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German Pages 464 [466] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 311 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Michael Born
Europäisches Kollisionsrecht des Effektengiros Intermediatisierte Wertpapiere im Schnittfeld von Internationalem Sachen-, Schuld- und Insolvenzrecht
Mohr Siebeck
Michael Born, geboren 1978; Studium der Rechtswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn; Referendariat am Landgericht Köln; seit 2011 Rechtsanwalt in Frankfurt/Main; 2012 Promotion.
e-ISBN PDF 978-3-16-152369-4 ISBN 978-3-16-152237-6 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit beruht auf meiner Dissertation, die von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommen worden ist. Zur Drucklegung wurde die neuere Rechtsprechung und Literatur, vor allem aber die umfangreiche legislative Tätigkeit auf europäischer Ebene in Reaktion auf die Finanzmarktkrise berücksichtigt und das Manuskript entsprechend aktualisiert. Stand ist nunmehr im Wesentlichen Anfang April 2014. Bei der Erstellung des Werkes habe ich vielfältige Unterstützung erfahren. Mein Dank gilt zunächst und besonders meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wulf-Henning Roth, LL.M., der die Entstehung der Arbeit wohlwollend begleitet hat und jederzeit für fachlichen Rat zur Verfügung stand. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Johannes Köndgen für die Erstellung des Zweitgutachtens, das wertvolle Hinweise geliefert hat. Beiden bin ich zudem für die angenehme und lehrreiche Zeit als Mitarbeiter am Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn verbunden. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M., danke ich für die Aufnahme des Werkes in die „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Dank sagen möchte ich weiter Frau Dr. Christina Maushake und Herrn Michael Bommer, die stets für Rat und Hilfe bereitstanden und die die mühevolle Aufgabe des Korrekturlesens auf sich genommen haben. Dankbar bin ich schließlich auch meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Dr. Gisela Born-Siebicke und Dr. Helmut Born, die mit ihrer Unterstützung und Ermutigung das Entstehen dieser Arbeit erst ermöglicht haben. Frankfurt am Main, Mai 2014
Michael Born
Inhaltsübersicht Vorwort .......................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ..................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... IXIX Einleitung .......................................................................................................1 1. Kapitel: Grundlagen .............................................................................11 §1 §2
Effektengiroverkehr ........................................................................ 11 Kollisionsrechtliche Problemfelder ................................................ 56
2. Kapitel: Europäisches Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA ............................................................77 §3 §4 §5 §6
Finalitätsrichtlinie ......................................................................... 78 Finanzsicherheitenrichtlinie ......................................................... 139 Wertpapiere im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht ...... 179 Resümee ....................................................................................... 220
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung........................................................................227 §7 §8 §9 § 10
Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG ............. 227 Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG ....................................... 273 Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht .................. 290 Resümee ....................................................................................... 303
4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze..............305 § 11 § 12 § 13 § 14
Haager Wertpapierübereinkommen .............................................. 305 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie............................................. 365 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer ................................ 395 Resümee ....................................................................................... 402
Thesen .........................................................................................................407 Literaturverzeichnis ................................................................................417 Sachregister ...............................................................................................441
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................. V Inhaltsübersicht .................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................. XIX Einleitung .......................................................................................................1 1. Kapitel: Grundlagen .............................................................................11 §1
Effektengiroverkehr ........................................................................ 11
A. Einordnung in die Kapitalmarktprozesse .......................................... 13 B. Zugrundeliegende Strukturen ............................................................ 14 C. Immobilisierung der Wertpapiere ..................................................... 16 I. Drittverwahrung ......................................................................... 16 II. Sammelverwahrung und -verbriefung ........................................ 18 III. Grenzüberschreitende Kontoverbindungen der Wertpapiersammelbank ........................................................ 21 D. Entmaterialisierung der Titel ............................................................ 23 E. Rechtspositionen zwischen Sachen- und Schuldrecht ........................ 27 I. Überblick ................................................................................... 27 1. Stufenübergreifende Konstruktion ....................................... 28 2. Stufenweise Konstruktion .................................................... 30 a) Indirect Holding System in den USA ............................ 30 b) Schweizer Bucheffektengesetz ...................................... 34 II. GS-Gutschrift als inländische dingliche Position ........................ 37 1. Depotvertragliche Bedeutung der Hinterlegung zur Sammelverwahrung ............................ 38 2. Sachenrechtliche Bedeutung der Hinterlegung zur Sammelverwahrung ............................ 38 3. Besitzverhältnisse am Sammelbestand ................................. 39 4. Verfügungen über Sammelbestandanteile ............................ 41 a) Ausführung der Effektenkommission ............................ 41
X
Inhaltsverzeichnis
aa) Derivativer Erwerb ................................................. 41 bb) Einführung eines zentralen Kontrahenten ............... 44 cc) Gutgläubiger Erwerb .............................................. 46 d) Sonstige Verfügungen................................................... 47 III. WR-Gutschrift als inländische schuldrechtliche Position ........... 49 1. Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland .......................................................................... 50 2. Rechtsnatur der WR-Gutschrift ........................................... 52 3. Verfügungen über WR-Gutschriften .................................... 54 a) Treuhandgiroverkehr .................................................... 54 b) Sonstige Verfügungen................................................... 55 §2
Kollisionsrechtliche Problemfelder ................................................ 56
A. Abgrenzung des Anknüpfungsgegenstandes ..................................... 56 I. Wertpapierstatut und Beziehung zum Emittenten ....................... 57 1. Wertpapierrechts- und -sachstatut........................................ 58 a) Rechtsstatut .................................................................. 58 b) Sachstatut ..................................................................... 60 2. Folgerungen für das Effektengiro ........................................ 60 II. Wertpapierstatut und schuldrechtliche Depotkonstruktionen ...... 62 III. Wertpapierstatut und Insolvenzstatut ......................................... 66 B. Bestimmung eines adäquaten Anknüpfungsmoments ........................ 67 I. Belegenheit direkt gehaltener Wertpapiere ................................. 67 II. Funktionsverlust der Urkunde .................................................... 69 III. Lex rei sitae als stufenübergreifender Ansatz ............................. 71 IV. Heterogene Depots..................................................................... 73 V. Gegenseitige Kontenverbindungen ............................................. 73
2. Kapitel: Europäisches Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA ............................................................77 §3
Finalitätsrichtlinie ......................................................................... 78
A. Grundlegendes zur Richtlinie ........................................................... 78 I. Begriff des Systems ................................................................... 81 II. Finalität der Aufträge und der Aufrechnung ............................... 83 III. Schutz dinglicher Sicherheiten ................................................... 86 B. Reichweite der Kollisionsnorm ......................................................... 87 I. Sachlicher Anwendungsbereich ................................................. 87 1. Beschränkung auf Sicherheiten an Wertpapieren ................. 88 2. Wertpapierbegriff ................................................................ 89 3. Eintragung oder Verbuchung der Wertpapiere ..................... 90 a) Register, Konto und zentrales Verwahrsystem .............. 90
Inhaltsverzeichnis
XI
b) Rechtsbegründende Wirkung ........................................ 92 Effektengiroverkehr zwischen Schuldund Sachenrecht .................................................................. 95 a) Auslegung der Finalitätsrichtlinie ................................. 95 b) Verhältnis zur Rom I-VO .............................................. 98 5. Bezug zur Insolvenz .......................................................... 102 6. Konkreter Regelungsgegenstand ........................................ 104 II. Persönlicher Anwendungsbereich............................................. 106 1. Sicherungsnehmer ............................................................. 106 a) Begriff des Teilnehmers .............................................. 106 b) Einstufige Vorstellung eines Systems ......................... 107 2. Sicherungsgeber ................................................................ 109 III. Räumlicher Anwendungsbereich .............................................. 111 C. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 112 I. Lokalisierung der Einrichtung des Effektengiros ...................... 112 1. Relevanz für die Finalitätsrichtlinie ................................... 113 2. Bankinternes und -externes Outsourcing ............................ 113 3. Ansätze für eine Lokalisierung .......................................... 115 a) Optionen für eine legislative Konkretisierung ............. 115 b) Effektiv handelnde Stelle des Intermediärs ................. 116 II. Vielzahl beteiligter Intermediäre .............................................. 120 1. Konzeptionelle Schlüsselfrage von PRIMA ....................... 120 2. Umgehung durch beschränkten Anwendungsbereich .......................................................... 122 3. Maßgaben für die überschießende Umsetzung ................... 123 a) Entscheidung zugunsten des Empfängers .................... 123 b) Faktische Betrachtung gegen logischen Zirkel ............ 124 c) Behandlung von transparenten Depotsystemen............ 127 d) Temporaler Aspekt ..................................................... 127 III. Wesentliche Defizite des Anknüpfungsmomentes .................... 128 1. Personell begrenzte Rechtssicherheit ................................. 128 2. Maßgeblichkeit mehrerer Rechtsordnungen ....................... 129 a) Kumulierte Empfänger ................................................ 130 b) Konkurrierende Empfänger ......................................... 131 aa) Zuordnung des Problems ...................................... 132 bb) Kollisionsrechtliche Anpassung............................ 132 cc) Materielle Sichtweise ........................................... 135 D. Charakter der Verweisung .............................................................. 137 4.
§4
Finanzsicherheitenrichtlinie ......................................................... 139
A. Grundlegendes zur Richtlinie ......................................................... 139 I. Begriff der Finanzsicherheit ..................................................... 140
XII
Inhaltsverzeichnis
II. Materiell- und insolvenzrechtliche Privilegierungen ................ 145 III. Internationales Privatrecht ....................................................... 148 B. Reichweite der Kollisionsnorm ....................................................... 149 I. Sachlicher Anwendungsbereich ............................................... 149 1. Beibehaltung der Beschränkung auf Sicherheiten .............. 149 2. Wertpapierbegriff .............................................................. 152 3. Ausrichtung auf das Effektengiro ...................................... 153 4. Spektrum der Rechtsstellungen des Kontoinhabers ............ 154 5. Internationales Insolvenzrecht und Finanzsicherheitenrichtlinie .............................................. 157 6. Katalog an Regelungsgegenständen ................................... 158 II. Persönlicher Anwendungsbereich ............................................ 160 III. Räumlicher Anwendungsbereich .............................................. 162 1. Drittstaatlich verbuchte Wertpapiere ................................. 162 2. Räumlich-persönlicher Unionsbezug ................................. 163 C. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 166 I. Lokalisierung des maßgeblichen Kontos .................................. 167 1. Ort der Kontoführung und Ort des Kontos ......................... 167 2. Institutionen des Effektengiros .......................................... 168 3. Wegfall der Lokalisierung in der Richtlinie ....................... 168 4. Ortsbestimmung de lege lata ............................................. 170 II. Auswahl des maßgeblichen Kontos .......................................... 171 1. Maßgeblichkeit des Sicherungsnehmers ............................ 171 2. Einheitliche Beurteilung .................................................... 172 3. Vermeidung von Zirkularität ............................................. 174 III. Fortbestand der Defizite ........................................................... 175 1. Intransparenz der Übertragungswege ................................. 176 2. Mehrere Sicherungsnehmer ............................................... 176 D. Sachnormverweisung ..................................................................... 177 §5
Wertpapiere im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht ...... 179
A. International-insolvenzrechtliche Rechtsakte im Überblick ............ 179 B. Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate ....................................... 183 I. Reichweite der Kollisionsnormen ............................................ 185 1. Sachlicher Anwendungsbereich ......................................... 185 a) Wertpapierbegriff ....................................................... 185 b) Einbeziehung kontoverwahrter Wertpapiere................ 186 c) Eintragung als Voraussetzung für Existenz oder Übertragung ........................................................ 187 d) Rechtspositionen zwischen Sachenund Schuldrecht .......................................................... 188 e) Situative Beschränkung .............................................. 189
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f)
Regelungsgegenstand .................................................. 189 aa) Konzentration auf Verfügungsbefugnis ................ 189 bb) Unberührte sonstige insolvenzrechtliche Fragen .................................................................. 191 cc) Auffassung des nationalen Umsetzungsgesetzgebers ...................................... 192 dd) Anwendungsfälle.................................................. 192 2. Persönlicher Anwendungsbereich ...................................... 195 3. Räumlicher Anwendungsbereich ....................................... 197 II. Anknüpfungsmoment ............................................................... 200 1. Staat der Aufsicht über Register und Konto ....................... 200 a) Zuordnung zur Einführung des PRIMAKriteriums .................................................................. 200 b) Präzisierung des Anknüpfungsmoments ...................... 201 c) Aufsichtsrechtliches Herkunftslandprinzip .................... 202 aa) Zentrale Register .................................................. 202 bb) Depotkonten ......................................................... 204 d) Supranationale Aufsicht ............................................... 205 2. Verfügungen mit Buchungsvorgängen auf mehreren Konten ......................................................... 206 III. Neue Schwächen der drei Verweisungsnormen ........................ 207 IV. Charakter der Verweisungsnormen........................................... 208 C. Art. 24 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ........................................................................ 209 I. Reichweite der Kollisionsnorm ................................................ 211 1. Sachlicher Anwendungsbereich ......................................... 211 a) Abdeckung des Effektengiros ..................................... 211 b) Beschränkung auf eröffnete Insolvenzverfahren .......... 212 c) Regelungsgegenstand .................................................. 212 aa) Kreditinstitut als Gläubiger .................................. 213 bb) Kreditinstitut als Sicherungsgeber ........................ 213 cc) Kreditinstitut als Intermediär ................................ 215 2. Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich .............. 217 II. Anknüpfungsmoment ............................................................... 218 III. Einordnung als Sachnormverweisung ....................................... 219 §6
Resümee: Europäisches Mosaik des Wertpapierkollisionsrechts ..................................................... 220
A. Reichweite der Kollisionsnormen ................................................... 220 B. Verweisungsmoment ...................................................................... 223 C. Fazit ............................................................................................... 226
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung........................................................................227 §7
Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG ............. 227
A. Europäisches Fundament ................................................................ 228 B. Allgemeiner Anwendungsbereich ................................................... 230 I. Überschießende Umsetzung ..................................................... 230 1. Sachliche Extension .......................................................... 230 2. Persönliche Extension ....................................................... 231 3. Räumliche Extension ......................................................... 231 II. Verfügungsgegenstand ............................................................. 232 1. Wertpapiere....................................................................... 232 2. Sammelbestandanteile ....................................................... 234 3. Intermediatisierung ........................................................... 236 a) Registereintrag und Kontoverbuchung ........................ 236 b) Rechtsbegründende Wirkung ...................................... 237 aa) Strenge Interpretation des Merkmals .................... 237 bb) Berücksichtigung des Besitzmittlungsverhältnisses ................................ 238 cc) Zutreffende weite Auslegung ............................... 239 III. Spannungsfeld zwischen Schuld- und Sachenrecht ................... 241 1. Girosammel-Depotgutschriften.......................................... 242 2. Streifbandgutschriften ....................................................... 242 3. Gutschriften über Sammelschuldbuchforderungen ............. 244 4. Gutschriften in Wertpapierrechnung .................................. 245 a) Allgemeine Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung ................................. 247 b) Wortlaut und Regelungszweck von § 17 a DepotG ...................................................... 250 c) Überschießende Umsetzung ........................................ 252 aa) Einheitliche Auslegung ........................................ 253 bb) Kollision mit der Rom I-VO ................................. 253 cc) Vergleichbare Konstellationen ............................. 254 dd) Möglicher Lösungsansatz ..................................... 256 5. Ausländische Rechtspositionen im Effektengiroverkehr ..................................................... 258 IV. Modifikation der Dichotomie von Wertpapierrechts- und -sachstatut ............................................ 258 C. Konkreter Anknüpfungsgegenstand ................................................ 260 I. Begriff der Verfügung ............................................................. 260 1. Gesetzlicher und originärer Erwerb ................................... 260 2. Inhalt und Wirkungen der Rechtsstellung .......................... 262
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II. Eintragung oder Verbuchung der Verfügung ............................ 264 III. Optionen zur Lückenschließung ............................................... 266 1. Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB ................................ 267 2. Effektengiro als unkodifizierter Bereich des Kollisionsrechts........................................................... 269 3. Analogie zu § 17 a DepotG................................................ 270 4. Gesamtbetrachtung zu den Erweiterungen von § 17 a DepotG ............................................................ 271 §8
Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG ....................................... 273
A. Staat der Aufsicht über das Register ............................................... 273 B. Staat der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle ......................... 275 C. Eintragung oder Gutschrift zugunsten des Verfügungsempfängers ............................................................. 277 I. Maßgeblichkeit des Verfügungsempfängers ............................. 277 II. Abwendung eines Zirkelschlusses ............................................ 280 III. Ausnahmen von der Anknüpfung an den Empfänger ................ 283 D. Ungelöste Probleme des Verweisungsmomentes ............................. 284 I. Rechtssicherheit nur für Erwerber ............................................ 285 II. Mehrheit von Empfängern........................................................ 286 E. Charakter der Verweisungsnorm ..................................................... 288 §9
Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht .................. 290
A. § 17 a DepotG und Insolvenzrecht .................................................. 290 B. Überblick zum nationalen Internationalen Insolvenzrecht ............... 292 I. Insolvenzordnung..................................................................... 292 II. Sonderregeln für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute .......................................................................... 293 C. Wirksamkeit von Verfügungen des insolventen Schuldners ............ 296 D. Ausübung von Rechten an Wertpapieren ........................................ 298 E. Ergebnis ......................................................................................... 301 § 10 Resümee: Nationale Ausbesserung des europäischen Mosaiks ............................................................ 303 A. Reichweite...................................................................................... 303 B. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 303 C. Fazit ............................................................................................... 304
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Inhaltsverzeichnis
4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze .............305 § 11 Haager Wertpapierübereinkommen .............................................. 305 A. Grundlegendes zum Übereinkommen ............................................. 306 I. Haager Konferenz für Internationales Privatrecht..................... 306 II. Entstehungsgeschichte der Konvention .................................... 307 III. Europäische Dimension ........................................................... 309 1. Außenkompetenzen der Union........................................... 309 a) Primärrechtliche Grundlagen ...................................... 310 b) Rechtsprechung des EuGH zu impliziten Außenkompetenzen .................................................... 311 c) Konsequenzen für das Effektengiro ............................ 313 2. Berücksichtigung der EU .................................................. 316 a) Einbindung ex ante ..................................................... 316 b) Einbindung ex post ..................................................... 318 3. Verbliebene Probleme ....................................................... 321 4. Europäische Kontroverse um das HWpÜ ........................... 322 B. Reichweite ..................................................................................... 326 I. Sachlicher Anwendungsbereich ............................................... 326 1. Intermediär-verwahrte Wertpapiere ................................... 327 2. HWpÜ und internationales Schuldrecht ............................. 328 3. Kontext der Insolvenz ....................................................... 330 4. Punktueller Regelungsgegenstand ..................................... 331 a) Systematik .................................................................. 331 b) Erfasste Fragen ........................................................... 333 c) Ausgeschlossene Fragen ............................................. 334 II. Persönlicher Anwendungsbereich ............................................ 335 III. Räumlicher Anwendungsbereich .............................................. 335 C. Anknüpfungsregeln ........................................................................ 337 I. Überblick ................................................................................. 337 II. Hauptanknüpfung .................................................................... 339 1. Hintergründe und Genese .................................................. 340 2. Autonome und akzessorische Rechtswahl .......................... 343 3. Rechtswahl über Rechte Dritter ......................................... 345 a) Publizität des Verweisungsmoments ........................... 347 b) Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle ........... 349 c) Bestandsschutz bei abändernder Rechtswahl ............... 352 III. Subsidiäre Anknüpfungen ........................................................ 356 IV. Stufenweise Anknüpfung ......................................................... 357 D. Charakter der Anknüpfungsregeln .................................................. 363
Inhaltsverzeichnis
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§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie............................................. 365 A. Grundlegendes zum Vorhaben ........................................................ 365 I. Bisherige Genese ..................................................................... 365 II. Materiellrechtliche Harmonisierung ......................................... 368 1. Mindestgehalt von Kontopositionen .................................. 368 2. Verfügungen über kontoverbuchte Wertpapiere ................. 370 3. Übergang zu gestuften Depotkonstruktionen? .................... 370 4. Implikationen eines Systemwechsels ................................. 373 III. Gesellschafts-, insolvenz- und aufsichtsrechtliche Elemente .... 374 IV. Kollisionsrechtliche Abstimmung, Ausdehnung und Ausarbeitung ..................................................................... 375 B. Reichweite der Kollisionsnorm ....................................................... 378 I. Sachlicher Anwendungsbereich................................................ 378 1. Einbeziehung des gesamten Effektengiros ......................... 378 2. Wertpapierbegriff und Intermediatisierung ........................ 378 3. Spektrum der Depotrechtsstellungen ................................. 379 4. Verhältnis zum internationalen Insolvenzrecht .................. 380 5. Konkreter Regelungsgegenstand ........................................ 381 II. Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich .................... 383 C. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 383 I. Präzisierung der Lokalisierung ................................................. 383 1. Betreuende Zweigstelle ..................................................... 384 2. Informationspflicht des Kontoführers ................................ 385 II. Relevanter Intermediär ............................................................. 386 1. Gestufte Betrachtung ......................................................... 386 2. Verhältnis zur materiellrechtlichen Konstruktion ............... 387 3. Ausschluss jeder Zirkularität ............................................. 388 4. Einklang mit dem Europäischen Internationalen Insolvenzrecht ................................................................... 388 III. Auswirkungen auf die bisherigen Defizite ................................ 389 1. Rechtssicherheit angesichts anonymer Kapitalmärkte ................................................... 389 2. Mehrzahl von Empfängern ................................................ 390 a) Kumulierte Empfänger ................................................ 390 b) Konkurrierende Empfänger ......................................... 390 IV. Kompatibilität der einzelnen Ebenen ........................................ 391 D. Charakter der Verweisung .............................................................. 394 § 13 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer .................................. 395 A. Grundlegendes zum Vorhaben ........................................................ 395 I. Ausschluss der Einzelverbriefung ............................................ 396
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Inhaltsverzeichnis
II. Europäischer Pass für Zentralverwahrer ................................... 396 III. Kollisionsrecht......................................................................... 397 B. Reichweite der Kollisionsnorm ....................................................... 397 I. Sachlicher Anwendungsbereich ............................................... 398 II. Persönlicher Anwendungsbereich ............................................ 398 C. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 399 I. Verdeckte Einführung der Parteiautonomie .............................. 399 II. Schlüsselfrage von PRIMA ...................................................... 400 § 14 Resümee: Perspektiven zur Vollendung des europäischen Mosaiks ............................................................ 402 A. Reichweite ..................................................................................... 402 B. Anknüpfungsmoment ..................................................................... 403 C. Fazit ............................................................................................... 405
Thesen .........................................................................................................407 Literaturverzeichnis ................................................................................417 Sachregister ............................................................................................... 441
Abkürzungsverzeichnis AGB CBF AJP/PJA ALI BBl. BCBS BEG BIC BIS BRRD BSchuWG BWpVerwG
Allgemeine Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG, Frankfurt Aktuelle Juristische Praxis/Pratique Juridique Actuelle American Law Institute Bundesblatt (der Schweiz) Basel Committee on Banking Supervision Bucheffektengesetz Bank Identifier Code Bank for International Settlements (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) Bank Recovery and Resolution Directive (Richtlinie über Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten) Bundesschuldenwesengesetz Bundeswertpapierverwaltungsgesetz
C.B.L.J. CCP CESAME
Canadian Business Law Journal Central Counterparty Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group (Sachverständigengruppe für Clearing und Abrechnung) COMI Center of Main Interest Cornell Int’l L.J. Cornell International Law Journal CMLJ Capital Markets Law Journal CML Rev. Common Market Law Review CPSS Committee on Payment and Settlement Systems (Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme) CRD IV Capital Requirements Directive CRR Capital Requirements Regulation CSD Central Securities Depository (Zentralverwahrer) CSDR Regulation on Central Securities Depositories (Verordnung über Zentralverwahrer) DTC DTCC
Depository Trust Company Depository Trust & Clearing Corporation
EBA EBF EBLR EDV EFA Rev.
European Banking Authority (Europäische Bankaufsichtsbehörde) European Banking Federation European Business Law Review Elektronische Datenverarbeitung European Foreign Affairs Review
XX EIOPA
Abkürzungsverzeichnis
EuZ EVÜ EWR EZB
European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) European Market Infrastructure Regulation European Review of Contract Law European System of Financial Supervisors (Europäisches Finanzaufsichtssystem) European Securities and Markets Authority (Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde) Europäische Insolvenzverordnung The European Legal Forum Revue Europénne de Droit Bancaire et Financier/European Banking and Financial Law Journal Zeitschrift für Europarecht Europäisches Schuldvertragsübereinkommen Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
GS-Gutschrift GWpÜ
Girosammel-Depotgutschrift Genfer Wertpapierübereinkommen
HGÜ HWpÜ
Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen Haager Wertpapierübereinkommen
IBAN ICAO I.C.L.Q. ICSD IFLR IOSCO ISO
International Bank Account Number International Civil Aviation Organization International & Comparative Law Quarterly International Central Securities Depository International Financial Law Review International Organization of Securities Commissions International Organization for Standardization
JB & F JBFLP JIBFL JDI J.I.B.L.R. JORF JPIL
Journal of Banking and Finance Journal of Banking and Finance Law and Practice Journal of International Banking and Financial Law Clunet – Journal du droit international Journal of International Banking Law and Regulation Journal officiel de la République française Journal of Private International Law
KredReorgG
Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz
EMIR ERCL ESFS ESMA EuInsVO EuLF EUREDIA
LCG Legal Certainty Group (Arbeitsgruppe Rechtssicherheit) Loy. L.A. L. Rev. Loyola of Los Angeles Law Review MiFID
Markets in Financial Instruments Directive (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente)
Abkürzungsverzeichnis
XXI
NCCUSL
National Conference of Commissioners on Uniform State Laws
ÖBA
BankArchiv – Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen
PRIMA
Place of the Relevant InterMediary Approach
R.D.C./T.B.H.
Revue de Droit Commercial Belge/Tijdschrift voor Belgisch Handelsrecht Regional Economic Integration Organisation (Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration) Real Estate Investment Trust Reichsschuldbuchgesetz Revue critique de droit international privé
REIO REIT RSchbG Rev. crit. DIP SA Merc LJ SEPA SJZ SRM SSM SWIFT SZW UCC UNIDROIT
South African Mercantile Law Journal Single European Payments Area (Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum) Schweizerische Juristen-Zeitung Single Resolution Mechanism (Einheitlicher Abwicklungsmechanismus) Single Supervisory Mechanism (Einheitlicher Aufsichtsmechanismus) Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht
Unif. L. Rev.
Uniform Commercial Code Institut international pour l’unification du droit privé (Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts) Uniform Law Review
WFE WPNR WR-Gutschrift WRR
World Federation of Exchanges Weekblad voor Privaatrecht, Notariaat en Registratie Gutschrift in Wertpapierrechnung Wertpapierrechtsrichtlinie
Yb. P. I. L.
Yearbook of Private International Law
ZfRV
Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung
Vgl. zu sonstigen in der Arbeit verwendeten gebräuchlichen Abkürzungen Kirchner/Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin – Boston 2013.
Einleitung „Das Wesen der Papiere auf den Inhaber wurde […] darin gesetzt, daß das Recht des Glaubigers gebunden seyn solle nicht (wie bei anderen Obligationen) an eine bestimmte Person, sondern an ein gewisses Verhältniß irgend einer Person zu dem Papier, der Urkunde.“1
Den Gedanken einer Verkörperung der Forderung in einer Urkunde, die sie zum möglichen Gegenstand von Eigentum und Besitz macht,2 stellte von Savigny Mitte des 19. Jahrhunderts als Grundlage des Wertpapierbegriffs und damit zugleich eines eigenständigen Wertpapierrechts heraus.3 Über 150 Jahre später ist das physische Element in der Praxis der globalen Kapitalmärkte demgegenüber in den Hintergrund getreten: Den praktischen Zwängen von enorm gestiegenen Handelsvolumina4 und daraus resultierender massenweiser Abwicklung der Geschäfte5 geschuldet, wird schon 1
Von Savigny, Das Obligationenrecht als Teil des heutigen römischen Rechts, Bd. 2 (1853, Neudruck 1973), § 66 (S. 130). 2 So explizit ders., a. a. O., § 62 (S. 99). 3 Zur rechtshistorischen Entwicklung des Wertpapierbegriffs im Allgemeinen und zum Beitrag von Savignys im Speziellen Haag, Die Begriffsbildung der Wertpapiere (1969), S. 34 ff. Hinweise auf noch frühere Anklänge des Verkörperungsgedankens bei Zöllner, in: Baur/Esser/Kübler/Steindorff (Hrsg.), FS Raiser (1974), S. 249 Fn. 1. Hinsichtlich der Bedeutung der Verkörperung hat sich Ende des 19. Jahrhunderts letztlich die h. M. herausgebildet, dass (lediglich) die Ausübung des verbrieften Rechts von der Innehabung des Papiers abhängen muss; vgl. die klassische Definition durch Brunner, in: Endemann (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, Bd. II (1882), S. 140 ff., insbes. S. 147. Zur Diskussion s. a. Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 1 ff.; MünchKommBGBHabersack, Bd. 5 (2013), Vor § 793 Rdnr. 5 ff. 4 Für statistische Werte vgl. etwa die Jahresberichte der privaten Börsenvereinigung World Federation of Exchanges (WFE); abrufbar unter (Stand: März 2014). 5 Zu den bei der Wertpapierabwicklung erreichten Dimensionen s. die als „Red Book“ bezeichnete Publikation „Statistics on payment, clearing and settlement systems in the CPSS countries – Figures for 2012“ des Ausschusses für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme (Committee on Payment and Settlement Systems – CPSS) der Zentralbanken der Länder der Zehnergruppe (G 10), abrufbar unter (Stand: März 2014). Speziell für die Länder Europas vgl. auch die Veröffentlichung „Blue Book, Payment and securities settlement systems in the European Uni-
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lange Abstand von einer Übergabe der Wertpapierurkunden genommen. Aufbauend auf einer zentralen Sammelverwahrung vollzieht sich der Transfer von Wertpapieren nicht mehr durch die Lieferung effektiver Stücke, sondern mittels bloßer Buchungen in einem System von Depotkonten. Die tragende Rolle von Zentralverwahrern für das pyramidenförmige Netz der Buchungskonten ist weltweit zumindest mit einer weitgehenden Immobilisierung der Wertpapiere des Kapitalmarktes verbunden; mitunter ist gar eine vollständige Entmaterialisierung unter Verzicht auf jegliche Verkörperung verwirklicht worden. Zu konstatieren ist ein weitgehender Funktionsverlust der Urkunde.6 Der Bedeutungsschwund der Verkörperung steht zwangsläufig in einem Spannungsverhältnis zum traditionellen Wertpapierrecht vieler Staaten. Um den Bedürfnissen des modernen Wirtschaftsverkehrs Rechnung zu tragen, haben sich die nationalen Rechtsordnungen im Kontext der Kapitalmärkte in unterschiedlichem Ausmaß von überkommenen Konzepten gelöst7 und die rechtlichen Grundlagen für ein indirektes Verwahrsystem on“, abrufbar unter (Stand: März 2014) sowie die aktuellen Daten im „Statistical Data Warehouse“ der Europäischen Zentralbank, abrufbar unter (Stand: März 2014). 6 Umfassend zum Funktionsverlust der Wertpapierurkunden Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 7 ff., passim. Vgl. i. Ü. in Bezug auf die deutsche Rechtsordnung Fabricius, AcP Bd. 162 (1963), S. 456, 481 ff.; Koller, DB 1972, S. 1857 f.; Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr (1976), S. 23 ff.; Coing, WM 1977, S. 466; Wolter, Effektenkommission und Eigentumserwerb (1979), S. 101; Dechamps, Wertrechte im Effektengiroverkehr (1987), S. 5 ff., 14 ff.; Than, FS Schimansky (1999), S. 821, 828 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 16 ff. Zu diesem Prozess in anderen Rechtsordnungen siehe nur Brunner, Wertrechte (1996), S. 7 ff., 55 ff. (Schweiz); Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.04 (allgemein); Benjamin, Interests in Securities (2000), Rdnr. 1.79 ff. (allgemein); dies., in: Hudson (Hrsg.), Modern Financial Techniques, Derivatives and Law (2000), S. 61, 63 f. (allgemein); Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.1 f., 2.18 ff. (allgemein); Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 6.21 ff. (allgemein); Goode, Legal Problems of Credit and Security (2003), Rdnr. 6-02 ff. (insbes. England); Favre, Berechtigung von Depoturkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 16; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht (2004), S. 161 ff. (verschiedene Rechtsordnungen). 7 Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.08 ff., klassifizieren die Rechtsordnungen je nach Abkehr von überkommenen rechtlichen Kategorien in traditionelle Ansätze, „semi-modern jurisdictions“ und „fully modern jurisdictions“; ihnen folgend auch Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 5.48 ff. Vgl. i. Ü. die Zusammenstellung der weltweiten Entwicklungsstufen bei Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.38 ff. S. a. Girsberger, in: Berti/Girsberger (Hrsg.), FS Schnyder (2002), S. 77, 78 f.
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geschaffen. Trotz der anhaltenden legislativen Bemühungen in vielen Ländern wird eine Divergenz zwischen den faktischen Verhältnissen bei Wertpapierverwahrung und -übertragung und den geschaffenen rechtlichen Mustern empfunden.8 Dies betrifft nicht nur das materielle Recht, sondern auch und in besonderem Maße das Kollisionsrecht der Wertpapiere. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung der Kapitalmärkte, die durch Liberalisierung der grenzüberschreitenden Kapitalflüsse, Deregulierung von Finanzdienstleistungen und technologischen Fortschritt ermöglicht wurde,9 hat sich das Volumen speziell der grenzüberschreitenden Transaktionen vervielfacht.10 Mit diesem faktischen Zusammenwachsen hat die rechtliche Integration nicht immer Schritt halten können.11 So stellen verschiedene nationale Rechtsrahmen, aber auch unterschiedliche Kollisionsregeln ein gewichtiges Risiko für die Interoperabilität der weltweiten Abwicklungssysteme für Wertpapiere dar. Gerade im internationalen Privatrecht sind daher neue Ansätze erforderlich, um den faktischen Veränderungen für die Wertpapiere des Kapitalmarkts Rechnung zu tragen. Die Unzulänglichkeiten überkommener materiell- und kollisionsrechtlicher Lösungen wiegen deshalb schwer, weil das Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Rahmen der zivilrechtlichen Infrastruktur der Kapitalmärkte besonders ausgeprägt ist. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Verwendung von Wertpapieren als Sicherheitsgegenstand: In großem Umfang werden auf den internationalen Finanzmärkten12 Transaktionen mit rasch
8 Vgl. etwa Bertschinger, in: Honsell u. a. (Hrsg.), FS Kramer (2004), S. 463, der eine „Zersplitterung der Abrechnung und Abwicklung der Wertpapiertransaktionen in Recht und Praxis“ beklagt. Ähnlich Paech/Löber, 22 JIBFL 2007, S. 9: „gap between law and practice“. 9 Zu Hintergründen und Ursachen der Internationalisierung der Kapitalmärkte etwa Kübler, WM 1986, S. 1305, 1306; Baum/Breidenbach, WM 1990, Sonderbeilage Nr. 6, S. 1, 4 f.; Eatwell/Taylor, Global Finance at Risk (2000), S. 1 ff. 10 Entsprach der Wert grenzüberschreitender Transaktionen von Anleihen und Aktien im Jahr 1975 5,1 % des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands, so lag er 1998 bereits bei 331,6 %; ähnlich die Steigerung in den USA (von 4,1 % auf 230,3 %) oder in Japan (von 1,8 % auf 91 %). S. für diese und weitere Länderdaten Cohen/Crockett, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), Hdb. Europäischer Kapitalmarkt (2001), S. 33, 37. 11 Bachmann, IPRax 2007, S. 77; s. a. Schneider, AG 2001, S. 269, 270; speziell zur Rolle des Transaktionsrechts für die Globalisierung Behrens, in: Basedow u. a. (Hrsg.), 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 381, 384. 12 Zur Terminologie ist anzumerken, dass es sich bei dem „Finanzmarkt“ genau genommen um den Oberbegriff, bei dem „Kapitalmarkt“ lediglich um einen Teilbereich neben Geld- und Devisenmarkt handelt; zur Abgrenzung Spremann/Gantenbein, Kapitalmärkte (2005), S. 38; Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 27 Fn. 25; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 14.26 ff.
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zu bestellenden Sicherungsrechten an Wertpapieren hinterlegt.13 Dass für derartige Sicherungsgeschäfte eine stabile und vorhersehbare rechtliche Grundlage unbedingt vonnöten ist, mögen ein konkretes Beispiel aus jüngerer Zeit sowie die abstrakten Implikationen in einem für Kreditinstitute wesentlichen Rechtsgebiet verdeutlichen. So trug sich im Zuge der Ende 2007 ausgebrochenen weltweiten Finanzkrise eine Begebenheit zu, die die Bedeutung des Rechtsrahmens für Wertpapiere aufscheinen lässt. In der Folge der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. und ihrer Tochtergesellschaften14 bereitete die Erfassung und Rückabwicklung der der Bank als Sicherheit bestellten Titel erhebliche faktische und juristische Probleme. Als so genannter „Prime Broker“ hatte Lehman in großem Umfang Kredite an Finanzinvestoren vergeben, die diese durch Hinterlegung von Wertpapieren absicherten. Lehman nutzte diese Instrumente seinerseits für weitere Geschäfte, so dass sich nach dem Zusammenbruch der Investmentbank die tatsächliche, aber auch die rechtliche Zuordnung der Titel äußerst schwierig gestaltete. Eine der weltweiten Folgen war etwa der zumindest zeitweilige „Verlust“ von Aktien eines Investors an der Schweizer Großbank UBS im Gesamtwert von über 950 Millionen Euro.15 Das Beispiel lässt erahnen, welche globalen Risiken eine unzuverlässige rechtliche Infrastruktur für Wertpapiere in sich birgt. In einem größeren Kontext betrachtet, spielen Wertpapiersicherheiten zudem eine Rolle für die bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen. Ursprünglich war die Basler Eigenkapitalvereinbarung von 1988 (Basel I)16 des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht17 weltweite Grundlage18 13
Vgl. Reuschle, BKR 2003, S. 562, 563; Horn, in: Häuser u. a. (Hrsg.), FS Hadding (2004), S. 893 f.; Alexander, in: Andenas/Avgerinos (Hrsg.), Financial Markets in Europe (2003), S. 121, 122 f. 14 Zu diesem Verfahren allgemein etwa Madaus, NZI 2008, S. 715; Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 4. 15 Vgl. die folgenden Presseberichte: Vetterli, UBS-Aktienpaket im Wert von 1,5 Milliarden verschollen, Tagesanzeiger vom 30.9.2008; UBS überrascht mit Rückkehr in die Gewinnzone, FAZ vom 2.10.2008; Kaiser, Luqman und die Lehman-Omas, ManagerMagazin vom 2.10.2008; Jost, Tausende von UBS-Aktien einfach verschollen, Welt Online vom 2.10.2008. 16 Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, verfügbar unter (Stand: März 2014). 17 Der Basler Ausschuss (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) wurde 1974 von den Präsidenten der Zentralbanken der Länder der Zehnergruppe (Group of Ten – G 10) als Folge von Krisen auf den internationalen Finanzmärkten, insbesondere dem Zusammenbruch des Kölner Bankhauses Herrstatt, gegründet. Vgl. hierzu die Informationen auf den Seiten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Bank for International Settlements – BIS), bei der das ständige Sekretariat des Ausschusses angesiedelt ist, unter (Stand: März 2014).
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diesbezüglicher Vorschriften. Als ihr Kernpunkt müssen Banken erworbene Risikoaktiva mit mindestens 8 % Eigenkapital unterlegen, was ihren Kreditvergabespielraum entsprechend beschränkt.19 Die Basler Eigenkapitalvereinbarung von 2004 (Basel II)20 hat an dieser Grundregel festgehalten,21 zeichnet sich jedoch durch eine gesteigerte Risikosensitivität aus. Wesentliches Ziel der Vereinbarung war eine stärkere Differenzierung der Anrechnungssätze nach dem Risikogehalt der Kredite,22 um ökonomisch fragwürdigen Auswirkungen des bisherigen groben Rasters entgegenzuwirken.23 Dementsprechend wurde auch die Kreditrisikominimierung durch Sicherheiten erweitert und differenziert, was deren zivilrechtliche Grundlagen in den Fokus rückt. So können Kreditinstitute Erleichterungen bei den Kapitalanforderungen nur dann erlangen, wenn die ihnen gewährten Sicherheiten bestimmte rechtliche Mindeststandards erfüllen: Die Bestellung der Kreditsicherheit hat Gewähr dafür zu bieten, dass das Kreditinstitut sie zeitnah zu einem vereinbarten Kreditereignis verwerten kann.24 Die Banken müssen alle erforderlichen Schritte unternehmen, um die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Sicherheit nach den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen dauerhaft zu erfüllen, etwa durch Eintragung in ein Register.25 Die bei einem Verwahrer hinterlegten Sicherheiten sollen darüber hinaus durch Trennung vom Vermögen des Verwahrers dem Zu18 Völkerrechtlich handelt es sich bei dem Basler Akkord vom Juli 1988 nur um unverbindliche Empfehlungen, denen sich Gesetzgeber weltweit faktisch jedoch nicht entziehen können; vgl. Zeitler, WM 2001, S. 1397 f.; Jungmichel, WM 2003, S. 1201. 19 Eigenkapitalvereinbarung von 1988, Tz. 44. Zusammenfassung zum Basler Akkord von 1988 und zur europäischen und nationalen Umsetzung bei Jungmichel, WM 2003, S. 1201; Polke, Umsetzung der Eigenkapitalgrundsätze nach Basel II (2005), S. 21; Cluse/Dernbach/Engels/Lellmann, in: Deloitte (Hrsg.), Basel II (2005), S. 19 f.; Follak, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. IV Rdnr. 197 ff.; Schnyder, Europäisches Bank- und Versicherungsrecht (2005), Rdnr. 154 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 1 Rdnr. 118 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz (2012), § 1 SolvV Rdnr. 8 ff. 20 Am 26. Juni 2004 in endgültiger Fassung verabschiedet; abrufbar unter dem Titel „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen; Überarbeitete Rahmenvereinbarung vom Juni 2004“ über (Stand: März 2014). Vorausgegangen waren drei Konsultationspapiere 1999, 2001 und 2003; zur Entstehung Dalhuisen, 18 EBL Rev. 819, 1032 ff. (2007). 21 Eigenkapitalvereinbarung von 2004, Tz. 40. 22 Zeitler, WM 2001, S. 1397, 1398; Volkenner/Walter, DStR 2004, S. 1399, 1400 ff. 23 Kritisiert wurde vor allem der bevorzugte Einsatz des Eigenkapitals zum Erwerb risikoreicher Aktiva innerhalb einer Schuldnerklasse, die einen höheren Zinsertrag generieren; zu derartigen Risikoanreizproblemen Cluse/Dernbach/Engels/Lellmann, in: Deloitte (Hrsg.), Basel II (2005), S. 20 f.; Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 1 Rdnr. 126. 24 Eigenkapitalvereinbarung von 2004, Tz. 123 S. 1. 25 Eigenkapitalvereinbarung von 2004, Tz. 123 S. 2.
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griff durch dessen Gläubiger entzogen sein.26 Die Einhaltung dieser rechtlichen Voraussetzungen ist von den Kreditinstituten nach allen relevanten Rechtsordnungen hinreichend und, soweit nötig, wiederholt zu prüfen.27 Verlässliche juristische Gutachten, mit denen die Institute den Aufsichtsbehörden derartige Kontrolle belegen könnten, sind jedoch nur auf der Grundlage klarer und eindeutiger Rechtsnormen möglich.28 Mittelbar hat damit ein sicherer kollisions- und materiellrechtlicher Rahmen für Wertpapiere Einfluss auf das erforderliche regulatorische Eigenkapital der Banken29 – ein bedeutsamer Zusammenhang auch angesichts der Aufmerksamkeit, die den Eigenkapitalregeln durch die Finanzkrise und das Reformpaket Basel III30 zuteil wurde.31 Das auch in diesem Lichte zu sehende große Interesse der Kapitalmärkte an einem zuverlässigen Wertpapierrecht hat über nationale Reformen hinaus verschiedene regionale und globale Initiativen ausgelöst. Auf internationaler Ebene sind insbesondere zwei völkerrechtliche Verträge hervorzuheben, die sich der kollisions- bzw. materiellrechtlichen Seite der Problematik annehmen. Die 36. Konvention der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, das Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung vom 5. Juli 2006 (Haager Wertpapierübereinkommen – HWpÜ),32 will die kollisionsrechtlichen Probleme durch die Einführung der Rechts26
Vgl. Eigenkapitalvereinbarung von 2004, Tz. 126. Eigenkapitalvereinbarung von 2004, Tz. 118. 28 Vgl. Dupont, in: International Monetary Fund (Hrsg.), Current Developments in Monetary and Financial Law, Volume 3 (2005), S. 857, 866. 29 Zu diesem Zusammenhang Bertschinger, in: Honsell u. a. (Hrsg.), FS Kramer (2004), S. 463, 466 f.; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, S. 117, 119; Bernasconi, Seminar on Current Developments in Monetary and Financial Law (2006), S. 4; Bernasconi/Keijser, Unif. L. Rev. 2012, S. 549, 559 f. Speziell zu den betreffenden europäischen Rechtsakten Weber/Grünewald, 24 JIBFL 70, 72 (2009). 30 Zu Basel III vgl. die Informationen auf den Webseiten des Basler Ausschusses, abrufbar unter (Stand: März 2014). 31 Nach der Transformation von Basel III in das europäische Recht ist die regulatorische Kreditrisikominderung nunmehr geregelt in Teil 3 Titel II Kapitel 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/ 2012, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 3. 32 Die beiden authentischen Fassungen in Englisch („Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities held with an Intermediary“) und Französisch („Convention sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenus auprès d’un intermédiaire“) sind veröffentlicht in: Hague Conference on private international law, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. I, S. 34 ff. Die amtliche deutsche Übersetzung ist abgedruckt in IPRax 2003, S. 550 ff., und RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 757 ff.; eine deutschsprachige Übertragung des französischen Originaltextes findet sich außerdem im Schweizer Bundesblatt Nr. 48 vom 5.12.2006, S. 9441 ff. 27
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wahl lösen und so für Rechtssicherheit bei der Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen sorgen. Einer gewissen sachrechtlichen Harmonisierung dient das am 9. Oktober 2009 vom Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Institut international pour l’unification du droit privé – UNIDROIT) verabschiedete Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ),33 das die materiellrechtliche Bedeutung der Gutschrift des Wertpapiers betont. Die beiden auf eine weltweite Angleichung gerichteten Übereinkommen sind bislang allerdings noch nicht in Kraft getreten.34 Auf regionaler Ebene hat ein anderer Akteur mit seinen Rechtsakten mehr Erfolge bei der grenzüberschreitenden Harmonisierung vorzuweisen: die Europäische Union (EU).35 Hinsichtlich des Kapitalmarkts ist die europäische Rechtsvereinheitlichung so weit fortgeschritten wie in kaum einem anderen Gebiet.36 Lag der Schwerpunkt bei der Schaffung eines integrierten europäischen Finanzmarktes zunächst im Aufsichtsrecht, so widmet sich die Union in zunehmendem Maße dem zugrundeliegenden materiellen und internationalen37 Privatrecht.38 Dies hat Konsequenzen auch für Wertpapiere: Bei den europäischen Institutionen ist der Eindruck entstanden, dass deren bestehendes rechtliches Umfeld den in den vergangenen Jahren beträchtlich gewachsenen grenzüberschreitenden Handelsumsätzen nicht 33 Die beiden authentischen Fassungen in Englisch („UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities“) und Französisch („Convention d’UNIDROIT sur les règles matérielles relatives aux titres intermédiés“) sind abgedruckt in Unif. L. Rev. 2010, S. 220 ff., sowie abrufbar auf den Seiten von UNIDROIT unter (Stand: März 2014). Zur Verabschiedung des GWpÜ Keijser/Parmentier, BKR 2010, S. 151; Estrella Faria, Unif. L. Rev. 2010, S. 196. 34 In der Schweiz gilt das HWpÜ allerdings seit dem 1.1.2010 über einen Verweis in Art. 108 c des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) als autonomes Recht, vgl. BBl. 2008, S. 8355; AS 2009, S. 6579. 35 Durch den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007, ABl. C 306 vom 17.12.2007, S. 1, besitzt die Europäische Union (EU) Rechtspersönlichkeit, Art. 47 EUV, und hat mit Wirkung zum 1.12.2009 die Rechtsnachfolge der Europäischen Gemeinschaft (EG) angetreten, Art. 1 Abs. 3 S. 3 EUV. Terminologisch wird dies im Folgenden nachvollzogen, soweit es sich nicht um wörtliche Übernahmen handelt. 36 Vgl. nur Kümpel, Einführung Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 26. 37 Allgemein zu den verschiedenen Dimensionen des europäischen Kollisionsrechts W.-H. Roth, RabelsZ Bd. 55 (1991), S. 623, 627 ff.; ders., IPRax 2006, S. 338; MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 124 ff. 38 Zum bisherigen Prozess der rechtlichen Integration der nationalen Kapitalmärkte s. etwa Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht, Recht des Primärmarktes (1999), S. 30 ff.; Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, Recht des Sekundärmarktes (2002), S. 4 ff.; Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 21 f., 27 ff.; Thieme, Wertpapierdienstleistungen im Binnenmarkt (2008), S. 30 ff.
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mehr gewachsen ist.39 Zur Richtschnur für die legislativen Maßnahmen haben sich die beiden Berichte zur Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiertransaktionen entwickelt, die von der die Kommission in Finanzmarktfragen beratenden Giovannini-Sachverständigengruppe verfasst wurden.40 Die Berichte identifizieren 15 faktische, steuerliche und rechtliche Hindernisse, die einer effizienten Wertpapierabwicklung in der EU entgegenstünden und deren Beseitigung sich die Kommission seitdem verschrieben hat.41 Insbesondere das Fehlen eines unionsweiten materiellrechtlichen Rahmens für verwahrte Wertpapiere, aber auch die uneinheitlichen nationalen Kollisionsregeln werden als rechtliche Barrieren für die europäische Infrastruktur der Finanzmärkte ausgemacht.42 Vor diesem Hintergrund steht der Bereich der Wertpapierabwicklung und -verwahrung bereits seit Ende der Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der Agenda des europäischen Gesetzgebers, was sich in mehreren Sekundärrechtsakten mit Bezügen zu den auf den Kapitalmärkten gehandelten und übertragenen Titeln niedergeschlagen hat. Punktuell sind dabei Fragen des Privat- und Insolvenzrechts harmonisiert worden; vor allem aber hat sich ein Komplex von Kollisionsvorschriften herausgebildet: Insgesamt sechs verschiedene Einzelbestimmungen in vier Richtlinien und einer Verordnung widmen sich im Schnittfeld von internationalem Sachen-, Schuld- und Insolvenzrecht der Frage des auf intermediatisierte Wertpapiere anwendbaren Rechts. Als Querschnittsmaterie ist ein europäisches Kollisionsrecht des Effektengiroverkehrs entstanden.43 Im Folgenden soll dieser Bereich des unionalen Verweisungsrechts näher beleuchtet werden. Hierzu bedarf es zunächst einer überblicksartigen 39
Vgl. etwa die Mitteilungen der Kommission an den Rat und das Parlament vom 28. Mai 2002, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen, KOM(2002) 257 endg., S. 7 f., 12 ff.; und vom 28. April 2004, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen, KOM(2004) 312 endg., S. 6 ff., 26 ff. 40 Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, November 2001, und Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003, abrufbar unter (Stand: März 2014). 41 Zu den im Hinblick auf die einzelnen Hindernisse ergriffenen Maßnahmen vgl. etwa den Bericht der Sachverständigengruppe für Clearing und Abrechnung (Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group – CESAME) vom 28. November 2008, Beseitigung der dem Finanzdienstleistungssektor zuzuordnenden GiovanniniHemmnisse in Bezug auf dem Handel nachgelagerte Prozesse in der EU, abrufbar unter (Stand: März 2014). 42 Vgl. Hindernis Nr. 13 und 15 in den beiden Giovannini-Berichten. 43 Effektengiroverkehr bezeichnet die buchungsmäßige Übertragung der Wertpapiere des Kapitalmarkts; zu den Einzelheiten ausführlich unten § 1.
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Darstellung der zum Verständnis unabdingbaren faktischen und rechtlichen Grundlagen sowie der wesentlichen kollisionsrechtlichen Problemfelder (1. Kapitel). In dem sich anschließenden zentralen Abschnitt werden die einzelnen Bestimmungen der verschiedenen Sekundärrechtsakte näher analysiert. Hier gilt es, den Inhalt der nicht gerade eingängig formulierten Vorschriften zu erarbeiten, die Parallelen und gemeinsamen Grundzüge aufzuzeigen und die bestehenden Probleme offenzulegen (2. Kapitel). Sodann ist die nationale Umsetzung der Richtlinienbestimmungen aus dem europäischen Normkomplex darauf zu untersuchen, ob diese Gelegenheit zur unmittelbaren Behebung identifizierter Defizite und Schwächen des Unionsrechts genutzt worden ist (3. Kapitel). Falls sich bestimmte Mängel auch insofern als nicht behoben oder gar als nicht behebbar erweisen, sind die Optionen für die Weiterentwicklung des europäischen Rechts auszuloten. Als heteronome Lösung stand zeitweise ein Beitritt zum Haager Wertpapierübereinkommen in der Diskussion; noch immer bietet die Konvention inhaltliche Anregungen. Als autonome Lösung und gleichzeitig als Blick in die europäische Zukunft ist die von der Kommission geplante Kodifikation der bestehenden Rechtsakte in einer umfassenden Richtlinie zur Rechtssicherheit von Wertpapierverwahrung und -verfügung (Wertpapierrechtsrichtlinie – WRR) einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen. Dagegen erweist sich der jüngste kollisionsrechtliche Vorstoß der Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung über Zentralverwahrer nicht als überzeugender Lösungsansatz (4. Kapitel).
1. Kapitel
Grundlagen Die kollisionsrechtliche Problematik der kontoverbuchten Wertpapiere des Kapitalmarkts ist eng verwoben mit den tatsächlichen und materiellrechtlichen Grundlagen. Bevor die kollisionsrechtlichen Problemfelder skizziert werden können, sind daher als Ausgangspunkt die wesentlichen Charakteristika intermediatisierter Wertpapiere herauszustellen.
§1
Effektengiroverkehr
Die Wertpapierverwahrung und -übertragung ist der unprätentiöse Unterbau des Kapitalmarkts.1 Kennzeichnend ist eine durch die Praxis herausgebildete buchungsmäßige Transaktionsform: der so genannte Effektengiroverkehr. Der Begriff steht für die stückelose Übertragung von Effekten mittels Abbuchungen und Gutschriften auf Depotkonten.2 Bei den Effekten handelt es sich um die vertretbaren Wertpapiere des Kapitalmarkts, die Gegenstand gewerbsmäßiger Umsatzgeschäfte sein können.3 Die Vertretbarkeit der Wertpapiere setzt (in Anlehnung an die Regelung des § 91 BGB) voraus, dass sie üblicherweise nach Art und Zahl bestimmt werden und damit innerhalb der Gattung austauschbar sind.4 Eine solche Fungibilität ermöglicht zusammen mit einer auch im Übrigen gesteigerten Umlauffähigkeit die Handelbarkeit der fraglichen Instrumente an den Kapital-
1
Vgl. die Charakterisierung der Finanzmarktinfrastruktur durch die Kommission auf der früheren Fassung ihrer Webseite: „Infrastructure has often been compared to the plumbing in the building of the EU financial market: vital, but unglamorous and forgotten until something goes wrong“, abrufbar unter (Stand: März 2014). 2 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 21 f.; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.191; Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 72. 3 Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 6 Rdnr. 111; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 51. 4 G. H. Roth, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2007), § 10 Rdnr. 16.
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1. Kapitel: Grundlagen
märkten.5 Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Verbriefung in einer Urkunde keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen von Effekten darstellt;6 neben Briefeffekten existieren dementsprechend auch unverbriefte Bucheffekten.7 Im nationalen Kontext ist der bankgeschäftliche Effektenbegriff weiteren Restriktionen unterworfen. Insbesondere soll das auf Effekten bezogene Geschäft der Kreditinstitute der Kapitalaufbringung und -anlage dienen, so dass es sich lediglich auf die mittel- oder langfristige Anlage von Geldmitteln bezieht.8 Hierfür eignen sich nur Wertpapiere mit einer Laufzeit von über zwei Jahren, während etwa Schuldverschreibungen mit geringerer Laufzeit wegen ihrer Kurzfristigkeit nicht unter den nationalen Begriff der Effekten fallen.9 Zwar handelt es sich bei letzteren ebenfalls um Kapitalmarktpapiere; diese werden aber nicht dem Segment des Wertpapiermarkts, sondern dem des Geldmarkts zugerechnet.10 Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Unterteilung des Kapitalmarkts nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Geschäfte umstritten, ob sich das Effektengeschäft nur auf die Kassamärkte oder auch auf die Terminmärkte erstreckt.11 Im Folgenden soll – insbesondere für Zwecke des Kollisionsrechts – die Bezeichnung „Effektengiro“ von den angerissenen terminologischen Feinheiten des nationalen Effektenbegriffs gelöst werden. Der Terminus wird in einem funktionalen Sinne verstanden, der alle weltweiten Erscheinungsformen einer buchungsmäßigen Übertragung von fungiblen Finanzmarkttiteln einschließt. Begründen lässt sich ein solch weites Begriffsverständnis nicht zuletzt damit, dass der Begriff auch in das Europarecht Eingang gefunden hat: Art. 1 Abs. 1 lit. g) der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsi5
Ausführlich zu den Merkmalen der Austauschbarkeit (Fungibilität) und der gesteigerten Umlauffähigkeit Brandt, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 15.22 ff. 6 Vgl. nur im materiellen deutschen Kapitalmarktrecht die Legaldefinitionen eines Wertpapiers in § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG und § 1 Abs. 11 S. 2 KWG, die bestimmte Titel ausdrücklich auch dann einschließen, wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind. 7 G. H. Roth, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2007), § 10 Rdnr. 23; MünchKommHGB-Ekkenga, Bd. 5 (2009), Effektengeschäft Rdnr. 35 f. Zur Entmaterialisierung der Effekten unten § 1 D. 8 G. H. Roth, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2007), § 10 Rdnr. 17. 9 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 9.107; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 104 Rdnr. 29. 10 Zu den verschiedenen Segmenten des Kapitalmarkts nach Art der gehandelten Werte Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), Vor § 104 Rdnr. 7 ff. 11 Gegen eine Einbeziehung der Termingeschäfte etwa G. H. Roth, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2007), § 10 Rdnr. 17; dafür etwa MünchKommHGB-Ekkenga, Bd. 5 (2009), Effektengeschäft Rdnr. 5.
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cherheiten (Finanzsicherheitenrichtlinie)12 definiert die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ im Kern als Finanzinstrumente, bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär geführten Depotkonto nachgewiesen werden.13 A. Einordnung in die Kapitalmarktprozesse Interpretiert in diesem offenen Sinne ist der Effektengiroverkehr ein universales Phänomen der dem Wertpapierhandel nachgelagerten Prozesse. Diese lassen sich grob in vier verschiedene Schritte einteilen:14 Zunächst müssen die Handelsdaten eines Kapitalmarktgeschäfts abgeglichen und bestätigt werden (confirmation). Sodann werden die Zahlungs- und Lieferverpflichtungen der Marktteilnehmer abgerechnet (clearing).15 Bedeutsam für beide Prozesse ist die zunehmende Einführung eines zentralen Kontrahenten (Central Counterparty – CCP) an Börsen und sonstigen Handelsplattformen.16 Dieser schiebt sich als Vertragspartner sowohl des Verkäufers als auch des Käufers zwischen die Handelsteilnehmer, um die Abwicklung der Geschäfte sicherer und auch effizienter zu gestalten. Insbesondere nimmt der zentrale Kontrahent das so genannte netting vor, die Verrechnung gegenseitiger Verpflichtungen. Auf diese Weise kann die weitere Durchführung der Lieferung auf Netto-Basis erfolgen, was die Transaktionskosten senkt.17 Aufbauend auf den ersten beiden Schritten erfolgt die abschließende Abwicklung des Geschäfts (settlement) mit zwei weiteren Schritten, der Lieferung der Wertpapiere und der korrespondie12 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43. 13 Zu den weiteren Einzelheiten dieser in der deutschen Sprachfassung misslungenen Definition unten § 4 B. I. 1. In der Richtlinie findet die Bezeichnung „Effektengiro“ in den Erwägungsgründen 7, 8 und 10 sowie in den Artt. 1 Abs. 5, 2 Abs. 1 lit. h), 2 Abs. 2, Abs. 9 Verwendung. 14 Vgl. zu diesen vier Kerntätigkeiten etwa den 1. Bericht der Giovannini-Sachverständigengruppe, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union (November 2001), S. 4 ff. 15 Mitunter wird die Bezeichnung „Clearing“ auch als Oberbegriff für die gesamte Wertpapierabwicklung verwendet; vgl. zur unterschiedlichen Terminologie der Praxis den Glossar von CPSS (März 2003), S. 13, abrufbar unter (Stand: März 2014). 16 Zur Einführung eines zentralen Kontrahenten an der Frankfurter Wertpapierbörse, der Eurex Clearing AG, vgl. Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 3 ff.; Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 2 f.; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des zentralen Kontrahenten (2009), S. 57 ff.; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.202 ff. 17 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 4 f.; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.202.
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renden Zahlung der Gegenleistung. Das settlement der Wertpapiere bedient sich des Effektengiroverkehrs, was diesen zum faktischen Schlusspunkt einer Kapitalmarkttransaktion macht. B. Zugrundeliegende Strukturen Das äußere Erscheinungsbild des Effektengiros wird durch die kontenmäßige Verflechtung einer Vielzahl von Intermediären geprägt.18 Innerhalb eines Landes ergibt sich dabei typischerweise die Form einer Pyramide: An der Spitze steht der nationale Zentralverwahrer (Central Securities Depository – CSD), der – sofern in dem Land eine Verbriefung der Titel stattfindet – die Wertpapierbestände gesammelt verwahrt oder ein zentrales Register unterhält. Durch Umbuchungen zwischen den von ihm geführten Konten ermöglicht der Zentralverwahrer eine stückelose Lieferung der Wertpapiere unter seinen Kunden. Bei diesen Kunden handelt es sich meist selbst wieder um Intermediäre, die als Depotbank (custodian) Wertpapierkonten für Anleger oder weitere Intermediäre auf tieferen Stufen führen. Das rechtliche Geflecht zwischen dem Zentralverwahrer und seinen Kunden zur Lieferung von Wertpapieren wird auch als Wertpapierliefersystem (Securities Settlement System – SSS) bezeichnet19 und kann in unterschiedlicher Weise mit einem Zahlungssystem für die korrespondierende Gegenleistung verknüpft sein.20 Im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Transaktionen des ubiquitären21 Kapitalmarkts bedürfen die beschriebenen nationalen Strukturen zudem einer internationalen Anbindung. Im Wesentlichen sind vier verschiedene Kanäle für den externen Zugriff auf Wertpapiere in einem nationalen Wertpapierliefersystem denkbar:22 Zunächst kann sich ein ausländischer Handelsteilnehmer selbst Zugang zum nationalen Zentralverwahrer verschaffen und dort ein eigenes Konto eröffnen (direct access). Da aber die 18
Vgl. etwa den Überblick des Zusammenwirkens verschiedener Akteure bei Henry, 17 EBLR 999, 1014 ff. (2006), oder Aubry, 23 J.I.B.L.R. 578 (2008). 19 Vgl. auch den entsprechenden Eintrag im Glossar der Europäischen Zentralbank, abrufbar unter (Stand: März 2014). Zur Definition eines „Systems“ im europäischen Sekundärrecht unten § 3 A. I. 20 Die Verknüpfung der Lieferung mit der Gegenleistung wird als delivery versus payment bezeichnet, vgl. die zugehörigen Einträge im Glossar von CPSS (März 2003), S. 20. 21 MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (4. Aufl. 2006), IntGesR Rdnr. 30. 22 Zu den verschiedenen Wegen für die Grenzüberschreitung CPSS, Cross-border securities settlements (März 1995), S. 11 ff., abrufbar unter (Stand: März 2014); CPSS/IOSCO, Recommendations for securities settlement systems (November 2001), Annex 4, S. 42 f.; Giovannini-Sachverständigengruppe, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union (November 2001), S. 7 ff.
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Teilnahme am Kontensystem des Zentralverwahrers meist nicht einem beliebigen Personenkreis offensteht und zumindest mit erheblichen Anforderungen verbunden ist, wird eher ein zusätzlicher Intermediär für die grenzüberschreitende Verbindung eingesetzt. So kann sich der ausländische Anleger als weitere Möglichkeit auch der Dienstleistungen einer inländischen Depotbank bedienen, die über Zugang zum nationalen Wertpapierliefersystem verfügt (local agent). Da auch diese zweite Variante durch den erforderlichen Aufbau einer eigenen Kontobeziehung in die jeweiligen Länder aufwändig ist, bieten bestimmte Intermediäre ihren Kunden den Zugang zu mehreren nationalen Liefersystemen über eine einzige Kontoverbindung an. Insbesondere sind dies die internationalen Zentralverwahrer (International Central Securities Depository – ICSD), die über direkte oder durch lokale Intermediäre vermittelte Anbindungen an eine Vielzahl nationaler Zentralverwahrer verfügen.23 Es existieren gegenwärtig zwei solcher internationaler Zentralverwahrer: Euroclear Bank S.A./N.V. mit Sitz in Brüssel und Clearstream Banking S.A. mit Sitz in Luxemburg. Der erste ICSD gehört zur EuroclearGruppe, welche über andere Tochtergesellschaften die Funktionen eines CSD in verschiedenen europäischen Staaten24 ausübt. Der Konzern befindet sich im Eigentum von 120 Systemteilnehmern.25 Der zweite ICSD gehört zu einer Unternehmensgruppe, die auch den deutschen CSD Clearstream Banking AG Frankfurt umfasst und deren Anteile mittelbar zu 100 % von der Deutsche Börse AG gehalten werden.26 Zur dritten Möglichkeit für die Grenzüberschreitung lassen sich zudem die internationalen Verwahrer (global custodian) zählen. Vergleichbar mit den ICSD ermöglichen sie ihren Kunden den Zugang zu Wertpapieren bei mehreren ausländischen Zentralverwahrern über ein einziges Konto. Es handelt sich um Depotbanken, die selbst ein eigenes Netz in anderen Staaten aufgebaut haben, um ihr Angebot auf Wertpapiere in den dortigen Wertpapierliefersystemen auszuweiten. Stärker als ICSD erbringen sie
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Vgl. zu dieser Kategorie EuG v. 9.9.2009, Rs. T-301/04 (Clearstream), Slg. 2009, S. II-3155 Tz. 9. 24 Gegenwärtig Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, Niederlande, Vereinigtes Königreich und Schweden, vgl. den Überblick unter (Stand: März 2014). 25 Zur Geschichte von Euroclear Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 11.332 f.; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/166. 26 Zur Entstehungsgeschichte der Gruppe um die Muttergesellschaft Clearstream International s. a. Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/167; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 586.
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1. Kapitel: Grundlagen
Dienstleistungen im Bereich der Wertpapierverwahrung und -verwaltung und erfassen tendenziell einen größeren Kreis an Titeln.27 Als vierte Möglichkeit kann sich schließlich eine grenzüberschreitende Verknüpfung für einen ausländischen Anleger auch über seinen eigenen nationalen Zentralverwahrer ergeben. Viele CSD verfügen über gegenseitige Kontenverbindungen, was ihren jeweiligen Kunden den Zugriff auf den ausländischen Wertpapierbestand der anderen CSD ermöglicht.28 C. Immobilisierung der Wertpapiere Wenn auch die rechtliche Ausgestaltung der beschriebenen Strukturen in den einzelnen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich ausfällt, so lässt sich doch eine gemeinsame Mindestanforderung ableiten: Wenn Wesensmerkmal des Effektengiros die buchmäßige Übertragung ohne effektive Lieferung ist, so setzt dies wenigstens eine Immobilisierung etwaiger noch vorhandener Urkunden bei einem am Buchungssystem beteiligten Intermediär voraus. Typischerweise geschieht dies in Form einer zentralen Verwahrung der Wertpapierbestände bei dem CSD an der Spitze der nationalen Kontopyramide. In dieser Hinsicht ist das Effektengiro daher eng mit dem nationalen Recht der Wertpapierverwahrung verknüpft. Als charakteristisches Beispiel für diese Zwischenstufe des Funktionsverlusts der Urkunden kann die Girosammelverwahrung nach materiellem deutschem Recht dienen. Mit dem Begriff wird die Sammelverwahrung der Wertpapiere durch eine Wertpapiersammelbank bezeichnet.29 Bestimmend sind also zwei Merkmale: Zum einen die Person, die die Urkunden tatsächlich verwahrt, zum anderen die Art und Weise dieser Verwahrung. I.
Drittverwahrung
Die verwahrende Stelle wird durch die vertraglichen Rechte und Pflichten im Rahmen der Wertpapierverwahrung bedingt. Als Ausgangspunkt schließt ein Anleger mit seiner Bank einen schuldrechtlichen Depotvertrag über die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren.30 Die Regelungen des Depotgesetzes überlagern für einen solchen Vertrag die allgemeinen 27
Vgl. zu Global Custodians Benjamin/Yates/Montagu, The Law of Global Custody (2002), Rdnr. 1.3 ff.; Schmiedel/Malkamäki/Tarkka, 30 JB & F 1783, 1788 Fn. 3 (2006). 28 S. etwa die Zusammenstellung der Kontoverbindungen des deutschen Zentralverwahrers Clearstream Banking AG Frankfurt zu den ICSD und den ausländischen Zentralverwahrern bei MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 185. 29 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 50; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.94. 30 Subsidiär finden verwahrungsrechtliche Vorschriften gemäß § 29 DepotG auch kraft Gesetzes auf den Besitz an fremden Wertpapieren Anwendung.
§ 1 Effektengiroverkehr
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Bestimmungen zur Verwahrung in den §§ 688 ff. BGB.31 Über ihre Verwahrfunktion hinausgehend verpflichtet sich die Bank im Rahmen der Depotbeziehung auch zur Verwaltung der Wertpapiere, wobei die zugehörigen Dienstleistungen in den Nr. 13 ff. der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen konkretisiert werden.32 Mithin handelt es sich bei einem Depotvertrag um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag, der sein Gepräge durch verwahrungs- und dienstvertragliche Elemente erhält.33 Eine Pflicht der Depotbank, die Verwahrung der Urkunden selbst als so genannte Hausverwahrung34 auszuüben, besteht im Rahmen der Depotbeziehung grundsätzlich nicht. Abweichend von der Auslegungsregel des § 691 S. 1 BGB ist das Institut vielmehr nach § 3 Abs. 1 S. 1 DepotG berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer35 zur Verwahrung anzuvertrauen; einer gesonderten Ermächtigung des Kunden bedarf es hierzu nicht.36 Da die Drittverwahrung nicht im Namen des hinterlegenden Depotkunden erfolgt, schließt die Bank einen eigenen Depotvertrag mit dem Drittverwahrer ab.37 Auf dieser Grundlage ergibt sich eine pyramidenförmige Stufung von Depotverträgen:38 Die unmittelbar mit dem Anleger verbundene Depotbank fungiert in der Regel nur als Zwischenverwahrer,39 der die Verwahrung der Wertpapiere der nächsthöheren Stufe überlässt. Auch dort wird möglicherweise wiederum auf eine Depotbeziehung mit einem höher angesiedelten Verwahrer zurückgegriffen. Effektiv werden die Wertpapiere erst durch die Wertpapiersammel31
Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 8; MünchKommBGBHenssler, Bd. 4 (2012), § 688 Rdnr. 34. 32 Zu diesen Dienstleistungen im Rahmen der Verwahrung Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/245; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.22 ff.; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen (2011), SB WP Rdnr. 118 ff. 33 BGH v. 11.12.1990, Az. XI ZR 54/90, NJW 1991, S. 978; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 3; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.13. Zur früher vertretenen dogmatischen Einordnung als Realvertrag Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 5. 34 Zu der in der Praxis nur noch wenig bedeutsamen Hausverwahrung MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 60 f.; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 9. 35 Nach § 1 Abs. 3 DepotG ist Verwahrer im Sinne dieses Gesetzes, wem im Betrieb seines Gewerbes Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden. 36 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 3 Rdnr. 1. 37 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/12; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.97. 38 Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 8. 39 Legaldefiniert in § 3 Abs. 2 S. 1 DepotG als Verwahrer, der Wertpapiere von einem anderen Verwahrer verwahren läßt.
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bank40 auf der höchsten Ebene verwahrt. Als derartige Wertpapiersammelbank existiert nach der Verschmelzung der früheren Kassenvereine an den inländischen Börsenplätzen Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts41 nur noch die Clearstream Banking AG Frankfurt.42 II. Sammelverwahrung und -verbriefung Neben der Konzentration der Verwahrung bei der zentralen Stelle ist für die Girosammelverwahrung die Art und Weise der bankmäßigen Aufbewahrung charakteristisch. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG darf ein Verwahrer die bei ihm hinterlegten Wertpapiere grundsätzlich der Wertpapiersammelbank zur Sammelverwahrung anvertrauen. Gemeint ist die ungetrennte Verwahrung von Wertpapieren derselben Gattung für sämtliche Depotkunden in einem einheitlichen Bestand.43 Im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes44 wurde Ende des letzten Jahrhunderts die Sammelverwahrung zum gesetzlichen Regelfall bestimmt, was die schon zu diesem Zeitpunkt bestehenden faktischen Verhältnisse widerspiegelte.45 Die ursprüngliche Grundform des Depotgesetzes, die Sonderverwahrung nach § 2 DepotG, kommt nur noch in zwei Fällen zur Anwendung: wenn die fraglichen Wertpapiere nicht zur Sammelverwahrung durch die Wertpapiersammelbank zugelassen sind oder wenn der Hinterleger die gesonderte Aufbewahrung verlangt. Die Zulassung eines Wertpapiers zur Sammelverwahrung wird von der Clearstream Banking AG Frankfurt in ihren
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Nach § 1 Abs. 3 S. 1 DepotG ein Kreditinstitut, das von der nach Landesrecht zuständigen Stelle des Landes, in dessen Gebiet das Kreditinstitut seinen Sitz hat, als solche anerkannt ist. 41 Zu der Verschmelzung Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 21 f.; Baumbach/Hopt-Kumpan, HGB (2014), 2. Teil (13), § 1 DepotG Rdnr. 6. 42 Allerdings nimmt nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank (EZB) über den Sitz der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 1998, BGBl. 1998, Teil II, S. 2995, auch die EZB als Wertpapiersammelbank am Geschäftsverkehr der Wertpapiersammelbanken teil. 43 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 5 Rdnr. 15; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/47; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 449. 44 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 1994 (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. 1994, Teil I, S. 1749. 45 Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 32; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 71.
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Mitteilungsmedien bekanntgegeben.46 Voraussetzung ist die Sammelverwahrfähigkeit des Papiers, die nach § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG vor allem an seine Vertretbarkeit geknüpft ist. Nur aufgrund der hierin liegenden Austauschbarkeit (Fungibilität) der einzelnen Urkunden kann ein einheitlicher Bestand gebildet werden.47 Über das Merkmal der Vertretbarkeit hinaus sind bei bestimmten Wertpapieren für die Sammelverwahrung weitere Modifikationen erforderlich; bei Namensaktien ist etwa ein Blankoindossament für die Zulassung zur Girosammelverwahrung vonnöten.48 Die Sammelverwahrung der Wertpapiere bedeutet eine erhebliche praktische Erleichterung gegenüber der Sonderverwahrung als historischem Leitbild. Im Rahmen dieser Form der Verwahrung sind die Papiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den eigenen Beständen des Verwahrers und den Beständen Dritter aufzubewahren. Praktisch erfolgt die Sonderung dadurch, dass die Wertpapiere eines einzelnen Kunden in Streifbänder gelegt werden, auf denen Inhalt und Zugehörigkeit des Depots vermerkt sind.49 Verglichen mit dieser Streifbandverwahrung erlaubt die Sammelverwahrung eine schnelle und kostengünstige Abwicklung von Wertpapiertransaktionen.50 Eine noch weitergehende Entlastung im Hinblick auf die zur Aufbewahrung benötigten Tresorräume und den Druck einzelner Wertpapierurkunden51 bedeutet die in der Praxis übliche Verbriefung in einer Sammelurkunde. Dieses Wertpapier verbrieft mehrere Rechte, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten, § 9 a Abs. 1 S. 1 DepotG. Die erfassten Einzelrechte verlieren dabei nicht ihre rechtliche Selbstständigkeit, sondern werden lediglich äußerlich in einer globalen Verbriefung zusammengefasst.52 In der Praxis sind verschiedene Bezeichnungen für solche 46 Ziff. IX Abs. 4 der AGB der Clearstream Banking AG Frankfurt (CBF). Zu den verschiedenen Mitteilungsmedien s. die Definition des Begriffs unter Ziff. I Abs. 1 AGB CBF; s. a. Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 6 Rdnr. 288. 47 Vgl. MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 43. 48 Ziff. IX Abs. 1 AGB CBF. Weitere Problemfälle sind vinkulierte Namensaktien und auslosbare Wertpapiere, vgl. Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 6 Rdnr. 288; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 44 ff. Bei der Vinkulierung wird die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden. Auslosbarkeit bedeutet in Bezug auf Schuldverschreibungen, dass es keinen einmaligen festen Rückzahlungstermin gibt, sondern dass nach einer tilgungsfreien Zeit jeweils zu den Zinsterminen anhand der Stücknummern Papiere ausgelost und zurückgezahlt werden. 49 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 5 Rdnr. 4. 50 Vgl. BGH v. 30.11.2004, Az. XI ZR 200/03, BGHZ 161, S. 189, 193 Tz. 15; Baumbach/Hopt-Kumpan, HGB (2014), 2. Teil (13), § 5 DepotG Rdnr. 1. 51 Zu diesen Kosten Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 33. 52 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/88; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 55.
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1. Kapitel: Grundlagen
Urkunden üblich: etwa Gesamttitel, Sammeltitel oder insbesondere Globalurkunde.53 Sammelurkunden können die ganze oder auch nur einen Teil einer Emission verbriefen.54 Sie sind nach § 9 a Abs. 1 S. 1 DepotG nicht zur Haussammelverwahrung geeignet, sondern sind zwingend in die Girosammelverwahrung bei der Wertpapiersammelbank zu geben.55 Zu unterscheiden sind die technische, die interimistische und die DauerGlobalurkunde. Im ersten Fall nutzt der Emittent von Wertpapieren die Ermächtigung in § 9 a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 DepotG und ersetzt einzelne Papiere des Sammelbestandes bei der Wertpapiersammelbank durch eine Sammelurkunde; einer Zustimmung der übrigen Beteiligten bedarf es hierzu explizit nicht. Zur Aufrechterhaltung ihrer Lieferbereitschaft hat die Wertpapiersammelbank allerdings ein Interesse daran, dass ihr neben der Sammelurkunde ein gewisser Handbestand an Einzelurkunden als „Wechselgeld“ verbleibt.56 Im zweiten Fall wird bereits anfänglich, aber nur für einen gewissen Übergangszeitraum, eine Globalurkunde bei der Wertpapiersammelbank eingereicht. Bis zur Druckfertigung der Einzelstücke bietet diese interimistische Urkunde eine Grundlage für das Effektengiro und ermöglicht die amtliche Notierung an der Börse.57 Für die Praxis der Wertpapierverwahrung von zentraler Bedeutung ist schließlich der dritte Fall, die Dauer-Globalurkunde. Grundsätzlich kann ein Hinterleger bzw. Eigentümer im Fall der globalen Verbriefung nach §§ 7, 8 i. V. m. 9 a Abs. 3 S. 1 DepotG die Auslieferung einzelner Stücke verlangen.58 Der Aussteller hat die Sammelurkunde insoweit durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen, als dies für die Auslieferung erforderlich ist; nur während des hierzu erforderlichen Zeitraums darf die Wertpapiersammelbank die Auslieferung verweigern. Dauerhaft ausgeschlossen sind die Ansprüche auf Auslieferung einzelner Stücke gemäß § 9 a Abs. 3 S. 2 DepotG aber dann, wenn der Emittent nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis nicht zur Ausgabe einzelner Wertpapiere an die Inhaber der verbrieften Rechte verpflichtet ist. Möglich ist dies auch bei Aktiengesellschaften: Nach § 10 Abs. 5 AktG kann der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils in der Satzung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden,59 wenn auch ein Anspruch auf Verbriefung sämtlicher 53 Vgl. für weitere Namen Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/88; Scherer-Scherer/Martin, DepotG (2012), § 9 a Rdnr. 2. 54 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 52. 55 Allerdings kann der Hinterleger die Sonderverwahrung verlangen. 56 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/92. 57 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 487. 58 Zu Einzelheiten des Auslieferungsanspruchs unten § 1 E. II. 1. 59 Zur Entstehungsgeschichte und Entwicklung der durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994, BGBl.
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Anteile in einer Sammelurkunde unabdingbares Minimum bleibt.60 Wie schon bei Schuldverschreibungen hat sich in der Praxis die Globalurkunde bei Publikumsgesellschaften über entsprechende Satzungsbestimmungen durchgesetzt.61 Von vornherein entbehrlich ist eine satzungsmäßige Regelung im Spezialfall der REIT-Aktiengesellschaft62, für die der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils in § 5 Abs. 2 REITG bereits gesetzlich ausgeschlossen ist.63 Im Ergebnis führt die mit einer DauerGlobalurkunde verbundene Abschaffung der Einzelstücke dazu, dass der Rechtsinhaber nur noch im Wege des Effektengiros über seine Rechte verfügen kann.64 III. Grenzüberschreitende Kontoverbindungen der Wertpapiersammelbank Schließlich ist für die Immobilisierung der Wertpapiere im Rahmen der Girosammelverwahrung noch auf einen Aspekt hinzuweisen, der die beiden Kernelemente Dritt- und Sammelverwahrung grenzüberschreitend fortsetzt. Als einer der Kanäle für den grenzüberschreitenden Zugang zu einem ausländischen Wertpapierliefersystem ist oben die gegenseitige Verbindung unter Zentralverwahrern herausgestellt worden. Im deutschen Depotrecht findet sich die Grundlage hierfür in § 5 Abs. 4 DepotG. Demnach darf die deutsche Wertpapiersammelbank unter vier Voraussetzungen Wertpapiere im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung einem ausländischen Verwahrer zur Sammelverwahrung anvertrauen: Der ausländische Verwahrer muss in seinem Sitzstaat die Aufgaben einer Wertpapiersammelbank wahrnehmen und einer besonderen Aufsicht unterliegen (Nr. 1), dem Hinterleger muss eine dem DepotG gleichwertige Rechtsstellung am Sammelbestand des ausländischen Verwahrers eingeräumt werden 1994, Teil I, S. 1961, eingeführten Regelung Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/101; Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 32 f. 60 OLG München v. 4.5.2005, Az. 23 U 5121/04, NZG 2005, S. 756, 757; MünchKommAktG-Heider, Bd. 1 (2008), § 10 Rdnr. 58; Hüffer, Aktiengesetz (2012), § 10 Rdnr. 10. Gegen einen Anspruch auf Sammelverbriefung zumindest bei kleinen Aktiengesellschaften Schwennicke, AG 2001, S. 118. 61 Vgl. Schwintowski, Bankrecht (2011), § 14 Rdnr. 42. 62 REIT steht für Real Estate Investment Trust. Bei der REIT-AG handelt es sich um eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die auf die Kapitalanlage in Immobilien ausgerichtet ist; vgl. näher § 1 Abs. 1 des Gesetzes über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz – REITG) vom 28. Mai 2007, BGBl. 2007, Teil I, S. 914. 63 Ob § 5 Abs. 2 REITG auch einer Satzungsbestimmung entgegensteht, die freiwillig einen Einzelverbriefungsanspruch der Aktionäre begründet, ist umstritten; zum Meinungsstand Klühs, RNotZ 2008, S. 509, 522. 64 Claussen, Bank- und Börsenrecht (2008), § 6 Rdnr. 116.
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1. Kapitel: Grundlagen
(Nr. 2), dem Anspruch der deutschen Wertpapiersammelbank gegen den ausländischen Verwahrer auf Auslieferung der Wertpapiere dürfen keine Verbote des ausländischen Sitzstaates entgegenstehen (Nr. 3) und schließlich müssen die betreffenden Wertpapiere vertretbar und zur Sammelverwahrung durch die inländische Wertpapiersammelbank und den ausländischen Verwahrer zugelassen sein (Nr. 4). Die bei dem ausländischen Zentralverwahrer eingelieferten Wertpapiere bilden zusammen mit den bei der Clearstream Banking AG Frankfurt eingelieferten Stücken derselben Wertpapiergattung einen Girosammelbestand.65 In rechtlicher Hinsicht ist allerdings umstritten, ob dieser die im Ausland verwahrten Wertpapiere unmittelbar oder nur die von der inländischen Wertpapiersammelbank erlangten Anteile am ausländischen Bestand umfasst.66 Zusammenfassend lässt sich die Immobilisierung der Wertpapiere im Rahmen der deutschen Girosammelverwahrung, die die Grundlage für die Buchungsvorgänge des Effektengiros bildet,67 in folgender Grafik verdeutlichen:
65 Ziff. IX Abs. 4 AGB CBF. Zu den kollisionsrechtlichen Implikationen der zwei Lageorte unten § 2 B. V. 66 Vgl. einerseits MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 188; andererseits Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/62 f; 8/341. 67 Zu den Einzelheiten der Rechtsstellung des Hinterlegers unten § 1 E. II.
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§ 1 Effektengiroverkehr
Wertpapiersammelbank (Clearstream Banking AG, Frankfurt am Main)
Depotvertrag
Gegenseitige Kontoverbindung, § 5 IV DepotG
Ausländische Wertpapiersammelbank
Depotvertrag
Verwahrer A
Verwahrer B
Depotvertrag
Depotvertrag
Hinterleger A2
Hinterleger A1
Depotvertrag
Übereignung, §§ 929 ff. BGB
Hinterleger B1
Depotvertrag
Hinterleger B2
Abbildung 1: Depotpyramide im Rahmen der Girosammelverwahrung in Deutschland (vereinfacht)
D. Entmaterialisierung der Titel Für das Effektengiro stellt sich allerdings die substanzielle Frage, wozu es überhaupt noch einer körperlichen Grundlage bedarf: Die kennzeichnende buchungsmäßige Übertragung der Titel über Depotkonten bedeutet nichts anderes, als dass die Papiere für die Praxis der Effektentransaktionen keine Rolle mehr spielen. Als faktische Grundlage des Rechtsverkehrs wird der Besitz an der Urkunde durch die Gutschrift auf einem Konto verdrängt. Dementsprechend hängt die besondere Verkehrsfähigkeit der „verbrieften“ Rechte im Rahmen des Effektengiroverkehrs nicht mehr von ihrer Verkörperung in einer Sache ab. Verschiedene Staaten haben den tatsächlichen Funktionsverlust der Urkunden dahingehend rechtlich umgesetzt, dass sie das Effektenwesen über die bloße Immobilisierung der Wertpapiere hinaus vollständig entmaterialisieren. Einen derartigen Schritt hat beispielsweise Frankreich zu Beginn der Achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts unter-
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1. Kapitel: Grundlagen
nommen:68 Alle in Frankreich emittierten und seinem Recht unterliegenden Wertpapiere sind seitdem in einem bei dem Emittenten oder einem zugelassenen Intermediär geführten Konto einzutragen;69 Urkunden werden nicht mehr ausgestellt. Aber auch im deutschen Depotrecht lässt sich ein Beispiel für die vollständige Entmaterialisierung von Titeln finden. Bereits die Praxis der Verbriefung in einer Globalurkunde marginalisiert das Verkörperungselement bei den Effekten derart, dass der Urkunde nur noch ein „sachenrechtlicher Erinnerungswert“70 zukommt. Weitergehend ist für bestimmte Titel bestimmter Emittenten sogar eine vollständige Entstückung hin zu bloßen Bucheffekten erfolgt: die Anleihen der öffentlichen Hand. Die Wurzeln für deren Entmaterialisierung reichen bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts zurück. Im Reichsschuldbuchgesetz vom 31. Mai 191071 wurde die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, die Anleihen des Reichs nicht mehr als Inhaberschuldverschreibungen, sondern als in das Reichsschuldbuch einzutragende Buchschulden zu begeben.72 Nachdem sich zunehmend die Kassenvereine, die Vorläufer der heutigen Wertpapiersammelbank, treuhänderisch für ihre Fremdbestände eintragen ließen, bildete sich durch deren interne Umbuchungen ein „Schuldbuchgiroverkehr“ heraus.73 Drei auf § 42 DepotG gestützte reichsrechtliche Verordnungen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs förderten diese Praxis durch die Ermöglichung der Sammelverwaltung von Schuldbuchforderungen. Insbesondere sollten die Reichsschuldbuchforderungen als Teil des Sammelbestandes des Verwahrers im Sinne des Depotgesetzes gelten und den zum Sammelbestand gehörenden 68 Insbesondere durch Art. 94-II des Loi n°81-1160 du 30 décembre 1981 de finances pour 1982, JORF vom 31. Dezember 1981, S. 3539, und das Décret n°83-359 du 2 mai 1983 pris pour l’application de l’article 94-II de la loi de finances pour 1982 (n°81-1160 du 30 décembre 1981) et relatif au régime des valeurs mobilières, JORF vom 3. Mai 1983, S. 1359. Mittlerweile sind wesentliche Grundlagen des Effektenrechts kodifiziert im 1. Titel des 2. Buchs des Code monétaire et financier (Art. L211-1 bis L214-159), weitere Regelungen finden sich im Code de commmerce (Art. L228-1 bis L228-6-3). Zur Entmaterialisierung in Frankreich Favre, Die Berechtigung von Depotkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 47 ff.; Haentjens, Harmonisation of Securities Law (2007), S. 93 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 63 ff. 69 Vgl. Art. L211-3 Code monétaire et financier: „Les titres financiers, émis en territoire français et soumis à la législation française, sont inscrits dans un compte-titres tenu soit par l’émetteur, soit par l’un des intermédiaires […].“ 70 So die Charakterisierung bei Hirte/Knof, WM 2008, S. 7, 9. 71 Reichsschuldbuchgesetz (RSchbG) vom 31. März 1910, RGBl. 1910, Teil I, BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 651-1. 72 Art. 2 RSchbG. Nach Art. 1 Abs. 1 RSchBG bestand auch die Möglichkeit, Schuldverschreibungen des Reichs in Buchschulden umzuwandeln. 73 Zu dieser Entwicklung Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr (1976), S. 31.
§ 1 Effektengiroverkehr
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Schuldverschreibungen gleichstehen.74 In der Bundesrepublik wurde zunächst die Fortgeltung der vorkonstitutionellen reichsrechtlichen Verordnungen festgehalten75 sowie entmaterialisierte Schuldbuchforderungen auch den Bundesländern76 und später auch der Europäischen Zentralbank77 eröffnet. Zu Beginn dieses Jahrhunderts ist für den Bund eine Kodifizierung der bisherigen uneinheitlichen Rechtsgrundlagen erfolgt: zunächst 2001 durch das Bundeswertpapierverwaltungsgesetz (BWpVerwG)78, an dessen Stelle 2006 wiederum das Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG)79 getreten ist. Auf der neuen Rechtsgrundlage führt die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH das Bundesschuldbuch,80 das der Begründung, Dokumentation und Verwaltung von Schuldbuchforderungen sowie der Dokumentation und Verwaltung sonstiger Verbindlichkeiten dient; die Buchführung kann elektronisch erfolgen.81 In einer Abteilung des Bundesschuldbuchs werden die Sammelschuldbuchforderungen verzeichnet. Nach § 6 Abs. 1 BSchuWG handelt es sich um Schuldverschreibungen des Bundes und seiner Sondervermögen, die dadurch begeben werden, dass Schuldbuchforderungen bis zur Höhe des Nennbetrages der jeweiligen Emission auf den Namen einer Wertpapiersammelbank im Bundesschuldbuch eingetragen werden. Ihre rechtliche Behandlung im BSchuWG entspricht im Wesentlichen den bisherigen vorkonstitutionellen Grundlagen.82 Die zentralen Regelungen enthält § 6 Abs. 2 BSchuWG: Demnach gilt die Sammelschuldbuchforderung als Wertpapiersammelbestand; die Gläubiger der Sammelschuldbuchforderung gelten als Miteigentümer nach Bruchteilen. Als Konsequenz dieser gesetzlichen Gleichstellungsfiktion ist aus74
Zusammenschau der Verordnungen bei Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 15 ff. 75 § 1 des Anleihegesetzes vom 29. März 1951, BGBl. 1951, Teil I, S. 218. 76 Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24. Mai 1972, BGBl. 1972, Teil I, S. 802. 77 Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 1998, BGBl. 1998, Teil II, S. 2995. Hierzu Zahn/Kock, WM 1999, S. 1955 f. 78 Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes – BWpVerwG) vom 11. Dezember 2001, BGBl. 2001, Teil I, S. 3519. Zur Zusammenführung der Rechtsgrundlagen durch das BWpVerwG Keller, BKR 2002, S. 49. 79 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesengesetz – BSchuWG) vom 12. Juli 2006, BGBl. 2006, Teil I, S. 1466. 80 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 5 ff. BSchuWG. 81 § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 BSchuWG. 82 Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 35.
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1. Kapitel: Grundlagen
drücklich festgehalten, dass die Vorschriften des Depotgesetzes entsprechende Anwendung finden.83 Für das rechtliche Schicksal der Sammelschuldbuchforderungen greifen demnach nicht die Vorschriften über die schuldrechtliche Zession, sondern die sachenrechtlichen Bestimmungen der §§ 929 ff. BGB (einschließlich der Normen zum gutgläubigen Erwerb).84 Obwohl in ihrem Fall also Wertpapiere zu bloßen Wertrechten85 entmaterialisiert werden, nehmen die Sammelschuldbuchforderungen auf dieser Grundlage am Effektengiroverkehr teil.86 Abzugrenzen von den Sammelschuldbuchforderungen sind die in einer anderen Abteilung des Bundesschuldbuchs einzutragenden Einzelschuldbuchforderungen. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BSchuWG handelt es sich um Buchforderungen, die auf den Namen einzelner natürlicher oder juristischer Personen lauten. Ob sie begründet werden können,87 hängt von den jeweiligen Emissionsbedingungen ab. Einzelschuldbuchforderungen sind keine den verbrieften Wertpapieren gleichgestellten Wertrechte,88 sondern im Grunde individuelle Ansprüche. Allerdings bedürfen Verfügungen über sie zur Wirksamkeit gegenüber dem Schuldner gemäß § 8 Abs. 1 BSchuWG der Eintragung in das Bundesschuldbuch. Neben dieser relativen Schutzwirkung für den Schuldner kommt der Eintragung auch eine absolute Publizitätsfunktion im Rechtsverkehr zu: Nach § 8 Abs. 2, Abs. 3 BSchuWG ist auf der Grundlage des Bundesschuldbuchs – ohne Rückgriff auf die sachenrechtlichen Vorschriften der §§ 932 ff. BGB89 – ein gutgläubiger (lastenfreier) Erwerb der Einzelschuldbuchforderungen möglich. Ab83
§ 6 Abs. 2 S. 6 BSchuWG. Streitig war zu den reichsrechtlichen Verordnungen, ob es sich dogmatisch um eine direkte Geltung sachenrechtlicher Vorschriften aufgrund einer „Verdinglichung“ oder um eine Rechtsfolgenanordnung mit analoger Anwendung der §§ 929 ff. BGB handelte; zum Streitstand Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 19 f.; Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 41 f. 85 Der Begriff für unverbriefte Titel geht zurück auf Opitz, Depotgesetz (1955), § 42 Anm. 12. 86 Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.117; auf der Grundlage des früheren Rechts etwa Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 42 Rdnr. 36. 87 Für die Begründung sind vier Varianten vorgesehen: die Umwandlung während der Laufzeit einer Sammelschuldbuchforderung, § 7 Abs. 1 S. 1 BSchuWG, die unmittelbare Eintragung, wenn der Gläubiger dem Bund den Kaufpreis zur Verfügung stellt, § 7 Abs. 2 Nr. 1 BSchuWG, die Einlieferung von Bundeswertpapieren zur Umwandlung an die das Bundesschuldbuch führende Stelle, § 7 Abs. 2 Nr. 2 BSchuWG, sowie die Eintragung zur Erfüllung eines gesetzlich begründeten Leistungsanspruchs gegen den Bund oder eines seiner Sondervermögen, § 7 Abs. 3 BSchuWG. 88 S. etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 421. 89 Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 35. 84
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gesehen vom öffentlichen Glauben des Schuldbuchs finden im Übrigen aber die allgemeinen Regelungen zur Übertragung und Verpfändung von Forderungen in den §§ 398 ff., 1273 ff. BGB Anwendung.90 Zur Belieferung von Börsengeschäften sind die Einzelschuldbuchforderungen ungeeignet;91 sie nehmen nicht am Effektengiro teil. E. Rechtspositionen zwischen Sachen- und Schuldrecht Für das Kollisionsrecht erweisen sich die im Effektengiro übertragenen Kontopositionen als heterogener Anknüpfungsgegenstand. Materiellrechtlich beurteilen die nationalen Rechtsordnungen die Gutschriften, die im Rahmen der auf Immobilisierung und Entmaterialisierung aufbauenden Depotsysteme erteilt werden, sehr unterschiedlich. Die rechtliche Interpretation der faktischen Verbuchung variiert dabei in einer Bandbreite zwischen zwei Polen: dem absoluten sachenrechtlichen Eigentum einerseits und der relativen schuldrechtlichen Forderung gegen den Intermediär andererseits. I.
Überblick
Die Vielfalt der weltweiten materiellrechtlichen Rechtspositionen kann an dieser Stelle nur angerissen werden.92 Unbeschadet aller sonstigen Eigenheiten und Differenzen lassen sich die Rechtspositionen anhand eines Merkmals grob in zwei Gruppen einteilen: Entscheidend ist die Frage, gegen wen sich die Rechte des Anlegers auf der untersten Stufe der Depotpyramide richten. Einerseits können sie – zumindest rechtskonstruktiv – über die Stufen der Depotpyramide hinweg reichen, andererseits können sie sich aber auch ausschließlich gegen den jeweiligen unmittelbaren Intermediär richten.93 Angesichts der Mannigfaltigkeit der unterschiedlichen Rechtskonstruktionen mag die Zuordnung zu einer der beiden 90
MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 6. Vgl. Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 104 Rdnr. 92 (zum BWpVerwG). 92 Für einen vertieften Überblick s. auf europäischer Ebene die rechtsvergleichende Untersuchung der die Kommission beratenden Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, abrufbar unter (Stand: März 2014), sowie auf globaler Ebene aus den Vorarbeiten zum HWpÜ die Zusammenstellung der Länderberichte bei Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), S. 71 ff. In der Literatur etwa Favre, Berechtigung von Depoturkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 39 ff.; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht (2004), S. 271 ff.; Haentjens, Harmonisation of Securities Law (2007), S. 257 ff.; Chun, Cross-Border Transactions of Intermediated Securities (2012), S. 157 ff. 93 Diese Zweiteilung nimmt der Erläuternde Bericht zum HWpÜ vor, vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-22 f. 91
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1. Kapitel: Grundlagen
Gruppen bisweilen nicht ganz eindeutig ausfallen. Zur Differenzierung kann beispielsweise allein die depotrechtliche Position gegenüber den Intermediären berücksichtigt werden; setzt diese Rechtsstellung nicht auf der Stufe des eigenen Verwahrers an, so handelt es sich um eine stufenübergreifende Position. Mitunter wird stattdessen aber auch allein das „verbriefte“ Recht gegenüber dem Emittenten herangezogen: Um eine stufenübergreifende Position handelt es sich nach dieser Sichtweise, wenn der Anleger über direkte Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten verfügt, hingegen um eine stufenweise, wenn diese Rechtsbeziehung durch die Intermediäre unterbrochen wird.94 1.
Stufenübergreifende Konstruktion
Eine stufenübergreifende Position liegt nahe, wenn man zum Vergleich die direkte Verwahrung der Wertpapiere durch den Anleger heranzieht. Steht etwa einer Person bei einem Inhaberpapier das Eigentum an der Urkunde zu, so kann dies im Ansatz auch im indirekten Verwahrsystem aufrechterhalten werden. Dem Anleger wird dann weiterhin eine dingliche Rechtsstellung zugebilligt, die sich trotz der Intermediatisierung auf die immobilisierten Urkunden beim Zentralverwahrer bezieht. Damit verbunden sind zugleich die direkten Rechte gegenüber dem Emittenten, etwa die gesellschaftsrechtliche Stellung als Aktionär. Zwischengeschalteten Intermediären kommt tendenziell keine eigene Position an den Wertpapieren zu, so dass sie sich auf die Vermittlung der Rechte des Depotinhabers auf unterster Stufe beschränken. Vor Probleme stellt eine solche materiellrechtliche Konstruktion allerdings die typische Bildung eines zentralen, anonymen Sammelbestandes.95 Aus Gründen der Effizienz werden die gesammelten Urkunden vermengt und nicht mehr individuell zugeordnet, was sich auf die Ausgestaltung der Position eines Depotkunden auswirken muss. Insofern vermag daher selbst eine stufenübergreifende materiellrechtliche Konstruktion die indirekte Verwahrung verbriefter Wertpapiere nicht gänzlich mit dem direkten Halten der Papiere gleichzustellen. Dass ein stufenübergreifender Ansatz aber auch nicht zwingend einen körperlichen Sammelbestand voraussetzt, zeigt das Beispiel des französischen Rechts.96 Wie bereits erwähnt, hat Ende des letzten Jahrhunderts in Frankreich eine vollständige Entmaterialisierung des Effektenwesens statt94 Costantini, SJZ Bd. 106 (2010), S. 366, 368 f., s. a. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-22 f. Vgl. als Beispiel für eine möglicherweise unterschiedliche Einordnung das Schweizer BEG; hierzu unten § 1 E. I. 2. b). 95 Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.39 ff. 96 Costantini, Die drei Anknüpfungsgegenstände des internationalen Effektenrechts (2008), S. 177 ff., sieht im französischen Recht ein „Look-through-Konzept“, was der hier vorgenommenen Einordnung entspricht.
§ 1 Effektengiroverkehr
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gefunden. Der Gesetzgeber betrachtete dies allerdings als eher technische Reform, die die Rechtsstellung des Anlegers gegenüber dem Emittenten unangetastet lassen sollte.97 Daher wird trotz fehlender Verkörperung weiterhin zwischen Inhaberpapieren vergleichbaren „titres au porteur“ und Namenspapieren entsprechenden „titres nominatifs“ unterschieden,98 wobei der Anleger grundsätzlich das Recht zu einem Wechsel in die jeweils andere Form hat.99 In der ersten Alternative geht die Berechtigung des „titulaire“ nur aus den Büchern seines unmittelbaren Intermediärs hervor, während in der zweiten der Emittent den „titulaire“ direkt verbucht.100 Mit einer Gutschrift im entmaterialisierten System wird einerseits eine stufenübergreifende Beziehung zum Emittenten begründet, die sich nach gesellschaftsrechtlichen Maßgaben richtet. Andererseits handelt es sich um ein Vermögensobjekt, über das der „titulaire“ verfügen kann. In der Literatur wird die Rechtsnatur dieser Berechtigung mitunter als „droit personnel“ qualifiziert; herrschend ist jedoch die Einordnung als „droit réel“,101 welches jede eigene Berechtigung der zwischengeschalteten Intermediäre an dem Titel ausschließt.102
97
Vgl. den Bericht des früheren beratenden Gremiums Conseil national du crédit et du titre, Problèmes juridiques liés à la dématérialisation des moyens et des titres (1997), S. 124. 98 S. nur Art. L228-1 al. 2, 3 Code de commerce: „Les valeurs mobilières sont des titres financiers au sens de l’article L211-1 du code monétaire et financier, qui confèrent des droits identiques par catégorie. Les valeurs mobilières émises par les sociétés par actions revêtent la forme de titres au porteur ou de titres nominatifs, sauf pour les sociétés pour lesquelles la loi ou les statuts imposent la seule forme nominative, pour tout ou partie du capital.“ 99 Art. L228-1 al. 4 Code de commerce: „Nonobstant toute convention contraire, tout propriétaire dont les titres font partie d’une émission comprenant à la fois des titres au porteur et des titres nominatifs a la faculté de convertir ses titres dans l’autre forme.“ 100 Vgl. Art. R211-2 Code monétaire et financier: „Lorsque le compte-titres est tenu par l’émetteur, les titres financiers revêtent la forme nominative. Lorsqu’il est tenu par un intermédiaire mentionné à l’article L211-3, les titres financiers revêtent la forme au porteur.“ Zur Unterscheidung s. a. Favre, Die Berechtigung von Depotkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 48 f., Haentjens, Harmonisation of Securities Law (2007), S. 97 f. Dem Emittenten stehen allerdings im Fall der „titres au porteur“ Ansprüche auf Identifikation der Inhaber zu, s. Art. L228-2 Code de commerce. 101 Gestützt wird dies durch die Terminologie des Gesetzes, s. etwa Art. L211-17 al. 1 Code monétaire et financier: „Le transfert de propriété de titres financiers résulte de l’inscription de ces titres au compte-titres de l’acquéreur.“, oder auch Art. L228-1 al. 4 Code de commerce: „Ces valeurs mobilières, quelle que soit leur forme, doivent être inscrites en compte au nom de leur propriétaire, dans les conditions prévues aux articles L211-3 et L211-4 du code monétaire et financier.“ (Hervorhebungen durch Verf.). 102 Überblick zum Meinungsstand bei Maffei, Unif. L. Rev. 2005, S. 237, 242 f.
30 2.
1. Kapitel: Grundlagen
Stufenweise Konstruktion
Demgegenüber zeichnen einige Rechtsordnungen die faktische Stufung der Depotpyramide auch materiellrechtlich nach. Die mit einer Kontobuchung verbundene Position richtet sich dort nur gegen den die Gutschrift unmittelbar erteilenden Intermediär. Möglich ist dies in Form einer rein schuldrechtlichen Forderung, aber auch in Form einer Rechtsstellung sui generis. Zwei Beispiele mögen den gestuften Ansatz verdeutlichen. a) Indirect Holding System in den USA Maßgebliches Leitbild derartiger Depotkonstruktionen ist das indirect holding system nach US-amerikanischem Recht.103 Den Ausgangspunkt für das Recht des Effektengiros bildet in den USA der Uniform Commercial Code (UCC), ein Modellgesetz,104 das den Bundesstaaten als Vorlage für ihr einzelstaatliches Privatrecht dient.105 Zunächst kennt auch der UCC ein klassisches „direktes“ System der Wertpapierinhaberschaft und –verwahrung (direct holding system). Grundlage sind sowohl verbriefte Wertpapiere, die sich in die Inhaberpapiere (bearer form) und die praktisch häufigeren Namenspapiere (registered form) aufteilen,106 als auch unverbriefte Titel, die 1978 eingeführt wurden und für die weitgehend parallele Regelungen zu den verbrieften Wertpapieren gelten107. Kennzeichnend für das direkte System ist eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Anleger und dem Emittenten, die bei Inhaberpapieren durch den Besitz an der Ur-
103 Vgl. etwa Kronke, in: Basedow u. a. (Hrsg.), 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 758, 769: auch außerhalb der Vereinigten Staaten „einflussreichste Kreation“. 104 Erarbeitet wird der UCC durch die beiden Gremien National Conference of Commissioners on Uniform State Laws (NCCUSL) und American Law Institute (ALI); zur Entstehung und Wirkung des UCC allgemein Stone, Uniform Commercial Code (2005), S. X ff.; White/Summers, Uniform Commercial Code (2005), S. 1 ff. 105 Der UCC ist in allen Bundesstaaten übernommen worden (wenn auch nicht alle Überarbeitungen und – im Fall von Louisiana – nicht alle Artikel), vgl. White/Summers, Uniform Commercial Code (2005), S. 1. Zum Stand der Umsetzung des UCC in das Recht der Bundesstaaten s. die Seite der NCCUSL unter (Stand: März 2014). 106 Vgl. die Definitionen von „certificated security“, „bearer form“ und „registered form“ in § 8-102 (a) (4), (2) und (13) UCC. 107 Vgl. die Definition von „uncertificated security“ in § 8-102 (a) (18) UCC. Zur Einführung unverbriefter Titel bei der Novellierung des Art. 8 UCC im Jahre 1978 s. Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, Prefatory Note (I. C.).
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kunde, bei Namenspapieren und unverbrieften Titeln durch die Eintragung in den Büchern des Emittenten vermittelt wird.108 Seit der Novellierung von Art. 8 UCC im Jahr 1994109 bestehen überdies besondere rechtliche Grundlagen für ein indirektes Verwahrsystem (indirect holding system).110 Charakteristisch für die indirekte Konstruktion ist, dass die unmittelbare Beziehung der Anleger zum Emittenten aufgegeben wird; bereits rein faktisch ergibt sich ihre Identität nur noch aus den Büchern der letzten Intermediäre auf der untersten Stufe.111 Wie vergleichbare Depotpyramiden in anderen Rechtsordnungen auch soll das USamerikanische mediatisierte System die massenhaften Kapitalmarkttransaktionen bewältigen. Allerdings sticht der novellierte Art. 8 UCC in seiner Deutlichkeit hervor, mit der er die Bedeutung einer Kontogutschrift vom sonstigen Wertpapierrecht löst. Als Grundstock für das indirect holding system wird an der Schnittstelle zum „verbrieften“ Recht der nominee des Zentralverwahrers Depository Trust Company (DTC)112 in die Bücher des Emittenten113 eingetragen.114 In der Folge fungiert für die Namensaktien im Kontensystem der DTC deren nominee „Cede & Co.“115 dauerhaft als 108
Vgl. Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, Prefatory Note (I. D.). 109 Zur Novellierung von 1994 etwa Einsele, RIW 1997, S. 269, 270 ff. 110 Überblick bei Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 661, 677 ff. (2002); Donald, Der Einfluss der Wertpapierabwicklung auf die Ausübung von Aktionärsrechten (2008), S. 101 ff. 111 Vgl. Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, Prefatory Note (I. D.). 112 Der Zentralverwahrer DTC, zusammen mit u. a. der Clearinggesellschaft National Securities Clearing Corporation (NSCC) eine Tochter der Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC), hält 99 % der sammelverwahrfähigen Wertpapiere im amerikanischen Markt; zur DTC Donald, Der Einfluss der Wertpapierabwicklung auf die Ausübung von Aktionärsrechten (2008), S. 120 f., sowie die Angaben auf der Homepage der DTCC unter (Stand: März 2014). 113 Bereits früher wurde zur Erleichterung von Übertragungen im Aktienregister ein Teil der Kundenwerte auf den Namen ihrer broker eingetragen (so genannte Registrierung im „street name“), was die formale Stellung als Aktionär von der „beneficial ownership“ trennt; hierzu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 314; Gruson, AG 2004, S. 358, 367. 114 Vgl. die Definition des Begriffs „Deposit“ in Rule 1 und die Beschreibung der Dienstleistungen der DTC in Rule 6 der „Rules, By-laws and Organization Certificate of the Depository Trust Company“, September 2009, abrufbar unter (Stand: März 2014). Zu den resultierenden Schwierigkeiten, die Stellung als Aktionär nachzuweisen, etwa die Entscheidung Apache Corporation v. John Chevedden, Fed. Sec. L. Rep. P 95, 632 (2010). 115 Der Name „Cede & Company“ leitet sich von „Certificate Depository“ ab, vgl. Donald, Regulatory Failures in the Design of Securities Settlement Infrastructure (2010), S. 28.
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eingetragener Aktionär, der von den Umbuchungen auf den Depotkonten des Zentralverwahrers und der nachgeordneten Ebenen unberührt bleibt. Aufbauend auf einer derartigen Trennung von der formellen rechtlichen Beziehung zum Emittenten116 misst der novellierte Art. 8 UCC den im Rahmen der Depotpyramide erteilten Gutschriften dann eine besondere Rechtsposition zu: das security entitlement. In klassische Kategorien lässt sich die Position nur schwer einordnen: Es handelt sich sowohl um ein Bündel persönlicher Rechte gegenüber dem Intermediär, als auch um ein dingliches Recht des Anlegers.117 So kommen dem Halter eines entitlement einerseits bestimmte Ansprüche gegen den Intermediär zu, und zwar auch dann, wenn dieser selbst keine entsprechenden Vermögenswerte innehat.118 Im Einzelnen ist der Intermediär etwa verpflichtet, Zahlungen und Dividenden des Emittenten weiterzuleiten,119 die mit einem Titel verbundenen Mitgliedschafts- oder sonstigen Rechte im Auftrag des Berechtigten auszuüben120 oder Übertragungsaufträge auszuführen.121 Andererseits sollen die vom Intermediär faktisch gehaltenen Vermögenswerte in Höhe der gegen ihn gerichteten Berechtigungen nicht in seinem Eigentum stehen und daher auch nicht von seinen Gläubigern beansprucht werden können.122 Vielmehr haben dann die Inhaber eines security entitlement einen „pro rata property interest“123 an den Vermögenswerten, den sie in der Insolvenz des Intermediärs – unter gewissen Voraussetzungen – einem dritten Erwerber der Titel entgegenhalten können.124 Abgesehen vom Insolvenzfall führt aber auch der dingliche Aspekt des entitlement nur zu den verschiedenen gegen den eigenen Intermediär gerichteten Ansprüchen.125 Mit den geschilderten Besonderheiten in der Insolvenz kommen den zwischengeschalteten Intermediären eigenständige Rechte gegenüber den 116 Allerdings besteht für den Anleger über das Direct Registration System (DRS) die Möglichkeit, sich in Alternative zum indirect holding system selbst im Aktienregister eintragen zu lassen; zum DRS Donald, WM 2008, S. 526, 532 f. 117 Vgl. die Definition des security entitlement in § 8-102 (17) UCC: „‘Security entitlement’ means the rights and property interest of an entitlement holder with respect to a financial asset specified in Part 5.“ S. a. den offiziellen Kommentar bei Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, § 8-102 Definitions, Official Comment (2005) 17: „A security entitlement is both a package of personal rights against the securities intermediary and an interest in the property held by the securities intermediary.“ (Hervorhebungen durch Verf.). 118 § 8-501 (c) UCC. 119 § 8-505 UCC. 120 § 8-506 UCC. 121 § 8-507 UCC. 122 § 8-503 (a) UCC. 123 § 8-503 (b) UCC. 124 Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen § 8-503 (d) UCC. 125 § 8-503 (c) UCC i. V. m. § 8-505 bis § 8-508 UCC.
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Kontoführern auf der nächsthöheren Stufe zu, wobei auf höchster Ebene für die Konten im Rahmen des zentralen Abwicklungssystems besondere Regeln zulässig sind.126 Weiterhin entspricht es dem gestuften Ansatz, dass den Gläubigern eines Anlegers der rechtliche Zugriff auf dessen security entitlement nur bei dem unmittelbar kontoführenden Intermediär möglich ist;127 eine Pfändung auf höherer Ebene der Depotpyramide, wo die Identität des Anlegers ohnehin unbekannt bleibt, scheidet damit aus. Grundlage der stufenweisen Konstruktion des UCC ist allein die unmittelbar erteilte Kontogutschrift, was sich insbesondere auf die Art und Weise des Rechtserwerbs auswirkt: Während bei stufenübergreifender Konstruktion ein derivativer Erwerb möglich ist, bei dem erworbene und verlorene Position identisch sind, kommt es bei stufenweiser Konstruktion tendenziell zum originären Erwerb eines neugeschaffenen Rechts. So wird denn auch das Bündel an Rechten, das mit einem security entitlement verbunden ist, nicht etwa durch Abtretung übertragen. Vielmehr erlischt die Berechtigung des verkaufenden Anlegers gegen seinen Intermediär, während beim erwerbenden Anleger eine neue Berechtigung gegen den eigenen Intermediär entsteht.128 Der originäre Erwerb ist auch nicht davon abhängig, dass der Intermediär selbst eine ausreichende Deckung aufweist, aus der heraus er seinem Kunden eine Berechtigung „übertragen“ kann.129 Vielmehr wird ein security entitlement allein dadurch erworben, dass ein Vermögenswert einem vom Intermediär geführten Depotkonto gutgeschrieben wird.130 Die vom UCC aufgestellte Pflicht der Intermediäre, für eine ausreichende Deckung der erteilten Berechtigungen zu sorgen,131 ist nicht mit dem Rechtserwerb ihrer Kunden verknüpft.
126 § 8-111 UCC; zu den Besonderheiten der Buchungen im Rahmen des zentralen Abwicklungssystems Donald, WM 2008, S. 526, 531. 127 Vgl. § 8-112 (c) UCC. 128 Deutlich der offizielle Kommentar bei Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, § 8-102 Definitions, Official Comment (2005) 5: „That package of rights is not, as such, something that is traded. When a customer sells a security that she had held through a securities account, her security entitlement is terminated; when she buys a security that she will hold through her securities account, she acquires a security entitlement. In most cases, settlement of a securities trade will involve termination of one person’s security entitlement and acquisition of a security entitlement by another person. That transaction, however, is not a ‘transfer’ of the same entitlement from one person to another.“ Zur Übertragung von Aktien im indirect holding system des UCC s. a. Gruson, AG 2004, S. 358, 370. 129 Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, § 8102 Definitions, Official Comment (2005) 3. 130 § 8-501 (b) (1) UCC; sonstige Möglichkeiten des Erwerbs in § 8-501 (b) (2) und (3) UCC. 131 § 8-504 (a) UCC.
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1. Kapitel: Grundlagen
b) Schweizer Bucheffektengesetz Zumindest einige funktionale Merkmale des UCC lassen sich auch bei einem der weltweit jüngsten Depotgesetze wiedererkennen: dem Schweizer Bucheffektengesetz (BEG) vom 3. Oktober 2008,132 das am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist.133 Anders als nach dem Modell des UCC bleibt nach dem neuen schweizerischen Recht allerdings die unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Emittenten in Form von Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechten – zumindest konzeptionell – bestehen.134 Zieht man dieses Kriterium als allein maßgeblich für die Unterscheidung zwischen stufenübergreifenden und gestuften Depotsystemen heran, so müsste das BEG daher ersterer Gruppe zugeordnet werden.135 Gleichwohl bindet das Schweizer Gesetz das direkte Verhältnis des Anlegers zum Emittenten in eine depotrechtliche Konstruktion ein, die Züge eines gestuften Systems trägt. So soll mit dem BEG anerkannt werden, dass der Anleger seine Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte aufgrund der Anonymität auf den höheren Stufen der Depotpyramide nur mit Hilfe seiner kontoführenden Verwahrungsstelle ausüben und nur unter deren Mitwirkung über sie verfügen kann.136 Hierzu schafft das BEG ebenfalls ein neues Vermögensobjekt sui generis,137 während dessen Bestehen die traditionelle (stufenübergreifende) sachenrechtliche Miteigentumslösung an den verkörperten Urkunden suspendiert ist:138 die Bucheffekte. Art. 3 des neuen Gesetzes definiert Bucheffekten als vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über welche der Kontoinhaber nach den Vorschriften des BEG verfügen kann; sie sollen gegenüber der Verwahrungsstelle und jedem Dritten wirksam und dem Zugriff eines Gläubigers der
132 Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz – BEG) vom 3. Oktober 2008, AS 2009, S. 3577. 133 Vgl. Nr. 2 des Beschlusses des Bundesrates vom 6. Mai 2009 über den Ablauf der Referendumsfrist und die Inkraftsetzung des Bucheffektengesetzes, AS 2009, S. 3590. 134 Vgl. insbesondere Art. 13 Abs. 1 BEG: „Die Entstehung von Bucheffekten lässt die Rechte der Anlegerinnen und Anleger gegenüber dem Emittenten unberührt.“ S. a. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9345. 135 So wohl Costantini, SJZ Bd. 106 (2010), S. 366, 369. 136 Art. 13 Abs. 2 BEG; s. a. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9357 f. 137 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9339 und 9345. 138 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9349. In der Literatur von der Crone/Bilek, SZW 2008, S. 193, 196; Bärtschi, AJP/PJA 2009, S. 1071, 1072.
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Verwahrungsstelle – auch in deren Insolvenz139 – entzogen sein. Die dogmatische Einordnung des neuen Rechtsinstituts fällt wie beim security entitlement ambivalent aus.140 Das Vermögensobjekt Bucheffekte weist Merkmale sowohl einer schuldrechtlichen Forderung als auch einer Sache auf.141 Dem hybriden Institut kommen die funktionellen Eigenschaften eines Wertpapiers zu, ohne aber eine vollwertige Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein. Zu seiner Entstehung sind nach Art. 6 BEG zwei Schritte erforderlich: Erstens bedarf es der Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung, der Hinterlegung einer sammelverbrieften Globalurkunde oder der Eintragung unverbriefter Wertrechte im Hauptregister einer Verwahrungsstelle;142 zweitens ist hierüber eine Gutschrift auf einem oder mehreren Effektenkonten erforderlich.143 Gleichfalls eher einem gestuften System entsprechend ist nach den Regelungen des BEG von einer eigenen Rechtsposition der Verwahrungsstelle gegenüber dem nächsthöheren Intermediär auszugehen, wenn diese Stelle, wie regelmäßig, die von ihr verwahrten Wertpapiere beim Zentralverwahrer in Drittverwahrung gibt. Zwar handelt es sich bei einer Verwahrungsstelle, die die Bucheffekten nicht für eigene Rechnung hält, ausdrücklich nicht um einen „Anleger“ im Sinne des Gesetzes.144 Die gesellschafts- oder schuldrechtliche Position des Anlegers gegenüber dem Emittenten kann dementsprechend nur der Person auf unterster Ebene zukommen. Die zwischengeschaltete Verwahrungsstelle ist jedoch – auch bezüglich der von ihr vermittelten Kundenbestände – ein „Kontoinhaber“ im Sinne des BEG,145 so dass sie gegenüber ihrem übergeordneten Intermediär 139
Art. 17 BEG gewährt den Anlegern insofern ein Absonderungsrecht. Zur Rechtsnatur einer Bucheffekte in der Literatur von der Crone/Bilek, SZW 2008, S. 193, 196; Costantini, Die drei Anknüpfungsgegenstände des internationalen Effektenrechts (2008), S. 195; Eggen, SZW 2009, S. 116, 121; Bärtschi, AJP/PJA 2009, S. 1071, 1072; Dalla Torre/Leisinger/Mosimann/Rey/Schott/Weber, recht 2010, S. 16; Hess/Stöckli, SJZ Bd. 106 (2010), S. 153. 141 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9339. Kritisch zum Begriff der Sache in Bezug auf die Bucheffekte Wiegand, in: Apathy u. a. (Hrsg), FS Koziol (2010), S. 1125, 1136 f. 142 Abhängig von Ausgabebedingungen oder Gesellschaftstatut kann der Emittent die Unterlage der Bucheffekten in eine andere der drei Formen sammelverwahrte Wertpapiere, Globalurkunde oder Wertrechte umwandeln, Art. 6 Abs. 1 BEG. 143 Der Kontoinhaber kann vom Emittenten – abhängig von Ausgabebedingungen oder Gesellschaftstatut – die Ausstellung einzelner Wertpapieren anstelle einer Globalurkunde oder unverbriefter Wertrechte verlangen, Art. 6 Abs. 2 BEG. Sind in diesem Fall einzelne Wertpapiere hinterlegt, so hat der Kontoinhaber gegen die Verwahrstelle einen Anspruch auf Auslieferung, die zum Untergang der Bucheffekten führt, vgl. Art. 8 BEG. 144 Art. 5 lit. c) BEG. 145 Vgl. die Legaldefinition von Art. 5 lit. d) BEG; s. a. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9347. 140
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1. Kapitel: Grundlagen
die diesem Personenkreis zustehenden Rechte haben muss. Bestätigung findet eine jeweils eigene Rechtsstellung auf den höheren Stufen der Kontopyramide in der Regelung des § 11 Abs. 1 BEG, wonach jede Verwahrungsstelle die von ihr ausgewiesenen Bucheffekten mit Bucheffekten bei sich oder der Drittverwahrungsstelle zu decken hat. Im Falle eines Unterbestandes muss die Verwahrungsstelle unverzüglich Bucheffekten in entsprechendem Umfang erwerben.146 Weiterhin passt Art. 14 BEG zu einem stufenweisen Ansatz, da nach dieser Vorschrift die Zwangsvollstreckung in die Bucheffekten eines Kontoinhabers ausschließlich bei der Verwahrungsstelle zulässig ist, die unmittelbar dessen Konto führt; ein Vollzug auf höheren Stufen der Depotpyramide ist wie beim UCC ausgeschlossen. Schließlich sind auch der Art und Weise einer Verfügung über Bucheffekten gewisse Aspekte eines gestuften Systems zu entnehmen. So wird für die neue Rechtslage gerade nur die unmittelbare Stufe des Erwerbers herangezogen: Gemäß Art. 24 Abs. 1 BEG ist für eine Verfügung zum einen die Weisung des Kontoinhabers an seine Verwahrungsstelle erforderlich, die Bucheffekten zu übertragen,147 zum anderen die Gutschrift der Bucheffekten auf dem Effektenkonto des Erwerbers. Aus der möglichen Vielzahl an Buchungsvorgängen im Rahmen einer Transaktion148 zieht das BEG also ausschließlich die letzte Gutschrift heran und verleiht dieser konstitutive Bedeutung.149 Die übrigen Umbuchungen, insbesondere die korrespondierende Abbuchung vom Konto des Veräußerers, bleiben demgegenüber für den rechtlichen Vorgang außer Betracht. Grundsätzlich nimmt das BEG damit die (zumindest theoretische) Situation hin, dass mittels einer Gutschrift Bucheffekten erworben werden, gleichzeitig aber noch keine entsprechende Belastung beim Veräußerer erfolgt ist.150 Der mit der konstitutiven Wirkung einer Kontogutschrift verbundenen Gefahren ist sich der Schweizer Gesetzgeber auch durchaus bewusst gewesen.151 Als Gegenmit146 Art. 11 Abs. 2 BEG. Tritt der Unterbestand im Fall der Insolvenz auf, so werden zunächst auch die Eigenbestände der Verwahrungsstelle zur Deckung der von ihr ausgewiesenen Guthaben herangezogen; ein dennoch verbleibender Unterbestand wird verhältnismäßig unter den Kontoinhabern ausschließlich dieses Intermediärs aufgeteilt, Art. 19 Abs. 2 BEG. 147 In Art. 15 BEG ist die Pflicht der Verwahrstelle zur Ausführung solcher Weisungen festgehalten. 148 Vgl. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9368. 149 Die konstitutive Bedeutung dieser Gutschrift wird von der Botschaft zum BEG mehrfach als Kernanliegen des neuen Gesetzes herausgestellt, s. BBl. 2006, S. 9316, 9341 f., 9345, 9368, 9372, 9375 und 9397. 150 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9368. 151 Vgl. Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl. 2006, S. 9315, 9372.
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tel soll ein spezieller Mechanismus dienen, mit dem die Rückabwicklung fehlerhafter Buchungsvorgänge ermöglicht wird. Nach Art. 27 Abs. 1 BEG kann zunächst die Belastung beim Veräußerer storniert werden, wenn sie ohne Weisung erfolgt, die Weisung nichtig ist oder die ausgelöste Gutschrift beim Erwerber nicht der Weisung entspricht. Die Gutschrift beim Erwerber kann sodann nach Art. 28 Abs. 1 BEG storniert werden, wenn die entsprechende Belastung storniert worden ist oder die Gutschrift nicht der Weisung entspricht. Wenn also die obige Situation einer Gutschrift ohne korrespondierende Belastung auf dem Fehlen einer Weisung durch den Veräußerer beruht, ermöglicht diese Bestimmung eine nachträgliche Korrektur der Verbuchung mittels Gegenbuchung. Gutgläubigkeit kann der Stornierung nicht entgegengehalten werden, Art. 29 Abs. 5 BEG. Hingegen sind Dritte, die im guten Glauben an die Verfügungsbefugnis eines Kontoinhabers vor der Stornierung der Gutschrift die Bucheffekten oder ein Recht an ihnen erworben haben, nach Art. 29 Abs. 1 BEG geschützt. II. GS-Gutschrift als inländische dingliche Position Der Kontrast zwischen stufenübergreifender und stufenweiser Konstruktion, zwischen dinglicher und gemischter oder rein schuldrechtlicher Kontoposition zeigt sich allerdings nicht nur beim Vergleich verschiedener nationaler Rechtsordnungen. Schon im rein nationalen Kontext steht in Deutschland einem sachenrechtlichen, stufenübergreifenden Grundmodell ein schuldrechtliches, gestuftes Gegenmodell für bestimmte Konstellationen gegenüber. Den Regelfall bildet die sachenrechtliche Berechtigung des Depotkunden. Zur Erfüllung von Wertpapiergeschäften im Inland erteilt der Intermediär nach den insofern maßgeblichen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute152 seinem Kunden auf dessen Konto eine so genannte Girosammel-Depotgutschrift (GS-Gutschrift), sofern die fraglichen Wertpapiere zur Girosammelverwahrung bei der deutschen Wertpapiersammelbank zugelassen sind.153 Hinter dieser Form der Gutschrift steht ein stufenübergreifendes dingliches Konzept, das an den zentralen Sammelbestand anknüpft.
152 Für Banken und Sparkassen gelten einheitliche „Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte“. Als einziges Institut verwendet die Postbank abweichende Klauseln, wobei sich jedoch die Regelungen zur Erfüllung von Wertpapiergeschäften in den Nr. 15 ff. ihrer „Besonderen Bedingungen – Brokerage“ (Stand: 9. Juli 2012) mit den einheitlichen Sonderbedingungen decken. Allgemein zu den Abweichungen Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen (2011), SB WP Rdnr. 21 ff. 153 Nr. 11 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (inhaltlich entsprechend Nr. 16 S. 1 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank); Ziff. IX Abs. 4 AGB CBF.
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1. Depotvertragliche Bedeutung der Hinterlegung zur Sammelverwahrung Grundlage bilden die rechtlichen Folgen der Einlieferung von Wertpapieren in die zentrale Sammelverwahrung. Auf schuldrechtlicher Seite erwächst dem Hinterleger als Teil seiner depotvertraglichen Beziehung nach § 7 Abs. 1 DepotG ein Anspruch auf Auslieferung von Wertpapieren aus dem Sammelbestand.154 Mit Blick auf die vermengten Bestände betont das Depotgesetz, dass der Hinterleger nicht speziell die von ihm eingelieferten Stücke zurückfordern kann.155 Umstritten ist, ob sich dieser Anspruch nur gegen den Verwahrer als unmittelbaren Vertragspartner oder in entsprechender Anwendung von §§ 546 Abs. 2, 604 Abs. 4 BGB auch gegen den Drittverwahrer richtet.156 Jedenfalls ist die Wertpapiersammelbank auf höchster Stufe im Fall der Dauer-Globalurkunde nach § 9 a Abs. 3 S. 3 DepotG berechtigt, eine Auslieferung zu verweigern. 2. Sachenrechtliche Bedeutung der Hinterlegung zur Sammelverwahrung Über die depotvertragliche Bedeutung hinaus kommt der Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung vor allem aber auch eine dingliche Dimension zu. Mit Eingang beim Sammelverwahrer verliert der Eigentümer der Wertpapiere, der nicht mit deren vertraglichem Hinterleger identisch sein muss,157 seine bisherige Rechtsstellung und erwirbt stattdessen nach § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren derselben Art. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maßgebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl.158 Die Anteile beziehen sich dabei auf jede einzelne Urkunde des Sammelbestandes; verändert sich die Größe des Gesamtbestandes durch Ein- oder Auslieferung, so verändern die Bruchteilsrechte entsprechend ihre Größe.159 Sind bereits Bestände derselben Wertpapiere bei der Wertpapiersammelbank vorhanden, so kann 154
Der Anspruch besteht in Höhe des Nennbetrags, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in Höhe der Stückzahl der in Verwahrung genommenen Wertpapiere. 155 Vgl. § 7 Abs. 1 a. E. DepotG. 156 Für eine Verpflichtung des Drittverwahrers aus § 7 Abs. 1 etwa Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2119, 2163; dagegen etwa Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 7 Rdnr. 4. 157 Vgl. BGH v. 18.2.1957, Az. II ZR 276/56, WM 1957, S. 676; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2106. 158 § 6 Abs. 1 S. 2 DepotG. 159 Vgl. Mentz/Fröhling, NZG 2002, S. 201, 205. Nach a. A. besteht der Anteil nicht an den einzelnen Urkunden, sondern nur am gesamten Sammelbestand, vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.75.
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der Verwahrer nach § 5 Abs. 2 DepotG alternativ zur Weiterleitung der eingelieferten Wertpapiere auch schlicht einen entsprechenden Sammelbestandanteil übertragen; das Alleineigentum an den eingelieferten Wertpapierurkunden geht dann auf den Verwahrer über.160 Für die Ansprüche des Miteigentümers und der sonstigen dinglichen Berechtigten161 ordnet § 8 DepotG die entsprechende Anwendung der Vorschriften zu den Ansprüchen des vertraglichen Hinterlegers an, wobei die dogmatische Natur der Gleichstellung umstritten ist: Teilweise wird sie als Modifikation162 oder Ersetzung163 des Anspruchs des Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft nach den §§ 749 ff. BGB eingeordnet, teilweise aber auch als Abwandlung des Herausgabeanspruchs des Eigentümers nach § 985 BGB oder des Herausgabeanspruchs des Miteigentümers aus §§ 1011, 432 BGB gesehen.164 Unabhängig von der Gleichstellung ist die Wertpapiersammelbank im Fall der Dauer-Globalurkunde nach § 9 a Abs. 3 S. 3 DepotG auch gegenüber dem Miteigentümer berechtigt, die Auslieferung zu verweigern. Im Ergebnis ist mit der GS-Gutschrift eine dingliche stufenübergreifende Position verbunden, die ausschließlich der untersten Ebene in der Depotpyramide zusteht; zwischengeschalteten Intermediären auf den höheren Stufen kommt demgegenüber keine eigene dingliche Rechtsstellung zu. 3.
Besitzverhältnisse am Sammelbestand
Eine eigenständige Rolle spielen die zwischengeschalteten Intermediäre nur für den Besitz am Sammelbestand, wenn dieser auch zu den zahlreichen kontroversen Aspekten bei der Sammelverwahrung gehört. Nach herrschender Meinung165 liegt der Girosammelverwahrung ein mehrstufi160 Die Einzelheiten zu § 5 Abs. 2 DepotG sind umstritten, vgl. die Übersicht bei MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 76 ff. 161 Von der zweiten Grupppe umfasst sind insbesondere die Ansprüche der Pfandgläubiger an Miteigentumsanteilen, vgl. § 1258 Abs. 2 BGB. 162 So etwa Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 25, § 8 Rdnr. 1. 163 Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2120, sieht in § 8 DepotG sowohl einen Ersatz für den Anspruch aus §§ 749 ff. BGB als auch für den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Einsele ordnet § 8 DepotG dagegen nur als rein schuldrechtlichen Auslieferungsanspruch ein, s. MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 86; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 15. 164 Für eine Qualifikation als Umgestaltung des § 985 BGB Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/52a, 8/53; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.79; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 88. 165 Vgl. BGH v. 22.4.1997, Az. XI ZR 127/96, NJW 1997, S. 2110, 2111; OLG Karlsruhe v. 3.12.1998, Az. 19 U 33/98, WM 1999, S. 2451, 2455; Decker/Kümpel, Das
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ges Besitzmittlungsverhältnis zugrunde: Der effektive Verwahrer, in der Regel also die Wertpapiersammelbank, ist unmittelbarer Fremdbesitzer, der Zwischenverwahrer ist mittelbarer Fremdbesitzer erster Stufe, § 868 BGB, und der Hinterleger ist mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe, §§ 871, 868 BGB. Falls weitere Zwischenverwahrer eingeschaltet werden, kommt es zu einer entsprechenden zusätzlichen Abstufung des mittelbaren Besitzes.166 Während die Wertpapiersammelbank Alleinbesitz innehat, sind Zwischenverwahrer und Hinterleger zusammen mit den anderen Zwischenverwahrern bzw. Hinterlegern Mitbesitzer.167 Die Gegenansicht168 verneint hingegen – insbesondere bei der Sammelverbriefung in einer Globalurkunde – das Besitzmittlungsverhältnis zwischen Hinterleger und (Zwischen-) Verwahrer. Ansatzpunkt für ihre Kritik an der überwiegenden Meinung ist das Erfordernis eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers, welches allgemein aus der Definition des mittelbaren Besitzes in § 868 BGB als Besitzberechtigung gegenüber dem mittelbaren Besitzer „auf Zeit“ abgeleitet wird.169 Im Fall der Sammelverwahrung bestünde aber gerade kein hinreichender Anspruch des Kontoinhabers: Die Auslieferungsansprüche des Hinterlegers bzw. des dinglich Berechtigten nach §§ 7 Abs. 1, 8 DepotG seien nur auf Auslieferung von Sachen nach Wahl des Schuldners gerichtet, die möglicherweise sogar erst noch hergestellt werden müssten; hinreichende Sachherrschaft könne dies nicht begründen.170 Zudem sei ein Vergleich zur unregelmäßigen Verwahrung nach Aneignung des Verwahrers gemäß § 700 Abs. 1 S. 2, S. 3 BGB zu ziehen; auch dort führe der Anspruch auf Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Menge und Güte zu keinem Besitzmittlungsverhältnis.171
Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/14, 8/14a; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.150; Schwintowski, Bankrecht (2011), § 14 Rdnr. 27; MünchKommBGBK. Schmidt, Bd. 6 (2013), § 1008 Rdnr. 30; im Ausgangspunkt auch Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2020. Die AGB der Clearstream Banking AG halten explizit ein Besitzmittlungsverhältnis fest, s. Ziff. IX Abs. 4, XXI Abs. 1 AGB CBF. 166 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/14. 167 Eder, NZG 2004, S. 107, 110. 168 Den Besitz des Hinterlegers im Rahmen der Sammelverwahrung lehnt allgemein ab Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 71 ff.; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 93; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 18 f. Im Fall der Dauer-Globalurkunde lehnen eine Besitzposition ab Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2021a, 2124 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, S. 1678, 1680 ff.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, S. 201, 209. 169 Vgl. allgemein zu dieser Voraussetzung MünchKommBGB-Joost, Bd. 6 (2013), § 868 Rdnr. 11 m. w. N. 170 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 18 f. 171 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 93.
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Noch verbreiteter ist die Negierung des mittelbaren Besitzes an einer Dauer-Globalurkunde. Angesichts der in diesem praktischen Regelfall ausgeschlossenen Auslieferungsansprüche von Hinterleger und Miteigentümer fällt es in der Tat schwer, mittelbaren Besitz des Kontoinhabers zu unterstellen. Das Ergebnis der herrschenden Meinung lässt sich letztlich nur mit Blick auf den erkennbaren Willen des Gesetzgebers rechtfertigen: Gesetzessystematisch besteht ein Zusammenhang zwischen der Regelung des § 6 DepotG zum Miteigentum und den Vorschriften der §§ 7, 8 DepotG über die Auslieferung. Eine Reduzierung der Rechtsstellung des Hinterlegers auf eine besitzlose, rein schuldrechtliche Position ist nur für einen engen Ausnahmefall, die unregelmäßige Verwahrung nach § 15 DepotG, vorgesehen.172 Da bei der Sammelverbriefung nach § 9 a Abs. 2 DepotG trotz weiterer Zurückdrängung des Verkörperungselements an der Geltung wertpapierrechtlicher Grundsätze festgehalten wird, sollte daher auch hier von einem mehrstufigen mittelbaren Besitz ausgegangen werden. Grundlage für diesen kann aufgrund der ausgeschlossenen Ansprüche auf Auslieferung einzelner Stücke nur ein Gesamtherausgabeanspruch aller Miteigentümer hinsichtlich der Globalurkunde173 sein, der sich aus allgemeinem Verwahrungsrecht gemäß § 695 BGB ergibt.174 Gewisse dogmatische Friktionen lassen sich gleichwohl hinsichtlich der bei der Girosammelverwahrung unterstellten Besitzverhältnisse nicht leugnen. 4.
Verfügungen über Sammelbestandanteile
Für die Verfügung über einen Sammelbestandanteil sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Sie kann zum einen der Ausführung einer Effektenorder zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dienen, die der Kontoinhaber seiner Depotbank erteilt hat; zum anderen sind aber auch sonstige Verfügungen möglich. a) Ausführung der Effektenkommission Aufträge ihrer Kunden zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren führen die Kreditinstitute nach ihren AGB grundsätzlich als Kommissionäre aus.175 Nur dann, wenn sie mit ihren Kunden für das einzelne Geschäft 172 Vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit der Kritik der Gegenmeinung bei Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 13 ff. 173 § 9a Abs. 3 S. 2 DepotG schließt gerade nur die Auslieferung „von einzelnen Wertpapieren“ aus, was sich nicht auf die Sammelurkunde beziehen kann. 174 Hierzu Koller, DB 1972, 1857, 1862; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/110a. S. a. die weiteren Argumente bei Mülbert, in: Habersack/Joeres/Krämer (Hrsg.), FS Nobbe (2009), S. 702 Fn. 51. 175 Vgl. Nr. 1 Abs. 1, Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen.
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einen festen oder bestimmbaren Preis vereinbart haben, treten sie diesen gegenüber selbst als Käufer oder Verkäufer der Wertpapiere auf (Festpreisgeschäft).176 aa) Derivativer Erwerb Beim Kommissionsvertrag handelt es sich um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB, bei der der Kommissionär die Wertpapiere in eigenem Namen für Rechnung des Kommittenten kauft oder verkauft. Anwendung finden grundsätzlich die Vorschriften der §§ 383 ff. HGB, die teilweise durch die Regeln der §§ 18 ff. DepotG überlagert und durch die Sonderbedingungen zu Wertpapiergeschäften ausgestaltet werden.177 Das Kreditinstitut übernimmt es im Rahmen der vertraglichen Beziehung zum Kunden, ein von diesem Rechtsverhältnis zu unterscheidendes Ausführungsgeschäft mit einem anderen Marktteilnehmer oder einer Zentralen Gegenpartei abzuschließen oder hierzu einen Zwischenkommissionär zu beauftragen.178 Weiter ist sie nicht nur dem Marktteilnehmer, sondern auch dem Kommittenten gegenüber verpflichtet, jenes Ausführungsgeschäft abzuwickeln.179 Für die Pflichten des Kommissionärs im Rahmen der Abwicklung enthalten die §§ 18 ff. DepotG spezielle Regelungen für die Einkaufskommission.180 Dabei ist auch ein besonderer Tatbestand181 für den gesetzlichen Erwerb des Miteigentums an dem Sammelbestand der Wertpapiersammelbank vorgesehen: § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG. Hiernach geht das Miteigentum, soweit der Kommissionär verfügungsberechtigt ist, mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs (§ 14 DepotG) auf den Kommittenten über. Bei der Eintragung im Verwahrungsbuch handelt es sich um nichts anderes als die GS-Gutschrift
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Nr. 1 Abs. 1, Abs. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen. 177 Insbesondere ist in den Sonderbedingungen seit 1995 das Selbsteintrittsrecht des Kommisionärs nach §§ 400 ff. HGB nicht mehr vorgesehen. 178 Nr. 1 Abs. 2 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen. 179 MünchKommHGB-Ekkenga, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 436; Koller/Roth/ Morck-W.-H. Roth, HGB (2011), § 384 Rdnr. 2. 180 Überlagert werden insofern vor allem die allgemeinen Pflichten nach § 384 HGB, insbesondere zur Herausgabe des Erlangten. 181 Ein weiterer Sondertatbestand zum Übergang des Eigentums auf den Kommittenten in § 18 Abs. 3 DepotG durch Absendung des Stückeverzeichnisses betrifft nur die Konstellation der Sonderverwahrung; im Fall der Sammelverwahrung ist der Kommissionär gerade nicht zur Verschaffung von Eigentum an bestimmten Stücken verpflichtet, § 24 Abs. 1 DepotG. S. a. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 20 f.
