Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht: Grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung im Spannungsfeld von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht 9783161579042, 3161473787

In einer international verflochtenen Wirtschaft reichen auch die arbeitsrechtlichen Beziehungen über die Grenzen hinweg.

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German Pages 572 [575] Year 2020

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung Gegenstand und Aufgabe der Untersuchung
A. Untersuchungsgegenstand
I. Betriebliche Altersversorgung
1. Betriebliche Altersversorgung als zweite Säule im System der Alterssicherung
2. Systeme betrieblicher Altersversorgung in Europa
II. Europäisches Betriebsrentenrecht
III. Internationales Betriebsrentenrecht
B. Aufgabenstellung
C. Gang der Untersuchung
Erster Teil Europäisches Betriebsrentenrecht: Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit
§ 1 Rechtsetzungszuständigkeit und Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen der betrieblichen Altersversorgung
A. Kompetenzordnung der Europäischen Gemeinschaft
I. Das Prinzip der Einzelermächtigung
II. Art. 308 EG als Ergänzungszuständigkeitsnorm
III. Ungeschriebene Kompetenzerweiterungen
IV. Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
V. Formen und Verfahren gemeinschaftlicher Rechtsetzung
1. Form der Rechtsetzung und Regelungsmechanismus
2. Verfahren
a) Rechtsetzungsverfahren nach dem EG-Vertrag
b) Insbesondere: Rechtsetzungsverfahren nach Art. 137 EG (früher Protokoll Nr. 14 und Abkommen über die Sozialpolitik)
VI. Wahrung der Kompetenzordnung
1. EuGH
2. BVerfG
B. Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in Europa
I. Die allgemeinen Zielvorgaben des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes
II. Einzelne Kompetenznormen
1. Binnenmarkt Art. 95 EG
2. Gemeinsamer Markt Art. 94 EG
a) Rechtsetzungsvorhaben die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend: Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen gestützt auf Art. 94 EG?
b) Rechtsetzung die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend
aa) 77/187/EWG Betriebsübergang; RL 98/50/EG Änderungsrichtlinie
bb) RL 80/987/EWG Insolvenzschutz
cc) RL 75/117/EWG zur Lohngleichheit und RL 86/378/EWG, RL 96/97/EG zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit
dd) Fazit
c) Rechtsetzungsvorhaben die wirtschaftliche Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend: Schaffung eines „Europäischen Pensionsfonds“?
C. Betriebliche Altersversorgung als Gegenstand europäischer Sozialpolitik
I. Sozialpolitische Normen ohne Kompetenzcharakter
II. Kompetenznorm des Art. 137 EG (früher Art. 118a EGV, Art. 2 des Abkommens über die Sozialpolitik)
1. Rechtsetzungsbefugnisse aus Art. 137 EG
a) Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer
b) Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt, Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, sozialer Schutz der Arbeitnehmer, Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages, Mitbestimmung
2. Grenzen des Art. 137 Abs. 6 EG
D. Verwirklichung von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in Europa
I. Verwirklichung der Freizügigkeit
1. Rechtsetzungsvorhaben Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen nach Art. 40 EG
2. Richtlinien und Verordnungen zur Gewährleistung der Freizügigkeit
a) VO (EWG) 1612/68 Freizügigkeits-Verordnung
b) VO (EWG) Nr. 1251/70 Verbleibe-Verordnung
c) RL 90/365/EWG Pensionisten-Aufenthalts-Richtlinie
3. Maßnahmen nach Art. 42 EG
a) Art. 42 EG als Kompetenznorm für Maßnahmen auf dem „Gebiet der sozialen Sicherheit“
b) VO (EWG) 1408/71 Systeme der sozialen Sicherheit
c) RL 98/49/EG Wahrung ergänzender Rentenansprüche
aa) Chronologie der Vorarbeiten
bb) Regelungsgehalt der Richtlinie 98/49/EG
cc) Rechtsetzungskompetenz aus Art. 42, 308 EG (Art. 51, 235 EGV)
4. Grünbuch
II. Exkurs zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit
III. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit
1. Rechtsetzungskompetenz aus Art. 47 Abs. 2, 55 EG
2. Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen 96/71/EG
3. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt für Lebensversicherungen
a) Die drei Lebensversicherungsrichtlinien
aa) Auswirkungen auf die Direktversicherung i.S. von § 1 Abs. 2 BetrAVG
bb) Auswirkungen auf die Pensionskasse i.S. von § 1 Abs. 3 BetrAVG
cc) Auswirkungen auf die Unterstützungskasse i.S. von § 1 Abs. 4 BetrAVG
b) Vorschlag einer Richtlinie zur Zwangsliquidation von Versicherungsunternehmen
4. (Gescheiterter) Vorschlag einer Richtlinie über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für Einrichtungen der Altersversorgung (sog. Pensionsfonds-Richtlinie)
a) Anwendungsbereich: betroffene Durchführungswege
b) Wesentlicher Regelungsgegenstand: Vermögensverwaltung und Vermögensanlage
c) Chronologie des Scheiterns
d) Grünbuch
E. Zusammenfassung
§ 2 Funktionsweise und Gewährleistungsinhalt von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit
A. Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit als Funktionsbedingungen des Gemeinsamen Marktes im Bereich betrieblicher Altersversorgung
I. Freizügigkeit im Gemeinsamen Markt
1. Subjektive und objektive Seite der Freizügigkeit
2. Arbeitnehmermobilität kein absolutes Ziel
3. Tatsächliche Situation
II. Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt
1. Subjektive Konzeption: Dienstleistungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheit
2. Objektive Konzeption: Dienstleistungsfreiheit als Pendant zur Warenverkehrsfreiheit
III. Spannungsverhältnis von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit
B. Transnationaler Charakter der Grundfreiheiten
I. Grenzüberschreitung
II. Zulässigkeit umgekehrter Diskriminierung
1. Europarecht
2. Nationales Verfassungsrecht
C. Gewährleistungsinhalt und Schranken von Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit
I. Diskriminierungsverbot
1. Unmittelbare Diskriminierung
a) Freizügigkeit
b) Dienstleistungsfreiheit
2. Mittelbare Diskriminierung
II. Beschränkungsverbot
1. Dienstleistungsfreiheit
a) Absolutes Beschränkungsverbot
b) Relatives Beschränkungsverbot
2. Freizügigkeit
a) Übertragbarkeit der Beschränkungsdogmatik der Dienstleistungsfreiheit auf die Freizügigkeit
b) Rechtsprechung des EuGH
c) Verständnis der Kommission
III. Ausnahmen und Schranken
1. Diskriminierungsverbot
a) Dienstleistungsfreiheit
b) Freizügigkeit
2. Beschränkungsverbote
a) Dienstleistungsfreiheit
aa) Rechtfertigende Gründe des Allgemeininteresses
bb) Auswirkungen der Keck/Mithouard-Rechtsprechung des EuGH
cc) Arbeitsrechtlicher Ortsstandard und Beschränkungsverbot
b) Freizügigkeit
IV. Ergebnis
D. Anwendbarkeit und Adressaten der Grundfreiheiten
I. Unmittelbare Anwendbarkeit
II. Adressaten der Grundfreiheiten
1. Staatliche Rechtsetzung und Maßnahmen
2. Horizontale Drittwirkung im Verhältnis zu Privatpersonen
a) Nichtstaatliche kollektive Rechtsetzung
b) Individualverträge
aa) Beschränkungsverbot
bb) Diskriminierungsverbot
E. Zusammenfassung
§ 3 Freizügigkeit und betriebliche Altersversorgung
A. Schutzbereich der Freizügigkeit
I. Persönlicher Anwendungsbereich
1. Aktive Arbeitnehmer
2. Betriebsrentner
3. Familienangehörige
4. Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats
II. Sachlicher Anwendungsbereich
1. Betriebsrentenzusagen als sonstige Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 39 Abs. 1 und 2 EG
2. Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates
a) Erstmalige Arbeitsaufnahme und grenzüberschreitender Arbeitgeberwechsel
b) Arbeitnehmerentsendung
aa) Fallgruppen
bb) Ergebnis
III. Mobilität „hin zum“ und „weg vom“ deutschen Arbeitgeber
IV. Weiterer Gang der Untersuchung
B. Fortführung der Altersversorgung beim Arbeitgeber im Entsendestaat in Fällen einer vorübergehenden grenzüberschreitenden Entsendung
I. Interesse des entsandten Arbeitnehmers an der Fortführung der betrieblichen Altersversorgung beim entsendenden Arbeitgeber
II. Beschränkungen durch das deutsche Recht als Recht des Entsendestaates
1. Fortführung der Betriebsrentenbeziehung in Deutschland
2. Art. 6 Abs. 1 RL 98/49/EG
III. Beschränkungen durch das deutsche Recht als Recht des Aufnahmemitgliedstaats
1. Zwangszusatzversorgung im Inland
a) Kein zweites Arbeitsverhältnis am Arbeitsort: „bloße Delegation“
b) Aktives Arbeitsverhältnis am Arbeitsort: „Entsendung“
2. Art. 6 Abs. 2 RL 98/49/EG
C. Sicherung der betrieblichen Altersversorgung bei einem grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel ins Ausland
I. Unverfallbarkeitsfristen und Wartezeiten als Beschränkungen der Freizügigkeit
1. Unverfallbarkeitsfristen
a) Relatives Beschränkungsverbot
b) Absolutes Beschränkungsverbot
c) Untauglichkeit des Koordinierungsmodells der VO (EWG) 1408/71
d) Ergebnis
2. Wartezeiten
II. Mechanismen des Betriebsrentenschutzes beim grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel
1. Aufrechterhaltung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften beim Altersversorgungssystem des bisherigen Arbeitgebers
a) §§ 1, 2 BetrAVG
b) Art. 4 RL 98/49/EG
2. Grenzüberschreitende Übernahme von Versorgungsverbindlichkeiten (§ 4 BetrAVG)
a) Kollisionsrechtliche Vorfragen
b) Übertragung ins Ausland: Relative Beschränkung der Freizügigkeit weg vom deutschen Arbeitgeber?
c) Kein Wahlrecht zwischen Aufrechterhaltung und grenzüberschreitender Übertragung
d) Übertragung ins Inland: Mobilität hin zum deutschen Arbeitgeber
3. Kapitalabfindung (§ 3 BetrAVG)
D. Freizügigkeitsprobleme beim Aufenthalt bzw. Verbleib des Betriebsrentners im EU-Ausland
I. Transfer von Leistungen – Art. 5 RL 98/49/EG
II. Besteuerung der Betriebsrente
III. Die Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG
1. Rechtslage bis zum 31.12.1998
a) Meinungsspektrum zum Teuerungsausgleich bei Aufenthalt des Betriebsrentners im Ausland
b) Maßgeblichkeit des durch die Vertragswährung bestimmten Binnenwertrisikos
2. Rechtslage ab dem 01.01.1999 (RRG 1999)
E. Koordinierung von Betriebsrenten mit Sozialrenten sowie sonstigen Bezügen unter dem Freizügigkeitsgebot
I. Abstimmung der betrieblichen Altersversorgung mit dem Sozialversicherungsschutz bei Alter und Invalidität
II. Berücksichtigung ausländischer Bezüge im Rahmen von Gesamtversorgungssystemen nach § 5 BetrAVG
1. Anrechnung ausländischer Bezüge nach § 5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG
a) Anrechnung ausländischer gesetzlicher Renten (§ 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. BetrAVG)
aa) Rechtsprechung des BAG
bb) Kritik des Kriterienkatalogs des BAG
cc) Ergebnis
b) Anrechnung sonstiger ausländischer Versorgungsbezüge (§ 5 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BetrAVG)
c) Koordinierungsproblem beim Aufeinandertreffen von Anrechnungsklauseln
d) Änderung und Widerruf von Versorgungszusagen bei Überversorgung wegen ausländischer Bezüge
2. Allgemeines Auszehrungsverbot für laufende Leistungen nach § 5 Abs. 1 BetrAVG
III. Vorzeitige Betriebsrente bei vorzeitigem Bezug einer ausländischen Altersrente nach § 6 BetrAVG
1. Keine Anwendung des § 6 BetrAVG bei vorzeitigem Bezug einer ausländischen Altersrente nach h.M.
2. Relative Beschränkung der Freizügigkeit
3. Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses
a) Rechtssicherheit
b) Gleichbehandlung
c) Ergebnis
F. Zusammenfassung
§ 4 Dienstleistungsfreiheit und betriebliche Altersversorgung
A. Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit
I. Persönlicher Anwendungsbereich
1. Erwerbszweck des Trägers der Dienstleistungsfreiheit
2. Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates
II. Sachlicher Anwendungsbereich
1. Begriff der Dienstleistung
2. Verhältnis der Dienstleistungsfreiheit zur Freiheit des Zahlungs- und des Kapitalverkehrs
III. Zum Zusammenhang von Arbeitskollisionsrecht und Dienstleistungsfreiheit
IV. Weiterer Gang der Untersuchung
