die Parteien keine attraktive Alternative darstellt.

b) Französisches Recht Auch wenn der Zentralbegriff der erreur grossière dies nicht vermuten lässt, muss im Ergebnis inzwischen auch für das französische Recht angenommen werden, dass es die Haftung des Schiedsgutachters der Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens vorzieht.362 Die Entwicklung in den letzten Jahren geht sogar dahin, dass sich die Stimmen mehren, die die erreur grossière als Unverbindlichkeitsgrund ganz aufgeben und nur noch im Fall von Arglist die Entscheidung des Dritten für unverbindlich halten wollen. Wenn sich diese Tendenz durchsetzt, würde damit eine vermehrt im 19. Jahrhundert verfochtene Ansicht eine Renaissance erleben. Deshalb soll zunächst kurz diese Ansicht skizziert werden, bevor der neueren Entwicklung zur erreur grossière nachgegangen werden kann.

Zeitverzögerung – formal „overruled“ von Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 26. 360  Frank H. Wright (Constructions) Ltd. v. Frodoor Ltd. [1967] 1 WLR 506, 529. 361  Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 409; Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 L ­ loyd’s Rep. 175, 180; Veba Oil Supply & Trading GmbH v. Petrotrade Inc. [2001] EWCA Civ. 1832, para. 22. 362  In jedem Fall unanwendbar sind die Aufhebungsgründe aus dem Schiedsverfahrensrecht, Cass. com. 8.5.1961 Bull. civ. III, Nr. 192.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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aa) „une loi irréfragable“ – Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Dritten Über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg hat sich die – vornehmlich auf Art. 1592 Code civil bezogene – Ansicht gehalten, die Entscheidung des Dritten könne von den Parteien grundsätzlich nicht angegriffen und gerichtlich nicht abgeändert werden, mag sie auch noch so fehlerhaft erscheinen.363 Habe der Dritte den Kaufpreis bestimmt, so sei diese Bestimmung endgültig.364 Sie stelle „une loi irréfragable“, ein unwiderlegbares Gesetz, dar.365 Begründet wurde diese Ansicht mit einer auf den ersten Blick bestechend einfachen logischen Deduktion. Ausgangspunkt der Deduktion ist die Stellung des zur Kaufpreisbestimmung berufenen Dritten.366 Dieser sei weder als Schiedsrichter noch als gerichtlicher Sachverständiger im Sinne des Prozessrechts zu qualifizieren. Vielmehr habe er die Stellung eines mandataire, d.h. nach dem französischen Kausalprinzip einerseits Beauftragter, andererseits Vertreter beider Parteien. An die Erklärung dieses Vertreters müssten die Parteien aber gebunden sein wie an ihre eigene.367 Denn der Dritte bringe ihren Willen zum Ausdruck und nehme ihre Rolle wahr.368 Dürften sie369 davon abweichen, würde man ihnen erlauben, eine selbst eingegangene Verpflichtung nicht zu honorieren.370 Letztlich stünde sogar das Vorliegen eines wirksamen Kaufs in Frage, da es dann entgegen Art. 1591 Code civil an einem von den Parteien – mit Hilfe eines Vertreters – festgelegten Preis fehlen würde.371 Diese Logik hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wann sich die Parteien von dem Kauf unter Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der Kaufpreisbestimmung

363 

Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I; Guillouard, Vente, Nr. 107; Troplong, Vente I, Nr. 158; Duranton, Bd. XVI, Nr. 116; aus der Rechtsprechung CA Nancy 24.4.1884 S. 1884, 2,158; CA Bastia 3.4.1839 S. 1840,2,195; CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–1821,2,213. Zur Übernahme dieser Auffassung in das Rheinische Recht RG v. 10.12.1889 RGZ 24, 357, 360 f.: Nur Art. 1854 Code civil a.F. ordne eine Überprüfung ausdrücklich an. Im Übrigen sei eine Kontrolle nur dann statthaft, wenn die Auslegung ergebe, dass die Parteien eine Billigkeitskontrolle vereinbart haben. 364  Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I. 365  CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–1821,2,213 (als Hilfserwägung wird in diesem Urteil verneint, dass der vom Beklagten geltenden gemachten Fehler schwerwiegend genug sei); siehe auch Troplong, Vente I, Nr. 158 („une règle irréfragable“). 366  Siehe zu dem im folgenden skizzierten Gedankengang Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I; Guillouard, Vente, Nr. 107. 367  CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; CA Bastia 3.4.1839 S. 1840,2,195; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I; Guillouard, Vente, Nr. 107; Duranton, Bd. XVI, Nr. 116. 368  CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; Guillouard, Vente, Nr. 107. 369  Gemeint ist wohl stets die einseitige Abweichung. Zum einverständlichen Abgehen vom Spruch des Dritten siehe oben § 13 B.II. (S. 614). 370  Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I; Guillouard, Vente, Nr. 107. 371  Guillouard, Vente, Nr. 107.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

lösen dürfen:372 Von diesem Grundsatz dürfe – abgesehen vom Fall der Überschreitung des Auftrags373 – nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn ein Tatbestand vorliegt, der als Willensmangel einer Partei anzusehen wäre, hätte sie die Erklärung selbst abgegeben. Das komme aber nur bei arglistigem Verhalten der Gegenseite in Betracht. Der Ausschluss der Unverbindlichkeit in diesem Fall stelle somit keine Besonderheit der Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten dar, sondern entspreche den allgemeinen Regeln.374 Auch wenn dies nicht ausdrücklich ausgesprochen wird,375 läge es in der Logik dieses Gedankengangs, dass auch alle anderen Unwirksamkeitsgründe unabhängig davon, ob die Parteien den Kaufpreis selbst vereinbart oder sich zu diesem Zweck eines Dritten bedient haben, Anwendung finden. Dies gilt etwa beim Grundstückskauf für die in Art. 1674 Code civil ausnahmsweise für beachtlich erklärte lésion des Verkäufers.376 Allein darin, dass dem Dritten ein grober Fehler unterlaufen ist, liegt aber nach alldem kein Unverbindlichkeitsgrund. Rein praktisch werden noch zwei Unzuträglichkeiten eines Unverbindlichkeitsgrundes, der über die im Zwei-Personen-Verhältnis geltenden Gründe hinausgeht, zu bedenken gegeben. Erstens lasse sich kaum allgemein sagen, welche Fehler schwer genug wiegen würden, um die Unverbindlichkeit zu rechtfertigen.377 Habe der Richter von Fall zu Fall über diese Frage zu entscheiden, erhielte er eine Macht, die ihm ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung kaum zugestanden werden dürfe.378 Entsprechend versagt sich ein Gericht bereits eine Überprüfung, ob überhaupt ein inhaltlicher Fehler vorliegt.379 Hinzu komme zweitens, dass im Fall der Unverbindlichkeit der Vertrag zwingend unwirksam sei. Insbesondere dürfe nicht das Gericht einen neuen Dritten ernennen, der dann ersatzweise einen Preis festsetzt, da dieser Preis nicht vom Willen der Parteien getragen sei, was aber eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Kaufs bilde.380 Für das französische Recht bemerkenswert ist die Tatsache, dass gerade ein Gerichtsurteil sich um eine dogmengeschichtliche Rückkopplung dieser Ansicht bemüht und dieselbe Position – trotz und entgegen anderslautender Interpretationen bei Vinnius oder Pothier – schon in Justinians Entscheidung zur

372 

Siehe weiterhin Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I; Guillouard, Vente, Nr. 107. Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑II. 374  Guillouard, Vente, Nr. 107; Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I („C’est le droit commun.“). 375  Angedeutet aber bei Baudry-Lacantinerie/Saignat, Nr. 140‑I. 376  Guillouard, Vente, Nr. 107; Duranton, Bd. XVI, Nr. 116; zur lésion noch sogleich unten § 15 C.III.2.b)bb) (S. 758). 377  Guillouard, Vente, Nr. 107. 378  Guillouard, Vente, Nr. 107. 379  CA Bastia 3.4.1839 S. 1840,2,195. 380  Guillouard, Vente, Nr. 107; Duranton, Bd. XVI, Nr. 116. 373 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten erkennt.381 Dass diese Interpretation, die die Kaufpreisbestimmung im Corpus iuris als unanfechtbar ansieht, keineswegs zwingend ist, wurde oben bereits herausgearbeitet.382 Der Gegenansicht Pothiers, der für ein materielles Unverbindlichkeitskriterium eintrat, habe jedoch der Code civil eine bewusste Absage erteilt, indem Art. 1592 Code civil keine Ausnahme vorsehe.383 Diese Gegenansicht ist im Folgenden zu erörtern.

bb) Der Begriff der erreur grossière – Definitionsversuche und Alternativbegriffe Die Figur der erreur grossière wurde von der Rechtsprechung geschaffen.384 Sie findet gleichermaßen bei Art. 1592 Code civil, bei Art. 1843-4 Code civil wie auch bei der gesetzlich nicht geregelten expertise irrévocable385 Anwendung.386 Wer nun versucht, der Rechtsprechung eine Definition dieses Begriffs zu entnehmen, muss dabei vor allem zweierlei erkennen: Erstens hat die Rechtsprechung nie eine eigene Definition der erreur grossière geliefert. Und zweitens hat sie deren Vorliegen fast noch nie bejaht. Da es sich aber gleichwohl bei diesem vermeintlichen Phantom um einen Zentralbegriff der französischen Dogmatik der Delegation von Privatautonomie handelt, wird im Folgenden zunächst versucht, das Konzept mit Inhalt zu füllen, bevor dann nach Gründen für die geringen Erfolgsaussichten einer Berufung darauf gesucht werden kann. Weder die wenigen bejahenden noch die vielen ablehnenden Urteile stellen allgemein formulierte Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer ­erreur grossière auf.387 Möglicherweise will die Cour de cassation auf diese Weise eine Petrifizierung des von ihr selbst geschaffenen Begriffs vermeiden.388 Jedenfalls terminologisch hat sich das französische Recht mit dem Konzept der erreur grossière von den römischen Wurzeln der Leistungsbestimmung durch einen Dritten abgewandt. Domat und, unter Berufung auf die Glosse, ­Pothier sowie im Anschluss daran auch andere Autoren nach 1804 hatten noch an die iniquitas der Entscheidung angeknüpft.389 Wann eine Kaufpreisbestim381 CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–21,2,213 (unter Hinweis auf C. 4,38,15 und Inst. III,23,1); Berufung auf die römsichen Quellen auch in CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427. 382  Siehe oben § 4 C.I.2.b) (S. 200 ff.). 383  CA Toulouse 25.2.1820 S. 1819–21,2,213; CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854,2,427. 384  Siehe oben § 14 Fn. 293. 385  Siehe oben § 2 B.II.3.a) (S. 61 f.). 386  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 17. 387 Ebenso Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955: „L’erreur grossière d’appréciation est fréquemment invoquée, mais rarement définie en jurisprudence“; auch Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 388  Moury, Nr. 42.72; Mortier, Dr. sociétés 2013, Nr. 42. 389  Pothier, Vente, Nr. 24; Domat, I, I, III, XI (S. 26). Siehe auch den bis zum Jahre 1978 geltenden Art. 1854 Code civil a.F.: „Si les associés sont convenus de s’en rapporter à l’un d’eux

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

mung als „manifestement inique“ anzusehen sei, präzisierte Pothier jedoch nur im Ansatz:390 Erforderlich sei, dass zwischen der Festsetzung des Dritten und einem zu deren Überprüfung gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten eine erhebliche Differenz („différence … considérable“) bestehe. Da der Dritte für die Bewertung der Kaufsache stets über einen gewissen Spielraum verfüge, genüge eine bloß bescheidene Abweichung („différence modique“) nicht. Ob aber die Abweichung die Hälfte betragen müsse, um erheblich zu sein, oder ob vielleicht ein Drittel oder ein Viertel ausreichten, ließe sich allgemein nicht sagen, sondern müsse der Einschätzung des Richters vorbehalten bleiben. Das Kriterium ist nach diesem Ansatz klar inhaltlicher Natur. Es bezieht sich auf das Ergebnis der Entscheidung des Dritten. In diesem Sinne verstehen es auch die Autoren, die nach 1804 das Kriterium aufgegriffen haben.391 Besonders deutlich wird dieses Verständnis in Stellungnahmen, die erreur grossière und iniquité manifeste nebeneinander, d.h. als Unverbindlichkeitsgründe offenbar unterschiedlichen Gehalts, nennen.392 Diese Konzeption als inhalts‑ und ergebnisbezogen und insbesondere die Anklänge bei Pothier an eine Verkürzung über die Hälfte393 bildeten zugleich die Angriffsfläche für Kritik an dem Kritierium der iniquité manifeste. Denn schließlich habe der Code civil in Art. 1118394 das Konzept der „lésion“ verabschiedet und es in Art. 1134 Abs. 1 durch den Gesetzescharakter vertraglicher Vereinbarungen ersetzt.395 Die als Ersatz angebotenen Definitionen der erreur grossière stellen deshalb verstärkt auf die Art und Weise des Zustandekommens ab. Dieser Fehler liege vor, wenn er einem Sachverständigen, der normal auf seine Aufgaben bedacht sei, nicht unterlaufen dürfe.396 Es gehe um untragbare Bewertungsfehou à un tiers pour le règlement des parts, ce règlement ne peut être attaqué s’il n’est évidemment contraire à l’équité.“ 390  Pothier, Vente, Nr. 24 391  Cohen, Nr. 361; Gautier, RTD civ. 1992, 133; Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 16 f. (§ 349); Carbonnier, JCP 1947,II,3413; siehe auch Simont, FS Van Ommeslaghe, S. 275 f. (aus belgischer Sicht). 392  Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 16 (§ 349); Carbonnier, JCP 1947,II,3413. 393  Zum Hintergrund der laesio enormis siehe nur R. Zimmermann, Obligations, S. 259 ff.; ders., Moderationsrecht, S. 135 ff.; Luig, Festgabe Coing, S. 171 ff. Aufgegriffen werden diese Anklänge bei Gautier, RTD civ. 1992, 133 („non éloignée du concept de lésion“). 394  „La lésion ne vicie les conventions que dans certains contrats ou à l’égard de certaines personnes, ainsi qu’il sera expliqué en la même section.“ Siehe aber auch Art. 1674 Code civil für den Sonderfall des Immobilienkaufs: „Si le vendeur a été lésé de plus de sept douzièmes dans le prix d’un immeuble, il a le droit de demander la rescision de la vente, quand même il aurait expressément renoncé dans le contrat à la faculté de demander cette rescision, et qu’il aurait déclaré donner la plus-value.“ Zur Einordnung dieser Vorschrift R. Zimmermann, Obligations, S. 264. 395  Dazu bereits oben bei Fn. 29. 396  Viandier, JCP 1988,II,21050 (une erreur „qu’un technicien normalement soucieux de ses fonctions ne saurait commettre“); zustimmend Gibirila, Defrénois 2004, 1154, 1160; Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 477 (ablehnend aber jetzt ders., Nr. 42.72, dazu sogleich).

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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ler,397 um fachliche Fehler etwa in der Berechnung oder in der Auswahl der zu berücksichtigenden Faktoren.398 Dies komme etwa dann in Betracht, wenn der zur Bewertung von Gesellschaftsanteilen eingesetzte Dritte einen wichtigen Vermögensgegenstand der Gesellschaft nicht berücksichtigt habe.399 Zu diesen Definitionsansätzen passt es, wenn eine Entscheidung der Cour de cassation aus dem Jahre 1952 – als die erreur grossière freilich noch untechnisch verstanden wurde400 – einen Fehler deshalb bejaht hat, weil die Sachverständigen eine Bilanz ungeprüft übernommen, einige Vermögensgegenstände weit unter Wert angesetzt und andere ganz außer Betracht gelassen haben.401 In eine ähnliche Richtung geht der Fehler, den ein Urteil aus dem Jahre 2000 einem Dritten i.S.v. Art. 1843-4 Code civil angekreidet hat: Er sei von „prémisses erronnées“ ausgegangen, indem er seinen Auftrag so verstanden hat, dass die Parteien ihn um die Feststellung des Liquidationswert ersucht haben, während seine Mission – zumindest in den Augen des Gerichts – darauf gerichtet war, den Verkehrswert unter der Annahme einer Fortführung des Unternehmens zu ermitteln.402 Zuletzt hat die Cour de cassation eine erreur grossière angenommen, wenn der Dritte im Fall des Art. 1843-4 Code civil den falschen Bewertungszeitpunkt zugrunde gelegt403 oder sich zu Unrecht an eine gerichtliche Vorgabe eines Bewertungszeitpunkts gebunden geglaubt hat404. Jedoch weist Moury darauf hin, dass diese Definitionsversuche zwar das fehlerhafte Vorgehen des Dritten in den Vordergrund stellen, aber das Ergebnis seiner Bemühungen unberücksichtigt lassen.405 Eine Definition, die lediglich einen 397  Renard-Payen, JCP 2005, II, 10046 („erreur inadmissible dans l’appréciation des droits sociaux“). Präzisierend Moury, Nr. 42.72: Ob ein Fehler untragbar sei, beurteile sich stets in Abhängigkeit von der Aufgabe des Dritten. 398  Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 82; Bonneau, Dr. sociétés 1998, Nr. 135; für ein Abstellen auf das Verfahren auch D. Martin, RJC 2009, 312, 318. 399  Poracchia, Droit & Patrimoine 2001, 111. Als nicht ausreichend hatte es aber Cass. com. 4.11.1987, JCP 1988,II,21050 angesehen, wenn der Dritte die Körperschaftsteuer außer Betracht gelassen hat; ebenso Cass. com. 4.4.1995 – n° de pourvoi 92-22.020 (Legifrance). 400  Siehe oben § 15 A.II. (S. 701 ff.). 401  Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333. 402  Cass. com. 19.12.2000 Droit & Patrimoine 2001, 110. – Allerdings klingt in dieser Entscheidung schon an, das auch die Nichtbeachtung von Vorgaben an den Dritten unter den Begriff der erreur grossière subsumiert wird. Noch deutlicher wird dies in der dritten, im Jahre 2003 ergangenen Entscheidung, die einen derartigen Fehler angenommen hat und diesen darin erblickt, dass der Dritte den Inhalt der ihm übertragenen Aufgabe eigenständig abgeändert und auf diese Weise den ihm vorgegebenen Rahmen verlassen hat (Cass. civ. 1re 25.11.2003 Bull. civ. I, Nr. 243). Dass hierin analytisch eine andere Kategorie liegt, wurde oben § 15 A.II. (S. 703 ff.) begründet. 403  Cass. com. 15.1.2013 Bull. civ. IV, Nr. 9. Maßgeblich ist nach Ansicht des Gerichts ein Datum, das möglichst nah an dem Zeitpunkt liegt, zu dem die von dem Dritten ermittelte Summe tatsächlich gezahlt werden soll, so bereits Cass. com. 4.5.2010 Bull. civ. IV, Nr. 85; dazu Lucas, FS Tricot, S. 698 ff. 404  Cass. com. 3.5.2012 JCP E 2012, 1395. 405  Moury, Nr. 42.73.

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Sorgfaltsstandard festlege, sei für Haftungsansprüche gegen den Dritten relevant, nicht aber für die Folgen des Fehlers für den Ausgangsvertrag.406 Wenn der Sorgfaltsverstoß – und mag er noch so grob gewesen sein – keine nennenswerten Auswirkungen auf das Ergebnis gehabt hat, sei es gänzlich unverständlich und gegen die Interessen der Parteien, daraus die Unverbindlichkeit der Drittbestimmung und letztlich schlimmstenfalls die Unwirksamkeit des Ausgangsvertrags folgen zu lassen.407 Anders als das Verschulden des Dritten (faute), das sich nach dessen Verhalten beurteile, müsse der Begriff der erreur grossière an den Erfolg dieses Verhaltens anknüpfen.408 Mithin komme es auch nicht auf die Schwere des Verschuldens, sondern auf das Gewicht der Auswirkungen auf das Ergebnis an.409 Das Ergebnis müsse die Erwartungen der Parteien so sehr über den Haufen werfen, dass die Entscheidung des Dritten unmöglich zu ihrer „loi du contrat“ werden könne.410 Daraus ergibt sich folgender kombinierter Definitionsvorschlag: Eine erreur grossière liege deshalb erst dann vor, wenn der Fehler einem sorgfältigen Fachmann nicht unterlaufen dürfe, gemessen an den Erwartungen der Parteien untragbar sei und nennenswerte Auswirkungen auf das Ergebnis habe.411 Freilich erscheint die Differenz zwischen dieser Definition und der iniquité manifeste nicht mehr sehr groß, weil nach beiden Ansätzen das Ergebnis die entscheidende Rolle spielt. Ein Unterschied besteht nur noch insofern, als dass der letztgenannte Ansatz zusätzlich fordert, dass die Abweichung im Ergebnis auf einem Sorgfaltsverstoß beruht, während die iniquité manifeste scheinbar objektiv durch einen reinen Ergebnisvergleich festgestellt wird. Wenn aber ein Sorgfaltsverstoß auch darin liegen kann, nicht auf den eigenen, schuldlos begangenen Fehler aufmerksam geworden zu sein,412 wird dieses zusätzliche Erfordernis soweit verwässert, dass der Unterschied zwischen beiden Ansätzen marginal wird. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine erreur grossière – oder besser gesagt: eine inhaltliche erreur grossière im Unterschied zu der fälschlich so bezeichneten Abweichung von Vorgaben der Parteien – dann vorliegt, wenn aufgrund eines Fehlers des Dritten bei seiner Festsetzung deren Ergebnis erheblich von einer fehlerfreien Festsetzung abweicht. Dass dem Dritten gleichwohl ein erheblicher Spielraum verbleibt, bevor die Cour de cassation gewillt ist, eine e­ rreur grossière anzunehmen, illustriert ein Urteil aus dem Jahre 2005:413 Ein Dritter 406 

Moury, Nr. 42.72, 42.75. Moury, Nr. 42.73. 408  Moury, Nr. 42.73. 409  Moury, Nr. 42.73; ebenso Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 82: „Il y a erreur grossière lorsque l’estimation du tiers évaluateur est sans aucun rapport avec la valeur de la chose.“ 410  Moury, Nr. 42.133. 411  Moury, Nr. 42.74; ähnlich Cohen, Nr. 361. 412  Moury, Nr. 42.73. 413  Cass. civ. 1re 25.1.2005 Bull. civ. I, Nr. 49. 407 

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sollte nach Art. 1843-4 Code civil die Anteile eines ausscheidenden Notars an einer Notarsozietät bewerten. Im Hinblick auf das unkooperative Verhalten des Ausscheidenden bei der Abwicklung der noch offenen Amtsgeschäfte und auf dessen Entschluss, sein Amt in unmittelbarer Näher seiner ehemaligen Sozietät fortzuführen, nahm dieser Dritte einen Abschlag von immerhin 500.000 Francs auf den buchmäßig ermittelten Wert von 1.700.000 Francs vor. Anders als das Berufungsgericht, das hierin unzulässige subjektive Erwägungen, die sich zudem auf ein nach dem Bewertungsstichtag liegendes Verhalten bezogen, gesehen hatte, hielt die Cour de cassation die Festsetzung für verbindlich.414

cc) Geringe praktische Bedeutung der erreur grossière Dieses Beispiel leitet über zu der zweiten Beobachtung: Auch wenn die Cour de cassation die Voraussetzungen einer erreur grossière nicht mitteilt, scheint sie hohe Maßstäbe anzulegen. Die Rechtsprechung übt erstens äußerste Zurückhaltung bei der Annahme einer erreur grossière.415 Beispiele, in den tatsächlich einmal ein solcher Fehler bejaht wurde, bilden die große Ausnahme;416 derartige Entscheidungen kommen äußerst selten vor.417 Wenn ein Kommentator schreibt, bis 1987 habe noch kein Urteil eine erreur grossière bejaht,418 so kann als Gegenbeispiel allenfalls ein Urteil der Cour de cassation aus dem Jahre 1952419 angeführt werden, in dem der Begriff allerdings noch nicht fest etabliert war. Und selbst danach lassen sich, soweit ersichtlich, nur vier Beispiele finden, von denen eines durchaus zweifelhaft ist.420 In einem weiteren Fall hat die Cour de cassation die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung, ob eine erreur grossière vorlag, zurückverwiesen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie immerhin Anhaltspunkte dafür erkannt hat.421 Vermutlich steht hinter dieser Zurückhaltung die abschreckende Wirkung der drastischen Konsequenzen, die die erreur grossière auf den Vertrag hat. Weder die Unwirksamkeit des Vertrages noch seine Anpassung, die jedenfalls faktisch auf richterliches Betreiben zurückgehen und damit im Widerspruch zu den überkommenen Vorstellungen vom „office du juge“ stehen würde, erscheinen 414  Kritisch, da die Sanktion für unkooperatives Verhalten im Haftungsrecht zu suchen sei, Daigre, Bull. Joly Soc. 2005, 641, 641 f. (§ 140). Zustimmend aber mit Hinweis auf die große Entscheidungsfreiheit („très grande liberté“) des Dritten nach Art. 1843-4 Code civil, die ihn nicht an rein objektive Erwägungen binde, Renard-Payen, JCP 2005,II,10046. 415  Gautier, RTD civ. 1992, 133, 134 („extrêmement parcimonieux“); Caffin-Moi, Nr. 230. 416  Fages, Revue Lamy Droit des Affaires 2006, 62, 67; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 256), 26, 29. 417  Renard-Payen, JCP 2005,II,10046 („de telles décisions sont rarissimes“); Moury, Nr. 42.82 („peu souvent … retenue“). 418  Viandier, JCP 1988,II,21050. 419  Cass. com. 3.11.1952 Bull. civ. III, Nr. 333. 420  Siehe oben Fn. 402 ff. 421  Cass. com. 9.4.1991 Bull. civ. IV, Nr. 139.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

den Gerichten als attraktive Rechtsfolgen.422 Wenn der Unverbindlichkeit wie in Deutschland mit einer gerichtlichen Ersetzung abgeholfen werden könnte, wären die Anreize für eine restriktive Haltung geringer. Da sich die französische Rechtsprechung zu diesem Schritt nicht durchringen konnte, hat sie sich eine Alternative zu den unerwünschten Rechtsfolgen der erreur grossière geschaffen. Trotz Verbindlichkeit seiner Entscheidung kann sich der Dritte einem Schadensersatzanspruch der benachteiligten Partei ausgesetzt sehen. Bis zum Jahre 2004 hatte insofern ein Gleichlauf bestanden: Damit der Dritte erfolgreich in Anspruch genommen werden konnte, musste ihm eine erreur grossière unterlaufen sein. In einer aufsehenerregenden Entscheidung hat die Cour de cassation diese Linie verlassen und ein Vorgehen gegen den Dritten auch schon unterhalb der Schwelle der erreur grossière erlaubt.423 Dieser komme nur noch für das Verhältnis der Parteien untereinander Relevanz zu. Für die Haftung des Dritten sei allein auf das Verhältnis zwischen ihm und den Parteien abzustellen. In konsequenter Weiterführung der Qualifikation des Dritten als mandataire komme Auftragsrecht zur Anwendung. Danach hafte der Dritte gemäß Art. 1992 Code civil schon bei einfachem Verschulden (faute).424 Zwar bleibt in Gestalt des Sorgfaltsmaßstabs ein Mittel zur Feinsteuerung, welche Schiedsgutachten die Parteien hinzunehmen haben. So wird ein Verschulden wohl zu verneinen sein, wenn der Dritte das üblicherweise zu erwartende Verhalten an den Tag gelegt hat und mit der gebotenen Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Umsicht vorgegangen ist, selbst wenn er dabei zu einem Ergebnis gekommen ist, das andere Sachverständige nicht als den Wert der Kaufsache ansehen würden.425 Gleichwohl sind diese auftragsrechtlichen Kriterien so gewählt, dass die hohen Anforderungen einer erreur grossière nicht erreicht sein müssen.426 Wenn aber mit der Haftung des Dritten ein Ventil besteht, auf mögliche Fehler in dem Schiedsgutachten zu reagieren, sinkt der Druck, in das Vertragsverhältnis der Parteien einzugreifen, erheblich.

422 Vgl.

Gautier, RTD civ. 1992, 133, 134. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23; bestätigt nach einer erneuten Kassationsbeschwerde in derselben Sache in Cass. com. 6.2.2007 Bull. civ. IV, Nr. 27. Die Entscheidung ist zu Art. 1592 Code civil ergangen. Sie lässt sich jedoch auf Art. 1843-4 Code civil übertragen, Gautier, RTD civ. 2004, 310, 311; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 30. 424  Siehe auch z.B. Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255); Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955 f.; Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26 ff.; Gautier, RTD civ. 2004, 310 ff. 425  Cass. com. 6.2.2007 Bull. civ. IV, Nr. 27; Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255). Mit dem Vorschlag, die Rechtsprechung zur Haftung von gerichtlichen und außergerichtlichen Sachverständigen heranzuziehen, Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 478 f. 426  Vgl. Cass. com. 4.2.2004 Bull. civ. IV, Nr. 23; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2956. 423  Cass.

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dd) Abschied von der erreur grossière Vor diesem Hintergrund diskutieren manche Autoren, ob die Unverbindlichkeit aufgrund einer erreur grossière und die daraus resultierende Notwendigkeit einer neuen Bestimmung nicht überhaupt eine verfehlte Reaktion darstellen. Vielmehr solle die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens auf Fälle der Arglist, der lésion (wo sie gesetzlich anerkannt sei) und der Überschreitung des Auftrags beschränkt bleiben. Eines weiteren Unverbindlichkeitsgrundes in Gestalt der erreur grossière bedürfe es nicht, da sich die Parteien im Übrigen an den Dritten halten könnten.427 Da eine Angemessenheitskontrolle der Entscheidung des Dritten verfehlt sei und eine Überschreitung des Auftrags nur selten vorliegen werde, gehe es in Wirklichkeit darum, die Parteien vor einer faute des Dritten zu schützen.428 Indem diese Autoren eine inhaltliche Kontrolle anhand des Kritieriums der erreur grossière ablehnen, kehren sie zurück zu den alten Argumenten gegen eine Überprüfung des Spruchs des Dritten überhaupt:429 Mit der Delegation haben die Parteien die Entscheidung des Dritten zu ihrem Vertragsinhalt und damit zu ihrem Gesetz gemacht; davon könne eine Partei nachträglich ebenso wenig abrücken, wie sie überhaupt einen wirksam geschlossenen Vertrag nicht außerhalb der gesetzlich zugelassenen Gründe einseitig in Frage stellen dürfe.430 Entwickelt sich das französische Recht im Sinne dieser Ansicht weiter, so würde die bislang faktisch bestehende Position, die aufgrund der kaum erfüllbaren Anforderungen an eine erreur grossière ein Vorgehen gegen den Dritten zum Mittel der Wahl macht, rechtlich zementiert.

3. Haftung des Schiedsgutachters statt Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens – Ein Modell auch für das deutsche Recht? a) Mutmaßlicher Parteiwille: Haftung des Schiedsgutachters für unverbindliche Entscheidungen Ohne dass hier auf die Details der Haftung des Schiedsgutachters im deutschen Recht eingegangen werden muss,431 lässt sich doch ein signifikanter Unterschied zur Rechtslage in England und Frankreich herausstellen. Während in diesen beiden Rechtsordnungen der Schiedsgutachter auch und gerade für eine 427 So

Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29; Hallouin/Lamazerolles, D. 2005, 2950, 2955 f. (von Cour de cassation für Art. 1592 Code civil bereits bejaht, sollte für Art. 1843-4 Code civil übertragen werden). Auch schon Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 478 f. (allerdings noch mit Rekurs auf die erreur grossière als Haftungsvoraussetzung). 428  Moury, Rev. Sociétés 1997, 455, 478 f. 429  Siehe oben § 15 C.III.2.b)aa) (S. 755 ff.). 430  Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 29. 431  Dazu Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 53; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 89 ff.; Lembcke, DS 2011, 96 ff.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

fehlerhafte, aber gleichwohl verbindliche Entscheidung in Anspruch genommen werden kann, lässt ihn der Bundesgerichtshof, soweit nichts Anderes vereinbart wurde, nur bei Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens haften.432 Die Möglichkeit, eine gerichtliche Ersetzung nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB zu verlangen, steht dem Eintritt eines Schadens nicht entgegen.433 Jedoch darf daraus nicht der Schluss gezogen werden, der auf das Verhältnis der Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung zugeschnittene § 319 Abs. 1 BGB wirke unmittelbar in das Verhältnis zwischen den Parteien und dem Schiedsgutachter hinein. Vielmehr sind beide Verhältnisse zu trennen.434 Das Pflichtenprogramm des Schiedsgutachters bestimmt sich nach dem Verhältnis zwischen dem Schiedsgutachter und den Parteien435, nicht nach § 319 Abs. 1 BGB. Denn diese Norm befasst sich lediglich mit der Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens im Verhältnis zwischen den Parteien.436 Die Haftung des Dritten richtet sich nach den Pflichten, die er gegenüber den Parteien übernommen hat.437 Da dieses Pflichtenprogramm auf privatautonomer Grundlage modifiziert werden kann, lässt sich das Problem reduzieren auf die Frage, was bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über den Haftungsumfang gelten soll.438 432  BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296; BGH v. 9.7.1981 BGHZ 81, 229, 237; BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 377; OLG Schleswig v. 21.9.1988 NJW 1989, 175 (zum Sachverständigen in Versicherungsvertragsrecht); ebenso Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 61; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 22; Münch ­Komm-­BGB/ Würdinger, § 317 Rn. 53; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 307 f. (§ 12 IV 12); Greger/Stubbe, Rn. 126 (anders in Rn. 179 für feststellende Schiedsgutachten); Acker/Konopka, SchiedsVZ 2003, 256, 259. Nicht eindeutig RG v. 19.10.1932 JW 1933, 217 (Haftung bei „groben Verstößen gegen anerkannte Regeln fachwissenschaftlicher Art“); Honsell, JuS 1976, 621, 624; Lembcke, NZBau 2012, 85, 87. 433  BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296. 434  Siehe insbesondere Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 11; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 53; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 95 ff.; Sieg, VersR 1965, 629, 635. 435  Die Rechtsnatur dieses Verhältnisses kann hier offenbleiben (dazu oben § 4 D.I.1.a) [S. 226 f.]). In der Regel wird es sich um einen Vertrag mit beiden Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung handeln, siehe z.B. B. Meyer, S. 49 ff. m.w.N. Doch ist auch der Abschluss mit nur einer Partei des Schiedsgutachtenvertrags möglich, sofern dabei „eindeutig offengelegt“ wird, dass es sich um ein Schiedsgutachten und nicht um ein Privatgutachten handelt, BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296, 1297. Anders liegen die Dinge im Erbrecht. So steht etwa der Dritte bei § 2198 BGB, wenn er sich nicht selbst ernennt, in keinem Rechtsverhältnis zu den Erben, Staudinger/Reimann, § 2198 Rn. 4. Deshalb haftet er grundsätzlich allenfalls nach § 826 BGB, Soergel/Damrau, § 2198 Rn. 3. Auch für die Haftung des Preisrichters kommt einzig § 826 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht, Münch­Komm-­BGB/Seiler, § 661 Rn. 16; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 89; weitergehend Staudinger/Bergmann, § 661 Rn. 40 (Vertrag zwischen Auslobendem und Preisrichter entfalte Schutzwirkung zugunsten der Bewerber). 436 Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 11; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 95. 437 Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 11; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 89; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 437; auch BGH v. 13.12.1956 BGHZ 22, 343, 345. 438  Für eine Ablösung der Frage vom Willen der Parteien Gernhuber, Schuldverhältnis,

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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Theoretisch spräche auch in Deutschland nichts dagegen, eine Pflichtverletzung des Dritten immer schon dann anzunehmen, wenn dieser gegen anerkannte fachwissenschaftliche Regeln verstoßen439 oder – im Bereich des gestaltenden Schiedsgutachtens – diejenige Sorgfalt vermissen lässt, die ihm seine Verpflichtung auf den Entscheidungsmaßstab des billigen Ermessens auferlegt440. Die Schwelle der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit müsste nicht erreicht sein. Zum Teil wird sogar eine Haftung des Schiedsgutachters für jegliche Fehler angenommen.441 Den extremen Gegensatz dazu würde es darstellen, eine Haftungsbeschränkung als vereinbart anzusehen, die auch dem privaten Schiedsgutachter ein Privileg gemäß § 839 Abs. 2 BGB gewährt.442 Da hiermit nur die These, dass der Schiedsgutachter richterliche Funktionen wahrnehme, konsequent fortgeführt würde und diese These oben443 bereits verworfen wurde, erübrigt sich hier ein weiteres Eingehen auf diesen Ansatz. Auch in der Sache würde dies Privileg zu weit gehen, hat doch § 839 Abs. 2 BGB den Zweck, die materielle Rechtskraft eines Urteils zu schützen.444 Ein privates Schiedsgutachten bedarf keiner vergleichbar weitreichenden Absicherung.445 Doch auch die großzügige Zulassung einer Haftung vermag nicht zu überzeugen. Zwar schuldet der Dritte eine billige oder richtige, nicht etwa nur eine nicht offenbar unbillige oder offenbar unrichtige Entscheidung. Sein Entscheidungsmaßstab muss, in Ermangelung einer vorrangigen Parteiabrede, § 317 Abs. 1 BGB entnommen werden, nicht § 319 Abs. 1 BGB. Gleichwohl wollen die Parteien, wenn nicht wie etwa in § 29 DIS-SchGO etwas anderes vereinbart ist,446 eine Haftung nur im Falle der Unverbindlichkeit des Gutachtens. Denn sie holen zur Beendigung ihres Streits ein Gutachten ein, von dem sie wissen, dass es für sie auch im Fall von Fehlern verbindlich sein kann.447 Sie unterwerS. 307 (§ 12 IV 12), für den die privilegierte Haftung des Schiedsgutachters „notwendig“ mit dem erhöhten Bestandsschutz für Schiedsgutachten einhergeht. 439  So Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 11; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 95; Münch­Komm-­BGB/ Würdinger, § 317 Rn. 53; Greger/Stubbe, Rn. 179 (bezogen auf feststellende Schiedsgutachten); Lembcke, DS 2011, 96, 99. 440 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 96. 441  Sieg, VersR 1965, 629, 635; Marsilius BB 1959, 1015, 1016. 442  Schwab/G. Walter, Kap. 2 Rn. 10 (bezogen auf feststellende und anpassende Schiedsgutachten); B. Meyer, S. 122 ff. (dort zugleich zur Ablehnung einer Inkorporation des Haftungsprivilegs aus § 839 Abs. 2 BGB im Wege der Analogie); Staudinger/Richardi/Fischinger, Vorbem zu §§ 611 ff Rn. 97. 443  Siehe oben § 7 B.II.2.b) (S. 439 ff.). 444  Vgl. nur Münch­Komm-­BGB/Papier, § 839 Rn. 323 mit zahlreichen Nachw. 445  Gegen eine analoge Anwendung auch BGH v. 17.1.2013 NJW 2013, 1296, 1297; BGH v. 13.12.1956 BGHZ 22, 343, 345; Soergel/M. Wolf, § 317 Rn. 11; Staudinger/­Rieble, § 317 Rn. 91. 446  Die Existenz der in § 29 DIS-SchGO vorgesehenen Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit widerlegt zugleich die These von Joussen, AcP 203 (2003), 429, 437, dass abweichende Vereinbarungen über den Haftungsmaßstab „wohl“ nicht vorkommen. Siehe weiter für privatautonome Modifikationen der Haftung Lembcke, DS 2011, 96, 98 ff. 447  BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 376 f.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

fen sich bewusst einer Fremdbestimmung.448 Den Zweck der Streitbeilegung erreichen sie nicht, wenn sie ihre Auseinandersetzung in das Verhältnis mit dem Schiedsgutachter tragen.449 Beweisschwierigkeiten und Prozessrisiken, die bei einer Inanspruchnahme des Schiedsgutachters wahrscheinlich sind, sprechen überdies für einen Ausschluss der Haftung.450 Denn die Haftung des Schiedsgutachters trotz Verbindlichkeit des Gutachtens hätte zur Folge, was die Parteien dem Gedanken des § 319 Abs. 1 S. 1 BGB nach gerade vermeiden wollen: Das Gutachten müsste auch auf kleinere Fehler überprüft werden.451 Hinzu kommt, dass bei der Auslegung des Vertrages mit dem Schiedsgutachter auch dessen Wille zu berücksichtigen ist. Dieser Wille wird aber – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es meist einen gewissen Korridor gleichermaßen billiger oder richtiger Entscheidungen geben wird – darauf gerichtet sein, nicht schon bei einer kleineren Abweichung von der Linie, die sich später in einem Haftpflichtprozess als in den Augen des Gerichts ideale herausstellen wird, zu haften.452 Mit dem Hinweis auf diese Interessenlage lässt sich auch ein scheinbarer Widerspruch auflösen, mit dem das House of Lords453 die Begründung einer allgemeinen Haftung des Schiedsgutachters für Fahrlässigkeit stützen wollte: Während ein Sachverständiger, der einen Kunstgegenstand deshalb schätzen soll, weil sein Auftraggeber mit dem Gutachten in der Hand nach einem Käufer Ausschau halten möchte, ganz gewöhnlich wegen Fahrlässigkeit haftet, bleibt er von dieser üblichen Fahrlässigkeitshaftung verschont, wenn er den Kunstgegenstand deshalb bewerten soll, weil sich bereits ein Käufer verpflichtet hat, die Sache zu dem ermittelten Wert zu kaufen. Wenn also die Parteien einem Dritten zur Anpassung eines Mietvertrages die Ermittlung der ortsüblichen Miete überlassen, so würde ein Schiedsgutachten, das eine Miete von 11.000 feststellt, möglicherweise nicht als offenbar unrichtig angesehen, auch wenn ein anderer Gutachter zu dem Schluss gelangt, ortsüblich sei nur eine Miete von 10.500. Der Mietvertrag würde vielmehr mit einem Mietzins von 11.000 fortgesetzt. Soll nun der unzufriedene Mieter gegen den 448 

Greger/Stubbe, Rn. 126. Kritisch wegen einer möglichen Verlagerung des Streits von den Parteien auf das Verhältnis zum Schiedsgutachter auch Greger/Stubbe, Rn. 179 (allerdings mit der Schlussfolgerung, dann müssten die Parteien eben eine Haftungsbeschränkung mit dem Schiedsgutachter vereinbaren); Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 308 (§ 12 IV 12); skeptisch Lembcke, DS 2011, 96, 98 (der dort erhobene Einwand, dies Argument verfange nicht, wenn ein großzügigerer Maßstab als offenbare Unbilligkeit gelte, übersieht, dass die Verbindlichkeit dann unabhängig von § 319 Abs. 1 BGB geregelt ist und mit Absenkung des Kontrollmaßstabs auch eine Haftung eher in Betracht kommt); Honsell, JuS 1976, 621, 624. 450 Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 97 nimmt mit dem Hinweis auf diese Risiken hingegen vielmehr die weitergehende Ansicht gegen die Sorge vor einer übermäßigen Haftung in Schutz. 451  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 308 (§ 12 IV 12). 452  BGH v. 22.4.1965 BGHZ 43, 374, 377; Honsell, JuS 1976, 621, 624. 453  Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 758 (per Lord Salmon). 449 

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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Schiedsgutachter auf den Differenzbetrag klagen? Dies hätte zur Folge, dass nicht die von den Parteien angestrebte Ruhe einkehrt, sondern weitere Sachverständigengutachten eingeholt werden und möglicherweise über mehrere Instanzen prozessiert wird, wenn auch zwischen anderen Streitparteien als den Parteien des Schiedsgutachtenvertrags. In gewisser Weise, so könnte nun eingewendet werden, ähnelt diese Argumentation der oben verworfenen Begründung für einen Rückgriff auf § 839 Abs. 2 BGB. Ein Unterschied zwischen beiden Ansätzen, der § 839 Abs. 2 BGB nach wie vor als untauglichen Ansatzpunkt erscheinen lässt, liegt jedoch darin, dass diese Vorschrift nicht die Qualität des Ergebnisses, sondern das Verhalten der Entscheidungsperson in den Vordergrund rückt. Den Parteien der Schiedsgutachtenvereinbarung dürfte es jedoch vorrangig um die Güte des Schiedsgutachtens gehen. Aus welchem Grund es offenbar unbillig oder offenbar unrichtig ist, tritt demgegenüber den Hintergrund. Mit einer vergleichbaren Argumentation wird auch im französischen Schrifttum die Cour de cassation dafür kritisiert, unterhalb der Schwelle einer erreur grossière eine Haftung des Dritten zuzulassen. Da es in beiden Verhältnissen um ein und denselben Fehler des Dritten gehe, dürfe die benachteiligte Partei nicht vom Dritten beanspruchen dürfen, was sie von ihrem Vertragspartner nicht fordern könne.454 Andernfalls erlange diese Partei im Ergebnis das, was ihr aufgrund der erhöhten Anforderungen an eine erreur grossière eigentlich verwehrt sein sollte.