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auf dem Konto des Kunden,182 der im Ausgangspunkt also konstitutive Wirkung für den Erwerb einer stufenübergreifenden dinglichen Position zukommt. Gleichwohl kann sich diese Bedeutung nicht entfalten: § 24 Abs. 2 DepotG greift ausdrücklich dann nicht ein, wenn das Miteigentum nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts schon früher auf den Kommittenten übergegangen ist. Ein solcher vorheriger Eigentumsübergang ohne Durchgangserwerb der Intermediäre wird aber allgemein183 aus den §§ 929 ff. BGB abgeleitet: Die dingliche Einigung schließt demnach die Bank des Veräußerers in eigenem Namen mit Ermächtigung des Kunden nach § 185 BGB.184 Praktisch liegt das konkludente Übereignungsangebot in der Erteilung des Auftrags zur Übertragung im Wege der Verbuchung185 an die Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG.186 Auf Seiten des Erwerbers tritt nach einer Ansicht187 die Wertpapiersammelbank als Stellvertreter auf, der nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, die Annahmeerklärung für den Erwerber abgibt; ein Zugang bei der veräußernden Bank ist nach § 151 BGB entbehrlich. Nach anderer Ansicht188 fungiert die Wertpapiersammelbank als bloßer Empfangsbote, während die Annahme durch die Depotbank des Erwerbers konkludent dadurch erklärt wird, dass sie die Umbuchungen beim Zentralverwahrer geschehen lässt. Unter Zugrundelegung der mehrstufigen Besitzverhältnisse bei der Girosammelverwahrung189 wird eine Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB sodann in der Umstellung der Besitzmittlungsverhältnisse durch die Wertpapiersammelbank gesehen.190 Indem die Clearstream Ban182
Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 24 Rdnr. 19. Zu Einzelheiten des Verwahrungsbuchs s. § 14 DepotG und Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.38 ff. 183 Vgl. zum Folgenden Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 84 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2017 ff.; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/342 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 594. 184 Dies entspricht dem bei der Verkaufskommission üblicherweise abgelehnten Eigentumserwerb des Kommissionärs, vgl. Koller/Roth/Morck-W.-H. Roth, HGB (2011), § 383 Rdnr. 17. 185 Vgl. Ziff. XX Abs. 1 AGB CBF. 186 S. a. Mentz/Fröhling, NZG 2002, S. 201, 206; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/338. 187 Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2019; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 104. 188 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/338. 189 Vertreter der Ansicht, die den Besitz des Hinterlegers ablehnen, gehen von einer Übereignung durch bloße dingliche Einigung ohne Übergabe oder Surrogat aus, s. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 90 f.; für die Dauer-Globalurkunde Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2125. 190 Die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses ist in Ziff. XXI Abs. 1 AGB CBF ausdrücklich vorgesehen. S. i. Ü. Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6
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king AG auf Anweisung das Konto der Veräußererbank belastet und den Sammelbestandanteil dem Konto der Erwerberbank gutschreibt, verliert der Veräußerer jegliche Besitzposition, der Erwerber erhält den mittelbaren Besitz. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, der eine ausreichende Individualisierung der übereigneten Gegenstände verlangt, wird bei Verfügungen über Sammelbestandanteile durch die Bezifferung des Nennbetrags und die Bezeichnung von Wertpapiergattung, Verwahrart und Depotbank eingehalten.191 Die Konstruktion einer Übereignung nach § 929 S. 1 BGB führt dazu, dass das Miteigentum bereits im Zeitpunkt der Umbuchung an der Spitze der Depotpyramide ohne Zwischenerwerb der Intermediäre vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht.192 Der später erteilten GS-Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers kommt im Ergebnis daher doch nur eine deklaratorische Funktion für die bereits erworbene dingliche Position zu. Zugleich wird die mit der GS-Gutschrift ausgedrückte stufenübergreifende Rechtsstellung derivativ vom bisherigen Miteigentümer erworben, womit die Identität von ursprünglicher und neuer Position verbunden ist. bb) Einführung eines zentralen Kontrahenten An der geschilderten Konstruktion hat die Einführung eines zentralen Kontrahenten, der Eurex Clearing AG, an der Frankfurter Wertpapierbörse und dem elektronischen Handelssystem Xetra nichts Grundlegendes geändert.193 Diese Institution tritt zwischen die Parteien des schuldrechtlichen Geschäfts, wobei sie gegenüber dem Verkäufer als Käufer und gegenüber dem Käufer als Verkäufer fungiert. Zudem führt die zentrale Gegenpartei im Verhältnis zu ihren Vertragspartnern eine Verrechnung der gegenseitigen Lieferansprüche durch, damit das folgende Settlement der Geschäfte auf den sich ergebenden Saldo beschränkt bleiben kann. Bei dieser saldierten Abwicklung soll das Eigentum weiterhin unmittelbar zwischen den mit dem zentralen Kontrahenten verbundenen Clearing-Mitgliedern bzw. bei deren Fremdgeschäften unmittelbar zwischen deren Kunden194 übertragen Rdnr. 85; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 104. 191 Hierzu Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/67, 8/344. 192 Zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 105. 193 Vgl. nur Kapitel I. Abschnitt 1.2.5 Abs. 1 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG vom 5.5.2014, abrufbar unter (Stand: März 2014): „Wertpapiere, die gemäß § 5 DepotG in Girosammelverwahrung verwahrt werden, werden nach den sachrechtlichen Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches durch Einigung und Übergabe übertragen.“ 194 Hierzu Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 183 ff.
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werden, so dass die zwischengeschaltete Eurex Clearing AG kein Eigentum erwirbt. Im Rahmen der dinglichen Einigung kann allerdings nicht mehr auf die Wertpapiersammelbank abgestellt werden, da dieser die Kenntnis über die Einzelheiten der zu erfüllenden Lieferansprüche fehlt. Das von der Verkaufskommissionärin abgegebene Übereignungsangebot195 wird daher stattdessen durch den zentralen Kontrahenten als Stellvertreter des Erwerbers angenommen, wobei wiederum die Grundsätze des Geschäfts für den, den es angeht, heranzuziehen sind.196 Bei der Übergabe im Sinn des § 929 S. 1 BGB ist dagegen nach wie vor auch die Wertpapiersammelbank zu berücksichtigen. Zwar erfolgt bei der Abwicklung eine temporäre Zwischenverbuchung auf dem Konto des zentralen Kontrahenten bei der Wertpapiersammelbank, was der Anonymisierung der Besitzübertragung dient.197 Hierbei tritt der zentrale Kontrahent aber nur als Besitzmittler der Veräußererseite auf,198 so dass in der Zwischenbuchung noch keine Übergabe an den Erwerber liegt. Die Verschaffung mittelbaren Besitzes erfolgt vielmehr erst durch Anweisung an die Wertpapiersammelbank, nunmehr den Besitz für die Erwerberseite zu mitteln.199 Darüber hinaus knüpfen die AGB der Eurex Clearing AG den Zeitpunkt des Eigentumserwerbs an drei kumulative Voraussetzungen: (1) Die Wertpapiersammelbank muss alle Buchungen vom Zwischenkonto der Eurex Clearing AG auf die Depots der zu beliefernden Clearing-Mitglieder vorgenommen haben, (2) sie muss eine entsprechende Geldverrechnung hinsichtlich der Gegenleistung durchgeführt haben, und (3) den ClearingMitgliedern muss von der Eurex Clearing AG ein Ist-Lieferreport bereitgestellt worden sein, der die tatsächlich belieferten Transaktionen auflistet.200 195
Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19. Nach Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 181, handelt die Eurex Clearing AG dagegen auch als Vertreterin des Veräußerers. 196 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 11.386 f.; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 105. Hingegen soll der zentrale Kontrahent nach Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19, wie zuvor die Wertpapiersammelbank als Empfangsbotin des Erwerbers auftreten; so auch Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.203. 197 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19 f. 198 Ausdrücklich festgehalten in Kapitel I. Abschnitt 1.4.2 Abs. 4 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG vom 5.5.2014. 199 Durch die Anweisung zur Umbuchung von ihrem Zwischenkonto ist die Eurex Clearing AG damit auch an der Besitzverschaffung beteiligt, vgl. Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 179. A. A. Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 11.388 ff. 200 Kapitel I. Abschnitt 1.4.2 Abs. 4 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG vom 5.5.2014.
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Rechtlich gesehen sind die drei Anforderungen als aufschiebende Bedingungen für die dingliche Einigung nach § 158 Abs. 1 BGB einzuordnen.201 Sie stellen insbesondere die Zug-um-Zug-Verknüpfung der Leistung von Wertpapieren und Geld sicher.202 Daneben wird die Bereitstellung des IstLieferreports, in dessen Erstellung bereits die konkludente dingliche Annahme durch die Eurex Clearing AG liegt, zur zusätzlichen Voraussetzung. cc) Gutgläubiger Erwerb Einer der Gründe dafür, anstelle des gesetzlichen Erwerbs nach § 24 Abs. 2 DepotG eine vorherige rechtsgeschäftliche Übereignung anzunehmen,203 liegt in der Möglichkeit zum gutgläubigen Erwerb. Geltend gemacht wird insofern ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs.204 Auch im Rahmen des Effektengiros sieht die überwiegende Ansicht dementsprechend eine Basis für den Erwerb vom Nichtberechtigten.205 Berücksichtigt man den fehlenden Durchgangserwerb der Intermediäre, so wird sich ein guter Glaube allerdings meist nur auf die Verfügungsbefugnis, nicht aber auf das Eigentum des Veräußernden beziehen; dass die Kreditinstitute in Ausführung der Effektenkommission nicht über eigene Bestände, sondern in eigenem Namen über die Bestände ihrer Kunden verfügen, ist aufgrund der Art der Verbuchung bei der Wertpapiersammelbank erkennbar.206 Als Rechtsgrundlage kommen demnach die §§ 932 ff. BGB in der Regel nicht allein, sondern nur in Verbindung mit § 366 Abs. 1 HGB in Betracht.207 Auch in dieser Kombination müsste aber ein hinreichender Rechtsschein vorliegen. Der mittelbare Mitbesitz des Hinterlegers vermag gerade keine Vermutung über die konkrete Höhe einer Miteigentumsquote zu begründen, so dass sich ein gutgläubiger Erwerb zumindest nicht aus-
201
Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 181 f.; Kunz, Ausgewählte Rechtsprobleme des zentralen Kontrahenten (2009), S. 432 f. 202 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 20. 203 Für den Erwerb nach § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG muss der Kommittent gerade verfügungsberechtigt sein. 204 Vgl. nur Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2026. 205 Einsele, die den mittelbaren Besitz im Rahmen der Depotpyramide ablehnt, sieht dagegen konsequenterweise auch keine Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb, s. dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 90 f.; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 111. 206 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 111. Vgl. auch die ausdrückliche Fremdvermutung des § 4 Abs. 1 S. 1 DepotG für die vom Verwahrer in Drittverwahrung begebenen Wertpapiere. 207 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2168.
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schließlich auf ihn stützen kann.208 In mehr oder weniger offener Rechtsfortbildung wird daher als alleiniger209 oder zusätzlicher210 Rechtsscheinträger die Buchung im Verwahrungsbuch der Wertpapiersammelbank herangezogen. Für den guten Glauben ist einerseits nach § 166 Abs. 1 BGB die Person des Vertreters bei der dinglichen Einigung,211 mithin die Wertpapiersammelbank oder der zentrale Kontrahent,212 andererseits gemäß § 166 Abs. 2 BGB die Person des Vertretenen213 zu berücksichtigen. Dem derivativen Charakter von Übertragungen im dinglichen Effektengiro entsprechend, führt der gutgläubige Erwerb eines GS-Anteils zwangsläufig zu einem Verlust bei dem Berechtigten.214 Belastet eine Verkäuferbank ohne Ermächtigung das Depot eines bestimmten Kunden, so trägt daher allein dieser Miteigentümer den Verlust.215 Verfügt der ermächtigende Kunde über kein entsprechendes Guthaben216 oder ordnet die Verkäuferbank den veräußerten GS-Anteil keinem bestimmten Konto zu, so wird hingegen – in direkter oder analoger Anwendung des § 7 Abs. 2 S. 1 DepotG – eine Verlustumlage auf alle Kunden der Verkäuferbank mit entsprechenden Wertpapieren vorgenommen.217 b) Sonstige Verfügungen Neben der Ausführung einer Effektenorder kann die Verfügung über einen Sammelbestandanteil auch der Erfüllung sonstiger Geschäfte dienen. Für eine Übertragung seines dinglichen Rechts stehen dem Miteigentümer dabei die verschiedenen Varianten der §§ 929 ff. BGB offen.218 Er kann etwa 208
Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 91; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.138; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 72 Rdnr. 116. 209 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 91; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2027; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.190. 210 Koller, DB 1972, S. 1905, 1909; in diese Richtung auch Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 116. 211 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 91; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2029. 212 Zum Gutglaubenserwerb bei Einschaltung des zentralen Kontrahenten Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19. 213 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/76. 214 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/77. 215 Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2030. 216 Die Depotbank hat dann irrtümlich die Bestände anderer Kunden in derselben Gattung herangezogen. 217 Vgl. Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/77. S. a. Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.191. 218 Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.112 f. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 114.
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1. Kapitel: Grundlagen
eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB vornehmen, bei der er die dingliche Einigung in eigener Person mit dem Erwerber trifft. Die Übergabe ist dann in der Umstellung der Besitzmittlungsverhältnisse (möglicherweise unter Mitwirkung der Wertpapiersammelbank) zu sehen, die auf Anweisung des Veräußerers an seine Depotbank erfolgt.219 Auch Übertragungen gänzlich ohne Beteiligung von Intermediären sind denkbar: Der Veräußerer kann zusammen mit der dinglichen Einigung ein Besitzkonstitut im Sinne der §§ 930, 868, 688 BGB mit dem Erwerber vereinbaren, so dass die Wertpapiere weiterhin auf dem bisherigen Konto verbucht bleiben. Ebenso ist eine Übereignung nach § 931 BGB unter Abtretung der Auslieferungsansprüche möglich, die dem Hinterleger und Miteigentümer zustehen. Zu erinnern ist allerdings an die dogmatischen Schwierigkeiten, im Fall der Dauer-Globalurkunde einen Herausgabeanspruch der Hinterleger zu konstruieren.220 Zu den sonstigen Verfügungen gehört auch die Verpfändung der Sammelbestandanteile. Die Zulässigkeit eines Pfandrechts geben schon § 9 DepotG und § 1258 BGB zu erkennen, umstritten ist allerdings die Art und Weise seiner Bestellung. Unter der Prämisse, dass Miteigentum nach Bruchteilen grundsätzlich wie Volleigentum zu behandeln ist,221 sind für die überwiegende Ansicht222 die Vorschriften zu Pfandrechten an beweglichen Sachen in den §§ 1293, 1204 ff., 1258 BGB maßgeblich. Demnach ist zur Bestellung gemäß § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB neben der Einigung grundsätzlich eine Übergabe an den Gläubiger erforderlich, die wie bei der Übereignung durch Umstellung der Besitzmittlungsverhältnisse durch den Zentralverwahrer geschehen kann. Gemäß § 1205 Abs. 2 BGB kann die Verpfändung alternativ auch durch Übertragung des mittelbaren Besitzes erfolgen.223 Notwendig ist dann aber eine Verpfändungsanzeige an den Besitzer, wobei in der Verwahrpyramide eine Anzeige gegenüber dem mittelbaren Besitzer auf nächsthöherer Stufe genügt.224 Die Übertragung des mittelbaren Besitzes kann, muss aber nicht in einem Buchungsvorgang, dem sogenannten Verpfändungsübertrag, resultieren. Häufig tritt an die Stelle einer Umbuchung die Eintragung eines Sperrvermerks auf dem ur219
Vgl. BGH v. 4.2.1999, Az. III ZR 56/98, NJW 1999, S. 1393. Nach Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/100a, ist im Hinblick auf den gemeinsamen Anspruch auf Herausgabe der Sammelurkunde eine Übereignung nach § 931 BGB auch bei der Dauer-Globalurkunde möglich. 221 Hirte/Knof, WM 2008, S. 7, 10; MünchKommBGB-K. Schmidt, Bd. 6 (2013), § 1008 Rdnr. 1, 16. 222 S. nur Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 41; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2032 f.; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 114. 223 Hoffmann, WM 2007, S. 1547, 1550; Hirte/Knof, WM 2008, S. 7, 13. 224 OLG Karlsruhe v. 3.12.1998, Az. 19 U 33/98, WM 1999, S. 2451. 220
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sprünglichen Konto, der als bankinterner Vorgang die eingetretene Rechtsänderung nachvollzieht.225 Soll das Pfand zugunsten der Depotbank des Hinterlegers bestellt werden, so kann die Bestellung nach § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB durch bloße Einigung erfolgen, da sich die Depotbank bereits im mittelbaren Besitz der Wertpapiere befindet. Diejenigen Stimmen, die den Besitz des Hinterlegers ablehnen, verweisen für die Verpfändung der GSAnteile demgegenüber auf die Regeln über Pfandrechte an Rechten in den §§ 1273 ff. BGB, wobei als verpfändetes Recht wohl überwiegend der Auslieferungsanspruch bzw. bei dessen Ausschluss die vermögensmäßige Beteiligung herangezogen wird.226 Auch wenn es sich hierbei genau genommen nicht um eine Verfügung über den Sammelbestandanteil handelt, so ist abschließend darauf hinzuweisen, dass u. U. noch eine Verfügung über das verbriefte Recht selbst in Betracht kommt: So soll etwa bei einer girosammelverwahrten Schuldverschreibung weiterhin eine Abtretung der verbrieften schuldrechtlichen Forderung möglich bleiben, die keiner depotrechtlichen Umbuchung bedarf.227 Angesprochen ist damit die klassische wertpapierrechtliche Unterscheidung zwischen dem Recht aus dem Papier und dem Recht am Papier. Bereits kollisionsrechtlich steht die Abgrenzung beider Rechtsbeziehungen im Rahmen des Effektengiros auf dem Prüfstand, worauf noch einzugehen sein wird.228 III. WR-Gutschrift als inländische schuldrechtliche Position Neben dem stufenübergreifenden dinglichen System hinter den GS-Gutschriften existiert für die in Deutschland geführten Depotkonten aber auch ein gestuftes schuldrechtliches Gegenkonzept: die Gutschrift in Wertpapierrechnung (WR-Gutschrift).229 Nach den Klauselwerken der Kreditinstitute wird diese Form der Gutschrift erteilt, wenn die Bank im Auftrag ihres Kunden Wertpapiere im Ausland anschafft und dort verwahren lässt. Anders als bei der GS-Gutschrift verschafft sich die Bank insofern eine eigene, im Lagerland übliche Rechtsstellung, die sie dann treuhänderisch für 225 Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 173 f.; Hoffmann, WM 2007, S. 1547, 1553. 226 So Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 127 f.; MünchKommHGBdies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 127 f.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 38. Im Fall der Dauerglobalurkunde halten allein die Verpfändung des verbrieften Rechts für möglich Habersack/Mayer, WM 2000, S. 1678, 1684. 227 BGH v. 14.5.2013, Az. XI ZR 160/12, WM 2013, S. 1264. 228 Unten § 2 A. I. 229 Der Begriff wird in Anlehnung an den Terminus der laufenden Rechnung (vgl. § 355 HGB) gewählt, s. a. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 72 Rdnr. 148.
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den Kunden hält; der Anleger im Inland erlangt nur eine schuldrechtliche Berechtigung gegenüber seinem unmittelbaren Intermediär.230 1.
Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland
Die Wurzeln der WR-Gutschrift liegen in den modifizierten vertraglichen Pflichten für Einkaufskommission und Festpreisgeschäft, wenn sich diese auf Wertpapiere im Ausland beziehen. Grundsätzlich erfüllen die deutschen Kreditinstitute ihre Wertpapiergeschäfte im Inland.231 Führen sie allerdings Kaufaufträge in in- oder ausländischen Wertpapieren als Kommissionäre im Ausland aus, verkaufen sie dem Kunden im Wege des Festpreisgeschäftes ausländische Wertpapiere, die nicht im Inland gehandelt werden, oder erfüllen sie Geschäfte über ausländische Wertpapiere, die im Inland zwar gehandelt, üblicherweise aber im Ausland angeschafft werden, so verpflichten sich die Kreditinstitute nur zur Anschaffung und Verwahrung im Ausland.232 Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 DepotG muss der Kommissionär in diesem Fall abweichend von § 18 DepotG erst auf Verlangen des Kommittenten ein Stückeverzeichnis versenden. In dieser Vorschrift liegt die Suspendierung der Pflicht, Eigentum zu verschaffen: Spätestens mit Absendung des Stückeverzeichnisses würde nach § 18 Abs. 3 DepotG das Eigentum an sonderverwahrten Wertpapieren auf den Kommittenten übergehen. Verallgemeinernd wird daher in der Regelung des § 22 DepotG nicht nur der Verzicht auf einen technischen Vorgang, sondern eine rechtliche Modifikation der Pflichten aus der Einkaufskommission gesehen.233 Die Besonderheiten beim Auslandsgeschäft sind im Lichte der kollisionsrechtlichen Anknüpfung zu sehen: Für die schuldrechtlichen Pflichten des Wertpapiergeschäfts findet über die Rechtswahlklauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute234 deutsches Kommissionsrecht Anwendung. Auf der Ebene der Erfüllung ist für das rechtliche Schicksal der im Ausland belegenen und verbuchten Titel aber das dortige
230
S. Nr. 12 Abs. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 17 Abs. 3 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). Für die Clearstream Banking AG auf höchster Ebene Ziff. XII Abs. 1 AGB CBF. 231 Nr. 10 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 15 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 232 Nr. 12 Abs. 1, Abs. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 17 Abs. 1, Abs. 2 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 233 S. Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 13; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.106; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 63; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.166. 234 Nr. 6 Abs. 1 der AGB Banken und Sparkassen.
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Wertpapierrecht maßgeblich,235 welches regelmäßig nicht mit der Rechtslage bei der deutschen Girosammelverwahrung übereinstimmen wird. Zum Ausdruck kommt dies in § 22 Abs. 1 S. 2 DepotG, wonach der Kommittent jederzeit die Übersendung des Stückeverzeichnisses verlangen kann, wenn nicht ausländisches Recht der Übertragung von Eigentum an den Wertpapieren durch Absendung des Verzeichnisses entgegensteht.236 Angesichts der mannigfaltigen ausländischen Rechtspositionen übernehmen die Banken lediglich die Pflicht, sich nach pflichtgemäßem Ermessen unter Wahrung der Interessen des Bankkunden das „Eigentum oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung“ zu verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden zu halten.237 Die Gleichwertigkeit mit dem Eigentum richtet sich danach, ob die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen des Kunden gewahrt werden.238 Die deutschen Depotbanken müssen sich für die Verwahrung der Wertpapiere nicht unbedingt einer eigenen ausländischen Geschäftsstelle bedienen, sondern können hierzu auch einen in- oder ausländischen Verwahrer, in der Praxis vor allem die deutsche Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG, beauftragen.239 Diese hält dann die im Ausland angeschafften und verwahrten Wertpapiere treuhänderisch für die inländische Depotbank,240 welche wiederum ihren Kunden treuhänderisch verpflichtet ist. Hieraus ergibt sich im Inland ein mehrstufiges System von Treuhandverhältnissen,241 das in Parallele zum dinglichen Effektengiroverkehr einen schuldrechtlichen Treuhandgiroverkehr ermöglicht.242 Grundlage ist allerdings nunmehr eine stufenweise Konstruktion.
235
Zur Anknüpfung nach § 17 a DepotG s. unten § 7 und § 8. Zur kollisionsrechtlichen Beurteilung des Auslandsgeschäfts MünchKommHGBEinsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 207 f. 237 Nr. 12 Abs. 3 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 17 Abs. 3 S. 1 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 238 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 32. Zum insolvenzrechtlichen Schutz sogleich. 239 Nr. 12 Abs. 2 S. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 17 Abs. 2 S. 2 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 240 Ziff. XII Abs. 1 AGB CBF. Im Übrigen gelten auch im Interbankenverhältnis bei der Auslandsverwahrung die dargelegten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 241 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 578. 242 Vgl. Ziff. XXII AGB CBF; s. a. Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.174 f. 236
52 2.
1. Kapitel: Grundlagen
Rechtsnatur der WR-Gutschrift
Betrachtet man die von der Bank im Inland erteilte WR-Gutschrift genauer, so dokumentiert diese zunächst faktisch den Bestand der für den Kunden im Ausland gehaltenen Wertpapiere unter Angabe des Lagerlandes.243 Rechtlich wird ihr eine im Detail unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Ausgangspunkt der überwiegenden Ansicht ist eine fiduziarische Rechtsbeziehung in Form eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages nach § 675 Abs. 1 BGB, die zwischen Bank und Kunde anstelle des verwahrungsrechtlichen Verhältnisses bei der Anschaffung im Inland vorliegt.244 Hierauf aufbauend soll die WR-Gutschrift den auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch aus dem Treuhandverhältnis gemäß §§ 675 Abs. 1, 667 BGB dokumentieren,245 welcher dem Depotkunden mit dem Erwerb der ausländischen Rechtsstellung durch die Bank in Form der Einverleibung der Wertpapiere in deren ausländischen Deckungsbestand erwächst.246 Divergierend wird dann wiederum beurteilt, in welchem Verhältnis der durch die Gutschrift manifestierte Anspruch zu dem Herausgabeanspruch des Kommissionärs nach § 384 Abs. 2 Hs. 2 HGB im Falle der Effektenkommission247 bzw. zum Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB im Falle des Festpreisgeschäftes steht: Teilweise wird eine Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB angenommen, so dass mit der Gutschrift andere Lieferansprüche erlöschen;248 teilweise wird aber auch nur eine Leistung erfüllungshalber gesehen, so dass – etwa bei Kündigung
243 Nr. 12 Abs. 3 S. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (entsprechend Nr. 17 Abs. 3 S. 2 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank); Ziff. XII Abs. 1 AGB CBF. 244 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 43; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 578; Will, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.168. 245 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/125, 8/137; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 579; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.184; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.176. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 148. 246 Zur Erteilung von WR-Gutschriften vor diesem Zeitpunkt Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 151. 247 Anfangs besteht bei der Effektenkommission nur die Pflicht des Kommissionärs zur Ausführung des Effektengeschäfts; erlangt die Bank aber hieraus die Leistung, so erwächst dem Kunden ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 384 Abs. 2 HGB. Hierzu G. H. Roth, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2007), § 11 Rdnr. 184 f., 187 ff. 248 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 579; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.218.
§ 1 Effektengiroverkehr
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des Treuhandverhältnisses – auf die fortbestehenden Ansprüche zurückgegriffen werden kann.249 Eine Gegenansicht sieht indessen in der Gutschrift in Wertpapierrechnung nicht die Widerspiegelung des treuhandrechtlichen Anspruchs, sondern – in Anlehnung an das Girokonto für Buchgeld250 – ein abstraktes Schuldversprechen der Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden. Da die Erteilung der Gutschrift in den Sonderbedingungen bereits von Anfang an vereinbart ist, soll sie die unmittelbare Erfüllung der Ansprüche des Depotkunden nach § 362 BGB darstellen.251 Trotz Differenzen im Detail nehmen die verschiedenen Positionen hinsichtlich der WR-Gutschrift übereinstimmend eine schuldrechtliche Forderung gegenüber dem Verwahrer an, über die der Kontoinhaber wirtschaftliches Eigentum an den für ihn im Ausland aufbewahrten Wertpapieren erlangt.252 Dabei erwächst dem Kontoinhaber aus dem treuhänderischen Charakter der WR-Gutschrift auch ein Schutz in Zwangsvollstreckung und Insolvenz gegen den Treuhänder, der demjenigen aus dem dinglichen Miteigentum bei der GS-Gutschrift entspricht. Grundsätzlich erfordert eine vollstreckungs- und insolvenzsichere Treuhand zwar die unmittelbare Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treunehmer (Unmittelbarkeitsprinzip),253 was im Fall der vereinbarungsgemäßen Anschaffung der Wertpapiere im Ausland nicht gegeben ist. Bei Offenkundigkeit des Treuhandcharakters lässt der BGH jedoch eine Ausnahme zu, was insbesondere offene Treuhandkonten betrifft.254 Praktisch gewährleisten die Banken eine Offenlegung der Treuhand durch Einholung einer sogenannten Drei-Punkte-Erklärung255 von der ausländischen Verwahrstelle, in der diese unter anderem bestätigt, dass die verbuchten Werte den Kunden des 249 So wohl Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2007), § 72 Rdnr. 155; anders (Leistung an Erfüllungs statt) nun Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 158. 250 Hierzu Mayen, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 47 Rdnr. 37 ff.; Schwintowski, Bankrecht (2011), § 7 Rdnr. 48 ff. 251 Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr (1976), S. 129 ff.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 516 ff.; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 212; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 65 ff. 252 Vgl. Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 44; Coing, WM 1977, S. 466, 469; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.109. 253 St. Rspr. seit RG v. 19.2.1914, Az. VII 448/13, RGZ 84, 214, 216; vgl. nur BGH v. 5.11.1953, Az. IV ZR 95/53, BGHZ 11, 37, 41; BGH v. 7.4.1959, Az. VIII ZR 219/57, NJW 1959, S. 1223, 1224; BGH v 19.11.1992, Az. IX ZR 45/92, WM 1993, S. 83; BGH v. 1.7.1993, Az. IX ZR 251/92, NJW 1993, S. 2622. 254 Vgl. BGH v. 7.4.1959, Az. VIII ZR 219/57, NJW 1959, S. 1223, 1225; BGH v. 25.6.1973, Az. II ZR 104/71, WM 1973, S. 894, 895. 255 Muster abgedruckt bei Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/183.
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1. Kapitel: Grundlagen
deutschen Intermediärs zustehen, und sich verpflichtet, das Depot mit dem Zusatz „Kundendepot“ zu führen. In der Insolvenz des inländischen Verwahrers, die sich grundsätzlich auf sein gesamtes weltweites Vermögen erstreckt,256 kann der Inhaber einer WR-Gutschrift also ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO geltend machen,257 im Fall der Zwangsvollstreckung die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben. 3.
Verfügungen über WR-Gutschriften
Mit der schuldrechtlichen Qualifikation ist grundsätzlich auch die Anwendung der Regeln zu Verfügungen über schuldrechtliche Forderungen verbunden.258 a) Treuhandgiroverkehr Im Rahmen des Treuhandgiro, in das die Wertpapiersammelbank eingeschaltet ist,259 wirkt sich allerdings der stufenweise Ansatz der rechtlichen Konstruktion aus. Die Berechtigung jedes Kontoinhabers richtet sich nur gegen die eigene Depotbank, so dass sich – sofern nicht die Parteien Konten bei derselben Depotbank führen – der Schuldner der WR-Gutschrift zugunsten des Veräußerers von dem der Gutschrift zugunsten des Erwerbers unterscheidet. Da damit für Umbuchungen die Vorschriften über eine Abtretung ausscheiden, wird ein dem Geldgiro vergleichbares Modell angelegt:260 Der Intermediär des Veräußerers belastet dessen Konto, wodurch die bisherige Berechtigung erlischt. Auf Seiten des Erwerbers erteilt dessen Intermediär mit konstitutiver Wirkung eine neue WR-Gutschrift. Dies gilt auch für die Umbuchungen bei der Wertpapiersammelbank auf höchster Ebene;261 auch hier werden nicht die Ansprüche gegen die Clearstream Banking AG unter den beteiligten Intermediären abgetreten, sondern es kommt zu einem Erlöschen auf einem Konto bei gleichzeitiger konstituti-
256
Zu den Grundsätzen des internationalen Insolvenzrechts s. noch unten § 9 B. So etwa Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 44; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 429; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/129; Lenenbach, Kapitalmarktrecht (2010), Rdnr. 6.109; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 152. Überblick zu den konstruktiven Hürden für die Annahme einer geschützten Treuhand bei MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 215 ff. 258 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/143. 259 Deren Mitwirkung ist in den Ziff. XXII AGB CBF geregelt. 260 Hierzu Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/357; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 221. 261 Für die Aufträge zur Übertragung an die Wertpapiersammelbank s. Ziff. XX AGB CBF. 257
§ 1 Effektengiroverkehr
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ver Neubegründung auf einem anderen Konto.262 Kennzeichnend für den schuldrechtlichen Treuhandgiroverkehr ist somit der allgemein für gestufte Depotsysteme charakteristische originäre Erwerb der Rechtsstellung. Über diese rechtliche Qualifikation ist auch das Problem zu bewältigen, dass hinsichtlich schuldrechtlicher Forderungen grundsätzlich kein gutgläubiger Erwerb möglich ist. Da die Rechtsstellung nicht derivativ übertragen wird, stellt sich die Problematik einer Nichtberechtigung des Veräußerers nicht; wirtschaftlich treffen die Folgen einer fehlenden Deckung auf Veräußererseite die Bank des Erwerbers, die sich schließlich originär zur Lieferung verpflichtet hat.263 b) Sonstige Verfügungen Für sonstige Verfügungen verbleibt es bei den allgemeinen Regeln des Schuldrechts. Insbesondere kann nach den §§ 1280, 1274 BGB ein Pfandrecht an dem (deutschen Recht unterliegenden264) Lieferanspruch aus der WR-Gutschrift bestellt werden, was die Implikationen einer unmittelbaren Verpfändung der im Ausland belegenen und verbuchten Wertpapiere vermeidet.265 Allerdings nehmen die Kreditinstitute von dem in ihren Klauselwerken formularmäßig vereinbarten Pfandrecht an Gegenständen des Kunden in ihrem Besitz266 Wertpapiere aus, die sie im Ausland für den Kunden verwahren.267 Zumindest aufgrund der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist davon auszugehen, dass sich dies auch auf den Lieferanspruch der WRGutschriften bezieht.268
262
Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/357. Zur Problematik ausführlich Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 440 ff. 264 Dies gilt unabhängig davon, ob man die Regeln des internationalen Schuldrechts oder § 17 a DepotG heranzieht, hierzu unten § 7 B. III. 4. 265 Vgl. Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/126. 266 Nr. 14 Abs. 1 AGB Banken; Nr. 21 Abs. 1 AGB Sparkassen. 267 Nr. 14 Abs. 3 S. 2 AGB Banken; Nr. 21 Abs. 2 S. 2 AGB Sparkassen. 268 Vgl. Merz, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 6.424. 263
§2
Kollisionsrechtliche Problemfelder
Nicht nur faktisch und materiellrechtlich, sondern auch kollisionsrechtlich stellt der Effektengiroverkehr eine komplexe Materie dar. Gerade hinsichtlich kontoverbuchter Wertpapiere ergeben sich aber regelmäßig Sachverhalte mit Verbindung zu einem ausländischen Staat,1 die die Frage nach dem anwendbaren Recht aufwerfen. Offensichtlich ist der grenzüberschreitende Bezug, wenn über einen der vier dargelegten Kanäle – direct access, local agent, ICSD/global custodian oder gegenseitige Verbindungen der CSD2 – Zugriff auf die im Wertpapierliefersystem eines ausländischen Zentralverwahrers verbuchten Titel genommen wird. Weniger offensichtlich, gleichwohl durchaus möglich ist eine internationale Verbindung von Transaktionen, die sich ausschließlich über das Kontensystem der inländischen Wertpapiersammelbank vollziehen.3 So können im Ausland emittierte Wertpapiere direkt in die nationale Sammelverwahrung aufgenommen werden, was sie zum Gegenstand inländischer Umbuchungen macht.4 Weiter kann die Wertpapiersammelbank nicht vertretbare oder nicht in einer im Handel verständlichen Sprache abgefasste ausländische Instrumente selbst erwerben und die Auslieferungsansprüche gegen sich in einem Inhabersammelzertifikat (zweit-)verbriefen, das am inländischen Effektengiro teilnimmt.5 Im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung der Wertpapiersammelbank kann überdies ein Teil des Sammelbestands einer bestimmten Wertpapiergattung, der die Grundlage für die Umbuchungen im Inland bildet, einem ausländischen Verwahrer anvertraut sein. In allen genannten Konstellationen bedarf es einer Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung. A. Abgrenzung des Anknüpfungsgegenstandes Erschwert werden eindeutige Aussagen des IPR allerdings schon dadurch, dass in Bezug auf den Effektengiroverkehr eine Reihe von Anknüpfungen 1
Vgl. die Legaldefinition des Internationalen Privatrechts in Art. 3 EGBGB. Vgl. oben § 1 B. 3 Überblick zum grenzüberschreitenden Bezug des Effektengiros bei Einsele, WM 2001, S. 7, 13 f; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 22 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 209. 4 Zu ausländischen Wertpapieren in deutscher Sammelverwahrung Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 405 f. Beispiele bei Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 1 Rdnr. 25. 5 Einzelheiten bei MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 11 f. 2
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
57
aufeinandertrifft. Bereits das Kollisionsrecht der direkt gehaltenen Wertpapiere ist als über viele Teildisziplinen des IPR verstreutes Querschnittsrecht6 charakterisiert worden. Dies gilt nicht minder für die intermediatisierten Wertpapiere, für die ebenfalls eine sinnvolle Differenzierung zwischen den involvierten Kollisionsregeln zu finden ist. Dogmatisch lässt sich die Frage einem der Grundprobleme des IPR zuordnen: der kollisionsrechtlichen Qualifikation.7 Hierunter wird die Subsumtion des zu beurteilenden Sachverhalts unter den im Tatbestand der Kollisionsnorm enthaltenen Anknüpfungsgegenstand verstanden.8 Wesentlicher Aspekt dieser Subsumtion ist gerade die Abgrenzung der Anwendungsbereiche einzelner Kollisionsregeln, wozu es gegebenenfalls deren Auslegung bedarf.9 I.
Wertpapierstatut und Beziehung zum Emittenten
Wenn ein eigenständiges Statut der intermediatisierten Wertpapiere angeknüpft werden soll, so ist insbesondere dessen Verhältnis zum Statut der Beziehung des Anlegers zum Emittenten auszuloten. Betrachtet man beispielsweise die Rechtsstellung eines Anlegers in einem stufenübergreifenden Kontensystem auf sachenrechtlicher Basis, so lassen sich bei dieser drei verschiedene Dimensionen ausmachen: Seinem Konto liegt (1) eine schuldrechtliche Beziehung zur eigenen Depotbank zugrunde, die konkrete Kontoposition steht (2) für eine dingliche Berechtigung am Sammelbestand beim Zentralverwahrer und schließlich ist (3) die dingliche Position mit einem Mitglieds-, Forderungs- oder sonstigen Recht gegenüber dem Emittenten verknüpft. Dem ersten rechtlichen Verhältnis lassen sich alle Fragen zuordnen, die die relativen Pflichten des Intermediärs gegenüber seinem Kunden zur Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere betreffen. Seine Anknüpfung folgt den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldrechts.10 Das zweite Element im Beispiel, die dingliche Berechtigung des Anlegers, unterscheidet sich im Rahmen der kollisionsrechtlichen 6
So von Bar, in: Pfister/Will (Hrsg.), FS W. Lorenz (1991), S. 273, 274. Allgemein zur Qualifikation Kegel/Schurig, IPR (2004), § 7 (S. 327 ff.); Kropholler, IPR (2006), § 15 (S. 113 ff.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 1 ff.; MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 480 ff. 8 S. nur von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 1 9 Teilweise wird die Auslegung als die Qualifikation selbst aufgefasst, teilweise aber auch als der Subsumtion logisch vorausgehend angesehen; s. einerseits Kropholler, IPR (2006), § 15 I 3 (S. 114), andererseits MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 487. 10 Zur Anknüpfung des Wertpapierverwahrungs- und -verwaltungsvertrages Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 79. Bei Depotverträgen mit deutschen Kreditinstituten findet über die Rechtswahlklauseln in den AGB regelmäßig deutsches Recht Anwendung. 7
58
1. Kapitel: Grundlagen
Qualifikation anhand seiner Adressaten von der ersten Rechtsbeziehung: Umfasst vom insofern maßgeblichen Statut sind alle Fragen, die einen Bezug zur Rechtsstellung des Anlegers mit absoluter Wirkung, also gegenüber einem unbestimmten Personenkreis (erga omnes), aufweisen.11 Lässt man die weiteren Abgrenzungsprobleme zwischen erstem und zweitem Element vorerst außen vor,12 so verbleibt das Verhältnis von zweiter und dritter Rechtsbeziehung als klärungsbedürftiger Punkt. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich bei der Beziehung zum Emittenten um den Kern des verbuchten Titels. Rechtlich gesehen ist zu beurteilen, inwiefern das Schicksal dieses Kerns mit der dinglichen Berechtigung des Anlegers am Sammelbestand verknüpft ist. Das Kollisionsrecht muss das rechtliche Schicksal des zugrundeliegenden Rechts einem der beiden Statute zuordnen: Kann schlicht das Statut der dinglichen Berechtigung über die Inhaberschaft am zugrundeliegenden Recht entscheiden oder ist zumindest vorgeschaltet dessen eigenständig zu bestimmende Rechtsordnung zu befragen? 1.
Wertpapierrechts- und -sachstatut
Hinsichtlich verkörperter, direkt gehaltener Wertpapiere sieht das deutsche IPR zur Lösung des Qualifikationsproblems eine Aufspaltung des Wertpapierstatuts vor: Unterschieden wird zwischen dem Wertpapiersachstatut hinsichtlich des Rechts am Papier einerseits und dem Wertpapierrechtsstatut hinsichtlich des Rechts aus dem Papier andererseits.13 a) Rechtsstatut Das Wertpapierrechtsstatut bestimmt sich danach, welche Art von Recht verbrieft wird: Handelt es sich wie bei der Aktie um ein Mitgliedschaftsrecht an einer Gesellschaft, so ist das Personalstatut dieser Gesellschaft entscheidend.14 Heranzuziehen sind insofern die Anknüpfungsregeln des in 11
Allgemein zur kollisionsrechtlichen Qualifikation als dingliches Recht MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 38; Kropholler, IPR (2006), § 54 I 3 (S. 555 ff.). 12 Zum Umgang mit ausschließlich schuldrechtlich konstruierten Depotsystemen unten § 2 A. II. 13 So etwa in BGH v. 26.9.1989, Az. XI ZR 178/88, BGHZ 108, S. 353, 356. S. a. Lorenz, NJW 1995, S. 176, 177; Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 412 ff.; Kegel/Schurig, IPR (2004), § 19 II (S. 769); MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 194 ff.; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 172 ff.; Staudinger-Magnus, BGB, EGBGB/IPR (2011), Anhang I zu Art. 1 Rom I-VO Rdnr. 32 f. 14 Vgl. BGH v. 19.1.1994, Az. IV ZR 207/92, NJW 1994, S. 939, 940; StaudingerStoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 415.
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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Deutschland bislang nicht kodifizierten15 internationalen Gesellschaftsrechts: Im Verhältnis zu Drittstaaten ist nach allgemeinen Regeln der effektive Verwaltungssitz der Gesellschaft entscheidend,16 im Verhältnis zu EU- und EWR-Staaten aufgrund der vom EuGH konkretisierten Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 49, 54 AEUV17 der Ort der Gründung.18 Wird dagegen wie bei einer Anleihe eine schuldrechtliche Forderung verbrieft, so ist das nach dem internationalen Schuldrecht zu bestimmende Forderungsstatut maßgeblich.19 Schließlich kann auch ein Sachenrecht zugrundeliegen, so dass sich das Wertpapierrechtsstatut nach der Belegenheit der betreffenden Sache richtet, Art. 43 Abs. 1 EGBGB.20 Ein möglicher Anwendungsfall sind die Anteilsscheine nach § 95 KAGB (vormals § 33 InvG), die den Anteil eines Anlegers an einem von einer Kapitalanlagegesellschaft verwalteten Sondervermögen verbriefen,21 wenn die zum Son-
15 Allerdings wurde ein Referentenentwurf für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vorgelegt, abrufbar etwa unter (Stand: März 2014). 16 Zusammenfassend BGH v. 27.10.2008, Az. II ZR 158/06 (Trabrennbahn), BGHZ 178, S. 192 Tz. 13 ff. 17 Hervorzuheben sind EuGH v. 9.3.1999, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, S. I1459; EuGH v. 5.11.2002, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, S. I-9919; EuGH v. 30.9.2003, Az. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, S. I-10155. 18 Für das Verhältnis zum EU-Ausland BGH v. 13.3.2003, Az. VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, S. 185; BGH v. 14.3.2005, Az. II ZR 5/03, NJW 2005, S. 1648. Für das Verhältnis zum restlichen EWR BGH v. 19.9.2005, Az. II ZR 372/03, BGHZ 164, S. 148. Instruktiv zum gegenwärtigen Stand des internationalen Gesellschaftsrechts Weller, IPRax 2009, S. 202. 19 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 398; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 174. 20 Im Hinblick auf Hypotheken- und Grundschuldbrief Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 398; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 194; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 175. Kritisch zu dieser Fallgruppe Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 122. 21 Die dogmatische Natur der Anteilsscheine ist umstritten: Mitunter werden sie als Schuldverschreibungen eingeordnet, so MünchKommBGB-Habersack, Bd. 5 (2012), § 793 Rdnr. 10. Im Fall der Miteigentumslösung verbriefen die Anteilsscheine aber die gesamte Rechtsstellung des Anlegers einschließlich seiner dinglichen Berechtigungen, so dass von einem Wertpapier sui generis auszugehen ist, s. Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 113 Rdnr. 136. Die Verbriefung von Eigentum in den Anteilsscheinen zweifelt an Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 122 f.
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1. Kapitel: Grundlagen
dervermögen gehörenden Vermögensgegenstände nicht im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, sondern im Miteigentum der Anleger22 stehen.23 Die nach den jeweiligen Anknüpfungsregeln bestimmte Rechtsordnung ist maßgeblich für das Schicksal des verbrieften Rechts, also seinen Inhalt, seine Entstehung, seinen Untergang und seine Übertragung.24 Dies ist für das Wertpapierrecht von essenzieller Bedeutung: Jenem Hauptstatut gebührt die grundlegende Entscheidung, ob für eine Übertragung des Rechts die Übereignung eines Papiers nach sachenrechtlichen Grundsätzen erforderlich ist.25 Es hat damit zu beurteilen, ob die Urkunde die Rechtsqualität eines Wertpapiers besitzt und um welche Art (Inhaber-, Order- oder Rektapapier) es sich handelt.26 b) Sachstatut Das Wertpapiersachstatut regelt demgegenüber zunächst nur die dingliche Rechtslage an der Urkunde, also Erwerb, Verlust und Übergang des Eigentums oder der beschränkt dinglichen Rechte am Papier.27 Ob es darüber hinaus auch über das Schicksal des zugrundeliegenden Rechts bestimmt, lässt sich erst nach Maßgabe des Hauptstatuts dieses Rechts beurteilen. Im Verhältnis von Rechts- und Sachstatut ist damit ein Primat des Wertpapierrechtsstatuts festzustellen; ostentativ formuliert lebt das Sachstatut insoweit von der Gnade des Hauptstatuts.28 2.
Folgerungen für das Effektengiro
Die Unterscheidung und das Verhältnis beider Statute haben sich vor dem Hintergrund der klassischen Verkörperung des Rechts in einer Urkunde 22 Vgl. die beiden Alternativen in § 92 Abs. 1 S. 1 KAGB (vormals § 30 Abs. 1 S. 1 InvG). Praktisch ist die Miteigentumslösung der Regelfall, vgl. Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 113 Rdnr. 119. 23 So Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 59 ff.; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 48. Allerdings ist für das Wertpapierrechtsstatut bei den Anteilsscheinen nicht nur das internationale Sachenrecht, sondern auch das internationale Schuldrecht zu berücksichtigen, da die Anteilsscheine zugleich die schuldrechtliche Beziehung des Anlegers verbriefen. 24 S. MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 14, 197. 25 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 398. 26 Lorenz, NJW 1995, S. 176, 177; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 195. Vgl. auch die praktische Anwendung in RG v. 8.12.1927, Az. VI 108/27, RGZ 119, S. 215, 216; OLG Karlsruhe v. 6.4.2001, Az. 14 U 202/00, VersR 2002, 1251. 27 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 705 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 195. 28 So die Charakterisierung bei Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 415.
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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entwickelt. Trotz des Bedeutungsverlusts, den das körperliche Element beim Effektengiroverkehr erfährt, sind die Aufspaltung des Wertpapierstatuts und der damit verbundene Vorrang zugunsten des Rechtsstatuts aber auch auf das Effektengiro übertragen worden.29 Hierfür sprechen gute Gründe: Auch wenn man sich von der nationalen Rechtsdogmatik mit ihrer Unterscheidung der Rechte aus und am Papier löst, so muss die Anknüpfung der Kontoposition sinnvoll von der Anknüpfung der Rechtsstellung gegenüber dem Emittenten abgegrenzt werden. Dass es nicht angezeigt erscheint, die Unterscheidung beider Statute aufzugeben, mag allein schon folgende Überlegung verdeutlichen: Inhalt und Umfang der Mitgliedsrechte eines Aktionärs können nicht allein deshalb einer neuen Rechtsordnung unterliegen, weil der Sammelbestand nun im Ausland verwahrt wird oder der Anleger seine Aktien auf ein im Ausland geführtes Depot umbuchen lässt. Die Rechtsstellung gegenüber dem Emittenten hängt in seiner kollisionsrechtlichen Beurteilung nicht von den möglichen Anknüpfungsmomenten ab, die sich aus den Umständen des Effektengiros ergeben.30 Weiterhin müssen also beide Statute voneinander getrennt werden. Allerdings ist für die Unterscheidung auf eine gewisse Besonderheit durch die Konstruktion des Effektengiros hinzuweisen. Bei einem direkt gehaltenen verkörperten Wertpapier konkurrieren die beiden Statute in derselben berechtigten Person, dem Eigentümer des Papiers, der zugleich Inhaber des zugrundeliegenden Rechts ist. Bei gestufter Konstruktion des Effektengiros wird die formale Inhaberschaft des zugrundeliegenden Rechts aber möglicherweise nicht mehr dem Anleger auf unterster Stufe, sondern dem Intermediär an der Spitze des Depotsystems zugebilligt, der es dann im Interesse der wirtschaftlichen „Inhaber“ auf der untersten Stufe ausübt. So wird im Beispiel des US-amerikanischen indirect holding system gerade jegliche direkte Beziehung des Anlegers zum Emittenten unterbrochen, so dass für den Inhaber des security entitlement nur noch ein einziges Statut, nämlich die Beziehung zu seinem eigenen Intermediär, anzuknüpfen ist. Dieser Aspekt stellt die Abgrenzung von Hauptstatut und Statut der intermediatisierten Wertpapiere gleichwohl nicht in Frage. So können selbst bei einer stufenweisen Konstruktion beide Statute für ein- und dieselbe Person aufeinandertreffen: Beim Schweizer Bucheffektengesetz lassen sich 29
Vgl. zumindest die Begrifflichkeit bei Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 722, Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 185, oder Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 146. 30 Vgl. zu diesem Aspekt Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.28; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 185; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 156.
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1. Kapitel: Grundlagen
beispielsweise Elemente eines gestuften Ansatzes feststellen, gemäß dem den zwischengeschalteten Intermediären eine eigene Rechtsposition zukommt. Dennoch gibt es daneben weiterhin eine direkte rechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Emittenten, deren Schicksal zu beurteilen ist. Und selbst wenn die unterste Stufe der Depotpyramide keine Beziehung zum Emittenten aufweist, so ergibt sich dies bei genauerer Betrachtung letztlich ebenfalls aus dem Zusammenspiel beider Statute: Das Hauptstatut des zugrundeliegenden Rechts hat in diesem Fall vorgeschaltet entschieden, dass die Inhaberstellung z. B. an die Eintragung in ein (z.B. Aktionärs-)Register, nicht aber an die Kontogutschriften geknüpft ist. Zumindest für den als Treuhänder fungierenden Intermediär an der Spitze der Depotpyramide31 spielen daher weiter zwei Statute eine Rolle. Als Hypothese für die folgende Untersuchung32 kann nach alledem davon ausgegangen werden, dass sich eine Anknüpfungsregel zu intermediatisierten Wertpapieren einer Aussage über die Rechtsordnung enthält, die für Inhalt und Umfang des zugrundeliegenden Rechts gegenüber dem Emittenten maßgeblich ist. Und nach wie vor ist insoweit von einem Primat des Hauptstatuts33 auszugehen, als nur nach seiner Maßgabe die Übertragung der grundlegenden Rechtsstellung im Wege des Effektengiroverkehrs erfolgen kann. II. Wertpapierstatut und schuldrechtliche Depotkonstruktionen Ein Statut der intermediatisierten Wertpapiere ist aber auch in anderer Hinsicht schwierig abzugrenzen. Bereits hingewiesen wurde darauf, dass sich bei einem stufenübergreifenden sachenrechtlichen System die absolute dingliche Berechtigung des Anlegers von seiner schuldrechtlichen Beziehung zum Intermediär trennen lässt. Formuliert man eine eigenständige Kollisionsregel des Effektengiros, so liegt nahe, dass diese nicht für die dienstvertraglichen Pflichten der Depotbank maßgeblich ist. Wie verhält sich eine solche Anknüpfungsregel aber im Hinblick auf Depotkonstruktionen, bei denen die Berechtigung des Kontoinhabers schuldrechtliche Züge trägt, im Extremfall gar ein bloßer Aspekt der schuldvertraglichen Beziehung zum Intermediär ist? Soll das Statut der intermediatisierten Wert31 Erinnert sei insofern an die Rolle des nominee Cede & Co. für das indirect holding system des UCC; hierzu oben § 1 E. I. 2. a). 32 Verwiesen sei an dieser Stelle auf § 4 B. I. 6. und insbesondere § 7 B. IV. zur nationalen Umsetzung. 33 Zumindest der Sache nach für einen Vorrang des Wertpapierrechtsstatuts im Effektengiro Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 185; Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 362; MünchKommHGBdies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 197.
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papiere alle Kontopositionen umfassen oder muss ein Teil der Depotsysteme dem internationalen Schuldrecht überlassen bleiben? Insofern setzt sich also der Kontrast zwischen Sachen- und Schuldrecht bei der materiellrechtlichen Interpretation der Kontoposition auf kollisionsrechtlicher Ebene fort. Als prägnantes Beispiel für die Problematik kann die herrschende Anknüpfung der WR-Gutschrift eines deutschen Kreditinstituts herangezogen werden. Obwohl faktisch eine Kontogutschrift wie die GS-Gutschrift, wird die mit der WR-Gutschrift verbundene Rechtsstellung überwiegend34 gerade nicht einem besonderen Wertpapierstatut, sondern den Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts unterworfen. Maßgeblich sind nach dieser Ansicht daher für WR-Gutschriften vor dem 17. Dezember 2009 die Artt. 27 ff. EGBGB a. F. als nationale Übernahme des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ)35, für Gutschriften ab diesem Tag die unmittelbar anwendbare Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO)36.37 Grundsätzlich unterliegt nach dieser herrschenden kollisionsrechtlichen Qualifikation die mit der WR-Gutschrift erlangte Rechtsstellung gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO (Art. 27 Abs. 1 EGBGB a. F.) der Parteiautonomie der Vertragspartner der Depotkontobeziehung, was über die Rechtswahlklauseln der allgemeinen AGB von Banken und Sparkassen38 den Weg in deutsches Sachrecht ebnet. Für Verfügungen sind hinsichtlich der 34 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 433 ff.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 79, 83, 88, 94; Schefold, IPRax 2000, S. 468, 469; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 539, Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 86; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 714; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 85 f.; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 195; Rögner, ZBB 2006, S. 98, 101; Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 39, 66; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 262 f., 310; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2013), Kapitel 38 Rdnr. 53. Zur Gegenansicht, nach der § 17a DepotG maßgeblich ist, s. unten § 7 B. III. 4. 35 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen – EVÜ), ABl. L 266 vom 9.10.1980, S. 1; konsolidierte Fassung in ABl. C 334 vom 30.12.2005, S. 1. 36 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juli 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 37 Die Rom I-VO findet gemäß ihrem (nachträglich korrigierten, vgl. ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 87) Art. 28 Anwendung auf Verträge, die ab dem 17.12.2009 geschlossen werden. S. zum temporalen Anwendungsbereich Wagner, NJW 2010, S. 1707, 1708, und (noch ohne Berücksichtigung der Korrektur) Magnus, IPRax 2010, S. 27, 31 f. 38 Ziff. VII Abs. 1 AGB CBF auf höchster Stufe; Nr. 6 Abs. 1 AGB Banken und Nr. 6 Abs. 1 AGB Sparkassen auf den niedrigeren Stufen.
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1. Kapitel: Grundlagen
Gutschriften vor Inkrafttreten der Rom I-VO die lückenhaften Bestimmungen des Art. 33 EGBGB a. F. heranzuziehen: Dessen Abs. 1 ordnet die schuldrechtlichen Verpflichtungen zwischen Zedent und Zessionar aus dem der Forderungsübertragung zugrundeliegenden Kausalgeschäft einem eigenständig zu bestimmenden Grundstatut zwischen beiden Parteien zu. Abs. 2 der Norm unterwirft hingegen einzeln aufgezählte Rechtsfragen der Beziehung des Zessionars zum Schuldner demjenigen Recht, dem die abgetretene Forderung unterliegt (Forderungsstatut). In der Eingruppierung sonstiger Fragen der Verfügung divergieren die Ansichten nicht nur im Inland, sondern (in Bezug auf den zugrundeliegenden Art. 12 EVÜ) auch zwischen den obersten nationalen Gerichten in Europa.39 In Deutschland erweitern der BGH40 und die im Schrifttum herrschende Auffassung41 die Kollisionsregel des Art. 33 Abs. 2 EGBGB a. F. entsprechend der durch Trennungs- und Abstraktionsprinzip vorgegebenen Struktur einerseits sachlich auf sämtliche Voraussetzungen und Wirkungen des Verfügungsgeschäfts, andererseits persönlich auf alle potentiell Betroffenen wie den Zedenten oder Dritte. Das Forderungsstatut bestimmt als Folge nicht nur inter partes, sondern auch erga omnes über alle Fragen der Verfügung. Auf die WR-Gutschrift angewandt bedeutet dies, dass die Rechtswahl in den allgemeinen AGB von Banken und Sparkassen zugunsten des deutschen Rechts mittelbar auch das Verfügungsgeschäft erfasst. Praktische Relevanz dürfte dies vor allem bei der grenzüberschreitenden Verpfändung der Ansprüche aus der Gutschrift haben,42 für die als Minus zur vollen Übertragung der Forderung dieselben Grundsätze gelten.43 Für WR-Gutschriften nach Überführung des völkerrechtlichen EVÜ in die europäische Rom I-VO haben sich allerdings gewisse Veränderungen 39 Vgl. die Nachweise bei Kieninger, in: Basedow/Baum/Nishitani (Hrsg.), Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective (2008), S. 153, 156 f., Mankowski, IHR 2008, S. 134, 150, und Verhagen/van Dongen, JPIL 2010, S. 1, 13 ff., zur unterschiedlichen Zuordnung der Drittwirksamkeit der Zession durch den Court of Appeal in England und den Hoge Raad in den Niederlanden. 40 BGH v. 20.6.1990, Az. VIII ZR 158/89, BGHZ 111, S. 376; BGH v. 26.11.1990, Az. II ZR 92/9, NJW 1991, S. 1414; BGH v. 8.12.1998, Az. XI ZR 302/97, NJW 1999, S. 940. 41 Eine Gegenauffassung ordnet das Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar insgesamt – inter partes damit auch den Forderungsübergang als solchen – Abs. 1 zu, während Abs. 2 lediglich als Ausnahmetatbestand für die speziell genannten Fragen angesehen wird; vgl. den Überblick zum Meinungsstand bei Bamberger/Roth-Spickhoff, BGB, Bd. 3 (2012), Art. 14 Rom I-VO Rdnr. 2. 42 Aufgrund des Konzepts eines originären Erwerbs im Rahmen des Treuhandgiro kommt eine grenzüberschreitende Zession nicht in Betracht, vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 74; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/357. 43 Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 317.
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ergeben. Noch rein deklaratorisch ist die ausdrückliche Einbeziehung der Forderungsübertragung zu Sicherungszwecken und der Bestellung von Pfand- und anderen Sicherungsrechten an Forderungen in Art. 14 Abs. 3 Rom I-VO. 44 Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO übernimmt zudem aus dem EVÜ die Erstreckung des Forderungsstatuts auf bestimmte Fragen der Beziehung zwischen Zessionar und Schuldner. Anders als EVÜ und EGBGB a. F. lässt dann aber Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO das autonom zu bestimmende Grundstatut zwischen Zedent und Zessionar nicht mehr nur über die „Verpflichtungen“, sondern auch über das „Verhältnis“ der beiden letztgenannten Parteien entscheiden. Ausweislich des Erwägungsgrundes 38 Rom I-VO soll durch die Verwendung des neuen Begriffes klargestellt werden, dass auch die dinglichen Aspekte zwischen Alt- und Neugläubiger von dem selbstständig zu bestimmenden Statut des zugrundeliegenden Geschäfts erfasst sind. Das Verfügungsgeschäft zwischen Depotkunden und einem Dritten über eine WR-Gutschrift ist daher nunmehr inter partes nach der Rechtsordnung zu beurteilen, die die zugrundeliegende Rechtsbeziehung beider Parteien bestimmt.45 Im konkreten Fall der Verpfändung einer WR-Gutschrift ist dementsprechend die Anknüpfung des schuldvertraglichen Kreditverhältnisses zwischen Depotinhaber und dem Dritten maßgeblich, sofern nicht ausnahmsweise46 zur Bestellung des Pfandrechts eine gesonderte Sicherungsvereinbarung mit eigenständiger Rechtswahl getroffen wird. Ob die Neuregelung der Rom I-VO Anlass gibt, über diesen Aspekt hinaus die Koordinaten des Zusammenspiels von Forderungs- und Grundstatut grundlegend zu verschieben,47 erscheint dagegen zweifelhaft. Wäh44
In der deutschen Fassung der Rom I-VO ist lediglich von der „Übertragung“ von Pfandrechten die Rede. Dies beruht wohl nur auf einer unglücklichen Übersetzung und steht einer Subsumtion auch der erstmaligen Pfandrechtsbestellung nicht entgegen; vgl. Flessner, IPRax 2009, S. 35, 37, unter Hinweis auf die abweichenden anderen Sprachfassungen. 45 Kritisch zur Aufspaltung der Verfügungswirkungen inter partes und gegenüber Dritten Kieninger, in: Basedow/Remien/Wenckstern, Europäisches Kreditsicherungsrecht (2010), S. 147, 153 ff. Zur Vermeidung der Trennung befürwortet Kieninger eine einschränkende Interpretation von Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO, wonach der Absatz zwar umfassend den Abtretungsvertrag, nicht aber die Verfügungswirkungen anknüpfe; mit dem Wortlaut von Erwägungsgrund 38 Rom I-VO lässt sich eine solche Auslegung freilich nur schwer vereinbaren. 46 Regelmäßig wird die Sicherungsabrede nur ein unselbstständiger Bestandteil des Darlehensvertrages sein, s. Koziol, DZWir 1993, S. 353, 356. Zur Sicherungsvereinbarung als Kausalgeschäft s. a. MünchKommBGB-Martiny, Bd. 10 (2010), Art. 14 Rom IVO Rdnr. 18. 47 Dafür Flessner, IPRax 2009, S. 35, 38 ff., der Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO auch die Drittwirkung der Verfügung und den sonstigen „Außenbereich“, Art. 14 Abs. 2 Rom IVO dagegen nur noch den „Innenbereich“ des Schuldners zu den Abtretungsparteien
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1. Kapitel: Grundlagen
rend der Verhandlungen über die Verordnung konnte über die Anknüpfung der Drittwirksamkeit der Forderungsübertragung und des Rangverhältnisses zwischen Zessionar und konkurrierenden Dritten keine Einigung erzielt werden; stattdessen ist in Art. 27 Abs. 2 Rom I-VO eine Überprüfung dieser Fragen durch die Kommission bis zum 17. Juni 2010 vorgesehen. Der Streit über die kollisionsrechtliche Behandlung der Drittwirkung der Zession ist demnach bislang noch nicht entschieden worden.48 Entsprechend der bislang in Deutschland herrschenden Auffassung ist die Zuordnung der Drittwirkung zum Forderungsstatut weiterhin vertretbar, angesichts der schon zum EVÜ europaweit divergierenden Ansichten aber nach wie vor mit Unsicherheiten belastet. Für die Verpfändung der WR-Gutschrift bedeutet dies, dass der Schuldner der Gutschrift, die Depotbank, hinsichtlich der Auswirkungen einer Verpfändung durch ihren Kunden über Art. 14 Abs. 2 Rom I-VO weiterhin auf die Rechtswahl in ihren allgemeinen AGB vertrauen kann. Eine klare Entscheidung, dass dies auch für das Verhältnis zwischen Pfandnehmer und etwaigen Dritten (z. B. früheren Sicherungsnehmern des Depotinhabers) gilt, hat die Verordnung dagegen nicht getroffen. Im Folgenden wird zu beurteilen sein, ob sich die herrschende schuldrechtliche Anknüpfung der WR-Gutschrift im Lichte der europäischen Vorgaben grundsätzlich halten lässt. Möglicherweise folgt aus dem Ziel einer einheitlichen Anknüpfung im Effektengiro ein umfassendes Statut der intermediatisierten Wertpapiere, dessen Anwendungsbereich sich auf alle Depotsysteme unabhängig von deren rechtlicher Konstruktion erstreckt.49 III. Wertpapierstatut und Insolvenzstatut Ein weiteres Statut, das in Bezug auf das Effektengiro eine besondere Rolle spielt, ist das Statut der Wirkungen eines Insolvenzverfahrens. Berührungspunkte mit dem Recht des Effektengiros ergeben sich für das Insolvenzrecht vor allem auf zwei Wegen: Zum einen folgt der Kontakt aus der weit verbreiteten Verwendung verbuchter Titel als Sicherheit. Die Bestellung nach sachen- oder schuldrechtlichen Grundsätzen ist eng verwoben zuordnen will. Vgl. a. Einsele, RabelsZ Bd. 69 (2010), S. 91, die Publizitätserfordernisse Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO, Registrierungserfordernisse als Eingriffsnormen Art. 9 Rom IVO zuordnen will. 48 Mankowski, IHR 2008, S. 134, 150 f.; ders., EuZ 2009, S. 2, 12; Pfeiffer, EuZW 2008, S. 622, 629; Clausnitzer/Woopen, BB 2008, S. 1798, 1806; Garcimartin Alférez, EuLF 2008, S. I-61, I-78; Einsele, WM 2009, S. 289, 298; Magnus, IPRax 2010, S. 27, 42; Kieninger, in: Basedow/Remien/Wenckstern, Europäisches Kreditsicherungsrecht (2010), S. 147, 155. 49 Hierzu insbesondere § 7 B. III. 4. und § 12 B. I. 3.
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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mit der Behandlung der Sicherheit im Rahmen eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens gegen den Sicherungsgeber. Wieviel ein Sicherungsrecht an intermediatisierten Wertpapieren wirklich wert ist, lässt sich erst mit Blick auf die Insolvenzsituation beantworten. Zum anderen ist ganz allgemein der Ausfall eines Intermediärs im Netz des Effektengiros zu berücksichtigen. Verfügungsbeschränkungen eines Teilnehmers durch ein gegen ihn eröffnetes Insolvenzverfahren beeinflussen die verflochtenen Wertpapierliefersysteme und drohen sich zu systemischen Risiken auszuwachsen. Vor diesem Hintergund sind in Bezug auf das Effektengiro neben international-privat- auch international-insolvenzrechtliche Anknüpfungen zu berücksichtigen und auf Tatbestandsseite abzugrenzen. B. Bestimmung eines adäquaten Anknüpfungsmoments Neben der Abgrenzung des Anknüpfungsgegenstands liegen die Schwierigkeiten für das Kollisionsrecht des Effektengiros in der Bestimmung eines Anknüpfungsmerkmals, das den Gegebenheiten intermediatisierter Wertpapiere gerecht wird. Illustrieren lässt sich dies anhand der Probleme, die die Anwendung des klassischen Verweisungsmomentes für verkörperte Wertpapiere auf die kontoverbuchten Titel hervorrufen würde. Hierbei handelt es sich um eine in Europa jedenfalls teilweise hypothetische Betrachtung, da die noch darzulegenden Vorgaben der EU nationale Sonderkollisionsregeln zum Effektengiro mit einem neuen Anknüpfungsmoment bewirkt haben. Zur Verdeutlichung der Herausforderungen durch das Effektengiro sollen diese zunächst noch ausgeblendet bleiben. I.
Belegenheit direkt gehaltener Wertpapiere
In den nationalen Kollisionsregeln werden Wertpapiere, die ohne Einschaltung eines Intermediärs gehalten werden, verbreitet der Anknüpfung dinglicher Rechte an die Rechtsordnung der Belegenheit der Sache, die lex rei sitae, unterworfen.50 Demnach richtet sich jedenfalls bei direkt gehaltenen Inhaberpapieren das Schicksal der Titel nach der Rechtsordnung des Ortes der Urkunde, in spezifizierender Terminologie also der lex cartae sitae. Auch in Deutschland findet diese Verweisungsregel Anwendung: Bereits vor geraumer Zeit hat die Rechtsprechung die Anknüpfung an den Ort der Urkunde als ungeschriebenen kollisionsrechtlichen Grundsatz für das
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Vgl. die Hinweise bei Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.01 ff.; Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 77; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.4, 2.63 ff.; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-36 f., 4-3.
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1. Kapitel: Grundlagen
Sachstatut verkörperter Wertpapiere anerkannt.51 Im Zuge der Kodifizierung des internationalen Sachenrechts im Jahre 199952 ist die Anknüpfung an den Staat, in dem sich die Sache befindet, in Art. 43 Abs. 1 EGBGB verankert worden. Da der Gesetzgeber explizit auf eine besondere Regelung für Wertpapiere verzichtete,53 stellt die lex cartae sitae nunmehr einen Unterfall dieser Norm dar.54 Relativierend ist allerdings anzumerken, dass der maßgebliche situs für andere Instrumente als Inhaberpapiere durchaus unterschiedlich interpretiert wird. Ein Faktor hierfür ist die divergente Konzeption der Register, die der Emittent (selbst oder durch einen Dienstleister) über die Inhaber der gegen ihn gerichteten Titel führt. Beispielsweise spielt das Aktienregister nach deutschem Gesellschaftsrecht für die materielle Rechtslage keine Rolle,55 so dass für Namensaktien als Orderpapiere kollisionsrechtlich ebenfalls die lex cartae sitae herangezogen werden kann.56 In anderen Rechtsordnungen ist hingegen das Register des Emittenten für die Inhaberschaft der Instrumente entscheidend, so dass den Urkunden – sofern vorhanden – allenfalls eine den Rektapapieren vergleichbare Funktion oder bloße Beweiszwecke zukommen.57 Mitunter bestehen dann bereits gewisse Unsicherheiten, wie die maßgebliche Belegenheit zu bestimmen ist.58 In 51
Vgl. nur die Heranziehung der lex cartae sitae zumindest der Sache nach in RG v. 14.11.1891, Az. V 171/97, RGZ 28, S. 109, 111; RG v. 19.3.1898, Az. I 421/97, RGZ 41, S. 152, 153; BGH v. 26.9.1989, Az. XI ZR 178/88, BGHZ 108, S. 353, 356; BGH v. 19.1.1994, Az. IV ZR 207/92, NJW 1994, S. 939, 940. In der Literatur Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 413; Lorenz, NJW 1995, S. 176, 177; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 399. 52 Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999, BGBl. 1999, Teil I, S. 1026. 53 Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drucks. 14/343 vom 1.2.1999, S. 14. 54 Vgl. OLG Düsseldorf v. 30.7.2003, Az. 11 U 3/03, NJOZ 2004, S. 1213, 1215; Kegel/Schurig, IPR (2004), § 19 II (S. 769); Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 490; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 205; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 178. 55 Vgl. nur MünchKommAktG-Bayer, Bd. 1 (2008), § 67 Rdnr. 1; Hüffer, Aktiengesetz (2012), § 67 Rdnr. 11. 56 Zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von Orderpapieren allgemein Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 399 f.; Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 423.; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 187. 57 Vgl. exemplarisch die Darstellung der Rolle des certificate nach englischem und New Yorker Recht bei Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 3.05 ff. 58 Potok, 4 JIBFL 166 (2001); Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 78; Girsberger, recht 2003, S. 34, 35; Crawford, 38 C.B.L.J. 157, 161 (2003); Benjamin, 6 JIBFL 223, 225 (2003). Charakteristisch etwa die Suche nach der Belegenheit der Aktien
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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den betreffenden Ländern wird eher der Ort des Registers als maßgebliche Belegenheit des Instruments angesehen (lex libri siti) oder das Recht des Anlegers ohnehin schlicht dem Personalstatut des Emittenten zugeordnet.59 Die verschiedenen Interpretationen des maßgeblichen situs lassen sich nur dadurch bewältigen, dass nach dem oben dargelegten Vorgehen zunächst das Hauptstatut des zugrundeliegenden Rechts bestimmt und diesem die Frage nach dem rechtlichen Schicksal der einzelnen Titel gestellt wird. Nach Maßgabe dieser Entscheidung ist dann die einschlägige Ausprägung der lex rei sitae für die direkt gehaltenen Titel heranzuziehen.60 Trotz der Differenzen hinsichtlich der Emittentenregister wird die klassische Anknüpfung an den Ort der Belegenheit im Allgemeinen auch für Wertpapiere als hinreichend klar und zufriedenstellend empfunden, wenn dem Anleger eigenes Eigentum an verbrieften Urkunden zukommt oder er direkt in den Büchern des Emittenten eingetragen ist.61 Sobald jedoch im Rahmen des Effektengiros eine Intermediatisierung der Titel unter Einschaltung von Mittelspersonen erfolgt, schafft der klassische Ansatz Unsicherheit und Komplikationen. II. Funktionsverlust der Urkunde Augenscheinlich ist zunächst, dass der Funktionsverlust der Urkunde im Rahmen des Effektengiros der lex cartae sitae Probleme bereiten muss. Ein Anknüpfungsmoment, das dem Papier jedenfalls für bestimmte Wertpapiere entscheidende Bedeutung beimisst, kollidiert zwangsläufig mit einer Übertragungsart, die dem Papier ebenjene Bedeutung kaum noch zukommen lässt. Der Übergang zu bloßen Kontobuchungen dient gerade dem Zweck, die Erfüllung der massenhaften Handelstransaktionen von der Bewegung effektiver Stücke zu lösen. Werden die Wertpapiere in einem zentral verwahrten Sammelbestand zusammengefasst oder gar in einer faktisch unbeweglichen Globalurkunde sammelverbrieft, so rückt für den Rechtsverkehr eine andere Grundlage in den Vordergrund: die Gutschrift aus der Sicht des Common Law in der Leitentscheidung Macmillan v Bishopsgate Investment Trust Plc (No.3) [1996] 1 W.L.R. 387; vgl. aus der umfangreichen Literatur nur die Analyse bei Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 1.04 ff. 59 Vgl. Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.01, 307; Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.4, 2.64. 60 In diese Richtung Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 26 Rdnr. 183. 61 So die Einschätzung bei Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.65; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-37.
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1. Kapitel: Grundlagen
auf dem Depotkonto.62 Im Geflecht der grenzüberschreitenden Kanäle des Effektengiros spielt es für die einzelnen Positionen in einem Depot eine allenfalls untergeordnete Rolle, wo letztlich der Tresor mit den effektiven Urkunden steht. Bereits durch die Immobilisierung von Wertpapieren verliert die Anknüpfung an die lex cartae sitae also an innerer Berechtigung.63 Eine vollständige Entmaterialisierung des Effektenwesens, wie sie in einigen Rechtsordnungen für das Effektengiro verwirklicht worden ist, droht dem Verweisungsmoment die Grundlage gänzlich zu entziehen.64 Wenn schlicht keine Urkunde mehr vorhanden ist, kann für die Rechte des Anlegers auch kollisionsrechtlich nicht mehr an deren Belegenheit angeknüpft werden.65 Eine Anwendung der lex rei sitae auf entmaterialisierte Titel ist daher mit dogmatischen Schwierigkeiten verbunden und nur unter erheblichen Modifikationen möglich. So stellt sich in Bezug auf bloße Wertrechte, die im Rahmen des Effektengiros verbucht werden, schon die grundlegende Frage, ob ohne körperliche Grundlage neben dem Hauptstatut des zugrundeliegenden Rechts überhaupt noch ein eigenständiges „Sachstatut“ unterstellt werden kann. Dass sich im Hauptstatut zu dieser Frage eine ausdrückliche materielle Regelung wie die Gleichstellungsfiktion des § 6 Abs. 2 S. 1 BSchuWG für deutsche Sammelschuldbuchforderungen66 findet, dürfte eher die Ausnahme denn die Regel sein. Ohne eine solche Bestimmung muss darauf abgestellt werden, ob die fraglichen Wertrechte historisch nur aus Gründen der Rationalisierung an die Stelle effektiver Stücke getreten sind. Ist dies der Fall, so kommt weiterhin eine gesonderte Beurteilung des rechtlichen Schicksals des Titels durch ein eigenes Statut in Betracht.67 Grundsätzlich verbleibt damit zwar über diese normierte oder funktionale Trennung eines „fiktiven Sachstatuts“ vom Hauptstatut auch bei entmaterialisierten Wertrechten Raum für die lex rei sitae. Weiterhin besteht dann aber das Problem, dass die Belegenheit der Urkunde für die Anknüp62
Vgl. Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 711. Horn, in: Häuser u. a. (Hrsg.), FS Hadding (2004), S. 893, 894; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 711; Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 808 f. 64 Schefold, IPRax 2000, S. 468, 470; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 43; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 134. 65 Zur Problematik MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 211 f. 66 Im Umkehrschluss zu dieser Regelung sind Einzelschuldbuchforderungen kollisionsrechtlich keinem gesonderten dinglichen Sachstatut unterworfen, s. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 171 Fn. 9. S. a. oben § 1 D. 67 Vgl. zu diesem Ansatz MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 202. 63
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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fung nicht zur Verfügung steht. Der situs müsste also neu definiert werden: In Anlehnung an die kollisionsrechtliche Interpretation direkt gehaltener Registertitel in verschiedenen Rechtsordnungen bietet es sich an, für die Wertrechte im Effektengiro die lex libri siti heranzuziehen.68 Im Beispiel der inländischen Sammelschuldbuchforderungen könnte so die Anwendbarkeit deutschen Rechts – lässt man eine noch zu erörternde vorrangige Sonderkollisionsregel außer Betracht – mit dem Ort des Bundesschuldbuchs begründet werden.69 III. Lex rei sitae als stufenübergreifender Ansatz Immobilisierung und Entmaterialisierung ziehen Grundlage und Bezugspunkt der lex rei sitae in Zweifel. Darüber hinaus ist das Verweisungsmoment im Effektengiro aber auch mit konzeptionellen Problemen behaftet. Sowohl in der Ausprägung als lex cartae sitae als auch in der Ausprägung als lex libri siti verweist das Anknüpfungsmoment auf die oberste Ebene der Depotpyramide, wo der Betreiber des Wertpapierliefersystems Sammelbestand bzw. Emittentenregister unterhält. Damit werden für die Anknüpfung die regelmäßig dazwischenliegenden Kontostufen und Intermediäre ignoriert. Hinter dem Verweisungsmoment steht ein stufenübergreifender Ansatz im Kollisionsrecht, der durch die verschiedenen Depotebenen hindurch blickt („look-through“ approach).70 Zunächst kann das zentralisierte kollisionsrechtliche Muster mit der materiellrechtlichen Stufung in verschiedenen Rechtsordnungen konfligieren. Wenn die lex rei sitae das gesamte Effektengiro beurteilen soll, so wird sie nicht nur mit parallel aufgebauten Depotkonstruktionen konfrontiert. Den in einem gestuften System erteilten Gutschriften liegt möglicherweise – vermittelt über mehrere Kontoebenen – ein zentraler Sammel68 Vgl. auch Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.19 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 171; MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 205; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 181. 69 Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.22, unterscheiden (jedenfalls terminologisch) zwischen der lex cartae sitae für dematerialisierte Titel im Inland und der Rechtsordnung des Registers für entsprechende Titel im Ausland. Vorzugswürdig erscheint aber, auch im Inland die Bezeichnung „lex libri siti“ zu verwenden, da auch die Gleichstellungsfiktion des BSchuWG keine körperliche Grundlage für die Anknüpfung schaffen kann. 70 So die schlagwortartige Charakterisierung bei Potok, 4 JIBFL 166 (2001); Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 78; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.66, 2.69 ff.; Benjamin/Yates/Montagu, The Law of Global Custody (2002), Rdnr. 5.30; Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 808; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-37 ff.
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1. Kapitel: Grundlagen
bestand in einem anderen Staat zugrunde.71 Dort kann einer Kontobuchung aber eine gänzlich andere Bedeutung beigemessen werden als im Staat der anzuknüpfenden Gutschrift, der nur eine gemischte oder rein schuldrechtliche Rechtsposition gegenüber dem eigenen Intermediär unterstellt. Zudem haben Inhaber, Erwerber oder sonstige Dritte, die von der Gutschrift betroffen sind, unter Umständen keinerlei Beziehung zur Rechtsordnung der Urkundenbelegenheit.72 Eine schematische stufenübergreifende Anknüpfung würde also in derartigen Konstellationen zur Anwendung einer fremden Rechtsordnung auf ein Wertpapierliefersystem führen, die mit dessen eigener materiellrechtlicher Konzeption nicht zu vereinbaren ist. Zur Verhinderung dieses Ergebnisses müsste – ohne vorrangige Sonderkollisionsregel – der maßgebliche situs also dem gestuften System angepasst werden,73 wenn man nicht über eine rein schuldrechtliche Qualifikation die Regeln des internationalen Schuldrechts zur Anwendung bringt. Vor allem aber ist die stufenübergreifende kollisionsrechtliche Lösung wegen der faktischen Intransparenz vieler Depotsysteme nur schwer umzusetzen.74 Die Identität des Anlegers ist oftmals nur in den Büchern seines unmittelbaren Intermediärs vermerkt, was die Rückführung der anzuknüpfenden Kontogutschrift auf die maßgebliche Grundlage erschwert.75 Es gibt dabei auch keine bindende Regel, dass alle Wertpapiere derselben Gattung an demselben Ort – etwa dem Herkunftsland des Emittenten – in Sammelverwahrung genommen werden müssten.76 Insbesondere beim Einsatz verbuchter Titel als Sicherheit kann diese Intransparenz der Kontostu-
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Etwa über einen Global Custodian als Verbindungskanal, s. hierzu die verschiedenen Konstellationen bei Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.19 (Figure 2). 72 Vgl. Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 43; Saager, Die Bank 11/2005, S. 24. 73 Vgl. Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.20, zur Definition der lex rei sitae im Falle eines security entitlements gegen den eigenen Intermediär. 74 Potok, 4 JIBFL 166 (2001); Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 78; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 2.69; Alexander, 17 JIBFL 436 (2002); Bernasconi/Potok, IFLR 2003/1, S. 11, 12; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-39. 75 Für ein Depotkonto bei einem Kreditinstitut in Deutschland ist das Problem in der Praxis abgeschwächt: Bei der WR-Gutschrift ist das Lagerland anzugeben, Nr. 12 Abs. 3 S. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen; bei der GS-Gutschrift ist grundsätzlich von einer Verwahrung im Inland auszugehen. Es verbleibt im letzteren Fall allerdings das Problem gegenseitiger Kontoverbindungen der Wertpapiersammelbank, bei der mehrere Lageorte in Betracht kommen; dazu sogleich. 76 Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 216.
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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fen eine Rolle spielen.77 Für eine rechtssichere Bestellung müsste der Sicherungsnehmer die Kontoverbindungen bis zur letztendlich maßgeblichen Unterlage zurückverfolgen, was die Transaktionskosten durch die tatsächlichen und rechtlichen Nachforschungen erhöht. IV. Heterogene Depots Neben der erschwerten Umsetzung birgt der stufenübergreifende Ansatz der lex rei sitae in bestimmten Konstellationen die Gefahr einer Vervielfachung der anzuwendenden Rechtsordnungen. Praxisrelevant ist vor allem die einheitliche Verfügung über ein Depot, das sich aus in verschiedenen Ländern verwahrten Wertpapieren zusammensetzt.78 Ein solches heterogenes Depot kann insbesondere Gegenstand einer Sicherheitsbestellung sein. Wenn ein diversifiziertes Portfolio verpfändet wird, so müsste der Sicherungsnehmer, um die Wirksamkeit der Bestellung beurteilen zu können, die Anforderungen aller Lageorte kumulativ berücksichtigen.79 Noch einmal gesteigert wird die Rechtsunsicherheit, wenn die Sicherheit an einem dynamischen Depot bestellt wird, in dem sich laufend Veränderungen ergeben.80 Hier kann sich die Inhomogenität der zusammengefassten Wertpapiere auch noch nachträglich ergeben, was zu einer fortdauernden Überwachung zwingt.81 V. Gegenseitige Kontenverbindungen Ein weiterer Faktor, der zur Vervielfältigung der anwendbaren Rechtsordnungen durch die lex rei sitae führen kann, sind die gegenseitigen Kontoverbindungen der Wertpapiersammelbanken. Zunächst tritt dabei keine zusätzliche Komplikation der kollisionsrechtlichen Lage ein, wenn die Verbindung nur den Zugriff auf den Sammelbestand einer auschließlich 77 Potok, 15 JBFLP 204, 208 (2004); Roodt, 18 SA Merc LJ 83, 90 (2006); Ooi, L.M.C.L.Q. 2005, S. 467, 470. 78 Zum Problem Schefold, IPRax 2000, S. 468, 470; Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 78; Alexander, 17 JIBFL 436 (2002); Bernasconi/Potok, IFLR 2003/1, S. 11, 12; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 42; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 134; Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 808; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 711; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 525; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-38. 79 Vgl. auch die Argumentation in der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 80 Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 217. 81 Wiederum ist darauf hinzuweisen, dass die Problematik für Wertpapierkonten in Deutschland durch die Konstruktion der WR-Gutschrift umgangen wird; über deren herrschende schuldrechtliche Qualifizierung soll gerade eine Rückverfolgung zum ausländischen Lageort der Wertpapiere vermieden werden.
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1. Kapitel: Grundlagen
bei dem ausländischen Institut verwahrten Gattung ermöglicht. In diesem Fall kommt über den „look-through“-Ansatz die Rechtsordnung des jeweiligen Lageortes zur Anwendung.82 Anders sieht dies aber aus, wenn sich die gegenseitige Verbindung auf eine Wertpapiergattung bezieht, die sowohl bei der inländischen als auch bei der ausländischen Wertpapiersammelbank verwahrt wird.83 Betrachtet man die Teilbestände als einen einheitlichen Sammelbestand, der die Grundlage für die Kontopositionen bildet, so verweist die lex rei sitae auf beide Lageorte gleichzeitig.84 An diesem gemeinsamen Bestand können über zusätzliche Kontoverbindungen weitere Zentralverwahrer partizipieren, was die Anzahl der zu beachtenden Orte noch erhöht.85 Damit sind unter Umständen nicht nur für grenzüberschreitende, sondern auch für Verfügungen ausschließlich über das inländische Wertpapierliefersystem eines Zentralverwahrers die materiellrechtlichen Anforderungen ausländischer Rechtsordnungen kumulativ zu berücksichtigen.86 Für die gegenseitigen Kontoverbindungen der nationalen Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG nach § 5 Abs. 4 DepotG wird allerdings zum Teil die Ansicht vertreten, dass kein einheitlicher Sammelbestand gebildet wird.87 Hintergrund ist die überwiegende Auffassung zum Ferngiroverkehr zwischen den ehemaligen inländischen Kassenvereinen,88 aus deren Verschmelzung der heutige Zentralverwahrer hervorgegangen ist. Demnach soll wie in der früheren Parallele nicht der ausländische Sammelbestand unmittelbar, sondern in einer doppelstöckigen Konstrukti82
Vgl. Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 170, 174; für den nationalen Zentralverwahrer Clearstream verweist sie auf das Bestreben nach einer Bereinigung der Effektenbestände dahingehend, dass die Wertpapiergattungen jeweils an einem Ort konzentriert werden. 83 Ein Sonderfall sind die so genannten global shares, bei denen die Gesamtemission durch zwei sich ergänzende Sammelurkunden mit variabler Valuta bei verschiedenen Wertpapiersammelbanken verbrieft wird; hierzu Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 154 ff.; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 42 f. 84 Zur Problematik MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 187. 85 Einsele, WM 2001, S. 7, 15; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 171. 86 Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), Law of Cross Border Securities Transactions (1999), Rdnr. 3.16; Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 543, 551; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 714. 87 Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/62, 8/341. Hingegen für einen einheitlichen Sammelbestand MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 188. 88 Hierzu Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2023; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/340.
§ 2 Kollisionsrechtliche Problemfelder
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on zunächst nur eine ausländische Rechtsstellung an den dort belegenen Titeln in den inländischen Sammelbestand insgesamt einbezogen werden. An diesem inländischen Sammelbestand, der sich aus den hier verwahrten Urkunden und der Gesamtberechtigung an dem im Ausland belegenen Titeln zusammensetzt, partizipieren dann wiederum die inländischen Inhaber mit ihrem Miteigentumsanteil nach Bruchteilen.89 Aber auch wenn man dieser Interpretation als zwei getrennte Sammelbestände folgt, die jeweils anteilsmäßig aneinander beteiligt sind, wird das kollisionsrechtliche Problem mehrerer Lageorte nicht vollständig umgangen: Die externe Einlieferung von Wertpapieren durch die Gutschrift des ausländischen Zentralverwahrers zugunsten von Clearstream beurteilt sich zunächst nach der ausländischen Belegenheit, die weitere Vermittlung dieser Rechtsstellung im Rahmen des Sammelbestands von Clearstream nach der inländischen Belegenheit. Damit kommt es also zumindest noch zu einem sukzessiven Zusammenwirken beider Lageorte.90
89
Zu der nicht unkomplizierten Konstruktion einer Übertragung eines auswärtigen Sammelbestandanteils im Rahmen des früheren Ferngiroverkehrs im Inland Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2023; s. a. MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 188. 90 Vgl. Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 414; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 173 f.
2. Kapitel
Europäisches Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA Die dargelegte Obsoleszenz und in mancher Hinsicht sogar Dysfunktion1 der herkömmlichen Anknüpfung an die lex rei sitae im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr haben auf europäischer Ebene zur Einführung eines neuen Anknüpfungsmomentes geführt. Kennzeichnend für den gewählten Ansatz ist, dass zwar weiterhin eine objektive Belegenheit der intermediatisierten Wertpapiere gesucht, dabei aber vom Lageort der effektiven Stücke abgerückt wird. Stattdessen soll für die Kapitalmarkttitel an einen Ort angeknüpft werden, der die Realitäten der Finanzmärkte besser widerspiegelt. Dementsprechend richten verschiedene Sonderkollisionsnormen ihren Fokus nunmehr auf die faktisch maßgeblichen Buchungsvorgänge im weltweiten Geflecht der Depotkonten. Da deren Körperlosigkeit Schwierigkeiten bei der Lokalisierung bereiten könnte, dient der kontoführende Intermediär zur Konkretisierung. Eingebürgert haben sich für dieses Konzept die Bezeichnung Place of the Relevant InterMediary Approach und das daraus abgeleitete prägnante Akronym „PRIMA“.2 Die englischsprachigen Begrifflichkeiten sind auf den Ursprungsort der Diskussion zurückzuführen,3 die seit Ende der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts weltweit über ein modernes Anknüpfungsmodell für das Effektengiro geführt wird. Was aber im Einzelnen aus dem Konzept von PRIMA für die Gestaltung des Kollisionsrechts folgt, ist trotz dieser andauernden Debatte nicht vollauf geklärt. So bietet denn auch die Zusammenschau seiner Umsetzung im 1
Vgl. die Formulierung bei Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 213: „Dysfunktion der Situs-Regel bei indirekt verwahrten Wertpapieren“. 2 Aus der deutschen Literatur statt vieler Löber, BKR 2001, S. 118, 122; Schefold, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 463, 464; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 133 f.; Haubold, RIW 2005, S. 656; MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 220. 3 Nach Goode, selbst ein früher Exponent eines neuen Ansatzes für das Wertpapierkollisionsrecht, geht das Schlagwort zurück auf Potok und Guynn, s. Goode, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.32. Zur Herkunft des Begriffes auch Benjamin/Yates/Montagu, The Law of Global Custody (2002), Rdnr. 5.26, insbesondere Fn. 1.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
europäischen Wertpapierkollisionsrecht ein heterogenes Bild. Die Einführung des neuen international-privatrechtlichen Ansatzes ist nicht durch eine einzige einheitliche Bestimmung erfolgt, sondern schrittweise als Ergänzung und Annex verschiedener kapitalmarktrechtlicher Rechtsakte. Die entstandenen Vorschriften sind in gewissen Aspekten aufeinander bezogen und abgestimmt, offenbaren in anderer Hinsicht aber auch Inkohärenz und Lücken. Verdeutlichen lässt sich dies anhand einer Analyse der einzelnen Kollisionsnormen4 unter Berücksichtigung der Problemstellungen, die von allen Normen in der Praxis des Effektengiros parallel bewältigt werden müssen.
§3
Finalitätsrichtlinie
Als erste und zugleich wohl auch bekannteste Norm, die sich als Hinwendung zu einem neuen Konzept für das Kollisionsrecht des Effektengiros deuten lässt, ist die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen5 (Finalitätsrichtlinie)6 in Kraft getreten. A. Grundlegendes zur Richtlinie Übergeordnetes Ziel der Richtlinie ist die Verringerung von Systemrisiken.7 Die Teilnahme an Zahlungssystemen, die auf der Grundlage ver4
Im Folgenden wird der Begriff „Kollisionsnorm“ auch in Bezug auf Richtlinienbestimmungen verwendet, obwohl es sich streng genommen nur um Anweisungen zur Rechtsangleichung handelt; vgl. MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 183. Die Kollisionsvorschriften zu Wertpapieren gehen bei Voraussetzungen und Rechtsfolgen derart ins Detail, dass die Bezeichnung trotz fehlender unmittelbarer Anwendbarkeit als gerechtfertigt erscheint. Prägnant sind etwa die nahezu wortgleichen Bestimmungen in der unmittelbar anwendbaren EuInsVO und den umzusetzenden Spezialrichtlinien. Zudem ist auf Art. 23 Rom I-VO hinzuweisen, der nach allgemeiner Ansicht mit der Bezeichnung „Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die […] Kollisionsnormen […] enthalten“ auch Vorschriften in Richtlinien einbezieht; zu dieser Vorschrift unten § 3 B. I. 4. b). 5 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45. 6 Die auch im Deutschen gebräuchliche Kurzform „Finalitätsrichtlinie“ beruht auf dem englischen Namen des Rechtsaktes („Directive 98/26/EC of the European Parliament and of the Council of 19 May 1998 on Settlement Finality in Payment and Securities Settlement Systems“); zur Bedeutung von „Finalität“ sogleich. 7 Allgemein zum Begriff des systemischen Risikos etwa Zimmermann/Bubb, in: Walburger u. a. (Hrsg.), FS Nobel (2005), S. 745, 748. Speziell zum Telos der Finalitätsrichtlinie Hasselbach, ZIP 1997, S. 1491; Keller, WM 2000, S. 1269; Obermüller, in:
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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schiedener Formen der Aufrechnung von Zahlungsaufträgen (so genanntes Netting)8 arbeiten, wird beim Ausfall einzelner Teilnehmer von systemischen, nicht mehr auf bestimmte Teilnehmer begrenzbaren Auswirkungen bedroht. Sofern etwa das anwendbare Insolvenzstatut die Rückabwicklung von bereits in das System eingestellten Zahlungsaufträgen verlangt, kann die Insolvenz eines einzelnen Beteiligten zu Liquiditätsschwierigkeiten anderer Teilnehmer führen, die sich ihrerseits wiederum fortpflanzen.9 Entsprechende Gefahren bestehen auch für Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme; zusätzlich droht das wechselseitige Übergreifen des Dominoeffekts zwischen den jeweiligen Systemen für Zahlung und Wertpapierlieferung.10 Die Minderung derartiger Risiken wird vom europäischen Gesetzgeber als ein Beitrag zur effizienten und kostengünstigen Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungs- und Wertpapiertransaktionen gesehen und – als Stärkung des Kapital- und Dienstleistungsverkehrs – der Vollendung des Binnenmarktes und der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zugeordnet.11 Dementsprechend beruft er sich für die Schaffung der Richtlinie auf die allgemeine Kompetenzgrundlage für Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes in Art. 114 AEUV (ex Art. 100 a EGV, ex Art. 95 EG). Die Vorarbeiten zu dem Rechtsakt reichen bis ins Jahr 1993 zurück.12 Als deren Ergebnis wurde 1998 ein Konglomerat13 aus internationalem und materiellem Insolvenzrecht, aus internationalem und materiellem Privatrecht sowie aus hoheitlichem Aufsichtsrecht geschaffen. Auch nach ihrem Inkrafttreten verblieb die Richtlinie auf der legislativen Agenda: Die Kommission legte 2006 zunächst einen Auswertungsbericht über ihre Anwendung der Richtlinie vor14 und führte auf dessen Grundlage eine Kon-
Prütting/Vallender (Hrsg.), FS Uhlenbruck (2000), S. 365; Boos/Fischer/Schulte-MattlerFischer, Kreditwesengesetz (2012), § 24 b KWG Rdnr. 2 f. 8 Erwägungsgrund 1 S. 1 Finalitätsrichtlinie. 9 MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Vor Art. 1 EuInsVO Rdnr. 26. 10 Auf letzteren Aspekt weist Erwägungsgrund 2 Finalitätsrichtlinie hin. 11 Erwägungsgrund 3 Finalitätsrichtlinie. 12 Zur Vorgeschichte der Richtlinie Keller, WM 2000, S. 1269; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Kreditwesengesetz (2012), § 24 b KWG Rdnr. 2. 13 So die treffende Kennzeichnung des Rechtsaktes bei Keller, BKR 2002, S. 347, 351. 14 Bericht der Kommission vom 27. März 2006, Auswertungsbericht zur Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen (EU 25), KOM(2005) 657 endg. Der Bericht beruht auf Art. 12 Finalitätsrichtlinie.
80
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
sultation der betroffenen Branche15 durch. Die gewonnenen Erkenntnisse zog die Kommission für den Vorschlag eines sowohl die Finalitätsrichtlinie wie auch die nachfolgende Finanzsicherheitenrichtlinie reformierenden Rechtsaktes heran,16 der mit geringen Änderungen 2009 in Form der Änderungsrichtlinie 2009/44/EG in Kraft trat.17 Weiterhin berührte die Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors – ESFS) die aufsichtsrechtlichen Elemente,18 und auch die Regulierung des außerbörslichen (over the counter) Derivatehandels in der betreffenden Verordnung (European Market Infrastructure Regulation – EMIR) wirkte auf die Finalitätsrichtlinie ein.19 Die Überarbeitung durch die Änderungsrichtlinie 2009/44/EG sollte – neben der Berücksichtigung zunehmender Verknüpfung und Interoperabilität der Systeme20 sowie der Einbeziehung von Kreditforderungen als Sicherheitsgegenstand21 – auch einer gewissen Vereinfachung und Prä-
15 Vgl. die Pressemitteilung der Kommission vom 16. März 2005, Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme: Kommission befragt Branche zur Bewertung der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen, IP/06/620. 16 Vorschlag der Kommission vom 17. März 2008 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, KOM(2008) 213. Vgl. auch das begleitende Arbeitspapier Commission Staff Working Document accompanying the Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment. 17 Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 37. 18 Vgl. Art. 1 des Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 120. 19 Insbesondere Art. 87 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 209. 20 Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2009/44/EG. 21 Erwägungsgründe 5 und 6 der Richtlinie 2009/44/EG.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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zisierung der Richtlinie22 dienen.23 Leicht zu durchdringen ist ihr rechtliches Gefüge gleichwohl noch immer nicht. I.
Begriff des Systems
Ausgangspunkt des rechtlichen Rahmens bildet der Begriff des „Systems“. Für dessen Vorliegen stellt Art. 2 lit. a) UAbs. 1 der Finalitätsrichtlinie drei Voraussetzungen auf: (1) Zunächst muss es sich um eine förmliche Vereinbarung handeln, die zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für das Clearing oder die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht.24 (2) Als weitere Voraussetzung muss diese Vereinbarung dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen, in dem mindestens einer der Teilnehmer seine Hauptverwaltung hat.25 (3) Als formelle Bedingung muss die Vereinbarung schließlich von demjenigen Mitgliedstaat, dessen Rechtsordnung maßgeblich ist, gegenüber der Kommission26 als ein System im Sinne der Vorschrift gemeldet worden sein.27 Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist der jeweilige Staat zur Notifizierung des Systems einschließlich seines Betreibers verpflichtet.28 Darüber hinaus kann er auf freiwilliger Basis auch gemischte Systeme, die neben der Übertragung von Wertpapieren zugleich auch Aufträge über andere Anlageinstrumente ausführen,29 oder bilaterale Vereinbarungen über Zahlungsund Übertragungsaufträge (z. B. Korrespondenzbeziehungen zwischen Banken)30 als System bei der Kommission melden. Die Definition der Richtlinie bedarf in zweifacher Hinsicht der Klarstellung: Zunächst erweckt sie den Eindruck, dass stets ein unter gleichrangigen Parteien ausgehandelter Vertrag die rechtliche Grundlage bildet. In der 22
Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2009/44/EG. S. a. bereits den Vorschlag der Kommission vom 17. März 2008, KOM(2008) 213, S. 2. 23 S. zu den Zielen der Änderungsrichtlinie Weber/Grünewald, 24 JIBFL 70, 71 f. (2009). 24 Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 1. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. Bei der Mindestanzahl werden weder zentrale Bindeglieder des Systems – Betreiber, Verrechnungsstelle, zentrale Vertragspartei oder Clearingstelle – noch die indirekten Teilnehmer hinter den unmittelbar Beteiligten berücksichtigt. 25 Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 2. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. 26 Angesichts Art. 10 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie müsste eigentlich nunmehr die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) zuständig sein; hier besteht redaktioneller Anpassungsbedarf. 27 S. Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 3. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. 28 Vgl. Art. 10 UAbs. 1 Finalitätsrichtlinie. S. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Kreditwesengesetz (2008), § 24 b KWG Rdnr. 10. 29 Art. 2 lit. a) UAbs. 2 Finalitätsrichtlinie. 30 Art. 2 lit. a) UAbs. 3 Finalitätsrichtlinie.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Praxis ist es jedoch eher üblich, dass ein zentraler Betreiber des Systems nach Maßgabe seiner AGB in vertragliche Beziehungen mit seinen Kunden tritt. Das Depotkontensystem der deutschen Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG Frankfurt mag als Beispiel für ein derartig aufgebautes Wertpapierliefersystem dienen. Die von der EZB vorgeschlagene Definition des Systems als eine Regelung, die drei oder mehr Teilnehmer umfasst, nicht dagegen notwendigerweise auch zwischen diesen getroffen wurde,31 traf diese tatsächlichen Verhältnisse daher genauer, fand bei der Reform der Finalitätsrichtlinie letztlich aber keine Berücksichtigung. Darüber hinaus weist die Begriffsbestimmung in ihrer zweiten Bedingung einen Berührungspunkt mit dem IPR auf, dessen Gehalt leicht fehlgedeutet werden könnte. Festzuhalten ist insofern, dass die Systemvoraussetzungen keinen Einfluss auf das allgemeine Kollisionsrecht der Schuldverhältnisse haben.32 Wird also das Recht eines Drittstaats oder eines Mitgliedstaats gewählt, in dem kein Teilnehmer seinen Hauptsitz hat, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der schuldvertraglichen Rechtswahl.33 Vielmehr ist alleinige Konsequenz, dass kein System im Sinne der Richtlinie vorliegt und damit auch deren noch darzulegende Schutzmechanismen – insbesondere im Insolvenzrecht – nicht eingreifen. Beispielsweise unterliegen anders als bei einem System die Rechte und Pflichten des Mitglieds einer Vereinbarung, welche den Systemanforderungen nicht genügt, im Falle der Insolvenz eines anderen Mitglieds keiner einheitlichen, leicht vorhersehbaren Rechtsordnung, sondern der für die betreffende Person nach allgemeinen Regeln zu bestimmenden lex fori concursus.34 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Notifizierung als System im Sinne der Richtlinie als eine Art „rechtliches Gütesiegel“ beschreiben:35 Die Teilnehmer haben die Gewissheit, bei Ausfall anderer Teilnehmer in den Genuss vornehmlich international- und materiell-insolvenzrechtlicher Privilegierungen zu gelangen. 31
Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 7. August 2008 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG und der Richtlinie 2002/47/EG (CON/2008/37), ABl. C 216 v. 23.8.2008, S. 1, 3. 32 Missverständliche Formulierung bei MünchKommBGB-Martiny, Bd. 10 (2010), Art. 4 Rom I-VO Rdnr. 136 („Nach Art. 2 lit. a) der [Finalitäts-]Richtlinie […] ist Rechtswahl durch die Teilnehmer möglich.“); i. E knüpft Martiny die Systemvereinbarung allerdings doch nach den allgemeinen Regeln der Rom I-VO an. 33 A. A. Ehricke, WM 2006, S. 2109, 2113. 34 So zur Parallelnorm des Art. 9 Abs. 1 EuInsVO Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice (2004), Rdnr. 219; MünchKommInsOReinhart, Bd. 3 (2008), Art. 9 EuInsVO Rdnr. 4; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 9 EuInsVO Rdnr. 9. 35 In diese Richtung die Darstellung der Funktionsweise der Finalitätsrichtlinie durch die EZB in ihrem Schreiben vom 6. Oktober 2006, Dok. 14014/06 JUSTCIV 226 vom 3.7.2007, S. 4.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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II. Finalität der Aufträge und der Aufrechnung Der Schutz der definierten Systeme und ihrer Teilnehmer wird von der Finalitätsrichtlinie auf zwei Wegen gesucht. Zunächst setzt sich die Richtlinie das Ziel, dass Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge sowie die Aufrechnung in derartigen Systemen nach den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten rechtlich wirksam und für Dritte verbindlich sein sollten.36 In der englischen Fassung wird in diesem Kontext der Terminus der Finalität (finality)37 verwendet, der für den Rechtsakt insgesamt namensgebend geworden ist.38 Auf kollisionsrechtlicher Ebene wird hierzu die Anwendbarkeit des möglicherweise ausländischen Heimatinsolvenzrechts einzelner Teilnehmer ausgeschlossen. Art. 8 der Finalitätsrichtlinie dehnt die – subjektiv über eine Rechtswahl oder anhand objektiver Kriterien bestimmte – Rechtsordnung des Systems, die zunächst nur für die Ebene des Schuldrechts gilt, auch auf die Rechte und Pflichten eines Systemteilnehmers im Falle seiner Insolvenz aus. Der Artikel schützt somit die übrigen Teilnehmer vor unvorhergesehenen Rechtsfolgen fremder Insolvenzrechte. Flankiert wird diese Kollisionsvorschrift in der Finalitätsrichtlinie durch eine parallele Regelung in Art. 9 der Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO),39 die konkludent ebenfalls an die Definition eines Systems in der Finalitätsrichtlinie anknüpft.40 Aufgrund der Bereichsausnahme der EuInsVO für die Unternehmen des Finanzsektors41 und damit für die meis36
Erwägungsgrund 11 Finalitätsrichtlinie. So in Bezug auf die Ab- und Aufrechnung von Übertragungsaufträgen Erwägungsgrund 9 und 12 Finalitätsrichtlinie („finality of settlement“ bzw. „finality of netting“); auch im Hinblick auf die Übertragungsaufträge Erwägungsgrund 1 der Änderungsrichtlinie 2009/44/EG („finality of transfer orders and netting“). 38 Auf globaler Ebene wurden ähnliche Begrifflichkeiten bereits zuvor in den Empfehlungen von CPSS und IOSCO verwendet; vgl. etwa „Disclosure framework for securities settlement systems“ (Februar 1997), S. 19, abrufbar unter (Stand: März 2014), in dem „Finality risk“ definiert wird als „risk that a provisional transfer of funds or securities will be rescinded“. 39 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 40 So MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 9 EuInsVO Rdnr. 2, der allerdings die formelle Notifizierung als System für Zwecke der EuInsVO nicht für erforderlich hält; ebenso wohl Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 9 Rdnr. 2. Hiergegen spricht, dass der Schutzmechanismus der Finalitätsrichtlinie gerade auch auf diesem formellen Erfordernis aufbaut, was in der EuInsVO nicht umgangen werden darf. Vgl. zudem Erwägungsgrund 27 EuInsVO, der auf die Sondervorschriften der Finalitätsrichtlinie verweist und diesen Vorrang gegenüber den allgemeinen Regelungen der EuInsVO einräumt. 41 Art. 1 Abs. 2 EuInsVO. Die diese Lücke ausfüllende insolvenzrechtliche Richtlinie 2001/24/EG vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstitu37
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
ten der Systemteilnehmer kommt der Bestimmung in der Verordnung allerdings nur eingeschränkte Bedeutung zu.42 Auf materiellrechtlicher Ebene erfährt das über die beiden Kollisionsnormen einheitlich für das gesamte System geltende Insolvenzstatut dann gewisse Modifikationen zum Schutze des Systems und seiner Teilnehmer. Kernpunkt ist die Insolvenzfestigkeit der Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und ihrer Aufrechnung im Rahmen des Systems, sofern die Aufträge bereits vor dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eingebracht wurden.43 Weder darf ein Insolvenzverfahren rückwirkend in die Rechte und Pflichten aus der Teilnahme an einem System eingreifen,44 noch darf die Aufrechnung von Aufträgen, soweit sie vor der Eröffnung des Verfahrens erfolgt ist, rückgängig gemacht werden.45 Selbst wenn Zahlungs- und (seit der Änderungsrichtlinie 2009/44/EG) Übertragungsaufträge nach dem Eröffnungszeitpunkt eingebracht worden sind, so bleiben sie rechtsverbindlich und drittwirksam, wenn sie noch am Tag der Verfahrenseröffnung ausgeführt werden und der Systembetreiber letztere nicht kannte oder kennen musste.46 Ob und inwieweit sich das Ziel der Finalität auch auf das allgemeine Zivilrecht auswirkt, bleibt im diffusen Wortlaut der Richtlinie etwas verborgen. Immerhin lässt die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 S. 1 Finalitätsrichtlinie darauf schließen, dass die Vorgaben der Richtlinie über die Situation eines eröffneten Insolvenzverfahrens hinaus greifen müssen:47 Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und Aufrechnungen sollen rechtlich verbindlich und „auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilten verweist in ihrem Erwägungsgrund 25 für Transaktionen in Zahlungs- oder Liefersystemen auf die Finalitätsrichtlinie. 42 Keller, BKR 2002, S. 347, 349; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 9 EuInsVO Rdnr. 4; Gottwald/Kolmann, in: Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch (2010), § 132 Rdnr. 69. 43 Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Finalitätsrichtlinie. 44 Art. 7 Finalitätsrichtlinie. 45 Art. 3 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie. 46 Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Finalitätsrichtlinie. Umstritten war zunächst, ob diese Abweichung von der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters in deutsches Recht umgesetzt wurde, vgl. einerseits Boos/Fischer/Schulte-MattlerLindemann, Kreditwesengesetz (2012), § 46 Rdnr. 110 (entsprechende Auslegung von § 115 Abs. 3 InsO); andererseits Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 132 f. Zumindest durch die Einfügung von § 21 Abs. 2 S. 3 InsO im Rahmen der Transformation von Richtlinie 2009/44/EG wird die Anforderung der Finanzsicherheitenrichtlinie nun (im Rahmen des faktisch entscheidenden Insolvenzeröffnungsverfahrens) eindeutig erfüllt. 47 Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 399. Vgl. a. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht (2004), S. 228, die eine fehlende Beschänkung auf die Insolvenz in den zugehörigen Erwägungsgründen 11 und 14 der Richtlinie hervorhebt.
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nehmer“48 Dritten gegenüber wirksam sein. Als eine diesem Befund entsprechende privatrechtliche Regelung lässt sich der Art. 5 Finalitätsrichtlinie verstehen, nach dem Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an weder von einem Teilnehmer noch von einem Dritten „widerrufen“ werden können. Die Reichweite dieser Unwiderruflichkeit wirft aber sogleich neue Fragen auf. Der Übertragungsauftrag, auf den sie sich bezieht, ist eine Weisung des Systemteilnehmers, die auf die „Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise gerichtet ist.“49 Für Rechtsordnungen mit Trennungs- und Abstraktionsprinzip lässt sich dies so lesen, dass ausschließlich der schuldrechtliche Auftrag zur Übertragung ab dem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gekündigt werden darf. Schließlich muss die Weisung, die die Richtlinie für unwiderruflich erklärt, nur auf die Eigentumsübertragung gerichtet sein, diese aber nicht selbst bewirken. In diesem Sinne hat offenbar auch der nationale Umsetzungsgesetzgeber die Richtlinienbestimmung verstanden und mit § 676 S. 3 BGB a. F., nunmehr § 675 b BGB50, eine Vorschrift zur Unwiderruflichkeit schuldrechtlicher Übertragungsaufträge in einem Wertpapierlieferungssystem geschaffen. Demgegenüber wird insbesondere aus dem mit der Richtlinie bezweckten Schutz des Systems abgeleitet, dass die Unwiderruflichkeit weitergehend auch die sachenrechtliche Seite der Wertpapiertransaktion einbeziehen müsse.51 Im deutschen Recht bedürfe daher die Widerruflichkeit der dinglichen Verfügungsermächtigung des Kunden an seine Depotbank nach § 185 Abs. 1 BGB einer gesetzlichen Einschränkung.52 Letzteres erscheint allerdings fraglich: Geht man davon aus, dass mit einem System nur die oberste Stufe der Depotpyramide bei der Wertpapiersammelbank gemeint ist,53 so bezieht sich die Richtlinie nur auf Übertragungsaufträge an den Zentralverwahrer. Nach überwiegender Konstruktion erhält 48
Hervorhebung durch Verf. Art. 2 lit. i) Finalitätsrichtlinie. 50 Zu den Hintergründen der Verschiebung der Regelung zu Übertragungsaufträgen im Zuge der Transformation der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ABl. L 319 vom 5.12.2007, S. 1, vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, BT-Drucks. 16/11643 vom 21.1.2009, S. 98. 51 Insofern übereinstimmend Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht (2004), S. 227 ff., und Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 399 ff. 52 Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 406 f. 53 Zum grundsätzlich einstufigen Bild eines Systems in der Finalitätsrichtlinie unten § 3 B. II. 1. b). 49
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die Wertpapiersammelbank aber keine dingliche Ermächtigung von Seiten des Veräußerers, sondern sie nimmt als Stellvertreter des Erwerbers unmittelbar die dingliche Einigungsofferte an. III. Schutz dinglicher Sicherheiten Neben der Finalität der in ein System eingebrachten Aufträge und ihrer Verrechnung sieht die Richtlinie einen zweiten Ansatzpunkt für die Risikoverringerung vor: den Schutz dinglicher Sicherheiten. Auch dieser Aspekt der Richtlinie weist eine kollisions- und eine materiellrechtliche Seite auf. So will der Rechtsakt den systemischen Risiken durch den Ausfall eines Teilnehmers materiell dadurch entgegenwirken, dass die von ihm bestellten Sicherheiten nicht vom anwendbaren Insolvenzrecht bedroht werden.54 Art. 9 Abs. 1 S. 1 Finalitätsrichtlinie bestimmt dementsprechend, dass Rechte an dinglichen Sicherheiten, die Sicherungsnehmern im Rahmen des Systems oder der europäischen bzw. den nationalen Zentralbanken geleistet worden sind, nicht durch ein Insolvenzverfahren gegen einen Teilnehmer des Systems, den Systembetreiber oder einen dritten Sicherungsgeber „berührt werden“. Wie auch spätere europäische Insolvenznormen mit entsprechender Formulierung55 lässt sich die Bestimmung als eine Sachnorm einordnen, die der anwendbaren lex fori concursus einen Schutz der erfassten Sicherheiten vorschreibt.56 Die Eröffnung eines Verfahrens muss ohne Einfluss auf Bestand und Durchsetzbarkeit der Sicherungsrechte bleiben,57 so dass sie zur Befriedigung der besicherten Forderungen verwertet werden können.58 Zur Frage, welches Insolvenzstatut Anwendung findet, trifft der 54
S. Erwägungsgrund 18 Finalitätsrichtlinie. Vgl. zur Übernahme der Formulierung „nicht berührt“ aus anderen insolvenzrechtlichen Bestimmungen in die Finalitätsrichtlinie Keller, WM 2000, S. 1268, 1273. Zur Diskussion um das wohl prominenteste Beispiel der Formulierung „vom Insolvenzverfahren nicht berührt“ in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nur MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 5 EuInsVO Rdnr. 15 ff. und unten § 5 A. 56 In diese Richtung auch Erwägungsgrund 18 Finalitätsrichtlinie, wonach bei Insolvenz eines Teilnehmers die von ihm geleisteten dinglichen Sicherheiten von der Anwendung des Insolvenzrechts auf den insolventen Teilnehmer nicht berührt werden sollten (Hervorhebung durch Verf.). 57 Beispiele für ausgeschlossene Beeinträchtigungen bei Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 30 ff. 58 Art. 9 Abs. 1 S. 2 Finalitätsrichtlinie. Vgl. im deutschen Recht die beiden zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie für Wertpapiersicherheiten geschaffenen Ausnahmen zur Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters in § 166 Abs. 2 S. 3 InsO a. F., mittlerweile in § 166 Abs. 3 InsO enthalten, und im Insolvenzplanverfahren in § 223 Abs. 1 S. 2 InsO. 55
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erste Absatz von Art. 9 Finalitätsrichtlinie dagegen keine – sei es auch nur negative – Aussage.59 Ergänzend wird der Schutz von dinglichen Sicherheiten auch auf kollisionsrechtlicher Ebene gesucht. Sofern einem Systemteilnehmer oder einer Zentralbank eine wirksame Sicherheit an intermediatisierten Wertpapieren nach der Rechtsordnung des Landes bestellt worden ist, in der sich das die Wertpapiere betreffende Register, Konto oder zentrale Verwahrsystem befindet, soll sichergestellt werden, dass ausschließlich diese Rechtsordnung für Gültigkeit und Verwertbarkeit der dinglichen Sicherheit maßgeblich ist.60 Der Verwirklichung dieser kollisionsrechtlichen Rechtssicherheit dient der zweite Absatz von Art. 9 Finalitätsrichtlinie. Wörtlich lautet die Norm: Artikel 9 Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (2) Wird Teilnehmern, Systembetreibern oder Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Zentralbank eine dingliche Sicherheit in Form von Wertpapieren, einschließlich Rechten an Wertpapieren, gemäß Absatz 1 geleistet und ist deren Recht an diesen Wertpapieren, das auch durch einen etwaigen Bevollmächtigten, Beauftragten oder sonstigen Dritten in ihrem Namen ausgeübt werden kann, mit rechtsbegründender Wirkung in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht, das sich in einem Mitgliedstaat befindet, so bestimmen sich die Rechte dieser natürlichen oder juristischen Personen als dinglich gesicherte Gläubiger an diesen Wertpapieren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats.
Wie die Richtlinie insgesamt ist auch die Kollisionsvorschrift nicht sehr eingängig formuliert. Bei genauerer Betrachtung eröffnet sich aber eine für das Kollisionsrecht wesentliche Neuerung: Maßgeblich für Rechte an Wertpapieren ist der Ort der Einrichtung, in der die Wertpapiere eingetragen oder verbucht sind. Teil des zweiten Ansatzpunktes der Richtlinie ist damit die Einführung des PRIMA-Konzeptes für dingliche Sicherheiten. B. Reichweite der Kollisionsnorm So gewichtig die Innovation der Kollisionsnorm auch ist, so bleibt ihre Reichweite doch durch verschiedene Restriktionen begrenzt. I.
Sachlicher Anwendungsbereich
Eine wesentliche Einschränkung ist bereits durch den sachlichen Anwendungsbereich der neuen Anknüpfung zu konstatieren. 59 A. A. offenbar Schefold, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 463, 467 f. 60 Erwägungsgrund 20 Finalitätsrichtlinie.
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1.
Beschränkung auf Sicherheiten an Wertpapieren
So hängt die zentrale Fokussierung der Norm damit zusammen, dass sie der zweiten Strategie zur Verringerung der Systemrisiken angehört. Die Vorschrift soll nur der Absicherung der den Systemteilnehmern und den Zentralbanken bestellten Sicherheiten dienen,61 weshalb sie ausschließlich im Kontext von „dinglichen Sicherheiten in Form von Wertpapieren“ gilt. Dieser Begriff der „dinglichen Sicherheit“ erfährt in Art. 2 lit. m) Finalitätsrichtlinie eine Legaldefinition als „verwertbarer Vermögensgegenstand (einschließlich Guthaben), […] der zur Besicherung von Rechten und Verbindlichkeiten, die sich in Verbindung mit einem System ergeben können, als Pfand, im Rahmen einer Rückkaufsvereinbarung (Pensionsgeschäft), einer vergleichbaren Vereinbarung oder in anderer Form bereitgestellt oder der Zentralbank eines Mitgliedstaats oder der künftigen Europäischen Zentralbank zur Verfügung gestellt wird.“ Die Begriffsbestimmung macht ein Bestreben des Gesetzgebers deutlich, möglichst viele Sicherungstechniken zu erfassen,62 um letztlich dem nationalen Sachrecht für die Bestellung von Sicherheiten nicht vorzugreifen.63 Sogar Vollrechtsübertragungen können erfasst sein, wenn sie – wie etwa die Sicherungsübereignung oder die Erfüllung der praktisch wichtigen Rückkaufsvereinbarungen64 – Sicherungszwecken dienen. Die Übertragung von Wertpapieren in Abwicklung der alltäglichen Massentransaktionen des Kapitalmarkts bleibt hingegen außen vor. Diese Restriktion hat problematische Auswirkungen: Ohne überschießende Umsetzung der Richtlinienbestimmung verbleibt es nicht nur in den übrigen Teilbereichen bei den Problemen der überkommenen Anknüpfungspunkte, insbesondere der lex cartae sitae, sondern es droht zugleich auch ein gespaltenes Kollisionsrecht für faktisch gleiche Vorgänge. Kontenbewegungen wären je nach verfolgtem Zweck unterschiedlich anzuknüpfen. Schon aufgrund der ersten sachlichen Selbstbeschränkung stellt Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie daher nur einen – wenn auch wichtigen – Nukleus für ein modernes, geschlossenes Kollisionsrecht des Effektengiros dar. Immerhin bietet die Norm aber die Grundlage für eine weiter reichende nationale Umsetzung65 und hat eine Vorreiterrolle für die folgende europäische Gesetzgebung auf dem Gebiet eingenommen.
61
Vgl. Erwägungsgrund 20 und 21 Finalitätsrichtlinie. Keller, WM 2001, S. 347, 351. 63 S. Erwägungsgrund 9 S. 3 Finalitätsrichtlinie. 64 Zu den so genannten repurchase agreements aus Sicht des IPR Giovanoli, AJP/PJA 2006, S. 591. 65 Allerdings ist nur in einigen Staaten eine – wie in Deutschland – vom Kontext des Sicherungsgeschäfts losgelöste Umsetzung erfolgt, vgl. Einsele, WM 2001, S. 2415, 62
§ 3 Finalitätsrichtlinie
2.
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Wertpapierbegriff
Der zugrundeliegende Begriff des „Wertpapiers“ als Bezugspunkt der Sicherheit reicht allerdings zunächst weiter, als es mit Wissen um den traditionellen nationalen Wertpapierbegriff66 erscheinen mag. Zur Definition verweist Art. 2 lit. h) der Finalitätsrichtlinie auf den zentralen Rechtsakt des europäischen Finanzmarktrechts, die Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID)67. Als Wertpapier im Sinne der Finalitätsrichtlinie sind demnach alle in Abschnitt C von Anhang I der MiFID genannten Instrumente zu betrachten,68 was für einen Gleichlauf zwischen hoheitlichem Aufsichtsrecht und (internationalem) Privatrecht sorgt. Vom Begriff des „Wertpapiers“ der Finalitätsrichtlinie sind als Folge der Verweisung neben übertragbaren Wertpapieren69 auch Geldmarktinstrumente,70 Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen71 oder sogar
2419 ff.; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 59 ff.; Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 60 f. 66 Zum Begriff statt vieler MünchKommBGB-Habersack, Bd. 5 (2009), Vor § 793 Rdnr. 5 ff. 67 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1. Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise wird MiFID mit Wirkung ab dem 3. Januar 2017 durch eine Neufassung der Richtline (MiFID II) und eine Verordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR) ersetzt werden, vgl. Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. L 173/349 vom 12.6.2014, und Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. L 173/84 vom 12.6.2014. 68 Ursprünglich verwies die Norm auf den Anhang der Richtlinie 93/22/EWG, die jedoch zwischenzeitlich durch die MiFID ersetzt wurde. Bei der Reform der Finalitätsrichtlinie 2009 wurde dies nachvollzogen. 69 In Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 MiFID definiert als Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können; beispielhaft benannt sind Aktien und gleichzustellende Wertpapiere, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen. 70 Umschrieben in Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 MiFID als die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelten Gattungen von Instrumenten; exemplarisch werden Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers angegeben. 71 S. hierzu die Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betref-
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Derivate auf der Grundlage diverser Basiswerte erfasst.72 Die letzte Gruppe der Derivatkontrakte ist in der Definition der MiFID selbst wiederum so weit umschrieben, dass sie einer genaueren Definition durch eine im Rahmen des so genannten Lamfalussy-Verfahrens erlassene Durchführungsverordnung73 bedarf.74 Aus den aufgestellten Anforderungen ergibt sich unter anderem, dass solche Kontrakte zum Handel an den Kapitalmärkten geeignet sein müssen, was ihre Standardisierung voraussetzt. Der Überblick der erfassten Kapitalmarkttitel macht vor allem eines deutlich: Die nach traditionellem nationalen Verständnis erforderliche Verbriefung des Rechts spielt keine Rolle mehr. Entscheidend ist nurmehr die Eignung des Finanztitels zum Massenhandel, mithin seine Fungibilität und Umlauffähigkeit.75 3.
Eintragung oder Verbuchung der Wertpapiere
Ihre Ausrichtung auf den Effektengiroverkehr erhält die Kollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie sodann durch die Beschränkung auf Rechte an Wertpapieren, die „mit rechtsbegründender Wirkung in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht“ sind. a) Register, Konto und zentrales Verwahrsystem In den drei genannten Einrichtungen spiegeln sich unterschiedliche Konstruktionen des Effektengiros. Aus deutscher Perspektive lassen sich die letzten beiden Institutionen den Depotkonten bei Intermediären im Allgefend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32. 72 Nationale Umsetzung der Definition des Finanzinstruments in § 2 Abs. 2 b WpHG und § 1 Abs. 11 KWG; zu letzterem Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, Kreditwesengesetz (2012), § 1 Rdnr. 217 ff. 73 Vgl. Artt. 38 und 39 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 1. Grundlage ist die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 MiFID vorgesehene Festlegung bestimmter Derivatkontrakte durch die Kommission. 74 Zur Implementierung der MiFID im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens allgemein Ferrarrini, ERCL 2005, S. 19, 27 ff.; Assmann/Schneider-Koller, WpHG (2012), Vor § 31 Rdnr. 1 f. 75 Zum Begriff der Fungibilität im Kapitalmarktrecht etwa MünchKommHGBEkkenga, Bd. 5 (2009), Effektengeschäft Rdnr. 15 ff.; MünchKommBGB-Schnyder, Bd. 11 (2010), IntKapMarktR Rdnr. 1; Brandt, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 15.24 ff.
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meinen bzw. den Konten bei einer Wertpapiersammelbank im Speziellen zuordnen. Nicht ohne Weiteres ist hingegen die erste Variante des Registers zu konkretisieren. Da sich die Kollisionsnorm mit den Rechten von Sicherungsnehmern beschäftigt, könnten Sicherheitenregister gemeint sein, die in manchen Rechtsordnungen die Publizitätsfunktion bei der Bestellung von Sicherheitsrechten auch an Wertpapieren erfüllen.76 Wenn auch der Wortlaut der Norm eine derartige Lesart zuließe, so zeigt doch Erwägungsgrund 19 Finalitätsrichtlinie, dass dem Register eine andere Funktion beizumessen ist: Das Register muss ebenso wie ein Konto oder ein zentrales Verwahrsystem das Eigentum an den betreffenden Wertpapieren oder das Recht auf Lieferung oder Übertragung der Wertpapiere belegen. Mithin bedarf es einer tragenden Funktion des Registers für den Effektengiroverkehr, wofür die Publizitätsfunktion ausschließlich für Sicherungsrechte nicht genügen kann. Die vorausgesetzte Rolle als Grundlage des Effektengiros schließt zugleich auch andere Erscheinungsformen eines Registers aus, wodurch im Ergebnis etwa in der deutschen Praxis keine derartige Institution existiert.77 So kommt insbesondere das Aktienregister einer Gesellschaft nicht in Frage, in das nach § 67 AktG die Inhaber von Namensaktien und Zwischenscheinen einzutragen sind. Die materielle Rechtslage verändert sich gerade außerhalb dieses Registers.78 Zudem ist auch das Bundesschuldbuch für die Anleihen der öffentlichen Hand kein Register im Sinne der Vorschrift: Sammelschuldbuchforderungen werden gemäß § 1 Abs. 1 BSchuWG nur auf den Namen einer Wertpapiersammelbank eingetragen, um die Behandlung als Wertpapiersammelbestand zu ermöglichen.79 Maßgebliche Grundlage für Inhaberschaft und Übertragung von solchen Wertrechten ist folglich das Kontensystem der Sammelbank, nicht dagegen das insofern unveränderliche Buch.80 Leitbild für ein Register im Sinne der Finalitätsrichtlinie ist vielmehr das englische Liefersystem CREST, bei 76
So Schefold, IPRax 2000, S. 468, 472; ders. in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 463, 468; mit einem Beispiel zum (damaligen) spanischen Recht; ebenso Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 497. Im räumlichen Anwendungsbereich der Finalitätsrichtlinie sind derartige Formerfordernisse allerdings durch Art. 3 der späteren Finanzsicherheitenrichtlinie abgeschafft worden. 77 Zur entsprechenden nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG Schefold, IPRax 2000, S. 468, 475; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 89; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 722 f. Zur Bestimmung in der Finalitätsrichtlinie Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 73 f. 78 MünchKommAktG-Bayer, Bd. 1 (2008), § 67 Rdnr. 1; Hüffer, Aktiengesetz (2012), § 67 Rdnr. 11. Zu resultierenden Differenzen zwischen Aktienregister und Girosammelverwahrung in Form der so genannten freien Meldebestände etwa Than, in: Habersack/Joeres/Krämer (Hrsg.), FS Nobbe (2009), S. 791, 799 ff. 79 S. § 1 Abs. 2 BSchuWG. 80 S. a. Einsele, WM 2001, S. 2415, 2422, zur damaligen Rechtslage.
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dem Inhaberstellung und deren Übergang aus einem zentral geführten Register hervorgehen.81 b) Rechtsbegründende Wirkung Die Voraussetzung einer Eintragung oder Verbuchung in den genannten Einrichtungen entspricht der Zielsetzung des Rechtsaktes, dem Schutz vor systemischen Risken. Die Intermediatisierung der Wertpapiere ist kennzeichnend für die Wertpapierliefer- und -abwicklungssysteme und macht diese zugleich anfällig gegenüber Dominoeffekten beim Ausfall einzelner Teilnehmer. Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie begnügt sich jedoch nicht nur mit Eintragung oder Verbuchung in einer das Effektengiro tragenden Einrichtung, sondern fordert darüber hinaus gerade eine „rechtsbegründende Wirkung“ der Gutschrift. Die Voraussetzung bezieht sich dabei auf Registereintragung und Kontoverbuchung.82 Mit dem deutschen Wortlaut erschiene zwar auch eine auf Register beschränkte Lesart vereinbar;83 die gleichförmige Aufzählung in den anderen Sprachfassungen zeigt jedoch, dass die verlangte Bedeutung der Gutschrift nicht von der Art der Einrichtung abhängt.84 Das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ war Ansatzpunkt für zum Teil harsche Kritik.85 In der Tat legt die unbefangene Lektüre der deutschen Fassung nahe, dass der europäische Gesetzgeber eine bestimmte depotrechtliche Konstruktion vor Augen hatte, in der der Gutschrift konsti-
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Zu Einzelheiten und rechtlichen Grundlagen des Effektengirosystems CREST, welches von der mittlerweile als „Euroclear UK & Ireland Limited“ firmierenden Tochter des internationalen Verwahrers Euroclear betrieben wird, s. nur Benjamin, Interests in Securities (2000), Rdnr. 9.46 ff.; Favre, Die Berechtigung von Depotkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 57 ff.; Micheler, Property in Securities (2007), S. 67 ff. Im Register von CREST sind allerdings nur die unmittelbaren Teilnehmer des Systems eingetragen, so dass diese für ihre Kunden üblicherweise ein sog. „omnibus client account“ führen, welches auf fungibler Grundlage den gesamten Kundensammelbestand umfasst; vgl. Micheler, a. a. O., S. 119 ff. 82 A. A. Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 100; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 202. 83 Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie wäre dann aufzuteilen in die Alternativen „mit rechtsbegründender Wirkung in einem Register eingetragen“ und „auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht“. 84 Deutlich etwa in der englischen Fassung: „legally recorded on a register, account or centralised deposit system“; ebenso in der französischen: „inscrit légalement dans un registre, un compte ou auprès d’un système de dépôt centralisé“. 85 Stellvertretend nur MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 194, die die Norm ob der verlangten rechtsbegründenden Wirkung der Gutschrift für „völlig verunglückt“ hält.
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tutive Bedeutung beigemessen wird.86 Folgt man dieser Auslegungsvariante, so erscheint fraglich, ob auch Depotkonstruktionen wie die deutsche Girosammelverwahrung erfasst werden können. Zwar sieht hier § 24 Abs. 2 DepotG vor, dass mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs – der faktischen Grundlage der Kontoführung – das Miteigentum auf den Kommittenten übergeht, soweit ersterer verfügungsberechtigt ist. Die Bedeutung dieser Vorschrift bleibt aber insofern begrenzt, als sie sich selbst für subsidiär gegenüber einem früheren Übergang des Miteigentums nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Bestimmungen erklärt. Auf die deutsche Girosammelverwahrung adaptiert, führen die §§ 929 ff. BGB nach herrschender Meinung bei Verfügungen zwischen Kunden verschiedener Banken dazu, dass sich das Zustandekommen der dinglichen Einigung und die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses bereits in der Umbuchung bei der zentralen Wertpapiersammelbank an der Spitze der Verwahrpyramide manifestieren.87 Selbst dem Kontenvorgang auf höchster Stufe bei der Clearstream Banking AG kommt damit nur eine eher deklaratorische Funktion für die Voraussetzungen einer Übereignung nach allgemeinen Regeln zu. Erst recht gilt dies für die weiteren Gutschriften, die auf niedrigerer Stufe die bereits erfolgte Übereignung dokumentieren. Die Richtlinienbestimmung droht daher hinsichtlich depotrechtlicher Konstruktionen wie der deutschen Sammelverwahrung ins Leere zu laufen.88 Ein solches Ergebnis muss vor dem Hintergrund des beabsichtigten Schutzes vor systemischen Risiken bedenklich wirken. Für die kollisionsrechtliche Rechtssicherheit im Rahmen der verflochtenen Kontensysteme kann es keinen Unterschied machen, welches rechtliche Konzept den Verbuchungen zugrunde gelegt wird. Vom Kollisionsrecht auf supranationaler Ebene ist grundsätzlich Neutralität gegenüber dem Sachrecht auf nationaler Ebene zu erwarten.89 Erste Zweifel an der Voraussetzung einer konstitutiven Wirkung der Eintragung nährt denn auch in der deutschen Fassung der Blick in die Erwägungsgründe der Richtlinie. Dort bestimmt Erwä86
Auf diese mögliche Auslegung der Richtlinie, zugleich aber auch auf die abweichenden anderen Sprachfassungen, hat vor allem Einsele hingewiesen, s. dies., WM 2001, S. 2415, 2419, 2423; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 194. 87 Zur rechtlichen Konstruktion der Girosammelverwahrung oben § 1 E. II. 88 Diese Konsequenz ziehen aus dem Merkmal der „rechtsbegründenden“ Wirkung in der Finalitätsrichtlinie (bzw. der wortgleichen nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG) Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 543, 553; Reuschle, BKR 2003, S. 562, 564; ders., IPRax 2003, S. 495, 498; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 720. 89 Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 75; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 225.
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gungsgrund 19, dass die Kollisionsregel nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem gilt, welches das Eigentum an den Wertpapieren bzw. das Recht auf Lieferung oder Übertragung der Wertpapiere „belegt“.90 Vor allem aber wirken die anderen Sprachfassungen der Kollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie sehr viel offener. Formulierungen wie „legally recorded on a register, account or centralised deposit system“ in der englischen Version oder „inscrit légalement dans un registre, un compte ou auprès d’un système de dépôt centralisé“ in der französischen91 verlangen zwar eine „rechtliche“ Rolle der Eintragung. Ob diese aber in einer konstitutiven oder einer deklaratorischen Wirkung besteht, ist nicht vorgegeben.92 Auch eine Eintragung, die aufgrund gesetzlicher Regelungen oder privatautonomer Regelwerke des Systems nur zu Beweiszwecken erfolgt, kann als rechtlich erheblich im Sinne der anderen Sprachvarianten aufgefasst werden. Weichen demnach die verschiedenen Sprachfassungen der Norm voneinander ab, so sind die diesbezüglich vom EuGH entwickelten Grundsätze zu beachten. Nach ständiger Rechtsprechung93 lässt es die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit auch Auslegung des Unionsrechts nicht zu, eine Bestimmung in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten. Vielmehr verlangt der Gerichtshof, dass bei Abweichungen die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt wird, zu der sie gehört.94 Das verfolgte Ziel der kollisionsrechtlichen Rechtssicherheit stützt aber gerade die im Vergleich zur deutschen Sprachfassung offeneren Versionen in den übrigen Sprachen. 90 Gleichfalls deutlich in der englischen („a register, account or centralized deposit system which evidences the existence of proprietary rights in or for the delivery or transfer of the securities concerned“) und französischen Fassung („un registre, un compte ou un système de dépôt centralisé établissant l’existence de droits de propriété sur les titres concernés ou de droits relatifs à la remise ou au transfert de ces titres“) des Erwägungsgrundes 19 (Hervorhebungen durch Verf.). 91 Vgl. auch die italienische Fassung „legalmente registrato in un libro contabile, conto o sistema di deposito accentrato“ oder die spanische Version „inscriba legalmente en un registro, cuenta o sistema de depósito centralizado“. 92 Einsele, WM 2001, S. 2415, 2419; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 132. 93 EuGH v. 12.11.1969, Rs. 29/69 (Stauder), Slg. 1969, S. 419 Tz. 3; EuGH v. 7.7.1988, Rs. 55/87 (Moksel Import und Export), Slg. 1988, S. 3845 Tz. 15; EuGH v. 2.4.1998, Rs. C-296/95 (EMU Tabac u. a.), Slg. 1998, S. I-1605 Tz. 36, EuGH v. 19.4.2007, Rs. C-63/06 (Profisa), Slg. 2007, S. I-3239 Tz. 13; EuGH v. 4.10.2007, Rs. C457/05, Slg. 2007, S. I-8075 Tz. 17. 94 EuGH v. 27.11.1977, Rs. 30/77 (Bouchereau), Slg. 1977, S. 1999 Tz. 14; EuGH v. 7.12.2000, Rs. C-482/98 (Italien/Kommission), Slg. 2000, S. I-10861 Tz. 49; EuGH v. 1.4.2004, Rs. C-1/02 (Borgmann), Slg. 2004, S. I-3219 Tz. 25; EuGH v. 4.10.2007, Rs. C-457/05, Slg. 2007, S. I-8075 Tz. 18.
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Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie muss daher in allen Sprachvarianten so ausgelegt werden, dass auch nationale Depotrechte erfasst sind, die der Eintragung in Konten und Registern eine den Rechtserwerb lediglich dokumentierende Wirkung beimessen.95 Die „rechtsbegründende Wirkung“ von Eintragung und Verbuchung in der deutschen Fassung ist als „mit der Begründung des Rechts einhergehend“ zu lesen – gleich, ob mit dokumentierender oder bewirkender Funktion. 4.
Effektengiroverkehr zwischen Schuld- und Sachenrecht
Kann damit eine deutliche Lücke im Anwendungsbereich durch die Zusammenschau der verschiedenen Sprachfassungen geschlossen werden, so wirft das Spektrum materiellrechtlicher Ausgestaltungen des Depotrechts aber noch in einer anderen Hinsicht Fragen auf. Auch in Europa sieht sich der Richtliniengesetzgeber mit einer Vielfalt von Berechtigungen des Kontoinhabers konfrontiert: Neben sachenrechtlichen Konstruktionen treten auch treuhänderische und damit schuldrechtliche Ausgestaltungen sowie Mischformen auf.96 Es stellt sich die Frage, ob diese von der Norm umfänglich abgedeckt werden. Die Zielsetzung der Richtlinie, als flankierende Maßnahme die Gültigkeit und Verwertbarkeit von Sicherheiten für Systemteilnehmer und Zentralbanken einer einheitlichen und vorhersehbaren kollisionsrechtlichen Beurteilung zu unterwerfen,97 legt zwar a priori eine gewisse Indifferenz der Anknüpfungsregel gegenüber nationalen materiellrechtlichen Eigenheiten nahe.98 Der Wortlaut der Vorschrift offenbart gleichwohl die Grenzen des Anwendungsbereichs nicht unmittelbar. a) Auslegung der Finalitätsrichtlinie So spricht der Bezugspunkt für die Anknüpfung in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie, die „dingliche Sicherheit in Form von Wertpapieren“, scheinbar 95 Ebenso zum Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ in der europäischen Richtlinienbestimmung Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 101 ff.; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 75 f.; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 303; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 225; wohl auch Herring/Cristea, ZIP 2004, S. 1627, 1632, und Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 39. Zu den Schlussfolgerungen, die sich hieraus für das wortgleiche Merkmal der nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG ergeben, infra § 7 B. II. 3. b). 96 Zu den unterschiedlichen Rechtskonstruktionen s. bereits oben § 1 E. 97 Vgl. Erwägungsgrund 20 der Finalitätsrichtlinie. 98 In diese Richtung Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 89 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 243.
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eindeutig für eine Selbstbeschränkung der Norm auf Sicherheiten im sachenrechtlichen Kontext.99 Nicht übersehen werden darf allerdings, dass es sich bei der „dinglichen Sicherheit“ um einen von der Richtlinie in Art. 2 lit. m) autonom definierten Begriff handelt. Erfasst sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände, die zur Besicherung bereitgestellt werden. Dass als derartige Sicherheitsgegenstände grundsätzlich auch schuldrechtliche Rechtspositionen in Betracht kommen, hat die Reform der Finalitätsrichtlinie 2009 verdeutlicht: Über einen Verweis auf den Begriff der „Finanzsicherheiten“ nach der diesbezüglichen Richtlinie werden sogar Kreditforderungen einbezogen.100 Bietet der erste Begriff demnach keinen entscheidenden Hinweis für die Reichweite, so könnte ein Anhaltspunkt aber darin liegen, dass in den Bezugspunkt der Kollisionsnorm im Rahmen eines sich anschließenden Zusatzes auch „Rechte an Wertpapieren“101 einbezogen sind. Die Sicherheit muss demnach nicht notwendigerweise unmittelbar auf den in Art. 2 lit. h) der Richtlinie bestimmten Wertpapieren gründen; vielmehr reicht als Unterlage offenbar schon eine mittelbare Berechtigung aus. Die Erweiterung kann in zwei Richtungen gedeutet werden. Einerseits könnte die Formulierung als bloßer Hinweis darauf gemeint sein, dass auch beschränkt dingliche Rechte an Wertpapieren wiederum selbst Gegenstand der Bestellung einer Sicherheit sein können, die kollisionsrechtlich dann gleichfalls nach Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie zu beurteilen wäre. Für eine solche Interpretation als Andeutung „mehrstufiger“ Sicherheitenbestellung würde der weitere Wortlaut der deutschen Fassung sprechen: Die Anwendungsvoraussetzung einer rechtsbegründenden Wirkung von Registereintragung oder Kontobuchung ist bezogen auf das „Recht an diesen Wertpapieren“; als konkreter Anknüpfungsgegenstand werden „die Rechte dieser natürlichen oder juristischen Personen als dinglich gesicherte Gläubiger an diesen Wertpapieren“ bezeichnet.102 Das Er99
Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 71 f., lehnt dementsprechend die Einbeziehung von Sicherheiten an rein schuldrechtlichen Verwahransprüchen ab; ebenso wohl Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 86, und Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 66 Fn. 250. 100 Wörtlich in Art. 2 lit. m Finalitätsrichtlinie: „[Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck] ‚dingliche Sicherheit‘ einen verwertbaren Vermögensgegenstand (einschließlich Guthaben), wozu auch Finanzsicherheiten im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten ohne Einschränkung gehören […].“ Der in Bezug genommene Art. 1 Abs. 4 lit. a) Finanzsicherheitenrichtlinie lautet: „Finanzsicherheiten sind eine Barsicherheit, Finanzinstrumente oder Kreditforderungen.“ (Hervorhebungen durch Verf.). 101 Hervorhebung durch Verf. 102 Hervorhebungen durch Verf.
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gebnis der Bestellung einer Sicherheit an Wertpapieren ist also mit der Formulierung „Recht an Wertpapieren“ umschrieben, so dass sich die wortgleiche Parenthese auf die Möglichkeit beziehen könnte, z. B. ein Pfandrecht an Wertpapieren als Gegenstand einer dinglichen Sicherheit im Sinne der Richtlinie einzusetzen. Andererseits ist dieser in Bezug auf die deutschsprachige Version durchaus plausibel wirkenden Sichtweise entgegenzuhalten, dass sich der in der Parenthese verwendete Begriff und die Bezeichnung des Resultats einer Sicherheitenbestellung in den anderen Sprachfassungen keineswegs vergleichbar terminologisch decken.103 Berücksichtigt man zusätzlich die Erwägungsgründe der Finalitätsrichtlinie, so erscheint der Zusatz vielmehr als Regelung der Reichweite für die Anknüpfung: Erwägungsgrund 19 bestimmt, dass „Artikel 9 Absatz 2 nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem gelten soll, welches das Eigentum an den betreffenden Wertpapieren bzw. das Recht auf Lieferung oder Übertragung der Wertpapiere belegt“.104 Sicherheiten werden also nicht nur im Rahmen einer Verwahrkonstruktion erfasst, die auf einem Konzept von durch Gutschriften dokumentierten, absoluten Eigentumsrechten beruht, sondern auch im Rahmen eines Depotsystems, bei dem relative Ansprüche in Bezug auf einen Verwahrgegenstand verbucht werden. Die Rechtsnatur dieser Ansprüche muss nach dem Wortlaut des Erwägungsgrundes nicht zwingend dinglich sein, so dass auch schuldrechtliche Rechtspositionen in Betracht kommen. Dementsprechend kann der Zusatz in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie so verstanden werden, dass als „Wertpapier“ im Sinne der Vorschrift gleichfalls solche durch Gutschrift dokumentierten obligatorischen „Rechte an Wertpapieren“ einbezogen sind.105
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Vgl. etwa einerseits „rights in securities“, andererseits „right […] with respect to the securities“ sowie „the rights of such entities as holders of collateral security in relation to those securities“ in der englischen Fassung oder „les droits sur des titres“ auf der einen, „droit […] relatif aux titres“ und „droits de ces entités en tant que titulaires de la garantie relative à ces titres“ auf der anderen Seite in der französischen Fassung. 104 Auch die französische Fassung von Erwägungsgrund 19 stellt Eigentumsrechten eine andere Kategorie von Rechten gegenüber: „[…] un registre, […] un compte ou […] un système de dépôt centralisé établissant l’existence de droits de propriété sur les titres concernés ou de droits relatifs à la remise ou au transfert de ces titres“. Weniger deutlich dagegen die englische Version: „a register, account or centralized deposit system which evidences the existence of proprietary rights in or for the delivery or transfer of the securities concerned“. Alle Hervorhebungen durch Verf. 105 Für die Aufnahme auch schuldrechtlicher Depotsysteme in Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie im Lichte von Erwägungsgrund 19 Sauer, Die Harmonisierung des Kollisionsund Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 37 f.