B. Grenzüberschreitende Dienstleistungen bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in einem der Durchführungswege des BetrAVG
I. Dienstleistung im Verhältnis Versorgungsträger – Arbeitgeber
1. Erwerbszweck des Trägers der Dienstleistungsfreiheit und Entgeltlichkeit der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG
a) Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen
b) Mittelbare Versorgung durch Pensionskassen
c) Mittelbare Versorgung durch Unterstützungskassen
2. Grenzüberschreitung der Dienstleistung
a) Arbeitgeber mit Sitz im Ausland
aa) Direktversicherung
bb) Pensionskasse
cc) Unterstützungskasse
b) Versorgungsträger mit Sitz im Ausland
aa) Direktversicherung
bb) Pensionskasse
cc) Unterstützungskasse
c) Grenzüberschreitendes Element: Arbeitsort des Arbeitnehmers
aa) Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Ausland
bb) Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Inland
II. Keine Dienstleistung im Verhältnis zusagender Arbeitgeber – begünstigter Arbeitnehmer
III. Keine Dienstleistung „betriebliche Altersversorgung“ im Verhältnis Versorgungsträger – Arbeitnehmer
IV. Dienstleistung bei Fortführung einer Versorgungszusage durch einen Dritten, der nicht Arbeitgeber der begünstigten Arbeitnehmer ist
C. Grenzüberschreitende Dienstleistungen betrieblicher Altersversorgung außerhalb der Durchführungswege des BetrAVG
I. Numerus clausus der Versorgungsträger des BetrAVG als personenbezogenes Dienstleistungshindernis
1. Numerus clausus der Durchführungswege
2. Vereinbarkeit des Numerus clausus der Versorgungsträger mit der Dienstleistungsfreiheit
a) Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer atypischer Versorgungsträger
b) Rechtfertigung der Beschränkung
c) Ergebnis
II. Produktbezogene Dienstleistungshindernisse
1. Betriebliche Altersversorgung als rechtlich verfaßtes Produkt
2. Beitragszusagen im deutschen Recht
a) Unanwendbarkeit des BetrAVG
b) Volle Dienstleistungsfreiheit mangels Regelung?
c) Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wegen fehlender rechtlicher Regelung?
III. Folgerungen für die deutsche Pensionsfonds-Debatte
1. Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung durch ein Pensionsfonds-Modell
2. Anforderungen der Dienstleistungsfreiheit
D. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung ausländischer Anbieter von Dienstleistungen der Zusatzaltersversorgung
I. Zum Spannungsverhältnis zwischen Dienstleistungsfreiheit und Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG
1. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG: Sozialeinrichtungen
a) Begriff der Sozialeinrichtung
b) Ein- und zweistufige Lösung
2. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG: betriebliche Lohngestaltung
II. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung einer ausländischen Sozialeinrichtung als Versorgungsträger
1. Beispiel für die Schwierigkeiten einer Mitbestimmung in einer ausländischen Sozialeinrichtung
2. Beschneidung des Mitbestimmungsrechts über den Gesetzesvorrang nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch für ausländisches Recht?
3. Lösung des internationalen Normwiderspruchs (Anpassungs- oder Angleichungsproblem)
4. Ergebnis
5. Folgerungen für die grenzüberschreitende Mitgliedschaft in Einrichtungen zur Altersversorgung
III. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung ins Ausland (outsourcing)
1. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Verwaltung inländischer Pensionsfonds durch ausländische Versicherungsunternehmen
a) Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Pensionsfondsverwaltung durch Versicherungsunternehmen
b) Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung auf Lebensversicherer im Ausland
2. Mitbestimmung des Betriebsrats und outsourcing nach der gescheiterten Pensionsfonds-Richtlinie
E. Zusammenfassung
§ 5 Dienstleistungsmonopole im Bereich betrieblicher Altersversorgung
A. Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen unter dem EG-Vertrag
I. Dienstleistungsfreiheit
II. Wettbewerbsrecht
1. Unternehmen
2. Staat
a) Akzessorischer Wettbewerbsverstoß des Staates nach Art. 86 Abs. 1 i.V.m. Art. 81, 82 EG
b) Wettbewerbsverstoß des Staates selbst nach Art. 86 Abs. 1 EG
3. Rechtsprechung des EuGH zur Zwangsmitgliedschaft in niederländischen Betriebsrentenfonds
B. Dienstleistungsmonopol Gemeinsamer Einrichtungen auf der Grundlage allgemeinverbindlicher Altersversorgungstarifverträge
I. Dienstleistungsfreiheit
1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager
a) Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnorm als Rechtsetzungsakt
b) Beschränkende Wirkung
2. Rechtfertigung der Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses
a) Öffentliches Interesse i.S. des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG und rechtfertigendes Allgemeininteresse i.S. der EuGH-Rechtsprechung
aa) Öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung
bb) Zwingendes Allgemeininteresse zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
b) Ergebnis
II. Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit
1. Unternehmen
2. Staat
C. Vereinbarkeit der obligatorischen Zusatzaltersversorgung in Frankreich mit dem Wettbewerbsrecht
D. Dienstleistungsmonopol des PSVaG für die Insolvenzsicherung betrieblicher Altersversorgung
I. Dienstleistungsfreiheit
1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager
a) Monopolstellung des PSVaG
b) Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit
aa) Versicherungstätigkeit des PSVaG als entgeltliche Dienstleistung
bb) Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 45 EG) im Beitragsbereich
2. Rechtfertigung der Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses
a) Allgemeininteresse
b) Verhältnismäßigkeit
c) Ergebnis
3. Gerechtfertigte Beschränkung der negativen Dienstleistungsfreiheit ausländischer Nachfrager
4. Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung über den PSVaG
II. Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit
1. Unternehmen
a) PSVaG als Unternehmen i.S. des Wettbewerbsrechts
b) Zwangsversicherung inländischer Arbeitgeber
c) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung
2. Staat
a) Zwangsversicherung inländischer Arbeitgeber
b) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung
E. Zusammenfassung
Zweiter Teil Internationales Betriebsrentenrecht: Kollisionsrecht der betrieblichen Altersversorgung und Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts auf Auslandssachverhalte
§ 6 Kollisionsrechtliche Behandlung der Arbeitgeber – Arbeitnehmer – Beziehung bei individualrechtlichen Versorgungszusagen
A. Statut der individualrechtlichen Versorgungszusage
I. Unmittelbare und mittelbare Versorgungszusagen
II. Individual- und kollektivrechtliche Versorgungszusagen
B. Objektive Anknüpfung
I. Auslandsberührung
II. Bestimmung der einschlägigen Kollisionsorm
1. Anknüpfung nach Art. 30 EGBGB (Arbeitsvertragsstatut)
2. Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB bei Versorgungszusagen an Nicht-Arbeitnehmer und durch Nicht-Arbeitgeber
a) Betriebsrentenzusage an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind
b) Betriebsrentenzusage durch Unternehmen, die nicht Arbeitgeber sind
aa) Drittzusage im Konzern
bb) Aufrechterhaltung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung bei „endgültiger Versetzung“ zu einem konzernangehörigen Unternehmen
cc) Drittzusage außerhalb eines Konzerns
3. Akzessorische Anknüpfung an das Sozialversicherungsstatut
a) Auseinanderfallen von Sozialversicherungs- und Betriebsrentenstatut
b) Akzessorische Anknüpfung der betrieblichen Altersversorgung
III. Anwendung des Art. 30 Abs. 2 EGBGB
1. Gewöhnlicher Arbeitsort Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB
2. Vorübergehende Entsendung in einen anderen Staat i.S. von Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB
a) „Bloße Delegation“
b) „Entsendung mit vorgesehener Rückkehr“ und Ruhensvereinbarung
aa) Wechsel der einschlägigen Kollisionsnorm?
bb) Vorübergehender Charakter der Entsendung
c) Art. 6 Abs. 1 RL 98/49/EG
3. Einstellende Niederlassung i.S. von Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB
4. Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 letzter Halbsatz EGBGB
C. Rechtswahl (subjektive Anknüpfung)
I. Grundsatz Rechtswahlfreiheit
II. Rechtswahl für das Arbeitsverhältnis insgesamt
1. Rechtswahlschranke aus Art. 27 Abs. 3 EGBGB
a) Verknüpfung des Sachverhalts mit dem Recht nur eines Staates
b) Zwingende Bestimmungen i.S. des Art. 27 Abs. 3 EGBGB
2. Rechtswahlschranke aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB (Günstigkeitsvergleich)
a) Arbeitnehmerschutzvorschrift
b) Arbeitnehmerschutzvorschriften im BetrAVG
c) Vergleichsgegenstand
d) Vergleichsmaßstab und Vergleichszeitpunkt
aa) Objektiver Ansatz
bb) Subjektiver Ansatz
cc) Zeitpunkt des Günstigkeitsvergleichs
dd) Lösung: Objektiver Maßstab mit subjektiver Korrekturmöglichkeit
e) Ergebnis
III. Teilrechtswahl
1. Spaltung von Arbeitsvertragsstatut und Betriebsrentenstatut durch Teilrechtswahl
2. Keine Teilrechtswahl für einzelne Aspekte des Betriebsrentenver-hältnisses
3. Materiell-rechtliche Wirkung einer unzulässigen Teilrechtswahl
4. Begründung eines Betriebsrentenanspruchs nach ausländischem Recht im Wege betrieblicher Übung oder über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei Teilrechtswahl
D. Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen
I. Mechanismus der Sonderanknüpfung international zwingender Normen des deutschen Rechts
1. Reichweite des Betriebsrentenstatuts
2. Sonderanknüpfung inländischer Eingriffsnormen
a) Internrechtlich zwingende Norm
b) Ordnungspolitische Interessen
c) Inlandsbezug des Sachverhalts
3. Verhältnis von Art. 34 EGBGB zu Art. 30 Abs. 1 EGBGB
4. Europarechtliche Zulässigkeit
II. Inländische betriebsrentenrechtliche Eingriffsnormen i.S. des Art. 34 EGBGB
1. Sonderanknüpfung des BetrAVG als ganzem?
2. Sonderanknüpfung der Insolvenzsicherung
a) Internrechtlich zwingender Charakter
b) Ordnungspolitisches Interesse
c) Inlandsbezug des Sachverhalts
d) Konsquenzen aus der Sonderanknüpfung der Insolvenz-schutzbestimmungen für die Rechtswahl im internationalen Betriebsrentenrecht
aa) Abwahl deutschen Betriebsrentenrechts
bb) Wahl deutschen Betriebsrentenrechts
3. Keine Sonderanknüpfung der Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG
III. Ausländische betriebsrentenrechtliche Eingriffsnormen
E. Zusammenfassung
§ 7 Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zum eingeschalteten Versorgungsträger bei individualrechtlichen mittelbaren Versorgungszusagen
A. Dreiecksbeziehung Arbeitgeber – Arbeitnehmer – Versorgungsträger bei mittelbaren Versorgungszusagen
I. Arbeitskollisionsrechtliche Beurteilung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung
II. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zum eingeschalteten Versorgungsträger
B. Betriebsrentenstatut deutsches Recht
I. Direktversicherung
1. Direktversicherung im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrAVG
2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zum Versicherer
a) Unterschiedliches Kollisionsrecht je nach Risikobelegenheit innerhalb oder außerhalb des EWR
b) Risikobelegenheit im EWR
aa) Objektive Anknüpfung
bb) Rechtswahl
cc) Sonderanknüpfung in- und ausländischer Eingriffsnormen
c) Risikobelegenheit außerhalb des EWR
d) Zum Zusammenspiel von deutschem Betriebsrentenrecht und ausländischem Versicherungsvertragsrecht
II. Pensionskasse
1. Pensionskasse im Sinne von § 1 Abs. 3 BetrAVG
2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zur Pensionskasse
a) Mitgliedschaftsverhältnis
b) Versicherungsverhältnis bei Risikobelegenheit im EWR
aa) Objektive Anknüpfung
bb) Rechtswahl
c) Versicherungsverhältnis bei Risikobelegenheit außerhalb des EWR
III. Unterstützungskasse
1. Unterstützungskasse im Sinne von § 1 Abs. 4 BetrAVG