b) Haftungsmodell als Funktionsäquivalent zur richterlichen Ersetzung Freilich wird diese Argumentation problematisch, wenn – wie in England oder Frankreich – die Voraussetzungen an die Unverbindlichkeit des Gutachtens so hoch geschraubt werden, dass sie kaum noch erfüllbar sind. Dann spricht in der Tat einiges dafür, die Haftung schon unterhalb der Schwelle der Unverbindlichkeit einsetzen zu lassen. Andernfalls müssten die Parteien jegliche, auch krass unrichtige Entscheidungen eines Dritten hinnehmen. Wenn jedoch, wie soeben herausgearbeitet, eigentlich eine Entsprechung von Haftungsmaßstab und Kontrollmaßstab interessengerecht erscheint, lohnt es sich zu überlegen, aus welchen Gründen sich das englische und das französische Recht für diesen alternativen Weg entschieden haben. Eine Antwort könnte sich aus einer funktionalen Betrachtung der Haftung des Dritten ergeben.455 Angenommen, der Schiedsgutachter in dem obigen Beispiel der Mietzinsanpassung würde verurteilt, dem an das unrichtige Schiedsgutachten gebundenen Mieter den Differenzbetrag von 500 zu erstatten. Im 454 

Gautier, RTD civ. 2004, 310, 311 f. Parallelproblem bei der Preisbestimmung durch eine Partei C. Witz/Wolter, ZEuP 3 (1995), 648, 657 f. 455  Zum

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

Ergebnis wäre damit der Zustand hergestellt, den im deutschen Recht die gerichtliche Ersetzung nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB hervorbringt: Nach richterlicher Beweisaufnahme mit Hilfe eines neuen Gutachtens wird durch Urteil die Last des Mieters auf das „richtige“ Maß angepasst. Funktional kann die Haftung des Schiedsgutachters also kompensieren, dass weder das englische noch das französische Recht eine Kompetenz des Richters anerkennen, unverbindliche Schiedsgutachten durch Urteil zu ersetzen.

c) Nachteile des Haftungsmodells Wenn nun aber dies die Funktion der erleichterten Haftung darstellt, so verliert das Alternativmodell, die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen mit einer Haftung des Schiedsgutachters zu substituieren, für das deutsche Recht, das eine richterliche Ersetzung kennt, erheblich an Attraktivität. Denn dann sind nicht nur die Grundvoraussetzungen anders. Vor allem lassen sich dann auch zwei Nachteile des Alternativmodells klar erkennen: Erstens bleibt die benachteiligte Partei nach dem haftungsrechtlichen Modell schutzlos, wenn der Fehler des Schiedsgutachters schuldlos geschah. Diese Konsequenz wird von der englischen Rechtsprechung ausdrücklich benannt.456 Es wird sogar ergänzt, dass sich gerade bei Bewertungsentscheidungen eine Fahrlässigkeit nicht immer zweifelsfrei feststellen lasse.457 Die Verknpüfung von Haftung und Unverbindlichkeit bedeutet keineswegs, dass dann, wenn ein Fehler nicht einmal auf Fahrlässigkeit beruht, die Entscheidung des Dritten unverbindlich sein muss.458 Ebenso wird im französischen Recht konzediert, dass sich ein passender Sorgfaltsmaßstab erst noch herauskristallisieren muss.459 Hinzu kommt, dass der Schiedsgutachter sowohl in England als auch in Frankreich durchaus auf einem zulässigen Haftungsausschluss bestehen kann.460 Selbst ohne formalen Haftungsausschluss kann der Dritte es durch die Abgabe einer non-speaking decision den Parteien faktisch unmöglich machen, ihm schuldhaftes Verhalten nachzuweisen.461 Er könnte auf diese Weise im Ver-

456 

Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 409. etwa in der ersten Grundsatzentscheidung zur Haftung des Schiedsgutachters Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727, 760 (per Lord Salmon): „It by no means follows that a professional valuation or opinion was negligently given because it turns out to have been completely wrong.“ 458  So die Schlussfolgerung von Berg, (1993) 109 LQR 35, 37. 459  Ledoux, Bull. Joly Soc. 2011, 530, 533 (§ 255); Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 28. 460  Für England: Campbell v. Edwards [1976] 1 WLR 403, 407E; Baber v. Kenwood Manufacturing Co. Ltd. [1978] 1 ­Lloyd’s Rep. 175, 180; zu Einzelheiten siehe Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 15.7.15 m.w.N.; Blake/Browne/Sime, Rn. 21.48 f. Für Frankreich: Fischer-­ Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 28; Leveneur, CCC 2004, comm. 56. 461  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 15.7.16: „Experts prefer to issue non-speaking deci457  So

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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hältnis der Parteien des Schiedsgutachtenvertrages beeinflussen, in welchem Umfang sich diese mit einer fehlerbehafteten Entscheidung abfinden müssen.462 Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit oder Unrichtigkeit im deutschen Recht tritt hingegen unabhängig von einem Verschulden des Dritten ein.463 Den Parteien geht es vor allem um ihr Verhältnis. Ihrem Interesse an für dieses Verhältnis passenden Entscheidung des Dritten kommt diese Lösung eher entgegen. Stellt sich die Entscheidung tatsächlich als unverbindlich heraus, wird sie vom Gericht ersetzt. Ob der Dritte schuldhaft gehandelt hat, spielt dann nur noch eine Rolle dafür, ob er wegen der Kosten für die richterliche Ersetzung oder etwaige Verzögerungsschäden in Regress genommen werden kann.464 Dieser Problematik sind sich englische Juristen durchaus bewusst. Ein Richter des High Court hat sie in einem Urteil offen artikuliert: Die haftungsrechtliche Lösung stelle die Gerichte vor die Alternative, in manchen Fällen die benachteiligte Partei mit leeren Händen dastehen zu lassen oder aber in jedem unrichtigen Gutachten eine Pflichtverletzung des Gutachters zu erkennen.465 Die Entscheidung des High Court wurde einige Jahre später vom Court of Appeal ausdrücklich missbilligt; ein formales „overruling“ war nicht erforderlich, da die Entscheidung ohnehin nicht bindend war.466 Zweitens führt das Haftungsmodell zu einer nicht gerechtfertigten Verteilung von Insolvenzrisiken – und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen kann die erleichterte Haftung des Schiedsgutachters einer Partei des Schiedsgutachtenvertrags eine willkommene Absicherung gegen die Insolvenz ihres Vertragspartners bieten. So hatte sich in Sutcliffe, der ersten Grundsatzentscheidung des House of Lords zur Haftung des Schiedsgutachters, der klagende Bauherr an den Architekten, der als Schiedsgutachter die Zahlungspflicht des Bauherrn fahrlässig zu hoch eingeschätzt hatte, gehalten, nachdem der Bauunterneh-

sions … This stems from the fact that the less an expert discloses, the less anyone can find fault with.“ 462  Kritisch deshalb Burgess v. Purchase & Sons (Farms) Ltd. [1983] Ch. 216, 225 f. 463  Allgemein anerkannt, siehe nur RG v. 25.3.1904 DJZ 1904, 554, 555; Palandt/Grüneberg, § 319 Rn. 3; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 319 Rn. 2; v. Hoyningen-Huene, S. 39; Recke, ArchBürgR 20 (1902), 137, 143; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 299 („nicht daß der Arbitrator, sondern daß der Spruch unbillig sei, ist der Grund der Anfechtung“); anders § 806 S. 2 sächs. BGB und Art. 39 Abs. 2 DresdE mit der zutreffenden Absicht, Angriffsmöglichkeiten gegen das Schiedsgutachten zu reduzieren, allerdings auf der verfehlten Grundlage einer Annäherung an die Regeln des Schiedsverfahrens. 464  Siehe zu diesem Schadensposten z.B. Greger/Stubbe, Rn. 179; Lembcke, DS 2011, 96, 100. 465  Burgess v. Purchase & Sons (Farms) Ltd. [1983] Ch. 216, 225 f. in bewusster Abweichung von Lord Dennings Urteil in Campbell: „I do not think that the question what remedy, if any, the plaintiff may have against the valuers has any relevance to the question what is his remedy against the other party to the contract.“ 466  Jones v. Sherwood Computer Services Plc. [1992] 1 WLR 277, 289.

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§ 15 Einzelheiten zum Kontrollmaßstab

mer insolvent geworden war.467 Zum anderen aber bürdet dies Modell einseitig der benachteiligten Partei das Risiko auf, dass sich der Dritte der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs widersetzt oder insolvent wird. So wird in Frankreich bereits erwartet, dass die Parteien ihren Dritten nicht mehr nur nach seinem Sachverstand, sondern auch nach seiner Solvenz auswählen werden.468 Diese Risikozuweisung lässt sich nicht damit vereinbaren, dass die Parteien den Dritten im beiderseitigen Interesse gemeinsam mit seiner Aufgabe betraut haben. Fehler in der Sphäre dieses Dritten können dann nicht einseitig zu Lasten einer der Parteien gehen. Nach alledem ist festzuhalten, dass – jedenfalls in einem System, dem die richterliche Ersetzung einer unverbindlichen Entscheidung des Dritten geläufig ist – die Haftung dieses Dritten eine Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens aus inhaltlichen Gründen nicht zu substituieren vermag. Bei der Festsetzung der Schwelle der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit ist folglich zu bedenken, dass diese nicht unerreichbar hoch angesetzt werden darf.

4. Zwischenergebnis Der von § 319 Abs. 1 BGB angelegte Kontrollmaßstab der offenbaren Unbilligkeit oder Unrichtigkeit schafft einen angemessenen Interessenausgleich. Ein strengerer Maßstab, der sich etwa an § 1059 ZPO anlehnt, die Unbilligkeit enger als bisher geläufig versteht oder für den Regelfall eine konkludente Abbedingung von § 319 Abs. 1 BGB annimmt, würde das Interesse der Parteien am Bestand des Schiedsgutachtens zu Lasten des Interesses, nicht an krass fehlerhafte Entscheidungen gebunden zu sein, überbetonen – ein Interesse, das ex post vielleicht nur noch die benachteiligte Partei hat, das ex ante aber beide Parteien teilten. Dieses Ungleichgewicht kann nicht durch eine großzügigere Haftung des Dritten kompensiert werden.

IV. Ergebnis Wer seine Privatautonomie delegiert, bestimmt zugleich, in welchem Umfang die Entscheidung des Dritten ihn binden kann. Er legt damit den Kontrollmaßstab für diese Entscheidung fest. Kern aller Gründe für eine Unverbindlichkeit ist damit eine Überschreitung dieses Umfangs. Mit diesem Modell lassen sich sowohl Verfahrensverstöße als auch inhaltliche Mängel des Schiedsgutachtens erfassen. Der Delegierende will nicht an die Entscheidung eines nicht neutralen Dritten gebunden sein. Hat er weitere Vorgaben gemacht, will er auch deren Einhaltung, sofern die Abweichung nicht – wie im englischen Recht vor467  468 

Sutcliffe v. Thackrah [1974] AC 727. Fischer-Achoura, Petites Affiches 21.12.2004 (Nr. 254), 26, 28.

C. Die Unverbindlichkeit wegen offenbarer Unbilligkeit insbesondere

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gezeichnet – unwesentlich ist. Zudem entspricht es nicht seinem Willen, an eine offenbar unbillige oder, im Fall von Feststellungsentscheidungen, offenbar unrichtige Entscheidung gebunden zu sein. In § 319 Abs. 1 BGB wird dieser Wille im dispositiven Recht verankert; in England bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung der Unverbindlichkeit wegen manifest error. Der Maßstab der offenbaren Unbilligkeit bzw. offenbaren Unrichtigkeit hat sich im Wesentlichen bewährt. Freilich muss er dafür als materielles Kriterium verstanden werden, das grobe Abweichungen von der eigentlich zu erwartenden Entscheidung ausfiltert. Wann eine Abweichung vorliegt, bemisst sich in erster Linie nach dem Ergebnis des Schiedsgutachtens. Dieses Ergebnis muss auch bei gestaltenden Schiedsgutachten in der Regel ein richtiges sein. Die Auslegung des Delegationsakts kann jedoch ergeben, dass auch Fehler auf dem Weg zu diesem Ergebnis für sich genommen die Unverbindlichkeit rechtfertigen. Mit der inhaltlichen Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit bzw. offenbare Unrichtigkeit sollten nicht zu viele Schiedsgutachten invalidiert werden. Dies würde einerseits dem Interesse der Parteien an einer möglichst endgültigen Bereinigung ihres Streits oder ihrer Meinungsverschiedenheit zuwiderlaufen, und andererseits würde es nicht dem in die Neutraltität des Dritten gesetzten Vertrauen gerecht. Die Handhabung des § 319 Abs. 1 BGB durch die Rechtsprechung entspricht diesen Anforderungen. Ein strengerer Maßstab für die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen ist als Regel des dispositiven Rechts nicht angebracht. Wo die Parteien eine gerichtliche Kontrolle weitgehend ausschließen wollen, können sie die Kontrolle abbedingen. Insbesondere empfiehlt sich kein Umschwenken auf ein Modell, das das Schiedsgutachten fast immer intakt lässt und stattdessen den Dritten in die Haftung nimmt. Dieses in England und Frankreich gepflegte Modell erfüllt vor allem die Funktion, die unzuträglichen Folgen einer Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens wettzumachen. Da das deutsche Recht in diesem Punkt mit der (dispositiven) gerichtlichen Ersetzung unverbindlicher Schiedsgutachten zu einer sachgerechten Lösung gefunden hat, erscheint eine Übernahme des Haftungsmodells nicht geboten. Vielmehr sollte im Regelfall der Schiedsgutachter nur dann haften, wenn er zu vertreten hat, dass sein Schiedsgutachten unverbindlich ist.

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Teil 4: Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit A. Der Dritte: „Wesensverschieden“ oder „kleiner Schiedsrichter“? I. „Arbiter, arbitrator seu amicabilis compositor“ Wollte man ein Ergebnis der bisherigen Untersuchung in einer knappen Formel zusammenfassen, so hat sich in vielen Punkten eine Eigenständigkeit der Delegation von Privatautonomie auf einen Dritten gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit gezeigt. In Bezug auf Zulässigkeit, Verfahren und Kontrolle folgen beide je eigenen Regeln. In gewisser Weise entspricht dieser Befund der Äußerung des Proculus zu den zwei Arten von arbitri: „arbitrorum enim genera sunt duo, unum eiusmodi, ut sive aequum sit sive iniquum, parere debeamus (quod observatur, cum ex compromisso ad arbitrum itum est), alterum e­ iusmodi, ut ad boni viri arbitrium redigi debeat“1

Die erste Art ist der arbiter, der aufgrund eines Schiedsvertrages (compromissum) tätig wird und in dieser Eigenschaft den Streit der Parteien bereinigt, ohne dass gegen seinen Ausspruch ein Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die andere Art ist der arbiter, der nach dem Ermessen eines redlichen Mannes entscheiden soll; sein Ausspruch kann im Fall der manifesta iniquitas vom Prätor berichtigt werden 2. In der ersten Figur kann der Vorläufer einer gerichtsgleichen, staatlich sanktionierten3 Form der privaten Streitentscheidung gesehen werden, während der zweiten Figur die nähere Bestimmung eines Rechtsverhältnisses außerhalb eines gerichtsförmigen Rahmens oblag.4 1 

Proculus D. 17,2,76: „Es gibt nämlich zwei Arten von Schiedsrichtern, den einen von der Art, daß wir, gleichgültig ob seine Entscheidung gerecht oder ungerecht ist, ihr gehorchen müssen (so verhält es sich, wenn man aufgrund eines Schiedsvertrages zu einem Schiedsrichter gegangen ist), den anderen von der Art, daß die Entscheidung nach dem Ermessen eines redlichen Mannes erfolgen muß …“ (Übersetzung Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Bd. III). 2  Paulus D. 17,2,79; dazu bereits oben § 15 C.I.1.a) (S. 717). 3 Vgl. Kaser/Hackl, S. 639 (§ 100 I); R. Zimmermann, Obligations, S. 526 ff. 4  Siehe nur R. Zimmermann, Obligations, S. 529; HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 18; Winter, S. 48 m.w.N.

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Der Dualismus zwischen Schiedsgericht und, unhistorisch gesprochen, Schiedsgutachten als zwei Möglichkeiten, einen privaten Dritten um eine Entscheidung zu ersuchen, besteht mithin schon seit dem römischen Recht. Vorschnell wäre es jedoch anzunehmen, dass sich beide Institute zu allen Zeiten klar abgegrenzt gegenüberstanden.5 Vor allem gestützt auf die soeben zitierte Digestenstelle wurde bereits in der prozessrechtlichen Literatur des Mittelalters das Begriffspaar arbiter und arbitrator6 für die juristische Praxis entdeckt. Als bedeutsam gilt hierfür vor allem das Speculum iudiciale Durantis’, der zwar nicht als erster7, jedoch für die Folgezeit besonders prägend, kanonistischen Einflüssen folgend, den arbitrator mit dem friedensstiftenden amicabilis compositor (einer Art Schlichter) in Verbindung brachte.8 Der arbitrator hatte die Aufgabe, außerhalb eines förmlichen Verfahrens einen Streit nach Billigkeit zu entscheiden; im Fall der Unbilligkeit konnte sein Ausspruch korrigiert werden.9 In ihm wurden damit die Funktionen der Streitentscheidung und der Vertragsergänzung vermischt.10 Arbiter und arbitrator unterschieden sich weniger in ihrer Aufgabe als in dem von ihnen zu befolgenden Verfahren; während jener an prozessuale Regeln gebunden war, konnte dieser sein Verfahren selbst bestimmen.11 Die juristische Praxis jener Zeit nivellierte indes die Unterschiede zwischen arbiter und arbitrator: In den Schiedsverträgen lässt sich häufig die Formel finden, der Dritte solle als „arbiter, arbitrator seu amicabilis compositor“ agieren.12 In welchen Verfahren der Dritte entscheiden wollte – förmlich (arbiter) oder nichtförmlich (arbitrator, amicabilis compositor), verbindlich (arbiter, arbitrator) oder vergleichsstiftend (amicabilis compositor) –, blieb damit ihm überlassen. Schon in dieser Formel zeigt sich, dass arbiter und arbitrator nicht immer ein Gegensatzpaar bildeten, sondern vielmehr funktional verwandte Facetten eines Vorgangs abbildeten. Wie nun die Gewichtung dieser beiden Facetten ausgestaltet war, ob also die Entscheidungsfindung durch einen Dritten ihrer Ausgestaltung nach mehr der schiedsrichterlichen Tätigkeit zuneigte oder mehr im materiellen Recht verblieb, war über die Jahrhunderte durchaus einem Wandel  5  Zur

8 ff.

Entwicklung siehe Wenger, S. 102 ff.; Winter, S. 48 ff.; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5,

 6  Zur Herkunft des Begriffs Ziegler, ZSS (RA) 84 (1967), 376, 379 Fn. 29 f., der dessen Ursprünge im 8. Jahrhundert und die Entwicklung mit den Glossatoren als abgeschlossen ansieht.  7  Ziegler, ZSS (RA) 84 (1967), 376 ff.  8  Durantis, Pars. I, Liber I, Partic. I, Rubrica De Arbitro et Arbitatore, § 1, Nr. 3. Dazu Wenger, S. 107 ff.; R. Zimmermann, Obligations, S. 529.  9  Wenger, S. 111 f., 117 f.; Coing, FS Hübner, S. 37; Ziegler, ZSS (RA) 84 (1967), 376. 10  Coing, FS Hübner, S. 37; Wenger, S. 113, 141; Winter, S. 52. 11  Krause, S. 53; Winter, S. 51; Lefebvre-Teillard, Rev. arb. 2008, 369, 377. 12  Bader, ZSS (KA) 46 (1960), 239 ff., insbesondere 274; Wenger, S. 114 f.; LefebvreTeillard, Rev. arb. 2008, 369, 382 ff.; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 9.

A. Der Dritte: „Wesensverschieden“ oder „kleiner Schiedsrichter“?

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unterworfen.13 Dabei spielte für die Entwicklung der materiell-rechtlichen Delegation auch das Wohlwollen, mit dem die Obrigkeit auf private Schiedsgerichtsbarkeit als Alternative zur Gerichtsbarkeit der Hoheitsgewalt blickte, eine maßgebliche Rolle:14 Jede Restriktion des Schiedsgerichtswesens beförderte das Aufblühen einer materiell-rechtlichen Lösung. Wenn etwa, um ein Beispiel aus dem Frühstadium der Entwicklung zu nehmen, nach weltlichem Recht weder der mit dem Streit befasste Richter15 noch Frauen förmliche Schiedsrichter (arbiter) werden durften, so ließ sich diese Beschränkung bequem umgehen, indem diese Personen der neu geschaffenen Kategorie des arbitrator zugewiesen wurden.16 In England sah sich das Schiedsgerichtsverfahren ab etwa 1600 bis in das 19. Jahrhundert hinein staatlichen Gängelungen ausgesetzt, die seine Attraktivität erheblich minderten. Das Schiedsgutachtenwesen, insbesondere die Preisbestimmung durch einen Dritten17, blieb davon verschont und konnte sich deshalb herausbilden.18 Gleiches war in Italien zu verzeichnen: Das Austrocknen der „regulären“ Schiedsgerichtsbarkeit (arbitrato rituale) insbesondere durch unangemessen kurze Fristen zur Hinterlegung des Schiedsspruchs oder Vorschriften zur Staatsangehörigkeit der Schiedsrichter begünstigte das Entstehen eines arbitrato irrituale auf materiell-rechtlicher Grundlage.19

II. Annäherung und Abgrenzung Trotz (oder wegen) der skizzierten Nähe und Verwandtschaft bleibt das Problem, das Verhältnis von Schiedsspruch und Schiedsgutachten zu bestimmen und sie im Einzelfall voneinander abzugrenzen. Nach welchen Kriterien ist zu entscheiden, ob die Einräumung von Entscheidungsbefugnissen einem Schieds13 

Zur Entwicklung in Deutschland Winter, S. 52 ff.; Wenger, S. 133 ff. Beide beschreiben, wie sich der arbitrator zum gemeinrechtlichen Schiedsrichter entwickelte. Die vertragsergänzende Funktion des arbitrator sei demgegenüber in den Hintergrund getreten. Siehe aber auch HKK/Hofer, §§ 315–319 Rn. 18 (arbitrator in beiden Funktionen gebräuchlich). Zum Ganzen Coing, FS Hübner, S. 38 ff. 14  So auch Jarrosson, Nr. 245. 15  Ulpian D. 4,8,9,2. 16  Ziegler, ZSS (RA) 84 (1967), 376, 379; zurückhaltend Wenger, S. 110. Einen weiteren Grund sieht Lefebvre-Teillard, Rev. arb. 2008, 369, 376 im Ausschluss von Rechtsmitteln gegen den Schiedsspruch. 17  Zu den Anfängen siehe z.B. Milnes v. Gery (1807) 33 Eng. Rep. 574 = 14 Ves. 400. 18  Diese Entwicklung wird nachgezeichnet bei Borowsky, S. 16 ff.; siehe auch David, FS Marty, S. 395. 19  Storme, Rev. dr. int. dr. comp. 62 (1985), 285, 293 ff.; Schlosser, RIPS, Rn. 27; Weick, FS Coing II, S. 554: Es „ist das arbitrato irrituale nur als Reaktion der Praxis auf die sehr restriktive Haltung des italienischen Gesetzgebers gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit zu verstehen.“ Weick beschreibt außerdem eine umgekehrte Tendenz im US-amerikanischen Recht durch eine generell schiedsgerichtsfreundliche Haltung.

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richter oder einem Schiedsgutachter gilt? Zur Abgrenzung werden verschiedene Formeln vorgeschlagen, die jedoch alle ihre Schwächen haben und in der Praxis nicht immer eine trennscharfe Unterscheidung erlauben. Bevor diese Abgrenzungsversuche thematisiert werden, soll jedoch Überlegungen nachgegangen werden, die in entgegengesetzter Weise auf die Verwandtschaft beider Institute reagieren. Schließlich kommt zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten auch eine (erneute) Annäherung zwischen beiden Instituten in Betracht. Darauf läuft die Auffassung hinaus, auf das (feststellende) Schiedsgutachten seien vollumfänglich die §§ 1025 ff. ZPO anzuwenden. 20 So will Habscheid das feststellende Schiedsgutachten und das Schiedsgerichtsverfahren zu einem „Gesamtkomplex des Schiedsrechts (im weitesten Sinne)“ zusammenfassen. 21 Er und auch Schlosser bezeichnen das Schiedsgutachten als „kleines Schiedsverfahren“. 22 Eine Wesensverwandtschaft beschreibt Sieg: „[D]ie oft aufgetretenen Unterscheidungsschwierigkeiten zwischen Schiedsgutachtern und Schiedsrichtern [haben] ihre Wurzel darin …, daß sich ihre Tätigkeit im Wesen nicht voneinander abhebt. Beide ersetzen (ganz oder teilweise) die staatliche Gerichtsbarkeit.“23

Weil beide, Schiedsgutachter und Schiedsrichter, eine identische Funktion ausüben könnten, sei eine Abgrenzung beider Institute theoretisch und praktisch unmöglich. 24 Deshalb müssten auch auf das Schiedsgutachten die §§ 1025 ff. ZPO angewendet werden. 25 Zur Vermeidung von Missverständnissen soll nochmal die Argumentationsrichtung betont werden: Nicht weil die §§ 1025 ff. ZPO analog anzuwenden sind, decken sich die Institute; sondern weil sich die Institute decken, sind die §§ 1025 ff. ZPO analog anzuwenden. Noch weiter getrieben wird diese Annäherung, wenn das Schiedsgutachten im Grunde im Schiedsverfahren aufgeht. Dies schwebt Schlosser vor, wenn er bezogen auf alle Typen des Schiedsgutachtens schreibt: „Immer wenn der Dritte im Hinblick auf einen bereits entstandenen oder möglicherweise auftauchenden Rechtsstreit eingeschaltet wird, ist er funktional Schiedsrichter.“26 20 Stein/Jonas/Schlosser,

vor § 1025 Rn. 31; B. Rauscher, S. 158 ff.; Dütz, S. 250 ff. Habscheid, KTS 1957, 129, 135. Siehe auch Nicklisch, ZHR 136 (1972), 1, 12 f.: Eine Abgrenzung zwischen feststellendem Schiedsgutachten und Schiedsverfahren sei nicht mehr nötig, wenn man jenes „als eine besondere Form des Schiedsverfahrens ansieht und damit in dieses einbezieht“. 22  Habscheid, FS Laufke, S. 317 („klein“ deshalb, weil die Kontrolle nach den §§ 319 ff. BGB bzw. §§ 84, 189 VVG erhalten bleiben soll); Schlosser, Entwicklungsstand, S. 4. 23  Sieg, FS Molitor, S. 351. 24 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 148 Fn. 20; ders., JZ 1988, 1083, 1084; B. Meyer, S. 41. 25 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31. 26 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31; „Rechtsstreit“ versteht Schlosser dabei weit, auch die Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse falle darunter. Weitgehend 21 

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Für die §§ 317 ff. BGB verbleibe danach im Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers der Bereich, in dem die Einschaltung des Dritten, „ohne durch einen konkreten Streit veranlasst zu sein, von vornherein als notwendige Ergänzung der Rechtsbeziehungen unter den Parteien vorgesehen war“. 27 Eine Abgrenzung von Schiedsgutachter und Schiedsrichter sei auch theoretisch nicht möglich. 28 Einen in dieselbe Richtung gehenden Vorschlag hat in Frankreich Jarrosson unterbreitet, der in der Schiedsgerichtsbarkeit eine „notion résiduelle“ sieht, die sowohl Art. 1592 Code civil als auch Feststellungsentscheidungen Dritter zugrunde liege. 29 Sofern die Einschaltung des Dritten auf einen Streit (litige) zwischen den Parteien zurückgehe, tendiere die Rechtsprechung eher zu einer Auslegung als Schiedsvereinbarung denn als Vereinbarung, einen Dritten nach Art. 1592 Code civil den Kaufpreis bestimmen zu lassen.30 Je nachdem, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Streits gestellt werden, wird damit ein wesentlicher Anteil von Schiedsgutachten in die Schiedsgerichtsbarkeit gezogen. Zudem wird konstatiert, dass das Schiedsverfahrensrecht gegenwärtig von einer Annäherung an benachbarte Erscheidungen geprägt sei, indem diese zunehmend prozessualen Mindeststandards unterworfen werden.31 Von einem anderen Autor wird hinzugefügt, dass dieser Ansatz die schwierige Abgrenzung zwischen Schiedsgutachten und Schiedsverfahren entbehrlich mache: Immer wenn eine Uneinigkeit zwischen den Parteien bestehe, solle von einem Schiedsverfahren ausgegangen werden.32 Auch für das englische Recht wird kein „materieller Unterschied“ zwischen Schiedsgutachten und Schiedsgericht gesehen.33 Auf rechtsvergleichender Grundlage kommt René David zu dem Schluss, dass „l’arbitrage du droit civil et celui de la procédure apparaissent comme des institutions jumelles, poursuivant le même but, et entre lesquelles il est artificiel de faire une distinction.“34 übereinstimmend Habscheid, KTS 1957, 129, 133, der jedoch einen Restbestand an Aufgaben für den Schiedsgutachter verbleiben sieht. 27 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31. 28 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 32. Folgerichtig müssten die §§ 1025 ff. ZPO auch auf den Schiedsgutachter angewendet werden. 29  Jarrosson, Nr. 486 ff. Allerdings will Jarrosson an der Notwendigkeit einer Abgrenzung festhalten; für ein einheitliches Regime sei die Zeit noch nicht reif, Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 16 ff. 30  Jarrosson, Nr. 320 ff., 328 ff., 487. Ähnliche Tendenzen beschreibt Born, S. 229, der aber selbst an dem Dualismus festhalten möchte. 31  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 11. 32  Cohen, Nr. 356 f., allerdings mit Einschränkungen bei Art. 1843-4 Code civil wegen dessen zwingenden Charakters (Nr. 367 ff.). 33  Borowsky, S. 195; Kröll, S. 266 („kein ontologischer Unterschied“). Vgl. auch Sutton/ Gill/Gearing, Rn. 2‑028. 34  David, FS Marty, S. 405; ders., Nr. 3, 28, 452 (darin die „unité de l’arbitrage“ als eine von drei Ideen für das Jahr 2000 vorstellend); sympathisierend Oppetit, FS Goldman, S. 239;

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Dasselbe Ziel verfolgt Winter, wenn auch mit einer anderen Begründung und beschränkt auf feststellende Schiedsgutachten. Er unterzieht die Rechtsprechung in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer eingehenden Analyse und kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung sich zwar formal an den unterschiedlichen Rechtsinstituten orientiert habe, in der Subsumtion aber ersichtlich ergebnisorientiert vorgegangen sei, um – zum Teil entgegen dem eindeutigen Parteiwillen – zur Anfechtbarkeit der Entscheidung des Dritten zu gelangen.35 Besonders im Versicherungsrecht soll dabei auch das Ziel, den schwächeren Versicherungsnehmer vor einer Streiterledigung gänzlich außerhalb staatlicher Gerichte zu schützen, mitgeschwungen haben.36 Das Schiedsgutachten sei insofern eine „Zweckschöpfung“ der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts gewesen.37 In Wirklichkeit sei der feststellende Schiedsgutachter Schiedsrichter; ein feststellendes Schiedsgutachten existiere nicht.38 Die Gegenthese formuliert einer der führenden Autoren zum Schiedsverfahrensrecht, wenn er schreibt: „arbitration is not expert determination“.39 Auch der Bundesgerichtshof will von Bestrebungen, Schiedsgutachten und Schiedsverfahren anzunähern oder gar jenes in diesem aufgehen zu lassen, nichts wissen. Er betont demgegenüber: „Schiedsgutachtenabrede und Schiedsvertrag sind also wesensverschieden.“40

Lässt sich diese These, die von den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung bestätigt würde und die auf eine Abgrenzung beider Institute hinausläuft, angesichts der Gründe für eine Annäherung halten? Um dieser abschließenden Frage nachzugehen, soll zunächst gezeigt werden, dass die Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter in der Tat kongruent sind (unten B.). Im Anschluss ist die Frage nach deren Abgrenzung zu behandeln (unten C.).

ders., Rev. arb. 1977, 315 ff., der aber eine endgültige Überwindung des seit dem römischen Recht tradierten Gegensatzes von Schiedsgericht und Schiedsgutachten nur durch den Gesetzgeber für möglich hält. 35  Winter, S. 81 ff., 86 ff. 36  Winter, S. 118 f. 37  Winter, S. 121. 38  Winter, S. 174. 39  Born, S. 223 f. m.w.N. in Fn. 111; siehe auch die Definition des Schiedsgutachtens bei Lionnet/Lionnet, S. 472: „… ohne Schiedsrichter zu sein“. 40  BGH v. 17.5.1967 BGHZ 48, 25, 28 (Hervorhebung hinzugefügt); BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365 („wesentliche Verschiedenheit“).

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter I. Versuch einer Abgrenzung nach Aufgabenbereichen Häufig ist eine Abgrenzung von Schiedsgutachter und Schiedsrichter nach der Aufgabenstellung des Dritten versucht worden: Der Schiedsrichter hat die Aufgabe, anstelle des staatlichen Richters abschließend über einen Rechtsstreit im Ganzen oder über einzelne Ansprüche zu entscheiden. Der Schiedsgutachter hat demgegenüber bindend über ein Element eines Rechtsverhältnisses oder eine Tatsache zu befinden, die für die Entscheidung eines Rechtsstreits relevant sein können, ohne selbst die rechtlichen Schlussfolgerungen aus seiner Feststellung zu ziehen. Element eines Rechtsverhältnisses meint dabei eine Feststellung oder eine Leistungsbestimmung. Diese Formel stellt das im deutschen Recht traditionell am häufigsten vorgeschlagene Abgrenzungskriteriem dar.41 In seiner Grundsatzentscheidung zum Schiedsgutachtenrecht hielt der BGH den „Inhalt der Aufgabe“ des Dritten sogar für allein maßgeblich.42 Die Aufgabe des Dritten ist zugleich dasjenige Kriterium, auf das auch das französische Recht die Abgrenzung maßgeblich stützt. Deshalb soll zunächst skizziert werden, auf welche Weise dort das Kriterium eingesetzt wird. Dies dient in erster Linie dazu, die damit verbundenen Schwierigkeiten und Unklarheiten zu illustrieren. Wenn anschließend vor diesem Hintergrund das deutsche Recht betrachtet wird, so wird sich erweisen: Die Zuordnung von Aufgabenbereichen kann die Abgrenzungsfrage im Einzelfall nicht abschließend entscheiden.43 Eine Abgrenzung wird im französischen Recht schon dadurch herausgefordert, dass die Kaufpreisbestimmung durch einen Dritten in Art. 1592 Code civil als „arbitrage“ bezeichnet wird. Es besteht Einigkeit darüber, dass dem Gesetzgeber damit eine Fehlbezeichnung unterlaufen ist, die vor allem auf die ter41  BGH v. 31.1.1957 WM 1957, 365; BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 338; RG v. 21.8.1936 RGZ 152, 201, 204; RG v. 19.10.1932 JW 1933, 217; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 59; RG v. 18.6.1915 RGZ 87, 190, 194; RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71, 72; umfassende Nachweise bei Wittmann, S. 157; siehe z.B. Jauernig/Stadler, § 317 Rn. 8; RGRK/Ballhaus, § 317 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 13; Rosenberg/Schwab/ P. Gottwald, § 174 Rn. 18; Medicus/St. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 226; Henn, Rn. 5; Kornblum, S. 103 f.; Kohler, S. 259 f.; ders., Gruchot 31 (1887), 276, 305 Fn. 55; Hayum, S. 33; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 300 f. (§ 12 IV 5 a); Kisch, Schiedsmann, S. 7; A. Bachmann, S. 39 f.; Wangner, S. 4; B. Rauscher, S. 169 ff.; Schwab, ZZP 93 (1980), 336, 338; Greger, ZKM 2013, 43; Gehrlein, VersR 1994, 1009; E. Wolf, ZIP 1981, 235, 241; Sieg, VersR 1965, 629, 634. Im Erbrecht: Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 9. 42  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 338. 43 So insbesondere auch Wittmann, S. 156 ff.; Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 55.

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minologischen Wirren um die Begriffe arbiter und arbitrator zurückzuführen ist.44 Der zur Kaufpreisbestimmung aufgerufene Dritte ist – ebenso wie sein Pendant in Art. 1843-4 Code civil45 und überhaupt der Sachverständige bei der expertise irrévocable46 – kein Schiedsrichter.47 Es finden deshalb auch nicht die Vorschriften des Code de procédure civile zur Schiedsgerichtsbarkeit48 Anwendung.49 Die Aufgabenbereiche von Schiedsrichter und Drittem werden vielmehr als sich gegenseitig ausschließend gedacht. „A chacun son travail“, fasst es Gautier zusammen.50 Um nun die Aufgabenbereiche gegeneinander abzugrenzen, werden mehrere Ansatzpunkte verfolgt. Wenig Unterscheidungskraft wird dabei dem Merkmal der Bindungswirkung zugesprochen, da nicht nur ein Schiedsspruch, sondern auch die Entscheidung des Dritten die Parteien bindet.51 Herausgebildet haben sich vielmehr zwei andere Merkmale, die beide mit der Funktion des Schiedsrichters zur Streitbeilegung52 zu tun haben. Denn klassischerweise wird gesagt, der Schiedsrichter habe die Aufgabe, einen Streit (litige) der Parteien zu entscheiden, während der Dritte einen Vertrag zu vervollständigen habe.53 In den Worten von Carbonnier: „il n’y a pas litige à régler, mais contrat de vente à faire fonctionner“.54 Das erste Merkmal ist deshalb gerade das Bestehen eines Streits zwischen den Parteien. Parteien, die einen Dritten um seine Festsetzung ersuchen, stünden, so heißt es, sich nicht im Streit gegenüber.55 Mag diese Differenzierung in 44 

Zum Hintergrund Clay, S. 696 ff. Moury, Nr. 31.41; Cadiet, FS Guyon, S. 154. 46  Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507 m.w.N. 47  Siehe oben § 3 A.II.2.a) (S. 105). 48 Art. 1442 ff. Code de procédure civile in der Fassung des Décret n° 2011-48 du 13 janvier 2011; zur Reform des französischen Schiedsverfahrensrechts siehe den Überblick bei Kühner, SchiedsVZ 2011, 125 ff. 49  Aubry/Rau/Esmein, Bd. V, S. 17 (§ 349). 50  Gautier, RTD civ. 2005, 154, 156. Siehe auch Viandier, JCP E 1999, 1150, 1152: „Il y a donc en définitive une juxtaposition des missions et non une confusion ou une coopération“. 51  Moury, Nr. 31.32; Cohen, Nr. 364; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 21 f. – Als unmaßgeblich gilt darüber hinaus der Wortlaut der Vereinbarung Cass. civ. 1re 26.10.1976 Bull. civ. I, Nr. 305; CA Paris 7.2.2002 Rev. arb. 2005, 1056; CA Paris 15.12.1998 Rev. arb. 2001, 151. 52 Allgemein Cadiet/Jeuland, Nr. 1021. 53  Cass. civ. 1re 26.10.1976 Bull. civ. I, Nr. 305; Cass. civ. 3e 4.3.1998 Bull. civ. III, Nr. 49 (Mietzinsanpassung); CA Nancy 24.4.1884 S. 1884,2,158; CA Bordeaux 23.7.1853 S. 1854, 2,427; Bénabent, Contrats spéciaux, Nr. 54 Fn. 70; Planiol/Ripert/Hamel, Bd. X, Nr. 37; Mignot, JCl. Art. 1591 à 1593, Nr. 66; Moury, Nr. 31.32 ff.; Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357; Fouchard/Gaillard/Goldman, Nr. 26; Gardounis, Nr. 188 f. 54  Carbonnier, Obligations, Nr. 55. 55  Cass. civ. 2e 5.4.2001 – n° de pourvoi 99-310 (Legifrance) (ein Unternehmenskaufvertrag wies zwei Sachverständigen die Aufgabe zu, den Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten festzulegen, und bestimmte dieselben Personen in einer anderen Klausel als Schiedsrichter für Streitigkeiten aus dem Vertrag); Cass. civ. 9.6.1961 Rev. arb. 1961, 186; Moury, Nr. 31.32. – In Art. 1843-4 Code civil wird zwar eine „contestation“ über den Wert des Gesellschaftsanteile 45 

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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der Theorie einleuchtend klingen, schließt sich in der Praxis sofort die Frage an: Wann genau liegt ein Streit vor? Ein einfacher Interessengegensatz kann für gewöhnlich bei jeder Vertragsdurchführung auftreten.56 Wenn es ausreichen würde, dass die Parteien konträre Standpunkte ausgetauscht haben,57 dürfte auch der Kaufpreisbestimmung mitunter ein Streit vorangegangen sein.58 Sofern die Parteien sich bei Anrufung des Dritten in einer Streitsituation befinden, verliert das Merkmal des litige seine Unterscheidungskraft.59 Merkwürdig mutet es deshalb an, das Vorliegen eines Streits zu verneinen, weil die Einigung auf einen Dritten die zwischen den Parteien bestehende Uneinigkeit beendet habe.60 Dann müsste auch die Einigung auf ein ad hoc-Schiedsverfahren streitbeendigende Wirkung haben. Erst recht in einer Streitsituation dürften sich Parteien befunden haben, die beispielsweise ein Gutachten zur Bemessung des Schadensumfangs einholen. Vorgeschlagen wird deshalb ein extensives Verständnis des litige: Ein Streit soll immer schon dann vorliegen, wenn bei der Ausführung eines Vertrages Schwierigkeiten auftreten.61 Wenn die Parteien einen Dritten anrufen, seien sie sich nicht einig, was einem Streit in diesem weit verstandenen Sinne gleichkomme.62 Diesem Vorschlag halten andere entgegen, dass die Einschaltung des Dritten einen Streit gerade vermeiden helfe.63 Zudem banalisiere dieser Ansatz das Amt des Richters, wenn dieser zur Entscheidung jeglicher Streitfrage eingesetzt werden könnte.64 Eine bloße Tatsachenfeststellung widerstrebe der (schieds‑)richterlichen Aufgabe zur Rechtsprechung.65

vorausgesetzt. Dabei handelt es sich nicht um einen litige im Sinne des Schiedsverfahrensrechts, Cadiet, FS Guyon, S. 160 f. 56  Moury, D. 2010, 1765, 1768. 57 Vgl. Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 20; enger Billemont, Rev. arb. 2011, 437, 438 (nur Austausch widerstreitender Rechtsstandpunkte). 58  Jarrosson, Nr. 528; Cohen, Nr. 354 ff.; Cadiet, FS Guyon, S. 160 (siehe aber ders., RDC 2004, 750, 751); Gautier, RTD civ. 2005, 613, 615 („Ce n’est peut-être pas un conflit, mais c’est un antagonisme réel.“); Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 510; Moury, Nr. 31.34; Niggemann, S. 65 m.w.N., für den der Fall auf der Grenze liegt. Vgl. auch Oppetit, FS Goldman, S. 236. 59  Jarrosson, Nr. 528, 532; Loquin, Rev. arb. 1975, 304, 305 f.; Abgrenzungsbeispiele bei Niggemann, S. 66 ff. 60  So CA Paris 15.12.1998 Rev. arb. 2001, 151 (nach der Vereinbarung, die Entscheidung eines Dritten einzuholen, bestand kein litige mehr, sondern nur noch eine „opposition d’intérêt sur le prix“). 61  Jarrosson, Nr. 294, 328; siehe auch ders., Rev. arb. 2001, 5, 20 (auch ein im Entstehen begriffener Streit reiche aus); Cohen, Nr. 354 ff. 62  Cohen, Nr. 354. 63  Caffin-Moi, Nr. 206. 64  Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 511. 65  Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 511. Zur richterlichen Aufgabe, „de trancher le litige conformément aux règles de droit“, siehe Art. 12 Abs. 1 Code de procédure civile. Für Schiedsgerichte gilt Art. 1478 Code de procédure civile: „Le tribunal arbitral tranche le litige conformément aux règles de droit …“.