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b) Verhältnis zur Rom I-VO Gänzlich außer Zweifel steht die Entscheidung zugunsten der letzteren Sichtweise allein anhand des Wortlauts der Finalitätsrichtlinie jedoch noch nicht,106 da auch die Auswirkungen auf das europäische Kollisionsrecht der Schuldverhältnisse zu berücksichtigen sind. Als Konsequenz der Einbeziehung von schuldrechtlichen Rechtspositionen in Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie würde die Sonderkollisionsnorm für das Effektengiro in einen Bereich hineinragen, der nach klassischem Verständnis den Regelungen des internationalen Schuldrechts vorbehalten ist. Geltung beansprucht hier die Rom I-Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Zwar weist die Verordnung in ihrem Art. 1 Abs. 2 verschiedene Bereichsausnahmen mit Bezügen zum Kapitalmarkt auf: in Buchstabe d) zu Verpflichtungen aus Wertpapieren, in Buchstabe f) zu Fragen des Gesellschaftsrechts und in Buchstabe h) zur Gründung eines trusts und den daraus folgenden Rechtsbeziehungen. Jedoch sind hierdurch die schuldrechtlichen Positionen innerhalb eines Verwahrsystems zumindest nicht in jedem Fall exkludiert. Hinsichtlich der handelbaren Wertpapiere werden nur Verpflichtungen ausgenommen, „die aus deren Handelbarkeit entstehen“. Dies entspricht der Wendung in Art. 1 Abs. 2 lit. c) des Vorläufers zur Rom I-VO, des völkervertraglichen Übereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen – EVÜ). Für dessen nationale Transformation107 sah der BGH hierin alle schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Wertpapier, die im Interesse seiner Verkehrsfähigkeit besonders ausgestaltet sind, etwa die durch Übertragung des Papiers zustande kommenden Verpflichtungen sowie der weitgehende Ausschluss von Einwendungen.108 Die aus der Handelbarkeit entstandenen Modifikationen setzen also am verkörperten Recht an und berühren nicht die Rechtsverhältnisse an der Urkunde. Auch für die entsprechende109 Bereichsausnahme der Rom I-VO geht es daher nur um Fragen des Wertpapierrechts-, nicht des Wertpapiersachstatuts. Betroffen sind Verpflichtungen aus Wertpapieren,110 die den Emittenten gegenüber jedem Inhaber des Wertpapiers treffen.111 Beim schuldrechtlich 106 Zweifelnd insofern MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 243. 107 Art. 37 Nr. 1 EGBGB a. F. 108 BGH v. 15.12.1986, Az. II ZR 34/86, BGHZ 99, S. 207, 209. 109 Kritisch zur unterlassenen Klarstellung von Zweifelsfragen Mankowski, IHR 2008, S. 133,134; ders., RIW 2009, S. 98, 106; s. a. Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation (2009), S. 85, 93 f. 110 Einsele, WM 2009, S. 289, 294 f. 111 Garcimartin Alférez, EuLF 2008, S. I-61, I-63.
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konstruierten Effektengiro geht es hingegen um die Verpflichtungen des Intermediärs. Entsprechend ist auch die Ausnahme von Fragen des Gesellschaftsrechts in Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO einzuordnen: Wiederum sind nur Fragen des Wertpapierrechtsstatuts ausgeschlossen. Von gewisser Relevanz für das Effektengiro ist allerdings die Ausnahme des trusts in Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO. Die Bestimmung zielt terminologisch bewusst112 auf das stiltypische Institut des angloamerikanischen Rechts,113 welches gewisse funktionelle Parallelen zu einer juristischen Person aufweist.114 Für das CREST-System in England hat dies unmittelbare Relevanz: Grundsätzlich baut dieses Verwahrsystem auf einem zentralen Register auf, in denen Teilnehmer unmittelbar als Rechtsträger der Effekten eingetragen werden.115 Intermediäre als Teilnehmer lassen allerdings üblicherweise für die gesamten Kundenbestände ein Kundendepot auf fungibler Grundlage (omnibus client account) registrieren. Nach überwiegender, aber nicht unbestrittener Meinung116 liegt dann im Rechtsverhältnis zwischen Intermediär und Kunden ein trust vor. Für die indirekten Positionen im englischen Verwahrsystem findet demnach die Rom IVO keine Anwendung. Aufgrund der Fokussierung der Bereichsausnahme auf das Institut des englischen Rechts kann dies aber nicht für alle schuldrechtliche Positionen mit treuhänderischen Elementen verallgemeinert werden, so dass für vergleichbare Institutionen des kontinentalen Rechts grundsätzlich die Rom I-VO greift.117 Dies gälte etwa auch für die mit der deutschen WR-Gutschrift verbundene Rechtsposition.118 Wirkt die Rom I-VO damit grundsätzlich in den Bereich schuldrechtlicher Depotsysteme ein, so zeigt sie sich jedoch – ebenso wie bereits das 112
Zur entsprechenden Ausnahme des EVÜ Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. C 282 vom 31.10.1980, S. 1, Art. 1 Tz. 10. 113 So die Bewertung durch Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 186). 114 Vgl. Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 62 m. w. N. 115 Vgl. Favre, Die Berechtigung von Depotkunden an auslandsverwahrten Effekten (2003), S. 58; Micheler, Property in Securities (2007), S. 67 ff. 116 Zur rechtlichen Konstruktion Benjamin, Interests in Securities (2000), Rdnr. 2.36 ff.; Benjamin/Yates/Montagu, The Law of Global Custody (2002), Rdnr. 3.5 ff.; Micheler, Property in Securities (2007), S. 138 f.; von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht (2009), § 75 Rdnr. 38 m. w. N. 117 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 62; zum EVÜ Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. C 282 vom 31.10.1980, S. 1, Art. 1 Tz. 10. 118 Vgl. nur Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 79 ff.
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durch sie abgelöste119 EVÜ120 – offen gegenüber einer partiellen Verdrängung ihrer Vorschriften durch die Finalitätsrichtlinie: Obwohl die Verordnung die Aufteilung der Kollisionsnormen auf verschiedene europäische Rechtsakte mit den daraus resultierenden Abstimmungsproblemen in den Erwägungsgründen kritisiert,121 räumt sie in ihrem Art. 23 den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten, Vorrang vor ihren eigenen Regelungen ein. Dass die Verordnung hierbei von „Kollisionsnormen“ spricht, steht der Subsumtion einer Richtlinienbestimmung nicht entgegen. Zwar finden international-privatrechtliche Bestimmungen einer Richtlinie grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Gleichwohl sind sie Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die eine kollisionsrechtliche Regel aufstellen. Art. 23 Rom I-VO trifft gerade keine Aussage dazu, in welcher Form die im Gemeinschaftsrecht enthaltene „Kollisionsnorm“ zur Anwendung kommen muss. Vorrang vor der Verordnung genießen dementsprechend nicht nur die unmittelbar anwendbaren, sondern auch die national zu transformierenden Gemeinschaftsrechtsvorschriften.122 Erwägungsgrund 31 der Rom I-VO trifft außerdem eine bemerkenswerte Aussage: Die „Abwicklung einer förmlichen Vereinbarung“, welche als System im Sinne von Art. 2 lit. a) Finalitätsrichtlinie ausgestaltet ist, soll von der Verordnung unangetastet bleiben. Die gesonderte explizite Selbstbeschränkung spricht dafür, dass der Unionsgesetzgeber zumindest Berührungspunkte zwischen der Finalitätsrichtlinie und den Bestimmungen der Verordnung sieht. Worin diese genau bestehen, ist anhand der Auslegung des Begriffs der „Abwicklung“ in diesem Erwägungsgrund zu entscheiden. Angesichts der Terminologie in den anderen Sprachfassungen123 ist wohl nicht die Liquidation im Insolvenzfall gemeint, für den Art. 8 Finalitätsrichtlinie124 eine besondere Anknüpfungsregelung vorsieht. Erwägungsgrund 31 könnte aber der Klarstellung dienen, dass die Bedingungen für eine Qualifikation als System im Sinne der Finalitätsrichtlinie – Wahl der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates, in dem zudem einer der Teil119
Mit Wirkung zum 17. Dezember 2009, Art. 28 Rom I-VO. Vgl. Art. 20 EVÜ. 121 Erwägungsgrund 40 Rom I-VO. 122 I. E. wohl ebenso MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 152 und 183: einerseits lehnt er zwar die Bezeichnung „Kollisionsnorm“ im Zusammenhang mit Richtlinienbestimmungen ab, will andererseits aber (zumindest tendenziell) auch Richtlinien als „Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die […] Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten“ i. S. v. Art. 23 Rom I-VO verstehen. 123 „Operation of a formal arrangement“ in der englischen, „fonctionnement d’un accord formel“ in der französischen Version von Erwägungsgrund 31 Rom I-VO. 124 Vgl. oben § 3 A. II. 120
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nehmer seine Hauptverwaltung haben muss125 – nicht durch die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der Rom I-VO beeinflusst werden sollen.126 Weder der Grundsatz der freien Rechtswahl in Art. 3 Rom I-VO, noch die Maßgaben des Verbraucherschutzes in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO sollen sich auf die Einordnung einer förmlichen Vereinbarung als System (und damit mittelbar eben auch auf die „Abwicklung“ von Geschäften über das System) auswirken. Für diese Auslegung sprechen Bedenken, die Großbritannien während der Verhandlungen zur Rom I-VO vorbrachte. Die britische Delegation sah in der damaligen Regelung zur Anknüpfung von Verbraucherverträgen eine Bedrohung für die Integrität eines Systems nach der Finalitätsrichtlinie. Da sie die Bestimmung des Art. 2 lit. a) Finalitätsrichtlinie – insoweit zu Recht127 – nicht als eine eigenständige Kollisionsnorm und damit zugleich auch nicht als nach Art. 23 Rom I-VO gegenüber der Verordnung vorrangig ansah, forderte die britische Abordnung eine besondere Ausnahme im Kontext des Verbraucherschutzes zugunsten der Finalitätsrichtlinie.128 Der zweiten Sichtweise hinsichtlich des Erwägungsgrundes 31 ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Richtlinienbestimmung konsequenterweise auch gar keine Beeinträchtigungen durch die international-privatrechtlichen Bestimmungen der Verordnung drohen könnten, wenn sie selbst keine eigenständigen kollisionsrechtlichen Aussagen trifft. Vor allem aber bringt die Formulierung des Erwägungsgrundes einen solchen Hintergrund nur bedingt zum Ausdruck. Die Formulierung „Abwicklung einer förmlichen Vereinbarung“, welche darüber hinaus bereits als System im Sinne der Richtlinie ausgestaltet sein soll, mag nicht recht zum Schutz der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Systems passen. Möglich ist daher schließlich auch eine Interpretation von Erwägungsgrund 31 der Rom I-VO dahingehend, dass der Verordnungsgesetzgeber von vornherein Konflikte zwischen den Kollisionsregeln der Verordnung und denen der 125
Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 2. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. In diese Richtung Garcimartin Alférez, 5 JPIL 85, 102 (2009); s. a. ders., EuLF 2008, S. I-61, I-69; ders., in: Cashin Ritaine/Bonomi (Hrsg.), Le nouveau règlement européen «Rom I» relatif à la loi applicable aux obligations contractuelles (2008), S. 161, 165; ders., Yb. P. I. L. Vol. 10 (2008), S. 245, 250. 127 Mittelbar ist die Definition eines Systems eine in Bezug genommene Tatbestandsvoraussetzung der Kollisionsvorschriften in Art. 8 Finalitätsrichtlinie und Art. 9 Abs. 1 EuInsVO. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Definition als solche keine kollisionsrechtliche Regelung für vertragliche Schuldverhältnisse i. S. v. Art. 23 Rom I-VO trifft. 128 S. United Kingdom delegation, Comments on Commission’s proposed amendments to Articles 4 and 5 and proposals, Dok. 8805/07 JUSTCIV 106 vom 24.4.2007, S. 8; Committee on Civil Law Matters (Rome I), Summary of discussions, Dok. 13203/07 JUSTCIV 238 vom 25.9.2007, S. 3. 126
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Finalitätsrichtlinie beim Betrieb von Wertpapierliefersystemen, rechtlich gesehen also bei den Erfüllungsgeschäften von Kapitalmarkttransaktionen, ausschließen wollte. Allgemeine Anknüpfungsbestimmungen für Verfügungen über ein System enthält die Richtlinie aber nicht; einzige Kollisionsregel in diesem Kontext ist die Vorschrift über Sicherheiten an Wertpapieren, die im Rahmen des Systems geleistet werden. Die explizite Subsidiarität des internationalen Schuldvertragsrechts nach dem Erwägungsgrund 31 der Rom I-VO könnte dementsprechend auch als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass sich Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie auf den Bereich schuldrechtlich konstruierter Effektenverwahrung erstreckt. In der Zusammenschau sprechen damit Anhaltspunkte in der Finalitätsrichtlinie für eine vollständige Abdeckung des depotrechtlichen Spektrums einschließlich schuldrechtlicher Ausgestaltungen durch Art. 9 Abs. 2, wenn der Wortlaut dies auch eindeutiger festschreiben könnte. Die Rom IVO zeigt sich offen für ihre eigene partielle Verdrängung und bietet hierfür möglicherweise sogar einen Hinweis an versteckter Stelle. 5.
Bezug zur Insolvenz
Eine Restriktion in sachlicher Hinsicht könnte darüber hinaus aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift folgen. Abschnitt IV der Richtlinie, zu dem ausschließlich Art. 9 Finalitätsrichtlinie gehört, ist mit „Schutz der Rechte der dinglich gesicherten Gläubiger vor den Auswirkungen einer Insolvenz des Sicherheitsleistenden“129 betitelt. Absatz 1 von Art. 9 Finalitätsrichtlinie, auf den die Kollisionsnorm in Absatz 2 explizit Bezug nimmt,130 beschäftigt sich mit den materiellen Auswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.131 Vor diesem Hintergrund könnte auch der Anwendungsbereich der Kollisionsnorm allein auf die Situation eines eröffneten Verfahrens beschränkt sein.132 129
Hervorhebung durch Verf. Vgl. den Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie: „Wird Teilnehmern […] eine dingliche Sicherheit in Form von Wertpapieren […] gemäß Absatz 1 geleistet […]“ (Hervorhebung durch Verf.). 131 Ein Insolvenzverfahren wird von Art. 2 lit. j) Finalitätsrichtlinie weit interpretiert als mitglied- oder drittstaatliche Kollektivmaßnahme, die der Liquidation oder Sanierung des betroffenen Teilnehmers dient, sofern sie nur die Verfügungsbefugnis des Teilnehmers beeinträchtigt. 132 Für eine derartige Beschränkung der Norm Schefold, IPRax 2000, S. 468, 472 f. (offener aber ders., in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 463, 468); Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 36, 40. Jedenfalls in diese Richtung Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 58; offen Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 292. Auch bei der nationalen Umsetzung wurde die Frage aufgeworfen, s. Entwurf 130
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Zunächst ist diesbezüglich einem möglichen Missverständnis entgegenzutreten. Eine Insolvenzkollisionsnorm in dem Sinne, dass das für die Wirkungen eines Verfahrens auf Wertpapiersicherheiten anwendbare Recht bestimmt wird, kann die Vorschrift nicht sein.133 Sie gilt nur für Sicherheiten an in einem Mitgliedstaat verbuchten Wertpapieren.134 Die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen enthalten aber aufgrund der materiellen Insolvenzregelung von Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie, nach der die Rechte der Sicherungsnehmer von einem Insolvenzverfahren unberührt bleiben, allenfalls Ausnahmen und Freistellungen für Wertpapiersicherheiten.135 Eine diese „Lücken“ des Insolvenzrechts zur Anwendung berufende Kollisionsnorm hätte wenig Gehalt.136 Zudem drohte eine schwierige Abgrenzung zur eindeutig international-insolvenzrechtlichen Regelung des Art. 8 Finalitätsrichtlinie.137 Daher ist davon auszugehen, dass sich die Kollisionsvorschrift auf die Regelungen hinsichtlich Bestand und Verwertung der Sicherheit im Sachen- bzw. bei entsprechender depotrechtlicher Konstruktion im Schuldrecht bezieht. Aufbauend auf einer Einordnung als international-privatrechtliche Vorschrift erscheint darüber hinaus jedoch auch eine rein situative Beschränkung auf ein eröffnetes Sanierungs- oder Liquidationsverfahren als zweifelhaft. Insbesondere findet sich in den die Kollisionsnorm erläuternden Erwägungsgründen keinerlei Hinweis auf eine entsprechende Limitierung. Vielmehr geben Erwägungsgrund 20 und 21 die „Gültigkeit und Verwertbarkeit dieser dinglichen Sicherheit“ bzw. die „Anerkennung und Verwertbarkeit derartiger dinglicher Sicherheiten“ als erfassten Regelungsgegenstand an, ohne auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren Bezug zu nehmen. Zum Vergleich weisen sowohl die andere Kollisionsregel der Finalitätsrichtlinie in Art. 8 wie auch deren zugehöriger Erwägungsgrund 17 ausdrücklich darauf hin, dass jene Anknüpfungsregel im Fall eines Insolvenz-
eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 133 Tendenziell a. A. Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.55 ff., die wohl auch insolvenzrechtliche Regelungen erfasst sieht. 134 Zum räumlichen Anwendungsbereich der Norm unten § 3 B. III. 135 Zur Bedeutung von Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie oben § 3 A. III. 136 Argumentieren ließe sich allenfalls, dass auch die „negativen“ materiellen Regelungen einer Anknüpfung bedürften; so Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.53. Bei einem derartig definierten Regelungsgegenstand wäre der Neuwert der Sonderkollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie aber nur sehr begrenzt. 137 Von ihrem Standpunkt aus daher konsequent die Auseinandersetzung mit dieser Frage bei Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.50 ff.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
verfahrens gelten soll.138 Nicht zuletzt dient eine Geltung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie über die Konstellation eines eröffneten Verfahrens hinaus auch der Rechtssicherheit und entspricht damit dem übergeordneten Ziel des Schutzes vor Systemrisiken.139 6.
Konkreter Regelungsgegenstand
Schließlich ist in sachlicher Hinsicht noch auf die Unklarheit über den konkreten Regelungsgegenstand der Kollisionsvorschrift hinzuweisen. Wenn sich die Norm schon auf Sicherheiten an Wertpapieren im Rahmen von Wertpapierliefer- und -abwicklungssystemen fokussiert, wäre eigentlich zu erwarten, dass sie zumindest alle mit diesen Sicherheiten zusammenhängenden Einzelfragen umfasst. Auf diese Weise wäre immerhin das rechtliche Schicksal der dinglichen Sicherheit von ihrer Bestellung bis hin zu ihrer Durchsetzung einer einheitlichen Rechtsordnung unterworfen. In der Literatur ist jedoch darauf hingewiesen worden, dass der Wortlaut auch anders ausgelegt werden kann. Angeknüpft werden von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie die Rechte der dinglichen Gläubiger, denen eine dingliche Sicherheit geleistet wird und deren Recht an den Wertpapieren in den Depoteinrichtungen eingetragen ist. Man kann dies so lesen, dass die Norm nur die Rechtswirkungen von bereits bestellten Sicherheiten betrifft, die Begründung selbst aber dem nationalen Kollisionsrecht überlässt.140 Eine solche Abtrennung beider Fragen erinnert an die Unterscheidung zwischen Rechtsbegründungs- und Rechtswirkungsstatut im internationalen Sachenrecht.141
138 Ergänzen ließe sich auch ein Vergleich zur international-insolvenzrechtlichen Kollisionsnorm in Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten: Während in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie allgemein die „Rechte […] an den Wertpapieren“ als Gegenstand benannt werden, deutet dort die Formulierung „Ausübung von […] Rechten“ einen Bezug zu den Auswirkungen eines eröffneten Verfahrens an. Zu dieser Norm der Sanierungsrichtlinie unten § 5 C. 139 Aus letzterem Gesichtspunkt für eine Geltung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie über Insolvenzfälle hinaus Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 717; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 71 f. 140 In diesem Sinne MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 224. Ebenso Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 132; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 40. A. A. Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 71 f., der offenbar aus den Erwägungsgründen konträr ableiten will, dass gerade nur die Bestellung von Sicherheiten, nicht aber die Berechtigung des Sicherungsnehmers erfasst sei. 141 Hierzu MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 128 ff.
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Auch wenn die Differenzierung zunächst nationaler Dogmatik geschuldet zu sein scheint, könnte sie sich möglicherweise auch auf die Erwägungsgründe der Richtlinie stützen. In den beiden Erwägungsgründen 20142 und 21 werden als Gegenstand der Anknüpfung nur die „Gültigkeit und Verwertbarkeit“ sowie die „Anerkennung und Verwertbarkeit“ genannt. Sibyllinisch formuliert Erwägungsgrund 21 dabei, dass „Art. 9 Abs. 2 der Wirkungsweise und den Auswirkungen des Rechts des Mitgliedstaats, in dem die Wertpapiere begeben wurden, oder des Rechts des Mitgliedstaats, in dem die Wertpapiere möglicherweise in anderer Weise belegen sind (einschließlich der uneingeschränkten Geltung der Rechtsvorschriften, die die Begebung solcher Wertpapiere oder die Begründung oder Übertragung von Eigentum oder sonstigen Rechten an diesen betreffen), nicht vorgreifen soll“ und „dahingehend zu verstehen [sei], dass nur das Recht des jeweiligen Mitgliedstaats für die Anerkennung und Verwertbarkeit derartiger dinglicher Sicherheiten maßgeblich ist.“143 Demnach soll offenbar zum einen die kollisionsrechtliche Behandlung der Emission von Wertpapieren144 nicht berührt werden. Dies betrifft das Wertpapierrechtsstatut im Verhältnis zwischen dem Emittenten und den Anlegern, also das Gesellschaftsstatut bei Aktien oder das Forderungsstatut bei Anleihen. Raum soll zum anderen aber auch der Anknüpfung an eine andere Belegenheit der Wertpapiere verbleiben, womit eigentlich nur die lex cartae sitae gemeint sein kann.145 Die damit angedachte gespaltene Verweisung auf die Belegenheit der Urkunde für die Begründung der Sicherheit einerseits, auf den Ort der Verwahreinrichtung für ihre Rechtswirkungen andererseits, provoziert aber geradezu eine divergente Behandlung der Sicherheit durch die beiden Rechtsordnungen. Da der Richtliniengesetzgeber mit der kollisionsrechtlichen Regelung das Ziel der Rechtssicherheit verfolgte, erscheint fraglich, ob er den Regelungsgegenstand wirklich nur auf die Wirkungen nach erfolgter Sicherheitsbestellung beschränken wollte. Die gewundene Formulierung des Erwägungsgrundes bringt dies zumindest nicht eindeutig 142
Die genaue Formulierung von Erwägungsgrund 20 lautet: „Artikel 9 Abs. 2 soll sicherstellen, dass sich in dem Fall, in dem der Teilnehmer, die Zentralbank eines Mitgliedstaats oder die künftige Europäische Zentralbank eine gültige und wirksame dingliche Sicherheit gemäß dem Recht des Mitgliedstaats hält, in dem sich das betreffende Register, Konto oder zentrale Verwahrsystem befindet, die Gültigkeit und Verwertbarkeit dieser dinglichen Sicherheit gegenüber dem System (und dessen Betreiber) und gegenüber jeder anderen Person, die über das System mittelbar oder unmittelbar Ansprüche geltend macht, ausschließlich nach dem Recht dieses Mitgliedstaats bestimmt.“ 143 Hervorhebung durch Verf. 144 Hierzu Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 7 Rdnr. 71 ff. 145 So auch die Interpretation bei Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.33 f.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
zum Ausdruck und lässt vor allem eins erkennen: die Vorsicht bei der Einführung des neuen Verweisungsmomentes für Wertpapiere. II. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich der Kollisionsregel steht im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Ziel der Finalitätsrichtlinie, der Verminderung von Systemrisiken: Die Parteien des angeknüpften Sicherungsgeschäftes sind für das System relevante Akteure. 1.
Sicherungsnehmer
So kommen nach Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie die Systembetreiber als die in rechtlicher Hinsicht für den Betrieb eines Systems verantwortlichen Stellen146 sowie die Europäische Zentralbank und ihre nationalen Pendants als die für die Finanzmärkte allgemein entscheidenden Institutionen als Sicherungsnehmer in Betracht. Vor allem aber sind die Teilnehmer des Systems mögliche Sicherungsempfänger. a) Begriff des Teilnehmers Der Begriff des „Teilnehmers“ ist Ausgangspunkt für Definitionsketten in der Richtlinie: Art. 2 lit. f) UAbs. 1 Finalitätsrichtlinie interpretiert ihn als Institut oder als eine der zentralen Einrichtungen des Systems, nämlich als zentrale Vertragspartei,147 als Verrechnungsstelle,148 als Clearingstelle149 oder als Systembetreiber.150 Den Begriff des „Instituts“ wiederum umschreibt Art. 2 lit. b) UAbs. 1 Finalitätsrichtlinie als Kreditinstitute, Wert146 Art. 2 lit. p) S. 1 Finalitätsrichtlinie. Der Systembetreiber kann zugleich in weiteren zentralen Funktionen agieren, Art. 2 lit. p) S. 2 Finalitätsrichtlinie. Allerdings ist der Zweck der eigenständigen Erwähnung des Systembetreibers insofern zweifelhaft, als er ohnehin vom Begriff des „Teilnehmers“ erfasst wird, dazu sogleich. 147 In Art. 2 lit. c) Finalitätsrichtlinie definiert als Stelle, die in einem System zwischen den Instituten eingeschaltet ist und in Bezug auf die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge dieser Institute als deren ausschließliche Vertragspartei fungiert. 148 In Art. 2 lit. d) Finalitätsrichtlinie definiert als Stelle, die Instituten und/oder einer zentralen Vertragspartei, die Teilnehmer von Systemen sind, Konten, über die die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge innerhalb des Systems abgewickelt werden, zur Verfügung stellt und die diesen Instituten und/oder zentralen Vertragsparteien gegebenenfalls Kredit zum Zweck des Zahlungsausgleichs sowie des Ausgleichs von Verpflichtungen zur Lieferung von Wertpapieren gewährt. 149 In Art. 2 lit. e) Finalitätsrichtlinie definiert als eine Organisation, die für die Berechnung der Nettopositionen der Institute, einer etwaigen zentralen Vertragspartei und/oder einer etwaigen Verrechnungsstelle zuständig ist. 150 Nach Art. 2 lit. f) UAbs. 2 Finalitätsrichtlinie kann ein Teilnehmer einzelne oder alle dieser zentralen Funktionen ganz oder teilweise ausüben.
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papierfirmen, vergleichbare außergemeinschaftliche Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Körperschaften und Unternehmen mit einer öffentlichen Garantie, wobei er zur weiteren Definition auf die sekundärrechtlichen Grundregelungen des jeweiligen Sektors Bezug nimmt.151 Zudem verlangt die Vorschrift, dass die genannten Unternehmen und Körperschaften – was etwas zirkulär anmutet – Teilnehmer eines Systems sind und für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen aufgrund von Zahlungsbzw. Übertragungsaufträgen innerhalb dieses Systems haften. b) Einstufige Vorstellung eines Systems Darüber hinaus ist für den Begriff des „Teilnehmers“ von Belang, dass die Finalitätsrichtlinie eine einstufige Vorstellung des Systems offenbart: Ein Teilnehmer muss selbst unmittelbar dazu in der Lage sein, Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge in das System einzubringen. Abzugrenzen ist der „indirekte Teilnehmer“ im Sinne von Art. 2 lit. g) Finalitätsrichtlinie, der hierzu nur über seine vertraglichen Beziehungen zu einem Teilnehmer imstande ist, mithin von einer unteren Stufe aus nur mittelbar seine Aufträge über das System abwickeln kann. Ein „indirekter Teilnehmer“ wird grundsätzlich nicht als Teilnehmer im Sinne der Finalitätsrichtlinie behandelt152 und scheidet damit auch als Sicherungsempfänger im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie aus.153 Einer Erweiterung der Kollisionsregel im Wege der überschießenden Umsetzung über direkte Teilnehmer hinaus scheint Art. 2 lit. f) UAbs. 3 Finalitätsrichtlinie Schranken aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift hat ein Mitgliedstaat die Möglichkeit, einen „indirekten Teilnehmer“ für Zwecke 151 Für Kreditinstitute: nunmehr Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013, einschließlich der Institute, die bezeichnet sind in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338; für Wertpapierfirmen: Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1, mit Ausnahme der in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bezeichneten Institute. 152 Dies ergibt sich im Gegenschluss zur bloßen Möglichkeit, indirekte Teilnehmer nach den Vorschriften für Teilnehmer zu behandeln, dazu sogleich. Indirekte Teilnehmer bleiben auch für die Mindestteilnehmerzahl eines Systems außer Betracht, Art. 2 lit. a) 1. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. 153 Einsele, WM 2001, S. 2415, 2418 f.; Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 497 f.; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 718; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 66 f.; wohl auch Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.10. Eher als Forderung nach einer weitergehenden nationalen Umsetzung wohl die Einbeziehung der indirekten Teilnehmer bei Schefold, IPRax 2000, S. 468, 473.
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der Richtlinie dann als Teilnehmer anzusehen, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des Systemrisikos gerechtfertigt ist und die Rolle des Mittlers als Teilnehmer nicht beeinträchtigt wird. Für die materielle Ebene der Finalitätsrichtlinie ergibt eine derartige Schranke durchaus Sinn: Die sachund insolvenzrechtlichen Privilegierungen der Richtlinie gegenüber allgemeinen Gläubigern sollen nicht ohne Weiteres einem größeren Personenkreis zukommen. Ob dagegen die Vorschrift auch als Hürde für eine personelle Extension der Kollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie auszulegen ist, darf dagegen bezweifelt werden.154 Das neue Anknüpfungsmoment soll Systemteilnehmern und Zentralbanken kollisionsrechtliche Rechtssicherheit für Gültigkeit und Verwertbarkeit der ihnen bestellten Sicherheiten an intermediatisierten Wertpapieren bieten.155 Dass die Vorteile nicht auch anderen Personen zugute kommen sollen, lässt sich aus dieser Zwecksetzung nicht ablesen. Eine umfassende, allseitige Anknüpfungsregel könnte aber nicht verwirklicht werden, wenn sich die personell überschießende Umsetzung der Kollisionsregel an Unterabsatz 3 von Art. 2 lit. f) Finalitätsrichtlinie messen müsste. So legt die erforderliche Prüfung am Maßstab des Systemrisikos nahe, dass die Freigabe auf „indirekte Teilnehmer“ derjenigen Systeme beschränkt bleiben muss, für die der nationale Gesetzgeber das Risiko überhaupt beurteilen kann: die nationalen, von ihm notifizierten Systeme. Konsequenterweise könnte dann aber keine allseitige Verweisungsnorm geschaffen werden. Lediglich eine einseitige Anknüpfung für „indirekte Teilnehmer“ der jeweils gemeldeten Systeme wäre möglich. Zudem regelt die Erweiterungsoption ohnehin nur einen Teil der Akteure des Depotsystems. Sie ist auf die Definition des „indirekten Teilnehmers“ in Art. 2 lit. g) Finalitätsrichtlinie ausgerichtet. Demnach muss dieser nicht nur in vertraglichen Beziehungen zu einem unmittelbaren Teilnehmer stehen, sondern zudem zu den Instituten oder zentralen Einrichtungen zählen und dem Systembetreiber persönlich bekannt sein.156 Innerhalb eines anonymen, intransparenten Depotsystems kennt der Betreiber die Intermediäre auf den tieferen Stufen aber möglicherweise nicht. Außerdem ist der Anleger auf der untersten Stufe meist kein Institut und unterfällt damit nicht der Definition. In einem argumentum e contrario könnte aus der Nichtberück154 Bezeichnenderweise wurde die Frage der Einbeziehung indirekter Teilnehmer bei der Schaffung der umfassenden nationalen Kollisionsregel in § 17 a DepotG – soweit ersichtlich – nicht diskutiert, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15 f. 155 Vgl. Erwägungsgrund 20 Finalitätsrichtlinie. 156 S. die Legaldefinition in Art. 2 lit. g) Finalitätsrichtlinie. Die Beschränkung der indirekten Teilnehmer auf Zahlungsaufträge ist hingegen mit der Reform 2009 aufgegeben worden.
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sichtigung der dem Betreiber unbekannten Intermediäre und der Anleger darauf geschlossen werden, dass eine Einbeziehung dieser Gruppen gänzlich ausgeschlossen ist. Eine einheitliche, geschlossene Verweisung, die die pyramidenförmigen Depotsysteme bis in die letzte Stufe durchdringt, wäre dem nationalen Gesetzgeber bei seiner Umsetzung verwehrt. Angesichts der problematischen Auswirkungen ist davon auszugehen, dass die Anforderungen für die Einbeziehung „indirekter Teilnehmer“ in Art. 2 lit. f) UAbs. 3 Finalitätsrichtlinie nicht als Hindernis für eine überschießende Umsetzung zu lesen sind. In der Kollisionsnorm mag man einen Hinweis hierfür darin sehen, dass das Recht der Sicherungsnehmer auch durch einen etwaigen Bevollmächtigten, Beauftragten oder sonstigen Dritten in ihrem Namen157 ausgeübt werden kann. Der originäre Mindestgehalt von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie bleibt demnach zwar einem einstufigen Bild des Systems verhaftet, so dass er sich auf Sicherheiten zugunsten direkter Teilnehmer beschränkt. Der nationale Umsetzungsgesetzgeber hat gleichwohl die Möglichkeit, auch Sicherheiten zugunsten indirekter Teilnehmer, sonstiger Intermediäre und der Anleger einzubeziehen und sich so der mehrstufigen Realität des Effektengiros zu öffnen. 2.
Sicherungsgeber
Für den Sicherungsgeber enthält Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie in seinem unmittelbaren Wortlaut keine näheren Vorgaben. Überwiegend wird jedoch aus den übrigen Bestimmungen des Rechtsaktes eine Beschränkung auch für diese Seite des Sicherungsgeschäfts auf (direkte) Teilnehmer des Systems abgeleitet.158 In der Tat sieht der in Absatz 2 explizit in Bezug genommene Absatz 1 von Art. 9 Finalitätsrichtlinie für Sicherheiten zugunsten von Teilnehmern und Systembetreibern vor, dass diese „im Rahmen eines Systems […] geleistet“ wurden. Entsprechend verlangt die Definition der dinglichen Sicherheit in Art. 2 lit. m) Finalitätsrichtlinie, dass sie der „Besicherung von Rechten und Verbindlichkeiten, die sich in Ver157
Eine Festlegung auf eine offenkundige Vertretung war dabei wohl nicht beabsichtigt, so dass auch treuhänderische Konstruktionen erfasst sind, vgl. die englische „[right] of any nominee, agent or third party acting on their behalf“ und die französische Fassung „[droit] de tout mandataire, agent ou tiers agissant pour leur compte“ (Hervorhebung durch Verf.). 158 So Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 57 f.; Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 497; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 718; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 67; Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 58; für Sicherheiten zugunsten von Teilnehmern, wohl aber nicht zugunsten von Zentralbanken Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.10. A. A. Keller, WM 2000, S. 1268, 1274, der sich zur Vermeidung eines gespaltenen kollisionsrechtlichen Regimes gegen die persönliche Beschränkung des Anwendungsbereichs wendet.
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bindung mit einem System ergeben können,“ dient. Noch enger präzisiert Erwägungsgrund 9 S. 2 Finalitätsrichtlinie, dass die dingliche Sicherheit „alle juristischen Sicherungsmittel umfasst, mit denen ein Teilnehmer aus dem System herrührende Rechte und Verpflichtungen gegenüber anderen Teilnehmern des Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems sichert.“ Zu beachten ist allerdings schon, dass der Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie eine entsprechende personelle Beschränkung in der Variante der Sicherheit zugunsten einer Zentralbank gerade nicht stützt. Zudem bezieht sich der geforderte Sicherungszweck im Rahmen der Definition der „dinglichen Sicherheit“ nur auf die den Teilnehmern und Systembetreibern, nicht dagegen die den Zentralbanken zur Verfügung gestellten Vermögensgegenstände.159 Bereits im einleitenden Art. 1 der Richtlinie werden denn auch Sicherheiten im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem System von Sicherheiten im Zusammenhang mit Maßnahmen der EZB und der nationalen Zentralbanken unterschieden, die im Rahmen ihrer besonderen Aufgabenstellung als Zentralbank erfolgen.160 Bei Sicherheiten an intermediatisierten Wertpapieren zugunsten der Zentralbanken kommen demnach ein beliebiger Sicherungsgeber und ein beliebiger Zweck in Betracht.161 Darüber hinaus lässt die Reform der Finalitätsrichtlinie 2009 auch an der Beschränkung bei Sicherheiten zugunsten von Teilnehmern zweifeln. In seiner neuen Fassung zählt Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie Insolvenzverfahren gegen mehrere Schuldner auf, die die Rechte an dinglichen Sicherheiten nicht berühren sollen. Einem Systemteilnehmer sind hierbei als möglicher Schuldner gleichgestellt der Betreiber eines interoperablen Systems, die Vertragspartei der Zentralbank und ein die Sicherheit leistender Dritter. Auch ein Nichtteilnehmer kann nach der letzten Variante die Sicherheit leisten, wobei diese Freigabe allerdings gewisse Unklarheiten aufweist. Schließlich ist auch für die Sicherheit eines Dritten zugunsten 159
Deutlicher als die deutsche Fassung etwa die englische Fassung: „‘collateral security’ shall mean all realisable assets, […] provided under a pledge […] for the purpose of securing rights and obligations potentially arising in connection with a system, or provided to central banks of the Member States or to the European Central Bank“ (Hervorhebung durch Verf.). 160 Entsprechend bezieht sich der enge Erwägungsgrund 9 S. 2 Finalitätsrichtlinie nur auf Sicherheiten unter Teilnehmern, während Sicherheiten zugunsten der Zentralbanken in Erwägungsgrund 10 behandelt werden. Zur besonderen Rolle der Zentralbanksicherheiten s. a. Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 29. 161 Ebenso Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.10; wohl auch MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 190; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 29. A. A. Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 67.
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eines Teilnehmers weiterhin zu verlangen, dass sie im Rahmen des Systems geleistet wurde und, gemäß der Definition der „dinglichen Sicherheit“, zudem der Besicherung von Verbindlichkeiten aus dem System dient. Der Begriff des „Dritten“ könnte daher als Oberbegriff für alle Personen gedeutet werden, die zumindest mittelbar Aufträge in das System einbringen können: die eng definierten „indirekten Teilnehmer“ – gleich, ob vom nationalen Umsetzungsgesetzgeber den direkten Teilnehmern gleichgestellt – sowie die sonstigen Intermediäre und die Anleger auf der finalen Stufe des Verwahrsystems. Wird einem direkten Teilnehmer aus diesem Kreis eine dingliche Sicherheit über das System bestellt, so wird auch sie von der Kollisionsnorm erfasst. III. Räumlicher Anwendungsbereich Die Finalitätsrichtlinie stützt sich auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 114 AEUV (ex Art. 100 a EGV, ex Art. 95 EG), so dass ihre Regelungen in allen Mitgliedstaaten einschließlich Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland162 Geltung beanspruchen und umzusetzen sind.163 Darüber hinaus gilt sie in den übrigen drei Staaten des EWR.164 Die Kollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie selbst ist dabei nicht als loi uniforme ausgestaltet, die in allen Kollisionsfällen auch mit Bezug zu Drittstaaten zur Anwendung käme. Vielmehr verweist die Norm nur auf das Recht eines Mitgliedstaates, in dem sich Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem befindet. Auf Wertpapiere, die bei Einrichtungen in Drittstaaten eingetragen sind, findet die Norm keine Anwendung, sondern überlässt sie dem autonomen IPR der Mitgliedstaaten. Auch an dieser Stelle steht der Weg einer überschießenden Umsetzung offen, um ein insofern gespaltenes Kollisionsrecht zu verhindern. Selbst ohne erweiternde Transformation können räumlich-persönlich allerdings durchaus drittstaatliche Teilnehmer als Sicherungsempfänger von
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Diese Staaten nehmen für das europäische Kollisionsrecht insofern eine Sonderrolle ein, als für sie Maßnahmen im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht oder nur fakultativ gelten; zu den Hintergründen der differenzierten Integration des IPR vgl. das Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 295, und das Protokoll Nr. 22 über die Position Dänemarks, ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 299. 163 Vgl. Art. 14 Finalitätsrichtlinie, der als Adressaten des Rechtsaktes ohne Einschränkung die Mitgliedstaaten nennt. 164 Gemäß Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 53/1999 vom 30. April 1999 ist die Richtlinie unter Nr. 16b in den Anhang IX des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen worden.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
der Vorschrift erfasst sein.165 Hierfür spricht schon, dass die Begriffsbestimmung des Instituts ausdrücklich Unternehmen mit Hauptverwaltung außerhalb der Gemeinschaft einbezieht, die mit einem Kreditinstitut oder einer Wertpapierfirma innerhalb der Gemeinschaft vergleichbar sind.166 In den Erwägungsgründen wird sogar ausdrücklich die fehlende Relevanz einer innergemeinschaftlichen Herkunft der Teilnehmer hervorgehoben.167 Als Voraussetzung verbleibt ein räumlicher Unionsbezug in zweifacher Hinsicht: Zum einen müssen die zur Sicherheit bestellten Wertpapiere in einer Einrichtung im Binnenmarkt eingetragen sein. Da die Sicherheit zugunsten des Teilnehmers im Rahmen eines Systems geleistet worden sein muss, ist nach den Anforderungen der Finalitätsrichtlinie an ein System zum anderen der Sitz der Hauptverwaltung mindestens eines Systemteilnehmers in dem Mitgliedstaat erforderlich, dessen Recht die zugrundeliegende Vereinbarung unterfällt.168 C. Anknüpfungsmoment Nicht minder als der Gegenstand der Anknüpfung bedarf in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie auch das für sie verwendete Moment weiterer Klärung. Die maßgebliche Rechtsordnung richtet sich nach dem Ort von Register, Konto oder zentralem Verwahrsystem, in dem das Recht der Sicherungsnehmer an den Wertpapieren mit rechtsbegründender Wirkung eingetragen bzw. verbucht ist. Deutlich wird, dass im engen Anwendungsbereich der Norm nicht mehr die physische Belegenheit einer Wertpapierurkunde maßgebend sein soll, sondern der Ort der gutschreibenden Institution des Effektengiros. Der situs cartae wird abgelöst durch einen neuen situs. Trotz der offensichtlichen abstrakten Zielrichtung wirft die konkrete Anwendung Fragen auf. I.
Lokalisierung der Einrichtung des Effektengiros
So kann in der Praxis schon die genaue Bestimmung des maßgeblichen Ortes Probleme bereiten.
165
Einsele, WM 2001, S. 2415, 2418; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 72. 166 Art. 2 lit. b) UAbs. 1, 4. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. 167 Vgl. Erwägungsgrund 6 S. 2, 3 Finalitätsrichtlinie: „Unter die Richtlinie fallen alle Systeme der Gemeinschaft sowie die von den Teilnehmern im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an diesen Systemen geleisteten dinglichen Sicherheiten. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um Teilnehmer aus der Gemeinschaft oder aus Drittländern handelt.“ 168 Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 2. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
1.
113
Relevanz für die Finalitätsrichtlinie
Für den unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm – Sicherheiten über ein einstufiges System – mag dies zunächst nicht als Herausforderung erscheinen. Schließlich geht es meist um die Ortsbestimmung einer zentralen Verwahrstelle oder eines Registers, die vom Systembetreiber unterhalten werden und mit denen die direkten Teilnehmer jeweils unmittelbar verbunden sind. Nahe liegt, dass sich die Einrichtung in dem Land befindet, welches das System gegenüber der Kommission notifiziert hat. Gleichwohl ist dies nach der Definition eines Systems im Sinne der Finalitätsrichtlinie nicht zwingend: Es muss nur ein beliebiger Teilnehmer seine Hauptverwaltung in dem meldenden Staat haben; selbst wenn dies der Systembetreiber ist, muss er die Einrichtung nicht am Ort seiner Hauptverwaltung unterhalten.169 Zudem ist eine genauere Beschäftigung mit der Lokalisierung der Institution deshalb erforderlich, weil im Rahmen einer überschießenden Umsetzung auch indirekte und sonstige mittelbare Teilnehmer berücksichtigt werden können, deren Konto dann einer räumlichen Zuordnung bedarf. 2.
Bankinternes und -externes Outsourcing
Nach der Norm ist das Land heranzuziehen, in dem sich die Institution befindet, bei der die Eintragung oder Verbuchung stattfindet;170 weitere Einzelheiten für deren Lokalisierung fehlen. Insbesondere wird dem Wortlaut nach nicht direkt auf die die Einrichtung betreibende Person abgestellt.171 Die Institution als solche weist jedoch nicht immer einen eindeutigen Standort auf. Gerade in der Variante des Kontos liegt kein körperlicher Gegenstand mit klarer räumlicher Belegenheit vor,172 sondern vielmehr eine vertragliche Beziehung über verschiedene depotbezogene Tätigkeiten.173 Dass bei einem sachenrechtlichen Verständnis mit der Gutschrift 169
Vgl. Art. 2 lit. a) UAbs. 1, 2. Spiegelstrich Finalitätsrichtlinie. In der englischen Fassung „a register, account or centralised deposit system located in a Member State“, in der französischen „un registre, un compte ou […] d’un système de dépôt centralisé situé dans un État membre“. Parallel die Formulierungen in Erwägungsgrund 20 Finalitätsrichtlinie. 171 Gleichgesetzt wird der Ort der Einrichtung mit dem Ort des Intermediärs von Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 133. Auch Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 40 f., stellt i. E. auf diesen Ort ab, entnimmt dem Wortlaut jedoch eine primäre Maßgeblichkeit eines „Ortes der Eintragung“. 172 Prägnant Rogers, 39 Cornell Int’l L.J. 285, 304 (2006): „An account does not have a location. Period.“ 173 Vgl. etwa Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 3.105, der in einem Konto (für Buchgeld) die „Rechtsstellung des Kunden gegenüber der Bank“ sieht; s. a. Rogers, 39 Cornell Int’l L.J. 285, 304 (2006): („abstract legal relationship between two entities“). 170
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
die Verschaffung von (Mit-)Eigentum an einer Urkunde verbunden ist, macht das Konto nicht selbst zu einem körperlichen Gegenstand.174 Bedingt durch die fortschreitende Elektronisierung und den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln können Handlungen der Depotbank über verschiedene Länder disloziert werden. So ermöglichen Direktbanken eine Kontoführung über das ubiquitäre Internet losgelöst von einer physischen Präsenz.175 Aber auch bei klassischen Filialbanken ist grenzüberschreitendes Outsourcing der arbeitsintensiven Prozesse an interne Niederlassungen oder externe Anbieter durchaus üblich.176 Die Auslagerung von Prozessen der Kontoführung wird darüber hinaus nicht nur von privater Seite betrieben. Auch das Projekt „TARGET2Securities (T2S)“177 der Europäischen Zentralbank lässt sich letztlich als eine Ausprägung des Outsourcings begreifen: Geschaffen wird ein gemeinsamer Dienst für die nationalen Zentralverwahrer, der die Abwicklung sowohl der Geld- als auch der Wertpapierseite von Kapitalmarktransaktionen über eine einzige Plattform unter Verwendung einheitlicher Verfahren ermöglicht.178 Die teilnehmenden Zentralverwahrer179 werden die Positionen auf ihren Depotkonten an die Plattform übermitteln, die dann die Transaktionen zwischen allen Teilnehmern in Echtzeit rechnerisch abwickelt. Neben aufsichtsrechtlichen Problemen wirft diese Auslagerung zentraler Funktionen der Kontoführung auch die Frage auf, ob sie sich nicht auf die kollisionsrechtliche Verortung des Kontos auswirkt. Die EZB selbst be174 Missverständlich daher Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 152, der ein „dinglich-gegenständliches Verständnis“ des Depotkontos im kontinentaleuropäischen Rechtskreis attestiert. 175 Zu Problemen der Lokalisierung beim Electronic Banking allgemein Borges, WM 2001, S. 1542; zur Tätigkeit der Direktbanken und Discount-Broker s. a. Balzer, WM 2001, S. 1533; Höfer, Grenzüberschreitender Onlinewertpapierhandel (2004), S. 47. 176 Vgl. Marlière, FAZ v. 4.4.2007, S. B2; exemplarisch auch die Tätigkeit der Xchanging plc, die sich auf die Übernahme der Backoffice-Tätigkeiten der Banken spezialisiert hat, s. FAZ v. 24.4.2007, S. 23. 177 Erarbeitet seit 2006, vom EZB-Rat endgültig verabschiedet am 17. Juli 2008. Die Inbetriebnahme der Plattform ist schrittweise ab Juni 2015 vorgesehen; vgl. die Informationen auf den Seiten der Europäischen Zentralbank unter (Stand: März 2014). Aus der Literatur etwa Paech/Löber, 22 JIBFL 9, 15 (2007); Tumpel-Gugerell, Kreditwesen 2008, S. 38; Papathanassiou, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 134 Rdnr. 113; Scherer-Scherer, DepotG (2012), § 1 Rdnr. 66 ff. 178 Als rechtliche Grundlage vgl. insbesondere die Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 18. Juli 2012 über TARGET2-Securities (EZB/2012/13), ABl. L 215 vom 11.8.2012, S. 19. 179 Deren (freiwillige) Teilnahme beruht jeweils auf einem Rahmenvertrag mit diversen Anlagen; der Text dieser „T2S Framework Agreements“ ist abrufbar unter (Stand: März 2014).
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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trachtet den Dienst jedenfalls als rein technische Infrastruktur, die die rechtliche Position der beteiligten Zentralverwahrer gegenüber ihren Depotkunden unangetastet lässt. Insbesondere soll der Ort der zur gemeinsamen Plattform gehörenden Anlagen für Zwecke von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie irrelevant sein.180 3.
Ansätze für eine Lokalisierung
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für ein Konto unter Umständen über einzelne Elemente der Kontoführung Bezüge zu mehreren Ländern. a) Optionen für eine legislative Konkretisierung De lege ferenda ließe sich das Problem lösen, wenn der europäische Gesetzgeber bestimmte objektive Kriterien einführen würde, die in einer kaskadenförmigen Prüfungsabfolge über den Ort des Kontos entscheiden. Diskutiert werden insofern immer wieder bestimmte Merkmale: Einerseits die territoriale Zuordnung des Kontos für Zwecke des Steuerrechts, des Aufsichtsrechts oder der Rechnungslegung;181 andererseits faktische Handlungen zur Kontoführung wie das Versenden der Kontoauszüge.182 Ein besonderer Ansatz ist die Heranziehung von Bankleitzahlen. Vorgeschlagen wird für Depotkonten die Schaffung einer detaillierten Identifikationsnummer (Diagnostic European Number for International Securities Accounts – DENISA)183 oder zumindest eines verpflichtenden Ländercodes,184 aus denen der maßgebliche Staat hervorgehen soll. Vorbild ist die Situation bei Geldkonten, für die mit der internationalen Bankleitzahl BIC (Bank Identifier Code) des Unternehmens SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) und der von der ISO (International Organization for Standardization) definierten internationalen Konto180 European Central Bank, Target2-Securities – Legal Feasibility, S. 5, abrufbar unter (Stand: März 2014). 181 S. nur Arbeitspapier der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 5; Arbeitspapier der Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment, S. 30. 182 Vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 lit. a) des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 312. 183 Hierzu das Protokoll der die Kommission beratenden Sachverständigengruppe für Clearing und Abrechnung der Europäischen Kommission (Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Experts’ Group – CESAME) vom 12. Juni 2006, S. 9 f., und vom 20. Februar 2006, S. 10. 184 Arbeitspapier der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 5.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
nummer IBAN (International Bank Account Number) weltweit verbreitete Standards existieren.185 Die Union hat diese Standards gleichsam in ihren (materiellen) Rechtsrahmen inkorporiert und verlangt bei grenzüberschreitenden Zahlungen innerhalb Europas die Angabe beider Nummern.186 Fänden derartige Kennziffern zwingend auch für Depotkonten Anwendung, so stünde ein in der Praxis einfach zu handhabendes Hilfsmittel für die Anknüpfung zur Verfügung. Allerdings müssten vor der Einführung noch die Vergabekriterien für die Nummern geklärt werden – hier droht eine Fortsetzung des Streits um die Lokalisierung an neuer Stelle. Letztlich hielt der europäische Gesetzgeber denn auch bei Verabschiedung der Änderungsrichtlinie 2009/44/EG die Diskussion über Auswahl und Reihenfolge unter den Kriterien für noch nicht reif und verzichtete vorerst auf eine weitere Spezifikation des maßgeblichen Ortes.187 b) Effektiv handelnde Stelle des Intermediärs De lege lata lässt die Finalitätsrichtlinie daher weiterhin nationale Umsetzungsgesetzgeber und Rechtsanwender bei der Verortung des Kontos allein. Im Moment bieten sich insofern folgende Überlegungen an: Eine Lokalisierung des unkörperlichen Gegenstandes „Konto“ als solchen erscheint ohne den Behelf einer internationalen Kontonummer schwierig. Dann aber liegt ein Rückgriff auf die Person des Intermediärs nahe,188 mithin der „place of the relevant intermediary approach“ im Wortsinne.189 Da es sich bei dem Depotkonto letztlich um eine Vertragsbeziehung über be185
Zur Verwendung von IBAN und BIC etwa Lohmann, Die grenzüberschreitende Lastschrift (2008), S. 78; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Grundmann, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. II 6; MünchKommHGB-Häuser, Bd. 5 (2009), ZahlungsV Rdnr. B 14. 186 Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001, ABl. L 266 vom 9.10.2009, S. 11. Vgl. auch die Regelungen zum „Kundenidentifikator“ in der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319 vom 5.12.2007, S. 1. Die Richtlinie dient der Schaffung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area – SEPA); zum Zusammenspiel von Verordnung und Richtlinie hierbei Manger-Nestler, EuZW 2008, S. 332, 335. 187 S. zu dieser Zurückhaltung das Arbeitspapier der Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment, S. 30. 188 Vgl. zur nationalen Umsetzung Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rz. 2418. 189 Teilweise hat diesen Schritt auch der deutsche Umsetzungsgesetzgeber vollzogen, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16, und unten § 8 B.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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stimmte kontobezogene Tätigkeiten handelt, kann man eine Parallele im internationalen Schuldrecht sehen. Zur objektiven Anknüpfung des auf einen Vertrag anzuwendenden Rechts greift auch dieses im Grundsatz auf die Partei zurück, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat.190 Um aber möglichst nahe an der von der Richtlinie beabsichtigten Anknüpfung des Kontos selbst zu bleiben, sollte nicht etwa Satzungs- oder effektiver Verwaltungssitz der Depotbank maßgeblich sein. Vielmehr ist auf die bezüglich des konkreten Kontos effektiv handelnde Stelle des Intermediärs abzustellen.191 Vollends gelöst sind die Probleme damit natürlich noch nicht. Wenn mehrere Stellen der Depotbank in die Kontoführung involviert sind, ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände nicht zu vermeiden. Zu suchen ist nach einem Handlungsschwerpunkt, der eventuell mit Blick auf Steuer, Bankenaufsicht oder Rechnungslegung bestätigt werden kann. Ohne Stellungnahme des Gesetzgebers steht zwar keine bestimmte Hierarchie unter einzelnen Kriterien zur Verfügung. Dennoch dürfte in vielen Fällen trotz grenzüberschreitender elektronischer Kontoführung ein Schwerpunkt an einem Standort des Intermediärs auszumachen sein. Demgegenüber haben Beispielsfälle mit gleichwertiger Beteiligung verschiedener Büros, die im Kontext des HWpÜ gegen die objektive Verortung angeführt werden, oftmals etwas Hypothetisches an sich. Im Erläuternden Bericht zum HWpÜ wird beispielsweise folgender Sachverhalt konstruiert: Ein nach dem Recht des Staates New York gegründeter Intermediär vereinbart mit seinem Kunden, dass dessen Konto in Tokio geführt wird. Der Intermediär versendet seine Kontoauszüge zentral von einem Büro in Dublin. Dividendenzahlungen zugunsten des Kunden werden in einer Zweigstelle in Hongkong verwaltet; hinsichtlich seines Depots wird der Kunde von einem weiteren Büro des Intermediärs in der Nähe seines eigenen Hauptsitzes in Singapur beraten. Alle Kontenvorgänge des Intermediärs werden von zwei separaten EDV-Anlagen in Neu-Delhi und San Francisco gespeichert und überwacht. Der Kunde informiert sich schließlich regelmäßig weltweit via Internet über sein Depot.192 Lässt man für diesen Fall außer Betracht, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit das Handeln oder die Person der Depotbank durch ein bestimmtes Land beaufsichtigt werden, so mutet es in der Tat arbiträr an, einer be190
Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO; früher Art. 4 Abs. 2 EVÜ und Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Eine solche Verfeinerung kennt auch die Rom I-VO durch die mögliche Berücksichtigung des Ortes einer sonstigen Niederlassung anstelle des Ortes der Hauptverwaltung in Art. 19 Abs. 2. 192 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-44. Zum Argument der ambivalenten Verteilung unter verschiedenen Staaten s. a. Bernasconi/Potok, IFLR 2003, S. 11, 13; Potok, 15 JBFLP 204, 213 f. (2004). 191
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
stimmten Tätigkeit den Vorzug zu geben. Soll beispielsweise das Versenden der Kontoauszüge als wichtigere Tätigkeit angesehen werden als die persönliche Beratung durch eine zweite Zweigstelle? Sollte sich also wirklich einmal kein objektiver Schwerpunkt der Kontoführung ausmachen lassen, bleibt nur ein Rückgriff auf die allgemein mit dem Internationalen Privatrecht verfolgten Interessen, also grob kategorisiert Partei-, Verkehrsund Ordnungsinteressen.193 Aus Gründen der Vorhersehbarkeit194 besteht ein Interesse der Parteien darin, dass der Richter die im Kontovertrag von ihnen (z. B. als Erfüllungsort der Pflichten aus dem Depotvertrag oder als Ort des Vertragsabschlusses) zugrunde gelegte Zweigstelle heranzieht. Demgegenüber ist der Rechtsverkehr aufgrund der ambivalenten Bezugspunkte ohnehin nicht auf ein bestimmtes Land fokussiert. In der Konstellation einer wirklich gleichmäßig verteilten Kontoführung sollte also maßgebend die von den Parteien des Depotvertrags erkennbar zugrunde gelegte Zweigstelle sein. Sogleich ist allerdings einschränkend anzumerken, dass letzteres Kriterium wohl nur subsidiär bei Versagen der objektiven Schwerpunktbildung herangezogen werden kann. Würde man primär auf die benannte Zweigstelle abstellen,195 so könnten die Parteien im Grundsatz eine beliebige Zweigstelle des Intermediärs auswählen. Im Ergebnis liefe dies auf nichts anderes hinaus als die mit dem HWpÜ eingeführte Rechtswahl. Wenn der europäische Gesetzgeber den gegenwärtigen objektiven Ansatz im Unionsrecht aber für unvereinbar mit dem subjektiven Konzept des HWpÜ hält,196 so darf dies nicht „durch die Hintertür“ konterkariert werden. Insgesamt ist hinsichtlich der vorgeschlagenen Suche nach der effektiv handelnden Zweigstelle einzuräumen, dass sie nicht in jedem Einzelfall zu einem von vornherein unumstrittenen Ergebnis führen dürfte. Eine werten193
So jedenfalls die Einteilung der für Normbildung und -anwendung heranzuziehenden international-privatrechtlichen Interessen bei Kegel/Schurig, IPR (2004), § 7 (S. 131 ff.); kritisch zu einem System von Interessen Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 20 (S. 160 ff.), der stattdessen aber ähnliche Maximen der Anknüpfung aufstellt. S. a. MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 79 ff. 194 Zum Gedanken der Voraussehbarkeit insbesondere Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 20 I 3 (S. 162). 195 So etwa anfangs in Art. 10 Abs. 2 des Vorschlages für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 312. 196 Bewertungsbericht der Kommission vom 20. Dezember 2006 über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG), KOM(2006)833 endg., S. 12, und das Arbeitsdokument der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 2. Ähnlich die zweite Empfehlung der die Kommission beratenden Arbeitsgruppe Rechtssicherheit vom August 2008, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, S. 20 f.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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de Betrachtung anhand verschiedener objektiver Kriterien birgt immer die Gefahr, dass unterschiedliche Gerichte auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können, was dem internationalen Entscheidungseinklang abträglich ist. Mitunter mag die Erhebung von Beweisen erforderlich sein,197 bei deren Würdigung die Parteien und Sicherungsnehmer nicht vor einem ihren Einschätzungen widersprechenden second guessing durch die Judikative gefeit sind.198 Nicht ohne Grund hat die Suche nach Kriterien zur Verortung des maßgeblichen Intermediärs die Diskussion um die PRIMA-Anknüpfung nach der Finalitätsrichtlinie beherrscht und sich für das spätere HWpÜ gar als „pièce de résistance“199 erwiesen. Bei aller berechtigten Kritik darf aber nicht übersehen werden, dass das IPR auch an anderen Stellen eine vergleichbare Schwerpunktbildung vornimmt: Man denke nur an die Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes einer Gesellschaft200 für Zwecke des internationalen Gesellschaftsrechts oder des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (center of main interests – COMI)201 für Zwecke des internationalen Insolvenzrechts. Diesen Verweisungsmomenten können ebenfalls konstruierte Sachverhalte mit gleichmäßigen Bezügen zu mehreren Staaten entgegengehalten werden.202 Solange der Europäische Gesetzgeber eine objektive Anknüpfung an den Ort der Einrichtung verlangt, hierfür aber keine Hilfestellung bietet, erscheint das beschriebene Vorgehen für intermediatisierte Wertpapiere daher trotz seiner Unzulänglichkeiten als vertretbar.
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Zu Problemen der objektiven Verortung auch für die Prozesssituation Daigre/de Vauplane, Banque & Droit 87 (2003), S. 33, 35 f.; Goode/Kronke/McKendrick/Wool, International Instruments and Commentary (2004), S. 732; Potok, 15 JBFLP 204, 213 f. (2004); Bernasconi, L’AGEFI, Jeudi 9 décembre 2004, S. 2; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-45; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005/11, S. 31, 32. 198 Zu diesem Problem aus den Vorarbeiten zum HWpÜ Prel. Doc. No 16 of December 2001, Options A and B in Article 4(1), Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 319; s. a. Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 55. 199 Vgl. Bernasconi, Yb. P. I. L. Vol. 3 (2001), S. 63, 83; Girsberger, in: Berti/Girsberger (2002), FS Schnyder, S. 77, 84. 200 Überblick zur Problematik bei MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), IntGesR Rdnr. 456 ff. m. w. N. Zu den praktischen Schwierigkeiten der Sitzbestimmung etwa Zimmer, in: Baums (Hrsg.), FS Buxbaum (2000), S. 655. 201 Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO. Zu den verschiedenen Ansätzen zur Ausfüllung des Kriteriums etwa MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 3 EuInsVO Rdnr. 7 ff. 202 Für den Verwaltungssitz im internationalen Gesellschaftsrecht etwa Unternehmen mit 2 Zentralen in verschiedenen Staaten. Aber auch hier handelt es sich um einen hypothetischen Fall, da in der Realität kaum je ein echter Doppelsitz auftreten wird; so zu Recht von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 33, unter Verweis auf die ehemalige DaimlerChrysler AG, die als angebliches Musterbeispiel eines grenzüberschreitenden Doppelsitzes herangezogen wurde.
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II. Vielzahl beteiligter Intermediäre Die erforderliche Lokalisierung stellt eine Herausforderung in der praktischen Ausfüllung des Anknüpfungsmoments von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie dar. Auf vorgelagerter Ebene besteht bei dem Verweisungsmerkmal jedoch auch konzeptioneller Klärungsbedarf. 1.
Konzeptionelle Schlüsselfrage von PRIMA
Für die Rechtsstellung eines Anlegers spielt meist mehr als nur ein Intermediär eine Rolle: Bei einer sachenrechtlichen Konstruktion setzt die auf der untersten Stufe verbuchte Position über mehrere Ebenen hinweg an dem bei der zentralen Verwahrstelle deponierten Sammelbestand auf höchster Stufe an. Meist hat ein Anleger auch gar keine Möglichkeit, in direkte Verbindung mit der Einrichtung an der Spitze in Verbindung zu treten, so dass er auf die Vermittlung durch zwischengeschaltete Depotbanken angewiesen ist. Der Plural an beteiligten Intermediären wird aber vor allem deutlich, wenn es zur Übertragung der Rechtsposition kommt: Transaktionen auf den Kapitalmärkten lösen üblicherweise eine Reihe von Buchungsvorgängen bei verschiedenen Intermediären aus. Auf Seiten des Verfügenden sind Abbuchungen über mehrere Stufen bis hin zur Spitze des Verwahrsystems (oder zum sonstigen niedrigsten mit dem Verfügungsempfänger geteilten Intermediär) erforderlich. Von dort aus wiederum können über mehrere Ebenen Gutschriften bis hin zum Konto des Verfügungsempfängers erfolgen. Beteiligt an der Übertragung ist also nicht nur ein Intermediär, sondern eine Vielzahl von ihnen. Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung wäre die Mehrzahl an involvierten Einrichtungen des Effektengiros weniger folgenschwer, wenn die an der Übertragung203 beteiligten Personen und Intermediäre bereits zu Beginn der Umbuchungen und für jeden bekannt wären. Genau dies ist aber bei den anonymen Massentransaktionen auf den Kapitalmärkten nicht der Fall: Der Verfügende weiß nicht, wer letztendlich seine Wertpapiere erwirbt.204 Umgekehrt kennt auch der Empfänger nicht die Herkunft der von ihm erworbenen Finanzinstrumente. 203
„Übertragung“ ist hier zunächst in einem wirtschaftlichen Sinne gemeint, der auch den rechtlich originären Erwerb des „Empfängers“ bei schuldrechtlicher Depotkonstruktion umfasst (im rechtlichen Sinne gibt es dann eigentlich keinen Verfügungsempfänger, treffend MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200). 204 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 538; Haubold, RIW 2005, S. 656, 658. Schon das materielle Recht im rein nationalen Kontext verdeutlicht die Anonymität: Die Banken schließen das schuldrechtliche Ausführungsgeschäft zu einer Effektenorder als Kommissionäre in eigenem Namen. Bei der sich anschließenden Abwicklung geht dann zwar nach h. M. das Eigentum ohne Zwischenerwerb der Kommissionäre direkt vom Veräußerer auf den Erwerber über. Jedoch ist hierfür (durch die Rechtsfigur der verdeck-
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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Ein Faktor für die Intransparenz der Übertragungswege ist die Einführung von zentralen Gegenparteien an den Börsen. Indem der zentrale Kontrahent als Vertragspartner für beide Seiten auftritt und sich die anschließende Abwicklung über sein Konto als Zwischenstation vollzieht,205 stellt er die vollständige Anonymität der Handelsteilnehmer sicher.206 Der Weg der Wertpapiere verschwimmt dabei zugleich dadurch, dass im Verhältnis der Parteien zum zentralen Kontrahenten wechselseitige Lieferansprüche verrechnet werden. Durch dieses Nettingverfahren muss auf höchster Ebene nicht mehr jede Verfügung individuell nachvollzogen, sondern nur noch ein Ausgleich der sich ergebenden Spitzen durchgeführt werden.207 Über letzteren Punkt hinausgehend können sich Übertragungswege ganz allgemein aufspalten oder vereinigen. In der einen Richtung gelangen einzelne Titel aus einem veräußerten Wertpapierportfolio letztendlich möglicherweise zu verschiedenen Empfängern.208 In der anderen Richtung können aus dem Gesamtpaket erworbener Kapitalmarkttitel einzelne Wertpapiere von verschiedenen Veräußerern stammen. Beispielsweise führen Banken – für die Gegenseite nicht erkennbar – gleichzeitig mehrere Kundenaufträge gleicher Art (Mehrausführung) oder Kundenaufträge zusammen mit Eigengeschäften (Mischausführung) aus.209 Denkbar ist dabei, dass sich unter den Auftraggebern auch ein ausländischer Kunde befindet, der, vermittelt durch seinen ausländischen Intermediär, der inländischen Bank eine Order erteilt hat. Von zusammengeführten Übertragungen sind die Intermediäre auf den höheren Stufen besonders betroffen, da sie durch eine einzige Umbuchung gleichzeitig an verschiedenen Transaktionen zwi-
ten Übereignung für den, den es angeht) keine Kenntnis des Verfügenden von seinem Vertragspartner erforderlich, statt vieler Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 23 ff. 205 Ein Zwischenerwerb der Wertpapiere muss damit gerade nicht verbunden sein, wie die Konstruktion im materiellen deutschen Recht zeigt, vgl. nur Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, S. 19 f.; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 102, 105. 206 Zu dieser Funktion des Einsatzes einer zentralen Gegenpartei Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei (2005), S. 68 f.; Düring, Eigentumsübergang an depotverwahrten Wertpapieren (2008), S. 71. 207 Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 18.202. 208 Haubold, RIW 2005, S. 656, 658; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 202. 209 Zum Umgang mit der Mehrausführung auf Erwerberseite im Hinblick auf die sachenrechtliche Bestimmtheit nach nationalem Recht Wolter, Effektenkommission und Eigentumserwerb (1979), S. 280 ff.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 52 ff.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
schen mehreren, ihnen unbekannten Anfangs- und Endpunkten auf der untersten Stufe mitwirken können.210 Angesichts dieser Realitäten muss man die Frage stellen, ob sich überhaupt noch ein einziges für die gesamte Transaktion maßgebliches Konto identifizieren lässt. Falls man dies grundlegend bejaht, ist sodann eine Auswahl unter den an einer Übertragung Beteiligten zu treffen. Die konzeptionelle Schlüsselfrage211 des Place of the Relevant Intermediary Approach lautet damit: Wer ist der relevante unter mehreren involvierten Intermediären? 2.
Umgehung durch beschränkten Anwendungsbereich
Sein begrenzter Anwendungsbereich charakterisiert Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie einerseits als „Minimallösung“212 und beschwört ein gespaltenes Kollisionsrecht des Effektengiros herauf, ermöglicht andererseits aber auch eine Umgehung der essentiellen Problematik. Die Kollisionsvorschrift erfasst nur Wertpapiersicherheiten auf der obersten Stufe von Liefer- und Abrechnungssystemen. Mithin geht es gerade nicht um das alltägliche Massengeschäft mit seiner Anonymität, sondern um eine Verfügung zwischen persönlich bekannten Parteien des Sicherungsgeschäfts. Zudem involviert die Bestellung von Sicherheiten ohnehin häufig nur ein einziges Konto,213 wenn z. B. anstelle einer Umbuchung lediglich ein bankinterner Sperrvermerk auf dem Konto des Sicherungsgebers eingetragen wird.214 Selbst wenn die Sicherheit mit einer Umbuchung der Wertpapiere verbunden ist, verfügen die Parteien im einstufigen Bild der Richtlinie zumindest beide über ein Konto bei demselben Intermediär, dem Systembetreiber. Schließlich deuten Wortlaut und Erwägungsgründe wie ausgeführt sogar 210
Die Problematik hat auch die Vorarbeiten zum HWpÜ beschäftigt, s. nur Prel. Doc. No 3 of July 2001, Tentative Text on Key Provisions for a Future Convention on the Law Applicable to Proprietary Rights in Indirectly Held Securities, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 141; Prel. Doc. No 12 of May 2002, Transfers Involving Several Intermediaries, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 271. 211 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 190, sehen in der Identifizierung die „zentrale Frage nach der konkreten Anwendung und Wirkung der PRIMA-Regel“. MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 221, unterscheidet für PRIMA die 3 Fragen nach der Auswahl des Intermediärs, nach der Maßgeblichkeit eines oder mehrerer Intermediäre und nach dessen Lokalisierung. 212 So die Charakterisierung durch Schefold, IPRax 2000, S. 68, 473; ders., in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 463, 467. 213 Vgl. MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 238. 214 Zur deutschen Praxis insofern Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 173 f.; Hoffmann, WM 2007, S. 1547, 1553.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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an, dass das neue Anknüpfungsmoment ohnehin nur für das statische Ergebnis der bestellten Sicherheit, nicht aber für die dynamische Situation der Bestellung der Sicherheit über mehrerer Konten hinweg eingeführt werden sollte. 3.
Maßgaben für die überschießende Umsetzung
Dennoch ist auch die Kollisionsnorm in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie mit dem Problem der mehrstufigen Depotverhältnisse zu konfrontieren, da die Vorschrift auf eine überschießende Umsetzung geradezu angelegt ist. So wurde bereits ausgeführt, dass die Finalitätsrichtlinie einer Berücksichtigung indirekter Teilnehmer durch den nationalen Gesetzgeber nicht entgegensteht.215 Weiterhin kann der Kontext der Sicherheiten verlassen werden, wobei es nahe liegt, die unklare Restriktion hinsichtlich der Bestellung nicht nachzuvollziehen. Ideal einer überschießenden Umsetzung ist die Abdeckung des Effektengiroverkehrs insgesamt. a) Entscheidung zugunsten des Empfängers Ein Hinweis auf den relevanten unter mehreren beteiligten Intermediären lässt sich aus der Anknüpfung der Wertpapiersicherheiten durch die Norm ableiten. Den für die Rechte des dinglich gesicherten Gläubigers maßgeblichen Mitgliedstaat identifiziert Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie anhand des Ortes der Einrichtung, in der das Recht der Sicherungsnehmer an den Wertpapieren mit rechtsbegründender Wirkung eingetragen oder verbucht ist. Anders ausgedrückt kommt es insofern auf das Konto des Empfängers der Sicherheitenbestellung an. Bei Erstreckung des kollisionsrechtlichen Ansatzes auf Verfügungen im Effektengiroverkehr ohne Sicherungscharakter legt dies eine parallele Ausgestaltung nahe, nach der das Konto des Erwerbers zur Beurteilung der erlangten Rechtsstellung, darüber hinaus aber auch für den Transaktionsvorgang insgesamt heranzuziehen ist.216 Als Konsequenz haben sich der Verfügende wie auch alle zwischengeschalteten Intermediäre an der Rechtsordnung dieses am Ende der Übertragung stehenden Kontos zu orientieren.217 Die Gegenauffassung, nach der Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie die Entscheidung zwischen Verfügendem und 215
Siehe oben § 3 B. II. b). So i. E. die wohl überwiegende Ansicht, vgl. Schefold, IPRax 2000, S. 468, 474; Einsele, WM 2001, S. 2415, 2423 f.; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 755; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 226 ff.; vgl. a Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 191. 217 Explizit für die Berufung einer einzigen Rechtsordnung für alle Beteiligten etwa MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 228. 216
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Verfügungsempfänger offen lässt,218 vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil zumindest im originären Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich auf den Sicherungsnehmer abgestellt wird. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass der für den Empfänger maßgebliche Intermediär im Einzelfall mit dem Kontoführer des Absenders identisch sein kann: Wenn über verbuchte Wertpapiere verfügt wird, ohne dass dies zu einer Umbuchung führt, bleibt der Intermediär des Verfügenden für das Schicksal der Wertpapiere ausschlaggebend. Neben der bereits angesprochenen Sicherheitsbestellung unter Eintragung eines Sperrvermerks kann dies auch der Fall sein bei einer Depotübertragung durch Abtretung von Herausgabeansprüchen, an der die Depotbank nicht mitwirken muss.219 An der grundlegenden Antwort auf die Schlüsselfrage von PRIMA ändern diese Konstellationen aber nichts: Es gibt erstens nur einen relevanten Intermediär, und dies ist zweitens jener des Empfängers. b) Faktische Betrachtung gegen logischen Zirkel Das Anknüpfungsmoment von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie sieht sich freilich grundlegender Kritik ausgesetzt. Wiederholt hat Einsele vorgetragen, dass es sich bei der Suche nach der rechtsbegründenden Eintragung zugunsten des Empfängers schon rein logisch um einen Zirkelschluss handele.220 Ansatzpunkt für ihre Argumentation ist, dass das anwendbare Recht von der Eintragung oder Buchung mit rechtsbegründender Wirkung abhängt. Ob die Eintragung oder Buchung aber rechtsbegründend wirke, sei wiederum abhängig vom anwendbaren Recht.221 218 Etwa Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 104; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 149; inzident wohl auch der nationale Gesetzgeber, s. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. Für eine gesonderte Betrachtung jedes in eine Transaktion involvierten Kontos wohl bereits bei der Finalitätsrichtlinie Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 813. 219 Zur möglichen Depotübertragung an Dritte im nationalen Recht nach §§ 929 S. 1, 931 BGB Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 91; dies., WM 2003, S. 2349, 2353, und oben § 1 E. II. 4. b). 220 Einsele, WM 2001, S. 2415, 2421; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 194. Entsprechend zur nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG dies., WM 2005, S. 1109, 1111 f.; dies., Unif. L. Rev. 2005, S. 251, 254; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement (2006), S. 3, 12 f.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 91. 221 Der (zutreffende) Hinweis Eidenmüllers in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 135, bei diesem zweiten Schritt handele es sich um eine unselbstständig anzuknüpfende Erstfrage, bricht den logischen Zirkel Einseles noch nicht auf; schließlich ist es gerade Teil ihrer Argumentation, dass die Frage der rechtsbegründenden Wirkung dem in der Hauptsache anwendbaren Recht unterworfen wird. Richtungweisend ist dagegen sein Vorschlag für
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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Im Ergebnis verfängt dieser Einwand zwar nicht, zwingt aber doch zu einer weiteren Konkretisierung der Anknüpfung. Dem Vorwurf ist erstens entgegenzuhalten, dass das Internationale Privatrecht auch an anderer Stelle auf den ersten Blick zirkulär anmutet, dies jedoch bei genauerer Betrachtung zu bewältigen vermag. Man denke nur an die Anknüpfung des Zustandekommens und der Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung nach Artt. 3 Abs. 5, 10 Abs. 1 Rom I-VO (Artt. 3 Abs. 4, 8 Abs. 1 EVÜ; Artt. 27 Abs. 4, 31 Abs. 1 EGBGB a. F.). Gemäß diesen Bestimmungen beurteilt sich die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn die Rechtswahl wirksam wäre. Auch dies ließe sich zu dem logischen Zirkel Einseles umformulieren: Das anwendbare Recht hängt ab von der wirksamen Rechtswahlvereinbarung. Ob die Rechtswahlvereinbarung aber wirksam ist, ist wiederum abhängig vom anwendbaren Recht. Dem Vorwurf eines unlösbaren circulus vitiosus entgeht die Anknüpfung der Wirksamkeit einer Rechtswahl durch eine faktische Betrachtung: Die Anknüpfung erfolgt anhand des von den Parteien gesetzten Anscheins über das anzuwendende Recht222 – mithin anhand der Erklärung der Parteien als Faktum.223 Dies weist bereits den Weg für die Suche nach der rechtsbegründenden Eintragung zugunsten des Empfängers. Denn dem Einwand Einseles ist zweitens die Bedeutung des Merkmals der rechtsbegründenden Wirkung im Rahmen der Kollisionsvorschrift entgegenzuhalten. Die Wendung erfüllt im Text der Norm eine doppelte Funktion: Zunächst dient sie der Fokussierung des Anwendungsbereichs auf das Effektengiro. Wie ausgeführt gebietet dabei die einheitliche Auslegung der unterschiedlichen Sprachfassungen eine weite Interpretation, die auch eine die Rechtsbegründung bloß dokumentierende Wirkung von Buchungen umfasst. Für die zweite Funktion des Merkmals in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie, im Rahmen des Anknüpfungsmomentes die entscheidende Eintragung oder Verbuchung zu identifizieren, ist an dieser offenen Lesart festzuhalten. Zur Vermeidung ein Vorgehen bei der Anknüpfung in der Hauptsache über eine präsumtiv rechtsbegründende Eintragung, dazu sogleich. 222 Zur Rom I-VO Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 89; MünchKommBGB-ders., Bd. 10 (2010), Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 105. 223 Kropholler, IPR (2006), § 40 III 1. (S. 296 f.). S. a. von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 82 f.: „tatsächlich gewähltes Recht“. Ein anderes Beispiel im nationalen IPR ist Art. 14 Abs. 4 S. 2 EGBGB, der die Form einer Rechtswahl für die allgemeinen Ehewirkungen alternativ dem „gewählten“ Recht unterwirft; zur Vermeidung von Zirkularität des Verweisungsmoments ist hierbei das von den Ehegatten tatsächlich vereinbarte Recht ohne Rücksicht auf die Form heranzuziehen; vgl. die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 10/504 vom 20.10.1983, S. 57.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
des logischen Zirkels ist nach einer rein faktisch die Position des Empfängers begründenden Kontoeintragung zu suchen.224 Welche rechtliche Bedeutung der Gutschrift zukommt, bleibt der so bestimmten materiellen Rechtsordnung überlassen, spielt für die kollisionsrechtliche Anknüpfung aber keine Rolle.225 Die Entscheidung für einen tatsächlichen Ansatz beim Merkmal der rechtsbegründenden Gutschrift beinhaltet konsequenterweise zugleich eine Entscheidung über die zu betrachtende Kontostufe. Wenn die materiellrechtliche Rolle der Buchungen für die kollisionsrechtliche Anknüpfung unberücksichtigt bleiben soll, so darf auch die Bedeutung der einzelnen Stufen der Depotpyramide in den nationalen Rechtsordnungen keine Rolle spielen. So ist nicht etwa ausgehend vom deutschen Sachrecht die Umbuchung auf höchster Ebene als die kollisionsrechtlich rechtsbegründende Gutschrift zugunsten des Empfängers heranzuziehen – dies würde das Merkmal der rechtsbegründenden Wirkung wieder abhängig vom anwendbaren materiellen Recht machen und den Zirkelschluss Einseles erneut eröffnen. Entsprechend bleibt auch ein etwaiger Durchgangserwerb von zwischengeschalteten Intermediären nach anderen Rechtsordnungen außer Betracht.226 Heranzuziehen ist das Konto, welches rein faktisch die Position des endgültigen Empfängers belegt: Der Blick ist auf die unterste Stufe und das letzte Glied der Übertragungskette zu richten, wo dem Empfänger unmittelbar eine Gutschrift erteilt wird.227
224 So zur Finalitätsrichtlinie Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 43. Entsprechend auch für die nationale Umsetzung in § 17 a DepotG: Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.35; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 135 (Suche nach der „präsumtiv rechtsbegründenden Gutschrift“ zugunsten des Verfügungsempfängers); Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 124; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 246. 225 Falls es zu mehrfacher faktischer Verbuchung derselben Wertpapiere in verschiedenen Ländern kommt, stellt sich das Problem konkurrierender Empfängerrechtsordnungen; hierzu noch unten § 3 C. III. 2. b). 226 Der Einwand Einseles, WM 2005, S. 1109, 1112, MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200 (zur nationalen Umsetzung der Finalitätsrichtlinie), dass es zum Durchgangserwerb der Intermediäre und damit zu Unklarheiten über den Verfügungsempfänger kommen könne, beruht auf einem materiellrechtlichen Verständnis des Verweisungsmomentes und greift dementsprechend nicht durch. 227 Für die Maßgeblichkeit der Gutschrift unmittelbar zugunsten des Empfängers MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 226; wohl auch Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 715 f.; zur nationalen Umsetzung Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2416, 2418.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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c) Behandlung von transparenten Depotsystemen Gegen den Fokus auf das letztstufige Konto des Empfängers könnte allerdings angeführt werden, dass es in der Vielfalt tatsächlicher und rechtlicher Ausgestaltung der Verwahrpyramide auch transparent aufgebaute Systeme gibt. In ihnen spiegelt sich die Zuordnung der Wertpapiere zum Anleger auch auf den höheren Stufen bis hin zur zentralen Stelle wider.228 Will man jedoch ein Konto finden, aus dem sich in allen Konstruktionen – transparenten wie intransparenten – stets die Rechtsstellung des Anlegers ergibt, so bleibt eben nur die unterste, letzte Stufe im Verwahrsystem.229 Im Einzelfall ist allenfalls zu erwägen, ob im Rahmen eines vollkommen transparenten Systems der untersten Stufe überhaupt eine rechtlich dokumentierende Funktion zukommt, ob also überhaupt ein Konto im Sinne der Finalitätsrichtlinie auf dieser Ebene vorliegt. d) Temporaler Aspekt Schließlich birgt die Suche nach dem unmittelbaren Konto des Empfängers noch einen zeitlichen Aspekt. Der Vorgang wird kollisionsrechtlich nach seinem letzten Teilakt beurteilt. Sobald die finale Buchung erfolgt ist, kann die Transaktion nach der für das betreffende Konto maßgeblichen Rechtsordnung beurteilt werden. Vor diesem Zeitpunkt ergibt sich das Problem, dass die entscheidende „rechtsbegründende“ Verbuchung noch gar nicht erfolgt ist. Wenn die Übertragungswege im Effektengiro transparent wären, so könnte gleichwohl auch schon vor der letzten Gutschrift an den beabsichtigten Empfänger angeknüpft werden. Alternativ ist vorgeschlagen worden,230 zunächst auf das Konto des Verfügenden und im weiteren Verlauf der Übertragung auf das Konto des jeweiligen buchungsmäßig ausgewiesenen Vollrechtsinhabers abzustellen. Erst mit der letzten Buchung, wenn auch mit Wirkung ex tunc, richte sich dann die gesamte Verfügung nach der Empfängerrechtsordnung. Beide Ansätze bieten eine theoretische Lösung für die Anwendung des Verweisungsmomentes im Zeitraum vor der entscheidenden Gutschrift. 228 Zur Unterscheidung zwischen in diesem Sinne transparenten und intransparenten Verwahrsystemen vgl. aus dem Bereich der materiellen Rechtsvereinheitlichung die beiden Dokumente des UNIDROIT Committee of Governmental Experts for the Preparation of a Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities: Working paper regarding so called “Transparent Systems”, October 2006, UNIDROIT Study LXXVIII Doc. 44; und Report of the Transparent Systems Working Group, May 2007, UNIDROIT Study LXXVIII Doc. 88. 229 I. E. ebenso Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 715 f.; MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 226. 230 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 248 (zur nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG).
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Allerdings leitet die Problematik bereits über zu den grundlegenden Schwächen des Anknüpfungsmomentes angesichts der Realitäten des Effektengiros: Die Tauglichkeit beider Lösungen setzt nämlich voraus, dass allen Rechtsunterworfenen der Verfügungsempfänger bekannt wird – in der ersten Alternative ex ante, in der zweiten Alternative zumindest ex post. Genau dies ist aber nicht für alle von der Verfügung Betroffenen der Fall. III. Wesentliche Defizite des Anknüpfungsmomentes Der Richtlinie lassen sich Maßgaben zur Ausgestaltung des Verweisungsmomentes bei überschießender, auch mehrstufige Sachverhalte berücksichtigender Umsetzung entnehmen. Dabei offenbaren sich aber wesentliche Defizite, die den Wert des neuen Anknüpfungsmoments grundlegend in Frage stellen. 1.
Personell begrenzte Rechtssicherheit
Im Ergebnis bedeutet die Suche nach der faktisch die Rechtsposition des Empfängers begründenden Eintragung nämlich nichts anderes als eine für die sonstigen Verfügungsbetroffenen eingeschränkte Rechtssicherheit. Jede überschießende Umsetzung des nationalen Gesetzgebers wird unweigerlich mit der Anonymität der Kapitalmärkte konfrontiert.231 Wenn auch nur der Kreis der erfassten Sicherheitsnehmer auf indirekte Teilnehmer erweitert wird, so ist bereits für die Intermediäre auf den höheren Stufen nicht mehr ohne weiteres ersichtlich, zu wessen Gunsten sie letztendlich eine Umbuchung vornehmen. Wenn bei der Umsetzung gar Verfügungen im Effektengiro allgemein Berücksichtigung finden, so weiß selbst der Veräußernde nicht, an wen seine Wertpapiere über den Kapitalmarkt gelangen. Diese Ungewissheit geht über die geschilderte Schwebezeit hinaus, die sich im Zeitraum vor der rechtsbegründenden Gutschrift zugunsten des Verfügungsempfängers ergibt. Eine Charakterisierung als bloßer Zustand in der Schwebe impliziert, dass irgendwann auch eine Klärung erfolgen wird. Nur ausnahmsweise wird aber dem Veräußerer oder einem höherstufigen Intermediär bei der Abwicklung von massenhaftem Börsenhandel die Identität des Begünstigten der finalen Buchung bekannt werden. Ein tracing der Wertpapiere bleibt im Regelfall ausgeschlossen.232 Hinlängliche kollisionsrechtliche Rechtssicherheit erlangt so einzig eine beteiligte Person: der Empfänger des Übertragungsvorgangs.
231 Zu den praktischen Hintergründen der Anonymität bei Massentransaktionen bereits oben § 3 C. II. 1. 232 Pöch, in: Hutter/Baums (Hrsg.), GS Gruson (2009), S. 303, 311.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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Im Kontext von Wertpapiersicherheiten mag auf seiner Seite ein verglichen mit dem Sicherheitsgeber größeres Interesse bestehen, Klarheit über das anzuwendende Recht zu erlangen. Um den Wert einer ihm bestellten Sicherheit beurteilen zu können, ist der Sicherungsnehmer auf eine sichere rechtliche Grundlage angewiesen.233 Sein individueller Schutz dient auch dem generellen Schutz des Systems, dessen Stabilität durch verlässliche Sicherheiten gestützt wird. Dennoch muss es gerade angesichts der beabsichtigten Minderung von Systemrisiken verwundern, dass – bei überschießender Umsetzung – ausgerechnet der zentrale Systembetreiber keine Klarheit mehr über das auch für ihn maßgebliche Recht haben soll.234 Das auf die verbuchten Rechtspositionen anwendbare Recht kann durchaus auch für die höheren Stufen des Depotsystems Bedeutung entfalten – etwa für die Frage, ob bei Umbuchungen ein den Zugriff eigener Gläubiger ermöglichender Durchgangserwerb stattfindet oder ob Gläubiger von Kontoinhabern auf niedrigeren Stufen Rechte auch gegenüber höheren Stufen geltend machen können. Ganz allgemein erscheint es als unbefriedigend, wenn eine Anknüpfungsregel im Hinblick auf die Realitäten der Kontenverbuchung von Wertpapieren eingeführt wird, diese aber aufgrund ebenjener Realitäten für einen Teil der Beteiligten keine sicheren Ergebnisse zu liefern vermag. 2.
Maßgeblichkeit mehrerer Rechtsordnungen
Selbst wenn man das Problem der Anonymität außen vor lässt, stößt das Anknüpfungsmerkmal bei überschießender Anwendung noch in anderer Hinsicht an seine Grenzen. Im Ausgangspunkt kann die Entscheidung für die einheitliche Maßgeblichkeit eines bestimmten Intermediärs ihre sachenrechtliche Herkunft nicht verleugnen. Wenn materiell in den Umbuchungen die Übertragung eines einzigen Gegenstandes, typischerweise des (Mit-)Eigentums an zentral gelagerten Wertpapieren, gesehen wird, ist das verlorene Recht des Verfügenden mit dem erworbenen Recht des Empfängers identisch. Dem entspricht eine kollisionsrechtlich uniforme Betrach233 In diese Richtung für Verfügungen allgemein zur nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 180; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 151. Auch Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2418, sieht Rechtsermittlungsvorteile für den Einkaufskommissionär, ohne auf die Nachteile für die Seite des Veräußerers einzugehen. 234 Kritisch zum auf den Empfänger abstellenden Modell von PRIMA Haubold, RIW 2005, S. 656, 658. Zur parallelen Problematik bei der nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 123, 189. Auf der schuldrechtlichen Seite hat der Systembetreiber hinsichtlich der Übertragungsaufträge durch die Wahl des Rechts des Systems kollisionsrechtliche Sicherheit.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
tung des Schicksals dieses Rechts. Sie hat den Vorteil, dass im Regelfall eine widersprüchliche Beurteilung der Übertragung durch mehrere maßgebliche Rechtsordnungen vermieden wird: Die Herrenlosigkeit oder umgekehrt die Verdoppelung einer übertragenen Rechtsposition, weil die Rechtsordnung des Absenders die Verfügung als wirksam oder unwirksam betrachtet, die Rechtsordnung des Empfängers diese hingegen umgekehrt als unwirksam bzw. wirksam, scheidet unter einem einheitlichen Regime aus. Dennoch kann diese kollisionsrechtliche Lösung die Anwendbarkeit mehrerer Rechtsordnungen im Rahmen einer Transaktion nicht gänzlich verhindern. a) Kumulierte Empfänger Wie ausgeführt gelangen aus der Gesamtheit übertragener Wertpapiere häufig einzelne Titel an verschiedene Empfänger. Solange noch eine gemeinsame Buchung des Pakets in der Übertragungskette erfolgt, sind demnach für die betroffenen Glieder kumulativ die Rechtsordnungen aller Empfänger zu beachten.235 Faktisch gleichförmige Buchungsvorgänge werden durch das Verweisungsmoment gleichzeitig verschiedenen Rechten unterworfen. Genauer verorten lässt sich das Problem des Anknüpfungsmerkmals mit kumulierten Empfängern ausgerechnet in der einheitlichen Behandlung des Übertragungsvorgangs, die doch eigentlich – in Bezug auf das rechtliche Schicksal des einzelnen Titels – die Beurteilung durch verschiedene Rechtsordnungen ausschließt. Nur weil aus den verschiedenen Umbuchungen im Verlaufe einer Transaktion einzig die finale Gutschrift als maßgeblich bestimmt wird, kann sich die beschriebene Häufung der Bezugspunkte ergeben. Wäre hingegen für jedes an der Transaktion beteiligte Konto die anwendbare Rechtsordnung gesondert festzustellen, so könnte die Kumulation mehrerer Empfänger in einer einzigen Umbuchung nicht zur Summierung verschiedener Rechtsordnungen führen. Vielmehr würden sich die einzelnen Teilakte einer Ab- oder Aufbuchung im Verlauf der zusammen-
235
Diese Folge einer einheitlichen Anknüpfung ist (insbesondere aus dem Blickwinkel des Zentralverwahrers und anderer höherstufiger Intermediäre) auch während der Vorarbeiten zum HWpÜ diskutiert worden, vgl. Tentative Text on Key Provisions for a Future Convention on the Law Applicable to Proprietary Rights in Indirectly Held Securities, Prel. Doc. No 3 of July 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 136, 141; Transfers Involving Several Intermediaries, Prel. Doc. No 12 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 270, 273 f. S. a. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-5.
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geführten Transaktionen nur nach den jeweiligen Rechtsordnungen der Kontostufe bemessen.236 Keine Rolle spielt für die Problematik dagegen die Entscheidung zwischen Anfangs- und Endpunkt des Übertragungsweges. Die Wege intermediatisierter Wertpapiere können sich nicht nur auf mehrere Empfänger aufspalten, sondern ebenso auch ausgehend von mehreren Verfügenden vereinigen. Eine gemeinsame Beurteilung nach dem Konto des Verfügenden hätte daher spiegelbildlich für Empfänger und Intermediäre am Ende der Transaktion die Kumulation von Absenderrechtsordnungen zur Folge. b) Konkurrierende Empfänger Immerhin ist für die erste Konstellation noch eine theoretische237 Aufspaltung des Buchungsvorgangs in mehrere Einzelübertragungen möglich, für die jeweils nur eine einzige Rechtsordnung gilt. Es kann jedoch auch die Situation eintreten, dass dieselben Wertpapiere von verschiedenen Empfängern nach unterschiedlichen Rechtsordnungen beansprucht werden.238 Zum einen mag der Hintergrund in einer (missbräuchlichen) Zweitverfügung liegen. Z. B. kann ein Verfügender seiner Erstverfügung ohne Umbuchung eine zweite Verfügung über die Wertpapiere mit Umbuchung folgen lassen. Noch gravierender sind zum anderen technische Fehler.239 Auf einem Glied der Übertragungskette können interne Schutzmechanismen versagen, so dass derselbe Titel tatsächlich auf mehreren Konten gutgeschrieben wird. In derartigen Konstellationen verweist das faktisch zu verstehende Anknüpfungsmoment des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie mit seiner Suche nach der Verbuchung mit „rechtsbegründender“ Wirkung zugunsten des Empfängers auf alle finalen Gutschriften desselben Titels; die Priorität unter mehreren Erwerbern gibt der Wortlaut der Finalitätsrichtlinie gerade nicht vor.240 Möglicherweise kann dann aber mehr als nur ein Empfänger nach seiner jeweiligen materiellen Rechtsordnung die Wertpapiere beanspruchen, etwa weil die Frage des gutgläubigen Erwerbs jeweils unterschiedlich beurteilt wird. Einer sachenrechtlichen Konzeption des Effektengiros muss ein solches Ergebnis Schwierigkeiten bereiten, da hier prinzipiell jeder Erwerb einer Position, selbst der gutgläubige, mit einem kor236
III.
Zu den Implikationen einer solchen gestuften Betrachtung s. unten § 12 C. II. und
237 In der Praxis wird der Zentralverwahrer möglichst nur mit seinen unmittelbaren Vertragspartnern zu tun haben wollen, um eine aufwändige Nachverfolgung des rechtlichen Schicksals im Geflecht der niedrigeren Depotstufen zu vermeiden. 238 Vgl. Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.45. 239 Zu fehlerhaften Buchungen aus Sicht des materiellen Rechts Pöch, in: Hutter/Baums (Hrsg.), GS Gruson (2009), S. 303, 311. 240 Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.95.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
respondierenden Verlust einhergehen muss.241 Eine Verdoppelung von Positionen ist für sie schlichtweg nicht zu erklären. aa) Zuordnung des Problems Auch das Problem der kollidierenden Empfänger lässt sich genauer verorten: Verantwortlich ist hier nicht die kollisionsrechtliche Einheitlichkeit. Eine stufenweise Anknüpfung, die jeden Schritt der Buchungskette kollisionsrechtlich gesondert beurteilt, würde die konkurrierenden letzten Glieder der aufgespaltenen Übertragungskette ebenfalls nach der jeweiligen Rechtsordnung begutachten. Sie käme hinsichtlich der Positionen der Erwerber zu den gleichen Ergebnissen wie die alleinige Maßgeblichkeit des Empfängers.242 Das Problem könnte vielmehr in der Auswahl der entscheidenden Person gesehen werden. Schließlich schlösse die einheitliche Geltung der Rechtsordnung des Absenders kollidierende Empfängerrechtsordnungen aus.243 bb) Kollisionsrechtliche Anpassung Solange sich aber Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie für eine Anknüpfung an das Konto des Sicherungsnehmers entscheidet, muss nach Wegen gesucht werden, wie mit der Konkurrenz umzugehen ist. Methodisch handelt es sich um das Problem der Anpassung oder Angleichung zur Auflösung eines Normwiderspruchs zwischen mehreren zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen.244 Angedacht wird zunächst die Berücksichtigung einer zeitlichen Priorität auf kollisionsrechtlicher Ebene.245 Überzeugen kann diese Lösung freilich 241 Vgl. die wiederholten Hinweise Deutschlands auf die Abhängigkeit des Erwerbs von einem korrespondierenden Verlust bei einer sachenrechtlichen Konstruktion im Rahmen der Vorarbeiten zur materiellen UNIDROIT-Konvention, etwa Comments on the questionnaire concerning „good faith acquisition“, December 2007, UNIDROIT Study LXXVIII Doc. 98, S. 4; Comments, August 2008, UNIDROIT CONF. 11/2 Doc. 20, S. 2; Comments, 24 August 2009, UNIDROIT 2009, CONF. 11/2 Doc. 11, S. 2 ff. In der Literatur etwa Scherer/Gallei, 24 J.I.B.L.R. 470, 475 f. (2009). 242 S. zum konkurrierenden Rechtserwerb auf der Grundlage der gestuften Betrachtung nach dem HWpÜ Einsele, WM 2003, S. 2349, 2354 f.; dies., in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 361; Rögner, ZBB 2006, S. 98, 104 f. 243 Vgl. Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 752 f., der diesen Aspekt für seine Auslegung des späteren HWpÜ heranzieht. 244 Zur Anpassung und ihren Fallgruppen Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 47 (S. 353 ff.); Kegel/Schurig, IPR (2004), § 8 (S. 357 ff.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 31. 245 Einsele, WM 2001, S. 2415, 2421. Zum entsprechenden Problem bei der Finanzsicherheitenrichtlinie MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB
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nicht. So ist unklar, worauf genau die Priorität abstellt: Wenn es sich um die faktisch erste Verbuchung handeln soll, bereitet der obige Beispielsfall einer Konkurrenz zwischen Verfügungen ohne und mit Umbuchung Probleme. Setzt sich dann die formlose Verfügung durch, weil für sie die Ausgangsposition des Verfügenden auf seinem Konto maßgeblich ist? Soll es sich dagegen um den Zeitpunkt der rechtlichen Wirksamkeit des Erwerbs handeln,246 so wird das Kollisionsrecht abhängig von einem Wettlauf der materiellrechtlichen Rechtsordnungen. Vorzugswürdig wäre aber eine kollisionsrechtliche Rechtfertigung, warum einer bestimmten Rechtsordnung der Vorzug gegenüber einer anderen gewährt wird, wenn letztere zu einem anderen Ergebnis kommt. Sucht man nach einer solchen kollisionsrechtlichen Lösung, so könnte diese in drei Schritten erfolgen: (1) Als erster Schritt ist zunächst klarzustellen, dass eine Anpassung nur dann erforderlich ist, wenn überhaupt ein Normwiderspruch vorliegt. Setzt sich daher nach allen Empfängerrechtsordnungen nur eine Rechtsposition durch, so kann es bei der Anknüpfung an den Empfänger bleiben. (2) In einem zweiten Schritt lässt sich ein kollisionsrechtlicher Vorrang des Empfängers mit Gutschrift gegenüber konkurrierenden Empfängern ohne Gutschrift begründen. Hintergrund ist der Vergleich mit Grundsätzen des nationalen internationalen Sachenrechts. Für die dingliche Rechtslage an einer Mobilie führt der Wechsel des Lageortes in einen anderen Staat zu einem Statutenwechsel.247 Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes werden dabei die nach der früher maßgeblichen Rechtsordnung wirksam an der Sache entstandenen Rechte im neuen Statut grundsätzlich anerkannt.248 Gleichzeitig sind aber auch die Verkehrsinteressen im neuen Belegenheitsstaat zu berücksichtigen.249 Zentral für den Schutz des Rechtsverkehrs sind die Regeln des gutgläubigen Erwerbs,250 so dass das Sachstatut des aktuellen Lageortes Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens be-
Rdnr. 236 (letztlich aber verneinend), und Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 87 f. 246 So wohl Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 87 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 236. 247 Vgl. den Überblick zum Statutenwechsel bei Mobilien bei Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 352 ff.; Kropholler, IPR (2006), § 54 III (S. 559 ff.). 248 Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 216. 249 Von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 12 Rdnr. 28. 250 Rakob, Ausländische Mobiliarsicherungsrechte im Inland (2001), S. 305.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
stimmt.251 Die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs betreffen letztlich aber nichts anderes als die Priorität unter zwei um dieselbe Position konkurrierenden Personen. Zusammengefasst ist daher für das Rangverhältnis zwischen einem der alten Rechtsordnung unterliegenden Rechtsinhaber und einem gutgläubigen Erwerber am Ort der aktuellen Belegenheit einer Mobilie die neue Rechtsordnung entscheidend. Adaptiert auf intermediatisierte Wertpapiere entspricht dem Lageort der Mobilie im Hinblick auf die Verkehrsinteressen der Ort der Verbuchung der Effekten. Im obigen ersten Beispielsfall der Konkurrenz zwischen einer formlosen Erstverfügung und einer Zweitverfügung unter Umbuchung ist die Gutschrift auf dem Konto des Verfügenden, auf die sich der erste Empfänger stützt, gerade nicht mehr vorhanden. Die Wertpapiere sind vielmehr mittlerweile dem Konto des zweiten Empfängers gutgeschrieben worden. Für die Konkurrenzfrage ist es zu einem Statutenwechsel gekommen, in dessen Folge die Rechtsordnung der aktuellen Verbuchung beim zweiten Empfänger zur Entscheidung über das Rangverhältnis berufen ist. (3) Zur Beurteilung des weiteren Beispielsfalls, in dem sich beide Empfänger jeweils auf eine Gutschrift in ihrem Land stützen können, ist aber noch ein dritter Schritt erforderlich. Letztlich bleibt hier wohl nichts anderes übrig, als im Wege der kollisionsrechtlichen Anpassung für die Teilfrage der Priorität von der Anknüpfung an den Empfänger abzurücken. Stattdessen muss auf einer den beiden Rechtsordnungen übergeordneten Metaebene die Rangfolge bestimmt werden. Zur Anknüpfung dieser Ebene bieten sich zwei Lösungen an: Da es im Regelfall auf einem Glied der Übertragungskette zu einer doppelten Verbuchung und damit Aufspaltung gekommen ist, könnte die Anknüpfung an dieser Stufe ansetzen. Zu suchen wäre das Konto mit der letzten einheitlichen Umbuchung der Wertpapiere. Dieses Konto wäre dann für die Bestimmung der Rechtsordnung maßgeblich, die über die Folgen der sich anschließenden zweifachen Weiterleitung der Position entscheidet. Theoretisch sind aber auch Fälle denkbar, in denen die faktische „Aufspaltung“ nicht eindeutig einem bestimmten Intermediär zuzuordnen ist. Aufgrund eines Computerfehlers o. ä. kann auch parallel zur ersten Transaktionskette ein zweiter Übertragungsweg entstanden sein, an dessen Ende ebenso wie bei der ersten Übertragung ein Empfänger mit Gutschrift steht. Daher erscheint zur Anknüpfung der Metaebene die pauschale Heranzie251
So der BGH in ständiger Rechtsprechung, etwa BGH v. 8.4.1987, Az. VIII ZR 211/86, BGHZ 100, S. 321, 324; BGH v. 11.3.1991, Az. II ZR 88/90, NJW 1991, S. 1415, 1416; BGH v. 29.5.2000, Az. II ZR 334/98, NJW-RR 2000, S. 1583, 1585; BGH v. 10.6.2009, Az. VIII ZR 108/07, NJW 2009, S. 2824, 2825 f. Aus der Lit. etwa ErmanHohloch, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 2 (2011), Art. 43 EGBGB Rdnr. 12; PalandtThorn, Bürgerliches Gesetzbuch (2014), Art. 43 EGBGB (IPR) Rdnr. 3.
§ 3 Finalitätsrichtlinie
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hung des Kontos des Verfügenden vorzugswürdig.252 Ausschließlich für die Frage des Vorrangs bzw. der Verdrängung zwischen den konkurrierenden Empfängern ist an die Rechtsordnung des Kontos des Absenders anzuknüpfen. Diese Rechtsordnung hat dann etwa über die Bedeutung einer doppelten Verbuchung bei einem Glied der Übertragungskette zu entscheiden. cc)
Materielle Sichtweise
Auch das nur partielle Ausweichen auf die Person des Verfügenden hat allerdings zur Folge, dass nunmehr die Verfügungsempfänger zu einem tracing ihrer erworbenen Wertpapiere gezwungen sind. Sicherungsnehmer sind in der für sie entscheidenden Frage der Priorität einer aus ihrer Sicht nur schwer zu ermittelnden fremden Rechtsordnung unterworfen. Aufgrund derartiger Nachteile könnte das Problem des Kollisionsrechts mit konkurrierenden Empfängerrechtsordnungen noch aus einem gänzlich anderen Blickwinkel gesehen werden – dem des materiellen Rechts. Im Vorteil sind insofern gestufte schuldrechtliche Konzepte des Effektengiros: Nach ihrem Modell ist regelmäßig nicht von der Abtretung einer identischen Position auszugehen, da sich konstruktiv die Rechte nur gegen den eigenen unmittelbaren Intermediär richten. Vielmehr kommt es zu einem Erlöschen auf Seiten des Absenders und einer originären Neubegründung auf Seiten des „Empfängers“.253 Verlorene und erworbene Rechtsposition sind demnach gerade nicht identisch. Dann aber können die Ansprüche durchaus auch verdoppelt, oder besser: mehrfach begründet werden. Die Folgen treffen den jeweiligen Intermediär, der die Ansprüche befriedigen und sich um eine entsprechende Deckung bemühen muss. Dass mit Mitteln des Kollisionsrechts dem Problem konkurrierender Verbuchungen in unterschiedlichen Rechtsordnungen nicht gänzlich zufriedenstellend beizukommen ist, könnte daher auch als materiellrechtliches Argument für einen Übergang – de lege ferenda254 – zu einer schuldrechtlichen Verwahrkonstruktion gesehen werden.255 252
Zur entsprechenden Finanzsicherheitenrichtlinie angedacht, wenn auch abgelehnt bei Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 87; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 235. Vgl. auch Costantini, Die drei Anknüpfungsgegenstände des internationalen Effektenrechts (2008), S. 319 ff., der im Rahmen des HWpÜ bei konkurrierenden Empfängern den unmittelbaren Intermediär des Verfügenden heranzieht. 253 Im rechtlichen Sinne handelt es sich aufgrund der originären Neubegründung nicht um einen „Empfänger“, zutreffend MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200. 254 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 237 (zur Finanzsicherheitenrichtlinie), 250 (zur Umsetzung in § 17 a DepotG), schlägt dagegen bereits de lege lata für die deutsche Girosammelverwahrung vor, im Rahmen einer „qua-
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Allerdings bringt ein solcher Übergang weitreichende Implikationen mit sich, die an dieser Stelle nur angedeutet werden können. So schwierig bei sachenrechtlicher Konstruktion des Effektengiros die Identität von abgebuchter und gutgeschriebener Position in den intransparenten Übertragungswegen auch umzusetzen ist, so hat sie doch eine wesentliche Funktion: Sie sichert die Integrität der Emission.256 Die Identität ist der Ausgangspunkt der Grundregel „No credit without debit.“257 Indem jeder Erwerb einem korrespondierenden Verlust zugeordnet werden muss, bleibt die Gesamtanzahl der verbuchten Wertpapiere im Vergleich zur ursprünglichen Emission stabil. In einem schuldrechtlichen System muss die Integrität der Gesamtemission anders geschützt werden. Mechanismen, die hier eingesetzt werden,258 sind etwa die Verpflichtung des Intermediärs, sich eine für die von ihm erteilten Gutschriften erforderliche Deckung zu verschaffen,259 verbunden mit der Regel, dass über eine solche Deckung hinaus erteilte Gutschriften keine Wirkung entfalten. Das Problem des Kollisionsrechts mit konkurrierenden Empfängerrechtsordnungen kann angesichts dieser fundamentalen Fragen nur ein Einzelaspekt für die künftige materiellrechtliche Ausgestaltung des Effektengiros sein.260
si-schuldrechtlichen Lösung“ allen konkurrierenden Verfügungsempfängern einen Anspruch gegen ihren jeweiligen Intermediär zu gewähren. 255 Für einen Übergang auf ein fiduziarisches Treuhandmodell auch wegen dieser Problematik Einsele, WM 2001, S. 2349, 2355; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement (2006), S. 3, 14 ff.; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 203. Grundlegend zu ihrem Modell dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 561 ff. 256 Zur Problematik die zweite Empfehlung der die Kommission beratenden Arbeitsgruppe Rechtssicherheit vom August 2008, Solutions to Legal Barriers related to PostTrading within the EU, S. 68 ff. 257 Vgl. die Hinweise der deutschen Delegation bei den Vorarbeiten zum Genfer Wertpapierübereinkommen von UNIDROIT, etwa Comments on the questionnaire concerning „good faith acquisition“, December 2007, UNIDROIT Study LXXVIII Doc. 98, S. 4; Comments, August 2008, UNIDROIT CONF. 11/2 Doc. 20, S. 2; Comments, 24 August 2009, UNIDROIT 2009, CONF. 11/2 Doc. 11, S. 2 ff. 258 Vgl. die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit vom August 2008, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, S. 69. 259 Auch das europäische Aufsichtsrecht trifft in die gleiche Richtung weisende Organisationspflichten für Wertpapierfirmen, s. Art. 13 MiFID und Art. 16 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 26. 260 Der Vorschlag von MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 250, zu § 17 a DepotG, bereits im Rahmen des geltenden Rechts „ohne
§ 3 Finalitätsrichtlinie
D.
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Charakter der Verweisung
Abschließend bedarf noch der Charakter der in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie angelegten Verweisung einer Einordnung. Im Rechtsakt selbst findet sich keine ausdrückliche Entscheidung zwischen den beiden Alternativen einer Gesamt- oder Sachnormverweisung.261 Überwiegend wird daher auf das Anliegen der Finalitätsrichtlinie zurückgegriffen, für Gültigkeit und Verwertbarkeit von Sicherheiten an intermediatisierten Wertpapieren eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts herbeizuführen.262 Diesem Vereinheitlichungszweck entspreche eine Umsetzung als Sachnormverweisung.263 Dem ist unter einer gewissen Differenzierung zuzustimmen. Wenn auch die traditionelle lex cartae sitae wohl nicht vollends abgelöst werden sollte,264 so führt die Richtlinie in den Mitgliedstaaten doch zumindest in ihrem beschränkten Anwendungsbereich ein neues einheitliches Anknüpfungsregime ein. Zugleich gilt die Richtlinie originär nur für mitgliedstaatlich verbuchte Wertpapiere, wodurch nur auf mitgliedstaatliches Recht verwiesen wird. Dann aber ist die Abgrenzung zwischen Gesamt- und Sachnormverweisung von keinem großen Belang: Selbst wenn das IPR des Mitgliedstaates, auf den die transformierte Kollisionsnorm der lex fori verweist, zu beachten wäre, würde diese bei ordnungsgemäßer Umsetzung zu keiner abweichenden Anknüpfung kommen.265 Mithin kann es im Mindestbereich der Richtlinie von vornherein keinen Renvoi geben.266 Hierin mag auch der Grund für die fehlende explizite Regelung des Verweisungscharakters in der Richtlinie liegen. Rein formal bietet es sich aber natürlich an, die Norm als Sachnormverweisung umzusetzen, um die müßige Prüfung des aufnehmenden mitgliedstaatlichen IPR zu ersparen. Der Charakter der Verweisung ist erst dann wirklich relevant, wenn die Kollisionsregel räumlich oder sachlich überschießend umgesetzt wird. Drittstaatliches Kollisionsrecht oder mitgliedstaatliches IPR außerhalb des harmonisierten Mindestbereichs könnten dann zu einer anderen Beurteilung der Anknüpfung kommen als die erweiterte nationale Transformation. Rücksicht auf dogmatische Bedenken“ allen konkurrierenden Verfügungsempfängern einen Anspruch gegen den jeweiligen Intermediär zu gewähren, geht daher zu weit. 261 Zur Unterscheidung etwa von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 214. 262 Deutlich insbesondere Erwägungsgrund 19 Finalitätsrichtlinie. 263 Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 105 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 228, 251; i. E. auch Keller, WM 2000, S. 1269, 1274; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 719. 264 In diesem Sinne wohl Erwägungsgrund 21 Finalitätsrichtlinie. 265 Zu dieser Argumentation bei Verweis eines Übereinkommens auf das Recht eines Vertragsstaates Kropholler, IPR (2006), § 24 III 1 (S. 178). 266 Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.60.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Im Interesse einer voraussehbaren Entscheidung sollte in diesem Fall ein gespaltener Charakter der Kollisionsregel vermieden werden, gerade weil die Grenzen insbesondere des originären sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht eindeutig sind.267
267
In Bezug auf die überschießende nationale Umsetzung in § 17 a DepotG Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 106.
§4
Finanzsicherheitenrichtlinie
Die kollisionsrechtliche Bestimmung der Finalitätsrichtlinie zum Effektengiro hat in einer späteren Norm ihre Fortschreibung, Präzisierung und Erweiterung gefunden: Art. 9 der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten (Finanzsicherheitenrichtlinie).1 A. Grundlegendes zur Richtlinie Auch die Finanzsicherheitenrichtlinie hat sich der Stabilität des Finanzsystems in der Gemeinschaft verschrieben,2 wozu sie den bereits aus der Finalitätsrichtlinie bekannten Dominoeffekten entgegen wirken will.3 Mittel der Wahl für die Risikominderung sind der Schutz und die Privilegierung bestimmter Sicherheiten, womit die Richtlinie den zweiten Ansatz des früheren Rechtsaktes aufgreift. Während sich aber die Finalitätsrichtlinie noch auf systemische Risiken innerhalb von Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen konzentriert, soll die Finanzsicherheitenrichtlinie nunmehr auch außerhalb jener zentralen Infrastrukturen wirken. Hierzu schafft sie einen unionsweiten allgemeinen Rechtsrahmen für die Nutzung von Finanzsicherheiten, der neben der systemischen Stabilität auch der weiteren Integration und besseren Kosteneffizienz der Finanzmärkte dienen soll; der europäische Gesetzgeber erhofft sich letztlich eine Förderung des freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs im Binnenmarkt.4 Kompetenziell beruft er sich daher wiederum auf die allgemeine Ermächtigung für Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktziels in Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EG). Die komplementäre Funktion der Finanzsicherheitenrichtlinie im Hinblick auf die vorhergehende Finalitätsrichtlinie5 wird auch durch ihre Ge1 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43. 2 Erwägungsgrund 3 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. 3 Deutlich etwa in Erwägungsgrund 17 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie. 4 Vgl. Erwägungsgrund 3 S. 1, 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. Zur Zielsetzung s. a. Löber, BKR 2001, S. 118; Keller, BKR 2002, S. 601; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 217 f.; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 114 Rdnr. 70 b; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, Kreditwesengesetz (2012), § 46 Rdnr. 113. 5 Treffend die Charakterisierung im Arbeitspapier der Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment, S. 5: „From the point of view of the treatment of collateral arrangements, the FCD could thus be regarded as an ‘offshoot’ and a complement of the SFD.“
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
nese verdeutlicht. Die Ursprünge liegen gerade in der Zeit der Abschlussarbeiten an dem früheren Rechtsakt, als die Kommission über die Finalitätsrichtlinie hinaus Bedarf für weitere Legislativmaßnahmen zu Sicherheiten sah. Nach Anhörung von Marktsachverständigen und nationalen Behörden räumte sie 1998 in ihrem Aktionsplan zu Finanzdienstleistungen der Erarbeitung eines entsprechenden Vorschlags Priorität ein.6 2001 legte die Kommission dann den Entwurf für eine Richtlinie vor,7 der mit gewissen Änderungen ein Jahr später in Kraft trat.8 Ebenso wie die Finalitätsrichtlinie ist die Finanzsicherheitenrichtlinie danach nicht aus dem legislativen Fokus gerückt. 2006 konsultierte die Kommission sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Marktteilnehmer über die Richtlinie und zog die Ergebnisse für einen Bewertungsbericht über Umsetzung, Auswirkungen und Änderungsbedarf heran.9 Zusammen mit der parallelen Bewertung der Finalitätsrichtlinie mündete die Evaluation in die gemeinsame Änderungsrichtlinie 2009/44/EG,10 mit der sich erneut beide Rechtsakte verknüpften. I.
Begriff der Finanzsicherheit
Der europäische Gesetzgeber führt mit der Finanzsicherheitenrichtlinie Bestimmungen des Insolvenzrechts, des Sachen- und Schuldrechts sowie des Kollisionsrechts zusammen.11 Als zentraler Bezugspunkt eint die unterschiedlichen Elemente der Begriff der Finanzsicherheiten. Dessen Definition, die zugleich zur Umschreibung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs des Rechtsakts insgesamt dient, findet sich in Art. 1 6 Mitteilung der Kommission vom 11. Mai 1999, Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, KOM(1999) 232 endg. S. a. Erwägungsgrund 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. 7 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 312. 8 Zur Genese der Finanzsicherheitenrichtlinie Eder/Zwitter-Tehovnik, ÖBA 2003, S. 345 f.; Keijser, Financial Collateral Arrangements (2006), S. 2 f.; Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 44 ff. 9 Bericht der Kommission vom 20. Dezember 2006 an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertungsbericht über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/ EG), KOM(2006) 833 endg. Der Bericht war in Art. 10 Finanzsicherheitenrichtlinie vorgesehen. 10 Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 37. 11 Vgl. den Überblick bei Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 294, oder bei Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 114 Rdnr. 70 b.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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Finanzsicherheitenrichtlinie; erläuternde Begriffsbestimmungen für einzelne Bestandteile ergänzt sodann Art. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. Das Verständnis der ohnehin nicht leicht zu lesenden Regelungen wird allerdings in der deutschen Fassung zusätzlich durch offensichtliche Ungenauigkeiten des Texts erschwert.12 Dies verdeutlicht ein Vergleich mit der englischen und französischen Fassung: Dort ist sowohl Namensgeber der Richtlinie wie auch Dreh- und Angelpunkt des Rechtsrahmens der Terminus „financial collateral arrangement“ bzw. „contrats de garantie financière“, also ein Sicherungsgeschäft. Um die erfassten Vereinbarungen abzugrenzen, werden Anforderungen einerseits in persönlicher Hinsicht an die beteiligten Parteien, andererseits in sachlicher Hinsicht an das „financial collateral“ bzw. die „garantie financière“, also an den verwendeten Sicherungsgegenstand, gestellt.13 Hingegen bezeichnet der Ausdruck „Finanzsicherheit“ in der deutschen Fassung nicht nur den Oberbegriff, sondern zugleich auch dessen zweite Voraussetzung. Ungeachtet der mangelnden sprachlichen Differenzierung kann die aufgegliederte Struktur der anderen Sprachfassungen14 hier gleichwohl nachvollzogen werden. Insgesamt ergeben sich dadurch 4 Merkmale für den Bezugspunkt des Rechtsaktes: Eine „Finanzsicherheit“ im Sinne der Richtlinie ist (1) ein Sicherungsgeschäft (2) zwischen bestimmten Personen (3) über bestimmte Sicherungsgegenstände, das (4) der Besicherung bestimmter Finanzmarktverbindlichkeiten dient. Die Definition der „Finanzsicherheit“ in Art. 2 Abs. 1 lit. a) Finanzsicherheitenrichtlinie als „Sicherheit, die in der Form der Vollrechtübertragung oder in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts bestellt wird“, ist insofern nur ein erster Ansatzpunkt für diesen Kern. Dass eine Finanzsicherheit im Grunde ein bestimmtes Rechtsgeschäft ist, erschließt sich aus der nachstehenden Wendung jener Definition: Ob „diese Geschäfte“ einem Rahmenvertrag oder allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen, soll unerheblich sein.15 Anzumerken ist hinsichtlich des Siche12
347.
Vgl. Löber, BKR 2001, S. 118, 120; Eder/Zwitter-Tehovnik, ÖBA 2003, S. 345,
13 Deutlich auch die Unterscheidung zwischen „contratti di garanzia finanziaria“ und „garanzia finanziaria“ in der italienischen und zwischen „acuerdos de garantía financiera“ und „garantía financiera“ in der spanischen Version der Richtlinie. 14 Zur Problematik der Auslegung voneinander abweichender Sprachfassungen im europäischen Sekundärrecht bereits oben § 3 B. I. 3 b). 15 S. a. Erwägungsgrund 3 S. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie: „Im Zentrum dieser Richtlinie stehen zweiseitige Vereinbarungen über die Bestellung von Finanzsicherheiten.“ Missverständlich daher die deutsche Umsetzung in § 1 Abs. 17 S. 1 KWG, die den objektiven Sicherheitsgegenstand hervorhebt: „Finanzsicherheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Barguthaben, Geldbeträge, Wertpapiere, Geldmarktinstrumente sowie sonstige Schuldscheindarlehen einschließlich jeglicher damit in Zusammenhang stehender
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
rungsgeschäfts, dass es zwei Ebenen aufweisen kann. In Rechtsordnungen, die dem Trennungsprinzip folgen, sind sowohl ein schuldrechtlicher Sicherungsvertrag mit der Zweckvereinbarung16 als auch die eigentliche dingliche Sicherheitsbestellung umfasst. Hinsichtlich der Art und Weise dieser Bestellung lässt die Richtlinie dann sowohl eine Vollrechtsübertragung, Art. 2 Abs. 1 lit. b), als auch ein beschränkt dingliches Recht zu, Art. 2 Abs. 1 lit. c). Ratione personae sind von der Richtlinie nur Rechtsgeschäfte zwischen Sicherungsnehmern und -gebern erfasst, die in dem detaillierten Katalog des Art. 1 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie aufgezählt sind. Im groben Überblick gehören hierzu öffentlich-rechtliche Körperschaften, Zentralbanken und beaufsichtigte Finanzinstitute wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen oder zentrale Einrichtungen eines Systems im Sinne der Finalitätsrichtlinie.17 Sicherungsgeschäfte von sonstigen juristischen Personen, Einzelkaufleuten und Personengesellschaften werden hingegen nur unter der Bedingung berücksichtigt, dass die andere Partei des Geschäfts zu den vorgenannten Gruppen gehört.18 Zudem haben die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie ein Recht zum Opt-out, welches den gänzlichen Ausschluss von Vereinbarungen unter Beteiligung dieser Gewerbetreibenden aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ermöglicht.19 Generell keine tauglichen Parteien sind nichtkaufmännische natürliche Personen. Ratione materiae beschränkt sich die Richtlinie auf Rechtsgeschäfte über bestimmte Sicherungsgüter, das financial collateral. Zugelassen waren nach Art. 2 Abs. 4 lit. a) Finanzsicherheitenrichtlinie ursprünglich nur eine Barsicherheit20 oder Finanzinstrumente21. Die Änderungsrichtlinie
Rechte oder Ansprüche, die als Sicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts oder im Wege der Überweisung oder Vollrechtsübertragung auf Grund einer Vereinbarung zwischen einem Sicherungsnehmer und einem Sicherungsgeber, die einer der in Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a bis e der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. EG Nr. L 168 S. 43) aufgeführten Kategorien angehören, bereitgestellt werden.“ 16 Zum Sicherheitsvertrag nach deutschen Recht etwa Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. 2 (2011), § 90 Rdnr. 173 ff. 17 Zur weiteren Definition wird auf die jeweiligen sektoralen Rechtsakte verwiesen. 18 Art. 1 Abs. 2 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie. 19 Die Diskussion über eine Ausübung dieser Option hat die Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie in Deutschland dominiert, vgl. etwa Ehricke, ZIP 2003, S. 1065, 1068 ff.; Hölzle, ZIP 2003, S. 2144, 2145; Obermüller, ZIP 2003, S. 2336. Zur letztendlich in § 1 Abs. 17 KWG gefundenen Kompromisslösung etwa Obermüller, ZInsO 2004, S. 187, 188; Meyer/Rein, NZI 2004, S. 367, 368. 20 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. d) Finanzsicherheitenrichtlinie ein in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Betrag oder vergleichbare Geldforderungen, bei-
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2009/44/EG hat darüber hinaus einen dritten möglichen Sicherungsgegenstand hinzugefügt: die Kreditforderungen22. Ein entsprechender Vorschlag war zwar bereits 2001 von der Europäischen Zentralbank während des legislativen Verfahrens zum Erlass der Richtlinie unterbreitet worden,23 besondere Aktualität erhielt die Erweiterung aber durch die im Laufe des Jahres 2007 einsetzende Finanzmarktkrise.24 So erhoffte sich die Kommission durch die Einbeziehung von Kreditforderungen in den harmonisierten Rechtsrahmen nun auch eine Verbesserung der gesunkenen Marktliquidität,25 um den Verwerfungen auf den Finanzmärkten zu begegnen. Ob als letzte Voraussetzung das erfasste Sicherungsgeschäft einem bestimmten Sicherungszweck dienen muss, oder genauer, ob das besicherte Grundgeschäft bestimmten Anforderungen zu genügen hat, ist umstritten.26
spielsweise Geldmarkt-Sichteinlagen. Ausgeschlossen ist damit Bargeld, s. Erwägungsgrund 18 S. 2 a. E. 21 Definiert in Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie; dazu noch § 4 B. I. 2. Für die Mitgliedstaaten besteht nach Art. 1 Abs. 4 lit. b) Finanzsicherheitenrichtlinie eine weitere Opt-out-Möglichkeit für eigene Anteile des Sicherungsgebers, Anteile an verbundenen Unternehmen oder Anteile an Unternehmen, die ausschließlich der Innehabung des Eigentums an zentralen Produktionsmitteln für den Sicherungsgeber oder an Immobilien dienen. Zu den Hintergründen Keijser, Financial Collateral Arrangements (2006), S. 66 f. Zur partiellen Ausnahme von eigenen Anteilen und Anteilen an verbundenen Unternehmen in § 1 Abs. 17 S. 3 KWG Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, S. 440, 444. 22 Definiert in Art. 2 Abs. 1 lit. o) Finanzsicherheitenrichtlinie als Geldforderungen aus einer Vereinbarung, aufgrund derer ein Kreditinstitut im Sinne von Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/48/EG (nunmehr Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) 575/2013), einschließlich der in Art. 2 jener Richtlinie (nunmehr Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2013/36/EU) bezeichneten Institute, einen Kredit in Form eines Darlehens gewährt. 23 S. Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 13. Juni 2001 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, ABl. C 196 vom 12.7.2001, S. 10 (Tz. 10). 24 Zur Entstehung der Finanzmarktkrise etwa Seagon, ZVglRWiss Bd. 108 (2009), S. 203 ff. und Hommel/Wölfer, ZVglRWiss Bd. 108 (2009), S. 225 ff. 25 Vorschlag der Kommission vom 17. März 2008 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, KOM(2008) 213, S. 2. S. a. die Pressemitteilung der Kommission vom 24. April 2008, Wertpapiermärkte: Kommission will Richtlinien über Abrechnungswirksamkeit und Finanzsicherheiten ändern, IP/08/636. 26 Überwiegend wird eine derartige Einschränkung bejaht, vgl. Ehricke, ZIP 2003, S. 2141, 2142 f.; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 220 f.; Wimmer, ZInsO 2004, S. 1, 2 f.; Zypries, ZIP 2004, S. 51; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 49; Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche
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Im Kern geht es um die Einordnung der Legaldefinition der „maßgeblichen Verbindlichkeiten“ in Art. 2 Abs. 1 lit. f) Finanzsicherheitenrichtlinie. Nach dieser Begriffsbestimmung handelt es sich um Verbindlichkeiten, die durch Finanzsicherheiten besichert sind und ein Recht auf „Barzahlung“ und/oder Lieferung von Finanzinstrumenten begründen. Im Übrigen zeigt sich die weitere Charakterisierung der Verbindlichkeiten großzügig und lässt auch künftige, bedingte und noch nicht fällige Verbindlichkeiten, Verbindlichkeiten Dritter sowie bloß bestimmbare Verbindlichkeiten zu.27 Hier soll nur auf zwei wesentliche Punkte der Diskussion eingegangen werden: Zunächst erwächst aus der Definition überhaupt nur dann eine mögliche Beschränkung, wenn die Alternative des Rechts auf „Barzahlung“ nicht jedwede Zahlungsverpflichtung des Sicherungsgebers (wie etwa die Rückzahlungspflicht aus einem Darlehen) umfassen würde. Und tatsächlich ergibt sich aus dem Kontext der Richtlinie, dass nur die Zahlungs- und Ausgleichspflichten als Inhalt eines Finanzmarktgeschäfts gemeint sind. So beschreibt die Finanzsicherheitenrichtlinie die vielfältigen standardisierten Kontrakte, die als Finanzinstrument erfasst sein sollen, als Titel, die entweder zum Erwerb von Wertpapieren berechtigen oder aber zu ebenjener „Barzahlung“ führen.28 Weiterhin klingen auch die Entsprechungen zum Recht auf „Barzahlung“ in den anderen Sprachfassungen, etwa „right to cash settlement“ oder „droit à un règlement en espèces“, nicht nach der Umschreibung eines beliebigen, kapitalmarktunabhängigen Zahlungsanspruchs.29 Richtlinienübergreifend kann schließlich noch die Terminologie im grundlegenden europäischen Rechtsakt zum Finanzmarkt, der MiFID, angeführt werden: Im Rahmen der Definition eines Unterfalls der Finanzinstrumente, der übertragbaren Wertpapiere, wird dort der Begriff der „Barzahlung“ ebenfalls als alternativer Inhalt eines Instruments neben der Berechtigung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verwendet.30 Die in diesem Sinne verstandene „maßgebliche Verbindlichkeit“ ist zudem auch eine Anwendungsvoraussetzung für den Rechtsakt insgesamt. Zwar wird der Begriff der „maßgeblichen Verbindlichkeit“ in den grundlegenden Anforderungen an Finanzsicherheiten in Art. 1 der Richtlinie nicht Recht (2008), S. 59 ff. Gegen eine solche Limitierung Kollmann, WM 2004, S. 1012, 1014 f.; Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2. Aufl. 2006), S. 204. 27 Art. 2 Abs. 1 lit. f) S. 2 Spiegelstrich 1 bis 3 Finanzsicherheitenrichtlinie. 28 Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie. Auf diese einheitliche Terminologie weist hin Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 49. 29 So auch zur englischen Fassung Kieper, ZInsO 2003, S. 1109, 1112. 30 Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. c) MiFID. Vgl. zudem die Liste der Finanzinstrumente in Anhang I Abschnitt C zur MiFID, wo parallel Derivatkontrakte in Bezug auf bestimmte Werte einbezogen werden, die „effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können.“
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direkt in Bezug genommen.31 Ihrem Sinn und Zweck nach ist die Richtlinie jedoch auf die weitere Integration des Finanzmarkts und die Stabilität des Finanzsystems fixiert.32 Dem entspricht es, dass ihre Privilegierungen auch nur Sicherheiten zugunsten der umschriebenen Verbindlichkeiten des Finanzmarktes zugute kommen.33 Die Finanzsicherheitenrichtlinie dient auf diese Weise also nur der Besicherung von Termingeschäften des Finanzmarktes.34 II. Materiell- und insolvenzrechtliche Privilegierungen Für den – aufgrund der verschiedenen Voraussetzungen verhältnismäßig schmalen – Bereich der Finanzsicherheiten sieht die Richtlinie Modifikationen des materiellen nationalen Rechts vor. Angesichts der vom europäischen Gesetzgeber bislang im Bereich des Sachenrechts im Allgemeinen und der Kreditsicherheiten im Speziellen geübten Zurückhaltung35 ist dies ein bemerkenswertes Novum.36 Entsprechende Stellungnahmen von Expertenkommissionen37 führten für das Spezialgebiet der Finanzmärkte aber zum Umdenken: Deren fortgeschrittene grenzüberschreitende Verflechtung und Integration kontrastiert mit der weiterhin festzustellenden Neigung ihrer Teilnehmer, im Inland belegene Sicherheiten für die Kreditrisiken aus Transaktionen zu verlangen.38 Eine Änderung hieran konnte auch die Finalitätsrichtlinie nicht bewirken, die wie dargestellt Sicherheiten nur im Rahmen der definierten Systeme und nur im Hinblick auf die Wirkungen der Insolvenz eines Systemteilnehmers einheitlich schützt. Mit der neuen 31
Dementsprechend sieht Kollmann, WM 2004, S. 1012, 1015, in der Legaldefinition lediglich eine Konkretisierung für bestimmte materielle Regelungen der Richtlinie, nicht aber eine Anwendungsvoraussetzung. 32 S. nur Erwägungsgrund 3 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. 33 Ehricke, ZIP 2003, S. 2141, 2143; Wimmer, ZInsO 2004, S. 1, 2 f.; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 221. Anderenfalls wäre i. Ü. auch die detaillierte Begriffsbestimmung für die besicherten Verbindlichkeiten nur schwer zu erklären. Der nationale Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 17 S. 2 KWG Einschränkungen des Sicherungszweckes nur für Sicherheiten von Parteien außerhalb des Finanzsektors vorgenommen. 34 Zur Besicherung von Finanztermingeschäften etwa Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 114 Rdnr. 68 a ff.; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 19.62. 35 Vgl. zu bisherigen Ansätzen etwa Kieninger, WM 2005, S. 2305; MünchKommBGB-Säcker, Bd. 1 (2012), Einleitung Rdnr. 281 f.; W.-H. Roth, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 36 (mit Hinweisen zu kompetentiellen Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaft); Kreuzer, in: Basedow/Remien/Wenckstern, Europäisches Kreditsicherungsrecht (2010), S. 31, 33 ff. 36 Keller, BKR 2002, S. 347, 352. 37 Zusammenschau bei Eder/Zwitter-Tehovnik, ÖBA 2003, S. 345 f. 38 Löber, BKR 2001, S. 118.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Richtlinie sollten daher die Divergenzen der europäischen Rechtsordnungen bei Bestellung und Verwertung von Sicherheiten für Finanzmarkttransaktionen vermindert werden, um die bestehenden Vorbehalte gegenüber ausländischen Kreditsicherheiten abzubauen. Ein zentraler Punkt der Finanzsicherheitenrichtlinie besteht dementsprechend darin, dass alle Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 keine besonderen Formerfordernisse im Zusammenhang mit Finanzsicherheiten vorsehen dürfen.39 Bestellung, Wirksamkeit und prozessuale Durchsetzbarkeit sollen nicht von Voraussetzungen wie notarieller Beurkundung, Eintragung in einem öffentlichen Register oder öffentlicher Bekanntmachung abhängen.40 Besondere Brisanz hat dies für diejenigen europäischen Rechtsordnungen, die ansonsten für Sicherheiten nur Registerpfandrechte kennen. Hingegen bleibt ein Faustpfandrecht wie etwa nach deutschem Recht zulässig. Insofern ist aber ein Kompromiss zu beachten, den die Richtlinie zwischen wirtschaftlichen Erwägungen einerseits und der Rechtssicherheit für Vertragsparteien und Dritte andererseits sucht, um Rechtsmissbrauch entgegenzuwirken.41 Trotz der Abschaffung spezieller Formerfordernisse muss sowohl für die zugrunde liegende Sicherungsvereinbarung42 wie auch für die Verschaffung des Sicherheitsgegenstandes43 ein schriftlicher Nachweis44 möglich sein. Hieraus folgt für besitzgebundene Sicherheiten wie das Faustpfandrecht, dass ein Nachweis der Sicherungsvereinbarung, aber auch der Besitzverschaffung in schriftlicher Form erforderlich ist.45 Im Fall der im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere
39
Sonderregeln gelten nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie für die Verwendung von Kreditforderungen als Sicherheiten. Zudem muss der Schuldner einer Kreditforderung sowohl auf sein Recht zur Aufrechnung gegenüber dem Gläubiger und dessen Sicherungsnehmern als auch auf seine aus dem Bankgeheimnis herrührenden Rechte, die der zur Abtretung erforderlichen Auskunft des Zedenten gegenüber dem Zessionar entgegenstehen, schriftlich verzichten können; s. Art. 3 Abs. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie. 40 Vgl. die exemplarische Aufzählung in Erwägungsgrund 10 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie. 41 Erwägungsgrund 10 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. 42 Art. 1 Abs. 5 UAbs. 4 Finanzsicherheitenrichtlinie. 43 Art. 1 Abs. 5 UAbs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie. Aus der deutschen Fassung geht die doppelte Anforderung an Vereinbarung und Bereitstellung aufgrund der terminologischen Gleichsetzung von Sicherungsvereinbarung und -gegenstand nur undeutlich hervor. 44 Für die Schriftform im Sinne der Richtlinie genügt nach Art. 2 Abs. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie auch die elektronische Aufzeichnung oder jede andere Art der Aufzeichnung mittels dauerhaften Datenträgers. 45 Explizit hervorgehoben in Art. 3 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie.
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reicht dabei für den Nachweis die Gutschrift auf dem maßgeblichen Konto aus.46 Darüber hinaus ist für Finanzsicherheiten auch die Verwertung erleichtert: Bei Finanzinstrumenten ist eine vereinbarte Realisierung im Wege der Selbsthilfe entweder durch freihändigen Verkauf oder durch Aneignung und Verrechnung zuzulassen.47 Weitere Modifikationen sind die Gewährung eines Verfügungsrechts über den Sicherheitsgegenstand bei beschränkten dinglichen Sicherungsrechten,48 oder die Anerkennung der Sicherungsübereignung bzw. -zession in allen Rechtsordnungen.49 Auf der Ebene des Insolvenzrechts50 wird der Sicherungsnehmer geschützt vor einer Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Sicherheitsbestellung allein deshalb, weil die Bestellung während eines bestimmten Zeitraums vor Verfahrenseröffnung oder am selben Tag, aber ohne Kenntnis oder Kennenmüssen erfolgte.51 Ähnlich bewahrt vor Nichtigkeit und Anfechtbarkeit allein aus zeitlichen Gründen ist die Bestellung einer Finanzsicherheit auf der Grundlage einer in der Praxis zum Ausgleich von Kursverlusten verbreiteten Nachschussverpflichtung, dem so genannten variation margining, oder einer vereinbarten Berechtigung zum Austausch bestellter Sicherheiten.52 Zudem sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, 46
Art. 1 Abs. 5 UAbs. 2 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie. S. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Finanzsicherheitenrichtlinie. S. a. Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 294. 48 Art. 5 Finanzsicherheitenrichtlinie. Der Sache nach handelt es sich um ein unregelmäßiges Pfandrecht, bei dem der Sicherungsnehmer nur zur Rückgewähr von Sachen der gleichen Menge, Art und Güte verpflichtet ist; vgl. näher Bürge, in: Waldburger u. a. (Hrsg.), FS Nobel 2005, S. 495, 498 f. 49 Art. 6 Finanzsicherheitenrichtlinie. Ausgeschlossen wird so die Umdeutung (recharacterisation) in ein beschränkt dingliches Sicherungsrecht, s. Erwägungsgrund 13 Finanzsicherheitenrichtlinie. 50 Zu den insolvenzrechtlichen Regelungen der Richtlinie Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.143; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 54 ff.; Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 77 ff. 51 Art. 8 Abs. 1, 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. Unbeschadet bleiben allgemeine einzelstaatliche Insolvenzvorschriften über Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit, die auf der Vornahme des Geschäfts auch in einem bestimmten Zeitraum vor Verfahrenseröffnung beruhen, z. B. wegen Benachteiligung der übrigen Gläubiger. Vgl. Art. 8 Abs. 4 Finanzsicherheitenrichtlinie und dessen zutreffende Auslegung bei Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 65. 52 Art. 8 Abs. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie. Hierzu Löber, BKR 2001, S. 118, 122; Keller, BKR 2002, S. 347, 353. Auch bei diesen Margensicherheiten bleibt eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit, die lediglich auch auf einer bestimmten Frist beruht, nach Art. 8 47
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dass eine Finanzsicherheit ihre vereinbarten Wirkungen entfaltet, auch wenn gegenüber einer der Parteien des Sicherungsgeschäfts ein Sanierungs- oder Liquidationsverfahren eingeleitet wurde oder andauert.53 Schließlich ist materiell- wie insolvenzrechtlich auch das so genannte close-out netting anzuerkennen, also bestimmte zur Risikominderung eingesetzte Glattstellungsvereinbarungen.54 III. Internationales Privatrecht Eingebettet in diese materiell- und insolvenzrechtliche Melange der Finanzsicherheitenrichtlinie findet sich in ihrem Art. 9 eine Norm, die bereits in der Überschrift die Zuordnung zum Internationalen Privatrecht zu erkennen gibt. Leitgedanke der Regelung ist die Schaffung von Rechtssicherheit für grenzüberschreitend gehaltene Wertpapiere und ihre Verwendung als Sicherheit. Hierzu soll die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Finalitätsrichtlinie an den Ort der maßgeblichen Einrichtung des Effektengiros ausgedehnt werden.55 Die Umsetzung des Leitgedankens lautet wörtlich: Artikel 9 Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten Internationales Privatrecht (1) Die in Absatz 2 genannten Regelungsgegenstände im Hinblick auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere unterliegen dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. Der Verweis auf das Recht eines Landes ist als Sachnormverweisung zu verstehen, d. h. es wird jegliche Vorschrift ausgeschlossen, die für die jeweilige Rechtsfrage auf das Recht eines anderen Staates verweist. (2) Die von Absatz 1 erfassten Regelungsgegenstände sind: a) Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren; b) Anforderungen an eine in jeder Hinsicht wirksame Bestellung eines Sicherungsrechts an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren und die Besitzverschaffung an solchen Wertpapieren sowie generell die für die absolute Wirksamkeit der Bestellung und Besitzverschaffung erforderlichen Rechtshandlungen; Abs. 4 Finanzsicherheitenrichtlinie möglich; ohne nähere Begründung a. A. Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 294. 53 Art. 4 Abs. 5 Finanzsicherheitenrichtlinie. 54 Art. 7 Finanzsicherheitenrichtlinie; nähere Ausführungen in Erwägungsgrund 14 der Richtlinie. S. a. Ehricke, WM 2006, S. 2109; eingehend zur rechtlichen Konstruktion des close-out netting und zugleich kritisch zu dessen Auswirkungen Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, S. 597, 616 ff.; Zimmer, NJW-Beil. 2010, 101, 104. 55 Erwägungsgrund 7 Finanzsicherheitenrichtlinie. Vgl. auch Erwägungsgrund 4 Finanzsicherheitenrichtlinie, der übergreifend die Einpassung der neuen Richtlinie in den (u. a. aus der Finalitätsrichtlinie) bestehenden Rechtsrahmen betont und lediglich Erweiterungen bereits geregelter Aspekte ankündigt.
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d)
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die Frage, ob das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren durch das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte eines Dritten verdrängt werden oder diesem gegenüber nachrangig sind oder ein gutgläubiger Erwerb eingetreten ist; Schritte, die zur Verwertung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren nach Eintritt des Verwertungs- bzw. Beendingungsfalls erforderlich sind.