2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zur Unterstützungskasse
a) Mitgliedschafts- oder Gesellschaftsverhältnis
b) Anspruchsbeziehung des Arbeitnehmers zur Unterstützungskasse
c) Auftrags- oder sonstige Rechtsbeziehung des Arbeitgebers zur Unterstützungskasse
d) Rückversicherung
C. Aufrechterhaltung von Anwartschaften und Fortführung der betrieblichen Altersversorgung bei Arbeitgeberwechsel bzw. Entsendung – Anforderungen der Richtlinie 98/49/EG
I. Direktversicherung
II. Pensionskasse
III. Unterstützungskasse
D. Betriebsrentenstatut ausländisches Recht
E. Zusammenfassung
§ 8 Insolvenzsicherung der Betriebsrente in Fällen mit Auslandsberührung
A. Insolvenzschutz der Betriebsrente in Europa
B. Insolvenzsicherung von Versorgungsansprüchen und unverfallbaren Anwartschaften im deutschen Recht
I. Allgemeines Insolvenzrecht und Versicherungsaufsicht
1. Direktzusage und Unterstützungskassenzusage
2. Direktversicherung und Pensionskasse
II. Insolvenzsicherung nach den §§ 7–15 BetrAVG
1. Direktzusage
2. „Gefährdete“ Direktversicherung
3. Unterstützungskasse
4. Nicht sicherungspflichtige Durchführungswege
C. Sonderanknüpfung der §§ 7 – 15 BetrAVG nach Art. 34 EGBGB bei den insolvenzgeschützten Durchführungswegen
I. Kriterien der Sonderanknüpfung der §§ 7–15 BetrAVG – Die Position des PSVaG als Ausgangspunkt
II. Eingreifen der §§ 7–15 BetrAVG in problematischen Fällen
1. Zusage durch Arbeitgeber im Inland
a) Bloße Delegation und vorübergehende Entsendung ins Ausland mit Ruhensvereinbarung im Inland
b) Aufrechterhaltung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung im Inland bei „endgültiger Versetzung“ zu konzernangehörigen Unternehmen ins Ausland (Arbeitgeberwechsel)
c) Begründung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung im Inland
aa) Im grenzüberschreitenden Konzern
bb) Außerhalb von Konzernverbindungen
d) Zusage an eigene Arbeitnehmer ausländischer Betriebe
aa) Keine Koppelung an das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB bestimmte Betriebsrentenstatut
bb) Freizügigkeit
cc) Dienstleistungsfreiheit
2. Zusage durch Arbeitgeber im Ausland
a) Für Arbeitnehmer im Ausland
b) Für Arbeitnehmer inländischer Betriebsstätten und Niederlassungen
III. Einstandspflicht des PSVaG
1. Versorgungszusage durch Arbeitgeber im Inland
2. Versorgungszusage durch Arbeitgeber im Ausland für Arbeitnehmer einer inländischen Niederlassung
a) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Inland
b) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland
aa) Position des BAG
bb) Inlandswirkung der Auslandsinsolvenz
c) Sicherungsfall der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit
IV. Folgerungen
1. Beitragspflicht nach § 10 BetrAVG
2. Sicherung des PSVaG nach § 9 BetrAVG
a) Forderungsübergang nach § 9 Abs. 2 BetrAVG
b) Vermögensübergang nach § 9 Abs. 3 BetrAVG
D. Insolvenzschutz in Sachverhalten mit Auslandsberührung bei nicht sicherungspflichtigen Durchführungswegen
I. Keine Sonderanknüpfung deutschen Betriebsrentenrechts außerhalb der §§ 7–15 BetrAVG
II. Rückbezug zur Dienstleistungsfreiheit
III. Insolvenzsicherheit der Betriebsrente als Kriterium im arbeitskollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich
1. Kein arbeitnehmerschützender Charakter von Insolvenzsicherungsmechanismen
2. Konstruktiver Weg zur Einbringung des Insolvenzschutzes in den kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich
IV. Rechtswahlmöglichkeiten
1. Abwahl deutschen Betriebsrentenrechts
2. Wahl deutschen Betriebsrentenrechts
a) Versorgungszusage durch den Arbeitgeber
b) Versorgungszusage durch einen konzernangehörigen Dritten
E. Zusammenfassung
§ 9 Sachrechtliche Fragen der Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts bei internationaler Konzernverbindung des Arbeitgebers
A. Anrechnung ausländischer Betriebszugehörigkeitszeiten
I. Betriebszugehörigkeit
II. Nachdienstzeiten
III. Vordienstzeiten
1. Rechtsprechung zur Anrechnung von Vordienstzeiten bei konzerninterner Arbeitnehmermobilität
2. Anrechnung ausländischer Vor- und Nachdienstzeiten durch konzernangehörige Arbeitgeber mit Sitz im Inland
a) Nicht insolvenzgeschützte Durchführungswege
b) Insolvenzgeschützte Durchführungswege
aa) Betriebszugehörigkeitszeiten im Ausland begleitet von Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht
bb) Betriebszugehörigkeitszeiten im Ausland begleitet von Betriebsrentenzusage nach ausländischem Recht
3. Anrechnung von Vordienstzeiten durch konzernangehörige Arbeitgeber mit Sitz im Ausland auf eine Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht
B. Grenzüberschreitende Übernahme von Versorgungsverpflichtungen
I. Übertragung deutscher Betriebsrentenverbindlichkeiten vom Inland ins Ausland
1. Anwendbares Recht
2. Rechtsprechung des BAG zur Übernahme von Verpflichtungen aus Versorgungsanwartschaften und laufender Betriebsrentenverbindlichkeiten
3. Übertragung auf ausländischen Nachfolgearbeitgeber
a) Ausländischer Folgearbeitgeber mit Niederlassung oder Betriebsstätte im Inland
b) Ausländischer Folgearbeitgeber ohne Niederlassung oder Betriebsstätte im Inland
4. Übertragung auf ausländische Versicherer und Pensionskassen
5. Übertragung auf ausländische Unterstützungskassen
6. Übertragung auf sonstige ausländische Dritte mit Zustimmung des PSVaG
II. Freizügigkeit
1. Absolutes Beschränkungsverbot
2. Relatives Beschränkungsverbot
III. Übertragung ausländischer Betriebsrentenverbindlichkeit vom Ausland ins Inland auf deutschen Folgearbeitgeber
1. Unanwendbarkeit des Übertragungsverbot aus § 4 BetrAVG
2. Anrechnung ausländischer Vordienstzeiten für Folgezusagen im Inland zu Lasten des PSVaG
C. Betriebsrentenanpassung und Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage bei internationaler Konzernverbindung des Arbeitgebers
I. Anpassung laufender Versorgungsverpflichtungen nach § 16 BetrAVG im Konzern
1. „Berechnungsdurchgriff“
2. Anpassung bei internationaler Konzernverbindung
a) Konzernstatut deutsches Recht
b) Konzernstatut ausländisches Recht
II. Widerruf von Versorgungszusagen wegen wirtschaftlicher Notlage im Konzern
1. „Beurteilungsdurchgriff“
2. Widerruf bei internationaler Konzernverbindung
D. Zusammenfassung
§ 10 Kollisionsrechtliche Behandlung kollektivvertraglicher Versorgungszusagen
A. Problemaufriß
I. Kollektivvertragliche Altersversorgungssysteme im Spannungsverhältnis von Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit
1. Dienstleistungsfreiheit
2. Freizügigkeit
II. Kollektivvertragliche Versorgungszusagen in Europa
1. Deutschland
a) Betriebsvereinbarung
b) Tarifvertrag
2. Beispiele aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
III. Kollisionsrechtliche Fragestellung
B. Statut eines Kollektivvertrags
I. Bestimmung des Statuts der Betriebsvereinbarung
1. Objektive Anknüpfung
a) Betriebssitz
b) Betriebsverfassungs- und Betriebsvereinbarungsstatut
2. Rechtswahl
II. Bestimmung des Statuts des Tarifvertrages
1. Objektive Anknüpfung
2. Rechtswahl
C. Verhältnis von Kollektivvertragsstatut und Arbeitsverhältnis- und Betriebsrentenstatut
I. Versorgungszusage in Betriebsvereinbarung
1. Deutsche Betriebsvereinbarung
a) Reichweite der normativen Wirkung einer deutschen Betriebsvereinbarung
b) Gleichlauf von Betriebsverfassungsstatut und Arbeitsverhältnis-/Betriebsrentenstatut
c) Auseinanderfallen von Betriebsverfassungsstatut und Arbeitsverhältnis-/Betriebsrentenstatut
aa) Art. 27 Abs. 3 EGBGB
bb) Kollisionsrechtlicher Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB
cc) Sonderanknüpfung nach Art. 34 EGBGB
dd) Schuldrechtliche Wirkung der Betriebsvereinbarung (Vertrag zugunsten Dritter)
ee) Ergebnis
2. Ausländische Betriebsvereinbarung
II. Tarifvertragliche Versorgungszusage
1. Deutscher Tarifvertrag
a) Gleichlauf von Tarifvertragsstatut und Arbeitsverhältnis-/Betriebsrentenstatut
b) Auseinanderfallen von Tarifvertragsstatut und Arbeitsverhältnis- bzw. Betriebsrentenstatut
aa) Art. 27 Abs. 3 EGBGB
bb) Kollisionsrechtlicher Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB
cc) Sonderanknüpfung nach Art. 34 EGBGB
dd) Schuldrechtliche Wirkung des Tarifvertrages (Vertrag zugunsten Dritter)
ee) Ergebnis
2. Allgemeinverbindlicher deutscher Tarifvertrag
a) Keine generelle Sonderanknüpfung allgemeinverbindlicher Tarifverträge
b) Lösungsmodell des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und der Entsende-Richtlinie
aa) Keine Auswirkungen des Entsendegesetzes
bb) Keine Auswirkungen der Entsende-Richtlinie
c) Freizügigkeit
3. Ausländischer Tarifvertrag
a) Tarifvertrag ohne Normwirkung
b) Tarifvertrag mit Normwirkung
c) Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag
D. Rechtswahl im Kollektivvertrag für das Arbeitsverhältnis/Betriebsrentenverhältnis
I. Durchsetzung gegenüber objektivem Arbeitsverhältnisstatut
II. Durchsetzung gegenüber individualvertraglicher Rechtswahl
E. Kollisionsrechtliches Ergebnis
F. Ausblick: Europäische Kollektivverträge zur Zusatzaltersversorgung
I. Betriebliche Vereinbarungen
II. Tarifverträge
G. Zusammenfassung
§ 11 Versorgungszusagen im internationalen Betriebsübergang
A. Fragestellung
B. Anknüpfung des internationalen Betriebsübergangs
I. Arbeitsvertragsstatut
II. Betriebsstatut
III. Ergebnis
C. Internationaler Übergang eines inländischen Betriebes
I. Rechtsfolgen des § 613a BGB für die Betriebsrentenzusage des Veräußerers
1. Regelarbeitsverhältnis
2. Ruhendes Arbeitsverhältnis bei „Entsendung“
3. Isoliertes Betriebsrentenverhältnis bei „Versetzung“
II. Betriebsübergang von einem inländischen Veräußerer auf einen ausländischen Erwerber
1. Versorgungszusage nach deutschem Recht
a) Individualrechtliche Zusagen
aa) Unmittelbare Versorgungszusage
bb) Direktversicherung
cc) Pensionskasse
dd) Unterstützungskasse
ee) Wechsel des Durchführungswegs und nachträgliche Rechtswahl
b) Kollektivvertragliche Versorgungszusagen
aa) Tarifvertrag
bb) Betriebsvereinbarung
2. Versorgungszusage nach ausländischem Recht
a) Individualrechtliche Versorgungszusage
b) Kollektivrechtliche Versorgungszusage
III. Betriebsübergang von einem ausländischen Veräußerer auf einen inländischen Erwerber oder ausländischen Erwerber aus einem Drittstaat
D. Internationaler Übergang eines ausländischen Betriebes
I. Beispiele für Regelungen des Betriebsübergangs im ausländischen Recht
1. Vereinigtes Königreich
2. Irland
3. Österreich
4. Schweiz
II. Rechtsfolgen des internationalen Betriebsübergangs für Betriebsrentenzusagen nach ausländischem und deutschem Recht
E. Grenzüberschreitender Betriebsübergang
I. Grenzüberschreitender Betriebsübergang und Freizügigkeit
II. Anknüpfung des grenzüberschreitenden Betriebsübergangs
1. Betriebsstatut am neuen Betriebsort
2. Statutenkumulation
3. Betriebsstatut am ursprünglichen Betriebsort
III. Grenzüberschreitender Betriebsübergang vom Inland ins Ausland
1. Individualrechtliche Versorgungszusage
a) Objektive Anknüpfung des Arbeits- und Betriebsrentenverhältnisses
b) Rechtswahl
2. Tarifvertragliche Versorgungszusage
3. Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung
4. Freizügigkeit
IV. Grenzüberschreitender Betriebsübergang vom Ausland ins Inland
F. Zusammenfassung
Schlußbetrachtung Zum Zusammenspiel von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht
A. Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht
I. Soziale Dimension
II. Wirtschaftliche Dimension
B. Die Grundfreiheiten als Maßstab und Rechtsetzungsauftrag
C. Verwirklichung der Freizügigkeit im deutschen Betriebsrentenrecht
I. Freizügigkeitshindernisse im deutschen Betriebsrentenrecht
II. Verwirklichung der Freizügigkeit durch Ausschöpfung kollisions- und sachrechtlicher Gestaltungmöglichkeiten
D. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im deutschen Betriebsrentenrecht
E. Ausblick zu den Gestaltungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene
Literaturverzeichnis
Sachregister
Recommend Papers

Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht: Grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung im Spannungsfeld von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht
 9783161579042, 3161473787

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 46

ARTI BUS

Claudia Bittner

Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht Grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung im Spannungsfeld von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht

Mohr Siebeck

Claudia Bittner: geboren 1960; 1979-84 Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt, Genf, Singapur und Freiburg; 1984-89 Wiss. Mitarbeiterin am Institut für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der Universität Freiburg; 1987 Promotion; 1989 zweites juristisches Staatsexamen; 1990 LL.M. Harvard Law School; 1990/91 Anwaltstätigkeit bei Linklaters & Paines, London; 1993-97 Lehrbeauftragte an der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden und Universität Freiburg. 1999/2000 Lehrstuhlvertretung an der Universität Freiburg.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bittner,

Bibliothek

-

CIP-Einheitsaufnahme

Claudia:

Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht: Grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung im Spannungsfeld von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht / Claudia Bittner. - 1. Aufl. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2000 978-3-16-157904-2 Unveränderte eBook-Ausgabe (Jus privatum ; 46) ISBN 3-16-147378-7

2019

© 2000 J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Unversität Freiburg i.Br. im Sommersemester 1999 als Habilitationsschrift angenommen. Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung wurden im wesentlichen bis März 2000 nachgetragen, die Zitierung des EG-Vertrages auf den Stand nach dem Inkrafftreten des Vertrages von Amsterdam gebracht. Mein ganz herzlicher Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, der mich während meiner fünfjährigen Arbeit am Institut für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der Universität Freiburg i. Br. zu einer akademischen Laufbahn ermuntert hat. Er hat mir die Stange gehalten, während ich mich vagabundierend mit Umzügen nach Cambridge, MA, London, Berlin und Hofheim a.Ts. räumlich vom Institut entfernte. Die Fertigstellung der Arbeit hat er in der Schlußphase mit gezielten Anfragen, wann denn mit dem Werk zu rechnen sei, nachhaltig beschleunigt. Bei der Auswahl des Themas wie auch bei dessen Bearbeitung hatte ich den größtmöglichen Freiraum. Herrn Prof. Dr. U w e Blaurock danke ich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens, ebenso Herrn Prof. Dr. Jürgen Schwarze für seine Stellungnahme unter dem Blickwinkel des Europarechts. Herr Prof. Dr. Alexander Hollerbach hat mich jahrelang durch Stellungnahmen gegenüber verschiedenen akademischen Institutionen unterstützt, wofür ich ihm sehr herzlich danke. Herrn Prof. Dr. Dr. Wolfgang Förster und Mitarbeitern der Firma Dr. Dr. Heissmann GmbH Unternehmensberatung für Versorgung und Vergütung in Wiesbaden danke ich für ihre Gesprächsbereitschaft und die Bereitstellung von Materialien. Herrn Prof. Dr. Heinz-Dietrich Steinmeyer verdanke ich es, daß ich Zugang zum European Network for Research on Supplementary Pensions erhielt, was mir bei der rechtsvergleichenden Arbeit zugute kam. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gewährte mir dankenswerter Weise ein zweijähriges Habiliationsstipendium und einen Druckkostenzuschuß. Meine Freundinnen Dr. Renate Philipp und Dr. Katja Langenbucher-Adolff haben sich der Mühe unterzogen, Teile des noch unfertigen Buches zu lesen und zu kommentieren. Frau Rechtsreferendarin Wiebke Robrecht und Herr Assessor Dr. Günter Spinner haben in nicht weniger mühseliger Arbeit das Manuskript bzw. die Fahnen vor der Drucklegung Korrektur gelesen. Frau Inse von Massenbach war bei der Literaturbeschaffung behilflich. Ihnen allen sage ich herzlichen Dank.

VI

Vorwort

Schließlich möchte ich mich bei Familie und Freunden bedanken, die mir in den Jahren der Habilitation den Rücken gestärkt haben, insbesondere bei meinem Ehemann, Dr. Klaus-Dieter Stephan. Frau Sonja Volk hat sich liebevoll und zuverlässig zunächst einige wenige, in der Endphase der Arbeit aber auch viele Stunden am Tag um unsere beiden Kinder gekümmert, und diese beiden, Anna und Jakob, haben mich ständig und oft lautstark daran erinnert, daß es ein Leben jenseits der Habilitation und der Betriebsrente gibt. Die Arbeit wurde mit dem Hans-Constantin-Paulssen-Preis 1999 ausgezeichnet. Hofheim, im Juni 2000

Claudia Bittner

Inhaltsübersicht Vorwort

V

Einleitung: Gegenstand und Aufgabe der Untersuchung

1

Erster Teil: Europäisches Betriebsrentenrecht: Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit §1 §2 §3 §4 §5

Rechtsetzungszuständigkeit u n d Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen der betrieblichen Altersversorgung Funktionsweise und Gewährleistungsinhalt von Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit Freizügigkeit u n d betriebliche Altersversorgung Dienstleistungsfreiheit und betriebliche Altersversorgung Dienstleistungsmonopole im Bereich betrieblicher Altersversorgung

Zweiter Teil: Internationales Betriebsrentenrecht: Kollisionsrecht der betrieblichen Altersversorgung und Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts auf Auslandssachverhalte Kollisionsrechtliche Behandlung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung bei individualrechtlichen Versorgungszusagen § 7 Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers u n d des Arbeitnehmers z u m eingeschalteten Versorgungsträger bei individualrechtlichen mittelbaren Versorgungszusagen § 8 Insolvenzsicherung der Betriebsrente in Fällen mit Auslandsberührung . . . . §9 Sachrechtliche Fragen der A n w e n d u n g deutschen Betriebsrentenrechts bei internationaler K o n z e r n v e r b i n d u n g des Arbeitgebers §10 Kollisionsrechtliche Behandlung kollektivvertraglicher Versorgungszusagen §11 Versorgungszusagen im internationalen Betriebsübergang

15 15 78 109 167 221

257

§6

257

312 335 388 414 458

Schlußbetrachtung: Zum Zusammenspiel von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht

497

Literaturverzeichnis

508

Sachregister

535

Inhaltsverzeichnis Einleitung Gegenstand und Aufgabe der Untersuchung A. Untersuchungsgegenstand I. Betriebliche Altersversorgung 1. Betriebliche Altersversorgung als zweite Säule im System der Alterssicherung 2. Systeme betrieblicher Altersversorgung in Europa II. Europäisches Betriebsrentenrecht III. Internationales Betriebsrentenrecht

B. Aufgabenstellung C. Gang der Untersuchung Erster Teil

Europäisches Betriebsrentenrecht: Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit Rechtsetzungszuständigkeit und Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen der betrieblichen Altersversorgung A. Kompetenzordnung der Europäischen Gemeinschaft I. Das Prinzip der Einzelermächtigung II. Art. 308 E G als Ergänzungszuständigkeitsnorm III. Ungeschriebene Kompetenzerweiterungen IV. Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz V. Formen und Verfahren gemeinschaftlicher Rechtsetzung 1. F o r m der Rechtsetzung und Regelungsmechanismus 2. Verfahren a) Rechtsetzungsverfahren nach dem EG-Vertrag b) Insbesondere: Rechtsetzungsverfahren nach Art. 137 E G (früher Protokoll Nr. 14 und A b k o m m e n über die Sozialpolitik) . . VI. Wahrung der Kompetenzordnung 1. E u G H 2. B V e r f G

X

Inhaltsverzeichnis B. V e r w i r k l i c h u n g d e s G e m e i n s a m e n M a r k t e s u n d d e s B i n n e n m a r k t e s i m H i n b l i c k auf d i e b e t r i e b l i c h e A l t e r s v e r s o r g u n g in Europa I. Die allgemeinen Zielvorgaben des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes II. Einzelne K o m p e t e n z n o r m e n 1. Binnenmarkt Art. 95 E G 2. Gemeinsamer M a r k t Art. 94 E G a) Rechtsetzungsvorhaben die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend: Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen gestützt auf Art. 94 E G ? b) Rechtsetzung die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend aa) 7 7 / 1 8 7 / E W G Betriebsübergang; RL 9 8 / 5 0 / E G Ä n d e rungsrichtlinie bb) R L 8 0 / 9 8 7 / E W G Insolvenzschutz cc) R L 7 5 / 1 1 7 / E W G zur Lohngleichheit u n d R L 86/378/ E W G , R L 9 6 / 9 7 / E G zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit dd) Fazit c) Rechtsetzungsvorhaben die wirtschaftliche Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend: Schaffung eines „Europäischen Pensionsfonds" ?

29 29 31 31 32

32 35 35 37

38 39

40

C . B e t r i e b l i c h e A l t e r s v e r s o r g u n g als G e g e n s t a n d e u r o p ä i s c h e r Sozialpolitik I. Sozialpolitische N o r m e n ohne Kompetenzcharakter II. K o m p e t e n z n o r m des Art. 137 E G (früher Art. 118a EGV, A r t . 2 des A b k o m m e n s über die Sozialpolitik) 1. Rechtsetzungsbefugnisse aus Art. 137 E G a) Verbesserung der Arbeitsumwelt z u m Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer b) Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit von M ä n n e r n und Frauen auf dem Arbeitsmarkt, Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, sozialer Schutz der Arbeitnehmer, Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages, Mitbestimmung 2. G r e n z e n d e s Art. 137 Abs. 6 E G

41 41 44 44 44

45 46

D. Verwirklichung von Freizügigkeit u n d Dienstleistungsfreiheit i m H i n b l i c k auf d i e b e t r i e b l i c h e A l t e r s v e r s o r g u n g i n E u r o p a . . . .