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Wohl auch aufgrund dieser Schwierigkeiten um die Bestimmung des litige betrachtet die Cour de cassation die Frage, ob eine Meinungsverschiedenheit die Parteien trennte, neuerdings als weniger relevant und stellt vielmehr ein anderes Merkmal in den Vordergrund.66 Soll der Dritte lediglich bestimmte Umstände feststellen, aus denen die Parteien selbst in ihrem Vertrag bereits die rechtlichen Schlüsse gezogen haben, könne er kein Schiedsrichter sein; denn der Schiedsrichter sei nicht für die Feststellung einzelner Elemente zuständig.67 Dieser habe eine Rechtsprechungsaufgabe (mission juridictionnelle), die impliziert, dass er selbst auch die rechtlichen Wertungen trifft und unter Rechtsregeln subsumiert.68 Der tiers évaluateur hingegen ergänze einen Vertrag.69 Nur der Schiedsrichter, nicht der Dritte trete an die Stelle des staatlichen Richters.70 Maßgeblich wird damit die Qualität der dem Dritten übertragenen Aufgabe.71 Doch auch bei diesem Differenzierungsmerkmal sind in der Praxis Schwierigkeiten vorprogrammiert: Kann ein Dritter i.S.v. Art. 1592 Code civil selbständig rechtliche Vorfragen beantworten, die seiner eigentlichen Aufgabe vorgelagert sind? Kann er den Vertrag der Parteien auslegen, etwa um einem Unternehmenskaufvertrag zu entnehmen, welche Posten er in seine Bewertung einstellen, von der dann wiederum ein Kaufpreisanpassungsmechanismus abhängt? Zu diesen Fragen gibt es divergierende Ansichten; Rechtsprechung dazu ist äußerst spärlich.72 Vorsichtige Vertragsgestaltung sieht deshalb eine wenig 66  Cass. com 16.2.2010 Bull. civ. IV, Nr. 39 (Kaufpreisanpassung); Cass. civ. 2e 21.6.1956 Rev. arb. 1956, 132 (wenn der Dritte ein Warenlager bewerten und somit lediglich einzelne Feststellungen im Rahmen eines im Übrigen unstreitigen Vertragsverhältnisses treffen soll, handelt es sich nicht um eine Schiedsvereinbarung, sondern um einen „acte purement contractuel“); zu weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung der Berufungsgerichte Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 32. Siehe auch Cass. civ. 1re 15.12.2010 Bull. civ. I, Nr. 260, wo dieses neue Merkmal mit dem Kriterium des litige in Verbindung gebracht wird: Nur ein Streit um Rechtsfragen sei litige. 67 Ebenso Moury, Nr. 31.33; Ghestin, Formation, Nr. 697; Cadiet, FS Guyon, S. 161; ­Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507 ff.; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 22; ders., Rev. arb. 2005, 1049, 1058 f., 1061; Billemont, Rev. arb. 2011, 437 ff. 68  Moury, Nr. 31.33 f.; ders., D. 2010, 1765, 1777. 69  Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507; Caffin-Moi, Nr. 207; Moury, Nr. 31.35; vgl. auch ­Cohen, Nr. 347 ff. 70  Caffin-Moi, Nr. 207. 71  Daigre, Rev. arb. 2010, 506, 507; Jarrosson, Nr. 324 f. mit Beispielen aus der Rspr. 72  Für das Bestehen eines über die Tatsachenfeststellung hinausgehenden Auslegungsspielraums: CA Paris 17.9.2004 JCP E 2005, 134 (mit der Begründung, dass eine Verdopplung des Verfahrens dem Interesse nach möglichst zügiger Streitbeilegung zuwiderlaufe, habe der Dritte einen „large pouvoir d’appréciation“); Moury, Nr. 31.33, 32.51 (da die Vertragsauslegung auch in der Praxis der Cour de cassation Tatfrage, nicht Rechtsfrage sei); Malaurie/ Aynès/Gautier, Contrats spéciaux, Nr. 204; Bonneau, JCP E 2005, 134; Niggemann, S. 72; offenbar auch Cass. com. 26.6.1990 Bull. civ. IV, Nr. 197; skeptisch gegenüber der Befugnis zur Beantwortung von Vorfragen: Moury, Nr. 32.71 m.w.N., 32.161; Rémy, RTD civ. 1991, 356, 357 (Vorliegen von Anpassungsvoraussetzungen); sehr kritisch Gautier, RTD civ. 2005, 154, 155 (Auslegung sei richterliche Aufgabe, Art. 1592 Code civil sei Ausnahmebestimmung

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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interessengerechte Aufspaltung vor: Tatsachen soll der Sachverständige feststellen, stößt er auf Auslegungsprobleme, muss ein Schiedsgericht entscheiden.73 Tatsachenfragen von Rechtsfragen abzugrenzen, wird gerade im Bereich der Vertragsauslegung alles andere als einfach empfunden.74 Hinzu kommt, dass ein Schiedsgericht sehr wohl ermächtigt werden kann, einen Vertragsbestandteil zu ergänzen oder einen Vertrag anzupassen.75 Vollends fragwürdig wird die Abgrenzung nach diesem Merkmal, wenn man auch die Verhandlung reiner Tatsachenfragen vor einem Schiedsgericht für statthaft hält.76 Beide Merkmale liefern also nicht die eindeutigen Ergebnisse, die eine Abgrenzung nach Aufgabenbereichen in der Theorie erhoffen lässt.77 Ein Kritiker der gegenwärtigen Praxis spricht gar davon, dass die Rechtsprechung im Wesentlichen ergebnisorientiert vorgehe und ein beträchtliches Hin und her an den Tag lege.78 In im Wesentlichen gleich gelagerten Fällen würden keine identischen Ergebnisse erzielt.79 Noch krasser drückt es Oppetit aus: „[S]ur la base des mêmes critères et dans des situations quasiment identiques, l’intervention d’un tiers reçoit, au fil des espèces, des qualifications totalement contradictoires de la part des tribunaux …“.80

Diese Situation ist für die Parteien vor allem unbefriedigend, solange sich die Aufgabenbereiche überschneiden können,81 aber die Rechtsprechung gleichwohl von einem wechselseitigen Ausschluss ausgeht82 und daran festhält, dass eine bestimmte Vereinbarung nur entweder Schiedsvereinbarung oder Schiedsgutachtenvereinbarung sein kann. Die neuere Literatur konstatiert deshalb  und die Befugnisse eines mandataire seien eng auszulegen); Loquin, RTD com. 2005, 260 ff. (Vertragsauslegung sei eine [schieds‑]richterliche Aufgabe, die der Dritte als einfacher mandataire nicht wahrnehmen dürfe, zumal die begrenzten Angriffsmöglichkeiten gegen seine Entscheidung die Grundrechte der Parteien beschneiden würden, wenn er richterliche Aufgaben wahrnehme). 73  Sachs, FS Schlosser, S. 817; der Dritte kann stets mit einer ausdrücklichen Vereinbarung zur Auslegung ermächtigt werden, auch derartige Klauseln sind in der Praxis offenbar verbreitet, Bonneau, JCP E 2005, 134. 74  Jarrosson, Nr. 286; ders., Rev. arb. 2001, 5, 22 mit Fn. 45; Gautier, RTD civ. 2005, 154, 156; zu Abgrenzungsschwierigkeiten etwa bei Bilanzierungsfragen Moury, Nr. 32.71. 75  Oppetit, FS Goldman, S. 238; David, Nr. 24 f.; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 32 m.w.N.; ausführlich ders., Nr. 595 ff., 631 ff. 76  Clay, D. 2011, 3023, 3025 (mit Verweis auf die Qualitätsarbitrage); David, Nr. 3, 27. 77  Loquin, Rev. arb. 1975, 304, 306. 78  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 30; ausführliche Kritik bei ders., Nr. 281 ff., 297 (viele Sachverständigengutachten und auch die Qualitätsarbitrage könnten sowohl als Schiedsspruch als auch als expertise irrévocable qualifiziert werden). 79  Cohen, Nr. 350. 80  Oppetit, FS Goldman, S. 230. 81  Noch weitergehend Niggemann, S. 70, der „fast von einer Deckungsgleichheit der Aufgabenbereiche“ sprechen möchte. 82  Zutreffend hält Weick, FS Coing II, S. 553 „eine Austauschbarkeit der verschiedenen Instrumente“ für „kaum erkennbar“.

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– auch mit Hinweis auf das in beiden Verfahrensarten zu beachtende Neutralitätsgebot –, dass materielles Recht und Prozessrecht hier im Begriff sind, ineinander zu verschwimmen.83 Im Fall des Art. 1843-4 Code civil kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Da die Rechtsprechung die Wertermittlung als ausschließliche Aufgabe eines nach dieser Vorschrift benannten Sachverständigen ansieht, versagt sie es den Parteien, ein Schiedsgericht damit zu betrauen, und verhindert so eine einheitliche und rasche Konfliktlösung, wenn noch weitere Punkte zwischen den Parteien streitig sind.84 Dieser Überblick hat die maßgeblichen Problempunkte einer Abgrenzung nach Aufgabenbereichen zutage gefördert: die qualitative Differenzierung zwischen Tatsachenfeststellungen und Rechtsfragen, die quantitative Unterscheidung zwischen einer Entscheidung des Rechtsstreits insgesamt oder einzelner Elemente, die Wahrnehmung von Gestaltungsaufgaben durch Schiedsgerichte und schließlich die Feststellung einzelner Tatsachen durch Schiedsgerichte. Jedes dieser vier Kriterien hat sich als problematisch erwiesen. Sie sollen nun für das deutsche Recht überprüft werden.

II. Schiedsgutachter kann alle Aufgaben des Schiedsrichters wahrnehmen 1. Qualitativ: Tatsachenfeststellungen vs. Rechtsfragen Soweit das Kriterium auf eine Unterscheidung zwischen Tatsachenfeststellungen und Rechtsfragen abhebt, besitzt es nur Unterscheidungskraft, wenn nicht auch ein Schiedsgutachter mit der bindenden Entscheidung von Rechtsfragen betraut werden kann.85 Es kann jedoch mittlerweile als gesichert gelten, dass der Schiedsgutachter nicht auf die reine Feststellung von Tatsachen beschränkt ist, sondern diese Tatsachen auch rechtlich würdigen und rechtliche Fragen entscheiden kann.86 Zum Teil wird auch die Beantwortung isolierter Rechtsfragen 83 

Serinet, RDC 2009, 657, 660; Giorgini, Bull. Joly Soc. 2005, 263 ff. (§ 44). Gibirila, Defrénois 2004, 1154, 1156 f.; Cohen, Nr. 366 ff.; Viandier, JCP E 1999, 1150, 1152; Daigre, Bull. Joly Soc. 2008, 214 (§ 48). 85  Dieser Einwand auch bei Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 56; Wittmann, S. 158 f.; Weick, FS Coing II, S. 551; Sieg, VersR 1965, 629, 630. 86 BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1058; BGH v. 18.2.1955 NJW 1955, 665; RG v. 28.11.1935 JW 1936, 820; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 13; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 15; Wittmann, S. 44; B. Rauscher, S. 171 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 301 (§ 12 IV 5 b); B. Meyer, S. 18 f., 41; Nicklisch, FS Bülow, S. 175; G. Walter, ZZP 103 (1990), 141, 148; Volmer, BB 1984, 1010, 1011; Wedemeyer, DB 1969, 1925, 1927; Sieg, VersR 1965, 629; Jonas, JW 1936, 820; siehe bereits ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337, 344; PrOT v. 7.2.1854 PrOTE 27, 450; a.A. aber Kurth, NJW 1990, 2038, 2040; Bongartz, S. 16; Kahn, S. 15; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 304 (nur Wahrnehmung von Tatsachen als schiedsgutachterliche Aufgabe möglich); zurückhaltend auch Acker/Konopka, SchiedsVZ 84 

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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ausdrücklich als tauglicher Gegenstand eines Schiedsgutachtens bezeichnet.87 So muss etwa eine einheitliche Klausel, die dem Dritten nicht nur die Anpassung des Mietzinses im Fall einer grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch die Feststellung des Vorliegens einer solchen Änderung und damit des Bestehens einer Anpassungsbefugnis überträgt,88 nicht mühsam in einen schiedsgutachterlichen und einen schiedsgerichtlichen Teil aufgespalten werden. Eine derartige Aufspaltung hätte eine unnötige Komplizierung des Verfahrens zur Folge.89

2. Quantitativ: Entscheidung eines Rechtsstreits vs. Entscheidung über Elemente eines Rechtsstreits Eher schon ließe sich in der Abgrenzungsformel ein taugliches Kriterium sehen, wenn sie auf den Umfang der Entscheidungskompetenz bezogen wird. Sofern der Dritte nicht nur über ein Element des Anspruchs, sondern über einen Rechtsstreit im Ganzen entscheiden solle, sei er Schiedsrichter.90 Wenn die von dem Dritten zu beantwortende Frage Gegenstand eines Rechtsstreits sein könne, komme nur ein Schiedsverfahren in Betracht und nicht etwa die – von der Beantwortung rechtlicher Vorfragen abgesehen – „ganz dem Tatsächlichen zugekehrte Tätigkeit des Schiedsgutachters“.91 In dieser Form stellt das Kriterium die deutsche Spielart des Abgrenzungsversuchs anhand des Vorliegens eines litige dar.92 Der Versuch einer quantitativen Abgrenzung ist wegen der Möglichkeit, das Schiedsverfahren auf einen Teil des Streitstoffs zu beschränken, problema2003, 256, 257; Greger, ZKM 2013, 43, 44 (ein Gutachten über Rechtsfragen wie der Frage, ob sich aus dem festgestellten Zustand einer Sache ein Sachmangel ergebe, sei zwar möglich, könne aber den Richter nicht binden). – Zur Frage, welches Recht der Schiedsgutachter anzuwenden hat, siehe Pfeiffer, FS Schlosser, S. 683 ff. (maßgeblich ist die Vorgabe des Schiedsgutachtenvertrags). Freilich ist es eine Frage des Einzelfalls, ob dem Schiedsgutachter diese Kompetenz auch tatsächlich übertragen wurde, Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213 (zur Befugnis zur Auslegung dessen, was die Parteien mit „Verkehrswert“ gemeint haben); anders Weismann, AcP 72 (1888), 269, 306 (Schiedsgutachter darf nicht die Aufgabe übertragen bekommen zu bestimmen, was genau der Gegenstand seiner Schätzung sein soll). Diese Kompetenz unterscheidet den Schiedsgutachter zugleich vom gerichtlichen Sachverständigen, was die Einholung eines Schiedsgutachtens „oft vorzugswürdig“ erscheinen lassen müsste, Zöller/Greger, § 402 Rn. 1. 87  Lachmann, Rn. 76 (auch Rechtsgutachten können zu Schiedsgutachten gemacht werden); Pinckernelle, S. 15, 18; Kasolowsky/Schnabl, SchiedsVZ 2012, 84 ff.; 88  BGH v. 17.5.1967 BGHZ 48, 25, 28; BGH v. 21.5.1975 NJW 1975, 1556. 89  B. Meyer, S. 19; Luther, FS Reimers, S. 192 f.; Bulla, BB 1976, 389, 391. 90  BGH v. 8.11.2007 NJW-RR 2008, 659; RG v. 23.5.1919 RGZ 96, 57, 59; Bötticher, FS Hueck, S. 170; Kornblum, S. 104 Fn. 154; A. Bachmann, S. 34 f.; Lionnet/Lionnet, S. 473 f.; Sieg, VersR 1965, 629, 634. 91  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 301 (§ 12 IV 5 b). 92  Kröll, S. 50.

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tisch,93 aber nicht aussichtslos, wenn bedacht wird, dass auch Vorfragen eines Rechtsverhältnisses ein eigenes Rechtsverhältnis darstellen können94. Entscheidend ist vielmehr folgender Gesichtspunkt: Schiedsgutachter wie Schiedsrichter haben die Aufgabe, einen Streit zu entscheiden.95 Auch eine Einigungsschwierigkeit, mit deren Überwindung der Schiedsgutachter zugleich weiterem Streit vorbeugt, stellt sich als Streit in diesem Sinne dar.96 In § 1 DIS-SchGO wird das Vorliegen einer „Streitigkeit in Zusammenhang mit einem Vertrag“ sogar zur Anwendbarkeitsvoraussetzung des Regelwerks erhoben. Es ist deshalb umstritten, ob einem Schiedsgutachter gleich einem Schiedsrichter die Aufgabe übertragen werden kann, über ein Rechtsverhältnis insgesamt verbindlich zu entscheiden,97 oder ob Schlussfolgerungen, die er aus seinen Feststellungen zieht, notwendig seine „Privatmeinung“ bleiben müssen.98 Wenn der BGH eine Klausel passieren lässt, in dem einem Sachverständigengremium einen Ausspruch nicht nur über die Höhe von wertsteigernden Verwendungen eines Pächters, sondern auch über den Grund dieser Verwendungen übertragen wird, kommt das einer Entscheidung des Gremiums über den gesamten Streitstoff sehr nahe.99 Doch selbst wer in rechtlicher Hinsicht einen Unterschied erkennt und die Befugnis zur umfassenden Streitentscheidung allein beim Schiedsrichter belässt, muss eingestehen, dass faktisch die Entscheidung des Schiedsgutachters in den meisten Fällen den gesamten Streit beilegt.100 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schiedsgutachter über das einzige streitige Element des Rechtsverhältnisses entscheiden soll. Schlosser fasst diese Entwicklung pointiert zusammen: „Für die Entscheidung des gesamten Rechtsstreits fehlt dann mitunter nur noch die Schaffung eines Vollstreckungstitels …“.101

 93  Siehe

auch Greger/Stubbe, Rn. 13; Lembcke, ZGS 2009, 548, 549. BGH v. 8.11.2007 NJW-RR 2008, 659 präzisiert deshalb, dass ein Schiedsspruch auch vorliegen könne, wenn „über einen quantitativen Teil (oder möglicherweise über den Grund) des Anspruchs selbständig und abschließend“ entschieden wird.  94 Dazu Jacobs, S. 35 m.w.N.  95  Siehe oben § 2 B.II.4.a) (S. 65 ff.).  96  So auch Schwab/G. Walter, Kap. 3 Rn. 7; Kohler, Gruchot 31 (1887), 276, 305 Fn. 55; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 283.  97 Dafür Habscheid, FS Lehmann II, S. 800; ders., FS Kralik, S. 199; KTS 1957, 129, 135 (Begründung: wenn die Parteien ein Schiedsverfahren vereinbaren können, können sie auch ein weniger einschneidendes Schiedsgutachtenverfahren vereinbaren); Wittmann, S. 164; Pincker­nelle, S. 18; Lembcke, ZGS 2009, 548, 549.  98  Bötticher, FS Hueck, S. 170.  99  G. Walter, JZ 1988, 1083, 1084. 100  Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 87). 101  Schlosser, Entwicklungsstand, S. 2; vgl. auch Blackaby/Partasides/Redfern/Hunter, Rn. 1.144, die in der fehlenden Vollstreckbarkeit des Schiedsgutachtens den zentralen Unterschied zum Schiedsspruch sehen.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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Dieser letzte Unterschied sollte allerdings nicht überbetont werden. Die Parteien schließen ihre Schiedsgutachtenvereinbarung oft aus einem Geist der Kooperation heraus. Sie streiten zwar über einzelne Punkte, wollen diese Punkte aber beigelegt wissen. Bei dieser Motivationslage erscheint es wahrscheinlich, dass ein Anspruch freiwillig erfüllt wird, sobald erst von neutraler dritter Seite das Bestehen aller Anspruchsvoraussetzungen bestätigt wurde.102 Im Fall der freiwilligen Erfüllung stellt die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung kein maßgebliches Unterscheidungskriterium dar. Ergibt also die Auslegung, dass der Dritte den Streit insgesamt ausräumen sollte, erlaubt diese Absicht der Parteien oft keine zwingende Schlussfolgerung zur Beantwortung der Frage, ob ein Schiedsgutachten oder einen Schiedsspruch intendiert war.103 Folglich kann ein Schiedsgutachter – zumindest faktisch – sowohl inhaltlich als auch umfangmäßig alle Aufgaben wahrnehmen, die einem Schiedsrichter übertragen werden können.

III. Schiedsrichter kann alle Aufgaben des Schiedsgutachters wahrnehmen Zu einer vollen Kongruenz der Aufgabenbereiche muss jedoch hinzukommen, dass auch der Schiedsrichter alle Aufgaben wahrnehmen kann, die einem Schiedsgutachter übertragen werden können. Schlosser bejaht auch insofern die Deckungsgleichheit: „[W]as man häufig als bloße Schiedsgutachten ausspricht, [kann] durch Parteivereinbarung zum Schiedsspruch gemacht werden“.104

Freilich gibt es auch gewichtige Gegenstimmen, die eine Aushöhlung des „Kernbereich[s] schiedsgutachterlicher Tätigkeit“105 befürchten oder jedenfalls eine isolierte Tatsachenfeststellung dem Schiedsgutachter vorbehalten wollen106. Dieser letzte Punkt bedarf in der Tat im Hinblick auf die für staatliche Gerichte geltende Begrenzung tauglicher Gegenstände einer Feststellungsklage in § 256 ZPO der Diskussion. Vertiefte Betrachtung erfordert auch die Frage nach einer Kongruenz im Erbrecht – hier könnte sich wieder § 2065 Abs. 2 BGB bemerkbar machen. Vorweg abschichten lassen sich die subsidiären Befugnisse eines Schiedsgerichts nach § 319 Abs. 1 BGB. 102 Ausführlich M.-P. Weller, S. 425 ff. mit rechtsethischer und rechtsökonomischer Begründung. 103 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 31; Münch ­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 55; Wittmann, S. 164; Nicklisch, FS Bülow, S. 174 f. Auch OGH v. 25.5.1950 OGHZ 4, 39. 104  Schlosser, RIPS, Rn. 21. 105  Kornblum, S. 99. 106  Habscheid, KTS 1957, 129, 134.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

1. Subsidiäre Befugnisse des Schiedsgerichts Die richterlichen Befugnisse nach § 319 Abs. 1 BGB können auch einem Schiedsgericht übertragen werden, das dann subsidiär zur Gestaltung oder Feststellung aufgerufen ist.107 Das Schiedsgericht übt in diesem Fall die subsidiäre Kompetenz des Richters zur Vertragshilfe bei Fehlschlagen der Delegation oder im Fall der Unverbindlichkeit des Gutachtens aus. Die Kompetenz des staatlichen Richters beschränkt sich sodann auf die Überprüfung des Schiedsspruchs nach § 1059 ZPO. In dieser Abfolge sieht Münch eine Komplizierung, die den Parteien verwehrt werden sollte.108 Eine Komplizierung allein kann aber keinen Grund darstellen, den Kreis der schiedsfähigen Gegenstände (§ 1030 ZPO) einzuschränken und damit die Gleichwertigkeit von staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten in Frage zu stellen109. Die Abgrenzung zwischen Schiedsgutachten und Schiedsgericht wird erleichtert, weil sich Parteien, die eine derartige Vertragsgestaltung wählen, offenkundig über die Funktion der jeweiligen Entscheidungspersonen Gedanken gemacht haben. Aus Sicht des staatlichen Gerichts vermehrt sich zwar die Zahl der vorangehenden Entscheidungen; die Aufgabe des Richters wird gleichwohl erleichtert, da er sich aufgrund des eingeschränkten Maßstabs des § 1059 ZPO110 kaum noch inhaltlich mit diesen Entscheidungen auseinanderzusetzen hat. Zu keinem anderen Ergebnis gelangen das französische und das englische Recht. Nach französischem Recht ist es den Parteien erlaubt, das Ergebnis der Feststellung eines Dritten in Form der expertise irrévocable einem Schieds­ gericht zur Überprüfung vorzulegen.111 In England erstreckt sich eine Schiedsvereinbarung, die für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Einholung des Schiedsgutachtens besteht, auch auf eine mögliche Anfechtung des Schiedsgutachtens vor dem Schiedsgericht.112

107  Statt aller RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193, 195; Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 Rn. 25; Staudinger/­R ieble, § 319 Rn. 35; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 26; Volmer, BB 1984, 1010, 1012; für das versicherungsrechtliche Gutachten siehe bereits Motive VVG, S. 137; a.A. Jonas, JW 1937, 532, 533 (der Staat müsse sich eine „gewisse Nachprüfung“ vorbehalten). 108  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 61. 109  Zum letztgenannten Punkt Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 319 Rn. 26. Aufgrund dieser Gleichwertigkeit bedarf es nicht des Hinweises darauf, dass die Parteien auch eine Entscheidung nach freiem Belieben vereinbaren und damit den Rechtsschutz noch weiter einschränken könnten (so ROHG v. 1.6.1875 ROHGE 18, 337; Horschitz, NJW 1973, 1958, 1962), zumal auch bei einer Entscheidung nach freiem Belieben eine Kontrolle möglich bleibt. 110  Dazu oben § 15 C.III.1. (S. 740 ff.). 111  Jarrosson, Rev. Arb. 2001, 5, 17 Fn. 32; Cadiet, FS Guyon, S. 163. 112  Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 14.2.5.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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2. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Schuldrecht a) Gestaltende Entscheidungen Bereits oben bejaht wurde die Möglichkeit, den in § 317 Abs. 1 BGB vorgesehenen Dritten zu „überspringen“ und sogleich ein Schiedsgericht mit der Ergänzung oder Anpassung eines Vertrages zu betrauen.113 Ein derartiger Schiedsspruch könnte sogar nach § 1060 ZPO für vollstreckbar erklärt werden, um gegen Aufhebungsansprüche gesichert zu werden und auf diese Weise eine erhöhte „Bestandskraft“ zu erlangen.114 Nicht entschieden werden muss hier die Frage, ob die Gestaltungswirkung auch erst mit Vollstreckbarerklärung eintritt.115

b) Feststellende Entscheidungen – § 256 ZPO als Grenze? Eine reine Tatsachenfeststellung durch ein Schiedsgericht muss sich mit § 256 ZPO auseinandersetzen. Durch diese Vorschrift wird der Kreis von Fragen, die von einem staatlichen Gericht mit einem Feststellungsurteil beantwortet werden können, eingegrenzt. Statthaft ist eine Feststellungsklage nach dieser Vorschrift nur dann, wenn sie auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder auf die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde gerichtet ist und wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung hat. Die isolierte Feststellung von Tatsachen – als Ausschnitt der Problematik der Feststellungsklage über Elemente eines Rechtsverhältnisses116 – gehört nach allgemeiner Auffassung nicht in diese „Rechtsschutzzone der Feststellungsklage“117; sie stellt kein im Zivilprozess feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.118 Wer diese Begrenzung auf das Verfahren vor einem Schiedsgericht überträgt, muss zu dem Schluss gelangen, dass auch dort nur die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann. Die Feststellung einer Tatsache stellt danach keinen tauglichen Streitgegenstand eines Schiedsverfahrens dar.119 Es besteht 113 

Siehe oben § 4 E.III.1. (S. 275 f.). zu Schiedssprüchen ohne vollstreckungsfähigen Inhalt BGH v. 30.3.2006 SchiedsVZ 2006, 278 mit ablehnender Anmerkung R. Wolff/Falk (Schiedsspruch stehe einem rechtskräftigen Urteil gleich und bedürfe deshalb keiner erhöhten Bestandskraft). 115 Dafür K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1083 Fn. 110; dagegen Staudinger/­R ieble, § 343 Rn. 149; ausführliche Nachweise bei Lakkis, S. 255 Fn. 500 f.; F. Harder, S. 75. 116  Jacobs, S. 34 ff., 43 ff. m.w.N. 117  Begriff nach Trzaskalik; ebenso Jacobs. 118  BGH v. 3.5.1977 BGHZ 68, 331, 332, 334 ff.; Münch­Komm-­Z PO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 26 f.; Stein/Jonas/H. Roth, § 256 Rn. 29; ausführlich Jacobs, S. 43 ff. (dort auch zur Gegenansicht, die insbesondere für die Feststellung der Unwahrheit einer ehrverletzenden Behauptung eine Ausnahme etablieren will). 119  Ernemann, S. 30 f.; Kornblum, S. 101; B. Rauscher, S. 175 f.; Ritzmann, S. 4; Bongartz, S.16; Habscheid, KTS 1957, 129, 132 f., 135; ders., FS Kralik, S. 199; Kurth, NJW 1990, 2038, 114  Allgemein

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

insoweit ein Kompetenzgleichlauf zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten.120 Für das Verhältnis von Schiedsgutachter und Schiedsrichter folgt daraus, dass sich ihre Aufgabenbereiche nur teilweise überlappen. Beide sind zum Teil austauschbar.121 Zwar kann nach dem oben Gesagten der Schiedsgutachter auch schiedsrichterliche Aufgaben wahrnehmen. Die Tatsachenfeststellung verbleibt ihm aber als „Erbhof“.122 In diese Richtung würde also der qualitativen Abgrenzung zwischen Tatfragen und Rechtsfragen doch Unterscheidungskraft zukommen. Tatsächlich soll das Ansinnen, lediglich gewisse Tatsachen festzustellen, noch nicht an ein Schiedsgericht herangetragen worden sein.123 Unvorstellbar wäre dies Begehren freilich nicht, wie einerseits die gescheiterten Versuche einer Ausweitung des § 256 Abs. 1 ZPO vor staatlichen Gerichten124 und andererseits die stärkere Berücksichtigung von Tatsachenfeststellungen in manchen ausländischen Schiedsverfahrensrechten125 belegen. Dass die Qualitätsarbitrage in vielen Ländern als Schiedsgerichtsbarkeit gesehen wird,126 bestätigt diese Annahme. Theoretisch ausgeschlossen wäre eine Tatsachenfeststellung durch ein Schiedsgericht nicht. Richtigerweise ist anzunehmen, dass die Begrenzung des § 256 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren nicht gilt.127 Dass es keinen strikten Kompetenzgleichlauf gibt und auch nicht geben muss, wurde bereits im Zusammenhang mit den weitergehenden Befugnissen des Schiedsgerichts zur Rechtsgestaltung begründet.128 Dies schließt natürlich 2039; RG v. 12.11.1907 RGZ 67, 71, 73. Offenbar auch RG v. 4.3.1937 Warn 1937 Nr. 80. – Die von Kornblum, S. 101 gemachte Ausnahme für Zwischenfeststellungsklagen ist von der herrschenden Überzeugung zu § 256 Abs. 2 ZPO nicht gedeckt; vor staatlichen Gerichten soll auch im Rahmen der Zwischenfeststellungsklage eine Tatsachenfeststellung nicht in Betracht kommen, Stein/Jonas/H. Roth, § 256 Rn. 103. 120  Kurth, NJW 1990, 2038, 2039; Ritzmann, S. 4. 121  Habscheid, FS Kralik, S. 199. 122  Borowsky, S. 195; Lembcke, ZGS 2009, 548, 549; außerdem für ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgutachters Ernemann, S. 32; Kurth, NJW 1990, 2038, 2039; Habscheid, KTS 1957, 129, 132 f.; Jonas, JW 1936, 820. 123  Schlosser, Entwicklungsstand, S. 2. 124  Beispiele in Stein/Jonas/H. Roth, § 256 Rn. 29 Fn. 141; vor allem auch Leipold, ZZP 84 (1971), 150, 160 f. 125  Zu Schweden und den Niederlanden siehe oben § 2 B.II.3.c) (S. 64 f.). Siehe aber auch Jarrosson, Rev. arb. 2005, 1049, 1058 f.: Wenn der Dritte nur Feststellungen treffen soll, ohne die Befugnis zu haben, daraus rechtliche Schlussfolgerungen abzuleiten, hat er keine rechtsprechende Funktion und kann deshalb nicht Schiedsrichter sein, sondern nur Sachverständiger nach Art. 1843-4 Code civil. 126  Born, S. 234 f.; David, Nr. 3. 127 Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 30; ders., Entwicklungsstand, S. 2; Wittmann, S. 159 ff.; Lachmann, Rn. 403; Loewenheim, S. 81; Prager, ZBH 1932, 157, 158 f.; tendenziell auch Pinckernelle, S. 19; siehe auch schon Weismann, AcP 72 (1888), 269, 282; Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 719 f. 128  Siehe oben § 4 E.III.2. (S. 276 f.).

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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nicht aus, dass die Kompetenzbereiche in anderen Punkten – wie etwa der Tatsachenfeststellung – übereinstimmen. Jedoch treffen die Gründe, die zumindest de lege lata vor staatlichen Gerichten die Feststellungsfähigkeit reiner Tatsachen ausschließen, im Schiedsverfahren nicht zu. Soweit der Ausschluss der Tatsachenfeststellung mit einem Umkehrschluss aus § 256 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt wird, der als einzige Ausnahme den Streit über die Echtheit oder Unechtheit von Urkunden ausdrücklich vorsehe,129 kann daraus weder für noch gegen eine Anwendung der Norm im Schiedsverfahrensrecht etwas entnommen werden, da ihre Übertragung ja erst zu beweisen ist. Losgelöst von dieser normimmanenten Argumentation ist die Begründung, „daß der Zivilprozeß keine historische, psychologische oder technische Untersuchung ist“.130 Private Parteien sollen die staatliche Justiz nicht nach Belieben zur Klärung ihrer Tatsachenfragen auf Kosten des Beklagten heranziehen dürfen.131 Dieses Argument zerfällt bei näherer Betrachtung in zwei getrennt zu sehende Aspekte: Es betrifft einerseits die Prozessökonomie132 (und in einem weiteren Sinne wohl die Justizökonomie), andererseits den Zweck des Zivilprozesses133. Die geringe Beweiskraft prozessökonomischer Überlegungen in diesem Zusammenhang hat jüngst Jacobs anhand der Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses herausgearbeitet und dabei auf die überragende Bedeutung des Prozesszwecks der Sicherung, Verwirklichung und Durchsetzung subjektiver Rechte hingewiesen.134 Gerade mit Blick auf das private, von den Parteien getragene Schiedsverfahren verlieren prozess‑ und justizökonomische Überlegungen weiter an Relevanz.135 Gleiches gilt für den Prozesszweck, der im Schiedsverfahren nicht in demselben Maße Geltung beansprucht. Wenn die streitbefangene Tatsache den einzigen zwischen den Parteien streitigen Punkt darstellt, bietet ihnen das Schiedsverfahren vielmehr die Möglichkeit zu einer abschließenden Beilegung ihres Streits.136 Soweit aus einer „Zerstückelung“ des Streits auf mehrere separat geführte Schiedsverfahren um je einzelne Tatsachen ein Nachteil für den Beklagten befürchtet wird,137 kann daraus ebenfalls nicht geschlossen werden, dass es sich nicht um einen feststellungsfähigen Gegenstand handelt. Ob der Kläger wirklich auf diese Weise vorgehen darf, ist vielmehr eine Frage seines Feststellungsinteresses. Gerade in diesem Punkt besteht freilich ein bedeutender Unterschied 129 Stein/Jonas/H.

Roth, § 256 Rn. 29; Bork, Vergleich, S. 102 Fn. 16. Roth, § 256 Rn. 29; Bork, Vergleich, S. 102 f. 131  BGH v. 3.5.1977 BGHZ 68, 331, 336 („Einspannung des Richters in Funktionen der Parteien“); Jacobs, S. 298. 132  Darauf stellt Bork, Vergleich, S. 103 ab; ebenfalls Wittmann, S. 161. 133  Jacobs, S. 302 m.w.N. 134  Jacobs, S. 339 ff.; außerdem Trzaskalik, S. 147 ff. 135  Wittmann, S. 161. 136  Wittmann, S. 162. 137 So Wittmann, S. 161, der dies Argument aber ebenfalls ablehnt. 130 Stein/Jonas/H.

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zwischen Zivilprozess und Schiedsverfahren: Während der Kläger vor einem staatlichen Gericht ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung haben muss, genügt im Schiedsverfahren ein wirtschaftliches Interesse.138 Dieses weitere Verständnis des anderen für das Abstecken der Rechtsschutzzone der Feststellungsklage wesentlichen Elements stellt ein deutliches Indiz dafür dar, dass vor Schiedsgerichten Feststellungsklagen in größerem Umfang zulässig sein können.139 Ein letztes Argument könnte noch darin liegen, dass auch Schiedssprüche in Rechtskraft erwachsen (§ 1055 ZPO). Der BGH sieht nun unter anderem „aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gegen die damit drohende Unschärfe für die Frage der Rechtskraftwirkungen“ Bedenken gegen eine isolierte Feststellung von Tatsachen im Zivilprozess.140 In der Tat liegt die Vorstellung von der Rechtskraftwirkung der Feststellung einer einzelnen Tatsache quer zu den allgemein geteilten Ansichten über die Rechtskraft.141 Vor einem von der Autonomie der Parteien und dem Verfahrensermessen der Schiedsrichter geprägten Schiedsgericht gelten jedoch, hat man sich einmal vom Gedanken des Kompetenzgleichlaufs verabschiedet, auch in diesem Punkt andere Regeln. Ein Schiedsspruch wird zwar häufig den aus dem Zivilprozess vertrauten Formen folgen; zwingend ist dies jedoch nicht.142 Ein Schiedsrichter kann Aussagen mit Rechtskraft versehen, die in einem staatlichen Zivilurteil nicht gemacht werden könnten.143 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Begrenzung des § 256 Abs. 1 ZPO nur ein staatliches Gericht, nicht aber ein Schiedsgericht an der isolierten Feststellung einer Tatsache hindert. Hinzuzufügen ist, dass, wenn einem Schiedsgericht die reine Tatsachenfeststellung theoretisch möglich ist, erst recht die Feststellung sonstiger Elemente eines Rechtsverhältnisses wie etwa einzelner Tatbestandsmerkmale nicht ausgeschlossen ist. Diese Elementenfeststellung gilt zwar im Zivilprozess ebenfalls als grundsätzlich ausgeschlossen; der Ausschluss wird dort jedoch keineswegs so strikt gehandhabt wie bei der Tatsachenfeststellung.144

138 

BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910; Wittmann, S. 160. Wittmann, S. 160. 140  BGH v. 3.5.1977 BGHZ 68, 331, 335 (konkret ging es um die Wahrheit oder Unwahrheit einer ehrverletzenden Behauptung); Münch­Komm-­ZPO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 26. 141  Jacobs, S. 302 m.w.N. Dass ein Feststellungsurteil über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde eine Art Rechtskraftwirkung entfaltet, bestätigt als Ausnahme die Regel, siehe Jacobs, S. 302. 142 Stein/Jonas/Schlosser, § 1055 Rn. 12; enger B. Rauscher, S. 175; Kurth, NJW 1990, 2038, 2039. 143 Stein/Jonas/Schlosser, § 1055 Rn. 14, 16. Allerdings sei dies im Zweifel nicht gewollt. 144  Siehe nur den Überblick bei Stein/Jonas/H. Roth, § 256 Rn. 27 ff.; Jacobs, S. 37 ff., 357 f.; Brehm, FS BGH III, S. 104 ff. 139 

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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Folglich hat auch im Bereich der feststellenden Entscheidungen der Schiedsgutachter keine weiter reichenden Befugnisse als der Schiedsrichter.145 Einen „Erbhof“ der Tatsachenfeststellung gibt es nicht. Ob den Parteien ein darauf gerichtetes Schiedsverfahren zu empfehlen ist,146 ist eine andere Frage, die keinen Einfluss darauf hat, ob sie es tatsächlich vereinbaren dürfen. Verschiedentlich geäußerte rechtpolitische Forderungen, de lege ferenda auch staatliche Gerichte für die isolierte Tatsachenfeststellung zu öffnen,147 geben jedenfalls zu der Vermutung Anlass, dass ein derartiges Verfahren in manchen Fällen durchaus sinnvoll erscheinen kann.

3. Primäre Befugnisse des Schiedsgerichts im Erbrecht Ein Erblasser kann letztwillig anordnen, dass Streitigkeiten aus dem Erbfall nicht vor staatlichen Gerichten, sondern vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden sollen. Die Zulässigkeit einer derartigen „Schiedsverfügung“148 ist im Grundsatz anerkannt.149 In den Einzelfragen ist freilich Vieles unklar und umstritten. Der Streit beginnt bereits bei der Frage, wie § 1066 ZPO zu verstehen ist, der für Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung angeordnet werden, die Vorschriften des Zehnten Buches der ZPO (§§ 1025 ff.) für entsprechend anwendbar erklärt.150 Eine prozessuale Sichtweise hält diese Norm für die eigentliche Ermächtigung des Erblassers zur Anordnung eines Schiedsgerichts.151 Es sei nicht begründbar, insoweit einen Unterschied zur Vertragsschiedsgerichtsbarkeit zu machen.152 Zudem würde andernfalls die Trennung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht ver145  Deutlich auch schon Weismann, AcP 72 (1888), 269, 308: „[W]o ein Schiedsgutachter möglich ist, [ist] immer auch ein Schiedsrichter möglich …“; ebenso ; Pinckernelle, S. 19. 146  Skeptisch Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1030 Rn. 26. 147  Siehe z.B. F. Baur, FS Bötticher, S. 11; Jacobs, S. 360 f.; Ritzmann, S. 2 ff.; E.J. Habscheid, ZZP 112 (1999), 37, 48, 58 f.; de lege lata bereits Leipold, ZZP 84 (1971), 150, 160 f. 148  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1029 Rn. 44; Sareika, ZZP 90 (1977), 285, 292. 149  RG v. 27.9.1920 RGZ 100, 76, 77; OLG Hamm v. 8.10.1990 NJW‑RR 1991, 455; LG Mainz 17.4.2008 SchiedsVZ 2008, 263; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 6; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 29 mit umfassenden Nachweisen in Fn. 17; ­Schwab/ G. Walter, Kap. 32 Rn. 25. – Große Verbreitung wird Schiedsgerichtsverfahren im Erbrecht nicht attestiert, Schiffer, Gestaltung, S. 68; K. Schmidt, JZ 1989, 1077; U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77; Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 25; Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 255. 150  Ursprünglich sollte die Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ auf entsprechende Vorschriften in Landesgesetzen verweisen, die seit Inkrafttreten des BGB nicht mehr existieren. Dieser ins Leere gehende Verweis erklärt nach Ansicht von Bandel, MittBayNot 2008, 280 die vielen Zweifelsfragen in der Anwendung von § 1066 ZPO. Zu den Vorläufern dieser Vorschrift siehe F. Harder, S. 49 ff.; K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1078; Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 243. 151 Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 18; ders., FS Schlosser, S. 202 f.; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 7; Staudinger/U. Haas, § 2306 Rn. 30a; ders., ZEV 2007, 49, 50, 52; Schütze, Rn. 646, 649; ders., BB 1992, 1877, 1880; Pawlytta, ZEV 2003, 89, 90 ff.; Wegmann, ZEV 2003, 20 f. 152  U. Haas, ZEV 2007, 49, 52.