Entsprechend der generellen Systematik der Finanzsicherheitenrichtlinie werden einige für die Kollisionsregel wesentliche Begriffe „vor die Klammer gezogen“ in den Begriffsdefinitionen der ersten beiden Artikel des Rechtsaktes behandelt. Dies betrifft mit dem Anknüpfungsmoment auch den eigentlichen Kern der Verweisung, was der Übersichtlichkeit der Vorschrift nicht gerade zuträglich ist. Externe Fortsetzung der Kollisionsnorm ist folgende Definition: Artikel 2 Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten Begriffsbestimmungen (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: […] h) „Maßgebliches Konto“ ist in Bezug auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere, die als Finanzsicherheit gestellt werden, das Register oder Depotkonto – das auch vom Sicherungsnehmer selbst geführt werden kann –, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt.
Der Wortlaut der Kollisionsregel der Finanzsicherheitenrichtlinie wiederholt damit nicht einfach den Prototyp aus dem Vorgängerrechtsakt für das neue Kollisionsregime, sondern zeigt eine weitere Entfaltung und Ausgestaltung. Gleichwohl bestehen auch bei der neuerlichen Verankerung des PRIMA-Prinzips im europäischen Kollisionsrecht Auslegungsprobleme. B. Reichweite der Kollisionsnorm So erschließen sich verschiedene Restriktionen der Reichweite von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie erst auf den zweiten Blick. I.
Sachlicher Anwendungsbereich
Dies gilt schon für den sachlichen Anwendungsbereich, dessen Verständnis zusätzlich durch erneute Impräzision der deutschen Fassung erschwert wird. 1.
Beibehaltung der Beschränkung auf Sicherheiten
Prima vista legt nämlich die Bezugnahme der Vorschrift auf die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ nahe, dass mit der beabsichtigten
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Ausweitung der Kollisionsregel der Finalitätsrichtlinie auch deren wesentliche Beschränkung auf Sicherheiten an Wertpapieren überwunden worden ist.56 Die Norm scheint unabhängig von dem dargelegten Rechtsrahmen für Finanzsicherheiten zu sein.57 Ein Vergleich mit der englischen und französischen Fassung der Norm offenbart jedoch den Trugschluss: Hier wird als sachlicher Gegenstand „book entry securities collateral“ bzw. „une garantie sous forme d’instruments financiers transmissibles par inscription en compte“ genannt.58 Wie zum Begriff der Finanzsicherheiten dargelegt, ist mit collateral der aufgrund einer Sicherungsvereinbarung verwendete Sicherheitsgegenstand gemeint. Der Kollisionsnorm kann es mithin nur um solche im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere gehen, über die zu Sicherungszwecken verfügt wird. In der deutschen Fassung bringt dies die ungelenke Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie zum Ausdruck, die die Wendung „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ als „Finanzsicherheiten in Form von Finanzinstrumenten“ definiert. Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie beschränkt sich daher wie ihre Vorgängernorm in der Finalitätsrichtlinie auf die Anknüpfung von Sicherheiten an Intermediär-verwahrten Wertpapieren.59 Immerhin zeigt sich die Norm großzügig hinsichtlich der Art und Weise, wie die Sicherheit an dem Gegenstand bestellt wird: Das Spektrum reicht von einem beschränkten dinglichen Recht60 bis zur praktisch im Rahmen der Wertpapierpensionsgeschäfte61 wichtigen Vollrechtsüber-
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Missverständlich insofern MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Vor Art. 1 EuInsVO Rdnr. 29; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 295. 57 In diese Richtung könnte auch Erwägungsgrund 7 verstanden werden, der als Ziel der Kollisionsvorschrift „Rechtssicherheit für grenzüberschreitend gehaltene Wertpapiere und ihre Verwendung als Sicherheit“ vorgibt. 58 Vgl. auch „una garanzia su strumenti finanziari in forma scritturale“ in der italienischen und „una garantía prendaria de anotaciones en cuenta“ in der spanischen Version (Hervorhebungen durch Verf.). 59 S. nur Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 543, 554; Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 814; Girsberger/Hess, AJP/PJA 2006, S. 992, 1005. 60 Gem. Art. 2 Abs. 1 lit. c) Finanzsicherheitenrichtlinie ein Sicherungsrecht an einem Finanzaktivum durch einen Sicherungsgeber, wobei das volle oder bedingte/beschränkte Eigentum oder die Inhaberschaft an der Sicherheit zum Zeitpunkt der Bestellung beim Sicherungsgeber verbleibt. 61 Zu Wertpapierpensionsgeschäften und dem verwandten Begriff der Repurchase Agreements Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht (2011), Rdnr. 14.105 f.
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tragung62. Die erste Variante ist nicht notwendigerweise mit einer Umbuchung der Wertpapiere verbunden, so dass auch nicht von einer entsprechenden Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Kollisionsnorm auszugehen ist.63 Zwar ließe sich die Formulierung des Anknüpfungsmomentes, die Legaldefinition des „maßgeblichen Kontos“ in Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie, auf den ersten Blick so verstehen. Die Umschreibung des entscheidenden Kontos anhand der maßgeblichen Buchung, „aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt“, ist aber in einem offeneren Sinne zu lesen: Auch das Konto des Sicherungsgebers kann die für den Sicherungsnehmer maßgebliche Verbuchung bieten, wenn das Guthaben des Sicherungsgebers nur mit einem bankinternen Sperrvermerk versehen wird oder eine gänzlich formlose Sicherungsübereignung unter Abtretung der Rechte des Sicherungsnehmers erfolgt.64 Letztlich stellt sich die Vorschrift somit als eine kollisionsrechtliche Flankierung des materiell- und insolvenzrechtlichen Rechtsrahmens für Finanzsicherheiten dar. Dies beinhaltet entsprechend der betreffenden Legaldefinition auch, dass die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ nur als collateral für ein definiertes collateral arrangement angeknüpft werden. Hiermit verbunden ist der wohl einzige Punkt, in dem die Finanzsicherheitenrichtlinie entgegen der beabsichtigten Ausweitung hinter ihrem Vorgänger zurückbleibt: Während nach der Legaldefinition in der Finalitätsrichtlinie65 die „dingliche Sicherheit“ der Besicherung von beliebigen Rechten und Verbindlichkeiten dient, die sich in Verbindung mit einem System ergeben können, kommt nach der einschlägigen Begriffsbestimmung der Finanzsicherheitenrichtlinie66 wie dargelegt nicht jeder Zahlungsanspruch als „maßgebliche Verbindlichkeit“ eines collateral arrangement in Betracht. Zweifelhaft erscheint daher, ob jeder über ein System der Finalitätsrichtlinie abgewickelte Zahlungsauftrag ein durch eine Fi62 Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) Finanzsicherheitenrichtlinie die vollständige Übereignung bzw. Zession eines Finanzaktivums oder die Übertragung aller Rechte daran zum Zwecke der Besicherung oder anderweitigen Deckung von Verbindlichkeiten. Wertpapierpensionsgeschäfte sind ausdrücklich eingeschlossen. 63 A. A. Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 92. 64 Vgl. Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 86; von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht (2009), § 75 Rdnr. 60; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 231. Zuzugeben ist, dass die deutsche Fassung der Begründung der Kommission zum Vorschlag vom 27. März 2001 für die Richtlinie, KOM(2001) 168 endg., S. 12, anders klingt („Depotkonto des Sicherungsnehmers“). Die anderen Sprachfassungen der Entwurfsbegründung lassen sich aber in dem hier vorgeschlagenen Sinne lesen (z. B. die englische: „relevant intermediary […] through which the collateral taker holds its interest“, Hervorhebung durch Verf.). 65 Art. 2 lit. m) Finalitätsrichtlinie. 66 Art. 2 Abs. 1 lit. f) Finanzsicherheitenrichtlinie.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
nanzsicherheit besicherbares Grundgeschäft sein kann; der alten Kollisionsregel dürfte insofern weiter ein eigener Gehalt zukommen. 2.
Wertpapierbegriff
Im Übrigen zeigt sich der sachliche Anwendungsbereich der jüngeren Norm weitgehend parallel zu jenem des Vorgängers. So offenbart der von der Finanzsicherheitenrichtlinie zugrunde gelegte Begriff des Wertpapiers bei näherer Betrachtung keine großen Abweichungen zur Finalitätsrichtlinie. Zwar begnügt sich die Finanzsicherheitenrichtlinie anders als ihr Vorläufer nicht mit einem bloßen Verweis auf die Liste der Instrumente im Anhang zur MiFID, sondern stellt eine eigene zweistufige Definition auf. Der Sache nach lässt sich aber eine gewisse Nähe zum Verständnis der MiFID ausmachen. Zunächst nimmt die einschlägige Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie für die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ den Terminus der „Finanzinstrumente“ in Bezug, der zur Trias der für die Richtlinie zulässigen Sicherheitsgegenstände gehört. Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie interpretiert diesen Gegenstand weit: Finanzinstrumente werden umschrieben als Aktien und gleichzustellende Wertpapiere, Schuldverschreibungen oder sonstige verbriefte und unverbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können. Überdies sind alle anderen üblicherweise gehandelten Titel einbezogen, die zum Erwerb solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen,67 was auf die verschiedenen Derivate auf der Grundlage von Wertpapieren abzielt.68 Explizit als Titel eingeschlossen sind zudem Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen sowie Geldmarktinstrumente. In einer abschließenden Generalklausel werden jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit irgendeinem der aufgezählten Aktiva inkludiert. Beim Vergleich der autonomen Begriffsbestimmung mit der Liste von Finanzinstrumenten in der MiFID zeigt sich letztere im Bereich der Derivate etwas vielfältiger und lässt weitere Basiswerte für die Kontrakte zu. Im Übrigen aber ist die Definition der Finanzsicherheitenrichtlinie auf die gleichen Kernelemente zurückzuführen: Sogar ausdrücklich betont sie, dass die klassische Verbriefung des Instruments bedeutungslos ist. Hierin liegt kein Widerspruch zur Verwendung des Begriffs des „Besitzes“ an
67
Ausdrücklich ausgenommen sind Zahlungsmittel. Vgl. Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 222 (Optionen und Futures). 68
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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mehreren Stellen des Rechtsaktes,69 darunter auch der Kollisionsnorm.70 Wieder handelt es sich im Vergleich mit den anderen Sprachfassungen71 um eine fragwürdige terminologische Eigenheit der deutschen Fassung. So verdeutlicht bereits Art. 2 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie, dass „Besitz“ nicht streng im Sinne des nationalen materiellen Rechts gelesen werden darf, sondern offen für jegliche Form der Kontrolle über den Sicherheitsgegenstand sein muss.72 Ein Rückschluss auf eine vorausgesetzte Körperlichkeit scheidet daher auch insofern aus. Insgesamt verbleibt für den Wertpapierbegriff der Finanzsicherheitenrichtlinie als maßgebliches Kriterium die Handelbarkeit des Titels an den Kapitalmärkten. Nicht zum Massenhandel geeignete Unternehmensbeteiligungen wie Anteile an einer Personengesellschaft oder GmbH fallen auf diese Weise heraus.73 Auch hier steht die Fungibilität und Umlauffähigkeit des Instruments im Mittelpunkt. 3.
Ausrichtung auf das Effektengiro
Bereits nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut richtet sich die Kollisionsvorschrift des Art. 9 Abs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie lediglich auf die am Effektengiro teilnehmenden Wertpapiere. Im Gegensatz zur Finalitätsrichtlinie vermeidet sie dabei jegliche Qualifikation der konkreten Verbuchung. Ohne weiteres lässt sich daher die von ihr verwendete Umschreibung „im Effektengiro übertragbar“74 in dem faktischen Sinne verstehen, der nach hier vertretener Ansicht auch für das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ in der Finalitätsrichtlinie zugrunde zu legen ist: Das Schicksal 69 Symptomatisch Art. 1 Abs. 5 UAbs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie: „Diese Richtlinie gilt für besitzgebundene Finanzsicherheiten, bei denen die Besitzverschaffung schriftlich nachgewiesen werden kann.“ 70 Art. 9 Abs. 2 lit. b) Finanzsicherheitenrichtlinie. 71 Stellvertretend die funktionale Umschreibung des Begriffes „provision“ in Art. 2 Abs. 2 S. 1 der englischen Version der Finanzsicherheitenrichtlinie, der in der deutschen Fassung teilweise mit „Besitzverschaffung“ übersetzt wird: „References in this Directive to financial collateral being ‘provided’, or to the ‘provision’ of financial collateral, are to the financial collateral being delivered, transferred, held, registered or otherwise designated so as to be in the possession or under the control of the collateral taker or of a person acting on the collateral taker’s behalf.“ 72 Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 50 f., sieht im Begriff der „besitzgebundenen“ Sicherheit in Art. 1 Abs. 5 UAbs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie dementsprechend zu Recht ein Redaktionsversehen bzw. einen Übersetzungsfehler. 73 Kieper, ZInsO 2003, S. 1109, 1111; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 125; Meyer/Rein, NZI 2004, S. 367, 368; Flöther/Bräuer, DZWiR 2004, S. 89, 91. 74 Ähnlich funktional die Umschreibung der anderen Sprachfassungen, vgl. „book entry securities“ in der englischen oder „instruments financiers transmissibles par inscription en compte“ in der französischen Version.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
des fraglichen Titels muss nur rein tatsächlich durch die Kontenbuchungen bestimmt werden, damit die Kollisionsnorm Geltung beanspruchen kann. Bestätigt wird diese Lesart durch die zugehörige Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie, nach der die Eigentumsverhältnisse bei den erfassten Finanzinstrumenten durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem Intermediär-geführten Depotkonto „nachgewiesen“ werden.75 Damit steht auch die lediglich dokumentierende, deklaratorische Wirkung der Gutschrift nach einer einzelstaatlichen Rechtsordnung einer Subsumtion nicht entgegen. 4.
Spektrum der Rechtsstellungen des Kontoinhabers
Angesichts der offenen Formulierung scheint die Kollisionsnorm einen anderen Aspekt der verschiedenen materiellrechtlichen Konzeptionen des Effektenverwahrsystems ebenfalls bewältigen zu können: das Spektrum für die Rechtsstellung des Depotinhabers zwischen Sachen- und Schuldrecht in den verschiedenen Ländern. Anders als in der Vorgängernorm fehlt es allerdings im Wortlaut von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie selbst an einer ausdrücklichen Einbeziehung von mittelbaren „Rechten an Wertpapieren“ in den Bezugspunkt der Anknüpfungsregel.76 Zudem findet sich in der Rom I-VO über das internationale Schuldvertragsrecht keine Selbstbeschränkung gerade gegenüber der Finanzsicherheitenrichtlinie. Gleichwohl kann hieraus nicht geschlossen werden, dass die Norm bei entsprechender Depotkonstruktion nicht auch in den schuldrechtlichen Bereich ausgreifen würde. Hierfür lässt sich ganz allgemein schon die Absicht des Unionsgesetzgebers ins Feld führen, den Grundsatz der PRIMA-Anknüpfung im neuen Rechtsakt weiter auszudehnen.77 Wenn man der obigen Argumentation zum Anwendungsbereich der Finalitätsrichtlinie folgt, so ist im Interesse der beabsichtigten Amplifizierung konsequenterweise auch weiterhin das gesamte Spektrum an materiellrechtlicher Ausgestaltung einzuschließen. Darüber hinaus ergibt sich die umfassende Geltung aber auch originär aus den Definitionsketten der Finanzsicherheitenrichtlinie. Zunächst folgt nichts Gegenteiliges aus dem Begriff der „Eigentumsverhältnisse“ in der Begriffsbestimmung zu „im Effektengiro übertragba75
S. a. „financial instruments, title to which is evidenced by entries in a register or account maintained by or on behalf of an intermediary“ und „instruments financiers livrés en vertu d’un contrat de garantie financière dont le droit sur ou relatif est attesté par une inscription dans un registre ou sur un compte tenu par un intermédiaire ou pour son compte“ in der englischen und französischen Fassung (Hervorhebungen durch Verf.). 76 Hierauf weist Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 67, hin. 77 S. Erwägungsgrund 7 Finanzsicherheitenrichtlinie.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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ren Wertpapieren“. Der Gebrauch des Wortes ist angesichts der neutraleren anderen Sprachfassungen78 nicht als ein bewusster Ausschluss von Inhaberstellungen an Forderungen zu deuten, wie sie im Rahmen eines schuldrechtlichen Wertpapierliefersystems nach deutscher Dogmatik anzunehmen wären. Vielmehr ist insofern eine Eigentum und Inhaberschaft umfassende Auslegung in Betracht zu ziehen. Deren erste Stütze findet sich in der Umschreibung des Art. 2 Abs. 1 lit. b) Finanzsicherheitenrichtlinie für die erste Modalität einer Sicherheitsbestellung, die Vollrechtsübertragung: Neben der „vollständigen Übereignung“ ist dort die Rede von der „Zession eines Finanzaktivums“.79 Entscheidend ist sodann die vielschichtige Legaldefinition der Finanzinstrumente in Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie. Neben verbrieften Wertpapieren werden wie dargelegt auch unverbriefte Schuldtitel80 und Bezugsrechte einbezogen. Mithin erfasst die Norm zunächst schon die eher schuldrechtlich zu qualifizierenden, standardisierten Aktiva, die von vornherein keine Verdinglichung erfahren haben. Darüber hinaus ist aber auch die schuldrechtliche Berechtigung an einem tatsächlich verbrieften Wertpapier erfasst. Über die weitgreifende Einzelaufzählung von Instrumenten hinaus ergänzt der europäische Gesetzgeber die Liste nämlich in einer abschließenden Formel um „jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit irgendeinem der vorgenannten Aktiva“. Als Gegenstand einer Finanzsicherheit bedarf es folglich nicht unmittelbar des Kapitalmarkttitels selbst. Ausreichend ist die mittelbare Berechtigung am Instrument, ja sogar ein Recht, das nur „im Zusammenhang“ mit dem Titel steht. Der drohenden Uferlosigkeit angesichts der Generalklausel ist mit einer Rückbesinnung auf den Anfang der Definitionskette zu begegnen: Auch Ansprüche auf Wertpapiere fallen nur dann unter die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“, wenn die Stellung als ihr Inhaber durch Kontobuchung oder Registereintrag nachgewiesen wird. Anders ausgedrückt 78
In der englischen Version von Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie: „financial instruments, title to which is evidenced by entries “, in der französischen: „instruments financiers […] dont le droit sur ou relatif est attesté par une inscription“ (Hervorhebungen durch Verf.). 79 Der Begriff der „Zession“ war bereits vor Einbeziehung der schuldrechtlichen Kreditforderungen durch die Richtlinie 2009/44/EG in den Kreis der zulässigen Sicherheitsgegenstände enthalten. Zuzugestehen ist allerdings, dass man die Zession auch allein auf die schon anfänglich zu den Finanzinstrumenten bestehende Alternative der Barsicherheit beziehen könnte. 80 Bereits hierunter will Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 95, die schuldrechtlichen deutschen WR-Gutschriften subsumieren. Da diese Gutschriften selbst aber nicht unmittelbar am Kapitalmarkt gehandelt, sondern vielmehr durch die deutsche Depotbank bei Anschaffung eines ausländischen Titels erteilt werden, dürften sie eher den gleichgestellten mittelbaren Berechtigungen zuzuordnen sein; hierzu sogleich.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
entscheidet also die faktische Teilnahme am Kontensystem des Effektengiros.81 In den Begriffsbestimmungen der Finanzsicherheitenrichtlinie ist somit eine Klausel enthalten, die in ihrer Funktion der dargestellten unmittelbaren Erweiterung der Kollisionsnorm des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie um „Rechte an Wertpapieren“ entspricht. Wiederum ist der Ergänzung nicht zu entnehmen, dass die Berechtigung am Kapitalmarkttitel dinglichen Charakter aufweisen muss. Der verwendete Begriff „Anspruch“82 verdeutlicht im Gegenteil gerade die Einbeziehung auch schuldrechtlicher Positionen wie etwa der deutschen WR-Gutschrift. Für die Frage des Anwendungsbereichs der Kollisionsnorm des Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie folgt hieraus nichts anderes, als dass Sicherheiten im Effektengiro unabhängig von dessen materiellrechtlicher Konzeption erfasst sind.83 Im Falle einer schuldrechtlichen Ausgestaltung des Depotsystems verdrängt auch ihre ordnungsgemäße nationale Umsetzung gemäß Art. 23 Rom I-VO partiell das europäische internationale Schuldrecht.
81
Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 94, verlangt demgegenüber zur Begrenzung „dingliche Attribute“ von den schuldrechtlichen Berechtigungen, die er auf eine von der Richtlinie geforderte Drittwirksamkeit der Berechtigung des Sicherungsnehmers stützt. Dem sei hier nur entgegengehalten, dass auch die schuldrechtliche Inhaberstellung Wirksamkeit gegenüber konkurrierenden Dritten entfaltet. Zudem findet wie dargestellt die sachenrechtliche Terminologie – etwa in Erwägungsgrund 8 S. 3 der Richtlinie („Wirksamkeit der Sicherheit gegenüber konkurrierenden Eigentums- oder sonstigen dinglichen Rechten“) – keine Bestätigung in den anderen Sprachfassungen (z. B. „validity against any competing title or interest“; „l’opposabilité à tout titre ou droit concurrent“). Als Abgrenzung kann daher die rechtliche Nähe zum dinglichen Eigentum nicht entscheidend sein, sondern nur die faktische Teilnahme am Effektengiro, die u. a. durch Fungibilität ermöglicht wird. 82 Deutlich auch die entsprechenden Termini in anderen Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie: „claims relating to […] any of the foregoing“ in der englischen, „les créances relatives à ces différents éléments“ in der französischen Version. 83 Mit unterschiedlicher Argumentation für die Einbeziehung schuldrechtlicher depotrechtlicher Konstruktionen, insbesondere der deutschen WR-Gutschrift: Herring/ Cristea, ZIP 2004, S. 1627, 1633; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 184, 286; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 94 f.; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 67 f.; Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 98 f., 158; von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht (2009), § 75 Rdnr. 40; wohl auch MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 192. Mit gewissen Zweifeln auch MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 243.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
5.
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Internationales Insolvenzrecht und Finanzsicherheitenrichtlinie
Im Verhältnis zum internationalen Insolvenzrecht ergeben sich für Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie – anders als für den Prototyp in der Finalitätsrichtlinie – keine besonderen Abgrenzungsprobleme. Anhaltspunkte für die situative Beschränkung auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren, geschweige denn für die Einordnung als international-insolvenzrechtliche Vorschrift, fehlen bei der neuen Kollisionsvorschrift.84 Vielmehr verweist der Katalog an erfassten Regelungsgegenständen in Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie mit Einzelfragen wie der Rechtsnatur der als Sicherheit verbuchten Titel, der Bestellung der Sicherheit und ihrer Wirksamkeit gegenüber Dritten auf Aspekte, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Insolvenz stehen. Das für ein Insolvenzverfahren maßgebliche Recht ist daher in Bezug auf die Finanzsicherheiten nach allgemeinen Regeln zu bestimmen.85 Die Finanzsicherheitenrichtlinie enthält zwar durchaus insolvenzrechtliche Regelungen,86 die sich jedoch allesamt auf das materielle Recht beziehen. Finanzsicherheiten werden durch sie auch nicht völlig von den Wirkungen eines Verfahrens ausgenommen,87 wie etwa die mögliche Anfechtung der Sicherheitsbestellung wegen Gläubigerbenachteilung zeigt. Zudem führen sie nur in den Mitglied-, nicht aber in Drittstaaten zur Harmonisierung. Von entscheidendem Interesse für Finanzsicherheiten bleiben daher weiterhin – in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich – die international-insolvenzrechtlichen Regelungen (ggf. national transformiert) in Art. 8 Finalitätsrichtlinie, in der EuInsVO, in den noch darzulegenden sektoralen Spezialregelungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie subsidiär im autonomen internationalen Insolvenzrecht. Hingegen beschränkt sich Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie als international-privatrechtliche Norm auf Fragen des anzuwendenden Sachen- und Schuldrechts.
84 I. E. ebenso Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.143 ff.; Haentjens, Harmonisation of Securities Law (2007), S. 239. 85 So deuten lässt sich auch der Hinweis in der Begründung der Kommission zum Vorschlag vom 27. März 2001 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., S. 8, wonach ein Institut generell dem Insolvenzrecht des Staates unterliegen soll, in dem es seinen Sitz hat oder gegründet wurde. 86 Die Richtlinie bezieht sowohl Liquidationsverfahren, Art. 2 Abs. 1 lit. j) Finanzsicherheitenrichtlinie, als auch Sanierungsmaßnahmen, Art. 2 Abs. 1 lit. k) Finanzsicherheitenrichtlinie, ein. 87 Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.146.
158 6.
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Katalog an Regelungsgegenständen
Eine Neuerung gegenüber der Finalitätsrichtlinie ist die Liste an geregelten Einzelfragen in Absatz 2 von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie, auf die die eigentliche Verweisung in Absatz 1 Satz 1 Bezug nimmt. Die Aufzählung ist inspiriert durch die zeitgleich stattfindenden Vorarbeiten zum HWpÜ, wo in Art. 2 eine entsprechende Liste erfasster Fragen vorgesehen ist. Während des Gesetzgebungsverfahrens fand sogar eine Angleichung der erfassten Punkte an den neuen Stand der Haager Konferenz statt.88 Ähnlichkeiten bestehen aber auch zu sonstigen Normen des europäischen Kollisionsrechts, die die Reichweite des zur Anwendung berufenen Rechts regeln. So hat bereits Art. 10 Abs. 1 EVÜ für den Geltungsbereich des nach den Vorschriften des Übereinkommens auf Verträge anzuwendenden Rechts eine Liste von bestimmten Fragen benannt, was in Art. 12 Abs. 1 der Rom I-VO und Art. 15 Rom II-VO fortgeführt wird. Während die Aufzählung in jenen europäischen Normen aber nur eine nicht abschließende Konkretisierung dessen darstellt, was zum Geltungsbereich des für vertragliche bzw. außervertragliche Schuldverhältnisse zur Anwendung berufenen Rechts gehört,89 ist der Katalog in Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie als abschließender Gegenstand gemeint und formuliert. Die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ fungieren in Abs. 1 von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie gerade nicht als übergeordneter abstrakter Verweisungsgegenstand, sondern nur als Bezugspunkt der in Abs. 2 geregelten Einzelfragen.90 Lässt man die Möglichkeit zur überschießenden Umsetzung der Richtlinienbestimmung außer Betracht, birgt diese Methode einer enumerativen Positivliste das Risiko von Lücken im Anwendungsbereich. Realisiert hat sich die Gefahr der Gesetzestechnik aber wohl nicht: Bei Auslegung der einzelnen Elemente der Liste wird ein Bestreben des europäischen Gesetzgebers deutlich, die für das rechtliche Schicksal der Sicherheit wesentlichen Punkte abzudecken. Trotz der Ver88 Vgl. die Begründung des Rates zum von ihm am 5. März 2002 festgelegten Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 32/2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... über Finanzsicherheiten, ABl. C 119 E 12 vom 22.5.2002, S. 12, 25. 89 Vgl. den Wortlaut von Art. 10 EVÜ, Art. 12 Rom I-VO und Art. 15 Rom II-VO: „Das nach […] anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für […]“ (Hervorhebung durch Verf.). 90 So auch die anderen Sprachfassungen: „Any question with respect to any of the matters specified in paragraph 2 arising in relation to book entry securities collateral shall be governed by […]“ in der englischen, „Toute question concernant l’un des éléments énumérés au paragraphe 2 qui se pose au sujet d’une garantie sous forme d’instruments financiers transmissibles par inscription en compte est réglée selon […]“ in der französischen Fassung von Art. 9 Abs. 1 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie (Hervorhebungen durch Verf.).
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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wendung einer Positivliste gilt im Ergebnis von der Begründung der Sicherheit über ihre Wirkung gegenüber Dritten bis hin zum Schlusspunkt ihrer Verwertung eine einheitliche Rechtsordnung. Zunächst sind nach Buchstabe a) von Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie die eher statischen Fragen der „Rechtsnatur und dinglichen Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren“ erfasst. Dies kann man als Bestätigung der oben vorgeschlagenen Auslegung sehen: Die Kollisionsnorm zeigt sich neutral gegenüber dem materiellrechtlichen Charakter der mit der Gutschrift von Wertpapieren (als Sicherungsgut) verbundenen Rechtsstellung. Deren Ausgestaltung zwischen Sachen- und Schuldrecht überlässt sie dem anwendbaren materiellen Recht. Nicht gemeint ist dagegen zum einen, dass Rechtsnatur und Wirkungen des Sicherungsgeschäfts geregelt werden sollen.91 Nach der englischen Fassung von Buchstabe a) wird die Rechtsnatur des „collateral“ und eben nicht die des „collateral arrangement“ angeknüpft. Zum anderen darf der Buchstabe aber auch nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Statut der Finanzsicherheitenrichtlinie Aussagen über die Rechtsnatur des in der Gutschrift verkörperten Rechts treffen darf, etwa über die gesellschaftsrechtliche Stellung als Aktionär und deren Übertragungsweg. Diesbezügliche Fragen bleiben dem nach allgemeinen Kollisionsregeln zu bestimmenden Hauptstatut, nach klassischer Terminologie also dem Wertpapierrechtsstatut, überlassen.92 Über die aktienrechtliche Stellung entscheidet weiterhin nur das internationale Gesellschaftsrecht. Weiterhin unterwirft Buchstabe b) der Liste die Anforderungen an Sicherheitenbestellung und Besitzverschaffung sowie die für die absolute Wirksamkeit erforderlichen Rechtshandlungen, mithin eher dynamische Fragestellungen, dem Statut der Richtlinie. Anders ausgedrückt sind alle die Drittwirksamkeit betreffenden Voraussetzungen einer Verfügung (zu Sicherungszwecken) dem anwendbaren Recht unterworfen. Hierin liegt die Klärung eines fraglichen Punktes der Finalitätsrichtlinie: Dort war gerade zweifelhaft, ob auch die Begründung des Sicherungsrechts geregelt werden 91
Aspekte der Verfügung, die Dritte betreffen, unterliegen Buchstabe b). A. A. Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 68. 92 Unklar Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 814, der die Frage nach dem Vorliegen eines im Effektengiro übertragbaren Wertpapieres als dem „Wertpapierstatut“ entzogen sieht. Zum fortbestehenden Primat des Wertpapierrechtsstatuts s. a. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 185; Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 362; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 197. Weitere Erwägungen hinsichtlich des Zusammenspiels von Wertpapierrechts- und -sachstatut unten zur nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG § 7 B. IV.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
sollte. Zwar nennt der einschlägige Erwägungsgrund 8 S. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie parallel zu Erwägungsgrund 20 der Finalitätsrichtlinie wiederum Wirksamkeit und Verwertung der Sicherheit als Gegenstand.93 Abgesehen davon, dass die eigentliche Norm sogar wörtlich die Sicherheitenbestellung einbezieht, kann man den Erwägungsgrund der Finanzsicherheitenrichtlinie jedoch auch im Sinne einer Forderung nach Gleichbehandlung von dynamischer Bestellung, statischer Wirksamkeit und finaler Verwertung verstehen.94 Die Finanzsicherheitenrichtlinie deckt daher mit ihrem Regelungsgegenstand Rechtsbegründungs- wie Rechtswirkungsstatut ab.95 Nach Buchstabe c) soll zudem die Frage, ob die Rechte an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren durch konkurrierende Rechte eines Dritten verdrängt werden oder diesen gegenüber nachrangig sind oder ein gutgläubiger Erwerb eingetreten ist, nach dem anzuwendenden Recht beurteilt werden.96 Ausdrücklich wird also die Priorität unter konkurrierenden Rechtsstellungen dem zu bestimmenden Statut zugeordnet.97 Ob damit aber die bereits zur Finalitätsrichtlinie erörterte brisante Problematik konkurrierender Empfängerrechtsordnungen gelöst ist, wird im Rahmen der Analyse des Verweisungsmomentes zu erörtern sein. Der abschließende Buchstabe d) ordnet die zur Verwertung von Sicherheiten erforderlichen Schritte nach Eintritt des Verwertungs- bzw. Beendigungsfalls98 ebenfalls dem zu bestimmenden Statut zu. II. Persönlicher Anwendungsbereich Angesichts der bislang erörterten Parallelen und Klarstellungen aufgeworfener Zweifelsfragen liegt die mit Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie beabsichtigte Ausweitung offensichtlich weniger in sachlicher Hinsicht. Dage93 Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.141, erwägt, hieraus eine zusätzliche Anwendungsvoraussetzung für die Kollisionsnorm abzuleiten. 94 Vgl. im Wortlaut: „Hat der Sicherungsnehmer eine Sicherheit inne, die nach dem Recht des Landes, in dem sich das maßgebliche Konto befindet, wirksam ist, sollte auch für die Wirksamkeit der Sicherheit gegenüber konkurrierenden Eigentums- oder sonstigen dinglichen Rechten und für ihre Verwertung ausschließlich das Recht dieses Landes maßgebend sein, […]“ (Hervorhebung durch Verf.). 95 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 230. 96 Hinzuweisen ist auch an dieser Stelle darauf, dass die deutsche dingliche Terminologie („Eigentum oder sonstige dingliche Rechte“) den anderen Sprachfassungen nicht entspricht, vgl. nur „a person’s title to or interest in such book entry securities collateral“ in der englischen Version. 97 Vgl. zur Zielsetzung auch Erwägungsgrund 9 S. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie. 98 Näher konkretisiert ist dieser Fall in Art. 2 Abs. 1 lit. l) Finanzsicherheitenrichtlinie.
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gen ist in persönlicher Hinsicht tatsächlich eine Extension gegenüber der Vorgängernorm festzustellen. Allgemein wird insofern auf die nach der Liste in Art. 1 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie zulässigen Parteien abgestellt.99 Im Ergebnis ist dem zuzustimmen, was aber kurzer Begründung bedarf. Unmittelbar ist der Kollisionsnorm als solcher keine personelle Einschränkung zu entnehmen. In der deutschen Fassung zeigt selbst die betreffende Legaldefinition100 nur vage, dass die „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ nur in ihrer Funktion als Sicherungsgut für die zwischen bestimmten Personen geschlossenen Geschäfte angeknüpft werden. Eben dies ist ausweislich der übrigen Sprachversionen aber beabsichtigt: Die Anknüpfungsregel soll nur dann eingreifen, wenn im Rahmen der auch persönlich definierten financial collateral arrangements Finanzinstrumente als Variante des zulässigen financial collateral bereit gestellt werden.101 In der Folge reicht die Kollisionsnorm über die direkten Teilnehmer von Wertpapierliefer- und -abwicklungssystemen hinaus, bleibt aber dennoch auf andere Weise beschränkt. Wie bereits dargelegt werden zwar Geschäfte unter öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Zentralbanken und beaufsichtigten Finanzinstituten durchgängig von der Richtlinie berücksichtigt. Sicherungsgeschäfte von Kaufleuten außerhalb des Finanzsektors sind demgegenüber nur mit einem Vertragspartner aus dem erstgenannten Personenkreis erfasst. Zudem besteht insofern für den umsetzenden Mitgliedstaat die Möglichkeit zum Opt-out, die sich konsequenterweise auf die kollisionsrechtliche Regelung erstrecken muss. Von vornherein als Partei des Sicherungsgeschäfts ausgeschlossen sind Nichtkaufleute, womit letztlich das Privatkundengeschäft der Depotbanken gänzlich unberührt bleibt. Trotz der verbliebenen Ausnahmen ist jedoch eine Ausweitung von zentraler Bedeutung festzuhalten: Die Finanzsicherheitenrichtlinie zeigt sich gleichgültig gegenüber dem Standort der Finanzmarktakteure in der Verwahrpyramide. Erfasste Finanzinstitute können wie die direkten Systemteilnehmer der Finalitätsrichtlinie auf oberster Stufe in unmittelbarem Kontakt mit dem Zentralverwahrer stehen. Ebenso gut können sie aber auch auf einer niedrigeren Stufe nur über eine Kontoverbindung mit einem Intermediär verfügen. Die Kaufleute außerhalb des Finanzsektors dürften sogar regelmäßig auf unterster Ebene des Kontensystems anzusiedeln sein. 99
S. nur Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 543, 555; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 192; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 229. 100 Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie. 101 Eingängig die englische Fassung von Art. 2 Abs. 1 lit. g) Finanzsicherheitenrichtlinie: „[For the purpose of this Directive] ‘book entry securities collateral’ means financial collateral provided under a financial collateral arrangement which consists of financial instruments, […].“
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Anders als die Finalitätsrichtlinie ist die Finanzsicherheitenrichtlinie daher schon innerhalb ihres originären Anwendungsbereichs offen gegenüber mehrstufigen Verwahrsystemen, in denen potentiell auch mehrere Intermediäre eine Rolle spielen. III. Räumlicher Anwendungsbereich Räumlich reicht die Kollisionsnorm ebenfalls weiter als ihr Vorläufer. Zunächst beansprucht die Norm territorial in allen Mitgliedstaaten102 Geltung, da sie wie die Finalitätsrichtlinie auf der Kompetenzgrundlage des Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EG) beruht. Außerdem findet sie in den drei übrigen Mitgliedstaaten des EWR Anwendung.103 1.
Drittstaatlich verbuchte Wertpapiere
Während Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie räumlich aber noch allein auf die in einem „Mitgliedstaat“ verbuchten Wertpapiere verweist, beruft Art. 9 Abs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie allgemein das Recht des „Landes“ zur Anwendung, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. Hierbei handelt es sich nicht um ein Redaktionsversehen: Im ursprünglichen Richtlinienentwurf der Kommission fand sich in der damaligen Version der Kollisionsnorm in Art. 10 Abs. 1 S. 1 sogar der explizite Hinweis, dass es sich bei dem maßgeblichen Ort der Kontoführung nicht zwingend um einen Mitgliedstaat handeln muss.104 In der Entwurfsbegründung führt die Kommission an, dass der Sicherheitsgegenstand einer Finanzsicherheit häufig aus in verschiedenen, auch dritten Staaten verbuchten Wertpapieren bestehe. Gewährleistet werden müsse hierfür ein klarer, konsistenter Ansatz im Kollisionsrecht.105 In der finalen Fassung fehlt zwar die ausdrückliche Einbeziehung drittstaatlich verbuchter Wertpapiere. Dies darf aber nicht so ausgelegt werden, dass sich die endgültige Kollisionsnorm nurmehr auf die Kontoführung in der Union beschränkt. Weiterhin ist nämlich nur in der Kollisionsvorschrift und den zugehörigen Erwägungsgründen 7 und 8 die Rede von einem „Land“, in den übrigen Bestimmungen der Richtlinie dagegen durchgängig von den „Mitgliedstaaten“. Auch die anderen Sprachfassungen heben die 102 Adressat des Rechtsaktes sind nach Art. 13 Finanzsicherheitenrichtlinie die Mitgliedstaaten ohne Einschränkung. 103 Gemäß Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 106/2004 vom 9. Juli 2004 ist die Richtlinie unter Nr. 4 in den Anhang XII des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen worden. 104 Ähnlicher Hinweis auch in Erwägungsgrund 8 S. 3 des damaligen Entwurfs. 105 Begründung der Kommission zum Vorschlag vom 27. März 2001 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., S. 12.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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Kollisionsnorm vergleichbar terminologisch ab.106 Demnach erstreckt sich Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie auf mitglied- und drittstaatlich verbuchte Wertpapiere.107 Der Artikel enthält schon in seinem originären Bereich nicht nur eine mehrseitige, sondern eine allseitige, auch Drittländer einbeziehende Verweisung. 2.
Räumlich-persönlicher Unionsbezug
Allerdings sind in der Literatur Bedenken geäußert worden, ob die Kollisionsnorm nicht doch noch in räumlich-persönlicher Hinsicht intraunional beschränkt bleibe.108 Das nach Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie ermittelte Recht könne zwar auch das eines Drittlandes sein, dies aber nur im Verhältnis zu Mitgliedstaaten.109 Konkret ist damit wohl die Konstellation gemeint, dass im Rahmen eines Sicherheitsgeschäfts zwischen beiderseits mitgliedstaatlichen Parteien eine Sicherheit an drittstaatlich verbuchten Wertpapieren bestellt wird.110 Im Kern setzt diese Position dementsprechend voraus, dass die Richtlinie nur Vertragsparteien aus dem Binnenmarkt in ihren Rechtsrahmen aufnimmt.111 Gerade hieran bestehen aber erhebliche Zweifel. Wiederum fand sich im ursprünglichen Richtlinienentwurf der Kommission eine ausdrückliche Regelung: Im Rahmen der damaligen Definition von Sicherungsgeber und -nehmer in Art. 3 Abs. 1 lit. e) und f) des Entwurfs wurde jeweils klargestellt, dass die betreffende Partei des Sicherungsgeschäfts nicht aus einem Mitgliedstaat stammen muss. Die Einbeziehung von Verträgen zwischen Parteien aus der Union und einem Drittland wurde gerechtfertigt in Erwägungsgrund 9 des Entwurfs; vertiefte Erwägungen fanden sich in der Ent-
106 Etwa „law of the country in which the relevant account is maintained“ im Gegensatz zu „Member States“ in der englischen, „la loi du pays où le compte pertinent est situé“ im Gegensatz zu „les États membres“ in der französischen Fassung. 107 Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.134. 108 Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 133; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 98. Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 297, sieht in der Richtlinie insofern keine Vorgaben, so dass auch eine auf Binnenverhältnisse beschränkte nationale Umsetzung möglich sei. 109 Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 133. 110 So jedenfalls das Beispiel bei Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 98. 111 In sich konsequent daher die Auslegung des persönlichen Anwendungsbereichs durch Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 128, wonach nur Institutionen und Institute aus der Gemeinschaft sowie einzelne supranationale Organisationen von der Richtlinie erfasst seien. Ebenso die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Richtlinie, s. BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 18.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
wurfsbegründung.112 Demnach sollte die insolvenzrechtliche Privilegierung drittstaatlicher Akteure letztlich europäischen Vertragspartnern erleichtern, Sicherheitsvereinbarungen im Ausland zu schließen. In der endgültigen Fassung der Richtlinie ist die explizite Einbeziehung drittstaatlicher Institutionen entfallen. Im Ergebnis dürfte gleichwohl auch hier eine entsprechende inhaltliche Änderung zu verneinen sein.113 Der Wortlaut der Kategorien zulässiger Vertragsparteien in Art. 1 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie steht weiterhin fast durchgängig114 Akteuren aus Drittstaaten gegenüber offen. So werden bestimmte Stellen der Mitgliedstaaten gesondert für die unter Buchstabe a) erfassten öffentlichrechtlichen Körperschaften benannt, dies aber nicht in abschließender Weise. Unter Buchstabe b) sind anders als in der Finalitätsrichtlinie, welche nur Zentralbanken der Mitgliedstaaten als Sicherungsnehmer zulässt, Zentralbanken ohne einschränkenden Zusatz einbezogen.115 Der folgende Buchstabe c) erstreckt sich auf beaufsichtigte Finanzinstitute, ohne gerade eine mitgliedstaatliche Aufsicht zu fordern. Zwar verweist er zur Konkretisierung auf die sektoralen Richtlinien der Union für Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen usw. Zum einen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine erschöpfende Aufzählung, zum anderen wird bei genauerer Betrachtung nur auf die jeweilige abstrakte Definition der betreffenden Institute verwiesen, welche in den einzelnen Rechtsakten durchaus auch in Bezug auf drittstaatliche Unternehmen verwendet wird.116 Die nach dem abschließenden Buchstaben e) optional erfassten Kaufleute 112
Begründung der Kommission zum Vorschlag vom 27. März 2001 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., S. 8. 113 Ebenfalls für die Erstreckung auf drittstaatliche Sicherungsgeber und -nehmer Löber, BKR 2002, S. 601, 602; Alexander, 18 JIBFL 56, 58 (2003), und ders. in: Andenas/Avgerinos, Financial Markets in Europe (2003), S. 121, 131 (allerdings legt Alexander – der Sache nach – offenbar noch die Fassung des Kommissionsentwurfs zugrunde). 114 Mit der Ausnahme der zentralen Einrichtungen nach der Finalitätsrichtlinie unter Buchstabe d), die einer Aufsicht nach dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen müssen. 115 A. A. Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 48, der offenbar nur die Zentralbanken des Eurosystems erfasst sieht. Mittelbar ließe sich dies auf Erwägungsgrund 12 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie stützen, der die Zentralbanken der an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten in Bezug nimmt; im Wortlaut der Parteidefinition ist dies aber gerade nicht verankert worden. 116 So wird der in Art. 4 Nr. 1 Verordnung (EU) 575/2013 definierte Begriff „Kreditinstitut“ im Rahmen des Titels VI der Richtlinie 2013/36/EU verwendet, der sich mit den Beziehungen zu Drittstaaten und deren Unternehmen beschäftigt; ähnlich in Bezug auf „Wertpapierfirma“ in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID der Wortlaut etwa von Art. 15 Abs. 2 MiFID („Wertpapierfirmen dieses Drittlandes“).
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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außerhalb des Finanzsektors sind ebenfalls nicht nach ihrer Herkunft qualifiziert. Die Berücksichtigung drittstaatlicher Akteure als Partei des Sicherungsgeschäfts muss sich über die Kollisionsnorm hinaus konsequenterweise auch auf den materiell- und insolvenzrechtlichen Rechtsrahmen der Richtlinie erstrecken.117 Insofern werden aber gravierende Auswirkungen durch das unangetastet bleibende allgemeine Kollisionsrecht verhindert: Die in Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie im Schuld-, Sachen- und Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten gewährte Privilegierung kommt den drittstaatlichen Institutionen und Instituten letztlich nur dann zugute, wenn sie nach den allgemeinen Regeln des internationalen Schuld-, Sachen- und Insolvenzrechts überhaupt mitgliedstaatlichem Recht unterliegen.118 Zudem ist natürlich die territoriale Reichweite der europäischen Richtlinie zu beachten: Der dem mitgliedstaatlichen Sicherungsnehmer in seinem Heimatland gewährte insolvenzrechtliche Schutz nützt ihm im Fall des im Heimatland des drittstaatlichen Sicherungsgebers eröffneten Insolvenzverfahrens vor den dortigen Gerichten wenig.119 Einer vollständigen Abdeckung drittstaatlicher Sachverhalte (jedenfalls im Rahmen der Kollisionsvorschrift) steht schließlich auch nicht die zugrunde liegende Kompetenznorm des Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EG) mit ihrem Binnenmarktbezug entgegen. Wertungsmäßig liegen die unstreitig erfassten Sicherungsgeschäfte zwischen zwei mitgliedstaatlichen Parteien an drittstaatlich verbuchten Wertpapieren einerseits und die Geschäfte zwischen einer mitglied- und einer drittstaatlichen Partei an drittstaatlich verbuchten Wertpapieren andererseits nahe beieinander; in beiden Fällen würde divergierendes Kollisionsrecht zu vergleichbarer Rechtsunsicherheit in den Mitgliedstaaten führen und damit potentiell das Binnenmarktziel beeinträchtigen.120 Zur Abrundung und Vermeidung letzter Divergenzen 117 Dementsprechend liegt in Deutschland ein partielles Umsetzungsdefizit vor: Kollisionsrechtlich werden drittstaatliche Vertragspartner zwar durch die universelle Verweisung in § 17 a DepotG vollständig berücksichtigt, materiellrechtlich sind nach § 1 Abs. 17 S. 4 KWG aber nur Sicherungsgeber aus Drittstaaten einbezogen. 118 Alexander, 18 JIBFL 56, 58 (2003); ders., in: Andenas/Avgerinos, Financial Markets in Europe (2003), S. 121, 131. 119 Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 128. 120 Dies entspricht der von Basedow hinsichtlich Art. 95 EG geforderten Gleichbehandlung von drittstaatlichen Konstellationen mit Bezug zu nur einem Mitgliedstaat und drittstaatlichen Konstellationen mit Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten, s. ders., 37 CML Rev. 687, 704 (2000), und ders., in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im Kollisionsrecht (2002), S. 41. Zur parallelen Diskussion um das Merkmal der Erforderlichkeit für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes in Art. 65 lit. b) EG s. etwa einerseits Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, S. 225, 229 f.; Wagner, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 119, 144 ff.; Dohrn, Die Kompetenzen der EG im IPR (2004), S. 124 ff; Staudinger, EuLF 2007, S. I-257, I-260; und andererseits Remien, 38 CML Rev. 53, 75 f. (2001). Der
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sollte dann auch die kollisionsrechtliche Regelung rein drittstaatlicher Sicherungsgeschäfte an drittstaatlich verbuchten Wertpapieren von der Kompetenzgrundlage gedeckt sein,121 wenn auch derartige Sachverhalte vor mitgliedstaatlichen Gerichten einer eher untergeordnete Rolle spielen dürften. C. Anknüpfungsmoment Art. 9 Abs. 1 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie verweist auf das Recht desjenigen Landes, in dem das „maßgebliche Konto“ geführt wird. Was unter diesem Konto zu verstehen ist, erschließt sich aus der betreffenden Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie. Es handelt sich um das Register oder Depotkonto, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt.122 In der englischen Fassung liegt in dieser Ausgestaltung ein direkter Anklang an den „place of the relevant intermediary approach“ – angeknüpft wird an das Land, in dem der „relevant account“ geführt wird.123 Auch in der deutschen Fassung hat sich die Kommission in ihrer Begründung des Richtlinienentwurfs auf die Anknüpfung nach dem PRIMA-Modell berufen.124 Wiederum sind daher die beiden Prüfsteine für die Anknüpfung nach Maßgabe dieses Ansatzes – die genaue Lokalisierung und die Vielzahl an Intermediären – zu erörtern. Vorab ist ein Blick auf Sinn und Zweck von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie hilfreich. Ausweislich der Erwägungsgründe des Rechtsaktes125 europäische Gesetzgeber hat ungeachtet der Bedenken auf der Grundlage des Art. 65 lit. b) EG universelles Kollisionsrecht geschaffen, vgl. Art. 3 Rom II-VO und Art. 2 Rom I-VO; zudem wird diesem Streit durch die Neufassung in Art. 81 AEUV („insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist“) weitestgehend die Grundlage entzogen. 121 S. a. W.-H. Roth, IPRax 2006, S. 338, 346 f., zum Gedanken der Administrierbarkeit des Kollisionsrechts, der allgemein gegen gespaltenes Kollisionsrecht für Binnenmarkt- und Drittstaatensachverhalte spricht. 122 In der englischen Fassung von Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie „the register or account […] in which the entries are made by which that book entry securities collateral is provided to the collateral taker“, in der französischen „le registre ou le compte […] où sont portées les inscriptions par lesquelles les instruments financiers sont remis à titre de garantie au preneur“. 123 Man könnte insofern genauer auch von einem Place of the Relevant Account Approach (PRACA) sprechen, so Daigre/de Vauplane, Banque & Droit 87 (2003), S. 33, 35 f. Der Sache nach ist aber auch hier auf den Intermediär zu blicken, dazu sogleich. 124 Begründung der Kommission zum Vorschlag vom 27. März 2001 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., S. 12. 125 Insbesondere Erwägungsgrund 7 Finanzsicherheitenrichtlinie, allgemeiner auch Erwägungsgrund 4 S. 2 f. Finanzsicherheitenrichtlinie.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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dient die Norm der Ausweitung des kollisionsrechtlichen Grundsatzes der Finalitätsrichtlinie für Sicherheiten an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren. Dementsprechend sind im persönlichen und räumlichen Anwendungsbereich nicht unbedeutende Abweichungen gegenüber Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie zu verzeichnen. Hingegen lässt die Zielsetzung für das Verweisungsmoment vermuten, dass dieser Kern des kollisionsrechtlichen Ansatzes nicht grundlegend verändert werden sollte. Wenn sich daher im Rahmen einer genaueren Analyse Übereinstimmungen mit der Finalitätsrichtlinie ergeben, so ist nicht nur diese Hypothese bestätigt, sondern im Rückschluss zugleich auch die obige Auslegung des Vorläufers gestützt. I.
Lokalisierung des maßgeblichen Kontos
Zur genauen Ortsbestimmung stellt die Verweisung der Finanzsicherheitenrichtlinie auf den Ort ab, in dem das Konto geführt wird. 1.
Ort der Kontoführung und Ort des Kontos
Terminologisch unterscheidet sich damit der Ansatz der jüngeren Richtlinie – jedenfalls in der deutschen und englischen126, nicht aber in der französischen Fassung127 – von dem der Finalitätsrichtlinie. Das hat der Finanzsicherheitenrichtlinie den Vorwurf der Inkonsistenz mit dem Vorgänger eingebracht: Der Ort der Kontoführung sei nicht identisch mit dem dort herangezogenen Ort des Kontos.128 Dem ist zu erwidern, dass ein Konto wie ausgeführt kein körperlicher Gegenstand, sondern vielmehr eine vertragliche Beziehung über bestimmte kontobezogene Handlungen ist. Dann aber sind beide Orte der Sache nach letztlich gleichbedeutend.129 Es bleibt gar nichts anderes übrig, als die Handlungen des Intermediärs, mit-
126 Vgl. „law of the country in which the relevant account is maintained“ in Art. 9 Abs. 1 S. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie im Gegensatz zu „a register, account or centralised deposit system located in a Member State“ in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie (Hervorhebungen durch Verf.). 127 Vgl. „un registre, un compte ou auprès d’un système de dépôt centralisé situé dans un État membre“ in der Finalitätsrichtlinie und „la loi du pays où le compte pertinent est situé“ in der Finanzsicherheitenrichtlinie (Hervorhebungen durch Verf.). 128 So Haentjens, Harmonisation of Securities Law (2007), S. 39, 240, der aber zumindest einräumt, dass beide Varianten von PRIMA nicht notwendigerweise zu verschiedenen Ergebnissen führen. 129 Auch die Kommission sieht in der Differenz im Wortlaut zwischen Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie keine Differenz in der Sache, vgl. das Arbeitsdokument vom 3. Juli 2006, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910, S. 8. Ähnlich Potok, 15 JBFLP 204, 212 (2004).
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
hin die Kontoführung, in den Blick zu nehmen, wenn die Belegenheit nicht unmittelbar festzustellen ist.130 2.
Institutionen des Effektengiros
Weiter begründet auch die Tatsache, dass die Begriffsbestimmung des „maßgeblichen Kontos“ nur auf die zwei Einrichtungen Register und Depotkonto verweist, keine Abweichung gegenüber der Finalitätsrichtlinie, welche mit dem „zentralen Verwahrsystem“ noch eine dritte Institution nennt. Deren fehlende Erwähnung bringt nur zum Ausdruck, dass die erfassten Depotkonten auf allen Stufen der Verwahrpyramide angesiedelt sein können, was auch die höchste Ebene bei der Wertpapiersammelbank einschließt. Eine terminologisch gesonderte Erwähnung der zentralen Verwahrstelle erscheint daher entbehrlich. 3.
Wegfall der Lokalisierung in der Richtlinie
In der Praxis können wie oben ausgeführt einzelne Elemente der Kontoführung durch internes oder externes Outsourcing über verschiedene Länder und Rechtsordnungen verteilt sein. Eine Hilfestellung für derartige Zweifelsfälle sucht man auch in der neuen Richtlinie vergebens. Dies ist umso verwunderlicher, als der einschlägige Erwägungsgrund 8 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie fordert, dass die Belegenheit von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren, die als Finanzsicherheit gestellt und über einen oder mehrere Intermediäre zwischenverwahrt werden, bestimmt werden sollte. Die Diskrepanz zwischen Ziel- und Umsetzung ist nur mit einem Blick auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie zu erklären. So enthielt der Entwurf der Kommission in seinem Art. 10 Abs. 2 eine detaillierte Bestimmung des Ortes der Kontoführung. Wörtlich hieß es dort: Als Ort der Kontoführung im Sinne dieses Artikels zu jedem Zeitpunkt gilt a) die im Kontovertrag genannte Zweigstelle oder Niederlassung des maßgeblichen Intermediärs, sofern dieser das maßgebliche Konto zwecks Kontoauszugsübermittlung an die Kontoinhaber, zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen oder zu Rechnungslegungszwecken dieser Zweigstelle oder Niederlassung zuordnet; b) in allen anderen Fällen der Ort, an dem der maßgebliche Intermediär niedergelassen ist oder – sollte er das maßgebliche Konto über eine Zweigstelle führen – der Ort, an dem sich diese Zweigstelle befindet.131
130
Vgl. das Arbeitspapier der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 2 Fn. 2. 131 Vgl. den Text des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 312.
§ 4 Finanzsicherheitenrichtlinie
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Dass diese genauere Lokalisierung der Kontoführung entfallen ist, liegt an einer bemerkenswerten Rücksichtnahme auf die zeitgleich stattfindenden Vorarbeiten zum HWpÜ. Auch bei dem Übereinkommen wurden anfangs noch objektive Kriterien mit zumindest grundsätzlicher Ähnlichkeit zum Modell des Richtlinienentwurfs diskutiert.132 Mit der Begründung, dass den Mitgliedstaaten und der Kommission in der Haager Konferenz nicht die Hände gebunden sein sollten, gab der Rat in seinem Gemeinsamen Standpunkt vom März 2002 die eigenständige Regelung des Ortes auf.133 Nur noch der Grundsatz von PRIMA sei in der Richtlinie zu verankern, welche dann eventuell im Lichte der endgültigen Fassung des Übereinkommens überprüft werden müsse. Nach Verabschiedung der Richtlinie hat das Übereinkommen in Den Haag aber eine andere Wendung genommen. Eine primär objektive Verortung des Kontos wurde aufgegeben. Stattdessen ist in der endgültigen Fassung nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ zunächst diejenige Rechtsordnung maßgeblich, die allgemein für die Depotkontovereinbarung oder speziell für die dinglichen Fragen der verbuchten Wertpapiere gewählt wurde. Mehr als zweifelhaft erscheint, dass ohne eine Stellungnahme des Gesetzgebers für die Richtlinie dieser Schwenk allein im Wege der Auslegung des „Ortes der Kontoführung“ nachvollzogen werden kann.134 Ausweislich der Erwägungsgründe war gerade eine objektive Bestimmung der Belegenheit beabsichtigt.135 Später wurde denn auch im Zuge der Reform der Finanzsicherheitenrichtlinie erneut eine Festlegung von genaueren objekti132
S. die vorgeschlagenen Optionen für Art. 5 des Entwurfes zum HWpÜ vom Juli 2001, Prel. Doc. No 3 of July 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 145 ff., für Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs vom November 2001, Prel. Doc. No 6 of November 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 191 ff., und für Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs vom Dezember 2001, Prel. Doc. No 7 of December 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 201. 133 Vgl. die Begründung zum vom Rat am 5. März 2002 festgelegten Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 32/2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... über Finanzsicherheiten, ABl. C 119 E 12 vom 22.5.2002, S. 12, 25. 134 Dagegen auch Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 72. 135 Dementsprechend betrachtet die Kommission HWpÜ und europäische Vorschriften als unvereinbar, s. ihren Bewertungsbericht vom 20. Dezember 2006 über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG), KOM(2006)833 endg., S. 12, und das Arbeitsdokument der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 2. Ähnlich die zweite Empfehlung der die Kommission beratenden Arbeitsgruppe Rechtssicherheit vom August 2008, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, S. 20 f. In der Lit. etwa Girsberger/Guillaume, Journée 2003 de droit bancaire et financier, S. 15, 39; Paech/Löber, 22 JIBFL 9, 11 (2007).
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
ven Kriterien zur Ortsbestimmung erwogen.136 Angesichts anhaltender Diskussionen hielt die Kommission die Situation bei Vorlage des Entwurfs zur Reformrichtlinie 2009/44/EG jedoch für noch nicht reif genug, eine entsprechende Änderung vorzunehmen.137 Ohne Kriterien zur Lokalisierung hängt damit auch die Kollisionsnorm der Finanzsicherheitenrichtlinie weiterhin gleichsam „in der Luft“. 4.
Ortsbestimmung de lege lata
In der unklaren Situation mag ein Verweis auf den Ort, an dem eine Kontoführung „tatsächlich“ erfolgt und Verbuchungen vorgenommen werden,138 zunächst eher tautologisch wirken. Solange aber der Gesetzgeber keine Hierarchie objektiver Kriterien schafft und gleichzeitig einen Übergang zum subjektiven System des HWpÜ ablehnt, liegt hierin der einzig gangbare Ansatz zur Konkretisierung des embryonalen139 Verweisungsmoments. Denn auch für die jüngere Richtlinie gelten die oben zur Finalitätsrichtlinie angestellten grundsätzlichen Überlegungen zur Verortung des Kontos. Hier können sie zudem teilweise durch die Ortsbestimmung im Entwurf zur Richtlinie gestützt werden.140 Schließlich ist diese nicht aus inhaltlichen Gründen verworfen, sondern nur zur Verbesserung der Verhandlungsposition der europäischen Akteure in der Haager Konferenz zurückgestellt worden. Als erster wesentlicher Punkt ist dem Richtlinienentwurf zu entnehmen, dass die Tätigkeit der Kontoführung anhand einer bestimmten Zweigstelle oder Niederlassung des Intermediärs zu verorten ist. Zweiter bedeutsamer Punkt des Vorschlags ist die Identifikation der maßgeblichen Stelle anhand einer Betrachtung von so unterschiedlichen Aspekten wie der tatsächlichen Information des Kunden,141 der rechtlichen Aufsicht und der Zuordnung für Zwecke der Rechnungslegung. Zusammengenommen entsprechen bei136
Option 3 im Arbeitsdokument der Kommission vom 3. Juli 2006, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910, S. 22; Bewertungsbericht der Kommission vom 20. Dezember 2006 über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG), KOM(2006)833 endg., S. 13. 137 Arbeitspapier der Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment, S. 30. 138 Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 815. 139 So die Charakterisierung bei Keller, BKR 2003, S. 481, 483. 140 Für eine Orientierung an der gestrichenen Ortsbestimmung des Entwurfs Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 102, und Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 86, die jedoch nicht darauf eingehen, dass dieser primär subjektiv verortet, dazu sogleich. 141 Die deutsche Version als „Kontoauszugsübermittlung“ wirkt etwas enger als „reporting to its account holders“ in der englischen Fassung.
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de Punkte der zur Finalitätsrichtlinie vorgeschlagenen Suche nach der effektiv handelnden Stelle des Intermediärs unter Gesamtbetrachtung der Umstände. Das Vorgehen im Entwurf, primär die Benennung im Kontovertrag zu berücksichtigen und nur nachgelagert einer objektiven Würdigung zu unterziehen, wirft allerdings die Frage nach dem Verhältnis beider Elemente auf. Es besteht die Gefahr, dass letztlich der Weg zu einer fiktiven Verortung der Kontoführung geebnet wird. Die Genese des HWpÜ verdeutlicht den fließenden Übergang: Nachdem anfängliche Vorschläge einen dem Richtlinienentwurf vergleichbaren Ansatz verfolgten, entstand die Möglichkeit der Rechtswahl schlicht daraus, dass man statt der Benennung des Ortes der Kontoführung direkt die Benennung der Rechtsordnung zuließ.142 Die Maßgeblichkeit der im Kontovertrag bestimmten Zweigstelle mag das Argument der Rechtssicherheit für Depotkunden und -bank für sich haben, birgt gleichzeitig aber auch das Wesen einer Rechtswahl mit Wirkung für Dritte in sich. Solange der europäische Gesetzgeber eine objektive Anknüpfung wünscht, kann daher jedenfalls nicht vorrangig die im Depotkontovertrag bestimmte Zweigstelle herangezogen werden.143 II. Auswahl des maßgeblichen Kontos Stärker noch als die Finalitätsrichtlinie hat sich die Finanzsicherheitenrichtlinie der konzeptionellen Schlüsselfrage für PRIMA zu stellen: dem Umgang mit einer Mehrzahl involvierter Konten. Anders als ihr Vorgänger ist sie keinem einstufigen Bild verhaftet, sondern zeigt sich offen gegenüber Akteuren aus allen Stufen der Depotpyramide. Damit aber umfasst bereits ihr originärer Anwendungsbereich auch eine Beteiligung mehrerer Intermediäre. In sachlicher Hinsicht bleibt die Kollisionsvorschrift zwar immer noch auf Sicherungsgeschäfte beschränkt, so dass sich für Anfangsund Endpunkte der erfassten Transaktionen das Problem der Anonymität der Kapitalmärkte weitgehend erübrigt. Auch bei der Sicherheitsbestellung unter Umbuchungen sind aber dem Zentralverwahrer und anderen zwischengeschalteten Intermediären vorheriger und weiterer Weg der Titel nicht bekannt. Selbst ohne überschießende Umsetzung ist Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie daher mit der Vielzahl involvierter Konten konfrontiert, aus der eine Auswahl getroffen werden muss. 1.
Maßgeblichkeit des Sicherungsnehmers
Diese Auswahl trifft die Verweisungsvorschrift des Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie nicht unmittelbar selbst, sondern überlässt sie der 142 143
Rogers, 39 Cornell Int’l L.J. 285, 314 f. (2006). A. A. Mankowski, RIW 2004, S. 481, 492.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Legaldefinition des „maßgeblichen Kontos“ in Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie. Demnach ist das Register oder Depotkonto heranzuziehen, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Mit der ersten Alternative des Registers werden Rechtsordnungen berücksichtigt, die wie im Fall des englischen CREST-Systems dem Effektengiro ein zentrales Register zugrunde legen.144 Bei der zweiten Alternative des Depotkontos kann es sich wie ausgeführt um das im Namen des Sicherungsgebers geführte Konto handeln, wenn formlos oder unter Eintragung eines Sperrvermerks eine Sicherheit an intermediatisierten Wertpapieren bestellt wird.145 Kommt es dagegen im Rahmen des Sicherheitsgeschäfts zu einer Umbuchung, so ist das Konto des Sicherungsnehmers entscheidend. Für den Fall einer Sicherheit zugunsten einer Depotbank lässt die Begriffsbestimmung auch zu, dass das maßgebliche Depotkonto vom Sicherungsnehmer selbst geführt wird. Hierin kann man einen Hinweis auf eine spezielle Problematik bei Sicherheiten des Kontoinhabers zugunsten seiner eigenen Depotbank sehen. Unter Umständen spiegelt sich die entsprechende Verfügung auf höherer Ebene in der Umbuchung von einem Kundenbestandskonto in ein Eigenkonto der Depotbank bei dem Zentralverwahrer oder einem anderen Intermediär wider. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob maßgebliches Konto das von der Depotbank selbst für den Verfügenden geführte Konto ist oder das von dem höherstufigen Intermediär geführte Spiegelkonto. Dass ausdrücklich auch vom Sicherungsnehmer selbst geführte Depotkonten zugelassen werden, könnte als Argument für die niedrigere Stufe sprechen.146 2.
Einheitliche Beurteilung
Ein Aspekt der Schlüsselfrage von PRIMA ist jedoch noch nicht geklärt: Soll das Konto des Sicherungsnehmers für den Übertragungsvorgang insgesamt und damit für alle Beteiligten maßgeblich sein? In der Literatur ist dies vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Orientierung am HWpÜ in Zweifel gezogen worden.147 Wie im späteren Übereinkommen sei mög144
Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 99 Fn. 473. Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 86; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 231. 146 Die Problematik hat eine ausführliche Regelung im späteren Art. 4 Abs. 3 HWpÜ gefunden, der ausdrücklich auf den Intermediär des Depotinhabers verweist. S. hierzu Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-41 f. 147 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 195; Haubold, RIW 2005, S. 656, 658 bei Fn. 26. 145
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licherweise auch bei der Finanzsicherheitenrichtlinie das anwendbare Recht für jeden Buchungsvorgang gesondert zu ermitteln, so dass die Abund Aufbuchungen im Rahmen einer Transaktion u. U. jeweils verschiedenen Rechtsordnungen unterworfen sind. Unabhängig von ihren materiellrechtlichen Implikationen ist eine derartige Betrachtungsweise aber schon mit Zielsetzung und Formulierung der Kollisionsnorm nicht zu vereinbaren. Indem Erwägungsgrund 8 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie eine Bestimmung der Belegenheit von Wertpapieren fordert, die als Finanzsicherheit gestellt und über einen oder mehrere Intermediäre zwischenverwahrt werden, ist ausdrücklich eine Situation unter Beteiligung mehrerer Intermediäre berücksichtigt. Wenn dann nach dem folgenden Satz für die Sicherheit an solchen Wertpapieren ausschließlich das Recht des Landes maßgebend sein soll, in dem sich das „maßgebliche Konto“ befindet, so spricht dies bereits deutlich für eine einheitliche kollisionsrechtliche Beurteilung nach einer einzigen Rechtsordnung. Vor allem aber könnte die gestufte Betrachtung nicht im Rahmen des vorgegebenen Verweisungsmoments der Finanzsicherheitenrichtlinie realisiert werden. Falls der Katalog an Einzelfragen in Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie für jede Stufe gesondert angeknüpft werden sollte, so müsste das „maßgebliche Konto“ für jeden Beteiligten der Übertragungskette – also auch für den Verfügenden und die zwischengeschalteten Intermediäre – ein anderes sein. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie handelt es sich aber eben immer nur um das Konto mit der Buchung, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Angesichts dieser klaren Regelung ließe sich eine mehrfach gestufte Anknüpfung nur noch mit dem Argument vertreten, dass die Begriffsbestimmung lediglich das für den Empfänger „maßgebliche Konto“ meint. Für alle anderen an der Sicherheitenbestellung Beteiligten läge dann eine Regelungslücke vor, die mit der gesonderten Festlegung des „maßgeblichen Kontos“ auf jeder Stufe geschlossen würde. Die Unterstellung einer derartigen Lücke entbehrt jedoch aufgrund der dargelegten Zielsetzung der Verweisungsnorm jeder Grundlage: Der Gesetzgeber beabsichtigte die Festlegung der kollisionsrechtlichen Belegenheit auch mehrstufig verwahrter Wertpapiere und hat hierfür ein bestimmtes Konto als maßgebend definiert. Das auf die im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere anzuwen-
Die Anknüpfung auf jeder Verwahrstufe sieht Schefold, in: Mansel u. a. (Hrsg.), FS Jayme (2004), S. 805, 813, als allgemeines Merkmal von PRIMA an.
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dende Recht bestimmt sich daher einheitlich nach der Rechtsordnung des Empfängers der Sicherheit.148 3.
Vermeidung von Zirkularität
Auch gegenüber Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie hat Einsele den Vorwurf eines logischen Zirkelschlusses erhoben.149 Das anwendbare Recht richte sich nach dem Konto mit der maßgeblichen Buchung, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Ob der Sicherungsnehmer aber die Sicherheit erlange, sei wiederum abhängig vom anwendbaren Recht.150 Auf diese Weise wiederholt sie der Sache nach ihre Einwände gegen das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie. Und erneut ist dem zu erwidern, dass das Internationale Privatrecht an anderen Stellen gleichfalls mit einer scheinbaren Zirkularität zu kämpfen hat. Wie am Beispiel der Wirksamkeit einer Rechtswahl dargelegt, liegt die Lösung im faktischen Verständnis des Verweisungsmomentes.151 Dementsprechend ist im Fall der Finanzsicherheitenrichtlinie das Konto mit der Buchung zugunsten des Sicherungsnehmers zu suchen, aufgrund der er rein tatsächlich als Inhaber des Titels ausgewiesen wird.152 Diese Lösung wird zudem durch den im Vergleich zur Vorgängerbestimmung neutraleren Wortlaut der neuen Kollisionsregel gestützt. Die stellvertretend für das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ verwendete Formulierung einer Buchung, „aufgrund der der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt“, und ihre Entsprechungen in den anderen Sprachversionen153 wirken wie eine betont funktionale Umschreibung.154 148 Im Ergebnis ebenso Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 82; MünchKommBGBWendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 231 ff. 149 Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 359; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 194. In die gleiche Richtung MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 232. 150 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 194. 151 Oben § 3 C. II. 3 b). 152 I. E. wohl auch Morton, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 364, 370. 153 Vgl. „the register or account […] in which the entries are made by which that book entry securities collateral is provided to the collateral taker“ in der englischen, „le registre ou le compte […] où sont portées les inscriptions par lesquelles les instruments financiers sont remis à titre de garantie au preneur“ in der französischen, „il registro o il conto […] nel quale vengono iscritte le registrazioni con le quali la garanzia su strumenti finanziari in forma scritturale è fornita al beneficiario della garanzia“ in der italienischen oder „el registro o cuenta […] en que se efectúan las anotaciones por las cuales se presta al beneficiario dicha garantía prendaria de anotaciones en cuenta“ in der spanischen Version.
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Teil der Suche nach der maßgeblichen Buchung, aufgrund der der Sicherungsnehmer die Sicherheit rein faktisch erlangt, ist die Konzentration auf das letzte Glied der Transaktionskette. Wenn man aufgrund der materiellrechtlichen Bedeutung auf einen früheren Teilakt (insbesondere die Umbuchung beim Zentralverwahrer) abstellen wollte, so löste sich dies von der strikt faktischen Betrachtung. Das Verweisungsmoment wäre wieder abhängig vom anwendbaren Recht, der Zirkel wieder geschlossen. Keine Rolle spielt dementsprechend auch ein etwaiger materiellrechtlicher Durchgangserwerb der an einer Transaktion beteiligten Intermediäre. Maßgebliches Konto bei einer Sicherheitsbestellung unter Umbuchungen kann vielmehr nur das unmittelbar für den Sicherungsnehmer geführte Konto sein.155 Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob auf der Ebene des anzuwendenden Sachrechts nicht doch die zentrale Umbuchung auf höherer Stufe in den Blick zu nehmen ist156 oder Intermediäre im Verlauf der Übertragung eine eigene Position erwerben. Zugleich ergibt sich wie bei der überschießenden Umsetzung der Finalitätsrichtlinie der temporale Aspekt, dass zur Beurteilung des gesamten Vorgangs auf einen erst an dessen Ende stehenden Akt abgestellt wird. Als Lösung könnte wiederum anfänglich an den augenblicklichen Ort der Verbuchung, rückwirkend mit der letzten Buchung dann an das Konto des Sicherungsnehmers angeknüpft werden. Der beabsichtigten einheitlichen Anknüpfung entspricht wohl eher die Alternative, bereits in der Schwebezeit vor der finalen Gutschrift prädiktiv auf das Konto des Sicherungsnehmers abzustellen.157 Für die Person des Sicherheitsgebers steht der Empfänger fest, so dass er das für ihn maßgebliche Konto von Beginn der Transaktion an ermitteln kann. Für Intermediäre auf höheren Stufen besteht eine solche Möglichkeit in der Regel freilich nicht. III. Fortbestand der Defizite Das temporale Problem leitet damit auch bei Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie zu den fortbestehenden Schwächen des Verweisungsmomentes über. Im Ergebnis verwendet Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie ein An154
Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 359, sieht dagegen im Wortlaut keine Stütze für ein faktisches Verständnis. 155 I. E. auch Wood, Conflict of Laws and International Finance (2007), Rdnr. 17-020. 156 Der Einwand von Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 360, die Gutschrift des unmittelbaren Intermediärs habe im deutschen Recht keine rechtliche Bedeutung für den Transfer, vermag daher nicht durchzuschlagen. 157 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 233, sieht allerdings insofern in der Finanzsicherheitenrichtlinie keine Vorgaben.
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knüpfungsmodell, das den Vorgaben für eine überschießende Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie entspricht: eine einheitliche Beurteilung nach dem unmittelbaren Konto des Empfängers. Legt man die eingangs aufgestellte Hypothese eines beabsichtigten Gleichlaufs des Verweisungsmoments zugrunde, so ist dies im Rückschluss eine Bestätigung der Thesen zur Finalitätsrichtlinie. Zugleich verbleiben damit aber auch in der neuen Richtlinie die bereits dargelegten wesentlichen Defizite und Nachteile des Ansatzes. 1.
Intransparenz der Übertragungswege
Als erster grundlegender Einwand verschafft das Anknüpfungsregime der Finanzsicherheitenrichtlinie angesichts der Intransparenz der Übertragungswege im Effektengiro nur einem Teil der Betroffenen Klarheit über das anzuwendende Recht. So kennt der Sicherungsnehmer zwar den maßgeblichen Ort seines Kontos,158 der Sicherungsgeber kann sich immerhin im Rahmen seiner rechtlichen Beziehung zu seinem Vertragspartner Kenntnis verschaffen. Intermediären in der Mitte des Übertragungsweges, die über keine direkte Verbindung zum Anfangs- und Endpunkt des Transfers verfügen, ist jedoch rein praktisch Rechtssicherheit über das auf die Transaktion unter ihrer Beteiligung anwendbare Recht zumindest erheblich erschwert, wenn nicht gar verwehrt. 2.
Mehrere Sicherungsnehmer
Weiterhin kann in bestimmten Situationen auch das eigentliche Ziel der uniformen Betrachtung des Vorgangs, die widerspruchsfreie Beurteilung nach einer einzigen Rechtsordnung, nicht mehr erreicht werden. Zum einen sind – zugegebenermaßen seltener als bei allgemeinen Massentransaktionen – auch bei Sicherheiten kumulierte Empfänger möglich. Intermediäre an zentraler Stelle, die ohnehin schon keine Klarheit hinsichtlich des Empfängers haben, müssen bei ihrem Buchungsvorgang mit mehreren Sicherungsnehmern in verschiedenen Ländern am Ende der Transaktion rechnen, was ihren Buchungsvorgang gleichzeitig verschiedenen Rechtsordnungen unterwerfen würde. Zum anderen stellt sich auch bei den Sicherheiten das Problem konkurrierender Empfänger.159 Wenn etwa als Folge einer missbräuchlichen Zweitverfügung Wertpapiere als Sicherheit zwei verschiedenen Konten in 158
Sofern man das Problem der genauen Lokalisierung außen vor lässt. Zu dieser Problematik Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.154 ff.; Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 87 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 234 ff. 159
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unterschiedlichen Staaten gutgeschrieben werden, können die beteiligten Rechtsordnungen den Erwerb jeweils als wirksam160 betrachten. Das Rangverhältnis gegenüber Rechten Dritter und der gutgläubige Erwerb, kurz, die Frage der Priorität konkurrierender Rechtsstellungen gehört nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) Finanzsicherheitenrichtlinie zwar zu den Regelungsgegenständen der Kollisionsvorschrift. Die intendierte Lösung funktioniert jedoch nur, wenn die Frage für beide Konkurrenten von derselben Rechtsordnung beurteilt wird. Stehen hingegen nicht nur verschiedene Empfänger, sondern zugleich auch verschiedene Empfängerrechtsordnungen im Wettstreit, so nützt die ausdrückliche Einbeziehung der Prioritätsfrage in den Regelungsgegenstand wenig. Wie zur überschießenden Umsetzung der Finalitätsrichtlinie entwickelt, ist daher an dieser Stelle eine kollisionsrechtliche Anpassung in drei Schritten erforderlich: (1) Eine Anpassung greift nur bei einem Normwiderspruch, so dass bei gleichem materiellen Ergebnis der konkurrierenden Rechtsordnungen die Anknüpfung bestehen bleiben kann. (2) Weiterhin ist bei Konkurrenz zwischen formlosen Sicherheiten an Wertpapieren und einer Sicherheit unter Umbuchung dieser Wertpapiere auf das Konto eines Sicherungsnehmers die Bestimmung des Vorrangs dem aktuellen Verbuchungsort überlassen. Hierfür spricht der Vergleich zum Erlöschen ausländischer dinglicher Sicherungsrechte an einer Mobilie durch gutgläubigen Erwerb im Inland nach deutschem internationalen Sachenrecht.161 (3) Als letzter Schritt muss bei mehrfacher Verbuchung eine Metaebene für die Frage des Vorrangs bestimmt werden. Hier bietet sich ein partielles Anknüpfen an den Ausgangspunkt der Übertragung an, dem Konto des Sicherungsgebers. Aus der Sicht der Sicherungsnehmer zwingt dies zwar zu einem tracing der Wertpapiere, um in einer wichtigen Frage das anwendbare Recht zu bestimmen. Immerhin kann dies aber bewältigt werden, wenn es sich um die originär von der Richtlinie erfassten Sicherungsgeschäfte handelt. D. Sachnormverweisung Den Charakter ihrer Verweisung regelt die Finanzsicherheitenrichtlinie schließlich ausdrücklich. Nach ihrem Art. 9 Abs. 1 S. 2 ist die Anknüpfung als eine Sachnormverweisung zu verstehen, so dass jede Rück- oder Weiterverweisung ausgeschlossen ist. Von Bedeutung ist die Entscheidung insbesondere deshalb, weil die Vorschrift schon in ihrem originären An160 Spiegelbildlich ist auch denkbar, dass beide Rechtsordnungen aufgrund der konkurrierenden Gutschrift den jeweiligen Erwerb als unwirksam beurteilen. Dann aber konkurrieren auch keine Sicherungsnehmer. 161 Vgl. die Ableitung dieses Vorrangs der Sicherheit unter Umbuchung oben § 3 C. III. 2. b bb).
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wendungsbereich außerhalb der Mitgliedstaaten verbuchte Wertpapiere umfasst und damit auf drittstaatliches Recht verweist. Dieses unterliegt aber nicht der europäischen Harmonisierung nach Maßgabe von Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie. Das drittstaatliche IPR könnte also durchaus zu einer anderen kollisionsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts kommen, was bei einer Gesamtverweisung einen Renvoi zur Folge hätte.
§ 5 Wertpapiere im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht Im Fokus der Einführung der PRIMA-Anknüpfung stehen die beiden Kollisionsnormen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie. Die Betrachtung dieser Vorschriften hat aber verdeutlicht, dass das Kollisionsrecht für Wertpapiersicherheiten eng mit den Anknüpfungsregeln des internationalen Insolvenzrechts verzahnt ist. Im Fall der Finalitätsrichtlinie fällt gar eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden Rechtsgebiete schwer. Nicht verwunderlich ist daher, dass sich der neue Ansatz für das Wertpapierkollisionsrecht ebenfalls – wenn auch weniger prominent – in den Rechtsakten des europäischen internationalen Insolvenzrechts wiederfindet. A. International-insolvenzrechtliche Rechtsakte im Überblick Grundlage des europäischen internationalen Insolvenzverfahrens- und kollisionsrechts ist die Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO).1 Die Verordnung soll durch die Gewährleistung effizienter und wirksamer grenzüberschreitender Insolvenzverfahren zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen.2 Insbesondere steht hinter ihren europaweit einheitlichen Vorschriften die Absicht, ein forum shopping durch die Verlagerung von Vermögensgegenständen und Rechtsstreitigkeiten in andere Mitgliedstaaten zu verhindern.3 Als Maßnahme im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit dieser Zielsetzung stützt sich der Rechtsakt kompetenziell auf Art. 81 AEUV (ex Artt. 61 lit. c), 65 EG). Trotz des vereinheitlichenden Ansatzes weist die Verordnung für Finanzdienstleister eine Lücke im Anwendungsbereich auf: Im Rahmen einer Bereichsausnahme für Wirtschaftszweige, die der Aufsicht durch nationale Aufsichtsbehörden mit besonderen Eingriffsbefugnissen unterliegen,4 exkludiert Art. 1 Abs. 2 EuInsVO Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, die Gelder oder Wertpapiere Dritter halten, sowie Organismen für gemeinsame Anlagen.5 1
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 2 Erwägungsgrund 2 EuInsVO. 3 S. Erwägungsgrund 4 EuInsVO. 4 Erwägungsgrund 9 EuInsVO nennt dies als Grund für die Exzeption; s. a. MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 18. 5 Überblick zu den Ausnahmen bei Moss/Fletcher/Isaacs, The EC Regulation on Insolvency Proceedings (2009), Rdnr. 7.05 ff.
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Während für letzteren Institutionen bislang keine europäische Harmonisierung des internationalen Insolvenzrechts erfolgt ist,6 schließen zwei Schwesterrichtlinien, die Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen7 und die Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten,8 die Lücke der EuInsVO für die ersten beiden Sparten. Für sein Handeln beruft sich der europäische Gesetzgeber hier auf die Kompetenzen zur Beseitigung von Behinderungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in den Artt. 62, 53 Abs. 1 AEUV (ex Artt 55, 47 Abs. 2 EG). Mit Wirkung voraussichtlich zum 1. Januar 2016 werden die Regelungen der ersteren Richtlinie in einen allgemeinen Rechtsakt zur Aufnahme und Ausübung der Versicherungstätigkeit, der Solvabilität II-Richtlinie,9 überführt.10 Zusammen mit den insolvenzrechtlichen Elementen von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie11 bilden die genannten Rechtsakte das corpus des europäischen internationalen Insolvenzrechts,12 in dem sich Gemeinsamkeiten und Parallelen, aber auch Unterschiede und Widersprüche finden. So enthalten die sektoralen leges speciales für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ebenso wie die lex generalis der EuInsVO internationalinsolvenzrechtliche Vorschriften,13 verfolgen dabei allerdings einen ande-
6 Braun/Heinrich, NZI 2005, S. 578, 582; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 18. 7 Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 28. 8 Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. L 125 vom 5.5.2001, S. 15. 9 Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1. Zugrunde liegen der Vorschlag der Kommission vom 10. Juli 2007 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, KOM(2007) 361 endg., und ihr geänderter Vorschlag für die Richtlinie vom 21. März 2008, KOM(2008) 119 endg./2. 10 Die Aufhebung der Richtlinie 2001/17/EG und das Inkrafttreten der Nachfolgevorschriften folgen aus Artt. 310 S. 1, 311 S. 2 Solvabilität II-Richtlinie; mit der Änderungsrichtlinie 2013/58/EU, ABl. L 341 vom 18.12.2013, S. 1, wurde der maßgebliche Zeitpunkt auf den 1. Januar 2016 verschoben. 11 Die Finanzsicherheitenrichtlinie enthält allerdings wie dargelegt allein materielle Vorgaben für das Insolvenzrecht. 12 GA Ruiz-Jarabo Colomber, Schlussanträge v. 16.10.2008, Rs. C-339/07 (Seagon), Slg. 2009, S. I-767 Tz. 59. 13 Erfasst sind allerdings auch Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Insolvenz, s. Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010),
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ren Ansatz.14 Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind nach der Europäischen Insolvenzverordnung die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (center of main interests – COMI) hat.15 Als lex fori concursus bestimmt grundsätzlich dessen Rechtsordnung das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen.16 Im Ausgangspunkt orientiert sich die Verordnung damit am Ideal der Universalität, nach dem das gesamte weltweite Vermögen eines Schuldners einheitlich in einem einzigen Insolvenzverfahren nach einer einzigen Rechtsordnung beurteilt wird.17 Allerdings weicht die Verordnung an verschiedenen Stellen von dem Leitbild ab. Insbesondere sind in einem anderen Mitgliedstaat vor Eröffnung des Hauptverfahrens Partikularverfahren,18 nach diesem Zeitpunkt Sekundärinsolvenzverfahren19 mit auf diesen Staat beschränkter territorialer Wirkung und nach Maßgabe des dort existierenden Insolvenzrechts möglich, sofern der Schuldner dort eine Niederlassung besitzt. Demgegenüber schreiben die beiden Spezialrichtlinien das im Aufsichtsrecht der Kreditinstitute und Versicherungen verwirklichte Prinzip einer einheitlichen Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat20 fort und ermächtigen ausschließlich die zuständigen Behörden dieses Landes21 zu Sanierungsmaßnahmen und Liquidation.22 Entsprechend richten sich die Kapitel 32 Rdnr. 267. Allgemein zur besonderen Bedeutung von Sanierungsverfahren im Bankensektor Ruzik, BKR 2009, S. 133, 140 f. 14 Überblick der Unterschiede gegenüber der EuInsVO für die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen bei Heiss, in: Tiberg (Hrsg.), FS Dufwa (2006), S. 539, 544 ff.; für die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten bei Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 212 ff. 15 Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO. 16 Art. 4 Abs. 1 EuInsVO. 17 S. zu den verschiedenen Elementen in der EuInsVO, die dem Ziel der verfahrensund kollisionsrechtlichen Universalität zuzuordnen sind, Paulus, NZI 2001, S. 505, 506 (einheitliche Eröffnungszuständigkeit, automatische Anerkennung, Geltung der lex fori concursus). 18 Art. 3 Abs. 2, 4 EuInsVO. 19 Art. 3 Abs. 2, 3 EuInsVO. 20 Vgl. für Kreditinstitute Art. 49 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU; für Versicherungsunternehmen s. Art. 30 Solvabilität II-Richtlinie. 21 Zu Zweigstellen von drittstaatlichen Instituten in Bezug auf die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Gottwald, in: Stathopoulos u. a. (Hrsg.), FS Georgiades (2006), S. 823, 827, 832 f. S. a. Art. 30 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Artt. 268 Abs. 2, 296 Solvabilität II-Richtlinie) und unten § 5 B. I. 3. 22 Artt. 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Artt. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 Solvabilität II-Richtlinie); Artt. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. S. a. Schnyder, Europäisches Bank- und Versicherungsrecht (2005), Rdnr. 268.
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erfassten Verfahren und deren Wirkungen nach dem Recht dieses Herkunftslandes.23 Partikularverfahren in anderen Mitgliedstaaten sind hingegen nach dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinien24 ausgeschlossen.25 Sie verwirklichen damit strenger als die EuInsVO ein einheitliches und universales Verfahren über das betroffene Unternehmen und sein gesamtes Vermögen.26 Mögen die grundsätzlichen Konzepte von Verordnung und Richtlinien damit auch Differenzen aufweisen, so normieren die drei Sekundärrechtsakte doch aus Vertrauens- und Verkehrsschutzgesichtspunkten verschiedene Ausnahmen von der allgemeinen Anknüpfung an den Forumsstaat, deren Parallelen und simultane Problemstellungen27 eine gemeinsame Behandlung rechtfertigen. Als charakteristisches Beispiel bestimmen etwa Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen28 und Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten gleichermaßen, dass dingliche Rechte an Gegenständen des Schuldners, die sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen 23 Artt. 4 Abs. 2, 9 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Artt. 269 Abs. 3, 274 Solvabilität II-Richtlinie); Artt. 3 Abs. 2, 10 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 24 Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 269 Abs. 1 Solvabilität II-Richtlinie): „Die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats sind als Einzige befugt, über Sanierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Versicherungsunternehmen, einschließlich seiner Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten, zu entscheiden“; wortgleich zu Liquidationsverfahren Art. 8 Abs. 1 S. 1 dieser Richtlinie (Artt. 273 Abs. 1 S. 1 Solvabilität IIRichtlinie). Entsprechend Art. 3 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten: „Allein die Behörden oder Gerichte des Herkunftsmitgliedstaats sind befugt, über die Durchführung einer oder mehrerer Sanierungsmaßnahmen in einem Kreditinstitut, einschließlich seiner Zweigstellen in anderen Mitgliedstaaten, zu entscheiden“; wiederum wortgleich zu Liquidationsverfahren Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie. Alle Hervorhebungen durch Verf. 25 S. nur Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 267. Selbstständige Töchter sind hingegen als Kreditinstitut einem eigenen Verfahren in ihrem Herkunftsmitgliedstaat unterworfen, vgl. Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 20. 26 Zu dieser Zielsetzung Erwägungsgrund 10 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Erwägungsgrund 16 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 27 Parallelen konstatiert für die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen etwa Heiss, in: Tiberg (Hrsg.), FS Dufwa (2006), S. 539, 546; für die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten etwa Braun/Heinrich, NZI 2005, S. 578, 580, Gottwald, in: Stathopoulos u. a. (Hrsg.), FS Georgiades (2006), S. 823, 834, Pannen, in: Moll (Hrsg.), FS Lüer (2008), S. 431, 434 Fn. 26, oder Pröbsting, ZfRV 2008, S. 239, 249. 28 Künftig Art. 286 Abs. 1 Solvabilität II-Richtlinie.
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Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befinden,29 von der Eröffnung des Verfahrens „nicht berührt werden“. Der im Ausland belegene Gegenstand des Schuldners fällt aufgrund des Universalitätsprinzips zwar grundsätzlich in die Insolvenzmasse,30 ein dinglich an diesem Gegenstand berechtigter Gläubiger soll aber vor den Auswirkungen der für ihn möglicherweise fremden lex fori concursus geschützt werden. Synchron stellt sich für alle drei Vorschriften die Frage, wie dieser Schutz bewerkstelligt wird: Es könnte sich um eigenständige Kollisionsnormen handeln, die die Wirkungen des Verfahrens auf die Rechtsstellung des dinglich gesicherten Gläubigers dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates unterwerfen. Der Wortlaut spricht aber recht deutlich für die herrschende Einordnung als Sachnormen, die der lex fori concursus vorschreiben, dingliche Rechte Dritter an in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Vermögensgegenständen des Schuldners vom Insolvenzverfahren freizustellen.31 Der Gläubiger kann also die Sicherheit verwerten, als ob es kein Verfahren gäbe, und muss lediglich den Überschuss des Erlöses an den Verwalter des Hauptverfahrens herausgeben.32 Ohnehin sind die Vorfragen nach Begründung, Tragweite und Gültigkeit dinglicher Rechte im Sinne der drei Bestimmungen unstreitig nach dem allgemeinen internationalen Privatrecht des Staates der Verfahrenseröffnung anzuknüpfen.33 B. Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate Eindeutig als Kollisionsregel zu qualifizieren sind unter den Ausnahmevorschriften der Rechtsakte hingegen drei parallele Normen, die Verfügungen über einen unbeweglichen Gegenstand, über Schiffe und Luftfahrzeuge sowie über bestimmte Wertpapiere zum Gegenstand haben. So knüpft Art. 14 EuInsVO unter seinem 3. Spiegelstrich Verfügungen des Schuldners eines Insolvenzverfahrens über in einem Register eingetragene 29
Die EuInsVO definiert in Art. 2 lit. g) den „Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet“; demnach ist für körperliche Gegenstände die Belegenheit entscheidend, für Gegenstände oder Rechte, bei denen Eigentum oder Rechtsinhaberschaft in ein öffentliches Register einzutragen ist, der Staat der Registeraufsicht sowie für Forderungen der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des zur Leistung verpflichteten Dritten. Den Richtlinien fehlt eine vergleichbare Bestimmung. 30 Paulus, NZI 2001, S. 505, 513; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 119. 31 Zum Meinungsstand Wimmer, NJW 2002, S. 2427, 2430 f.; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 184 ff.; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 5 EuInsVO Rdnr. 15 ff.; jeweils m. w. N. 32 Erwägungsgrund 25 S. 6 EuInsVO. 33 So für die EuInsVO Wimmer, NJW 2002, S. 2427, 2429; Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 5 Rdnr. 8; MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 5 EuInsVO Rdnr. 6.
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Wertpapiere an die Rechtsordnung des Staates der Registeraufsicht. Wörtlich lautet die Norm: Artikel 14 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren Schutz des Dritterwerbers Verfügt der Schuldner durch eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt […] über Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist, so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung [nach] dem Recht des Staates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand belegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register geführt wird.
Art. 25 lit. c) der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen34 greift die Sonderkollisionsnorm für Verfügungen ihrer sektoralen Schuldner auf: Artikel 25 Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen Schutz des Dritterwerbers Verfügt das Versicherungsunternehmen durch eine nach der Einleitung einer Sanierungsmaßnahme oder der Eröffnung des Liquidationsverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt über […] c) Wertpapiere oder andere Geld- und Kapitalmarktpapiere, deren Existenz oder Übertragung die Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register oder Konto voraussetzt oder die in einer dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegenden zentralen Verwahrstelle verwahrt werden, so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand belegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register, das Konto oder die Verwahrstelle steht.
Nahezu wortgleich für die von ihr geregelten Schuldner ist schließlich auch die Regelung in Art. 31, 3. Spiegelstrich der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten formuliert: Artikel 31 Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Schutz Dritter Verfügt das Kreditinstitut durch eine nach der Einleitung einer Sanierungsmaßnahme oder der Eröffnung des Liquidationsverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt über […] Instrumente oder Rechte an Instrumenten, deren Existenz oder Übertragung ihre Eintragung in ein in einem Mitgliedstaat geführtes Register oder Konto oder bei einer zentralen Verwahrstelle eines Mitgliedstaates voraussetzt, 34
Künftig Art. 291 lit. c) Solvabilität II-Richtlinie.
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so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand gelegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register, das Konto oder die Verwahrstelle steht.
Bereits ausweislich ihrer Überschriften liegt den Normen eine gemeinsame Zwecksetzung zugrunde: Alle drei genannten Vorschriften dienen dem Schutze Dritter im Falle von Verfügungen der jeweils erfassten Schuldner. Das simultane Telos findet seinen Ausdruck in parallelen Voraussetzungen und Rechtsfolgen, wobei allerdings die beiden jüngeren Rechtsakte nicht unbedeutende Erweiterungen für die Sonderkollisionsregel einführen. I.
Reichweite der Kollisionsnormen
Verglichen mit der Verordnung verschaffen die beiden Richtlinien der Spezialanknüpfung für Verfügungen des Schuldners eine größere Reichweite. 1.
Sachlicher Anwendungsbereich
Zunächst ist allen drei Normen in sachlicher Hinsicht noch gemein, dass sie sich – anders als Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie – nicht auf Sicherheiten an Wertpapieren beschränken. Der Zweck, der mit der angeknüpften Verfügung verfolgt wird, spielt keine Rolle. Ebenfalls übereinstimmend verlangen die drei Vorschriften eine entgeltliche Verfügung, so dass dem Dritten der intendierte kollisionsrechtliche Schutz nur bei Verbindung des Rechtserwerbs mit einer Gegenleistung zugute kommt.35 a) Wertpapierbegriff Abweichungen ergeben sich dann jedoch hinsichtlich des Verfügungsgegenstandes. Art. 14, 3. Spiegelstrich EuInsVO bezieht sich noch lediglich auf „Wertpapiere“, während Art. 25 lit. c) der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 291 lit. c) Solvabilität II-Richtlinie) diesen Begriff bereits um „andere Geld- und Kapitalmarktpapiere“ ergänzt. Die jüngste Richtlinie hinsichtlich der Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten benennt schließlich als Gegenstand der Verfügung „Instrumente“ und sogar bloße „Rechte an Instrumenten“. Dabei ist für die Bedeutung des Begriffs „Instrument“ über die Definitionsverweisung in Art. 2 a. E. des Rechtsaktes – in Parallele zur Finalitäts35 Der Hintergrund mag im Prinzip der Gegenleistung des angloamerikanischen Rechts, der „consideration“, liegen; zu dieser Voraussetzung für einen rechtlich durchsetzbaren Vertrag im Common Law Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 29 II (S. 384 ff.); von Bernstorff, Einführung in das englische Recht (2006), § 3 III 2 (S. 57 ff.).
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richtlinie36 – die Liste von Kapitalmarkttiteln in Abschnitt C von Anhang I zur Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) maßgeblich.37 Der Begriff erhält auf diesem Wege eine weite Prägung, die neben übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten auch Titel wie Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen oder Derivate auf der Grundlage verschiedener Basiswerte einschließt. Naheliegend erscheint, diese Aufzählung der MiFID zumindest als Richtschnur auch für die Konkretisierung der undefinierten Begriffe in der Richtlinie zu Versicherungsunternehmen heranzuziehen. Bedauerlicherweise wird eine formale Anbindung an die Liste der MiFID auch im Rahmen der Überführung des Insolvenzrechts der Assekuranzunternehmen in die Solvabilität II-Richtlinie nicht verwirklicht. b) Einbeziehung kontoverwahrter Wertpapiere Für den Anwendungsbereich noch bedeutsamer ist die Erweiterung, die die beiden Richtlinien hinsichtlich der vorausgesetzten Intermediatisierung der Wertpapiere gegenüber der Verordnung aufweisen. Art. 14 EuInsVO erstreckt sich nur auf Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist. Die Formulierung ist auf die Eintragung des Wertpapiers selbst ausgerichtet, was gegen die Einbeziehung von Sicherheitenregistern spricht, die in manchen Rechtsordnungen die Publizitätsfunktion bei der Bestellung von Sicherheiten auch an Wertpapieren erfüllen,38 im Übrigen aber keinen Bezug zum Effektengiro aufweisen. Vielmehr zielt der Begriff des Registers – wie wohl auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie – auf Liefersysteme wie etwa das englische CREST, bei denen Inhaberstellung und deren Übergang aus einem zentral geführten Register hervorgehen.39 Ein derartiges Register existiert – wie bereits dargestellt40 – im deutschen Sachrecht nicht.41 Insbesondere kann nicht auf das Aktienregister
36
Vgl. oben § 3 B. I. 2. Die Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) ist zwischenzeitlich an die Stelle der dem Wortlaut nach in Bezug genommenen Richtlinie 93/22/EWG getreten, so dass für die Definitionsverweisung (als i. S. v. Art. 69 S. 3 MiFID entsprechende Begriffsbestimmung) nunmehr die Liste von Kapitalmarkttiteln in Abschnitt C von Anhang I MiFID maßgebend ist. 38 Art. 3 der Finanzsicherheitenrichtlinie verhindert allerdings derartige Formerfordernisse für Finanzsicherheiten. 39 Nach Pannen-Dammann, Europäische Insolvenzverordnung (2007), Art. 14 Rdnr. 9, sollen hierunter auch die seit 1983 entmaterialisierten Aktien und andere Wertpapiere in Frankreich fallen. 40 S. oben § 3 B. I. 3. a). 41 Keller, BKR 2002, S. 347, 349; Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 14 Rdnr. 4; Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 37
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einer Gesellschaft abgestellt werden, in das nach § 67 AktG die Inhaber von Namensaktien und Zwischenscheinen einzutragen sind.42 Die materielle Rechtslage verändert sich gerade außerhalb des Aktienregisters.43 Im Hinblick auf den mit Art. 14 EuInsVO verfolgten Zweck der Protektion von Dritterwerbern ist dabei hervorzuheben, dass es in der Folge auch keinerlei Gutglaubensschutz gewährt.44 Zudem scheidet als Register im Sinne der Vorschrift das Bundesschuldbuch für die Anleihen der öffentlichen Hand aus: Sammelschuldbuchforderungen werden gemäß § 1 Abs. 1 BSchuWG nur auf den Namen einer Wertpapiersammelbank eingetragen, um die Behandlung als Wertpapiersammelbestand zu ermöglichen.45 Maßgebliche Grundlage für Inhaberschaft und Übertragung von solchen Wertrechten ist daher das Kontensystem der Sammelbank, nicht dagegen das insofern unveränderliche Buch.46 Im Ergebnis hat Art. 14, 3. Spiegelstrich EuInsVO keinen Anwendungsfall im deutschen Effektengiroverkehr. Die Sonderanknüpfung von Verfügungen des insolventen Schuldners über Wertpapiere erlangt somit erst dadurch größere Relevanz, dass sie in den beiden Richtlinien gegenüber anderen Formen der Verwahrung und Transaktion von Effekten geöffnet wird. Auch Wertpapiere bzw. Instrumente, die in ein Konto eingetragen oder in einer zentralen Verwahrstelle verwahrt werden, sind von den Richtlinienbestimmungen erfasst. Daneben muss dort die Eintragung nicht zwingend Voraussetzung für die Existenz der Wertpapiere sein, sondern kann alternativ auch die Grundlage für deren Übertragung bieten. Die zusätzlich aufgenommenen Elemente lassen die vielfältige Gestalt der Wertpapierverwahr- und -liefersysteme anklingen und verschaffen der Spezialkollisionsregel der Richtlinien einen umfassenderen Anwendungsbereich als der Parallelnorm der Verordnung. c) Eintragung als Voraussetzung für Existenz oder Übertragung Selbst in den Richtlinien könnte einer vollumfänglichen Abdeckung des Effektengiros allerdings noch die von allen drei Normen vorausgesetzte Bedeutung der Eintragung im Wege stehen. Analog zur Kontroverse um das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ im Rahmen der Finalitätsrichtlinie stellt sich auch hier die Frage, ob die Normen auf RechtsordEG-InsVO Rdnr. 2; Haubold, in: Gebauer/ Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 149 Fn. 425. 42 So aber K. Schmidt-Brinkmann, InsO (2013), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 3. 43 S. nur MünchKommAktG-Bayer, Bd. 1 (2008), § 67 Rdnr. 1; Hüffer, Aktiengesetz (2012), § 67 Rdnr. 11. 44 MünchKommAktG-Bayer, Bd. 1 (2008), § 67 Rdnr. 36. 45 S. § 1 Abs. 2 BSchuWG 46 Einzelschuldbuchforderungen zählen dagegen nicht als Wertrechte und dürften daher von der Norm nicht erfasst sein; vgl. zu diesen oben § 1 D.
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nungen beschränkt bleiben, in denen der Buchungsakt eine konstitutive Voraussetzung für das Recht des Kontoinhabers darstellt. Als Konsequenz wäre die Einbeziehung von Modellen wie der deutschen Girosammelverwahrung zweifelhaft, welche der Gutschrift beim Kontoinhaber im Regelfall gerade nicht diese Bedeutung zumisst. Die sprachliche Wendung in der Verordnung und den Richtlinien, dass die Eintragung „Voraussetzung für die Existenz“47 des Wertpapiers sein muss, scheint zunächst für eine rechtlich konstitutive Rolle der Eintragung zu sprechen. In den Richtlinien kann aber die Eintragung Voraussetzung auch nur der Übertragung der Wertpapiere sein, was die Bedingung bereits etwas abmildert. Ohnehin ist im Einklang mit der Behandlung der „rechtsbegründenden Wirkung“ bei der Finalitätsrichtlinie grundsätzlich davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber nicht auf eine bestimmte materiellrechtliche Konstruktion des Effektengiros fixiert war. Vom Sinn und Zweck der Normen, Drittschutz im Rahmen eines auf Registern, Konten und Verwahrstellen aufbauenden Systems zu gewähren,48 erscheint als allein maßgeblich, dass sich die Rechtsstellung faktisch nicht aus dem physischen Besitz an einer Urkunde, sondern aus der Verbuchung des Wertpapieres im Rahmen eines solchen Systems ergibt. Erfasst sind damit auch Rechtsordnungen, die den Eintragungen in Registern bzw. Konten eine eher verlautbarende, deklaratorische Wirkung beimessen.49 d) Rechtspositionen zwischen Sachen- und Schuldrecht Das Verhältnis der Kollisionsnorm zur materiellen Konstruktion des Effektengiros spielt noch in anderer Hinsicht eine Rolle. Zum Verfügungsobjekt des insolventen Schuldners stellt sich wiederum vergleichbar mit Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie die Frage, ob auch schuldrechtlich konstruierte Positionen erfasst sind. Einen Anhaltspunkt unmittelbar im Normtext bietet nur die jüngste Vorschrift in der Richtlinie zu Kreditinstituten, die sich nicht nur auf Instrumente, sondern gleichfalls auf „Rechte an Instrumenten“ bezieht. Wie bei der ähnlichen Umschreibung des An47
Hervorhebung durch Verf. Vgl. auch Erwägungsgrund 29 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, wonach das Vertrauen von Dritterwerbern in den Inhalt von Registern oder Konten für bestimmte Vermögenswerte geschützt werden soll, „die in diese Register oder Konten eingetragen sind“ (Hervorhebung durch Verf.). Jene Formulierung wirkt neutral gegenüber der genauen rechtlichen Bedeutung der Eintragung und betont eher deren faktisches Vorliegen. 49 Für eine offene Interpretation speziell bei Art. 31 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 86; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 82. 48
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knüpfungsgegenstandes in der Finalitätsrichtlinie könnte dies einerseits lediglich die Tauglichkeit von bloßen Sicherungsrechten an Wertpapieren als Verfügungsgegenstand betonen. Anderseits ist aber gerade auch eine Interpretation als Einbeziehung derjenigen Depotsysteme möglich, die auf mittelbaren schuldrechtlichen Ansprüchen an dem Verwahrgegenstand fußen. Ohnehin legt das in allen drei Rechtsakten verfolgte Ziel des Drittschutzes auf kollisionsrechtlicher Ebene auch insofern die Neutralität gegenüber der jeweiligen materiellrechtlichen Ausgestaltung nahe. e) Situative Beschränkung Für den Anwendungsbereich des Normenkomplexes ergibt sich weiterhin eine situative Beschränkung auf den Kontext der Insolvenz. Die Sonderanknüpfungen sind ausdrücklich auf Verfügungen limitiert, die zu einem Zeitpunkt nach Eröffnung der von Verordnung und Richtlinien jeweils erfassten Verfahren50 getätigt werden. f)
Regelungsgegenstand
Trotz der Begrenzung auf diesen Zeitraum scheinen die drei Vorschriften auf den ersten Blick eine umfassende Anknüpfung für Verfügungen im Effektengiro zu bieten. Das am Registerort geltende Sachrecht wird vermeintlich für alle Voraussetzungen der Verfügung einschließlich dinglicher Fragen zur Anwendung berufen.51 aa) Konzentration auf Verfügungsbefugnis Zweifel an einem wirklich erschöpfenden Regelungsgegenstand ergeben sich indes bei Berücksichtigung des mit den Kollisionsnormen verfolgten Ziels. Parallel zu Verfügungen über Wertpapiere werden in Art. 14 EuInsVO und seinen Entsprechungen auch Verfügungen über Schiffe und Luftfahrzeuge, die in einem öffentlichen Register eingetragen sind, an das Recht des Landes der Aufsicht über das Register geknüpft. Der Schutz von Dritterwerbern als Zweck der drei Vorschriften lässt sich dementsprechend 50
In den Richtlinien sind neben den auf Liquidation gerichteten Insolvenzverfahren auch Sanierungsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden erfasst; zur Abgrenzung Paulus, ZBB 2002, S. 492, 498; Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht (2005), S. 517 ff., 683 ff. Zu den von den Richtlinien erfassten Maßnahmen s. a. EuGH v. 24.10.2013, Rs. C-85/12 (LBI hf, ehemals Landsbanki Islands hf/Kepler Capital Markets SA, Frédéric Giraux), Tz. 21 ff., und unten § 9 B. II. 51 So wohl für Art. 14 EuInsVO von Bismarck/Schümann-Kleber, NZI 2005, S. 89, 93; Kübler/Prütting-Kemper, InsO, Art. 14 EuInsVO Rdnr. 7 f.; für Art. 31 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 86 f.
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präzisieren zum Schutz des Vertrauens des Geschäftsverkehrs in derartige öffentliche Register.52 Auch hinsichtlich der Verfügungen über den dritten Anknüpfungsgegenstand, die Immobilien, gilt letztlich entsprechendes. Der insofern maßgebliche Ort der Belegenheit ist schließlich zugleich der übliche Ort der Grundbuchführung. Regelmäßig sind in den öffentlichen Registern und Grundbüchern Verfügungsbeschränkungen des Schuldners einzutragen, die aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultieren.53 Um daher einen gutgläubigen Dritten durch die Eröffnung eines Verfahrens im Ausland nicht schlechter zu stellen als bei Verfahrenseröffnung im Inland, sollen die Auswirkungen einer fehlenden Registereintragung der Verfügungsbeschränkung in beiden Fällen nach derselben Rechtsordnung zu bemessen sein.54 Für eine abweichende Zielsetzung gerade im Hinblick auf Wertpapierregister gibt es keine Anhaltspunkte. Die Gleichstellung mit den anderen Registergegenständen spricht vielmehr für dieselbe Absicht, einen möglichen öffentlichen Glauben eines solchen Registers nach einer nationalen Rechtsordnung in einem Land kollisionsrechtlich abzusichern. Ebenso wenig hat die zusätzliche Einbeziehung von Konten und Verwahrstellen in den beiden Richtlinienbestimmungen etwas am Regelungszweck geändert. Deutlich macht dies Erwägungsgrund 29 S. 1 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten: Ohne weitere Differenzierungen bezeichnet er als geschütztes Gut der Sonderanknüpfung das Vertrauen von Dritterwerbern in den Inhalt von Registern oder Konten für bestimmte Vermögenswerte, die in diese Register oder Konten eingetragen sind.55 Mit dem beschriebenen Telos geht ein entsprechend beschränkter Regelungsgegenstand des international-insolvenzrechtlichen Normkomplexes zu Verfügungen einher. Im Wortlaut aller drei Vorschriften wird der Gegenstand der Anknüpfung als „Wirksamkeit der Rechtshandlung“ um52
Bereits zur Vorgängernorm im EuInsÜ Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdnr. 140 f., abgedruckt in: Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997), S. 32. 53 Vgl. beispielhaft im deutschen Insolvenzrecht § 32 InsO bezüglich des Grundbuchs, § 33 InsO bezüglich der Register für Schiffe und Luftfahrzeuge. 54 Für Art. 14 EuInsVO Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 14 Rdnr. 15; MünchKommInsOReinhart, Bd. 3 (2008), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 1; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 1. 55 Zur Aufrechterhaltung der Zielsetzung von Art. 14 EuInsVO in den Richtlinien s. a. die Begründung zum entsprechenden damaligen Art. 24 des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 43/2000 vom 17. Juli 2000 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. C 300 vom 20.10.2000, S. 13, 40.
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schrieben.56 Gemeint ist damit nur die Teilfrage, ob im Rahmen des materiellen Insolvenzrechts des Registerstaats der gute Glaube an die wegen der Insolvenzeröffnung fehlende Verfügungsbefugnis geschützt wird, insbesondere weil der Eröffnungsvermerk in den Büchern fehlt. Die drei Normen berufen also nur die insolvenzrechtlichen Gutglaubensvorschriften für die jeweiligen Verfügungsgegenstände im Registerstaat zur Anwendung.57 Hieraus folgt insbesondere, dass die sachenrechtlichen Voraussetzungen der Verfügung im Übrigen kollisionsrechtlich eigenständig nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln der lex fori zu beurteilen sind.58 bb) Unberührte sonstige insolvenzrechtliche Fragen Aber auch die Bestimmung des anwendbaren Insolvenzrechts für sonstige Fragen bleibt unangetastet. Z. B. unterliegt die Frage, ob überhaupt eine Verfügungsbeschränkung des Schuldners vorliegt, der allgemeinen lex fori concursus.59 Weiterhin besteht keine Überschneidung zwischen den drei Normen und den Regeln des europäischen internationalen Insolvenzrechts zur Behandlung von im Ausland belegenen Gegenständen der Insolvenzmasse: Der insofern verwirklichte Schutz dinglicher Rechte Dritter60 setzt voraus, dass das Recht des Dritten bereits vor Eröffnung des Verfahrens erworben wurde.61 Die drei Kollisionsnormen betreffen demgegenüber die Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners erst nach Verfahrenseröffnung.
56 Vgl. auch Erwägungsgrund 29 S. 2 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, der den Gegenstand mit „Wirksamkeit des Erwerbs“ bezeichnet. 57 So zu Art. 14 EuInsVO Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-DuursmaKepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 4 Rdnr. 44, Art. 14 Rdnr. 4; Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 14 Rdnr. 15; MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 1, 10; Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-InsVO Rdnr. 1; Paulus, EuInsVO (2013), Art. 14 Rdnr. 9. Für Art. 31 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht (2005), S. 691. 58 Für Art. 14 EuInsVO Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 14 Rdnr. 17; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 151. 59 Für Art. 14 EuInsVO Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 152. 60 Vgl. Art. 5 EuInsVO; Art. 20 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 286 Abs. 1 Solvabilität II-Richtlinie); Art. 21 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 61 Zu Art. 5 EuInsVO Leible/Staudinger, KTS 2000, S. 533, 550; MünchKommBGBKindler, Bd. 11 (2010), Art. 5 EuInsVO Rdnr. 10.
192 cc)
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Auffassung des nationalen Umsetzungsgesetzgebers
Wie ein Blick auf das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht zeigt, teilt der nationale Umsetzungsgesetzgeber offenbar die enge Auslegung. Zwar fehlt hier in Bezug auf Wertpapiere eine Umsetzung der Sonderkollisionsnormen zum Schutz des Dritterwerbers.62 Für die anderen Verfügungsgegenstände der betreffenden Richtlinienbestimmungen hat aber eine Transformation durch § 349 InsO stattgefunden.63 Die Norm verweist bei ausländischen Insolvenzverfahren für Verfügungen über ein im inländischen Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragenen Gegenstand auf die materiellrechtlichen Vorschriften zum öffentlichen Glauben des Grundbuchs im BGB bzw. auf die entsprechenden Normen für Schiffs- und Flugzeugregister. Die deutsche Norm geht zwar einerseits mit der Einbeziehung auch unentgeltlicher Verfügungen weiter als die Richtlinienbestimmungen und bleibt andererseits durch die fehlende Allseitigkeit hinter diesen zurück.64 Festgehalten werden kann aber mit Blick auf die zugrundeliegenden Sekundärrechtsakte, dass der deutsche Gesetzgeber für die Verfügungsgegenstände neben den Wertpapieren allein eine international-insolvenzrechtliche Sonderanknüpfung des gutgläubigen Erwerbs auf der Grundlage staatlich geführter Register für erforderlich hielt.65 dd) Anwendungsfälle Baut demnach einerseits die deutsche Kollisionsnorm zu Verfügungen des insolventen Schuldners auf einer engen Zielsetzung und einem daraus resultierenden begrenzten Regelungsgegenstand der Richtlinienbestimmungen auf, so lässt andererseits die Betrachtung des materiellen deutschen Rechts noch Zweifel an der engen Auslegung aufkommen. In Deutschland existiert schließlich kein zentrales Register für Wertpapiere, das besonderen öffentlichen Glauben genießt. Der Insolvenzverwalter kann und muss die Verfahrenseröffnung in keine öffentlichen Bücher eintragen lassen, um gutgläubigen Dritterwerb von Wertpapieren auszuschließen. Hinsichtlich der von den beiden Richtlinienbestimmungen zusätzlich erfassten Wertpapiere, die in ein Konto eingetragen oder bei einer zentralen 62 Für Art. 25 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 291 lit. c) Solvabilität II-Richtlinie) bemängelt dies Heiss, in: Tiberg (Hrsg.), FS Dufwa (2006), S. 539, 552. 63 Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 52, ordnet § 349 InsO als Umsetzung von Art. 31 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ein. 64 Zu möglichen Umsetzungsdefiziten s. unten § 9 C. 65 Zum Normzweck von § 349 InsO Braun-Ehret, Insolvenzordnung (2012), § 349 Rdnr. 1 f.
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Stelle verwahrt werden, gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar ist im Effektengiro nach überwiegender Ansicht ein gutgläubiger Erwerb im Rahmen des § 932 BGB und § 366 HGB grundsätzlich möglich, wobei als zusätzliche oder alleinige Rechtsscheingrundlage die Buchung im Verwahrungsbuch66 der Wertpapiersammelbank dient.67 Im Gegenschluss zur abschließenden Aufzählung von Ausnahmen in § 81 Abs. 1 S. 2 InsO vermögen diese allgemeinen Gutglaubensvorschriften jedoch nicht die absolut wirkende insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkung des § 81 Abs. 1 S. 1 InsO zu überwinden.68 Gegen den auf den Schutz des öffentlichen Glaubens an Wertpapierregister, zentrale Verwahrstellen und Depotkonten ausgerichteten Zweck und Regelungsgegenstand der drei Normen könnte also eingewandt werden, dass ein solcher im materiellen deutschen Recht – im Gegensatz zu Grundbuch, Schiffs- und Flugzeugregister – nicht zu erkennen ist.69 Dem Argument ist freilich sogleich entgegenzuhalten, dass eine rein national geprägte Sichtweise für die Auslegung einer europäischen Bestimmung letztlich nicht ausschlaggebend sein darf. In anderen Rechtsordnungen mag insbesondere zentralen Wertpapierregistern eine dem Grundbuch vergleichbare Rolle für die Verfügungsbefugnis des fallierenden Schuldners zukommen. Vor allem aber findet sich bei genauerer Betrachtung bereits im europäischen Insolvenzrecht eine spezielle materielle Regelung, die als Anwendungsfall für die Sonderanknüpfung zur Verfügungsbefugnis des Schuldners über intermediatisierte Wertpapiere in Betracht kommt. Die Finanzsicherheitenrichtlinie verlangt in begrenztem Rahmen die insolvenzrechtliche Wirksamkeit von Verfügungen an gutgläubige Dritte: Nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie70 ist u. a.71 die Bestellung einer Finanzsicherheit an Wertpapieren, die nach Eröffnung eines Liquidations- oder Sanierungsverfahrens, aber noch am Eröffnungstag erfolgt, rechtlich verbindlich und absolut wirksam, wenn der Sicherungsnehmer nachweisen kann, dass er keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte und auch nicht haben konnte. 66
S. § 14 DepotG. Hierzu bereits oben § 1 E. II. 4. a) cc). 68 Vgl. Koller/Roth/Morck-W.-H. Roth, HGB (2011), § 366 Rdnr. 4; MünchKommInsO-Ott/Vuia, Bd. 2 (2013), § 81 Rdnr. 19. 69 Aus Sicht des deutschen und französischen Rechts daher skeptisch hinsichtlich der Einbeziehung von Wertpapieren in Art. 14 EuInsVO Niggemann/Blenske, NZI 2003, S. 471, 477. 70 Zu dieser Norm oben § 4 A. II. 71 Die deutsche Fassung ist an dieser Stelle wieder nur schwer verständlich. Ein Blick auf die englische Version verdeutlicht, dass drei Elemente geschützt werden: Entstehung des „financial collateral arrangement“, Entstehung der besicherten maßgeblichen Verbindlichkeit sowie Verschaffung des „financial collateral“. 67
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Die nationale Transformation findet sich zunächst in der Gutglaubensvorschrift des § 81 Abs. 3 S. 2 InsO für Verfügungen des Schuldners über Finanzsicherheiten, die am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen.72 Für die vorgelagerten Sanierungsmaßnahmen bei Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten und Bausparkassen ordnen die betreffenden Spezialgesetze73 die entsprechende Anwendung dieser Regelung an. Auch das Reorganisationsverfahren für Kreditinstitute nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG), das als Reaktion auf die Finanzkrise eingeführt wurde,74 sieht eine parallele Verweisung auf die Schutzvorschrift zugunsten von Finanzsicherheiten vor.75 Ergänzend wurde in § 21 Abs. 2 S. 3 InsO eine weitere Umsetzungsnorm hinsichtlich vorläufiger Sicherungsmaßnahmen im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens geschaffen. Die Finanzsicherheitenrichtlinie schließt auch derartige Maßnahmen ein;76 der Schutz des guten Glaubens am Eröffnungstag dürfte sogar vornehmlich in diesem Bereich relevant werden. Um Zweifel über die Wirksamkeit der Bestellung von Finanzsicherheiten auszuschließen,77 wurde im Zuge der Umsetzung der Änderungsrichtlinie 2009/44/EG ein eigenständiger Gutglaubensschutz für das 72 Zur Zwecksetzung von § 81 Abs. 3 S. 2 InsO MünchKommInsO-Ott/Vuia, Bd. 2 (2013), § 81 Rdnr. 2 a; Braun-Kroth, Insolvenzordnung (2012), § 81 Rdnr. 13. Die insolvenzrechtliche Anfechtung dieses gutgläubigen Erwerbs richtet sich nach § 147 S. 1 InsO. 73 § 89 Abs. 1 S. 3 VAG, § 46 Abs. 2 S. 7 KWG und § 15 S. 3 BauSparkG. 74 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BT-Drucks. 17/3024 vom 27.09.2010, S. 40. Mit Art. 1 des Restrukturierungsgesetzes wurde das Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz erlassen, welches in seinen §§ 7 ff. das Reorganisationsverfahren regelt. Überblick bei Mülbert, JZ 2010, S. 834, 841; Lorenz, NZG 2010, S. 1046, 1048 ff. 75 § 23 KredReorgG. Der Verweis gilt nicht für das vorgelagerte Sanierungsverfahren nach den §§ 2 ff. KredReorgG, das nicht in Rechte Dritter eingreift (vgl. § 2 Abs. 2 S. 2 KredReorgG) und damit nicht von der Finanzsicherheitenrichtlinie erfasst wird. 76 Im Rahmen des Umsetzungsverfahrens war dies umstritten: für eine Einbeziehung die Bundesregierung in ihrer Begründung, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 14, und Gegenäußerung, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 31; dagegen die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 25. Die Definition der erfassten „Sanierungsmaßnahmen“ in Art. 2 Abs. 1 lit. k) Finanzsicherheitenrichtlinie ist jedoch deutlich: Erfasst sind „Maßnahmen, die das Tätigwerden einer Behörde oder eines Gerichts mit dem Ziel beinhalten, die finanzielle Lage zu sichern oder wieder herzustellen, und die die bestehenden Rechte Dritter beeinträchtigen; […]“ (Hervorhebung durch Verf.). 77 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BR-Drucks. 155/10 vom 26.3.2010, S. 74.
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Insolvenzeröffnungsverfahren festgeschrieben.78 Notwendig erscheint der Erlass dieser Vorschrift freilich nicht: § 81 InsO findet über die Verweisung des § 24 Abs. 1 InsO für die vom Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren angeordneten Verfügungsbeschränkungen79 ohnehin entsprechende Anwendung. Im Ergebnis mindern zwei Faktoren die Bedeutung von Art. 8 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie und seiner nationalen Umsetzungen – trotz Geltung für alle Varianten von Liquidationsverfahren und Sanierungsmaßnahmen80 – erheblich: Zu berücksichtigen sind einerseits die dargelegten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen, die mit dem Begriff der Finanzsicherheit verbunden sind; andererseits lässt das schmale Zeitfenster von vornherein nur wenig Raum zur Entfaltung.81 Für den nach Art. 8 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie und seiner nationalen Umsetzung erforderlichen guten Glauben spielen die Kontenbücher der beteiligten Intermediäre auch keine spezielle Rolle. Entscheidend ist nur die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Verfahrenseröffnung allgemein – gleich auf welcher Grundlage. Die Finanzsicherheitenrichtlinie und ihre mitgliedstaatliche Transformation verleihen den Einrichtungen des Effektengiros damit keinen besonderen öffenlichen Glauben, der für verbuchte Wertpapiere eine mit Grundstücken, Schiffen und Flugzeugen vollständig übereinstimmende Interessenlage bewirken würde. Gleichwohl handelt es sich um eine materielle Regelung zur Verfügungsbefugnis des insolventen Schuldners speziell für intermediatisierte Wertpapiere. Gerechtfertigt erscheint es daher, Art. 8 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie (bzw. seine nationale Transformation) als Anwendungsfall für die Sonderanknüpfung der „Wirksamkeit der Rechtshandlung“ des insolventen Schuldners in den drei international-insolvenzrechtlichen Rechtsakten einzuordnen. 2.
Persönlicher Anwendungsbereich
In persönlicher Hinsicht finden die drei Normen Anwendung auf Verfügungen der vom jeweiligen Rechtsakt geregelten Schuldner. Dementsprechend sind durch die EuInsVO grundsätzlich alle insolventen Schuldner mit Ausnahme der unter die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO fallenden Sparten erfasst, dagegen bei den sektoralen Korrelaten in den Richtlinien ausschließlich Unternehmen der Assekuranz und des 78 Vgl. Art. 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BR-Drucks. 155/10 vom 26.3.2010, S. 31. 79 Diese Anordnungen beruhen auf § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO. 80 Zur Anwendung der nationalen Umsetzungsnorm im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Moratoriums Geier, BKR 2010, S. 144, 147. 81 Zu § 81 InsO MünchKommInsO-Ott/Vuia, Bd. 2 (2013), § 81 Rdnr. 30.
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Bankwesens. Hinsichtlich des Verfügungsempfängers bestehen dagegen bei allen drei Normen keine Beschränkungen, so dass ein beliebiger Dritterwerber als geschützte Person in Betracht kommt. In unionsrechtsautonomer Auslegung richtet sich der Begriff des „Versicherungsunternehmens“ sowohl für die negative Bereichsausnahme der EuInsVO82 als auch für das positive Anwendungskriterium der betreffenden Sanierungsrichtlinie nach den grundlegenden Koordinierungsrechtsakten auf diesem Gebiet, den Richtlinien 73/239/EWG83 und 2002/83/EG.84 Um sich für die Bezeichnung zu qualifizieren, verlangt die Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, dass dem fraglichen Unternehmen eine behördliche Zulassung nach jenen Rechtsakten erteilt worden ist.85 Parallel sind für den Terminus „Kreditinstitut“ die positiven und negativen Kriterien der maßgeblichen Richtlinie 2013/36/EU (Capital Requirements Directive IV – CRD IV)86 und Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation – CRD)87 heranzuziehen. Anzumerken ist dabei, dass sich das europäische Sekundärrecht auf Unternehmen beschränkt, die Einlagen entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung gewähren.88 Für den persönlichen Anwendungsbereich ist außerdem festzuhalten, dass der Standort der Verfügungsbeteiligten in der Verwahrpyramide nicht 82 Zur Begriffsbestimmung bei den Ausnahmen etwa MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 10. 83 Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABl. L 228 vom 16.8.1973, S. 3. 84 Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen, ABl. L 345 vom 19.12.2002, S. 1, die die erste Richtlinie 79/267/EWG auf diesem Gebiet ersetzt hat. Auch diese versicherungsrechtlichen Grundlagen werden mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in der Solvabilität IIRichtlinie zusammengeführt, s. Art. 310 S. 1 Solvabilität II-Richtlinie. 85 Art. 2 lit. a) Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (vgl. Art. 13 Nr. 1 Solvabilität II-Richtlinie). 86 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338. 87 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 3. 88 Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 575/2013. Der deutsche Kreditinstitutsbegriff in § 1 Abs. 1 S. 1 KWG geht über solche (in § 1 Abs. 3 d KWG als „CRR-Kreditinstitute“ bezeichnete) Unternehmen hinaus und erfasst auch Unternehmen, die nur ein einziges beliebiges Bankgeschäft betreiben.
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vorgegeben wird. Insbesondere bei den Richtlinienbestimmungen mit ihrer Berücksichtigung von Wertpapierkonten muss der verfügende Schuldner nicht unmittelbar mit dem zentralen Betreiber eines Wertpapierliefersystems verbunden sein, sondern kann auch lediglich ein Wertpapierdepot bei einem Intermediär unterhalten. Für den Verfügungsempfänger gilt nichts anderes, so dass die von den insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen erfassten Übertragungen Umbuchungen auf verschiedenen Konten auf verschiedenen Ebenen auslösen können. 3.
Räumlicher Anwendungsbereich
Territorial findet die EuInsVO Anwendung auf Insolvenzverfahren in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks, welches kompetenziell bedingt89 nicht als Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung gilt.90 Im Rahmen von Verfahren in anderen Mitgliedstaaten ist Dänemark daher wie ein Drittstaat zu behandeln.91 Außerdem gilt die Verordnung als Maßnahme der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nicht in den drei übrigen Staaten des EWR.92 Räumlich-persönlich kommen die Verordnung – und damit zugleich auch die Kollisionsregel des Art. 14 EuInsVO93 – nur dann zur Anwendung, wenn der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses des Schuldners in einem Mitgliedstaat liegt.94 Weiterhin ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich, wobei die Frage höchst strittig ist, ob dieser gerade auch zu mindestens einem weiteren Mitgliedstaat bestehen muss.95 Zur Diskussion ist hier nur Folgendes auszuführen: Der Wortlaut des Rechtsaktes spricht gegen ein allgemeingültiges Erfordernis dieser Art. Der Unionsgesetzgeber hat den für die Anwendbarkeit der Verordnung mitunter postu89
Maßnahmen nach Kapitel V des Dritten Teils AEUV (ex Titel IV EG) gelten in Bezug auf Dänemark nicht; vgl. das Protokoll Nr. 22 über die Position Dänemarks, ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 299. Künftig ist aber eine völkerrechtlich begründete Anwendbarkeit möglich, wie dies bereits für andere Rechtsakte aus dem Bereich der justiziellen Zusammenarbeit wie der EuGVO erfolgt ist. 90 Erwägungsgrund 33 EuInsVO. 91 Vgl. OLG Frankfurt v. 24.01.2005, Az. 20 W 527/04, ZInsO 2005, S. 715. 92 Die EuInsVO findet sich dementsprechend nicht im Anhang zum Abkommen über den EWR. 93 Zum gemeinsamen Schicksal Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 4 EGInsVO Rdnr. 4. 94 Dies ergibt sich unter anderem aus Erwägungsgrund 14 EuInsVO; s. a. Huber, EuZW 2002, S. 490, 491; Pinterich, ZfRV 2008, S. 221, 224. 95 Zu Streitstand und Argumentation s. auf der einen Seite MünchKommBGBKindler, Bd. 11 (2010), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 25 ff.; auf der anderen Seite Haß/Huber/ Gruber/Heiderhoff-Huber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 1 Rdnr. 18 ff.; jeweils m. w. N.
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lierten qualifizierten Gemeinschaftsbezug nicht im Text verankert, konkreten Beschränkungsbedürfnissen hingegen durch die Bezugnahme auf die Mitgliedstaaten in einzelnen Vorschriften Rechnung getragen.96 Insbesondere die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 3 EuInsVO findet daher auch dann Anwendung, wenn bei Interessenmittelpunkt in einem Mitgliedstaat die grenzüberschreitenden Bezüge allein zu Drittstaaten bestehen.97 Allerdings verweisen die von der lex fori concursus abweichenden Spezialregeln der Artt. 5 ff. EuInsVO überwiegend gerade auf das Recht eines Mitgliedstaates. Ein Ausbau dieser einseitigen Sonderanknüpfungen zu allseitigen, auch drittstaatliches Recht umfassenden Verweisungen scheidet in Anbetracht des Willens des europäischen Gesetzgebers aus.98 Speziell im Wortlaut des Art. 14 EuInsVO findet sich die innerunionale Restriktion zwar nicht; in Parallelwertung zu den anderen kollisionsrechtlichen Ausnahmevorschriften ist die Norm aber zu einem Verweis auf mitgliedstaatliches Recht zu reduzieren.99 Auch in sonstigen Fällen regelt die EuInsVO nicht die Wirkungen der Verfahrenseröffnung auf Gegenstände, die in einem Drittstaat belegen sind, so dass insofern von einem redaktionellen Fehler auszugehen ist.100 Die sich anschließende Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung der aus Art. 14 EuInsVO exkludierten Gegenstände in Drittstaaten ist wiederum streitig. Vorgeschlagen wird, subsidiär zu den Spezialregeln auf die allgemeine lex fori concursus nach Art. 4 EuInsVO zurückzugreifen, wenn erstere wegen Drittstaatenbezugs keine Anwendung finden.101 Da die 96
Für diesen differenzierenden Ansatz Huber, ZZP Bd. 114 (2001), S. 133, 138 f.; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 19, 29 ff. 97 Zumindest insofern übereinstimmend etwa Krebber, IPRax 2004, S. 540, 542; Virgós/Garcimartín, The European Insolvency Regulation: Law and Practice (2004), Rdnr. 27; Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 1 EG-InsVO Rdnr. 16. A. A. etwa Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 1 Rdnr. 56; Paulus, ZIP 2003, S. 1725, 1726 f. 98 MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 18. 99 Für diese Korrektur bereits zur Vorgängernorm von Art. 14 EuInsVO im Entwurf eines Europäischen Übereinkommens über Insolvenzverfahren (EuInsÜ) Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdnr. 93, abgedruckt in: Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EUÜbereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997), S. 32. Ebenso die wohl h. M. zur EuInsVO, etwa Huber, ZZP Bd. 114 (2001), S. 133, 152 f., 164 f.; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 14 Rdnr. 5; Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EU-Insolvenzverordnung (2005), Art. 14 Rdnr. 13 f.; Pannen-Dammann, Europäische Insolvenzverordnung (2007), Art. 14 Rdnr. 4. A. A. Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 153. 100 MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 11. 101 Dafür etwa Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 4 EG-InsVO Rdnr. 5.
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Verordnung jedoch nicht zu einer Vereinheitlichung des gesamten Insolvenzkollisionsrechts auch gegenüber Drittstaaten führen sollte,102 liegt insofern ein Rückgriff auf das autonome internationale Insolvenzrecht der lex fori näher, sofern dies eine entsprechende Sonderkollisionsnorm kennt.103 Im Ergebnis handelt es sich bei Art. 14 EuInsVO daher um eine mehrseitige Verweisung auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, nicht jedoch um eine allseitige loi uniforme. Räumlich-persönlich setzt sie einen Interessenschwerpunkt des fallierenden Schuldners sowie eine Registrierung des Wertpapieres in einem Mitgliedstaat voraus. Der territoriale Anwendungsbereich bei den beiden Richtlinienbestimmungen gestaltet sich insofern von der Verordnung abweichend, als sie mit Artt. 62, 53 Abs. 1 AEUV (ex Artt. 55, 47 Abs. 2 EG) auf einer anderen Ermächtigungsgrundlage beruhen und in der Folge auch für Dänemark gelten.104 Zudem sind die Richtlinien – anders als die EuInsVO – auch in den drei übrigen Staaten des EWR anzuwenden.105 Räumlichpersönlich erfassen die Richtlinien insgesamt nur Unternehmen mit Sitz in der Union sowie Zweigniederlassungen drittstaatlicher Unternehmen in einem Mitgliedstaat,106 so dass auch ihre Kollisionsnormen lediglich Verfügungsgeschäfte von Schuldnern dieser Herkunft einbeziehen. Speziell die beiden Anknüpfungsvorschriften verweisen zudem nur auf das Recht eines aufsichtsführenden Mitgliedstaates, so dass sie ebenfalls – ohne überschießende nationale Umsetzung – nur mehrseitiges Kollisionsrecht für in der Union registrierte oder verbuchte Wertpapiere schaffen.
102 Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 108. 103 Für die Geltung des autonomen Insolvenzkollisionsrechts etwa Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 1 Rdnr. 54; MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 19 f. 104 S. etwa Pröbsting, ZfRV 2008, S. 239, 242, zur Sanierungsrichtlinie für Kreditinstitute. 105 Die Richtlinien sind durch die Beschlüsse Nr. 166/2002 und Nr. 167/2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 6. Dezember 2002 unter Nr. 13a und Nr. 16c in den Anhang IX des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen worden. 106 Vgl. Erwägungsgrund 4, Artt. 1 Abs. 2, 30 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Artt. 267, 268 Abs. 2, 296 Solvabilität II-Richtlinie) und Erwägungsgründe 13, 21 f., Art. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. Letztere Richtlinie verlangt aber nach ihrem Art. 1 Abs. 2 bei drittstaatlichen Kreditinstituten mehrere Zweigniederlassungen innerhalb der Gemeinschaft, hierzu Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 73 f.
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II. Anknüpfungsmoment Die drei Sonderanknüpfungen erklären für ihren Regelungsgegenstand das Recht desjenigen Staates für maßgeblich, unter dessen Aufsicht das Register bzw. im Fall der beiden Richtlinien das Konto oder die zentrale Verwahrstelle steht. 1.
Staat der Aufsicht über Register und Konto
Anders als Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie geben die drei Vorschriften damit ein genaueres Kriterium vor, mit dessen Hilfe Register, Konto oder Verwahrstelle einem bestimmten Land zugeordnet werden sollen. Frei von Komplikationen ist allerdings auch die Heranziehung der aufsichtsrechtlichen Belegenheit von Register und Konto nicht. a) Zuordnung zur Einführung des PRIMA-Kriteriums Das gewählte Merkmal der staatlichen Register- und Kontoaufsicht rückt ab von einer unmittelbaren Lokalisierung der Kontoführung oder des handelnden Intermediärs, was auf den ersten Blick die Zuordnung der Normen zur Einführung der PRIMA-Anknüpfung in Frage stellt. Anstatt ein eigenes Kriterium für den maßgeblichen Ort zu entwickeln, wird für das Internationale Privatrecht auf die Zuständigkeitsregeln für die hoheitliche Aufsichtstätigkeit zurückgegriffen. Bei genauerer Betrachtung liegt in der akzessorischen Anknüpfung an das öffentliche Recht aber ein bloßes Mittel, den Ort für einen unkörperlichen Gegenstand wie das Depotkonto zu bestimmen. In der Praxis kann die Beaufsichtigung durch die Behörden eines Staates ein insbesondere für Dritte leichter zu erkennendes Charakteristikum sein als der tatsächliche Ort einer durch grenzüberschreitendes Outsourcing auf mehrere Staaten verteilten Kontoführung. Auch im Rahmen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie ist das Merkmal für eine künftige Lokalisierung von Konto und Kontoführung vorgeschlagen worden; für die gegenwärtig anzustellende Gesamtbetrachtung ist es immerhin ein mitzuberücksichtigendes Indiz. Daneben findet die Sichtweise als Behelf zur Lokalisierung gewisse Bestätigung in einem Blick auf das europäische internationale Schuldrecht. Dort wird für die objektive Anknüpfung eines innerhalb eines multilateralen Systems geschlossenen Vertrages nach Art. 4 Abs. 1 lit. h) Rom I-VO angeregt, die hoheitlichen Zuständigkeitsregeln der MiFID in Bezug auf dieses multilaterale System (insbesondere die Zuständigkeit des Her-
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kunftsmitgliedstaats nach Art. 36 Abs. 4 MiFID) heranzuziehen.107 Auch hier dient also das Aufsichtsrecht der Lokalisierung einer vertraglichen Beziehung des Finanzmarktes. Bei einem Depotkonto handelt es sich aber letztlich um nichts anderes als die Gesamtheit kontobezogener Tätigkeiten aufgrund einer Vertragsbeziehung. Im Rahmen der drei Sonderkollisionsnormen des Insolvenzrechts wird somit ebenfalls die faktische Belegenheit der Wertpapierurkunde durch ein anderes Merkmal zur Ortsbestimmung von Wertpapieren ersetzt, das den Realitäten der Intermediatisierung Rechnung zu tragen versucht. Die Zuordnung der drei Bestimmungen zur Einführung der PRIMA-Anknüpfung im europäischen Kollisionsrecht erscheint gerechtfertigt.108 b) Präzisierung des Anknüpfungsmoments Hinter dem Verweis auf die hoheitlichen Zuständigkeitsvorschriften steht die Erwartung, dass diese im Rahmen des unübersichtlichen Effektengiros zu einer eindeutigen Anknüpfung führen. Gleichwohl bedarf das Moment im Hinblick auf unterschiedliche Ausprägungen staatlicher Aufsicht einer gewissen Präzisierung. So muss die Beaufsichtigung nicht notwendigerweise unmittelbar an Register, Konto oder Verwahrstelle als Einrichtung oder zumindest an deren Betrieb als Tätigkeit anknüpfen. Möglich ist auch eine eher mittelbare Form der Aufsicht, die nach allgemeinen bankaufsichtsrechtlichen Regeln auf den Betreiber als Person abzielt. Demnach muss nach der Anknüpfungsregel in den drei insolvenzrechtlichen Normen derjenige Staat maßgeblich sein, unter dessen Aufsicht entweder die Einrichtung selbst oder, falls keine gesonderte Aufsicht existieren sollte, der Betreiber der Einrichtung steht. Bei doppelter Beaufsichtigung109 sollte die gesonderte Aufsicht über die Tätigkeit, die dem Wortlaut am nächsten kommt, Vorrang vor der allgemeinen Aufsicht über die Person haben. 107
Vgl. Garcimartin Alférez, Yb. P. I. L. Vol. 10 (2008), S. 245, 247; Mankowski, IHR 2008, S. 133, 139; Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation (2009), S. 90. Tendenziell auch Magnus, IPRax 2010, S. 27, 37; abwägend und unter Hinweis auf problematische Implikationen (insbesondere bei Drittstaatensachverhalten) Mankowski, EuZ 2009, S. 2, 5; ders., RIW 2009, S. 98, 110; ders., in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rz. 2446 ff. 108 In diesen allgemeinen Zusammenhang stellt die Normen etwa auch die Europäische Zentralbank, s. Stellungnahme der EZB vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.), ABl. C 81 vom 2.4.2005, S. 10, 12. 109 Eine solche doppelte Aufsicht ergibt sich etwa durch die Unterscheidung der Beaufsichtigung des Zentralverwahrers und des von ihm betriebenen Wertpapierliefersystems; s. a. unten § 13 A. zur geplanten Zentralverwahrer-VO.
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c) Aufsichtsrechtliches Herkunftslandprinzip Hierauf aufbauend ergeben sich allerdings gewisse Zweifel, ob das zur Lokalisierung gewählte Kriterium dem mit den Sonderanknüpfungen verfolgten Zweck vollauf gerecht wird. Alle drei Normen gelten nur für innerhalb der EU bzw. des EWR verbuchte Wertpapiere. In Europa ist jedoch unter gewisser materieller Harmonisierung für die Bankenaufsicht das Konzept der Herkunftslandkontrolle und des Europapasses verwirklicht worden.110 Seine zentrale Verankerung hat das Prinzip mittlerweile in der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) gefunden.111 Probleme bereitet damit die Konstellation, dass keine spezielle Aufsicht über die jeweilige Einrichtung oder ihren Betrieb ausgeübt wird, sondern regulatorischer Adressat allein die Person des Betreibers ist. Die drei Wertpapierkollisionsregeln verweisen dann nicht auf den Staat des faktischen Betriebs der Einrichtung, sondern auf den möglicherweise abweichenden europäischen Herkunftsstaat des Intermediärs. Dem Ziel der kollisionsrechtlichen Absicherung des öffentlichen Glaubens eines Registers nach einer bestimmten Rechtsordnung entspricht die Anknüpfung in dieser Konstellation nicht mehr: Zur Anwendung kommt eben nicht zwingend die Rechtsordnung desjenigen Landes, das die auf seinem Territorium betriebene Einrichtung mit einem besonderen öffentlichen Glauben ausstattet. aa) Zentrale Register Dass diese Problematik bislang soweit ersichtlich wenig Beachtung gefunden hat,112 mag an Folgendem liegen: Trotz Herkunftslandprinzip kann im Ergebnis für die Variante des zentralen Registers – und damit zugleich für die prominenteste der drei Kollisionsnormen, Art. 14 EuInsVO, insgesamt – dasjenige Land herangezogen werden, dessen Effektengiroverkehr das Register zugrunde liegt. Zum Verständnis ist ein Exkurs in die aufsichtsrechtlichen Vorgaben der Finalitätsrichtlinie erforderlich.
110
Überblick zur europäischen Bankrechtskoordinierung etwa bei von der Groeben/Schwarze-Troberg/Tiedje, Kommentar zum EU- und EG-Vertrag, Bd. 1 (2003), Art. 51 EG Rdnr. 15 ff.; Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 135 Rdnr. 1 ff.; Hübner, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. IV Rdnr. 5 ff. 111 Insbesondere in Art. 49 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU. 112 Vgl. allerdings die Einwände von Luxemburg und vom Bundesverband Deutscher Banken im Rahmen der Vorarbeiten zum HWpÜ gegen die Berücksichtigung des Aufsichtskriteriums, s. Prel. Doc. No 5 of November 2001, Comments received on the “annotated July 2001 draft”, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 164, 174 f.