47

I. Verwirklichung der Freizügigkeit 1. Rechtsetzungsvorhaben Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen nach Art. 40 E G 2. Richtlinien u n d Verordnungen zur Gewährleistung der Freizügigkeit

47 47 48

Inhaltsverzeichnis a) V O ( E W G ) 1 6 1 2 / 6 8 Freizügigkeits-Verordnung

XI 49

b) V O ( E W G ) N r . 1 2 5 1 / 7 0 V e r b l e i b e - V e r o r d n u n g

50

c) R L 9 0 / 3 6 5 / E W G P e n s i o n i s t e n - A u f e n t h a l t s - R i c h t l i n i e

50

3. M a ß n a h m e n nach A r t . 4 2 E G

51

a) A r t . 42 E G als K o m p e t e n z n o r m für M a ß n a h m e n auf dem „ G e b i e t der sozialen Sicherheit"

51

b) V O ( E W G ) 1 4 0 8 / 7 1 Systeme der sozialen Sicherheit

52

c) R L 9 8 / 4 9 / E G Wahrung ergänzender R e n t e n a n s p r ü c h e

53

aa) C h r o n o l o g i e der Vorarbeiten

53

b b ) Regelungsgehalt der Richtlinie 9 8 / 4 9 / E G

56

cc) R e c h t s e t z u n g s k o m p e t e n z aus A r t . 42, 308 E G (Art. 51, 235 E G V ) 4. G r ü n b u c h II. E x k u r s zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit I I I . Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit 1. R e c h t s e t z u n g s k o m p e t e n z aus Art. 4 7 A b s . 2, 55 E G

57 60 61 64 64

2. Richtlinie über die E n t s e n d u n g von A r b e i t n e h m e r n im R a h m e n der E r b r i n g u n g von Dienstleistungen 9 6 / 7 1 / E G

65

3. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im B i n n e n m a r k t für Lebensversicherungen

66

a) D i e drei Lebensversicherungsrichtlinien

66

aa) A u s w i r k u n g e n auf die Direktversicherung i.S. v o n § 1 Abs.2 BetrAVG

66

b b ) A u s w i r k u n g e n auf die Pensionskasse i.S. von § 1 A b s . 3 BetrAVG

68

cc) A u s w i r k u n g e n auf die U n t e r s t ü t z u n g s k a s s e i.S. von § 1 Abs. 4 B e t r A V G

69

b) Vorschlag einer Richtlinie zur Zwangsliquidation von Versicherungsunternehmen

69

4. (Gescheiterter) Vorschlag einer Richtlinie über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für E i n r i c h t u n g e n der Altersversorgung (sog. P e n s i o n s f o n d s - R i c h t l i n i e )

70

a) A n w e n d u n g s b e r e i c h : betroffene D u r c h f ü h r u n g s w e g e

70

b) Wesentlicher Regelungsgegenstand: Vermögensverwaltung und Vermögensanlage

§2

72

c) C h r o n o l o g i e des Scheiterns

73

d) G r ü n b u c h

74

E. Zusammenfassung

75

Funktionsweise und Gewährleistungsinhalt von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit

78

A. Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit als Funktionsbedingungen des Gemeinsamen Marktes im Bereich betrieblicher Altersversorgung

78

I. Freizügigkeit im G e m e i n s a m e n M a r k t 1. Subjektive und o b j e k t i v e Seite der Freizügigkeit

78 78

Inhaltsverzeichnis

XII

2. Arbeitnehmermobilität kein absolutes Ziel 3. Tatsächliche Situation II. Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen M a r k t 1. Subjektive Konzeption: Dienstleistungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheit 2. Objektive Konzeption: Dienstleistungsfreiheit als Pendant zur Warenverkehrsfreiheit III. Spannungsverhältnis von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit .

79 80 81 81 82 83

B. Transnationaler Charakter der Grundfreiheiten

83

I. Grenzüberschreitung II. Zulässigkeit umgekehrter Diskriminierung 1. Europarecht 2. Nationales Verfassungsrecht

83 84 84 85

C. Gewährleistungsinhalt und Schranken von Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit I. Diskriminierungsverbot 1. Unmittelbare Diskriminierung a) Freizügigkeit b) Dienstleistungsfreiheit 2. Mittelbare Diskriminierung

86 87 87 87 87 88

II. Beschränkungsverbot 1. Dienstleistungsfreiheit a) Absolutes Beschränkungsverbot b) Relatives Beschränkungsverbot 2. Freizügigkeit a) Ubertragbarkeit der Beschränkungsdogmatik der Dienstleistungsfreiheit auf die Freizügigkeit b) Rechtsprechung des E u G H c) Verständnis der Kommission

89 89 90 90 91

III. A u s n a h m e n und Schranken 1. Diskriminierungsverbot a) Dienstleistungsfreiheit b) Freizügigkeit 2. Beschränkungsverbote a) Dienstleistungsfreiheit aa) Rechtfertigende Gründe des Allgemeininteresses bb) A u s w i r k u n g e n der Keck/Mithouard-Rechtsprechung des E u G H cc) Arbeitsrechtlicher Ortsstandard und Beschränkungsverbot b) Freizügigkeit

96 96 96 96 97 97 97

100 101

IV. Ergebnis

103

D. Anwendbarkeit und Adressaten der Grundfreiheiten I. Unmittelbare A n w e n d b a r k e i t

91 93 95

99

103 103

Inhaltsverzeichnis II. Adressaten der Grundfreiheiten 1. Staatliche Rechtsetzung u n d M a ß n a h m e n 2. H o r i z o n t a l e D r i t t w i r k u n g im Verhältnis zu Privatpersonen a) Nichtstaatliche kollektive Rechtsetzung b) Individualverträge aa) Beschränkungsverbot bb) Diskriminierungsverbot

E. Zusammenfassung § 3 Freizügigkeit u n d betriebliche Altersversorgung A. Schutzbereich der Freizügigkeit I. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Aktive Arbeitnehmer 2. Betriebsrentner 3. Familienangehörige 4. Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Betriebsrentenzusagen als sonstige Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 39 Abs. 1 u n d 2 E G 2. Zugang z u m Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates a) Erstmalige Arbeitsaufnahme u n d grenzüberschreitender Arbeitgeberwechsel b) Arbeitnehmerentsendung aa) Fallgruppen bb) Ergebnis

XIII 104 104 104 104 105 106 107

107 109 109 109 109 110 111 111 112 112 113 113 113 114 116

III. Mobilität „hin z u m " und „weg v o m " deutschen Arbeitgeber

117

IV. Weiterer G a n g der U n t e r s u c h u n g

118

B. Fortführung der Altersversorgung beim Arbeitgeber im Entsendestaat in Fällen einer vorübergehenden grenzüberschreitenden Entsendung I. Interesse des entsandten Arbeitnehmers an der F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung beim entsendenden Arbeitgeber . . . . II. Beschränkungen durch das deutsche Recht als Recht des Entsendestaates 1. F o r t f ü h r u n g der Betriebsrentenbeziehung in Deutschland 2. Art. 6 Abs. 1 R L 9 8 / 4 9 / E G III. Beschränkungen durch das deutsche Recht als Recht des A u f n a h m e mitgliedstaats 1. Zwangszusatzversorgung im Inland a) Kein zweites Arbeitsverhältnis am Arbeitsort: „bloße Delegation" b) Aktives Arbeitsverhältnis am Arbeitsort: „Entsendung" 2. Art. 6 Abs. 2 R L 9 8 / 4 9 / E G

119 119 121 121 122 122 122 123 124 125

XIV

Inhaltsverzeichnis

C. Sicherung der betrieblichen Altersversorgung bei einem grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel ins Ausland I. Unverfallbarkeitsfristen u n d Wartezeiten als Beschränkungen der Freizügigkeit 1. Unverfallbarkeitsfristen a) Relatives Beschränkungsverbot b) Absolutes Beschränkungsverbot c) Untauglichkeit des Koordinierungsmodells der V O ( E W G ) 1408/71 d) Ergebnis 2. Wartezeiten II. Mechanismen des Betriebsrentenschutzes beim grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel 1. Aufrechterhaltung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften beim Altersversorgungssystem des bisherigen Arbeitgebers a) § § l , 2 B e t r A V G b) A r t . 4 RL 9 8 / 4 9 / E G 2. Grenzüberschreitende Ü b e r n a h m e von Versorgungsverbindlichkeiten (§4 BetrAVG) a) Kollisionsrechtliche Vorfragen b) Übertragung ins Ausland: Relative Beschränkung der Freizügigkeit weg v o m deutschen Arbeitgeber? c) Kein Wahlrecht zwischen Aufrechterhaltung u n d grenzüberschreitender Übertragung d) Übertragung ins Inland: Mobilität hin z u m deutschen Arbeitgeber 3. Kapitalabfindung (§3 BetrAVG)

D. Freizügigkeitsprobleme beim Aufenthalt bzw. Verbleib des Betriebsrentners im EU-Ausland I. Transfer von Leistungen - Art. 5 R L 9 8 / 4 9 / E G II. Besteuerung der Betriebsrente III. Die Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG 1. Rechtslage bis z u m 31.12. 1998 a) Meinungsspektrum z u m Teuerungsausgleich bei Aufenthalt des Betriebsrentners im Ausland b) Maßgeblichkeit des durch die Vertragswährung bestimmten Binnenwertrisikos 2. Rechtslage ab dem 01.01. 1999 ( R R G 1999)

E. Koordinierung von Betriebsrenten mit Sozialrenten sowie sonstigen Bezügen unter dem Freizügigkeitsgebot I. A b s t i m m u n g der betrieblichen Altersversorgung mit dem Sozialversicherungsschutz bei Alter und Invalidität II. Berücksichtigung ausländischer Bezüge im R a h m e n von Gesamtversorgungssystemen nach § 5 BetrAVG 1. A n r e c h n u n g ausländischer Bezüge nach §5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG .

126 126 126 129 129 131 133 133 135 135 135 137 137 137 138 139 142 142

145 145 146 147 147 147 148 150

151 151 152 153

Inhaltsverzeichnis a) A n r e c h n u n g ausländischer gesetzlicher Renten (§5 Abs. 2 S.2 1. Alt. BetrAVG) aa) Rechtsprechung des B A G bb) Kritik des Kriterienkatalogs des B A G cc) Ergebnis b) A n r e c h n u n g sonstiger ausländischer Versorgungsbezüge (§5 A b s . 2 S.2 Alt. 2 BetrAVG) c) Koordinierungsproblem beim Aufeinandertreffen von Anrechnungsklauseln d) Ä n d e r u n g und Widerruf von Versorgungszusagen bei U b e r versorgung wegen ausländischer Bezüge 2. Allgemeines Auszehrungsverbot f ü r laufende Leistungen nach § 5 Abs. 1 BetrAVG III. Vorzeitige Betriebsrente bei vorzeitigem Bezug einer ausländischen Altersrente nach § 6 BetrAVG 1. Keine A n w e n d u n g des §6 BetrAVG bei vorzeitigem Bezug einer ausländischen Altersrente nach h.M 2. Relative Beschränkung der Freizügigkeit 3. Rechtfertigung durch G r ü n d e des Allgemeininteresses a) Rechtssicherheit b) Gleichbehandlung c) Ergebnis

F. Zusammenfassung § 4 Dienstleistungsfreiheit u n d betriebliche Altersversorgung A. Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit I. Persönlicher Anwendungsbereich 1. E r w e r b s z w e c k des Trägers der Dienstleistungsfreiheit 2. Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Begriff der Dienstleistung 2. Verhältnis der Dienstleistungsfreiheit zur Freiheit des Zahlungsu n d des Kapitalverkehrs III. Z u m Z u s a m m e n h a n g von Arbeitskollisionsrecht und Dienstleistungsfreiheit IV. Weiterer G a n g der U n t e r s u c h u n g

B. Grenzüberschreitende Dienstleistungen bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in einem der Durchführungswege des BetrAVG I. Dienstleistung im Verhältnis Versorgungsträger - Arbeitgeber 1. Erwerbszweck des Trägers der Dienstleistungsfreiheit u n d Entgeltlichkeit der Dienstleistung i.S. des Art. 50 E G a) Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen b) Mittelbare Versorgung durch Pensionskassen

XV

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XVI

Inhaltsverzeichnis c) Mittelbare Versorgung durch Unterstützungskassen 2. Grenzüberschreitung der Dienstleistung a) Arbeitgeber mit Sitz im Ausland aa) Direktversicherung bb) Pensionskasse cc) Unterstützungskasse b) Versorgungsträger mit Sitz im Ausland aa) Direktversicherung bb) Pensionskasse cc) Unterstützungskasse c) Grenzüberschreitendes Element: Arbeitsort des Arbeitnehmers aa) Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Ausland bb) Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Inland II. Keine Dienstleistung im Verhältnis zusagender Arbeitgeber begünstigter Arbeitnehmer III. Keine Dienstleistung „betriebliche Altersversorgung" im Verhältnis Versorgungsträger - Arbeitnehmer IV. Dienstleistung bei F o r t f ü h r u n g einer Versorgungszusage durch einen Dritten, der nicht Arbeitgeber der begünstigten Arbeitnehmer ist