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schwimmen.153 Zur Bestimmung der Kompetenzgrenzen könne auf § 27 ZPO zurückgegriffen werden.154 Demgegenüber sieht eine materiell-rechtliche Ansicht darin einen Verweis auf die materiellen Anforderungen an eine wirksame Verfügung von Todes wegen, der die Zulässigkeit letztwilliger Schiedsgerichte nur voraussetzt.155 Eigentlicher Geltungsgrund sei die Testierfreiheit des Erblassers, die zugleich die äußerste Grenze der schiedsgerichtlichen Kompetenz darstelle.156 Inwieweit dieses problematische Zusammenspiel von Prozessrecht und materiellem Recht Auswirkungen auf konkrete Ergebnisse hat, muss sich jedoch im Folgenden noch erweisen.157 In einem Kernbereich letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit ist nämlich große Einigkeit zu verzeichnen. So kann das testamentarisch angeordnete Schiedsgericht insbesondere Streitigkeiten über die Erbfolge entscheiden158 oder das Testament auslegen159. Das Schiedsgericht tritt hier an die Stelle eines staatlichen Gerichts.160 Hierin liegt zugleich der Grund, weshalb niemand einen Konflikt mit 153 

Geimer, FS Schlosser, S. 203. § 1066 Rn. 16. 155  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 5 (engere Grenzen als bei Vertragsschiedsgerichten, da § 1066 ZPO „faktisch ein Fremdkörper“ in den auf vereinbarte Schiedsgerichte zugeschnittenen §§ 1025 ff. ZPO sei); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 29; Hk-ZPO/ Saenger, § 1066 Rn. 1; Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 245; J.-C. Schulze, S. 82; Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 255; Lange/Kuchinke, S. 738 (§ 32 II 4 a); J.-C. Schulze, MDR 2000, 314 f. 156  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 32; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 1937 Rn. 9; Lange/Kuchinke, S. 738 (§ 32 II 4 b); Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 8; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 65 f.; ders., FS Rheinisches Notariat, S. 246; Bandel, NotBZ 2005, 381, 384; R. Werner, ZEV 2011, 506, 507; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 203; Schiffer/Schiffer, Rn. 662; siehe dazu auch OLG Karlsruhe v. 28.7.2009 ZEV 2009, 466. – F. Harder, S. 65 ff. greift hierbei nicht auf die einfachgesetzliche, sondern auf die verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit zurück. Grenzen der Schiedsgerichtsbarkeit sind damit nur das Rechtsprechungsmonopol des Staates (grundlegend dazu Bork, ZZP 100 (1987), 249 ff.) und Rechtspositionen Dritter, nicht aber einfache Schranken der Testierfreiheit; dagegen Bandel, MittBayNot 2008, 280, 281; skeptisch dazu, ob die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes auch die letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit umfasst, ebenfalls Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 197. 157  Eine kombinierte Ansicht vertritt Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 162: Aus dem Verweis in § 1066 ZPO folge, dass ein letztwilliges Schiedsgericht sowohl den prozessualen Anforderungen der §§ 1025 ff. ZPO als auch den materiell-rechtlichen Normen des Erbrechts genügen müsse. 158 Staudinger/Otte, Vorbem zu §§1937–1941 Rn. 8; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67 f.; Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 17; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 33. 159  RG v. 27.9.1920 RGZ 100, 76, 77; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§1937–1941 Rn. 9; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 68 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 26; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 33. – Vgl. bereits P. v. Roth, S. 810 f. (§ 391) zur Lage im 19. Jahrhundert: Der Testamentsvollstrecker dürfe das Testament nicht auslegen, da eine Auslegung dem Richter vorbehalten sei, wenn nicht der Erblasser dem Testamentsvollstrecker zugleich schiedsrichterliche Befugnisse übertragen habe. Allerdings wird man wohl ergänzen müssen, dass der Testamentsvollstrecker dann nicht „als Testamentsvollstrecker“, sondern „als Schiedsrichter“ entscheidet. 160  Münch ­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 75; Schütte, in: jurisPK-BGB, § 2042 Rn. 51; 154 Zöller/Geimer,

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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dem Drittbestimmungsverbot annimmt. Es handele sich sogar „weitgehend um ein Scheinproblem“161. Denn der Schiedsspruch stellt sich nach dieser Prämisse in der Tat nicht als Entscheidung eines Dritten über die Geltung der Verfügung oder den Empfänger bzw. den Gegenstand der Zuwendung dar. Das Schiedsgericht trifft keine Willensentscheidung an der Stelle des Erblassers, sondern tut nur, was andernfalls dem staatlichen Gericht obliegen würde.162 Deutlich wird dies in dem allgemein akzeptierten Verbot einer – unglücklich – als „authentisch“ bezeichneten Auslegung des Testaments. Darunter ist eine Interpretation zu verstehen, die den letzten Willen so versteht, wie der Erblasser selbst ihn interpretieren würde.163 Eine derartige Interpretation würde den Rahmen der Auslegung des Erblasserwillens verlassen. Der Interpret würde seinen Willen an die Stelle des Erblasserwillens setzen. Dies hat bereits das Reichsgericht zu Recht für unzulässig erklärt.164 Folgerichtig wird generell betont, die Auslegungskompetenz des Schiedsrichters reiche ebenso weit wie die des staatlichen Richters.165 Sofern jedoch das Schiedsgericht nicht an die Stelle des staatlichen Gerichts treten, sondern über diesen Kernbereich hinausgehend166 auf eine Weise tätig werden soll, die diesem versperrt wäre, kommt das Drittbestimmungsverbot des § 2065 BGB ins Spiel. Die Entscheidung des Schiedsgerichts könnte sich als unStaudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 9; NK-BGB/Beck, § 2065 Rn. 7; Soergel/Stein, § 1937 Rn. 9; RGRK/Johannsen, § 2065 Rn. 4; Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 17; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 315; U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77. 161  Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 265; siehe auch Tröder, MittRhNotK 2000, 379, 382 f. 162  Das ist allgemein anerkannt, vgl. nur RG v. 27.9.1920 RGZ 100, 76, 77 f.; Zöller/­Geimer, § 1066 Rn. 17; RGRK/Kregel, Vorbemerkungen zu den §§ 1937–1941 Rn. 6; J.-C. Schulze, S. 83; ders., MDR 2000, 314, 315; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 610 f.; Geimer, FS Schlosser, S. 205 (Schiedsspruch ist „Rechtsanwendung“, nicht „Willensentscheidung eines Dritten“); Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Soergel/Stein, § 1937 Rn. 9; Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 255. 163  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 69. 164  RG v. 29.4.1907 RGZ 66, 103; zustimmend die ganz h.M., siehe z.B. Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 68; Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 26 (die allerdings J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 317 zu Unrecht für die Gegenansicht zitieren); Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 1066 Rn. 2; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 9; Happe, S. 88 f.; v. Lübtow I, S. 142; U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77; weiter Hk-ZPO/Saenger, § 1066 Rn. 3 (auch ergänzende Auslegung unzulässig). Siehe dagegen Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Storz, ZEV 2009, 265, 269; Schütze, BB 1992, 1877, 1881, die eine authentische Auslegung zulassen wollen. Der Streit scheint terminologischer Natur zu sein: Schütze versteht unter authentischer Auslegung die Erforschung der Intention des Erblassers und Auslegung des testamentarisch bekundeten Willens. Das geht aber letztlich nicht über die übliche Tätigkeit der (ergänzenden) Auslegung hinaus. 165  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 9. 166  Selbstverständlich steht es dem Erblasser frei, der Kompetenz des Schiedsgerichts engere Grenzen zu ziehen, vgl. nur Münch­Komm-­ZPO/Münch, § 1066 Rn. 4; Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 16. Im Folgenden geht es um die äußersten Grenzen, die er nicht überschreiten darf.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

zulässige Bestimmung durch einen Dritten darstellen. Das hätte zur Folge, dass – anders als zuvor für den Bereich des Schuldrechts festgestellt – im Erbrecht ein Kompetenzgleichlauf zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten besteht. Zur Beantwortung dieser Frage sollen einerseits die Auseinandersetzung des Nachlasses unter mehreren Miterben, andererseits die Bestimmung des Zuwendungsempfängers durch das Schiedsgericht näher betrachtet werden.

a) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Untersucht werden soll deshalb zunächst, ob der Erblasser ein Schiedsgericht damit betrauen kann, die Erbauseinandersetzung vorzunehmen, indem es einen für alle Mitglieder der Erbengemeinschaft verbindlichen Auseinandersetzungsplan aufstellt.

aa) Kompetenzen staatlicher Gerichte zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung Da die Kompetenzen des Schiedsgerichts jedenfalls so weit reichen können wie die des staatlichen Prozessgerichts,167 muss zunächst das Aufgabenspektrum staatlicher Gerichte in der Erbauseinandersetzung skizziert werden. Ein staatliches Gericht kann in zwei verschiedenen Situationen mit einem Auseinandersetzungsplan befasst sein. Seine Möglichkeiten, gestaltend in der Erbauseinandersetzung tätig zu werden, sind jedoch sehr beschränkt. Von vornherein dem unmittelbaren gerichtlichen Aufgabenspektrum entzogen ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare am 1.9.2013 die Vermittlung der Erbauseinandersetzung. Stattdessen nimmt nunmehr der Notar diese nachlassgerichtliche Aufgabe wahr.168 In der Sache hat sich an dem Verfahren jedoch nichts geändert: Genauso wie früher das Nachlassgericht kann nunmehr der Notar die Erbengemeinschaft, wenn die Erbauseinandersetzung nicht einem Testamentsvollstrecker überlassen ist, beim Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung unterstützen (§ 363 ff. FamFG). Am Schluss dieses Verfahrens kann die verbindliche und vollstreckbare notarielle Bestätigung (§ 371 FamFG) eines beurkundeten Auseinandersetzungsplans stehen. Das Verfahren 167  Allgemein Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Geimer, FS Schlosser, S. 205. Soweit sich Geimer zur Begründung seiner Ansicht allerdings auf die Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit stützt, ist das problematisch: Die Gleichwertigkeit folgt ja erst daraus, dass das Schiedsgericht keinen engeren Kompetenzspielraum hat als ein staatliches Gericht. 168  Siehe § 23a Abs. 3 GVG, §§ 342 Abs. 2 Nr. 1, 344 Abs. 4a FamFG. Schon früher konnte aufgrund von Art. 147 EGBGB landesrechtlich die Zuständigkeit des Notars begründet werden; ausführlich zur Zuständigkeit des Notars in Bayern Ihrig, MittBayNot 2012, 353 ff.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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setzt jedoch die Mitwirkung der Erben voraus. Bloßem „Stillhalten“ eines säumigen Beteiligten kann der Notar zwar mit den Präklusionsvorschriften der §§ 366 ff. FamFG begegnen und nach Fristsetzung sein Einverständnis fingieren. Doch gegen den aktiven Widerstand eines Miterben hat er keine Handhabe.169 Ergeben sich Streitpunkte, ist das Verfahren auszusetzen (§ 370 FamFG) oder, wenn diese Streitpunkte bereits vor Verfahrenseinleitung gegeben sind, unzulässig.170 Es handelt sich um ein reines Vermittlungsverfahren.171 Das Verfahren, dem die Erste Kommission noch größten Wert zugesprochen hatte,172 gilt deshalb weithin als unergiebig und wenig verbreitet.173 Im Bereich der gerichtlichen Kompetenzen verblieben ist demgegenüber selbstverständlich die vor dem notariellen Vermittlungsverfahren vorrangige174 Zuständigkeit des Prozessgerichts für die Erbauseinandersetzungsklage. Mit dieser Klage will ein Erbe gestützt auf seinen Auseinandersetzungsanspruch aus § 2042 Abs. 1 BGB die Zustimmung derjenigen Mitglieder der Erbengemeinschaft, die einer Auseinandersetzungsvereinbarung widersprechen, erzwingen.175 Der Kläger muss seinen Antrag mit einem konkreten Auseinan169  Noch zum Verfahren vor derm Nachlassgericht: KG v. 18.3.1965 NJW 1965, 1538, 1539; MünchKomm-FamFG/J. Mayer, § 366 Rn. 8; Soergel/M. Wolf, Vor § 2032 Rn. 12; Palandt/Weidlich, § 2042 Rn. 19; Erman/Schlüter, § 2042 Rn. 14; Lange/Kuchinke, S. 1156 (§ 44 III 6 a g) (dort auch m.w.N. zu den Voraussetzungen eines Widerspruchs). 170  Noch zum Verfahren vor dem Nachlassgericht: OLG Düsseldorf v. 17.7.2002 ZEV 2003, 289; MünchKomm-FamFG/J. Mayer, § 366 Rn. 10. 171 Noch zum Verfahren vor dem Nachlassgericht: Münch­ Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 47, 51; Erman/Schlüter, § 2042 Rn. 14; Kipp/Coing, S. 639 f. (§ 118 IV); Krenz, AcP 195 (1995), 361, 366 („funktional auf eine Art Vertragshilfe“ begrenzt); Storz, ZEV 2008, 308, 309. – Der DJT 2010 hat sich mehrheitlich gegen eine Stärkung des Vermittlungsverfahrens durch weiter gehende Gestaltungsbefugnisse des Nachlassrichters ausgesprochen. Abgelehnt wurde ebenso die Einführung einer Befugnis, den widersprechenden Miterben unter Fristsetzung zur Erhebung einer Teilungsklage auffordern zu können. 172  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 756. 173 Noch zum Verfahren vor dem Nachlassgericht: Münch­ Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 54; Kipp/Coing, S. 637 (§ 118 I); Krug, in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, § 3 Rn. 465; Sarres, in: Frieser/Sarres/Stückemann/Tschichoflos, Kap. 13 Rn. 83, der allerdings für einen vermehrten Einsatz des Vermittlungsverfahrens als gesetzliche Möglichkeit der Schlichtung von Erbstreitigkeiten plädiert. Für einen verstärkten Einsatz des Vermittlungsverfahrens auch Eberl-­Borges, ErbR 2009, 234, 242 m.w.N.; Ihrig, MittBayNot 2012, 353. 174  Siehe nur Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 521. 175  Beispiel in KG v. 20.10.1960 NJW 1961, 733. Zusammenfassend Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 37 ff.; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 55 ff.; Eberl-Borges, S. 182 f., jeweils mit zahlreichen Nachw. Allerdings tritt Eberl-Borges abweichend von der ganz h.M. für eine Konzeptualisierung der Erbauseinandersetzungsklage nicht als Leistungsklage, sondern als Feststellungsklage ein (S. 188 ff.). Klageziel sei die Feststellung, dass der vom Kläger vorgelegte Auseinandersetzungsplan mit den anwendbaren Auseinandersetzungsregeln übereinstimme. Der Auseinandersetzungsvollzug beruhe dann unmittelbar auf diesen Vorgaben, nicht auf dem Auseinandersetzungsplan. Eine Auseinandersetzung mit dieser Ansicht ist im vorliegenden Rahmen nicht erforderlich. Auch im Rahmen einer Feststellungsklage hätte das Prozessgericht keinen Spielraum zur Auseinandersetzungsentscheidung nach Billigkeit.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

dersetzungsplan verbinden.176 Dieser Plan hat etwaige Teilungsanordnungen des Erblassers, Vereinbarungen der Miterben sowie nicht offenbar unbillige Bestimmungen eines Dritten zu berücksichtigen und im Übrigen den gesetzlichen Teilungsregeln (§§ 2046 ff., 2042 Abs. 2 i.V.m. 752 ff. BGB) zu entsprechen.177 Von dem vorgelegten Plan darf das Gericht nicht abweichen (§ 308 ZPO).178 Es kann lediglich die beklagten Miterben zur Zustimmung (§ 894 ZPO) zu dem vom Kläger vorgelegten Auseinandersetzungsplan verurteilen.179 Das Gericht vollzieht mithin die anwendbaren Auseinandersetzungsregeln ohne eigenes Gestaltungsermessen.180 Dieses Konzept der Erbauseinandersetzungsklage hat vor allem zwei Folgen, die häufig als misslich empfunden werden:181 Zum einen hat die Bindung an die gesetzlichen Teilungsregeln zur Folge, dass jeder einzelne Gegenstand zu teilen oder, sofern eine Teilung ausgeschlossen ist, zu versilbern ist.182 Eine gerichtliche Zuweisung an einen Miterben gegen Ausgleichszahlung ist nicht möglich.183 Bei vielen bedeutenden Nachlassgegenständen scheidet eine Teilung aber von vornherein aus; zu denken ist etwa an Immobilien, einzelkaufmännische Unternehmen, Kunstgegenstände, Kraftfahrzeuge, Schmuck oder

176  Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 62; Palandt/Weidlich, § 2042 Rn. 21; Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 39; Erman/Schlüter, § 2042 Rn. 16; Stein/Jonas/H. Roth, § 253 Rn. 32 (Kläger darf die gegenständliche Verteilung nicht auf das Gericht abschieben); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 253 Rn. 62. 177  BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493, 1494; OLG Düsseldorf v. 18.6.1999 OLGR 2000, 105; KG v. 20.10.1960 NJW 1961, 733; Schütte, in: jurisPK-BGB, § 2042 Rn. 47; Soergel/ M. Wolf, § 2042 Rn. 19; Eberl-Borges, S. 182 f.; Steiner, ZEV 1997, 89, 92. – Von den gesetzlichen Teilungsregeln soll nach Ansicht mancher eine Abweichung aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) möglich sein, BGH v. 31.1.1976 BGHZ 58, 146; Palandt/Sprau, § 753 Rn. 8; Eberl-­ Borges, S. 183; offengelassen in KG v. 20.10.1960 NJW 1961, 733, 734. Kritisch Krenz, AcP 195 (1995), 361, 369, da die gesetzlichen Teilungsregeln dem Richter gerade keinen Billigkeitsspielraum lassen. Speziell zur Überführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens auf eine Handelsgesellschaft in Verwirklichung des Auseinandersetzungsanspruchs K. Schmidt, NJW 1985, 2785, 2792. 178  KG v. 20.10.1960 NJW 1961, 733; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 62, 70; Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 19; Palandt/Weidlich, § 2042 Rn. 21; Lange/Kuchinke, S. 1158 (§ 44 III 7 a). 179  BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493; OLG Düsseldorf v. 18.6.1999 OLGR 2000, 105; KG v. 20.10.1960 NJW 1961, 733; siehe nur Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 56; Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 44; Erman/Schlüter, § 2042 Rn. 16; Lange/Kuchinke, S. 1157 (§ 44 III 7 a). 180 Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 19; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 70; Staudinger/ O. Werner, § 2042 Rn. 44; Lange/Kuchinke, S. 1137 (§ 44 I 4); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 520. Verschiedentlich wird die Klage deshalb als „Fall eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs“ bezeichnet, Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 9; Krenz, AcP 195 (1995), 361, 366. 181  Grundsätzlich zustimmend aber Muscheler, Rn. 3934 ff. 182  Zur Teilung nach den §§ 752 ff. BGB Schnorr, S. 353 ff. Als wenig interessengerecht für die Erbauseinandersetzung wird ein derartiges Modell bereits bezeichnet bei v. Schmitt II, S. 747. 183  Siehe aber § 13 GrdstVG, dazu Wöhrmann, § 13 GrdstVG Rn. 1 ff.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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geistige Eigentumsrechte.184 Somit führt die Teilung aufgrund der gesetzlichen Vorschriften fast zwangsläufig dazu, dass Vermögenswerte zerschlagen werden oder Familienbesitz verschleudert wird, wenn sich die Miterben nicht einigen können.185 Ein einziges Mitglied der Erbengemeinschaft reicht aufgrund der gesetzlichen Regeln aus, um trotz des vernünftigen Einigungswillens aller anderen Mitglieder diese Zerschlagung oder Versilberung zu betreiben.186 Zum anderen birgt das Erfordernis eines konkreten Auseinandersetzungsplans nicht unerhebliche Risiken für den Kläger. Diese Risiken werden durch die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) sowie die Möglichkeit von Eventualanträgen und Feststellungsklagen über einzelne Streitpunkte nur zum Teil abgemildert.187 Größere Gestaltungsfreiräume für den Richter, wie sie etwa bei der gemeinrechtlichen Erbteilungsklage noch bestanden hatten,188 sind zwar in der Vergangenheit im Schrifttum immer wieder gefordert worden.189 Die Forderungen haben aber bislang keinen Niederschlag im Gesetz gefunden.190 Der Gesetzgeber favorisiert die interne privatautonome Einigung der Miterben.191 Ungünstige gesetzliche Auseinandersetzungsregeln können zwar durchaus den Einigungsdruck erhöhen.192 Wenn die Einigung misslingt, ist für diesen Eini184  Vgl.

nur die Aufzählung bei Münch­Komm-­BGB/K. Schmidt, § 752 Rn. 15 ff.; Krenz, AcP 195 (1995), 361, 364 f., jeweils m.w.N. – Außen vor bleiben die Objekte einer Sonderrechtsnachfolge wie insbesondere Anteile an Personengesellschaften im Fall der Existenz einer Nachfolgeklausel sowie Höfe im Sinne der Höfeordnung. 185  Dazu Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 21; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 3; Lange/Kuchinke, S. 1137 (§ 44 I 4); Ebenroth, Rn. 770; Ann, S. 300 f. (zugleich kritisch gegenüber einem weiten Verständnis der Teilbarkeit); Sarres, ZEV 1999, 377 ff.; Eberl-Borges, ZErb 2010, 255, 257. 186  Lange/Kuchinke, S. 1137 (§ 44 I 4); Eberl-Borges, ErbR 2009, 234, 235; Krenz, AcP 195 (1995), 361, 366. 187  Schütte, in: jurisPK-BGB, § 2042 Rn. 47; Lange/Kuchinke, S. 1159 f. (§ 44 III 7 c); S ­ arres, in: Frieser/Sarres/Stückemann/Tschichoflos, Kap. 13 Rn. 126 ff.; Steiner, ZEV 1997, 89. 188  Siehe oben § 4 B.I.4.c) (S. 167 f.). 189  In neuerer Zeit z.B. Staudinger/O. Werner, § 2042 Rn. 21; Lange/Kuchinke, S. 1137 (§ 44 I 4) mit ausführlichen Nachweisen zum älteren Schrifttum; Ann, S. 391 ff. (der aber auch Nachteile aufzeigt); Eberl-Borges, ErbR 2009, 234, 245 f.; Krenz, AcP 195 (1995), 361, 384 ff.; dezidiert dagegen Exner, S. 193 ff. (Nachfolgeregelung sei Sache des Erblassers, nicht der Gerichte, daher keine Zuweisung durch den Richter, sondern allenfalls Stärkung des Vermittlungsverfahrens); Muscheler, Rn. 3934 (Literatur zum Vorschlag des Erbrechtsausschusses der Akademie für deutsches Recht, dem Richter die Befugnis zu geben, auch gegen den Widerspruch einzelner Erben Nachlassgegenstände zuzuteilen, wenn dies zur Erhaltung wertvoller Gegenstände notwendig ist, wird dort nachgewiesen in Rn. 3931 Fn. 204). 190  Zur grundsätzlichen inhaltlichen Beibehaltung der Regeln der §§ 86 ff. FGG: BTDrucks. 16/6308, S. 170. 191  Ebenroth, Rn. 776; Sarres, ZEV 1999, 377, 378; siehe schon Mot., in: Mugdan, Bd. V, S. 373; für eine Stärkung der Vermittlungstätigkeit des Nachlassgerichts Eberl-Borges, ZErb 2010, 255 ff. Zur Zustimmung des Erben zu unentgeltlichen Verfügungen des Testamentsvollstreckers BGH 24.9.1971 BGHZ 57, 84, 93. 192  Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 3; Lange/Kuchinke, S. 1137 (§ 44 I 4); Muscheler,

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

gungsdruck jedoch unter Umständen ein hoher Preis zu zahlen.193 Gleichwohl fügt sich diese Konzeption der Auseinandersetzungsklage in die oben bereits beobachtete Tendenz zu einer Privatisierung der Nachlassabwicklung ein.194 In gewisser Weise einen Sonderfall stellt schließlich die andere Möglichkeit einer gerichtlichen Beteiligung an der Erbauseinandersetzung dar, wenn nämlich das Gericht den offenbar unbilligen Auseinandersetzungsplan eines Dritten (§ 2048 S. 3 BGB) zu korrigieren hat Es handelt sich zugleich um die einzige Situation, in der das staatliche Gericht gegen den Willen eines Miterben einen bindenden Auseinandersetzungsplan gestalten kann.195

bb) Kompetenz eines Schiedsgerichts zur Gestaltung einer Erbauseinandersetzung Ohne weiteres kann auch ein Schiedsgericht die beiden genannten gerichtlichen Kompetenzen wahrnehmen.196 Ein Tätigwerden als Vermittler wie in den §§ 363 ff. FamFG, das nicht in eine Entscheidung mündet, kommt dagegen von vornherein nicht als schiedsrichterliche Aufgabe in Betracht.197 Rn. 3934; Sarres, ZEV 1999, 377, 380. Dagegen Krenz, AcP 195 (1995), 361, 366 (angesichts der emotionalen Aspekte einer Erbauseinandersetzung); Eberl-Borges, ZErb 2010, 255, 257. 193  Allgemein zu sog. „penalty default rules“ Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 63 ff. mw.N. 194  Siehe oben § 4 B.I.4.c) (S. 167 ff.). 195  Um eine besondere Konstellation ging es in BGH v. 17.4.2002 ZEV 2002, 319: Die Erb­ lasserin hatte ihren drei Töchtern ein Grundstück mit drei Wohnungen hinterlassen mit der Anordnung, jede Tochter solle eine Wohnung als Eigentumswohnung behalten und der Grund solle geteilt werden. Die Erben waren sich grundsätzlich über die Begründung von Wohnungseigentum einig, stritten aber über Details der Gemeinschaftsordnung. Der BGH hielt die Erb­ auseinandersetzungsklage trotz des Streits für begründet: Zur Begründung von Wohnungseigentum sei eine Gemeinschaftsordnung nicht erforderlich, so dass die grundsätzliche Einigung als Auseinandersetzungsvereinbarung ausreiche. Die streitigen Punkte könne das Gericht rechtsgestaltend nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts lösen (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 15 Abs. 3 WEG a.F., §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 21 Abs. 8, 15 Abs. 3 WEG n.F.). – Nicht hierher gehören zwei weitere Sonderfälle gerichtlicher Gestaltung, mit denen Nachlassgegenstände zugewiesen werden können. Nach den §§ 13 ff. GrdstVG kann das Landwirtschaftsgericht in bestimmten Fällen einen landwirtschaftlichen Betrieb einem Miterben zuweisen. Es orientiert sich dabei am wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers, § 15 Abs. 1 S. 1 GrdstVG. Das Familiengericht kann nach den §§ 1371 Abs. 2, 1383 BGB einem überlebenden Ehegatten, der weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, im Rahmen des Zugewinnausgleichs bestimmte Gegenstände zuweisen. Entscheidungskriterien sind dabei einerseits die Erforderlichkeit, um eine grobe Unbilligkeit für den überlebenden Ehegatten zu vermeiden, andererseits die Zumutbarkeit für die Erben. Das Verfahren richtet sich nach §§ 264 f. FamFG. 196  Zu § 2048 S. 3 BGB siehe Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72; ders., FS Rheinisches Notariat, S. 255 Fn. 53; Eberl-Borges, S. 121; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 132. A.A. Münch­ Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 61 (Kontrolle von Schiedsgutachten durch Schiedsgerichte sollte unzulässig sein, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden), dazu bereits oben bei Fn. 108. 197  Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 253 f.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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Von Interesse für Erblasser und Erben ist nun die Frage, ob der Erblasser darüber hinaus ein Schiedsgericht losgelöst von den gesetzlichen Teilungsregeln zur Gestaltung eines verbindlichen Auseinandersetzungsplans einsetzen kann. Dies hätte – neben den Vorteilen, die üblicherweise für ein Schiedsverfahren aufgezählt werden198 – den entscheidenden Vorteil, dass der Nachlass auch bei Uneinigkeit unter den Erben wirtschaftlich sinnvoll und zur größeren Zufriedenheit der Beteiligten verteilt werden kann.199 Wenn es jedoch so ist, dass das letztwillige Schiedsgericht an die Stelle des staatlichen Gerichts tritt, müsste daraus folgen, dass ein Schiedsgericht im Rahmen einer Erbauseinandersetzung gerade keinen derartigen eigenen Gestaltungsspielraum haben kann.

(i) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein vertragliches Schiedsgericht Im Bereich vertraglich eingesetzter Schiedsgerichte ist anerkannt, dass die Kompetenzen des Schiedsgerichts zur Rechtsgestaltung weiter gehen können als die Befugnisse eines staatlichen Gerichts.200 Diesen Grundsatz hat der BGH insbesondere anhand eines Falles bestätigt, in dem sich die Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf die Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Verteilung des Nachlasses geeinigt hatten. 201 In dem Vertrag hieß es: „Zur endgültigen Bereinigung sämtlicher gegenseitigen Auseinandersetzungs- und Verrechnungsansprüche, ganz gleich, aus welchem Rechtsgrunde sie bestehen könnten, soll das Schiedsgericht: 1. sämtliche Ansprüche obiger Beteiligten, die irgendwie mit der Auseinandersetzung und den dadurch hervorgerufenen Rechtsverhältnissen zusammenhängen können, endgültig für sämtliche Beteiligten bindend festsetzen, und zwar unter Ausschluß des Rechtsweges, auch zu 2. und 3.; 2. die gegenwärtige und zukünftige Bearbeitung, Verpachtung oder Benutzung des Gutes W. für alle Beteiligten verbindlich festsetzen; 3. die Art und Weise der Abfindung bzw. Aufteilung festsetzen.“

198  Es sind dies im Vergleich zum staatlichen Gericht die geringere Verfahrensdauer, eine möglicherweise größere Sachkunde, die Vertraulichkeit und, je nach Lage des Falles, auch geringere Kosten wegen Wegfalls des Instanzenzuges. Siehe nur, bezogen auf letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit, J.-C. Schulze, S. 81; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 161; Schiffer, Gestaltung, S. 68 ff.; Schiffer/ders., Rn. 618 ff.; Wegmann, ZEV 2003, 20, 22; Pawlytta, ZEV 2003, 89. Bedenken meldet aber Bandel, NotBZ 2005, 381, 381 f. an: Spätestens bei der Umsetzung des Schiedsspruchs werde staatliche Hilfe benötigt. 199  Eberl-Borges, S. 122. Allgemein U. Walter, MittRhNotK 1984, 69,79; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 126; Schiffer, BB 1995 Beilage Nr. 5, 2, 4. Empfohlen wird die schiedsgerichtliche Auseinandersetzung auch von Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 75. 200  Siehe oben § 4 E.III.1. (S. 275 f.). 201  BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493. – Die Miterben hätten auch einen leistungsbestimmenden Dritten mit der Gestaltung eines Auseinandersetzungsvertrags betrauen können, vgl. allgemein Eberl-Borges, S. 95 Fn. 1.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

Der Schiedsspruch wies verschiedenen Beteiligten Grundstücke aus dem Nachlass zu und verurteilte sie zur Abgabe von Auflassungserklärungen und zu Geldleistungen. Der BGH bestätigte die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches. Die Einsetzung des Schiedsgerichts sei zulässig gewesen. Soweit der Auseinandersetzungsplan des Schiedsgerichts auf Auseinandersetzungsvereinbarungen der Miterben beruhe, übe das Schiedsgericht eine streitentscheidende Funktion aus. Denn auch das staatliche Gericht müsste im Rahmen einer Erb­auseinandersetzungsklage die Übereinstimmung des vom Kläger vorgelegten Plans mit bestehenden Vereinbarungen der Miterben überprüfen. In zweierlei Hinsicht könnten einem Schiedsgericht aber größere Freiheiten zukommen: (i) Soweit es in der Tat nur darum gehe, die Übereinstimmung mit früheren Vereinbarungen der Miterben zu überprüfen, bestehe eine Verfah­rens­ erleichterung. Im Unterschied zu einer Erbauseinandersetzungsklage vor einem staatlichen Gericht seien bestimmte Klageanträge (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entbehrlich, da das Schiedsgericht größere Freiheiten in der Verfahrensgestaltung habe und davon ausgehen könne, dass es den Parteien um eine wirtschaftlich zweckmäßige und praktische Erledigung ihres Streits gehe. (ii) Doch auch soweit der Schiedsspruch sich nicht mit Rechtsstreitigkeiten befasse, die auch ein staatliches Gericht hätte entscheiden können, liege kein Aufhebungsgrund vor. Schiedsgerichte seien nicht auf echte Streitentscheidung beschränkt; auch die Gestaltung von Rechtsbeziehungen könne Gegenstand eines Schiedsvertrages sein. Voraussetzung sei allein, dass der Streitgegenstand schiedsfähig sei. In der Übertragung von Gestaltungsbefugnissen liege auch nicht zwingend eine Schiedsgutachterabrede. 202 Entscheidend sei, ob die Parteien eine inhaltliche Nachprüfung durch das ordentliche Gericht gemäß § 319 Abs. 1 S. 2 BGB offenhalten wollten. Sei eine endgültige, urteilsgleiche Entscheidung gewünscht, handele es sich um einen Schiedsspruch, nicht um ein Schiedsgutachten.

(ii) Gestaltung des Erbauseinandersetzungsplans durch ein letztwilliges Schiedsgericht Die Entscheidung betraf, wie gesehen, ein von der Erbengemeinschaft verabredetes Vertragsschiedsgericht, kein letztwillig angeordnetes Schiedsgericht i.S.d. § 1066 ZPO. Im Folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, ob insofern ein Unterschied zwischen vertraglicher und letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit besteht oder ob auch ein letztwilliges Schiedsgericht eine derartige Aufgabe hätte wahrnehmen können. Falls kein Unterschied besteht, ergibt sich eine Parallele zur Erbauseinandersetzung durch einen gestaltenden Schiedsgutach202  Dass eine solche in dieser Situation ebenfalls möglich wäre, zeigt RG v. 20.6.1912 Rheinisches Archiv für Zivil- und Strafrecht 110 (1914), 377: Vereinbarung der Miterben, dass ein Dritter den Preis, zu dem ein Miterbe ein Grundstück aus dem Nachlass übernimmt, bestimmen solle, ist auf Erstellung eines Schiedsgutachtens gerichtet.

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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ter: Dieser kann entweder nach § 317 BGB als leistungsbestimmender Dritter von den Erben – gewissermaßen „unter Lebenden“ – zur Vervollständigung ihres Auseinandersetzungsvertrags eingeschaltet oder als Dritter nach § 2048 S. 2 BGB vom Erblasser – gewissermaßen „von Todes wegen“ – mit der Auseinandersetzung betraut werden. Hat auch die Erbauseinandersetzung durch ein Vertragsschiedsgericht ein derartiges letztwilliges Pendant? Zur Annäherung an das Problem empfiehlt es sich, zwischen der Person des Schiedsrichters und seiner Funktion als Schiedsrichter zu differenzieren. 203 Denn es geht hier wohlgemerkt nur um den Fall, dass der letztwillig eingesetzte Schiedsrichter auch in dieser Funktion tätig werden soll. Unproblematisch ist es, diese Person nicht in seiner Eigenschaft als Schiedsrichter, sondern als gewöhnlichen „Privatmann“204 die Auseinandersetzung vornehmen zu lassen. 205 Hier besteht von vornherein keine Berührung mit dem Recht der Schiedsgerichtsbarkeit; dass der Dritte in anderen Streitfragen als Schiedsrichter agieren soll, bleibt reine Koinzidenz. Es handelt sich um einen gewöhnlichen Fall der Drittgestaltung nach § 2048 S. 2 BGB, also um ein gestaltendes Schiedsgutachten. 206 Ebensowenig geht es darum, ob ein Schiedsrichter in dieser Funktion Dritter i.S.d. § 2048 S. 2 BGB sein kann. Das wird im Schrifttum zu Recht abgelehnt: Ein Schiedsgericht habe eine Rechtsprechungsfunktion; die Aufgabe eines Dritten i.S.d. § 2048 S. 2 BGB sei aber nicht Rechtsprechung. 207 Stattdessen sind Schiedsverfahren und Schiedsgutachten nach § 2048 S. 2 BGB als alternative Gestaltungsmöglichkeiten für den Erblasser zu etablieren. Das entspräche erstens der Rechtslage im Vertragsrecht208 und würde zweitens einer Äußerung der Ersten Kommission gerecht, die nach ihrem Beschluss der obligatorischen Bindungswirkung von Teilungsanordnungen hinzufügte, dass sich aus diesem Beschluss „übrigens“ auch die Zulässigkeit der Anordnung eines schiedsrichterlichen Auseinandersetzungsverfahrens ergebe.209 Darüber, ob diese Alternative zu § 2048 S. 2 BGB tatsächlich zulässig ist und mithin Vertragsrecht und Erbrecht insoweit vergleichbar sind, gehen die Meinungen heute jedoch auseinander. Eine Reihe von Autoren befürwortet 203 

Zu dieser Differenzierung insbesondere Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72 f. Person kann auch ein Testamentsvollstrecker sein. Der Testamentsvollstrecker hat bei der Erbauseinandersetzung grundsätzlich die gesetzlichen Teilungsregeln zu beachten, es sei denn, er hat vom Erblasser die Befugnisse eines Dritten i.S.v. § 2048 S. 2 BGB erhalten. Vgl. Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2048 Rn. 19; Erman/Schlüter, § 2048 Rn. 10; Kipp/ Coing, S. 636 (§ 117 IV 2). 205  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72; Bandel, NotBZ 2005, 381, 385. 206  So auch (allerdings ohne den konkretisierenden Zusatz „im weiteren Sinne“) Soergel/ Stein, § 1937 Rn. 10; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72; U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 78. 207 Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 22; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 75; Schütte, in: jurisPK-BGB, § 2042 Rn. 51; F. Harder, S. 81. 208  Diese Parallele betont auch Bandel, NotBZ 2005, 381, 385. 209  Jakobs/Schubert, Bd. V/1, S. 758 mit Verweis auf § 872 CPO über letztwillige Schiedsgerichte. 204  Diese

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eine derartige Möglichkeit, teilweise allerdings ohne vertiefte Auseinandersetzung.210 Manchen Stellungnahmen, die grundsätzlich mit einer Gestaltungsentscheidung des Schiedsgerichts einverstanden sind, ist jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob damit nur Befreiung von dem Erfordernis eines bestimmten Klageantrags oder auch von den gesetzlichen Teilungsregeln gemeint ist.211 Auch differenzieren nicht alle Autoren in der Gruppe der Befürworter zwischen Funktion und Person des Schiedsrichters, mithin zwischen Schiedsgerichtsverfahren und Schiedsgutachten. 212 Trotz dieser fehlenden Präzision bleiben diese Stellungnahmen jedoch verwertbar, da sie sich kaum anders deuten lassen. Andere Autoren lehnen es jedoch ab, dass einem Schiedsgericht die Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans nach billigem Ermessen überlassen werden kann. 213 Schiedsgutachten und Schiedsverfahren stünden in einem Ex210  Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 37; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1066 Rn. 2; Bandel, NotBZ 2005, 381, 384 f.; U. Haas, ZEV 2007, 49, 54 („ohne weiteres“); Schütze, Rn. 648; Geimer, FS Schlosser, S. 205; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 170; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 131 f. (im Falle ausdrücklicher Anordnung zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten); U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77 f.; Kretzschmar, SächsArch 3 (1908), 153, 155. In der Entscheidung OLG Karlsruhe v. 26.11.2007 – 10 Sch 6/07 (juris) wird lediglich festgestellt, dass ein „Streit über die Auseinandersetzung des Nachlasses … jedenfalls in den durch das Testament … angeordneten Kompetenzbereich des Schiedsgerichts“ fällt (bestätigt in OLG Karlsruhe v. 28.7.2009 ZEV 2009, 466). Details über diesen Streit werden in der Entscheidung nicht mitgeteilt; die im Tatbestand des Urteils wiedergegebene Schiedsanordnung erweckt nicht den Anschein, als sei dem Schiedsgericht auch die Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans aufgegeben. 211 Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 22; Münch­Komm-­BGB/Ann, § 2042 Rn. 75. Der Verweis beider Autoren auf die soeben diskutierte BGH-Entscheidung spricht für Letzteres. Siehe auch Lange/Kuchinke, S. 739 (§ 32 II 4 c), die pauschal Auseinandersetzungsstreitigkeiten als schiedsfähig bezeichnen. 212 Dazu Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72 f. mit Nachw. Die Differenzierung findet sich aber z.B. bei Bandel; U. Haas; R. Kohler; Schütze; U. Walter, alle wie oben Fn. 210. Für die Zuweisung einer „Doppelfunktion“ an das Schiedsgericht U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 78 (bei Zweifeln, ob Schiedsgutachten oder Schiedsspruch die passende Entscheidungsform ist, solle das Schiedsgericht ein Schiedsverfahren einleiten). 213 Siehe vorerst Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 254; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71 ff.; Staudinger/ders., Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169 f.; RGRK/Kregel, Vorbemerkungen zu den §§ 1937–1941 Rn. 6; Kipp/Coing, S. 424 f. (§ 78 III 3); v. Lübtow I, S. 114 f. Im Ansatz auch F. Harder, S. 80 f., der dann aber über einen – nicht überzeugenden – Umweg doch noch die Delegationsmöglichkeit bejahen kann: Wenn der Erblasser ein Schiedsgericht zur Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans berufe, sei dies ein Fall des Nichtkönnens i.S.d. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB (der nach h.M. bei § 2048 BGB ebenfalls anwendbar ist) mit der Folge, dass auf Antrag einer Partei ein Gericht die Bestimmung vorzunehmen habe. Infolge der umfassenden Schiedsanordnung trete an die Stelle dieses Gerichts das Schiedsgericht, das mithin über die Auseinandersetzung zu entscheiden habe. Diese Schlussfolgerung überzeugt nicht: Wenn das Schiedsgericht nicht Dritter i.S.d. § 2048 BGB sein kann, handelt es sich nicht um einen Fall des „Nichtkönnens“ eines Dritten. Es fehlt vielmehr bereits an der wirksamen Delegation an einen Dritten. Dieser Unterschied mag klein erscheinen, ist aber bedeutsam: Mit der Argumentation F. Harders würde sonst auch die – allgemein abgelehnte (siehe oben § 4 E. [S. 269]) – Benennung des staatlichen Ge-

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klusivitätsverhältnis. 214 Gegen die Gestaltung eines bindenden Auseinandersetzungsplans durch ein letztwilliges Schiedsgericht werden mehrere Einwände vorgebracht. Keiner dieser Einwände kann im Ergebnis überzeugen.

cc) Mögliche Einwände (i) Keine Rechtsgestaltung Ein erster Einwand richtet sich dagegen, dass einem letztwilligen Schiedsgericht überhaupt Gestaltungsbefugnisse zukommen, die weiter reichen als die eines staatlichen Gerichts. 215 Es handele sich bei der Aufstellung des Auseinandersetzungsplans nicht um eine Frage, die ein Schiedsrichter an der Stelle des staatlichen Gerichts nach Rechtsgründen zu entscheiden habe. Ein vom Erblasser bestellter Dritter könne daher, auch wenn er ausdrücklich als Schiedsrichter bezeichnet werde, allenfalls ein Schiedsgutachter sein, auf den die §§ 317–319 BGB Anwendung fänden. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht, soweit er eine Differenzierung zwischen letztwilligem Schiedsgericht und  – zum Zwecke der Erbauseinandersetzung grundsätzlich für zulässig gehaltenen – Vertragsschiedsgericht begründen soll. Denn er müsste gleichermaßen vertraglich eingesetzte Schiedsgerichte treffen. 216 Vielmehr kann der Grundsatz, dass schiedsrichterliche Kompetenzen weiter reichen können als die Befugnisse eines staatlichen Gerichts, Geltung auch für letztwillige Schiedsgerichte beanspruchen. 217

richts als Dritter im Rahmen der §§ 317 ff. BGB aufrechterhalten. Das Gericht käme dann gewissermaßen als Ersatz seiner selbst zum Zuge – mit dem Unterschied, dass die Drittbestimmung nicht einmal der gerichtlichen Kontrolle unterläge. 214  Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 255 f.; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71 ff.; ders., FamRZ 2006, 309, 311; in dieselbe Richtung Staudinger/ders., Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10. – In AcP 202 (2002), 994, 995 hält Otte demgegenüber die Entscheidung über eine Erbauseinandersetzung nur nach Billigkeit angesichts von § 2048 S. 2 BGB für möglich. Das Schiedsgericht dürfe lediglich nicht von den Erbquoten und von etwaigen Teilungsanordnungen des Erblassers abweichen, da hierin ein Verstoß gegen das Gebot materieller Höchstpersönlichkeit läge (§ 2065 BGB). – Unklar Schiffer, Gestaltung, S. 82 f., der beide Schiedsgutachten und Schiedsverfahren nach dem Auftrag an den Dritten unterscheiden will, dann aber eine „Verbindung beider Verfahrensformen“ für sinnvoll hält. 215 RGRK/Kregel, Vorbemerkungen zu den §§ 1937–1941 Rn. 6; siehe auch Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 170. 216  So auch Eberl-Borges, S. 123 Fn. 167. 217 Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 21; Soergel/M. Wolf, § 2042 Rn. 22; Münch­Komm-­BGB/ Ann, § 2042 Rn. 75; Eberl-Borges, S. 123; M. v. Savigny, in: Hausmann/Hohloch, Kap. 25 Rn. 47; U. Haas, ZEV 2007, 49, 54; Bandel, NotBZ 2005, 381, 385; auch J.-C. Schulze, S. 88, der aber grundsätzlich von einem Gleichlauf der Kompetenzen des staatlichen Richters und des Schiedsrichters auszugehen scheint.