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Handelt es sich bei dem Register wie im Fall des englischen CREST um ein Wertpapierliefersystem im Sinne der Finalitätsrichtlinie,113 so ist in jenem Rechtsakt eine staatliche Aufsicht speziell über das System oder dessen Betrieb nicht zwingend vorgesehen. Den Mitgliedstaat, in dem mindestens ein Teilnehmer des Systems seine Hauptverwaltung hat und dessen Rechtsordnung das System kraft Rechtswahl unterliegt,114 trifft eine Pflicht lediglich dahingehend, Systeme, die die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllen, bei der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) zu notifizieren.115 Daneben sind die Betreiber eines Systems nur verpflichtet, dem betreffenden Staat den Kreis der Teilnehmer einschließlich späterer Änderungen mitzuteilen.116 Über die Informationspflichten hinaus besteht nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 3 Finalitätsrichtlinie lediglich die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, Systeme einer besonderen Beaufsichtigung oder einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen.117 Nutzen sie diese nicht,118 sind die Systembetreiber der staatlichen Aufsicht nur nach allgemeinen Regeln etwa als Kreditinstitut und damit als Person unterworfen. Selbst bei Verzicht eines Staates auf eine gesonderte Aufsicht über das auf seinem Territorium betriebene Register würde aber die Notifizierungspflicht der Finalitätsrichtlinie eine Möglichkeit bieten, das Anknüpfungsmoment auf dieses Land auszurichten. Zwar könnte zweifelhaft erscheinen, ob die Meldung an die europäische Behörde als staatliche „Aufsicht“ im Sinne der drei Kollisionsvorschriften zu qualifizieren ist. Sie mutet im Vergleich zur allgemeinen Bankenaufsicht mit deren Eingriffsbefugnissen als bloßer Publizitätsakt an, zu dem der Mitgliedstaat bei Erfüllung der 113
Vgl. die Liste der bei der Kommission benannten Systeme unter (Stand: März 2014). 114 Die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates ergibt sich aus der Definition des Systems in Art. 2 Abs. 1 lit. a) Finalitätsrichtlinie: Für das System als eine förmliche Vereinbarung muss die Rechtsordnung eines Mitgliedstaates gewählt werden, in dem mindestens einer der Teilnehmer seine Hauptverwaltung hat; dieser Staat ist dann zur Meldung an die Kommission verpflichtet. 115 Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 Finalitätsrichtlinie. 116 Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 Finalitätsrichtlinie. 117 Zur Einordnung der Norm als Kompromiss hinsichtlich der Frage einer Harmonisierung auch der Systemaufsicht Devos, Seminar on Current Developments in Monetary and Financial Law (2006), S. 20 (insbesondere Fn. 53). 118 Z. B. ist im deutschen Recht explizit auf eine gesonderte Aufsicht über den Betrieb von Systemen verzichtet worden, s. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 14; zur Thematik auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Kreditwesengesetz (2012), § 24 b KWG Rdnr. 14 ff. Allerdings existiert in Deutschland kein System in Form eines zentralen Registers.
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Voraussetzungen verpflichtet ist. Immerhin muss das notifizierende Land diese Voraussetzungen aber zunächst prüfen. Weiterhin würde ein Gleichlauf mit der Kollisionsregel des Art. 8 Finalitätsrichtlinie hergestellt, der im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen Systemteilnehmer die Rechte und Pflichten aus der Teilnahme am System dem für dieses maßgeblichen Recht unterwirft.119 Verweisen die drei insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen auf den notifizierenden Staat, so berufen sie ebenfalls das Recht des Systems zur Anwendung. Auf diese Weise beurteilt ein einheitliches Insolvenzstatut sowohl die Übertragungsaufträge als auch den besonderen öffentlichen Glauben der zentralen Einrichtung des Systems. Im Fall eines Wertpapierregisters ist Staat der Aufsicht somit entweder der Staat, der die fakultative Aufsicht über das Register ausübt, oder, falls auf eine solche Aufsicht verzichtet wird, der Staat, der das System (und damit zugleich das Register) nach der Finalitätsrichtlinie gegenüber der ESMA notifiziert hat. Das Zusammenspiel von kollisionsrechtlicher Verweisung auf die staatliche Aufsicht und aufsichtsrechtlicher Herkunftslandkontrolle lässt sich für zentrale Register also bewältigen. bb) Depotkonten Anders stellt sich die Lage freilich für die in den beiden Sanierungsrichtlinien zusätzlich einbezogenen Depotkonten dar. Für Konten auf höchster Stufe der Verwahrpyramide kann zunächst zwar ebenfalls eine etwaige gesonderte Aufsicht über das Wertpapierliefersystem herangezogen werden. Wird auf eine solche verzichtet (wie etwa in Deutschland),120 sollte die Notifizierung gegenüber der ESMA121 berücksichtigt und als vorrangig gegenüber der Beaufsichtigung durch einen möglicherweise abweichenden Herkunftsstaat des Systembetreibers behandelt werden. Angesichts des einstufigen Bildes eines Wertpapierliefersystems in der Finalitätsrichtlinie kommt die Option, auf die Systemaufsicht bzw –notifizierung abzustellen, auf den niedrigeren Stufen der Depotpyramide jedoch konsequenterweise nicht in Betracht. Wenn Depotkonten im Inland über eine Zweigstelle oder im Wege des Onlinebankings durch ausländische Intermediäre aus Europa angeboten werden, so verweisen die beiden international-insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen der Sanierungsrichtlinien über das europäische Bankaufsichtsrecht auf den ausländischen Her119
Parallel Art. 9 Abs. 1 EuInsVO. Vgl. den ausdrücklichen Verzicht in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 14. 121 Zur Mitteilung der Systeme in Deutschland durch die Deutsche Bundesbank s. § 24 b KWG. 120
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kunftsstaat, nicht aber den Aufnahmestaat. Der Grundidee der Sonderanknüpfung, einen besonderen öffentlichen Glauben im Inland abzusichern, wird dies nicht gerecht. d) Supranationale Aufsicht Zudem könnte der akzessorischen Anknüpfung an die staatliche Aufsicht Probleme bereiten, dass ebenjene Aufsicht den Nationalstaaten in Europa in Reaktion auf die Finanzmarktkrise zunehmend entzogen wird. Im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors – ESFS)122 ist die mikroprudentielle Aufsicht zunächst im Wesentlichen noch bei den nationalen Aufsichtsbehörden verblieben. Auf Unionsebene haben daneben drei Behörden ihre Arbeit aufgenommen: die Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA),123 die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA)124 und die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA.125 Die laufende Aufsicht über Finanzmarktakteure übt von diesen drei europäischen Aufsichtsbehörden bislang nur die ESMA aus, und zwar in Bezug auf Ratingagenturen.126 Nachfolgend bewirkt nunmehr allerdings der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) als eine tragende Säule der Bankenunion 122 Vgl. hierzu die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2009, Europäische Finanzaufsicht, KOM(2009) 252 endg. S. a. Hopt, NZG 2009, S. 1401, 1404 ff.; Lehmann/Manger-Nestler, EuZW 2010, S. 87, 88 ff. 123 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12. 124 Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48. 125 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/ EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84. 126 Vgl. Art. 14 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1, in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. L 146 vom 31.5.2013, S. 1.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
eine weitergehende Verlagerung von Aufsicht auf die unionale Ebene: Die Europäische Zentralbank wird im Rahmen dieses Mechanismus bedeutende Kreditinstitute federführend direkt beaufsichtigen.127 Die Zuweisung der Bankenaufsicht an die Union erfasst auch Intermediäre, die Depotkonten führen. Die insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen verweisen insofern dann aber nicht mehr auf einen Staat der Aufsicht über die Einrichtung des Effektengiros, sondern auf die supranationale EU. Über ein geschlossenes materielles Insolvenzrecht, das zur Anwendung berufen werden könnte, verfügt die Union bislang noch nicht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die materielle Harmonisierung durch die Richtlinie über Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD)128 und die Übertragung der Abwicklungsentscheidung auf die europäische Ebene durch den künftigen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM)129 als weitere Säule der Bankenunion. Die aus diesen Vorhaben resultierende Vereinigung von Abwicklung und Aufsicht auf der supranationalen Ebene130 dürfte auch die insolvenzrechtliche Anüpfung an das Aufsichtskriterium entschärfen. 2.
Verfügungen mit Buchungsvorgängen auf mehreren Konten
Durch die Erweiterungen der beiden Richtlinienbestimmungen stellt sich für die international-insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen ebenfalls die Schlüsselfrage für den PRIMA-Ansatz, wie Transaktionen über mehrere Konten zu behandeln sind. Die Verfügung des insolventen Schuldners kann Ab- und Aufbuchungen auf mehreren Depotkonten zur Folge haben. Fraglich ist dann, ob ein einziges und, falls ja, welches Konto die Anknüp127
Vgl. Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63. 128 Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/ EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190. 129 Vorschlag der Kommission vom 10. Juli 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, COM(2013) 520 final. 130 Adolff/Eschwey, ZHR Bd. 177 (2013), S. 902, 935.
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fung bestimmen soll. Eine eindeutige Antwort bleibt der Wortlaut der beiden Richtlinienvorschriften zwar schuldig. Dennoch spricht viel für ein Ergebnis, das bemerkenswerterweise von jenem der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie abweicht. Ausgangspunkt ist das mit den international-insolvenzrechtlichen Normen verfolgte Ziel. Wenn der besondere öffentliche Glauben an ein staatlich geführtes Register kollisionsrechtlich abgesichert werden soll, so muss das Register, aus dem sich (ohne Eröffnungsvermerk) die Verfügungsbefugnis des Schuldners ableitet, maßgeblich sein. Da die Intention im Rahmen der Erweiterung der beiden Sanierungsrichtlinien auf Wertpapierkonten dieselbe geblieben ist, lässt sich die Erwägung für die dort verbuchten Wertpapiere adaptieren: Heranzuziehen ist das Konto, auf dem die vermeintliche Verfügungsbefugnis des Kreditinstituts oder des Versicherungsunternehmens fußt, oder, anders ausgedrückt, in dem die Übertragung ihren Ursprung nimmt.131 Allein die aufsichtsrechtliche Zuordnung des Depotkontos des Verfügenden bestimmt somit die kollisionsrechtliche Anknüpfung nach den beiden Richtlinienbestimmungen.132 Hinsichtlich der zu betrachtenden Stufe der Verwahrpyramide ergibt sich wiederum ein Zusammenhang mit der Frage der Transparenz einer Rechtsposition über verschiedene Stufen der Pyramide hinweg. In intransparenten Systemen wird auf höheren Stufen nicht einmal der Name des Verfügenden vermerkt sein, was den Fokus für die Verfügungsbefugnis auf dessen unmittelbares Konto richtet. Außer Zweifel steht dies allerdings nicht: In transparenten Systemen ist umgekehrt ein besonderer öffentlicher Glaube gerade bei der zentralen Stelle zu vermuten, was für die Maßgeblichkeit von Register oder Verwahrstelle auf höchster Stufe sprechen könnte. III. Neue Schwächen der drei Verweisungsnormen Versteht man den Regelungsgegenstand der „Wirksamkeit der Rechtshandlung“ im oben vorgeschlagenen engen Sinne, so bleibt die Bedeutung des Normkomplexes zu Verfügungen des fallierenden Schuldners ohnehin eher 131
Vgl. auch Erwägungsgrund 29 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten: „Das Vertrauen von Dritterwerbern in den Inhalt von Registern oder Konten für bestimmte Vermögenswerte, die in diese Register oder Konten eingetragen sind, […] muss auch nach der Eröffnung des Liquidationsverfahrens oder der Anordnung einer Sanierungsmaßnahme geschützt werden.“ (Hervorhebung durch Verf.) 132 I. E. ebenso für Art. 31 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.125; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 86; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 84.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
begrenzt. Das von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie abweichende Verweisungsmodell von Art. 14 EuInsVO und seinen sektoralen Korrelaten birgt dennoch gewisse neue Schwächen. So liegt wie ausgeführt im Zusammenwirken mit dem aufsichtsrechtlichen Herkunftslandprinzip das Potential zu – im Hinblick auf das verfolgte Ziel – unerwünschten Anknüpfungsergebnissen. Hinsichtlich der Antwort auf die Schlüsselfrage von PRIMA, der Auswahl unter mehreren beteiligten Intermediären, mag zur Beurteilung der Rechtsmacht des verfügenden Schuldners letztlich nur die Berücksichtigung seiner Seite sinnvoll sein. Dennoch kollidiert auch die Entscheidung zugunsten des Anfangspunktes mit der Intransparenz der Übertragungswege des Kapitalmarkts: Intermediäre auf höheren Stufen, die zur Bestimmung des auf ihre Buchungsvorgänge anwendbaren Sachen- (bzw. Schuld)rechts zumindest tendenziell nach Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie auf die ihnen unbekannte Person des Empfängers verwiesen sind, müssen für die Teilfrage der insolvenzrechtlichen Verfügungsbefugnis zusätzlich die ihnen ebenso unbekannte Person des Verfügenden berücksichtigen.133 Für die materielle Sonderregel zur Verfügungsbefugnis des Schuldners in Art. 8 der Finanzsicherheitenrichtlinie, die als Beispiel für den Anknüpfungsgegenstand der international-insolvenzrechtlichen Ausnahmebestimmungen identifiziert wurde, entschärft sich diese Problematik allerdings dadurch, dass im Rahmen der erfassten Sicherheitsgeschäfte zumindest der Verfügungsempfänger die Person des Verfügenden kennt. Zudem ist im Rahmen des Verweisungsmoments der drei internationalinsolvenzrechtlichen Normen zwar eine Kumulation mehrerer Verfügender in einer Transaktion vorstellbar; die Konkurrenz verschiedener Rechtsordnungen in Bezug auf dasselbe Wertpapier kann es hingegen rein logisch nicht geben, da sich die insolvenzrechtliche Verfügungsbefugnis immer nach derselben Rechtsordnung des Verfügenden beurteilt. IV. Charakter der Verweisungsnormen Stellen sich bei der Anwendung des Anknüpfungsmomentes ungeklärte Fragen, so lassen sich doch zumindest zum Charakter der kollisionsrechtlichen Verweisungen eindeutigere Aussagen treffen. Dem vereinheitlichen-
133
Dies gilt nur hinsichtlich der dinglichen Verfügung, an der der Intermediär mitwirkt. Rechte und Pflichten, die sich aus der Teilnahme des insolventen Teilnehmers an einem Wertpapierliefersystem ergeben, unterliegen nach Art. 8 Finalitätsrichtlinie und Art. 9 Abs. 1 EuInsVO gerade nur der für das System gewählten Rechtsordnung.
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den Ansatz der Insolvenzverordnung134 entsprechend sind ihre Kollisionsnormen als Sachnormverweisungen auf das mitgliedstaatliche Recht unter Ausschluss des autonomen Kollisionsrechts zu verstehen, so dass Rückund Weiterverweisungen nicht in Betracht kommen.135 Der Gedanke der Unifizierung greift auch für die beiden Kollisionsnormen der Sanierungsund Liquidationsrichtlinien, so dass gleichfalls von der Vorgabe einer Sachnormverweisung für die mitgliedstaatliche Umsetzung auszugehen ist. Parallel zur Finalitätsrichtlinie könnte zudem auch hier argumentiert werden, dass die Normen nur auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verweisen, dort aber – bei ordnungsgemäßer Umsetzung – kein abweichendes Kollisionsrecht existiert. Ein renvoi ist damit ohnehin ausgeschlossen, die formale Behandlung als Sachnormverweisung gleichwohl sinnvoll. C. Art. 24 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Neben dem Normkomplex zu Verfügungen des insolventen Schuldners nach Verfahrenseröffnung findet sich im europäischen internationalen Insolvenzrecht noch eine weitere Kollisionsvorschrift, die sich mit intermediatisierten Wertpapieren beschäftigt. Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten verweist für die Ausübung von Rechten an den in einer Depoteinrichtung eingetragenen Instrumenten auf das Recht des Ortes dieser Einrichtung: Artikel 24 Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Lex rei sitae Für die Ausübung von Eigentumsrechten oder anderen Rechten an Instrumenten, deren Existenz oder Übertragung ihre Eintragung in ein in einem Mitgliedstaat geführtes Register oder Konto oder bei einer zentralen Verwahrstelle eines Mitgliedstaats voraussetzt, ist das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich, in dem sich das Register, das Konto bzw. die zentrale Verwahrstelle befindet, in dem bzw. bei der die betreffenden Rechte eingetragen wurden.
Die Richtlinienbestimmung nimmt eine Sonderstellung im Rahmen der europäischen Insolvenzvorschriften ein, da weder die allgemeine Verordnung noch die Spezialrichtlinie zu Versicherungsunternehmen eine Entsprechung aufweisen. Von den drei bereits behandelten insolvenzrechtli134 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 29 der EuInsVO, wonach das nationale internationale Privatrecht durch die einheitlichen Kollisionsnormen der Verordnung ersetzt werden soll. 135 Allgemein Huber, ZZP Bd. 114 (2001), S. 133, 151; speziell für Art. 14 EuInsVO MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Art. 14 EuInsVO Rdnr. 10.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
chen Kollisionsnormen grenzt sie sich durch ihren Gegenstand ab; während erstere die dynamische Situation einer Verfügung betreffen, erfasst die Regelung die eher statische Konstellation der Durchsetzung eines bereits bestehenden Rechtes an Wertpapieren. Auch eine leicht abweichende Akzentuierung bei der Zielsetzung lässt sich ausmachen: Steht hinter den drei untersuchten Vorschriften ausweislich der Überschriften dem individuellen Schutz Dritter bei Verfügungen, so regelt die zusätzliche Norm für die Ausübung von Rechten an Instrumenten ihrem Titel nach die abstrakte lex rei sitae.136 Diese Nuance der Spezialvorschrift zu Kreditinstituten lässt anklingen, dass Insolvenzverfahren der erfassten Schuldner in besonderem Maße über die unmittelbar betroffenen Individuen hinauswirken. Auf den weltweit verflochtenen Finanzmärkten bedürfen die durch die Insolvenz einzelner Akteure ausgelösten systemischen Risiken einer Antwort. Sieht man die zusätzliche Kollisionsnorm für Kreditinstitute vor diesem Hintergrund, so ist ein Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie augenscheinlich. In der Tat lässt sich in der Entstehungsgeschichte beider Normen eine Wechselwirkung feststellen. Zwar wurde die Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie endgültig erst 2001 und damit drei Jahre nach der Finalitätsrichtlinie verabschiedet; der erste Richtlinienentwurf stammt jedoch bereits aus dem Jahr 1985.137 In den Erwägungsgründen der Finalitätsrichtlinie wird denn auch auf den damaligen Richtlinienvorschlag hingewiesen,138 umgekehrt ordnet Erwägungsgrund 25 der endgültigen Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten die im Rahmen eines Zahlungs- oder Abrechnungssystems getätigten Transaktionen der Finalitätsrichtlinie zu. Darüber hinaus sollen nach Erwägungsgrund 26 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie die Bestimmungen der Finalitätsrichtlinie nicht in Frage gestellt werden, nach denen ein Insolvenzverfahren die rechtliche Wirksamkeit von ordnungsgemäß in ein System eingebrachten Aufträgen oder in einem System gestellten dinglichen Sicherheiten nicht berührt.139 136
Zur Zielsetzung von Art. 24 s. auch die Begründung zur entsprechenden Norm des Vorentwurfs im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 43/2000 vom 17. Juli 2000 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. C 300 vom 20.10.2000, S. 13, 29. 137 S. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Sanierung und Liquidation der Kreditinstitute, ABl. C 356 vom 31.12.1985, S. 55. 138 Erwägungsgrund 5 der Finalitätsrichtlinie. 139 Die Formulierung erscheint als zu weit gehend, da Art. 9 Abs. 1 Finalitätsrichtlinie einen derartigen Schutz nur Sicherheiten gewährt. Rechte und Pflichten von Systemteilnehmern allgemein werden in Art. 7 nur vor rückwirkenden Eingriffen des Insolvenzverfahrens bewahrt und nach Art. 8 hinsichtlich der Auswirkungen eines Verfahrens dem
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Gleichwohl stellt Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten keine bloße Wiederholung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie dar, sondern ist in Voraussetzungen und Rechtsfolgen eher dem international-insolvenzrechtlichen Hintergrund verhaftet. I.
Reichweite der Kollisionsnorm
So entsprechen insbesondere die sachlichen, persönlichen und räumlichen Limitierungen des Anwendungsbereichs denen der bereits behandelten Kollisionsnorm in Art. 31, 3. Spiegelstrich derselben Richtlinie zu Verfügungen des insolventen Schuldners. 1.
Sachlicher Anwendungsbereich
In sachlicher Hinsicht ergibt sich zunächst keine Beschränkung auf Sicherungsrechte an Wertpapieren. Offensichtlich sind bei dieser Norm Rechtsstellungen im Effektengiro allgemein einbezogen. Bezugspunkt der Kollisionsregel ist weiterhin ebenfalls der Begriff des Instruments, der sich über die Definitionsverweisung des Art. 2 der Sanierungsrichtlinie mittlerweile nach der enumerativen Liste im Anhang zur MiFID richtet. a) Abdeckung des Effektengiros Darüber hinaus wird die gleiche Einschränkung wie beim Normkomplex zu Verfügungen des Schuldners verwendet, dass die „Existenz oder Übertragung“ dieser Instrumente ihren Register- oder Kontoeintrag bzw. die Hinterlegung bei einer zentralen Verwahrstelle voraussetzt. Gemäß den obigen Ausführungen ist darin lediglich die Fokussierung auf den Effektengiroverkehr mit seiner zentralen Stellung der Kontenbuchung zu sehen, ohne dabei eine bestimmte rechtliche Bedeutung letzterer vorauszusetzen.140 Hieraus folgt zugleich eine weitreichende Abdeckung des Spektrums an materiellen Ausgestaltungen des Effektengiros unter Einschluss schuldrechtlicher Konstruktionen, was in der Gleichstellung von „anderen
für das System maßgeblichen Recht unterworfen. S. a. Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.121. 140 Vgl. insoweit auch die Begründung zur entsprechenden Norm des damaligen Vorentwurfs im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 43/2000 vom 17. Juli 2000 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. C 300 vom 20.10.2000, S. 13, 29: Bezug genommen wird auf Rechte an Wertpapieren, „die in ein in einem Mitgliedstaat geführtes Register oder Konto eingetragen sind oder bei einer zentralen Verwahrstelle eines Mitgliedstaats gehalten werden“ (Hervorhebungen durch Verf.), was sich offen gegenüber einer bloß verlautbarenden Wirkung der Kontoeintragung zeigt.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Rechten an Instrumenten“ mit „Eigentumsrechten“141 seine Bestätigung findet. b) Beschränkung auf eröffnete Insolvenzverfahren In sachlicher Hinsicht könnte allerdings fraglich sein, ob die Anknüpfungsbestimmung situativ wie die drei anderen international-insolvenzrechtlichen Vorschriften auf den Zeitraum nach Eröffnung des Verfahrens beschränkt bleibt. Im Wortlaut der Norm findet sich gerade keine derartige Limitierung, so dass die Ausübung der Rechte an intermediatisierten Wertpapieren auch außerhalb von Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen des insolventen Schuldners erfasst sein könnte. Eine derartige Auslegung würde die Norm zu einer kollisionsrechtlichen Grundregel für die Durchsetzung von Rechten an Wertpapieren machen. Hiergegen spricht indes die systematische Stellung der Vorschrift. Sie stellt eine Ausnahme zur grundsätzlichen Anknüpfungsregel der Richtlinie dar, die sich nur mit Voraussetzungen und Wirkungen von Sanierungs- und Liquidationsverfahren beschäftigt. Auch die Überschrift des betreffenden Titels IV der Richtlinie lässt sich ins Feld führen: Art. 24 gehört demnach zu den gemeinsamen Vorschriften für Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsverfahren. Die Norm findet nur nach Eröffnung eines Liquidationsoder Sanierungsverfahrens über ein Kreditinstitut Anwendung.142 c) Regelungsgegenstand Der wesentliche Unterschied von Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten gegenüber Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie lässt sich an ihrem jeweiligen Regelungsgegenstand festmachen. 141
Deutlich insofern auch die anderen Sprachfassungen: „proprietary rights in instruments or other rights in such instruments“ in der englischen, „droits de propriété sur des instruments ou d’autres droits sur de tels instruments“ in der französischen Version der Richtlinie (Hervorhebungen durch Verf.). 142 Von einer derartigen Einschränkung geht auch die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen der Kommission aus, s. Arbeitsdokument der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 3; ebenso in der Lit. Keller, BKR 2002, S. 347, 350; Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 12.125; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 242; Deguée/Devos, R.D.C./T.B.H. 2006, S. 6, 12 f.; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 85; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 300; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 19. Unklar die Position der EZB in ihrem Schreiben vom 6. Oktober 2006, Dok. 14014/06 JUSTCIV 226 vom 3.7.2007, S. 8, in dem sie als Option de lege lata eine ausdrückliche Begrenzung auf Insolvenzverfahren diskutiert.
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Nach dem Wortlaut der Sanierungsrichtlinie sind Objekt der Verweisung nicht die Rechte an Wertpapieren als solche, sondern nur deren „Ausübung“.143 Offensichtlich werden also nicht Erwerb und Inhalt der Rechtsstellung angeknüpft, welche nach Verfahrenseröffnung weiterhin denselben Verweisungsregeln wie vor der Insolvenz unterliegen.144 Vielmehr geht es lediglich um die insolvenzrechtliche Frage, ob die Eröffnung eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens über ein Kreditinstitut Auswirkungen auf die Durchsetzbarkeit von Rechten an Wertpapieren zeitigt. Die Verfahrenseröffnung in einem anderen Land als dem des Kontos, des Registers oder der Verwahrstelle soll keine nachteilig abweichenden Rechtsfolgen haben. Verschiedene Wege sind für eine derartige Wirkung der Verfahrenseröffnung denkbar. aa) Kreditinstitut als Gläubiger Vom Wortlaut her umfasst sind zunächst die Rechte des fallierenden Instituts an seinen eigenen, in einer ausländischen Einrichtung verbuchten Wertpapieren, mithin die Situation des insolventen Kreditinstituts als Gläubiger.145 Das Abweichen von der allgemeinen lex fori concursus erscheint für diese Konstellation allerdings wenig dringlich. Der Inhaber der Rechte im Sinne der Vorschrift ist dann gerade der insolvente Schuldner selbst, der nicht vor der Geltung seiner Herkunftsrechtsordnung geschützt werden muss. bb) Kreditinstitut als Sicherungsgeber Weiterhin könnten auch die Rechte von Sicherungsnehmern an den in einer ausländischen Einrichtung verbuchten Wertpapieren des Instituts gemeint sein, mithin die Situation des Kreditinstituts als Sicherungsgeber. Folge der Verweisung wäre dann, dass der Sicherungsnehmer sein Sicherungsrecht nur nach Maßgabe des Insolvenzrechts des Staates ausüben könnte, in dem die Instrumente verbucht sind. Hinzuweisen ist insofern aber auf die allgemeine Behandlung von dinglichen Rechten Dritter an im Ausland belegenen Vermögensgegenständen des Schuldners. Auch für Verfahren über Kreditinstitute greift nach Art. 21 Abs. 1 der Sanierungsrichtlinie die gemeinsame Grundregel des europäi143
In der englischen Fassung von Art. 24 der Richtlinie „The enforcement of proprietary rights in instruments or other rights in such instruments“, in der französischen „L’exercice des droits de propriété sur des instruments ou d’autres droits sur de tels instruments“ (Hervorhebungen durch Verf.). 144 Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 17, 22 Fn. 13. 145 Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 88.
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schen internationalen Insolvenzrechts, dass derartige Rechte Dritte von der Insolvenz „nicht berührt werden“. Wie eingangs beim Überblick zu den europäischen Rechtsakten geschildert, ist dies als Vorgabe an die anwendbare lex fori concursus zu verstehen, die Ausübung des dinglichen Rechts durch den Dritten frei von jeglicher Wirkung des Insolvenzverfahrens zu halten. Zugleich sind für Kreditinstitute aber auch Partikularverfahren in einem anderen Staat nach dessen Insolvenzrecht ausgeschlossen.146 Mit anderen Worten unterliegen dingliche Rechte Dritter an Vermögensgegenständen des Kreditinstituts im Ausland weder den Insolvenzwirkungen des Hauptstatuts noch dem Insolvenzrecht des Landes der Belegenheit.147 Bei Zusammenschau der beiden Vorschriften zu Rechten an Wertpapieren und zu dinglichen Rechten Dritter wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn durch erstere Regel ausschließlich Sicherungsrechte an Wertpapieren doch wieder Insolvenzwirkungen unterworfen würden.148 Auszugehen ist daher davon, dass die Insolvenzfreistellung dinglicher Rechte Dritter auch auf Wertpapiersicherheiten Anwendung findet,149 soweit dies ihr Anwendungsbereich zulässt. Die Frage, ob sich intermediatisierte Wertpapiere im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, ist zunächst in Anlehnung an das PRIMA-Kriterium in Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie nach dem Ort des maßgeblichen Kontos zu bestimmen.150 Fraglich könnte sodann aber sein, ob Art. 21 Abs. 1 der Sanierungsrichtlinie als Grundlage der Sicherheit nur Rechtsstellungen des Kreditinstituts in einem sachenrechtlich konstruierten Verwahrsystem erfasst. Die Formulierung der Norm, dass es sich um „körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche Gegenstände“ des Kreditinstituts handelt, zeigt sich aber offen gegenüber einem obligatorischen Sicherungsgegenstand.151 Bestätigt wird dieser Befund durch Art. 21 Abs. 2 lit. b) der Sanierungsrichtlinie, der als Beispiel für ein erfasstes dingliches Recht des Dritten das Pfandrecht an einer Forderung nennt. 146
S. oben § 5 A. Vgl. Wimmer, ZInsO 2004, S. 897, 905; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz (2004), S. 214; Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 36. Der Vermögensgegenstand des Schuldners, an dem die dinglichen Rechte bestehen, fällt als solcher dagegen in die Insolvenzmasse, so dass der Überschuss einer Verwertung durch den Dritten an den Insolvenzverwalter herauszugeben ist. 148 Ähnlich Keller, BKR 2002, S. 347, 350. 149 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 316. 150 Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 296. 151 Auch in der Parallelnorm des Art. 5 EuInsVO sollen nicht nur Rechte an Sachen, sondern auch Rechte an obligatorischen Rechten erfasst sein, vgl. MünchKommBGBKindler, Bd. 11 (2010), Art. 5 EuInsVO Rdnr. 5. 147
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Über Art. 21 Abs. 1 der Sanierungsrichtlinie kann damit als Sicherungsgegenstand das gesamte Spektrum depotrechtlicher Positionen des Kreditinstituts im Ausland erfasst werden. Voraussetzung ist nur, dass der Dritte an dieser Position ein „dingliches Recht“ im Sinne der Vorschrift inne hat. Was als solches Recht in Frage kommt, ergibt sich zunächst aus der nicht abschließenden Liste nach Absatz 2 der Norm. Verallgemeinernd lässt sich aus ihr ableiten, dass das Recht erstens direkt und unmittelbar an die Sache gebunden und zweitens absolut und gegenüber jedermann durchsetzbar sein muss.152 Jedenfalls dürften die gängigen Formen einer Wertpapiersicherheit wie eine Verpfändung oder eine Sicherungsübereignung von der Insolvenzfreistellung für dingliche Rechte Dritter erfasst sein. Für die Rechte der Sicherungsnehmer eines insolventen Kreditinstituts kommt Art. 24 der Sanierungsrichtlinie vor diesem Hintergrund keine eigenständige Bedeutung zu, da diese Rechte ohnehin keinen insolvenzrechtlichen Beeinträchtigungen unterliegen. cc)
Kreditinstitut als Intermediär
Schließlich wird Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten auf die Rechte von Kontoinhabern bezogen, falls das insolvente Kreditinstitut außerhalb seines Herkunftsstaats als Intermediär Depotkonten führt.153 Bietet beispielsweise ein ausländisches Kreditinstitut in Deutschland über eine unselbstständige Zweigstelle154 Depotkonten an, auf denen Girosammel-Depotgutschriften über die bei der deutschen Wertpapiersammelbank verwahrten Wertpapiere erteilt werden, so gilt bei Insolvenz des Instituts für die Wirkungen des Verfahrens im Grundsatz das Recht des Herkunftsstaats in der Union oder dem sonstigen EWR. Über Art. 24 der Sanierungsrichtlinie wird abgesichert, dass die Depotkunden ihr Miteigentum nach § 6 DepotG, welches sich nach deutschem Insolvenzrecht in einem Aussonderungsrecht nach § 47 InsO155 niederschlägt,
152
Vgl. nur zur Parallelnorm m. w. N. MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Art. 1 EuInsVO Rdnr. 4. 153 Unter dieser Perspektive sehen die Norm Keller, BKR 2002, S. 347, 350; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 242. 154 Eine selbstständige Tochter unterläge einem eigenen Verfahren und nicht unmittelbar dem der Mutter. Zudem muss sich das Konto bei der deutschen Zweigstelle verorten lassen, damit nicht doch wieder auf das Herkunftsland verwiesen wird; vgl. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 242. 155 Zur Stellung des Kontoinhabers in der Insolvenz der Depotbank Einsele, Bankund Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 44; MünchKommInsO-Ganter, Bd. 1 (2013), § 47 Rdnr. 420.
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
geltend machen können.156 Parallel wird man als angeknüpfte „Ausübung der Rechte“ an Wertpapieren auch Formen einer bevorzugten Behandlung innerhalb des Verfahrens – etwa durch ein Absonderungsrecht oder ein gegenständlich beschränktes Vorrecht157 – erfasst sehen können. Freilich ergibt sich auch hier die Frage, ob nicht ohnehin die allgemeine Behandlung dinglicher Rechte Dritter im Ausland für den Depotkunden zu einer völligen Freistellung von Wirkungen der Insolvenz des Intermediärs führt. Nicht in Betracht kommt dies, wenn man unter dem „dinglichen Recht eines Gläubigers oder eines Dritten“ in Art. 21 der Sanierungsrichtlinie von vornherein nur Sicherheiten zur Absicherung einer Forderung gegen den Schuldner verstehen will.158 Die nationale Norm des § 351 Abs. 1 InsO, die auch der Umsetzung von Art. 21 der Richtlinie dient,159 weist allerdings in eine andere Richtung: Bezugspunkt der Formulierung „nicht berührt“ ist dort das „Recht eines Dritten an einem Gegenstand der Insolvenzmasse, […] das nach inländischem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt.“ Wie die Einbeziehung von Aussonderungsrechten zeigt, die letztlich gerade nicht zur Insolvenzmasse gehören,160 zielt der Begriff eines „Gegenstandes der Insolvenzmasse“ auf die zunächst bestehende Ist-Masse des ausländischen Verfahrens ab, die erst durch haftungsrechtliche Zuweisungen zur SollMasse eingeschränkt wird.161 Dieser Ist-Masse können im Fall der Insolvenz der Depotbank auch die Rechte des Depotkunden aus seiner GSGutschrift zugeordnet werden.162 Hat die unselbstständige Niederlassung im Inland eine WR-Gutschrift erteilt, so folgt nach überwiegender Ansicht aus dieser treuhänderischen Position gleichfalls ein Recht zur Aussonderung nach § 47 InsO.163 Konsequenterweise wird man daher auch eine solche schuldrechtliche Position als nach § 351 Abs. 1 InsO vom ausländischen Verfahren unberührt ansehen müssen. Ein Kontoinhaber bleibt demnach über die nationale Umsetzung von Art. 21 der Sanierungsrichtlinie 156
Keller, BKR 2002, S. 347, 350. Beispielhaft für letzteres im deutschen Recht die §§ 32, 33 DepotG; hierzu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 644 ff.; Gottwald/ Adolphsen, in: Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch (2010), § 42 Rdnr. 73. 158 Zum entsprechenden Art. 5 EuInsVO Rauscher-Mäsch, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 5 EG-InsVO Rdnr. 6. 159 Zu dieser Zwecksetzung MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), § 351 InsO Rdnr. 3. 160 Vgl. nur den Wortlaut von § 47 InsO. 161 MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 351 InsO Rdnr. 8. 162 Vgl. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 243, die § 351 InsO in Bezug auf Depotkonten anwenden wollen. 163 Hierzu MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 215 ff.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 71 ff. 157
§ 5 Wertpapiere im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht
217
von allen Wirkungen der Insolvenz seines ausländischen Intermediärs verschont.164 Dieses Ergebnis könnte lediglich als ein Fall überschießender Transformation im deutschen Recht einzuordnen sein. Die identische Interessenlage eines von der Richtlinienbestimmung zweifellos erfassten Dritten, der ein beschränkt dingliches Recht an einem Gegenstand außerhalb des Staats der Verfahrenseröffnung innehat, und eines Dritten, dem das volle Eigentum an einem dort belegenen Gegenstand der Ist-Masse zusteht, spricht gleichwohl dafür, dass die Reichweite der nationalen Umsetzung bereits in Art. 21 der Richtlinie angelegt ist.165 Konsequenz einer mit der deutschen Umsetzung übereinstimmenden Auslegung von Art. 21 der Richtlinie ist, dass Depotkunden kraft Europarechts ohnehin von jeglichen Wirkungen der Insolvenz ihres Intermediärs befreit sind. Für Art. 24 der Sanierungsrichtlinie verbleiben dadurch im Hinblick auf die Rechte der Kontoinhaber keine anzuknüpfenden insolvenzrechtlichen Bestimmungen. Lediglich für den Fall, dass eine nationale Kontoposition anders als in Deutschland in der Insolvenz des Intermediärs kein Recht zur Aus- oder Absonderung verschafft, würde die Sonderanknüpfung für Insolvenzwirkungen nach Art. 24 der Richtlinie zur Anwendung kommen – dann dürften logischerweise im inländischen Insolvenzrecht aber auch keine besonderen Schutzmechanismen vorhanden sein, über deren Anwendung der inländische Depotkunde trotz ausländischen Verfahrens Klarheit bedürfte.166 Für den Regelungsgegenstand von Art. 24 der Sanierungsrichtlinie ist somit auch in der dritten Konstellation festzuhalten, dass die Anknüpfung insolvenzrechtlicher Sondervorschriften zu verbuchten Wertpapieren durch das Zusammenspiel mit der insolvenzrechtlichen Freistellung dinglicher Rechte Dritter im Ausland erheblich an Bedeutung verliert, wenn nicht gar leerläuft. 2.
Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich
Die Parallelen zu den Kollisionsnormen für Verfügungen des insolventen Schuldners setzen sich in persönlicher und räumlicher Hinsicht fort. Die Sanierungsrichtlinie gilt insgesamt nur für Verfahren in Bezug auf Kreditinstitute. Die Position des Rechtsinhabers an den Instrumenten in der De164 So im Ergebnis Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 302. 165 Dementsprechend will Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, Europäische Insolvenzverordnung (2002), Art. 5 Rdnr. 55, wohl auch Treugut und andere in der Ist-Masse befindliche Gegenstände, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen, in die Parallelnorm des Art. 5 EuInsVO einbeziehen. 166 Denkbar wäre nur eine bevorzugte Stellung „unterhalb“ des Niveaus eines Absonderungsrechts (z. B. ein gegenständlich beschränkten Vorrecht vergleichbar §§ 32, 33 DepotG), dessen Anwendung dann § 24 der Sanierungsrichtlinie absichern würde.
218
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
potpyramide wird nicht festgelegt, so dass auch Depotkunden auf niedrigerer Stufe einbezogen sind. Räumlich-persönlich werden als fallierende Schuldner zudem nur Unternehmen mit Sitz in der Union und Zweigniederlassungen von drittstaatlichen Instituten in der EU erfasst. Art. 24 der Richtlinie über die Sanierung und Liquidation bleibt darüber hinaus auf innerunional verbuchte Wertpapiere beschränkt, da sich Register, Konto oder zentrale Verwahrstelle in einem Mitgliedstaat befinden müssen. II. Anknüpfungsmoment Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ist an der Einführung des Anknüpfungsprinzips von PRIMA in das internationale Insolvenzrecht beteiligt.167 Anders als im Rahmen des Komplexes zu Verfügungen des insolventen Schuldners über indirekt gehaltene Wertpapiere wird aber nicht auf das Kriterium der staatlichen Depotaufsicht zurückgegriffen, sondern auf eine nicht näher bestimmte Belegenheit von Register, Konto oder Verwahrstelle. Damit stellt sich wie bei Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie das Problem der oftmals auf verschiedene Staaten verteilten Tätigkeit des Intermediärs. Auch hier ist mangels näherer Vorgaben seine konkret handelnde Zweigstelle zu suchen, zu deren Ermittlung die Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Als ein Indiz unter mehreren kann dabei das Aufsichtskriterium der Kollisionsnormen zu Verfügungen des Schuldners verwendet werden,168 aufgrund der Auswirkungen des Herkunftslandprinzips muss jedoch eine abweichende Verortung möglich bleiben. Die Schlüsselfrage von PRIMA, der Umgang mit einer Vielzahl beteiligter Intermediäre, stellt sich für Art. 24 der Sanierungsrichtlinie jedenfalls nicht in gleichem Maße wie bei den anderen Normen des europäischen Wertpapierkollisionsrechts. Geregelt wird nur die stationäre Situation der Ausübung eines bestehenden Rechtes, für die es – anders als für die dynamische Konstellation einer Verfügung – keiner Entscheidung zwischen dem Konto eines Absenders und dem eines Empfängers bedarf. Da nur eine einzige Person für die Anknüpfung maßgeblich ist, bietet der enge Regelungsgegenstand zudem weder einen Ansatzpunkt für die Kumulation, noch für die Konkurrenz verschiedener Rechtsordnungen.
167
Keller, BKR 2002, S. 347, 349. Im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 43/2000 vom 17. Juli 2000 des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. C 300 vom 20.10.2000, S. 13, 29, wird dementsprechend die Anknüpfung nach der betreffenden Vorgängernorm einer Anknüpfung unter Verwendung des Aufsichtskriteriums in einer anderen Norm gleichgestellt. 168
§ 5 Wertpapiere im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht
219
Aufgeworfen wird allenfalls die Frage, welche Kontostufe für die ausgeübte Rechtsposition zu betrachten ist. Neben dem Konto bezieht das Verweisungsmoment mit dem Register und der Verwahrstelle ausdrücklich auch die zentralen Einrichtungen der Verwahrpyramide ein. Dann aber könnte für die Ausübung von Rechten die Gutschrift auf niedrigster Stufe oder aber die Verbuchung auf höherer Ebene bis hin zur zentralen Verwahrung der zugrunde liegenden Wertpapiere an der Spitze heranzuziehen sein. Regelmäßig wird der Name des Rechtsinhabers rein faktisch nur auf der niedrigsten Stufe ersichtlich sein. Überdies kann die zentrale Stelle wiederum in einem anderen Land belegen sein als das Konto des Intermediärs. Der Kontoinhaber wird dann eher die für sein unmittelbares Konto geltende Rechtsordnung im Blick haben, so dass aus Vertrauensschutzgründen kollisionsrechtlich auf diese Ebene abzustellen ist. Beispielsweise kann der ausländische Intermediär aus obigem Beispiel über seine unselbstständige Zweigstelle in Deutschland ein Depotkonto führen, auf dem auch eine Gutschrift in Wertpapierrechnung über drittstaatlich verwahrte Wertpapiere erteilt wird. Im Fall der Insolvenz gewährt die WRGutschrift dem Kontoinhaber im deutschen Recht nach überwiegender Ansicht ein Recht zur Aussonderung gemäß § 47 InsO.169 Lässt man die Frage außer Betracht, ob die WR-Gutschrift nicht ohnehin durch die Insolvenzfreistellung für dingliche Rechte im Ausland vor den Wirkungen des Verfahrens gefeit ist, so bleibt ihm über die Verweisung des Art. 24 der Sanierungsrichtlinie der Schutz nur erhalten, wenn die niedrigste Stufe für die Anknüpfung herangezogen wird. Gänzlich frei von Zweifeln sind diese Erwägungen aufgrund der transparent aufgebauten Verwahrsysteme in anderen Rechtsordnungen jedoch nicht, in denen ein Nachweis der Position bis auf höhere Ebenen erfolgt. III. Einordnung als Sachnormverweisung Schließlich ergeben sich zum Charakter der Verweisung die gleichen Erwägungen wie zum Normkomplex der Verfügungen des insolventen Schuldners und zur Finalitätsrichtlinie: Die Kollisionsnorm verweist originär nur auf mitgliedstaatliches Recht, dessen internationales Insolvenzrecht bei ordnungsgemäßer Umsetzung zu keinem abweichenden Renvoi führen kann. Formal liegt angesichts dessen die Umsetzung als Sachnorm nahe.
169
Zum Problem Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 71 ff.
§6
Resümee: Europäisches Mosaik des Wertpapierkollisionsrechts
Für die weiteren Erörterungen lassen sich die bisherigen Ergebnisse wie folgt zusammenfassen. Im Schnittfeld von internationalem Sachen-, Schuld- und Insolvenzrecht sind insgesamt sechs Verweisungsnormen der Einführung eines neuen Anknüpfungsmomentes für intermediatisierte Wertpapiere zuzuordnen. Ein geschlossenes kollisionsrechtliches Regime des Effektengiroverkehrs verwirklichen die Bestimmungen gleichwohl noch nicht. Aufgrund diverser sachlicher, persönlicher und räumlicher Restriktionen der einzelnen Bestimmungen verbleiben vielmehr essentielle Lücken. Schwerer noch wiegt, dass bei der genauen Ausgestaltung des Anknüpfungsmomentes keine völlig zufriedenstellende Lösung gefunden worden ist. A. Reichweite der Kollisionsnormen Hintergrund der fragmentierten Verankerung eines Sonderkollisionsrechts des Effektengiros ist die Art und Weise, wie die Verweisungsvorschriften in das Unionsrecht aufgenommen wurden. Die Normen dienen jeweils nur als untergeordnetes Element der Flankierung und Abrundung eines kapitalmarkt- oder insolvenzrechtlichen Rechtsaktes. Als Konsequenz des pointillistischen Vorgehens1 teilen die Verweisungsvorschriften dann auch die Limitierungen der Rechtsakte insgesamt. Die zentralen Kollisionsnormen für das Effektengiro, Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie und Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie, bleiben auf diese Weise sachlich dem Kontext von Sicherheiten an Wertpapieren verhaftet. Zudem ist auch der persönliche Anwendungsbereich eingeengt: Erstere Norm lässt als Sicherungsnehmer nur Teilnehmer und Betreiber eines Wertpapierliefersystems sowie die europäischen Zentralbanken zu. Letztere Norm zeigt sich etwas weiter und umfasst als Option für den Umsetzungsgesetzgeber auch Kaufleute außerhalb des Finanzsektors, wenn sie Sicherungsgeschäfte mit Parteien aus dieser Branche schließen. Zusammengenommen bleiben bei beiden Normen aber die alltäglichen Massentransaktionen ohne Sicherungshintergrund außen vor. Die Sonderanknüpfungen im europäischen Insolvenzrecht für intermediatisierte Wertpapiere sind demgegenüber zwar nicht auf Sicherungs1 So die Kennzeichnung der Rechtsvereinheitlichung durch internationale Organisationen wie der EG durch Kötz, in: Bernstein/Drobnig/Kötz (Hrsg.), FS Zweigert (1981), S. 481, 483.
§ 6 Resümee: Europäisches Mosaik des Wertpapierkollisionsrechts
221
geschäfte beschränkt. Bei genauerer Betrachtung offenbaren jedoch alle vier Normen einen auf spezielle insolvenzrechtliche Fragestellungen konzentrierten Regelungsgegenstand, der ihre Bedeutung erheblich schmälert. Art. 14 EuInsVO und seine sektoralen Korrelate beziehen sich nur auf die „Wirksamkeit“ einer Verfügung des insolventen Schuldners, Art. 24 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute nur auf die „Ausübung“ von Rechten an Wertpapieren. Berücksichtigt man die jeweilige Zwecksetzung, so geht es um die Verfügungsbefugnis des Schuldners trotz Verfahrenseröffnung bzw. die Wirkungen des Insolvenzbeschlags auf Rechte an Wertpapieren. Dennoch bietet das Geflecht der Kollisionsnormen gewisse Parallelen und Ansätze einer gemeinsamen Systematik. So orientieren sich die Normen für den zugrundeliegenden Wertpapierbegriff – über einen direkten Verweis oder zumindest der Sache nach – an der Definition des „Instruments“ im Grundpfeiler des europäischen Rechts des Wertpapierhandels,2 der MiFID. Auch bei der Bewältigung der Herausforderungen, die dem Kollisionsrecht aus der Vielfalt des materiellen Rechts im Effektengiro erwachsen, sind tendenziell gleiche Lösungen zu erkennen. Die drei funktional äquivalenten Merkmale zur Charakterisierung der Kontoverbuchung – Eintragung mit rechtsbegründender Wirkung, Nachweis der Eigentumsverhältnisse durch die Eintragung sowie Eintragung als Voraussetzung der Existenz – sind nach hier vorgeschlagener Lösung durchweg in einem faktischen Sinne zu verstehen: Entscheidend ist allein die tatsächliche Teilnahme des Titels am Effektengiro. Des Weiteren lassen die Normen zwar eine eindeutige und unmittelbare Stellungnahme zum Umgang mit dem Spektrum materiellrechtlicher Konstruktionen des Effektengiros vermissen. Die genauere Textexegese unter Berücksichtigung der verschiedenen Sprachfassungen ergibt aber, dass alle Kollisionsnormen die schuldrechtlichen Rechtspositionen des Effektengiros einschließen. Punktuell wird damit die Rom I-VO zum internationalen Schuldrecht verdrängt. Schließlich bleiben die Normen auf mitgliedstaatlich verbuchte Wertpapiere beschränkt, so dass ihre Anknüpfung nur mehrseitigen Charakter aufweist. Lediglich die Finanzsicherheitenrichtlinie schafft eine universale Anknüpfung, die auch drittstaatlich verbuchte Wertpapiere berücksichtigt. Die folgende Darstellung in Form einer tabellarischen Übersicht fasst die diversen Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Reichweite der Normen zusammen:
2
Dies entspricht der Rolle der MiFID als „Europäisches Grundgesetz“ des Wertpapierhandels (so die illustrative Charakterisierung des Vorgängerrechtsakts, der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, bei Hopt, ZHR Bd. 159 (1995), S. 135, und Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht (2011), Rdnr. 122).
222
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie
Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie
Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate
Art. 24 Rl. über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten
Erfordernis eines Sicherungszwecks
nur Sicherheiten nur Sicherheiten beliebige Veran Wertpapieren an Wertpapieren fügungen
beliebige Rechte an Wertpapieren
Wertpapierbegriff
Instrumente i.S.v. Anh. I Abschn. C MiFID
Finanzinstrumente nach eigener Def., Nähe zu MiFID
„Wertpapiere“ (EuInsVO); „Wertpapiere, and. Geld- und Kapitalmarktpapiere“ (Versicherungen); Instrumente i.S.v. Anh. I Abschn. C MiFID (Kreditinst.)
Instrumente i.S.v. Anh. I Abschn. C MiFID
Ausrichtung auf mit rechtsEffektengiro begründender Wirkung in Register, Konto oder zentralem Verwahrsystem verbucht
Eigentumsverhältnisse durch Registereintrag oder Buchung auf Depotkonto nachgewiesen
Eintragung in Register (EuInsVO), in Konto oder bei zentraler Verwahrstelle (Vers., Kreditinst.) Voraussetzung für Existenz (EuInsVO) oder Übertragung (Vers., Kreditinst.)
Eintragung in Register, Konto oder bei zentraler Verwahrstelle Voraussetzung für Existenz oder Übertragung
Spektrum zwi- wohl alle schen SachenRechtsund Schuldrecht positionen im Effektengiro
wohl alle Rechtspositionen im Effektengiro
wohl alle Rechtspositionen im Effektengiro
wohl alle Rechtspositionen im Effektengiro
Bezug zur Insolvenz
vor wie nach Verfahrenseröffnung anwendbar
Verfügungen nach Verfahrenseröffnung
wohl nur Ausübung nach Verfahrenseröffnung
wohl vor wie nach Verfahrenseröffnung anwendbar
§ 6 Resümee: Europäisches Mosaik des Wertpapierkollisionsrechts
Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate
223
Art. 24 Rl. über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten
Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie
Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie
Konkreter Regelungsgegenstand
zweifelhaft; jedenfalls Wirksamkeit und Verwertbarkeit
Katalog an Fragen zu Bestellung, Wirksamkeit und Verwertung
„Wirksamkeit“ der Rechtshandlung: wohl Verfügungsbefugnis des insolventen Schuldners
„Ausübung“ von Recht: wohl Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Recht
Persönlicher Anwendungsbereich
Sicherungsnehmer: Systemteilnehmer, Systembetreiber, nationale und europäische Zentralbanken; Sicherungsgeber: wohl beliebig
öfftl.-rechtl. Körperschaften, Zentralbanken, Finanzinstitute; Kaufleute außerhalb des Finanzsektors nur bei Geschäft mit Partei aus den 3 Gruppen; keine Nichtkaufleute
Verfügungen der jeweils erfassten fallierenden Schuldner; Vertragspartner beliebig
Verfahren gegen Kreditinstitut; Inhaber des Rechts beliebig
Räumlicher Anwendungsbereich
nur mitgliedstaatl. verbuchte Wertpapiere; räuml.-pers. auch drittstaatl. Teilnehmer
auch drittstaatl. verbuchte Wertpapiere; räuml.pers. wohl auch drittstaatl. Parteien
nur mitgliedstaatl. verbuchte Wertpapiere; räuml.-pers. nur mitgliedstaatl. Schuldner
nur mitgliedstaatl. verbuchte Wertpapiere; räuml.-pers. nur mitgliedstaatl. Schuldner
Tabelle 1: Reichweite der europäischen Wertpapierkollisionsnormen
B. Verweisungsmoment Das Verweisungsmoment präsentiert sich in den einzelnen Kollisionsnormen des Effektengiros noch inkonsistent und inkohärent. Die Bandbreite reicht vom Ort der Einrichtung über den Ort der Kontoführung bis hin zum Staat der Aufsicht über die Einrichtung. Hinsichtlich des in drei Normen herangezogenen objektiven Orts der verbuchten Wertpapiere ist festzustellen, dass dieser mitunter schwer festzulegen ist. Die Anknüpfungen haben mit einer auf mehrere Staaten verteilten Tätigkeit des Intermediärs zu kämpfen. Bislang lässt der Unionsgesetzgeber genauere Kriterien für die räumliche Verortung vermissen. Für Umsetzungsgesetzgeber und Rechtsanwender bieten sich daher folgende Erwägungen an: Konto wie auch Kontoführung beziehen sich beide auf die Gesamtheit depotspezifischer Tätigkeiten und können letztlich nur anhand
224
2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
der Person des betreibenden Intermediärs lokalisiert werden. Zu suchen ist nach der konkret handelnden Stelle. Solange keine Abfolge von Kriterien vorgegeben ist, bedarf es zur Identifikation der maßgeblichen Büros einer Gesamtbetrachtung. Insofern sind tatsächliche Aspekte der Kontoführung, aber auch die rechtliche Verortung in anderen Rechtsgebieten (insbesondere für Zwecke des Aufsichtsrechts), einzubeziehen. Drei andere Normen, die dem internationalen Insolvenzrecht zuzurechnen sind, ziehen hingegen den letzteren Aspekt als allein maßgeblich heran. Sie bieten damit einerseits einen Ansatz, der in manchen Fällen leichter zu handhaben sein wird als die objektive Verortung, sind anderseits aber in ihrer Akzessorietät zum Aufsichtsrecht mit eigenen Problemen behaftet. Insbesondere das europäische Herkunftslandprinzip droht den mit den Normen verfolgten Schutz eines öffentlichen Glaubens in einem bestimmten Land zu unterlaufen. Zudem könnte sich die Verlagerung der direkten Aufsicht über Intermediäre auf die supranationale Ebene zum Problem auswachsen. Grundlegendes Manko aller Umsetzungen von PRIMA im europäischen Kollisionsrecht ist der Umgang mit der Vielzahl involvierter Intermediäre. Für das Konzept stellt sich die Schlüsselfrage, welcher der relevante unter mehreren betroffenen Intermediären sein soll. Eine Antwort fällt vor allem deshalb schwer, weil bei den massenhaften Wertpapiertransaktionen für die an der Übertragung Beteiligten Anfang- und Endpunkt des Übertragungsweges unbekannt sind. Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie entgehen der Problematik ein Stück weit durch ihre Beschränkung auf Sicherungsgeschäfte. Zumindest für höherstufige Intermediäre wird das Problem bei letzterer Richtlinie aber auch ohne überschießende Umsetzung virulent. Tendenziell sprechen beide Richtlinien für die einheitliche Maßgeblichkeit des Kontos des Empfängers. Hierbei sollte eine faktische Betrachtung zugrunde gelegt werden, um einen logischen Zirkelschluss durch Berücksichtigung der materiellrechtlichen Bedeutung einer Verbuchung zu vermeiden. Die international-insolvenzrechtlichen Vorschriften zu Verfügungen des Schuldners sind hingegen umgekehrt eher auf die Person des Verfügenden ausgerichtet. Angesichts der Intransparenz der Übertragungswege vermag das in beiden Varianten erforderliche tracing der Wertpapiere nicht recht zu überzeugen. Hinzu kommt, dass beide Lösungen die Geltung mehrerer Rechtsordnungen für einen einzigen Buchungsvorgang nicht gänzlich ausschließen: Kumulativ bei der Übertragung eines Pakets zugunsten mehrerer Empfänger bzw. Absender, konkurrierend bei der faktischen Verbuchung zugunsten zweier Empfänger. Erforderlich wird in letzterem Fall eine Anpassung des Verweisungsmoments, im Rahmen derer bei zwei Gutschriften in verschiedenen Ländern letztlich die Rechtsordnung des Verfügenden entscheiden sollte. Auch die Erwägungen zum
§ 6 Resümee: Europäisches Mosaik des Wertpapierkollisionsrechts
225
Verweisungsmoment lassen sich anhand einer tabellarischen Übersicht verdeutlichen:
Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie Anknüpfungsmerkmal
Ort von Register, Konto oder zentralem Verwahrsystem
Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie
Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate
Art. 24 Rl. über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten
Ort der Kontoführung
Staat der Aufsicht über Register (EuInsVO), Konto oder Verwahrstelle (Vers., Kreditinst.)
Ort von Register, Konto oder zentraler Verwahrstelle
Genauere Loka- Suche nach lisierung effektiv handelnder Stelle des Intermediärs unter Gesamtbetrachtung
Suche nach effektiv handelnder Stelle des Intermediärs unter Gesamtbetrachtung
Spitze der Depotpyramide: Aufsicht spez. über Einrichtung, subsidiär Notifizierung als System i. S. v. Finalitätsrichtlinie; bei Konten auf niedrigerer Stufe u. U. Herkunftslandprinzip
Suche nach effektiv handelnder Stelle des Intermediärs unter Gesamtbetrachtung
Auswahl unter mehreren beteiligten Intermediären
Register oder wohl Register Depotkonto, in oder Konto des dem der maßVerfügenden gebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebl. Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt; wohl einheitl. Betrachtung
für Recht des Sicherungsnehmers: Einrichtung, in der Wertpapiere mit rechtsbegründender Wirkung verbucht sind; bei überschießender Umsetzung: wohl einheitl. unmittelbares Konto des Empfängers
wohl unmittelbares Konto des Rechtsinhabers
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2. Kapitel: Europ. Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA
Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie
Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie
Art. 14 EuInsVO und sektorale Korrelate
Vermeidung eines logischen Zirkels
Dokumentierung der Rechtsbegründung ausreichend; Buchung unmittelbar zugunsten Sicherungsnehmer
faktisches ErPrbl. stellt sich langen der nicht Wertpapiere entscheidend; Buchung unmittelbar zugunsten Sicherungsnehmer
Defizite
wegen Anonymität der Transaktionen bei überschießender Umsetzung Rechtssicherheit nur für Empfänger; kumulierte und konkurrierende Empfänger
wegen Anonymität der Transaktionen Rechtssicherheit nur für Sicherungsnehmer und -geber; kumulierte und konkurrierende Empfänger
Auswirkungen von aufsichtsrechtl. Herkunftslandprinzip und von supranationaler Aufsicht; Anonymität der Transaktionen; kumulierte Verfügende
Art. 24 Rl. über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten Prbl. stellt sich nicht
weitestgehend leerlaufend durch die allg. Behandlung von dinglichen Rechten im Ausland durch das internationale Insolvenzrecht
Tabelle 2: Verweisungsmoment der europäischen Wertpapierkollisionsnormen
C. Fazit Das bislang bestehende europäische Kollisionsrecht für intermediatisierte Wertpapiere bietet damit das Bild eines unvollständigen und unvollkommenen Mosaiks. Die kleinteiligen Einzelregelungen erschweren den Überblick, vermögen das Rechtsgebiet nicht gänzlich abzudecken und fügen sich noch nicht zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen. Im Folgenden sind daher die Optionen und Möglichkeiten für eine Vollendung des Mosaiks zu prüfen.
3. Kapitel
Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung Gelegenheit zur Vervollständigung des europäischen Rechtsrahmens hat schon die für die Richtlinienbestimmungen unter den europäischen Normen erforderliche Transformation geboten. Das Konzept von PRIMA hielt in Umsetzung dieser europäischen Vorgaben Einzug auch in das deutsche Kollisionsrecht. Zu den dabei zu bewältigenden Herausforderungen gehörte nicht nur die Überwindung der Lücken des Europarechts, sondern auch die Anpassung des Verweisungsmoments an die faktischen Abläufe im Effektengiro.
§7
Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
Die maßgebliche nationale Sonderkollisionsnorm für Wertpapiere ist durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. Dezember 1999 zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften1 eingeführt worden: § 17 a DepotG. Der Text der Norm lautet: § 17 a DepotG Verfügungen über Wertpapiere Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, unterliegen dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt.
Aus der Perspektive des europäischen Wertpapierkollisionsrechts ist diese Umsetzungsnorm von besonderem Interesse, da nicht nur eine sehr weitgehende Umsetzung der international-privatrechtlichen Vorgaben des Euro-
1
Gesetz vom 8. Dezember 1999 zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BGBl. Teil I, S. 2384, in Kraft getreten am 11.12.1999.
228
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
parechts erfolgte, sondern Inspiration auch im internationalen Insolvenzrecht gesucht wurde. A. Europäisches Fundament Noch Anfang des Jahres 1999 hatte die Regierungsbegründung zur Kodifizierung des internationalen Sachenrechts in den Artt. 43 ff. EGBGB ein allenfalls geringes Regelungsbedürfnis für eine gesonderte Kollisionsvorschrift zu Wertpapieren zugestanden.2 Die europäische Nomothesie zu Wertpapiersicherheiten machte danach jedoch legislatives Handeln unumgänglich. Bei seiner Einführung3 diente § 17 a DepotG zunächst der Transformation des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie in nationales Recht.4 Im Rahmen späterer Umsetzungen sekundärrechtlicher Vorgaben wurde dann erneut auf die Norm Bezug genommen, insbesondere als die Bundesregierung hinsichtlich der Finanzsicherheitenrichtlinie für deren internationalprivatrechtliche Regelung in Art. 9 deshalb keinen Anpassungsbedarf sah, weil § 17 a DepotG bereits den gestellten Anforderungen entspreche.5 Eine gewisse Rolle spielte aber auch das europäische internationale Insolvenzrecht. So suchte der Gesetzgeber Anregung6 für die konkrete Ausgestaltung des Verweisungsmoments bei der wortgleichen Vorgängerregelung zu Art. 14 EuInsVO im nicht in Kraft getretenen Europäischen Insolvenzübereinkommen.7 Außerdem fand die depotrechtliche Kollisionsnorm an versteckter Stelle Erwähnung in den Gesetzgebungsmaterialien zur Neuregelung des autonomen internationalen Insolvenzrechts, die zur Abstimmung mit der unmittelbar geltenden EuInsVO erfolgte. Berücksichtigt wurden bei dieser Gelegenheit auch die beiden Richtlinien über Sanierung
2
Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drucks. 14/343 vom 1.2.1999, S. 14. 3 Zu den nationalen Vorarbeiten für § 17 a DepotG Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 61 f. 4 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. Der Umsetzung sonstiger Regelungen der Finalitätsrichtlinie diente daneben auch ein früherer Rechtsakt, vgl. den Entwurf eines Überweisungsgesetzes (ÜG), BT-Drucks. 14/745 vom 12.4.1999, S. 3, 27. 5 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 12. 6 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 7 Text des Übereinkommens abgedruckt in Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997), S. 3; s. a. Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdnr. 140 ff., abgedruckt im selben Werk, S. 32.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten.8 Im Zusammenhang mit Sonderanknüpfungen des Insolvenzrechts erinnerte die Regierungsbegründung an § 17 a DepotG, der „über den internationalinsolvenzrechtlichen Ansatz hinausweise“9 und im Interesse der Rechtssicherheit generell festlege, nach welchem Recht sich die Wirksamkeit von Verfügungen über Wertpapiere bestimme.10 Einer spezifischen Richtlinienbestimmung wurde die nationale Norm hierbei freilich nicht zugeordnet. Die europäische Herkunft ist von grundlegender Bedeutung für die mitgliedstaatliche Bestimmung im DepotG. Bereits kraft nationalen Rechts, insbesondere unter Berücksichtigung des historischen Willens des Umsetzungsgesetzgebers,11 lässt sich eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung von § 17 a DepotG ableiten. Allerdings erfasst eine solche Begründungslinie nicht die Interpretation einer vor Erlass der Richtlinie geschaffenen Rechtsnorm.12 Im Hinblick auf die der Finalitätsrichtlinie nachfolgenden Rechtsakte ist daher für § 17 a DepotG eine auch europarechtliche Verankerung der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung entscheidend. So nimmt der Europäische Gerichtshof nach ständiger und gefestigter Judikatur eine Pflicht für den Richter an, das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinien auszulegen.13 Als Grundlage wird auf die mitgliedstaatliche Verpflichtung aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex Art. 249 Abs. 3 EG), die in einer Richtlinie vorgesehenen Ziele zu erreichen, und die Obliegenheit des Art. 4 Abs. 3 EUV n. F. (ex Art. 10 EG), 8 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, BTDrucks. 15/16 vom 25.10.2002, S. 14. Die hauptsächliche Umsetzung erfolgte allerdings mit einem späteren Gesetz, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, BT-Drucks. 15/1653 vom 2.10.2003. 9 Zur anklingenden Relevanz des § 17 a DepotG für das internationale Insolvenzrecht s. infra § 9 A. 10 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, BTDrucks. 15/16 vom 25.10.2002, S. 20. 11 Zur Herleitung der Pflicht kraft nationalen Rechts Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 49 ff.; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 37 f.; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 4 Rdnr. 30. 12 Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2013), § 1 Rdnr. 85. 13 Grundlegend EuGH v. 10.4.1984, Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, S. 1891 Tz. 26; vgl. aus der folgenden Rspr. nur EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, S. I-4135 Tz. 8; EuGH v. 18.12.1997, Rs. C-129/96 (InterEnvironnement Wallonie), Slg. 1997, S. I-7411 Tz. 40; EuGH v. 25.2.1999, Rs. C-131/97 (Carbonari u. a.), Slg. 1999, S. I-1103 Tz. 48; EuGH v. 27.6.2000, verb. Rs. C-240 bis 244/98 (Océano Grupo Editorial und Salvat Editores), Slg. 2000, S. I-4941 Tz. 30; EuGH v. 5.10.2004, verb. Rs. C-397 bis 403/01 (Pfeiffer u. a.), Slg. 2004, S. I-18835 Tz. 113; EuGH v. 19.1.2010, Rs. C-555/07 (Kücükdeveci), Slg. 2010, S. I-365 Tz. 48.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung zu treffen, verwiesen.14 Für diese Begründungslinie spielt es keine Rolle, ob die auszulegende nationale Vorschrift subjektiv mit der Absicht erlassen wurde, gerade die betreffende Richtlinienbestimmung umzusetzen, oder ob sie zumindest objektiv der Richtlinie zeitlich nachfolgte.15 Die Interpretation von § 17 a DepotG ist daher soweit wie möglich nicht nur an der ursprünglich in Bezug genommenen Kollisionsnorm der Finalitätsrichtlinie auszurichten, sondern insbesondere auch am nachfolgenden Art. 9 der Finanzsicherheitenrichtlinie. B. Allgemeiner Anwendungsbereich Den unionsrechtlichen Wurzeln ist die nationale Transformation allerdings teilweise entwachsen. Gerade hinsichtlich der Reichweite der Anknüpfung überschreitet die Norm einige der Restriktionen im Anwendungsbereich der europäischen Vorlagen. Umgekehrt zeigt § 17 a DepotG bei seinem konkreten Regelungsgegenstand zugleich eine terminologische Fokussierung, die neue Probleme aufwirft.16 I.
Überschießende Umsetzung
§ 17 a DepotG erfasst Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden. Hinter der Formulierung steht eine gegenüber den verschiedenen Selbstbeschränkungen der Richtlinienbestimmungen deutlich überschießende Umsetzung, die sich durch alle Teilfragen des Anwendungsbereichs zieht. 1.
Sachliche Extension
Die wohl signifikanteste Extension ist in sachlicher Hinsicht festzustellen: Aufgegeben wird die Limitierung der Sonderanknüpfung auf den Kontext der Sicherheiten an Finanzinstrumenten, die sich für Art. 9 Abs. 2 Finali14 Deutlich etwa in EuGH v. 5.10.2004, verb. Rs. C-397 bis 403/01 (Pfeiffer u. a.), Slg. 2004, S. I-18835 Tz. 110, 113. 15 Vgl. hierzu EuGH v. 4.7.2006, Rs. C-212/04 (Adeneler u. a.), Slg. 2006, S. I-6057 Tz. 108; EuGH v. 23.4.2009, Rs. C-378/07 (Angelidaki u. a.), Slg. 2009, I-3071 Tz. 197. Aus der Literatur etwa Calliess/Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV (2011), Art. 288 AEUV Rdnr. 77; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 15. 16 Schwierigkeiten bei der Definition des Anwendungsbereichs von § 17 a DepotG mögen ein Grund dafür sein, warum sich das OLG Frankfurt noch 2010 für die Anknüpfung vorrangig auf Art. 43 EGBGB stützte und § 17 a DepotG nur zusätzlich heranzog, vgl. OLG Frankfurt v. 24.11.2010, Az. 4 U 92/10, ZEV 2011, S. 478.
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tätsrichtlinie unmittelbar aus der Kollisionsnorm selbst, für Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie in der deutschen Fassung mittelbar aus den Definitionsketten des Rechtsaktes ergibt. Die Kollisionsnorm im Depotgesetz erfasst damit Transaktionen auf den Kapitalmärkten ohne Rücksicht auf den verfolgten Zweck.17 Zugleich lässt die Regierungsbegründung anders als die Regelung in der Finalitätsrichtlinie von vornherein keinen Zweifel daran, dass die Anwendung der Norm situativ nicht an ein eröffnetes Insolvenzverfahren gebunden bleibt. Über den eigentlichen Anwendungsbereich der Finalitätsrichtlinie hinaus soll der Anknüpfung so allgemeine Geltung verschafft werden.18 Persönliche Extension
2.
Mit der Erweiterung ratione materiae ist zugleich auch eine Generalisierung ratione personae verbunden: Die Begrenzung auf Systemteilnehmer und Zentralbanken in der Finalitätsrichtlinie wird in der deutschen Norm nicht aufgegriffen, der Ausschluss von natürlichen Personen ohne Kaufmannseigenschaft in der Finanzsicherheitenrichtlinie nicht antizipiert. Zum einen kann daher auf beiden Seiten der Verfügung eine beliebige natürliche oder juristische Person beteiligt sein.19 Zum anderen ist die nationale Transformation dadurch auch nicht hinsichtlich der Stufe der Parteien des Verfügungsgeschäfts in der Depotpyramide festgelegt. Anders als die einstufige Vorstellung im originären Anwendungsbereich der Finalitätsrichtlinie sind daher auch Verfügungen über mehrere Ebenen hinweg unter Beteiligung mehrerer Intermediäre erfasst. 3.
Räumliche Extension
In räumlicher Hinsicht nimmt § 17 a DepotG schließlich den universellen Charakter der Verweisung vorweg, der Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie noch fehlt und erst in Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie verwirklicht wird. Der Staat der Aufsicht über das Register oder der Belegenheit der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers muss kein Mitgliedstaat der Union oder des sonstigen EWR sein. Auch räumlich-persönlich unterliegen die Parteien der Verfügung keinen besonderen Anforderungen.
17
Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Einsele, WM 2001, S. 2415, 2419; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 242. 18 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 19 Schefold, IPRax 2000, S. 468, 474; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 62.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
II. Verfügungsgegenstand Nachdem durch die Erweiterungen viele Abgrenzungsprobleme der Richtlinien weggefallen sind, verbleibt der Verfügungsgegenstand als wesentlicher Punkt für eine Betrachtung des Anwendungsbereichs von § 17 a DepotG. Dessen Umschreibung als Wertpapiere oder Sammelbestandanteile lassen sich mehrere klärungsbedürftige Facetten abgewinnen. 1.
Wertpapiere
Für den Begriff des Wertpapiers legt der systematische Zusammenhang zunächst nahe, auf die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 DepotG zurückzugreifen. Dieser depotrechtliche Wertpapierbegriff umfasst alle vertretbaren Wertpapiere. Ausdrücklich eingeschlossen werden Aktien, Kuxe, Zwischenscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen; explizit ausgeschlossen hingegen Banknoten und Papiergeld. § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG ergänzt zudem Namensschuldverschreibungen, soweit sie auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurden.20 Vertretbarkeit bedeutet dabei in Anwendung der grundlegenden Definition in § 91 BGB, dass das Wertpapier wegen seiner Gleichartigkeit und Austauschbarkeit nach Stückzahl oder Nennbetrag bestimmt zu werden pflegt.21 Der depotrechtliche Wertpapierbegriff mutet recht weit an, erweist sich für Zwecke des Kollisionsrechts gleichwohl als zu eng. Dies zeigt die Bedeutung einer Verkörperung des Titels. Das Depotgesetz vermeidet, den von ihm verwendeten Begriff des „Wertpapiers“ als solchen weiter zu definieren. Auszugehen ist daher vom weiten handelsrechtlichen Wertpapierbegriff, wonach ein Wertpapier jede Urkunde ist, in der ein privates Recht dergestalt verbrieft wird, dass zur Ausübung des Rechts die
20 Diese 2009 erfolgte Erweiterung soll die Teilnahme bestimmter Anleihen, der global bonds, am sachenrechtlichen Effektengiro sicherstellen, vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814 vom 29.4.2009, S. 28. Diese Anleihen sind sowohl in den USA als auch Deutschland zum Handel zugelassen und als Namensschuldverschreibung ausgestaltet. Nach deutschem Recht handelt es sich daher eigentlich um Rektapapiere, so dass das „verbriefte“ Recht durch schuldrechtliche Abtretung übertragen werden müsste, vgl. MünchKommBGB-Habersack, Bd. 5 (2013), § 806 Rdnr. 5. Zu § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG s. a. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2013), Kapitel 17, § 1 SchVG Rdnr. 16 f. 21 S. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 22; Schwintowski, Bankrecht (2011), § 14 Rdnr. 24. Bei Namensaktien ist daher ein Blankoindossament erforderlich, damit von Vertretbarkeit ausgegangen werden kann.
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Innehabung des Papiers erforderlich ist.22 Für die entscheidende depotrechtliche Fokussierung sorgt dann das Merkmal der Vertretbarkeit. Die anklingende Fixierung auf eine körperliche Urkunde wäre für die Kollisionsnorm des § 17 a DepotG aber im Hinblick auf das weltweite Phänomen der Entmaterialisierung des Effektengiros ein erhebliches Problem. In den unterschiedlichen Rechtsordnungen dürfte eine gesetzliche Gleichstellung entmaterialisierter Titel mit verkörperten Wertpapieren wie in § 6 Abs. 2 BSchuWG im nationalen Recht eher die Ausnahme denn die Regel sein. Schon um die vom nationalen Gesetzgeber beabsichtigte allgemeine Geltung der Anknüpfung zu verwirklichen, muss daher vom depotrechtlichen Wertpapierbegriff mit seinem inzidenten Verkörperungserfordernis abgewichen werden.23 Sucht man stattdessen nach einer neuen Grundlage für den Wertpapierbegriff des § 17 a DepotG, so geraten zwangsläufig die unionsrechtlichen Vorgaben in den Blick. Die europäischen Kollisionsregeln des Effektengiros nehmen jedenfalls der Sache nach fast durchgängig die Liste von Finanzinstrumenten im Anhang zur MiFID in Bezug. Diese Aufstellung erfasst neben übertragbaren Wertpapieren gerade auch Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen und sogar diverse Derivate, mithin standardisierte, fungible Kontrakte. In Deutschland hat das Leitbild im kapitalmarkt- und bankaufsichtsrechtlichen Begriff des „Finanzinstruments“ nach § 2 Abs. 2 b WpHG bzw. § 1 Abs. 11 KWG Niederschlag gefunden, wobei als autonome Ergänzung im KWG24 zusätzlich Devisen und Rechnungseinheiten einbezogen werden. Dem Ziel der Richtlinienkonformität entspricht es also, den kollisionsrechtlichen Wertpapierbegriff in § 17 a DepotG auf die Liste der Finanzinstrumente in Anhang I Abschnitt C der MiFID auszurichten. Angesichts der nicht leicht zu handhabenden Aufzählung der Richtlinie bietet sich ein Rückgriff auf die nationalen Definitionen des Finanzinstruments in WpHG und KWG an, allerdings unter Ausschluss der autonomen Ergänzung um Devisen. Als methodischer Einwand könnte dem zwar entgegengehalten werden, dass dann im Depotgesetz kollisionsrechtlich ein anderer Wertpapierbegriff zugrunde gelegt wird als materiellrechtlich. Ohnehin wird aber der Bezeichnung „Wertpapier“ an verschiedenen Stellen der deutschen Rechtsordnung je nach Vorschrift und Fragestellung eine unterschiedliche 22 S. nur Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 409; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 50. 23 Dafür auch Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 65; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 109. 24 Die MiFID berücksichtigt Devisen nur als Basiswert für Derivate, vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, Kreditwesengesetz (2012), § 1 Rdnr. 222.
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Bedeutung zugemessen.25 Bedenken, dass es sich im vorliegenden Fall gerade um die Verwendung desselben Begriffs in einem einzigen Gesetz handelt, lassen sich mit der terminologischen Autonomie des internationalen Privatrechts begegnen. Begriffe des Kollisionsrechts müssen nicht notwendigerweise mit den materiellrechtlichen Begriffen derselben Rechtsordnung übereinstimmen.26 Sofern ein Sachverhalt unter den Anknüpfungsgegenstand einer Kollisionsnorm zu subsumieren ist, erfolgt nach herrschender Meinung im Grundsatz eine Qualifikation nach der lex fori, indem die Systembegriffe im Tatbestand der Anknüpfungsnorm ebenso interpretiert werden wie die entsprechenden Termini im Sachrecht der Rechtsordnung des Forums. Im Rahmen einer funktionellen Qualifikation wird dies jedoch dahingehend modifiziert, dass vorrangig Funktion und Zweck des Verweisungsbegriffs mit Funktion und Zweck des materiellen Rechtsinstituts verglichen werden. Ermöglicht wird auf diese Weise ein Verständnis der Kollisionsnorm losgelöst von der Regelungssystematik der materiellen lex fori.27 Im Ergebnis spielt daher für den Wertpapierbegriff im Rahmen des § 17 a DepotG die Frage der Verbriefung keine Rolle. Wertpapiere im Sinne der Verweisungsnorm sind vielmehr mit den Finanzinstrumenten im Sinne der MiFID, national wiedergegeben in WpHG und KWG, gleichzusetzen.28 Dies bedeutet im Übrigen auch noch keine Öffnung der Kollisionsnorm gegenüber beliebigen (schuldrechtlichen) Finanzmarktgeschäften, da für den fraglichen Titel die weitere Hürde einer Eintragung oder Verbuchung zu berücksichtigen ist.29 2.
Sammelbestandanteile
Neben Wertpapieren weist § 17 a DepotG zusätzlich noch einen weiteren Verfügungsgegenstand auf: die Sammelbestandanteile. Im materiellen De-
25 Zur umfänglichen Diskussion um den Begriff des Wertpapieres etwa Düring, Eigentumsübergang an depotverwahrten Wertpapieren (2008), S. 7 f.; MünchKommBGBHabersack, Bd. 5 (2013), Vor § 793 Rdnr. 5 ff. 26 Kropholler, IPR (2006), § 16 II 2 (S. 124 f.). 27 Überblick zu den mannigfaltigen Problemen der kollisionsrechtlichen Qualifikation bei Kegel/Schurig, IPR (2004), § 7 (S. 325 ff.); Kropholler, IPR (2006), §§ 15 ff. (S. 113 ff.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 1 ff. 28 Für eine auf den europäischen Begriff des Finanzinstruments gerichtete richtlinienkonforme Auslegung Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 183 f.; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 36. Dagegen hält Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 498, die methodischen Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung insofern für überschritten. 29 Dazu sogleich.
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potrecht wird der Terminus an verschiedenen Stellen verwendet,30 erfährt aber keine Legaldefinition. Mittelbar lässt sich die zugrunde gelegte Bedeutung aus § 5 Abs. 2 DepotG ableiten, wonach der Verwahrer ermächtigt wird, dem Hinterleger einen entsprechenden Sammelbestandanteil zu übertragen, anstatt ein eingeliefertes effektives Stück in Sammelverwahrung zu nehmen. Der Ausdruck des Sammelbestandanteils meint also an dieser Stelle die Rechtsposition eines Hinterlegers, die aus einer bereits erfolgten Aufnahme von Einzelurkunden in die Sammelverwahrung resultiert. Hieraus wiederum folgt, dass im materiellen Depotrecht der Begriff des Sammelbestandanteils letztlich das nach § 6 Abs. 1 DepotG durch Aufnahme von Wertpapieren in die Sammelverwahrung entstandene Miteigentum nach Bruchteilen am Sammelbestand bezeichnet. Dass der Gesetzgeber den Wertpapieren zusätzlich Sammelbestandanteile als derartiges Ergebnis ihrer Verbuchung an die Seite gestellt hat, erscheint verwunderlich. Schon aufgrund der Ausrichtung der Kollisionsnorm auf das Effektengiro muss sich das Erfordernis der Verbuchung auch auf die Tatbestandsalternative des Wertpapiers beziehen. Eine Erklärung lässt sich wohl nur darin finden, dass die erste Alternative der verbuchten Wertpapiere auf Kontensysteme abzielt, in denen der Hinterleger trotz Intermediatisierung seiner Urkunden die volle Berechtigung an den Titeln behält. Hingegen steht die zweite Alternative der Sammelbestandanteile für die Modifikationen der Rechtsstellung durch die Sammelverwahrung in anderen Systemen.31 Erforderlich ist diese Differenzierung nicht, zumal der Gesetzgeber selbst – aus anderem und gutem Grunde – die Sonderverwahrung nach § 2 DepotG als die einzige Form einer Gutschrift im deutschen Depotrecht, bei der die Eigentumsstellung gänzlich unverändert bleibt,32 nicht von § 17 a DepotG erfasst sehen will.33 Löst man sich auch hier für Zwecke des Kollisionsrechts vom nationalen materiellrechtlichen Sinngehalt des Begriffs, so kann man in der zweiten Alternative immerhin die Klarstellung sehen, dass § 17 a DepotG auch die Verwahrsysteme erfasst, in denen die Verbuchung mit einer eher mittelbaren Rechtsstellung an den Titeln einhergeht.34 Dies würde auch Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtli-
30
Außer in § 17 a in den §§ 5 Abs. 2; 9; 9 a Abs. 2; 12; 12 a; 26 S. 1; 33 DepotG. Ähnlich Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 59, der hinter der Trennung „unterschiedliche Verwahrtechniken“ sieht. 32 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 10. 33 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 34 Zur Einbeziehung schuldrechtlicher Rechtsstellungen sogleich. 31
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nie entsprechen, der vergleichbar die Wertpapiere als Sicherungsgegenstand um „Rechte an Wertpapieren“ ergänzt.35 3.
Intermediatisierung
§ 17 a DepotG dient nur der Bewältigung der kollisionsrechtlichen Probleme durch die Intermediatisierung von Kapitalmarkttiteln. Zum Ausdruck kommt dies in der Voraussetzung, dass die erfassten Instrumente mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht sein müssen.36 Alle Fragen, die direkt gehaltene effektive Stücke betreffen, sind damit von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Kollisionsnorm ausgeschlossen.37 Jenseits des Effektengiros verbleibt es bei klassischen Grundsätzen des internationalen Wertpapierrechts, insbesondere der Maßgeblichkeit der lex cartae sitae für das Wertpapiersachstatut. Zugleich wirkt das Kriterium einer qualifizierten Registereintragung oder Kontoverbuchung auch als Regulativ für die Weite des dargelegten Wertpapierbegriffs, der sogar standardisierte Kontrakte einschließt: Die Kollisionsnorm erfasst ausschließlich Titel, die aufgrund ihrer Fungibilität und Umlauffähigkeit zur Konto- oder Registerverbuchung geeignet sind. Weitere Einzelheiten des Merkmals standen seit Einführung von § 17 a DepotG im Brennpunkt der Diskussion über die Vorschrift. a) Registereintrag und Kontoverbuchung Zunächst lässt sich dem Wortlaut der Voraussetzung wie schon bei den entsprechenden Richtlinienbestimmungen38 der Aspekt abgewinnen, dass in Register und Konto die Verfügungen über Wertpapiere als solche eingetragen bzw. verbucht werden. Beide Alternativen müssen also für das rechtliche Schicksal des Titels an sich relevant sein. Sicherungsregister, die nur für die Publizität beschränkter Sicherheitsrechte sorgen, bleiben daher außer Betracht; Wertpapierliefersysteme nach dem Muster des britischen CREST, die auf einem zentral geführten Verzeichnis der Inhaber der Titel aufbauen, erfüllen hingegen diese Voraussetzung. 35 Parallel auch die Erweiterung der Definition der Finanzinstrumente in Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie um „Rechte oder Ansprüche“ im Zusammenhang mit einem der genannten Aktiva. 36 Zur Frage, ob sich die Voraussetzung speziell auf die Verfügung oder auf den Verfügungsgegenstand bezieht, unten § 7 C. II. 37 Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Schefold, IPRax 2000, S. 468, 476; Einsele, WM 2001, S. 7, 15; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 99; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 204. 38 Vgl. zum Folgenden bereits oben § 3 B. I. 3. zur Finalitätsrichtlinie, § 4 B. I. 3. zur Finanzsicherheitenrichtlinie und § 5 B. I. 1. c) zum europäischen internationalen Insolvenzrecht.
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In der deutschen Praxis lässt sich nichts Vergleichbares finden: Insbesondere begründet die Eintragung von Namensaktien in das Aktienregister zwar für Gesellschaft und Aktionär die unwiderlegbare Vermutung der mitgliedschaftsrechtlichen Berechtigung und Verpflichtung, bleibt aber ohne Bedeutung für die materielle Rechtslage an den Wertpapieren.39 In der Rechtsprechung ist daher bereits die Anwendung von § 17 a DepotG auf das funktionell äquivalente Aktienbuch nach schweizerischem Recht abgelehnt worden.40 Weiterhin ist für das rechtliche Schicksal von Sammelschuldbuchforderungen gegen die öffentliche Hand das Kontensystem der Wertpapiersammelbank und der weiteren Intermediäre maßgeblich, nicht aber das zentrale Bundesschuldbuch, in dem nach § 6 Abs. 1 BSchuWG stets die Wertpapiersammelbank eingetragen bleibt. Im nationalen Kontext kommt somit nur die Alternative des Kontos zur Anwendung.41 In dieser aufgegangen ist die in der Finalitätsrichtlinie noch gesondert aufgeführte dritte Variante, die Verbuchung bei einem zentralen Verwahrsystem. Konten im Sinne des § 17 a DepotG können auch durch einen Zentralverwahrer an der Spitze der Depotpyramide geführt werden, so dass die separate Erwähnung entbehrlich erscheint.42 b) Rechtsbegründende Wirkung Die genaue Bedeutung von Registereintragung und Kontoverbuchung umschreibt § 17 a DepotG durch die Formulierung der „rechtsbegründenden Wirkung“. Mit der Auslegung dieses Elements steht und fällt die Bedeutung der Kollisionsnorm. aa) Strenge Interpretation des Merkmals Wenn man hierin mit einer Ansicht43 das Erfordernis einer rechtlich konstitutiven Bedeutung der Kontogutschrift sieht, lässt sich etwa in der Praxis 39
S. nur MünchKommAktG-Bayer, Bd. 1 (2008), § 67 Rdnr. 1. OLG Düsseldorf v. 30.7.2003, Az. 11 U 3/03, NJOZ 2004, S. 1213, 1216. 41 A. A. Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 88 ff., der nicht nur Aktienregister und öffentliches Schuldbuch, sondern sogar das Verwahrungsbuch des Verwahrers nach § 14 DepotG als Register i. S. v. § 17 a DepotG einordnen will. Dieses Handelsbuch des Verwahrers stellt jedoch gerade die Grundlage der Kontoführung dar; das Verwahrungsbuch ist als faktischer Kern des Depotkontos der anderen Tatbestandsalternative des § 17 a DepotG zuzuordnen. 42 Vgl. Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 120. 43 Vertreten vor allem von Einsele, s. dies., WM 2001, S. 7, 15 f.; dies., WM 2001, S. 2415, 2421 ff.; dies., WM 2005, S. 1109, 1111; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement (2006), S. 3, 12 f.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 89 ff. Ebenso Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS 40
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des deutschen Effektengiros kaum ein Anwendungsfall ausmachen. Denn wie bereits zum entsprechenden Merkmal der Finalitätsrichtlinie ausgeführt,44 verleiht zwar § 24 Abs. 2 DepotG einer Gutschrift, der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des verfügungsberechtigten Kommissionärs, unmittelbaren rechtlichen Gehalt. Da die Norm jedoch ausdrücklich nur subsidiär zu einem früheren Übergang des Miteigentums nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen eingreift, wird sie de facto durch die §§ 929 ff. BGB verdrängt. Nach herrschender Meinung manifestiert bereits die Umbuchung bei der zentralen Wertpapiersammelbank dingliche Einigung und Umstellung der Besitzmittlungsverhältnisse. Diesem Buchungsvorgang und erst recht den sich anschließenden Aufbuchungen auf den niedrigeren Ebenen bis zum Empfänger kommt also eine eher verlautbarende Wirkung für die dingliche Übereignung zu. bb) Berücksichtigung des Besitzmittlungsverhältnisses Auch wenn für die Kollisionsnorm von zentraler Bedeutung ist, welche Rolle die Kontobuchung in fremden Rechtsordnungen spielt,45 erscheint die Konsequenz dieser Ansicht doch als unbefriedigend. Das von europäischer und nationaler Legislative verfolgte Ziel kollisionsrechtlicher Rechtssicherheit für das Effektengiro würde konterkariert, wenn sich § 17 a DepotG in Bezug auf Depotgutschriften in Deutschland als totes Recht herausstellte. Daher vertritt eine weitere Auffassung in der Literatur, dass dem Charakter der Buchung als Entäußerung des geänderten Besitzmittlungswillens rechtlich gesehen doch eine Rolle zukomme, die eine Einordnung als „rechtsbegründend“ im Sinne der Kollisionsnorm rechtfertige.46 Konsequenterweise könnte ein solches Gewicht allerdings nur der entscheidenden Umbuchung bei der Wertpapiersammelbank auf höchster Ebene beigemessen werden, nicht aber den weiteren Aufbuchungen bis hin zur unmittelbaren Gutschrift auf dem Konto des Empfängers.47 Kümpel (2003), S. 543, 553; Reuschle, BKR 2003, S. 562, 564; ders., IPRax 2003, S. 495, 498; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 720. 44 Vgl. oben § 3 B. I. 3. b). 45 Unter Verweis auf verschiedene Rechtsordnungen auch insofern skeptisch Einsele, WM 2001, S. 7, 15; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 201; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 90. 46 So Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Schefold, IPRax 2000, S. 468, 475 f.; Horn, Europäisches Finanzmarktrecht (2003), S. 119; ders., in: Häuser u. a. (Hrsg.), FS Hadding (2004), S. 893, 897 ff. 47 Kritisch zum Ansatz daher Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 100; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 95 f.
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cc)
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Zutreffende weite Auslegung
Dieser zweite Ansatz vermag der Norm zwar in Deutschland Geltung zu verschaffen, belässt aber die rechtliche Beurteilung der Gutschrift als Quell der Unsicherheit für ausländische Verwahrsysteme. Im Kern geht auch diese Position noch davon aus, dass im Rahmen des Anwendungsbereichs eine konstitutive Bedeutung der Kontenvorgänge verlangt wird. Unter Berücksichtigung der europarechtlichen Grundlagen ist jedoch mit der wohl überwiegenden dritten Ansicht48 genau diese Prämisse in Frage zu stellen. Das Erfordernis der rechtsbegründenden Wirkung von Registereintragung und49 Kontoverbuchung ist vom nationalen Gesetzgeber wörtlich aus der deutschen Fassung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie übernommen worden. Wie zur Richtlinienbestimmung dargelegt, stellt aber der Vergleich zu Formulierungen wie „legally recorded“ oder „inscrit légalement“ in den übrigen Sprachversionen eine enge Auslegung der in der Richtlinie geforderten Wirkung in Frage. Selbst in der deutschen Fassung spricht hiergegen Erwägungsgrund 19, wonach die Kollisionsregel nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem gilt, welches das Eigentum an den Wertpapieren bzw. das Recht auf Lieferung oder Übertragung der Wertpapiere „belegt“. Den Vorgaben der Richtlinie entspricht § 17 a DepotG daher nur dann, wenn er sich auch auf Rechtsordnungen erstreckt, die in den Kontenbewegungen bloße Verlautbarungen der Rechtsbegründung sehen. Ebenjenes richtlinienkonforme Ergebnis wird auch durch die genauere Auslegung der depotrechtlichen Norm gestützt. Zunächst sprechen aus den Kriterien des klassischen Auslegungskanons nach nationaler Methoden48 Jedenfalls im Ergebnis übereinstimmend Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.32 ff.; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 100 f.; Keller, BKR 2002, S. 347, 349 f.; Herring/Cristea, ZIP 2004, S. 1627, 1632 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 11.439 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 186; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 101 ff.; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 202 f.; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 141 f.; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 141, 142 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 246; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 303; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 323 f.; Hennrich, Aktienverpfändung im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr (2011), S. 78 ff.; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 51 f. 49 Wie in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie ist die vorausgesetzte Wirkung sowohl auf die Alternative der Registereintragung als auch der Kontoverbuchung zu beziehen; vgl. oben § 3 B. I. 3 b).
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
lehre50 insbesondere Systematik und Telos der Norm für die weite Interpretation: Systematisch wäre es verwunderlich, wenn eine Kollisionsnorm im Depotgesetz ausgerechnet auf die dort geregelten Rechtspositionen keine Anwendung fände. Teleologisch soll dem neuen Anknüpfungsmodell gerade allgemeine Geltung verschafft werden.51 Zudem ist kein entgegenstehender historischer Wille des nationalen Gesetzgebers zu überwinden. Vielmehr zitiert die Regierungsbegründung sogar den entscheidenden Erwägungsgrund 19 der Finalitätsrichtlinie im Wortlaut52 und nimmt im Übrigen zur Bedeutung der vorausgesetzten Wirkung nicht weiter Stellung.53 Hinsichtlich der legislatorischen Absicht können außerdem Rückschlüsse aus der Umsetzung der nachfolgenden Finanzsicherheitenrichtlinie gezogen werden. In dieser Richtlinie ist auch die deutsche Fassung deutlich: Ihr Art. 2 Abs. 1 lit. g) verlangt als Legaldefinition des Anknüpfungsgegenstandes nur, dass die Eigentumsverhältnisse an Finanzinstrumenten durch einen Registereintrag oder eine Kontobuchung „nachgewiesen werden“.54 Die Regierungsbegründung hat aber § 17 a DepotG als den Anforderungen der Finanzsicherheitenrichtlinie entsprechend angesehen,55 was für einen bereits anfangs verfolgten weiten Regelungszweck spricht. Problematisch für eine Auslegung des Merkmals im Sinne der europäischen Vorgaben könnte demnach allenfalls sein, ob seine Formulierung überhaupt noch Spielraum für eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne lässt. Eintragung und Verbuchung müssen eindeutig mit einem „rechtsbegründenden“ Effekt verbunden sein. Nicht zwingend ist aber, dass die Rechtsbegründung konstruktiv gerade auf dem faktischen Akt der Gutschrift gründet. Anders ausgedrückt kann die Formulierung „mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht“ auch so gelesen werden, dass die Rechtsbegründung mit dem Kontenvorgang lediglich einhergeht. Noch im Rahmen des Wortsinns der 50 Vgl. zu diesen nur Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1991), S. 436 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre (1995), S. 137 ff. 51 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 52 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. 53 Zur Berufung auf die rechtsbegründende Wirkung im Rahmen der Behandlung von Streifbandgutschriften sogleich. 54 Eindeutig auch die englische („financial instruments, title to which is evidenced by entries in a register or account maintained by or on behalf of an intermediary“) und französische Fassung („instruments financiers […] dont le droit sur ou relatif est attesté par une inscription dans un registre ou sur un compte tenu par un intermédiaire ou pour son compte“) der Definition (Hervorhebungen durch Verf.). 55 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 12.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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Regelung liegt daher auch die Konstellation, dass sich die Begründung der Rechtsstellung nur faktisch über Registereintrag und Kontoverbuchung vollzieht. Die allein richtlinienkonforme Interpretation lässt sich demnach bereits auf originär nationale Kriterien stützen.56 Offen bleiben kann daher an dieser Stelle, inwiefern das Europarecht eine Modifikation der Auslegung und ihrer Grenzen erzwingt.57 Als Nebeneffekt der nationalen Herleitung ist außerdem zugleich auch von einer einheitlichen Auslegung von § 17 a DepotG auszugehen. Wiederum kann offen bleiben, ob nicht bereits unmittelbar aus dem Unionsrecht eine Pflicht zur richtlinienorientierten Auslegung auch im Bereich überschießender Umsetzung folgt.58 Denn wenn der nationale Gesetzgeber der Norm allgemeine Geltung verschaffen wollte, kann nicht außerhalb des durch die Richtlinien determinierten, schwer abzugrenzenden Bereichs von § 17 a DepotG wieder eine die Bedeutung der Kollisionsnorm schmälernde Interpretation vorgenommen werden. Bereits der historische Wille des Gesetzgebers spricht deutlich für die Einheitlichkeit der Auslegung. III. Spannungsfeld zwischen Schuld- und Sachenrecht Bei der nationalen Umsetzungsnorm setzt sich die Problematik der zugrundeliegenden Richtlinien fort, die im Schnittfeld von Schuld- und Sachenrecht divergierenden materiellen Depotkonstruktionen zu bewältigen. Wenn über rein sachenrechtliche Beziehungen hinaus auch gemischte oder sogar originär schuldrechtliche Gestaltungen erfasst werden, kommt es zu einer partiellen Verdrängung der allgemeinen Anknüpfungsregeln des internationalen Schuldrechts. Illustrieren lässt sich die Frage anhand der unterschiedlichen Gutschriften, die in der deutschen Depotpraxis erteilt werden. Zwar liegt im Ergebnis – unabhängig von der im Einzelnen einschlägigen Anknüpfungsregel – die Anwendung materiellen deutschen Rechts nahe, wenn zugunsten eines Bankkunden Buchungen auf dessen in Deutschland geführtem Depotkonto vorgenommen werden. Die Auswahl unter den in Frage kommenden Kollisionsnormen im nationalen Kontext 56
Die Finanzsicherheitenrichtlinie ist hier nur bei der Bestimmung des Willens des nationalen Gesetzgebers berücksichtigt worden. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung lässt sich daneben – gerade für früher erlassenes nationales Recht wie den § 17 a DepotG – auch direkt auf europäisches Recht stützen; auf dieser Grundlage für die weite Auslegung Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 304. 57 Hierzu noch unten § 7 B. III. 4. a). 58 Vgl. statt vieler einerseits W.-H. Roth, in: Canaris u. a. (Hrsg.), FS BGH (2000), S. 847, 883 f., andererseits Habersack/Mayer, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 15 Rdnr. 24 ff.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
erlaubt aber Rückschlüsse für die variantenreichen Positionen in ausländischen Rechtsordnungen und kann so als Leitbild dienen. 1.
Girosammel-Depotgutschriften
Als Ausgangspunkt sind von § 17 a DepotG eindeutig erfasst die Girosammel-Depotgutschriften (GS-Gutschriften)59, die nach § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG einen Miteigentumsanteil nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren verschaffen. Die unmittelbare dingliche Berechtigung an Wertpapieren in Sammelverwahrung lässt sich in § 17 a DepotG ohne Weiteres jedenfalls unter die Alternative des Sammelbestandanteils subsumieren. 2.
Streifbandgutschriften
Dass jedoch auch eine dingliche Rechtsstellung nicht sicher zur Anwendung von § 17 a DepotG führt, zeigt das Beispiel der Streifbandgutschriften für Wertpapiere in Sonderverwahrung (STR-Gutschriften).60 Der Depotinhaber erhält durch diese Gutschriften Alleineigentum an Wertpapieren, die gesondert von den übrigen Eigen- oder Fremdbeständen der Depotbank verwahrt werden. § 17 a DepotG könnte zwar nicht in der Alternative der Verfügung über Sammelbestandteile, wohl aber in der Alternative für Verfügungen über Wertpapiere zur Anwendung kommen. Mit Wertpapieren in Sonderverwahrung findet allerdings kein Giroverkehr statt.61 Die kollisionsrechtlichen Probleme, die mit der Praxis der massenhaften Buchungsvorgänge auf international verflochtenen Depotkonten verbunden sind, stellen sich daher nicht in gleichem Maße. Hintergrund für die Einführung einer Sonderkollisionsnorm für Intermediärverwahrte Wertpapiere wie § 17 a DepotG war gerade die Erkenntnis, dass die klassische Anknüpfung an den Lageort des Wertpapieres nur dann sinnvoll ist, wenn noch effektive Stücke vorhanden sind, über die unter Übergabe oder zumindest mithilfe eines Übergabesurrogates verfügt wird.62 Die Sonderverwahrung liegt aber noch nahe an diesem Leitbild. So verdeutlichen die Streifbänder den Fremdbesitz der Bank für einen be59
Nr. 11 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (inhaltlich entsprechend Nr. 16 S. 1 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank); Ziff. IX Abs. 4 AGB CBF. Hierzu bereits ausführlich oben § 1 E. II. 60 Ziff. XI AGB CBF; s. a. Nr. 11 S. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (parallel Nr. 16 S. 3 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 61 Vgl. Nr. 11 S. 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen (parallel Nr. 16 S. 2 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank). 62 S. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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stimmten Kunden und erlauben damit die Klärung der Eigentumsverhältnisse unabhängig von einer Gutschrift in den Büchern.63 Festmachen lassen sich derartige Erwägungen am Merkmal der rechtsbegründenden Wirkung der Kontobuchung in § 17 a DepotG. Mag das Kriterium aufgrund der durch die Richtlinien gebotenen weiten Auslegung im Übrigen auch bereits durch Gutschriften mit bloß verlautbarender Wirkung erfüllt sein und ihm daher im Allgemeinen wenig abgrenzende Wirkung zukommen, so muss an dem Merkmal doch die Einbeziehung der deutschen Sonderverwahrung scheitern: Mit den Streifbändern existiert ein unmittelbares körperliches Merkmal zur Zuordnung, das auch eine zumindest faktische Bedeutung der Kontobuchung zurückdrängt.64 Die europarechtlichen Grundlagen für § 17 a DepotG gebieten ebenfalls keine Einbeziehung von sonderverwahrten Wertpapieren. Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie bezieht sich nur auf Sicherheiten, die Teilnehmern eines von den Mitgliedsländern gemeldeten Wertpapierliefersystems im Rahmen dieses Systems geleistet werden. Für die von Deutschland gemäß Art. 10 der Finalitätsrichtlinie notifizierten Systeme, die von der Clearstream Banking AG und der Eurex Clearing AG betrieben werden,65 spielen jedenfalls praktisch nur Transaktionen girosammelverwahrter Wertpapiere eine Rolle.66 Art. 9 der Finanzsicherheitenrichtlinie bezieht sich schon seinem Wortlaut nach nur auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere. Für die Streifbandgutschriften findet § 17 a DepotG daher keine Anwendung, so dass es für sie bei der Maßgeblichkeit der lex cartae sitae bleibt.67
63 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 64 Ähnlich Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.33 Fn. 18. 65 Zum Stand der nationalen Notifizierungen nach Art. 10 der Finalitätsrichtlinie vgl. die Informationen der Kommission unter (Stand: März 2014). 66 So sehen zwar die AGB der Clearstream Banking AG auf Antrag auch die Sonderverwahrung von Wertpapieren vor (vgl. Ziff. XI AGB CBF), diese streifbandverwahrten Wertpapiere nehmen aber nicht am Effektengiro und der Bestellung von Sicherheiten in dessen Rahmen teil. S. a. Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 111. 67 Der Regierungsbegründung wird insofern im Schrifttum allgemein gefolgt, s. nur Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Schefold, IPRax 2000, S. 468, 475; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 99; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht (2004), Rdnr. 11.430; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 721; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 88; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 137.
244 3.
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Gutschriften über Sammelschuldbuchforderungen
Jenseits der (originär) dinglichen Rechtspositionen exkludiert die Regierungsbegründung ausdrücklich schuldrechtliche Ansprüche.68 Auffällig ist hierbei eine unpräzise Terminologie: Als Beispiel für die ausgenommenen Rechtsstellungen verwendet die Begründung den Begriff der „Wertrechtgutschriften“, der als solcher weder im Gesetz noch den Geschäftsbedingungen der Banken für eine Form der Gutschrift existiert.69 Lediglich ähnlich klingend werden unter „Wertrechten“ allgemein sammelverwaltete, unverbriefte Effekten verstanden.70 Im nationalen Kontext existieren als solche Bucheffekten ausschließlich die unverbrieften Anleiheverbindlichkeiten der öffentlichen Hand,71 so dass die Ausnahme auf diese ausgerichtet sein könnte. Für Wertrechte kann durchaus die konzeptionelle Frage aufgeworfen werden, ob neben dem kollisionsrechtlichen Hauptstatut des zugrundeliegenden Rechts überhaupt noch Raum für ein durch § 17 a DepotG geregeltes Sonderstatut bleibt, das das rechtliche Schicksal der Wertrechte bestimmt. Es setzt sich die Problematik fort, die schon im Himblick auf die klassische Anknüpfung an die lex rei sitae zu beobachten war:72 Durch die fehlende Verkörperung zumindest in einer Globalurkunde mangelt es an einer faktischen Grundlage für eine Differenzierung beider Statute. Auch die neue Sonderkollisionsregel des DepotG könnte so durch das Zessionstatut des zugrundeliegenden Rechts (sowie etwaiger Maßgaben des Formstatuts nach Art. 11 Rom I-VO) verdrängt werden. Letztlich sind für die Frage wiederum die Wertungen des Hauptstatuts zu berücksichtigen: Ebenso wie es unter dem alten Kollisionsrechtsregime entscheiden konnte, das Schicksal der Wertrechte an ein „fiktives“ Sachstatut anzubinden, muss es ihm im Hinblick auf die neue PRIMAAnknüpfung offen stehen, für die unverbrieften Titel anstelle des 68
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 69 Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 64; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 111. 70 Im Anschluss an zumindest die Terminologie von Opitz, Depotgesetz (1955), § 42 Anm. 12, etwa Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere (1986), § 1 III 3; Zöllner, Wertpapierrecht (1987), § 1 III 3 b); Schwintowski, Bankrecht (2011), § 14 Rdnr. 44. Gegen eine Beschränkung des Begriffes auf sammelverwaltete Rechte allerdings Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2044; Staudinger-Marburger, BGB, §§ 779–811 (2009), Vorbemerkungen zu §§ 793 ff. Rdnr. 39. 71 Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2042; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 15 ff.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 201; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHandbuch (2011), § 104 Rdnr. 81. Hierzu bereits oben § 1 D. 72 Hierzu oben unter § 2 B. II.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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Zessionstatuts ein Sonderstatut des Effektengiros heranzuziehen. Augenscheinlich ist dies, wenn sich im materiellen Recht eine ausdrückliche Regelung zum Schicksal der Wertrechte findet. Dass § 6 Abs. 2 BSchuWG Sammelschuldbuchforderungen mit dem Sammelbestand an Briefeffekten gleichstellt, behält so auch für § 17 a DepotG Bedeutung: Die materielle Regelung aus dem Hauptstatut der Forderung gegen die öffentliche Hand gibt zu erkennen, dass diese dem rechtlichen Regime für verkörperte Wertpapiere im Effektengiro unterworfen sein sollen. Unmittelbar gilt dies zwar nur für die materiellrechtliche Ebene; für die internationalprivatrechtlicher Ebene wäre es jedoch widersprüchlich und inkonsequent, entgegen der gesetzlichen Wertung eine rein schuldrechtliche Qualifikation der Schuldbuchforderungen vorzunehmen. Zudem lassen sich auch der Regierungsbegründung zu § 17 a DepotG Anhaltspunkte für eine Einbeziehung der (inländischen) Wertrechte in den Anwendungsbereich der Sonderkollisionsnorm entnehmen. Für „Buchrechte“ wird gleichermaßen wie für Wertpapiere in Form von Sammelurkunden die Anwendung des Rechts am Buchungsort für sinnvoll erachtet.73 Das Depotgesetz findet daher nicht nur sachrechtlich, sondern auch kollisionsrechtlich in Form des § 17 a DepotG auf die Wertrechte im Inland Anwendung.74 4.
Gutschriften in Wertpapierrechnung
Hinsichtlich der von der Regierungsbegründung exemplarisch ausgeschlossenen „Wertrechtgutschriften“ kommen damit in Deutschland nur die Gutschriften in Wertpapierrechnung (WR-Gutschriften)75 in Betracht, die inländische Banken ihren Kunden bei der Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland erteilen. Zum einen kennen die Klauselwerke der deutschen Banken terminologisch neben den bereits betrachteten GS- und STR-Gutschriften nur noch diese Variante der Depotkontogutschrift. Zum anderen wird der Gutschrift in Wertpapierrechnung 73
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. 74 So die ganz herrschende Meinung, vgl. Keller, WM 2000, S. 1269, 1281; Schefold, IPRax 2000, S. 468, 475; Ebenroth/Boujong/Joost-Scherer, HGB, Bd. 2 (2001), Rdnr. VI 432; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 64; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 56; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 111; Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2415; Welter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 26 Rdnr. 181. 75 Nr. 12 Abs. 3 S. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken und Sparkassen allgemein (entsprechend Nr. 17 Abs. 3 S. 2 der Besonderen Bedingungen – Brokerage der Postbank); Ziff. XII Abs. 1 AGB CBF.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
im Sachrecht der nationalen lex fori76 nach allen Ansichten eine rein obligatorische Konstruktion zugrunde gelegt: Die wohl überwiegende Ansicht betrachtet diese Form der Verbuchung als Dokumentation des auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs aus dem Treuhandverhältnis gemäß §§ 675 Abs. 1, 667 BGB, der dem Depotkunden im Fall der vereinbarungsgemäßen Anschaffung von Wertpapieren im Ausland erwächst, die Gegenposition als Erteilung eines abstrakten Schuldversprechens durch die jeweilige Depotbank.77 Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, dass die Regierungsbegründung mit der Ausnahme schuldrechtlicher Ansprüche im Inland tatsächlich auf die WR-Gutschrift abzielt. Im Einklang damit steht die die kollisionsrechtliche Qualifikation der vorherrschenden Ansicht in der Literatur, nach der für diese Rechtsposition die Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts Anwendung finden, mithin die Artt. 27 ff. EGBGB a. F. für WR-Gutschriften vor dem 17. Dezember 2009 und die Rom I-VO für WR-Gutschriften ab diesem Zeitpunkt.78 Das europäische Sekundärrecht wirft allerdings grundlegende Bedenken an der kollisionsrechtlichen Zuordnung der WR-Gutschrift durch die herrschende Ansicht auf. Wie dargelegt bieten die Zusammenschau verschiedener Sprachfassungen und die Erwägungsgründe der unionsrechtlichen Sonderkollisionsnormen des Effektengiros durchweg Hinweise dafür, dass auch gemischte oder rein schuldrechtliche Gestaltungen umfasst sein sollen. Sowohl Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie als auch Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie zeigen sich indifferent gegenüber dem mitgliedstaatlichen materiellen Recht. Ob ein Depotsystem ausschließlich oder – wie im deutschen Recht – nur für bestimmte Wertpapiere auf schuldrechtlichen Positionen aufbaut, kann ebenfalls keine Grundlage für eine Differenzierung sein.79 Als Konsequenz drängt sich die Einbeziehung von Rechtspositionen wie der WR-Gutschrift im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von
76
Zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der lex fori für die Qualifikation nach herrschender Meinung vgl. nur Kegel/Schurig, IPR (2004), § 7 III 2 a) (S. 337 ff.); Kropholler, IPR (2006), § 16 I (S. 121); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 12 ff. 77 Zur rechtlichen Konstruktion bei der WR-Gutschrift s. oben § 1 E. III. 78 Zur herrschenden Meinung s. oben unter § 2 A. II. 79 So für Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 94. Inkonsequent die Regierungsbegründung, die auf die unterschiedliche Konstruktion des Effektengiros im Ausland hinweist, die Einbeziehung (v. a. nationaler) schuldrechtlicher Positionen aber kategorisch ablehnt, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15 f.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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§ 17 a DepotG auf.80 Gänzlich unproblematisch ist eine solche korrigierende Handhabung freilich nicht. Ihr wird entgegengehalten, dass sie die methodischen Grenzen der Rechtsfigur sprenge.81 Der Einwand liegt nicht fern, da sich eine mit den Richtlinien konforme Interpretation schließlich gegen die ausdrückliche Regierungsbegründung stellen müsste. An dieser Stelle bedarf es daher einer genaueren Betrachtung der Schranken der richtlinienkonformen Auslegung. a) Allgemeine Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung Substrat der Begrenzung ist nach der Judikatur des EuGH,82 dass die anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze83 zu beachten sind und die Pflicht zur Berücksichtigung des Inhalts einer Richtlinie nicht Grundlage für eine Auslegung contra legem sein kann. Nach Auffassung des BGH ist letzteres funktionell zu verstehen: Ausgeschlossen werde der Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfindung nach nationalen Methoden unzulässig ist.84 Vergröbernd85 rücken durch den Verweis auf die Methoden der einzelstaatlichen Rechtsfindung zwei Elemente in den Fokus:86 80
Für eine richtlinienkonforme Interpretation jedenfalls im Lichte der Finanzsicherheitenrichtlinie Herring/Cristea, ZIP 2004, S. 1627, 1633; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 184, 286; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 113; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 243; wohl auch Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 137; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 45 Fn. 117; Hennrich, Aktienverpfändung im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr (2011), S. 180 f. Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 50, hält eine Einbeziehung zwar für „wünschenswert“, geht aber davon aus, dass § 17 a DepotG keine Anwendung findet. 81 Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 159; MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 196. 82 EuGH v. 4.7.2006, Rs. C-212/04 (Adeneler u. a.), Slg. 2006, S. I-6057 Tz. 110; EuGH v. 15.4.2008, Rs. C-268/06 (Impact), Slg. 2008, S. I-2483 Tz. 100; EuGH v. 23.4.2009, Rs. C-378/07 (Angelidaki u. a.), Slg. 2009, I-3071 Tz. 199; EuGH v. 16.7.2009, Rs. C-12/08 (Mono Car Styling), Slg. 2009, S. I-6653 Tz. 61. Bereits früher zu Grenzen der richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts EuGH v. 8.10.1987, Rs. 80/86 (Kolpinghuis), Slg. 1987, S. 3969 Tz. 13. 83 Insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot. 84 BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 21, unter Berufung auf Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 91. S. a. in der Literatur W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 36; Kroll-Ludwigs/Ludwigs, ZJS 2009, S. 123, 124 f. 85 Für eine vertiefte Analyse der Grenzen etwa Herresthal, Rechtsfortbildung im europarechtlichen Bezugsrahmen (2006), S. 217 ff.; Schürnbrand, JZ 2007, S. 910 ff.; Auer, NJW 2007, S. 1106 ff.; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Metho-
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Dies ist zunächst der mögliche Wortsinn der Norm. Er markiert die Grenze zwischen einer Gesetzesauslegung im engeren Sinne und der Rechtsfortbildung.87 Um eine unüberwindbare Schranke für die richtlinienkonforme Auslegung handelt es sich dabei allerdings noch nicht. Der Europäische Gerichtshof ist bei Verwendung des Begriffs „Auslegung“ nicht von der im deutschen Rechtskreis üblichen Unterscheidung ausgegangen, so dass von den nationalen Gerichten im Rahmen der europarechtlich determinierten richtlinienkonformen Auslegung mehr verlangt werden kann als die Auslegung im engeren Sinne.88 Auch die Rechtsfortbildung kommt zur Schaffung von Richtlinienkonformität in Betracht.89 Angesichts der Relativität des Wortlauts spielt noch eine weitere Schranke eine zentrale Rolle: der Regelungszweck der Norm. Der richterliche Spielraum findet seine Grenzen dort, wo er in Widerspruch zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde.90 Aus der erforderlichen Verbindung beider Elemente folgt auch für die zweite Schranke eine gewisse Relativierung. So kann im Rahmen einer Auslegung innerhalb der Grenzen des Wortlauts der historische Wille des nationalen Gesetzgebers, der auf ein richtlinienwidriges Ergebnis gerichtet war, überwunden werden.91 Auszugehen ist von einem interpretatorischen Vorrang des richtlinienkonformen Ergebnisses.92 Zwar lässt sich eine solche Regel aufgrund der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie nicht auf die Normkollision mit höherrangigem Rechts stützen,93 Vorrang genießt aber der primärrechtliche Auftrag aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (ex Art. 249 Abs. 3 EG) an die Mitgliedstaaten, die Ziele der Richtlinie zu denlehre (2010), § 14 Rdnr. 34 ff.; Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2013), § 1 Rdnr. 96 ff. 86 Vgl. auch den Vorlagebeschluss des BGH v. 16.8.2006, Az. VIII ZR 200/05, NJW 2006, S. 3200, 3201 (Tz. 12), in dem beide Faktoren hervorgehoben werden. 87 S. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1991), S. 467 f. m. w. N. 88 BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 21. 89 Zur Rechtsfortbildung etwa Herresthal, EuZW 2007, S. 396 ff.; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 46 ff. 90 Vgl. aus dem Kontext der verfassungskonformen Auslegung BVerfG v. 30.6.1964, Az. 1 BvL 16 – 25/62, BVerfGE 18, S. 97, 111; BVerfG v. 22.10.1985, Az. 1 BvL 44/83, BVerfGE 71, S. 81, 105; BVerfG v. 26.4.1994, Az. 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, S. 263; BVerfG v. 8.4.1998, Az. 1 BvR 1680/93, 1 BvR 183/94, 1 BvR 1580/94, BVerfGE 98, S. 17, 45. 91 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht (2007), S. 54; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 45. 92 Grundlegend Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 68. S. a. Schürnbrand, JZ 2007, S. 910, 911; Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2013), § 1 Rdnr. 89 ff. 93 W.-H. Roth, in: Canaris u. a. (Hrsg.), FS BGH (2000), S. 847, 875.
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verwirklichen.94 Wenn daher auf einer ersten Stufe mit Hilfe der klassischen Auslegungscanones ein Auslegungsspielraum der nationalen Vorschrift festgestellt wurde, ist ein solcher auf einer zweiten Stufe konsequent im Sinne der unionsrechtlichen Vorgaben auszunutzen.95 Für den Bereich der Rechtsfortbildung jenseits des Wortlauts ist zunächst festzuhalten, dass bei einem kumulativen Verstoß sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den Zweck des Gesetzes die Grenze zum unzulässigen Judizieren contra legem überschritten ist.96 Allerdings ist im Fall der richtlinienkonformen Rechtsfindung bei der Feststellung des erkennbaren Willens des Gesetzgebers neben der historischen Absicht der Legislative auch der Transformationshintergrund zu berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn die konkrete Regelungsabsicht im Widerspruch zu einer ebenfalls „konkret geäußerten, von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen Umsetzungsabsicht“97 des nationalen Gesetzgebers steht, muss eine Rechtsfortbildung durch den Richter keinen erkennbaren Willen des Gesetzgebers beiseite schieben.98 Denn wenn letzterer sich mit dem Inhalt der umzusetzenden Richtlinie auseinandergesetzt und zum Ausdruck gebracht hat, dass er die vorgeschlagene Regelung an diesen vermeintlichen europäischen Vorgaben orientiert, so kann im Falle eines abweichenden Gehalts der Richtlinie von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Die nationale Legislative hätte die Regelung schlicht nicht in gleicher Weise erlassen, wenn ihr deren fehlender Einklang mit der Richtlinie bekannt gewesen wäre.99 Der konkret geäußerten Umsetzungsabsicht hat der BGH einen „generellen, allgemein formulierten Umsetzungswillen“ gegenüber gestellt und dessen Behandlung der Sache nach offen gelassen.100 Auch wenn die Abgrenzung beider Fallgruppen nicht ganz deutlich wird, so zieht er anscheinend als Kriterium heran, inwiefern sich der Gesetzgeber mit dem konkreten Inhalt der umzusetzenden Bestimmung auseinandergesetzt hat. Für Konstellationen jenseits dieser Grenze lebt also ohne Präjudiz die Auseinandersetzung über die Frage fort, ob sich die konkrete (richtlinienwidrige) Regelungsabsicht oder der generelle Umsetzungswille im Wege der 94 Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2013), § 1 Rdnr. 92. 95 Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 70 ff.; Schürnbrand, JZ 2007, S. 910, 911. 96 Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 92; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 53. 97 So die Formulierung bei BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 25. 98 Vgl. BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 31. 99 BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 25. 100 BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 25.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Rechtsfortbildung durchsetzen sollte.101 Nach allen Ansichten ist jedenfalls dann ein unüberwindbar entgegenstehender Wille anzunehmen, wenn der nationale Gesetzgeber bewusst vom europäischen Recht abweichen wollte, wenn also ein Fall der Umsetzungsverweigerung vorliegt.102 b) Wortlaut und Regelungszweck von § 17 a DepotG Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Erwägungen stellt sich zunächst die Frage, ob der Wortlaut von § 17 a DepotG die Einbeziehung der schuldrechtlichen WR-Gutschrift zulässt, ob also insofern überhaupt eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne möglich ist. Der Gegenstand der kollisionsrechtlichen Anknüpfung ist formuliert als „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile“. Der Öffnung gegenüber schuldrechtlichen Rechtspositionen steht dabei der Begriff der „Verfügung“ noch nicht entgegen.103 Unabhängig von der Frage, ob sich die Fokussierung auf die dynamische Situation einer Rechtsübertragung nicht als zu eng erweist,104 existieren mit Zession und Verpfändung von Ansprüchen schon nach materiellrechtlichem Verständnis auch Verfügungen über schuldrechtliche Positionen.105 Schwieriger erscheint dagegen die Subsumtion der WR-Gutschrift unter den in § 17 a DepotG als „Wertpapiere oder Sammelbestandanteile“ bezeichneten Verfügungsgegenstand. Im Lichte des materiellen Depotrechts interpretiert, blieben die Begriffe einer schuldrechtlichen Position wie der WR-Gutschrift verschlossen. Insbesondere müsste die Alternative des Sammelbestandanteils mit dem Miteigentum nach Bruchteilen gemäß § 6 Abs. 1 DepotG bei der GS-Gutschrift gleichgesetzt werden. Für die Wortlautgrenze ist vorliegend aber als Besonderheit zu berücksichtigen, dass es um die Auslegung gerade einer Kollisionsnorm geht. Ein Systembegriff der Anknüpfungsnorm kann im Rahmen der Qualifikation durchaus anders verstanden werden als derselbe Begriff im materiellen Recht der lex fori. 101 Aus dem überbordenden Schrifttum für einen Vorrang des allgemeinen Umsetzungswillens etwa Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 85; Krieger, Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des deutschen Rechts (2005), S. 288; Möllers/Möhring, JZ 2008, S. 919, 922 f.; Möllers, JZ 2009, S. 405, 406; W.H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 14 Rdnr. 53b. Für einen Vorrang der konkreten Regelungsabsicht hingegen Herdegen, WM 2005, S. 1921, 1929; Schürnbrand, JZ 2007, S. 910, 916; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung (2008), S. 257 f.; ders., JZ 2009, S. 403, 404 f. 102 Zu dieser Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 85 f.; W.-H. Roth, EWS 2005, S. 385, 396; Möllers/Möhring, JZ 2008, S. 919, 923. 103 A. A. Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 159. 104 Hierzu noch unten § 7 C. 105 Vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I (1987), § 33 I (S. 569 ff.).
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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Auszugehen ist von einer begrifflichen Autonomie des IPR.106 Die Alternative des Sammelbestandsanteils in § 17 a DepotG gewinnt durch eine Emanzipation aus dem Verständnis des nationalen Depotrechts sogar überhaupt erst eigenständigen Gehalt: Im materiellen deutschen Recht drückt der Begriff schließlich nichts anderes aus als die erste Alternative, nämlich auf einem Konto verbuchte Wertpapiere. Kollisionsrechtlich autonom ist wie dargelegt107 der erste Begriff der „Wertpapiere“ auf alle Finanzinstrumente im Sinne der MiFID zu beziehen, der zweite Begriff der Sammelbestandanteile auf die durch die Kontoverbuchung modifizierten, mittelbaren Rechtsstellungen an diesen Instrumenten.108 Diese mittelbare Rechtsstellung kann dann auch schuldrechtlicher Natur sein: Zugespitzt formuliert muss dem Hinterleger nicht notwendigerweise ein rechtlicher „Sammelbestandanteil“ zustehen, sondern es reicht ein eher wirtschaftlicher aus. Aufgrund der begrifflichen Autonomie des Kollisionsrechts bewegt sich daher die Einbeziehung schuldrechtlicher Rechtspositionen – insbesondere der WR-Gutschrift – noch im Rahmen des möglichen Wortsinns von § 17 a DepotG, so dass Raum für den interpretatorischen Vorrang zugunsten des richtlinienkonformen Ergebnisses bleibt. Sollte man dies anders sehen, so stünde einer dann zu prüfenden richtlinienkonformen Rechtsfortbildung der historische Wille des nationalen Gesetzgebers im Ergebnis nicht entgegen. Zwar ist nach den obigen Ausführungen davon auszugehen, dass die Regierungsbegründung bei der Transformation von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie bewusst die deutsche Gutschrift in Wertpapierrechnung als schuldrechtliche Position ausschließen wollte. Gleichwohl könnte trotz der konkreten Regelungsabsicht eine planwidrige Regelungslücke angenommen werden, wenn ein engeres Verständnis des Wortlauts zugrunde gelegt würde. Ausdrücklich bekundet die Regierungsbegründung die Absicht, durch die nationale Kollisionsvorschrift im DepotG eine mit Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie konforme Regelung zu schaffen. Die Regierungsbegründung zeigt sogar die grundsätzliche Sensibilisierung für das Problem unterschiedlicher materiellrechtlicher Rechtskonstruktionen, indem sie bei der Schilderung der rechtstat106 Zur Autonomie des IPR bei der Begriffsbildung Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 15 II. 2. (S. 126 ff.); Kegel/Schurig, IPR (2004), § 7 II 3 (S. 334 ff.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 3. 107 S. oben § 7 B. II. 1. und 2. 108 Zusätzlich ist bei WR-Gutschriften über ausländische Kapitalmarktaktiva, die den materiellen depotrechtlichen Wertpapierbegriff nicht erfüllen, mittelbar auch ein richtlinienkonform weites Verständnis der ersten Alternative des Verfügungsgegenstandes erforderlich; die zweite Alternative des Sammelbestandanteils stellt gerade nur das Ergebnis der Verbuchung von Wertpapieren im Sinne der Kollisionsnorm dar. Vgl. auch Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten (2008), S. 45 Fn. 117.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
sächlichen Hintergründe der Miteigentumslösung im deutschen Recht die im angelsächsischen Rechtskreis, in Belgien und Luxemburg verbreiteten schuldrechtlichen Treuhandlösungen gegenüberstellt.109 Dass sie dann nicht den naheliegenden und von der Richtlinie geforderten Schritt unternimmt, diese schuldrechtlichen Positionen des Effektengiros ausdrücklich gleichermaßen der neuen Kollisionsnorm zu unterwerfen, beruht auf einer fehlerhaften Interpretation der europarechtlichen Vorgaben, ändert aber nichts am Umsetzungswillen. In einem solchen Fall, in dem die konkrete historische Regelungsabsicht und die ebenfalls konkretisierte Umsetzungsabsicht kollidieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der nationale Gesetzgeber bei zutreffender Erfassung der europarechtlichen Vorgaben die Norm in der gleichen Weise erlassen hätte.110 Ergänzend ist auch auf die nachfolgende Transformation der Finanzsicherheitenrichtlinie zu verweisen. Deren Definition des Gegenstandes der Sicherheitenbestellung umfasst explizit Ansprüche in Bezug auf Wertpapiere.111 Wenn die Regierungsbegründung § 17 a DepotG als diesen Anforderungen entsprechend ansieht,112 kann kein der Rechtsfortbildung eindeutig entgegenstehender Zweck der nationalen Vorschrift unterstellt werden. Zusammenfassend steht der Anwendungsbereich von § 17 a DepotG also über die richtlinienkonforme Rechtsfindung schuldrechtlichen Positionen offen: Der Wortlaut lässt durchaus noch eine entsprechende Gesetzesauslegung im engeren Sinne zu. Jedenfalls stünde der historische Regelungswille des Gesetzgebers einer entsprechenden richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegen.113 c) Überschießende Umsetzung Als ein besonderer Aspekt der auszulegenden nationalen Vorschrift verbleibt, dass es sich bei ihr gerade um einen Fall überschießender Umsetzung handelt. Demnach ist fraglich, ob die richtlinienkonforme Einbeziehung von schuldrechtlichen Gestaltungen für den gesamten Anwendungsbereich von § 17 a DepotG114 oder – im Wege einer gespaltenen Auslegung 109
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. 110 Vgl. BGH v. 26.11.2008, Az. VIII ZR 200/05, BGHZ 179, S. 27 Rz. 25. 111 Art. 2 Abs. 1 lit. e) Finanzsicherheitenrichtlinie. S. dazu oben § 4 B. I. 4. 112 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853 vom 29.10.2003, S. 12. 113 Als Besonderheit stünde hier neben der analogen Anwendung von § 17 a DepotG die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB für eine Fortbildung quasi „intra legem“ zur Verfügung; zu den verschiedenen Optionen unten § 7 C. III. 114 Für die Einheitlichkeit der Auslegung im richtlinienkonformen Sinne Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht
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der nationalen Norm115 – nur innerhalb der Begrenzungen der beiden umgesetzten Richtlinienbestimmungen greifen soll. Letzterenfalls wäre die korrigierende Interpretation insbesondere ratione materiae auf die Sicherheitsbestellung, aber auch in anderer Hinsicht beschränkt. aa) Einheitliche Auslegung Für die einheitliche Deutung ließe sich der Wille des nationalen116 Gesetzgebers anführen. So hat die Regierungsbegründung nicht nur die konkrete Sachentscheidung, keine schuldrechtlichen Gestaltungen einzubeziehen, sondern zugleich auch die allgemeine Strukturentscheidung getroffen, die Verweisung der Richtlinie auszuweiten und ihr eine allgemeine Geltung zukommen zu lassen.117 Wenn schon die erste Entscheidung zumindest partiell modifiziert werden muss, so sollte der gesetzgeberische Wille nicht auch noch in zweiter Hinsicht ignoriert werden. Aufgrund der Vereinigung in derselben Norm mit einheitlichem Wortlaut spricht ohnehin auch die Systematik für die identische Interpretation. bb) Kollision mit der Rom I-VO Mag die einheitliche Auslegung auch zweckmäßig und nach nationaler Methodik konsequent erscheinen, so hat sie doch mit der europäischen Normhierarchie zu kämpfen. Zu berücksichtigen ist, dass die Einbeziehung obligatorischer Positionen zu Lasten des internationalen Schuldrechts der Rom I-VO geht. Die Verordnung beansprucht grundsätzlich auch im Rahmen eines schuldrechtlich konstruierten Effektengiros Geltung, da insbesondere die Ausnahmen in ihrem Art. 1 Abs. 2 diesen Bereich nicht exkludieren.118 Als Gemeinschaftsrechtsakte mit besonderen Kollisionsnormen (2005), Teil L Rdnr. 286; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 252. A. A. Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 159 f. 115 Allgemein zur Problematik etwa Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2013), § 1 Rdnr. 111 m. w. N. 116 Wenn europarechtliche Begriffe im Rahmen freiwilliger Rechtsanpassung Verwendung finden, besteht wegen der Gefahr einer begrifflichen Verwirrung, die auf das europäische Element zurückwirken könnte, möglicherweise bereits kraft Unionsrechts eine Pflicht zur einheitlichen Auslegung; vgl. einerseits W.-H. Roth, in: Canaris u. a. (Hrsg.), FS BGH (2000), S. 847, 883 f.; anderseits Habersack/Mayer, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 15 Rdnr. 24 ff.; ausführlich zur Problematik m. w. N. Jäger, Überschießende Richtlinienumsetzung im Privatrecht (2006), S. 107 ff. Vorliegend hat der nationale Gesetzgeber für den Regelungsgegenstand aber gerade eine autonome Formulierung gewählt. 117 Deutlich auf S. 16 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999. 118 Vgl. § 3 B. I. 4. b).
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
bleiben zwar die Verweisungsvorschriften von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie nach Art. 23 Rom I-VO von der Verordnung unberührt. Da Richtlinienkollisionsrecht als solches keine unmittelbare Anwendung finden kann, muss der Vorrang auch für die nationale Umsetzungsnorm gelten.119 Grundsätzlich kann § 17 a DepotG daher in seinem durch die Richtlinie determinierten Bereich die Vorschriften der Rom I-VO verdrängen. Außerhalb dieses Bereichs handelt es sich jedoch wieder nur um eine nationale Vorschrift, die sich allein nicht gegen die höherrangige unmittelbar anwendbare Verordnung durchzusetzen vermag. Das europäische IPR erzwingt also an dieser Stelle möglicherweise die gespaltene Auslegung nationalen Kollisionsrechts. Diese wirkt sich auch im Ergebnis aus: Eine schuldrechtliche Rechtswahl, die sich nicht mit der Verweisung nach Maßgabe des objektiven PRIMA-Kriteriums deckt, kann nach den Vorschriften der Rom I-VO nicht überwunden werden.120 Mitunter mag zwar die objektive vertragliche Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO an den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, zu einem sich mit § 17 a DepotG deckenden Ergebnis führen: Charakteristisch für die Depotbeziehung ist die Leistung des Intermediärs.121 Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO ermöglicht zudem ein Abstellen auf dessen handelnde Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung,122 was der Suche nach der kontoführenden Stelle des Verwahrers in § 17 a DepotG entspräche. Zur Not könnte auch die Ausweichklausel in Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO herangezogen werden. Jedoch greift eine derartige objektive Anknüpfung im internationalen Schuldrecht explizit immer nur subsidiär zur freien Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I-VO. cc)
Vergleichbare Konstellationen
Das Problem gehört zu den vielen Fragen, die das Nebeneinander von europäischem, transformiert nationalem und autonom nationalem Kollisionsrecht aufwirft.123 Bereits der völkervertragliche Vorgänger der Rom I-VO, 119 Allgemein Leible/Lehmann, RIW 2008, S. 528, 531; MünchKommBGBSonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 152. 120 Im Fall der WR-Gutschrift führen die allgemeinen Rechtswahlklauseln in den AGB der deutschen Banken und Sparkassen (Ziff. VII Abs. 1 AGB CBF, Nr. 6 Abs. 1 AGB Banken und Nr. 6 Abs. 1 AGB Sparkassen) zur Anwendung deutschen Rechts; nicht ausgeschlossen sind allerdings abweichende individuelle Rechtswahlvereinbarungen. 121 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 80. 122 Zu Einzelheiten Mankowski, IHR 2008, S. 133, 139 f. 123 Zu den aus der Vielschichtigkeit des Kollisionsrechts in Europa resultierenden Konflikten allgemein Siehr, in: Baetge/von Hein/von Hinden (Hrsg.), FS Kropholler
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das EVÜ, wies einen entsprechenden Aspekt auf. Das Übereinkommen gewährt in seinem Art. 20 gleichfalls besonderen Kollisionsnormen im Gemeinschaftsrecht und deren nationaler Umsetzung Vorrang. Wenn der nationale Gesetzgeber dann über derartige kollisionsrechtliche Vorgaben in Richtlinien hinausging, lag hierin ein Verstoß gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen durch das Übereinkommen.124 Durch die Überführung des EVÜ in ein europarechtliches Instrument hat sich die Problematik insofern verschärft, als nunmehr die Konkurrenz der nationalen überschießenden Umsetzung nicht mehr nur zu lediglich mittelbar anwendbarem Völkerrecht,125 sondern bereits zu einem unmittelbar anwendbaren Sekundärrechtsakt besteht. Im Rahmen der Rom I-VO kann darüber hinaus eine gewisse Parallele in einer Bestimmung gesehen werden, die ebenfalls auf umzusetzendes, wenn auch materielles Europarecht verweist. Birgt ein Sachverhalt nur mitgliedstaatliche Bezüge, schützt die Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO die Anwendung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann. Für nicht unmittelbar anwendbare Bestimmungen zieht die Binnenmarktklausel ausdrücklich die umgesetzte Form der lex fori heran.126 Auch hier stellt sich die Frage, ob der Verweis eine etwaige nationale Erweiterung bei der Transformation einbezieht. Insofern wird angeführt, dass die Beschränkung auf einen europarechtlichen Mindestgehalt mitunter eine komplizierte Trennung erfordern kann, wenn der nationale Gesetzgeber die Vorgaben (2008), S. 77; speziell zum Nebeneinander von national umgesetztem Richtlinienkollisionsrecht und Rom I-VO Kieninger, im selben Werk, S. 499, 503 ff. 124 Zur Problematik nur Jayme/Kohler, IPRax 1997, S. 385, 389; Leible, in: SchulteNölke/Schulze (Hrsg.), Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte (1999), S. 353, 367 f.; Rühl, RIW 1999, S. 321, 323; Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674, 3679; Ehle, Wege zu einer Kohärenz der Rechtsquellen im Europäischen Kollisionsrecht der Verbraucherverträge (2002), S. 70 m. w. N. 125 Das EVÜ war in Deutschland nur über die Transformation in den Artt. 27 ff. EGBGB anwendbar. 126 Die Formulierung „gegebenenfalls in der von dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts umgesetzten Form“ könnte auch so gelesen werden, dass nur subsidiär auf die lex fori abzustellen ist, wenn das nach objektiver Anknüpfung anwendbare Recht keine ausreichende Transformation bietet. Andere Sprachfassungen der Verordnung sprechen allerdings dafür, dass der Gesetzgeber die nationalen Umsetzungsnormen grundsätzlich für gleichwertig hielt und sich zur einfachen Handhabung für die generelle Anwendbarkeit der lex fori entschieden hat; vgl. insbesondere die französische Version, bei der das Pendant zum deutschen Adverb „gegebenenfalls“, „le cas échéant“, einen anderen Bezugspunkt aufweist: „le choix par les parties d’une autre loi applicable que celle d’un État membre ne porte pas atteinte, le cas échéant, à l’application des dispositions du droit communautaire […], et telles que mises en oeuvre par l’État membre du for“. Für die generelle Anwendbarkeit der lex fori auch Pfeiffer, EuZW 2008, S. 622, 625; Heiss, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation (2009), S. 1, 5.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
der Richtlinie in vorhandene, weitergehende Regelwerke inkorporiert hat. Konkret sollten daher auch nationale Schutzverstärkungen zu Verbraucherrichtlinien in Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO Berücksichtigung finden.127 Nach der wohl überwiegenden Gegenauffassung soll der mitgliedstaatliche Gesetzgeber die durch die höherrangige Verordnung gewährte Rechtswahlfreiheit nicht durch eine überschießende Umsetzung begrenzen können. Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO bezwecke zudem nur den Schutz zwingenden Gemeinschaftsrechts, so dass sein Schutz auf den Mindestgehalt der Richtlinien beschränkt bleibe.128 dd) Möglicher Lösungsansatz Greift man die Gedanken zu den genannten Beispielen auf, so wäre bei § 17 a DepotG einerseits die Reduzierung auf den durch die Richtlinien gebotenen Mindestgehalt ebenfalls mit enormen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Die unionsrechtlichen Limitierungen sind in der Formulierung der nationalen Norm nicht angelegt. Andererseits kollidierte eine Berücksichtigung der nationalen Erweiterung mit den höherrangigen Pflichten der Verordnung. Die Rechtswahlfreiheit nach Art. 3 Abs. 1 Rom-VO steht grundsätzlich nicht zur Disposition der nationalen Legislative. Wenn dies im Fall des § 17 a DepotG im Ergebnis anders gehandhabt werden soll, so ließe sich dies auch nur mit einer europarechtlichen Argumentation begründen. Ansatzpunkt hierfür könnte etwa der Effektivitätsgrundsatz bei der Auslegung von Unionsrecht sein. Der EuGH berücksichtigt bei der Interpretation einer Norm dessen praktische Wirksamkeit, den effet utile: Die Vorschrift ist so auszulegen, dass sie ihre volle Wirkung entfalten kann.129 Die Wirksamkeit der Kollisionsvorschriften in Finanzsicherheitenund Finalitätsrichtlinie wird aber bedroht, wenn ihre nationale Umsetzung 127 Hoffmann, EWS 2009, S. 254, 257; tendenziell auch Heiss, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Rome I Regulation (2009), S. 1, 5; Rauscher-von Hein, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 127. Auf nationaler Ebene lässt sich in Art. 46 b EGBGB (Art. 29 a EGBGB a. F.) ein vergleichbarer Verweis auf Bestimmungen zur Umsetzung verschiedener Verbraucherschutzrichtlinien finden, bei dem ebenfalls der Umgang mit überschießender Umsetzung klärungsbedürftig ist; hierzu etwa Looschelders, Internationales Privatrecht (2004), Art. 29 a EGBGB Rdnr. 36; Prütting/Wegen/Weinreich-Remien, BGB (2013), Art. 46 b EGBGB Rdnr. 7. 128 Pfeiffer, EuZW 2008, S. 622, 625; Palandt-Thorn, Bürgerliches Gesetzbuch (2014), Art. 3 Rom I Rdnr. 5; Magnus, IPRax 2010, S. 27, 34. 129 Vgl. etwa EuGH v. 6.10.1970, Rs. 9/70 (Grad), Slg. 1970, S. 825 Tz. 5; EuGH v. 4.12.1974, Rs. 41/74 (van Duyn), Slg. 1974, S. 1337 Tz. 12; EuGH v. 1.2.1977, Rs. 51/76 (Verbond van Nederlandse Ondernemingen), Slg. 1977, S. 113 Tz. 20/29; EuGH v. 20.9.1988, Rs. 31/87 (Beentjes), Slg. 1988, S. 4635 Tz. 11; EuGH v. 20.9.1988, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, S. 4689 Tz. 27; EuGH v. 22.9.1988, Rs. 187/87 (Saarland u. a.), Slg. 1988, S. 5013 Tz. 19.
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die „zerfaserten“ Ränder nicht begradigen darf. Die resultierende begriffliche Verwirrung wirkt auch auf den Umsetzungsbereich zurück. Zudem ist eine Erweiterung des PRIMA-Grundsatzes in den Richtlinien bereits angelegt. Im Rahmen der Finalitätsrichtlinie ist etwa zum persönlichen Anwendungsbereich ausgeführt worden, dass sie eine Erweiterung auf indirekte Teilnehmer ausdrücklich vorsieht. Umgekehrt bringt die Rom I-VO bereits in Art. 1 Abs. 2 eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Verpflichtungen im Kontext von Wertpapieren zum Ausdruck. Wenn also das Richtlinienkollisionsrecht gleichsam den Gedanken einer vollständigen Abdeckung des Effektengiros in sich trägt, könnte der effet utile dieser Normen eine Reduktion der Verordnung für den betroffenen Bereich verlangen. Eine solche auf dem Effektivitätsgrundsatz aufbauende Argumentation bietet jedoch alles andere als eine sichere Grundlage für eine einheitliche Auslegung. Der Inhalt des Grundsatzes bedarf der Ausfüllung,130 allgemeine Argumentationsstrukturen lassen sich kaum feststellen.131 Üblicherweise dient die Effet-utile-Argumentation dem EuGH zu einer gewissen Erweiterung des Unionsrechts,132 hier aber geht es gerade um die Rücknahme eines Sekundärrechtsakts zugunsten von nationalem, wenn auch durch einen anderen Sekundärrechtsakt inspirierten Recht. Klarheit ist daher letztlich wohl nur de lege ferenda zu erlangen. Eine Lösung könnte sich etwa dergestalt ergeben, dass der europäische Gesetzgeber das Richtlinienkollisionsrecht auf alle Fragen des Effektengiros ausdehnt.133 Für die Rom IVO bliebe dann über ihren Art. 23 von vornherein kein Raum mehr für die Positionen des Effektengiros. Alternativ könnte legislativ auch direkt bei der Rom I-VO angesetzt werden, indem eine zusätzliche Bereichsausnahme für das schuldrechtliche Effektengiro in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung geschaffen würde. Angelehnt an die Terminologie der Finanzsicherheitenrichtlinie könnten etwa „jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten, bei denen die Inhaberschaft oder Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden,“134 exkludiert werden.