C. Grenzüberschreitende Dienstleistungen betrieblicher Altersversorgung außerhalb der Durchführungswege des BetrAVG I. N u m e r u s clausus der Versorgungsträger des BetrAVG als personenbezogenes Dienstleistungshindernis 1. N u m e r u s clausus der D u r c h f ü h r u n g s w e g e 2. Vereinbarkeit des N u m e r u s clausus der Versorgungsträger mit der Dienstleistungsfreiheit a) Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer atypischer Versorgungsträger b) Rechtfertigung der Beschränkung c) Ergebnis II. P r o d u k t b e z o g e n e Dienstleistungshindernisse 1. Betriebliche Altersversorgung als rechtlich verfaßtes P r o d u k t . . . . 2. Beitragszusagen im deutschen Recht a) U n a n w e n d b a r k e i t des BetrAVG b) Volle Dienstleistungsfreiheit mangels Regelung? c) Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wegen fehlender rechtlicher Regelung? III. Folgerungen f ü r die deutsche Pensionsfonds-Debatte 1. Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung durch ein Pensionsfonds-Modell 2. A n f o r d e r u n g e n der Dienstleistungsfreiheit

D. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung ausländischer Anbieter von Dienstleistungen der Zusatzaltersversorgung

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202

Inhaltsverzeichnis I. Z u m Spannungsverhältnis zwischen Dienstleistungsfreiheit u n d M i t b e s t i m m u n g des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG 1. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG: Sozialeinrichtungen a) Begriff der Sozialeinrichtung b) Ein- u n d zweistufige Lösung 2. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG: betriebliche Lohngestaltung II. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung einer ausländischen Sozialeinrichtung als Versorgungsträger 1. Beispiel f ü r die Schwierigkeiten einer Mitbestimmung in einer ausländischen Sozialeinrichtung 2. Beschneidung des Mitbestimmungsrechts über den Gesetzesvorrang nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch f ü r ausländisches Recht? 3. Lösung des internationalen N o r m w i d e r s p r u c h s (Anpassungsoder Angleichungsproblem) 4. Ergebnis 5. Folgerungen f ü r die grenzüberschreitende Mitgliedschaft in Einrichtungen zur Altersversorgung III. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung ins Ausland (outsourcing) 1. M i t b e s t i m m u n g des Betriebsrats bei der Verwaltung inländischer Pensionsfonds durch ausländische Versicherungsunternehmen . . . a) Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Pensionsfondsverwaltung durch Versicherungsunternehmen b) Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung auf Lebensversicherer im Ausland 2. M i t b e s t i m m u n g des Betriebsrats u n d outsourcing nach der gescheiterten Pensionsfonds-Richtlinie

XVII 202 203 203 204 205 206 208 209 210 213 213 214 215 215 217 218

E. Zusammenfassung

219

Dienstleistungsmonopole im Bereich betrieblicher Altersversorgung

221

A. Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen unter dem EG-Vertrag

222

I. Dienstleistungsfreiheit II. Wettbewerbsrecht 1. U n t e r n e h m e n 2. Staat a) Akzessorischer Wettbewerbsverstoß des Staates nach Art. 86 Abs. 1 i.V. m. Art. 81, 82 E G b) Wettbewerbsverstoß des Staates selbst nach Art. 86 Abs. 1 EG 3. Rechtsprechung des E u G H zur Zwangsmitgliedschaft in niederländischen Betriebsrentenfonds

222 223 223 224 224 225 226

XVIII

Inhaltsverzeichnis

B . D i e n s t l e i s t u n g s m o n o p o l G e m e i n s a m e r E i n r i c h t u n g e n auf der G r u n d l a g e a l l g e m e i n v e r b i n d l i c h e r A l t e r s v e r s o r g u n g s t a r i f verträge I. Dienstleistungsfreiheit 1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager a) Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnorm als Rechtsetzungsakt b) Beschränkende Wirkung 2. Rechtfertigung der Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses a) Öffentliches Interesse i.S. des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 T V G und rechtfertigendes Allgemeininteresse i.S. der E u G H - R e c h t sprechung aa) Öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung bb) Zwingendes Allgemeininteresse zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit b) Ergebnis II. Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit 1. Unternehmen 2. Staat

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229 230 231 232

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C . V e r e i n b a r k e i t der o b l i g a t o r i s c h e n Z u s a t z a l t e r s v e r s o r g u n g in Frankreich mit dem Wettbewerbsrecht

240

D . D i e n s t l e i s t u n g s m o n o p o l des P S V a G f ü r die I n s o l v e n z s i c h e r u n g betrieblicher Altersversorgung I. Dienstleistungsfreiheit 1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager a) Monopolstellung des PSVaG b) Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit aa) Versicherungstätigkeit des PSVaG als entgeltliche Dienstleistung bb) Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 45 E G ) im Beitragsbereich 2. Rechtfertigung der Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses a) Allgemeininteresse b) Verhältnismäßigkeit c) Ergebnis 3. Gerechtfertigte Beschränkung der negativen Dienstleistungsfreiheit ausländischer Nachfrager

242 242

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4. Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung über den PSVaG

248

Inhaltsverzeichnis II. Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit 1. Unternehmen a) PSVaG als Unternehmen i.S. des Wettbewerbsrechts b) Zwangsversicherung inländischer Arbeitgeber c) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung 2. Staat a) Zwangsversicherung inländischer Arbeitgeber b) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der Insolvenzsicherung

E. Zusammenfassung

XIX 251 251 251 252 252 253 253 253

254 Zweiter Teil

Internationales Betriebsrentenrecht: Kollisionsrecht der betrieblichen Altersversorgung und Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts auf Auslandssachverhalte § 6 Kollisionsrechtliche Behandlung der Arbeitgeber - Arbeitnehmer - Beziehung bei individualrechtlichen Versorgungszusagen A. Statut der individualrechtlichen Versorgungszusage I. Unmittelbare und mittelbare Versorgungszusagen II. Individual- und kollektivrechtliche Versorgungszusagen

B. Objektive Anknüpfung I. Auslandsberührung II. Bestimmung der einschlägigen Kollisionsorm 1. A n k n ü p f u n g nach Art. 30 E G B G B (Arbeitsvertragsstatut) 2. A n k n ü p f u n g nach Art. 28 E G B G B bei Versorgungszusagen an Nicht-Arbeitnehmer und durch Nicht-Arbeitgeber a) Betriebsrentenzusage an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind b) Betriebsrentenzusage durch Unternehmen, die nicht Arbeitgeber sind aa) Drittzusage im Konzern bb) Aufrechterhaltung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung bei „endgültiger Versetzung" zu einem konzernangehörigen Unternehmen cc) Drittzusage außerhalb eines Konzerns 3. Akzessorische A n k n ü p f u n g an das Sozialversicherungsstatut . . . . a) Auseinanderfallen von Sozialversicherungs- und Betriebsrentenstatut b) Akzessorische A n k n ü p f u n g der betrieblichen Altersversorgung III. Anwendung des Art. 30 Abs. 2 E G B G B

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XX

Inhaltsverzeichnis 1. Gewöhnlicher Arbeitsort Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B 2. Vorübergehende Entsendung in einen anderen Staat i.S. von

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Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B a) „Bloße Delegation" b) „Entsendung mit vorgesehener Rückkehr" und Ruhensvereinbarung aa) Wechsel der einschlägigen Kollisionsnorm?

273 273

bb) Vorübergehender Charakter der Entsendung c) Art. 6 Abs. 1 R L 9 8 / 4 9 / E G 3. Einstellende Niederlassung i.S. von Art. 30 Abs. 2 N r . 2 E G B G B . 4. Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 letzter Halbsatz E G B G B

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C. Rechtswahl (subjektive Anknüpfung) I. Grundsatz Rechtswahlfreiheit II. Rechtswahl für das Arbeitsverhältnis insgesamt 1. Rechtswahlschranke aus Art. 27 Abs. 3 E G B G B a) Verknüpfung des Sachverhalts mit dem Recht nur eines Staates b) Zwingende Bestimmungen i.S. des Art. 27 Abs. 3 E G B G B . . . . 2. Rechtswahlschranke aus Art. 30 Abs. 1 E G B G B (Günstigkeitsvergleich) a) Arbeitnehmerschutzvorschrift b) Arbeitnehmerschutzvorschriften im BetrAVG c) Vergleichsgegenstand d) Vergleichsmaßstab und Vergleichszeitpunkt aa) Objektiver Ansatz bb) Subjektiver Ansatz cc) Zeitpunkt des Günstigkeitsvergleichs dd) Lösung: Objektiver Maßstab mit subjektiver Korrekturmöglichkeit e) Ergebnis III. Teilrechtswahl 1. Spaltung von Arbeitsvertragsstatut und Betriebsrentenstatut durch Teilrechtswahl 2. Keine Teilrechtswahl für einzelne Aspekte des Betriebsrentenverhältnisses 3. Materiell-rechtliche Wirkung einer unzulässigen Teilrechtswahl . . 4. Begründung eines Betriebsrentenanspruchs nach ausländischem Recht im Wege betrieblicher Übung oder über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei Teilrechtswahl

D. Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen I. Mechanismus der Sonderanknüpfung international zwingender Normen des deutschen Rechts 1. Reichweite des Betriebsrentenstatuts 2. Sonderanknüpfung inländischer Eingriffsnormen a) Internrechtlich zwingende N o r m b) Ordnungspolitische Interessen

273 273

281 281 282 282 282 283 284 285 285 288 290 290 291 291 292 293 294 294 295 296

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Inhaltsverzeichnis c) Inlandsbezug des Sachverhalts 3. Verhältnis von Art. 34 E G B G B zu Art. 30 Abs. 1 E G B G B 4. Europarechtliche Zulässigkeit II. Inländische betriebsrentenrechtliche Eingriffsnormen i.S. des Art. 34 EGBGB 1. Sonderanknüpfung des BetrAVG als ganzem? 2. Sonderanknüpfung der Insolvenzsicherung a) b) c) d)

Internrechtlich zwingender Charakter Ordnungspolitisches Interesse Inlandsbezug des Sachverhalts Konsquenzen aus der Sonderanknüpfung der Insolvenzschutzbestimmungen für die Rechtswahl im internationalen Betriebsrentenrecht aa) Abwahl deutschen Betriebsrentenrechts bb) Wahl deutschen Betriebsrentenrechts 3. Keine Sonderanknüpfung der Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG III. Ausländische betriebsrentenrechtliche Eingriffsnormen

E . Zusammenfassung

§ 7 Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zum eingeschalteten Versorgungsträger bei individualrechtlichen mittelbaren Versorgungszusagen

XXI 301 301 303 304 304 306 306 306 307

30B 308 308 309 309

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A. Dreiecksbeziehung Arbeitgeber - Arbeitnehmer - Versorgungsträger bei mittelbaren Versorgungszusagen I. Arbeitskollisionsrechtliche Beurteilung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung II. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zum eingeschalteten Versorgungsträger

B . Betriebsrentenstatut deutsches Recht I. Direktversicherung 1. Direktversicherung im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrAVG 2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zum Versicherer a) Unterschiedliches Kollisionsrecht je nach Risikobelegenheit innerhalb oder außerhalb des E W R b) Risikobelegenheit im E W R aa) Objektive Anknüpfung bb) Rechtswahl cc) Sonderanknüpfung in- und ausländischer Eingriffsnormen c) Risikobelegenheit außerhalb des E W R

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XXII

Inhaltsverzeichnis d) Zum Zusammenspiel von deutschem Betriebsrentenrecht und ausländischem Versicherungsvertragsrecht II. Pensionskasse 1. Pensionskasse im Sinne von § 1 Abs. 3 BetrAVG 2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zur Pensionskasse a) Mitgliedschaftsverhältnis b) Versicherungsverhältnis bei Risikobelegenheit im E W R aa) Objektive A n k n ü p f u n g bb) Rechtswahl c) Versicherungsverhältnis bei Risikobelegenheit außerhalb des EWR III. Unterstützungskasse 1. Unterstützungskasse im Sinne von § 1 Abs. 4 BetrAVG 2. Kollisionsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zur Unterstützungskasse a) Mitgliedschafts- oder Gesellschaftsverhältnis b) Anspruchsbeziehung des Arbeitnehmers zur Unterstützungskasse c) Auftrags- oder sonstige Rechtsbeziehung des Arbeitgebers zur Unterstützungskasse d) Rückversicherung

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C. Aufrechterhaltung von Anwartschaften und F o r t f ü h r u n g der b e t r i e b l i c h e n A l t e r s v e r s o r g u n g bei A r b e i t g e b e r w e c h s e l b z w .