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(ii) Keine konsensuale Grundlage Ein zweiter Einwand gegen eine Gleichbehandlung von vertraglicher und letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit könnte an der unterschiedlichen Legitimation beider Arten von Schiedsgerichten ansetzen. Macht es mit anderen Worten einen Unterschied, ob die Miterben einem Auseinandersetzungsplan, den ein von ihnen vertraglich eingesetztes Schiedsgericht aufgestellt hat, oder einem Plan, den ein vom Erblasser angeordnetes Schiedsgericht vorgegeben hat, unterworfen sind? In der Vertragsschiedsgerichtsbarkeit wird generell die Freiwilligkeit der Unterwerfung als Rechtfertigung dafür angeführt, dass die staatlichen Gerichte gewissermaßen „abgewählt“ werden. 218 Diese Rechtfertigung steht bei einem vom Erblasser angeordneten Schiedsgericht nicht zur Verfügung. 219 Dem versuchen manche Autoren zu entgehen, indem sie auf andere Weise eine konsensuale Grundlage konstruieren: Dadurch, dass der Zuwendungsempfänger die Zuwendung nicht ausschlage, erkläre er sich damit einverstanden, dem Schiedsgericht unterworfen zu sein. 220 Das Unterlassen der Zurückweisung könne ebenso wie die Zustimmung zu einem Angebot auf Abschluss eines Schiedsvertrages legitimieren, dass der Betroffene der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen und der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sei.221 Ohne diese „Willensäußerung“ sei nicht zu rechtfertigen, dass jemandem sein Justizgewährungsanspruch und sein gesetzlicher Richter genommen würden. 222 Diese Konstruktion ist jedoch allenfalls ein Kunstgriff. 223 Eine Erbschaft fällt dem Erben an, ohne dass er die Annahme erklären oder sonst etwas dafür tun muss. Das Verstreichenlassen der sechswöchigen Ausschlagungsfrist ist rechtsgeschäftlich 218  Siehe nur Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 3; Geimer, FS Schlosser, S. 200; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 161 ff. 219 Deutlich Geimer, FS Schlosser, S. 199 m.w.N. („Das Vertrags‑ bzw. Konsensprinzip als Erklärung des § 1066 ZPO scheidet somit aus“); Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 162; ferner z.B. Soergel/Stein, § 1937 Rn. 9. Die ICC hat jüngst eine Musterklausel für Schiedsverfahren wegen Streitigkeiten aus einem Trust veröffentlicht (ICC International Court of Arbitration Bulletin 19 [2008], 9 ff.). Die Explanatory Note dazu führt aus, dass die Hauptschwierigkeit bei der Verwendung dieser Klausel die Bindung von Nicht-Unterzeichnern an die ICC-Schiedsgerichtsbarkeit sei. Grundlage der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit sei nämlich stets das Einverständnis der Parteien. Der settlor erklärt in der Errichtungsurkunde oder einem späteren Dokument seinen Bindungswillen; trustees sollen mit Übernahme ihres Amtes die Zustimmung erklären. Für die beneficiaries behilft sich die Klausel mit einer Bedingungskonstruktion: Eine Zuwendung aus dem Trust kann nur fordern, wer sich mit der Klausel einverstanden erklärt. Die Explanatory Note weist selbst darauf hin, dass es unklar ist, ob diese Konstruktion nach dem jeweils anwendbaren nationalen Schiedsverfahrensrecht ausreicht – dies gelte insbesondere für minderjährige, noch nicht geborene oder noch unbestimmte beneficiaries. Es sind Schwierigkeiten der vorliegenden Art, die eine Vorschrift wie § 1066 ZPO lösen möchte. 220  U. Haas, ZEV 2007, 49, 51; ders., SchiedsVZ 2007, 1, 3 f. 221  U. Haas, ZEV 2007, 49, 51. 222  U. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3. 223  Siehe auch Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 171 („eher gekünstelt“).

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gesprochen nichts anderes als Schweigen des Erben.224 Diesem Schweigen lässt sich nicht der Erklärungsgehalt einer Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit entnehmen: Das Schweigen muss nicht auf einem Einverständnis mit der Erbenstellung beruhen, sondern kann ebenso auf Gleichgültigkeit oder Unentschlossenheit zurückzuführen sein. Und selbst wenn der Zuwendungsempfänger bewusst die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, bringt er damit in erster Linie seinen Willen zum Ausdruck, die Zuwendung zu erhalten.225 Die Schiedsgerichtsanordnung stellt im Vergleich zu der materiellen Zuwendung für die meisten Erben einen unwesentlichen, für den juristischen Laien vielleicht sogar schwer verständlichen Nebenpunkt dar. 226 Überzeugender erscheint es, die Schiedsgerichtspflichtigkeit der Zuwendungsempfänger trotz fehlender freiwilliger Unterwerfung folgendermaßen zu begründen: Indem der Erblasser seine Zuwendung um die Anordnung eines Schiedsgerichts ergänzt, wird die Zuwendung gewissermaßen „belastet“. 227 Die Testierfreiheit erlaubt es dem Erblasser, den Umfang der Zuwendung festzulegen und diese mit Beschränkungen zu versehen. 228 Der Begünstigte erwirbt das ihm Zugewendete nur zusammen mit der Schiedsverfügung. Dieser Begründungsansatz leuchtet unmittelbar ein, wenn die letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit materiell-rechtlich aus der Testierfreiheit des Erblassers abgeleitet wird. Dann gehört es auch zur Testierfreiheit, die Zuwendung mit der Anordnung eines Schiedsgerichts zu verknüpfen. 229 Dem 224 

Vgl. nur Leipold, Rn. 611. Geimer, FS Schlosser, S. 199. Das weitere Argument Geimers, mit dieser Konstruktion könne nicht die Schiedsbindung von Pflichtteilsberechtigten erklärt werden, setzt freilich voraus, was erst zu begründen ist. 226  Eine genaue Kenntnis des Testamentsinhalts ist nicht erforderlich, um die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB in Gang zu setzen, Staudinger/Otte, § 1944 Rn. 9; Lange/­Kuchinke, S. 198 (§ 8 III 1 b). 227 Ähnlich Geimer, FS Schlosser, S. 201; Musielak/Voit, § 1066 Rn. 3; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 164 f. – Die umstrittene Frage, ob diese „Belastung“ auch eine Beschwerung i.S.v. § 2306 BGB bzw. eine Beeinträchtigung i.S.v. § 2289 Abs. 1 BGB darstellt, ist hier nicht relevant. Sie dürfte aber zu verneinen sein, insbesondere wenn mit der h.M. eine Rechtsnatur der Schiedsgerichtsanordnung als Auflage (§ 1940 BGB) abgelehnt wird. Zum Streitstand Staudinger/U. Haas, § 2306 Rn. 30a; Bandel, NotBZ 2005, 381, 384 mit Fn. 29; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 75 ff., jeweils m.w.N. Zum Streit um die Rechtsnatur der Anordnung für die h.M. (keine Auflage) RG v. 27.9.1920 100, 76, 77; Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 255; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 64 f.; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 165 f.; Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 242 ff. mit Nachw. aus dem älteren Schrifttum; Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 25; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 31; Kipp/Coing, S. 424 Fn. 1 (§ 78 I); Lange/Kuchinke, S. 738 (§ 32 II 4 a); U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 76 f.; die Gegenansicht wird nur noch vereinzelt vertreten, J. Mayer, ZEV 2000, 263, 267; Schiffer, BB 1995 Beilage Nr. 5, 2, 3. 228 Allgemein Budzikiewicz, AcP 209 (2009), 354, 364 („Heredi non fit iniuria“). 229  Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 164 f.; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 66; siehe auch bereits Glück, Bd. XLIII, S. 420 (Erben sind „an die Anordnungen des Testators in allen Dingen gebunden“, deshalb kann dieser auch ein Schiedsgericht anordnen). – Wenn U. Haas, SchiedsVZ 2011, 289, 293 f. die zweifelhafte These vertritt, auch das Modell des Vonselbster225 

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„in gesetzlich statthafter Weise“ angeordneten Schiedsgericht sind dann wegen § 1066 ZPO auch diejenigen unterworfen, die ihm nicht zugestimmt haben. 230 Doch auch mittels prozessualer Einordnung der letztwilligen Schiedsgerichtsbarkeit lässt sich dieses Ergebnis begründen. Denn § 1066 ZPO ermächtigt nach dieser Lesart den Erblasser, andere der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen, ohne dass diese zustimmen müssen. 231 Die Interessen der Schiedsgerichtsunterworfenen werden gewahrt, weil die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen des Zehnten Buchs der ZPO an das Verfahren gelten. 232

(iii) Keine Entscheidung nach billigem Ermessen Ein dritter Einwand könnte darin bestehen, dass ein Schiedsgericht nicht ohne weiteres dazu befugt sei, einen Auseinandersetzungsplan nach billigem Ermessen und losgelöst von den gesetzlichen Teilungsregeln (die es ja gerade zu vermeiden gilt) aufzustellen. Für den Schiedsgutachter ordnet § 2048 S. 2 BGB ausdrücklich das billige Ermessen als Entscheidungsmaßstab an, so dass er nicht an wirtschaftlich möglicherweise missliche Teilungsregeln gebunden ist, sondern allein die Teilungsquoten und etwaige Teilungsanordnungen des Erblassers zu beachten hat. 233 Ein Schiedsgericht dagegen hat grundsätzlich „in Übereinstimmung mit … Rechtsvorschriften“ (§ 1051 Abs. 1 ZPO) zu entscheiden. Nach Billigkeit entscheidet es nur dann, wenn die Parteien es ausdrücklich dazu ermächtigt haben (§ 1051 Abs. 3 ZPO). Wenn nun eine Entscheidung nach Rechtsvorschriften gleichbedeutend ist mit einer Bindung an die gesetzlichen Teilungsregeln, sind die Möglichkeiten einer schiedsgerichtlichen Gestaltung der Erbauseinandersetzung sehr beschränkt. Erforderlich wäre nämlich in jedem Fall eine ausdrückliche Ermächtigung des Schiedsgerichts zur Entscheidung nach Billigkeit (ex aequo et bono). Für Eberl-Borges ist die Frage des Entscheidungsmaßstabs deshalb in der Tat der springende Punkt in dem Streit um werbs mit Ausschlagungsmöglichkeit erfordere einen Akt der Selbstbestimmung des Erben, der es legitimiere, diesen an die testamentarische Schiedsklausel zu binden, so ist das davon motiviert, die testamentarische Schiedsklausel als „agreement to arbitrate“ i.S.d. New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche zu etablieren. 230 Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079. 231  Pawlytta, ZEV 2003, 89, 93 f. 232  Nur scheinbar ein Argument in der Frage nach der Legitimation der letztwilligen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Gleichwertigkeit von staatlicher und privater Gerichtsbarkeit (siehe aber Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 165; F. Harder, S. 78). Denn ob diese Gleichwertigkeit für einen bestimmten Gegenstand besteht, muss ja gerade erst ermittelt werden, Bandel, MittBayNot 2008, 280, 281; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 66 (die prozessuale Ansicht sei „bestürzend“ positivistisch und könne keine Rechtfertigung für den Eingriff in die Rechtsstellung des Dritten angeben). 233  Eine Missachtung der Vorgaben des Erblassers hat die offenbare Unbilligkeit des Auseinandersetzungsplans zur Folge, Eberl-Borges, S. 115.

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die gestaltende Erbauseinandersetzung durch ein Schiedsgericht. 234 Gleichzeitig ist die Möglichkeit, das Schiedsgericht zu einer Billigkeitsentscheidung zu ermächtigen, nach ihrer Ansicht das entscheidende Argument dafür, weshalb ein letztwilliges Schiedsgericht überhaupt eine gestaltende Erbauseinandersetzung nach Billigkeit vornehmen könne. 235 Diese Auffassung geht von der Prämisse aus, dass der Erblasser überhaupt von der Bindung an das materielle Recht befreien darf. Diese Prämisse ist aber lebhaft umstritten. Eine Ansicht nimmt dies an. 236 Offenbar übertragen ihre Vertreter einfach die Grundsätze der Vertragsschiedsgerichtsbarkeit auf die letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit. Teilweise wird einschränkend gesagt, dass nur von nicht zwingenden Regeln befreit werden dürfe. 237 Die Gegenansicht verneint eine Anwendbarkeit des § 1051 Abs. 3 ZPO auf letztwillige Schiedsgerichte. 238 Eine Entscheidung nach Billigkeit müsse in jedem Fall ausscheiden, soweit das Schiedsgericht damit von einer Verfügung des Erblassers abweichen müsste. Dies ergebe sich aus § 1051 Abs. 4 ZPO, der konsequenterweise ebenfalls entsprechend angewendet werden müsste. 239 Doch auch soweit der Erblasser keine Verfügung getroffen habe, gehe es nicht an, dass ein (Schieds‑) Gericht von den Erbrechtsvorschriften abweiche. Denn einerseits seien diese 234 

Eberl-Borges, S. 124. Eberl-Borges, S. 124 ff.; ebenso offenbar Ann, S. 293. Zustimmend Otte, AcP 202 (2002), 994, 995; Staudinger/ders., § 2065 Rn. 21; ders., ErbR 2009, 2, 9 (in den Bereichen, in denen der Erblasser selbst eine Billigkeitsentscheidung anordnen könne, könne er auch ein Schiedsgericht zur Entscheidung nach Billigkeit ermächtigen); auch Bandel, NotBZ 2005, 381, 385 und Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 37 setzen voraus, dass eine Entscheidung des Schiedsgerichts in den Ausnahmefällen zu § 2065 BGB eine Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung erfordere. 236  Ohne Beschränkung auf bestimmte Fälle: U. Haas, ZEV 2007, 49, 53 f. (ohne Begründung, aber für eine Unwirksamkeit plädierend, wenn zu befürchten ist, dass aufgrund der Ermächtigung ein Nachlassbeteiligter unangemessen benachteiligt wird oder zwingende gesetzliche Vorschriften zu seinem Schutz nicht angewendet werden); U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77, 79 (Grenze nur gute Sitten und ordre public); R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 132; R.Werner, ZEV 2011, 506, 511; Happe, S. 92; Schiffer, Gestaltung, S. 76. Ferner Bandel, NotBZ 2005, 381, 384 (jedoch nicht bezogen auf zwingendes Recht, sondern nur auf Vermutungs‑ und Auslegungsregeln); Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 37 (allerdings beschränkt auf §§ 2048, 2155, 2156 BGB). – Einige Vertreter dieser Ansicht berufen sich auf RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193. Diese Entscheidung stützt ihre Ansicht aber nicht, dazu sogleich. 237  Bandel, NotBZ 2005, 381, 384; offenbar auch U. Haas, ZEV 2007, 49, 54; weiter aber U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 132; Happe, S. 92. 238 Eingehend Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 70 f.; ferner ders., FS Rheinisches Notariat, S. 256; ders., ErbR 2009, 2, 9; Staudinger/ders., § 2065 Rn. 21; Kipp/Coing, S. 425 (§ 78 II 3) (zur Billigkeitsermächtigung vor Inkrafttreten des § 1051 Abs. 3 ZPO); F. Harder, S. 82 ff. (mit Hinweis auf die fehlende freiwillige Unterwerfung der Beteiligten); Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169; unklar J.-C. Schulze, S. 89 und ders., MDR 2000, 314, 316, der einerseits eine Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung für möglich, andererseits aber eine Entscheidung „über die nach materiellem Erbrecht bestehenden Grenzen hinaus“ für unzulässig hält. 239  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 70; Staudinger/ders., § 2065 Rn. 21; Staudinger/ders., Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10. 235 

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Normen, selbst wenn sie zur Disposition des Erblassers stünden, für die Gerichte zwingend, und von zwingenden Normen könne der Erblasser selbst nach Ansicht der Befürworter einer Anwendung des § 1051 Abs. 3 ZPO nicht be­ freien. 240 Andererseits liege in einer Entscheidung nach Billigkeit ein Verstoß gegen den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit.241 Zwar sei § 2065 BGB nicht unmittelbar betroffen, da ein Gericht und damit auch ein Schiedsgericht nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift sein könne. 242 Doch dürfe auch über § 2065 BGB hinaus nur dann von dispositivem Erbrecht abgewichen werden, wenn dies der Erblasser selbst anordne. 243 Gerade dieses letzte Argument zeigt, dass der Streit hier nicht entschieden werden muss. Denn für die Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft ordnet das Gesetz selbst eine Ausnahme vom Gebot der Höchstpersönlichkeit an. Das Problem reduziert sich auf die Frage, ob auch dort, wo das Gesetz selbst einen Billigkeitsspielraum eröffnet, das Schiedsgericht ausdrücklich ermächtigt werden muss, diesen Spielraum zu nutzen. Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage lassen sich allenfalls allgemeinen Stellungnahmen zur Zulässigkeit von Gestaltungsentscheidungen durch Schiedsgerichte entnehmen.244 Manche dieser Stellungnahmen gehen davon aus, dass eine schiedsgerichtliche Gestaltungsentscheidung nach billigem Ermessen nur im Fall einer Befreiung von der strengen Rechtsbindung gestattet ist. 245 Im Ergebnis ist die Frage jedoch zu verneinen. In vertragsrechtlichem Zusammenhang heißt es zwar verschiedentlich, der zur Entscheidung nach Billigkeit ermächtigte Schiedsrichter (amiable compositeur) könne im Einzelfall die Befugnis haben, den Vertrag anzupassen, beispielsweise an geänderte Umstände.246 Daraus folgt aber nicht, dass ein Schiedsrichter, der nicht zur Entscheidung 240 

Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71. Siehe oben Fn. 237. Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71; Staudinger/ders., § 2065 Rn. 21; Staudinger/ders., Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 169. 242  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71; ders., ErbR 2009, 2, 9. 243  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 71; ders., FS Rheinisches Notariat, S. 256; Staudinger/ ders., § 2065 Rn. 21; v. Lübtow I, S. 139; Geimer, FS Schlosser, S. 206. Unmittelbar auf § 2065 BGB rekurriert sogar U. Haas, ZEV 2007, 49, 54, ohne allerdings mitzuteilen, welche Fälle dann noch für eine Billigkeitsentscheidung verbleiben. 244  Siehe aber die oben Fn. 235 Genannten. 245 Siehe Schwab, ZZP 93 (1980), 336, 338; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1051 Rn. 52 f.; offenbar auch Lachmann, der in Rn. 80 eine Verbindung herstellt zwischen einem Schiedsspruch im Rahmen von § 317 BGB und § 1051 Abs. 3 ZPO, in Rn. 402 f. aber Gestaltung und Billigkeitsentscheidung trennt; andeutungsweise auch Zöller/Geimer, § 1030 Rn. 5. Aus F. Baur, S. 20 f., auf den Eberl-Borges, S. 125 Fn. 171 ebenfalls Bezug nimmt, ist diese Auffassung allerdings nicht eindeutig zu entnehmen. Die Basis für einen rechtsgestaltenden Spruch, heißt es dort, sei „überall dort gegeben, wo den Parteien vom Gesetz eine Dispositionsfreiheit eingeräumt ist“; „nicht selten“ werde dem Schiedsgericht dabei eine Entscheidung nach Billigkeit übertragen. 246  Sandrock, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 2 (1988), 120, 133; Schlosser, Rn. 750; Schwab/G. Walter, Kap. 19 Rn. 14. 241 

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nach Billigkeit ermächtigt wurde, diese Kompetenz nicht haben könnte. Denn in bestimmten Fällen eröffnet das materielle Recht selbst die Möglichkeit zu einer Entscheidung nach billigem Ermessen. Auch innerhalb strenger Rechtsbindung existieren Gestaltungsbefugnisse. Es sind Gestaltungsentscheidungen (Ergänzung, Anpassung) innerhalb strenger Rechtsbindung und solche jenseits strenger Rechtsbindung zu unterscheiden. Das gilt im Vertragsrecht247 ebenso wie im Erbrecht248. Im Vertragsrecht ist hier § 317 Abs. 1 BGB zu nennen, im Erbrecht etwa § 2048 S. 2 BGB. Soweit ein Schiedsgericht eine Entscheidung nach billigem Ermessen trifft, wie sie eine dieser Normen vorsieht, bewegt es sich innerhalb des materiellen Rechts. Allein die Tatsache, dass ein Schiedsgericht vom materiellen Recht zugelassene Billigkeitserwägungen anstellt, macht den Schiedsspruch noch nicht zum Billigkeitsschiedsspruch. 249 Bestätigt wird diese Differenzierung von der nach wie vor maßgeblichen Entscheidung des Reichsgerichts zur Anpassung eines Pachtzinses durch ein Schiedsgericht. Darin stützt das Reichsgericht die Anpassungsbefugnis des Schiedsgerichts auf die §§ 317, 319 BGB, also auf Normen des materiellen Rechts, und nicht auf eine – auch schon vor Inkrafttreten des § 1051 Abs. 3 ZPO mögliche – Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung. 250 Gegen die Notwendigkeit einer Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung spricht auch eine andere Passage des Urteils, in der diese Ermächtigung auf der einen und eine Einschränkung des Ermessensspielraums bei § 319 BGB auf der anderen Seite als unterschiedliche Institute betrachtet werden.251 Eine Kontrollüberlegung bestätigt die hier gefundene 247 Deutlich Kröll, S. 211, der die erste Gruppe für den Regelfall hält. Siehe auch Schlosser, Rn. 29, 744. 248 Vgl. Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 70 mit Fn. 38; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 37 (dem Schiedsgericht können auch erbrechtliche Fragen zugewiesen werden, deren Lösung nicht vollständig im materiellen Recht oder im Testament vorgezeichnet ist). 249  Ebbing, S. 255; Horn, S. 58. 250  RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193. Auch aus der Leitentscheidung RG v. 1.2.1935 RGZ 147, 22 ergibt sich nicht, dass eine schiedsrichterliche Rechtsgestaltung nur im Falle einer Befreiung von der Bindung an das materielle Recht in Betracht kommt. Die Frage wird gar nicht erst problematisiert – vermutlich weil eine Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung keinen gesteigerten Voraussetzungen unterlegen hätte. Das Berufungsgericht hatte angenommen, die Parteien hätten dem Schiedsgericht eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Gestaltungsentscheidung nach Ermessen gestattet. Diese Auslegung der Parteivereinbarung lässt das Reichsgericht zwar unbeanstandet, wiederholt sie aber auch nicht in den eigenen Urteilsgründen. Stattdessen hebt es maßgeblich auf die Parallele zu Gestaltungsklagen vor dem staatlichen Gericht ab. Zu dieser Entscheidung siehe auch Kornblum, S. 98: Eine Ermächtigung zum Erlass eines Billigkeitsschiedsspruches sei enbehrlich. – Bereits in RG v. 14.4.1903 RGZ 54, 278 hat das Reichsgericht implizit die Möglichkeit anerkannt, ein Schiedsgericht zur Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft einzusetzen, indem es lediglich thematisierte, ob eine vormundschaftliche Genehmigung zum Abschluss der Schiedsvereinbarung erforderlich war, nicht aber, ob eine derartige Schiedsvereinbarung überhaupt zulässig ist; dazu Kornblum, S. 98. 251  RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193, 197.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

Antwort: Wird einem Schiedsgericht die Überprüfung einer Drittbestimmung übertragen, gleich ob im Vertragsrecht (§ 319 BGB) oder im Erbrecht (§ 2048 S. 3 BGB), so kann das Schiedsgericht im Fall offenbarer Unbilligkeit der Bestimmung nach billigem Ermessen selbst entscheiden. Niemand fordert für diese Entscheidung eine ausdrückliche Ermächtigung nach § 1051 Abs. 3 ZPO. Zudem wäre das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung auch in praktischer Hinsicht misslich: Mit dem im Rahmen der Schiedsverfahrensrechtsreform eingeführten Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung wollte der Gesetzgeber den Ausnahmecharakter einer Befreiung des Schiedsgerichts von der Anwendung des materiellen Rechts betonen. 252 Der Parteiwille sei regelmäßig auf eine Entscheidung nach rechtlichen Maßstäben gerichtet. 253 Früheren Ansichten, wonach auch eine konkludente Ermächtigung möglich sei, sollte eine Absage erteilt werden. Wenn nun aber der Erblasser lediglich ein Schiedsgericht anordnet und diesem die Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans überträgt, aber sich nicht zu dem Entscheidungsmaßstab des Schiedsgerichts äußert, fehlt es an einer ausdrücklichen Ermächtigung. Das Schiedsgericht müsste in diesem Fall – die Richtigkeit der obigen Prämisse unterstellt – die gesetzlichen Teilungsregeln anwenden, denn eine Billigkeitsentscheidung ohne Ermächtigung stellt einen Aufhebungsgrund dar. 254 Darin läge insbesondere ein kaum gerechtfertigter Unterschied zur Einsetzung eines Schiedsgutachters nach § 2048 S. 2 BGB, der nach billigem Ermessen vorgehen kann, auch wenn der Erblasser nichts zur Frage des Entscheidungsmaßstabs verfügt hat. Ob sich die Schiedsverfügung in die Ernennung eines Schiedsgutachters umdeuten lässt (§ 140 BGB), ist angesichts der Unterschiede in Verfahren und Kontrolle immerhin fraglich.

(iv) Keine Schiedsfähigkeit Viertens ist zu überprüfen, ob die Gestaltung eines Erbauseinandersetzungsplans einen schiedsfähigen Gegenstand darstellt. Die Schiedsfähigkeit ist zu bejahen. 255 Für sie gilt § 1030 Abs. 1 ZPO entsprechend. Nach dessen Satz 1 sind grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche schiedsfähig. Die frühere Beschränkung auf Ansprüche, über die die Parteien einen Vergleich zu schließen berechtigt sind, ist mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts im Jahre 1998 entfallen. Sogar nach dieser engeren Definition wäre der Gegenstand schieds252 

BT-Drucks. 13/5274, S. 53. Kreindler/Schäfer/R. Wolff, Rn. 663; Henn, Rn. 299. 254  Zur Aufhebbarkeit OLG München v. 22.6.2005 SchiedsVZ 2005, 308, 309 (gestützt auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO); Zöller/Geimer, § 1051 Rn. 7; Lachmann, Rn. 1677; Ebbing, S. 272 f. m.w.N. (gestützt auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO). 255  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 6; Eberl-Borges, S. 124. 253 

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fähig, da die Mitglieder der Erbengemeinschaft darüber disponieren könnten, indem sie eine Erbauseinandersetzungsvereinbarung schließen. 256

(v) Verstoß gegen das Drittbestimmungsverbot Wer auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Theorie letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit die Schiedsfähigkeit davon abhängig macht, dass der Erblasser über den Gegenstand verfügen kann, 257 muss sich zusätzlich mit den materiellen Grenzen der Testierfreiheit befassen. Diese Grenzen lassen sich methodisch über § 1030 Abs. 3 ZPO erfassen. Doch ist ein hier allein in Betracht kommender Verstoß gegen § 2065 BGB – als fünfter möglicher Einwand – zu verneinen. 258 Denn § 2048 S. 2 BGB schaltet § 2065 BGB im Bereich der Erbauseinandersetzung insgesamt aus. Es wäre nicht zu begründen, weshalb die Verteilung durch einen Dritten, die Verteilung durch ein Gericht infolge offenbar unbilliger Entscheidung des Dritten oder die Verteilung durch ein Schiedsgericht infolge offenbar unbilliger Entscheidung des Dritten nicht gegen das Drittbestimmungsverbot verstoßen, wohl aber die Verteilung durch ein Schiedsgericht ohne vorherige Entscheidung eines Dritten.

(vi) Verletzung gesetzlich verankerter Rechte der Erben Der gewichtigste Einwand betrifft das für den Rahmen dieser Untersuchung besonders relevante Verhältnis von Zulässigkeit und Kontrolle einer Drittentscheidung. Zu überprüfen bleibt, ob die Aufstellung eines Auseinandersetzungsplans durch ein Schiedsgericht deshalb unzulässig ist, weil dieser Plan in geringerem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt als ein Schiedsgutachten. Ein Schiedsspruch ist nur in den engen Grenzen des § 1059 ZPO aufhebbar. Für ein Schiedsgutachten besteht dagegen eine weitergehende Kon­ troll­möglichkeit: § 2048 S. 3 BGB bestimmt, dass die Verteilung des Nachlasses durch den Dritten der gerichtlichen Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit unter256 Anders Otte, FamRZ 2006, 308, 312: Kriterium der Vergleichsfähigkeit habe bei letztwilligen Schiedsgerichten keinen Sinn, da sich der Erblasser nach seinem Tod mit niemandem mehr vergleichen könne. 257  Siehe etwa Münch ­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 32; Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 1937 Rn. 9; Otte, FamRZ 2006, 309, 312 mit Fn. 48; Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 168; J.-C. Schulze, S. 87 f. – Diese Problematik wurde zuletzt intensiv diskutiert im Zusammenhang mit der Frage, ob einem letztwilligen Schiedsgericht die Kompetenz zur Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB übertragen werden kann, dazu (verneinend) OLG Karlsruhe v. 28.7.2009 ZEV 2009, 466; Muscheler, ZEV 2009, 317 ff.; Storz, SchiedsVZ 2010, 200 ff. 258  Vgl. Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 6; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937– 1941 Rn. 10 (der allerdings in der Übertragung die Einsetzung eines Schiedsgutachters sieht); Storz, ZEV 2009, 265, 269; auf der Grundlage der prozessualen Ansicht Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 17. – Ob § 2065 BGB damit rechtstechnisch als Grenze der Schiedsfähigkeit verstanden wird, ist nicht immer deutlich, vgl. F. Harder, S. 76 ff. mit Nachweisen.

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liegt und bei Verletzung dieser Grenze durch einen gerichtlichen Auseinandersetzungsplan ersetzt wird. Wer nun der, vor allem von Otte vertretenen, Ansicht ist, diese Kontrollmöglichkeit dürfe den Erben nicht genommen werden, muss eine Erbauseinandersetzung durch ein Schiedsgericht aus diesem Grunde ablehnen.259 Die Übertragung einer unüberprüfbaren Billigkeitsentscheidung auf das Schiedsgericht würde die gesetzlich verankerten Rechte der Nachlassbeteiligten verletzen. 260 Aus § 2048 S. 3 BGB folge „zwingend“, dass die Entscheidung über ­ önne. 261 Die Anorddie Erbauseinandersetzung keine schiedsrichterliche sein k nung des Schiedsgerichts ist nach dieser Auffassung eine falsa demonstratio: In Wirklichkeit sei ein Schiedsgutachten gewollt. 262 Ob sich die Anordnung eines Schiedsgerichts tatsächlich stets als unbeachtliche Falschbezeichnung qualifizieren ließe oder ob nicht in bestimmten Fällen der Verfügung ganz die Wirksamkeit versagt werden müsste, 263 kann hier dahinstehen. Der Einwand überzeugt schon deshalb nicht, weil jedenfalls der behauptete Zusammenhang zwischen der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Drittentscheidung nach billigem Ermessen und einer gerichtlichen Kontrolle nicht besteht. Der Erblasser hat es durchaus in der Hand, mit der Anordnung eines Schiedsgerichtsverfahrens die Kontrolldichte herabzusetzen. Im Vertragsrecht ist es anerkannt, dass die Parteien zur Ergänzung oder Anpassung ihres Vertrages die Wahl haben, ob sie einen Schiedsgutachter berufen oder ein Schiedsgericht einsetzen wollen. Dass eine schiedsgerichtliche Entscheidung nicht auf offenbare Unbilligkeit überprüfbar ist, führt dort nicht dazu, dass eine Schiedsvereinbarung unzulässig bzw. als Schiedsgutachtenvereinbarung zu behandeln wäre. Die Parteien erhalten im Gegenzug für die reduzierte gerichtliche Kontrolle ein Mehr an Verfahrensregeln, die sie vor einem offenbar unbilligen Ergebnis bewahren. Daneben sind auch auf den schiedsgerichtlich ergänzten oder angepassten Vertrag die §§ 134, 138 BGB anwendbar, die somit die äußerste Grenze für die Drittentscheidung darstellen. Es existiert kein Grund, dem Erblasser im Erbrecht nicht grundsätzlich eine ähnliche Wahlmöglichkeit zu geben. 259 Planck/Strohal/Flad, Vor §§ 1937–1941 Anm. 2 c; v. Lübtow I, S. 115; Kipp/Coing, S. 424 f. (§ 78 III 3); Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10; ders., Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72; ders., FS Rheinisches Notariat, S. 254 f. 260  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72. Allgemein zur Begrenzung der Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts durch gesetzlich verankerte Recht der Erben J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 315. 261  Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 72; vgl. auch ders., FS Rheinisches Notariat, S. 254; Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10; Kipp/Coing, S. 425 (§ 78 III 3). 262  Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 255 (schon deshalb scheide auch ein Konflikt mit § 2065 BGB aus); vgl. auch Soergel/Stein, § 1937 Rn. 10; Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 265 (in Bezug auf die Erbenbezeichnung). 263  Man denke etwa an den rechtlich beratenen Erblasser, der die verfahrensmäßigen Unterschiede zwischen einem Schiedsgutachter und einem Schiedsrichter kennt und sich bewusst für ein Schiedsgerichtsverfahren und gegen ein Schiedsgutachten entscheidet.

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Zwar lässt sich im Fall der Vertragsschiedsgerichtsbarkeit anführen, dass die Parteien sich freiwillig dem Schiedsspruch unterworfen und diesen zu ihrem Vertragsinhalt gemacht haben – eine Legitimationsgrundlage, die im Fall der letztwilligen Schiedsgerichtsbarkeit nicht zur Verfügung steht. Doch ist im Erbrecht die Zuwendung an den Erben, wie gesehen, „belastet“ mit der Schiedsgerichtsanordnung.264 Die Testierfreiheit des Erblassers ermöglicht eine Zuwendung, die mit einer nur nach § 1059 ZPO überprüfbaren Gestaltungsbefugnis eines Schiedsgerichts verknüpft ist. Angesichts der Legitimation der Schiedsgerichtsbarkeit als „Belastung“ einer (letztwilligen oder gesetzlichen 265) Zuwendung stellen die Kontrollmöglichkeiten des § 2048 S. 3 BGB auch kein gesetzlich verankertes Recht dar, das den Mitgliedern der Erbengemeinschaft genommen würde. Denn die Vorschrift des § 2048 S. 3 BGB ist nicht zwingend. Der Erblasser hat es in der Hand, in weiterem Umfang als von dieser Vorschrift vorgesehen eine Kontrolle anzuordnen, so dass zum Beispiel ein Schiedsgutachten schon bei „einfacher“ Unbilligkeit unverbindlich ist. Selbst wenn § 2048 S. 3 BGB zwingendes Recht – und zwar auch für den Erblasser zwingendes Recht – wäre, hätte das kein anderes Ergebnis zur Folge. Denn dann wäre die gerichtliche Kontrolle nur zwingend angeordnet, wenn sich der Erblasser für ein Schiedsgutachten entscheidet. Zu Schiedsgerichtsverfahren enthält § 2048 S. 3 BGB keine Regelung. Schließlich erfordert auch das – hier, wie gesehen, ohnehin nicht berührte – Drittbestimmungsverbot keine Gleichbehandlung von Schiedsgutachten und Schiedsverfahren auf der Ebene der Kontrolle der Drittentscheidung. Denn das Verbot hat nicht den Zweck, vor „unkontrollierter Macht“ zu schützen. 266 Im Übrigen tritt der Schiedsspruch nicht an die Stelle des Erblasserwillens. Er ersetzt vielmehr eine Auseinandersetzungsvereinbarung der Mitglieder der Erbengemeinschaft, denen die Auseinandersetzung obliegt, wenn und soweit der Erblasser keine Vorgaben gemacht hat. 267

264  Diese Sichtweise vertritt auch Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 8: Der Erblasser könne Bedingungen für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz aufstellen, weil es um Rechtsstellungen gehe, die er den Nachlassbeteiligten kraft seiner Testierfreiheit gewähre. 265  Ein letztwilliges Schiedsgericht kann auch eingesetzt werden zur Entscheidung von Streitigkeiten über das gesetzliche Erbrecht, Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 33; Otte, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 67 f. 266  Siehe oben § 5 B.I.5. (S. 369 ff.). 267  Dazu Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 7: § 2048 S. 2 BGB enthält nur eine Klarstellung, denn der Erblasser ist nicht verpflichtet, die Auseinandersetzung selbst vorzunehmen. Diese ist vielmehr bei der gesetzlichen wie bei der gewillkürten Erbfolge den Erben überlassen.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

dd) Ergebnis Im Ergebnis ist es damit zulässig, dass der Erblasser einem letztwilligen Schiedsgericht die Aufgabe überträgt, nach billigem Ermessen einen – in den Grenzen des § 1059 ZPO – verbindlichen Auseinandersetzungsplan aufzustellen. 268 Anders als ein letztwillig benannter Schiedsgutachter kann dieses Schiedsgericht jedoch nur auf Antrag eines Mitglieds der Erbengemeinschaft tätig werden (§ 1044 ZPO). 269 Einen detaillierten Vorschlag für einen Auseinandersetzungsplan muss dieser Antrag allerdings – anders als die Erbauseinandersetzungsklage vor dem staatlichen Gericht – nicht enthalten. 270 Der Entscheidungsspielraum des Schiedsgerichts ist beschränkt durch die vom Erblasser vorgegebenen Erbquoten und Teilungsanordnungen. Das ergibt sich schon daraus, dass der Erblasser selbst festlegen kann, wie weit die Befugnisse des von ihm angeordneten Schiedsgerichts reichen sollen. 271 Insoweit besteht kein Unterschied zum Schiedsgutachten nach § 2048 S. 2 BGB.

b) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bestimmung des Erben (Gestaltungsentscheidung) Soweit ein Dritter nicht nur den Erben nach den Angaben des Erblassers bezeichnen, sondern selbst den Erben auswählen und damit seinen Willen an die Stelle des Erblasserwillens setzen soll, verstößt die Verfügung des Erblassers gegen § 2065 Abs. 2 BGB. Kann der Erblasser diese Folge vermeiden, indem er die Erbenbestimmung einem Schiedsgericht überträgt? Hier wirkt sich nun aus, ob das letztwillige Schiedsgericht auf einer prozessualen oder einer materiell-rechtlichen Grundlage beruht. Jedoch besteht ein Unterschied nur in der Begründung, nicht im Ergebnis: Im Ergebnis ist die Delegation nach beiden Theorien unzulässig. Für Vertreter der materiell-rechtlichen Theorie, für die die letztwillige Schiedsgerichtsbarkeit auf der Testierfreiheit des Erblassers beruht, folgt das 268  Storz, ZEV 2009, 265, 269 spricht gar von einer schiedsrichterlichen Funktion „par excellence“. 269  Dieser Unterschied wird nur selten thematisiert, vgl. aber Voit, in: Reimann/Bengel/ J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 33 (gegen eine Auslegung als Schiedsgerichtsanordnung, da der Dritte in der Regel von sich aus tätig werden solle). 270  Ob die Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für eine Schiedsklage entsprechend gelten, ist umstritten. Siehe dafür BT-Drucks. 13/5274, S. 48; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 1046 Rn. 2; Lachmann, Rn. 1443. Doch gerade an der Voraussetzung eines bestimmten Antrags wird verbreitet gezweifelt, siehe z.B. Thomas/Putzo/Reichold, § 1046 Rn. 2; Musielak/Voit, § 1046 Rn. 2; RG v. 11.10.1935 RGZ 147, 45, 49 f. (Schiedsgericht sei in seiner Verfahrensgestaltung freier); BGH v. 30.4.1959 NJW 1959, 1493, 1494; speziell zur Erbauseinandersetzung vor einem letztwilligen Schiedsgericht U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 77; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 126. 271  Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 257.