130 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 4 Rdnr. 7. 131 So Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH (2009), S. 202 („schillernde Argumentationsfigur“). 132 Vgl. die Zusammenstellung bei Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH (2009), S. 189 ff. 133 Zu der geplanten Wertpapierrechtsrichtlinie unten § 12 B. I. 3. 134 Vgl. die Formulierungen in Art. 2 Abs. 1 lit. e) und g) Finanzsicherheitenrichtlinie.
258 5.
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Ausländische Rechtspositionen im Effektengiroverkehr
Die dargelegte Behandlung inländischer Rechtspositionen prädestiniert die Einordnung ausländischer Konstruktionen bei der Wertpapierverwahrung und -übertragung. Dingliche Stellungen des Depotkunden sind von § 17 a DepotG erfasst, solange nur Kontoverbuchung oder Registereintrag eine faktische Mindestbedeutung für das (Mit-)Eigentum zukommt. Im Bereich vollständig entmaterialisierter Wertpapiere findet die Norm Anwendung, solange das Rechtsstatut eine Übertragung im Rahmen des Effektengiros anordnet. Dies kann durch eine ausdrückliche Regelung wie § 6 Abs. 2 BSchuWG geschehen, möglich sein muss aber wie hinsichtlich der klassischen Anknüpfung an die lex rei sitae auch135 eine lediglich funktionale Anbindung des Schicksals der Titel an das Effektengiro. In richtlinienkonformer Auslegung sind darüber hinaus auch Depotsysteme erfasst, die auf gemischten oder rein schuldrechtlichen Ansprüchen der Kontoinhaber fußen; die Konkurrenz zur Rom I-VO zwingt insofern jedoch möglicherweise zu einer gespaltenen Auslegung entlang des Mindestgehalts der Richtlinien. IV. Modifikation der Dichotomie von Wertpapierrechts- und -sachstatut Die richtlinienkonforme Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 17 a DepotG stellt eine klassische Konzeption im Rahmen des nationalen internationalen Wertpapierrechts auf den Prüfstand: die Unterscheidung von Wertpapierrechts- und -sachstatut. Letztlich steht hinter der kollisionsrechtlichen Aufspaltung die materiellrechtliche Differenzierung zwischen dem Recht aus dem Papier und dem Recht am Papier bei verkörperten Wertpapieren. So ist das Rechtsstatut für alle Fragen des verbrieften Rechts gegen den Emittenten maßgeblich. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob die Übertragung des verbrieften Rechts eine Verfügung über die Urkunde nach sachenrechtlichen Grundsätzen oder lediglich eine schuldrechtliche Zession erfordert. Das Wertpapiersachstatut, dem die kollisionsrechtliche Beurteilung des rechtlichen Schicksals der Urkunde obliegt, wird nur nach Maßgabe dieser Entscheidung für das verbriefte Recht relevant.136 § 17 a DepotG erfasst in zutreffender Auslegung aber auch Verfügungen (jedenfalls zu Sicherungszwecken) über die im Effektengiro verbuchten schuldrechtlichen Titel. Auf den ersten Blick kann die Norm daher nicht einfach dem Wertpapiersachstatut zugeordnet werden, da sie Geltung auch im Fall einer negativen Entscheidung des Rechtsstatuts hinsichtlich der sachenrechtlichen Anbindung beansprucht. Der Anwendungsbereich 135 136
Hierzu oben § 2 B. II. Hierzu ausführlich oben § 2 A. I.
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259
der Norm könnte so die Dichotomie von Rechts- und Sachstatut bei Wertpapieren, die über einen Intermediär gehalten werden, obsolet werden lassen.137 Dass aber eine grundlegende Aufgabe der Zweiteilung im Effektengiro nicht angebracht erscheint, ist oben bereits dargelegt worden.138 Fragen, die Inhalt und Umfang des zugrundeliegenden Rechts betreffen, können nicht durch eine grenzüberschreitende Umbuchung auf Depotkonten einer neuen kollisionsrechtlichen Beurteilung unterworfen werden. Das fortbestehende Ineinandergreifen beider Statute stellt sich im Effektengiro vielmehr wie folgt dar: Ausgangspunkt bleibt das Hauptstatut hinsichtlich der Rechte der Anleger gegenüber dem Emittenten, das sich nach allgemeinen Kollisionsregeln wie denen des internationalen Gesellschaftsrechts richtet. Dieses hat vorgeschaltet über die Anbindung der Rechte an einen Kapitalmarkttitel im Effektengiroverkehr zu entscheiden. Es kann das rechtliche Schicksal wie in stufenübergreifenden und bestimmten stufenweisen Depotkonstruktionen an die Kontopositionen binden; es kann aber auch die Inhaberschaft des Rechts nur einem Treuhänder für die Depotpyramide zukommen lassen, so dass die Umbuchungen für die formale Inhaberschaft des zugrundeliegenden Rechts ohne Relevanz bleiben. Die mit dem Verbuchungssystem verbundenen Fragen richten sich nach einem zweiten Statut, zu dessen Bestimmung die Kollisionsregel des § 17 a DepotG berufen ist. Diese Norm beurteilt also zunächst unabhängig von der Entscheidung des Hauptstatuts die Kontoposition. Für Inhaberschaft und Übertragung des zugrundeliegenden Rechts gegenüber dem Emittenten wird die Vorschrift dagegen erst maßgeblich, wenn das Hauptstatut dies positiv entschieden hat. Auch weiterhin lebt das zweite Statut insoweit von der Gnade des Hauptstatuts. Es stellt sich lediglich die eher terminologische Frage, ob man für dieses Zusammenspiel noch von Wertpapierrechts- und -sachstatut sprechen will.139 Zur Verdeutlichung, dass das gemäß § 17 a DepotG bestimmte 137
In diese Richtung wohl tatsächlich die Regierungsbegründung, s. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. Das Plädoyer von MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 214 ff., für ein „einheitliches Wertpapierdepotstatut“ richtet sich allerdings wohl weniger gegen die Abgrenzung des Sachstatuts gegenüber dem Rechtsstatut, sondern gegenüber dem schuldrechtlichen Zessionsstatut; vgl. dazu im Folgenden. 138 Vgl. oben § 2 A. I. 2. 139 Die herkömmliche Nomenklatur behalten in Bezug auf § 17 a DepotG bei Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 722; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/ Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 185; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 146; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 1, 23 ff.; Einsele, ZHR Bd. 177 (2013), S. 50, 61.
260
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Sonderstatut über verkörperte Wertpapiere hinaus auch entmaterialisierte Wertrechte einbezieht, die am Effektengiro teilnehmen, und zudem in seinem Anwendungsbereich nicht nur das allgemeine Sachenrechtsstatut, sondern auch Schuld- und Zessionsstatut verdrängt, könnte sich auch eine neutralere Benennung der Dichotomie anbieten, etwa als Aufteilung in Haupt- und Depotstatut.140 Vor der Einbeziehung des Titels in die Sammelverwahrung, nach einer Entnahme aus dem Verwahrsystem sowie bei einer nach dem Hauptstatut unzulässigen Teilnahme am Effektengiro verbleibt es im Übrigen für das Schicksal des zugrundeliegenden Rechts gegen den Emittenten – je nach Entscheidung des Hauptstatuts über eine Verknüpfung mit der Urkunde – bei den klassischen Alternativen eines Wertpapiersachstatuts einerseits und dem Vertrags- und Zessionsstatuts andererseits. C. Konkreter Anknüpfungsgegenstand Ordnet man § 17 a DepotG einem dem klassischen Wertpapiersachstatut äquivalenten Depotstatut zu, so erscheint es im Hinblick auf Rechtssicherheit und -klarheit zweckdienlich, der Kollisionsregel zugleich alle Fragen dieses Statuts zu unterwerfen. Eine konsequent einheitliche Anknüpfung Intermediär-verwahrter Wertpapiere würde eine durch nationale dogmatische Eigenheiten im materiellen Recht bedingte dépeçage vermeiden.141 Indes erfasst der Wortlaut gerade nur „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden.“ Dies lässt gleich in mehrfacher Hinsicht Zweifel an einem umfassenden Regelungsgegenstand der Verweisungsnorm aufkommen. I.
Begriff der Verfügung
Kern des Anknüpfungsgegenstands und damit vorrangiger Ansatzpunkt für eine inhaltliche Fokussierung ist der Begriff der „Verfügungen“. 1.
Gesetzlicher und originärer Erwerb
Geht man für dessen Interpretation zunächst vom Verständnis im deutschen Sachrecht aus, so bereitet die Einbeziehung bestimmter Erwerbstatbestände im Effektengiro Schwierigkeiten. Eine Verfügung wird als ein Dagegen für eine Aufgabe der „terminologischen Trennung“ Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 156. 140 In diesem Sinne wohl die Forderung nach einem „einheitlichen Wertpapierdepotstatut“ bei MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 214 ff. 141 Allgemein zur Gefahr für den inneren Entscheidungseinklang durch eine dépeçage etwa Kegel/Schurig, IPR (2004), § 2 II 3 b) (S. 141 ff.).
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Rechtsgeschäft verstanden, durch das der Verfügende auf ein Recht dadurch unmittelbar einwirkt, dass er es auf einen Dritten überträgt, mit einem Recht belastet, aufhebt oder sonst in seinem Inhalt ändert.142 Ein Rechtsgeschäft wiederum besteht aus mindestens einer Willenserklärung, die allein oder in Verbindung mit weiteren Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführt.143 Hieraus könnte zunächst abgeleitet werden, dass vom Anknüpfungsgegenstand keine Tatbestände erfasst sind, bei denen die Rechtsfolge nicht auf autonomen Willenserklärungen, sondern auf gesetzlicher Anordnung beruht. Im deutschen Sachrecht wird dies relevant im Fall des § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG, nach dem mit Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des verfügungsberechtigten Kommissionärs das Miteigentum – subsidiär und damit von untergeordneter Bedeutung – auf den Kommittenten übergeht.144 Bei der Buchung handelt es sich nur um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung,145 was die Anwendung des § 17 a DepotG in Zweifel zieht. Inhaltlich verwandt stellt sich darüber hinaus mit Blick auf ausländische Rechtsordnungen das Problem, dass sich in den gemischt oder rein schuldrechtlichen Gegenmodellen zur sachenrechtlichen Girosammelverwahrung die Rechtsposition des Kontoinhabers typischerweise nur gegen den eigenen unmittelbaren Intermediär richtet. Dann aber ist im Rahmen einer Transaktion nicht von einer rechtlichen Übertragung auszugehen. Vielmehr kommt es etwa für das security entitlement des Uniform Commercial Code in den USA zu einer originären Neubegründung auf Seiten des Empfängers.146 Zumindest das Erwerbselement der Transaktion könnte, in nationalen materiellrechtlichen Kategorien gedacht, nicht als Verfügungsgeschäft
142 S. nur BGH v. 15.3.1951, Az. IV ZR 9/50, BGHZ 1, S. 294, 304; BGH v. 24.10.1979, Az. VIII ZR 289/78, BGHZ 75, S. 221, 226. 143 Statt vieler Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch (2014), Überblick vor § 104 Rdnr. 2. 144 Die andere Sonderregel zum Eigentumsübergang bei der Effektenkommission, der an die Absendung des Stückeverzeichnis anknüpfende § 18 Abs. 3 DepotG, dürfte in Abgrenzung zu § 24 Abs. 2 DepotG nur für die sonderverwahrten Wertpapiere zur Anwendung kommen, vgl. Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 84, s. a. MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 96. § 17 a DepotG findet daher von vornherein keine Anwendung. 145 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 22 Rdnr. 21; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 592. 146 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200; von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht (2009), § 75 Rdnr. 41.
262
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
eingeordnet werden;147 ein „Verfügungsempfänger“ im engeren Sinne existiert also nicht.148 Wenn man § 17 a DepotG in richtlinienkonformer Auslegung (jedenfalls im Rahmen des Mindestgehalts der Richtlinien) auch gegenüber der schuldrechtlichen WR-Gutschrift öffnet, gilt die Problematik entsprechend für das auf dieser basierenden inländische Treuhandgiro.149 Auch an dieser Stelle ist aber wieder eine autonome Terminologie des IPR zugrunde zu legen. Für die funktionelle kollisionsrechtliche Qualifikation des Rechtserwerbs nach § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG ist seine Auffangwirkung für eine unterbliebene rechtsgeschäftliche Verfügung zu berücksichtigen, die für die Einbeziehung in den Anwendungsbereich von § 17 a DepotG spricht. Ein Ausschluss würde außerdem fast schon paradox anmuten, handelt es sich doch ausgerechnet um den einzigen Fall150 einer im engeren Sinne „rechtsbegründenden Wirkung“ der Kontoverbuchung im deutschen Sachrecht. Hinsichtlich der konstitutiven Begründung schuldrechtlicher Kontopositionen ist anzumerken, dass ihre Einbeziehung letztlich eine logische Konsequenz der oben abgeleiteten grundsätzlichen Berücksichtigung des schuldrechtlichen Effektengiros darstellt. Verallgemeinernd ist der Begriff der „Verfügungen“ in § 17 a DepotG somit in einem funktionellen Sinne zu verstehen, der sich vom engen materiellrechtlichen Verfügungsbegriff löst und jede faktische Verschaffung von Titeln über den Effektengiroverkehr umfasst, gleich ob sie rechtlich auf einem Rechtsgeschäft oder einer sonstigen Handlung beruht.151 2.
Inhalt und Wirkungen der Rechtsstellung
Auch einem funktionellen Verständnis ist aber die Fokussierung auf eine Veränderung des Rechts immanent. Als Konsequenz könnte in den An147 Als Verfügung könnte zwar das Erlöschen auf Seiten des Veräußerers angesehen werden; jedoch hat dies keinen Einfluss auf die eigenständige Beurteilung des Erwerbselements. Allgemein zu gemischten Geschäften mit Elementen eines Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfts Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts (2004), § 23 Rdnr. 59 f. 148 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200. 149 Zur rechtserzeugenden Wirkung der Gutschrift im Treuhandgiro nur Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr (1976), S. 23, 138; Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/357. 150 Unter Zugrundelegung eines engen Verständnisses der rechtsbegründenden Wirkung Einsele, WM 2001, S. 7, 15; dies., WM 2001 S. 2415, 2421 f.; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 720. 151 Dagegen lediglich für eine analoge Anwendung des § 17 a DepotG auf § 24 Abs. 2 S. 1 DepotG und vergleichbare Tatbestände Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 98; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 84 f.; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 56.
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wendungsbereich von §17 a DepotG zwar die dynamische Situation eines Rechtsgeschäfts oder einer ähnlichen Handlung, nicht aber die eher statischen Fragestellungen wie konkreter Inhalt, Natur und Wirkung der Rechtsstellung des Kontoinhabers fallen – eine Unterscheidung, die an die Aufspaltung in Rechtsbegründungs- und Rechtswirkungsstatut im allgemeinen internationalen Sachenrecht152 gemahnt. Ein Ausschluss der Rechtswirkungen kontrastiert mit den europarechtlichen Grundlagen von § 17 a DepotG. So erfasst Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie das auf die „Rechte […] als dinglich gesicherte Gläubiger an diesen Wertpapieren“ anwendbare Recht, was die Abdeckung des Wirkungsstatuts bestellter Sicherheiten indiziert und gerade umgekehrt den Einschluss der Rechtsbegründung im Zweifel stehen lässt.153 Noch deutlicher ist die Diskrepanz zum umfänglichen Katalog an Regelungsgegenständen, die Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie der Sonderverweisung zuordnet. Angeknüpft werden etwa Rechtsnatur und dingliche Wirkung von Finanzsicherheiten oder die Schritte, die zu deren Verwertung nach Eintritt des Verwertungs- bzw. Beendingungsfalls erforderlich sind. Die sich aufdrängende Korrektur über eine richtlinienkonforme Auslegung des Anknüpfungsgegenstandes wirft abermals die Frage nach den methodischen Grenzen der Rechtsfigur auf. Über die autonome Deutung der Systembegriffe des Kollisionsrechts kommt zwar als Ansatzpunkt in Betracht, dass eine Verfügung notwendigerweise zu einer neuen Rechtslage führt. Wenn die Rechtsstellung des Erwerbers also das Ergebnis der Verfügung ist, könnte sie zugleich vom Anknüpfungsgegenstand der „Verfügung“ umfasst sein. Zweifeln lässt an einer solchen Lösung aber, dass die Verknüpfung statischer Fragen mit der dynamischen Situation der Verfügung nicht immer denknotwendig erscheint. Beispielsweise kann die nach Art. 9 Abs. 2 lit. d) Finanzsicherheitenrichtlinie erfasste Frage der Verwertungsvoraussetzungen bei Wertpapiersicherheiten nur schwerlich als unmittelbare Verfügungswirkung angesehen werden. Für den möglichen Wortsinn der Kollisionsnorm ist zudem auch die Formulierung des Anknüpfungspunktes zu berücksichtigen. Bezug genommen wird dort auf den Registereintrag oder die Kontoverbuchung zugunsten des „Verfügungsempfängers“. Die Norm geht also von der Situation eines Buchungsvorgangs zugunsten einer neuen Person aus. Dies bestärkt den Eindruck, dass die Frage der Wirkung der Rechtsstellung ohne unmittelbaren Bezug zu einem Rechtserwerb (oder einem korrespondierenden -verlust) nicht mehr im Rahmen des möglichen Wortsinns liegt. An dieser Stelle sind da152 Hierzu MünchKommBGB-Wendehorst, Rdnr. 128 ff. 153 S. § 3 B. I. 6.
Bd. 11
(2010),
Art. 43
EGBGB
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
mit nach hier vertretener Ansicht erstmals die Grenzen einer Gesetzesauslegung im engeren Sinne überschritten,154 was aber nicht die noch zu erörternde richtlinienkonforme Rechtsfortbildung ausschließt. II. Eintragung oder Verbuchung der Verfügung Eine weitere mögliche Lücke im Regelungsgegenstand ergibt sich aus der Voraussetzung des Registereintrags oder der Kontoverbuchung. Problematisch ist der genaue Bezugspunkt dieser Bedingung: Der betreffende Relativsatz könnte sprachlich an die „Verfügungen“, aber auch am Verfügungsgegenstand der „Wertpapiere oder Sammelbestandanteile“ anknüpfen. Die Auslegung im ersteren Sinne hätte eine bedeutsame Einengung zur Konsequenz: Nur Verfügungen, die sich unmittelbar in den Büchern des Intermediärs widerspiegeln, wären von § 17 a DepotG erfasst. In der Folge stellte sich als zweifelhafte Konstellation die Bestellung einer Sicherheit an Wertpapieren dar, die nicht in einer Umbuchung auf ein neues Konto resultiert. Dies kann auch bei der Verpfändung von Sammelbestandanteilen nach deutschem Depotrecht der Fall sein, welcher die überwiegende Ansicht155 die §§ 1293, 1204 ff., 1258 BGB über das Pfandrecht an einer beweglichen Sachen zugrundelegt. Zwar ist nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich die Übergabe an den Gläubiger erforderlich, was im Rahmen des Effektengiroverkehrs durch Umstellung der Besitzmittlungsverhältnisse beim Zentralverwahrer erfolgt. Möglich ist jedoch auch die Bestellung durch bloße Einigung gemäß § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB oder durch Übertragung des mittelbaren Besitzes gemäß § 1205 Abs. 2 BGB, je nachdem, ob das Pfand zugunsten der Depotbank des Pfandgebers oder zugunsten eines Dritten bestellt werden soll.156 Die Übertragung des mittelbaren Besitzes im letzteren Fall kann, muss sich aber nicht in einem Buchungsvorgang in Form des sogenannten Verpfändungsübertrags manifestieren, da der Besitzübergang nach § 870 BGB allein die Abtretung der Herausgabeansprüche erfordert. Vielmehr erfolgt häufig anstelle einer Umbuchung die bloße Eintragung eines Sperrvermerks auf 154 Dagegen für eine richtlinienkonforme Auslegung auch insofern MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 242; methodisch wohl auch Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 147 ff. 155 S. nur Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 6 Rdnr. 41; Canaris, Bankvertragsrecht (1988), Rdnr. 2032 ff.; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonderund sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 167 f.; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 72 Rdnr. 118. Nach Ansicht von MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 127, sollen hingegen die §§ 1274 Abs. 1 S. 1, 1280 BGB zur Verpfändung eines Rechts Anwendung finden. 156 Hoffmann, WM 2007, S. 1547, 1550; Hirte/Knof, WM 2008, S. 7, 13.
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dem Konto des Pfandgebers.157 Hinter diesem bankinternen Vorgang verbirgt sich eine schuldrechtliche Sperrabrede.158 Darüber hinaus treten im nationalen Effektengiro sogar Verfügungen über sammelverwahrte Effekten auf, die sich noch nicht einmal in einem solchen Kontovermerk niederschlagen. Ein Kontoinhaber hat die Möglichkeit, über die §§ 929 S. 1, 931 BGB unter Abtretung seiner depotrechtlichen Herausgabeansprüche eine unmittelbare Depotübertragung vorzunehmen, die keiner Einschaltung seiner Depotbank oder eines höherstufigen Intermediärs einschließlich der Wertpapiersammelbank bedarf.159 Wenn § 17 a DepotG auf solche Verfügungen ohne Umbuchung keine Anwendung fände, hätte dies die missliche Konsequenz, dass die lex cartae sitae wieder eine intermediatisierte Rechtsposition zu beurteilen hätte. Neben den allgemeinen Nachteilen, die das Verweisungsmoment der Belegenheit der Urkunde in diesem Kontext aufweist, könnte sich auf diese Weise ein bereits zu den Richtlinienbestimmungen erörtertes Problem verstärken: Es drohen in Bezug auf dieselbe Rechtsposition kollidierende Rechtsordnungen, wenn sowohl innerhalb wie außerhalb des Effektengiroverkehrs über einen Titel verfügt wird. Der europarechtliche Hintergrund spricht gleichfalls dafür, die Voraussetzung einer Eintragung oder Verbuchung allein auf den Verfügungsgegenstand, nicht aber die Verfügung selbst zu beziehen. Nach Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie müssen die Rechte des Sicherungsnehmers an den Wertpapieren eingetragen bzw. verbucht sein. Im Rahmen der Finanzsicherheitenrichtlinie verlangt deren Art. 2 lit. g) von den Sicherheiten an Finanzinstrumenten nur, dass die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem Depotkonto nachgewiesen werden. Anders lesen ließe sich zwar die Definition des Anknüpfungspunktes des „maßgeblichen Kontos“ in Art. 2 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie.160 Allerdings ist dem bereits entgegengehalten worden, dass Finanzsicherheiten gerade auch als beschränkt ding157 Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen über sonder- und sammelverwahrte Wertpapiere des Kapitalmarktes (2006), S. 174; Hoffmann, WM 2007, S. 1547, 1552; Nodoushani, WM 2007, S. 289, 295. 158 Zur rechtlichen Konstruktion Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2011), § 93 Rdnr. 16 f. 159 S. hierzu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht (1995), S. 91; dies., WM 2003, S. 2349, 2353, und oben § 1 E. II. 4. b). 160 Wörtlich: „‘Maßgebliches Konto’ ist in Bezug auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere, die als Finanzsicherheit gestellt werden, das Register oder Depotkonto […], in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt.“ (Hervorhebungen durch Verf.). Hieraus will Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 117, die Unanwendbarkeit der Finanzsicherheitenrichtlinie auf Verfügungen ohne Umbuchung ableiten.
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liche Rechte bestellt werden können. Da dann Eigentum oder Inhaberschaft beim Sicherungsgeber verbleibt, ist die für diesen Fall nicht untypische Sicherheitenbestellung ohne Umbuchung der Richtlinie unterworfen.161 Der richtlinienkonformen Auslegung im Lichte dieser Vorgaben sind Grenzen aber dadurch gesetzt, dass der nationale Gesetzgeber den Anknüpfungsgegenstand autonom auf „Verfügungen“ beschränkt hat. Zieht man dann noch die Formulierung des Anknüpfungspunktes von § 17 a DepotG hinzu, so kann eine Auslegung im engeren Sinn den Bezugspunkt des Relativsatzes letztlich nur in der Verfügung selbst sehen:162 Zur Anwendung berufen wird gerade das Recht des Ortes der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers, „die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt.“ Seinem möglichen Wortsinn nach bleibt § 17 a DepotG auf Verfügungen beschränkt, die sich in einer Umbuchung zugunsten des Empfängers manifestieren.163 III. Optionen zur Lückenschließung Gestützt auf die begriffliche Autonomie des Kollisionsrechts kann § 17 a DepotG in mehrfacher Hinsicht ein sinnvoller und den europäischen Vorgaben konformer Gehalt verliehen werden. Die methodischen Grenzen einer Auslegung des Tatbestandelements der Verfügung bedingen dennoch zwei wesentliche Lücken: zum einen Inhalt und Wirkungen der Kontoposition, zum anderen Verfügungen ohne Umbuchung. Insofern stellt sich die Frage, ob schlicht die allgemeinen Regeln wieder aufleben, bei sachenrechtlicher Qualifikation also die Anknüpfung an die lex cartae sitae,164 161 Ergänzend sei hier nur noch einmal auf die Begründung der Kommission zum Vorschlag der Richtlinie vom 27. März 2001, KOM(2001) 168 endg., S. 10, in englischer Fassung hingewiesen, die keine Übertragung auf das Konto des Sicherungsnehmers verlangt: „This means that the matters referred to in paragraph 3 shall be governed by the law of the country of the relevant intermediary […] through which the collateral taker holds its interest, which is the only place where there exists immediate evidence of the collateral taker’s interest.“ 162 I. E. sehen auch Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.33 Fn. 18, den Bezugspunkt des Relativsatzes in den Verfügungen, werten dies jedoch konträr als Ausweitung des Anwendungsbereichs. 163 In diesem Ausgangspunkt wohl noch übereinstimmend Einsele, WM 2001, S. 7, 15, Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 103, und Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 140, 144 f. MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 247, hält dagegen noch eine richtlinienkonforme Auslegung für möglich. 164 In der Tat will Dittrich den Inhalt der Berechtigung an Effekten nicht nach § 17 a DepotG, sondern über Art. 43 Abs. 1 EGBGB weiterhin nach der lex cartae sitae beurteilen; s. dies., Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 76 f. So im Ausgangspunkt auch Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 127.
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oder ob die in der Norm angelegte Sonderanknüpfung über den Torso des § 17 a DepotG hinaus zur Geltung gebracht werden kann. Die gleiche Frage muss sich stellen, wer an den neuralgischen Punkten des anderen Tatbestandselements, des Verfügungsgegenstands,165 den möglichen Wortsinn enger sieht. Schon der europarechtliche Hintergrund zwingt zur Suche nach Optionen, die PRIMA-Anknüpfung für Inhalt und Wirkungen kontoverbuchter Effekten wie auch für Verfügungen ohne Umbuchung durchzusetzen. Nach Rechtsprechung des EuGH verpflichtet das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung den nationalen Richter dazu, seinen vom nationalen Recht eingeräumten Beurteilungsspielraum voll auszuschöpfen, um den Anforderungen des Unionsrechts zu genügen.166 Er hat unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten.167 Daneben legt außerhalb des Bereichs der von den Richtlinien erfassten Wertpapiersicherheiten die autonome teleologische Erwägung, eine uneinheitliche Anknüpfung inhaltlich zusammenhängender Fragen nach Möglichkeit zu vermeiden, eine Abrundung von § 17 a DepotG nahe. 1.
Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB
Zur Realisierung einer richtlinienkonformen Rechtsfindung steht im nationalen internationalen Sachenrecht eine besondere Option zur Verfügung: die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB.168 Nach dieser Norm kann von dem nach Artt. 43 ff. EGBGB maßgebenden Recht abgewichen werden, wenn eine wesentlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates besteht. Als kodifizierte Form der Normbildung ist dieser Weg vor einer allgemeinen Analogie zu erörtern. Der Wert von Ausweichklauseln wie Art. 46 EGBGB ist im Allgemeinen umstritten.169 Wenn man das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung als interpretatorischen Vorrang begreift, bieten die offenen Formeln aber ein Einfallstor zur Umsetzung des europarechtlich geforderten Ergeb165
Insbesondere Wertpapierbegriff, rechtsbegründende Wirkung und schuldrechtliche Positionen. 166 Grundlegend EuGH v. 10.4.1984, Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, S. 1891 Tz. 28. 167 EuGH v. 4.7.2006, Rs. C-212/04 (Adeneler u. a.), Slg. 2006, S. I-6057 Tz. 111; EuGH v. 15.4.2008, Rs. C-268/06 (Impact), Slg. 2008, S. I-2483 Tz. 101; EuGH v. 23.4.2009, Rs. C-378/07 (Angelidaki u. a.), Slg. 2009, I-3071 Tz. 200. 168 Für den Rückgriff auf Art. 46 EGBGB für richtlinienwidrige Lücken von § 17 a DepotG Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 118 f., 128. 169 Vgl. etwa die Charakterisierung als „planmäßige Lücke, kaschiert durch eine Scheinregelung“ durch Kegel/Schurig, IPR (2004), § 6 I 4 b) cc) (S. 308). S. a. die Nachweise zur Diskussion bei Kropholler, IPR (2006), § 4 II 2 c) (S. 27).
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
nisses. Sie ähneln insofern den zivilrechtlichen Generalklauseln auf materiellrechtlicher Ebene.170 Für jene wird zwar – mit Blick auf die Funktionsverteilung zwischen Legislative und Judikative zu Recht – geltend gemacht, dass sie nicht als „Wunderwaffe“ missbraucht werden dürften, um einer richtlinienkonformen Auslegung in jedem Fall zum Durchbruch zu verhelfen.171 Nur wenn die zur Umsetzung geschaffenen Regelungen nicht als abschließende Normierung intendiert seien, könnten die Generalklauseln in ihrem genuinen Anwendungsbereich herangezogen werden.172 Ob die kollisionsrechtlichen Ausweichklauseln gleichermaßen restriktiv zu handhaben sind, erscheint allerdings zweifelhaft. Ihre genuine Aufgabe liegt gerade in einer Flexibilisierung des Kollisionsrechts, indem sie dem Richter eine systemgerechte Rechtsfortbildung ermöglichen.173 Wenn man gleichwohl die kritischen Erwägungen zu materiellrechtlichen Generalklauseln aufgreift, so könnte ihnen mit folgendem Gedanken begegnet werden: Noch kurz vor der Schaffung von § 17 a DepotG verwies der Gesetzgeber bei Erlass von Art. 46 EGBGB explizit für Wertpapiere auf diese Ausweichklausel.174 Wenn dann bei der nachfolgenden Richtlinienumsetzung durch § 17 a DepotG ein Regelungsdefizit aufgetreten ist, erscheint der Rückgriff auf die Klausel zu dessen Behebung als methodisch vertretbar. In Anwendung von Art. 46 EGBGB ist davon auszugehen, dass für Inhalt und Wirkungen der Rechtsstellung im Effektengiro sowie für Verfügungen ohne Umbuchung eine engere Verbindung zu dem Recht eines anderen Staates als dem der Urkundenbelegenheit besteht. Dieses andere Land ist nach Muster von § 17 a DepotG der Staat der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers, welche die Wertpapiere faktisch unmittelbar verbucht. Eine von der lex cartae sitae abweichende engere Verbindung für die statischen Fragen gibt mittelbar sogar die Regierungsbegründung zur Einführung der Sonderkollisionsnorm zu erkennen: Aus170 Zur richtlinienkonformen Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht (2004), S. 417 f.; Schmidt-Räntsch, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2010), § 23 Rdnr. 86 f. Gestützt auf Art. 36 EGBGB a. F. analog für einen entsprechenden Rückgriff auf allgemeine Normen Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft (1999), S. 399. Allgemein zur Berücksichtigung europäischer Wertungen in nationalen Generalklauseln W.-H. Roth, in: Canaris u. a. (Hrsg.), FS BGH (2000), S. 847, 886 f. 171 Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 71; Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht (2004), S. 418. 172 Canaris, in: Koziol/Rummel (Hrsg.), FS Bydlinski (2002), S. 47, 71. 173 Kropholler, IPR (2006), § 4 II 2 c) (S. 28); s. a von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 60 Rdnr. 54. 174 Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drucks. 14/343 vom 1.2.1999, S. 14 f.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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drücklich wird die Formulierung des Anknüpfungsgegenstandes in der Finalitätsrichtlinie in Bezug genommen; aus den Erwägungsgründen des Rechtsaktes wird gar die „Gültigkeit und Verwertbarkeit“ der Sicherheit als das Objekt der Anknüpfung zitiert.175 Wenn diese Fragen aufgrund des zu eng geratenen Wortlauts von § 17 a DepotG mit seiner Fokussierung auf „Verfügungen“ nicht direkt dem Recht des Staates der Kontobelegenheit unterworfen werden können, so ist die engere Verbindung wenigstens über die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB zu realisieren. Um nicht die vom Gesetzgeber gewollte allgemeine Geltung des neuen Verweisungsmoments zu gefährden, sollte der Schritt über den Rahmen von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie hinaus vorgenommen werden. Dennoch stellt sich Art. 46 EGBGB als begrenzte Lösung dar. Es handelt sich nicht um eine allgemeine Ausweichklausel für alle Regelanknüpfungen, sondern nur um eine Vorschrift des internationalen Sachenrechts. Für obligatorische Positionen des Effektengiros muss nach anderen Wegen gesucht werden, eine Anknüpfung nach Maßgabe von PRIMA zu verwirklichen. Insofern ist bereits festgestellt worden, dass sich im Rahmen der objektiven schuldrechtlichen Anknüpfung durchaus ähnliche Ergebnisse wie zur Verweisung des § 17 a DepotG ergeben können. Da allerdings die objektive Anknüpfung nach Art. 4 Rom I-VO explizit nur subsidiär zur Parteiautonomie nach Art. 3 Rom I-VO eingreift, kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass für die schuldrechtliche Position des Effektengiros eine vom Ergebnis der PRIMA-Anknüpfung abweichende Rechtsordnung gewählt wird. 2.
Effektengiro als unkodifizierter Bereich des Kollisionsrechts
Eine Korrektur könnte daher auch grundlegender ansetzen, indem der Effektengiroverkehr als ein autonomer ungeschriebener Bereich des nationalen Kollisionsrechts angesehen wird.176 § 17 a DepotG hätte in der Folge bei enger Auslegung des Anknüpfungsgegenstandes nur zur Teilkodifizierung des Sonderstatuts geführt. Außerhalb der speziellen Kollisionsnorm könnte für die dem Kontext des Effektengiros zuzuordnenden Gegenstände nunmehr gerade nicht mehr auf die allgemeinen geschriebenen Kollisionsnormen zurückgegriffen werden. Die Fragen müssten vielmehr entsprechend der sonstigen ungeregelten Bereiche des nationalen IPR behandelt werden: Dem Richter obliegt in einem solchen Fall, die Lücke nach Analyse der maßgeblichen Rechtsanwendungsinteressen im Wege der Rechts175
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 15. 176 Überlegungen in diese Richtung bei MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 214.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
fortbildung zu schließen.177 Als Richtschnur könnte dann der Grundsatz von PRIMA in der Ausprägung des § 17 a DepotG dienen, um zu einer einheitlichen Anknüpfung aller Anknüpfungsgegenstände unter Einschluss der schuldrechtlichen Depotkonstruktionen zu gelangen. Eine solche Lösung sieht sich freilich gewissen Zweifeln ausgesetzt: Die Regierungsbegründung zur Kodifizierung des bislang ungeschriebenen internationalen Sachenrechts im Jahr 1999 verzichtete zwar ausdrücklich auf eine Sondervorschrift zu Wertpapieren, verwies wie bereits erwähnt aber auch für diesen Bereich auf die gesetzlich verankerte Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB, sofern sich eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem nach allgemeiner Anknüpfung maßgeblichen feststellen lässt.178 Unbeschadet der bald nachfolgenden Einführung der Sondervorschrift des § 17 a DepotG sollte daher nach dem Willen des Gesetzgebers bereits die Normierung der Artt. 43 ff. EGBGB auch das Wertpapierkollisionsrecht umfassen. Die Unterstellung, ein Teilbereich hieraus habe von vornherein nicht an der Kodifizierung teilgehabt, steht im Widerspruch zu dieser historischen Intention der Legislative.179 3.
Analogie zu § 17 a DepotG
Als dritte Option verbleibt daher schließlich noch die Analogie zu § 17 a DepotG.180 Relevant wird diese methodische Lösung für die schuldrechtlichen Konstruktionen, in denen die Korrekturmöglichkeit des Art. 46 EGBGB nicht zur Verfügung steht. Wie zur grundsätzlichen Berücksichtigung der obligatorischen WR-Gutschrift ausgeführt, kann keine bewusste Umsetzungsverweigerung des nationalen Gesetzgebers entgegengehalten werden. Vielmehr hat er sich mit unterschiedlichen materiellrechtlichen Konstruktionen auseinandergesetzt und nur aufgrund fälschlicher Einschätzung der europäischen Vorgaben eine Einbeziehung abgelehnt. Wenn durch richtlinienkonforme Auslegung im engeren Sinne die innerhalb des Wortlauts liegenden Fragen den schuldrechtlichen Rechtsstellungen geöff177
Zur Rolle des rechtsfortbildenden Richters in den gesetzlich nicht geregelten Bereichen des nationalen IPR MünchKommBGB-Sonnenberger, Bd. 10 (2010), Einleitung IPR Rdnr. 98. 178 Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drucks. 14/343 vom 1.2.1999, S. 14 f. 179 Kritisch zu diesem Ansatz auch Hennrich, Aktienverpfändung im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr (2011), S. 58. 180 Für eine analoge Anwendung des § 17 a DepotG auf Verfügungen ohne Buchung Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 103; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 117; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 144 f.; Scherer-Dittrich, DepotG (2012), § 17 a Rdnr. 64 Diese Stellungnahmen lassen allerdings nicht das Verhältnis zur sachenrechtlichen Ausweichklausel in Art. 46 EGBGB erkennen.
§ 7 Grundlagen und Anwendungsbereich von § 17 a DepotG
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net werden, so bedarf es der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung für die Fragen jenseits des zu engen Wortlauts. Normhierarchische Spannungen mit der Rom I-VO ergeben sich allerdings auch für die analoge Anwendung des § 17 a DepotG. Zunächst ist wieder festzuhalten, dass der in Art. 23 Rom I-VO gewährte Vorrang für Gemeinschaftsrechtsakte mit speziellen schuldrechtlichen Anknüpfungen im Fall von Richtlinien den nationalen Umsetzungsnormen zukommen muss, da nur diese unmittelbar anwendbar sind.181 Erweiternd muss dies auch für eine nationale richtlinienkonforme Rechtsfortbildung gelten, die letztlich auch nur dem Inhalt des Unionsrechtsakts zur unmittelbaren Anwendbarkeit verhilft. Hingegen kann eine autonome Analogie zu einer nationalen Verweisungsvorschrift die höherrangige europäische Verordnung nicht verdrängen. Der Lückenschluss für schuldrechtliche Depotkonstruktionen über eine entsprechende Anwendung von § 17 a DepotG ist daher nur im Rahmen der verschiedenen Limitierungen der Richtlinien möglich. Zu erwägen ist allenfalls wieder, ob nicht der effet utile der Richtlinienbestimmungen gebietet, dass die Rom I-VO gegenüber einer einheitlichen Anwendung von PRIMA im Effektengiro zurücktritt – ein methodisch unsicherer Weg. 4.
Gesamtbetrachtung zu den Erweiterungen von § 17 a DepotG
Zusammenfassend stehen damit zwei Wege zur Vervollständigung des Anknüpfungsgegenstands von § 17 a DepotG zur Verfügung: gesetzlich verankert die sachenrechtliche Ausweichklausel sowie – ergänzend – die rechtsfortbildende Analogie. Auch wenn sie einer einheitlicheren Anknüpfung inhaltlich zusammenhängender Fragen dienen, führen die korrigierenden Eingriffe doch zu einem Geflecht unterschiedlicher Rechtsgrundlagen: Je nach konkreter Fragestellung und Konstruktion des betreffenden Depotsystems kann der Grundsatz von PRIMA im deutschen Kollisionsrecht unmittelbar über den (richtlinienkonform weit auszulegenden) § 17 a DepotG, über Art. 46 EGBGB oder über die entsprechende Anwendung des § 17 a DepotG zur Geltung kommen. Die Abrundung gelingt darüber hinaus nicht vollständig. Im schuldrechtlichen Effektengiro ist einer von PRIMA abweichenden Rechtswahl nach der Rom I-VO außerhalb des Bereichs der Richtlinien mit Mitteln des nationalen Rechts nicht beizukommen; die oben mit dem europarechtlichen Effet-utile-Grundsatz begründete Korrektur steht auf tönernen Füßen. Zufrieden stellen kann ein derartig unübersichtliches Kollisionsrechtsregime für den Effektengiroverkehr nicht. Verantwortlich ist zum einen die zu eng geratene Umsetzung des deutschen Gesetzgebers im Depotgesetz, welche sich auf Verfügungen 181
Vgl. Leible/Lehmann, RIW 2008, S. 528, 531.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
fokussiert, die zudem noch mit einer Umbuchung zugunsten des Empfängers einhergehen müssen. Zum anderen liegen die Probleme aber auch in der Vielschichtigkeit des Kollisionsrechts in der EU und ihren Mitgliedstaaten begründet, die in Randbereichen eine einheitliche Behandlung auf nationaler Ebene erschwert. Besonders nachteilig ist, dass die Neutralität der Anknüpfung gegenüber der materiellrechtlichen Ausgestaltung des Effektengiros nicht zu verwirklichen ist. Auch wenn § 17 a DepotG auf schuldrechtliche Positionen für verbuchte Verfügungen direkte, für sonstige Fragen des Depotstatuts analoge Anwendung findet, müssen hier anders als für sachenrechtliche Titel eventuell zusätzlich die Limitierungen von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie berücksichtigt werden. Für die Praxis kommt daher noch nicht einmal die „Lösung“ in Betracht, die methodischen Grundlagen der erweiternden mittelbaren Anwendung des Verweisungsmoments aus § 17 a DepotG schlicht offen zu lassen, um nicht zwischen Sachen- und Schuldrecht unterscheiden zu müssen.
§8
Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG
Für seinen Anknüpfungsgegenstand verweist § 17 a DepotG auf das Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Hauptoder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt. Das Anknüpfungsmoment ist demnach je nach Konstruktion des Verwahrsystems über ein zentrales Register oder über ein gestuftes Kontensystem gespalten. A. Staat der Aufsicht über das Register Hinsichtlich der Wertpapierverwahr- und -liefersysteme, die auf einem zentralen Register aufbauen, bestimmt die Kollisionsnorm das maßgebliche Land anhand des Kriteriums der staatlichen Aufsicht über das Register. Demnach verhält sich das internationale Privatrecht an dieser Stelle akzessorisch zu den territorialen Zuständigkeitsregeln für hoheitliche Tätigkeit. Was zunächst verwunderlich erscheinen mag, erklärt sich durch einen Blick auf die europäischen Vorgaben: Die Sonderkollisionsregeln in der Finalitäts- und später auch der Finanzsicherheitenrichtlinie sind eine Konkretisierung der Belegenheit des Registers schuldig geblieben, so dass sich der nationale Umsetzungsgesetzgeber selbst ein maßgebliches Merkmal suchen musste. Er wählte die gleichlautende Vorgängerregelung zu Art. 14 EuInsVO in dem nicht in Kraft getretenen Europäischen Insolvenzübereinkommen1 zum Vorbild, die ein Register für Wertpapiere anhand des öffentlich-rechtlichen Aufsichtskriteriums verortete.2 Wie im europäischen internationalen Insolvenzrecht steht hinter der Wahl des Anknüpfungspunktes von § 17 a DepotG die Erwartung, dass die Regeln über die staatliche Zuständigkeit auch für Zwecke der zivilrechtlichen Anknüpfung zu eindeutigen Ergebnissen führen. Und ebenfalls wie beim Vorbild bedarf das gewählte Kriterium im Hinblick auf unterschiedliche Modelle der hoheitlichen Überwachung gleichwohl einer gewissen Spezifizierung. Zu berücksichtigen ist, dass nicht notwendigerweise das 1 Text des Übereinkommens abgedruckt in Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997), S. 3; s. a. Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rdnr. 140 ff., abgedruckt im selben Werk, S. 32. 2 Die Regierungsbegründung verweist ausdrücklich auf dieses Vorbild, s. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Register als Einrichtung oder die Registerführung als Tätigkeit, sondern möglicherweise nur der Registerbetreiber als Kreditinstitut überwacht wird.3 Die erste Alternative des Anknüpfungsmoments von § 17 a DepotG ist folglich dahingehend zu präzisieren, dass bei einer Registerkonstruktion des Effektengiros derjenige Staat maßgeblich ist, unter dessen Aufsicht entweder das Register selbst oder, falls keine gesonderte Aufsicht über Register oder Registerführung existieren sollte, der Betreiber des Registers steht. Wiederum parallel zu den Erwägungen bei den europäischen Sonderanknüpfungen des Insolvenzrechts könnte sich darüber hinaus im Rahmen des § 17 a DepotG das Zusammenspiel von kollisionsrechtlicher Anknüpfung an die staatliche Aufsicht und aufsichtsrechtlichem Herkunftslandprinzip in Europa als problematisch erweisen. Die kollisionsrechtlich engsten Verbindungen bestehen zum Sachen- bzw. Schuldrecht des faktischen Ortes der Registerführung, so dass ein Verweis des § 17 a DepotG auf Zulassung und Aufsicht durch einen etwaigen ausländischen Heimatstaat des Registerbetreibers unbefriedigend wirken würde. Dargelegt wurde jedoch bereits,4 dass bei den zentralen Wertpapierregistern die regulatorischen Vorgaben der Finalitätsrichtlinie ein derartiges Ergebnis verhindern. Die Richtlinie sieht eine fakultative gesonderte Beaufsichtigung oder Genehmigungspflicht, darüber hinaus jedenfalls die Notifizierung des Wertpapierliefersystems durch den Staat vor, dessen Rechtsordnung das System unterliegt. Ein zentrales Wertpapierregister in einem europäischen Staat dürfte aber stets zugleich auch ein System im Sinne der Finalitätsrichtlinie sein. Über die Notifizierungspflicht wird daher eine Möglichkeit eröffnet, die Anknüpfung an den ausländischen Herkunftsstaat des Registerbetreibers zu vermeiden: Staat der Aufsicht über das Register im Sinne von § 17 a DepotG ist im europäischen Kontext derjenige Staat, der das Register als System im Sinne der Finalitätsrichtlinie überwacht oder, falls es keiner speziellen Aufsicht unterliegt, zumindest gegenüber Kommission bzw. ESMA notifiziert hat. Abschließend ist auch für die nationale Verwendung des Aufsichtskriteriums auf mögliche Implikationen der Verlagerung der Aufsicht auf die supranationale Ebene hinzuweisen.5 Wenn etwa grenzüberschreitend tätige Registerbetreiber der unmittelbaren Aufsicht durch zentrale europäische Behörden unterliegen, so zielt das Verweisungsmoment von § 17 a DepotG auf keine nationale Rechtsordnung.
3 4 5
Vgl. hierzu bereits oben bei § 5 B. II. 1. b). Oben § 5 B. II. 1. c) aa). Für das Aufsichtskriterium in den Richtlinien s. oben § 5 B. II. 1 d).
§ 8 Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG
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B. Staat der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle Bei Depotkonstruktionen, die wie die deutsche Girosammelverwahrung über mehrere Ebenen von Wertpapierkonten gebildet werden, stand der Umsetzungsgesetzgeber ebenfalls vor der Aufgabe, die Konten anhand eines bestimmten Merkmals einem Staat zuzuordnen. Anders als für Register hat er für diese Alternative jedoch nicht auf das Kriterium der staatlichen Aufsicht, sondern des Ortes der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers zurückgegriffen. Ein Motiv für die Divergenz gibt die Regierungsbegründung nicht zu erkennen. Zum Vergleich haben die späteren Sanierungs- und Liquidationsrichtlinien das Aufsichtskriterium gerade auch auf Wertpapiere ausgedehnt, die auf Konten verbucht sind. Für eine differenzierte Behandlung ließe sich allerdings anführen, dass das bankaufsichtsrechtliche Herkunftslandprinzip im europäischen Wirtschaftsraum für Depotkonten stärkere Auswirkungen haben dürfte als für zentrale Register. Im Rahmen eines Systems gestufter Wertpapierkonten in einem europäischen Staat ist die Beaufsichtigung einzelner dort tätiger Depotbanken durch ihren ausländischen Heimatstaat in der EU oder dem übrigen EWR nicht unwahrscheinlich. Gleichzeitig ist die Notifizierungspflicht der Finalitätsrichtlinie allein auf die Spitze der Verwahrpyramide beschränkt, so dass sie für die niedrigstufigeren Konten keine Möglichkeit zur Korrektur in Richtung auf den Aufnahmestaat bietet. Demgegenüber kann mit dem vom nationalen Gesetzgeber gewählten Kriterium der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle auf ein Land verwiesen werden, welches eher als Ort der faktischen Kontoführung anzusehen ist. Zur genaueren Bestimmung letzteren Ortes hat sich der Gesetzgeber explizit gegen das Kriterium des Sitzes des Verwahrers entschieden.6 Dementsprechend ist für die Anknüpfung das Zentrum der Gesellschaft, definiert entweder materiell durch den tatsächlichen Verwaltungssitz oder formell durch den Satzungssitz, nicht entscheidend. Zugleich hat er auch den Begriff der „Niederlassung“ verworfen, da ihm dieser als „zu eng“ erschien, um alle kontoführenden Stellen im In- und Ausland zu erfassen.7 Statt der allgemeinen Bezeichnung8 bediente er sich des Begriffspaares von Haupt- und Zweigstelle, das bereits in der Regelung des Depotgesetzes 6
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 7 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 8 Vgl. den Überblick zum Begriff der „Niederlassung“ bei MünchKommAktGAltmeppen/Ego, Bd. 7 (2012), Rdnr. 27 ff.; speziell zur uneinheitlichen Verwendung der Begriffe „Zweigstelle“ und „Zweigniederlassung“ im KWG Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, Kreditwesengesetz (2012), § 53 Rdnr. 10.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
zur Drittverwahrung auftaucht. Der Vergleich zu dieser materiellen Bestimmung legt nahe, dass die maßgebliche Filiale keine besonderen Qualifikationen erfüllen muss und insbesondere keiner rechtlichen Selbstständigkeit bedarf: Nach § 3 Abs. 2 S. 2 DepotG gelten Zweigstellen eines Verwahrers für Zwecke der Drittverwahrung als verschiedene Verwahrer. Einer Depotbank gibt dies die Möglichkeit, Verwahrgeschäft unter ihren einzelnen Niederlassungen so zu gestalten, als ob es sich jeweils um rechtlich eigenständige Verwahrer handelt (Hausdrittverwahrung).9 Über diese Fiktion hinaus wird der Zweigstelle aber keine von der Hauptstelle verschiedene Rechtspersönlichkeit verliehen, so dass ihr im Ergebnis keine (partielle) Rechtsfähigkeit zukommt.10 Wenn also schon im materiellen Depotrecht mit dem Begriff der Zweigstelle verschiedene organisatorische Strukturen eines Unternehmens berücksichtigt werden, so sollte im Kollisionsrecht ebenfalls eine weitgreifende Interpretation zugrunde liegen. Heranzuziehen ist auch eine rechtlich unselbstständige Filiale des Intermediärs in einem Land, sofern jene nur eine sachlich und personell eigenständige Organisation vorweist, in deren Rahmen sie das betreffende Depotkonto führt. Insgesamt sollte Leitbild für das Anknüpfungsmoment sein, möglichst konkret und unmittelbar die in Bezug auf das fragliche Depotkonto handelnde Stelle des Intermediärs zu bestimmen. Anders als die Bestimmungen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie bietet § 17 a DepotG damit gewisse Anhaltspunkte für die objektive Lokalisierung von Konto bzw. Kontoführung. Aber auch die Betrachtung der konkret handelnden Filiale der Depotbank kann sich als lediglich erster Schritt entpuppen, wenn die Tätigkeiten in Bezug auf das Konto über mehrere Länder verteilt sind. Wie ausgeführt ist es für grenzüberschreitend tätige Depotbanken nicht unüblich, einzelne Elemente der Kontoführung an bestimmten Standorten zu konzentrieren. Für eine Auswahl unter mehreren involvierten Stellen in unterschiedlichen Staaten kommt der Anwender der nationalen Kollisionsnorm dann nicht um die zu den Richtlinien geschilderte Gesamtbetrachtung der Umstände herum. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können neben faktischen auch rechtliche Aspekte wie das für Register gewählte Aufsichtskriterium Berücksichti9 Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 3 Rdnr. 19. Besondere Anforderungen etwa an eine räumliche Trennung sind nicht zu stellen; eine Zweigstelle im Sinne der Vorschrift kann am selben Ort wie die Hauptstelle oder eine andere Zweigstelle tätig sein, s. Heinsius/Horn/Than a. a. O. 10 Es gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsperson des Verwahrers, vgl. Decker/Kümpel, Das Depotgeschäft (2007), Rdnr. 8/13. Nach Heinsius/Horn/Than, Depotgesetz (1975), § 3 Rdnr. 19, soll der depotrechtliche Begriff der „Zweigstelle“ umfassender sein als der handelsrechtliche Terminus der „Zweigniederlassung“ in § 13 HGB; zu letzterem etwa Koller/Roth/Morck-W.-H. Roth, HGB (2011), § 13 Rdnr. 6.
§ 8 Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG
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gung finden.11 Die Regierungsbegründung nennt als mögliches Indiz zur Bestimmung der kontoführenden Stelle, dass ein bestimmtes Büro die Depotverwahrerklärung oder die Depotauszüge in eigenem Namen gegenüber den Depotkunden abgibt.12 C. Eintragung oder Gutschrift zugunsten des Verfügungsempfängers Die Schlüsselfrage des PRIMA-Konzepts, die Auswahl unter mehrereren involvierten Intermediären, stellt sich für das Verfügungsmoment von § 17 a DepotG mit aller Schärfe: Anders als der originäre Kern der Finalitätsrichtlinie bleibt die nationale Umsetzung nicht auf die Spitze der Verwahrpyramide beschränkt, sondern berücksichtigt auch Kontoinhaber auf niedrigeren Stufen. Zugleich ist sie im Gegensatz zur späteren Finanzsicherheitenrichtlinie nicht auf den Kontext des Sicherungsgeschäfts mit persönlich bekannten Parteien reduziert. Auch die Massentransaktionen des anonymen Kapitalmarkts, die über intransparente Übertragungswege abgewickelt werden, unterfallen auf diese Weise der Kollisionsnorm. I.
Maßgeblichkeit des Verfügungsempfängers
Als Antwort auf die mehrstufige Intermediatisierung verweist sowohl die erste wie auch die zweite Alternative des Anknüpfungsmomentes auf die Eintragung oder Gutschrift zugunsten des Empfängers der Verfügung. Für die in ein zentrales Register eingetragenen Wertpapiere erscheint die Wahl wenig bedeutsam. Letztlich ist das zentrale öffentliche Buch auf Seiten des Verfügenden wie auch des Verfügungsempfängers für Übertragungsvorgänge oder sonstige Einwirkungen auf die Titel maßgeblich.13 Hingegen birgt die Anknüpfung an die Gutschrift zugunsten des Empfängers für die auf einem Konto verbuchten Wertpapiere eine gewichtige Entscheidung in sich. Eine typische Transaktion involviert sowohl Abbuchungen über mehrere Kontostufen auf Seiten des Verfügenden als auch Gutschriften über verschiedene Ebenen auf Seiten des Verfügungsempfängers. Die nationale Kollisionsnorm erklärt aus dieser Vielzahl beteiligter Depotkonten das letzte Glied der Übertragungskette vor dem Empfänger zum entscheidenden Schritt. Nach hier vertretener Ansicht ist diese Entscheidung bereits durch die Kollisionsnormen des Unionsrechts vorgegeben. In der Finalitätsrichtlinie 11
Vgl. zu dieser Gesamtbetrachtung in Bezug auf die Finalitätsrichtlinie oben § 3 C. I. 3. b). 12 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 13 Zur direkten Beziehung zwischen Anleger und Register Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 103.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
legt die Anknüpfung der Rechte des Sicherungsnehmers an die Buchung zu seinen Gunsten nahe, dass das von jener Gutschrift betroffene Konto auch im Rahmen einer erweiternden Umsetzung maßgeblich ist. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die spätere Finanzsicherheitenrichtlinie, die sich ausdrücklich als bloße Ausdehnung des kollisionsrechtlichen Grundsatzes ihres Vorgängers versteht und für Sicherheitsrechte und ihre Bestellung allein auf die maßgebliche Buchung abstellt, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt.14 Die Regierungsbegründung sah sich hingegen wohl in ihrer Auswahl des maßgeblichen Kontos frei und entschied sich mit autonomer Begründung zugunsten des Kontos des Verfügungsempfängers.15 Zur Gänze vermag ihre Herleitung freilich nicht zu überzeugen. So wird als erstes Argument für die Empfängerseite auf das Problem der Verfügung über ein heterogenes Depot verwiesen, also eines Wertpapierkontos mit Titeln, deren zugrundeliegende Urkunden bei Zentralverwahrern in verschiedenen Staaten lagern. Um nicht die sachenrechtlichen Verfügungserfordernisse mehrerer Rechtsordnungen auf einen einheitlichen Übertragungsvorgang anwenden zu müssen, hält die Begründung die Anknüpfung an das Rechts des Empfängers für erforderlich.16 Es drängt sich jedoch geradezu die Entgegnung auf, dass auch bei der spiegelbildlichen Anknüpfung an das unmittelbare Konto des Verfügenden nur eine einzige Rechtsordnung maßgeblich wäre.17 Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der Verweis auf das Problem der heterogenen Depots als ein Argument gegen die überkommene Anknüpfung an die lex cartae sitae, allein nach der es zur Anwendung verschiedener Rechtsordnungen für die Verfügung über ein einheitliches Wertpapierdepot kommen könnte. Für die hier in Frage stehende Entscheidung insbesondere zwischen der Seite des Absenders oder des Empfängers geht die erste Begründungslinie schlicht an der Sache vorbei. Etwas stichhaltiger wirkt als weiteres Argument die Parallele zu den Verfügungen über Sachen auf dem Transport, den so genannten res in
14
II. 1.
Art. 2 Abs. 1 lit. h) Finanzsicherheitenrichtlinie. Ausführlicher hierzu oben § 4 C.
15 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. Auch in der Literatur wurde die Entscheidung trotz der Finalitätsrichtlinie z. T. für offen gehalten, s. Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 104; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 149. 16 S. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 17 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 248 Fn. 458, hält diese Begründungslinie dementsprechend für ein „Redaktionsversehen“.
§ 8 Anknüpfungsmoment des § 17 a DepotG
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transitu.18 Überwiegend wird für diese nicht auf das Recht des Absendeortes, sondern auf das des Bestimmungsortes abgestellt. Nach vorherrschender Ansicht ist für die res in transitu eine im Sinne der Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB wesentlich engere Verbindung mit dem Recht des künftigen Bestimmungsstaates anzunehmen als mit dem Recht des Transitlandes, in dem sich die Sache gegenwärtig zufällig befindet.19 Zuzustimmen ist der Regierungsbegründung darin, dass die Maßgeblichkeit des Verfügungsempfängers bei § 17 a DepotG der zukunftsgerichteten Anknüpfung bei der Behandlung von Verfügungen über res in transitu entspricht. Dem Vergleich steht nicht entgegen, dass bei buchmäßigen Verfügungen die Wertpapiere nicht körperlich bewegt und damit auch nicht die für res in transitu typische physische Transportsituation vorliegt.20 Das Argument der Regierungsbegründung ist schließlich nur eine Parallele zu dem sachenrechtlichen Problem; die Umbuchungen können in ihrer Bedeutung für die am Effektengiro teilnehmenden Kontopositionen durchaus mit dem körperlichen Ortswechsel für Mobilien verglichen werden. An Überzeugungskraft verliert das zweite Argument der Regierungsbegründung gleichwohl dann, wenn neben sachenrechtlichen Depotkonstruktionen auch andere Ausprägungen des Effektengiros berücksichtigt werden. Offenbar geht die Regierungsbegründung als tertium comparationis des Vergleichs davon aus, dass bei intermediatisierten Wertpapieren ebenso wie bei Gütern auf dem Transport über einen einheitlichen Gegenstand verfügt wird. Anders ausgedrückt wird unterstellt, dass letztlich Identität zwischen der ursprünglichen und der erworbenen Rechtsposition herrscht, da derselbe zugrundeliegende Gegenstand vom Verfügenden zum Empfänger „wandert“. Wie dargelegt ist bei schuldrechtlicher Konstruktion aber gerade von einem originären Erwerb des Empfängers auszugehen, so dass sich keine Identität zwischen erworbener und verlorener Position ergibt. Die Entscheidung zugunsten des Verfügungsempfängers trägt der Vergleich daher nur aus der Perspektive einer sachenrechtlichen Konstruktion des Effektengiros.21
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 19 Kropholler, IPR (2006), § 54 IV (S. 564 f.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 12 Rdnr. 39, m. w. N. zum Streitstand. 20 So aber Schefold, IPRax 2000, S. 468, 476; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 180; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 123. 21 Dementsprechend gibt es im Fall der originären Neubegründung auch keinen „Verfügungsempfänger“ im Sinne des materiellen deutschen Rechts, vgl. MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200. Wie bereits ausgeführt,
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Trotz der Schwächen seiner autonomen Herleitung hat der nationale Umsetzungsgesetzgeber letztlich aber die Antwort auf die Schlüsselfrage von PRIMA gegeben, die für Sicherheiten bereits heteronom die Richtlinien von ihm verlangen: Maßgeblich ist der Intermediär, der dem Verfügungsempfänger die Gutschrift erteilt. Für die Regierungsbegründung stand nur die Entscheidung zwischen Verfügendem und Verfügungsempfänger im Vordergrund,22 konkludent hat sie aber auch alle anderen Beteiligten an der Übertragungskette für die Anknüpfung ausgeschlossen. Die Antwort auf die Schlüsselfrage von PRIMA fällt daher einheitlich aus: Der Intermediär des Verfügungsempfängers ist für alle Beteiligten und für alle Fragen der Verfügung maßgeblich. II. Abwendung eines Zirkelschlusses Zur Kennzeichnung der entscheidenden Eintragung bzw. Verbuchung hat der Umsetzungsgesetzgeber das Attribut „rechtsbegründend“ aus der Finalitätsrichtlinie übernommen. Dies hat auch § 17 a DepotG dem Vorwurf Einseles ausgesetzt, bei der Anknüpfung einen Zirkelschluss zugrunde zu legen:23 Für das Anknüpfungsmoment werde mit dem Element der „rechtsbegründenden“ Eintragung bzw. Gutschrift eine Rechtsfrage herangezogen, die doch erst die anhand dieses Moments zu bestimmende Rechtsordnung regele; das Anknüpfungsmoment und die zu regelnde Rechtsfrage seien also weitgehend identisch.24 Ebenso wie hinsichtlich des Merkmals der Finalitätsrichtlinie, dass der maßgeblichen Verbuchung rechtsbegründende Wirkung zukommen muss,25 und des entsprechenden Kriteriums der Finanzsicherheitenrichtlinie, dass der Sicherungsnehmer die Sicherheit durch die Buchung auf dem maßgeblichen Konto erlangt,26 verfängt die Kritik jedoch auch hinsichtlich der nationalen Transformation nicht.
zwingt dies zu einem kollisionsrechtlich autonomen Begriffsverständnis der erfassten „Verfügungen“, um den Anknüpfungsgegenstand nicht zu sehr zu beschränken. 22 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 23 Einsele, WM 2001, S. 2415, 2421; dies., WM 2003, S. 2349, 2354; dies., WM 2005, S. 1109, 1111 f.; dies., Unif. L. Rev. 2005, S. 251, 254; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement (2006), S. 3, 12 f.; MünchKommHGBdies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 91; dies., ZHR Bd. 177 (2013), S. 50, 61. Ebenso Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2013), Kapitel 38 Rdnr. 53.; eine gewisse Zirkularität sieht auch MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 247. 24 MünchKommHGB-Einsele, Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200. 25 S. oben § 3 C. II. 3. b). 26 S. oben § 4 C. II. 3.
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Wiederum ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich um die Ausprägung eines allgemeinen Problems des Kollisionsrechts handelt: Das Verweisungsmoment einer IPR-Norm darf nicht in Anwendung der von ihm berufenen Rechtsordnung interpretiert werden, weil letztere nicht zugleich Ergebnis und Voraussetzung der kollisionsrechtlichen Prüfung sein kann.27 Im angeführten Beispiel der Wirksamkeit einer schuldvertraglichen Rechtswahl28 wird diesen zirkulären Zügen dadurch begegnet, dass das Verweisungsmoment faktisch verstanden wird. Dass gerade auch das Attribut „rechtsbegründend“ in § 17 a DepotG einer entsprechenden tatsächlichen Lesart bedarf, lässt sich wie bei den zugrundeliegenden Richtlinien aus der Norm heraus begründen. Dem Merkmal kommt eine doppelte Funktion zu:29 Zunächst dient es im Rahmen des Anküpfungsgegenstands der Charakterisierung der erfassten Verfügungen über Wertpapiere, um die Verweisung auf den Effektengiroverkehr zu beschränken.30 Sodann konkretisiert das Kriterium im Rahmen des Anknüpfungsmoments die maßgebliche Eintragung oder Gutschrift.31 Anders als in der Vorlage der Finalitätsrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber die Doppelfunktion dadurch verdeutlicht, dass er den Terminus für beide Fragen gesondert an insgesamt drei Stellen wiederholt. Für die erste Rolle des Merkmals ist bereits eine weite Interpretation unter Berücksichtigung der europäischen Vorgaben, aber auch der nationalen Methodik abgeleitet worden.32 Rechtskonstruktionen des Effektengiros, nach denen die Rechtsbegründung nur faktisch mit der deklaratorischen Gutschrift einhergeht, sind demnach ebenfalls vom Anknüpfungsgegenstand abgedeckt. Für die erneute Verwendung desselben Begriffs im Rahmen des Verweisungsmoments ist nicht von diesem faktischen Verständnis abzuweichen: Zu suchen ist die Eintragung bzw. Gutschrift, die die Rechtsstellung des Verfügungsempfängers rein 27 Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 125; dort auch weitere Beispiele zur Problematik; s. a. Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 319. 28 S. oben § 3 C. II. 3 b). 29 Zur Doppelfunktion der Wendung „rechtsbegründend“ in § 17 a DepotG Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.32 ff. 30 Wörtlich: „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden“ (Hervorhebung durch Verf.). 31 Wörtlich: „Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt“ (Hervorhebungen durch Verf.). 32 Oben § 7 B. II. 3. b).
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tatsächlich dokumentiert.33 Das Attribut „rechtsbegründend“ ist demnach kein Verweis auf den materiellrechtlichen Erwerb des Empfängers, sondern deskriptive Umschreibung der Gutschrift unmittelbar zugunsten des Empfängers. Ob der Verfügungsempfänger durch die faktische Verbuchung materiellrechtlich etwas erlangt, bleibt der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung überlassen, spielt für den Vorgang der Anknüpfung aber keine Rolle. Konsequenterweise führt diese Abkoppelung vom materiellen Recht auch bei der nationalen Umsetzungsnorm zu einer Fokussierung auf die letzte Kontostufe vor dem Verfügungsempfänger. Die entscheidende materiellrechtliche Bedeutung vorgelagerter Intermediäre, insbesondere des Zentralverwahrers, oder der Durchgangserwerb zwischengeschalteter Depotbanken34 in den unterschiedlichen Rechtsordnungen darf keinen Einfluss auf eine sachrechtsneutrale Kollisionsnorm haben, soll nicht erneut der logische Zirkel Einseles geschlagen werden. Nur das unmittelbar den Empfänger ausweisende Konto als letztes Glied der Übertragungskette ist für die Anknüpfung relevant.35 Stützen lässt sich dies auch auf die Regierungsbegründung, die zum Vergleich auf die Anknüpfung an den Bestimmungsort für die res in transitu hinweist.36 Bei intermediatisierten Wertpapieren kommt jenem körperlichen Lageort das letzte Glied der Übertragungskette am nächsten. Zudem mag man im Normtext von § 17 a DepotG einen gewissen Anklang der Entscheidung zugunsten der letzten Stufe darin sehen, dass auf das Register abgestellt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird. Für die andere Anknüpfungsalternative, die rechtsbegründende Gutschrift des kontoführenden Verwahrers, fehlt zwar der Un33 Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.35 Fn. 19; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 135 (Suche nach der „präsumtiv“ rechtsbegründenden Gutschrift); Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 124; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 141 ff. 34 Einsele, WM 2005, S. 1109, 1112; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200, kritisiert das von ihr materiellrechtlich verstandene Verweisungsmoment in § 17 a DepotG auch unter Verweis auf den Durchgangserwerb im USamerikanischen Recht. 35 Für die Gutschrift unmittelbar zugunsten des Empfängers Schefold, IPRax 2000, S. 468, 476; Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.35 Fn. 19; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 104 f.; Haubold, RIW 2005, S. 656, 657; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 143; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 247. Wohl auch Keller, WM 2000, S. 1269, 1281 f.; Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2418. 36 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16.
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mittelbarkeitszusatz.37 Entweder handelt es sich aber um ein Redaktionsversehen oder sogar um ein Signal, dass der Gesetzgeber diese Voraussetzung bei mehrstufigen Kontosystemen für selbstverständlich hielt. III. Ausnahmen von der Anknüpfung an den Empfänger In bestimmten Konstellationen ist allerdings zu erwägen, ob die Entscheidung für die Gutschrift unmmittelbar zugunsten des Empfängers nicht einer gewissen Relativierung bedarf. So weist die Anknüpfung der Verfügung durch § 17 a DepotG den temporalen Aspekt auf, dass zur Beurteilung des Gesamtvorgangs dessen zeitlich letzter Akt herangezogen wird. Hinsichtlich der resultierenden Schwebezeit sind bereits zu Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie zwei Lösungen dargelegt worden: Naheliegend ist zum einen das Vorgehen, bereits vor der letzten Umbuchung die abschließende Gutschrift prädiktiv heranzuziehen. Dies entspricht wohl auch der Absicht der Regierungsbegründung, die im Rahmen des Vergleichs zu res in transitu den zukunftsgerichteten Charakter der Anknüpfung des § 17 a DepotG hervorhebt. Außerdem korrespondiert der Ansatz mit der beabsichtigten einheitlichen Beurteilung der Sicherheitenbestellung in der Finanzsicherheitenrichtlinie. Die nationale Kollisionsnorm erstreckt sich aber gerade auch auf Massengeschäfte, bei denen der Verfügende den Endpunkt der Übertragung zumindest nicht von Anfang an kennt. Dementsprechend ist zum anderen in der Literatur als Gegenmodell vorgeschlagen worden, während der Übertragung auf das Konto des jeweils buchungsmäßig ausgewiesenen Vollrechtsinhabers abzustellen und erst mit abschließender Verbuchung rückwirkend das Konto des endgültigen Verfügungsempfängers heranziehen.38 Für das vorübergehende Abweichen vom endgültigen Erwerber wird angeführt, dass nur mit einer solchen Lösung die Publizität der Anknüpfungsgründe für außenstehende Dritte gewährleistet sei.39 Es handelt sich demnach um einen Versuch, die Probleme des Verweisungsmomentes mit den intransparenten Übertragungswegen der Kapitalmarktpraxis zu bewältigen. Und in der Tat bietet der Ansatz im Zeitraum bis zur letzten Gutschrift eine gewisse Erleichterung für die Beteiligten der Übertragungskette, wenn kollisionsrechtlich nur die aktuell betroffene Stufe berücksichtigt werden muss. Gleichwohl wird die Problematik letztlich nur aufgeschoben, nicht aufgehoben: Nach der abschließenden Gutschrift beansprucht auch nach der zweiten Lösung die Verweisung des § 17 a DepotG auf den Emp37 Entgegen dem Wortlaut von § 17 a DepotG beziehen Haubold, RIW 2005, S. 656, 657, und Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 143, das Merkmal „unmittelbar“ auf die Alternative der Gutschrift auf einem Konto. 38 S. MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 248. 39 MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 248.
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fänger rückwirkend und für alle Betroffenen uneingeschränkte Geltung. Der Erwerber der Wertpapiere muss daher zwar nicht mehr wie nach der ersten Lösung ex ante, wohl aber ex post ermittelt werden. Ob die Korrektur des Verweisungsmoments von § 17 a DepotG nach dem zweiten Ansatz zu rechtfertigen ist, wenn sie die Probleme lediglich zeitlich verlagert, erscheint als zweifelhaft. Eindeutiger sind im Kontext von § 17 a DepotG in anderer Hinsicht Modifikationen des Anknüpfungsmoments zu erkennen. Betroffen sind die Erweiterungen der Sonderanknüpfung für intermediatisierte Wertpapiere, die die systemwidrigen Lücken des Tatbestands von § 17 a DepotG schließen. Hierzu gehören zunächst Inhalt und Rechtswirkungen einer Position des Effektengiros. Wenn das Verweisungsmodell des § 17 a DepotG über die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB oder eine rechtsfortbildende Analogie auch auf diese stationären Rechtsfragen Anwendung findet, so steht für die Anknüpfung gerade kein Konto eines Empfängers zur Verfügung. Es bleibt für die Erweiterung des Ansatzes von § 17 a DepotG gar nichts anderes übrig, als den augenblicklichen Ort der Verbuchung heranzuziehen. Gleiches gilt auch für die weitere zu schließende Lücke, die Verfügungen über Kontopositionen ohne Umbuchung. Wenn man insofern die Sonderanknüpfung des § 17 a DepotG über Art. 46 EGBGB oder eine rechtsfortbildende Analogie abrundet, kann die Anknüpfung auch hier mangels Gutschrift beim Verfügungsempfänger nur auf das Konto des Verfügenden abstellen, das die Wertpapiere nach der Verfügung weiterhin verbucht.40 D. Ungelöste Probleme des Verweisungsmomentes Aus den verschiedenen Fragestellungen der PRIMA-Anknüpfung im europäischen Sekundärrecht hat der nationale Umsetzungsgesetzgeber zumindest das Problem der Lokalisierung der das Effektengiro tragenden Einrichtungen angegangen. Für Register und Konto bietet er insofern mit der staatlichen Aufsicht bzw. der handelnden Haupt- oder Zweigstelle Anhaltspunkte zur Konkretisierung der unbestimmten europäischen Vorgaben. Die übrigen konzeptionellen Defizite der Richtlinienbestimmungen werden aber auch in der nationalen Transformation nicht beseitigt, sondern im Gegenteil durch die Ausweitung der Anknüpfung noch vergrößert.
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I. E. ebenso für derartige Verfügungen, für die allerdings methodisch eine Berücksichtigung über eine bloße Auslegung des § 17 a DepotG unterstellt wird, Schlaegel, Die Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Umsetzung in das deutsche Recht (2008), S. 157; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 247.
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I.
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Rechtssicherheit nur für Erwerber
Dies betrifft vor allem die Auswirkungen der intransparenten Übertragungswege der Kapitalmarktpraxis. § 17 a DepotG geht über den originär nur einstufigen Bereich der Finalitätsrichtlinie hinaus und öffnet sich auf diese Weise mehrstufigen Strukturen. Zugleich spielt für die nationale Vorschrift der mit der Übertragung verfolgte Zweck anders als für die Finanzsicherheitenrichtlinie keine Rolle, so dass auch die Abwicklung des massenhaften Börsenhandels erfasst wird. Die Anonymität der Kapitalmarkttransaktionen41 kommt also im Anwendungsbereich der nationalen Kollisionsnorm uneingeschränkt zum Tragen: Intermediäre auf höheren Stufen, die eine Umbuchung vornehmen, kennen rein faktisch die Parteien des zugrundeliegenden Geschäfts auf niedrigeren Stufen nicht.42 Außerhalb des Kontexts der Sicherheitsbestellung ist selbst dem Veräußerer von Wertpapieren der Erwerber seiner Titel in der Regel unbekannt.43 Die einheitliche Anknüpfung der verschiedenen Umbuchungen an die Gutschrift unmittelbar zugunsten des Empfängers bedeutet vor diesem Hintergrund nichts anderes als die bereits zu Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie festgestellte personell beschränkte Rechtssicherheit. Nur für den Erwerber von Wertpapieren ist ohne weitere Nachforschungen die faktische Grundlage des Verweisungsmomentes von § 17 a DepotG ersichtlich. Für alle anderen Betroffenen der Übertragung gleicht die Anknüpfung an den nicht oder nur mit hohem Aufwand feststellbaren Empfänger eines Titels einem „juristischen Blindflug“.44 Zwar kann dem Erwerber von intermediatisierten Wertpapieren im Allgemeinen – ebenso wie dem Empfänger einer Sicherheit im Speziellen45 – ein größeres Interesse an Rechtssicherheit unterstellt werden als dem Veräußerer; schließlich geht es Ersterem um den Zugewinn, Zweiterem nur um den Verlust einer Rechtsposition.46 Dennoch sind auch andere Perso-
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Zu den Hintergründen oben § 3 C. II. 1. Haubold, RIW 2005, S. 656, 658. 43 Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 123, vgl. a. S. 189; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 151; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 336 ff. 44 So die Charakterisierung des Verweisungsmomentes von § 17 a DepotG durch Einsele, WM 2005, S. 1109, 1112; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200; allerdings bezieht Einsele dies vor allem auf die von ihr materiellrechtlich verstandene Anknüpfung an die „rechtsbegründende“ Gutschrift zugunsten des Verfügungsempfängers. 45 Vgl. hierzu bei der Finalitätsrichtlinie oben § 3 C. II. 3. a). 46 Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 180; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 123; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 151. Vgl. a. Mankowski, in: Reith42
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nen wie beispielsweise Gläubiger des bisherigen Inhabers der Effekten von der Verfügung betroffen, die dann Klarheit über das anzuwendende Recht bedürfen. Zudem ist für die faktisch an der Transaktion mitwirkenden Intermediäre das maßgebliche Statut ebenfalls von Bedeutung, z. B. im Hinblick auf einen eigenen Durchgangserwerb oder den Zugriff von Gläubigern eines Kontoinhabers auf niedrigerer Stufe auf die höhere Stufe. Obwohl der Umsetzungsgesetzgeber mit § 17 a DepotG kollisionsrechtliche Klarheit für die Wirksamkeit von Verfügungen über Wertpapiere schaffen wollte,47 herrscht daher für bestimmte Beteiligte Unklarheit. II. Mehrheit von Empfängern Darüber hinaus verbleiben auch für § 17 a DepotG die zu den Richtlinienbestimmungen erörterten Probleme mit mehreren Empfängern einer Transaktion. So wird es bei der massenhaften Abwicklung von Kapitalmarktgeschäften zu Beginn und in der Mitte des Übertragungsweges sogar regelmäßig zu einer Kumulation von Empfängern in einer einzigen Umbuchung kommen, da sich die Gesamtheit der veräußerten Wertpapiere häufig auf unterschiedliche Empfänger verteilt. Für den Veräußerer einer Mehrzahl von Titeln, aber auch für Intermediäre an der Spitze der Depotpyramide sind dann für einen einheitlichen Kontovorgang kumulativ mehrere Rechtsordnungen maßgeblich. Bemerkenswert ist diese Konsequenz vor allem deshalb, weil der Umsetzungsgesetzgeber gerade die gleichzeitige Anwendbarkeit mehrerer Rechtsordnungen im Rahmen einer Verfügung kritisierte. So verwies die Regierungsbegründung auf das Problem eines heterogenen Wertpapierdepots, welches in verschiedenen Ländern verwahrte Wertpapiere umfasst. Eine Anknüpfung an die unterschiedlichen Sammelverwahrer der in einem solchen Konto zusammengeführten Papiere lehnte sie deshalb ab, weil ansonsten die Verfügungsparteien trotz einheitlichem Übertragungsvorgang die sachenrechtlichen Verfügungserfordernisse mehrerer Rechtsordnungen respektieren müssten.48 Das Verweisungsmoment von § 17 a DepotG erspart dieses Ergebnis bei der Abwicklung von Kapitalmarktgeschäften aber nur einer Seite der Verfügung, dem Empfänger. Noch schwerwiegender ist die Konkurrenz mehrerer Empfänger in Bezug auf denselben Titel. Aufgrund einer Zweitverfügung oder eines technischen Fehlers kann ein Wertpapier faktisch mehreren Verfügungsempfänmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2418, der Rechtsermittlungsvorteile für den Einkaufskommissionär annimmt. 47 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 48 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16.
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gern gutgeschrieben werden. Wenn die materiellen Rechtsordnungen beider Empfängerkonten den jeweiligen Erwerb als wirksam betrachten und zugleich Identität zwischen verlorener und erworbener Rechtsposition unterstellen, so beruft das Verweisungsmoment von § 17 a DepotG gleichberechtigt kollidierende Rechtsordnungen zur Anwendung. Es kommt zu einem Normenwiderspruch in Form der Normenunverträglichkeit,49 der einer Lösung im Wege der Anpassung bedarf. Die Notwendigkeit einer solchen Korrektur beruht bei § 17 a DepotG nicht auf der typischen Problemlage, dass das Kollisionsrecht einen Lebenssachverhalt in Teilfragen aufspaltet und durch deren Einzelanknüpfung ein disharmonisches Gesamtergebnis verursacht.50 Vielmehr vermehrt sich im Rahmen einer einzigen Anknüpfungsnorm die faktische Grundlage für das Verweisungsmoment, so dass mehrere inkompatible Rechtsordnungen involviert werden.51 Zur Lösung ist bereits zu Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie eine Angleichung in Form eines dreistufigen Vorgehens angeregt worden: (1) Auf einer ersten Ebene sind die durch das faktische Verweisungsmoment von § 17 a DepotG gleichberechtigt zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen auf ihr Ergebnis hin zu untersuchen. Gewähren alle anwendbaren Rechtsordnungen einem Empfänger den Vorrang, besteht kein Normenwiderspruch. Auf dieser Ebene ist auch zu erwägen, ob die Konkurrenz nicht deshalb ausscheidet, weil alle Rechtsordnungen von einem originären Erwerb einer nur gegen den eigenen Intermediär gerichteten Rechtsstellung ausgehen. Trotz der faktischen Aufspaltung des Übertragungsweges konkurrieren in diesem Fall die Erwerber nicht um dieselbe rechtliche Position. Wie bereits dargelegt ist es in schuldrechtlichen Verwahrkonstruktionen zunächst das Problem der Intermediäre, die gegen sie gerichteten Ansprüche zu befriedigen. Um die Gesamtanzahl an Titeln stabil zu halten, stehen andere Mechanismen zur Verfügung als die Priorität zwischen den verschiedenen Erwerbern einer Transaktion.52 (2) Auf einer zweiten Ebene entscheidet sich die Konkurrenz zwischen einer Verfügung unter Umbuchung und einer formlosen Verfügung anhand der Rechtsordnung am Ort der aktuellen Verbuchung. Wiederum ist ein Vergleich mit Grundsätzen des internationalen Sachenrechts zu ziehen, 49
Vgl. zu dieser Fallgruppe eines Nomenwiderspruchs in Abgrenzung zu den beiden anderen Fällen des Normenmangels und der Normenhäufung Rauscher, Internationales Privatrecht (2012), Rdnr. 567. Mitunter wird das Problem auch als Normendiskrepranz bezeichnet, so Kropholler, IPR (2006), § 34 III 3 (S. 237). 50 S. von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 251; Kropholler, IPR (2006), § 34 II 1 (S. 235 f.). 51 In der Terminologie von Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 47 (S. 354), könnte dies als offene Doppelanknüpfung durch dieselbe Norm bezeichnet werden. 52 S. oben § 3 C. III. 2. b) cc).
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nach denen ein am Ort der bisherigen Belegenheit erworbenes dingliches Recht an einer Mobilie durch gutgläubigen Erwerb nach den Vorschriften des aktuellen Lageorts erlöschen kann. Zudem findet das Verweisungsmoment von § 17 a DepotG auf Verfügungen ohne Umbuchung ohnehin nur mittelbar über die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB oder über eine Analogie Anwendung. (3) Für die verbliebenen Konkurrenzfälle, die nicht auf den ersten beiden Stufen ausscheiden, ist auf einer dritten Ebene im Rahmen einer übergeordneten Rechtsordnung ein Stichentscheid herbeizuführen. Zur Anknüpfung dieser Rechtsordnung bietet sich als Metakollisionsnorm ein Rückgriff auf den Ausgangspunkt der Übertragung an: das Konto des Veräußernden. Dessen Rechtsordnung sollte über die Wirkungen der doppelten Verbuchung des Titels entscheiden. Einzuräumen ist hinsichtlich der vorgeschlagenen Anpassung, dass letztlich der Empfänger zu einem tracing seiner Wertpapiere in den intransparenten Übertragungswegen gezwungen wird. Eine bessere Alternative ist jedoch nicht ersichtlich: Insbesondere vermag die vorgeschlagene materiellrechtliche Lösung, auch bei sachenrechtlicher Grundkonstruktion des Effektengiros die Verdoppelung von Rechtspositionen schlicht hinzunehmen,53 angesichts ihrer problematischen Implikationen für die Integrität der Gesamtemission nicht zu überzeugen. Die Priorität eines Erwerbers schützt in dinglichen Depotsystemen die Stabilität der Gesamtanzahl der Titel. Daher könnte die Verdoppelung von Rechtspositionen etwa im deutschen Depotrecht nur dann toleriert werden, wenn de lege ferenda eine gestufte schuldrechtliche Ausgestaltung des gesamten Effektengiros mit anderen Schutzmechanismen für die Integrität der Emission eingeführt würde.54 E. Charakter der Verweisungsnorm Für die Anknüpfung in § 17 a DepotG stellt sich schließlich die Frage, ob eine Rück- oder Weiterverweisung durch das IPR der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung möglich ist, ob es sich also um eine Sachnormoder Gesamtverweisung handelt. Eine ausdrückliche Antwort gibt die Kollisionsnorm selbst nicht. Zu erinnern ist aber an die europäischen Vorgaben: Art. 9 Abs. 1 S. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie verlangt explizit eine Sachnormverweisung, die jede Rück- oder Weiterverweisung verhindert. Der Finalitätsrichtlinie fehlt eine entsprechende Regelung, doch auch bei ihr ist die Tendenz deutlich. Die rein innerunionale Geltung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie schließt einen Renvoi aus, da die 53 So die von MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 250, favorisierte „quasi-schuldrechtliche“ Lösung. 54 Zur Problematik genauer § 3 C. III. 2. b) cc).
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mitgliedstaatlichen Kollisionsrechtsordnungen durch die Harmonisierung in den Grenzen der Richtlinie gleichlaufen. Um die unnötige Prüfung des aufnehmenden mitgliedstaatlichen IPR zu vermeiden, liegt dann die Umsetzung als Sachnormverweisung nahe. Jedenfalls im europäisch determinierten Kern von § 17 a DepotG ist daher richtlinienkonform von einem Verweis ausschließlich auf materielle Vorschriften auszugehen. Allenfalls für den Bereich, in dem § 17 a DepotG über die Richtlinienbestimmungen hinausgeht, könnte sich ein anderer Charakter der Anknüpfung ergeben. Vorgeschlagen wird insofern, § 17 a DepotG über die Grundregel des Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB als partielle Gesamtverweisung auszulegen.55 Überzeugen kann dies freilich nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass es lediglich um eine entsprechende Anwendung der Vorschrift aus dem EGBGB für die außerhalb dieses Gesetzes angesiedelte Spezialkollisionsnorm gehen kann.56 Sodann greift der Grundsatz der Gesamtverweisung nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB ohnehin nur, wenn dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht. Der nationale Gesetzgeber wollte aber mit seiner überschießenden Umsetzung in § 17 a DepotG im Interesse der Rechtssicherheit dem neuen Verweisungsmoment allgemeine Geltung verschaffen.57 Diesem einheitlichen, stabilen Kollisionsrechtsregime wären die Unwägbarkeiten, die die Möglichkeit eines Renvois mit sich brächte, äußerst abträglich.58 Schließlich wäre ein zwiespältiger Charakter der Verweisung auch nur schwer zu verwirklichen. Die Grenzen des Anwendungsbereichs der Richtlinien sind in der nationalen Norm nicht angelegt und oftmals nur unter aufwändigem Abgleich der verschiedenen Sprachversionen zu ermitteln. Insgesamt sollte § 17 a DepotG daher einheitlich als Sachnormverweisung behandelt werden.59
55
So Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 723, der in § 17 a DepotG eine „janusköpfige Kollisionsnorm“ mit partieller Sachnorm- und partieller Gesamtverweisung sieht. 56 Überwiegend scheint allerdings Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB unmittelbar herangezogen zu werden, vgl. Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.36; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 105; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 723; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 124. 57 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16. 58 Vgl. Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.37. 59 Keller, WM 2000, S. 1269, 1282; Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung (2002), S. 105 f.; Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral (2002), Tz. 12.37; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht (2005), S. 126; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 126; Mankowski, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht (2010), Rdnr. 2415; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 251.
§ 9 Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht Im sachen- und (teilweise) auch im schuldrechtlich konstruierten Effektengiroverkehr kann der zu eng geratene Anwendungsbereich von § 17 a DepotG mit Hilfe der aufgezeigten Optionen erweitert werden. In Erinnerung zu rufen ist allerdings, dass der Grundsatz von PRIMA zudem in das europäische internationale Insolvenzrecht Eingang gefunden hat. Umsetzungsbedürftig sind Regelungen zur „Wirksamkeit von Verfügungen“ insolventer Versicherungsunternehmen1 und Kreditinstitute2 sowie zur „Ausübung von Rechten“ an intermediatisierten Wertpapieren im Fall der Insolvenz eines Kreditinstituts3. A. § 17 a DepotG und Insolvenzrecht § 17 a DepotG ist vom Gesetzgeber wiederholt in den Kontext der Insolvenz gestellt worden. So reflektiert die Regierungsbegründung zu seiner Einführung darüber, ob es sich bei der umzusetzenden Richtlinienbestimmung in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie lediglich um eine „international insolvenzrechtliche Fragestellung“ handelt. Demgegenüber soll die nationale Transformation im Interesse der Rechtssicherheit „auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens“ Klarheit über das auf die „Wirksamkeit von Verfügungen“ anwendbare Recht schaffen.4 Später erwähnte auch die Regierungsbegründung zur Reform des autonomen internationalen Insolvenzrechts die Vorschrift des § 17 a DepotG. Im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen führte sie aus, dass der Paragraf „über den internationalinsolvenzrechtlichen Ansatz hinausweise“ und im Interesse der Rechtssicherheit generell festlege, nach welchem Recht sich die „Wirksamkeit von Verfügungen“ über Wertpapiere bestimmt.5 Zusammengenommen entsteht der Eindruck, dass § 17 a DepotG Relevanz auch für die Anknüpfung insolvenzrechtlicher Fragestellungen aufweist. 1
Art. 25 lit. c) Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 291 lit. c) Solvabilität II-Richtlinie). 2 Art. 31, 3. Spiegelstrich Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 3 Art. 24 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 4 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 16 (Hervorhebung durch Verf.). 5 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, BTDrucks. 15/16 vom 25.10.2002, S. 20.
§ 9 Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht
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Die zunächst mit der depotrechtlichen Norm umgesetzte Bestimmung, Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie, ist allerdings ebenso wie ihre Erweiterung in Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie als rein international-privatrechtliche Vorschrift identifiziert worden. Bereits die europäischen Vorgaben sprechen also dafür, in § 17 a DepotG eine alleinige Regelung des anwendbaren Sachen- und Schuldrechts zu sehen. Auch die nationale Gesetzessystematik stützt die Einordnung, da eine international-insolvenzrechtliche Ausnahmeregelung zur allgemeinen lex fori concursus an dieser Stelle verwunderlich wäre. Zwar enthält das Depotgesetz in seinem 3. Abschnitt durchaus Vorschriften zum (materiellen) Insolvenzrecht: § 32 DepotG gewährt Hinterleger, Verpfänder und Kommittent ein Insolvenzvorrecht im Verfahren gegen Kommissionär, Verwahrer und Pfandnehmer; § 33 DepotG begründet ein Ausgleichsverfahren für Hinterleger, deren insolventer Verwahrer die Wertpapiere verpfändet hat.6 § 17 a DepotG schließt jedoch gerade den 1. Abschnitt des Depotgesetzes über die Wertpapierverwahrung ab. Außerdem sei zum Vergleich noch auf die gleichzeitige Umsetzung von Art. 8 Finalitätsrichtlinie verwiesen, der die Rechte und Pflichten aus der Teilnahme an einem System im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrifft. Die Regierungsbegründung sieht in der Norm zutreffend eine Abweichung von der allgemeinen lex fori concursus7 und transformiert sie deshalb in Form des Art. 102 Abs. 4 EGInsO a. F., mittlerweile § 340 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 InsO, in das nationale internationale Insolvenzrecht.8 Festzuhalten ist daher zunächst, dass § 17 a DepotG keine Aussagen über das auf das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen anwendbare Recht trifft.9 Auch die Korrektur von § 17 a DepotG über Art. 46 EGBGB oder eine Analogie dürfte Probleme haben, die systematischen Grenzen zum internationalen Insolvenzrecht zu überwinden.10 Die Andeutungen der beiden Regierungsbegründungen sind vielmehr in dem Sinne zu lesen, dass die international-privatrechtliche Norm für ihren 6
Nähere Einzelheiten zum Normzweck von §§ 32 und 33 DepotG bei Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Scherer, HGB, Bd. 2 (2009), Rdnr. VI 644 ff., VI 675; Gottwald/Adolphsen, in: Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch (2010), § 42 Rdnr. 73. 7 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539 vom 7.9.1999, S. 13. 8 Zu dieser Umsetzung Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 62. 9 A. A. Lehmann, Finanzinstrumente (2009), S. 483: Umsetzung von Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten 10 A. A. Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 127 f., der Art. 46 EGBGB zur Umsetzung von Art. 25 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 291 Solvabilität II-Richtlinie) und Art. 31 der entsprechenden Richtlinie zu Kreditinstituten heranziehen will. Allerdings wird wohl ein über insolvenzrechtliche Fragen hinausgehender Regelungsgegenstand der beiden Bestimmungen zugrunde gelegt.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
Gegenstand unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Anwendung findet. Dass § 17 a DepotG nach den Begründungen eine Aussage zur „Wirksamkeit der Verfügung“ trifft, ist anders zu verstehen als der wortgleiche Regelungsgegenstand der international-insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen zu Verfügungen des fallierenden Schuldners: Nur allgemeine sachen- oder schuldrechtliche Fragen werden erfasst, nicht dagegen insolvenzrechtliche Beschränkungen der Verfügungsbefugnis. B. Überblick zum nationalen Internationalen Insolvenzrecht Nachdem § 17 a DepotG und seine Erweiterungen für die Anknüpfung weder der Verfügungsbefugnis des fallierenden Versicherungsunternehmens bzw. Kreditinstituts noch der Wirkungen des Insolvenzbeschlags auf intermediatisierte Wertpapiere in Betracht kommen, ist für beide Fragen nach einer anderweitigen Verwirklichung von PRIMA im autonomen internationalen Insolvenzrecht zu suchen. Hierzu soll zunächst dessen Struktur unter Berücksichtigung der Besonderheiten für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute grob umrissen werden. I.
Insolvenzordnung
Das autonome internationale Insolvenzrecht füllt die Lücken, die die vorrangige EuInsVO lässt. Seit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 200311 finden sich seine Grundregeln im 11. Teil der Insolvenzordnung, der sich wiederum in drei Abschnitte gliedert.12 Den ersten Abschnitt bilden in den §§ 335 bis 342 InsO allgemeine Vorschriften, die sowohl inländische wie auch ausländische Verfahren betreffen. Zentral ist in § 335 InsO die Kodifizierung des Grundsatzes, dass die Rechtsordnung des Staates der Verfahrenseröffnung, die lex fori concursus, das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen13 bestimmt. Hiervon weichen verschiedene Sonderanknüpfungen sowie Sachnormen, die statt einer Verweisung eigene verfahrens- oder materiellrechtliche Regelungen für grenzüberschreitende Sachverhalte treffen,14 ab. Der zweite Abschnitt von § 343 bis § 353 InsO befasst sich ausschließlich mit den Inlandswirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens. 11
BGBl. 2003, Teil I, S. 345, in Kraft getreten am 20.3.2003. Zu Aufbau und Systematik des 11. Abschnitts s. a. MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Vorbemerkungen vor §§ 335 ff. InsO Rdnr. 25 ff.; MünchKommBGBKindler, Bd. 11 (2010), Vor §§ 335 ff. InsO Rdnr. 6 ff. 13 Allgemein zur schwierigen Abgerenzung zwischen verfahrens- und sachrechtlichen Fragen im Insolvenzrecht MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), Vorbemerkungen vor §§ 335 ff. InsO Rdnr. 30 ff. 14 Zu solchen Sachnormen im internationalen Insolvenzrecht Braun-Tashiro, Insolvenzordnung (2012), Vorbemerkung vor §§ 335–358 Rdnr. 9. 12
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Geregelt werden Anerkennung, Vollstreckung und sonstige Verfahrensfragen in Deutschland. Zudem finden sich für bestimmte insolvenzrechtliche Fragen in den §§ 349, 305 und 351 InsO einseitige Regelungen zugunsten deutschen Rechts. So beruft die Exklusivnorm15 des § 349 InsO für Verfügungen über im Inland belegene Gegenstände inländische Gutglaubensvorschriften zur Anwendung, die Sachnorm16 des § 350 InsO schafft einen Vertrauenstatbestand für eine inländische schuldbefreiende Leistung an den Schuldner und in § 351 InsO findet sich die bereits aus dem europäischen Kontext bekannte Wendung, dass dingliche Rechte Dritter an einem Gegenstand im Inland von einem ausländischen Verfahren „nicht berührt“ werden. Der dritte Abschnitt, §§ 354 bis 358 InsO, ermöglicht schließlich im Inland vor Eröffnung eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens Partikularverfahren, nach dessen Eröffnung Sekundärinsolvenzverfahren. II. Sonderregeln für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute Grundsätzlich gelten diese Bestimmungen auch für ein Insolvenzverfahren gegen Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute.17 Modifikationen der §§ 335 ff. InsO hielt der nationale Gesetzgeber für die Umsetzung der beiden Sanierungs- und Liquidationsrichtlinien nicht für erforderlich.18 Immerhin zwangen ihn die Richtlinien aber zu besonderen Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit. Die Insolvenzordnung trifft insofern keine expliziten Regelungen, so dass nach dem Prinzip der Doppelfunktionalität ihre Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit entsprechend heranzuziehen sind.19 Demnach sind inländische Insolvenzgerichte analog § 3 Abs. 1 InsO international zuständig, wenn der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand oder einen davon abweichenden Mittelpunkt seiner selbstständigen wirtschaftli-
15 Exklusivnormen sind einseitige Kollisionsnormen, die regelwidrig die Anwendung deutschen Rechts ausdehnen, vgl. Kegel/Schurig, IPR (2004), § 6 I 3 (S. 303); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 4 Rdnr. 13. Von speziellen Vorbehaltsklauseln spricht Kropholler, IPR (2006), § 36 VIII (S. 259). 16 MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 350 Rdnr. 1; Braun-Ehret, Insolvenzordnung (2012), § 350 Rdnr. 3. 17 Vgl. für Versicherungsunternehmen MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Vor Art. 1 EuInsVO Rdnr. 25; für Kreditinstitute Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 273; Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 9 f, 55 f. 18 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, BTDrucks. 15/16 vom 25.10.2002, S. 14; kritisch Braun-Tashiro, Insolvenzordnung (2012), Vorbemerkung vor §§ 335–358 Rdnr. 24. 19 MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), Vor §§ 335 ff. InsO Rdnr. 9.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
chen Tätigkeit hat.20 Daneben besteht im Inland bei ausländischen Hauptverfahren die Zuständigkeit für Partikularverfahren über inländisches Vermögen des Schuldners. Die beiden Richtlinien verwirklichen demgegenüber gerade die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte oder Behörden des Herkunftslandes.21 Diese Anforderungen setzte der nationale Gesetzgeber mit § 88 Abs. 1 a S. 1 VAG für Versicherungsunternehmen und § 46 e Abs. 1 S. 1 KWG für Einlagenkreditinstitute22 und E-GeldInstitute23 um, die allein den jeweiligen Behörden oder Gerichten des Herkunftsstaats im Bereich des EWR die Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gewähren.24 Verfahren in anderen Staaten des EWR werden ohne Rücksicht auf die allgemeinen Voraussetzungen anerkannt,25 Sekundärinsolvenzverfahren und sonstige Partikularverfahren bezüglich der Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des EWR hingegen explizit ausgeschlossen.26 Eine weitere Besonderheit ergibt sich für Banken und Versicherungsunternehmen daraus, dass die sektoralen Richtlinien über Liquidationsverfahren hinausgehen. Geregelt werden nicht nur derartige von den zuständigen Stellen eröffnete Gesamtverfahren mit dem Ziel, das Vermögen des Schuldners zu verwerten und zu verteilen,27 sondern (teilweise28) auch vorgelagerte Sanierungsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden. Gemeint sind
20 Liersch, NZI 2003, S. 302, 304; MünchKommInsO-Ganter/Lohmann, Bd. 1 (2013), § 3 Rdnr. 24 ff. 21 S. oben § 5 A. 22 Definiert in § 1 Abs. 3 d S. 1 KWG als Kreditinstitute, die Einlagen oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben. Die Beschränkung auf diese Institute ist auf den engen Kreditinstitutsbegriff im europäischen Sekundärrecht zurückzuführen, s. o. § 5 B. I. 2. 23 Nach § 1 Abs. 3 d S. 3 KWG Kreditinstitute, die nur das E-Geld-Geschäft betreiben; letzteres wiederum ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 KWG die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld. 24 S. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, BT-Drucks. 15/1653 vom 2.10.2003, S. 16 f. 25 § 88 Abs. 1 a S. 2 VAG für Versicherungsunternehmen; § 46 e Abs. 1 S. 2 KWG für Kreditinstitute. 26 § 88 Abs. 1 b VAG für Versicherungsunternehmen; § 46 e Abs. 2 KWG für Kreditinstitute. 27 Art. 2 lit. d) Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 268 Abs. 1 lit. d) Solvabilität II-Richtlinie); Art. 2 Spiegelstrich 9 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 28 Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, Kreditwesengesetz (2012), § 46 d Rdnr. 6, weist zu Recht darauf hin, dass nur Maßnahmen mit möglicher Betroffenheit von Rechtspositionen Dritter erfasst sind.
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Maßnahmen im Schnittfeld von Aufsichts- und Insolvenzrecht29, mit denen die finanzielle Lage des beaufsichtigten Schuldners gesichert oder wiederhergestellt werden soll und die bestehende Rechte Dritter beeinträchtigen könnten, z. B. die Aussetzung von Zahlungen und Vollstreckungsmaßnahmen30 oder die Kürzung von Forderungen.31 Im nationalen Recht sind dies in Bezug auf Kreditinstitute etwa das in Reaktion auf die Lehren der Finanzkrise eingeführte besondere Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG)32 und die Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG.33 Die Umsetzung der Richtlinienvorgaben für die grenzüberschreitende Wirkung solcher Sanierungsmaßnahmen ist für Versicherungsunternehmen in § 89 b VAG, für Kreditinstitute in § 46 d KWG erfolgt, vermag jedoch nicht überzeugen.34 Obwohl in den Richtlinien ähnliche Grundsätze für Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsverfahren gelten, fehlt es national für die Sanierungsmaßnahmen an einer ausdrücklichen Verankerung der alleinigen Zuständigkeit des Herkunftsstaats sowie der automatischen Wirkung der ergriffenen Maßnahmen im Aufnahmestaat.35 Hinsichtlich des auf derartige Maßnahmen anwendbaren Rechts verweisen § 89 b Abs. 3 S. 3 VAG und § 46 d Abs. 3 S. 3 KWG nur auf bestimmte Vorschriften des allgemeinen internationalen Insolvenzrechts, die von der lex fori concursus abweichen: aus den allgemeinen Vorschriften für in- wie ausländische Verfahren die §§ 336, 337, 338 und 340 InsO, aus den Sondervorschriften für 29 Vgl. für Kreditinstitute Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht (2005), S. 521 ff. und passim. 30 Zum Verbot von Gerichtsverfahren gegen ein Finanzinstitut durch derartige Maßnahmen EuGH v. 24.10.2013, Rs. C-85/127 (LBI hf, ehemals Landsbanki Islands hf/Kepler Capital Markets SA, Frédéric Giraux), Tz. 49 ff. 31 Art. 2 lit. c) Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (künftig Art. 268 Abs. 1 lit. c) Solvabilität II-Richtlinie); Art. 2 Spiegelstrich 7 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 32 Hierzu bereits oben § 5 B. I. 1. f) dd). 33 Zur Frage, ob auch das Moratorium nach § 46 g KWG (§ 47 KWG a. F.), das eine eher gesamtwirtschaftliche Perspektive verfolgt, eine Sanierungsmaßnahme im Sinne der Sanierungsrichtlinie darstellt, Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, Kreditwesengesetz (2012), § 47 Rdnr. 27 ff. 34 Bereits die Überschriften „Unterrichtung der anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums über Sanierungsmaßnahmen“ bzw. „Unterrichtung der Aufsichtsbehörden über Sanierungsmaßnahmen, Bekanntmachung von Verfügungen der Aufsichtsbehörde“ sind irreführend: geregelt wird teilweise auch das anwendbare Recht. 35 Kritisch zum KWG daher Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht (2005), S. 714; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, Kreditwesengesetz (2012), § 46 d Rdnr. 3; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 275. Insofern für eine richtlinienkonforme Auslegung von § 46 d KWG LG Frankfurt v. 7.5.2010, Az. 2-27 O 231/09, IPRax 2012, S. 75.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
ausländische Verfahren § 351 Abs. 2 InsO. Immerhin erlaubt dieser Verweis auf die Ausnahmevorschriften einen Rückschluss auf die nicht normierte Grundregel, von der abgewichen wird: die Maßgeblichkeit des Rechts des zuständigen Herkunftsstaats.36 Letztlich lässt sich für Sanierungsmaßnahmen ein solches Ergebnis aber auch aus dem allgemein für die laufende Aufsicht in beiden Sektoren geltenden Herkunftslandprinzip ableiten.37 C. Wirksamkeit von Verfügungen des insolventen Schuldners Eine Sonderanknüpfung zur Verfügungsbefugnis fallierender Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute über intermediatisierte Wertpapiere wäre im dargelegten Normgefüge in den Kollisionsregeln der Insolvenzordnung zu vermuten: Für das Liquidationsverfahren und seine Wirkungen stellen VAG und KWG auch im Übrigen keine gesonderten Verweisungsregeln auf. Für Sanierungsmaßnahmen finden sich in beiden Gesetzen nur selektive Verweise auf allgemeine Vorschriften, aber keine eigenständigen Anknüpfungen. Innerhalb des 11. Teils der InsO wäre die Regelung sodann im ersten Abschnitt zu verorten, da es für die mehrseitigen Sonderverweisungen der Richtlinien keine Rolle spielt, ob das Hauptverfahren im Inland oder im EWR-Ausland eröffnet wurde. Eine entsprechende Norm sucht man an dieser Stelle gleichwohl vergeblich. Insbesondere kann nicht auf § 336 InsO zurückgegriffen werden: Fraglich erscheint schon, ob diese Sonderkollisionsnorm zu Verträgen, die ein dingliches Recht betreffen, überhaupt Verfügungsgeschäfte umfasst.38 Jedenfalls gilt die Vorschrift aber nur für Verträge, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits geschlossen waren,39 und ohnehin sind keine Wertpapiere als Vertragsgegenstand genannt. Immerhin findet sich aber im zweiten Abschnitt zu den Inlandswirkungen ausländischer Verfahren eine Norm, die zumindest einzelne Elemente von Art. 25 bzw. 31 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinien für Versi-
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Kokemoor, WM 2005, S. 1881, 1886. Für die Wirkung der Maßnahmen im Aufnahmestaat will Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 275, 283, dann die Regelungen zur Anerkennung der Liquidationsverfahren analog heranziehen; dagegen Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht (2005), S. 714. 37 Vgl. Kokemoor, WM 2005, S. 1881, 1883. 38 Dagegen Braun-Tashiro, Insolvenzordnung (2012), § 336 Rdnr. 2 Fn. 1; dafür MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 336 InsO Rdnr. 10. 39 Andres/Leithaus-Dahl, Insolvenzordnung (2014), § 336 Rdnr. 1; Braun-Tashiro, Insolvenzordnung (2012), § 336 Rdnr. 11.
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cherungsunternehmen und Kreditinstitute40 umsetzt: die bereits angesprochene Exklusivnorm des § 349 Abs. 1 InsO. Wenn der Schuldner trotz fehlender Verfügungsbefugnis über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, der im Inland in einem Register eingetragen ist, sind demnach die materiellrechtlichen Vorschriften zum öffentlichen Glauben des jeweiligen Registers im BGB oder in den gesetzlichen Grundlagen zu Schiffs- und Flugzeugregistern anzuwenden. Einerseits geht die Norm über beide Richtlinienvorgaben hinaus, da die Verfügung nicht entgeltlich erfolgen muss. Aufgrund der Einfügung der Sonderanknüpfung in die allgemeine InsO kann der Schuldner zudem in einer beliebigen Wirtschaftssparte tätig sein und aus einem Nicht-EWR-Staat stammen. Andererseits bleibt die Norm aber entscheidend hinter dem Sekundärrecht41 zurück. So bedingt der systematische Standort, dass die Norm nur einseitig auf deutsches Recht verweist, nicht aber bei inländischer lex fori concursus auf ausländisches Recht. Zudem wird die Vorschrift in VAG und KWG nicht für Sanierungsmaßnahmen in Bezug genommen. Für das Effektengiro ist aber natürlich vor allem das Defizit entscheidend, dass intermediatisierte Wertpapiere nicht als Verfügungsgegenstand genannt werden. Der Umsetzungsgesetzgeber hat sich offenbar auf bestimmte Registergegenstände beschränkt, weil es im nationalen Recht keine weiteren Register mit besonderem öffentlichen Glauben gibt.42 Die Richtlinien gelten aber auch für kontoverbuchte Wertpapiere. Für diese ist bereits eine europäische Bestimmung zur Verfügungsbefugnis des insolventen Schuldners identifiziert worden: Art. 8 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie. In richtlinienkonformer Umsetzung müsste § 349 InsO daher als Verfügungsgegenstand auch die national kontoverbuchten Wertpapiere berücksichtigen und für diese auf §§ 21 Abs. 2 S. 3, 81 Abs. 3 S. 2 InsO, die nationale Transformation der Bestimmung der Finanzsicherheitenrichtlinie, verweisen. Darüber hinaus ist an die allgemeinen Umsetzungsdefizite der Norm zu erinnern. Auch für intermediatisierte Wertpapiere ist eine allseitige Verweisung erforderlich, die inländische Insolvenzverfahren gleichermaßen berücksichtigt. Über den Verweisungskatalog von VAG und KWG müsste eine solche Norm zugleich für Sanierungsmaßnahmen gelten. Das Umsetzungsdefizit mildert sich durch folgende Überlegung: Die beiden Richtlinien verlangen die Sonderanknüpfung nur für Verfahren ge40
Pannen, in: Moll (Hrsg.), FS Lüer (2008), S. 431, 445; ders., Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 52, sieht in § 349 InsO die Umsetzung von Art. 31 der Sanierungsrichtlinie für Kreditinstitute. 41 Zur systemwidrigen Lücke in Bezug auf das Eröffnungsverfahren, die durch analoge Anwendung von § 349 Abs. 1 InsO zu schließen ist, Andres/Leithaus-Dahl, Insolvenzordnung (2014), § 349 Rdnr. 2. 42 Vgl. in diesem Zusammenhang MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 349 Rdnr. 7, der auf fehlenden Gutglaubensschutz für sonstige Register hinweist.
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
gen Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute aus dem EWRAusland. Für solche Verfahren kommt aufgrund der Regelungen in VAG und KWG als lex fori concursus nur die Rechtsordnung des Herkunftsstaats zur Anwendung. Innerhalb der Union und des übrigen EWR43 sollte aber die Regelung der Finanzsicherheitenrichtlinie zum gutgläubigen Erwerb am Tag der Verfahrenseröffnung durchgehend umgesetzt sein. Auch ohne Sonderanknüpfung kommt im EWR schon über das Hauptinsolvenzstatut eine auf den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie beruhende Gutglaubensvorschrift zur Anwendung. D. Ausübung von Rechten an Wertpapieren Eine Umsetzung von Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten zur „Ausübung von Eigentumsrechten oder anderen Rechten an Instrumenten“ wäre nach den obigen Überlegungen als mehrseitige Verweisung ebenfalls im ersten Abschnitt des 11. Teils der Insolvenzordnung zu vermuten. Aber weder hier noch an anderer Stelle des autonomen internationalen Insolvenzrechts findet sich eine spezielle Regelung zur Wirkung des Insolvenzbeschlags auf intermediatisierte Wertpapiere.44 Aufgrund allgemeiner Bestimmungen ist eine solche Regelung allerdings teilweise entbehrlich. Auswirkungen im Sinne von Art. 24 der Richtlinie auf ein Recht an Wertpapieren kann die Insolvenz eines Kreditinstituts auf drei verschiedenen Wegen haben: durch seine Rolle als Inhaber, als Sicherungsgeber oder als Intermediär des Rechts.45 Wenn die Wertpapiere im Inland verbucht sind, sind derartige Auswirkungen schon durch die einseitige Norm des § 351 Abs. 1 InsO zu dinglichen Rechten Dritter46 weitgehend ausgeschlossen. Nach dieser Sachnorm47 bleibt im Fall eines ausländischen Insolvenzverfahrens das Recht an einem im Inland belegenen Gegenstand der Insolvenzmasse, welches nach deutschem Recht einen 43 Die Anwendbarkeit der Finanzsicherheitenrichtlinie in den übrigen Staaten des EWR ergibt sich aus Anhang XII Nr. 4 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. 44 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 243; Pannen, in: Moll (Hrsg.), FS Lüer (2008), S. 431, 441; ders., Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten (2010), Kapitel 6 Rdnr. 40. 45 S. oben § 5 C. I. 1 c). 46 Die Norm dient auch der Umsetzung des bereits diskutierten Art. 21 der Sanierungrichtlinie zu Kreditinstituten, vgl. MünchKommBGB-Kindler, Bd. 11 (2010), § 351 InsO Rdnr. 3. 47 Auch im nationalen Recht ist die Formel der „Unberührtheit“ so zu verstehen, dass die Rechte keinerlei insolvenzrechtlichen Wirkungen unterliegen, nicht dagegen als kollisionsrechtlicher Verweis auf das lokale Insolvenzrecht, zum Meinungsstand MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 351 InsO Rdnr. 2 ff., 15.
§ 9 Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht
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Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt, von der Verfahrenseröffnung unberührt. Zunächst greift dies für die Rolle des Kreditinstituts als Sicherungsgeber. Ein dingliches Sicherungsrecht, welches das Kreditinstitut an seinen im Inland verbuchten Wertpapieren bestellt hat und das in der Insolvenz der Aus- oder Absonderung unterliegt, bleibt durch § 351 Abs. 1 InsO von jeglichen Auswirkungen des ausländischen Verfahrens verschont; der Sicherungsnehmer kann sein Recht verwerten, ohne auf das im Ausland eröffnete Verfahren Rücksicht nehmen zu müssen. Weiterhin wird aber auch die Rolle des Kreditinstituts als Intermediär erfasst. Die Einbeziehung von der Aussonderung unterliegenden Gegenständen lässt darauf schließen, dass sich § 351 Abs. 1 InsO auf die gesamte zunächst bestehende Ist-Masse des ausländischen Verfahrens erstreckt, aus der vor der Verwertung noch die einem Dritten zustehenden Gegenstände auszuscheiden sind.48 Der Gegenstand muss also nicht dem Schuldner selbst gehören,49 was § 351 Abs. 1 InsO auch für Rechte eines Depotkunden an seinen in Deutschland verbuchten Wertpapieren öffnet:50 Die Positionen auf den im Inland geführten Konten einer ausländischen Depotbank gehören zwar zunächst zur Ist-Masse des im Ausland geführten Verfahrens gegen die Bank; da aber sowohl die GS-Gutschrift an in Deutschland zentralverwahrten Wertpapieren als auch die WR-Gutschrift über die im Ausland angeschafften Wertpapiere ein Aussonderungsrecht des Kontoinhabers gemäß § 47 InsO begründen,51 werden diese Positionen durch § 351 Abs. 1 InsO von jeglichen Wirkungen des ausländischen Verfahrens freigestellt. Es bleibt die Rolle des Kreditinstituts als Inhaber der Rechte an im Inland verbuchten Wertpapieren. Absatz 1 von § 351 InsO stellt nur Rechte Dritter vom Insolvenzverfahren frei, Absatz 2 der Norm knüpft nur die Insolvenzwirkungen auf Rechte des Schuldners an inländischen unbeweglichen Gegenständen gesondert an. Die Ausübung der Rechte des Schuldners an seinen im Inland verwahrten Wertpapieren unterliegt also der nach § 335 InsO maßgeblichen ausländischen lex fori concursus. Allerdings ist bereits zu Art. 24 der Sanierungsrichtlinie bezweifelt worden, ob das fal-
48
MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 351 InsO Rdnr. 8. Andres/Leithaus-Dahl, Insolvenzordnung (2014), § 351 Rdnr. 7. 50 Vgl. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 243, die § 351 InsO in Bezug auf Depotkonten anwenden. 51 Zur Frage, ob auch die schuldrechtliche Treuhandposition der WR-Gutschrift ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO verschafft, Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht (2010), § 9 Rdnr. 71 m. w. N. 49
300
3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
lierende Kreditintitut für die Wirkungen des Verfahrens auf sein Vermögen überhaupt einer Abweichung von seinem Heimatinsolvenzrecht bedarf.52 Schwerer wiegt das Defizit, dass § 351 Abs. 1 InsO – anders als seine mehrseitigen Vorgaben in den Richtlinien53 – nur für ausländische, nicht aber für inländische Verfahren gilt. Eine richtlinienkonforme Korrektur muss insofern ausscheiden, da ihr nicht nur der Wortlaut, sondern aufgrund der systematischen Stellung im zweiten Abschnitt des 11. Teils der InsO zugleich auch der erkennbare Regelungszweck entgegensteht: Die Norm beschäftigt sich nur mit den Inlandswirkungen ausländischer Verfahren.54 Aus der Sicht des deutschen internationalen Insolvenzrechts erfasst daher die inländische lex fori concursus über die Grundregel des § 335 InsO die im Ausland belegenen Gegenstände,55 kann natürlich aber auch für diese ein Recht zur Aus- oder Absonderung nach den §§ 47 ff. InsO gewähren.56 Dem Belegenheitsstaat bleibt es zudem überlassen, über eine Regelung der Inlandswirkungen ausländischer Verfahren für eine Abwehr der Wirkungen des deutschen Verfahrens zu sorgen.57 Im Vertrauen auf die Schaffung allseitiger Ausnahmen in den anderen Mitgliedstaaten – wie dies die Richtlinien zu Versicherungen und Banken ja auch vorsehen – ist aber wohl zumindet nicht überall in Europa eine § 351 InsO Abs. 1 InsO entsprechende Abwehrregelung geschaffen worden.58 Schließlich kommt noch hinzu, dass die Insolvenzfreistellung des § 351 Abs. 1 InsO in VAG und KWG nicht für Sanierungsmaßnahmen in Bezug genommen wird. Vielmehr verweisen die betreffenden Normen59 nur auf den zweiten Absatz von § 351 InsO, der die Wirkungen eines ausländischen Verfahrens auf Rechte
52
Oben § 5 C. I. 1.c) aa). Art. 20 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen (Art. 286 Abs. 1 Solvabilität II-Richtlinie); Art. 21 Abs. 1 Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. 54 Zumindest i. E. auch von Bismarck/Schümann-Kleber, NZI 2005, S. 89, 93; Beckmann, WM 2009, S. 1592, 1593 ff. Zu den allgemeinen Grenzen richtlinienkonformer Rechtsfindung oben § 7 B. III. 4. a). 55 Vgl. nur MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 335 InsO Rdnr. 60. 56 Nach Heiss/Gölz, NZI 2006, S. 1, 3, wiegt das Umsetzungsdefizit der nur einseitigen Freistellung von ausländischen Verfahrenswirkungen in § 351 Abs. 1 InsO nicht schwer, da die „Liberalität des deutschen Sachenrechts“ kaum Einschränkungen ausländischer dinglicher Rechte und Eigentumsvorbehalte befürchten lasse; entscheidend kann aber nur die insolvenzrechtliche Behandlung ausländischer dinglicher Positionen im deutschen Recht sein. 57 MünchKommInsO-Reinhart, Bd. 3 (2008), § 351 InsO Rdnr. 3. 58 Beckmann, WM 2009, S. 1592, 1594 f., mit dem Beispiel der Umsetzung der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten im Vereinigten Königreich. 59 § 89 b Abs. 3 S. 3 VAG; § 46 d Abs. 3 S. 3 KWG. 53
§ 9 Umsetzungsdefizite im internationalen Insolvenzrecht
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des Schuldners an im Inland belegenen unbeweglichen Gegenständen dem deutschen Insolvenzrecht unterwirft.60 Zusammenfassend sind daher bei einem ausländischen Liquidationsverfahren gegen eine Bank die Rechte ihrer Sicherungsgläubiger und Depotkunden im Hinblick auf im Inland verbuchte Wertpapiere ohnehin von jeglichen Wirkungen des ausländischen Verfahrens freigestellt, so dass es insofern auch keiner Umsetzung von Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten bedarf. Als problematische Konstellationen verbleiben hingegen inländische Liquidationsverfahren und Sanierungsmaßnahmen, da sich in beiden Fällen die inländischen Verfahrenswirkungen auch auf Rechte an im Ausland verbuchten Wertpapieren erstrecken. Entgegen den Vorgaben von Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten unterliegt die Ausübung von Rechten an diesen Instrumenten dann nicht der Rechtsordnung des Register- oder Kontoortes. E. Ergebnis Bei der Umsetzung der Vorgaben zu intermediatisierten Wertpapieren im europäischen Insolvenzrecht offenbaren sich im nationalen Recht Defizite. Die beiden international-insolvenzrechtlichen Teilfragen der Wirksamkeit von Verfügungen über Wertpapiere, die in Registern oder Konten eingetragen sind, und der Ausübung von Rechten an Instrumenten können weder bei § 17 a DepotG und seinen erweiternden Korrekturen berücksichtigt, noch vollständig durch allgemeine Regeln des autonomen internationalen Insolvenzrechts abgedeckt werden. Als Gegenbeispiel mag abschließend ein Blick in das österreichische Recht dienen: Neben die beiden Bestimmungen des § 18 Finalitätsgesetz61 und § 33 a IPRG62, die funktionell dem deutschen § 17 a DepotG entsprechen, treten gesonderte konkursrechtliche Kollisionsregeln zur Wirksamkeit von Verfügungen63 und zur Ausübung 60 Zu diesem Umsetzungsdefizit Beckmann, WM 2009, S. 1592, 1595. Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2010), Kapitel 32 Rdnr. 277, hält dies für ein Versehen des nationalen Gesetzgebers und will daher eine richtlinienkonforme Korrektur der Verweisung in § 46 d KWG vornehmen. 61 Österreichisches Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finalitätsgesetz), BGBl. I Nr. 123/1999. 62 Österreichisches Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPRG), BGBl. Nr. 304/1978. Zu § 33 a IPRG Schacherreiter, ÖBA 2005, S. 36; Koziol/Bydlinski/Bollenberger-Neumayr, ABGB (2007), § 33 a IPRG. 63 § 230 der österreichischen Konkursordnung (KO); § 98 Abs. 6 des österreichischen Bundesgesetzes über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung (Versicherungsaufsichtsgesetz – öVAG) i. V. m. § 230 KO; § 81 i des österreichischen Bundesgesetzes über das Bankwesen (Bankwesengesetz – BWG).
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
der Rechte an Finanzinstrumenten,64 die sich im Wortlaut an den Vorgaben der Sanierungsrichtlinien orientieren. Die differenzierte österreichische Transformation verdeutlicht die Lückenhaftigkeit des deutschen internationalen Insolvenzrechts, in dem das europäische Postulat einer besonderen Behandlung intermediatisierter Wertpapiere im Rahmen von Sanierung und Liquidation bestimmter Unternehmen übergangen wird.
64
§ 232 KO; § 81 k BWG.
§ 10 Resümee: Nationale Ausbesserung des europäischen Mosaiks Die nationale Umsetzung der europäischen Richtlinienvorgaben zeigt sich im Ergebnis zwiespältig: Einerseits sind wichtige Lücken geschlossen und unbestimmte Vorgaben des Sekundärrechts konkretisiert worden. Andererseits treten in der Transformation problematische neue Restriktionen auf; einzelne unionale Vorgaben werden sogar gänzlich außer Acht gelassen. A. Reichweite Diese Ambivalenz betrifft vor allem die Reichweite des nationalen Sonderkollisionsrechts für intermediatisierte Wertpapiere. So wird mit § 17 a DepotG sachlich die Limitierung auf Sicherheiten in Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie überwunden, persönlich jede Anforderung an die Parteien des Verfügungsgeschäftes aufgegeben und räumlich eine universelle, allseitige Verweisung geschaffen. Anders als ihre europäischen Grundlagen ist die nationale Kollisionsnorm damit im Grundsatz auf die vollständige Abdeckung des Effektengiros ausgerichtet. Gleichwohl behindert die Beschränkung des Anknüpfungsgegenstandes von § 17 a DepotG auf Verfügungen, welche noch dazu in einem Buchungsvorgang Niederschlag finden müssen, als autonom geschaffenes Hindernis die Herausbildung eines einheitlichen Wertpapierstatuts. Nur mit Hilfe der Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB und der rechtsfortbildenden Analogie vermag der Rechtsanwender Inhalt und Rechtswirkungen einer Kontoposition sowie formlose Verfügungen über intermediatisierte Wertpapiere ebenfalls dem neuen Kollisionsrechtsregime zu unterwerfen. Allerdings haben die Korrekturen ihren Preis in Form einer unübersichtlichen rechtlichen Grundlage für die nationale PRIMA-Anknüpfung. Hinzu kommt, dass der Umsetzungsgesetzgeber die Richtlinienvorgaben für intermediatisierte Wertpapiere im internationalen Insolvenzrecht schlicht übergangen hat. Weder § 17 a DepotG und seine Erweiterungen, noch die allgemeinen Regeln des autonomen internationalen Insolvenzrechts können hier ein Umsetzungsdefizit gänzlich vermeiden. B. Anknüpfungsmoment Auch im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Anknüpfungsmomentes hat die nationale Legislative zum einen mit der Lokalisierung der Einrichtungen des Effektengiros ein zentrales Problem der europäischen Vorgaben angegangen. Die Kriterien der staatlichen Aufsicht und
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3. Kapitel: Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung
der kontoführenden Haupt- und Zweigstelle des Intermediärs bieten zumindest erste Anhaltspunkte für eine genauere Verortung. Zum anderen kommen aber die konzeptionellen Schwächen des PRIMA-Konzeptes in Ausprägung der europäischen Richtlinien durch die Ausdehnung des Anknüpfungsgegenstandes noch stärker zum Tragen. So bietet die Fokussierung auf den Verfügungsempfänger aufgrund der intransparenten Wege der Wertpapiere auf den Kapitalmärkten letztlich nur dieser Person hinreichende Klarheit über den maßgeblichen Ort. Weiter hat auch die nationale Kollisionsnorm mit einer Mehrzahl von Empfängern zu kämpfen: Erster Problemkreis ist die Verteilung gemeinsam veräußerter Titel auf verschiedene Übertragungsziele in unterschiedlichen Ländern, durch die auf den Kontostufen vor der Aufspaltung kumulativ mehrere Rechtsordnungen gelten. Zweiter Problemkreis ist die doppelte Verbuchung eines bestimmten Titels in verschiedenen Staaten, aufgrund derer für ein einziges Wertpapier mehrere konkurrierende Rechtsordnungen mit möglicherweise widersprüchlichem Inhalt anwendbar sind. Wenn materiell von einer sachenrechtlichen Grundkonstruktion ausgegangen wird, nach der eine Verdoppelung von Rechtspositionen im Effektengiro ausscheiden muss, ist in der zweiten Fallgruppe eine weitere Korrektur von § 17 a DepotG in Form einer kollisionsrechtlichen Anpassung unumgänglich. C. Fazit Greift man das Bild des unvollkommenen Mosaiks für das europäische Wertpapierkollisionsrecht auf, so sind im Rahmen der nationalen Umsetzung gleichsam Ausbesserungen am Gesamtbild vorgenommen worden. Bei den Arbeiten sind aber auch neue Spalten und Risse aufgetreten, die ihrerseits wieder einer Reparatur bedürfen. Vollendet wird das Mosaik des europäischen Wertpapierkollisionsrechts auch in seiner nationalen Umsetzung nicht.
4. Kapitel
Heteronome und autonome Lösungsansätze Die erörterten Lücken und Defizite im bestehenden europäischen Kollisionsrecht zum Effektengiro, die auch die nationale Umsetzung nicht beseitigt hat, lassen nach den Perspektiven für seine künftige Weiterentwicklung suchen. Ein aus Sicht der Union heteronomer Ansatz1 ist der koordinierte Beitritt von EU und Mitgliedstaaten zum Haager Wertpapierübereinkommen (HWpÜ). Ein solches Vorgehen eröffnete die Möglichkeit, das regionale Unionskollisionsrecht – den globalisierten Kapitalmärkten entsprechend – in universales staatsvertragliches Kollisionsrecht zu integrieren.2 Auf europäischer Ebene haben sich jedoch erhebliche Widerstände gegenüber wesentlichen Elementen der Konvention gezeigt. Die Zukunft des europäischen Rechts liegt daher in der autonomen Fortschreibung des unionalen Rechtsrahmens. Bereits erkennbar sind die Grundzüge einer umfassenden Kollisionsnorm im Rahmen der geplanten Wertpapierrechtsrichtlinie (WRR), die im Hinblick auf die bisherigen Unzulänglichkeiten einer ersten Würdigung unterworfen werden können.
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen Nach Verabschiedung der Finanzsicherheitenrichtlinie hat lange Zeit ein möglicher Beitritt zum HWpÜ die Diskussionen in Europa beherrscht. Das Übereinkommen sollte dazu dienen, die bisherigen Lücken des Europarechts zu schließen und die intermediatisierten Wertpapiere einem kohärenten Rechtsregime zu unterwerfen. In dieser Funktion fand die Konvention anfänglich verbreitet durchaus positive Aufnahme,3 die bei den euro1 Allgemein zu Übereinkommen anderer Organisationen als heteronomes Mittel der IPR-Vereinheitlichung innerhalb der EU Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der EG (1999), S. 457, 532 f., Kreuzer/Wagner, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, R. Rdnr. 44. 2 So die europäische Perspektive auf das HWpÜ bei Kreuzer, in: Baetge/von Hein/von Hinden (Hrsg.), FS Kropholler (2008), S. 129, 140 f., 147. 3 Vgl. nur die folgenden Reaktionen in der Literatur: Reuschle, IPRax 2003, S. 495 („eines der bedeutendsten Übereinkommen des 21. Jahrhunderts im Bereich des Kapitalmarktrechts“; „Meilenstein“); Kieninger, in: Kieninger (Hrsg.), Denationalisierung des
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
päischen Institutionen und Organen jedoch bald einer zunehmend kritischen Haltung wich. Als Folge dieses Wandels steht mittlerweile ein Beitritt der Union und der Mitgliedstaaten – zumindest vorerst – nicht mehr zur Debatte. Gleichwohl ist das Übereinkommen schon aufgrund seiner wechselvollen Rezeption in Europa instruktiv für die Rolle der Union bei der künftigen globalen Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Vor allem aber liefern die Diskussionen und Ergebnisse der Haager Konferenz noch immer Anregungen und Impulse für die eigenständige Fortentwicklung des europäischen Kollisionsrechts, so dass im Folgenden einige Charakteristika des Übereinkommens erörtert werden sollen. A. Grundlegendes zum Übereinkommen Für die unionale Rolle des Übereinkommens sind zunächst einige Grundlagen zu Konferenz, Konvention und Konnex zum Europarecht darzulegen. I.
Haager Konferenz für Internationales Privatrecht
Das Übereinkommen ist im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ausgearbeitet worden. Diese internationale Organisation hat sich der Aufgabe verschrieben, an der fortschreitenden Vereinheitlichung der Regeln des Internationalen Privatrechts zu arbeiten.4 Ihren Ursprung hat sie in den von der niederländischen Regierung ad hoc einberufenen Staatenkonferenzen des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Den Haag.5 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus den Haager Konferenzen die Haager Konferenz für internationales Privatrecht.6 Seit der 1951 verabschiedeten Satzung7 weist die Haager Konferenz alle Merkmale einer permanenten völkerrechtlichen Organisation auf, so dass sie im internationalen Verkehr
Privatrechts? (2005) S. XI, XIII („Meilenstein in der Bewältigung transnationaler Wertpapierübertragungen“); Kronke, Unif. L. Rev. 2006, S. 470, 472 („remarkable achievement“). 4 Vgl. Art. 1 der Satzung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht. 5 Zur Geschichte der Haager Konferenz Kropholler, Internationales Einheitsrecht (1975), S. 59 ff.; Lipstein, 42 I.C.L.Q. 553 ff. (1993); Schack, RabelsZ Bd. 57 (1993), S. 224, 226 ff.; Basedow, in: Rauscher/Mansel (Hrsg.), FS Werner Lorenz (2001), S. 463, 464 ff.; von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 2 Rdnr. 25, § 3 Rdnr. 51 ff.; Schulz, 56 I.C.L.Q. 939 f. (2007). 6 Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 2 Rdnr. 25. 7 Angenommen am 31.10.1951, in Kraft getreten am 15.7.1955. Deutsche Bekanntmachung in BGBl. 1959, Teil II, S. 981; BGBl. 1983, Teil II, S. 732.
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
307
als rechtsfähig anerkannt wird.8 Nach dem Neubeginn hat diese Organisation insgesamt 39 multilaterale Übereinkommen erarbeitet.9 II. Entstehungsgeschichte der Konvention Mit dem Wertpapierübereinkommen hat sich die Haager Konferenz gegenüber ihren bisherigen Schwerpunkten im internationalen Familien- und Zivilprozessrecht ein neues Betätigungsfeld gesucht: das Kollisionsrecht des Kapitalmarkts.10 Auf globaler Ebene verfolgt sie mit der Konvention ähnliche Ziele, wie sie regional schon die europäischen Rechtsakte formulieren. So macht auch die Konferenz die Notwendigkeit aus, dem internationalen Finanzmarkt Rechtssicherheit über die anzuwendende Rechtsordnung zu verschaffen. Mittelbar sollen systemische Risiken und Kosten der grenzüberschreitenden Transaktionen verbuchter Wertpapiere verringert werden.11 Die Mitglieder der Konferenz empfanden die Anliegen als so dringlich, dass sie das Wertpapierübereinkommen im Vergleich zu früheren Haager Konventionen außerordentlich schnell erarbeitet haben.12 Den Startschuss für das Projekt gab der Beschluss einer Spezialkommission zu Allgemeinen Angelegenheiten und der Politik der Konferenz im Mai 2000, mit dem ein gemeinsamer Vorschlag der Delegationen von Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA aufgegriffen wurde.13 Zur Vorbereitung der weiteren Arbeiten veröffentlichte das Ständige Büro der Haager Konferenz im November 2000 einen umfassenden Bericht ihres Mitglieds Bernasconi, in dem grundlegende Probleme und erste Lösungsvorschläge erörtert wurden.14 Teil des sich anschließenden beschleunigten Verfahren (fast track procedure) war eine Expertenkonferenz im Januar 2001, die
8
S. 61.
Arnold, JZ 1965, S. 708 Fn. 3; Kropholler, Internationales Einheitsrecht (1975),
9 Vgl. die Übersicht auf den Internetseiten der Haager Konferenz unter (Stand: März 2014). 10 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 524. 11 Vgl. die Präambel zum HWpÜ. 12 Allgemein zur Genese der Konvention Crawford, 38 C.B.L.J. 157, 171 ff. (2003); Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 34; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 538. S. a. die ausführliche Chronologie in Anhang 2 zum Erläuternden Bericht des Übereinkommens, Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), S. 173 ff. 13 Conclusions of the Special Commission of May 2000 on General Affairs and Policy of the Conference, Prel. Doc. No 10 of June 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. I, S. 79, 95 f. 14 Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 11.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
einen ersten Entwurf für ein Übereinkommen diskutierte.15 Fortentwickelt wurde der Entwurf durch eine Redaktionsgruppe, die dabei Kommentare und Stellungnahmen von Mitgliedstaaten und interessierten Parteien auswertete. Im Januar 2002 folgte eine Spezialkonferenz, die einen neuen umfassenden Konventionsentwurf beschloss.16 Nach weiteren durch das Ständige Büro koordinierten Diskussionen fand die abschließende diplomatische Konferenz bereits zweieinhalb Jahre nach Beginn des Projekts im Dezember 2002 statt. Auf dieser wurde das Haager Wertpapierübereinkommen als 36. Konvention der Haager Konferenz am 13. Dezember angenommen.17 Zudem erschien nachfolgend ein von Goode, Kanda und Kreuzer verfasster offizieller Bericht zum Übereinkommen,18 der dessen komplexe Regelungen erläutern soll. Völkerrechtlich handelte es sich nach der Verabschiedung zunächst noch um einen bloßen Entwurf,19 der beim Depositar des Übereinkommens, dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, zur Zeichnung auflag. Traditionell galten die Haager Konventionen als am Tag der ersten Zeichnung geschlossen, was sich im Datum für ihre Titel niederschlug.20 Dementsprechend erhielt auch das HWpÜ den Status eines Übereinkommens und sein offizielles Datum erst mit der gemeinsamen Zeichnung durch die USA und die Schweiz am 5. Juli 2006.21 In Kraft trat das HWpÜ damit allerdings noch nicht: Art. 19 Abs. 1 HWpÜ verlangt insofern die Hinterlegung der dritten Ratifikationsoder Beitrittsurkunde sowie den Ablauf einer hieran anknüpfenden Frist 15
Report on the meeting of the Working Group of Experts (15 to 19 January 2001) and Related Informal Work conducted by the Permanent Bureau on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 82. 16 Vgl. als Ergebnis den Preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary as adopted by the Special Commission on 17 January 2002, Prel. Doc. No 8, of February 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 213. 17 Final Act of the Nineteenth Session, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. I, S. 35. 18 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005). 19 Reuschle, BKR 2003, S. 562 Fn. 1; ders., IPRax 2003, S. 495 Fn. 1; Deguée/Devos, R.D.C./T.B.H. 2006, S. 5, 6 Fn. 3. 20 Vgl. Germain/Kessedjian, Rev. crit. DIP Bd. 93 (2004), S. 49 Fn. 1; Kruger, 55 I.C.L.Q. 447, 454 (2007). Vgl. auch Hartley/Dagauchi, Explanatory Report (2007), Rdnr. 283 Fn. 316, zur Abkehr von dieser Praxis bei der dem HWpÜ folgenden Konvention. 21 Bonomi, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 9; Deguée, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 25, 26; Bernasconi, Seminar on Current Developments in Monetary and Financial Law (2006), S. 2 Fn. 5; Devos, Seminar on Current Developments in Monetary and Financial Law (2006), S. 53.
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
309
von drei Monaten. Bislang haben nur die Schweiz und Mauritius die Konvention ratifiziert und am 14. September bzw. 15. Oktober 2009 entsprechende Urkunden hinterlegt.22 Da also weiterhin das Inkrafttreten auf internationaler Ebene aussteht, hat die Schweiz das Übereinkommen über einen Verweis im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in ihr autonomes Recht inkorporiert.23 III. Europäische Dimension Zwischen Haager Übereinkommen und der europäischen Kollisionsrechtsharmonisierung besteht schon rein faktisch eine gewisse Interdependenz. Einerseits hängt der Erfolg der Konvention davon ab, ob sie auch für die international bedeutenden Finanzplätze in Europa Geltung erlangen wird.24 Andererseits entstünde angesichts der weltweiten Verflechtungen der Kapitalmärkte Druck zur Anpassung, wenn sich das Übereinkommen auf den konkurrierenden Märkten in Nordamerika und Asien durchsetzen sollte.25 Der gegenseitigen Bedeutung entspricht es, dass sich die damalige EG an dem Projekt in Den Haag beteiligt hat und umgekehrt die Haager Konferenz während der Entstehung und in der endgültigen Konvention auf die europäischen Besonderheiten eingegangen ist. 1.
Außenkompetenzen der Union
Über die strategischen Erwägungen hinaus ist es auch rechtlichen Notwendigkeiten geschuldet, dass die Haager Konferenz die Union bei ihrem Wertpapierübereinkommen eingebunden hat. Die regionale Harmonisierung des Kollisionsrechts in Europa wirkt sich unmittelbar auf die völkerrechtliche Kompetenzverteilung zwischen nationaler und supranationaler Ebene aus.26 Zwar bilden die europäischen Staaten noch immer einen har-
22 Zum Stand der Ratifikationen vgl. die Angaben unter (Stand: März 2014). 23 Art. 108 c IPRG, BBl. 2008, S. 8355; AS 2009, S. 6579. 24 Zur Bedeutung der EU für das HWpÜ etwa Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 207. 25 Eine globale Lösung über die europäische Ebene hinaus postulieren in der Literatur Bernasconi/Potok, IFLR 2003/1, S. 11, 12; Bernasconi, L’AGEFI, Jeudi 9 décembre 2004, S. 2; Devos, in: European Central Bank (Hrsg.), Liber Amicorum Paolo Zamboni Garavelli (2005), S. 377, 389; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005/11, S. 31, 32; Deguée, EUREDIA 2005, S. 205, 208; ders., in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 25, 36; Perkins, 21 JIBFL 43, 44 (2006). 26 Hierin unterscheidet sich die europäische Rechtsvereinheitlichung von anderen Beispielen einer regionalen Integration etwa in Lateinamerika; vgl. Lehmann, EuLF 2008, S. I-266.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
ten Kern in Den Haag,27 verlieren jedoch mit fortschreitender Überführung des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts in das unionale Sekundärrecht ihre Souveränität zum Abschluss entsprechender Konventionen. Sie sind in ihrer eigenständigen Handlungsfähigkeit in Den Haag zunehmend blockiert,28 was sich auch hinsichtlich des HWpÜ zeigt. a) Primärrechtliche Grundlagen Die Rechtsfähigkeit internationaler Organisationen ist nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts29 nicht originär vorgegeben, sondern derivativ erworben.30 Ihre Rechtssubjektivität bleibt durch die Kompetenzzuweisungen der Mitgliedstaaten beschränkt,31 weshalb auch für das völkerrechtliche Handeln der EU das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 2 EUV gilt.32 Der Umfang der übertragenen Kompetenzen zum Abschluss von Übereinkommen ist seit den Reformen durch den Vertrag von Lissabon33 ausdrücklich im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) primärrechtlich verankert. Zu differenzieren ist dabei zwischen der Frage nach dem Vorliegen einer Außenkompetenz und der Frage nach deren Ausschließlichkeit.34 Der erste Aspekt wird in Titel V des fünften Teils im AEUV zum auswärtigen Handeln der EU gere27 Boele-Woelki, in: Basedow u. a. (Hrsg.), Liber Amicorum Kurt Siehr (2000), S. 61, 75; Struycken, ZEuP 2004, S. 276, 285. 28 Metaphorisch sieht Struycken, WPNR 2000, S. 735, „Brüsseler Schatten über Den Haag“. 29 Diese sind trotz des besonderen Verdichtungsgrads der EU anwendbar, vgl. Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (2010), § 16 I; zur EG von der Groeben/Schwarze-Tomuschat, Kommentar zum EU- und EG-Vertrag, Bd. 4 (2004), Art. 281 EG Rdnr. 4. 30 Überwiegende Auffassung, vgl. nur Ipsen, Völkerrecht (2004), § 6 Rdnr. 5 f.; Calliess/Ruffert-Wichard, EUV/AEUV (2011), Art. 47 EUV Rdnr. 1. 31 Festgehalten in der Schlussakte der Regierungskonferenz zum Vertrag von Lissabon in Erklärung Nr. 24 zur Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union, ABl. C 306 vom 17.12.2007, S. 258. Zur EG in der Literatur von der Groeben/Schwarze-Tomuschat, Kommentar zum EU- und EG-Vertrag, Bd. 4 (2004), Art. 281 EG Rdnr. 4. Vgl. auch Art. 6 des (noch nicht in Kraft getretenen) Wiener Übereinkommens (auch: Konvention) vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (WVKIO), BGBl. 1990, Teil II, S. 1415. 32 In Bezug auf das völkerrechtliche Handeln der damaligen EG EuGH v. 31.3.1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263 Tz. 15, EuGH v. 14.7.1976, verb. Rs. 3, 4 u. 6/76 (Kramer), Slg. 1976, S. 1279 Tz. 20. 33 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13.12.2007, ABl. C 306 vom 17.12.2007, S. 1. 34 Lenz/Borchardt-Lenski, EU-Verträge (2010), Art. 3 AEUV Rdnr. 17.