§ 8

E n t s e n d u n g - A n f o r d e r u n g e n der Richtlinie 9 8 / 4 9 / E G

330

I. Direktversicherung II. Pensionskasse III. Unterstützungskasse

330 331 332

D . Betriebsrentenstatut ausländisches Recht

332

E. Zusammenfassung

333

I n s o l v e n z s i c h e r u n g der Betriebsrente in Fällen m i t A u s l a n d s berührung

335

A . I n s o l v e n z s c h u t z d e r B e t r i e b s r e n t e in E u r o p a

335

B. I n s o l v e n z s i c h e r u n g v o n V e r s o r g u n g s a n s p r ü c h e n u n d u n v e r f a l l baren Anwartschaften im deutschen Recht I. Allgemeines Insolvenzrecht und Versicherungsaufsicht 1. Direktzusage und Unterstützungskassenzusage 2. Direktversicherung und Pensionskasse II. Insolvenzsicherung nach den §§7 - 15 BetrAVG 1. Direktzusage 2. „Gefährdete" Direktversicherung 3. Unterstützungskasse

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Inhaltsverzeichnis 4. Nicht sicherungspflichtige Durchführungswege C. Sonderanknüpfung der § § 7 - 1 5 BetrAVG nach Art. 34 E G B G B bei den insolvenzgeschützten Durchführungswegen I. Kriterien der Sonderanknüpfung der § § 7 - 1 5 BetrAVG - Die Position des PSVaG als Ausgangspunkt II. Eingreifen der §§7 - 15 BetrAVG in problematischen Fällen 1. Zusage durch Arbeitgeber im Inland a) Bloße Delegation und vorübergehende Entsendung ins Ausland mit Ruhensvereinbarung im Inland b) Aufrechterhaltung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung im Inland bei „endgültiger Versetzung" zu konzernangehörigen Unternehmen ins Ausland (Arbeitgeberwechsel) c) Begründung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung im Inland aa) Im grenzüberschreitenden Konzern bb) Außerhalb von Konzernverbindungen d) Zusage an eigene Arbeitnehmer ausländischer Betriebe aa) Keine Koppelung an das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB bestimmte Betriebsrentenstatut bb) Freizügigkeit cc) Dienstleistungsfreiheit 2. Zusage durch Arbeitgeber im Ausland a) Für Arbeitnehmer im Ausland b) Für Arbeitnehmer inländischer Betriebsstätten und Niederlassungen III. Einstandspflicht des PSVaG 1. Versorgungszusage durch Arbeitgeber im Inland 2. Versorgungszusage durch Arbeitgeber im Ausland für Arbeitnehmer einer inländischen Niederlassung a) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Inland b) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland aa) Position des BAG bb) Inlandswirkung der Auslandsinsolvenz c) Sicherungsfall der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit IV. Folgerungen 1. Beitragspflicht nach §10 BetrAVG 2. Sicherung des PSVaG nach §9 BetrAVG a) Forderungsübergang nach §9 Abs. 2 BetrAVG b) Vermögensübergang nach §9 Abs. 3 BetrAVG D . Insolvenzschutz in Sachverhalten mit Auslandsberührung bei nicht sicherungspflichtigen Durchführungswegen I. Keine Sonderanknüpfung deutschen Betriebsrentenrechts außerhalb der § § 7 - 1 5 BetrAVG II. Rückbezug zur Dienstleistungsfreiheit

XXIII 343 345 346 348 348 348

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XXIV

Inhaltsverzeichnis III. Insolvenzsicherheit der Betriebsrente als Kriterium im arbeitskollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich 1. Kein arbeitnehmerschützender Charakter von Insolvenzsicherungsmechanismen 2. Konstruktiver Weg zur Einbringung des Insolvenzschutzes in den kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich

382

IV. Rechtswahlmöglichkeiten 1. Abwahl deutschen Betriebsrentenrechts 2. Wahl deutschen Betriebsrentenrechts a) Versorgungszusage durch den Arbeitgeber b) Versorgungszusage durch einen konzernangehörigen Dritten .

383 383 385 385 385

E. Zusammenfassung §9 Sachrechtliche Fragen der Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts bei internationaler Konzernverbindung des Arbeitgebers A. Anrechnung ausländischer Betriebszugehörigkeitszeiten I. Betriebszugehörigkeit II. Nachdienstzeiten III. Vordienstzeiten 1. Rechtsprechung zur Anrechnung von Vordienstzeiten bei konzerninterner Arbeitnehmermobilität 2. Anrechnung ausländischer Vor- und Nachdienstzeiten durch konzernangehörige Arbeitgeber mit Sitz im Inland a) Nicht insolvenzgeschützte Durchführungswege b) Insolvenzgeschützte Durchführungswege aa) Betriebszugehörigkeitszeiten im Ausland begleitet von Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht bb) Betriebszugehörigkeitszeiten im Ausland begleitet von Betriebsrentenzusage nach ausländischem Recht 3. Anrechnung von Vordienstzeiten durch konzernangehörige Arbeitgeber mit Sitz im Ausland auf eine Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht

B. Grenzüberschreitende Übernahme von Versorgungsverpflichtungen I. Übertragung deutscher Betriebsrentenverbindlichkeiten vom Inland ins Ausland 1. Anwendbares Recht 2. Rechtsprechung des B A G zur Übernahme von Verpflichtungen aus Versorgungsanwartschaften und laufender Betriebsrentenverbindlichkeiten 3. Übertragung auf ausländischen Nachfolgearbeitgeber a) Ausländischer Folgearbeitgeber mit Niederlassung oder Betriebsstätte im Inland

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Inhaltsverzeichnis b) Ausländischer Folgearbeitgeber ohne Niederlassung oder Betriebsstätte im Inland 4. Übertragung auf ausländische Versicherer u n d Pensionskassen . . . 5. Übertragung auf ausländische Unterstützungskassen 6. Übertragung auf sonstige ausländische Dritte mit Z u s t i m m u n g desPSVaG II. Freizügigkeit 1. Absolutes Beschränkungsverbot 2. Relatives Beschränkungsverbot III. Übertragung ausländischer Betriebsrentenverbindlichkeit v o m Ausland ins Inland auf deutschen Folgearbeitgeber 1. U n a n w e n d b a r k e i t des Übertragungsverbot aus §4 BetrAVG . . . . 2. A n r e c h n u n g ausländischer Vordienstzeiten f ü r Folgezusagen im Inland zu Lasten des PSVaG

C. Betriebsrentenanpassung und Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage bei internationaler Konzernverbindung des Arbeitgebers I. Anpassung laufender Versorgungsverpflichtungen nach § 16 BetrAVG im K o n z e r n 1. „Berechnungsdurchgriff" 2. Anpassung bei internationaler K o n z e r n v e r b i n d u n g a) Konzernstatut deutsches Recht b) Konzernstatut ausländisches Recht II. Widerruf von Versorgungszusagen wegen wirtschaftlicher Notlage im K o n z e r n 1. „Beurteilungsdurchgriff" 2. Widerruf bei internationaler K o n z e r n v e r b i n d u n g

D. Zusammenfassung § 10 Kollisionsrechtliche B e h a n d l u n g k o l l e k t i w e r t r a g l i c h e r Versorgungszusagen A. Problemaufriß I. Kollektiwertragliche Altersversorgungssysteme im Spannungsverhältnis von Dienstleistungsfreiheit u n d Freizügigkeit 1. Dienstleistungsfreiheit 2. Freizügigkeit II. Kollektiwertragliche Versorgungszusagen in Europa 1. Deutschland a) Betriebsvereinbarung b) Tarifvertrag 2. Beispiele aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen U n i o n . . III. Kollisionsrechtliche Fragestellung

B. Statut eines Kollektivvertrags

XXV

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406 406 406 408 408 409 409 409 411

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XXVI

Inhaltsverzeichnis I. Bestimmung des Statuts der Betriebsvereinbarung 1. Objektive A n k n ü p f u n g a) Betriebssitz b) Betriebsverfassungs- und Betriebsvereinbarungsstatut 2. Rechtswahl II. Bestimmung des Statuts des Tarifvertrages 1. Objektive A n k n ü p f u n g 2. Rechtswahl

C. Verhältnis von Kollektivvertragsstatut und Arbeitsverhältnisund Betriebsrentenstatut I. Versorgungszusage in Betriebsvereinbarung 1. Deutsche Betriebsvereinbarung a) Reichweite der normativen Wirkung einer deutschen Betriebsvereinbarung b) Gleichlauf von Betriebsverfassungsstatut u n d Arbeitsverhältnis-/Betriebsrentenstatut c) Auseinanderfallen von Betriebsverfassungsstatut u n d Arbeitsverhältnis-/Betriebsrentenstatut aa) Art. 27 Abs. 3 E G B G B bb) Kollisionsrechtlicher Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 E G B G B cc) S o n d e r a n k n ü p f u n g nach Art. 34 E G B G B dd) Schuldrechtliche Wirkung der Betriebsvereinbarung (Vertrag zugunsten Dritter) ee) Ergebnis 2. Ausländische Betriebsvereinbarung II. Tarifvertragliche Versorgungszusage 1. Deutscher Tarifvertrag a) Gleichlauf von Tarifvertragsstatut u n d Arbeitsverhältnis-/ Betriebsrentenstatut b) Auseinanderfallen von Tarifvertragsstatut u n d Arbeitsverhältnis- bzw. Betriebsrentenstatut aa) Art. 27 Abs. 3 E G B G B bb) Kollisionsrechtlicher Günstigkeitsvergleich nach Art. 30 Abs. 1 E G B G B cc) S o n d e r a n k n ü p f u n g nach Art. 34 E G B G B dd) Schuldrechtliche Wirkung des Tarifvertrages (Vertrag zugunsten Dritter) ee) Ergebnis 2. Allgemeinverbindlicher deutscher Tarifvertrag a) Keine generelle S o n d e r a n k n ü p f u n g allgemeinverbindlicher Tarifverträge b) Lösungsmodell des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und der Entsende-Richtlinie aa) Keine A u s w i r k u n g e n des Entsendegesetzes bb) Keine A u s w i r k u n g e n der Entsende-Richtlinie

421 421 421 422 422 423 423 425

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Inhaltsverzeichnis c) Freizügigkeit 3. Ausländischer Tarifvertrag a) Tarifvertrag ohne Normwirkung b) Tarifvertrag mit Normwirkung c) Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag

XXVII 446 447 447 447 448

D . Rechtswahl im Kollektivvertrag für das Arbeitsverhältnis/ Betriebsrentenverhältnis I. Durchsetzung gegenüber objektivem Arbeitsverhältnisstatut II. Durchsetzung gegenüber individualvertraglicher Rechtswahl E. Kollisionsrechtliches Ergebnis

449 450 451 452

F. A u s b l i c k : E u r o p ä i s c h e K o l l e k t i v v e r t r ä g e z u r Z u s a t z a l t e r s versorgung I. Betriebliche Vereinbarungen II. Tarifverträge G. Zusammenfassung