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zwanglos aus der Einschränkung der Testierfreiheit durch § 2065 Abs. 2 BGB. Eine Entscheidung, die der Erblasser aufgrund dieser Einschränkung nicht einem Dritten überlassen darf, darf er auch nicht einem Schiedsgericht zuweisen. 272 Wer mit der prozessualen Theorie die Grundlage letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit allein darin erblickt, dass sie vom Prozessrecht zugelassen wird, kann eine Delegation grundsätzlich für möglich halten. Die Auswahlentscheidung wäre als vermögensrechtlicher Gegenstand (§ 1030 Abs. 1 ZPO) grundsätzlich schiedsfähig. Die Verfügungsbefugnis des Erblassers spielt keine ­Rolle. 273 Die Schiedsfähigkeit fehlt generell nur dort, wo der Staat im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter ein Rechtsschutzmonopol für sich beansprucht. 274 Das Schiedsgericht hätte dann aber das materielle Recht anzuwenden und sich in diesem Rahmen mit § 2065 Abs. 2 BGB zu befassen. 275 Diese Vorschrift verwehrt dem Schiedsgericht eine Auswahlentscheidung. 276 Ob dieses Hindernis zugleich die Schiedsgerichtsanordnung unwirksam werden lässt277 oder das Schiedsgericht nach dem übrigen Erblasserwillen und den Regeln über die gesetzliche Erbfolge die Nachfolger ermitteln muss278, ist umstritten. Die Antwort dürfte davon abhängen, in welchem Verfahrensstadium sich die Frage stellt. In einem Erbprätendentenstreit spricht viel dafür, dem Schiedsgericht eine Fortsetzung des Verfahrens zu gestatten, während die Anordnung eines „isolierten“ Schiedsverfahrens mit dem Zweck der Erbenauswahl seinen Sinn verlöre und somit über § 1066 ZPO i.V.m. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO279 ausnahmsweise ebenfalls unwirksam sein dürfte. 272 Staudinger/Otte, Vorbem zu §§ 1937–1941 Rn. 10; Musielak/Voit, § 1066 Rn. 4; Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 6; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 1937 Rn. 37; Palandt/Weidlich, § 1937 Rn. 9; RGRK/Kregel, Vorbemerkungen zu den §§ 1937–1941 Rn. 6; Kipp/Coing, S. 424 (§ 78 III 2); Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 168 f.; Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 26; Otte, FamRZ 2006, 309, 312; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 315; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 129; Happe, S. 87; Schiffer, Gestaltung, S. 78; Wiesen, MittRhNotK 1996, 165, 168; Schütze, BB 1992, 1877, 1881. 273  Vgl. Staudinger/U. Haas, § 2306 Rn. 30a; Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 18; Pawlytta, ZEV 2003, 89, 90 ff. 274  Siehe oben § 4 E.IV.3.b) (S. 297 f.).    275  Die prozessuale Sichtweise wirkt sich also aus, wenn auf den Erbfall nicht deutsches Recht, sondern eine Rechtsordnung zur Anwendung gelangt, die eine Delegation gestattet. Die Schiedsgerichtsanordnung unterliegt bei prozessualer Qualifikation und Schiedsort in Deutschland der deutschen lex fori (U. Haas, ZEV 2007, 49, 54; Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 19; zweifelnd Bandel, NotBZ 2005, 381, 382; ablehnend Musielak/Voit, § 1066 Rn. 1). Der Frage, ob und wie ein Schiedsspruch im Ausland vollstreckbar wäre, kann hier nicht nachgegangen werden. 276 Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 21; ders., FS Schlosser, S. 205; Bandel, MittBayNot 2008, 280, 281; U. Haas, ZEV 2007, 49, 54. Ebenfalls F. Harder, S. 79. 277  U. Haas, ZEV 2007, 49, 54. 278  F. Harder, S. 79. Gegen eine generelle Unwirksamkeit auch Bandel, NotBZ 2005, 381, 384. 279  Zur Anwendbarkeit des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO auf letztwillige Schiedsverfügungen Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; U. Haas, ZEV 2007, 49, 52; Bandel, NotBZ 2005, 381, 383.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

Die Unzulässigkeit der Delegation ist sachgerecht. Sie verlängert das Delegationsverbot des § 2065 Abs. 2 BGB in das Prozessrecht und verhindert, dass der Erblasser es mit Hilfe einer Schiedsgerichtsanordnung unterläuft.

c) Anordnung eines Schiedsgerichts zur Bezeichnung des Erben (Feststellungsentscheidung) Aufbauend auf den vorstehenden Überlegungen lässt sich nun auch der Fall betrachten, dass der Erblasser dem Schiedsgericht keine echte Gestaltung, sondern nur die Anwendung vom Erblasser festgelegter objektiver Kriterien auferlegt. Diese „Bezeichnung“ des Erben durch einen Dritten nach den Vorgaben des Erblassers wurde oben als feststellende Tätigkeit identifiziert und als feststellendes Schiedsgutachten gekennzeichnet. 280 Ein Konflikt mit § 2065 BGB besteht in diesen Fällen deshalb nicht, weil der Erblasser seinen Willen vollständig bildet und einen Dritten nur deshalb einschaltet, damit dieser Umstände aufklärt oder berücksichtigt, die für den Erblasser noch nicht vorhersehbar sind. Der Dritte stellt fest, was andernfalls ein Gericht bei einem Streit über die Erbfolge feststellen müsste und könnte. Der Fall unterscheidet sich nicht von der Feststellung des Eintritts oder Ausbleibens einer vom Erblasser gesetzten Bedingung. Die Einsetzung eines Schiedsgutachters in all diesen Fällen hindert § 2065 BGB nicht, da der Dritte nicht über die Gültigkeit der Verfügung oder die Person des Zuwendungsempfängers entscheidet, sondern lediglich feststellt, ob eine vom Erblasser gesetzte Bedingung erfüllt ist.281 Auf das Schiedsgutachten sind auch im Erbrecht die §§ 317–319 BGB entsprechend anzuwenden. 282 Entsprechend kann die Kontrolle des Schiedsgutachtens, auf die § 319 Abs. 1 BGB analog anzuwenden ist, 283 einem Schiedsgericht übertragen werden. 284 Was gilt nun, wenn der Erblasser verfügt, dass ein Schiedsgericht diese Feststellungen treffen soll? Wer Schiedsgutachten und Schiedsverfahren in einem Exklusivitätsverhältnis sieht, kann in dieser Anordnung nur eine fehlerhafte Bezeichnung sehen, hinter der sich in Wirklichkeit die Berufung der so bezeichneten Personen als Schiedsgutachter verbirgt. 285 Die von dem „Schiedsgericht“ Auch die materiell-rechtliche Theorie hält teilweise § 1040 ZPO und nicht etwa § 2085 BGB für anwendbar, Lange/Kuchinke, S. 739 (§ 32 II 4 c); für § 2085 BGB aber Schwab/G. Walter, Kap. 32 Rn. 26. 280  Siehe oben § 5 A.IV.2. (S. 331 f.). 281  Siehe oben § 5 Fn. 42. 282  Otte, FamRZ 2006, 309, 310. 283  Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065 Rn. 31; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2065 Rn. 18; Staudinger/Otte, § 2065 Rn. 39 (für feststellende Schiedsgutachten). 284  Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 266. 285  Otte, FamRZ 2006, 308, 311; Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 265 f.; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 9; U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 78, der allerdings aufgrund der schwierigen Grenzziehung im Einzelfall auch einen Schiedsspruch für möglich hält.

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zu treffende Feststellung sei keine rechtsprechende Tätigkeit;286 sie sei kein tauglicher Streitgegenstand eines Schiedsspruchs, der über Leistungs‑, Feststellungs‑ oder Gestaltungsklagen befinde und in Rechtskraft erwachse. 287 Der Kreis in einem Schiedsspruch feststellungsfähiger Gegenstände wird also auf die in § 256 Abs. 1 ZPO genannten beschränkt. Eine Entscheidung als Schiedsgericht scheide auch deshalb aus, weil der Erblasser nicht einseitig die richterliche Überprüfung der Entscheidung des Dritten ausschließen dürfe. 288 Eine Frage kann nach dieser Ansicht nur entweder Gegenstand eines Schiedsgutachtens oder eines Schiedsgerichtsverfahrens sein. Jedoch hat sich die Exklusivitätsthese weder im Vertragsrecht noch zuvor bei der gestaltenden Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als tragfähig erwiesen. Dort kommen für die Feststellung einer Tatsache sowohl ein Schiedsgutachter als auch ein Schiedsgericht in Frage. Auch die Erbenbezeichnung halten manche Autoren für einen tauglichen Gegenstand eines Schiedsgerichtsverfahrens. 289 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da § 256 Abs. 1 ZPO, wie gesehen, der Schiedsfähigkeit keine Grenze setzt. Eine Feststellung durch das Schiedsgericht erscheint somit statthaft. Dies gilt zunächst in dem Fall, dass der Erblasser in zulässiger Weise die Bezeichnung des Erben offengelassen, für alle Streitigkeiten aus dem Erbfall ein Schiedsgericht angeordnet hat und die Nachfahren nun um das Erbrecht streiten. Hier kann das Schiedsgericht in dieser Funktion darüber entscheiden, wer die vom Erblasser aufgestellten Kriterien erfüllt. 290 Es handelt sich letztlich um eine Frage der Testamentsauslegung. 291 Dass hier nicht das Schiedsgericht eine Art „Zwischenfeststellung“ in Form eines Schiedsgutachtens treffen muss, zeigt eine einfache Kontrollüberlegung: Hätte der Erblasser kein Schiedsgericht angeordnet, würde der Streit um das Erbrecht vor staatlichen Gerichten ausgetragen, die dann ebenfalls selbst zu ermitteln hätten, 286 

Grunsky, FS H.P. Westermann, S. 265. Otte, FamRZ 2006, 308, 311. 288  Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 256. 289 Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Geimer, FS Schlosser, S. 206; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 316; F. Wagner, ZEV 1998, 184, 185 (falls die Schiedsrichter „einen Rechtsstreit insgesamt entscheiden“). 290  Münch­Komm-­Z PO/Münch, § 1066 Rn. 6; Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 33; J.-C. Schulze, S. 88; J.-C. Schulze, MDR 2000, 314, 315 f.; R. Kohler, DNotZ 1962, 125, 129. Zur Feststellung des Eintritts einer Bedingung: Zöller/Geimer, § 1066 Rn. 21; ders., FS Schlosser, S. 206; Jauernig/R. Stürner, § 2065 Rn. 3; Münch­Komm-­BGB/ Leipold, § 2065 Rn. 8, 12 (in der Regel aber Schiedsgutachten); F. Wagner, ZEV 1998, 184, 185; Schiffer, BB 1995 Beilage Nr. 5, 2, 4; generell zu Schiedsgutachten Bandel, NotBZ 2005, 381, 385. – Abgrenzungsschwierigkeiten zu diesem Fall räumen auch Otte, FS Rheinisches Notariat, S. 255, und U. Walter, MittRhNotK 1984, 69, 78 ein. Schiffer, Gestaltung, S. 78 f. hält einen Schiedsspruch für zulässig, doch werde das Schiedsgericht „genau betrachtet als Schiedsgutachter tätig“. 291  Vgl. Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 3; Schiffer, Gestaltung, S. 78 f. 287 

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auf wen die Kriterien des Erblassers zutreffen, und sich dabei nicht eines Dritten als Schiedsgutachter bedienen könnten oder gar müssten. Doch auch isoliert, das heißt außerhalb eines ohnehin schwebenden Verfahrens vor dem Schiedsgericht, ist es eine taugliche Aufgabe eines Schiedsgerichts festzustellen, wer nach der Bezeichnung des Erblassers Erbe geworden ist oder ob eine vom Erblasser gesetzte Bedingung eingetreten ist.292 Dabei kann auf die Überlegungen zur Rechtsgestaltung zurückgegriffen werden. Die Kompetenzen eines Schiedsgerichts können grundsätzlich weiter reichen als die eines staatlichen Gerichts. Für Vertragsschiedsgerichte ergibt sich das aus der Vertragsfreiheit der Parteien. Bei letztwilligen Schiedsgerichten steht dieser Begründungsansatz angesichts der fehlenden Freiwilligkeit der Unterwerfung nicht zur Verfügung. Doch hilft hier die Überlegung weiter, die Zuwendungen des Erblassers als mit der Schiedsgerichtsanordnung „belastet“ anzusehen. Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht auf Rechtsprechung im Sinne der vollumfänglichen Entscheidung eines Rechtsstreits beschränkt. Es genügt, dass die in Frage stehenden Feststellungen Teil eines Rechtsstreits sein könnten. Dass ein Schiedsgericht rein faktisch zu diesen Feststellungen in der Lage ist, zeigen die vorangegangenen Überlegungen zu Feststellungsentscheidungen im Rahmen eines Erbprätendentenstreits. Von der Zulässigkeit einer derartigen Schiedsgerichtsanordnung ging auch die Zweite Kommission aus:293 Es sei grundsätzlich zulässig, einem Dritten die Entscheidung über den Eintritt einer Bedingung zu überlassen. Dabei handele es sich „gewissermaßen um die letztwillige Ernennung eines Schiedsrichters“, der an der Stelle des sonst entscheidungsbefugten Gerichts tätig werde. Es verstehe sich von selbst, dass auf diese Weise der Erblasser – was regelmäßig seinem Willen entsprechen dürfte – die Entscheidung der richterlichen Überprüfung entziehen könne. Die Delegation der Feststellung auf ein Schiedsgericht statt auf einen Schiedsgutachter soll nach Ansicht von Jörn-Christian Schulze einen praktischen Vorteil haben: Falle der für die Bezeichnung des Erben vom Erblasser benannte Schiedsgutachter aus und existiere auch kein Ersatz, werde die Erbeinsetzung 292  Diese Differenzierung wird von den meisten der oben Fn. 290 Genannten nicht gemacht. Diese Autoren gehen offenbar auch von der Zulässigkeit eines isolierten Tätigwerdens des Schiedsgerichts aus. Ausdrücklich ablehnend aber Voit, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, vor § 2229 BGB Rn. 33, mit dem Argument, dass das Schiedsgericht dann Dritter und Kontrollinstanz zugleich, mithin Richter in eigener Sache sei. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht, da das Schiedsgericht gerade nicht als Dritter entscheidet. – Nach Münch­Komm-­BGB/ Leipold, § 2065 Rn. 8, 12 sei der Dritte, der den Eintritt einer Bedingung feststellen solle, in der Regel Schiedsgutachter, da er nicht nur auf Antrag und auch nur über den Bedingungseintritt, nicht über die Wirksamkeit der Verfügung als Ganze zu befinden habe. – Crezelius, FS H.P. Westermann, S. 170 nimmt im Bereich zulässiger Drittentscheidungen immer dann ein Schiedsgericht an, wenn die Entscheidung im Rahmen eines Streits gefällt wird. 293  Prot., in: Mugdan, Bd. V, S. 523; siehe auch KG v. 21.2.1924 OLGE 43, 394 (Dritter entscheidet „gewissermaßen als Schiedsrichter“).

B. Die Kongruenz der Aufgabenbereiche

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unwirksam. 294 Das Nachlassgericht könne die Bezeichnung nicht vornehmen, da der Erblasser nicht privatautonom dessen Zuständigkeit erweitern dürfe. 295 Habe der Erblasser stattdessen ein Schiedsgericht zur Bezeichnung des Erben angeordnet, könne die Verfügung mit Hilfe der gesetzlichen Vorschriften über die Besetzung des Schiedsgerichts aufrechterhalten werden. 296 Nach hier vertretener Ansicht geht diese Gegenüberstellung jedoch von einer unrichtigen Prämisse aus; der Erblasser muss keinen bestimmten Dritten benennen.

IV. Ergebnis Schiedsrichter und Schiedsgutachter sind nicht nur „zum Teil“297 oder „fast vollständig“298 austauschbar. Vielmehr sind ihre Aufgabenbereiche kongruent. Wie ein Schiedsrichter kann der Schiedsgutachter Rechtsfragen beantworten, einen Vertrag auslegen oder unter Tatbestandsmerkmale subsumieren. Er ist dabei auch nicht nur punktuell für einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses kompetent, sondern kann, zumindest faktisch, den gesamten Rechtsstreit erschöpfen. Jedenfalls wenn die von ihm zu entscheidende Frage den Kern des Streits oder der Ungewissheit, wegen derer er eingeschaltet wurde, ausmacht, ist damit über das Rechtsverhältnis insgesamt entschieden. 299 Umgekehrt kann ein Schiedsrichter Verträge oder – im Rahmen des § 2065 Abs. 2 BGB – Testamente ergänzen, Verträge anpassen oder einzelne Tatsachen oder Tatbestandselemente feststellen. Da das Schiedsgericht eine private Form der Streitentscheidung darstellt, liegt darin keine unzulässige Erweiterung gerichtlicher Kompetenzen. Deshalb gilt auch die Grenze des § 256 Abs. 1 ZPO im Schiedsverfahren nicht. Eine Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung nach § 1051 Abs. 3 ZPO ist für Gestaltungsakte des Schiedsgerichts nicht erforderlich, da sich die Befugnis zur gestaltenden Entscheidung nach billigem Ermessen bereits aus dem anwendbaren materiellen Recht ergibt.

294 

295 

Zu der Problematik siehe oben § 5 B.II.3.e)aa) (S. 405). J.-C. Schulze, S. 89; ders., MDR 2000, 314, 316; Münch­Komm-­BGB/Leipold, § 2065

Rn. 27. 296  J.-C. Schulze, S. 89; ders., MDR 2000, 314, 316. 297  Habscheid, FS Kralik, S. 199. 298  Schlosser, Entwicklungsstand, S. 4. 299  Zu den praktischen Gesichtspunkten einer Wahl zwischen beiden Verfahren Kaso­ lowsky/Schnabl, SchiedsVZ 2012, 84, 85 ff.

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C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen Diese Kongruenz scheint zunächst die oben vorgestellte These zu stützen, dass Schiedsgutachten und Schiedsgericht im Grunde fusioniert werden können und der Schiedsgutachter in Wahrheit „kleiner Schiedsrichter“ ist. Damit sich weiterhin sinnvoll sagen lässt: „arbitrorum enim genera sunt duo“, muss es deshalb möglich sein, im Einzelfall zwischen beiden abzugrenzen. Zwar wird es den Parteien nicht mehr auf die rechtliche Einordnung ankommen, wenn der Spruch seine Streitbeilegungsfunktion erfüllt hat. Von Bedeutung ist die zutreffende Qualifikation aber für die Parteien vor Ergehen der Entscheidung300 sowie danach, wenn sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, und für den Dritten, weil sich danach das von ihm zu beachtende Verfahren und seine Haftung richten.301 Wenn nun im Folgenden der Strauß von Kriterien vorgestellt wird, die Rechtsprechung oder Lehre bislang zur Abgrenzung von Schiedsgutachter und Schiedsrichter hervorgebracht haben, so wird sich am Ende des Reigens Ernüchterung einstellen. Bestätigt wird der Eindruck, eine Abgrenzung im Einzelfall sei schwierig.302 Zu jedem der Kriterien lässt sich mühelos ein Einwand formulieren. Unangefochtene Einigkeit besteht lediglich über den Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Abgrenzung: Welche Funktion der Dritte innehaben sollte, richtet sich nach einer Auslegung des Parteiwillens.303 Da die Abgrenzungsfrage vorrangig im Vertragsrecht diskutiert wird, wird das vertragliche Schiedsgutachten hier im Vordergrund stehen. Die Überlegungen lassen sich jedoch auf die Abgrenzung von letztwilliger Schiedsgerichtsbarkeit und testamentarischer Anordnung eines Schiedsgutachtens übertragen.

I. Auf die Vereinbarung bezogene Kriterien 1. Formulierung der Vereinbarung Die Wortwahl der Parteien kann bei der Abgrenzung nicht den Ausschlag geben.304 Allenfalls kommt ihr im Einzelfall eine Indizwirkung zu.305 Zwar wird 300 

Weick, FS Coing II, S. 553. Volmer, BB 1984, 1010, 1011. 302 Jauernig/Stadler, § 317 Rn. 8. 303  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 338; BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910, 911; Münch­ Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 57 m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 Rn. 29; Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D260; Soergel/Loritz, § 2065 Rn. 9; Habscheid, FS Kralik, S. 199. 304  BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 338; Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 57 m.w.N.; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 8; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK, § 317 Rn. 22; Greger/Stubbe, Rn. 11; Schlosser, RIPS, Rn. 21. 305  OLG Zweibrücken v. 20.1.1971 NJW 1971, 943; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 26; Kröll, S. 258 f.; Sachs, S. 19. 301 Dazu

C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen

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für eine Abgrenzung anhand der von den Parteien gewählten Formulierung geltend gemacht, dass Schiedsgutachtenvereinbarungen in der Regel von Fachleuten oder rechtlich beratenen Parteien geschlossen werden. Jedenfalls bei Fachleuten solle die Wortwahl eine Vermutung dafür begründen, dass das bezeichnete Rechtsinstitut gewollt sei.306 Zum Teil lasse sogar die Rechtsprechung des BGH eine Tendenz erkennen, den von den Parteien verwendeten Begriffen ausschlaggebendes Gewicht beizumessen.307 Dass die Rechtsprechung aber die Wortwahl auch rechtskundiger Parteien als nur einen Faktor unter vielen in die Auslegung einstellt, wird in den zahllosen Fällen erkennbar, in denen ein Schiedsgutachten angenommen wurde, obwohl die Parteien eine „endgültige und bindende“ Entscheidung oder einen „Ausschluss des Rechtswegs“ vereinbart hatten.308 Umgekehrt kommt es vor, dass als „Schiedsgutachterklausel“ überschriebene Vereinbarungen als Schiedsvereinbarung ausgelegt werden.309 Zudem geben die Erfahrungen mit sog. „pathologischen“ Schiedsklauseln310 Anlass zu zweifeln, wieviel Gewicht der Wortwahl beigemessen werden kann.311 Aus der von den Parteien vorgesehenen Zahl an Entscheidungspersonen lassen sich ebenfalls keine Schlüsse ziehen.312 Einer Vermutung, dass eine Einzelperson auf ein Schiedsgutachten, ein Dreiergremium aber auf ein Schiedsgericht

306  Kröll, S. 258 f.; ders., EWiR 1998, 1019 f.; Luther, FS Reimers, S. 194. Unterstützend soll für ein Schiedsgutachten noch sprechen, wenn die Parteien § 319 BGB oder die §§ 1025 ff. ZPO in ihrer Vereinbarung erwähnen, insoweit zustimmend Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 57; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 15; so auch Jarrosson, Rev. arb. 2005, 1049, 1059 (Erwähnung des Art. 1843-4 Code civil spricht dafür, dass dieses Verfahren gewollt ist). 307  F. Baur, S. 20. In zwei zeitlich nah beieinander liegenden Urteilen, in denen es jeweils um die Anpassung des Mietzinses für ein Tankstellengrundstück durch einen Dritten ging, habe der BGH in dem einen Fall ein Schiedsverfahren, in dem anderen ein Schiedsgutachtenverfahren angenommen. Die Sachverhalte hätten sich nur in der Wortwahl der Parteien unterschieden. Siehe BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910 und BGH v. 13.5.1974 NJW 1974, 1235. Ähnliche Beobachtung bei Jonas, JW 1937, 532. 308  Siehe oben § 14 B.II.2.a) (S. 648 f.). Eine andere Frage ist es, ob derartige Formulierungen zur Abgrenzung zwischen bindenden und nicht bindenden Schiedsgutachten herangezogen werden können. 309  Kröll, SchiedsVZ 2009, 161; Schlosser, Entwicklungsstand, S. 6; siehe noch Kornblum, JA 1979, 393, 394 f. 310  Siehe nur die jährlichen Übersichten zur schiedsrechtlichen Rechtsprechung von Stefan Kröll, in denen regelmäßig eine „Vielzahl pathologischer Klauseln“ beklagt wird, z.B. Kröll, SchiedsVZ 2008, 112, 121; ders., SchiedsVZ 2009, 161; andererseits berichtet Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 125, bei einer systematischen Auswertung von Schiedsvereinbarungen in Unternehmenskaufverträgen keine einzige pathologische Klausel gefunden zu haben. 311  Sachs, S. 19; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 28. Dass selbst dem Gesetzgeber eine Falschbezeichnung unterlaufen kann, zeigt BGH v. 28.1.1994 BGHZ 125, 41, 45: das vom Gesetzgeber im württembergischen Anerbengesetz vorgesehene „Schiedsgericht“ sei in Wahrheit Schiedsgutachter. 312  Anders Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 57.

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hindeute, lassen sich leicht der gar nicht so seltene Einzelschiedsrichter oder das Sachverständigengremium im Versicherungsrecht entgegenhalten.313 Kein großer Wert sollte der Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung beigemessen werden.314 Zwar existieren sowohl für Schiedsgerichtsverfahren als auch für Schiedsgutachtenverfahren je eigene Verfahrensordnungen, die sich den Parteien zur Wahl anbieten.315 Doch muss schon die Existenz sog. „pathologischer“ Bezeichnungen einer Verfahrensordnung, vor denen selbst rechtlich beratene Parteien nicht gefeit sind,316 zur Vorsicht bei der Auslegung mahnen.

2. Rechtsnatur der Vereinbarung Wenig ergiebig sind die Vorstellungen der Verfasser der CPO von 1877 zur Abgrenzung zwischen Schiedsgutachter (arbitrator) und Schiedsrichter (arbiter). Offenbar schwebte ihnen eine Differenzierung nach der Rechtsnatur der Parteivereinbarung vor.317 Ein derartiges Vorgehen wäre jedoch zirkelschlüssig.318 Zudem ist die materiell-rechtliche Natur des Schiedsgutachtenvertrags ja gerade bestritten.319

3. Dem Dritten eingeräumter Entscheidungsmaßstab Ein anderer Abgrenzungsversuch könnte darauf schauen, welchen Entscheidungsmaßstab die Parteien dem Dritten in ihrer Vereinbarung eingeräumt haben. Im römischen Recht etwa unterschied sich der private Schiedsrichter (arbiter ex compromisso) vom arbitrium boni viri unter anderem dadurch, dass ihm eine freie Entscheidungsbefugnis zustand.320 Wenn dagegen heute der Schiedsrichter „in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften …, die von den Parteien als … anwendbar bezeichnet worden sind“ (§ 1051 Abs. 1 S. 1 ZPO) entscheiden soll, so meint das gerade den Maßstab des billigen Ermessens, nach dem auch der Schiedsgutachter im Zweifel (§ 317 Abs. 1 BGB) vorzugehen hat.321 Der Parteivereinbarung wird häufig keine klare Vorstellung über den Entscheidungsmaßstab zu entnehmen sein.322 Vor allem aber stehen beide Maßstäbe zur Disposition der Parteien: Der Schiedsrichter kann zur Entscheidung nach Billigkeit ermächtigt werden (§ 1051 Abs. 3 ZPO),323 während der Schieds313 

Greger/Stubbe, Rn. 11. Greger/Stubbe, Rn. 15. 315  Beispiel: DIS-Schiedsgerichtsordnung und DIS-Schiedsgutachtensordnung. 316  Kröll, SchiedsVZ 2010, 144, 146. 317  Hahn, S. 490. 318  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 56. 319  Münch ­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 56. 320  Ziegler, S. 82 f. (mit Verweis auf D. 17,2,76); siehe auch André, S. 38 ff. 321  Siehe oben § 16 B.III.3.a)cc)(iii) (S. 808 ff.). 322  Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 719 f. 323  Hayum, S. 32. 314 Anders

C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen

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gutachter einem strengeren Maßstab als dem billigen Ermessen unterworfen werden kann. Begehren die Parteien eine Feststellung, wird es ihnen ohnehin um eine richtige Entscheidung gehen.

II. Auf die Entscheidung des Dritten bezogene Kriterien 1. Wirkungen der Entscheidung Da sich Schiedsgutachten und Schiedsspruch in ihren Wirkungen unterscheiden, könnte eine Abgrenzung hieran anzuknüpfen versuchen.324 Anders als das Schiedsgutachten ist der Schiedsspruch rechtskraftfähig (§ 1055 ZPO) und vollstreckungsfähig (§ 1060 Abs. 1 ZPO). Erhoffen sich die Parteien von dem Verfahren einen vollstreckungsfähigen Titel, so kann das ein deutliches Indiz für die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens darstellen.325 Aus einem Schiedsgutachten kann keine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden; notfalls ist der Anspruch auf der Grundlage des Schiedsgutachtens vor Gericht einzuklagen.326 Richtet sich das Verfahren, wie vermutlich meistens, aber auf eine Gestaltung oder eine Feststellung, so versagt dies Kriterium, da dann ohnehin kein vollstreckungsfähiger Inhalt vorliegt.327 Vor allem aber dürften sich die Parteien über diese Fragen in den meisten Fällen keine (erkennbaren) Gedanken gemacht haben, so dass das formale Kriterium der Vollstreckungsfähigkeit jedenfalls nicht universell verwendbar ist.328 Setzt man bei der Auslegung aber die Anforderungen zu niedrig an, droht ein Zirkelschluss. Die Rechtskraftfähigkeit des Schiedsspruchs verweist indes darauf, dass Schiedsgutachten und Schiedsspruch in unterschiedlichem Maße einer Nachprüfung durch staatliche Gerichte unterliegen. Da dieser Unterschied nicht allein mit der Rechtskraft des Schiedsspruches zu tun hat und vor allem die Nachprüfbarkeit der Entscheidung des Dritten unter den in Rechtsprechung und Schrifttum diskutierten Abgrenzungskriterien eine herausgehobene Position hat, soll dieser Punkt gesondert behandelt werden.

2. Nachprüfbarkeit der Entscheidung Auf dieser Grundlage wird die Abgrenzung häufig daran geknüpft, ob die Parteien – abgesehen von § 1059 ZPO – einen Weg zu den staatlichen Gerichten versperren oder sich eine gerichtliche Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB offen324  Henn, Rn. 5 (nur das Schiedsverfahren könne „einen Rechtsstreit abschließen oder auch nur prozessual gestalten“); Pinckernelle, S. 21. 325  Greger/Stubbe, Rn. 12. 326  Greger/Stubbe, Rn. 12. 327  Schlosser, RIPS, Rn. 21. 328  Greger/Stubbe, Rn. 12.

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halten wollten.329 Wenn Schiedsspruch und Schiedsgutachten in einem „graduell abgestuften Verhältnis zueinander stehen“, könne der „Grad der richterlichen Nachprüfbarkeit als ein unterscheidungskräftiges Kriterium“ dienen.330 Zudem würde dieses Kriterium die zwei Arten von arbitri aus D. 17,2,76 aufgreifen, deren Aussprüche ja auch in unterschiedlichem Maße der richterlichen Kontrolle unterlagen.331 In der praktischen Rechtsanwendung dürfte die Unterscheidungskraft des Kriteriums aus drei Gründen jedoch weniger stark ausgeprägt sein, als der erste Eindruck vermuten lässt. Erstens werden die Parteien in der Realität oft keine oder nur ungenaue Vorstellungen über den Umfang der richterlichen Kontrolle haben332 oder zum Kontrollmaßstab keine auslegungsfähigen Abreden treffen333. Selbstverständlich beseitigen praktische Auslegungsschwierigkeiten im Einzelfall nicht die theoretische Eignung des Kriteriums.334 Sie werfen aber die Frage auf, ob die Nachprüfbarkeit als alleiniges Abgrenzungskriterium ausreicht. Dringlicher wird diese Frage, wenn zweitens bedacht wird, dass die Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB auch strenge Anforderungen stellt335 und vor allem die Parteien einer Schiedsgutachtenvereinbarung die richterliche Kontrollbefugnis bis zur Grenze der §§ 134, 138 BGB abbedingen können336. Eigentlich müsste dann, wenn die Parteien den Kontrollmaßstab derart verändern, eine Schiedsgutachtenvereinbarung in eine Schiedsvereinbarung umschlagen. Diese Konsequenz wird jedoch nur selten gezogen337 – und zwar aus gutem 329  BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1058; BGH v. 10.6.1976 WM 1976, 910; BGH v. 17.5.1967 BGHZ 48, 25, 28; BGH v. 30.5.1959 NJW 1959, 1493, 1494; BGH v. 25.6.1952 BGHZ 6, 335, 338 f.; RG v. 22.12.1936 RGZ 153, 193, 195 f.; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 12; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 25; Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 56; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 15; Bamberger/Roth/ Gehrlein, § 317 Rn. 11; Erman/J. Hager, § 317 Rn. 12; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 15; Völzmann-Stickelbrock, in: jurisPK-BGB, § 317 Rn. 23 f.; Wittmann, S. 167 ff.; Lachmann, Rn. 78; Habscheid, FS Lehmann II, S. 797; ders., FS Kralik, S. 199; ders., KTS 1964, 78, 88 f.; ders., KTS 1984, 53, 64; ders./Calavros, KTS 1979, 1, 11; ­L arenz, Schuldrecht I, S. 83 Fn. 14 (§ 6 II b); Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 248 (§ 14 III 2); W. Döbereiner, VersR 1983, 712; v. Bernuth, ZIP 1998, 2081, 2082; Schwab, ZZP 93 (1980), 336, 338; Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 719 f. 330  Wittmann, S. 170. 331  Goldschmidt, GrünhutsZ 2 (1875), 714, 719 f. 332  Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 301 (§ 12 IV 5 c). 333  Greger/Stubbe, Rn. 14. 334  Insoweit zutreffend Wittmann, S. 171. 335  Borowsky, S. 195; Lembcke, ZGS 2009, 548, 550; Sieg, VersR 1965, 629, 630. 336  Greger/Stubbe, Rn. 14. Zum dispositiven Charakter der richterlichen Kontrolle siehe oben § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). 337 Siehe aber Raeschke-Kessler, Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit 3 (1989), 207, 213; Hau, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, Klauseln Rn. S 24; Lembcke, ZGS 2009, 548, 551.

C. Abgrenzungskriterien und ihre Grenzen

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Grund, denn Schiedsgutachten und Schiedsspruch unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf die Nachprüfbarkeit der Entscheidung, sondern insbesondere auch in Bezug auf die anzuwendenden Verfahrensregeln. Wenn, wie oben begründet, § 319 Abs. 1 BGB abbedungen werden darf, ohne dass die verstärkte Bindungswirkung durch zusätzliche Verfahrensgarantien kompensiert werden muss,338 wäre es wenig interessengerecht, Parteien, denen es in erster Linie um ein schlankes Verfahren ging, den anspruchsvolleren Verfahrensvorschriften der §§ 1025 ff. ZPO zu unterwerfen. Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Dritte kann gerade den Sinn haben, ein kostenintensives und zeitaufwendiges Schiedsverfahren zu vermeiden.339 Drittens und vor allem aber würde dies Kriterium, sollte es tatsächlich ausschlaggebend sein, voraussetzen, dass der Parteiwille tatsächlich ernst genommen wird. Solange selbst die Vereinbarung eines „endgültigen und bindenden“ Schiedsgutachtens „unter Ausschluss des Rechtswegs“ von der Rechtsprechung als Vereinbarung eines nach § 319 Abs. 1 BGB nachprüfbaren Schiedsgutachtens interpretiert wird,340 kann den Vorstellungen der Parteien zur Nachprüfbarkeit kein allein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden.341 Motiviert wird diese Rechtsprechung, wie gesehen, von der Vorstellung, § 319 Abs. 1 BGB diene dem Schutz der Parteien.342 Unmittelbar niedergeschlagen hat sich dieses Verständnis in einer weithin akzeptierten Zweifelsregel: Aufgrund der weniger gravierenden Rechtsfolgen und des weniger tiefen Eingriffs in die Dispositionsfreiheit der Parteien sei im Zweifel von einer Schiedsgutachtenvereinbarung auszugehen.343 Diese Zweifelsregel betrachtet eindimensional die Nachprüfbarkeit des Gutachtens. Sie ist deshalb abzulehnen.344 Mag auch ein Schiedsspruch in noch stärkerem Maße binden als ein Schiedsgutachten, genießen die Parteien 338 

Siehe oben § 14 B.II.2.d) (S. 653 ff.). Weick, FS Coing II, S. 556. 340  Siehe oben § 14 B.II.2.a) (S. 648 f.); weitere Beispiele fehlgeleiteter Interpretation bei Lembcke, ZGS 2009, 548, 550. 341  Die Auslegung dieser Klauseln im Sinne einer Schiedsgutachtenvereinbarung rechtfertigt Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 301 (§ 12 IV 5 c) damit, dass die Parteien auch gemeint haben könnten, ein wirksames Schiedsgutachten sei endgültig und bindend. Wenn das so wäre, hätten die Parteien eine Selbstverständlichkeit nachdrücklich betont. 342  Siehe oben § 14 B.II.2.d) (S. 653 f.). 343  BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1058; RG v. 17.9.1920 RGZ 100, 76, 77; OLG München v. 7.8.2006 SchiedsVZ 2006, 286, 288; Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 12; Staudinger/­R ieble, § 317 Rn. 26; Jauernig/Stadler, § 317 Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Grundz § 1025 Rn. 15; NK-BGB/F. Wagner, § 317 Rn. 15; v. Westphalen, Vertragsrecht, Rn. 33/3; Kornblum, S. 104; Palandt/Grüneberg, § 317 Rn. 8; Habscheid, FS Lehmann II, S. 797; Lembcke, ZGS 2009, 548, 550; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 308. Konsequenterweise hatte ROHG v. 23.2.1872 ROHGE 4, 421, 429 die umgekehrte Zweifelsregel formuliert, da nach anwendbarem bremischen Recht ein Schiedsspruch einer weitergehenden gerichtlichen Kontrolle unterlag. 344  Ebenfalls ablehnend Musielak/Voit, § 1029 Rn. 17; Münch­Komm-­Z PO/Münch, Vor § 1025 Rn. 57; Kröll, EWiR 1998, 1019 f.; zweifelnd Kisch, Schiedsmann, S. 11 Fn. 5. Kritisch 339 

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

eines Schiedsverfahrens jedoch erheblichen Schutz bis zur Fällung des Schiedsspruchs.345 Dies beginnt mit der Formbedürftigkeit der Schiedsvereinbarung und setzt sich über die staatlichen Unterstützungmaßnahmen bei der Kon­sti­ tu­tierung des Schiedsgerichts und im Laufe des Verfahrens346 bis hin zu den zwingenden Verfahrensgarantien fort. Sollte aus dieser Perspektive nicht sogar mit Dütz347 angenommen werden, dass in Wirklichkeit das Schiedsgutachten den tieferen Eingriff in die Rechtspositionen der Parteien darstellt? Eine derartige Zweifelsregel schlägt für das französische Recht in der Tat Jarrosson vor:348 Da für die Schiedsgerichtsbarkeit ein klar etabliertes Regime von Regelungen und ernstzunehmenden Verfahrensgarantien bestehe und außerdem durch den Ausschluss einer nachträglichen Kontrolle dem Interesse der Parteien an einer schnellen Beilegung des Streits gedient werde, sei im Zweifel von einem Schiedsverfahren auszugehen. Diese Zweifelsregel werde nur widerlegt, wenn ein Element der Parteivereinbarung nicht mit einem Schiedsverfahren kompatibel sei. Die Schiedsgerichtsbarkeit stelle insofern die „notion résiduelle“ dar.349 Vom englischen Recht wird gar berichtet, dass die Nachprüfbarkeit dort für die Abgrenzung keine Rolle spiele350 – was nicht weiter verwundert angesichts der eingeschränkten Überprüfung einer expert determination.351 In Wirklichkeit belegt diese alternative Zweifelsregel in erster Linie, dass bereits die Frage danach, was im Zweifel anzunehmen sein soll, verfehlt ist. Denn es zeigt sich, dass Schiedsgutachten und Schiedsverfahren je ihre Vorteile haben. Diese liegen auf unterschiedlichen Gebieten und machen es deshalb schwierig, das eine gegenüber dem anderen als intensiveren Eingriff oder als einschneidender anzusehen. Wenn Parteien in Ausübung ihrer Privatautonomie ihren Willen dokumentieren, einschneidende und „gefährliche“352 Rechtsfolgen zu vereinbaren, sollte die Rechtsordnung diesen Willen nicht ignorieren, sondern helfen, ihn umzusetzen. Aus diesem Grund muss auch die Vorstellung einer „graduellen Abstufung“353 mit Vorsicht behandelt werden. Zwar liegen Schiedsgutachten und auch Schlosser, Entwicklunsstand, S. 6 (das OLG München habe sich mit der Zweifelsregel vor allem Arbeit ersparen wollen). 345 Musielak/Voit, § 1029 Rn. 17; Kröll, EWiR 1998, 1019 f. 346 Umfassend Steinbrück, S. 15 ff., 253 ff. 347  Dazu oben § 7 B.II.6.a) (S. 465 ff.). 348  Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 24 f. 349  Siehe auch Jarrosson, Nr. 486; ders., Rev. arb. 2001, 5, 24: „il faut préférer la qualification d’arbitrage aussi souvent que possible“ (Hervorhebung im Original). Zustimmend Schlosser, RIPS, Rn. 53. 350  Borowsky, S. 195 mit Fn. 958; eine erleichterte Nachprüfbarkeit des Schiedsspruchs deutet dagegen an Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 16.2.3. 351  Dazu oben § 15 C.III.2.a) (S. 746 ff.). 352  BGH v. 4.6.1981 WM 1981, 1056, 1058. 353  Siehe oben Fn. 330.

D. Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie

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Schiedsgerichtsverfahren auf einer „Typenreihe“;354 auch stellt sich der Ansatz, dass der Schiedsrichter aus dem leistungsbestimmenden Dritten entwickelt werden kann,355 nicht als unrichtig dar. Jedoch belegt eine umfassende, nicht nur auf die Frage der Nachprüfbarkeit fokussierte Gegenüberstellung von Schiedsgutachten und Schiedsspruch einmal mehr, dass zwischen Schiedsgutachten und Schiedsspruch auf der Typenreihe eine Trennlinie verläuft. Eine Abgrenzung anhand eines eindimensionalen Kritieriums kann daher in der Praxis, aber auch theoretisch nicht zum Erfolg führen.

III. Ergebnis Das Ergebnis war oben bereits vorweggenommen worden: Keines der Abgrenzungskriterien vermag für sich vollauf zu überzeugen.

D. Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie Was folgt nun daraus? Auch wenn die diskutierten Abgrenzungskriterien je für sich nicht überzeugen, haben doch die soeben angestellten Überlegungen zur Nachprüfbarkeit der Entscheidung noch einmal die vielen Unterschiede zwischen beiden Entscheidungstypen in Erinnerung gerufen. Das deutet dann aber nicht auf eine Fusion der beiden Typen, sondern auf ein Alternativverhältnis von Schiedsgutachten und Schiedsverfahren hin. Rein praktisch scheinen Parteien bereits von einem Alternativverhältnis auszugehen. Dies zeigt sich insbesondere in ausgefeilten Streitbeilegungsklauseln, die beide Mechanismen kombinieren. So können die Parteien etwa ein Zusammenspiel von Schiedsgericht und Schiedsgutachter vorsehen, indem zunächst das Schiedsgericht eine für die Arbeit des Schiedsgutachters wichtige Vorfrage beantwortet, dann der Schiedsgutachter seine Feststellungen trifft und schließlich das Schiedsgericht auf dieser Grundlage abschließend entscheidet.356 Eine 354 

Siehe oben § 2 B.II. (S. 45). Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 17. Inwieweit dieser Ansatz auch historisch einen zutreffenden Kern hat, kann hier offenbleiben, siehe dazu Broggini, S. 112 ff., der den arbiter für eine „dem alltäglichen Leben entliehene, keineswegs von Haus aus gerichtliche Gestalt“ hält; zur Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit mussten freilich noch weitere Faktoren hinzutreten, ders., S. 125. 356  Ein Beispiel dafür findet sich bei Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 125 (bevor der Schiedsgutachter die Richtigkeit der Stichtagsbilanz für einen Mechanismus zur Kaufpreisanpassung feststellt, sollte das Schiedsgericht entscheiden, welche Bedeutung einer bestimmten, für die Bewertung durch den Schiedsgutachter wesentlichen Bilanzposition zukommt.); Luther, FS Reimers, S. 194 f.; Viandier, JCP E 1999, 1150, 1152; Cass. com. 2e 8.4.1999 Bull. civ. II, 355 

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

Vereinbarung, die für die Überprüfung eines Schiedsgutachtens und dessen Ersetzung im Falle der Unverbindlichkeit ein schiedsgerichtliches Verfahren vorsieht, würde gar einen schiedsgerichtlichen Instanzenzug etablieren, wenn schon der Schiedsgutachter in Wahrheit als Schiedsrichter entscheidet.357 Wenn danach aber der Schiedsgutachter nicht mehr ein „kleiner Schiedsrichter“, sondern eine eigenständige, „wesensverschiedene“358 Persönlichkeit mit gewissen Ähnlichkeiten, aber auch deutlichen Unterschieden ist, so muss das keineswegs bedauert werden. Es wäre ganz im Sinne der Privatautonomie und Freiheit der Parteien, wenn sie zur Beilegung oder Vermeidung eines Streits oder zur Überwindung einer Einigungsschwierigkeit die Wahl zwischen zwei Verfahrensarten mit je unterschiedlichen Charakteristika und je nach Situation unterschiedlichen Vor‑ und Nachteilen hätten. Diese Unterschiede können die Parteien dann besonders gut nutzen, wenn beide Institute unterschiedlichen Regelungsregimes unterliegen.359 Das Schiedsgutachten ganz im Schiedsverfahren aufgehen zu lassen, wie es beispielsweise Winter vorschlägt, um die Parteien vor überraschenden Auslegungen der Gerichte zu schützen,360 würde den Parteien Steine statt Brot geben. Parteien, die ein Schiedsverfahren für nachteilbehaftet oder ungeeignet halten, ist mehr gedient, wenn ihnen eine echte Alternative geboten wird.361 Wenn ein Gericht im Einzelfall eine als Schiedsvereinbarung gemeinte Abrede als Schiedsgutachtenvereinbarung behandelt oder umgekehrt, kann dem nicht durch eine Fusion beider Entscheidungsformen begegnet werden, sondern nur mit einer sorgfältigen und mehr am Parteiwillen orientierten Auslegung. Gleiches gilt für das Argument, der (feststellende) Schiedsgutachter müsse denselben Regeln wie ein Schiedsrichter unterworfen werden, weil er (teilweise) dessen Funktionen wahrnehme.362 Die Ähnlichkeit der Aufgaben von Schiedsgutachter und Schiedsrichter spricht nicht für, sondern gegen eine analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO. Je ähnlicher die Aufgaben von Schiedsgutachter und Schiedsrichter sind, desto geringer ist das Bedürfnis nach einem formalisierten, dem Schiedsgerichtsverfahren angenäherten Schiedsgutachtenverfahren. Denn wenn ein Schiedsgutachtenverfahren um alle Verfahrensgarantien der §§ 1025 ff. ZPO aufgeladen ist und lediglich ein Unterschied auf der Ebene der Kontrolle verbleibt, besteht für die Parteien kaum ein Anlass, sich nicht von vornherein für ein „echtes“ Schiedsgerichtsverfahren zu entscheiden. Nur ein Nr. 67. Allgemein zu derartigen „hybriden Verfahren“ Greger/Stubbe, Rn. 346 ff.; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 Rn. 30; Kreindler/Schäfer/R. Wolff, Rn. 57 ff. 357  Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten Schwab/G. Walter, Kap. 22. 358  Siehe oben Fn. 40 und Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff Rn. D260. 359 Vgl. Weick, FS Coing II, S. 556. 360  Siehe oben bei Fn. 35. 361  Weick, FS Coing II, S. 560. 362  Siehe oben § 2 B.II.5.d) (S. 85 f.).