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gelt. Art. 216 Abs. 1 AEUV sieht eine völkerrechtliche Kompetenz der Union in vier Varianten vor: wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist (1. Var.) oder wenn der Abschluss zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele erforderlich ist (2. Var.), in einem verbindlichen Rechtsakt der Union vorgesehen ist (3. Var.) oder gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte (4. Var.). Der zweite Aspekt, die Ausschließlichkeit dieser Außenkompetenz, ergibt sich sodann aus den drei Varianten des Art. 3 Abs. 2 AEUV: Allein die EU ist zuständig, wenn der Abschluss der Übereinkunft in einem ihrer Gesetzgebungsakte vorgesehen ist, der Abschluss notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit der Abschluss gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte. Obwohl die Fallgruppen in beiden Normen ähnlich formuliert sind, kann die Außenkompetenz der EU in bestimmten Konstellationen nicht ausschließlich, sondern nur mit den Mitgliedstaaten geteilt35 sein.36 Unabhängig vom Charakter der unionalen Kompetenz muss ein völkerrechtlicher Vertrag jedenfalls dann als gemischtes Übereinkommen sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der Union geschlossen werden, wenn der Gegenstand des Vertrages über den Zuständigkeitsbereich der EU hinausgeht.37 Für eine geschlossene völkerrechtliche Vertretung der Union bei derartigen Verträgen postuliert der EuGH eine Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Organen der Union und den Mitgliedstaaten.38 b) Rechtsprechung des EuGH zu impliziten Außenkompetenzen Die genaue Tragweite der verschiedenen Tatbestandsvarianten des Art. 216 AEUV erschließt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu impliziten Außenkompetenzen der damaligen Gemeinschaft, die mit der Be-
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Zur geteilten Zuständigkeit der EU allgemein Artt. 2 Abs. 2, 4 AEUV. Insbesondere dann, wenn die Übereinkunft der Verwirklichung der Vertragsziele dient (Art. 216 Abs. 1 Var. 2 AEUV) und noch keine Sekundärrechtsakte erlassen worden sind, die beeinträchtigt werden könnten, vgl. Lenz/Borchardt-Booß, EU-Verträge (2010), Art. 216 AEUV Rdnr. 17; Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (2010), § 16 III. S. a. zum insofern parallelen, nicht in Kraft getretenen Europäischen Verfassungsvertrag (EVV) Vedder/Heintschel von Heinegg-Vedder, Europäischer Verfassungsvertrag (2007), Art. I-13 Rdnr. 2, 5; Martenczuk, in: Hummer/Obwexer (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung für Europa (2007), S. 177, 186. 37 Lenz/Borchardt-Booß, EU-Verträge (2010), Art. 216 AEUV Rdnr. 13; Streinz-Mögele, EUV/AEUV (2012), Art. 300 EGV Rdnr. 40. Zur EG von der Groeben/SchwarzeTomuschat, Kommentar zum EU- und EG-Vertrag, Bd. 4 (2004), Art. 300 EG Rdnr. 14; Grabitz/Hilf-Nettesheim, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 2 EUV Rdnr. 46. 38 (In Bezug auf die EG) EuGH v. 15.11.1994, Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, S. I-5267 Tz. 108. 36
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
stimmung primärrechtlich kodifiziert39 wird.40 Ausgangspunkt ist die Entscheidung in der Rechtssache AETR, nach der sich die Zuständigkeit der Gemeinschaft zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge nicht nur aus einer ausdrücklichen Zuweisung durch den EG-Vertrag, sondern auch stillschweigend aus anderen Vertragsbestimmungen und den in deren Rahmen ergangenen Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane ergeben kann.41 Dahinter steht die Erwägung, dass völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die die gemeinschaftsinterne normsetzende Tätigkeit konterkarieren, verhindert werden müssen.42 In nachfolgenden Urteilen und Gutachten hat der EuGH an den grundsätzlichen Aussagen der Entscheidung AETR festgehalten43 und diese – wenn auch nicht immer geradlinig44 – fortentwickelt. Ein Schwerpunkt war dabei die Frage, ob die interne Zuständigkeit zuvor für eine Maßnahme genutzt worden sein muss. Insofern lassen sich der Rechtsprechung grob drei Kernpunkte entnehmen: Schon aus der Ausgangsentscheidung ergibt sich, dass der EU zumindest im Anwendungsbereich eines bereits erlassenen Binnenrechtsakts parallel nach außen die externe Kompetenz zusteht.45
39 Schon früher hatten die Grundsätze des Gerichtshofs in der Rechtssache AETR Anerkennung gefunden als völkerrechtlich authentische Auslegung der Gründungsverträge durch Erklärung Nr. 10 der Schlussakte des Maastrichter Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, ABl. C 191 vom 29.7.1992, S. 1. 40 Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (2010), § 16 III. 41 Vgl. EuGH v. 31.3.1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263 Tz. 16. 42 Struycken, ZEuP 2004, S. 276, 281. S. a. Basedow, in: Schwenzer/Hager (Hrsg.), FS Schlechtriem (2003), S. 165, 169 f. Überblick zur AETR-Rechtsprechung bei Bischoff, EuZW 2006, S. 295 ff.; ders., Die Europäische Gemeinschaft und die Konventionen des einheitlichen Privatrechts (2010), S. 139 f. S. a. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht (2014), § 38 III.1.c). 43 Vgl. EuGH v. 14.7.1976, verb. Rs. 3, 4 u. 6/76 (Kramer), Slg. 1976, S. 1279 Tz. 20; EuGH v. 26.4.1977, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds), Slg. 1977, S. 741 Tz. 3; EuGH v. 10.4.1992, Gutachten 1/92 (EWR II), Slg. 1992, S. I-2821 Tz. 39; EuGH v. 19.3.1993, Gutachten 2/91 (ILO), Slg. 1993, S. I-1061; EuGH v. 15.11.1994, Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, S. I-5267 Tz. 76; EuGH v. 24.3.1995, Gutachten 2/92 (OECD), Slg. 1995, S. I-521; EuGH v. 28.3.1996, Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1763 Tz. 26; stellvertretend für 8 Urteile zum Open Skies-Abkommen mit den USA EuGH v. 5.11.2002, Rs. C-476/98 (Kommission/Deutschland), Slg. 2002, S. I-9855 Tz. 103; EuGH v. 2.6.2005, Rs. C-266/03 (Kommission/Luxemburg), Slg. 2005, S. I-4805 Tz. 40; EuGH v. 14.7.2005, Rs. 433/03 (Kommission/Deutschland), Slg. 2005, S. I-6895 Tz. 42; EuGH v. 7.2.2006, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, S. I-1145 Tz. 114 ff.; EuGH v. 30.5.2006, Rs. C-459/03 (Kommission/Irland), Slg. 2006, S. I-4635 Tz. 94. 44 Treffend Oppermann, Europarecht (2. Aufl. 1999), Rdnr. 1704: „mäanderartige Fortentwicklung“. 45 EuGH v. 31.3.1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263 Tz. 28, vgl. auch Tz. 30.
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Darüber hinaus hat der Gerichtshof eine externe Kompetenz ohne vorherige interne Maßnahme bejaht, wenn die Beteiligung der Gemeinschaft an der völkerrechtlichen Vereinbarung zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft notwendig war.46 Allerdings hat der Gerichtshof diesen zweiten Kern eher restriktiv gehandhabt und eine Außenzuständigkeit lediglich dann angenommen, wenn die internen Befugnisse wirksam nur zugleich mit der externen Zuständigkeit ausgeübt werden konnten.47 Schließlich hat der Gerichtshof im Gutachten 1/94 noch eine dritte Linie eröffnet: Wenn die Gemeinschaft in ihre Binnenrechtsakten Klauseln über die Behandlung von Drittstaatsangehörigen aufgenommen oder ihren Organen sogar ausdrücklich eine Zuständigkeit zu Verhandlungen mit Drittstaaten übertragen hat, so erwerbe sie dadurch eine ausschließliche externe Zuständigkeit.48 Weiterer Schwerpunkt der Rechtsprechung zu impliziten Außenkompetenzen der damaligen EG war die Frage, ob es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt, die die äußere Souveränität der Mitgliedstaaten vollständig verdrängt.49 Nach dem EuGH scheidet die Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Eingehung völkerrechtlicher Verpflichtungen etwa dann aus, wenn Rechtsnormen der Gemeinschaft beeinträchtigt oder in ihrer Tragweite geändert werden könnten.50 c) Konsequenzen für das Effektengiro Nach den dargelegten Grundsätzen ist gegenwärtig nicht von einer alleinigen Zuständigkeit der Union für das Haager Wertpapierübereinkommen auszugehen. Mangels expliziter Zuweisung von Außenkompetenzen für die Kollisionsrechtsharmonisierung51 kann sich die externe Zuständigkeit der Union für den Bereich des Effektengiros nur aus den Varianten des Art. 216 Abs. 1 AEUV für eine „implizite“ Zuständigkeit ergeben. Legt man diesen die bisherigen Grundsätze des EuGH zugrunde, so muss zu46 EuGH v. 26.4.1977, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds), Slg. 1977, S. 741 Tz. 4; EuGH v. 14.7.1976, verb. Rs. 3, 4 u. 6/76 (Kramer), Slg. 1976, S. 1279 Tz. 33. S. a. EuGH v. 7.2.2006, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, S. I-1145 Tz. 114. 47 EuGH v. 15.11.1994, Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, S. I-5267 Tz. 89; EuGH v. 5.11.2002, Rs. C-467/98 (Kommission/Dänemark), Slg. 2002, S. I-9519 Tz. 83. 48 EuGH v. 15.11.1994, Gutachten 1/94 (WTO), Slg. 1994, S. I-5267 Tz. 95. 49 Je nach Fragestellung hat der EuGH die Ausschließlichkeit der Kompetenz nicht gesondert von ihrem Vorliegen geprüft. Die grundsätzliche Differenzierung beider Punkte hat er jedoch wiederholt zum Ausdruck gebracht; vgl. nur aus der jüngeren Rspr. EuGH v. 7.2.2006, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, S. I-1145 Tz. 134 und EuGH v. 30.5.2006, Rs. C-459/03 (Kommission/Irland), Slg. 2006, S. I-4635 Tz. 93. 50 EuGH v. 31.3.1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263 Tz. 22. 51 Vgl. zum EG-Vertrag Basedow, in: Schwenzer/Hager (Hrsg.), FS Schlechtriem (2003), S. 165, 169 f.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
nächst die 2. Variante der Norm, die Erforderlichkeit zur Verwirklichung eines der in den Verträgen festgesetzten Ziele, ausscheiden. Der EuGH hat die externe Kompetenz der Gemeinschaft nur sehr zurückhaltend aus einer zuvor im Inneren nicht ausgeübten Zuständigkeit abgeleitet. Keine der für die Kollisionsnormen des Effektengiros herangezogenen Ermächtigungen erscheint aber als untrennbar mit dem Abschluss eines betreffenden völkerrechtlichen Übereinkommens verbunden.52 Dass internes Handeln auf dem Gebiet des IPR nicht unabdingbar mit betreffenden Vereinbarungen zu Drittstaaten verknüpft ist, hat der europäische Gesetzgeber beispielsweise indirekt in seinen Verordnungen zum internationalen Schuldrecht zu erkennen gegeben: Zur Wahrung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten lassen die Rom I- und Rom II-Verordnung einschlägige kollisionsrechtliche Übereinkommen, denen zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung neben Mitgliedstaaten auch Drittstaaten angehören, unberührt.53 Eine externe Zuständigkeit der EU zum Abschluss des HWpÜ folgt aber aus der letzten Variante von Art. 216 Abs. 1 AEUV.54 Die Fallgruppe setzt voraus, dass der Abschluss des Übereinkommens gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern könnte. Im Lichte der AETR-Rechtsprechung geht es um den Kern impliziter Außenkompetenzen, das Vorliegen eines Binnenrechtsakts auf dem Gebiet des betreffenden Übereinkommens. Intern hat die Union auf der Grundlage von Art. 114 AEUV (ex Art. 100 a EGV a. F., ex Art. 95 EG) vor allem die Kollisionsregeln in Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie erlassen. Darüber hinaus sind auch die Anknüpfungsnormen in der Rom I-VO auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) AEUV (ex Artt. 61 lit. c), 65 EG) zu beachten: Die speziellen Kollisionsbestimmungen der beiden Richtlinien verdrängen zwar in ihrem jeweiligen Anwendungsgebiet die Vorschriften der Verordnung. Für nicht von den Richtlinien erfasste Fragen bleibt jedoch in schuldrechtlich konstruierten Depotsystemen Raum für die Rom I-VO, so dass sie ebenfalls als ein Binnenrechtsakt auf dem Gebiet des Haager Übereinkommens einzuordnen ist. Hingegen betreffen 52 Gegen eine Außenkompetenz der damaligen EG auf dem Gebiet des IPR ohne vorherigen Binnenrechtsakt Dohrn, Die Kompetenzen der EG im IPR (2004), S. 167. 53 Art. 25 Rom I-VO; Art. 28 Rom II-VO. 54 Der Sache nach begründet auch die Kommission die Außenkompetenz – auf der Grundlage der AETR-Rechtsprechung und hinsichtlich der EG – mit dieser Fallgruppe, s. Erwägungsgrund 4 und Anhang II Tz. 4 des Vorschlags der Kommission vom 15. Dezember 2003 für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des HWpÜ, KOM(2003) 783 endg. Vgl. auch die Zuständigkeitserklärung der EG, Anhang II zum Beschluss 2006/719/EG des Rates vom 5. Oktober 2006 über den Beitritt der Gemeinschaft zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, ABl. L 297 vom 26.10.2006, S. 1, 5.
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die EuInsVO sowie die auf der Basis von Artt. 62, 53 Abs. 1 AEUV (ex Artt. 55, 47 Abs. 2 EG) erlassenen Spezialrichtlinien zu Banken und Versicherungen nur insolvenzrechtliche Fragestellungen, die eine gewisse Nähe zum HWpÜ aufweisen, gleichwohl von dessen Anwendungsbereich ausgenommen sind.55 Da den genannten internen Rechtsakten konstitutive Bedeutung für eine Außenkompetenz der EU zukommt, sind auch ihre jeweiligen Limitierungen zu beachten. Zwar hat der Gerichtshof für eine Gemeinschaftszuständigkeit keine vollständige Übereinstimmung der Anwendungsgebiete von Gemeinschaftsnormen und Übereinkommen verlangt und stattdessen auf eine umfassende und konkrete Analyse abgestellt, die auch Natur und Inhalt der jeweiligen Vorschriften berücksichtigt.56 Gegenwärtig besteht jedoch für das Kollisionsrecht des Effektengiros in der EU noch kein geschlossenes, kohärentes System,57 sondern nur ein lückenhaftes Mosaik. Völkerrechtliches Handeln der Mitgliedstaaten außerhalb des Gegenstandes der fragmentarischen europäischen Bestimmungen führt nicht von vornherein zu deren Beeinträchtigung. Der Umfang der unionalen Außenkompetenz wird dementsprechend dadurch eingeengt, dass die Reichweite von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie sachlich auf Wertpapiersicherheiten sowie in persönlicher Hinsicht beschränkt bleibt. Auch die Rom I-VO führt zu keiner wesentlichen Ausweitung, da sie allenfalls für bestimmte Kontopositionen zur Anwendung kommt. Das HWpÜ überwindet demgegenüber solche Begrenzungen und deckt das Effektengiro erschöpfend ab. Im Ergebnis handelt es sich daher bei der Haager Konvention aus Sicht der EU um ein gemischtes Übereinkommen, welches gemeinsam mit den Mitgliedstaaten abzuschließen ist.58 Auch die Organe der EU scheinen von einer solchen Einordnung auszugehen.59 55
Nach Art. 8 Abs. 1 HWpÜ beansprucht das Übereinkommen nur in Bezug auf vor der Eröffnung des betreffenden Insolvenzverfahrens eingetretene Ereignisse Geltung; nach Art. 8 Abs. 2 HWpÜ enthält es sich gegenständlich jeglicher Aussagen zu den anwendbaren Vorschriften des Insolvenzrechts. Hierzu noch unten § 11 B. I. 3. 56 Vgl. EuGH v. 7.2.2006, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, S. I-1145 Tz. 124 ff. 57 So die Einordnung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in der EuGVO, mit der der EuGH die Gefahr der Beeinträchtigung und damit die (ausschließliche) Zuständigkeit der damaligen EG begründete, s. EuGH v. 7.2.2006, Gutachten 1/03 (Lugano), Slg. 2006, S. I-1145 Tz. 151. 58 Potok, 15 JBFLP 204, 212 (2004); Saager, Die Bank 11/2005, S. 24, 26; Deguée/Devos, R.D.C./T.B.H. 2006, S. 14; ders., in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 25, 37; Bischoff, Die Europäische Gemeinschaft und die Konventionen des einheitlichen Privatrechts (2010), S. 182 f. Wohl a. A. Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 143 (aufgrund der Ausübung der Binnenkompetenz ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft). 59 Vgl. Rat der Europäischen Union, Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des HWpÜ, Dok. 14836/04 JUSTCIV 176 vom 19.11.2004, S. 3; Com-
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Mit Blick auf die Zukunft ist allerdings noch darauf hinzuweisen, dass die Kompetenzverteilung aufgrund der Akzessorietät zum internen acquis communautaire Änderungen unterliegt. Soweit die Union die Pläne für eine Abrundung ihres autonomen Rechtsrahmens in Form der Wertpapierrechtsrichtlinie verwirklicht, erweitert sich auch ihre externe Zuständigkeit auf das gesamte HWpÜ. Zugleich ist für diesen Fall von einer ausschließlichen Natur der Zuständigkeit auszugehen, die den Mitgliedstaaten jegliche Beteiligung versperren würde. 2.
Berücksichtigung der EU
Für ihr Wertpapierübereinkommen hat die Haager Konferenz auf den Verlust an externer Handlungsfähigkeit ihrer europäischen Mitglieder reagiert und die Union bzw. die damalige Gemeinschaft in verschiedener Hinsicht in das Projekt integriert. a) Einbindung ex ante Bereits während der Erarbeitung der Konvention lässt sich eine Berücksichtigung der supranationalen Ebene in Europa feststellen. Formell wurde die durch die regionale Kollisionsrechtsharmonisierung modifizierte Kompetenzverteilung zwar erst nach Verabschiedung des Übereinkommensentwurfs nachvollzogen: Mit Hinterlegung der Erklärung über die Annahme der Satzung der Konferenz am 3. April 2007 trat die Europäische Gemeinschaft der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht bei,60 so dass der Rechtsnachfolger der Gemeinschaft, die EU, bei zukünftigen Projekten den Status eines vollwertigen Mitglieds hat.61 Den Beitritt ermöglicht hatte eine Änderung der Satzung der Konferenz, mit der einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration (Regional Economic Integration Organisation – REIO) die Mitgliedschaft ermöglicht wurde,62 sowie die Zustimmung der übrigen Mitglieder zum Aufnahmeantrag63 der EG.64
mission Staff Working Document, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910 vom 3.7.2006, S. 20 f. 60 Report of the Council on General Affairs and Policy of the Conference of 2-4 April 2007, Prel. Doc. No 24 of July 2007, S. 39. 61 Weitere Einzelheiten zum Beitritt der EG bei Wagner, IPRax 2007, S. 375 f. 62 Art. 3 der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenenen Fassung, BGBl. 2006, Teil II, S. 1417. Künftig könnten der EU andere regionale Organsiationen folgen; zu dieser Perspektive Basedow, Unif. L. Rev. 2003, S. 31, 36 („dawn of inter-regionalism“); Schulz, 56 I.C.L.Q. 939, 942 (2007); Kronke, ZEuP 2008, S. 1, 4. 63 Vgl. Beschluss 2006/719/EG des Rates vom 5. Oktober 2006 über den Beitritt der Gemeinschaft zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, ABl. L 297 vom 26.10.2006, S. 1.
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Auch ohne den offiziellen Mitgliedsstatus war die Gemeinschaft jedoch in einem Umfang an der Entstehung des HWpÜ beteiligt, der sich gleichsam als Vorgriff auf ihre spätere Stellung darstellt. An jeder der drei Plenarsitzungen65 nahmen Repräsentanten der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union als Beobachter teil; zudem waren Europäische Zentralbank (EZB) und Europäische Investitionsbank als weitere europäische Institutionen vertreten.66 Der Status als Beobachter mag im Allgemeinen eher passive Züge tragen;67 von den sonstigen zwischen- und nichtstaatlichen Organisationen, die an der Erarbeitung des HWpÜ mitwirkten, hob sich die EG aber deutlich ab. Neben der aktiven Beteiligung auf den Sitzungen trugen dazu die Stellungnahmen zu einzelnen Vorentwürfen bei, in denen insbesondere die EZB die europäische Perspektive vermittelte.68 Als Bindeglied und Transmissionsriemen für europäische Interessen wurden von europäischer Seite auch die gemeinsamen Mitgliedstaaten verstanden,69 die schon frühzeitig auf das bestehende europäische Recht hinwiesen.70 Insgesamt rechtfertigt das Ausmaß der mit-
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Report of the Council on General Affairs and Policy of the Conference of 2-4 April 2007, Prel. Doc. No 24 of July 2007, S. 36 f. 65 Expertenkonferenz im Januar 2001, Spezialkommission im Januar 2002 und abschließende Diplomatische Konferenz im Dezember 2002. 66 Zur Zusammensetzung aus Repräsentanten von Mitgliedstaaten und Beobachtern s. die Teilnehmerlisten zur Expertenkonferenz, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 122 ff.; zur Spezialkonferenz, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 208 ff.; und zur Diplomatischen Konferenz, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 380 ff. 67 Basedow, Unif. L. Rev. 2003, S. 31, 43. 68 Comments received on the „April 2002 preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary“ (Prel. Doc. No 10), Prel. Doc. No 14 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 282 ff.; Comments received on the „Preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary“ (Prel. Doc. No 15) and on „Options A and B in Article 4(1)“ (Prel. Doc. No 16), Prel. Doc. No 18 of November 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 328 ff. 69 Symptomatisch die Aufforderung der Europäischen Zentralbank (EZB) an die Mitgliedstaaten, bei der Ausarbeitung des HWpÜ eine Abstimmung mit den europäischen Richtlinien zu finden, s. Stellungnahme der EZB vom 13. Juni 2001 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, ABl. C 196 vom 12.7.2001, S. 10, 12 Rdnr. 19. 70 Vgl. die frühen Verweise Dänemarks, Spaniens und Finnlands auf das Recht der EG, Comments received on the „Annotated July 2001 draft“ (Prel. Doc. No 3), Prel. Doc. No 5 of November 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 164 ff.
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tel- und unmittelbaren Beteiligung der Gemeinschaft eine Charakterisierung als De-facto-Mitglied.71 b) Einbindung ex post Im verabschiedeten Übereinkommen findet die Integration der Union ihren Kulminationspunkt in einer bestimmten Klausel: Mit Art. 18 HWpÜ wird erstmals in einer Haager Konvention72 Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration Unterzeichnung oder Beitritt ermöglicht, was auf die damalige EG und jetzige EU abzielt.73 Als unmittelbares Vorbild74 diente dabei Art. 48 des UNIDROIT/ICAO-Übereinkommens vom 16. November 2001 über Internationale Sicherungsrechte an beweglichen Ausrüstungsgegenständen (Übereinkommen von Kapstadt).75 Die Norm des HWpÜ ist ihrerseits zum Muster für entsprechende Zulassungsklauseln in den folgenden Haager Konventionen76 geworden. Eine Legaldefinition der „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“ enthält das HWpÜ nicht.77 Mit Blick auf die beabsichtigte 71 So für die ähnliche Rolle der EG bei den Arbeiten am nachfolgenden Übereinkommen Schulz, 56 I.C.L.Q. 939, 942 (2007). 72 Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, S. 117, 119; dies., EUREDIA 2005, S. 213, 245; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 543; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 207; Cashin Ritaine, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 85, 91. 73 Vgl. den Beitrag des Vorsitzenden des Redaktionsausschusses, Minutes No 15, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 537, 541; s. a. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 18-1. 74 Vgl. den Verweis des Vorsitzenden des Redaktionsausschusses auf die Norm des UNIDROIT-Übereinkommens, Minutes No 15, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 537, 541; s. a. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 18-1. 75 Authentische Sprachfassungen abrufbar unter (Stand: März 2014); deutsche Übersetzung abgedruckt in ABl. L 121 vom 15.5.2009, S. 8. S. a. den Beschluss des Rates vom 6. April 2009 zur Genehmigung des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zu dem Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung und zu dem zugehörigen Protokoll über Luftfahrzeugausrüstung, die gemeinsam am 16. November 2001 in Kapstadt angenommen wurden, ABl. L 121 vom 15.5.2009, S. 3. 76 Art. 29 des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (HGÜ); Art. 59 des Haager Übereinkommens über die internationale Geltendmachung von Unterhaltsleistungen für Kinder und andere Familienangehörige vom 23. November 2007 (HUÜ); Art. 24 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP). Authentische englische und französische Versionen der Übereinkommen abrufbar unter (Stand: März 2014). 77 Vgl. aber die Definition in Art. 3 Abs. 9 der Satzung der Haager Konferenz: „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration bedeutet eine ausschließlich von souveränen Staaten gebildete internationale Organisation, der ihre Mitgliedstaaten die Zustän-
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Einbeziehung der EG (bzw. EU) sollten die einzelnen Elemente des Begriffs nicht zu eng, sondern in einem flexiblen Sinne ausgelegt werden: So darf dem Zweck einer wirtschaftlichen Intergration nicht entgegenstehen, dass die Organisation noch andere Ziele verfolgt.78 Schließlich ist die Union mittlerweile weit mehr als eine reine Wirtschaftsgemeinschaft.79 Und auch die regionale Reichweite ist nicht in einem strengen Sinne zu verstehen, da sich die EU künftig über die geografischen Grenzen Europas ausdehnen könnte und umgekehrt gegenwärtig noch nicht alle europäischen Staaten umfasst. Was vielmehr eine REIO von einer sonstigen internationalen Organsation entscheidend abhebt, bringt Art. 18 Abs. 1 S. 1 HWpÜ in seiner Charakterisierung der Integrationsorganisation zum Ausdruck: Sie muss ausschließlich von souveränen Staaten gebildet werden, die ihr die Zuständigkeit für bestimmte durch dieses Übereinkommen erfasste Fragen übertragen haben. Kennzeichnend ist also der Verlust an völkerrechtlicher Handlungsfähigkeit der Mitgliedsländer. Auffällig an der Formulierung von Art. 18 HWpÜ ist, dass offensichtlich nur eine auf bestimmte Fragen beschränkte Zuständigkeit der damaligen EG für möglich gehalten wurde. Die nachfolgenden Haager Konventionen enthalten demgegenüber eine gesonderte Regelung für den Fall, dass ausschließlich die Union für alle Fragen des jeweiligen Übereinkommens zuständig ist.80 Genau dies kann auch bei dem HWpÜ nach Fortschreibung des autonomen Rechtsrahmens in Form der Wertpapierrechtsrichtlinie der Fall sein. Trotz seines Wortlauts ließe sich Art. 18 HWpÜ allerdings wohl nicht nur als Grundlage für einen Abschluss als gemischtes Übereinkommen, sondern auch für einen alleinigen Beitritt der Union heranziehen. Auf Rechtsfolgenseite eröffnet Art. 18 HWpÜ einem REIO die Möglichkeit, wie ein souveräner Staat Partei des Übereinkommens zu werden. Lediglich der Weg über eine Ratifikation wurde ausgelassen, da dieser nur Staaten offen steht.81 Zur Vermeidung von Unklarheiten bei Drittsstaaten digkeit für eine Reihe von Angelegenheiten übertragen haben, einschließlich der Befugnis, in diesen Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen, die für ihre Mitgliedstaaten bindend sind.“ 78 Zur REIO-Klausel im neuen Statut der Haager Konferenz Schulz, 56 I.C.L.Q. 944. (2007). Während der Vorarbeiten zum HWpÜ wurden Zweifel an der Beschränkung auf die Wirtschaftsintegration geäußert, s. Comments received on the „Annotated July 2001 draft“ (Prel. Doc. No 3), Prel. Doc. No 5 of November 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 164, 181. 79 Vgl. nur die Zielbestimmungen in Art. 3 EUV. 80 Vgl. einerseits Art. 29 HGÜ, andererseits Art. 30 HGÜ; ähnliche Differenzierung in Art. 59 Abs. 1, 3 HUÜ und in Art. 24 Abs. 1, 3 HUP. 81 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 18-1; für internationale Organisationen sieht Art. 11 Abs. 2 WVKIO stattdessen einen „Akt der förmlichen Bestätigung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2bis WVKIO vor.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
über die abgeleiteten Kompetenzen der Organisation sieht Art. 18 Abs. 2 HWpÜ dabei eine Pflicht vor, den Depositar über die Zuständigkeiten des REIO zu notifizieren und dies bei Veränderungen zu wiederholen.82 Nach Art. 18 Abs. 3 HWpÜ umfasst der Begriff des „Vertragsstaats“ in den Bestimmungen der Konvention auch eine Partei gewordene Organisation, wenn der Zusammenhang dies erfordert. Anzumerken ist, dass dies keine Auswirkung auf die Auslegung des Begriffes „Staat“ im Übereinkommen hat. Ein Sachverhalt weist daher auch nach dem Beitritt einer Integrationsgemeinschaft die von Art. 3 HWpÜ für die Anwendbarkeit des Übereinkommens geforderte Verbindung zu den Rechtsordnungen verschiedener „Staaten“ auf, wenn es sich um einen Binnensachverhalt innerhalb der Organisation handelt. Für das Nebeneinander einer REIO und ihrer Mitglieder als Parteien des Übereinkommens sieht das HWpÜ eine materielle Spaltung entsprechend der Kompetenzverteilung vor. Nach Art. 18 Abs. 1 S. 2 HWpÜ hat die Organisation Rechte und Pflichten eines Vertragsstaates nur in dem Umfang, in dem sie – und nicht mehr ihre Mitglieder – für durch das Übereinkommen erfasste Fragen zuständig ist.83 Theoretisch ist damit der Weg für einen Beitritt der Organisation unabhängig von ihren Mitgliedern eröffnet. Würde sie Partei des gesamten Übereinkommens, so müssten aufgrund der resultierenden Kompetenzdefizite die Organisation und alle Mitglieder gleichzeitig ihre Beitrittsurkunden zum Beitritt hinterlegen;84 die Gefahr der Blockade oder Verzögerung durch einzelne Mitglieder wäre heraufbeschworen.85 Praktisch scheidet der Weg eines unabhängigen Beitritts beim HWpÜ allerdings dennoch aus, da die europäische Kompetenzverteilung mit ihrer Orientierung an den punktuellen Binnenrechtsakten im Wertpapierübereinkommen nicht sinnvoll nachvollzogen werden kann.86 Einzelne 82
S. den Entwurf für eine entsprechende Erklärung in Anhang II des Vorschlages der Kommission vom 15. Dezember 2003 für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediärverwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung, KOM(2003) 783 endg. 83 Die Rechtsstellung der Mitgliedsländer ist spiegelbildlich beschränkt; s. zur REIO-Klausel im Übereinkommen von Kapstadt Henrichs, IPRax 2003, S. 210, 216. 84 Hierin liegt eine stillschweigende gegenseitige Ermächtigung, die auf völker- und gemeinschaftsrechtlicher Ebene zur Heilung führt; s. Streinz, Europarecht (2005), Rdnr. 488 f.; Sattler, Gemischte Abkommen und gemischte Mitgliedschaften der EG und ihrer Mitgliedstaaten (2007), S. 66 ff. 85 Zur Problematik in Bezug auf das Übereinkommen von Kapstadt Kreuzer, in: Schwenzer/Hager (Hrsg.), FS Schlechtriem (2003), S. 869, 876 f.; Honnebier/Milo, 12 ERPL 3, 4 f. (2004); Bollweg/Kreuzer, IPRax 2008, S. 176, 179. Weitere Beispiele bei Sattler, Gemischte Abkommen und gemischte Mitgliedschaften der EG und ihrer Mitgliedstaaten (2007), S. 137 ff. 86 Demgemäß wurde eine Erklärung der im Rat vereinigten Mitgliedstaaten entworfen, nach der sich diese bemühen, das HWpÜ zu demselben Zeitpunkt wie die Gemein-
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im Übereinkommen geregelte Fragen müssten nach im Wortlaut nicht angelegten Kriterien wie dem verfolgten Zweck einer Verfügung oder den beteiligten Personen aufgespalten werden, um die Grenzen der Parteistellung der Union nachzuvollziehen – das mit dem HWpÜ verfolgte Ziel der Rechtssicherheit für die Kapitalmärkte würde gleichsam konterkariert. 3.
Verbliebene Probleme
Trotz der Integration der EG haben sich bei dem Wertpapierübereinkommen problematische Konsequenzen des Kompetenzverlustes der europäischen Mitgliedstaaten für die Haager Konferenz gezeigt. Davon betroffen war schon die Entstehung der Konvention: Zwischenzeitlich drohte auf der Diplomatischen Konferenz eine Lähmung der Delegierten der europäischen Mitgliedstaaten, als die Kommission diesen im fortgeschrittenen Stadium der Arbeiten noch schwerwiegende Bedenken vortrug.87 Eine Krise der Konferenz konnte nur dadurch abgewendet werden, dass eine rasche Entscheidung des Ausschusses der ständigen Vertreter beim Rat (Comité des représentants permanents – COREPER) zu den strittigen Fragen erfolgte.88 Auf der Diplomatischen Konferenz deutete sich daneben auch ein anderer negativer Effekt der Integration der EU gleichsam in umgekehrter Richtung an: Die besondere Rücksichtnahme birgt die Gefahr, dass außereuropäische Mitglieder der Konferenz dies als zu starke Betonung nationaler Eigenheiten empfinden.89 Auf der Diplomatischen Konferenz zum HWpÜ fiel etwa die Bemerkung des Vertreters der USA, dass „interne Angelegenheiten“ wie die Finanzsicherheitenrichtlinie nicht das internationale Forum in Den Haag binden sollten; seine Delegation bringe ihr internes Recht auch nicht als Begrenzung für das Vorgehen anderer vor.90 schaft zu unterzeichnen, s. Anlage zum Vermerk des Generalsekretariats des Rates für den AStV/Rat, Dok. 14828/04 JUSTCIV 175 vom 19.11.2004, S. 4. 87 Vgl. die Schilderung der Vorgänge durch den Vorsitzenden der Niederländischen Staatskommission Struycken, der an der 19. Diplomatischen Konferenz als deren Präsident und zugleich als Vertreter der Niederlande teilnahm, in: ZEuP 2004, S. 276, 289; s. a. die allgemein kritische Beurteilung der Rolle der Kommission für das HWpÜ bei Goode/Kronke/McKendrick, Transnational Commercial Law (2007), Rdnr. 6.44, und Goode, 54 I.C.L.Q. 539, 561 (2005). 88 Vgl. den Hinweis auf eine einstimmige Unterstützung durch COREPER für den vom HWpÜ festgeschriebenen Ansatz im Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2003 für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung, KOM(2003) 783 endg., Rdnr. 5. 89 Allgemein zu dieser Problematik bei der globalen Rechtsvereinheitlichung Lehmann, EuLF 2008, S. I-266 ff. 90 Vgl. die Wortmeldung von Burman, Minutes No 2, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 460, 464.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Die problematischen Auswirkungen der Kompetenzverschiebung in Europa offenbarten sich vor allem aber nach Verabschiedung des HWpÜ. So hat der Verlust an Handlungsfähigkeit der europäischen Mitglieder dazu beigetragen, dass das Übereinkommen mehr als dreieinhalb Jahre ein Entwurf ohne verbindliches Datum blieb.91 Aufgrund dieser Erfahrungen kehrte die Haager Konferenz beim nachfolgenden Übereinkommen, dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ), von ihrer bisherigen Tradition zur Vergabe des offiziellen Datums ab. Das HGÜ gilt als bereits am Tag seiner Annahme am 30. Juni 2005 geschlossen, an dem die Schlussakte der Diplomatischen Konferenz unterzeichnet und das Übereinkommen zur Zeichnung aufgelegt wurde.92 Letzlich datiert das Wertpapierübereinkommen vom 5. Juli 2006 also nach dem eigentlich folgenden Übereinkommen, was zumindest für die neueren Haager Konventionen seit Anfang der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Anomalie darstellt.93 4.
Europäische Kontroverse um das HWpÜ
Die kontroverse Diskussion in Europa über einen Beitritt zum HWpÜ hat nicht nur zu einer langen Phase als völkerrechtlicher Entwurf beigetragen, sondern auch danach noch das Inkrafttreten des Übereinkommens erschwert und seine internationale Durchsetzung verhindert. Verantwortlich ist die gewandelte Beurteilung der kollisionsrechtlichen Lösung des Übereinkommens bei den europäischen Organen, Institutionen und Mitgliedstaaten. Ursprünglich bestand für die Haager Konferenz die Hoffnung, dass sich die Berücksichtigung europäischer Besonderheiten in einem schnellen Erfolg des Übereinkommens niederschlagen würde:94 Ein Beitritt der Union hätte dem Übereinkommen schließlich zeitgleich 28 weitere Vertragsstaaten zugeführt. Tatsächlich unterstützten die Vertreter der gemeinsamen Mitgliedsländer zunächst noch die Verabschiedung des Entwurfs auf der Diplomatischen Konferenz;95 überdies unterbreitete die Kommission ein Jahr später im Dezember 2003 einen Vorschlag für einen Ratsbeschluss zur 91
Hierin sieht Kruger, 55 I.C.L.Q. 447, 455 (2007), die Gefahr der Verwirrung über den endgültigen Charakter. 92 Hartley/Dagauchi, Explanatory Report (2007), Rdnr. 283 Fn. 316; Bernasconi/Sigman, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 54 Fn. 5. 93 Vgl. die Liste der Konventionen unter (Stand: März 2014). 94 Zu dieser Perspektive Pataut, in: FS Lagarde (2005), S. 661, 676. 95 Vgl. die Unterzeichner des Final Act of the Nineteenth Session, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. I, S. 35, 47 ff.
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Unterzeichnung des Übereinkommens.96 Hierin vertrat sie die Auffassung, dass die Umsetzung des HWpÜ in beträchtlichem Maße zum Ausbau des freien Kapitalverkehrs auf dem Binnen- und Weltmarkt beitragen werde, und kündigte an, Vorschläge zur erforderlichen Änderung der bestehenden kollisionsrechtlichen Richtlinienbestimmungen zu unterbreiten.97 In der Folge äußerten Vertreter aus der europäischen Praxis jedoch vermehrt Bedenken im Hinblick auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Implikationen des HWpÜ. Hingewiesen wurde auf die subjektive (Haupt-) Anknüpfung im HWpÜ, die im Kontrast zur Suche nach einem objektiven Ort in den bisherigen europäischen Vorschriften steht. Die Interessenvertreter befürchteten insbesondere wirtschaftliche Nachteile für europäische Intermediäre, deren Kunden die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung, praktisch vor allem die des US-Bundesstaates New York, durchsetzen könnten.98 Ebenfalls skeptisch zeigte sich die Europäische Zentralbank (EZB), die in mehreren Schreiben unter anderem vor Wettbewerbsvorteilen amerikanischer Marktteilnehmer warnte.99 Auf Ersuchen des Rates gab sie im März 2005 eine förmliche Stellungnahme zum Zeichnungsvorschlag der Kommission ab, in dem sie im Wesentlichen vier durch das Übereinkommen verursachte Problemfelder identifizierte und sich für eine umfassende Folgenabschätzung vor einer Zeichnung des Übereinkommens aussprach.100 Im Einzelnen sah die EZB zunächst die Gefahr, dass nach dem HWpÜ für die verschiedenen Konten eines von einem CSD betriebenen Wertpapierliefersystems gleichzeitig divergierende Rechtsordnungen gewählt werden könnten, was dessen Stabilität gefährde. Weiter bemängelte sie die Auswirkungen des Übereinkommens auf die Rechte Dritter (wie die Gläubiger des Depotinhabers) insbesondere durch die fehlende Transpa96
Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2003 für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des HWpÜ, KOM(2003) 783 endg. 97 Begründung zum Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2003 für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des HWpÜ, KOM(2003) 783 endg., Tz. 8 und 15. 98 Insbesondere die entsprechende Kritik des Dachverbandes European Banking Federation (EBF) dürfte Gehör gefunden haben, vgl. etwa deren Schreiben an den Ausschuss des Rates für Zivilrecht vom 13. Dezember 2004. 99 Schreiben der EZB vom 24. Februar 2004 an den Vorsitzenden des Ausschusses des Rates für Zivilrecht, Dok. 6903/04 JUSTCIV 35 vom 1.4.2004, insbesondere S. 15; Vermerk der EZB vom 8. September 2004 an den Vorsitzenden des Ausschusses des Rates für Zivilrecht, Dok. 12284/04 JUSTCIV 120 vom 15.9.2004, insbesondere S. 13. 100 Stellungnahme der EZB vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediärverwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.), ABl. C 81 vom 2.4.2005, S. 10.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
renz der anwendbaren Rechtsordnung für Außenstehende. Darüber hinaus sollte nach ihrer Meinung die Reform des Kollisionsrechts integraler Bestandteil einer umfassenden Reform sein, die das materielle Recht einbeziehe. Schließlich wies sie auf mögliche Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete hin; die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften richte sich auch nach Unterzeichnung des Übereinkommens weiter nach der objektiven Belegenheit der Wertpapiere, was die Rechtsunsicherheit befördere.101 Die gewichtige Kritik verfehlte ihre Wirkung nicht: Im Juni 2005 forderte der Rat die Kommission auf, vier Aspekte des Haager Übereinkommens eingehender zu prüfen.102 Neben der genauen Reichweite der Konvention (1) handelte es sich um die von der EZB geäußerten Bedenken hinsichtlich der Rechte Dritter (2), der Auswirkungen auf das materielle und öffentliche Recht (3) und der Folgen divergierender Rechte in einem Wertpapierliefersystem (4). Als Ergebnis dieses Auftrags legte die Kommission im Juli 2006 eine rechtliche Bewertung des HWpÜ vor,103 in der sie grundsätzlich bei ihrer positiven Haltung gegenüber der Konvention blieb. Insbesondere die ersten drei Prüfungspunkte betrachtete sie als zumindest nicht unüberwindbare Hindernisse: Der Anwendungsbereich des Übereinkommens verursache keine signifikanten Schwierigkeiten oder Unsicherheiten in Bezug auf den bestehenden europäischen Rechtsrahmen, trotz Auswirkungen auf die Rechte Dritter werde deren Position nicht wesentlich verschlechtert und zudem habe die Konvention keinen unmittelbaren Einfluss auf das materielle Recht (wenn insofern auch eine weitere Integration nötig sei).104 Lediglich den vierten Aspekt sah die Kommission als ernsthaftes Problem an, da die Stabilität des Finanzsystems durch die Wahl mehrerer Rechtsordnungen innerhalb eines Wertpapierliefersystems bedroht werden könne. Als Kompromiss schlug sie vor, zusammen mit einem Beitritt zum Übereinkommen die Definition eines „Systems“ im Sinne der Finalitätsrichtlinie105 um ein zweites kollisionsrechtliches Kriterium zu ergänzen. Demnach müsse nicht nur die schuldrechtliche System101
Zu unterschiedlichen Rechtsordnungen in einem System s. in der Stellungnahme der EZB vom 17. März 2005 Tz. 10 ff.; zu Rechten Dritter Tz. 13 f.; zur Harmonisierung des materiellen Wertpapierrechts Tz. 15; zu Auswirkungen auf sonstige Rechtsvorschriften Tz. 16 f. 102 Vgl. den (letztlich angenommenen) Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens vom 13. Dezember 2002 über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung – Durchführbarkeit einer Studie, Dok. 10339/05 JUSTCIV 112 vom 22.6.2005. 103 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910 vom 3.7.2006. 104 Vgl. die Zusammenfassung der Ergebnisse der Bewertung im Arbeitsdokument vom 3. Juli 2006, S. 19 f. 105 Zu den Einzelheiten der bestehenden Definition oben § 3 A. I.
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vereinbarung der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats unterliegen, sondern zugleich auch eine einzige Rechtsordnung von allen Systemteilnehmern einheitlich für die unter das Wertpapierübereinkommen fallenden Fragen vereinbart werden.106 Die vorgeschlagene Lösung baute damit nicht auf einer zwingenden Vorgabe für Wertpapierliefersysteme auf, sondern eher auf dem Anreiz, in den Genuss des einem „System“ von der Finalitätsrichtlinie gewährten Schutzes zu gelangen.107 Aber auch der Kompromissvorschlag der Kommission konnte die Zweifel am Haager Übereinkommen nicht ausräumen. Die EZB zeigte sich weiterhin sehr zurückhaltend;108 das Europäische Parlament warnte gar in einer Entschließung im Dezember 2006 vor den Auswirkungen eines Beitritts zur Konvention.109 Die Position der Mitglieder im Rat der Europäischen Union blieb dauerhaft gespalten.110 Insofern verwirklichte sich für die Haager Konferenz die Brisanz des Kompetenzverlustes ihrer europäischen Mitglieder: Einige Staaten sprachen sich für eine rasche Ratifizierung des Übereinkommens aus, waren wegen ihrer Zuständigkeitsdefizite aber auf den gleichzeitigen Beitritt der EU angewiesen. Dieser wiederum setzt intern nach Art. 218 Abs. 8 UAbs. 1 AEUV (ex Art. 300 Abs. 1 UAbs. 1 EG) einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit im Sinne des Art. 16 Abs. 4, 5 EUV (ex Art. 205 Abs. 2 EG) voraus.111 Im Ergebnis verhinderten also die ablehnenden Länder nicht nur den Beitritt der Union zum HWpÜ, sondern blockierten zugleich auch die ratifizierungswilligen Mitgliedstaaten. Im Juli 2007 räumte die Kommission ein, dass ein Beitritt zur Konvention selbst mit den von ihr vorgeschlagenen begleitenden Än106
S. die 2. Option im Arbeitsdokument vom 3. Juli 2006, S. 21. So die Interpretation durch die EZB in ihrem Schreiben vom 6. Oktober 2006, Dok. 14014/06 JUSTCIV 226 vom 3.7.2007, S. 4. 108 Schreiben der EZB vom 6. Oktober 2006, Dok. 14014/06 JUSTCIV 226 vom 3.7.2007. 109 Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Auswirkungen der Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens, P6_TA(2006)0608. 110 Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht, Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung – Sachstandsbericht, Dok. 16292/03 JUSTCIV 273 vom 20.12.2006; Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht, Hague Securities Convention – State of play, Dok. 11324/07 JUSTCIV 185 vom 29.6.2007. 111 Ein Fall der notwendigen Einstimmigkeit gemäß Art. 218 Abs. 8 UAbs. 2 AEUV (ex Art. 300 Abs. 1 UAbs. 1 EG) liegt nicht vor. Insbesondere betrifft das Abkommen keinen Bereich, in dem für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit vorgesehen ist; die qualifizierte Mehrheit ist für Maßnahmen nach Art. 114 AEUV (ex Art. 95 EG) ausreichend, vgl. Streinz-Leible/Schröder, EUV/AEUV (2012), Art. 114 AEUV Rdnr. 70. Gleiches gilt gemäß Art. 81 Abs. 2 AEUV (ex Art. 67 Abs. 5 EG) für Maßnahmen nach Art. 81 Abs. 1, 2 AEUV (ex Artt. 61 lit. c), 65 EG). 107
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derungen in der Finalitätsrichtlinie keine Mehrheit finde.112 Nach einer langen Phase des Stillstandes zog sie schließlich im März 2009 ihren Vorschlag zur Zeichnung des Haager Wertpapierübereinkommens zurück113 und widmete sich nunmehr der autonomen Fortentwicklung des europäischen Rechtsrahmens. B. Reichweite Mit der Abkehr vom Ziel eines europäischen Beitritts liegt die Bedeutung des HWpÜ für die Union nun eher in der Inspiration und Anregung der autonomen Rechtssetzung. Wegweisend am Haager Übereinkommen ist vor allem sein umfassender Anwendungsbereich, der trotz der materiellen Vielfalt in den nationalen Rechtsordnungen das Kollisionsrecht des Effektengiros eigenständig definiert und abgrenzt. Stilistisch setzt das HWpÜ hierzu – ungewohnt für die bisherigen Haager Konventionen114 – eine umfangreiche Liste von Definitionen in seinem Art. 1 ein, die die verwendeten Termini vor einer national geprägten Sichtweise und Auslegung bewahren soll.115 Das Übereinkommen stellt auch wegen der Definitionsketten keine einfache Lektüre dar,116 wirkt mit diesem Stilmittel aber Unsicherheiten des kollisionsrechtlichen Rechtsanwenders angesichts der finanzwirtschaftlich geprägten Materie entgegen.117 I.
Sachlicher Anwendungsbereich
Im Vergleich zum bestehenden lückenhaften europäischen Rechtsrahmen ist das HWpÜ um eine Abdeckung des gesamten Phänomens des Effektengiros bemüht. Dies gilt auch in sachlicher Hinsicht, in der zusätzlich zu einigen Klarstellungen die Einbeziehung beliebiger Verfügungen und damit auch der alltäglichen Massentransaktionen erfolgt.
112
Arbeitspapier der DG MARKT vom 3. Juli 2007, Conflict of laws: modernisation of the PRIMA-rule for intermediated securities, Dok. 11332/07 JUSTCIV 189, S. 4. 113 Vgl. die Liste der zurückgezogenen Vorschläge, ABl. C 71/17 vom 25.3.2009, S. 17. 114 Linhart, Einheitsrecht und einheitliche Auslegung (2005), S. 156f.; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 529. 115 Art. 13 HWpÜ fordert für die Auslegung des Übereinkommens ausdrücklich, seinen internationalen Charakter und die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung zu berücksichtigen. 116 Bertschinger, in: Honsell u. a. (Hrsg.), FS Kramer (2004), S. 463, 465. Vgl. auch Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 17, 18 („not a masterpiece of legal literature“). 117 Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 205.
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
1.
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Intermediär-verwahrte Wertpapiere
Nach Art. 2 Abs. 1 HWpÜ bestimmt das Übereinkommen die anzuwendende Rechtsordnung für einzeln aufgezählte Fragen in Bezug auf „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“. Der Schlüsselbegriff118 fokussiert die Konvention auf das Effektengiro und grenzt sie gegenüber dem allgemeinen Wertpapierrecht ab. Nach der Definition des Art. 1 Abs. 1 lit. f) HWpÜ handelt es sich um die Rechte eines Depotinhabers, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben. Die einzelnen Elemente dieser Begriffsbestimmung unterliegen wiederum eigenständigen Definitionen: So werden als „Wertpapiere“ gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a) HWpÜ „Aktien, Schuldverschreibungen, andere Finanzinstrumente, Finanzanlagen (ausgenommen Barguthaben) oder Rechte daran“ verstanden. Bei der Zusammenstellung ist das Bestreben erkennbar, neuere Entwicklungen der Finanzmärkte nicht durch einen zu engen Wertpapierbegriff auszuschließen.119 Keine Bedeutung hat dementsprechend die Art und Weise einer Emission, etwa die Frage der Verkörperung in einer Urkunde.120 Entscheidendes Kriterium für die Subsumtion eines Titels als „Intermediärverwahrtes Wertpapier“ ist vielmehr allein, dass sich dieser zur Gutschrift auf einem Depotkonto eignen muss121 – eine Limitierung, die dem Umgang mit der weiten Liste an Finanzinstrumenten in der MiFID im europäischen Kollisionsrecht entspricht.122 Hierbei spielt es im Übrigen auch von vornherein keine Rolle, ob die Verbuchung konstitutive oder nur deklaratorische Bedeutung entfaltet.123 Einen Ansatzpunkt für den Vorwurf der Zirkularität, wie er im Europarecht (m. E. zu Unrecht) erhoben wird, bietet das Übereinkommen damit nicht. Weiter ist am Wertpapierbegriff auffällig, dass bereits bloße Rechte an Finanzinstrumenten einbezogen werden. Erfasst sind damit einerseits Depotsysteme, die dem Kontoinhaber materiell eine gegenüber dem Eigentum verminderte Rechtsstellung an den Titeln zubilligen, andererseits aber auch die (wie auch immer gearteten) Rechtsstellungen der Zwischenverwahrer auf den höheren Stufen der Depotpyramide.124
118 119 120
725.
Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-16: „key phrase“. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-2 f. Vgl. Einsele, WM 2003, S. 2349, 2350; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687,
121 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 529; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-2. 122 Zur Finalitätsrichtlinie oben § 3 B. I. 3. 123 Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 498; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 530. 124 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-4.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Als weiterer Bestandteile der Definition der „Intermediär-verwahrten Wertpapiere“ handelt es sich bei dem „Depotinhaber“ um die Person, auf deren Namen ein Intermediär ein Depotkonto führt.125 Allein die formale Stellung als Vertragspartner des (nächst-)höheren Intermediärs ist entscheidend, so dass auch Zwischenverwahrer, die wirtschaftlich möglicherweise nur an der Mittlung einer fremden Stellung beteiligt sind, als Depotinhaber zu qualifizieren sind. Die Abdeckung aller Ebenen der Depotpyramide wird ebenfalls deutlich bei den Definitionen des „Depotkontos“ und des „Intermediärs“. Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b) HWpÜ ist ersteres ein Konto, das von einem Intermediär geführt wird und dem Wertpapiere gutgeschrieben oder von dem Wertpapiere abgebucht werden können. Als „Intermediär“ ist nach Art. 1 Abs. 1 lit. c) HWpÜ eine Person anzusehen, die im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmäßigen Tätigkeit für fremde oder sowohl für eigene als auch für fremde Rechnung Depotkonten führt und in dieser Eigenschaft tätig ist. Das Depotkonto mit den „Intermediär-verwahrten Wertpapieren“ kann also von einem beliebigen Intermediär auf einer beliebigen Stufe geführt werden.126 Art. 1 Abs. 4 HWpÜ stellt ausdrücklich klar, dass auch die das nationale Wertpapierliefersystem an der Spitze betreibenden Zentralverwahrer Intermediäre im Sinne des Übereinkommens sind.127 Keine „Intermediär-verwahrten Wertpapiere“ und damit vom Haager Übereinkommen ausgeschlossen sind alle Konstellationen, in denen ein Anleger ein Instrument direkt hält, etwa in Form des unmittelbaren Besitzes an einer Urkunde. Sobald der Titel aber rein faktisch einem Konto gutgeschrieben wird, ist sein Schicksal fortan nach dem Regime des HWpÜ zu beurteilen. Hierbei ist es bedeutungslos, dass die betreffende Rechtsordnung neben der depotrechtlichen Konstruktion weiter von einer direkten Beziehung zum Emittenten ausgeht.128 2.
HWpÜ und internationales Schuldrecht
Beachtung verdient beim HWpÜ weiterhin die Deutlichkeit, mit der sich das kollisionsrechtliche Übereinkommen gegenüber allen Ausprägungen des materiellen Depotspektrums öffnet. Insbesondere setzt es sich mit dem Verhältnis zum internationalen Schuldrecht auseinander, zu dem durch die hybride oder sogar rein obligatorische Ausgestaltung der Kontoposition in bestimmten Rechtsordnungen Berührungspunkte, wenn nicht gar Überschneidungen bestehen. Die Natur der sich aus einer Gutschrift auf einem 125
Art. 1 Abs. 1 lit. d) HWpÜ. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-6. 127 Zu den weiteren Einzelheiten des Intermediärbegriffs etwa Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 41; Reuschle, BKR 2003, S. 562, 566. 128 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-16. 126
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Depotkonto ergebenden Rechte bleibt nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) HWpÜ dem Urteil der anzuwendenden Rechtsordnung überlassen, so dass sie im Umkehrschluss für die Anwendbarkeit des Übereinkommens keine Rolle spielen kann. Ausdrücklich bestätigt das HWpÜ in seinem Art. 2 Abs. 2, dass seine Kollisionsvorschriften auch dann greifen, wenn die sich aus der Gutschrift ergebenden Rechte vertraglicher Natur sind. Das Übereinkommen verankert auf diese Weise explizit das Einwirken des Kollisionsrechts des Effektengiros in den schuldrechtlichen Bereich und die partielle Verdrängung der dortigen allgemeinen IPR-Regelungen. Gleichwohl ist sich das HWpÜ der Qualifikationsprobleme bewusst, die durch ein solches Ausgreifen drohen können. Dem Depotkonto wird regelmäßig eine vertragliche Beziehung zwischen dem Depotinhaber und dem Intermediär über bestimmte Dienstleistungen zugrunde liegen, die gerade nicht dem internationalen Wertpapierrecht zuzuordnen ist. Abgrenzungsprobleme ergeben sich daraus, dass das nationale Sachrecht in der Gutschrift lediglich einen Teilaspekt dieser schuldvertraglichen Beziehung sehen kann.129 Art. 2 Abs. 3 lit. b) HWpÜ bestimmt insofern, dass das Übereinkommen die anzuwendende Rechtsordnung nicht „in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus der Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto bestimmt, soweit es sich um rein vertragliche oder sonst rein persönliche Rechte oder Pflichten handelt.“130 Die Formulierung der negativen Klausel wirkt etwas unglücklich, da sie dem Wortlaut der positiven Einbeziehungsklausel in Art. 2 Abs. 2 HWpÜ ähnelt.131 Jedoch ist der ausdrückliche Ausschluss ein deutlicher Hinweis auf die im Rahmen der kollisionsrechtlichen Qualifikation zu treffende Unterscheidung: Der mit einer Gutschrift verbundene Anspruch ist – ungeachtet der materiellen Sichtweise der nationalen Rechtsordnungen – aus dem allgemeinen vertraglichen Verhältnis der Depotvertragsparteien zu lösen und dem HWpÜ zu unterwerfen. Die übrigen schuldvertraglichen Rechte und Pflichten des Intermediärs und des Kontoinhabers (z. B. Sorgfaltspflichten oder Depotdienstleistungen) bleiben dem allgemeinen IPR der Schuldverhältnisse vorbehalten.132 Auf diese Weise kann beispielsweise auch die WR-Gutschrift im deutschen Depotrecht, die nach überwiegender Ansicht lediglich den aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag herrührenden Herausgabeanspruch dokumentiert,133 dem Haager Wertpapierübereinkommen zugeordnet,134 129
Zu dieser Problematik bereits oben § 2 A. II. Zur Genese der Negativliste ausgeschlossener Fragen in Art. 2 Abs. 3 HWpÜ Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 205 f. 131 Kritisch daher Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 530; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 205 f. 132 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 2-32. 133 S. oben § 1 E. III. 2., dort auch zur Gegenposition (eigenständiges abstraktes Schuldversprechen). 130
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
gleichzeitig aber der treuhänderische Geschäftsbesorgungsvertrag als solcher aus dem Kollisionsrecht des Effektengiros herausgehalten werden. 3.
Kontext der Insolvenz
Qualifikationsproblemen an der Grenze zu einem anderen Rechtsgebiet begegnet das HWpÜ auch im Kontext der Insolvenz. Das Übereinkommen soll sich grundsätzlich einer Aussage über das auf das Insolvenzverfahren und dessen Wirkungen anwendbare Recht enthalten,135 was schon zu Beginn der Arbeiten am Projekt betont wurde.136 Gleichwohl hielt man eine eindeutige Abgrenzung zum Insolvenzstatut für sinnvoll, so dass in Art. 8 HWpÜ eine klarstellende Norm aufgenommen wurde. Aus Absatz 1 der Vorschrift ergibt sich, dass die durch die Anknüpfungen des HWpÜ bestimmte Rechtsordnung in Bezug auf jedes Ereignis maßgebend bleibt, das vor Eröffnung des betreffenden Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Damit wird einer Rechtsposition, die gemäß dem nach dem HWpÜ maßgeblichen Sachen- bzw. Schuldrecht wirksam erworben wurde, „Insolvenzfestigkeit“ dahingehend zugebilligt, dass sie nicht allein durch die nachträgliche Verfahrenseröffnung in einem anderen Land nunmehr dessen Sachen- bzw. Schuldrecht unterliegt und deshalb als unwirksam gilt.137 Die Person, über deren Vermögen das Verfahren eröffnet wird, ist dabei nicht näher spezifiziert; es kann sich daher um einen Kontoinhaber, einen Sicherungsnehmer, den Intermediär oder auch den Emittenten handeln, sofern dies Auswirkungen auf eine Kontoposition haben könnte.138 Hingegen kann und will das HWpÜ aufgrund seiner Selbstbeschränkung keine effektive Insolvenzfestigkeit im Hinblick auf die Wirkungen des ausländischen Verfahrens gewähren. Art. 8 Abs. 2 HWpÜ führt aus, dass die Konvention nicht die „materiell- oder verfahrensrechtlichen Vorschriften des Insolvenzrechts“ berührt, darunter die Bestimmungen zur Rangordnung von Ansprüchen, zur Anfechtung von Verfügungen des Schuldners 134 Die Anwendbarkeit des HWpÜ auf die deutsche WR-Gutschrift ist im Erläuternden Bericht ausdrücklich festgehalten, s. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Example 2-5; vgl. a. Rdnr. 2-11 f. In der Literatur für eine Einbeziehung Einsele, WM 2003, S. 2349, 2350; Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 499; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 725. 135 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 8-1, 8-11. 136 Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 11, 19. 137 Zur Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 HWpÜ Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 50 f.; Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 505 f.; ders., BKR 2003, S. 562, 564 f.; ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 743; Guillaume, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 67, 77 f. 138 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 8-4.
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oder zur Durchsetzung von Ansprüchen nach Verfahrenseröffnung. Die Terminologie ist insofern etwas ungenau, als das kollisionsrechtliche Übereinkommen unmittelbar ohnehin nur die für diese Fragen anwendbare Rechtsordnung berühren könnte.139 Die Rechtsposition, die nach Art. 8 Abs. 1 HWpÜ vor einem Statutenwechsel im Sachen- bzw. Schuldrecht durch die bloße Eröffnung eines ausländischen Verfahrens geschützt wird, ist also jedenfalls aus Sicht des Art. 8 Abs. 2 HWpÜ140 uneingeschränkt dessen originär insolvenzrechtlichen Wirkungen unterworfen.141 So kann z. B. die Verfügung, mit der die Position begründet wurde, durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe des ausländischen Insolvenzrechts wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten werden. 4.
Punktueller Regelungsgegenstand
Im Hinblick auf die Fortentwicklung des europäischen Rechtsrahmens von besonderem Interesse ist schließlich die Liste der im Einzelnen vom Übereinkommen erfassten Fragen in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ. Die frühen Arbeitsversionen in Den Haag haben bereits den entsprechenden Katalog der jüngsten europäischen Kollisionsregel in der Finanzsicherheitenrichtlinie beeinflusst,142 wobei jener allerdings eine Ausrichtung auf den Kontext von Wertpapiersicherheiten erfahren hat. Für eine künftige umfassende Anknüpfungsnorm in Europa könnte die Liste des HWpÜ erneut Pate stehen. a) Systematik Die systematische Funktion von Art. 2 Abs. 1 HWpÜ lässt sich schon am sperrigen vollständigen Titel der Konvention erkennen: Das Übereinkommen bestimmt nicht das kollisionsrechtliche Schicksal von Intermediärverwahrten Wertpapieren allgemein, sondern nur „die auf bestimmte Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung“. Diese einzelnen Rechte werden in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ abschließend aufgezählt,143 wodurch die Liste erfasster Fragen an die Stelle eines abstrakt definierten Anknüpfungsgegenstandes tritt. Das Wertpapierübereinkommen unterscheidet sich mit dieser Regelungstechnik von anderen kollisionsrechtlichen Konventionen auch der Haager Konferenz selbst, die 139
Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 8-11. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass diese Wirkungen nach den Regeln des (nicht im HWpÜ enthaltenen) internationalen Insolvenzrechts Anwendung finden. 141 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 539, zieht für diese Lösung eine Parallele zum Statutenwechsel infolge des Lageortwechsels einer Sache. 142 Vgl. oben § 4 B. I. 6. 143 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 2-2. 140
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
zunächst in einer einleitenden Vorschrift die sachliche Reichweite des jeweiligen Übereinkommens anhand eines allgemein gehaltenen Systembegriffs definieren, um dann in einer gesonderten Bestimmung die durch die anwendbare Rechtsordnung geregelten Fragen (typischerweise nur exemplarisch) aufzuführen.144 Die Verschmelzung von sachlichem Anwendungsbereich des HWpÜ und Geltungsbereich der von ihm zur Anwendung berufenen lex causae in einer einzigen Norm liegt schlicht darin begründet, dass während der Verhandlungen in Den Haag kein allgemein akzeptierter Oberbegriff für den sachlichen Anwendungsbereich gefunden werden konnte. Die anfänglichen Entwürfe für das Übereinkommen enthielten in ihrem ersten Artikel noch eine klassische Regelung zum sachlichen Anwendungsbereich, die die geregelten Fragen mit „proprietary aspects“145 bzw. „proprietary rights“146 zusammenfassten; im Titel wurde der Gegenstand des Projekts dementsprechend noch als „Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary“ bzw. „Law Applicable to Proprietary Rights in Indirectly Held Securities“147 bezeichnet. Durch die bewusste Öffnung des Übereinkommens gegenüber schuldrechtlichen und hybriden Rechtspositionen hielt man die dingliche Terminologie jedoch nicht mehr für angemessen und sah schließlich von einer abstrakten Bestimmung der sachlichen Reichweite ab.148 Systematisch mag dies zu bedauern sein,149 da angesichts der enumerativen Methode die theoretische Gefahr von Regelungslücken besteht. Ein allgemeiner Systembegriff hätte jedoch angesichts der materiellrechtlichen Vielfalt der nationalen Rechtsordnungen im Effektengiro keinen Zugewinn an Rechtssicherheit gebracht: 144 Mustergültiges Beispiel ist etwa der jüngste Vertrag der Haager Konferenz, das Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUP): Die sachliche Reichweite wird in Art. 1 Abs. 1 HUP bestimmt (familienrechtliche Unterhaltspflichten), der Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts dagegen in Art. 11 HUP anhand verschiedener, nicht abschließender Einzelfragen geregelt. Frühere Beispiele bei Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 210 f. (Fn. 25, 27 f.). 145 Art. 1 Abs. 1 in den Entwürfen von Januar und Februar 2001, s. Report on the meeting of the Working Group of Experts (15 to 19 January 2001) and Related Informal Work conducted by the Permanent Bureau on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 82. 146 Art. 1 Abs. 1 im Entwurf vom Juli 2001, s. Tentative Text on Key Provisions for a Future Convention on the Law Applicable to Proprietary Rights in Indirectly Held Securities, Prel. Doc. No 3 of July 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 145. 147 S. die beiden Titel der beiden Arbeitsdokumente Prel. Doc. No 2 und No 3. 148 Zu dieser Entwicklung Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 530 f. 149 Bedenken äußert Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 211.
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Entweder wäre eine solche allgemeine Bestimmung zum sachlichen Anwendungsbereich verbunden mit einer beispielhaften Aufzählung von Einzelfragen, was divergierende Auslegungen des Oberbegriffs durch die unterschiedlichen nationalen Sichtweisen zur Folge haben könnte; oder der Gattungsbegriff zur Reichweite stellte sich, da mit einer abschließenden Liste zum Geltungsbereich der lex causae verknüpft, als rein deklaratorisch und damit ohne wesentlichen Mehrwert gegenüber der gegenwärtigen Fassung dar. Insgesamt erscheint daher das konkretisierte Vorgehen des HWpÜ als ein pragmatischer Umgang des Kollisionsrechts mit einem äußerst heterogenen materiellrechtlichen Gegenstand. b) Erfasste Fragen Im Einzelnen zählt Art. 2 Abs. 1 HWpÜ zu den geregelten Fragen zunächst den eher statischen Aspekt150 der Rechtsnatur und Wirkung der Rechte, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben (lit. a). Indem sie diesen Punkt der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung überlässt, betont die Konvention ihre Neutralität gegenüber der materiellen Ausgestaltung der Kontoposition.151 Dynamische Sachverhalte betrifft sodann die Frage der Rechtsnatur und Wirkung einer Verfügung über Intermediär-verwahrte Wertpapiere (lit. b), die zusätzlich um den Aspekt der Voraussetzungen für die Herbeiführung der Drittwirkung152 (lit. c) ergänzt wird. Aus europäischer Perspektive stellen sich die beiden Punkte der Liste als zentrale Erweiterung gegenüber dem Katalog des Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie dar.153 Der Begriff der „Verfügung“ bezeichnet nach der entsprechenden Definition der Konvention154 gerade nicht nur die Einräumung eines Sicherungsrechts (gleich, ob mit oder ohne Besitzübertragung), sondern auch jede Vollrechtsübertragung unabhängig davon, ob sie uneingeschränkt oder nur zu Sicherungszwecken erfolgt.155 Das Haager Wertpapierübereinkommen erfasst auf diese Weise auch die alltägliche Abwicklung des massenhaften 150
Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 498; ders., BKR 2003, S. 562, 565. Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 727. 152 Nach Art. 1 Abs. 1 lit. i) HWpÜ bezeichnet die „Herbeiführung der Drittwirkung“ die Vollendung der notwendigen Schritte, um eine Verfügung gegenüber Personen, die nicht Parteien dieser Verfügung sind, wirksam werden zu lassen. 153 Vgl. die Formulierung des entsprechenden Punktes in Art. 9 Abs. 2 lit. b) Finanzsicherheitenrichtlinie; hierzu oben § 4 B. I. 6. 154 Art. 1 Abs. 1 lit. h) HWpÜ. 155 Ergänzend stellt Art. 1 Abs. 3 HWpÜ klar, dass auch eine Verfügung über ein Depotkonto, eine Verfügung zugunsten des Intermediärs des Depotinhabers und ein gesetzliches Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht zugunsten des Intermediärs des Depotinhabers in Bezug auf eine Forderung, die in Zusammenhang mit der Führung und Verwaltung eines Depotkontos entstanden ist, unter den Begriff der „Verfügung“ fällt. 151
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Handels an den Kapitalmärkten, die vom europäischen Kollisionsrecht bislang ausgespart wird. Wie sich die Verfügung genau vollzieht, bleibt für die Anwendbarkeit des Übereinkommens irrelevant. Insbesondere ist für die absolute Wirkung einiger der erfassten Sicherungsgeschäfte gerade keine Belastung des Kontos des Verfügenden erforderlich;156 die Umbuchung kann dementsprechend keine zwingende Voraussetzung sein. Ein international anerkannter Rechtserwerb ohne Verbuchung der Rechte zugunsten des Erwerbers wird also durch das Übereinkommen keineswegs unmöglich gemacht.157 Zu den weiteren von der Konvention abgedeckten Fragen gehört das Rangverhältnis gegenüber konkurrierenden Rechten an Intermediärverwahrten Wertpapieren (lit. d) und, damit zusammenhängend, die möglichen Pflichten des Intermediärs gegenüber anderen Personen als dem Depotinhaber (lit. e). Zu diesen anderen Personen gehören nicht nur konkurrierende Sicherungsnehmer oder Zweiterwerber, sondern auch die Depotinhaber auf den tieferen Ebenen der Depotpyramide. Das anwendbare Recht hat demnach auch darüber zu urteilen, ob eine Pfändung von niedrigstufigeren Rechten auf einer höheren Stufe, das so genannte upper-tier attachment, zulässig ist.158 Für den Kontext der Sicherheiten von Bedeutung sind in der Liste des Übereinkommens schließlich die Voraussetzungen für die Verwertung eines Rechts an Intermediär-verwahrten Wertpapieren (lit. f), für die Schnittstelle zum „verbrieften“ Recht die Frage, ob eine Verfügung über Intermediär-verwahrte Wertpapiere auch Ansprüche auf Dividenden, sonstige Ausschüttungen oder anderweitige Rechte aus den Titeln erfasst (lit. g). c) Ausgeschlossene Fragen Im Übrigen wird die Positivliste erfasster Einzelfragen in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ durch eine Negativliste ausgeschlossener Punkte in Art. 2 Abs. 3 HWpÜ ergänzt. Wegen des abschließenden Charakters der Aufzählung in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ kommt der Exklusion nur eine deklaratorische Funktion zu;159 sie lässt sich aber immerhin als Hinweis auf die Abgrenzungsprobleme für ein eigenständiges Statut des Effektengiros verstehen. Neben der bereits erörterten160 Distanzierung von der schuldrechtlichen Beziehung des Kontoinhabers mit seinem Intermediär (lit. a) werden auch die schuldvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien einer Verfügung 156
Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 2-21. So aber wohl Einsele, WM 2003, S. 2349, 2352; wie hier Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 726. 158 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 2-26. 159 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 531. 160 § 11 B. I. 2. 157
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(lit. b) aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgesondert. Beide Fragen bleiben dem allgemeinen internationalen Schuldrecht überlassen. Zudem gehören auch die Rechte und Pflichten des Emittenten nicht zum Gegenstand des Übereinkommens (lit. c), was der Unterscheidung zwischen Haupt- und Depotstatut (in klassischer Terminologie also zwischen Wertpapierrechts- und -sachstatut)161 entspricht. II. Persönlicher Anwendungsbereich Die diversen Beschränkungen der europäischen Kollisionsnormen ratione personae sind dem Haager Übereinkommen fremd, so dass eine beliebige Person als Inhaber der angeknüpften Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren in Betracht kommt. Zugleich kann diese Person mit ihren Rechten auf allen Ebenen der Depotpyramide angesiedelt sein: Wie bereits dargelegt162 gehört zu den Intermediären, die die erfassten Rechte an Wertpapieren verbuchen, jeder Kontoführer einschließlich des Zentralverwahrers an der Spitze der Pyramide. Allerdings eröffnet Art. 1 Abs. 4 HWpÜ ein spezielles opt-out-Recht hinsichtlich des Betreibers bestimmter Wertpapierliefersysteme auf der Grundlage eines Registers.163 Darüber hinaus stellt Art. 1 Abs. 3 HWpÜ klar, dass die Funktion als Registerstelle lediglich für den Emittenten (lit. a) oder die Wertpapierverwaltung für den Depotinhaber ohne eigene Kontoführung (lit. b) nicht für eine Einordnung als Intermediär ausreicht. Erforderlich sind beide Abgrenzungen freilich nicht.164 III. Räumlicher Anwendungsbereich Wie sich aus Art. 9 HWpÜ ergibt, finden die Anknüpfungsregeln des Übereinkommens in räumlicher Hinsicht sowohl für das Verhältnis zu Vertragsstaaten als auch zu Nichtvertragsstaaten Anwendung. Bei dem Über-
161
Vgl. § 2 A. I. 1. § 11 B. I. 1. 163 Hintergrund war die Situation für irische Titel, die über das System von CREST im Vereinigten Königreich abgewickelt werden. Staaten wie Irland haben durch die Vorschrift die Möglichkeit, den Betreiber eines Registersystems durch Erklärung als Intermediär im Sinne des HWpÜ für die nach seinem Recht emittierten Titel auszuschließen. Auf diese Weise kann für die irischen Titel die hinsichtlich der Konten bei CREST vereinbarte englische Rechtsordnung vermieden werden. Zur Norm Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 41; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-37; Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 729. 164 Dies räumt auch der Erläuternde Bericht ein, vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-34. 162
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
einkommen handelt es sich demnach um eine loi uniforme,165 deren Kollisionsregeln allseitig ausgestaltet sind. Des Weiteren greift das Übereinkommen gemäß Art. 3 HWpÜ nur für Sachverhalte, die eine Verbindung zu den Rechtsordnungen verschiedener Staaten aufweisen. Diese vorausgesetzte Internationalität bedeutet allerdings keine wesentliche Einengung. Häufig wird sich ein grenzüberschreitender Bezug schon durch objektive Elemente des global verflochtenen Effektengiros feststellen lassen. In Betracht kommt etwa die Herkunft des Depotinhabers, der Parteien einer Verfügung, des Intermediärs oder auch des Emittenten.166 Für die Frage der Anwendbarkeit der Konvention können auch diejenigen Faktoren einbezogen werden, die nach Art. 6 HWpÜ für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung ausdrücklich unberücksichtigt bleiben sollen, etwa die Belegenheit der Urkunde.167 Vor allem aber kann sich die geforderte Internationalität subjektiv durch die Rechtswahl der Depotparteien ergeben.168 Trotz eines im Übrigen reinen Binnensachverhalts genügt die Vereinbarung einer fremden Rechtsordnung des Depotinhabers mit seinem Intermediär, um die Anwendbarkeit des Übereinkommens auszulösen.169 Ob die Rechtswahl im Ergebnis wirksam ist, kann für die vorgelagerte Frage des Anwendungsbereichs dahinstehen. Dementsprechend spielt auf dieser Ebene auch der allgemeine Gedanke der Gesetzesumgehung (fraus legis) noch keine Rolle.170 Ein Sachverhalt mit ansonsten rein nationalen Bezügen ist bei entsprechender Vereinbarung nach den Anknüpfungsregeln des Übereinkommens zu beurteilen, die freilich die Wirksamkeit der Wahl ausländischen Rechts verneinen171 und (über die objektiven Auffangregeln) doch wieder die inländische Rechtsordnung zur Anwendung berufen dürften. Eine Parallele zur Behandlung des subjektiv herbeigeführten grenzüberschreitenden Bezugs im HWpÜ existiert im Übrigen für das internationale Schuldrecht: Da die Rom I-VO in ihrem Art. 3 Abs. 3 eine Regelung zu Sachverhalten enthält, deren Elemente neben der Rechtswahl ausschließlich mit einem bestimm165
Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 744. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 3-7. 167 Art. 6 lit. b) HWpÜ; s. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Rdnr. 3-3; 6-3. 168 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 730; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 532; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 208; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 147. 169 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 3-9. Tendenziell enger Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 137 Fn. 80 (nicht anwendbar bei rein nationalen Sachverhalten). 170 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 532. 171 Bei einem rein nationalen Sachverhalt ist das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle des Intermediärs im Land der gewählten Rechtsordnung nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ nicht erfüllt; hierzu unten § 11 C. II. 3. b). 166
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337
ten Staat verbunden sind, muss diese Verordnung im Umkehrschluss für derartige Sachverhalte ebenfalls anwendbar sein.172 C. Anknüpfungsregeln Auf Widerspruch ist in Europa vor allem die Hauptanknüpfungsregel des Haager Übereinkommens gestoßen, so dass sich diese vorerst – anders als die Bestimmungen zur Reichweite – nicht mehr als Vorbild für das autonome europäische Kollisionsrecht eignet. Im Folgenden sollen daher nur die Grundzüge und einige charakteristische Details des Haager Anknüpfungsmodells vorgestellt werden. I.
Überblick
Im Gegensatz zu den europäischen Kollisionsvorschriften sieht das HWpÜ nicht nur ein einheitliches, singuläres Verweisungsmoment vor, sondern entwirft ein differenziertes System verschiedener Anknüpfungsregeln.173 Angeordnet sind diese in Form einer Kaskade aus subjektiven Haupt- und objektiven Auffangregeln: Vorrangig ist gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. HWpÜ die Rechtsordnung anzuwenden, die in der Kontovereinbarung zwischen Depotinhaber und maßgeblichem Intermediär gesondert für die vom Übereinkommen erfassten Fragen vereinbart wurde. Sofern keine derartige selbstständige Rechtswahl vorliegt, ist nach Art. 4 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. HWpÜ akzessorisch die für die Kontovereinbarung allgemein vereinbarte Rechtsordnung heranzuziehen. In beiden Fällen gilt die ausgewählte Rechtsordnung allerdings nur dann, wenn der maßgebliche Intermediär objektiv im Zeitpunkt der Vereinbarung eine nach bestimmten Kriterien qualifizierte Geschäftsstelle in dem Staat der betreffenden Rechtsordnung hatte. Handelt es sich bei der Rechtswahl um eine nachträgliche Abänderung, so greift unter Umständen Bestandsschutz nach Art. 7 Abs. 4 HWpÜ ein. Liegt keine ausdrückliche Rechtswahl vor oder ist eine solche unwirksam, so enthält Art. 5 HWpÜ subsidiäre objektive Anknüpfungen. Primär ist nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 HWpÜ darauf abzustellen, ob in der schriftlichen Kontovereinbarung ausdrücklich und unmissverständlich eine bestimmte Geschäftsstelle des maßgeblichen Intermediärs als Ort des Vertragsschlusses benannt wurde. Auch in diesem Fall muss das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle in dem betreffenden Land erfüllt sein. 172
Vgl. MünchKommBGB-Martiny, Bd. 10 (2010), Art. 3 Rom I-VO Rdnr. 20. Für einen zusammenfassenden Überblick der Anknüpfungsregeln s. a. Potok, 15 JBFLP 204, 215 (2004); Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int60 ff.; Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders: Perspectives on International and Comparative Law (2006), S. 63, 68 ff. 173
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Als weitere Auffangregelung gilt nach Art. 5 Abs. 2 HWpÜ die Rechtsordnung des Staates, nach welcher der maßgebliche Intermediär als juristische Person gegründet oder in anderer Weise organisiert wurde. Kommt auch diese Regelung nicht zum Zuge, so ist nach Art. 5 Abs. 3 HWpÜ die Rechtsordnung des Staates maßgeblich, in welchem der maßgebliche Intermediär seinen (Haupt-)Geschäftssitz hat. Bei den Verweisungen handelt es sich jeweils um Sachnormverweisungen unter Ausschluss der autonomen Kollisionsnormen des betreffenden Staates, Art. 10 HWpÜ. Gegebenenfalls sind der ordre public des Staates des Forums sowie dessen international zwingende Vorschriften zu beachten, Art. 11 HWpÜ. Grafisch lässt sich das System der Anknüpfungsregeln wie folgt darstellen:
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§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
Auf alle in Art. 2 I genannten Fragen anzuwendende Rechtsordnung
Ausdrückliche Rechtswahl: Art. 4
Keine ausdrückl. Rechtswahl: Art. 5
Selbstständige Rechtswahl, Art. 4 I 1, 2. Alt.
Nur allgemeine Rechtswahl für Kontovereinbarung, Art. 4 I 1, 1. Alt.
Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle, Art. 4 I 2 (Negativliste in Art. 4 II)
Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle, Art. 4 I 2 (Negativliste in Art. 4 II)
(+)
(-)
(+)
(-)
Ausdrückliche Erklärung, dass Intermediär Kontovereinbarung über bestimmte Geschäftsstelle geschlossen hat, Art. 5 I 1 (Negativliste, Art. 5 I 2) (+)
(-)
Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle, Art. 5 I 1 i.V.m. Art. 4 I 2 (Negativliste analog Art. 4 II) (+)
(-) Staat, nach dessen Rechtsordnung Intermediär gegründet wurde, Art. 5 II
Bei abändernder Rechtswahl evtl. Bestandsschutz nach Art. 7 IV
(+)
(-) Staat, in dem Intermediär seinen (Haupt-) Geschäftssitz hat, Art. 5 III
Anzuwendendes Sachrecht, vgl. Art. 10 (ggf. ordre public, Art. 11 I, oder international zwingende Normen, Art. 11 II)
Abbildung 2: Anknüpfung nach Haager Wertpapierübereinkommen
II. Hauptanknüpfung In seiner Präambel rekurriert das Haager Übereinkommen ausdrücklich auf PRIMA, also das Prinzip einer Verweisung auf den Ort des relevanten
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Intermediärs.174 Anders als die europäischen Kollisionsregeln leitet das Übereinkommen aus diesem Ansatz für seine Hauptanknüpfungsregel aber nicht vorrangig die Suche nach der objektiven Belegenheit von Intermediär oder Konto ab. Leitbild der Präambel ist vielmehr „der Ort des maßgeblichen Intermediärs, wie er in Kontovereinbarungen mit Intermediären bestimmt wird“. Im Kern der Verweisungsregeln des HWpÜ steht demnach die professio iuris der Parteien des Depotvertrages. 1.
Hintergründe und Genese
Einigkeit bestand bei den Vorarbeiten zur Konvention von Anfang an darin, dass die Anknüpfung an die lex rei sitae im Effektengiro durch einen neuen Ansatz ersetzt werden sollte. Hingewiesen wurde insbesondere auf die praktischen Schwierigkeiten, die das mit dem klassischen Verweisungsmoment verbundene stufenübergreifende Vorgehen (look-through) bei der Anknüpfung bereite. In vielen Depotkonstruktionen ergebe sich schließlich die Position des Anlegers ausschließlich aus der Buchführung des Intermediärs auf unterster Ebene.175 In der endgültigen Fassung des Übereinkommens ist diese erste Grundentscheidung noch einmal ausdrücklich festgehalten worden: In Ergänzung zu den positiv bestimmten Anknüpfungsregeln nennt Art. 6 HWpÜ in einer Negativliste176 einzelne bei der Anknüpfung nicht zu berücksichtigende Kriterien, wozu gerade auch der Ort von Urkunden zählt, die Wertpapiere darstellen oder der Nachweis dafür sind (lit. b). Was aber genau an die Stelle des traditionellen Verweisungsmomentes treten sollte, gab Anlass zu Diskussionen. Ausgangspunkt war die Entscheidung für das PRIMA-Modell,177 wobei aber schon der einleitende Bericht von Bernasconi die Verortung des relevanten Intermediärs als klärungsbedürftige Frage des Ansatzes ausmachte.178 Der erste Entwurf für das Übereinkommen definierte den Ort des Intermediärs zunächst als den 174 Wörtlich: „[…] in der Erkenntnis, dass der Grundsatz der Festlegung des Ortes des maßgeblichen Intermediärs als Anknüpfungspunkt (PRIMA – „Place of the Relevant Intermediary Approach“), wie er in Kontovereinbarungen mit Intermediären bestimmt wird, die erforderliche Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit schafft.“ 175 Vgl. nur den einführenden Bericht von Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 11, 39 f. 176 Art. 6 HWpÜ kommt eine rein deklaratorische Funktion zu. Kritisch daher Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 206, der die black list als „redundant“ ansieht und die „logische Stringenz“ der Normsetzung vermisst. 177 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-4. 178 Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 11, 49 ff.
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Ort, an dem das Konto geführt wird.179 Letzterer sollte dann wiederum primär anhand der zwischen Kontoinhaber und Intermediär vereinbarten Stelle bestimmt werden, sofern der Intermediär am gewählten Ort faktisch eine Niederlassung unterhält und die Wertpapiere dieser für buchhalterische, steuerliche oder bilanzielle Zwecke zuordnet.180 Auch in nachfolgenden Entwürfen fand sich das Grundmodell, die subjektive Lokalisierung in der Kontovereinbarung anhand objektiver Kriterien zu überprüfen.181 Als Hauptschwierigkeit stellte sich jedoch heraus, universell akzeptierte Merkmale für die tatsächliche Beurteilung zu finden.182 In den Fokus rückte die dislozierte Tätigkeit der Intermediäre, die sich aus dem globalisierten Outsourcing ergeben kann.183 Objektiven Kriterien wurde in diesem Zusammenhang die Zufälligkeit entgegengehalten, die mit der Lokalität einzelner Komponenenten der Kontoführung verbunden sei. Und auch die Verortung des Kontos für Rechtsgebiete wie Steuer-, Aufsichts- oder Bilanzrecht ließ sich nicht als Modell für die international-privatrechtliche Anknüpfung durchsetzen: Eine derartige Lokalisierung sei in den nationalen Rechtsordnungen keinesfalls die Regel und verfolge zudem nicht dieselben Zwecke wie das Kollisionsrecht des Effektengiros.184 Zur Erleichterung der Ortsbestimmung rückten die Entwürfe daher zunächst von der Verortung speziell des anzuknüpfenden Kontos ab: Der in der Kontovereinbarung bezeichnete Ort wurde nur noch daraufhin untersucht, ob der Intermediär dort überhaupt Depottätigkeiten vornimmt, nicht aber, ob er dort auch das konkrete Konto führt.185 Der entscheidende Bruch mit einer objektiven Anknüpfung deutete sich in einem Vorschlag des Ständigen Büros der Haager Konferenz vom Mai 2002 an. Hierin empfahl diese, die Parteien in der Kontovereinbarung nicht mehr nur den Ort der Kontoführung und damit mittelbar die anwendbare Rechtsordnung be179
Art. 4 Abs. 1 des Entwurfs vom Januar 2001, s. Report on the meeting of the Working Group of Experts (15 to 19 January 2001) and Related Informal Work conducted by the Permanent Bureau on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 127. 180 Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs vom Januar 2001. 181 Vgl. etwa Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs vom Februar 2001, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 131; Art. 5 des Entwurfs vom Juli 2001, Prel. Doc. No 3 of July 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 137; Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs vom November 2001, Prel. Doc. No 6 of November 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 191. 182 Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 218; ders., in: FS Lagarde (2005), S. 523, 534. 183 Hierzu bereits oben § 3 C. I. 2. 184 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-43, 4-26. 185 Deutlich etwa in Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs vom Februar 2002, Prel. Doc. No 8 of February 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 213.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
stimmen zu lassen, sondern unmittelbar und ohne Zwischenschritt.186 Erhalten bleiben sollte ein objektiver Test für die Wahl, jedoch weiterhin lediglich im Hinblick auf die kontoführende Tätigkeit des Intermediärs allgemein. Auf der diplomatischen Konferenz im Dezember 2002 fand die vorgeschlagene Lösung Zustimmung und wurde als Hauptanknüpfungsregel in die Konvention übernommen. Primär ist damit nicht mehr nach dem situs des Depotkontos zu suchen,187 was letztlich im Widerspruch zum Gedanken von PRIMA steht. Sprachlich genau lässt sich entgegen der Präambel auch nicht mehr sagen, dass „ein Ort“ des relevanten Intermediärs in der Kontovereinbarung bestimmt wird. Vielmehr erscheint für die letztendlich gefundene Lösung die Bezeichnung als Account Agreement Approach (AAA) treffender.188 Aus der Perspektive des europäischen Kollisionsrechts wirkt die Hinwendung zu einem subjektiven Ansatz auf den ersten Blick erstaunlich. In globaler Perspektive ist sie jedoch nicht ohne Vorbild: Auch im USamerikanischen Modellgesetz UCC sind für die Anknüpfung im Rahmen des indirect holding system189 vorrangig die Abreden der Depotvertragsparteien zu berücksichtigen.190 Für den Erwerb eines security entitlement, für die Rechte und Pflichten von Intermediär und Inhaber einer solchen Berechtigung sowie für das Verhältnis zu konkurrierenden Dritten ist nach § 8-110 (b) UCC das Recht der „securities intermediary’s jurisdiction“ anzuwenden.191 Auch für die Drittwirkung und das Rangverhältnis von Sicherheiten an einem security entitlement oder einem Depotkonto verweist § 9-305 (a) (3) UCC auf diese Rechtsordnung.192 Die maßgebliche
186
Proposal for a Redraft of Articles 4 and 4bis submitted by the Permanent Bureau, Prel. Doc. No 13 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 279. 187 Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 534. 188 Mankowski, ZBB 2003, S. 258; ders., RIW 2004, S. 481, 491; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 138 f.; MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 218, 222. 189 Zu dessen materieller Seite oben § 2 I. 2. a). 190 Für einen Überblick der Kollisionsregeln im indirect holding system s. Guynn/Rogers, in: Potok, Cross Border Collateral (2002), Tz. 27.1 ff. 191 Im Wortlaut von § 8-110 (b) UCC: „The local law of the securities intermediary’s jurisdiction, as specified in subsection (e), governs: (1) acquisition of a security entitlement from the securities intermediary; (2) the rights and duties of the securities intermediary and entitlement holder arising out of a security entitlement; (3) whether the securities intermediary owes any duties to an adverse claimant to a security entitlement; and (4) whether an adverse claim can be asserted against a person who acquires a security entitlement from the securities intermediary or a person who purchases a security entitlement or interest therein from an entitlement holder.“ 192 Im Wortlaut von § 9-305 (a) (3) UCC: „The local law of the securities intermediary’s jurisdiction as specified in Section 8-110(e) governs perfection, the effect of per-
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„securities intermediary’s jurisdiction“ wird wiederum im zuletzt 1999 geänderten § 8-110 (e) UCC anhand einer fünfsprossigen Anknüpfungsleiter aus objektiven und subjektiven Momenten definiert, die deutliche Ähnlichkeiten zur Lösung des HWpÜ aufweist. Vorrangig ist eine Vereinbarung zwischen dem Inhaber der Wertpapierberechtigung und seinem Intermediär über die „securities intermediary’s jurisdiction“ zu berücksichtigen, die diese Parteien für Zwecke der Anknüpfung des entitlements oder des UCC insgesamt getroffen haben. Liegt eine solche nicht vor, so ist auf die für die Kontovereinbarung allgemein gewählte Rechtsordnung zurückzugreifen. In weiteren Auffangregeln wird ferner auf die ausdrückliche Vereinbarung einer kontoführenden Zweigstelle, die in einem Kontoauszug identifizierte Niederlassung und schließlich den Sitz der Geschäftsführung des Intermediärs abgestellt.193 Mit ihrem Wandel hin zu einer – wenn auch konditionierten – Rechtswahl hat sich die Haager Konferenz also zumindest teilweise dem Modell des US-amerikanischen Kollisionsrechts angeschlossen.194 2.
Autonome und akzessorische Rechtswahl
Die subjektive Hauptanknüpfung des Haager Wertpapierübereinkommens teilt sich in zwei Alternativen. Vorrangig haben die Parteien der Kontoverfection or nonperfection, and the priority of a security interest in a security entitlement or securities account.“ 193 § 8-110 (e) UCC lautet wörtlich: „The following rules determine a “securities intermediary’s jurisdiction” for purposes of this section: (1) If an agreement between the securities intermediary and its entitlement holder governing the securities account expressly provides that a particular jurisdiction is the securities intermediary’s jurisdiction for purposes of this part, this article, or this [Act], that jurisdiction is the securities intermediary’s jurisdiction. (2) If paragraph (1) does not apply and an agreement between the securities intermediary and its entitlement holder governing the securities account expressly provides that the agreement is governed by the law of a particular jurisdiction, that jurisdiction is the securities intermediary’s jurisdiction. (3) If neither paragraph (1) nor paragraph (2) applies and an agreement between the securities intermediary and its entitlement holder governing the securities account expressly provides that the securities account is maintained at an office in a particular jurisdiction, that jurisdiction is the securities intermediary’s jurisdiction. (4) If none of the preceding paragraphs applies, the securities intermediary’s jurisdiction is the jurisdiction in which the office identified in an account statement as the office serving the entitlement holder’s account is located. (5) If none of the preceding paragraphs applies, the securities intermediary’s jurisdiction is the jurisdiction in which the chief executive office of the securities intermediary is located.“ 194 Girsberger, in: Berti/Girsberger (Hrsg.), FS Schnyder (2002), S. 77, 85, verweist auf das Eintreten gerade der USA (zusammen mit Kanada und dem Vereinigten Königreich) für die Rechtswahl; s. a. ders., in: Einhorn/Siehr (Hrsg.), International Cooperation through Private International Law (2004), S. 139, 147.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
einbarung die Möglichkeit, für die vom Übereinkommen erfassten Fragen eine eigenständige Rechtswahl zu treffen. Dabei muss sich die autonome Wahl zugleich auf alle Punkte des Kataloges in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ beziehen;195 eine dépeçage durch Beschränkung der Rechtswahl auf einzelne Fragen scheidet aus.196 Sofern die Parteien auf eine gesonderte Bestimmung des auf die Wertpapiere anwendbaren Rechts verzichten, ist nach Art. 4 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. HWpÜ die in der Kontovereinbarung als für diese maßgebend vereinbarte Rechtsordnung heranzuziehen. Die Wirkungen schuldrechtlicher Rechtswahlklauseln werden durch das akzessorische Vorgehen auf das Effektengiro erstreckt, so dass es grundsätzlich zu einem Gleichlauf zwischen Schuldvertrags- und Depotstatut kommt. Voraussetzung ist in beiden Alternativen eine ausdrückliche Rechtswahl,197 wobei dies individualvertraglich oder in Form von AGB geschehen kann.198 Allerdings ist auch im Fall der eigenständigen Rechtswahl keine namentliche Bezugnahme auf das HWpÜ erforderlich.199 Im Fall der einheitlichen Rechtswahl kann das Formerfordernis zu einer Auflösung der Akzessorietät führen: Eine lediglich stillschweigende Rechtswahl, die sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergibt, mag für Zwecke des europäischen internationalen Schuldrechts genügen,200 reicht jedoch für die Hauptanknüpfungsregel des HWpÜ nicht aus. Vielmehr gelten ohne eine ausdrückliche Rechtswahl nur die objektiven Auffangregeln der Konvention,201 wo sich mit Art. 5 Abs. 1 HWpÜ ein vertypter Fall der konkludenten Rechtswahl findet.202 Im Übrigen richtet sich das wirksame Zustandekommen einer Willenseinigung zwischen Depotinhaber und Intermediär nach dem autonomen Kollisionsrecht des Forums.203 Für die Folgen der Rechtswahl ist auf den Vorbehalt zugunsten des ordre public und der international zwingenden Normen des Staates des Forums in Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 HWpÜ hinzuweisen. In 195
Bjerre/Rocks, 3 CMLJ 109, 117 (2008). Bei einer beschränkten gesonderten Rechtswahl kann gleichwohl noch auf die allgemeine Rechtswahl für die Kontovereinbarung zurückgegriffen werden, vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-10. 197 Lediglich im Rahmen der Übergangsvorschriften sind in der speziellen Situation des Art. 16 Abs. 4 HWpÜ auch die Begleitumstände zu berücksichtigen. 198 Reuschle, BKR 2003, S. 562, 567; Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-18. 199 Dies ergibt ein Umkehrschluss zur Übergangsvorschrift des Art. 16 Abs. 2 HWpÜ, die dies explizit verlangt; vgl. Peyer, AJP/PJA 2008, S. 956, 965. S. a. Bjerre/Rocks, 3 CMLJ 109, 117 (2008): „magic words“ nicht erforderlich. 200 Vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO. 201 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 5-1. 202 Vgl. unten § 11 C. III. 203 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-19; Peyer, AJP/PJA 2008, S. 956, 966. 196
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Abs. 3 stellt der Artikel allerdings klar, dass beide Figuren nicht dazu missbraucht werden dürfen, Drittwirkung und Rangordnung konkurrierender Rechte entgegen einer Rechtswahl oder der objektiven Auffangregeln willkürlich der lex fori zu unterwerfen. 3.
Rechtswahl über Rechte Dritter
Auf den ersten Blick besticht das Modell einer Rechtswahl durch seine Einfachheit und Klarheit in der Anwendung.204 So war Leitgedanke für die subjektiven Anknüpfungsregeln des UCC, den Parteien des Depotvertrages eine sichere Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung ex ante zu ermöglichen.205 Bei genauerer Betrachtung ist die Rechtssicherheit aber personell begrenzt: Die Rechtswahl nach dem HWpÜ beschränkt sich nicht auf das Verhältnis der Depotvertragsparteien inter partes, sondern wirkt erga omnes, also auch für und gegen beliebige Dritte. Die Rechte etwa von Sicherungsnehmern des Depotinhabers an den verbuchten Titeln sind der gewählten Rechtsordnung ebenfalls unterworfen, obwohl dieser Personenkreis nicht unmittelbar an der Depotvereinbarung beteiligt ist, diese unter Umständen nicht einmal kennt. Als Hintergrund für die Problematik ist zu berücksichtigen, dass das Haager Wertpapierübereinkommen nicht nur Depotkonstruktionen mit relativen schuldrechtlichen Kontopositionen erfasst, sondern auch und gerade Systeme auf der Basis absolut wirkender dinglicher Rechte. Im nationalen Kollisionsrecht wird aber schon seit längerem kontrovers diskutiert, ob das internationale Sachenrecht Raum für die Parteiautonomie bietet.206 Der deutsche Gesetzgeber hat sich bislang sehr zurückhaltend gezeigt;207 expli-
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Löber, BKR 2003, S. 265, 266. Vgl. den offiziellen Kommentar, Revised Article 8 Uniform Commercial Code (1994), Investment Securities, § 8-110 Applicability; Choice of Law, Official Comment (2005) 3. 206 Überblick über den Meinungsstand in der Literatur bei Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 262, 282 ff.; Einsele, RabelsZ Bd. 60 (1996), S. 417, 435 ff.; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 12 Rdnr. 10; s. a. Ritterhoff, Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht (1999), S. 281 ff.; zu den europarechtlichen Bezügen der Diskussion W.-H. Roth, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 36, 39, 45. 207 Lediglich für den speziellen Fall der Sicherungsrechte an Transportmitteln ist gemäß Art. 45 Abs. 2 S. 1 EGBGB eine akzessorische Anbindung der Entstehung dieser Rechte an das schuldrechtliche Forderungsstatut vorgesehen, wodurch eine Rechtswahl mittelbar Bedeutung für dingliche Rechte erlangen kann. Von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rz. 73, bezeichnen dies als „indirekte Parteiautonomie kraft akzessorischer Anknüpfung“. 205
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
zit abgelehnt hat er die Rechtswahl für internationale Verkehrsgeschäfte,208 bei denen sich der Veräußerer zur Lieferung einer beweglichen Sache in einen anderen Staat verpflichtet (internationaler Versendungskauf) oder die Absicht des Erwerbers zum grenzüberschreitenden Transport für den Veräußerer zumindest erkennbar ist.209 Im Kern geht es bei der Diskussion in dieser und weiteren Fallgruppen210 um die Abwägung zwischen den Interessen der an der Vereinbarung beteiligten Parteien einerseits und den Verkehrsinteressen andererseits: Sachenrechte wirken gegenüber jedermann, so dass auch Dritte Klarheit über das anwendbare Recht haben müssen.211 Rechtspolitisch lassen sich dem Zielkonflikt insbesondere zwei Aspekte abgewinnen: Zum einen verlangt der Verkehrsschutz im internationalen Sachenrecht die Publizität des Anknüpfungsmoments.212 Zum anderen ist aufgrund der besonderen Drittbetroffenheit das Augenmerk auf fraudulöses Verhalten zu richten: Wenn es etwa den Parteien einer Verfügung frei steht, die auf dingliche Rechte Dritter anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen, so könnten sie diese Möglichkeit dazu missbrauchen, die Drittposition mittels entsprechender Rechtswahl zu beseitigen oder zumindest zu beeinträchtigen.213
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Vgl. die Begründung für den Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, BT-Drucks. 14/343 vom 1.2.1999, S. 16. 209 Zur Definition Staudinger-Stoll, BGB, Internationales Sachenrecht (1996), Rdnr. 288. 210 Neben internationalen Verkehrsgeschäften sind dies vor allem Verfügungen über res in transitu, also Sachen, die sich zum Zeitpunkt der Verfügung auf dem Transport befinden. Anders als in ersterer Fallgruppe erfolgt hier keine Lieferung im Hinblick auf das Geschäft; vielmehr wird die Verfügung getroffen, während sich die Ware ohnehin auf dem Transport befindet; zur Abgrenzung MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 46 EGBGB Rdnr. 40. Ferner werden als Fallgruppe die Transportmittel diskutiert, die auf Dauer dem Verkehr mit dem Ausland dienen; vgl. Kegel/Schurig, IPR (2004), § 19 IV f. (S. 774 f.). 211 Kropholler, IPR (2006), § 54 I 1 (S. 555). 212 Vgl. nur MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Vorbemerkung zu Art. 43 EGBGB Rdnr. 12. 213 Die Gefahr einer missbräuchlichen Rechtswahl wird an dieser Stelle nur als rechtspolitischer Gesichtspunkt erörtert. Keine Aussage soll hingegen darüber getroffen werden, ob bei Einräumung der Rechtswahlfreiheit durch den Gesetzgeber eine Rechtswahl das Rechtsinstitut der Gesetzesumgehung (fraus legis) erfüllen kann; insofern grundsätzlich ablehnend von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I (2003), § 7 Rdnr. 129. Allgemein zu den engen Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts Kegel/Schurig, IPR (2004), § 14 II (S. 478 f.); Kropholler, IPR (2006), § 23 II (S. 158 ff.); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 122 ff.
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a) Publizität des Verweisungsmoments Hinsichtlich der subjektiven Hauptanknüpfungsregel des Übereinkommens stellt sich demnach zunächst die Frage, ob sie die für den Rechtsverkehr erforderliche Transparenz aufweist. Keinen grundlegenden Unterschied macht es für diese Betrachtung, dass nach der Konvention – anders als für die national diskutierten Fallgruppen vorgeschlagen – nicht die Autonomie der Parteien einer Verfügung über dingliche Rechte, sondern jene der Parteien der Kontovereinbarung maßgeblich ist. Auch nach dem Haager Übereinkommen unterliegen schließlich die Rechte Dritter den Wirkungen einer Rechtswahl, an der der Rechtsinhaber nicht beteiligt ist.214 Allerdings weichen die Ausgangsbedingungen im Effektengiro insofern vom allgemeinen Mobiliarsachenrecht ab, als hier die körperlichen Grundlagen durch den Funktionsverlust der Urkunde215 stark in den Hintergrund getreten sind. Wenn das Papier (sofern überhaupt noch vorhanden) für den Rechtsverkehr keine Rolle mehr spielt, so bietet die objektive Anknüpfung an seinen Lageort keinen Zugewinn an Publizität gegenüber der Rechtswahl durch die Depotvertragsparteien. Aufgrund der faktischen Gegebenheiten streiten die Verkehrsinteressen im Rahmen des Effektengiros gerade nicht mehr für die lex cartae sitae. Als Vergleichsmaßstab für seine Transparenz muss sich das subjektive Verweisungsmoment der Konvention jedoch an einem anderen objektiven Anknüpfungspunkt messen lassen: dem PRIMA-Modell in der Ausprägung der europäischen Rechtsakte. Die Haager Konferenz hat sich gegen eine solche Lösung entschieden, weil ihr die Lokalisierung des Kontos aufgrund der weltweiten Auslagerung einzelner Tätigkeiten des Intermediärs zu unsicher erschien. Ausdrücklich im Blick waren dabei gerade die Risiken und Belastungen für potentielle Sicherungsnehmer.216 In Bezug auf die europäischen Richtlinien ist allerdings bereits bezweifelt worden, dass in der Praxis eine wirklich gleichmäßige Verteilung auf verschiedene Länder auftritt.217 Regelmäßig dürfte sich auch aus der Perspektive Dritter ein gewisser objektiver Schwerpunkt der Kontoführung in einem bestimmten Staat erkennen lassen. Betrachtet man den von der Rechtswahl der Depotvertragsparteien potentiell betroffenen Personenkreis genauer, so ist das subjektive Moment des HWpÜ gleichwohl für den Rechtsverkehr nicht wesentlich intranspa214 Dementsprechend wird das HWpÜ häufig der Problematik der Parteiautonomie im Sachenrecht zugeordnet, vgl. etwa Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 731 f.; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 543 f.; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 226. 215 Hierzu ausführlich oben § 1 C. und D. 216 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-45, 4-25. 217 Vgl. oben § 3 C. I. 3. b).
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renter als der Ort von Konto oder Intermediär. Zwei Gruppen lassen sich insofern unterscheiden: Personen, die von dem Depotinhaber rechtsgeschäftlich die Titel oder Rechte an diesen erwerben, sowie sonstige Dritte.218 Beide sind gleichermaßen davon betroffen, dass das Übereinkommen keine kollisionsrechtliche Pflicht statuiert, die Bestimmung des anwendbaren Rechts für den Rechtsverkehr kenntlich zu machen.219 Vertreter ersterer Gruppe wie Käufer oder Sicherungsnehmer können sich jedoch praktisch dadurch behelfen, dass sie sich bei Erwerb ihrer Rechte an den verbuchten Titeln durch den Depotinhaber über die nach der Kontovereinbarung maßgebliche Rechtsordnung informieren lassen und Einsicht in die Vertragsunterlagen nehmen. Das Auskunftsverlangen etwa eines Sicherungsnehmers dürfte wegen seiner Verhandlungsposition regelmäßig durchzusetzen sein; zusätzliche Absicherung kann durch die Offenlegung seitens des Intermediärs unter Zustimmung des Depotinhabers erlangt werden.220 Im Übrigen steht einem Sicherungsnehmer der Weg offen, eine Umbuchung auf ein anderes Konto zu erwirken, was die Titel und damit auch seine Position der Rechtswahl des Sicherungsgebers entzieht. Für die gesicherten Gläubiger erweist sich weniger die Publizität der Rechtswahl als vielmehr ihre Wandelbarkeit als Problem, worauf bei der Frage des Bestandsschutzes im Falle nachträglicher Rechtswahl einzugehen ist. Anders sieht dies für sonstige Dritte aus, die hinsichtlich der verbuchten Wertpapiere nicht in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit dem Depotinhaber treten. Ein Interesse an der auf die Titel anwendbaren Rechtsordnung können vor allem die bislang ungesicherten Gläubiger des Depotinhabers haben, die die Kontoposition für eine Pfändung beurteilen wollen.221 Eine Auskunft des Depotinhabers ist für diese Gruppe nicht ohne weiteres zu erlangen; der Information durch den Intermediär steht das Bankgeheimnis entgegen. Nur für diese Teilmenge unter den Dritten ist das Depotstatut 218 So auch die Unterscheidung der Kommission in ihrer Bewertung des HWpÜ; vgl. das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910 vom 3.7.2006, S. 11 f. 219 Denkbar wäre etwa, die Rechtswahl nur in Form eines Ländercodes in einer Depotkontonummer zuzulassen, anhand dessen auch Dritte die gewählte Rechtsordnung erkennen können. Zu dem vergleichbaren Ansatz in der WRR, in die Kontonummer die Information über das (hier objektiv bestimmte) anwendbare Recht aufzunehmen, unten § 12 C. I. 2. 220 Vgl. Bertschinger, in: Honsell u. a. (Hrsg.), FS Kramer (2004), S. 463, 476 f.; Guillaume, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La loi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 67, 75 f. 221 Die Voraussetzungen des hoheitlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens unterliegen nicht dem internationalen Privatrecht des Übereinkommens. In den Anwendungsbereich der Konvention fallen aber nach Art. 2 Abs. 1 lit. e) HWpÜ die Pflichten des Intermediärs gegenüber dem Inhaber eines durch Pfändung erworbenen Pfandrechts; vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 2-25.
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durch das subjektive Anknüpfungsmoment des Übereinkommens mühsamer zu bestimmen als unter Geltung einer objektiven PRIMA-Lösung. Allzu schwer wiegt dies aber nicht: Ungesicherte Gläubiger müssen für eine Pfändung ohnehin Feststellungen über das Guthaben treffen, die sie wegen des Bankgeheimnisses nur im Rahmen der Zwangsvollstreckung bei der Depotbank erlangen können. Dieses Auskunftsverlangen müsste also lediglich um das gewählte Recht ergänzt werden.222 b) Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle Stellt sich letztlich also die Publizität der Rechtswahl nach dem HWpÜ als weniger schwerwiegendes Problem dar, so eröffnet das subjektive Verweisungsmoment des Übereinkommens doch einen – im Vergleich zu einer objektiven Anknüpfung – erleichterten Weg in ausländische Rechtsordnungen. Dies gilt umso mehr, als das kollisionsrechtliche Übereinkommen für seine Anwendbarkeit neben der bloßen Wahl fremden Rechts keinen zusätzlichen grenzüberschreitenden Bezug des Sachverhalts verlangt.223 Wenn aber das Depotstatut der Willkür der Parteien unterliegt, kann dies zur Geltung inkompatibler Rechtsordnungen innerhalb des Kontengeflechts eines nationalen Wertpapierliefersystems führen oder sogar missbräuchlich zum Nachteil Dritter ausgenutzt werden. Als zentrales Gegenmittel zur Abwehr derartiger Gefahren der Rechtswahlfreiheit soll das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle im Land der gewählten Rechtsordnung nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ dienen.224 Nach diesem reality test ist die in der Kontovereinbarung gewählte Rechtsordnung nur dann anzuwenden, wenn der maßgebliche Intermediär zum Zeitpunkt der Vereinbarung in dem betreffenden Staat eine Geschäftsstelle unterhält, die bestimmte kontobezogene Aktivitäten ausübt oder die anhand einer Bankleitzahl identifiziert wird. Als Tätigkeit der Geschäftsstelle reicht nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 lit. a) HWpÜ aus, dass sie Buchungen auf Depotkonten vornimmt oder überwacht (Nr. i), Zahlungen oder gesellschaftsrechtliche Maßnahmen aus den verbuchten Wertpapieren abwickelt (Nr. ii) oder sonst im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmäßigen Tätigkeit Depotkonten führt (Nr. iii). Zur weiteren Abgrenzung und Konkretisierung insbesondere des
222 So die tragende Argumentation der Kommission, vgl. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910 vom 3.7.2006, S. 12. 223 Zum räumlichen Anwendungsbereich des HWpÜ oben § 11 B. III. 224 Zur Abwehrfunktion der Voraussetzung gegenüber missbräuchlichen Gestaltungen Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 532; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 221; Girsberger/Hess, AJP/PJA 2006, S. 992, 998.
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allgemein gehaltenen dritten Punktes225 setzt das Haager Übereinkommen wiederum das Stilmittel einer Negativliste ein: Für den Realitätstest ist es nach Art. 4 Abs. 2 HWpÜ nicht allein ausreichend, wenn sich bei der Geschäftsstelle technische Anlagen für die Buchführung oder Datenverarbeitung befinden (lit. a), ein Call-Center zur Kommunikation mit den Depotinhabern betrieben wird (lit. b) oder der Postversand erfolgt oder Akten und Archive geführt werden (lit. c). Weiterhin genügt es nicht, wenn es sich um eine bloße Repräsentanz oder Verwaltungsstelle handelt, die nicht zum rechtsverbindlichen Abschluss einer Kontovereinbarung befugt ist (lit. d). Alternativ zur Qualifizierung der Geschäftsstelle über ihre faktischen Aktivitäten eröffnet Art. 4 Abs. 1 S. 2 lit. b) HWpÜ auch die Möglichkeit, die Kontotätigkeit anhand einer Kennziffer nachzuweisen. Demnach ist der Realitätstest ebenfalls bestanden, wenn eine Kontonummer, Bankleitzahl oder sonstige spezielle Kennung eine Kontoführung durch die Geschäftsstelle bestätigt. Temporal muss der Test im Zeitpunkt der „Vereinbarung“ erfüllt sein. Gemeint ist die Rechtswahl zwischen den Parteien, die in der Regel im Rahmen des Abschlusses des Kontovertrages erfolgt, jedoch auch noch später getroffen oder abgeändert werden kann.226 Wird der Test im maßgeblichen Zeitpunkt nicht bestanden, so vermag eine nachträgliche Änderung der faktischen Verhältnisse keine Heilung herbeizuführen; umgekehrt kann eine einmal erfüllte Voraussetzung nachträglich nicht mehr entfallen.227 Die Geschäftsstelle, auf die sich der reality test bezieht, definiert Art. 1 Abs. 1 lit. j) HWpÜ als Geschäftssitz, an dem Tätigkeiten des Intermediärs ausgeübt werden. Explizit ausgenommen ist einerseits ein lediglich vorübergehender Geschäftssitz des Intermediärs, andererseits jeder Geschäftssitz einer Person, „die nicht der Intermediär ist“. Aus letzterer Abgrenzung ist zu folgern, dass die Geschäftsstelle zur rechtlichen Einheit des Intermediärs gehören muss. Hierauf deutet zudem die sprachliche Differenzierung zwischen einer „Geschäftsstelle des maßgeblichen Intermediärs“ und „anderen Personen“ in Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ selbst hin. Für den Realitätstest kann also keine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft des Intermediärs herangezogen werden, sondern es bedarf einer 225
Sofern hingegen bereits die ersten beiden Punkte der Positivliste erfüllt sind, dürfte die Negativliste kaum noch zur Anwendung kommen. Der Erläuternde Bericht bezeichnet diese beiden Punkte dementsprechend als „safe harbour“ des Realitätstests, s. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-32. 226 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-28. 227 Zu den weiteren Einzelheiten des temporalen Aspekts des Realitätstests Bertschinger, in: Honsell u. a. (Hrsg.), FS Kramer (2004), S. 463, 475 f.; Peyer, AJP/PJA 2008, S. 956, 963 f.
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eigenen unselbstständigen Zweigniederlassung des Intermediärs.228 Hinter diesem zunächst ungewöhnlich erscheinenden Ergebnis steht der mit dem Test verfolgte Zweck: Für die Rechtswahl soll über die eigene Kontoführung des Intermediärs ein Realitätsbezug hergestellt werden. Allerdings konnte und wollte das Haager Übereinkommen auch im Rahmen des Erfordernisses einer Geschäftsstelle das interne und externe Outsourcing beim Depotgeschäft nicht ignorieren.229 Vorgesehen ist daher die Möglichkeit, dass die fragliche Geschäftsstelle des Intermediärs die Kontotätigkeit zusammen mit einer anderen Geschäftsstelle oder sogar mit einem Dritten ausübt. Hiermit droht allerdings wiederum der reality test vollkommen entwertet zu werden: Um die Rechtsordnung eines Landes zu wählen, könnte der Intermediär auch auf einen beliebigen Dritten verweisen, den er dort für einzelne Tätigkeiten der Kontoführung einsetzt. Im Hinblick auf den verfolgten Zweck kann dies nicht richtig sein. Um einen hinreichenden Realitätsbezug zu gewährleisten, ist das Erfordernis dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Intermediär in dem betreffenden Land zumindest mehr als die in der Negativliste genannten Tätigkeiten in eigener Person ausüben muss und nur im Übrigen auf externe Dienstleister verweisen darf.230 Im Ergebnis dürfte der Realitätstest einige Auswüchse der Rechtswahlfreiheit der Depotvertragsparteien verhindern, die bei einem rein subjektiven Modell wie dem des UCC drohen. Insbesondere kleinere Intermediäre können nicht ohne weiteres beliebige Rechtsordnungen mit ihren Kunden vereinbaren. Dennoch sollte die Bedeutung der Voraussetzung nicht überbewertet werden.231 Die erforderlichen Kontotätigkeiten müssen keinerlei Bezug gerade zu den in Rede stehenden Wertpapieren aufweisen.232 Größere Intermediäre, die regelmäßig Niederlassungen in mehreren Staaten unterhalten, können in entsprechendem Umfang durchaus von der Rechtswahlfreiheit Gebrauch machen.233 Die rechtspolitischen Befürchtungen in 228
Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 1-24; Peyer, AJP/PJA 2008, S. 956, 962; Kuhn/Graham-Siegenthaler/Thévenoz-Guillaume, FISA & HSC Commentary (2010), Art. 4 HSC Rdnr. 12. A. A. Girsberger/Hess, AJP/PJA 2006, S. 992, 999 (Fn. 99). 229 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-34. 230 Peyer, AJP/PJA 2008, S. 956, 963; s. a. Bjerre/Rocks, 3 CMLJ 109, 120 f. Fn. 43 (2008). 231 Vgl. etwa Bjerre/Rocks, 3 CMLJ 109, 111 (2008): „modest limitation on the agreement mechanism“. 232 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-23; Kuhn/GrahamSiegenthaler/Thévenoz-Guillaume, FISA & HSC Commentary (2010), Art. 4 HSC Rdnr. 14. 233 Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 138; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 155; Kuhn/Graham-Siegenthaler/ThévenozGuillaume, FISA & HSC Commentary (2010), Art. 4 HSC Rdnr. 17.
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Europa, dass sich US-amerikanisches Recht als Standard durchsetzen könnte oder dass inkompatible Depotrechtsordnungen Einzug in ein nationales Wertpapierliefersystem halten, lassen sich durch den reality test also nicht vollständig ausräumen. c) Bestandsschutz bei abändernder Rechtswahl Gerade weil das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle keine unüberwindbare Hürde für die Parteiautonomie der Depotvertragspartner darstellt, rückt ein weiterer Schutzmechanismus für die von einer Rechtswahl betroffenen Dritten ins Blickfeld: der Bestandsschutz nach Art. 7 HWpÜ beim Wechsel der anzuwendenden Rechtsordnung. Die Regelung widmet sich der zeitlichen Dimension der Rechtswahlfreiheit von Kontoinhaber und Intermediär, die nicht nur ab initio, sondern auch noch nach Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Selbst wenn sich daher ein Sicherungsnehmer bei der Bestellung seines Rechts an den verbuchten Titeln ausreichend über die auf diese anwendbare Rechtsordnung informiert hat, ist er nicht davor gefeit, dass nachträglich erstmals eine Rechtswahl getroffen oder die ursprüngliche Wahl abgeändert wird. Sein wohlerworbenes Recht kann durch den hervorgerufenen Statutenwechsel beeinträchtigt oder sogar zum Erlöschen gebracht werden.234 Da die Vorschrift den Auswirkungen der Parteiautonomie der Depotvertragsparteien auf Dritte entgegenwirken soll, ist sie erst nach der Entscheidung für ein subjektives kollisionsrechtliches Modell auf der abschließenden Diplomatischen Konferenz in die Konventionsentwürfe aufgenommen worden.235 Mit seinem Anliegen steht Art. 7 HWpÜ im internationalen Privatrecht nicht allein: Der Grundgedanke, Dritte bei einem durch eine nachträgliche Rechtswahl ausgelösten Statutenwechsel zu schützen, findet sich etwa auch in den europäischen Kollisionsregeln zum klassischen Spielfeld der Parteiautonomie, dem Recht der Schuldverhältnisse.236 Ge234 Allgemein zu den Hintergründen von Art. 7 HWpÜ Reuschle, BKR 2003, S. 562, 569; ders., IPRax 2003, S. 495, 501 f.; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 535 f.; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 223; Kuhn/GrahamSiegenthaler/Thévenoz-Guillaume, FISA & HSC Commentary (2010), Art. 7 HSC Rdnr. 5. 235 Reuschle, BKR 2003, S. 562, 569; ders., IPRax 2003, S. 495, 501 f.; Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 223. 236 Nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO werden die Rechte Dritter durch eine nach Vertragsschluss erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts „nicht berührt“; zu Bedeutung und Einzelheiten der entsprechenden Vorgängerbestimmung im EVÜ bzw. ihrer nationalen Umsetzung Bauer, Grenzen nachträglicher Rechtswahl und Rechte Dritter im Internationalen Privatrecht (1992), S. 1 ff.; Möllenhoff, Nachträgliche Rechtswahl und Rechte Dritter (1993), S. 18 ff.; Jaspers, Nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht (2002), S. 157 ff. Vgl. a. Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-
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genüber derartigen Bestimmungen ist die Bestandsschutzregel im Haager Übereinkommen jedoch erheblich genauer und ausdifferenzierter. So findet Art. 7 HWpÜ gemäß seinem Abs. 1 Anwendung, wenn eine Kontovereinbarung derart geändert wird, dass nach dem Übereinkommen eine andere Rechtsordnung anzuwenden ist. Hieraus folgt zunächst, dass die neue Rechtswahl die Voraussetzungen für eine wirksame Rechtswahl nach dem HWpÜ erfüllen muss, darunter insbesondere das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle im Zeitpunkt der neuen Wahl.237 Weiterhin muss zwar wegen der vorausgesetzten Änderung einer Kontovereinbarung zuvor bereits ein entsprechender Depotvertrag vorgelegen haben.238 Dessen Änderung kann aber auch in der erstmaligen Aufnahme einer Rechtswahlklausel für die gesamte Geschäftsbeziehung oder nur für die Fragen des Übereinkommens bestehen.239 Anders ausgedrückt fordert die Bestimmung lediglich, dass sich die neue Rechtsordnung240 nach der Änderung gemäß Art. 4 Abs. 1 HWpÜ bestimmt; ob sich die alte Rechtsordnung241 zuvor aus der subjektiven Regel in Art. 4 HWpÜ oder aus den objektiven Auffangregeln in Art. 5 HWpÜ ergeben hat, ist dagegen irrelevant. Abzugrenzen ist die Änderung der Kontovereinbarung schließlich von sonstigen Vorgängen, die zur Anwendung neuer materieller Vorschriften auf die verbuchten Wertpapiere führen: Art. 7 HWpÜ findet keine Anwendung, wenn sich der Inhalt der maßgeblichen Rechtsordnung im Laufe der Zeit ändert,242 wenn die fraglichen Titel auf ein anderes Konto umgebucht werden, das einer neuen Rechtsordnung unterliegt,243 oder (was als Einfallstor für eine Umgehung des Bestandsschutzes nicht unproblematisch erscheint) wenn der Depotinhaber mit seinem Intermediär keine Änderung, sondern eine gänzlich neue Kontovereinbarung beschließt.244 Auf der Rechtsfolgenseite bestimmt Abs. 3 von Art. 7 HWpÜ als Grundregel, dass die neue Rechtsordnung für alle von der Konvention erfassten Fragen maßgebend ist. Im Ausgangspunkt führt eine nachträgliche VO, wonach auch bei außervertraglichen Schuldverhältnissen eine Rechtswahl die Rechte Dritter „unberührt“ lässt. 237 Wird der reality test bei der neuen Wahl nicht bestanden, so verbleibt es für das anwendbare Recht beim status quo ante, s. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 7-1; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 535. 238 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 7-9. 239 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 742. 240 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) HWpÜ die aufgrund dieses Übereinkommens nach dem Wechsel anzuwendende Rechtsordnung. 241 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b) HWpÜ die aufgrund dieses Übereinkommens vor dem Wechsel anzuwendende Rechtsordnung. 242 Reuschle, BKR 2003, S. 562, 569; ders., IPRax 2003, S. 495, 502. 243 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 7-1, 7-12. 244 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 7-1, 7-11.
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Rechtswahl also zu einem Statutenwechsel für das auf die Titel anzuwendende Recht.245 Eine umfassende Versteinerung der gewählten Rechtsordnung kam für das Übereinkommen schon deshalb nicht in Betracht, weil neben den Interessen der bisherigen Sicherungsnehmer auch diejenigen des Rechtsverkehrs in der Zeit nach der Änderung zu berücksichtigen sind: Ein Dritter, der über den Depotinhaber Einsicht in die Kontounterlagen nimmt, wird sich auf die hieraus ersichtliche aktuelle Rechtsordnung verlassen. Formal nur als Ausnahme zur Grundregel, inhaltlich aber als eigentlicher Kern der Vorschrift ordnet Abs. 4 von Art. 7 HWpÜ sodann die Fortgeltung der alten Rechtsordnung für bestimmte Fragen an. Der kollisionsrechtliche Bestandsschutz steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Einwilligung des betroffenen Dritten zum Statutenwechsel; hat er der Änderung der anzuwendenden Rechtsordnung zugestimmt, so kommt auch ihm gegenüber für alle vom Übereinkommen erfassten Fragen nur noch das neue Recht zur Anwendung.246 Hiervon abgesehen bleibt die alte Rechtsordnung gemäß Art. 7 Abs. 4 HWpÜ maßgeblich für den Bestand eines vor dem Wechsel der anzuwendenden Rechtsordnung erworbenen Rechts an verbuchten Wertpapieren sowie für Verfügungen über diese Wertpapiere, deren Drittwirksamkeit vor dem Wechsel herbeigeführt worden ist (lit. a). Altrechte können also nicht allein durch den Statutenwechsel (z. B. im Hinblick auf Formerfordernisse) unwirksam werden, sondern sind nach Maßgabe der alten Rechtsordnung anzuerkennen.247 Insbesondere gilt das vorherige Statut fort für die Rechtsnatur und die Wirkung von Altrechten an verbuchten Wertpapieren gegenüber dem maßgeblichen Intermediär und den Parteien einer vor dem Wechsel getroffenen Verfügung über diese Wertpapiere (lit. b Nr. i). Gleiches gilt gegenüber einer Person, die die Wertpapiere nach dem Wechsel der Rechtsordnung pfänden oder arrestieren lässt (lit. b Nr. ii). Darüber hinaus sind die vom Übereinkommen erfassten Fragen hinsichtlich eines Altrechts auch im Rahmen eines nach dem Zeitpunkt des Wechsels eröffneten Insolvenzverfahrens gemäß der alten Rechtsordnung zu beurteilen (lit. b Nr. iii). Schließlich bleibt die frühere Rechtsordnung maßgeblich für das Rangverhältnis unter Personen, deren Rechte vor dem Wechsel entstanden sind (lit. c). Auf den ersten Blick scheint damit ein Sicherungsnehmer umfassend vor den Auswirkungen einer Rechtswahländerung geschützt. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Wirkungen und die Priorität seiner Rechte nur im Verhältnis zu Personen, die ihr Recht ebenfalls vor dem Statutenwechsel erworben haben, dem alten Statut unterworfen bleiben. 245
Reuschle, BKR 2003, S. 562, 569; ders., IPRax 2003, S. 495, 502. Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 535, verweist auf den Grundsatz „volenti non fit iniuria“. 247 Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 503. 246
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Sobald er also in Konkurrenz zu Inhabern von Rechten tritt, die diese erst nach dem Wechsel erlangen, gilt für das Rangverhältnis nach dem allgemeinen Grundsatz des Art. 7 Abs. 3 HWpÜ die neue Rechtsordnung.248 Art. 7 Abs. 5 HWpÜ erstreckt diese Folge auf Rechte, die zwar nach der alten Rechtsordnung entstanden sind, deren Drittwirkung aber erst nach dem Wechsel herbeigeführt worden ist. Hinsichtlich der Ereignisse nach dem Zeitpunkt des Wechsels gewährt Art. 7 HWpÜ Altrechten eine Fortwirkung der bisherigen Rechtsordnung lediglich bei hoheitlicher Pfändung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die in einigen Rechtsordnungen als „Verfügung“ behandelt und so zur Anwendung des neuen Rechts für das Verhältnis zu den Altrechten herangezogen werden könnten.249 Die Lücke beim kollisionsrechtlichen Drittschutz lässt sich nur unter Berücksichtigung der Interessen des Rechtsverkehrs erklären: Ein Sicherungsnehmer, der erst nach einem Statutenwechsel ein Recht an verbuchten Wertpapieren erwirbt, hat ein Interesse an der umfassenden Geltung der ihm ersichtlichen neuen Rechtsordnung für seine Position. Zu den für ihn entscheidenden Punkten gehört gerade auch das Verhältnis zu den bereits abgeschlossenen Erwerbstatbeständen. Insofern kann ein Vergleich zum internationalen Mobiliarsachenrecht gezogen werden: Nach der grenzüberschreitenden Verbringung einer Sache und dem hierdurch ausgelösten Statutenwechsel werden die unter dem früheren Statut erworbenen dinglichen Rechte grundsätzlich zwar anerkannt, im Interesse des Rechtsverkehrs jedoch die Frage des gutgläubigen Erwerbs dem neuen Statut überlassen.250 Auch hierbei geht es um nichts anderes als die Priorität zwischen einem nach Maßgabe des neuen Statuts erworbenen Recht und einem Altrecht. Die Abwägung mit den Verkehrsinteressen verhindert somit letztlich einen totalen kollisionsrechtlichen Bestandsschutz251 für die Rechte Dritter. Wie schon der Realitätstest in Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ bietet das differenzierte System des Art. 7 HWpÜ durchaus eine Eindämmung der Parteiautonomie. Die im Vergleich zu einer objektiven Anknüpfung erleichterte Wandelbarkeit des subjektiven Hauptanknüpfungsmoments vermag aber auch dieser Mechanismus nicht gänzlich zu kompensieren. 248 Deutlich Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 7-17; s. a. Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 504. 249 Vgl. Reuschle, IPRax 2003, S. 495, 504.; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 536. 250 Vgl. die Nachweise zu Rspr. und Lit. oben bei § 3 C. III. 2. b) bb); s. insbesondere Rakob, Ausländische Mobiliarsicherungsrechte im Inland (2001), S. 305. 251 Die Tatsache, dass die neue Rechtsordnung die Priorität zwischen einem Alt- und einem Neurecht zu beurteilen hat, bedeutet natürlich keinen automatischen Vorrang zugunsten des Neurechts; vielmehr kann das neue Recht auf der materiellen Ebene durchaus Bestandsschutz gewähren, vgl. den Hinweis am Ende des Beispielsfalls von Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Example 7-4.
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III. Subsidiäre Anknüpfungen Neben der subjektiven Anknüpfung in der autonomen und der akzessorischen Alternative enthält das HWpÜ in seinem Art. 5 drei objektive Auffangregeln in kaskadenförmiger Anordnung. Zum Tragen kommen diese in drei Konstellationen: Zunächst beruht das Depotkonto möglicherweise nicht auf einem rechtsgeschäftlichen Vertrag, auf den sich die subjektive Hauptanknüpfung nach Art. 4 HWpÜ stützen könnte (1). Dies ist dann der Fall, wenn sich die Rechte und Pflichten des Intermediärs bereits vollumfänglich aus dem Gesetz ergeben, so dass es keiner weiteren Vereinbarung bedarf.252 Weiterhin kann zwar eine Kontovereinbarung geschlossen worden sein, die jedoch keine ausdrückliche Rechtswahl enthält (2).253 Schließlich ist auch eine Kontovereinbarung mit Rechtswahl denkbar, bei der aber die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht die Anforderungen der HWpÜ (insbesondere das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle)254 oder des autonomen Rechts des Forums an eine wirksame Willenseinigung255 erfüllt (3). Insgesamt dürften die drei Konstellationen eine eher untergeordnete Rolle gegenüber dem Regelfall spielen, dass der Depotbeziehung zumindest Geschäftsbedingungen des Intermediärs mit einer allgemeinen Rechtswahlklausel für die Geschäftsbeziehung zugrunde liegen.256 Die erste Auffangregel in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HWpÜ verweist auf den Staat einer bestimmten Geschäftsstelle, wenn in einer schriftlichen257 Kontovereinbarung ausdrücklich und unmissverständlich erklärt wird, dass der maßgebliche Intermediär die Kontovereinbarung über diese Geschäftsstelle geschlossen hat. Zu sehen ist diese Vorschrift vor dem Hintergrund der in Art. 4 Abs. 1 HWpÜ verlangten Ausdrücklichkeit der Rechtswahl: Wenn in der Kontovereinbarung eine Geschäftsstelle in Bezug genommen wird, so könnte hierin eine konkludente Rechtswahl liegen. Da jedoch eine solche implizite Wahl nicht für die Hauptanknüpfung des Übereinkommens ausreicht, bietet Art. 5 HWpÜ die Möglichkeit, dem erkennbaren Willen
252 Der Erläuternde Bericht nennt als Beispiel die Konten bei den skandinavischen CSD, Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 5-7; s. a. Rdnr. 1-36. 253 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 5-1. 254 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 5-1. 255 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-19. 256 Vgl. Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 33, 49. 257 Anders als für die Hauptanknüpfung reicht also eine ausdrückliche mündliche Rechtswahl nicht aus. „Schriftlich“ ist in Art. 1 Abs. 1 lit. n) HWpÜ definiert als „durch Aufzeichnung von Angaben (einschliesslich der Übermittlung durch Fernübertragung) in verkörperter Form oder in anderer Form, die später in verkörperter Form wiedergegeben werden kann.“
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der Parteien anderweitig nachzukommen.258 Letztlich handelt es sich also um einen vertypten Fall der konkludenten Rechtswahl, der jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft ist. Erforderlich ist die ausdrückliche und unmissverständliche Erklärung über die Geschäftsstelle des Vertragsschlusses, was in Art. 5 Abs. 1 S. 2 HWpÜ anhand einer black list mit unzureichenden Faktoren negativ konkretisiert wird.259 Nicht berücksichtigt werden demnach Vertragsbestimmungen über die Zustellung an den Intermediär über eine Zweigstelle (lit. a), über den Gerichtsstand des Intermediärs (lit. b) oder über die Versendung von Kontoauszügen von einem bestimmten Ort aus (lit. c). Ist die Reichweite der ersten Auffangregel damit zwar begrenzt, böte die bewusste Nennung eines bestimmten Ortes des Vertragsschlusses unter Verzicht auf eine sonstige Rechtswahl doch eine Möglichkeit, die Voraussetzungen der Hauptanknüpfung zu unterlaufen. Um dem entgegenzuwirken, verweist Art. 5 Abs. 1 S. 1 HWpÜ auf das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ. Als Redaktionsversehen ist dabei zu werten, dass nicht auch die negativen Kriterien in Art. 4 Abs. 2 HWpÜ in Bezug genommen werden.260 Der reality test für die Rechtswahl kann damit über die erste objektive Verweisungsregel nicht umgangen werden. Subsidiär wird in der zweiten objektiven Auffangregel nach Art. 5 Abs. 2 HWpÜ auf den Staat verwiesen, nach dessen Rechtsordnung der maßgebliche Intermediär als juristische Person gegründet oder in anderer Weise organisiert ist. Die offene Formulierung hinsichtlich des Gründungaktes soll verdeutlichen, dass alle gesellschaftsrechtlichen Formen einschließlich etwa auch von Personenhandelsgesllschaften erfasst sind.261 Der letztstufigen Auffangregel in Art. 5 Abs. 3 HWpÜ, wonach der (Haupt-)Geschäftssitz des Intermediärs heranzuziehen ist, dürfte daher nur in den seltensten Fällen zur Anwendung kommen. IV. Stufenweise Anknüpfung Obschon das subjektive Verweisungsmoment des Übereinkommens in Europa auf Ablehnung gestoßen ist, könnte ein spezieller Aspekt des Haager Anknüpfungsmodells hier dennoch Interesse finden. Für eine objektive Anknüpfung nach Maßgabe des PRIMA-Modells stellt sich die Schlüsselfrage, welcher der relevante unter mehreren an einem Sachverhalt beteilig-
258
Auf den beabsichtigten Schutz berechtigter Erwartungen der Parteien verweist Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 537. 259 Kreuzer, in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 224, hält diese für überflüssig. 260 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 737. 261 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 5-8.
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ten Intermediären ist.262 Durchaus vergleichbar muss sich aber auch die subjektive AAA-Lösung des Haager Übereinkommens der Frage stellen, wie mit einer Vielzahl von in einen Verfügungsvorgang involvierten Depotkonten umzugehen ist; für die objektiven Auffangregeln gilt dies ebenfalls.263 Die Konvention könnte insofern einen anderen Ansatz bieten als die ausschließliche Maßgeblichkeit des Empfängers, von der Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie (tendenziell) ausgehen.264 Wie allerdings die Antwort des Haager Übereinkommens auf die Problematik genau ausfällt, wird in der Literatur kontrovers beurteilt. Teilweise wird schon bezweifelt, dass dem Übereinkommen überhaupt eine eindeutige Aussage über das entscheidende Konto bei einer Umbuchung über mehrere Stufen hinweg zu entnehmen ist.265 Reuschle, der als Mitglied der deutschen Delegation an der abschließenden Diplomatischen Konferenz teilgenommen hat,266 will hingegen aus den Vorschriften der Konvention die Geltung einer einheitlichen Rechtsordnung ableiten, und zwar diejenige des Verfügenden.267 Eines seiner tragenden Argumente ist die Bestimmung des Art. 4 Abs. 3 HWpÜ, die für den Fall einer Verfügung des Depotinhabers zugunsten seines Intermediärs das für die Anknüpfung maßgebliche Konto festlegt. Demnach gilt in einer solchen Konstellation nur der Kontoführer des verfügenden Depotinhabers als maßgeblicher Intermediär und nur die Kontovereinbarung zwischen dem verfügenden Depotinhaber und diesem Intermediär als maßgebliche Depotvereinbarung. Es bestehe aber kein zwingender Grund, weshalb bei einer Verfügung zugunsten einer anderen Person als dem eigenen Intermediär nicht ebenfalls auf das Konto des Verfügenden abzustellen sei.268 Zudem verweist Reuschle auf den Bestandsschutz nach Art. 7 HWpÜ für die Rechte Dritter bei einer Änderung der anwendbaren Rechtsordnung; einer solchen Regelung bedür-
262 263
Hierzu oben § 3 C. I. 3. a). Vgl. MünchKommBGB-Wendehorst, Bd. 11 (2010), Art. 43 EGBGB Rdnr. 219,
222.
264
Zusammenfassend § 6 B. Pöch, ÖBA 2004, S. 507, 515; Eidenmüller, in: Bankrechtstag 2004, S. 117, 140. 266 Vgl. die Liste der Teilnehmer der Diplomatischen Konferenz, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 380. 267 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 746 ff.; ihm folgend Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 150 ff. Im Ergebnis ähnlich Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws (2003), Rdnr. 13.29 ff., die auf die Rechtsordnung abstellen will, unter der der Gegenstand begründet wurde (von ihr als lex creationis bezeichnet); üblicherweise sieht sie diese Rechtsordnung gerade als durch den Intermediär des Verfügenden bestimmt an, vgl. Ooi, a. a. O, Rdnr. 13.32. 268 Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 749; ebenso Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 152. 265
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fe es gerade nicht, wenn eine andere Rechtsordnung als die des Verfügenden zur Anwendung berufen werde.269 Beide Argumente überzeugen freilich nicht. Art. 4 Abs. 3 HWpÜ ist offensichtlich eine Sonderregelung, die auf eine spezielle Verfügungskonstellation ausgerichtet ist. Ein Intermediär, der Konten für Depotinhaber führt, unterhält seinerseits häufig bei dem Intermediär auf der nächsthöheren Stufe der Depotpyramide unterschiedliche Konten für Eigen- und Kundenbestände. Eine Verfügung eines Kunden über die verbuchten Wertpapiere zu seinen Gunsten (insbesondere die Bestellung einer Sicherheit) schlägt sich daher möglicherweise nicht auf dem von ihm selbst geführten Konto, wohl aber in einer Umbuchung auf der höheren Ebene nieder. Art. 4 Abs. 3 HWpÜ fokussiert für diesen Fall die Anknüpfung auf die Ebene, auf der der eigentliche wirtschaftliche Gegenstand zu verorten ist.270 Dass dies in der Konvention gesondert angeordnet wird, muss nicht zwingend als Ausdruck eines allgemeinen Gedankens gedeutet werden; mindestens ebenso naheliegend ist ein Umkehrschluss, dass abgesehen von diesem Spezialfall eine andere Grundregel gilt. Und auch die Existenz der Bestandsschutzregelung in Art. 7 HWpÜ ist keinesfalls ein eindeutiger Beweis für die einheitliche Maßgeblichkeit des Verfügenden. Selbst wenn bei Transaktionen grundsätzlich die Rechtsordnung des Empfängerkontos heranzuziehen wäre, bestünde Bedarf für eine solche Vorschrift: Nicht immer muss schließlich eine Gutschrift auf dem Empfängerkonto das faktische Ergebnis einer Verfügung sein. Solange die Wertpapiere beispielsweise nach ihrer Verpfändung an einen Dritten auf dem Konto des Verfügenden verbleiben, sind sie – und damit auch die Drittrechte – weiterhin der Rechtswahl des Verfügenden unterworfen. Berücksichtigt man die travaux préparatoires, den Erläuternden Bericht271 und gewisse Indizien in der Konvention selbst, so ist im Übereinkommen freilich auch nicht die gegenteilige Lösung zur Position Reuschles angelegt, die alleinige Geltung des Rechts des Verfügungsempfängers. Im Einklang mit der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum272 ist 269
Vgl. Reuschle, RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 749 f.; wiederum folgend Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen (2008), S. 152. 270 Vgl. zum Telos von Art. 4 Abs. 3 HWpÜ Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-41. 271 Zur Rolle der travaux préparatoires und des Erläuternden Berichts bei der Interpretation des HWpÜ Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-78. 272 Einsele, WM 2003, S. 2349, 2354; Than, in: Ekkenga/Hadding/Hammen (Hrsg.), FS Kümpel (2003), S. 543, 553; Bloch/de Vauplane, JDI 2005, S. 3, 26 ff.; Haubold, RIW 2005, S. 656, 658; Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 537 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 193 f., 201; Ege, Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere (2006), S. 188 ff.; Bernasconi/Sigman, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders (Hrsg.), La
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vielmehr davon auszugehen, dass die Konvention keine einheitlich maßgebliche Rechtsordnung für den gesamten Verfügungsvorgang festlegt, sondern die Kontostufen jeweils als gesonderten Gegenstand der Anknüpfung betrachtet. Der Gedanke eines solchen stufenweisen Vorgehens fand sich bereits im einleitenden Bericht von Bernasconi,273 der den Ausgangspunkt für das Projekt bildete.274 Als wesentliches Charakteristikum einer (für das Übereinkommen anfangs favorisierten) PRIMA-Anknüpfung stellt dieser Bericht heraus, dass die einzelnen Kontostationen bei einer Sicherheitsbestellung über mehrere Intermediäre hinweg jeweils der Geltung einer eigenen Rechtsordnung unterlägen; zum Vergleich verweist er auf die Situation beim internationalen Transfer von Buchgeld.275 Während der folgenden Arbeiten an dem Haager Projekt gab es zwar durchaus Kritik an einer solchen Lösung; als Alternative zu dem stufenweisen Vorgehen (step by step) wurde unter dem Schlagwort „Super-PRIMA“ die Geltung einer einheitlichen Rechtsordnung für den gesamten Verfügungsvorgang erwogen.276 Anhaltspunkte dafür, dass sich der einheitliche Ansatz dabei durchloi applicable aux titres intermédiés (2006), S. 54, 65; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 199 ff.; Einsele, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 350, 358; Morton, in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg.), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S. 364, 368 f.; Bjerre/Rocks, 3 CMLJ 109, 118 f. (2008); Costantini, Die drei Anknüpfungsgegenstände des internationalen Effektenrechts (2008), S. 293 ff.; Kuhn/ GrahamSiegenthaler/Thévenoz-Guillaume, FISA & HSC Commentary (2010), Art. 4 HSC Rdnr. 5 f.; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 387 ff.; Hennrich, Aktienverpfändung im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr (2011), S. 212 ff. 273 Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 10, 47 ff. 274 Die Beteiligung mehrerer Intermediäre an einem Sachverhalt wurde während der Vorarbeiten in Anlehnung an die ursprüngliche Paginierung des Bernasconi-Berichts als „page 37 problem“ bezeichnet; vgl. etwa Report on the meeting of the Working Group of Experts (15 to 19 January 2001) and Related Informal Work conducted by the Permanent Bureau on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 101 Fn. 36. 275 Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 10, 49. 276 Vgl. Report on the meeting of the Working Group of Experts (15 to 19 January 2001) and Related Informal Work conducted by the Permanent Bureau on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held with an Intermediary, Prel. Doc. No 2 of June 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 82, 103; Tentative Text on Key Provisions for a Future Convention on the Law Applicable to Proprietary Rights in Indirectly Held Securities, Prel. Doc. No 3 of July 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 136, 139 ff.; Comments received on the „Annotated July 2001 draft“
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
361
setzen konnte, sind jedoch nicht ersichtlich.277 Im Gegenteil: Deutliche Kritik fanden die Schwierigkeiten für höherstufige Intermediäre bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts, wenn nach einem auf die Rechtsordnung des Verfügungsempfängers bezogenen „Super-PRIMA“-Modell der Endpunkt einer Transaktion auf den anonymen Kapitalmärkten ermittelt werden müsste.278 Zugleich seien die Intermediäre von einer Mehrzahl von Empfängern und damit auch Empfängerrechtsordnungen betroffen – Probleme, die sich in der Tat für die gegenwärtigen europäischen Kollisionsnormen des Effektengiros mit ihrer einheitlichen Anknüpfung stellen.279 Nach Verabschiedung der Haager Konvention bezog schließlich ihr Erläuternder Bericht eindeutig Stellung: Die Idee einer einheitlichen Lösung sei für die Konvention zurückgewiesen worden.280 Auch wenn die Materialien damit das gestufte Vorgehen bei der Anknüpfung vorgeben, ist es als deutliches Defizit des Übereinkommens zu betrachten, dass eine derart zentrale Frage keine klare Regelung in seinem unmittelbaren Wortlaut gefunden hat.281 Erst aus einer Gesamtschau verschiedener Vorschriften wird die beabsichtigte Lösung ersichtlich: So kann der Vorschrift des Art. 2 HWpÜ zur Reichweite der Konvention und zum (Prel. Doc. No 3), Prel. Doc. No 5 of November 2001, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 164, 168; Comments received on the Provisional Version of the „Preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary“ as adopted by the Special Commission on 17 January 2002 (Prel. Doc. No 8), Prel. Doc. No 9 of March 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 222, 229 ff.; Comments received on the „April 2002 preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary“ (Prel. Doc. No 10), Prel. Doc. No 14 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 282, 295 ff.; Comments received on the „Preliminary draft Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary“ (Prel. Doc. No 15) and on „Options A and B in Article 4(1)“ (Prel. Doc. No 16), Prel. Doc. No 18 of November 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 328, 353 f. Zusammenfassend: Transfers Involving Several Intermediaries, Prel. Doc. No 12 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 270. 277 Reuschle muss denn auch seine gegenteilige Ansicht damit begründen, dass die von ihm unterstellte Zuwendung zur anwendbaren Rechtsordnung des Verfügenden von der Diplomatischen Konferenz „nicht bemerkt“ worden sei, s. ders., RabelsZ Bd. 68 (2004), S. 687, 749. 278 Vgl. Transfers Involving Several Intermediaries, Prel. Doc. No 12 of May 2002, Proceedings of the Nineteenth Session, Bd. II, S. 270, 273. 279 Überblick oben unter § 6 B. 280 Ausführlich Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-43 ff. 281 So auch die Kritik des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910 vom 3.7.2006, S. 10. Nach dem Erläuternden Bericht wurde eine spezielle Regelung nicht für erforderlich gehalten, s. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-45; s. a. Kreuzer, in: FS Lagarde (2005), S. 523, 539.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Geltungsbereich des anwendbaren Rechts entnommen werden, dass sich die aufgezählten Fragen auf „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“ beziehen müssen. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 1 Abs. 1 lit. f) HWpÜ handelt es sich dabei aber um die Rechte eines Depotinhabers, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem (zu lesen als: seinem eigenen) Depotkonto ergeben. Sobald also ein zweites Konto involviert ist, handelt es sich um andere „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“, für welche die anwendbare Rechtsordnung erneut beurteilt werden muss. Weiteres Indiz ist der Begriff des „maßgeblichen Intermediärs“, der von allen Verweisungsregeln direkt oder indirekt in Bezug genommen wird: Die Hauptanknüpfungsregel des Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ stellt auf die in der „Kontovereinbarung“ ausgehandelte Rechtsordnung ab, die wiederum als die Vereinbarung mit dem „maßgeblichen Intermediär“ definiert wird;282 der Realitätstest des Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ und die objektiven Auffangregeln des Art. 5 HWpÜ verwenden den Begriff des „maßgeblichen Intermediärs“ unmittelbar. Gemäß Art. 6 lit. d) HWpÜ muss bei der Anknüpfung sogar ausdrücklich der Ort unberücksichtigt bleiben, an dem sich ein Intermediär befindet, der nicht der „maßgebliche Intermediär“ ist. Nach seiner Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 Abs. 1 lit. g) HWpÜ handelt es sich nur um denjenigen Intermediär, der das Depotkonto für den Depotinhaber führt. Somit wird zur Beurteilung der Rechtsstellung eines Kontoinhabers auch in einer Verfügungssituation mit mehreren involvierten Depotbanken stets nur die Rechtswahl mit seinem unmittelbaren Intermediär (bzw. dessen als Vertragsschlussort bezeichnete Geschäftsstelle, dessen Gründungsort oder dessen Geschäftssitz) herangezogen, was die einheitliche Maßgeblichkeit des Intermediärs des Empfängers für die übrigen Glieder der Umbuchungskette ausschließt. Konsequenz des stufenweisen Vorgehens nach dem Haager Übereinkommen ist, dass im Rahmen einer statischen Situation die aufeinander aufbauenden Kontostufen innerhalb der nationalen Depotpyramide unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können. Kommt es zur dynamischen Situation der Verfügung unter Umbuchung der Wertpapiere, so ist das anzuwendende Recht in Bezug auf jedes von den Ab- und Aufbuchungen betroffene Wertpapierkonto gesondert zu beurteilen: Die Frage, ob der Verfügungsempfänger Rechte an den Titeln erworben hat, richtet sich nach der mit seinem Intermediär vereinbarten Rechtsordnung; die Frage, ob der Verfügende seine bisherige Rechtsstellung verloren hat, hingegen nach dem für dessen Konto geltenden Statut.283 Auch die zwischengeschalteten Intermediäre auf den höheren Stufen der Depotpyramide sind für ihre Rolle bei der Transaktion (z. B. im Hinblick auf einen Zwi282 283
Art. 1 Abs. 1 lit. e) HWpÜ. Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 4-45.