D. Die Wahlmöglichkeit der Parteien: Stärkung der Privatautonomie

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weniger formales Verfahren stellt eine wirkliche Alternative zum Schiedsgerichtsverfahren dar. Mögliche Abstriche bei Verfahrensgarantien werden durch eine größere Schnelligkeit des Verfahrens wettgemacht. Gerade jene Charakteristika sowie die jeweiligen Vor‑ und Nachteile ermöglichen, wenn sie nicht künstlich nivelliert werden, in einer Gesamtschau die funktionale363 Auslegung im Einzelfall.364 Zwar ist den Parteien eine sorgfältige Abfassung der Klausel anzuraten.365 Das Recht kann jedoch auch mit unklaren Klauseln umgehen. Hierbei können alle Umstände eine Rolle spielen, um zu ermitteln, welches Instrument am besten zum Willen und den Interessen der Parteien passt. Hier kann nun die Abgrenzungsformel nach Aufgabenbereichen trotz der oben festgestellten Kongruenz zu einer ersten Orientierung366 dienen, indem sie darauf hinweist, wem die streitgegenständliche Aufgabe typischerweise zugewiesen ist. Soll etwa der Dritte einen Rechtsstreit vollumfänglich ausräumen und alle tatsächlichen und rechtlichen Streitfragen einer umfassenden Lösung zuführen, müssen dem Vertrag Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sein, dass er als Schiedsgutachter und nicht – wie dies für diese Aufgabenstellung typisch wäre – als Schiedsrichter agieren sollte. Ein Schiedsgutachten werden die Parteien dagegen typischerweise bevorzugen zur Klärung spezifischer, konkret umrissener Fragen.367 Im Übrigen spielt eine Rolle, ob die Parteien ein schlankes, elastisches oder eher ein formalisiertes Verfahren wollten,368 wieviel Zeit und Geld sie investieren wollten,369 ob sie sich einem in stärkerem Maße vorgegebenen ausdifferenzierten Regelungsregime unterstellen und damit „Boden unter den Füßen“ gewinnen wollen,370 ob der Dritte aufgrund eigener Sachkunde selbst Ermittlungen anstellen oder eher einen Sachverständigen einschalten und dessen Gutachten würdigen sollte,371 wie sie sich die Nachprüfung der 363 

Auch die Differenzierung anhand der Nachprüfbarkeit der Entscheidung ist in diesem Sinne „funktional“ (so etwa Münch­Komm-­ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 56). Doch bleibt sie, wie gesehen, eindimensional. 364  In diese Richtung auch Greger/Stubbe, Rn. 14, die jedoch in ihre Einzelfallbetrachtung nur „Vollstreckbarkeit, Funktionsbereich und Endgültigkeit“ als Indizien aufnehmen wollen. 365  Born, S. 232; Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 19. 366 Ähnlich Wittmann, S. 171; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1025 Rn. 28 („Faustregel“). 367  Born, S. 225. 368  Weick, FS Coing II, S. 556 (für viele Zwischenentscheidungen sei ein Schiedsverfahren zu „schwerfällig“); Jones, (2001) 67 Arbitration 17, 27. 369 Siehe Jarvin, S. 559 (ein Schiedsverfahren sei generell zeitaufwendiger und kostspieliger als ein Schiedsgutachten); Lew/Mistelis/Kröll, Nr. 1‑34; siehe aber auch Jones, (1997) 63 Arbitration 213, 215 (auch Schiedsgerichtsverfahren können verschlankt werden). 370  Schlosser, RIPS, Rn. 53 plädiert aufgrund der größeren Regelungsdichte im internationalen und nationalen Recht dafür, „wohlwollend“ Schiedsgerichtsbarkeit anzunehmen. Ähnlich Jarrosson, Rev. arb. 2001, 5, 16, 24. 371  Weick, FS Coing II, S. 552; Bernhard Schulte GmbH & Co. KG v. Nile Holdings Ltd. [2004] 2 ­Lloyd’s Rep. 352; Weismann, AcP 72 (1888), 269, 303.

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§ 16 Delegation von Privatautonomie und Schiedsgerichtsbarkeit

Entscheidung vorgestellt haben,372 wie sie mit der Entscheidung umgehen wollen,373 ob die Entscheidung nur eine Zwischenetappe in einem auf fortgesetzte Kooperation angelegten Projekt darstellt, in dem eine schiedsgerichtliche Auseinandersetzung dem Klima schaden würde,374 und wie sie sich eine mögliche Haftung des Dritten vorgestellt haben.375 Jedes dieser Kriterien für sich birgt die Gefahr einer zu groben Verallgemeinerung; auch einem Schiedsgutachten kann beispielsweise mit Hilfe detaillierter Regeln ein schiedsgerichtsförmiges Verfahren vorangehen.376 In der Gesamtschau vermitteln diese Kriterien jedoch ein sicheres Bild von den Absichten der Parteien. Zugleich verbieten diese Unterschiede, wie gesehen, einem Typus – Schiedsgutachten oder Schiedsgericht – im Zweifel den Vorrang einzuräumen.377 Im Ergebnis stellen sich die Delegation von Privatautonomie an einen Dritten und die Schiedsgerichtsbarkeit als alternative Wege dar, die Gestaltungs‑ oder Feststellungsentscheidung eines Dritten einzuholen. Diese elektive Alternativität sollte nicht negativ als „Verwischung der Konturen von Schiedsgutachten‑ und Schiedsabreden“378 oder als Aushöhlung des Kernbereichs der schiedsgutachterlichen Tätigkeit379 gesehen werden. Keineswegs wird, wie teilweise behauptet wird,380 die Delegation von Privatautonomie überflüssig, wenn ein Schiedsrichter dieselbe Aufgabe wie der Dritte erledigen könnte. Vielmehr bedeutet die Wahlmöglichkeit zwischen zwei unterschiedlichen Formen, auf einen Dritten zu rekurrieren, eine Erweiterung des Spielraums der Parteien zur (Selbst‑)Gestaltung ihrer Verhältnisse und somit eine Stärkung ihrer Privatautonomie.

372 

Siehe oben § 16 C.II.2. (S. 825 ff.). Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 301 (§ 12 IV 5 a); Jones, (2001) 67 Arbitration 17, 23 f. (nur für den Schiedsspruch besteht ein etabliertes internationales Anerkennungs‑ und Vollstreckungssystem). 374  Weick, FS Coing II, S. 561 („Gerade diejenigen Entscheidungen, die das Projekt vorantreiben sollen, würden durch solche Verfahrensformen [gemeint ist das Schiedsverfahren] ad absurdum geführt.“). 375  Zu diesem letzten Punkt Kendall/Freedman/Farrell, Rn. 16.2.3; Weick, FS Coing II, S. 552. 376  Siehe auch Born, S. 227 f. 377  Dazu oben § 16 C.II.2. (S. 828) und insbesondere zur Idee der „notion résiduelle“ der Schiedsgerichtsbarkeit oben Fn. 29 und 349. 378  Kurth, NJW 1990, 2038, 2040. 379  Siehe oben Fn. 105. 380  Kurth, NJW 1990, 2038, 2039. 373 

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Schluss § 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse A. Delegation und Selbstbestimmung I. „Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen.“1 Privatautonomie ist jedoch delegierbar. Wenn Vertragsparteien sich nicht in allen Punkten einigen können, wenn ihnen zur Regelung die nötige Sachkunde fehlt, wenn sie die zukünftige Entwicklung nicht überblicken können, können sie einen Dritten darum ersuchen, die ausstehenden Punkte verbindlich für sie festzusetzen. Die Entscheidung des Dritten kann einen Streit der Parteien beilegen oder das Entstehen eines Streits vermeiden helfen.2 Die Bindung an die Entscheidung eines Dritten stellt keinen Verzicht auf Privatautonomie dar. Vielmehr üben die Parteien ihre Privatautonomie aus, indem sie einen Dritten mit der Gestaltung ihrer Verhältnisse betrauen.3 In der Delegation unterwerfen sie sich seiner Entscheidung. Diese Unterwerfungsvereinbarung bedeutet, ähnlich der vertraglichen Begründung eines Gestaltungsrechts, einen Akt der Selbstbestimmung, der die mögliche Fremdbestimmung, die man in dem Einfluss des Dritten auf den Vertrag erkennen könnte, legitimiert. Das Aushandeln dieser Delegation nimmt zugleich die Funktion der Richtigkeitsgewähr wahr, so dass die Delegation von Privatautonomie nicht zu einer durch Formvorschriften4, Verfahrensregeln oder eine besondere Inhaltskontrolle kompensationsbedürftigen Minderung der Chance auf einen für die Parteien richtigen Vertragsinhalt führt.5 Ein besonderer Schutz der Selbstbestimmung wird deshalb nur erforderlich, wenn die Delegation in einer Situation erklärt wird, in der die Voraussetzungen voller Selbstbestimmung nicht vorhanden sind, wie dies im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fall sein kann.6 Diesem Modell der Unterwerfung funktional vergleichbar ist die gemeinsame Bevollmächtigung des Dritten, der dann als Vertreter im Wege der Mehrvertretung die ausstehende Regelung trifft. Auf diesem Weg erklärt das französische Recht die Delegation von Privatauto1 

Flume, AT II, S. 1 (§ 1, 1). Siehe oben § 1 bei Fn. 8 ff. 3  Siehe oben § 3 A.III.1. (S. 111 ff.). 4  Siehe oben § 3 C. (S. 139 ff.). 5  Siehe oben § 3 A.III.2. (S. 113 ff.). 6  Siehe oben § 3 B. (S. 123 ff.). 2 

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§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

nomie. Er bringt den rechtskonstruktiven Nachteil mit sich, dass die Rechtsmacht des Dritten und deren Umfang auf einem anderen Akt beruhen als die Verabredung, sich der Entscheidung eines Dritten zu unterstellen.7 II. Der somit zur Entscheidung befugte Dritte heißt Schiedsgutachter, seine Entscheidung Schiedsgutachten; der Vertrag, in dem sich die Parteien darauf verständigen, einen Dritten einzuschalten, wird als Schiedsgutachtenvertrag bezeichnet, der Vertrag mit dem Dritten als Schiedsgutachtervertrag.8 Die Aufgabe des Dritten kann in einer Gestaltungsentscheidung oder in einer Feststellungsentscheidung liegen. Im ersten Fall ergänzt der Dritte einen unvollständigen Vertrag oder passt einen vollständigen Vertrag an geänderte Gegebenheiten an. Im anderen Fall ermittelt er Tatsachen, die den Parteien verborgen sind, sich ihrer Sachkunde entziehen oder aus Akzeptanzgründen der Bestätigung durch einen Außenstehenden bedürfen.9 Eine fundamentale Unterscheidung derart, dass der eine voluntativ, der andere kognitiv vorgehe, der eine ausspreche, „was sein soll“, der andere ausspreche, „was ist“, der eine einen Regelungsstreit entscheide, der andere einen Rechtsstreit, sollte zwischen beiden Entscheidungsformen nicht gemacht werden.10 Es handelt sich vielmehr um „Phänomene einer Typenreihe“11. Denn auch wenn Parteien einen Dritten um eine Feststellungsentscheidung ersuchen, delegieren sie ihre Privatautonomie.12 Beide Fälle, Gestaltung und Feststellung, sind historisch mit denselben Regeln erfasst worden. Erst der BGB-Gesetzgeber hat in den §§ 317 ff. BGB seinen Blick auf die Ergänzung unvollständiger Verträge beschränkt. Die Rechtsprechung versucht jedoch mit einer analogen Anwendung dieser Vorschriften auf Feststellungsentscheidungen zu einer Gleichbehandlung zu gelangen.13 Weder das englische noch das französische Recht trennen zwischen Gestaltung und Feststellung, obwohl die Unterscheidung in beiden Rechtsordnungen analytisch möglich ist.14 Eine Trennung würde auch die funktionalen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Typen vernachlässigen, die eine Leistungsbestimmung in manchen Fällen kaum von der Feststellung des Leistungsinhalts unterscheidbar macht; dass es den Parteien um eine richtige Feststellung geht und für das in § 317 Abs. 1 BGB angesprochene billige Ermessen kein Raum ist, lässt sich mit Hilfe einer Modifikation dieses Entscheidungsmaßstabs lösen. Allerdings dürfte es sich bei der Vorstellung, dass jede Tatsache einer einzigen objektiv richtigen Feststellung zugänglich ist, um eine Illusion handeln.15 Auch der feststellende Schieds 7 

Siehe oben § 3 A.II.2. (S. 104 ff.). Siehe oben § 2 A.III. (S. 29 f.).  9  Siehe oben § 2 A.II. (S. 26 ff.) und § 2 B.I. (S. 30 ff.) 10  Siehe oben § 2 B.II.1. (S. 46 f.) zu behaupteten Unterschieden. 11  Münch­Komm-­BGB/Würdinger, § 317 Rn. 8. 12  Siehe oben § 2 B.II. (S. 44 ff.). 13  Siehe oben § 2 B.II.2. (S. 47 ff.). 14  Siehe oben § 2 B.II.3. (S. 55 ff.). 15  Siehe oben § 2 B.II.4. (S. 65 ff.).  8 

A. Delegation und Selbstbestimmung

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gutachter gestaltet die Rechtsverhältnisse der Parteien, indem er den Inhalt eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags bestimmt.16 Mit diesem beheben die Parteien die Ungewissheit ihres Vertragsinhalts und nehmen dabei dessen potentielle Umgestaltung in Kauf, wenn nämlich der Dritte eine verbindliche Feststellung trifft, die nicht der objektiven Sachlage entspricht.17 Das Schweigen des BGB zu feststellenden Schiedsgutachten – im Versicherungsvertragsrecht enthält § 84 Abs. 1 VVG eine an den §§ 317 ff. BGB orientierte Regelung – hat die Entstehung einer Ansicht begünstigt, die die Einigung, ein feststellendes Schiedsgutachten einzuholen, als Prozessvertrag konstruiert. Der Dritte nehme in diesem Fall zumindest teilweise die Funktion eines Richters oder eines Schiedsrichters wahr, dem es andernfalls obliegen würde, in einem Prozess die ungewisse Tatsache aufzuklären.18 Der Prozessvertrag erkläre die Bindung des Gerichts an die Feststellungen des Schiedsgutachters. Diese Bindung lässt sich jedoch auch auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Feststellungsvertrags begründen, die das Gericht wie jede andere wirksame Parteivereinbarung zu beachten hat.19 Vor allem aber nimmt der Dritte nicht die Funktion eines Richters, Schiedsrichters oder Sachverständigen wahr, wie schon daraus erhellt, dass es nach den Vorstellungen der Parteien ja gerade nicht mehr zum Prozess über den Gegenstand der Feststellung kommen soll.20 Vielmehr handelt es sich bei der Feststellung des Vertragsinhalts um eine Aufgabe der Parteien, der sie durch Einschaltung eines Dritten nachkommen. 21 III. Die Verankerung der Entscheidung des Dritten in der Selbstbestimmung der Parteien erlaubt nicht nur die Behandlung von gestaltenden und feststellenden Schiedsgutachten nach demselben Prinzip der Delegation von Privatautonomie. Die Rückführung auf den Parteiwillen erlaubt es zugleich, die dreifache Bindungswirkung des Schiedsgutachtens auf einen einheitlichen Grund zu stützen. Gebunden sind die Parteien aufgrund ihrer Unterwerfungsvereinbarung;22 gebunden ist, wie gesehen, deshalb auch das Gericht;23 gebunden ist schließlich der Schiedsgutachter, dem die Parteien eine begrenzte Rechtsmacht eingeräumt haben, die er mit ihrer Ausübung verbraucht hat. 24 Die Parteien können der Entscheidung eine abgeschwächte Bindung beilegen;25 sie können auch nach Erstellung des Schiedsgutachtens konsensual davon abweichen. 26 16 

Siehe oben § 2 B.II.5.b) (S. 72 ff.). Siehe oben § 2 B.II.5.c) (S. 81 ff.). 18  Siehe oben § 2 B.II.5.d) (S. 84 ff.). 19  Siehe oben § 2 B.II.5.e)aa) (S. 86 f.) und § 13 A.II. (S. 606 f.). 20  Siehe oben § 7 B.II.2. (S. 437 ff.). 21  Siehe oben § 2 B.II.5.e)dd) (S. 92 ff.). 22  Siehe oben § 13 A.I. (S. 599 ff.). 23  Siehe oben § 13 A.II. (S. 606 f.). 24  Siehe oben § 13 A.III. (S. 607 ff.). 25  Siehe oben § 13 B.I. (S. 612 f.). 26  Siehe oben § 13 B.II. (S. 614 f.). 17 

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§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

IV. In dem Schiedsgutachtenvertrag als dem Akt der Delegation definieren die Parteien die Rechtsmacht des Dritten und damit die Grenzen dieser Bindungswirkung. 27 Sie legen darin fest, nach welchem Maßstab er entscheiden soll. 28 In § 317 Abs. 1 BGB wird zu Recht das billige Ermessen als im Zweifel zu befolgender Entscheidungsmaßstab vorgesehen. Dass dem Dritten eine Entscheidungsbefugnis nach freiem Belieben eingeräumt wird, ist zwar – anders als vermutlich noch im römischen Recht – denkbar, angesichts des Strebens der Parteien nach einem Ausgleich ihrer Interessen aber eher nicht anzunehmen. Deshalb ist § 317 Abs. 1 BGB auch nicht systemwidrig, obwohl er den Entscheidungsmaßstab des Dritten gegenüber dem Entscheidungsspielraum, über den die Parteien verfügen, verengt. 29 Über den Entscheidungsmaßstab hinaus können die Parteien weitere Faktoren – etwa bestimmte Bewertungsmethoden – festlegen, an denen der Dritte seine Entscheidung auszurichten hat.30 V. Die Parteien können darüber hinaus bestimmen, ob der Dritte bestimmte Verfahrensvorgaben zu befolgen hat.31 Grundsätzlich gelten auch hier für feststellende und gestaltende Schiedsgutachten dieselben Grundsätze, da sich beide auf denselben Geltungsgrund zurückführen lassen und ihre funktionale Verwandtschaft auch keine abweichende Interessenlage erkennen lässt.32 Treffen die Parteien keine Regelung zum Verfahren, so ist zumindest zu verlangen, dass der Dritte unabhängig und unparteilich entscheidet, dass er die Entscheidung im Kern selbst trifft und nicht etwa einen anderen treffen lässt33 und dass er eine Entscheidung, die der inhaltlichen Nachprüfung unterliegt, mit hinreichenden Gründen versieht, um diese Kontrolle zu ermöglichen. Weitere Verfahrensvorschriften sind, außerhalb einer besonderen Vereinbarung oder außerhalb von AGB,34 nicht erforderlich. Insbesondere müssen die Regeln des schiedsgerichtlichen Verfahrens in den §§ 1025 ff. ZPO nicht analog angewendet werden. Die Frage, welche Verfahrensregeln angebracht sind, sollte auch bei feststellenden Schiedsgutachten nicht von einer Qualifikation als materiell-rechtlich oder prozessual, sondern von Sachargumenten abhängen.35 Wenn Parteien einen Außenstehenden einschalten, entspricht es ihrem mutmaßlichen Parteiwillen, dass dieser unabhängig und unparteilich entscheidet.36 Das englische und das französische Recht gehen wie selbstverständlich von die-

27 

Siehe oben § 14 A.II.3. (S. 633 ff.). Siehe oben § 4 C.I.2. (S. 194 ff.) und § 14 B.II.1. (S. 641 ff.). 29  Siehe oben § 4 C.I.2. (S. 194 ff.). 30  Siehe oben § 4 C.I.3. (S. 208 ff.). 31  Siehe oben § 6 B.I. (S. 412 f.) 32  Siehe oben § 6 A.III. (S. 411 f.) und § 7 B.III. (S. 476 ff.). 33  Siehe oben § 10. (S. 564 ff.). 34  Siehe oben § 3 B.II.3.d). (S. 135 ff.). 35  Siehe oben § 6 A.I. (S. 407 f.) und § 6 A.II. (S. 408 ff.). 36  Siehe oben § 7 B.II.5. (S. 456 ff.). 28 

A. Delegation und Selbstbestimmung

837

ser Erkenntnis aus,37 während die Neutralität des Schiedsgutachters im deutschen Recht seit Jahrzehnten für Diskussionen sorgt. Da das Neutralitätsgebot dem Parteiwillen entspringt, können die Parteien es modifizieren und eine nicht neutrale Person zum Schiedsgutachter machen.38 Schiedsgutachter kann mithin auch eine im Lager einer Partei stehende Person sein; deren Entscheidung wird nicht etwa zur Parteibestimmung nach § 315 BGB. Lediglich dann, wenn sich das Schiedsgutachten entsprechend der im Schiedsverfahrensrecht bestehenden Grundsätze als Entscheidung in eigener Sache darstellt, sollte der strengere Kontrollmaßstab des § 315 Abs. 3 BGB zur Anwendung kommen.39 Stellt sich heraus, dass der Dritte nicht den Neutralitätsanforderungen entspricht, so überschreitet seine Entscheidung den von den Parteien festgelegten Rahmen und kann deshalb ergebnisunabhängig keine Bindungswirkung entfalten.40 Eine Ablehnung des Schiedsgutachters in Analogie zu den für Schiedsrichter geltenden Ablehnungsvorschriften kommt jedoch nicht in Betracht, da, wie der BGH zu Recht entschieden hat, eine Ablehnung auch ohne die zweifelhafte privatautonome Erweiterung gerichtlicher Kompetenzen auf materiell-rechtlichem Wege möglich ist.41 Jede Partei kann den Schiedsgutachtervertrag mit einem nicht neutralen Schiedsgutachter außerordentlich kündigen.42 Unter Umständen kann es sich empfehlen, die Entscheidung eines Schiedsgerichts über die Neutralitätsfrage vorzusehen und auf diese Weise das gerichtliche Ablehnungsverfahren zu emulieren.43 Weckt ein Schiedsgutachter vor der Fertigstellung seines Schiedsgutachtens Zweifel an seiner Neutralität, können die Parteien nicht beliebig zuwarten; dies ergibt sich freilich nicht aus der Übertragung prozessualer Präklusionsvorschriften, sondern aus einer Begrenzung des Kündigungsrechts.44 Eine Begründung muss das Schiedsgutachten enthalten, damit dessen Fremdkontrolle sichergestellt ist. Die Begründungspflicht ist deshalb zwingend, solange eine über die bloße Einhaltung zwingenden Rechts hinausgehende gerichtliche Kontrolle des Schiedsgutachtens stattfinden soll.45 Indem die Parteien die Kontrolle abbedingen, bedingen sie zugleich die Notwendigkeit einer Begründung ab, die dann nicht einmal mehr dispositiv eingreift.46

37 

Siehe oben § 7 B.II.5.b) (S. 458 ff.) und § 7 B.II.5.c) (S. 460 ff.). Siehe oben § 7 B.II.5.e) (S. 462 ff.). 39  Siehe oben § 7 B.II.6.c) (S. 470 ff.). 40  Siehe oben § 7 C.III. (S. 497 ff.). 41  Siehe oben § 7 C.IV.2. (S. 504 ff.). 42  Siehe oben § 7 C.IV.3.a) (S. 509 ff.). 43  Siehe oben § 7 C.IV.3.c) (S. 515 f.). 44  Siehe oben § 7 C.V. (S. 516 ff.). 45  Siehe oben § 9 A. (S. 548 ff.). 46  Siehe oben § 9 B. (S. 556 ff.). 38 

838

§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Eine Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Schiedsgutachter ist demgegenüber nicht erforderlich.47 Es kann in Anbetracht der Vielfalt der möglichen Aufgaben eines Schiedsgutachters schon kaum festgelegt werden, welchen Inhalt dieses Gebot haben sollte.48 Hinzu kommt aber vor allem ein weiterer Aspekt: Mit jeder zusätzlichen Verfahrensvorschrift wird das Schiedsgutachtenverfahren – ein Mechanismus, der auf der privatautonomen Einigung der Parteien basiert – dem Schiedsgerichtsverfahren angenähert. Indem sich Schiedsgutachten und Schiedsspruch voneinander unterscheiden, erhalten die Parteien eine echte Auswahlmöglichkeit.49 VI. Die Rückführung der Entscheidung des Dritten auf die Delegation von Privatautonomie legitimiert auch die gerichtliche Kontrolle des Schiedsgutachtens, wie sie in § 319 Abs. 1 BGB vorgesehen ist. Diese Überprüfung beruht nicht etwa darauf, dass der Dritte rechtsprechend tätig wird.50 Vielmehr bestätigt sich damit die Ansicht, dass das Gericht die Einhaltung der von den Parteien gezogenen Wirksamkeitsgrenzen überprüft, weil die Parteien über diese Grenzen hinaus nicht gebunden sein wollen.51 Daraus ergibt sich zugleich, dass Entscheidungsmaßstab und Kontrollmaßstab – wie in § 319 Abs. 1 BGB – nicht zusammenfallen müssen.52 Die Parteien können die Kontrolle, unabhängig vom Entscheidungsmaßstab des Dritten, bis zu den Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB ganz abbedingen. Die gerichtliche Überprüfung dient nicht ihrem Schutz und muss deshalb außerhalb von AGB nicht zwingend ausgestaltet sein. Sie stellt auch keine nachgelagerte Richtigkeitsgewähr dar, da die Richtigkeit bereits durch den Akt der Delegation gewährleistet wird.53 Unverbindlich ist das Schiedsgutachten stets dann, wenn die Parteien nicht daran gebunden sein wollen.54 Einen besonderen Unverbindlichkeitsgrund bildet die Unverbindlichkeit aus inhaltlichen Gründen: die offenbare Unbilligkeit oder, im Fall des feststellenden Schiedsgutachtens, die offenbare Unrichtigkeit. Gemeint ist damit eine inhaltliche Abweichung von den Erwartungen der Parteien, die sich in erster Linie auf das Ergebnis bezieht.55 „Offenbar“ sollte diese Abweichung deshalb sein, damit das Schiedsgutachten seine streitbeilegende Funktion erfüllen kann und weil die Parteien besonderes Vertrauen in die Person des Dritten setzen.56

47 

Siehe oben § 8 C. (S. 528 ff.). Siehe oben § 8 A. (S. 521 ff.). 49  Siehe oben § 8 C.III.3. (S. 537 ff.). 50  Siehe oben § 14 A.II.1. (S. 628 ff.). 51  Siehe oben § 14 A.II.3. (S. 633 ff.). 52  Siehe oben § 14 B.II.1. (S. 641 ff.). 53  Siehe oben § 14 B.II.2. (S. 645 ff.). 54  Siehe oben § 15 B. (S. 707 ff.). 55  Siehe oben § 15 C.II. (S. 730 ff.). 56  Siehe oben § 15 C.I. (S. 717 ff.). 48 

B. Delegation und Aufgabenverteilung

839

Mit der dispositiven Kontrolle auf inhaltliche Fehler räumt das deutsche Recht der Entscheidung des Dritten einen geringeren Bestand ein als das englische und das französische Recht. Während im englischen Recht ein Fehler des Dritten generell unbeachtlich ist und nur kollusives Zusammenwirken oder Arglist die Bindungswirkung beseitigen,57 kennt das französische Recht zwar eine Kategorie der erreur grossière – in der unglücklicherweise sowohl inhaltliche Fehler als auch Abweichungen von Vorgaben der Parteien aufgehen. Eine erreur grossière aufgrund inhaltlicher Fehler wird jedoch fast nie bejaht; im Schrifttum macht sich eine Ansicht für die Abschaffung des Instituts stark.58 Stattdessen setzen sowohl das englische als auch das französische Recht auf eine Haftung des Dritten für eine schuldhaft falsche Entscheidung. Diese Haftung bewirkt funktional eine – in beiden Rechtsordnungen nicht vorgesehene – gerichtliche Ersetzung der fehlerhaften Entscheidung durch eine fehlerfreie. Da § 319 Abs. 1 S.1 BGB eine Ersetzung ermöglicht, empfiehlt sich die Übernahme des Haftungsmodells, das zu einer nicht gerechtfertigten Verschiebung von Insolvenzrisiken führt, ebenso wenig wie eine Verschärfung des dispositiven Kontrollmaßstabs.59

B. Delegation und Aufgabenverteilung I. Selbstgestaltung ist auch eine Aufgabe.60 Diese Aufgabe kommt in erster Linie den Parteien zu. Sie sind gehalten, eine Vereinbarung zu treffen, die ein Gericht durchsetzen kann. Seinen Niederschlag findet diese Aufgabenverteilung in dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass der Inhalt einer Leistungspflicht bestimmt oder bestimmbar sein muss.61 Aufgrund einer Delegation von Privatautonomie wird dieser Inhalt grundsätzlich bestimmbar. Deshalb stellt die Delegation auch keine Lockerung des Bestimmtheitsgebots dar.62 Bestimmbarkeit setzt allerdings voraus, dass der von den Parteien vorgesehene Mechanismus eine hinreichende Bestimmbarkeit verbürgt; konkrete Entscheidungskriterien müssen die Parteien jedoch nicht vorgeben, solange nur feststeht, dass sie an den Vertrag gebunden sein wollen.63 Auch genügt es, wenn die Person des Dritten bestimmbar ist. Eine gerichtliche Bestimmung des Dritten ist, anders als im französischen Recht, nicht möglich.64 57 

Siehe oben § 15 C.III.2.a) (S. 746 ff.). Siehe oben § 15 C.III.2.b) (S. 754 ff.). 59  Siehe oben § 15 C.III.3. (S. 763 ff.) und § 15 C.III.1. (S. 740 ff.). 60  Siehe oben § 1 B.II. (S. 10 ff.). 61  Siehe oben § 4 B.I. (S. 152 ff.). 62  Siehe oben § 4 B.II.2. (S. 181 ff.). 63  Siehe oben § 4 C.I.3. (S. 208 ff.). 64  Siehe oben § 4 C.II. (S. 216 ff.). 58 

840

§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

II. Die Aufgabe der Selbstgestaltung kann mithin nicht auf staatliche Gerichte abgeschoben werden.65 Der Gesetzgeber hat mit einem numerus clausus von Gestaltungsklagen zu erkennen gegeben, in welchem Umfang er den Parteien eine Selbstgestaltung verwehrt. Ansonsten bleibt es beim Primat der Privatautonomie. Gerichte sind dazu aufgerufen, Verträge auszulegen (soweit ihnen die Auslegung nicht durch eine Schiedsgutachtenvereinbarung entzogen ist). Im Übrigen können die Parteien sie nicht zu einer primären Vertragshilfe heranziehen.66 Auf Schiedsgerichte treffen diese Beschränkungen hingegen nicht zu. Bei ihnen handelt es sich um einen privaten Mechanismus, mit dessen Vereinbarung die Parteien ihrer Aufgabe zur Selbstgestaltung nachkommen.67 III. Staatliche Gerichte haben aufgrund dieser Aufgabenverteilung lediglich eine Kontroll‑ und Ersetzungsfunktion. Sie leisten subsidiäre Vertragshilfe, wenn der von den Parteien vorgesehene Mechanismus nicht zum Erfolg geführt hat. Dies kommt zum einen in Betracht, wenn die Delegation fehlgeschlagen ist. Zwar spricht § 319 Abs. 1 BGB ausdrücklich nur die Fälle an, dass der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder sie verzögert. Doch kann der Rechtsprechung des BGH und vor allem dem Blick in das englische und das französische Recht ein allgemeiner Tatbestand des Fehlschlagens der Delegation entnommen werden.68 Die Konsequenzen des Fehlschlagens können in erster Linie die Parteien privatautonom regeln. Mangels einer Regelung sollte das Fehlschlagen aber – anders als im französischen Recht – nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags führen, wenn es den Parteien erkennbar um die Entscheidung einer bestimmten Person ging.69 Im Übrigen wird eine gerichtliche Ersetzung der Entscheidung ihren Interessen eher gerecht. Das englische Recht gelangt zu diesem Ergebnis, indem es in den Vertrag einen implied term eines vernünftigen Vertragsinhalts hineinliest, den es dann auslegen kann.70 Die gerichtliche Intervention stellt sich nicht als verpönte primäre Vertragshilfe, sondern als Bewahrung des Vertrags vor der Unwirksamkeit dar und dient damit einem favor contractus.71 Mit einer gerichtlichen Benennung eines neuen Dritten ist den Parteien weniger gedient.72 Zum anderen können staatliche Gerichte Vertragshilfe leisten, wenn sie festgestellt haben, dass ein Schiedsgutachten unverbindlich ist. Die gerichtliche Korrektur einer unverbindlichen Entscheidung eines Dritten bedeutet keinen Eingriff in die Privatautonomie, sondern denkt diese konsequent weiter.73 65 

Siehe oben § 4 E. (S. 268 ff.). Siehe oben § 4 E.IV.3. (S. 291 ff.). 67  Siehe oben § 4 E.III.1. (S. 275 f.). 68  Siehe oben § 4 D.I. (S. 226 ff.). 69  Siehe oben § 4 D.II.1. (S. 236 ff.). 70  Siehe oben § 4 D.II.3.b) (S. 247 ff.). 71  Siehe oben § 4 D.II.4. (S. 260 ff.). 72  Siehe oben § 4 D.II.2. (S. 244 f.). 73  Siehe oben § 14 C.II. (S. 669 ff.). 66 

C. Delegation und Höchstpersönlichkeit

841

C. Delegation und Höchstpersönlichkeit I. Diese Überlegungen beschränken sich nicht auf das Vertragsrecht. Auch Testierfreiheit als erbrechtliche Ausprägung der Privatautonomie ist grundsätzlich delegierbar. Allerdings enthält § 2065 Abs. 2 BGB ein Drittbestimmungsverbot, das die Ausübung von Testierfreiheit teilweise zu einer höchstpersönlichen Angelegenheit macht. Verschiedene gesetzliche Bestimmungen erlauben es jedoch dem Erblasser, einen Dritten mit der gestaltenden Konkretisierung seines letzten Willens zu betrauen.74 Auch die Anordnung eines feststellenden Schiedsgutachtens ist ihm gestattet.75 Für das eigentliche Drittbestimmungsverbot, das insofern die Testierfreiheit beschränkt, bleibt damit im Kern die (gestaltende) Erbeinsetzung als Anwendungsgebiet.76 II. Ob ein Drittbestimmungsverbot in diesem Bereich gerechtfertigt ist und in welchem Umfang aus praktischen Gründen Ausnahmen zugelassen werden sollten, wird seit langem intensiv diskutiert. Die zahlreichen materialen Gründe, die zur Rechtfertigung des Drittbestimmungsverbots vorgebracht werden, überzeugen nicht.77 Das Verbot kann sich allenfalls auf strukturelle Gründe stützen: Die Delegation der Erbenbestimmung an einen Dritten führt typischerweise zu einem längeren Schwebezustand nach dem Tod des Erblassers, in dem die Nachfolge ungeklärt ist. Dieser Schwebezustand belastet insbesondere Nachlassgläubiger und Nachlassschuldner. Er wird von der geltenden Erbrechtsordnung unbefriedigend erfasst; jedenfalls sollte die Entstehung eines Schwebezustands nicht begünstigt werden, zumal der Erblasser sich mit der Alternative eines drittbestimmten Universalvermächtnisses helfen kann. Daraus folgt aber zugleich, dass in den Fällen, in denen der Erblasser selbst ausreichend Vorsorge für den Zeitraum bis zur Erbenbestimmung getroffen und eine Vor‑ und Nacherbschaft angeordnet hat, das Drittbestimmungsverbot keine Berechtigung hat und teleologisch reduziert werden muss.78 III. Soweit eine Delegation von Privatautonomie im Erbrecht zulässig ist, kann sie denselben Regeln folgen, wie sie zuvor für das Vertragsrecht zusammengefasst wurden.79 Lediglich in einzelnen Punkten sind Abweichungen vom Gesetzgeber vorgesehen (z.B. § 2151 Abs. 3 BGB) oder aus der besonderen erbrechtlichen Situation heraus erforderlich. So dürfte der vom Erblasser mit der

74 

Siehe oben § 5 A.III. (S. 324 ff.). Siehe oben § 5 A.II.2. (S. 310 f.). 76  Siehe oben § 5 A.IV. (S. 327 ff.). 77  Siehe oben § 5 B.I. (S. 353 ff.). 78  Siehe oben § 5 B.II.3. (S. 393 ff.). 79  Siehe etwa oben § 8 D. (S. 541 ff.), § 11 A.II. (S. 590 ff.), § 13 A.I.1.b) (S. 601) und § 13 A.I.2.b) (S. 602 ff.). 75 

842

§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Entscheidung betraute Dritte nicht gänzlich neutral sein; dies ist jedoch kein Grund, auf ein flexibles Neutralitätsgebot vollständig zu verzichten.80

D. Delegation und Schiedsgerichtsbarkeit I. „[A]rbitrorum enim genera sunt duo …“, es gibt nämlich zwei Arten von Schiedsrichtern. Diese in der Dogmengeschichte des Vertragsrechts wie des Prozessrechts einflussreiche Formulierung des Proculus81 stellt den Schiedsrichter, dessen Entscheidung in jedem Fall bindet, und den leistungsbestimmenden Dritten, dessen Entscheidung im Fall der manifesta iniquitas auf ein arbitrium boni viri zurückgeführt werden kann, in ein Alternativverhältnis. In diesem Verhältnis haben sich beide in den Jahrhunderten danach nicht immer befunden, und auch heute gibt es gewichtige Stimmen, die angesichts einer Überschneidung von Aufgabenbereichen und Funktionen für eine Annäherung, gar für eine Fusion, beider Institute plädieren.82 II. Tatsächlich sind die Aufgabenbereiche von Schiedsgutachter und Schiedsrichter kongruent. Anders als im französischen Recht, das nach wie vor eine Abgrenzung anhand der jeweiligen Aufgaben versucht – und dabei regelmäßig an Grenzen stößt –,83 beginnt sich diese Erkenntnis im deutschen Recht durchzusetzen. Der Schiedsgutachter darf, wie der Schiedsrichter auch, Rechtsfragen klären; und er ist nicht darauf beschränkt, einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zu entscheiden.84 Umgekehrt darf der Schiedsrichter wie ein Schiedsgutachter im Vertragsrecht wie im Erbrecht (in den Grenzen des § 2065 Abs. 2 BGB) gestaltend tätig werden und – anders als ein staatliches Gericht (§ 256 Abs. 1 ZPO) – auch mit einer reinen Tatsachenfeststellung betraut werden.85 III. Gleichwohl sollte aus dieser Übereinstimmung möglicher Aufgaben nicht die Konsequenz gezogen werden, dass das Schiedsgutachten überflüssig ist. Denn beide, Schiedsrichter und Schiedsgutachter, lassen sich anhand anderer Kriterien voneinander abgrenzen, nachdem die herkömmlichen Aufgabenbereiche eine erste Orientierung geben konnten. Allerdings hilft dabei nicht ein einzelnes, eindimensionales Merkmal wie der häufig bemühte Unterschied in der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Schiedsspruch und Schiedsgutachten. Vielmehr kann eine Vielzahl von Faktoren Berücksichtigung finden, um eine funktionale Abgrenzung auf der Grundlage des – ernst zu nehmenden – Parteiwillens vorzunehmen; vorteilhaft ist dabei, dass sich Schiedsverfahren 80 

Siehe oben § 7 B.IV. (S. 479 ff.). Proculus D. 17,2,76. 82  Siehe oben § 16 A. (S. 773 ff.). 83  Siehe oben § 16 B.I. (S. 779 ff.). 84  Siehe oben § 16 B.II. (S. 784 ff.). 85  Siehe oben § 16 B.III. (S. 787 ff.). 81 

E. Ausblick

843

und Schiedsgutachtenerstellung auch hinsichtlich der jeweils zu befolgenden Verfahrensregeln unterscheiden. Die Fülle von Faktoren verbietet es auch, eine Zweifelsregel zugunsten der Annahme eines Schiedsgutachtens zu etablieren.86 Indem zwischen einem Schiedsverfahren und der Delegation von Privatautonomie ein Verhältnis der elektiven Alternativität besteht, wird zugleich der Spielraum der Parteien zur Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse erweitert und damit ihre Privatautonomie gestärkt.87

E. Ausblick Als Ausblick stellt sich die Frage: Sollten diese Überlegungen Anlass zu einer Reform der §§ 317 ff. BGB geben? Immerhin wurde an verschiedenen Stellen deutlich, dass die gegenwärtige gesetzliche Regelung ein voll ausgereiftes Konzept der Delegation von Privatautonomie nur fragmentarisch und zum Teil auch in kritikwürdiger Weise erfasst. So ist schon seit den Beratungen des BGB bekannt, dass die Konzentration auf Leistungsbestimmungen durch Dritte eine unglückliche Verengung darstellt. Aus § 319 Abs. 1 S. 2 BGB kann nur im Wege der Analogie der allgemeine Tatbestand des Fehlschlagens der Delegation entnommen werden. Ebenso kommt der eigentliche Grund für die Unverbindlichkeit der Entscheidung des Dritten im Kriterium der offenbaren Unbilligkeit, das eigentlich einen Anwendungsfall des Abweichens von den Vorstellungen der Delegierenden darstellt, nur versteckt zum Ausdruck. Hinweise auf Verfahrensregeln fehlen mit Ausnahme von § 317 Abs. 2 BGB ganz. Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung insbesondere auch des feststellenden Schiedsgutachtens hat es immer wieder gegeben.88 Jedoch hat sich auch gezeigt, dass sich auf der Grundlage der §§ 317 ff. BGB sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen und dass die Praxis im Wesentlichen gelernt hat, mit diesen Normen umzugehen. Vor allem sollte sie sich weiterhin des dispositiven Charakters dieser Vorschriften bewusst sein; auch § 319 Abs. 1 BGB hat in Individualverträgen entgegen anderslautenden Behauptungen keinen „Schutzcharakter“. Anders kann es natürlich sein, wenn die Chance besteht, eine Regelung für die Delegation von Privatautonomie in einem neuen Regelwerk zu schaffen. Derzeit wird in der EU die Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts als optionales Instrument diskutiert. Der dazu vorliegende Ver86 

Siehe oben § 16 C. (S. 822 ff.). Siehe oben § 16 D. (S. 829 ff.). 88  Nicklisch, ZHR 136 (1972), 97, 109 ff.; B. Rauscher, BB 1974, 629, 632; Sieveking, S. 419 ff., 442 f.; H. Eckert, S. 50; Wangner, S. 70 f.; vor allem Weismann, AcP 74 (1889), 422 ff., der zugleich meint, dass „[f]ür eine umfassende Regelung des Institutes [des Schiedsgutachtens] … das Kapitel vom Gegenstand der Schuldverträge nicht die rechte Stelle sein“ dürfte. 87 

844

§ 17 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

ordnungsvorschlag der Kommission enthält in Art. 75 auch eine Regelung zur „Festsetzung eines Dritten“.89 Eine besondere Schwachstelle dieses Vorschlags besteht in der zwingenden Ausgestaltung der gerichtlichen Überprüfung dieser Festsetzung im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Doch auch im Übrigen sollte die Gelegenheit genutzt werden, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, der in deutlicherem Maße als die hier untersuchten nationalen Rechte das Konzept der Delegation von Privatautonomie verwirklicht.

89  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg., S. 75; näher Kleinschmidt, ­RabelsZ 76 (2012), 785 ff.