§ 11 Haager Wertpapierübereinkommen
363
schenerwerb) nur der Rechtsordnung ihres eigenen Kontos unterworfen. Für die zum bisherigen europäischen Kollisionsrecht ausgemachten Probleme284 ergeben sich angesichts dieser Ergebnisse neue Perspektiven: Offensichtlich vermeidet die stufenweise Herangehensweise ein tracing der Wertpapiere, welches angesichts der Anonymität der Kapitalmärkte häufig nur schwerlich durchzuführen ist.285 Andererseits werden bei Aufeinandertreffen von gestuftem Kollisionsrecht mit stufenübergreifendem Sachrecht neue Fragen aufgeworfen: Wie ist etwa das Problem zu lösen, dass auf der untersten Ebene eine Rechtsordnung zur Anwendung berufen wird, die Rechte gegen den Intermediär an der Spitze verleiht, dort aber das für die höchststufigen Konten vereinbarte Statut Rechte nur unmittelbar verbundenen Kontoinhabern zubilligt? Obgleich der Erläuternde Bericht wiederholt die Neutralität des Übereinkommens gegenüber der Ausgestaltung des materiellen Rechts betont,286 ergeben sich also durchaus Wechselwirkungen mit dem nationalen Depotrecht. Eine Bewertung des gestuften Ansatzes soll dementsprechend im Kontext der künftigen Wertpapierrechtsrichtlinie erfolgen, die ebenfalls ein solches Vorgehen bei der Anknüpfung zu erkennen gibt, zugleich aber auch eine weitreichende sachrechtliche Harmonisierung vorsieht.287 D. Charakter der Anknüpfungsregeln In den allgemeinen Bestimmungen des Haager Übereinkommens wird schließlich der Charakter der Verweisung nach den verschiedenen Anknüpfungsregeln ausdrücklich festgelegt. Gemäß Art. 10 HWpÜ ist mit der in Bezug genommenen Rechtsordnung das in einem Staat geltende Recht gemeint, allerdings nur mit Ausnahme seiner Kollisionsnormen. Mithin handelt es sich bei den Anknüpfungsregeln um Sachnormverweisungen, die eine abweichende Beurteilung durch das autonome IPR auf nationaler Ebene außer Betracht lassen. Sofern nach den Regeln des Übereinkommens die Rechtsordnung eines Vertragsstaates zur Anwendung berufen ist, folgt dieses Ergebnis ohnehin schon aus dem Gedanken der Rechtsverein284 Hierzu oben § 3 C. III. zur Finalitätsrichtlinie, § 4 C. III. zur Finanzsicherheitenrichtlinie. 285 Zur Lösung des Problems der Anonymität zieht Kreuzer rechtspolitisch statt des gestuften Vorgehens des HWpÜ die Differenzierung zwischen Massentransaktionen einerseits und nicht anonymen Großtransaktionen andererseits in Betracht, vgl. ders., in: FS Lagarde (2005), S. 523, 538; ders., in: Menkhaus/Sato (Hrsg.), FS Yamauchi (2006), S. 201, 226. Für erstere sei eine einheitliche Rechtswahl der Verfügungsparteien sinnvoll, für letztere eine (einheitliche?) objektive Anknüpfung an den Ort des Wertpapierliefersystems. 286 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. Int-35, Int-49, 2-1. 287 S. unten § 12 C. III.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
heitlichung: Das HWpÜ verdrängt in seinem Anwendungsbereich die nationalen Kollisionsregeln, so dass diese auch nicht zu einer anderen Beurteilung kommen können.288 Bedeutsamer ist die Entscheidung für eine Sachnormverweisung und gegen die Möglichkeit des Renvoi im Verhältnis zu Drittländern. Das HWpÜ verweist als loi uniforme auch auf die Rechtsordnung von Nichtvertragsstaaten, deren Kollisionsregeln anderen Modellen (z. B. der Anknüpfung an die lex rei sitae) folgen können. Insofern spricht aber der Zweck des Übereinkommens, den Kapitalmärkten Rechtssicherheit über das anzuwendende Recht zu verschaffen, gegen die Beachtlichkeit des drittstaatlichen Kollisionsrechts.289 Die durch die Verweisungsregeln der Konvention erzielten Ergebnisse sollen nicht wieder durch möglicherweise überholte drittstaatliche Verweisungsnormen in Frage gestellt werden. Zu Zugeständnissen ist das Haager Übereinkommen lediglich hinsichtlich der internen Kollisionsnormen eines Mehrrechtsstaates290 bereit: Nach dem in der Gebietseinheit eines solchen Landes geltenden interlokalen Privatrecht kann es gemäß Art. 12 HWpÜ unter Umständen zu einer weiteren Verweisung an die Rechtsordnung einer anderen Gebietseinheit kommen.291 Einem externen Renvoi über die Grenzen des Mehrrechtsstaates hinweg steht hingegen der Grundsatz des Art. 10 HWpÜ uneingeschränkt entgegen.292
288
Allgemein zu vereinheitlichten Kollisionsnormen Kropholler, IPR (2006), § 24 III 1 (S. 178). 289 Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 10-1. 290 Nach der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 lit. m) HWpÜ ein Staat, in dem zwei oder mehr Gebietseinheiten dieses Staates oder sowohl der Staat als auch eine oder mehrere seiner Gebietseinheiten für die vom Übereinkommen erfassten Fragen ihre eigenen Rechtsnormen haben. 291 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. b) HWpÜ hinsichtlich der Frage der Herbeiführung der Drittwirkung bei subjektiver oder objektiver Anknüpfung, nach Art. 12 Abs. 3 HWpÜ (bei entsprechender Erklärung des Mehrrechtsstaates) für alle vom Übereinkommen erfassten Fragen bei objektiver Anknüpfung. 292 Dies macht bereits der Wortlaut von Art. 12 HWpÜ deutlich, der als Ziel der internen Verweisung nur die Rechtsordnung einer anderen Gebietseinheit oder des Mehrrechtsstaates selbst berücksichtigt; s. a. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report (2005), Rdnr. 12-15, 12-19.
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie Nachdem die Kommission ihren Vorschlag zur Zeichnung des Haager Wertpapierübereinkommens zurückgezogen hat1 und auch die Änderungsrichtlinie 2009/44/EG die bestehenden Anknüpfungsregeln der Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie jedenfalls der Sache nach unangetastet ließ,2 greift nunmehr ein weitreichendes Vorhaben unter anderem erneut das Kollisionsrecht des Effektengiros auf: die geplante Richtlinie betreffend Rechtssicherheit von Wertpapierverwahrung und -verfügungen (Wertpapierrechtsrichtlinie – WRR).3 A. Grundlegendes zum Vorhaben Mit der beabsichtigten Richtlinie sollen die bestehenden Rechtsakte auf dem Gebiet zusammenfassend kodifiziert, das europäische Rechtsregime der intermediatisierten Wertpapiere zugleich aber auch bedeutsam erweitert werden. Schwerpunkt des Vorhabens ist das materielle Recht des Effektengiros, das um eine korrespondierende international-privatrechtliche Norm sowie um Elemente aus weiteren Rechtsgebieten ergänzt wird. I.
Bisherige Genese
Der Gedanke einer umfassenden Harmonisierung des Effektengiros findet seinen Ursprung in den beiden Berichten der Giovannini-Sachverständigengruppe aus den Jahren 2001 und 2003, die unter anderem auch verschiedene rechtliche Hemmnisse für die grenzüberschreitende Wertpapierabwicklung ausmachten.4 Bemängelt wurden das Fehlen eines unionsweiten materiellrechtlichen Rahmens, die verschiedenen Regeln zur Ausübung 1
S. die Liste der zurückgezogenen Vorschläge, ABl. C 71/17 vom 25.3.2009, S. 17. Zu den Hintergründen s. das Arbeitspapier der Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending the Settlement Finality Directive (SFD) and the Financial Collateral Directive (FCD), Impact Assessment, S. 30. 3 Der englische Titel des Vorhabens lautet „Directive on legal certainty of securities holding and transactions (Securities Law Directive – SLD)“, der französische „Directive sur la certitude juridique de la détention et des transactions (Directive sur le Droit des Titres – DDT)“. Zum gegenwärtigen Stand des Vorhabens s. die Information auf den Internetseiten der Kommission unter (Stand: März 2014). 4 The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, November 2001, und Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003, abrufbar unter (Stand: März 2014). 2
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
der verbrieften Rechte im Falle der Intermediatisierung sowie die Restriktionen für den Verwahrungsort emittierter Wertpapiere.5 Da die Kommission die bisherigen punktuellen Änderungen durch Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie nicht als zur Behebung der Barrieren ausreichend erachtete, legte sie 2004 einen Zeitplan für eine weitere Verbesserung von Rechtssicherheit und Effizienz in der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen in Europa vor.6 Zur vertieften Analyse der Probleme und zur Ausarbeitung von Empfehlungen für das weitere Vorgehen mandatierte sie eine Gruppe von Rechtsexperten, die so genannte Arbeitsgruppe Rechtssicherheit (Legal Certainty Group – LCG).7 Verbunden mit einer rechtsvergleichenden Untersuchung8 präsentierte die Arbeitsgruppe im Jahr 2006 einen ersten Vorschlag, der die Grundprinzipien der künftigen Gesetzgebung enthielt.9 2008 ergänzte sie ihre Ausführungen im Rahmen einer zweiten Empfehlung,10 in der sie konkretere Maßgaben für einen künftigen Rechtsakt aufstellte. In seinen Schlussfolgerungen zu Clearing und Abwicklung11 begrüßte der Rat der Europäischen Union im Dezember 2008 die zweite Stellungnahme der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit und stellte fest, dass es in dem betroffenen Bereich Rechtsvorschriften bedürfe, um einen stärker harmonisierten Rechtsrahmen für Intermediär-verwahrte Wertpapiere zu schaffen und Anlegern einen besseren Schutz zu gewährleisten. Daraufhin führte die Kommission 2009 auf Grundlage eines ersten Konsultationspapiers12 5
Vgl. die Hindernisse Nr. 13, 3 bzw. 9 der Giovannini-Berichte. Communication from the Commission to the Council and the European Parliament, Clearing and Settlement in the European Union – The way forward, COM(2004) 312 final, 28.4.2004. 7 S. das Mandat der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, abrufbar unter (Stand: März 2014). 8 Abrufbar unter (Stand: März 2014). 9 Vorschlag der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit vom 11. August 2006, abrufbar unter (Stand: März 2014). 10 Second Advice of the Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, abrufbar unter (Stand: März 2014). 11 S. den Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates zu Clearing und Abwicklung im Vermerk des Generalsekretariats für den AStV/Rat, Dok. 16212/08 vom 24.11.2008, der vom Rat ohne Änderungen angenommen wurde; vgl. die Pressemitteilung vom 2. Dezember 2008, Dok. 16231/08 (Presse 342), S. 23. 12 Consultation Document of the Services of the Directorate-General Internal Market and Services, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, 16.04.2009, abrufbar unter (Stand: März 2014). 6
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie
367
eine öffentliche Anhörung zur künftigen Harmonisierung des Wertpapierrechts durch. Intermediäre, Emittenten, Aufsichtsbehörden und sonstige Betroffene nahmen überwiegend positiv zu einem künftigen Rechtsakt Stellung.13 Fortgesetzt wurde der Diskurs 2010/2011 durch eine weitere öffentliche Anhörung, der ein zweites Konsultationspapier14 zugrunde lag.15 Dieses zweite Papier gab mit Grundsätzen (principles), die den einzelnen Fragen vorangestellt sind, erste Konturen des künftigen Rechtsakts zu erkennen. Externe Anregungen erhielt das Projekt einer Wertpapierrechtsrichtlinie zudem durch die parallelen Arbeiten von UNIDROIT zu Intermediärverwahrten Wertpapieren, die mit dem am 9. Oktober 2009 verabschiedeten Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ)16 abgeschlossen worden sind.17 Die Arbeitsgruppe Rechtssicherheit riet zur Kompatibilität der europäischen Gesetzgebung mit dem internationalen Übereinkommen,18 was auch der Rat in seinen Schlussfolgerungen zu Clearing und Settlement im Dezember 2008 bekräftigte.19 Aufgrund der beabsichtigten Abstimmung können daher für das Projekt der WRR vergleichend die Diskussionsergebnisse zum GWpÜ herangezogen werden. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsprojekts der WRR ist es zu Verzögerungen gekommen, so dass sich bisherige zeitliche Planungen der Kommission für den Abschluss der Vorarbeiten und den Beginn des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens überholt haben. Überdies werden Erwä13 Consultation by the Commission, Summary of responses received in respect of the consultation document legislation on legal certainty of securities holding and transactions, abrufbar unter (Stand: März 2014). 14 Consultation Document of the Services of the Directorate-General Internal Market and Services, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, 2010, abrufbar unter (Stand: März 2014). 15 Zu den Ergebnissen vgl. Summary of Responses to the Directorate-General Internal Market and Services’ Second Consultation, abrufbar unter (Stand: März 2014). 16 Abgedruckt in der authentischen englischen („UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities“) und französischen Fassung („Convention d’UNIDROIT sur les règles matérielles relatives aux titres intermédiés“) in Unif. L. Rev. 2010, S. 220. 17 Zur Entstehungsgeschichte des GWpÜ Estrella Faria, Unif. L. Rev. 2010, S. 196, 202 ff.; Kronke, WM 2010, S. 1625; Scherer-Löber, DepotG (2012), Kommentierung Anhang 14 I. 18 Zum Verhältnis von europäischer Gesetzgebung und den Arbeiten von UNIDROIT s. insbesondere die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 27 f. 19 Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates zu Clearing und Abwicklung, Vermerk des Generalsekretariats für den AStV/Rat, Dok. 16212/08 vom 24.11.2008, S. 6.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
gungen angestellt, ob das legislative Ergebnis nicht – entsprechend der allgemeinen Tendenz bei den jüngeren EU-Rechtsakten im Bereich der Kapitalmärkte – eine unmittelbar anwendbare Verordnung anstelle einer Richtlinie sein könnte oder sogar sein sollte.20 II. Materiellrechtliche Harmonisierung Die Einführung eines harmonisierten Rechtsrahmens durch die Wertpapierrechtsrichtlinie ist mit besonderer Brisanz verbunden: Dem Effektengiro werden sehr unterschiedliche Konzepte zugrunde gelegt, die mitunter in Grundprinzipien der nationalen Rechtsordnungen wurzeln. So treffen hier stufenübergreifende sachenrechtliche Modelle, nach denen im Effektengiro derivativ dingliche Berechtigungen am zentralen Sammelbestand übertragen werden, auf gestufte schuldrechtliche oder eigenständige Konstruktionen, für die die Kontobuchungen zu originärem Rechtserwerb führen.21 Vor diesem Hintergrund soll für den künftigen Rechtsakt ein funktionaler Ansatz verfolgt werden, der die fundamentalen Prinzipien der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen möglichst unberührt lässt.22 Der europäische Gesetzgeber will sich auf die Mindestvorgaben beschränken, die für einen rechtssicheren und effizienten Effektengiroverkehr nötig sind. Gleichwohl ist auch die hinter dem Ansatz stehende Mindestharmonisierung mit einem Kern unabdingbarer Voraussetzungen verbunden, die von den nationalen Rechtsordnungen einzuhalten sind.23 Bereits diese Grundanforderungen der Wertpapierrechtsrichtlinie stellen möglicherweise wesentliche Prinzipien einiger nationaler Rechtsordnungen in Frage. Aus der Vielzahl aufgeworfener Problemfelder soll an dieser Stelle nur auf die zentralen Punkte eingegangen werden, die Auswirkungen auch für das Kollisionsrecht haben könnten: Wenn der Rechtsakt die Strukturen des Effektengiros in Europa grundlegend verändert, schafft er schon auf diese Weise neue Bedingungen für die Anknüpfung der verbuchten Titel. 1.
Mindestgehalt von Kontopositionen
Hauptanliegen des künftigen Rechtsakts im materiellrechtlichen Bereich ist die Harmonisierung der Anforderungen, die für den rechtswirksamen 20
Zu derartigen Erwägungen Paech, Market Needs as Paradigm (2012), S. 5, 30 ff. Vgl. hierzu den Überblick oben unter § 1 E. 22 Wiederholt betont dies die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 10 und passim. Der funktionale Ansatz findet sich auch beim GWpÜ (vgl. den 6. Erwägungsgrund in dessen Präambel); hierzu Pöch, in: Hutter/Baums (Hrsg.), GS Gruson (2009), S. 303, 306 f.; Estrella Faria, Unif. L. Rev. 2010, S. 196, 208 ff.; Kronke, WM 2010, S. 1625 f.; Than, in: Grundmann u. a. (Hrsg.), FS Hopt (2010), S. 231, 240 ff. 23 Vgl. etwa die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 41. 21
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie
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Erwerb intermediatisierter Wertpapiere erfüllt werden müssen.24 Rechtssicherheit soll dabei nicht nur für den Vorgang des Erlangens, sondern auch für den Inhalt des Erlangten verschafft werden. In einem ersten Schritt wird daher der Mindestgehalt einer Gutschrift über kontoverbuchte Wertpapiere (account-held securities)25 vorgegeben. Der harmonisierte Kern einer Buchung gliedert sich in drei Elemente: – erstens für den Kontoinhaber (account holder), bei dem es sich um den letztstufigen Kontoinhaber (ultimate account holder) handelt oder dem die anwendbare Rechtsordnung diese Rechte sonst zuweist, die Rechte aus dem Wertpapier, – zweitens für alle Kontoinhaber das Recht, über die Kontoposition zu verfügen, und – drittens ebenfalls für alle Kontoinhaber das Recht, den Kontoführer anzuweisen, die Wertpapiere durch einen anderen Intermediär oder auf andere Weise verwahren zu lassen.26 Erkennbar wird damit eine Abstufung der auf den verschiedenen Ebenen der Depotpyramide jeweils erteilten Rechtsstellung. Dem untersten Kontoinhaber, der selbst kein Intermediär ist, steht die volle Rechtsstellung zu, die auch die sich aus dem Titel ergebenden Rechte gegenüber dem Emittenten27 beinhaltet. Demgegenüber haben die zwischengeschalteten Intermediäre zwar ebenfalls gewisse eigene Rechte gegenüber ihrem höherstufigen Kontoführer, jedoch keine Berechtigung am zugrundeliegenden Instrument selbst. Konzeptionell könnte von einem Prinzip der (ab)gestuften Rechtebündelzuweisung gesprochen werden.28 Hinsichtlich des Umfangs der Rechtsstellung stehen allerdings bestimmte Abweichungen in beide Richtungen offen. So soll es den nationalen Rechtsordnungen im Fall der Verbuchung zu Sicherungszwecken mög24
Erstes Konsultationspapier vom 16. März 2009, S. 3. Im ersten Konsultationspapier wird noch – der Terminologie der Finzsichheitenrichtlinie entsprechend – der Begriff „book-entry securities“ verwendet. Die neue Bezeichnung soll klarstellen, dass keine zusätzliche Kategorie von Wertpapieren eingeführt, sondern Wertpapiere nach ihrer Kontoverbuchung erfasst werden sollen, vgl. zweites Konsultationspapier 2010, S. 7. 26 Grundsatz 3 Abs. 1 des zweiten Konsultationspapiers 2010. 27 Nach Scherer/Gallei, 24 J.I.B.L.R. 470, 472 (2009), können die im parallelen GWpÜ zugewiesenen Rechte ausschließlich gegen den eigenen Intermediär ausgeübt werden. Jedoch bestimmt Art. 9 Abs. 2 lit. b GWpÜ ausdrücklich, dass sich nach Maßgabe des nationalen Rechts das erste Element des Rechtebündels auch direkt gegen den Emittenten richten kann. Für die WRR dürfte konzeptionell nichts anderes gelten, was allerdings noch nichts über konkrete Rechtsfolgen gegenüber höherstufigen Intermediären aussagt, dazu unten § 12 A. II. 3. 28 So die Charakterisierung des GWpÜ und der gleichlaufenden europäischen Gesetzgebung bei Mülbert, in: Apathy u. a. (Hrsg), FS Koziol (2010), S. 1055, 1064 f., 1071; s. a. ders., ZBB 2010, 445, 450. 25
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
lich sein, die Rechtsposition des Sicherungsnehmers gegenüber einem sonstigen letztstufigen Kontoinhaber zu beschränken, beispielsweise im Hinblick auf den Empfang von Dividenden.29 Umgekehrt entspricht es dem funktionalen Ansatz, dass die Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung der Rechtsstellung des Kontoinhabers über den Mindestgehalt hinausgehen können.30 2.
Verfügungen über kontoverbuchte Wertpapiere
Für die in ihrem inhaltlichen Kern angeglichenen Kontopositionen soll mit dem künftigen Rechtsakt ein Katalog allgemein anerkannter Methoden festgelegt werden, über die sich bei kontoverbuchten Wertpapieren Erwerb (acquisition) und Verfügung (disposition) vollziehen. Im Einzelnen gehören zum Instrumentarium die folgenden Verfahren: zwingend die Kontogutschrift (crediting) und die Belastungsbuchung (debiting), optional die Eintragung oder Entfernung eines Sperrvermerks (earmarking), der Abschluss einer Kontrollvereinbarung (control agreement) oder einer Vereinbarung mit und zugunsten des eigenen Intermediärs.31 Gewisse Zweifel bestehen allerdings noch an der Einbeziehung der Kontrollvereinbarung, da sich diese nicht auf den Depotkonten niederschlägt.32 Übergang zu gestuften Depotkonstruktionen?
3.
Die Materialien der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit und der Kommission betonen, dass mit dem funktionalen Ansatz die genaue Charakterisierung der Kontogutschriften den nationalen Rechtsordnungen überlassen werde. Dennoch wecken die dargelegten materiellrechtlichen Kernelemente der Richtlinie Zweifel, ob weiterhin ein stufenübergreifendes Modell des Effektengiros möglich bleibt. Zugespitzt könnte durch die Arbeiten von UNIDROIT und EU das „Ende allen sachenrechtlichen Denkens“ im Depotrecht drohen.33
29
Nr. 4.c der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. Vgl. die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 39, 41. 31 Grundsatz 4 Abs. 1, Abs. 5 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 5.a der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 32 S. die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 46 f. 33 So die Einschätzung durch Mülbert, in: Apathy u. a. (Hrsg), FS Koziol (2010), S. 1055, 1075 f.; s. a. ders., ZBB 2010, 445, 454 f. Vgl. a. Pöch, in: Hutter/Baums (Hrsg.), GS Gruson (2009), S. 303, 319, der das bisherige sachenrechtliche Depotrecht Österreichs für unvereinbar mit dem GWpÜ hält. Scherer-Löber, DepotG (2012), Anhang 15 II.2., sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf, spricht sich aber gegen eine völlige Abkehr vom sachenrechtlichen Ansatz aus; ähnlich Eichholz, WM 2013, S. 250, 253 f. 30
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Hinsichtlich der Definition einer Kontoposition erscheint zunächst deren Ausgestaltung als Summe von Einzelrechten aus Sicht einer dinglichen Konstruktion ungewohnt, mit einem solchen Modell aber noch vereinbar: Die WRR gibt nur einen harmonisierten Mindestgehalt vor, den die nationalen Rechtsordnungen für den untersten Kontoinhaber auch zu vollumfänglichem sachenrechtlichen Eigentum ausbauen können.34 Auch der Aspekt, dass die geplante Richtlinie nicht nur der untersten Ebene der Depotpyramide Rechte verleiht, sondern gerade auch den höheren Stufen, könnte für eine sachenrechtliche Konstruktion wohl noch überwunden werden. In einem stufenübergreifenden sachenrechtlichen Modell wie dem deutschen haben die Zwischenverwahrer keine eigene Position an den Titeln, sondern wirken nur bei der Besitzmittlung mit. Demgegenüber sind die vermittelnden Intermediäre nach der Richtlinie formal zwar gleichfalls Inhaber von account-held securities,35 jedoch misst die WRR dem Begriff auf den höheren Kontostufen einen anderen Inhalt zu als auf der untersten Ebene. Im Wesentlichen verlangt sie von einer höherstufigen Verbuchung nur, dass sie mit einem Recht zur Disposition über das Guthaben verbunden sein muss. In einem stufenübergreifenden System erschiene es daher vertretbar, hinsichtlich des von der Richtlinie verlangten Mindestgehalts für die unterste Ebene auf das sachenrechtliche (Mit-)Eigentum, für die höheren Stufen hingegen auf die schuldrechtliche Kontobeziehung zum nächsthöheren Kontoführer abzustellen, in deren Rahmen Weisungen zur Übertragung der gutgeschriebenen Position erteilt werden können.36 Steht damit zwar die gestufte Rechtebündelzuweisung in der WRR einer mitgliedstaatlichen stufenübergreifenden Rechtsstellung nicht grundsätzlich entgegen, so lässt die Richtlinie gleichwohl eine solche Position allenfalls als „konzeptionelle Hülle“ zu. Konkrete Rechte eines Kontoinhabers gegenüber einem höherstufigen Intermediär, insbesondere dem Zentralverwahrer, will der künftige Rechtsakt ausschließen: Ein Kontoführer ist weder verpflichtet noch berechtigt, den Anweisungen einer anderen Person als dem unmittelbaren Kontoinhaber Folge zu leisten.37 Auch können die Gläubiger eines Kontoinhabers account-held securities nur auf der Ebene
34
Insofern unklar Voß, EWS 2010, S. 209, 210. Vgl. zum GWpÜ Pöch, in: Hutter/Baums (Hrsg.), GS Gruson (2009), S. 303, 310. 36 A. A. Einsele, ZHR Bd. 177 (2013), S. 50, 80 f., die darauf verweist, dass höherstufigen Intermediären gerade kein Recht zu einer sachenrechtlichen Verfügung über die verbuchten Wertpapiere zusteht. 37 Grundsatz 10 Abs. 1 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 10.a der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. Ausnahmen gelten u. a. bei einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Kontoführer und -inhaber, bei Sicherheiten an den verbuchten Titeln oder bei hoheitlichen Maßnahmen. 35
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
des unmittelbaren Kontoführers pfänden;38 ausgeschlossen wird damit das upper-tier attachment an der Spitze der Depotpyramide, an der regelmäßig nicht einmal die Identität des Anlegers bekannt ist. Weitere Probleme könnte einer stufenübergreifenden Position das zweite Kernelement der Richtlinie bereiten, der Katalog anerkannter Verfügungsmethoden. Nationales Recht darf keine weiteren Schritte als die harmonisierten Verfahren verlangen, um den Erwerb oder die Verfügung untereinander und gegenüber Dritten wirksam werden zu lassen.39 Hierin verbirgt sich möglicherweise der Übergang zu einem originären Erwerb der Rechtspositionen, der auf einer konstitutiven Bedeutung der Gutschriften aufbaut. Fraglich ist nämlich gerade, ob der Erwerb auch nicht mehr von einem korrespondierenden Verlust auf der Gegenseite abhängig gemacht werden kann. Die Richtlinie behandelt beide Vorgänge gesondert, was die fehlende Identität der bisherigen und der neuen Rechtsposition zur Folge haben könnte.40 Für die zentrale Frage erscheint ein Blick auf das GWpÜ lohnend, für das sich die Problematik gleichermaßen stellt und bereits seit den Vorarbeiten diskutiert wird. Der offizielle Kommentar zum Übereinkommen legt die parallele Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 GWpÜ, in der zusätzliche Voraussetzungen für den Erwerb ausgeschlossen werden,41 restriktiv aus: Den nationalen Rechtsordnungen stehe es weiterhin frei, Verlust und Erwerb einer Rechtsstellung konditional zu verbinden (no credit without debit).42 Im unmittelbaren Wortlaut des GWpÜ findet sich für die enge Auslegung allerdings keine feste Stütze. Abzuwarten bleibt daher, ob in der endgültigen Fassung der WRR eine Klarstellung hinsichtlich des Verbots zusätzlicher Anforderungen für einen Erwerb erfolgt. Insofern ist auch zu bedenken, dass der Ausschluss weiterer Bedingungen für den Erwerb die konstitutive Bedeutung der Kontovorgänge absichern soll; in der Ausle38 Grundsatz 12 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 11.a der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 39 Grundsatz 5 Abs. 2 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 6.a der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 40 Mülbert, in: Apathy u. a. (Hrsg.), FS Koziol (2010), S. 1055, 1064 f., 1071, und ZBB 2010, 445, 450, spricht insofern von einem „Separationsprinizip“; s. a. Kronke, WM 2010, S. 1625, 1630 zum GWpÜ. 41 Wörtlich: „No further step is necessary, or may be required by the non-Convention law, to render the acquisition of intermediated securities effective against third parties.“ 42 Vgl. Kanda u. a., Official Commentary (2012), Rdnr. 11-4, 11-12; so auch Keijser/Parmentier, BKR 2010, S. 153 f.; Kronke, WM 2010, S. 1625, 1629 ff.; Than, in: Grundmann u. a. (Hrsg.), FS Hopt (2010), S. 231, 245 f.; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 421 ff. A. A. Scherer/Gallei, 24 J.I.B.L.R. 470, 472 (2009), und Scherer-Löber, DepotG (2012), Kommentierung Anhang 14 II.3.2., die im GWpÜ einen Ausschluss der Voraussetzung eines korrespondierenden Verlusts verankert sehen.
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gung des offiziellen Kommentars zum GWpÜ würde diese Bedeutung aber erheblich relativiert, wenn die Mitgliedstaaten beliebige materielle Bedingungen stellen könnten.43 4.
Implikationen eines Systemwechsels
Stünde die künftige WRR anders als das GWpÜ in der Lesart seines offiziellen Kommentars einem derivativen Erwerb entgegen, so hätte dies für ein (bislang) stufenübergreifendes sachenrechtliches Modell wie das deutsche Depotrecht weitreichende Konsequenzen. Zwar kommt hier einer GSGutschrift eines Kommissionärs auf dem Konto des Kommittenten nach § 24 Abs. 2 DepotG subsidiär ebenfalls konstitutive Bedeutung zu. Die Richtlinie verlangt dies jedoch für jede Gutschrift unabhängig von der schuldrechtlichen Beziehung zum Kontoführer. Vor allem aber würde die Richtlinie die bisher angenommnene vorrangige Übereignung nach § 929 BGB auschließen. Dieser derivative Erwerb ist für das deutsche Depotsystem gerade auch ein Mittel, die Integrität der Gesamtemission bei mehrfacher Verbuchung derselben Position zu schützen.44 Die künftige Richtlinie müsste also andere Mechanismen bieten, um die Gesamtanzahl der verbuchten Titel stabil zu halten. Insofern besteht zunächst die Möglichkeit, irrtümliche Buchungen rückgängig zu machen.45 Da eine Rückabwicklung wegen zwischenzeitlich erfolgter weiterer Verfügungen systemische Implikationen entwickeln kann, werden dieser Option aber durch den Schutz gutgläubiger Kontoinhaber Grenzen gezogen.46 Als zweiter Mechanismus ist daher eine Pflicht des Kontoführers vorgesehen, stets für eine ausreichende Deckung der von ihm erteilten Gutschriften zu sorgen. Hält er nur eine unzureichende Anzahl an Titeln, so soll er soweit wie möglich Rückbuchungen vornehmen und zusätzliche Instrumente erwerben.47 Verbleibt im Fall der Insolvenz des Intermediärs eine Unterdeckung, so sollen zunächst dessen Eigenbestände herangezogen werden; reichen auch diese nicht aus, wird der Verlust unter seinen Depotkunden aufgeteilt.48 43
Kritisch daher Mülbert, Arbeitspapier 2009/1 rev, S. 14, i. E. auch Einsele, ZHR Bd. 177 (2013), S. 50, 69. Zur Unsicherheit im Umgang mit der Bestimmung s. a. Micheler, Intermediated Securities and Legal Certainty (2014), S. 17. 44 Hierzu bereits oben § 3 C. III. b) cc). 45 Grundsatz 7 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 6.c der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 46 Grundsatz 8 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 7 der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 47 Vgl. den Mechanismus in Grundsatz 4 Abs. 2 und Abs. 4 des zweiten Konsultationspapiers 2010. 48 Grundsatz 10 des zweiten Konsultationspapiers 2010; s. a. Nr. 9.b der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Die künftige Richtlinie bietet damit für den Schutz der Stabilität der Gesamtemission Alternativen zur konditionalen Verknüpfung von Erwerb und Verlust. Gleichwohl würde ein Ausschluss des derivativen Erwerbs einen fundamentalen Umbruch für sachenrechtliche Depotsysteme bedeuten. Ein solches Verständnis der Übertragung ist der stufenübergreifenden Konstruktion gleichsam immanent, so dass ein Übergang zu originärem Erwerb zumindest eine Annäherung an die gestuften Modelle erzwingen würde, wie sie oben dargelegt worden sind.49 III. Gesellschafts-, insolvenz- und aufsichtsrechtliche Elemente Die weiteren Rechtsgebiete, die die Richtlinie neben dem Depotrecht berührt, seien an dieser Stelle nur kurz angerissen. Hinsichtlich der Verbuchung gesellschaftsrechtlicher Titel stellt die Richtlinie zunächst klar, dass mit dem wirksamen Erwerb der account-held securities noch keine Aussage darüber getroffen ist, wen der Emittent als rechtlichen Inhaber (legal holder) der Mitgliedschaftsrechte anzuerkennen hat.50 Zulässig bleibt daher beispielsweise das Aktienregister für Namensaktien nach deutschem Recht, welches neben und unabhängig vom Depotkontensystem existiert.51 Dass die Richtlinie auf materieller Ebene zwischen der Inhaberschaft am zugrundeliegenden Recht und der Inhaberschaft am depotrechtlichen Titel differenziert, lässt sich im Zusammenhang mit dem Primat des Hauptstatuts über das Depotstatut auf kollisionsrechtlicher Ebene sehen:52 Das Schicksal der einem Titel im Effektengiro zugrundeliegenden Rechte gegen den Emittenten beurteilt sich erst dann nach den Kontobuchungen, wenn das für diese Rechte maßgebliche Statut eine akzessorische Anbindung an den Titel vornimmt; genau diese materielle Entscheidung des Gesellschaftsrechts überlässt aber die WRR weiterhin den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Anders als bei der formalen Inhaberschaft zeigt sich die Richtlinie für die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Rechte innerhalb der Depotpyramide weniger zurückhaltend. Ein letztstufiger Kontoinhaber (ultimate account holder) soll derartige Rechte unabhängig davon geltend machen können, ob er selbst oder ein höherstufiger Intermediär als formaler rechtlicher Inhaber (legal owner) der gesellschaftsrechtlichen Stellung gilt.53 49
Vgl. nur das jüngste Beispiel des Schweizer BEG oben unter § 1 E. I. 2. b). Grundsatz 5 Abs. 5 des zweiten Konsultationspapiers 2010; Nr. 6.b der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit. 51 Die deutsche Namensaktie wird in Bezug auf die Regelung ausdrücklich angesprochen in der zweiten Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 52. Vgl. zur entsprechenden Lösung des GWpÜ Kronke, WM 2010, S. 1625, 1628. 52 Hierzu oben § 2 A. I. 1. 53 Vgl. Grundsatz 17 des zweiten Konsultationspapiers 2010. 50
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Abgerundet werden damit die bereits bestehenden Vorgaben durch die Aktionärsrechterichtlinie.54 Jener Rechtsakt bezweckt ebenfalls den Schutz der Investoren bei Intermediatisierung der gesellschaftsrechtlichen Stellung, beschränkt sich dabei aber vor allem auf die Ausübung von Stimmrechten.55 Daneben finden sich in der geplanten Richtlinie – wie schon in Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie – Regelungen zum materiellen Insolvenzrecht. Verfügung und Erwerb im Wege des harmonisierten Instrumentariums sollen auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern rechtswirksam sein, wobei die insolvenzrechtlichen Regeln zum Schutz der Masse (etwa Anfechtungsregeln) unberührt bleiben.56 Zudem sind in der Insolvenz des Intermediärs die oben dargelegten Bestimmungen zur fehlenden Deckung der den Kunden erteilten Gutschriften zu beachten. Hinsichtlich des Aufsichtsrechts sind die genauen Maßgaben des Rechtsakts noch nicht geklärt, etwa im Hinblick auf eine künftige Regulierung nationaler Zentralverwahrer (CSD). Lediglich eine beabsichtigte Änderung des Anhangs zur MiFID im Zuge des künftigen Rechtsakts zeigt bereits konkretere Formen: Die Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten soll von einer bloßen Nebendienstleistung zu einer Wertpapierdienstleistung im Sinne von Anhang I Abschnitt A der MiFID hochgestuft werden,57 was die gewerbsmäßige Kontoführung zwingend dem Regime der MiFID für Wertpapierfirmen unterwürfe. IV. Kollisionsrechtliche Abstimmung, Ausdehnung und Ausarbeitung Angesichts der substanziellen Neuerungen im materiellen Recht könnte das kollisionsrechtliche Element der Wertpapierrechtsrichtlinie leicht vernachlässigt werden. Aber auch diesbezüglich birgt der künftige Rechtsakt eine wichtige Novellierung. Beabsichtigt ist nicht weniger als die Vollendung des europäischen Kollisionsrechts des Effektengiros durch Abstimmung der bisherigen Grundlagen, Ausdehnung der Reichweite der Verweisung sowie Ausarbeitung weiterer Einzelheiten der PRIMA-Anknüpfung. Die einzelnen Elemente sollen die drei Fragen beantworten, die die Kommission im gegenwärtigen Kollisionsrecht ausmacht: Erstens die leicht abweichenden Anknüpfungskriterien in den verschiedenen Richtlinien, zweitens 54 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. L 184 vom 14.7.2007, S. 17. 55 Vgl. Art. 13 Aktionärsrechterichtlinie; s. a. die zweite Empfehlung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, S. 82. 56 Grundsatz 6 des zweiten Konsultationspapiers 2010. 57 Vgl. Grundsatz 21 des zweiten Konsultationspapiers 2010.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
die jeweils beschränkten Anwendungsbereiche und drittens das Problem der Verortung intermediatisierter Wertpapiere.58 Erste Konturen der künftigen Kollisionsnorm gibt Grundsatz 14 des zweiten Konsultationspapiers der Kommission zu erkennen, der offensichtlich auf der jüngsten europäischen Kollisionsnorm zum Effektengiro, Art. 9 der Finanzsicherheitenrichtlinie, aufbaut:59 Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions (2010), Principle 14: Determination of the applicable law 1. The national law should provide that any question with respect to any of the matters specified in paragraph 3 arising in relation to account-held securities should be governed by the national law of the country where the relevant securities account is maintained by the account provider. Where an account provider has branches located in jurisdictions different from the head offices' jurisdiction, the account is maintained by the branch which handles the relationship with the account holder in relation to the securities account, otherwise by the head office. 2. An account provider is responsible for communicating in writing to the account holder whether the head office or a branch and, if applicable, which branch, handles the relationship with the account holder. The communication itself does not alter the determination of the applicable law under paragraph 1. The communication should be standardised. 3. The matters referred to in paragraph 1 are: (a) the legal nature of account-held securities; (b) the legal nature and the requirements of an acquisition or disposition of account-held securities as well as its effects between the parties and against third parties; (c) whether a disposition of account-held securities extends to entitlements to dividends or other distributions, or redemption, sale or other proceeds; (d) the effectiveness of an acquisition or disposition and whether it can be invalidated, reversed or otherwise be undone; (e) whether a person's interest in account-held securities extinguishes or has priority over another person's interest; (f) the duties, if any, of an account provider to a person other than the account holder who asserts in competition with the account holder or another person an interest in account-held securities; (g) the requirements, if any, for the realisation of an interest in account-held securities. 4. Paragraph 1 determines the applicable law regardless of the legal nature of the rights conferred upon the account holder upon crediting of account-held securities to his securities account.
58
Zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. S. a. das erste Konsultationspapier vom 16. März 2009, S. 7. 59 Art. 9 Abs. 1 der Finanzsicherheitenrichtlinie wird im zweiten Konsultationspapier 2010, S. 24, ausdrücklich zum Ausgangspunkt für die Diskussion bestimmt.
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Weitere Einzelheiten zum gegenwärtigen Stand der Diskussion über das Kollisionsrecht in der WRR lassen sich dem Entwurf für einen Erwägungsgrund entnehmen, den das Generalsekretariat des Rates der EU in einem informatorischen Vermerk vom 6. April 201060 an die Gruppe „Zivilrecht“ (Allgemeine Fragen) gerichtet hat: Since the conflict-of-laws rules contained in Directive 98/26/EC on settlement finality and Directive 2002/47/EC on financial collateral agreements are restricted in their personal and material scope and as the connecting factors used in both directives differ from each other, the question of a conflict-of-laws rule governing book-entry securities needs to be covered comprehensively. To this end, a single, uniform rule needs to be designed, encompassing the complete personal and material scope of the two aforementioned directives and the present directive. The connecting factor of the conflict-of-laws rule should be based on the factual criterion similar to the criterion used in the two directives, i.e. where a securities account is ‚maintained’. However, more guidance is needed for proper interpretation of this criterion. In this respect, regard has to be given to the reasonable perspective of the account holder, which expects that the law of the country is applicable where the branch is located by which it is serviced, taking into consideration through which branch the account was opened, which branch handles the commercial relationship with the account holder, and which branch administers payments or corporate actions relating to the securities credited to the securities account. However, the place of the location of supporting technology or of call or mailing centres shall be disregarded. In addition to additional clarification of the connecting factor, ex-ante legal certainty requires the account holder to expressly know which law governs its account. The account provider always knows where an account is maintained and serviced and shall communicate to the account holder the relevant location. However, this communication must not be able to alter the underlying, fact-based analysis of where the account is actually maintained. The account provider shall be responsible for the correct fulfilment of this duty and the competent authority shall be in a position to intervene where the communication does not reflect the location where the account is actually serviced. There needs to be a clarification so as to clearly include all securities booked to securities account, regardless the legal nature that national law attributes to them, in particular in cases where the legal nature of foreign securities booked to securities accounts is characterised as contractual.
Auch wenn sowohl die Grundsätze des zweiten Konsultationspapiers als auch der vorgeschlagene Erwägungsgrund bis zur endgültigen Fassung noch Änderungen erfahren dürften, so sind die wesentlichen Aspekte einer künftigen Kollisionsnorm doch bereits erkennbar.
60 Information Note from General Secretariat of the Council to the Working Party on Civil Law Matters (General Questions), Dok. 5075/1/10 REV 1 ADD 2 JUSTCIV 8 vom 6.4.2010, S. 3.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
B. Reichweite der Kollisionsnorm Deutlich wird zunächst, dass mit der WRR gezielt die bisherigen Lücken geschlossen werden sollen, die Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich gelassen haben.61 I.
Sachlicher Anwendungsbereich
Dies gilt schon in sachlicher Hinsicht, in der sich Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie insbesondere durch ihre Fokussierung auf Sicherheiten wie dargelegt einer umfassenden Bedeutung begeben haben. 1.
Einbeziehung des gesamten Effektengiros
Die Wertpapierrechtsrichtlinie greift hingegen über Wertpapiersicherheiten und deren Bestellung hinaus und deckt ganz allgemein das Schicksal intermediatisierter Titel ab. Eindeutiges Indiz ist ein Vergleich zwischen den jeweiligen Bezugspunkten für die angeknüpften Einzelfragen in Finanzsicherheitenrichtlinie und WRR: Während Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie ausschließlich Fragen hinsichtlich des book entry securities collateral62 regelt, erfasst Grundsatz 12 der WRR account-held securities umfassend – und eben nicht nur als collateral. Der Kontext einer Verbuchung spielt somit für die Anknüpfungsregel der WRR keine Rolle mehr, so dass auch die alltägliche Abwicklung der massenhaften Kapitalmarktgeschäfte erfasst ist. 2.
Wertpapierbegriff und Intermediatisierung
Hinsichtlich des zugrunde gelegten Wertpapierbegriffs dürfte auch in der neuen Richtlinie die weite Definition der Finanzinstrumente im Anhang zur MiFID herangezogen werden.63 Unerheblich ist demnach wie schon für die vorangegangenen Rechtsakte, ob der Titel in einer Urkunde verkörpert ist. Die Voraussetzung einer Intermediatisierung der erfassten Wertpapiere ergibt sich aus deren Charakterisierung als kontoverbucht (account-held entry). Das Merkmal schließt einerseits alle Formen eines direkten Haltens von Wertpapieren aus dem Regime der WRR aus. Zugleich begrenzt es andererseits auch die in den Bereich der Derivate ausufernde Liste der 61
Zum Ausdruck kommt dieses Ziel schon in Frage 15bis des ersten Konsultationspapiers vom 16. März 2009. Die Schaffung einer allgemeinen Kollisionsregel erhielt deutliche Zustimmung, vgl. den Auswertungsbericht, Summary of responses received in respect of the consultation document legislation on legal certainty of securities holding and transactions, S. 39 f. 62 In der deutschen Fassung ungenau übersetzt als „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“; hierzu oben § 4 B. I. 1. 63 Grundsatz 22 Abs. 1 des zweiten Konsultationspapiers 2010.
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MiFID auf diejenigen Instrumente, welche sich für eine Verbuchung eignen. 3.
Spektrum der Depotrechtsstellungen
Im materiellen Recht gibt sich der künftige Rechtsakt über den funktionalen Ansatz zumindest den Anschein von Neutralität gegenüber dem Spektrum der verschiedenen Depotkonstruktionen – wenn auch die Kompatibilität mit stufenübergreifenden sachenrechtlichen Modellen wie erörtert in Frage steht. Im Kollisionsrecht findet sich der funktionale Ansatz ebenfalls: Nach Absatz 4 von Grundsatz 14 des zweiten Konsultationspapiers soll die Verweisung ohne Rücksicht darauf greifen, welche Rechtsnatur die dem Kontoinhaber durch die Gutschrift verschaffte Position hat. Das europäische Kollisionsrecht zeigt sich damit indifferent gegenüber der materiellrechtlichen Ausgestaltung durch das mitgliedstaatliche materielle Recht; erfasst sind sowohl stufenübergreifende dingliche Konstruktionen als auch stufenweise schuldrechtliche oder gemischte Positionen. Zusammen mit dem sachlich und persönlich ausgedehnten Anwendungsbereich beseitigt diese Abdeckung des depotrechtlichen Spektrums das Spannungsfeld zwischen dem europäischen Kollisionsrecht des Effektengiros und der Rom I-VO. Zunächst lassen die bisherigen Anknüpfungsnormen zu intermediatisierten Wertpapieren schon gewisse Zweifel, ob auch rein schuldrechtliche Kontopositionen erfasst sind. Erst eine umfassende Auslegung unter Berücksichtigung aller Sprachfassungen kann diese Zweifel – nach hier vertretener Ansicht – für sämtliche Normen ausräumen. Für die WRR erübrigt sich eine solche aufwändige Argumentation, da sich das Einwirken in den schuldrechtlichen Bereich eindeutig aus der künftigen Kollisionsregel selbst ergibt. Hauptproblem der bislang bestehenden Sonderanknüpfungen zum Effektengiro ist allerdings ihr jeweils beschränkter, teilweise unscharfer Anwendungsbereich, der eine überschießende nationale Umsetzung geradezu herausfordert. Die Bereichsausnahmen der Rom I-VO exkludieren das schuldrechtlich ausgestaltete Effektengiro aber gerade nicht;64 zugleich gewährt Art. 23 der Verordnung nur der unmittelbaren nationalen Transformation von europäischen Richtlinienbestimmungen Vorrang. Obschon bei der Umsetzung beispielsweise die ergänzende Einbeziehung von Verfügungen ohne Sicherungscharakter sinnvoll erscheint, wird eine solche überschießende nationale Transformation nicht mehr von Art. 23 Rom IVO gedeckt und kollidiert für schuldrechtliche Kontopositionen mit dem
64
Vgl. oben § 3 B. I. 4. b).
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Anwendungsvorrang der europäischen Verordnung.65 Durch die WRR löst sich die Problematik: Eine künftige Kollisionsregel soll das rechtliche Schicksal der Kontopositionen umfassend regeln und dabei etwa auch den Bereich jenseits ihrer materiellen Mindestharmonisierung berücksichtigen.66 Wenn dann gleichzeitig die Geltung für schuldrechtliche Gestaltungen festgehalten wird, kann sich die nationale Transformation stets auf den Vorrang der WRR nach Art. 23 Rom I-VO berufen. Eine von der Richtlinie nicht mehr gedeckte, überschießende Umsetzung kann es im nationalen Recht bei einer umfassenden europäischen Kollisionsregel nicht mehr geben. Im Kontext schuldrechtlicher Depotkonstruktionen ist schließlich auf eine in den Materialien besonders herausgestellte Konstellation hinzuweisen. Der letzte Satz des vorgeschlagenen Erwägungsgrundes betont, dass die Anknüpfungsregel auch Fälle erfasst, in denen die Rechtsnatur der auf einem Konto verbuchten ausländischen Titel als schuldrechtlich charakterisiert wird; eine vergleichbare Aussage findet sich im zweiten Konsultationspapier.67 Zugeschnitten scheint dies auf das deutsche Depotrecht, in dem ausschließlich für die im Ausland angeschafften und verwahrten Wertpapiere im Inland eine schuldrechtliche Stellung eingeräumt wird, die WR-Gutschrift.68 Was nach hier vertretener Auffassung bereits aus den bestehenden europäischen Kollisionsnormen folgt, wird damit von der WRR entgegen der bislang herrschenden Meinung endgültig erzwungen: Die WR-Gutschrift ist dem allgemeinen internationalen Schuldrecht entzogen und ebenfalls den Sonderkollisionsregeln zum Effektengiro unterworfen. 4.
Verhältnis zum internationalen Insolvenzrecht
Da sich die WRR materiell nicht nur mit dem Depotrecht, sondern gleichfalls mit Fragen des verzahnten Gesellschafts- und Insolvenzrechts beschäftigt, könnte ihre Kollisionsnorm zudem auch in jene Bereiche hineinwirken. Relevant ist dies besonders für das internationale Insolvenzrecht: Neben Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie und Art. 9 Abs. 1 der Finanzsicherheitenrichtlinie zählen die Materialien zur WRR gerade auch Art. 24 der Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten zu den bestehenden europäischen Kollisionsregeln, deren Unzulänglichkei-
65
Zur Problematik am Beispiel der deutschen Umsetzung in § 17 a DepotG oben § 7 B. III. 4. c). 66 Zweites Konsultationspapier 2010, S. 25. Zum Ziel einer einzelnen einheitlichen Kollisionsregel für das Effektengiro s. auch den Entwurf für den Erwägungsgrund. 67 Zweites Konsultationspapier 2010, S. 25. 68 Zur WR-Gutschrift oben § 1 E. III.
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ten und Widersprüche beseitigt werden sollen.69 Angedeutet wird somit, dass auch jene Sonderanknüpfung zu Kreditinstituten in der neuen Norm der WRR aufgehen könnte. Eine ersatzlose Streichung der Vorschrift aus der Sanierungsrichtlinie hätte keine gravierenden Auswirkungen. Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich nur um die begrenzte Anknüpfung einer insolvenzrechtlichen Frage, nämlich der Auswirkung des Insolvenzbeschlags auf die Ausübung von Rechten an kontoverbuchten Wertpapieren.70 Im europäischen internationalen Insolvenzrecht greift aber für dingliche Rechte Dritter an den im Ausland belegenen Vermögensgegenständen des Schuldners eine Freistellung von den Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens. Gleichzeitig sind für Kreditinstitute Partikularverfahren in einem anderen Staat nach dessen Insolvenzrecht ausgeschlossen. Da also (eine korrekte Richtlinienumsetzung vorausgesetzt71) ohnehin weder das insolvenzrechtliche Hauptstatut noch das Insolvenzrecht der Belegenheit zur Anwendung kommt, läuft Art. 24 der Sanierungsrichtlinie für Kreditinstitute weitgehend leer.72 Grundsätzlich erscheint allerdings fraglich, ob die Kollisionsregel der WRR tatsächlich auch den Bereich des internationalen Insolvenzrechts erfasst. Im zweiten Konsultationspapier findet sich die Aussage, dass bestimmte Fragen des materiellen Teils der WRR nicht ihrer Kollisionsregel unterworfen werden sollten. Illustriert wird dies gerade mit einem insolvenzrechtlichen Aspekt, nämlich der Verteilung einer Unterdeckung des Intermediärs im Falle seiner Insolvenz.73 Verallgemeinernd könnte dies dafür sprechen, dass die insolvenzrechtlichen Fragen dem bestehenden Regime der EuInsVO und ihrer sektoralen Ergänzungen zu Versicherungen und Kreditinstituten überlassen bleiben. Hierfür ließe sich zudem anführen, dass die insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen zur Verfügungsbefugnis des Schuldners über intermediatisierte Wertpapiere – Art. 14 EuInsVO und seine Entsprechungen – in den Materialien zur WRR keinerlei Erwähnung finden. 5.
Konkreter Regelungsgegenstand
Zur Umschreibung der sachlichen Reichweite der Anknüpfung stellt das zweite Konsultationspapier einen abschließenden Katalog konkreter Einzelfragen auf, die dem zur Anwendung berufenen Recht unterliegen. Der 69 Vgl. das erste Konsultationspapier vom 16. März 2009, S. 7; zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. 70 Vgl. hierzu unter § 5 C. I. 1. c). 71 Zu dem Umsetzungsdefizit im deutschen Recht für die Wirkungen eines inländischen Verfahrens im Ausland oben § 9 D. 72 Ausführlich zu den denkbaren Konstellationen oben § 5 C. I. 1. c). 73 Zweites Konsultationspapier 2010, S. 25.
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Begriff der account-held securities fungiert demnach für die WRR nicht als übergeordneter abstrakter Anknüpfungsgegenstand, sondern nur als Bezugspunkt der angeknüpften punktuellen Rechtsfragen. Diese Systematik entspricht dem Ansatz in der jüngsten europäischen Kollisionsnorm zum Effektengiro in Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie,74 der wiederum durch die Vorarbeiten zum HWpÜ inspiriert wurde.75 Dagegen unterscheidet sich die Funktion des Katalogs in der WRR von der Rolle der Listen zum Geltungsbereich der Anknüpfung etwa in den europäischen Verordnungen zum internationalen Schuldrecht: Sowohl Art. 12 Abs. 1 der Rom I-VO als auch Art. 15 Rom II-VO sind explizit nur als nicht abschließende Konkretisierung der Reichweite zu verstehen. Theoretisch birgt der enumerative Ansatz das Risiko von Regelungslücken zwischen den einzelnen Punkten. Das zweite Konsultationspapier rechtfertigt die Aufzählung damit, dass sich die Reichweite der Kollisionsnorm zwar grob am Umfang der materiellen Bestimmungen der WRR orientiert, gleichwohl gewisse Unterschiede festgehalten werden sollen: Einerseits werden Fragen wie die Rechtsnatur einer Kontoposition, die die materielle Mindestharmonisierung ausspart, zusätzlich in die Verweisung einbezogen, andererseits Regelungen wie die bereits erwähnte Verlustverteilung der Unterdeckung eines insolventen Intermediärs von der Anknüpfung ausgeschlossen.76 Im Übrigen zeigt sich der Katalog bei genauerer Betrachtung recht erschöpfend, so dass zumindest keine wesentlichen Lücken zu erwarten sind. Gegenüber der Liste der Finanzsicherheitenrichtlinie ist eine Erweiterung und Abrundung erfolgt, die auf den Wegfall der Fokussierung auf Sicherheitsgeschäfte zurückzuführen ist. Für die umfassende Liste in den Materialien zur WRR dürfte das HWpÜ Pate gestanden haben; durchgängig weisen die einzelnen Punkte eine Entsprechung im Haager Übereinkommen auf. Im Einzelnen erfasst die gegenwärtige Fassung in Abs. 3 von Grundsatz 14: die Rechtsnatur der account-held securities (lit. a), die Rechtsnatur und die Voraussetzungen von Erwerb und Verfügung über account-held securities (lit. b), die Frage, ob sich die Verfügung auch auf das Recht zum Bezug der Dividenden oder sonstiger Ausschüttungen aus dem Titel erstreckt (lit. c), die Rechtswirksamkeit eines Erwerbs oder einer Verfügung und die Möglichkeiten zur Rückabwicklung (lit. d), die Frage der Priorität unter konkurrierenden Rechten an account-held securities (lit. e), etwaige Pflichten des Kontoführers gegenüber anderen Person als dem Kontoinha-
74
Zum Katalog der Regelungsgegenstände in Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie oben § 4 B. I. 6. 75 Zum punktuellen Anwendungsbereich des HWpÜ § 11 B. I. 4. 76 Zweites Konsultationspapier 2010, S. 25.
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie
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ber (lit. f) sowie die Voraussetzungen für eine Verwertung einer Sicherheit an account-held securities (lit. g). II. Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich Neben der sachlichen Ausdehnung über Sicherheitsgeschäfte hinaus ist bei der WRR vor allem die Erweiterung in persönlicher Hinsicht hervorzuheben. Die neue Kollisionsregel der künftigen Richtlinie soll alle Kontoinhaber und -führer erfassen.77 Als Kontoinhaber wird angesehen, in wessen Namen das Konto geführt wird.78 Für den Kontoführer soll bei mitgliedstaatlichen Unternehmen darauf abgestellt werden, ob Depotkonten geführt werden und sie nach dem – durch die WRR modifizierten – Aufsichtsregime der MiFID zugelassen sind; bei drittstaatlichen Unternehmen soll allein die Tätigkeit als Anbieter derartiger Konten entscheiden.79 Keine Rolle spielen damit die Kriterien von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie wie die direkte Teilnahme am System des Zentralverwahrers oder der Ausschluss von Nichtkaufleuten. Auch auf die Stufe in der Depotpyramide kommt es für die WRR nicht an: Die erfasste Kontobeziehung kann zur Wertpapiersammelbank an der Spitze oder auch nur zur letztstufigen Depotbank bestehen. In räumlicher Hinsicht dürfte sich bei der WRR der allseitige Charakter der Verweisung der Finanzsicherheitenrichtlinie80 fortsetzen: Verwiesen wird gerade nicht auf das Recht eines Mitgliedstaats, sondern auf das eines beliebigen Landes. Auch räumlich-persönlich müssen Kontoinhaber und -führer keinem Mitgliedstaat entstammen.81 C. Anknüpfungsmoment Neben Zusammenführung und Abrundung der bestehenden punktuellen Rechtsgrundlagen beabsichtigt die WRR auf der Rechtsfolgenseite eine Fortentwicklung des Anknüpfungsmoments. I.
Präzisierung der Lokalisierung
Das wesentliche Defizit der früheren Normen macht die Kommission bei der genauen Ortsbestimmung aus, weshalb das Verweisungsmerkmal der WRR insofern eine Klarstellung erfahren soll.82 Als Ausgangspunkt für die 77
Zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. Grundsatz 22 lit. (d) des zweiten Konsultationspapiers 2010. 79 Vgl. Grundsatz 22 lit. (c) des zweiten Konsultationspapiers 2010. 80 Zur Begründung dieses Charakters oben § 4 B. III. 81 Zur Problematik des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Finanzsicherheitenrichtlinie oben § 4 B. III. 2. 82 Zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. 78
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
neue Norm wählt das zweite Konsultationspapier das Kriterium der Finanzsicherheitenrichtlinie, nicht das der Finalitätsrichtlinie: Obwohl es sich eher um eine terminologische Differenz handelt,83 ist damit der Ort entscheidend, wo das Konto geführt wird, und nicht, wo es sich befindet. 1.
Betreuende Zweigstelle
Für die Bestimmung des Ortes der Kontoführung werden Ansätze aufgegriffen, die ähnlich schon im Entwurf zur Finanzsicherheitenrichtlinie vorgesehen waren, mit Rücksicht auf die Verhandlungen zum HWpÜ aber nicht in die endgültige Richtlinie aufgenommen wurden.84 So lässt sich Abs. 1 S. 2 von Grundsatz 14 des zweiten Konsultationspapiers ebenfalls als erster Schritt der Verortung entnehmen, dass die Kontoführung anhand der für das Konto maßgeblichen Zweigstelle des Kontoführers zu lokalisieren ist. Ganz im Sinne des PRIMA-Kriteriums wird die Kontotätigkeit also auf den „place of the relevant intermediary“ zurückgeführt. Für diesen Ort des Intermediärs sind in der WRR nicht der effektive Verwaltungssitz oder der Gründungssitz der juristischen Person entscheidend, sondern die in Bezug auf das fragliche Konto konkret handelnde Einheit der Depotbank. Sind in die Kontoführung allerdings mehrere Zweigstellen in verschiedenen Ländern involviert, so bedarf es als zweiter Schritt der Lokalisierung einer Zuordnung des Kontos. Der genannte Satz von Grundsatz 14 des zweiten Konsultationspapiers verweist hierfür auf diejenige Stelle, die den Kontoinhaber in Bezug auf das Depotkonto betreut. Eine feste Reihenfolge bestimmter Kriterien,85 nach der eine solche Betreuung festzustellen ist, legt die WRR nicht fest. Vielmehr gehen die Materialien von einer Gesamtbetrachtung der Umstände aus, wie sie in vergleichbarer Weise bereits für die bestehenden Normen sinnvoll erscheint:86 Nach dem vorgeschlagenen Erwägungsgrund soll Berücksichtigung finden, durch welche Zweigstelle das Konto eröffnet wurde, welche Zweigstelle die Geschäftsbeziehung mit dem Kontoinhaber unterhält und welche Zweigstelle Ausschüttungen oder gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte verwaltet. Nicht beachtet werden soll hingegen der Ort von unterstützender Informationstechnik oder von Callcentern.87
83
Hierzu oben § 4 C. I. 1. Vgl. Art. 10 Abs. 2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten, KOM(2001) 168 endg., ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 312. Hierzu oben § 4 C. I. 3. 85 Zu dieser Option oben § 3 C. I. 3. a). 86 Zusammenfassend § 6 B. 87 S. a. zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. 84
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie
2.
385
Informationspflicht des Kontoführers
Mit einer Gesamtbetrachtung ist in Zweifelsfällen ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit verbunden.88 Betroffene können sich des Ergebnisses der Würdigung durch einen Richter nicht sicher sein; zudem bedeutet die Ermittlung der möglicherweise maßgeblichen Faktoren erhöhten Aufwand. Um zumindest dem Interesse des Kontoinhabers an Rechtssicherheit ex ante gerecht zu werden, stellt das zweite Konsultationspapier eine Informationspflicht des Intermediärs auf: Nach Abs. 2 von Grundsatz 14 muss der Kontoführer dem Kontoinhaber die betreuende Zweigstelle mitteilen. Grundlage der Pflicht ist die Annahme, dass unter allen Beteiligten der Intermediär den Ort der Kontoführung am leichtesten ermitteln kann.89 Weiterentwickelt wird damit das Vorgehen im Entwurf zur Finanzsicherheitenrichtlinie, der von der im Kontovertrag benannten Zweigstelle ausging und diese dann einer objektiven Würdigung unterwarf.90 Während das Verhältnis zwischen subjektiver Bezeichnung im Vertrag und objektiver Gesamtwürdigung im damaligen Entwurf allerdings noch der Klärung bedurfte, trifft Grundsatz 14 Abs. 2 S. 2 des Diskussionspapiers eine eindeutige Aussage: Die Information als solche ändert nichts an der Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der kollisionsrechtlichen Grundregel, mithin der Anknüpfung an den Ort der Kontoführung. Die auf objektiven Tatsachen basierende Analyse wird von der Mitteilung nicht beeinflusst;91 im Falle eines Widerspruchs mit der objektiven Gesamtbetrachtung setzt sich letztere durch.92 Einerseits wird auf diese Weise ein Missbrauch der Informationspflicht für eine einseitige Bestimmung des anwendbaren Rechts durch den Intermediär verhindert, die dem Kontoinhaber oder Dritten zum Nachteil gereichen könnte. Andererseits relativiert sich aber der Wert der Mitteilung für den Kontoinhaber durch ihre rein deklaratorische Natur erheblich: Im Falle eines Rechtsstreits kann er sich vor dem Richter gerade nicht auf sie berufen. Sein Vertrauen auf eine Mitteilung wird nur insofern mittelbar geschützt, als die korrekte Erfüllung der Informationspflichten von den Aufsichtsbehörden überwacht werden soll.93 Die Mitteilung soll standardisiert erfolgen.94 Auf diesem Umwege könnte also die schon zu den bisherigen Kollisionsnormen diskutierte Einführung standardisierter Bankleitzahlen für Depotkonten verwirklicht werden,
88 89 90 91 92 93 94
Zu diesem Aspekt in Bezug auf die Finalitätsrichtlinie oben § 3 C. I. 3. b). Zweites Konsultationspapier 2010, S. 24. Vgl. oben § 4 C. I. 3. und 4. S. den Entwurf für einen Erwägungsgrund. Zweites Konsultationspapier 2010, S. 25. Zweites Konsultationspapier 2010, S. 24 f. Grundsatz 14 Abs. 2 S. 3 des zweiten Konsultationspapiers 2010.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
die das Land der Kontoführung zu erkennen geben.95 Hiervon würden dann neben dem Kontoinhaber indirekt auch Dritte profitieren, denen der Intermediär nicht unmittelbar zur Information verpflichtet ist. II. Relevanter Intermediär Für die Kommission steht hinsichtlich des Anknüpfungsmoments der WRR die Konkretisierung der Ortsbestimmung im Vordergrund. Allerdings deutet sich in anderer Hinsicht eine Neuerung an, die mindestens ebenso bedeutend erscheint: Die Antwort auf die konzeptionelle Schlüsselfrage des PRIMA-Kriteriums, der Auswahl des relevanten unter mehreren beteiligten Intermediären,96 könnte in der WRR anders ausfallen als in den bisherigen europäischen Kollisionsnormen. Wenn die Übertragung von Titeln wie regelmäßig mehrere Konten bei unterschiedlichen Depotbanken berührt, so verweisen Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie bislang – jedenfalls in der Tendenz – auf ein einheitliches Konto: Maßgeblich für die gesamte Übertragung ist nur ein Intermediär, und zwar der des Empfängers.97 In der WRR zeichnet sich demgegenüber eine andere Lösung für die Anknüpfung ab, die deutliche Parallelen zu derjenigen des Haager Übereinkommens98 zeigt. 1.
Gestufte Betrachtung
Im Rahmen ihres funktionalen Ansatzes geben die Materialien zum künftigen Rechtsakt vor, die genaue materielle Ausgestaltung der Kontoposition als stufenübergreifend oder gestuft dem nationalen Recht zu überlassen. Erst bei näherer Betrachtung erschließen sich die Probleme, die gewisse Vorgaben der Mindestharmonisierung für eine stufenübergreifende Konstruktion verursachen. Im Kollisionsrecht erzwingt die WRR dagegen möglicherweise sogar offen ein gestuftes Vorgehen. Angelegt ist dieses im Bezugspunkt für die angeknüpften Fragen, den account-held securities. Der Begriff bezeichnet jede Rechtsposition durch eine Gutschrift von Titeln auf einem Konto. Auf welcher Ebene der Depotpyramide jene Verbuchung erfolgt, spielt dabei keine Rolle: Im Rahmen der gestuften Rechtebündelzuweisung durch die WRR stehen account-held securities formell gerade auch den zwischengeschalteten Intermediären auf höheren Stufen zu, allerdings nur mit einem gegenüber der letztstufigen Verbuchung ge95
Hierzu oben § 3 C. I. 3. a). Zur Schlüsselfrage etwa § 3 C. II. 1. 97 Dies gilt aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs beider Richtlinienbestimmungen allerdings nur für Umbuchungen zur Bestellung von Sicherheiten; zusammenfassend § 6 B. 98 S. § 11 C. IV. 96
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ringeren Inhalt.99 Wenn daher also die materielle Position jedes Kontoinhabers mit dem Begriff account-held securities bezeichnet wird, so spricht dies für eine entsprechende Auslegung des identischen Begriffs in der kollisionsrechtlichen Verweisung: Unabhängig davon, ob sie auf dem Konto eines Anlegers oder eines Zwischenverwahrers erteilt wird, bildet jede Gutschrift ein eigenständiges, gesondertes Objekt für die anzuknüpfenden Einzelfragen.100 Dies hat Folgen für die kollisionsrechtliche Beurteilung einer Transaktion mit Umbuchungen auf mehreren Konten. Die einzelnen Abbuchungen auf der einen Seite bis hinauf zum Zentralverwahrer und die Aufbuchungen auf der anderen Seite bis hinunter zum Konto des Empfängers betreffen jeweils die Rechtsposition eines anderen Kontoinhabers, mithin unterschiedliche account-held securities. Der Ort der Kontoführung nach der Anknüpfungsregel der WRR kann daher nicht mehr in Bezug auf den gesamten Übertragungsvorgang, sondern nur noch hinsichtlich der einzelnen Buchungsvorgänge bestimmt werden. Die Antwort der WRR auf die Schlüsselfrage von PRIMA lautet in dieser Auslegung daher: Es gibt keinen Intermediär, der für eine Transaktion insgesamt einheitlich maßgeblich ist; vielmehr ist im Rahmen von Sachverhalten unter Beteiligung mehrerer Konten der Ort der Kontoführung für jede Stufe gesondert nach dem jeweiligen Intermediär zu bestimmen. 2.
Verhältnis zur materiellrechtlichen Konstruktion
Ein solches gestuftes kollisionsrechtliches Vorgehen schließt nicht aus, dass die für die account-held securities auf der untersten Ebene anwendbare Rechtsordnung materiell eine stufenübergreifende Position annimmt. Soweit dies die materielle Mindestharmonisierung der WRR noch zulässt, kann sie in der Transaktion zugleich auch einen derivativen Vorgang unterstellen. Problematisch ist aus Sicht des internationalen Privatrechts erst die Konstellation, dass für die verschiedenen Ebenen jeweils Rechtsordnungen zur Anwendung berufen werden, die nicht miteinander vereinbar sind, es also zu einem Normwiderspruch kommt. Auf der letzten Kontostufe kann etwa auf eine Rechtsordnung verwiesen werden, die dem Anleger effektive Rechte gegenüber höherstufigen Intermediären verschafft, während die für die dortigen Kontostufen maßgeblichen Rechtsordnungen stets nur stufenweise Rechte zugunsten des unmittelbaren Kontoinhabers gewähren. Der Umgang mit dieser Problematik wird noch zu erörtern sein.101
99 100 101
Oben § 12 A. II. 1. So i.E. auch Einsele, ZHR Bd. 177 (2013), S. 50, 88. Unten § 12 C. IV.
388 3.
4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Ausschluss jeder Zirkularität
Gleichsam als Nebeneffekt verhindert das stufenweise Vorgehen aber auch, dass für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsordnung deren Inhalt zu berücksichtigen ist. Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie sehen sich insofern in der Literatur dem Vorwurf eines logischen Zirkelschlusses ausgesetzt: Für die Anknüpfung ziehen die beiden Rechtsakte die Verbuchung mit rechtsbegründender Wirkung bzw. das Erlangen der Rechtsposition heran. Hiermit werde aber die anzuwendende Rechtsordnung von dem Ergebnis ihrer Anwendung abhängig gemacht, das anwendbare Recht also gleichzeitig zu Voraussetzung und Ergebnis der kollisionsrechtlichen Verweisung bestimmt.102 Begegnen lässt sich dem Vorwurf mit einem faktischen Verständnis beider Merkmale, wonach die tatsächliche kontenmäßige Dokumentation der Rechtsbegründung oder des Erlangens entscheidet.103 Für die WRR bedarf es von vornherein keiner Auseinandersetzung mit dem Problem der Zirkularität: Die künftige Richtlinie identifiziert die anwendbare Rechtsordnung nicht anhand eines Merkmals, das als abhängig von der Anwendung ebendieser Rechtsordnung verstanden werden könnte. Vielmehr lokalisiert die WRR die Kontoführung für alle involvierten Konten gesondert und bestimmt so das jeweils maßgebliche Recht. Ob die Rechtsordnung einer beteiligten Stufe mit der betreffenden Gutschrift im Ergebnis auch eine wirksame „Rechtsbegründung“ im materiellen Sinne verbindet, ist für die gestufte Anknüpfung ohne Belang. 4.
Einklang mit dem Europäischen Internationalen Insolvenzrecht
Das gestufte Vorgehen steht schließlich im Einklang mit den internationalinsolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen zu intermediatisierten Wertpapieren, die bislang hinsichtlich der Auswahl des relevanten Intermediärs mit Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie kontrastieren.104 In den Materialien zur WRR ist nur eine Einbeziehung von Art. 24 der Sanierungsrichtlinie in die künftige Kollisionsnorm der WRR angedeutet, wodurch die Regelungen in Art. 14 EuInsVO und seinen sektoralen Korrelaten zu Banken und Versicherungen bestehen blieben. Jene Normen berufen für die Verfügungsbefugnis des insolventen Schuldners nach Verfahrenseröffnung die Rechtsordnung des Kontos des verfügenden Schuldners zur 102
Zu dem vor allem von Einsele erhobenen Vorwurf der Zirkularität oben § 3 C. II. 3. b) (Finalitätsrichtlinie) und § 4 C. II. 3. (Finanzsicherheitenrichtlinie). 103 Vgl. zur Finalitätsrichtlinie § 3 C. II. 3. b), zur Finanzsicherheitenrichtlinie § 4 C. II. 3. S. a. zur entsprechenden Problematik bei der nationalen Umsetzung unter § 8 C. II. 104 Oben § 5 B. III.
§ 12 Geplante Wertpapierrechtsrichtlinie
389
Anwendung.105 Durch ihren stufenweisen Ansatz zieht aber auch die WRR dieses Konto für die Betrachtung der account-held securities des Schuldners heran. Nur die insofern maßgebliche Rechtsordnung hat zu beurteilen, ob der Kontoinhaber durch eine Verfügung seine bisherige sachen- oder schuldrechtliche Stellung verloren hat. Auf diese Weise kommt es zu einem Gleichlauf der Beurteilung von insolvenzrechtlichen Verfügungsverboten und sonstigen Elementen einer Veräußerung. Dem Einklang widerspricht es nicht, dass nach der WRR die Rechtsordnung eines anderen Kontos über den Rechtserwerb durch die Gegenpartei der Verfügung zu urteilen hat. Hinter den insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkungen steht das Ziel, den Gläubigern die vorhandene Masse zu erhalten. Wichtig ist also nur ein etwaiger Verlust der bisherigen Rechtsstellung, der sich auch für die WRR nach der Rechtsordnung des schuldnerischen Kontos richtet. Als Abweichung verbleibt allerdings, dass sich die international-insolvenzrechtlichen Normen zur Lokalisierung der hoheitlichen Aufsicht über das Konto bedienen, während die WRR eine objektive Gesamtbetrachtung vorgibt. Unterschiede könnten sich durch das aufsichtsrechtliche Herkunftslandprinzip im EWR ergeben.106 Wenn ein Wertpapierkonto bei faktischer Würdigung durch die inländische Zweigstelle einer Depotbank aus dem EWR-Ausland geführt wird, so verweist das objektive Kriterium auf das inländische Recht, das Aufsichtskriterium hingegen auf die Rechtsordnung des Herkunftslandes. III. Auswirkungen auf die bisherigen Defizite Die Antwort der WRR auf das Kernproblem von PRIMA wirkt sich auf die zum bisherigen Kollisionsrecht des Effektengiros festgestellten Defizite aus. 1.
Rechtssicherheit angesichts anonymer Kapitalmärkte
So ist ein wesentliches Manko der bestehenden europäischen Verweisungsnormen der Umgang mit den intransparenten Übertragungswegen im Effektengiro. Indem ein bestimmtes Konto aus den an einer Transaktion beteiligten Depotverhältnissen ausgewählt und als für den gesamten Vorgang maßgeblich erklärt wird, setzen Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie voraus, dass jenes Konto für alle Rechtsanwender in Erfahrung zu bringen ist. Mag dies in dem auf Wertpapiersicherheiten beschränkten Anwendungsbereich beider Richtlinien im Hinblick auf die Parteien der Sicherheitsbestellung noch der Fall sein, so steht einer Ausdehnung des Modells 105
S. oben § 5 B. II. 2. und III. Zu den Implikationen des Herkunftslandprinzips für die Anknüpfung an die hoheitliche Aufsicht oben § 5 B. II. 1. c). 106
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
auf die alltäglichen Massentransaktionen die Anonymität von Handel und nachgelagerten Prozessen im Kapitalmarkt entgegen. Der Weg bestimmter Titel über das Geflecht der Depotkonten ist für die Beteiligten schlicht nicht mehr nachzuvollziehen. Mit ihrem gestuften Vorgehen erspart die WRR daher für das Kollisionsrecht ein tracing der Titel: Jeder Kontoinhaber muss zur Beurteilung seiner account-held securities nur den Ort der Kontoführung durch seinen Intermediär ermitteln. Für das Schicksal seiner eigenen Rechtsstellung ist ausschließlich die Rechtsordnung der betreuenden Zweigstelle seines Kontoführers maßgeblich, was einen „juristischen Blindflug“107 bei der Anknüpfung vermeidet. 2.
Mehrzahl von Empfängern
Die Auswahl des maßgeblichen Kontos durch die WRR beeinflusst weiterhin den Umgang mit einem Zusammentreffen mehrerer Empfänger im Rahmen einer Transaktion. a) Kumulierte Empfänger Wenn für das PRIMA-Kriterium auf das Empfängerkonto abgestellt wird, so sind für die gemeinsame Umbuchung von Wertpapieren, die letztlich auf verschiedene Zielkonten gelangen, kumuliert alle Empfängerrechtsordnungen gleichzeitig zu beachten. Bereits herausgearbeitet wurde, dass diese Problematik in der Einheitlichkeit der Betrachtung begründet liegt.108 Indem die WRR die account-held securities auf jeder Stufe gesondert anknüpft, behebt sie daher die Schwierigkeiten für den Veräußernden und die höherstufigen Intermediäre. Ob ein einheitlich umgebuchtes Wertpapierpaket letztlich Gutschriften in verschiedenen Ländern zur Folge hat, kann für die Kollisionsnorm der WRR dahinstehen. Jeder Kontoinhaber hat nur die Rechtsordnung seines eigenen Intermediärs zu beachten. b) Konkurrierende Empfänger Dass allerdings die Stufung allein auf kollisionsrechtlicher Ebene nicht alle Probleme löst, zeigt die Konstellation der konkurrierenden Empfänger. Aufgrund technischer Fehler können Wertpapiere bei mehreren Empfängern in verschiedenen Ländern verbucht werden, deren Rechtsordnungen Vorrang bzw. Priorität divergierend beurteilen. Der gestufte Ansatz würdigt die Positionen aller Erwerber gesondert, so dass wie schon nach den 107
So das Schlagwort für das Verweisungsmoment in § 17 a DepotG (vor dem Hintergrund ihrer Kritik am Merkmal der „rechtsbegründenden“ Wirkung) bei Einsele, WM 2005, S. 1109, 1112; MünchKommHGB-dies., Bd. 5 (2009), Depotgeschäft Rdnr. 200. 108 Vgl. oben § 3 C. III. 2. a).
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bisherigen Regeln von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie109 die jeweiligen Rechtsordnungen konkurrierend zur Anwendung berufen werden. Auch die WRR bietet also an dieser Stelle die Grundlage für einen Normenwiderspruch, der eine kollisionsrechtliche Anpassung erfordert. Für einen solchen Widerspruch ist nicht allein die doppelte Anknüpfung entscheidend, sondern zugleich auch die Divergenz der beteiligten Rechtsordnungen auf der sachrechtlichen Ebene. Insofern ist im europäischen Kontext entscheidend, ob und inwiefern die Mindestharmonisierung der WRR auch im materiellen Recht einen Übergang zu einem gestuften System erzwingt: Handelt es sich bei beiden Empfängerrechtsordnungen um ein solches Konzept, so gehen beide jeweils von einem originären Erwerb von Rechten ausschließlich gegen den eigenen Intermediär aus. Veräußerte und erworbene, aber auch die erworbenen Rechtspositionen untereinander sind nicht identisch; die Erwerber konkurrieren schlicht nicht um dieselbe Position. Die WRR sieht dann mit der Verpflichtung der Intermediäre zu ausreichender Deckung erteilter Gutschriften und der Verlustverteilung bei Unterdeckung sachrechtliche Mechanismen vor, die zur Wahrung der Integrität der Gesamtemission bei Vermehrung gestufter Rechte herangezogen werden können. Belässt die WRR hingegen auf ihrer materiellen Seite die Möglichkeit für eine stufenübergreifende Konstruktion mit derivativer Übertragung, so kann es auch in Europa weiterhin zum Aufeinandertreffen sich widersprechender Empfängerrechtsordnungen kommen. Vorzunehmen ist dann eine kollisionsrechtliche Anpassung, die sich an den obigen Vorschlägen orientieren kann: Letztlich sollte die Konkurrenz der Empfänger in Abweichung vom gestuften Ansatz einheitlich von der Rechtsordnung des Absenders entschieden werden.110 IV. Kompatibilität der einzelnen Ebenen Gegenüber den bestehenden europäischen Normen wirft das gestufte kollisionsrechtliche Vorgehen der WRR schließlich noch eine zusätzliche Komplikation auf. Mitunter wird der Ort der Kontoführung zwischen den aufeinander aufbauenden Depotebenen variieren. Beispielsweise kann die Zweigstelle eines Intermediärs, die in einem bestimmten Land das Konto auf der untersten Stufe führt, mittels grenzüberschreitender Kontoverbindung mit dem Wertpapierliefersystem eines Zentralverwahrers in einem 109
Für die Finalitätsrichtlinie § 3 C. III. 2. b), für die Finanzsicherheitenrichtlinie § 4 C. III. 2. 110 Zur kollisionsrechtlichen Anpassung des PRIMA-Kriteriums bei der Finalitätsrichtlinie § 3 C. III. 2. b) bb), zur Anpassung bei der Finanzsicherheitenrichtlinie § 4 C. III. 2. Vgl. a. die Anpassung der nationalen Umsetzung in § 17 a DepotG, hierzu § 8 D. II.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
anderen Land verbunden sein.111 Gewährt in dieser Konstellation die Rechtsordnung der untersten Kontoebene eine stufenübergreifende Position, welche effektive Rechte gegenüber den höherstufigen Intermediären begründet, so ist die Anerkennung derartiger Rechte durch die Rechtsordnung im Land des Wertpapierliefersystems keineswegs sicher. Vielmehr können in jener Rechtsordnung ausschließlich gestufte Rechte gegenüber dem eigenen Kontoführer eingeräumt werden. Die Aufspaltung der Depotpyramide auf verschiedene Rechtsordnungen wirft also das Problem der Kompatibilität der verschiedenen Ebenen auf. Im Hinblick auf das gegenwärtige deutsche Depotrecht ist anzumerken, dass die Sonderkonstruktion der WR-Gutschrift ein Mittel zur Vermeidung von Inkompatibilitäten der verschiedenen Stufen darstellt.112 Das im Inland gewährte stufenübergreifende dingliche Miteigentum wird gerade nicht auf Instrumente im Ausland angewandt, sondern zugunsten einer gestuften Rechtsposition des Anlegers aufgegeben. Da dessen Position konzeptionell nicht mehr an der obersten Ebene ansetzt, droht auch kein Konflikt mit der dortigen ausländischen Rechtsordnung. Über diese bestehende nationale Speziallösung hinaus sind künftig im europäischen Kontext die materiellrechtlichen Vorgaben der WRR zu berücksichtigen. Einerseits wirft der geplante Rechtsakt durch seine kollisionsrechtliche Aufspaltung der Depotebenen die Problematik der Kompatibilität überhaupt erst auf, wirkt jedoch andererseits mit seiner materiellen Mindestharmonisierung in den Mitgliedstaaten den Widersprüchen einzelner Stufen entgegen. So erzwingt die WRR möglicherweise den Übergang zu einem materiell gestuften System, wodurch sich das Problem der Kompatibilität der einzelnen Ebenen erübrigen würde. Selbst wenn die Richtlinie den nationalen Rechtsordnungen vordergründig eine stufenübergreifende Konstruktion offen ließe, würde sie ein solches System höchstens als konzeptionelle Hülle erlauben: Ein Kontoführer muss nur Weisungen seines unmittelbaren Kontoinhabers beachten; Pfändungen durch Gläubiger niedrigstufiger Kontoinhaber bei höherstufigen Intermediären sind ausgeschlossen.113
111
Betreffende Beispiele bei Haubold, RIW 2005, S. 656, 657, 658 f.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 191, 198; Saager, Effektengiroverkehr und Internationales Privatrecht (2007), S. 212; Wust, Grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren (2011), S. 388 ff.; jeweils in Bezug auf eine unterstellte stufenweise Anknüpfung durch das HWpÜ. 112 Vgl. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht (2005), Teil L Rdnr. 199. 113 Grundsatz 11 bzw. 12 des zweiten Konsultationspapiers 2010. Hierzu bereits oben § 12 A. II. 3.
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Eine effektiv stufenübergreifende Rechtskonstruktion dürfte daher in Zukunft nur noch in Drittstaaten zu finden sein. Fehlt es in einer solchen Rechtsordnung an einer materiellen Speziallösung für den grenzüberschreitenden Kontext wie z. B. der WR-Gutschrift, so stellt sich für die Anknüpfung der WRR die Frage nach dem Umgang mit etwaigen Widersprüchen zu höheren Ebenen. Eingeordnet in international-privatrechtliche Kategorien lassen sich Inkompatibilitäten zwischen den verschiedenen Stufen als ein weiterer Fall des Normwiderspruchs durch das europäische Kollisionsrecht des Effektengiros sehen, der eine Anpassung erfordert. Um das Nebeneinander der widersprüchlichen Rechtsordnungen auf den verschiedenen Depotstufen zu bewältigen, ist wiederum eine kollisionsrechtliche Lösung anzustreben. Der für Anpassungskonstellationen als grundsätzliche Alternative diskutierte Weg, in die materiellen Rechtsordnungen einzugreifen, sollte nur ultima ratio bleiben,114 da die Störung in der Sphäre des IPR begründet liegt. Vor einer freischöpfenden Modifikation des Sachrechts, hier etwa einer Veränderung der Natur der letztstufigen Rechtsstellung, ist daher zunächst auch nur in dieser Sphäre nach einem Ausweg zu suchen. Als Ansatzpunkt kann eine weitere Abgrenzung der kollisionsrechtlichen Anwendungsbereiche beider Rechtsordnungen dienen. Die Anknüpfungsnorm der WRR beruft für die account-held securities auf der untersten Ebene die Rechtsordnung des betreffenden Ortes der Kontoführung zunächst umfassend zur Anwendung. Der Verweis greift allerdings nur, sofern Adressaten der gewährten Rechte der eigene Kontoführer sowie etwaige Dritte sind. Für effektive Ansprüche gegenüber einem höherstufigen Intermediär entspricht es hingegen dem gestuften kollisionsrechtlichen Ansatz der WRR, ausschließlich die für dessen Ebene maßgebliche Rechtsordnung entscheiden zu lassen. Eine explizite Bestätigung dieses Vorgehens mag man im Katalog der Regelungsgegenstände sehen: Die für die jeweiligen account-held securities maßgebliche Rechtsordnung urteilt unter anderem darüber, ob der Kontoführer in Bezug auf die verbuchten Titel Pflichten gegenüber einer anderen Person als seinem Kontoinhaber hat.115 Im Ergebnis steht es einer drittstaatlichen Rechtsordnung auf der untersten Stufe also frei, konzeptionell eine stufenübergreifende Position zu unterstellen; das materielle Recht bleibt insofern von einer Anpassung unberührt. Soweit hieraus jedoch konkrete Folgen gegenüber einem anderen Kontoführer als dem eigenen abgeleitet werden sollen, liegt dies außerhalb des Umfangs der kollisionsrechtlichen Verweisung auf die betreffende Rechtsordnung. Im Wege der Anpassung wird der Anwendungsbereich der 114 Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts (1976), § 47 (S. 358); von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht (2007), § 6 Rdnr. 37. 115 Grundsatz 14 Abs. 3 lit. (f) des zweiten Konsultationspapiers 2010.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Anknüpfung an die letztstufige Kontoführung zugunsten desjenigen der Anknüpfung an die höherstufige Kontoführung eingeschränkt. D. Charakter der Verweisung Entsprechend der jüngsten europäischen Kollisionsnorm zum Effektengiro in der Finanzsicherheitenrichtlinie ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen der WRR eine Rück- oder Weiterverweisung ausgeschlossen bleibt. Die Anknüpfung an die Rechtsordnung eines Landes wird nur dessen Sach-, nicht jedoch dessen Kollisionsrecht berücksichtigen.
§ 13 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer Abschließend ist auf das jüngste europäische Rechtsetzungsvorhaben einzugehen, welches Berührungspunkte mit dem Kollisionsrecht des Effektengiros aufweist: die künftige Verordnung über Zentralverwahrer (Central Securities Depository Regulation – CSDR). A. Grundlegendes zum Vorhaben Zugrunde liegt ein Vorschlag für eine Verordnung, den die Kommission im März 2012 angenommen hat.1 Angesichts der systemischen Bedeutung der Zentralverwahrer und der von ihnen betriebenen Systeme sah die Kommission gesetzgeberischen Handlungsbedarf.2 Da auf ebendiese systemische Bedeutung der Spitze der Depotpyramide bereits die Finalitätsrichtlinie abzielt, betonen die Erwägungsgründe ausdrücklich die Notwendigkeit einer weiteren Befassung mit der Thematik über die geltende Richtlinie hinaus.3 Anstelle eines zusammengefassten neuen Rechtsakts will die Kommission der fortbestehenden Finalitätsrichtlinie einen weiteren, unmittelbar anwendbaren Rechtsakt an die Seite stellen. Kompetenzielle Grundlage soll wiederum die allgemeine Ermächtigung für Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktziels in Art. 114 AEUV sein.4 Im bisherigen Gesetzgebungsvefahren wurden nach Stellungnahmen unter anderem der Europäischen Zentralbank5 informelle Gespräche zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission geführt. Als Ergebnis des Trilogs verabschiedete das Europäische Parlament 2014 in erster Lesung eine legislative Entschließung über einen geänderten Verordnungsentwurf.6 1
Vorschlag der Kommission vom 7. März 2012 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG, COM(2012) 73 final. 2 Erwägungsgrund 2 des Vorschlags der Kommission. 3 Erwägungsgrund 3 des Vorschlags der Kommission. 4 Erwägungsgrund 4 des Vorschlags der Kommission. 5 Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 1. August 2012 zu einem Vorschlag für eine Verordnung zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer (CON/2012/62), ABl. C 310 vom 13.10.2012, S. 12. 6 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. April 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG.
396 I.
4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Ausschluss der Einzelverbriefung
Inhaltlich liegt ein Schwerpunkt des Vorhabens im Aufsichtsrecht der Zentralverwahrer. Daneben finden sich allerdings auch Maßnahmen, die alle Marktteilnehmer der Wertpapierabwicklung betreffen und die in andere Rechtsgebiete ausstrahlen: Insbesondere sollen – als Maßnahme zur Herstellung größerer Abrechnungssicherheit7 – die europäischen Emittenten von übertragbaren Wertpapieren, die zum Handel an geregelten Märkten zugelassen sind, Sorge tragen für deren Immobilisierung in Form einer Globalurkunde oder für deren vollständige „Dematerialisierung“.8 Das nationale Recht muss offenbar nicht beide Methoden eröffnen; lediglich der Ausschluss der Verbriefung in effektiven Stücken wird für die erfassten Instrumente in allen Mitgliedstaaten rechtlich vorgegeben.9 II. Europäischer Pass für Zentralverwahrer Aus den Kernvorschriften über die Zulassung und Überwachung der Zentralverwahrer sticht ein Element hervor: Die Beaufsichtigung wird ausgeübt von den nationalen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des Zentralverwahrers.10 Hierauf aufbauend erhalten zugelassene Zentralverwahrer wie bereits andere Akteure der Finanzmärkte die Möglichkeit, unter einem europäischen „Pass“ ihre Dienstleistungen nach Durchführung eines bloßen Anzeigeverfahrens in einem anderen Staat der EU zu erbringen, und zwar entweder über die Errichtung einer Zweigniederlassung oder grenzüberschreitend direkt.11 Konfliktpotential birgt das Verhältnis zwischen diesem regulatorischen Regime für Zentralverwahrer und dem nach der Finalitätsrichtlinie möglichen Regime für Systeme12: An der Spitze der Depotpyramide treffen künftig u. U. die Systemaufsicht eines Aufnahmestaats und die Institutionsaufsicht eines abweichenden Herkunftsstaats aufeinander. In weiteren Kapiteln unterlegt der Verordnungsentwurf die Beaufsichtigung durch den Herkunftsstaat mit einer Harmonisierung der aufsichtsrechtlichen Standards für Zentralverwahrer, etwa hinsichtlich ihrer Organisation, der von Ihnen einzuhaltenden Wohlverhaltensregeln oder des Zugangs verschiedener Marktteilnehmer zu Zentralverwahrern. 7
Art. 3 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags. Terminologisch sollte für die zweite Alternative in Abgrenzung zur Sammelverbriefung, die bereits als eine Form der „Dematerialisierung“ bezeichnet werden kann, besser von „Entmaterialisierung“ gesprochen werden. 9 Vgl. Kusserow, WM 2013, S. 1581, 1582. 10 Art. 9 des Vorschlags der Kommission. 11 Vgl. Art. 21 des Vorschlags der Kommission. 12 Hierzu oben § 5 B. II. 1. c) aa). 8
§ 13 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer
397
III. Kollisionsrecht Gleichsam versteckt zwischen diesen Regelungen sah der Vorschlag der Kommission auch ein Kapitel unter der – ungenau übersetzten13 – Überschrift „Rechtskollision“ vor. Dessen einzige Regelung lautete wörtlich: Artikel 46 Vorschlag für eine Verordnung zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer Auf Eigentumsaspekte anwendbares Recht 1. Alle Fragen zu Eigentumsaspekten im Zusammenhang mit den von einem Zentralverwahrer gehaltenen Finanzinstrumenten unterliegen dem Recht des Landes, in dem das Konto geführt wird. 2. Dient das Konto der Abrechnung im Rahmen eines Wertpapierabrechnungssystems, gilt das Recht, dem dieses Wertpapierabrechnungssystem unterliegt. 3. Wird das Konto nicht zur Abrechnung im Rahmen eines Wertpapierabrechnungssystems verwendet, so gilt die Annahme, dass das Konto dort geführt wird, wo der Zentralverwahrer gemäß Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 4. Unter dem gemäß diesem Artikel anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen.
Im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens ist der Vorstoß der Kommission zum internationalen Privatrecht auf Ablehnung gestoßen. In der Fassung des vom Europäischen Parlament in erster Lesung verabschiedeten Standpunkts wird in den Erwägungsgründen zwar weiterhin das Bedürfnis nach klaren kollisionsrechtlichen Regeln für die auf Konten bei Zentralverwahrern verbuchten Wertpapiere postuliert. Dies sei aber eine horizontale Frage, die über den Geltungsbereich der Verordnung hinausgehe und in künftigen Rechtsakten der Union geregelt werden könnte.14 Im Lichte dieser Stellungnahme ist für die weitere Entwicklung des europäischen Kollisionsrechts des Effektengiros vor allem von Interesse, inwiefern sich der gewählte Ansatz der Kommission als unzureichend erweist. B. Reichweite der Kollisionsnorm Zweifel erweckt die Reichweite der von der Kommission vorgeschlagenen Anknüpfung in sachlicher, vor allem aber auch in persönlicher Hinsicht.
13
Ausgangspunkt ist augenscheinlich der englische Titel „Conflict of laws“. Erwägungsgrund 51 in der Fassung des in erster Lesung festgelegten Standpunkts des Europäischen Parlaments. 14
398 I.
4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
Sachlicher Anwendungsbereich
Redaktionell ist zunächst auffällig, dass die Kommission in ihrem Vorschlag für den Regelungsgegenstand keine Positivliste wie in Finanzsicherheitenrichtlinie, HWpÜ oder den Vorarbeiten zur WRR wählt. Stattdessen zielt die Kollisionsnorm pauschal auf „alle Fragen zu Eigentumsaspekten“15 im Zusammenhang mit den von einem Zentralverwahrer gehaltenen Finanzinstrumenten. Hiergegen lässt sich einwenden, was auch schon gegen die vergleichbare Bezeichnung des Regelungsgegenstands in den Entwürfen für das HWpÜ vorgebracht wurde: Angesichts der Vielgestaltigkeit der depotrechtlichen Positionen erscheint es fraglich, ob eine einheitliche Bezugnahme auf das Eigentum Klarheit über die Reichweite der Anknüpfung schaffen kann.16 Zwar ist das Gegenmodell in den jüngeren Rechtsakten ebenfalls mit einem Risiko behaftet, nämlich dem der Unvollständigkeit der funktionalen Liste. Weil aber die Rechtsstellung des Kontoinhabers auch an der Spitze der Depotpyramide mitunter einen eher schuldrechtlichen Charakter aufweisen mag, würde eine funktionale Liste die Offenheit gegenüber den verschiedenen materiellen Rechtsordnungen besser zum Ausdruck bringen. II. Persönlicher Anwendungsbereich Immerhin gibt das Vorhaben in anderem Zusammenhang seine Neutralität gegenüber nationalen Depotrechtsgestaltungen zu erkennen,17 so dass man eine umfassendere Formulierung des sachlichen Gegenstands als Aufgabe für das weitere Gesetzgebungsverfahren hätte sehen können. Grundlegender erscheint allerdings die Frage des persönlichen Anwendungsbereichs: Für die Finalitätsrichtlinie ist eine im Ausgangspunkt einstufige Vorstellung des Systems herausgearbeitet worden; erfasst sind zumindest als Sicherungsnehmer zunächst nur die direkten Teilnehmer.18 Übertragen auf den komplementären Rechtsakt der Verordnung über Zentralverwahrer stellt sich parallel die Frage, ob die Anknüpfung persönlich auf die Inhaber eines Kontos beim Zentralverwahrer, mithin die Spitze der Depotpyramide beschränkt bleiben soll. Der Wortlaut der Absätze 2 und 3 der Verweisungsnorm mit der Differenzierung danach, ob das Konto Teil des vom Zentralverwahrer betriebe15 „Any question with respect to proprietary aspects“ in der englischen, „toute question relative aux aspects patrimoniaux“ in der französischen Fassung des Vorschlags der Kommission. 16 Hierzu oben § 11 B. I. 4. 17 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 38 in der Fassung des in erster Lesung festgelegten Standpunkts des Europäischen Parlaments. 18 Oben § 3 B. II. 1. b).
§ 13 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer
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nen Wertpapierabrechnungssystems ist, spricht tendenziell für eine solche Fokussierung. Allerdings lassen sich in einem stufenübergreifenden Depotrecht letztlich auch die Rechte der Kontoinhaber auf den unteren Ebenen auf die beim Zentralverwahrere verbuchten Instrumente im Sinne des Absatzes 1 des Kommissionsvorschlags zurückführen. Der Wortlaut schließt eine Lesart als allgemeine Verweisungsregel für den gesamten Effektengiroverkehr nicht aus. Der Verordnungsentwurf geht mit dem Ausschluss der Einzelverbriefung auch an anderer Stelle über den Kontext der hoheitlichen Aufsicht über Zentralverwahrer hinaus. Eine – unmittelbar anwendbare – allgemeine Kollisionsnorm für das Effektengiro, die etwa eine Privatperson als Inhaber eines Depotkontos bei seiner Hausbank umfasst, wäre jedoch systematisch an dieser Stelle ohne den Kontext sonstiger depotrechtlicher Vorschriften überraschend. Bereits insofern lassen sich die Vorbehalte des Europäischen Parlaments nachvollziehen. C. Anknüpfungsmoment Aber auch die Auswahl des Anknüpfungsmoments erweist sich für den Vorschlag als Frage, die den Rahmen des Vorhabens übersteigt. I.
Verdeckte Einführung der Parteiautonomie
Der Vorschlag der Kommission lässt schon eine Auseinandersetzung mit der fortdauernden Diskussion über das Verweisungsmoment des Effektengiros vermissen. Im Ausgangspunkt nimmt der Vorschlag in den Erwägungsgründen noch Bezug auf die „bestehenden kollisionsrechtlichen Bestimmungen“ und spricht sich für die Geltung des Rechts des Ortes aus, an dem die Konten des Zentralverwahrers geführt werden19 – mithin die Geltung des PRIMA-Kriteriums. Als dessen Umsetzung in Fortsetzung der bisherigen europäischen Verweisungsregeln lässt sich die Auffangregel in Abs. 3 des Kommissionsvorschlags interpretieren: Verwiesen wird auf den nach den Regeln der Rom I-VO bestimmten gewöhnlichen Aufenthalt des Zentralverwahrers. Dies ermöglicht es nach Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO insbesondere, entsprechend den Erörterungen zu den bisherigen europäischen Kollisionsregeln an die effektiv handelnde Niederlassung des Zentralverwahrers anzuknüpfen. Sofern allerdings das fragliche Konto Teil des vom Zentralverwahrer betriebenen Systems ist, soll nach Abs. 2 des Kommissionsvorschlags vorrangig das Recht zur Anwendung kommen, dem dieses System unterliegt. Dahinter mag die Intention der Kommission stehen, die durch den europäi19
Erwägungsgrund 36 des Vorschlags der Kommission.
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
schen Pass erleichterte grenzüberschreitende Tätigkeit der Zentralverwahrer zu flankieren. Sofern ein Verwahrer grenzüberschreitend in einem Aufnahmestaat ein Wertpapierliefersystem betreibt, führt die Hauptanknüpfungsregel der Kommission zu einem Gleichlauf des anwendbaren Depotrechts mit dem Schuldstatut der Übertragungsaufträge und den ebenfalls gleichlaufenden insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen für ein System. Das Recht des Systems unterliegt aber im Ausgangspunkt der freien Rechtswahl der Parteien. Einschränkung ist lediglich, dass ein Teilnehmer im Land der gewählten Rechtsordnung seine Hauptverwaltung hat.20 Der Vorschlag der Kommission eröffnet also abweichend von der bisherigen objektiven Umsetzung von PRIMA in Europa die Möglichkeit zur (akzessorischen) Rechtswahl,21 obschon dies auf europäischer Ebene im Kontext der Diskussion über das HWpÜ aus den dargestellten Gründen22 bislang abgelehnt wurde. Eine Begründung für diese verdeckte Hinwendung zur Parteiautonomie bleibt der Vorschlag der Kommission schuldig. II. Schlüsselfrage von PRIMA Ungeklärt bleibt schließlich auch die Schlüsselfrage von PRIMA, die Bestimmung des relevanten unter mehreren involvierten Intermediären. Solange im Rahmen des anzuknüpfenden Vorgangs nur ein Zentralverwahrer beteiligt ist, stellt sich lediglich die Frage einer Lokalisierung der von ihm betriebenen Konten. Wie aber ist die Situation zu beurteilen, wenn eine Verfügung aus dem System eines Verwahrers in das System eines anderen zu beurteilen ist? Soll ein einheitliches Konto maßgeblich sein und, wenn ja, bei welchem Zentralverwahrer? Der Vorschlag der Kommission erscheint als auf den Betrieb eines Systems durch einen Zentralverwahrer fixiert, ohne die Verbindungen unter den Liefersystemen zu berücksichtigen. Gerade diese grenzüberschreitenden Verbindungen werfen jedoch kollisionsrechtliche Fragen auf. Wie für die Vorarbeiten zur WRR herausgestellt, stößt die Anknüpfung nach PRIMA bei Sachverhalten unter Beteiligung diverser Intermediäre an ihre Grenze und bedarf unter Umständen der kollisionsrechtlichen Anpassung. Die Konkurrenz mehrerer Empfänger und die Kompatibilität mehrerer Ebenen hängen unmittelbar zusammen mit dem zugrundeliegenden materiellen Recht.23 Das Kollisionsrecht des Effektengiros erweist sich ganz 20
S. oben § 3 A. I. Kritisch zur mittelbaren Einführung der Rechtswahl die Europäischen Zentralbank in ihrer Stellungnahme vom 1. August 2012 zum Verordnungsvorschlag, Begründung zu Änderung 35. 22 Oben § 11 A. III. 4. 23 Vgl. oben § 12 C. III. 21
§ 13 Künftige Verordnung über Zentralverwahrer
401
im Sinne des Europäischen Parlaments als horizontale Frage, die sich nicht für eine punktuelle und vom sonstigen Depotrecht isolierte Regelung eignet. Die Fortentwicklung sollte vielmehr in einem umfassenden europäischen Rechtsakt zum Effektengiro gesucht werden – der geplanten Wertpapierrechtsrichtlinie.
§ 14 Resümee: Perspektiven zur Vollendung des europäischen Mosaiks Die künftige Fortentwicklung des bestehenden punktuellen Kollisionsrechts des Effektengiros in Europa gewinnt an Konturen. Anfänglich favorisierte zumindest ein Teil der Mitgliedstaaten und Organe der Union ein heteronomes Instrument für die europäische Rechtsvereinheitlichung, den koordinierten Beitritt zum Haager Wertpapierübereinkommen. Dieses Vorgehen bot die Möglichkeit, die Lückenschließung im unionalen Rechtsrahmen mit der Schaffung globaler Rechtsstandards für die transnationale Materie des Kapitalmarkts zu verbinden. Die Haager Konferenz unterstützte die innereuropäische Rolle des Übereinkommens, indem sie die damalige Gemeinschaft während der Vorarbeiten einband und im endgültigen Übereinkommen eine Beitrittsklausel für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration einfügte. Gleichwohl stieß in der Folge das subjektive Modell der Hauptanknüpfung im HWpÜ bei verschiedenen Stellen der Union auf Ablehnung, so dass sich der europäische Fokus auf eine autonome Lösung verlagerte. Es bestehen fortgeschrittene Pläne für eine umfassende Kodifizierung des Rechts des Effektengiros in Form der Wertpapierrechtsrichtlinie, die bestehende sach- und kollisionsrechtliche Vorschriften zusammenfasst und abrundet. Die WRR könnte weitreichende Konsequenzen für das materielle Depotrecht entfalten, da sie wesentliche Elemente von stufenübergreifenden sachenrechtlichen Depotkonstruktionen zumindest in Frage stellt. Darüber hinaus birgt aber auch ihre kollisionsrechtliche Komponente bedeutsame Reformen, die neben der genauen Reichweite der Anknüpfung auch das Verweisungsmoment betreffen. Der jüngste Vorstoß der Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung über Zentralverwahrer vermag hingegen als isolierte und punktuelle Regelung von vornherein nicht zu überzeugen. Das Vorhaben lenkt die Aufmerksamkeit daher umso mehr auf eine umfassende Harmonisierung in einem allgemeinen depotrechtlichen Rechtsakt. A. Reichweite Für den Anwendungsbereich des künftigen europäischen Kollisionsrechts lässt sich den Vorarbeiten zur WRR ein deutliches Bemühen des Gesetzgebers entnehmen, die Limitierungen der bestehenden Vorschriften zu überwinden und so die Defizite des gegenwärtigen Rechtsrahmens zu beheben. In sachlicher Hinsicht wird insbesondere die Fokussierung auf Wertpapiersicherheiten aufgehoben und die Liste der von der Anknüpfung
§ 14 Resümee: Perspektiven zur Vollendung des europäischen Mosaiks
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erfassten Einzelfragen entsprechend erweitert. Daneben betonen die Materialien zur WRR die Einbeziehung schuldrechtlich konstruierter Depotsysteme, was gemeinsam mit der Extension des Anwendungsbereichs die Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber der Rom I-Verordnung über das auf Schuldverhältnisse anzuwendende Recht beseitigt. Hingegen bleiben im internationalen Insolvenzrecht zumindest die Vorschriften zur Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners über intermediatisierte Wertpapiere von der Kodifikation ausgenommen, so dass diese Bestimmungen in der EuInsVO und den sektoralen Sanierungsrichtlinien weiterhin neben der WRR für das Effektengiro zu beachten sind. Angesichts des auf bestimmte insolvenzrechtliche Fragestellungen beschränkten Gegenstandes der Sonderanknüpfungen wiegt diese fortbestehende Segmentierung des Kollisionsrechts gleichwohl nicht besonders schwer. In persönlicher Hinsicht sind die Differenzierungen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie aus den Materialien zur WRR getilgt, um alle faktisch an der Depotpyramide Beteiligten erfassen zu können. In räumlicher Hinsicht ist schließlich schon mit der Finanzsicherheitenrichtlinie das Muster einer gleichermaßen Mitglieds- wie Drittstaaten berücksichtigenden loi uniforme erreicht, was in dem neuen Rechtsakt beibehalten werden kann. Da sich das HWpÜ bereits früher mit den Fragestellungen und Implikationen eines umfassenden Anwendungsbereichs auseinandergesetzt hat, kann es insofern noch immer wertvolle Inspirationen für die endgültige Ausgestaltung der künftigen Richtlinie liefern. B. Anknüpfungsmoment Für das Anknüpfungsmoment hat die subjektive Lösung des HWpÜ keinen Anklang in Europa gefunden. Im Rahmen der WRR soll stattdessen die objektive Lokalisierung der Wertpapiere beibehalten und präzisiert werden. Maßgebliches Anknüpfungsmoment ist der „place of the relevant intermediary“ im Wortsinne, also der Ort der kontoführenden Zweigstelle des Intermediärs. Für die Auswahl unter mehreren involvierten Zweigstellen sehen die Materialien zum künftigen Rechtsakt eine Gesamtbetrachtung der Kontoführung vor, wie sie bereits für die bestehenden Vorschriften sinnvoll erscheint. Als wirkliche Neuerung gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage ist eine Informationspflicht für den Intermediär vorgesehen, nach der dem Kontoinhaber die betreuende Zweigstelle zu benennen ist. Diese Information könnte mittelfristig auch in Form der seit längerem angedachten standardisierten Bankleitzahlen für Depotkonten erfolgen, aus denen sich der Ort der betreuenden Zweigstelle ergibt. Die Auskunft durch den Kontoführer hat allerdings nach den Plänen eine ausschließlich deklaratorische Funktion, die das Ergebnis der objektiven Ge-
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4. Kapitel: Heteronome und autonome Lösungsansätze
samtbetrachtung nicht berührt. Verstöße gegen die Pflicht durch unzutreffende Angaben sollen nur aufsichtsrechtlich sanktioniert werden. Im Umgang mit der Schlüsselfrage des PRIMA-Kriteriums, der Auswahl des relevanten unter mehreren beteiligten Intermediären, deuten sich in der WRR die Abkehr vom bisherigen Ansatz der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie und die Annäherung an das Vorgehen des HWpÜ an. Terminologisch betrachten die WRR-Materialien jede Gutschrift auf den verschiedenen Ebenen der Depotpyramide als eigenständigen Gegenstand der Verweisung. Hierin verbirgt sich ein gestuftes kollisionsrechtliches Vorgehen, nach der die Rechtsstellung jedes Kontoinhabers (einschließlich derjenigen der Zwischenverwahrer) gesondert anzuknüpfen ist: Ob der Verfügende seine Position verloren hat, ist nach der für sein Konto maßgeblichen Rechtsordnung zu beurteilen, ob der Empfänger eine Position erworben hat, dagegen nach der für dessen Konto geltenden Rechtsordnung. Es gibt also bei einem Sachverhalt unter Beteiligung mehrerer Intermediäre keinen einheitlich für die Verweisung maßgeblichen Intermediär; relevant für die verschiedenen Kontostufen ist stets nur der jeweilige Kontoführer. Diese kollisionsrechtliche Lösung wirkt sich unmittelbar auf die Problemfelder aus, die zur bisherigen europäischen Ausprägung des PRIMAKriteriums identifiziert wurden. Zunächst schafft das stufenweise Vorgehen angesichts der intransparenten Übertragungswege auf den anonymen Kapitalmärkten gleiche Bedingungen für alle von einer Transaktion Betroffenen, während gegenwärtig die einheitliche Maßgeblichkeit der Empfängerstufe nur der Zielperson Klarheit über das anwendbare Recht gewährt. Weiter hat der gestufte Ansatz Einfluss darauf, wie mit dem Zusammentreffen mehrerer Empfänger im Rahmen einer Transaktion umzugehen ist. Die Kumulation mehrerer Zielpunkte in einer gemeinsamen Umbuchung an der Spitze der Depotpyramide hat nicht mehr zugleich die Kumulation der verschiedenen Empfängerrechtsordnungen zur Folge; vielmehr gilt auch für die höheren Stufen der Depotpyramide jeweils nur die eigene Rechtsordnung. Bei der Konkurrenz verschiedener Empfänger infolge von Computerfehlern o. ä. bleibt es hingegen grundsätzlich bei der Konkurrenz der betreffenden Rechtsordnungen, so dass gegebenenfalls weiterhin eine kollisionsrechtliche Anpassung vorzunehmen ist. Für innereuropäische Sachverhalte ist insofern von Bedeutung, ob die WRR auf ihrer materiellen Seite den Übergang zu einem gestuften System mit Rechten ausschließlich gegen den eigenen Intermediär erzwingt. Sollte dies der Fall sein, so konkurrierten die Empfänger formal nicht um dieselbe Position; eine Modifikation der Anknüpfungsregeln wäre entbehrlich. Eine durch das stufenweise Vorgehen ausgelöste neue Problematik ist die Kompatibilität der verschiedenen Ebenen der Depotpyramide. Wenn
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auf den einzelnen Stufen divergierende Rechtsordnungen zur Anwendung berufen werden, so kann sich hieraus wiederum Bedarf für eine kollisonsrechtliche Anpassung ergeben. Insofern spricht der Grundansatz der WRR dafür, dem Geltungsbereich der für eine untere Stufe maßgeblichen Rechtsordnung ausschließlich die Rechtsstellung gegenüber dem eigenen Intermediär zuzuordnen. Ansprüche gegenüber höherstufigen Intermediären, die das letztstufige Depotrecht möglicherweise materiell gewährt, sollten hingegen nur von dem für das jeweilige Konto maßgeblichen Statut beurteilt werden. Im Übrigen spielt auch hier die Frage eine entscheidende Rolle, ob die WRR im Sachrecht den Übergang zu gestuften Rechten erzwingt; Kompatibilitätsprobleme zwischen den verschiedenen Ebenen könnten sich insofern bei unionalen Sachverhalten erübrigen. C. Fazit Mit der geplanten Wertpapierrechtsrichtlinie bietet sich die Chance, das lückenhafte und teilweise sogar disharmonische Mosaik der bisherigen Verweisungsnormen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenzufügen. Mit Ausnahme der insolvenzrechtlichen Sonderanknüpfungen deckt die intendierte Kollisionsnorm in der WRR die das Effektengiro betreffenden Fragen nach dem Vorbild des HWpÜ umfassend ab. Die gleichzeitige Sachrechtsharmonisierung in der Wertpapierrechtsrichtlinie bietet darüber hinaus neue Perspektiven für diejenigen Konstellationen, in denen eine rein kollisionsrechtliche Lösung an ihre Grenzen stößt. Erkauft wird die Beseitigung rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Wertpapiertransaktionen allerdings mit möglicherweise tiefgreifenden Umwälzungen in einigen Rechtsordnungen.
Thesen Grundlagen (1) Der Effektengiroverkehr ist die stückelose Übertragung der vertretbaren Wertpapiere des Kapitalmarkts mittels Umbuchungen auf Depotkonten. In einem funktionalen Sinne verstanden handelt es sich um die auf den Kapitalmärkten weltweit anzutreffende Infrastruktur für die dem Handel nachgelagerte Abwicklung der Geschäfte. (2) Das Effektengiro baut auf der kontenmäßigen Verflechtung einer Vielzahl von Intermediären auf, die innerhalb eines Landes typischerweise die Form einer Pyramide mit dem Zentralverwahrer an der Spitze annimmt. Der grenzüberschreitende Zugriff auf ein ausländisches Kontensystem ist über vier Kanäle möglich: die unmittelbare Kontoverbindung mit dem jeweiligen Zentralverwahrer, die mittelbare Verbindung über einen lokalen Intermediär, das Konto bei bestimmten global agierenden Dienstleistern sowie die gegenseitigen Verbindungen der Zentralverwahrer. (3) Für die buchmäßige Übertragung ist zumindest die Immobilisierung etwaiger Wertpapierurkunden erforderlich, die üblicherweise in Form der zentralen Sammelverwahrung erfolgt und häufig durch eine Sammelverbriefung ergänzt wird. Einige Rechtsordnungen haben die vollständige Entmaterialisierung des Effektenwesens verwirklicht und verzichten auf jede Verkörperung in einem Papier. (4) Die nach nationalem Recht mit der Kontogutschrift verbundene Rechtsposition ist vielgestaltig. Das Spektrum lässt sich grob einteilen in stufenübergreifende Konstruktionen einerseits, bei denen die Rechtsstellung des letztstufigen Kontoinhabers über das Verhältnis zu seinem unmittelbaren Intermediär hinausreicht, und gestufte Konzepte andererseits, die dem Kontoinhaber lediglich Ansprüche gegen den eigenen Kontoführer zubilligen. (5) Beide Gruppen unterscheiden sich tendenziell in der rechtlichen Interpretation einer Transaktion: Bei stufenübergreifenden, oftmals sachen-
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rechtlichen Depotsystemen ist ein derivativer Erwerb der Position möglich, gestufte schuldrechtliche oder hybride Konstruktionen gehen hingegen typischerweise von einem originären Erwerb aus. (6) Auf kollisionsrechtlicher Ebene liegt eine wesentliche Schwierigkeit des Effektengiros darin, den Gegenstand einer eigenständigen Anknüpfungsnorm für intermediatisierte Wertpapiere einzugrenzen. Qualifikationsprobleme bestehen insbesondere an den Berührungspunkten des Depotrechts mit den Mitglieds- bzw. Forderungsrechten gegen den Emittenten, der schuldvertraglichen Kontobeziehung zum Intermediär und den Wirkungen einer Insolvenz. (7) Der Primat des Wertpapierrechtsstatuts über das Wertpapiersachstatut, das klassischerweise bei direkt gehaltenen verkörperten Wertpapieren angenommen wird, sollte für das Effektengiro in adaptierter Form beibehalten werden: Vorrangig beurteilt das Hauptstatut der zugrundeliegenden Rechte gegen den Emittenten deren rechtliches Schicksal; nur nach Maßgabe dieser Entscheidung wird ein eigenständiges Depotstatut für die Übertragung der grundlegenden Rechtsstellung gegen den Emittenten relevant. (8) Ein weiteres Kernproblem besteht in der Definition eines Verweisungsmoments, das den Gegebenheiten intermediatisierter Wertpapiere gerecht wird. Die Anknüpfung an die Rechtsordnung der Belegenheit der Sache (lex rei sitae), die bei direkt gehaltenen Wertpapieren international weit verbreitet ist, erweist sich im Effektengiro als obsolet und in bestimmter Hinsicht sogar dysfunktional. (9) Schwierigkeiten bereitet der Verweisung auf die lex rei sitae insbesondere der durch Immobilisierung und Entmaterialisierung bedingte Funktionsverlust der Urkunde bei intermediatisierten Wertpapieren. Weiter ist die Suche nach dem Belegenheitsort mit der Intransparenz der verschiedenen Stufen vieler Depotsysteme konfrontiert. (10) Die klassische Anknüpfung kann zudem zu einer Vervielfachung der anwendbaren Rechtsordnungen führen. Bei Verfügungen über heterogen zusammengesetzte Depots wird gleichzeitig auf die unterschiedlichen Belegenheiten der jeweiligen Urkunden verwiesen; bei Wertpapieren, für deren Gattung der nationale Zentralverwahrer einen gemeinsamen Sammelbestand mit einem ausländischen Verwahrer gebildet hat, bestehen gleichzeitig zwei Lageorte.
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Europäisches Wertpapierkollisionsrecht unter dem Leitbild von PRIMA (11) Auf die Unzulänglichkeiten des überkommenen nationalen Kollisionsrechts hat die damalige Europäische Gemeinschaft reagiert und in mehreren Rechtsakten ein neues Konzept für die Anknüpfung im Effektengiro eingeführt: den Place of the Relevant Intermediary Approach (PRIMA). Allerdings ist die Reichweite der Verweisungsvorschriften jeweils diversen Limitierungen unterworfen, wodurch das europäische Kollisionsrecht bislang einen fragmentarischen Charakter aufweist. Überdies zeigt sich die Umsetzung von PRIMA im Anknüpfungsmoment der einzelnen Normen noch inkohärent. Reichweite (12) Die erste europäische Verweisungsnorm unter dem neuen Leitbild ist in die Finalitätsrichtlinie aufgenommen worden, die sich der Verringerung systemischer Risiken innerhalb von Zahlungs- und Wertpapierliefersystemen verschrieben hat. Im Hinblick auf dieses übergeordnete Telos bleibt Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie in sachlicher Hinsicht auf Sicherheiten an Wertpapieren beschränkt, die in persönlicher Hinsicht zugunsten von Systemteilnehmern oder einer der europäischen Zentralbanken bestellt werden. Zudem spart die Norm in räumlicher Hinsicht das Verhältnis zu Drittstaaten aus. (13) Die Bedeutung weiterer Tatbestandsmerkmale von Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie bedarf der Klärung. Insbesondere sollte die vorausgesetzte „rechtsbegründende Wirkung“ von Registereintragung oder Kontoverbuchung als „mit der Begründung des Rechts einhergehend“ gelesen werden, um auch Rechtsordnungen mit einer lediglich dokumentierenden Funktion der Gutschrift erfassen zu können. (14) Die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie spricht für die vollständige Abdeckung des depotrechtlichen Spektrums einschließlich schuldrechtlicher Gestaltungen. Insofern verdrängt die Richtlinienvorschrift die Rom I-Verordnung über das auf Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, welche die im Effektengiro übertragenen Rechtspositionen nicht grundsätzlich aus ihrem Anwendungsbereich ausschließt. (15) Die kollisionsrechtliche Lösung der Finalitätsrichtlinie wird in Art. 9 der Finanzsicherheitenrichtlinie fortgeschrieben und erweitert. In persönlicher Hinsicht berücksichtigt der jüngere Rechtsakt nunmehr alle öffent-
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lich-rechtlichen Körperschaften, Zentralbanken und beaufsichtigten Finanzinstitute; im Rahmen von Geschäften mit diesen Akteuren können die Mitgliedstaaten zudem allgemein Kaufleute außerhalb des Finanzsektors einschließen. In räumlicher Hinsicht stellt Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie darüber hinaus eine allseitige, auch Drittstaaten einbeziehende Verweisung dar. (16) Dagegen bleibt die Finanzsicherheitenrichtlinie in sachlicher Hinsicht ebenfalls dem Kontext von Sicherheiten an intermediatisierten Wertpapieren verhaftet, womit die alltäglichen Massentransaktionen weiterhin außen vor bleiben. Neu ist die Regelungstechnik, die erfassten sachlichen Regelungsgegenstände abschließend aufzuzählen; Qualifikationsproblemen wird auf diese Weise vorgebeugt. (17) Flankiert werden Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie durch mehrere Bestimmungen im Europäischen Internationalen Insolvenzrecht, die für intermediatisierte Wertpapiere besondere Regeln vorsehen. Bei genauerer Betrachtung knüpfen die Vorschriften aber jeweils nur sehr spezielle Fragestellungen an, die sich durch die Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens ergeben. (18) Art. 14 EuInsVO und seine sektoralen Korrelate für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen erfassen nur die „Wirksamkeit“ einer Verfügung des insolventen Schuldners über verbuchte Titel, was auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners nach Verfahrenseröffnung abzielt. Art. 24 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute regelt weiterhin die „Ausübung“ von Rechten an Wertpapieren, womit die Folgen des Insolvenzbeschlags gemeint sind. Anknüpfungsmoment (19) Bei ihrem jeweiligen Anknüpfungsmoment setzen Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie und Art. 24 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute das PRIMA-Modell dahingehend um, dass auf den Ort des verbuchenden Registers, Kontos oder zentralen Verwahrsystems verwiesen wird. Die Lösung des Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie, auf den Ort der Kontoführung abzustellen, weicht hiervon lediglich sprachlich ab. (20) Für die objektive Lokalisierung lassen die drei Normen Kriterien zur Bewältigung von Zweifelsfällen vermissen, die das grenzüberschreitende Outsourcing des Intermediärs auslösen kann. In derartigen Konstellationen sollte die konkret handelnde Stelle des Kontoführers herangezogen wer-
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den, die gegebenenfalls anhand einer Gesamtbetrachtung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu identifizieren ist. (21) Art. 14 EuInsVO und seine sektoralen Entsprechungen verfolgen für ihr Verweisungsmoment einen anderen Ansatz, indem sie den Staat der Aufsicht über die fragliche Institution des Effektengiros für maßgeblich erklären. Das internationale Privatrecht richtet sich insofern also akzessorisch nach den Zuständigkeitsregeln für die öffentlich-rechtliche Aufsicht. (22) Das akzessorische Vorgehen kann durch die Auswirkungen des aufsichtsrechtlichen Herkunftslandprinzips in Europa zu Ergebnissen führen, die dem mit den Normen verfolgten Schutz der Verfügungsempfänger in einem bestimmten Land zuwiderlaufen. Zudem könnte sich die Verlagerung der direkten Aufsicht auf die supranationale Ebene zum Problem für den Ansatz auswachsen. (23) Konzeptionelle Schlüsselfrage aller Ausprägungen von PRIMA ist die Auswahl des relevanten unter mehreren involvierten Intermediären. Transaktionen im Effektengiro lösen regelmäßig Buchungsvorgänge auf mehreren Konten aus, wobei den Beteiligten aufgrund der Anonymität der Kapitalmärkte die übrigen Glieder der Übertragungskette meist unbekannt bleiben. (24) Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie weichen der Problematik dadurch ein Stück weit aus, dass sie sich auf die Bestellung von Sicherheiten beschränken. Im Übrigen sprechen sie tendenziell für die einheitliche Maßgeblichkeit der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers, deren materiellrechtliche Bewertung zur Vermeidung eines Zirkelschlusses für die Anknüpfung ausgeblendet bleibt. Die international-insolvenzrechtlichen Vorschriften zu Verfügungen des Schuldners stellen hingegen umgekehrt auf die Person des Verfügenden ab. (25) Da die Nachverfolgung des Wegs der Wertpapiere oftmals gar nicht möglich ist, verschafft die einheitliche Geltung einer Kontostufe auch nur dieser Stufe kollisionsrechtliche Rechtssicherheit. (26) Die einheitliche Maßgeblichkeit des Empfängers kann den Verweis auf mehrere Rechtsordnungen für einen einzigen Kontovorgang zur Folge haben: kumulativ bei der Übertragung eines Pakets zugunsten mehrerer Empfänger, konkurrierend bei der faktischen Verbuchung zugunsten zweier Empfänger. In letzterem Fall sollte der Konflikt beider Rechtsordnungen
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durch eine kollisionsrechtliche Anpassung bewältigt werden, wonach letztlich die Rechtsordnung des Verfügenden die Priorität zu beurteilen hat.
Nationale Umsetzung als mögliche Abrundung Reichweite (27) Die nationale Umsetzung von Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie in § 17 a DepotG schließt in überschießender Umsetzung wesentliche Lücken der europäischen Vorgaben: Sachlich wird die Limitierung auf Sicherheiten überwunden, persönlich werden sämtliche Anforderungen aufgegeben und räumlich wird eine universelle Verweisung geschaffen. (28) Gleichwohl erschwert die autonome Beschränkung des Anknüpfungsgegenstandes auf Verfügungen, welche noch dazu in einem Buchungsvorgang Niederschlag finden müssen, eine vollumfängliche Abdeckung des Effektengiros. Erforderlich sind Korrekturen über die Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB und die rechtsfortbildende Analogie, um auch den Inhalt einer Kontoposition und formlose Verfügungen über intermediatisierte Wertpapiere dem neuen Kollisionsrechtsregime zu unterwerfen. (29) Für den überschießenden Bereich der Umsetzung stellt sich die ungeklärte Frage des Verhältnisses zur Rom I-Verordnung. Die Richtlinien fordern eine Einbeziehung auch der schuldrechtlichen Depotsysteme, können der nationalen Transformation Vorrang vor dem allgemeinen internationalen Schuldrecht der Union aber nur in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich verschaffen. (30) Umsetzungsdefizite offenbaren sich hinsichtlich der internationalinsolvenzrechtlichen Vorgaben. Die Wirksamkeit von Verfügungen über intermediatisierte Wertpapiere und die Ausübung von Rechten an Instrumenten können weder bei § 17 a DepotG und seinen erweiternden Korrekturen berücksichtigt, noch vollständig durch allgemeine Regeln des autonomen internationalen Insolvenzrechts abgedeckt werden. Anknüpfungsmoment (31) In seinem Anknüpfungsmoment konkretisiert § 17 a DepotG die Lokalisierung intermediatisierter Titel, wobei er beide europäischen Modelle zur Ausfüllung des PRIMA-Kriteriums heranzieht: Für Register ist der Staat der Aufsicht maßgeblich, für Konten der Ort der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers. Bei mehreren involvierten
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Zweigstellen sollte eine Gesamtbetrachtung aller Umstände der Kontoführung erfolgen. (32) Da § 17 a DepotG auch die anonymen Massentransaktionen erfasst, stellen sich die Probleme einer einheitlichen Maßgeblichkeit der Empfängerstufe mit ganzer Schärfe. Die Person des Empfängers ist dem Verfügenden und den beteiligten Intermediären regelmäßig nicht bekannt; in Bezug auf einen Kontovorgang können mehrere Empfänger kumuliert oder konkurrierend aufeinandertreffen.
Heteronome und autonome Lösungsansätze (33) Zur Fortentwicklung des europäischen Kollisionsrechts wurde lange Zeit ein heteronomes Instrument für die unionale Rechtsvereinheitlichung favorisiert: das Haager Wertpapierübereinkommen (HWpÜ). Die Haager Konferenz unterstützte die innereuropäische Rolle des Übereinkommens, indem sie die damalige Gemeinschaft während der Vorarbeiten einbezog und eine Beitrittsklausel für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in das Übereinkommen aufnahm. (34) Die primäre Anknüpfungsregel des HWpÜ, nach der die gesonderte oder allgemeine Rechtswahl in der Kontovereinbarung zwischen Depotinhaber und Intermediär entscheidet, stieß auf massive Kritik von Teilen der europäischen Praxis, Mitgliedsländer und Institutionen. Unter anderem bestand die Befürchtung, dass die subjektive Anknüpfung zur Durchsetzung US-amerikanischen Rechts und damit zu Wettbewerbsnachteilen für europäische Intermediäre führen könnte. Wegen der Bedenken wurde der Beitritt der EU und ihrer Mitglieder letztlich aufgegeben. (35) Konturen einer autonomen Abrundung des europäischen Kollisionsrechts sind im Rahmen der geplanten Wertpapierrechtsrichtlinie (WRR) zu erkennen. Der künftige Rechtsakt soll das Recht des Effektengiros umfassend kodifizieren, wobei er weitreichende Konsequenzen für das materielle Depotrecht entfalten könnte. Insbesondere werden zentrale Elemente von stufenübergreifenden sachenrechtlichen Depotkonstruktionen zumindest in Frage gestellt. (36) Dagegen ist die von der Kommission vorgeschlagene kollisionsrechtliche Ergänzung der künftigen Verordnung über Zentralverwahrer zu stark auf die Spitze der Kontenpyramide fokussiert und berücksichtigt nicht die Verflechtungen zwischen den Liefersystemen. Gerade dies lenkt den Fokus auf den umfassenden Harmonisierungsansatz in der WRR.
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Reichweite (37) Für das internationale Privatrecht ist den Vorarbeiten zur WRR das Bestreben zu entnehmen, die Lücken der bestehenden Vorschriften zu schließen. So sind in persönlicher Hinsicht die Differenzierungen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie aus den Materialien getilgt; in räumlicher Hinsicht zeichnet sich eine gleichermaßen Mitglieds- wie Drittstaaten berücksichtigende loi uniforme ab. (38) In sachlicher Hinsicht wird die Beschränkung auf Wertpapiersicherheiten aufgehoben. Inspiriert durch das HWpÜ ist bereits ein abschließender Katalog angeknüpfter Einzelfragen entworfen worden, der das gesamte Schicksal intermediatisierter Wertpapiere abdeckt. Zudem wird die Einbeziehung schuldrechtlicher Depotsysteme betont, was zusammen mit der Extension des Anwendungsbereichs die allgemeine Rom I-Verordnung vollständig aus dem Bereich des Effektengiros verdrängt. Anknüpfungsmoment (39) Im Anknüpfungsmoment verfolgt die WRR nicht die subjektive Lösung des HWpÜ, sondern präzisiert den objektiven Ansatz von Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie. Maßgeblich ist nach den Materialien der Ort der kontoführenden Zweigstelle des Intermediärs, welche anhand einer Gesamtbetrachtung bestimmt werden soll. (40) Als echte Neuerung ist eine Informationspflicht für den Intermediär vorgesehen, nach der dieser dem Kontoinhaber die betreuende Zweigstelle zu benennen hat. Mittelfristig könnte dies in Form standardisierter Bankleitzahlen für Depotkonten geschehen, aus denen sich der Ort der betreuenden Zweigstelle ergibt. Geplant ist allerdings eine ausschließlich deklaratorische Funktion der Auskunft, deren korrekte Ausübung lediglich aufsichtsrechtlich überwacht wird. (41) Für die WRR deutet sich eine Abkehr von der Antwort der Finalitätsund Finanzsicherheitenrichtlinie auf die Schlüsselfrage des PRIMAKriteriums an: Bei einer Transaktion unter Umbuchungen auf mehreren Konten könnte demnach nicht mehr nur ein einziger Intermediär für den gesamten Vorgang relevant sein, sondern für jede Stufe gesondert der jeweilige Intermediär. Ob der Verfügende seine Position verloren hat, wäre nach der für sein Konto maßgeblichen Rechtsordnung zu beurteilen, ob der Empfänger eine Position erworben hat, dagegen nach der für dessen Konto geltenden Rechtsordnung.
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(42) Das gestufte kollisionsrechtliche Vorgehen würde einige der Probleme des bisherigen Kollisionsrechtsregimes lösen. So müssten die von der Übertragung Betroffenen nicht mehr die intransparenten Übertragungswege nachverfolgen, sondern könnten sich auf die Lokalisierung des Intermediärs der jeweiligen Stufe beschränken. Weiter hätte die Kumulation mehrerer Zielpunkte in einem gemeinsamen Buchungsvorgang keine Kumulation verschiedener Empfängerrechtsordnungen zur Folge. (43) Bestehen blieben hingegen die Schwierigkeiten mit konkurrierenden Empfängern, die grundsätzlich weiterhin einer Lösung im Wege der kollisionsrechtlichen Anpassung bedürften. Für innereuropäische Sachverhalte ist entscheidend, ob die WRR auch materiell den Übergang zu einem gestuften System mit Rechten ausschließlich gegen den eigenen Intermediär erzwingt; formal bestünde dann keine Konkurrenz der Empfänger um dieselbe Rechtsposition. (44) Eine durch das stufenweise Vorgehen ausgelöste neue Problematik wäre die Kompatibilität der Rechtsordnungen auf den verschiedenen Ebenen der Depotpyramide. Konflikte sollten dadurch gelöst werden, dass Ansprüche gegen einen Intermediär ausschließlich der Rechtsordnung seiner jeweiligen Stufe zugeordnet werden. Im Übrigen ist auch hier für den unionalen Kontext entscheidend, ob die WRR im Sachrecht den Übergang zu gestuften Rechten erzwingt.
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Sachregister Account Agreement Approach (AAA) 341 AETR-Entscheidung 311 Anonymität der Kapitalmärkte 119 f., 126, 174, 388 ff. Anpassung, kollisionsrechtliche 130 ff., 268 f., 392 ff. Arbeitsgruppe Rechtssicherheit (Legal Certainty Group – LCG) 365 Außenkomptenzen der EU 308 ff. Ausweichklausel 266 f. Bank Identifier Code (BIC) 113 Bankenunion 204 f. Basler Eigenkapitalvereinbarung von 1988 (Basel I) 4 f. Basler Eigenkapitalvereinbarung von 2004 (Basel II) 5 f. Basel III 6 Besitzmittlungsverhältnis 38 ff. Bestandsschutz 351 ff. Bucheffektengesetz 33 ff. Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) 24, 236 Bundeswertpapierverwaltungsgesetz (BWpVerwG) 24 Capital Requirements Directive (CRD IV) 194 Capital Requirements Regulation (CRR) 195 Center of Main Interest (COMI) 117, 179 Central Counterparty (CCP) siehe Zentraler Kontrahent Central Securities Depository (CSD) siehe Zentralverwahrer Clearing 12 Clearstream 14 CREST 89 f., 185, 235
Depository Trust Company (DTC) 30 Depotvertrag 15 f. Drittverwahrung 15 ff. Effekten, Begriff 10 f. Effektengiroverkehr 10 ff. Effektenkommission 40 ff. Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM) 204 Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) 204 Einzelschuldbuchforderung 25 f. Entmaterialisierung 22 ff. Eurex Clearing AG 43 f. Euroclear 14 Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA) 203 Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) 203 Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) 177 ff. Europäisches Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervisors – ESFS) 78, 203 Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) European Market Infrastructure Regulation (EMIR) 78 Finalität, Begriff 81 Finalitätsrichtlinie 76 ff. Finanzsicherheit, Begriff 138 ff. Finanzsicherheitenrichtlinie 137 ff.
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Sachregister
Funktionaler Ansatz 367
Netting 12
Giovannini-Sachverständigengruppe 8, 364 Girosammel-Depotgutschrift (GSGutschrift) 36, 241 Gemischtes Übereinkommen 310 Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ) 7, 366, 371 Globalurkunde 19 Gutgläubiger Erwerb 45 f., 191 Gutschrift in Wertpapierrechnung (WRGutschrift) 48 f., 154, 244
Outsourcing 11 ff.
Haager Konferenz für Internationales Privatrecht 305 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) 321 Haager Wertpapierübereinkommen (HWpÜ) 6, 304 ff. –, Kontroverse in Europa 321 ff. Heterogenes Depot 72 Herkunftslandprinzip, aufsichtsrechtliches 200, 273, 395 Immobilisierung 15 ff. Insolvenzordnung (InsO) 291 ff. International Bank Account Number (IBAN) 113 Intransparenz der Übertragungswege siehe Anonymität der Kapitalmärkte Indirect Holding System 29 ff. Inhabersammelzertifikat 55 Internationaler Zentralverwahrer 14 Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz 192, 294 Kompatible Ebenen 390 ff. Konkurrierende Empfänger 129, 389 Kumulierte Empfänger 128, 389 Lehman Brothers Holdings Inc. 4 Lex cartae sitae 66 f., 86, 264 Lex libri siti 68 Lex rei sitae 66 Lokalisierung 166 ff. Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) 87, 142, 150, 184, 209, 232, 374
Place of the Relevant InterMediary Approach (PRIMA) 75, 118 ff., 154 ff., 198 f., 204 Positivliste 156 f., 330 ff., 380 f. Qualifikation 56 Reality Test 348 Rechtebündelzuweisung 368 Rechtsbegründende Wirkung 90 ff., 121, 236 Rechtswahl 339 ff., 398 Reichsschuldbuchgesetz 23 REIT-Aktiengesellschaft 20 Res in transitu 277 f. Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungssowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen siehe Finalitätsrichtlinie Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen 178 ff. Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten 178 ff. Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten siehe Finanzsicherheitenrichtlinie Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente siehe MiFID Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) siehe Solvabilität II-Richtlinie Richtlinienkonforme Auslegung 246 ff. Rom I-Verordnung 62 ff., 96 ff., 152, 245, 252, 313, 362, 378 f. Sachnormverweisung 135, 175, 207, 218, 287 Sammelschuldbuchforderung 24 ff., 236 Sammelurkunde 18 Sammelverbriefung 18 f., 40 Sammelverwahrung 17 f., 37 f.
Sachregister Sanierungsmaßnahmen 293 f. Settlement 12 f. Security Entitlement 31 ff. Solvabilität II-Richtlinie 178 ff. Sperrvermerk 120 Streifbandgutschrift (STR-Gutschrift) 241 Stufenweise Anknüpfung 355 ff., 385 f. System 79, 105 f. Systemrisiko 76 TARGET2-Securities (T2S) 112 Treuhandgiroverkehr 53 f. Uniform Commercial Code (UCC) 29 ff., 341 Überschießende Umsetzung 229 ff. Verkehrsinteressen 345 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) siehe Rom IVerordnung
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Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren siehe Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) Verordnung über Zentralverwahrer (Central Securities Depository Regulation – CSDR) 394 ff. Wertpapierliefersystem 13 Wertpapierpensionsgeschäft 148 Wertpapierrechtsrichtlinie (WRR) 364 ff. Wertpapierrechtsstatut 57 ff., 257 Wertpapiersachstatut 57 ff., 257 Wertpapiersammelbank 17, 72 f. Zentraler Kontrahent 12, 43 ff. Zentralverwahrer 13, 394 ff. Zirkularität 122 ff., 172, 279 ff.