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Sachregister Abgrenzung zum Schiedsverfahren – deutsches Recht 822 ff., 831 f. – französisches Recht 779 ff. – Geschichte 773 ff. Ablehnung wegen Befangenheit s. Neutralitätsdefizit Abstimmung s. Gremienentscheidung Abweichung vom Schiedsgutachten – Erbrecht 614 ff. – Schuldrecht 614 adjudication 62 Fn. 248, 444, 459 Fn. 259, 613 Adressat des Schiedsgutachtens 602, 603 ff. AGB-Kontrolle – Erforderlichkeit 13, 128 ff. – Kontrollfreiheit 124 ff. – Privatautonomie 9, 13 – Transparenzgebot 130, 132 – unwirksame Delegation 131 ff., 526 – zwingendes Recht 647, 650 f. amiable compositeur 810 amicabilis compositor 773 f. Ankaufsrecht s. Kaufpreisbestimmung, Optionsrecht Äquivalenzkontrolle 9, 13 f., 58, 70, 120, 124 ff., 634, s. auch laesio enormis arbiter 47, 54, 197, 773 ff., 780, 824 arbitrato irrituale 21 Fn. 139, 775 arbitrator – Civilprozeßordnung 47, 427, 824 – Entstehung 203 Fn. 330, 774 f., 780 – Gemeines Recht 51 ff., 203 Fn. 330 – Versicherungsvertragsgesetz 48 arbitrium boni viri 38 Fn. 86, 49 Fn. 162, 51 ff., 168, 191 Fn. 263, 196 ff., 200, 546, 637, 659, 684 f., 824 arbitrium merum 51, 196 ff., 204 arrêts Alcatel 185 f. Aufgaben der Gerichte – Ersetzungsfunktion 301 ff., 624, 675, 684, 691, s. auch Ersetzung der ­Entscheidung

– Festlegung durch den Gesetzgeber 269, 283 ff., 296 ff. – Kontrollfunktion s. dort – privatautonome Erweiterung 218, 262, 271 ff., 283 ff., 332 Fn. 175, 338, 502, 506 ff., 640, 684 – Streitentscheidung 66, 668 – und Aufgaben der Parteien 163 ff., 240, 251 f., 260 ff., 283 ff., 296 ff., 690 f., 749, s. auch Auslegung; Bestimmtheits­gebot, als Kompetenzverteilung; office du juge; Privatautonomie, als Aufgabe; richterliche Vertragshilfe Auflage – Adressat der Bestimmung 603 – Entscheidungsmaßstab 484 – Gesetzgebungsgeschichte 326 Fn. 136 – Kontrolle 626, 688 – Neutralität 484 ff. – Umdeutung 214 – Vollziehungsberechtigter 391 Auseinandersetzungsguthaben 33, 41, 50, 65, 88, 252 Fn. 617, 419, 421, 546 Fn. 2, 565, 649 Fn. 128, 677 Auslegung 155 ff. 163, 167, 180, 182, 242, 252 Fn. 616, 258, 261 f., 268, 281 Fn. 769, 298 f., 303 f., 314 f., 336, 615 ff., 782 f., 794 f. Auslegung und Drittbestimmungsverbot 315 f. Auslegungs- und Feststellungsvertrag 615 ff. Auslobung 287, 380 f., 391 f., 578 f., 674, s. auch Preisrichter Ausschluss der Kontrolle – Begründungsfreiheit 557 – restriktive Auslegung 648 f., 742, 823, 827 f. – Verfahrensgarantien 425, 454, 653 ff. – Zulässigkeit 286, 311, 556, 562, 645 ff., 826 f.

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Sachregister

Ausschluss des Rechtswegs – final and binding 599, 649, 654, 747, 751, 827 – Grenzen 311, 452 Fn. 222, 660, 823, 827 f. – im 19. Jahrhundert 51 – in AGB 130, 647 – zur Feststellung der Unverbindlichkeit 668 Autonomie s. Selbstbestimmung baseball arbitration 208 Baumängel 79, 125 Fn. 151, 133, 459 f., 581 Baustoffgutachten 42, 134 Fn. 211, 522 f., 539 Bedingung 53, 198 f., 608 Fn. 52, 625, 636, 668, 675 Bedingungseintritt 29, 43, 54, 310 f., 312 ff., 404, 603, 669 Fn. 222, 818, 820 Befangenheit s. Neutralität Begründung – Fremdkontrollfunktion 548 ff., 561 – Informationsinteresse 555 – Nachholbarkeit 559 ff. – Selbstkontrollfunktion 556, 561 Begründungserfordernis – Abdingbarkeit 548 ff., 557 f. – ausdrückliche Vereinbarung 548 – bei nicht kontrollfähigen Schieds­ gutachten 557 – englisches Recht 558 f. – französisches Recht 558 – gestaltendes Schiedsgutachten s. dort – Schiedsverfahren 550 ff., 557, 559 Begründungsmangel 552 Benennung des Dritten – Art. 1843-4 Code civil 107 f., 217 f. – durch den Erblasser 337 f. – durch die Parteien 216, 219 f., 228 ff., 234 f., 249 Fn. 600, 253 f. – durch ein Gericht 217 ff. – durch einen Dritten 207, 216 f., 231, 435 f., 457, 577 – Ersatzbenennung durch ein Gericht 244 f., 251, 264 ff., 435 f., 502, 678 ff. Bergelohn 2 Fn. 10, 33, 54, 637 Berichtigung 609, 729 Bestätigung 584, 674 f.

Bestimmbarkeit des Entscheidungsinhalts 187 ff. Bestimmtheit des Preises – englisches Recht 193, 247 ff. – französisches Recht 106, 149 f., 184 ff., 219, 239 ff., 262 f., 497, 578, 680, 755 – römisches Recht 198 ff., 216, 225, 684 Bestimmtheitsgebot – als Kompetenzverteilung 13 ff., 163 ff., 217, 241, 251, 292 – formbedürftiger Vertrag 221 ff. – Frankreich 22, 239 ff. – Gesetzgebungsgeschichte 150 f., 164 ff. – im Erbrecht 313 ff. – Legitimation 152 ff., 163 ff. – Lockerung durch Delegation 13, 181 ff., 221 – prozessual 152 ff., s. auch bezifferter Antrag – UN-Kaufrecht 183 – Unwirksamkeit der Delegation s. dort – Wirksamkeitsvoraussetzung 148 ff., s. auch Bestimmtheit des Preises Bestimmung des Testamentsvollstreckers – Adressat 603, 605 – Drittbestimmungsverbot 325, 358 – Form 588 Fn. 13, 591 – Fristsetzung 228, 396 – Kontrolle 676 – Neutralität 487 ff., 491 – Substitution 566 – Vorgaben des Erblassers 709 – Widerruflichkeit 609 f. Bestimmung des Vermächtnisnehmers – Adressat 602 ff. – als Alternative zur Erbenbestimmung durch einen Dritten 340 ff., 358 – als Ausnahme vom Drittbestimmungsverbot 325, 327 – als Ausprägung der Testierfreiheit 377 – als gestaltendes Schiedsgutachten 39 – Änderung durch den Erben 619 – Anwendbarkeit der §§ 317 ff. BGB 353 Fn. 313, 595, 602, 626, 664 – begrenzter Personenkreis 213 f., 334 f., 347, 393 – Entscheidungsmaßstab 488 f., 662 – Folge der Unverbindlichkeit 691 ff.

Sachregister

– – – –

Form 587 f., 591 Fristsetzung 228 Gremienentscheidungen 595 Höchstpersönlichkeit der Bestimmungsbefugnis 566 – Kombination mit anderen Bestimmungsbefugnissen 325 f. – Kontrolle 371, 393, 662 ff. – Neutralität des Dritten 483 f., 491 f. – rechtliches Gehör 543 – Universalvermächtnis 345 ff., 348 ff. – Unterschied zur Erbenbestimmung 342 ff., 394 – Unwiderruflichkeit 607 Fn. 49 – Vorgaben des Erblassers 213 Bestimmung einer Person 379 ff. Beurteilungsspielraum 69, 333, 739 Beweisvertrag 72 Fn. 325, 141, 442 Bewertung – Beurteilungsspielraum 69 f. – englisches Recht 63 – französisches Recht 58 ff., 531, 702, 759 – Gesellschaftsanteile s. dort – Gremien 597 Bezeichnung des Erben durch einen Dritten 328 f., 404, 818 ff., s. auch Erben­ bestimmung durch einen Dritten bezifferter Antrag 88, 94, 152 ff., 229, 286 Fn. 802, 287, 440, 697, 802, 804, 816 Fn. 270 biancosegno 204 Fn. 335, 657 billiges Ermessen s. Entscheidungs­ maßstab Billigkeit 67 f., 115, 189, 211, 694, 766, s. auch offenbare Unbilligkeit Billigkeitskontrolle 637 f., s. auch Kontrolle bindend advies s. feststellendes Schiedsgutachten, niederländisches Recht Bindung an das Schiedsgutachten – Gericht 86 f., 443, 606 f. – Grundlage 599 ff. – Unwiderruflichkeit s. dort – Zeitpunkt 601 ff., 607 bonus vir s. arbitrium boni viri Börsenpreis 99 Dauerschuldverhältnis 2, 34, 39, 186

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DCFR 15, 20 Fn. 130, 21 Fn. 139, 31 Fn. 35, 100 Fn. 476, 244 f., 411, 729 Fn. 195 Delegation – als Ausübung von Privatautonomie 112 f., 181, 184, 303, 355, 376, 569 – der Delegation s. Substitution – Fehlschlagen 232 ff., 497 – Form 139 ff. – gesetzliche Regelung 5 f., 18 f. – Gründe für eine 2, 40 Fn. 98, 44, 308, 458 – Grundlage der Bindungswirkung 599 ff., s. auch Unterwerfung – in AGB s. AGB-Kontrolle – italienisches Recht 21 – Legitimation 111 ff., 554, 707 – niederländisches Recht 21, 55, 409, 746 Deutsche Automobil Treuhand (DAT) 41 Fn. 101, 125 Fn. 151, 130, 136 Fn. 216, 539 Fn. 112 Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten 296 Fn. 860 discretionary trust 307, 350 DIS-GO 466, 613 DIS-SchGO 408 f., 444, 457 Fn. 248, 466, 506, 509, 515, 543, 565, 582 f., 598, 613, 673 f., 765, 786, 824 Fn. 315 DIS-Schiedsgerichtsordnung 824 Fn. 315 Dissens 157 ff., 178 Drittbestimmungsverbot s. erbrechtliches Drittbestimmungsverbot Dritter – als gemeinsamer Vertreter s. dort – Benennung s. dort – Gericht als s. richterliche Vertragshilfe – Materialisierung 470 ff. – mehrere Dritte s. Gremienent­ scheidung – Nachlassgericht als 314 – Wegfall 230 f. einseitig verbindliches Schiedsgutachten 91 f., 104 Fn. 18, 203 ff., 655 f. Entscheidungsmaßstab – billiges Ermessen (Begriff) 67 ff., 189 ff., 195, 694 f. – der Parteien 203, 634

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Sachregister

englisches Recht 192 f., 206, 256 ff. Erbrecht 213 ff., 327 ff., 388, 489, 663 französisches Recht 193 f., 206, 532 freies Belieben 51, 116, 142, 188, 191, 194 ff., 236 f., 256, 486, 488 ff., 556, 622, 624 f., 641 ff., 675 f., 688 – freies Ermessen 191 – Gemeines Recht 51, 53, 196, 205 – Grenze des zwingenden Rechts 191, 196, 388 f., 486, 634, 642 ff., 645 f., 814 – Modifizierung in AGB 134 ff. – römisches Recht 196 ff. – Vorgaben der Parteien s. dort – Vorgaben des Erblassers 171, 213 ff., 334 ff., 364, 489, 665, 808 Fn. 233 – Willkür 165 f., 191, 196, 330, 334, 634, 642, 644 f. – Zweifelsregel 51, 202, 204 ff. Erbauseinandersetzung – durch einen Dritten s. Erbausein­ andersetzung durch einen Dritten – durch Gericht 170, 175, 796 ff. – durch Schiedsgericht 296, 303 Fn. 899, 801 ff. – durch Testamentsvollstrecker 167 ff., 353 Fn. 313, 541, 698 – durch Vereinbarung 40, 43, 276, 620, 801 f. – Erbauseinandersetzungsklage 797 ff. – Gemeines Recht 167 ff. – Vermittlungsverfahren 796 f. – Wertfestsetzung 43 Erbauseinandersetzung durch einen ­Dritten – Abweichung durch die Miterben 620 – Adressat 603 ff. – als Ausprägung der Testierfreiheit 377 – als Schiedsgutachten 29, 39, 43 – Entscheidungsmaßstab 195, 337, 808 – Form 587 – französisches Recht 307 – gerichtliche Ersetzung 800 – Gesetzgebungsgeschichte 167 ff., 482 – Kontrolle 371, 626, 692, 695 Fn. 402, 698, 709, 721, 728, 800, 813 ff. – Neutralität 481 f. – offenbare Unbilligkeit 728 – rechtliches Gehör 541 ff.

– schiedsgerichtliche Ersetzung 800 – Vorgaben des Erblassers 709, 808, 816 – Weigerung des Dritten 237 f. Erbbaugrundstück 33, 222 Fn. 442, 586 Fn. 2 Erbbauzins 34, 35 Fn. 61, 41, 144 Fn. 263, 188, 230, 298, 301, 434, 514 Fn. 551, 726 Fn. 169, 728 Fn. 183, 732 Fn. 208, 734, 739 Erbenbestimmung durch ein Schieds­ gericht 816 ff. Erbenbestimmung durch einen Dritten – Abgrenzung zur unbestimmten Erbeinsetzung 313 ff., 327 f. – Adressat 605 f. – als Ausübung von Privatautonomie 355 – Änderung 614 ff. – Bezeichnung des Erben s. dort – Diskrepanz zur Bestimmung des Vermächtnisnehmers 342 ff., 358, 365 f., 368 ff., 371 ff., 393 – Entscheidungsmaßstab 327 ff. – Folge der Unverbindlichkeit 671, 691 ff. – Form 588 Fn. 13, 591 f. – Gesetzgebungsgeschichte 335, 342 ff., 373 Fn. 471, 376, 394 – Gründe für die Unzulässigkeit 353 ff., 377 ff. – Höchstpersönlichkeit des Bestimmungsrechts 566 – Hofnachfolge s. dort – Kontrolle 355, 371, 389 ff., 392 f., 626, 664 Fn. 207 – lebzeitige Alternativen 350 f. – Praxisrelevanz 308, 338 – Umdeutung 345 ff. – Unwiderruflichkeit 607 Fn. 49 – Vorgaben des Erblassers 334 – Zeitraum bis zur Bestimmung 342 f., 349, 395 ff., 402 ff. Erbrecht – personale Komponente 372 f., 387 – Verhältnis zum Schuldrecht 16, 352 f., 357, 377 ff., 803 erbrechtliches Drittbestimmungsverbot – Ausnahmen 324 ff., 377

Sachregister

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Beschränkung der Testierfreiheit 352 f. englisches Recht 307 französisches Recht 306 f., 348 Inhalt 305 f. letztwilliges Schiedsgericht 794 f., 810, 813, 816 – teleologische Reduktion 405 – Umgehung 339 ff. Erbteilungsklage 168 ff., 799 ergänzende Vertragsauslegung 161, 178, 284 Ermessen s. Entscheidungsmaßstab erreur grossière 634, 679 f., 701 ff., 754 ff. Ersatzbenennung eines Dritten s. Benennung des Dritten Ersatzbestellung eines Schiedsrichters 265, 504 ff. Ersatzbestimmung durch einen Dritten 668 Ersetzung der Entscheidung – durch ein Gericht 226 ff., 238 f., 245 ff., 260 ff., 299 ff., 502, 562, 566, 684 ff., 693 ff., 767 f. – durch ein Schiedsgericht 788 – englisches Recht 253 ff., 676 ff. – Entscheidungsmaßstab 693 – französisches Recht 239 ff., 267, 678 ff. – freies Belieben 675 f. – Geschichte 245 ff., 684 ff. expert determination – Abgrenzung zum Schiedsverfahren 62, 778, 828 – Neutralität 458 – Rechtsnatur 62 – Terminologie 62, 459 expertise amiable 61 f. expertise irrévocable 61 f., 757, 780, 783 Fn. 78, 788 expertise judiciaire s. Sachverständiger (Zivilprozess), französisches Recht fakultatives Schiedsgutachten 134, 523 Fn. 11 Familienerbrecht 360 ff., 373 f., 692 feststellendes Schiedsgutachten – als Delegation 44 ff. – als Feststellungsvertrag 72 ff., 156, 207, 238 f., 440, 599, 698, 738

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– Annäherung an das gestaltende Schiedsgutachten 441, 476 ff., 491 f., 536, 726 – anzuwendende Normen 45, 48 f., 84, 93, 95, 407, 466, 500, 627, 740 ff., 776 ff., 830 – Beispiele 40 ff. – Ersatzfeststellung 238 f., s. auch ­Ersetzung der Entscheidung – Fälligkeit des Anspruchs 88 f. – freies Belieben 207 f. – funktionale Nähe zum gestaltenden Schiedsgutachten 65 ff., 477, 739 – Gemeines Recht 49 ff. – Gleichbehandlung mit Gestaltung im französischen Recht 57 ff. – Gleichbehandlung mit Gestaltung im englischen Recht 62 ff. – im Erbrecht 43 f., 310 f., 331, 491 f. – Kontrolle 627 – niederländisches Recht 21 Fn. 139, 55, 409, 746 – Rechtsnatur 45, 50 ff., 71 ff., 407 ff., 477 – römisches Recht 49 – Schiedseinrede s. dort – schweizerisches Recht 458 – Schwierigkeiten der Abgrenzung zur Gestaltung 28, 52 ff., 477, 737 ff. – Terminologie 26 ff. – Umgestaltung der Rechtslage 81 ff. – Unterschiede zur Gestaltung 46 f. – Verfahrensgarantien 92 ff., 407 ff. Feststellung durch ein Schiedsgericht s. schiedsrichterliche Aufgabe Feststellung durch eine Partei 98, 425 f., 443 f., 455 f., 468 Feststellungsklage 75, 77 Fn. 350, 80, 88, 292, 299, 512 ff., 670, 698, 789 ff., 797 Fn. 175, 799, 819 Feststellungsvertrag – Erbrecht 615 ff. – materiell-rechtlicher 72 ff., 142 – niederländisches Recht 21 Fn. 139, 55 FIDIC 31 Fn. 33, 42 Fn. 118, 517 Form – französisches Recht 593 – letztwillig angeordnetes Schiedsgutachten 145 f.

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Sachregister

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Schiedsgutachten 586 ff. Schiedsgutachtenvereinbarung 140 ff. Schiedsspruch 592 f. Verschärfung des Bestimmtheitsgebots 221 ff., 589 freies Belieben s. Entscheidungsmaßstab freiwillige Gerichtsbarkeit 273, 286 ff., 617 f., 630, 796 Fremdbestimmung 6 ff., 103 Fristsetzung 228, 244 Fn. 570, 396, 406, 688 gemeinsamer Vertreter – deutsches Recht 108 f., 203, 443, 631, 652 f., 655 f., 707 f. – Erklärungsmodell für Delegation 104 ff. – französisches Recht 57, 104 ff., 186, 205, 530, 558, 574 ff., 600, 628 Fn. 7, 657, 701 ff., 715, 755, 762 Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 646 ff., 843 f. Geschäftsgrundlage 36, 100 Fn. 476, 286, 299 Fn. 876, 623, 691 Gesellschaftsanteile s. auch Auseinandersetzungsguthaben; Kaufpreisanpassung; Unternehmenskauf – Bewertung 54, 70, 188, 433, 564 – englisches Recht 216 Fn. 405, 578 Fn. 79, 677 Fn. 280, 710, 713 Fn. 75, 748 – französisches Recht 56 ff., 104 Fn. 18, 105 ff., 210, 217 f., 242 f., 409, 503 f., 531 f., 600, 612 Fn. 80, 634, 681 ff., 704, 715 Fn. 90, 759, 761, 780 Fn. 55, 784 – römisches Recht 37, 197 ff., 225, 650, 684, 717, 773 gesetzliche Erbfolge 346 Fn. 270, 354, 360 ff., 373 ff., 616, 623 f., 692 gestaltendes Schiedsgutachten – Begründungserfordernis 549 – im Erbrecht 39 ff., 327 ff. – im Schuldrecht 31 ff. – Neutralität 429, 434, 443, 476 ff. – rechtliches Gehör 528, 529 Fn. 40, 536 – Terminologie 26 ff. Gestaltungsklage – auf Leistungsbestimmung 154, 666, 697

– Beispiele 286 ff. – numerus clausus 269, 291 ff. – verdeckte 276, 291, 698 Gestaltungsrecht 111, 118, 121 ff., 183, 293, 384, 553 ff., 570 ff., 609 f., 667, 708 Gestaltungsurteil 211, 271, 278, 289, 670 f., 697 f. Geständnisvertrag 77 ff., 85 Gleichbehandlung 527 f., 543 f. Gremienentscheidung – Entscheidungsfindung 594 ff. – Erbrecht 595 – Gesetzgebungsgeschichte 597 f. – mehrere Dritte 25, 823 f. – Schiedsgericht 594 ff. – Uneinigkeit 231, 234 f. Grenzfeststellungsvertrag 80 Haftung des Dritten – englisches Recht 752 ff., 768 ff. – Erbrecht 764 Fn. 435 – Ersetzung des Schiedsgutachtens 767 ff. – französisches Recht 241, 575 f., 762 f., 770 – Grundlage 496, 764 Fn. 435 – Haftungsausschluss 768 – mutmaßlicher Parteiwille 763 ff. – Neutralitätsdefizit 496 ff. – statt Unverbindlichkeit 754, 762, 763 ff. – Weigerung des Dritten 241 Hamburger Brauch 280 ff., 293 ff., 303 Heteronomie s. Fremdbestimmung Höchstpersönlichkeit der Entscheidung s. Substitution Hofnachfolge 308 Fn. 25, 327, 331 f., 336, 381 Fn. 501, 392 f., 396 f., 603 hybrides Verfahren 830 Fn. 356 ICC 39 Fn. 91, 416 Fn. 8, 612 Fn. 81, 806 Fn. 219 implied term 262, 264, 458 f., 711 Fn. 59, 713, 746 ff. Index 34 f., 99, 153 Fn. 35, 243 Fn. 563 Inhaltskontrolle 9 f., 634, s. auch AGBKontrolle; Äquivalenzkontrolle International Bar Association 417 iustum pretium s. Äquivalenzkontrolle

Sachregister

Justizgewährung 141, 297, 806 Justizressource 264, 266, 269, 294 ff., 507 f. Kaufpreisanpassung 41, 299, 433, 463, 748, 782, 829 Fn. 356, s. auch Unter­ nehmenskauf Kaufpreisbestimmung – Abgrenzung zum feststellenden Schiedsgutachten 32, 41, 65 ff. – englisches Recht 21, 62 f., 247 ff. – französisches Recht 21 f., 38, 56 ff., 105 ff., 206, 239 ff., 262, 460 f., 755, 779 – Gemeines Recht 38, 204 Fn. 338 – Kaufgegenstand 32, 221 ff., 589 – nach externem Faktor 99 f., 242 – Obergrenze 69, 708 – Optionsrecht 32, 253, 259, 477 – römisches Recht 37, 53, 197 ff., 636, 757 – Verallgemeinerung zur Leistungs­ bestimmung 37 f., 56 – Vertragsergänzung 31 f. – Vorbehalt späterer Einigung 162, 178 Klagefrist 561 Fn. 84, 646 Fn. 108, 671 ff. Kollisionsrecht 785 Fn. 86 Konsensprinzip s. Vertragsprinzip Kontrolle – Abdingbarkeit s. Ausschluss der ­Kontrolle – Abgrenzung zum Schiedsgericht 825 ff. – gesetzliche Beschränkung 658 ff. – Legitimation 635 ff., 644, 646 – römisches Recht 200 ff., s. auch manifesta iniquitas – Schutzcharakter 632, 653 ff., 744 – verfassungsrechtliche Bedenken 465 ff., 722 Kontrollfunktion 296 ff., 508, 624, 633 ff., 668 Kontrollmaßstab – Anlehnung an Schiedsverfahren 740 ff. – englisches Recht 746 ff. – Erweiterung 639 f. – französisches Recht 701 ff., 754 ff. – freies Belieben 641 ff. – Gesetzgebungsgeschichte 717 ff. – Gleichlauf mit Entscheidungsmaßstab 642 ff., 719, 751

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Modifizierung in AGB 134 f., 647, 651 offenbare Unbilligkeit s. dort offenbare Unrichtigkeit s. dort privatautonome Beschränkung s. Ausschluss der Kontrolle – Vorgaben der Parteien s. dort Korrektur von Rechenfehlern 609, 729

laesio enormis 8 f., 201 Fn. 318, 645 Fn. 107, 756, 758 Langzeitvertrag s. Dauerschuldverhältnis legs avec faculté d’élire 306 Leistungsbestimmung durch eine Partei – Entscheidung in eigener Sache 443, 488 – französisches Recht 22, 185 f. – Funktion 98 f. – in AGB 129 f. – Richtigkeitsgewähr 114 – römisches Recht 198 – Unverbindlichkeit 69, 116 – Zweifelsregel 220 Fn. 429 Leistungsbestimmung durch einen ­Dritten s. auch gestaltendes Schiedsgutachten – Gesetzgebungsgeschichte 47 f., 150 ff., 245 ff., 597 f., 608, 643, 645, 684 ff., 717 ff., 733 – Modalitäten der Leistung 38 f., 57, 674 Fn. 263 Leistungsbestimmungsvorbehalt 34 ff., 69 Fn. 305, 124 ff. letztwilliges Schiedsgericht 793 ff., 802 ff. locatio conductio 198 Fn. 295, 199 Fn. 302, 216 Fn. 409 Losentscheid 358 f., 376 Lückenfüllung 161 f., 177 ff. mandataire commun s. gemeinsamer ­Vertreter manifest error 713 f., 751 manifesta iniquitas 51, 684, 717, 723, 729, 757, 773 materielle Höchstpersönlichkeit 305, 348, 372 f., 616, s. auch erbrechtliches Drittbestimmungsverbot Mediation 455

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Sachregister

Miete 28, 41, 50, 56, 59, 63, 65, 70, 94 f., 156, 193 Fn. 269, 197, 208 f., 210 ff., 231 Fn. 482, 252 Fn. 617, 275 Fn. 736, 304, 440, 549, 671 ff., 726 Fn. 169, 734 Fn. 223, 739, 766 f., 785, 823 Fn. 307 Mietvertrag – Anpassung s. Miete – Fortsetzung 211, 289 – Kündigung 211 Mietzins s. Miete Minderung 42 mittlere Linie 695 ff. Nacherbenbestimmung durch den ­Vorerben s. Vor- und Nacherbschaft negative Vertragsfreiheit 158 negotium bonae fidei 37, 201 f. Neutralität – ausdrückliche Vereinbarung 420 ff., 432 f, 457 – Begriffsbildung 415 ff., 544 – Entwicklung der Rechtsprechung 424 ff. – Gemeines Recht 427 – in AGB 135 ff., 420 – Sachverständigenverfahren (Versicherungsrecht) s. dort – Sachverständiger (Zivilprozess) s. dort – Schiedsverfahren 415 f., 438, 450 ff., 463 ff., 471 ff., 494 f., 504 ff., 516 Neutralitätsdefizit – Ablehnung vor Schiedsgericht 515 f. – Ablehnungsverfahren 504 ff., 137 – englisches Recht 497, 747 – Ergebnisrelevanz 434, 498 ff., 700, 721 – Feststellungsklage 512 ff. – französisches Recht 497 f., 503 f., 512 – Haftung des Schiedsgutachters 496 ff. – Kompensation durch Kontrolle 425, 454, 456, 469, 654 f. – Kündigung des Schiedsgutachter­ vertrags 432, 436, 509 ff., 518 – Präklusion s. dort – Unverbindlichkeit des Schiedsgut­ achtens 475, 497 ff., 517 – Unwirksamkeit der Schiedsgutachtenvereinbarung 493 ff.

Neutralitätsgebot – Abdingbarkeit 462 ff., 465 ff. – Anforderungen an den Dritten 417 ff., 469 ff. – Begründung mit dem mutmaßlichen Parteiwillen 456 ff., 479, 501, 517 f. – Begründung mit dem Rechtsprechungsbegriff 445 ff., 478 – Begründung mit der Bindung des ­Gerichts 433, 442 ff. – Begründung mit einer Funktions­ ähnlichkeit 437 ff., 478 f. – englisches Recht 458 ff., 477, 534 – Erbrecht 479 ff., 489 ff. – Feststellung durch eine Partei 468 ff. – französisches Recht 460 ff., 470, 477, 532 f. – gestaltendes Schiedsgutachten s. dort – juristische Person 568 – Schiedsgutachter in eigener Sache 474 ff., 480 ff., 491 f., 496, 519 – überparteiliche Rechtspflege 444, 464, 472, 491, 494 Fn. 444, 496, 498 Fn. 464 Notar 306 Fn. 10, 488, 491, 761, 796 f. objet 148, 186 offenbare Unbilligkeit – Begriff 722 ff., 730 ff. – Ergebnisrelevanz 732 ff. – Gesetzgebungsgeschichte 173, 717 ff., 733 – Legitimation 653 ff., 719 ff. – Verfahrensmängel 500 f., 552 offenbare Unrichtigkeit 49, 468 f., 475, 500 f., 552, 627, 716, 737 ff., s. auch ­erreur grossière; manifest error; offenbare Unbilligkeit office du juge 240, 269, 688 Fn. 356, 761, s. auch Aufgaben der Gerichte Option s. Kaufpreisbestimmung, ­Optionsrecht Pacht s. Miete pactum de non petendo 89 Parteileistungsbestimmung s. Leistungsbestimmung durch eine Partei PECL 20 Fn. 131, 21 Fn. 139, 31 Fn. 33, 100 Fn. 476, 153 Fn. 32, 244 f., 267, 299

Sachregister

Fn. 876, 411, 574 Fn. 48, 717 Fn. 97, 729 Fn. 195 f. Perpetuierung des Erblasserwillens 368 f. postmortale Vollmacht 110, 310, 355 Fn. 328 Potestativbedingung 311 ff., 320 ff. power of appointment 307 Präklusion 431, 516 ff., 583 ff., 797 Preisanpassungsklausel 59, 130, 142 Preisausschreiben s. Preisrichter Preisgerechtigkeit s. Äquivalenzkontrolle Preiskontrolle s. Äquivalenzkontrolle Preisrichter – Auswahlentscheidung 380 f., 391 f. – eingeschränkte Kontrolle 311 Fn. 48, 659 ff. – Gremium 594 – Haftung 764 Fn. 435 – Neutralität 463 f. – Rechtsstellung 42, 661 f. – Substitution 578 f. Preisvorbehalt 125, 129 pretium certum s. Bestimmtheit des ­Preises, römisches Recht principe du contradictoire s. rechtliches Gehör, französisches Recht Privatautonomie – als Aufgabe 11 ff., 94 ff., 128, 176, 182 f., 225, 241, 263, 296 ff., 440, 690 – Inhalt 3 ff. – keine Beschränkung durch Delegation 111 ff. – Legitimation der Delegation s. Delegation, Legitimation – Selbstbindung 102 f. – und gerichtlicher Rechtsschutz 467 ff. – Verzichtbarkeit 353 ff. – Vorrang 163 ff. Prozessökonomie 266 f., 293 ff., 507 f., 514, 516, 791 Prozessvertrag 84, 91 ff., 124 Fn. 146, 144 Fn. 261, 442, 476 Qualitätsarbitrage 42, 63, 76, 524, 537, 550, 578 Fn. 79, 747 Fn. 318, 783, 790 question prioritaire de constitutionnalité 22 Fn. 144, 532

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rechtliches Gehör – ausdrückliche Vereinbarung 524, 526 f. – englisches Recht 533 f. – Erbrecht 541 ff. – französisches Recht 409, 530 ff. – gestaltendes Schiedsgutachten s. dort – Gleichbehandlung s. dort – in AGB 135 ff., 522, 525 f. – mutmaßlicher Parteiwille 536 ff. – niederländisches Recht 409 – Schiedsverfahren 521, 525 Rechtsprechung im weitesten Sinne s. Rechtsprechungsbegriff Rechtsprechungsbegriff 445 ff., 628 ff. Rechtsprechungsmonopol 298, 449, 794 Fn. 156, 817 Rechtsschutzverkürzung 131 f., 285 f., 465 ff., 722 récusation s. Neutralitätsdefizit, ­französisches Recht Regelungsstreitigkeit 47, 66, 287 f., 478, 628 ff. rent review 63 richterliche Vertragsgestaltung 164, 179, 284, 286 ff., s. auch Lückenfüllung richterliche Vertragshilfe – primäre 13 ff., 268 ff. – subsidiäre 225, 232 f., 236 ff., 245 ff., 260 ff., 667 f., 684 ff., 788, s. auch Ersetzung der Entscheidung richterliches Ermessen 695 ff. Richtigkeitsgewähr 7 f., 113 ff., 355, 652 f. Ritterguts-Entscheidung 329 Sachverständigenverfahren ­( Versicherungsrecht) – Adressat 601 Fn. 17 – AGB 123 – Benennung des Dritten 218, 504 – Entstehungsgeschichte 47 f., 423 – Fehlschlagen 229 Fn. 470, 233, 239 – feststellendes Schiedsgutachten 42 f., 47 f., 77, 423 – Form der Vereinbarung 140 Fn. 244, 142 Fn. 256 – Form des Gutachtens 592 – Gemeines Recht 50, 53, 427, 778 – Gremium 595 f.

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Sachregister

– Höchstpersönlichkeit 582 – Kontrolle 627, 647, 668 Fn. 218, 694, 720, 729, 741, 788 Fn. 107 – Neutralität 419, 423 f., 426 ff., 430 f., 462, 495 Fn. 454, 504, 512 f., 518 Fn. 576 – rechtliches Gehör 527 Fn. 29, 528 Fn. 31 – Rechtsstellung des Dritten 43, 48, 72 Fn. 325, 778 – Verfassungskonformität 92 Fn. 445, 465 Sachverständiger (Zivilprozess) – deutsches Recht 53, 137, 265, 431, 435, 438, 567 f., 579 ff., 607, 694 – französisches Recht 61, 105, 681 Schadensversicherung s. Sachverständigenverfahren (Versicherungsrecht) Schätzwert 41, 123 f., 130, 135, 494 Schiedsantrag 802 Schiedseinrede 89 Schiedsgericht – als leistungsbestimmender Dritter 231, 275 ff., 789, 801 f., 810 – Entscheidung nach Billigkeit 808 ff., 824 f. – Funktionsähnlichkeit 85, 94, 437 ff., 535, 551, 776 ff. – Kompetenzgleichlauf mit staatlichem Gericht 276 f., 302, 789 f., 792, 796 ff., 801, 805, 819 f. – Neutralität s. dort Schiedsgerichtsbarkeit – Geschichte 773 ff. – Legitimation 439, 450 ff., 794, 806, 816 – notion résiduelle 777, 828 – Verschmelzung mit Schiedsgutachten 776 ff., 822 Schiedsgutachten – als Rechtsprechung 445 ff., 628 ff. – Alternative zum Schiedsverfahren 441, 508, 534, 541, 650 f., 745 f., 814, 829 ff. – Auslegungskompetenz 782, 784 f. – einseitig verbindliches s. dort – feststellendes s. feststellendes Schiedsgutachten – gestaltendes s. gestaltendes Schiedsgutachten

– im engeren Sinne s. feststellendes Schiedsgutachten – im weiteren Sinne s. gestaltendes Schiedsgutachten – Kombination mit Schiedsverfahren 286, 669, 783, 788, 829 f. – Terminologie 26 ff. – über Rechtsfragen 784 f. – Vollstreckbarkeit 786 f., 825 – vorläufig bindendes s. dort Schiedsgutachtenvertrag – AGB-Kontrolle s. dort – Begriff 29 f. – Grundlage der Drittbestimmung 111 ff. Schiedsgutachtervertrag – Grundlage der Entscheidungs­ kompetenz 110, 112 – Haftung 496 – Höchstpersönlichkeit 564 Fn. 1 – Kündigung 432, 436, 509 ff., 518 – Terminologie 29 f. – Verpflichtung zum Tätigwerden 226 f. schiedsrichterliche Aufgabe – französisches Recht 779 ff. – Gestaltungsbefugnis 276 f. – Schiedsfähigkeit 276 f., 297 f., 812 – Streitentscheidung 780 ff., 785 ff., 820 – Tatsachenfeststellung 64, 781 f., 789 ff., 818 ff. Schiedsverfahren – Abgrenzung zum s. dort – als Rechtsprechung 450 ff. Schlichtung 47, 466, 613, 628 ff., 774, 797 Fn. 173 Selbstbestimmung 3 ff., 6 ff., 102 f., 196, 647, 691, s. auch Delegation, als Ausübung von Privatautonomie; Erben­ bestimmung durch einen Dritten, als Ausübung von Privatautonomie; Stellvertretung, als Ausübung von Privat­ autonomie Selbstverantwortung 12 self-serving bias 121 Fn. 129 societas 37, 197, 202, 225, 685, 717 speaking valuation 558 f., 748, 768 Stellvertretung – Abgrenzung zum Schiedsgutachten 97 f.

Sachregister

– als Ausübung von Privatautonomie 103 f., 354 – gemeinsamer Vertreter s. dort – im Erbrecht 309 f. – Mehrvertretung s. gemeinsamer ­Vertreter – Untervollmacht s. Substitution Stichtagsbilanz 41, 66 Fn. 276, 457, 463, 829 Fn. 356 Stiftung 171 Fn. 145, 307, 350, 369, 374 Fn. 476 Streitvermeidung 2 f., 76, 83, 88, 441, 455, 646, 720, 745, 751, 786 Substitution – englisches Recht 578 – Folge der Unzulässigkeit 583 f. – französisches Recht 574 ff., 579 – Grenzen 565 f., 572, 579 ff. – Vereinbarung 565, 577 – Zusammenhang mit Neutralität 568 Terminologie – deutsches Recht 26 ff. – englisches Recht 62, 459 – französisches Recht 105 Testamentsvollstrecker – Bestimmung durch ein Gericht 271 – Bestimmung durch einen Dritten s. Bestimmung des Testamentsvoll­ streckers – Bestimmung durch Gerichtspräsident 271 ff. Testamentsvollstreckung – bis zur Erbenbestimmung 400 f., 403 – Gesetzgebungsgeschichte 167 ff., 610 – Unternehmensnachfolge 339 f. Testierfreiheit – belastete Zuwendung 601, 807, 815 – Delegierbarkeit 352 ff. – Familienerbrecht s. dort – letztwilliges Schiedsgericht 794, 807, 813 – materielle Höchstpersönlichkeit s. dort – Verfassungsrecht 6, 387, 692 tiers évaluateur 57 Fn. 213, 782 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit s. Neutralität

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Unfallversicherung s. Sachverständigenverfahren (Versicherungsrecht) UNIDROIT PICC 20 Fn. 131, 100 Fn. 476, 299 Fn. 876 Universalsukzession 349, 374, 387 Universalvermächtnis 340 ff., 345 ff., 348 ff. Unternehmensbewertung 70, 88, 251, 299, 564, 709, 759, s. auch Gesellschaftsanteile; Unternehmenskauf Unternehmenskauf – bestimmbarer Wert 681 – Bewertung s. dort – Gewährleistung 42 – Person des Dritten 256, 259 Fn. 659, 457 – Preisanpassung 41, 59, 244 Fn. 567, 299, 433, 782 – Preisfestsetzung 250, 460, 503, 780 Fn. 55 – Schiedsklausel 823 Fn. 310 Unternehmertestament 1 Fn. 5, 308 f., 317, 349, 388, 395, 403 f., 543 Unterwerfung – gesetzlich angeordnetes Schiedsgut­ achten 59 ff., 108, 242 f. – Gestaltungsrecht 111, 118, 121 f. – Grenzen 134, 642, 649 – Grundlage der Bindung 501, 540, 599 ff., 667, 701, 705, 707 ff., 749 f., 765 f. – Grundlage der Entscheidungsbefugnis 111 ff., 572, 641 ff. – Konsens 111 ff., 554 – nachträgliche Änderung 614 – nachträgliche Annahme 466 f., 612 f. – Richtigkeitsgewähr s. dort – Schiedsgerichtsbarkeit 112, 806 f., 815, 820 – Unabhängigkeit vom Schiedsgutachtervertrag 226 – Vertragsparität 655 Fn. 159 – Vertragsstrafe 278 ff. Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens – Abdingbarkeit s. Ausschluss der ­Kontrolle – Bestätigung s. dort – Legitimation 627 ff.

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Sachregister

– Rechtsfolge 501 f., 624 f., 684 ff., s. auch Ersetzung der Entscheidung – Rechtsfolge im englischen Recht 676 ff. – Rechtsfolge im französischen Recht 678 ff., 687 ff., 762 – Rechtslage bis zum Urteil 670 ff., 679 Unwiderruflichkeit – Gestaltungsrecht 609 f., 122 – Schiedsgutachten 607 ff. – Vollmacht 223, 353 f. Unwirksamkeit der Delegation – Auswirkungen auf das Testament 623 f. – Auswirkungen auf den Vertrag 493 ff., 622 ff. „verdünnte“ Freiheit 8, 114, 117 Verfahrensgarantien – ausdrückliche Vereinbarung 409, 412 f., 420 ff. – Bedürfnis 408 ff., 830 f. – Erforderlichkeit in AGB 135 ff., 413, 420 – für gestaltende Schiedsgutachten 411 f. – Irrelevanz der Qualifikation des feststellenden Schiedsgutachtens 93 ff., 141, 408 ff., 423, 506, 528 f. Verfahrensordnung 91, 409, 413, 420, 457, 466, 509, 524, 540, 598, 673, 824, s. auch DIS-GO; DIS-SchGO Vergleich 73 ff., 142, 443, 615 ff., 617 f. Verkehrswert 32, 41, 130, 155, 477, 739, 759, 785 Fn. 86 Vermögenskonzentration 306 Fn. 11, 366 ff. Versicherungsvertrag – Begünstigter 382 ff. – Deutschland s. Sachverständigen­ verfahren (Versicherungsrecht) – französisches Recht 61 – Schadensfeststellungsvertrag 76 Vertrag zugunsten Dritter 381 ff. Vertragsanpassung 2, 26 Fn. 10, 34 ff., 45 Fn. 135, 64 Fn. 269, 124 ff., 180, 186, 206 f., 211, 243, 259, 286, 299 Fn. 876, 691, 789, 811, 814, s. auch Erbbauzins; Kaufpreisanpassung; Miete Vertragsfreiheit und Testierfreiheit 16

Vertragshilfe s. richterliche Vertragshilfe Vertragslücke 26, 37, 53, 66, 157 ff., 177 ff., 229, 675 Vertragsprinzip 118, 185, 382, 553, 806 Vertragsstrafe – Bestimmung durch ein Gericht 280 ff., 293 ff. – Bestimmung durch ein Schiedsgericht 279 f. – Bestimmung durch einen Dritten 278 f., 282, 535 Fn. 84 – Herabsetzung 279, 288, 301 Fn. 892 Verzögerung des Schiedsgutachtens 227 f. Verzug 87 ff., 227, 671 ff. voluntatives Element 46, 58 Vor- und Nacherbschaft 316 ff., 328, 333 Fn. 179, 336 f., 347, 368 f., 396 ff., 402 ff. Vorbehalt späterer Einigung 159, 161, 177 f., 219 f., 284 Vorgaben der Parteien – deutsches Recht 188, 208 ff., 644, 687, 700, 707 ff. – englisches Recht 194, 210, 709 ff., 746 ff. – französisches Recht 60 f., 194, 210 f., 704, 715 vorläufig bindendes Schiedsgutachten 444, 466, 582, 612, 640, 673, 670 ff., 679 Vorsorgevollmacht 97 f. Wahlschuld 162 Fn. 84, 165, 195 Fn. 276, 325 Fn. 133, 381 Fn. 501 Wahlvermächtnis 325 Weigerung des Dritten 226 f. Werklohn 33, 52 Fn. 178, 276 Fn. 736, 528 Fn. 33, 720 Fn. 119 Wertsicherungsklausel 34 ff. Wirksamwerden des Vertrags 109, 199, 242 Fn. 263, 557 Zweckvermächtnis – Adressat der Bestimmungserklärung 603, 605 – als Ausnahme vom Drittbestimmungsverbot 325 f.

Sachregister

– als Ausprägung der Testierfreiheit 377 – als gestaltendes Schiedsgutachten 39 – Folge der Unverbindlichkeit der Drittbestimmung 691 ff.

– – – –

Gegenstand 40, 326 Kontrolle 626 Neutralität des Dritten 480 f. Vorgaben des Erblassers 214 f.

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