§11 Versorgungszusagen im internationalen Betriebsübergang

453 453 454 456

458

A. Fragestellung

458

B . A n k n ü p f u n g des internationalen Betriebsübergangs

460

I. Arbeitsvertragsstatut II. Betriebsstatut III. Ergebnis C . I n t e r n a t i o n a l e r U b e r g a n g eines i n l ä n d i s c h e n B e t r i e b e s I. Rechtsfolgen des §613a B G B für die Betriebsrentenzusage des Veräußerers 1. Regelarbeitsverhältnis 2. Ruhendes Arbeitsverhältnis bei „Entsendung" 3. Isoliertes Betriebsrentenverhältnis bei „Versetzung" II. Betriebsübergang von einem inländischen Veräußerer auf einen ausländischen Erwerber 1. Versorgungszusage nach deutschem Recht a) Individualrechtliche Zusagen aa) Unmittelbare Versorgungszusage bb) Direktversicherung cc) Pensionskasse dd) Unterstützungskasse ee) Wechsel des Durchführungswegs und nachträgliche Rechtswahl b) Kollektiwertragliche Versorgungszusagen aa) Tarifvertrag bb) Betriebsvereinbarung 2. Versorgungszusage nach ausländischem Recht

462 464 465 466 466 466 468 469 469 470 470 470 470 471 471 472 473 473 476 477

XXVIII

Inhaltsverzeichnis a) Individualrechtliche Versorgungszusage

477

b) Kollektivrechtliche Versorgungszusage

477

I I I . Betriebsübergang von einem ausländischen Veräußerer auf einen inländischen E r w e r b e r oder ausländischen E r w e r b e r aus einem Drittstaat D . Internationaler U b e r g a n g eines ausländischen B e t r i e b e s

478 479

I. Beispiele für Regelungen des Betriebsübergangs im ausländischen Recht

479

1. Vereinigtes K ö n i g r e i c h

479

2. Irland

480

3. Ö s t e r r e i c h

481

4. S c h w e i z

482

II. R e c h t s f o l g e n des internationalen Betriebsübergangs für Betriebsrentenzusagen nach ausländischem und deutschem R e c h t E. Grenzüberschreitender Betriebsübergang

483 484

I. G r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e r Betriebsübergang und Freizügigkeit

484

II. A n k n ü p f u n g des grenzüberschreitenden Betriebsübergangs

484

1. Betriebsstatut am neuen B e t r i e b s o r t

485

2. Statutenkumulation

485

3. Betriebsstatut am ursprünglichen B e t r i e b s o r t

487

I I I . G r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e r Betriebsübergang v o m Inland ins Ausland . . 1. Individualrechtliche Versorgungszusage

490 491

a) O b j e k t i v e A n k n ü p f u n g des A r b e i t s - und Betriebsrentenverhältnisses b) R e c h t s w a h l

491 492

2. Tarifvertragliche Versorgungszusage

492

3. Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung

494

4. Freizügigkeit

494

IV. G r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e r Betriebsübergang v o m Ausland ins Inland . . F. Z u s a m m e n f a s s u n g

495 496

Schlußbetrachtung Zum Zusammenspiel von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht A. Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht I. Soziale D i m e n s i o n II. Wirtschaftliche D i m e n s i o n B . D i e G r u n d f r e i h e i t e n als M a ß s t a b u n d R e c h t s e t z u n g s a u f t r a g

497 497 498 498

C . Verwirklichung der Freizügigkeit im deutschen Betriebsrentenrecht

500

Inhaltsverzeichnis I. Freizügigkeitshindernisse im deutschen Betriebsrentenrecht II. Verwirklichung der Freizügigkeit durch Ausschöpfung kollisionsund sachrechtlicher Gestaltungmöglichkeiten

D. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im deutschen Betriebsrentenrecht

XXIX 500 501

504

E. Ausblick zu den Gestaltungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene

506

Literaturverzeichnis

508

Sachregister

535

Abkürzungsverzeichnis Das Abkürzungsverzeichnis enthält vor allem in der deutschen Rechtssprache weniger gängige Abkürzungen für Gesetze, Institutionen, Zeitschriften und Nachschlagwerke insbesondere aus dem Ausland. Die abgekürzte Zitierweise des EG-Vertrages in der vor und nach dem 1. Mai 1999 geltenden Fassung folgt der Zitierweise des E u G H . Abgekürzt zitierte Literatur ist dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. I m übrigen verweise ich auf das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Hildebert Kirchner, 4. Aufl. B e r l i n / N e w Y o r k 1993. ABA ABl. AEntG AHVG ArbVG AGIRC

Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung v o m 2 0 . 1 2 . 1946 (Schweiz) Arbeitsverhältnisgesetz (Osterreich) Association Générale des Institutions de Retraite des Cadres (Frankreich)

ARCCO AVB

Association des Régimes de Retraites Complémentaires (Frankreich) Allgemeine Versicherungsbedingungen

BA BDA

Bundesanstalt für Arbeit Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

BddW BJIBFL

Blick durch die Wirtschaft Butterworths Journal of International Banking and Financial Law

BPG BVG

Betriebspensionsgesetz 1990 (Osterreich) Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge v o m 2 5 . 0 6 . 1982 (Schweiz)

CMLR

C o m m o n Market Law Review

DIB döKV

Deutsches Institut für Betriebswirtschaft e.V. deutsch-österreichischer Konkursvertrag

döKVAG DRdA DRV DZWir

Ausführungsgesetz zum d ö K V auf deutscher Seite Das R e c h t der Arbeit (Österreich) Deutsche Rentenversicherung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EAS EBR EBRG EEA EFRP EG

Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Europäischer Betriebsrat Europäisches Betriebsräte-Gesetz Einheitliche Europäische A k t e in Kraft getreten am 0 1 . 0 7 . 1987 European Federation for Retirement Provision Europäische Gemeinschaft(en); nach einem Artikel: E G - V e r t r a g in der Fassung nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 0 1 . 0 5 . 1999 E G - V e r t r a g in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 0 1 . 0 5 . 1999

EGV

XXXII Encyclo. Lab. L. EuGVÜ

Abkürzungsverzeichnis

EWR EZB

Encyclopaedia of Labour Law Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.09. 1968 Europäisches Ubereinkommen über Insolvenzverfahren Ubereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.06. 1980 EG-Vertrag in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht am 01.11. 1993 Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank

GAD GVG

Gesetz über den Auswärtigen Dienst Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V.

I B I S Review ICLQ

JJZ

International Benefits Information Service Review International and Comparative Law Quarterly Industrial Law Journal International Pension [& Compensation] Consultants G m b H , Wiesbaden Internationales Steuerrecht Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler

NILR

Netherlands International Law Review

Ordnr.

Ordnungsnummer

PSVaG

Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit

RdW RL R R G 1999 Rs. s./ss. RTDE

Recht der Wirtschaft (Osterreich) Richtlinie Rentenreformgesetz 1999 ( B G B l . I S.2998) Rechtssache vor einer Numerierung eines englischen Gesetzes: section/sections; sonst: siehe Revue trimestrielle de droit européen

SF S.I.

Sozialer Fortschritt Statutory Instrument (Vereinigtes Königreich)

VO VSSR VW

Verordnung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Versicherungswirtschaft

WährungsG WiB

Währungsgesetz Wirtschaftliche Beratung

ZAS ZvglRWiss

Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht (Österreich) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

EuIÜ EVÜ EWGV

ILJ IPC IStR

Einleitung Gegenstand und Aufgabe der U n t e r s u c h u n g A.

Untersuchungsgegenstand

In einer international verflochtenen Wirtschaft reichen auch die arbeitsrechtlichen Beziehungen über die Grenzen hinweg. Ausländische Unternehmen unterhalten Betriebe im Inland, inländische U n t e r n e h m e n investieren in Niederlassungen im Ausland, Arbeitnehmer sind innerhalb und außerhalb internationaler Konzernverbindungen grenzüberschreitend mobil. D i e Arbeitsrechtsordnungen sind dagegen weiterhin nationale Ordnungen, auch wenn europäische Rechtsetzung zu einer Angleichung in einzelnen Fragen geführt hat. Dies gilt in besonderem M a ß e für das Betriebsrentenrecht: Die betriebliche Altersversorgung ist von Staat zu Staat rechtlich und tatsächlich sehr unterschiedlich organisiert. Grenzüberschreitende Arbeitsrechtsbeziehungen unter Einschluß von B e triebsrentenzusagen werfen die arbeitskollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Arbeitsrecht und die europarechtliche Frage nach der Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer auf. Dies sind Fragen der sozialen D i m e n sion 1 betrieblicher Altersversorgung. Parallel hierzu stellen sich für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit „Zusatzaltersversorgung" durch Versicherungsunternehmen, Pensions- und Unterstützungskassen, Pensionsfonds und andere Einrichtungen zur Altersversorgung die kollisionsrechtliche Frage nach dem auf die Tätigkeit anwendbaren Recht und die europarechtliche Frage nach der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit dieser Anbieter von Zusatzaltersversorgung. Mit diesem Fragenbündel ist das T h e m a „Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht" umrissen.

I. Betriebliche 1. Betriebliche Altersversorgung der Alterssicherung

Altersversorgung als zweite Säule im System

D e n Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bildet die an ein Arbeitsverhältnis anknüpfende betriebliche Altersversorgung 2 , auch Betriebsrente, Zusatzal1 Der Begriff der sozialen Dimension ist gängig. Vgl. nur Hailbronner, Die soziale Dimension der EG, EuZW 1991, 171; Buchner, VSSR 1992, 2; Strohmeier, Die soziale Dimension des Binnenmarktes, DB 1992, 38ff.; Kuhn, Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 23. 2 Sie dient meist auch der Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung. Diese Funktion wird im folgenden vernachlässigt.

2

Einleitung

tersversorgung oder ergänzende Altersversorgung genannt 3 . Sie ist nach einem verbreiteten Sprachgebrauch neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der Eigenvorsorge 4 die zweite Säule eines dreigliedrigen Systems der Altersvorsorge der Arbeitnehmer 5 . Im Verhältnis der Bedeutung der drei Säulen der Alterssicherung zueinander spiegelt sich die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Vielfalt in Europa 6 . Das Bedürfnis nach einer Zusatzsicherung durch eine Betriebsrente ist um so größer, je niedriger das gesetzliche Rentenniveau ist. Für eine betriebliche Altersversorgung ist dort Bedarf, wo das staatliche Altersruhegeld dem Rentner kein adäquates Versorgungsniveau 7 sichert. Welches Versorgungsniveau durch die erste und zweite Säule anzustreben ist, hängt vom jeweiligen Einkommensniveau, dem Immobilienbestand in Arbeitnehmerhand, der Bereitschaft und Möglichkeit zur langfristigen Eigenvorsorge (Sparquote) und weiteren Faktoren ab 8 . Ungeachtet der Tatsache, daß es hier sowohl individuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmern als auch generelle, kulturell und wirtschaftlich bedingte U n terschiede in den Staaten Europas gibt, läßt sich feststellen, daß die Verbreitung und Höhe von Betriebsrenten um so größer ist, je weniger die staatliche Altersversorgung den Lebensstandard des Rentners aufrechtzuerhalten in der Lage ist. Das zeigt ein Vergleich der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und der jeweiligen Rentenversicherungsstandards in Europa 9 : In Staaten, in denen allen Rentnern nur ein einheitlicher und relativ geringer Grundbetrag (Volksrente) zur Verfügung steht oder aber das an das Erwerbseinkommen anknüpfende Rentenniveau relativ gering ist - so in D ä n e m a r k 1 0 , Schweden 1 1 , in den Niederlanden 1 2 , 3 In der Schweiz spricht man von „beruflicher Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge" (vgl. dazu Pfitzmann, ZIAS 1988, 64ff.), in Großbritannien von „occupational pensions", in Frankreich von „pensions de retraite complémentaires" und „surcomplémentaires". 4 Hierher gehören insbesondere Kapitalvermögen und private Versicherungsverträge, aber auch Versorgungsbezüge auf Grund der Mitgliedschaft in einer der für Angehörige der freien Berufe geschaffenen berufsständischen Versorgungseinrichtung. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rn. 176. Begreift man die entschuldete eigengenutzte Immobilie als eine eigene Säule der Alterssicherung, läßt sich auch von einem Vier-Säulen-Modell sprechen, vgl. FAZ vom 23.05.1997, S. 24. 5 In Frankreich sieht man die Altersversorgung als aus vier Etagen aufgebaut: Die obligatorische zweite und die freiwillige dritte Etage bilden zusammen die zweite Säule i.S. des Drei-Säulen-Modells. Dazu näher unten §5 C. (S.240ff.). 6 Vgl. etwa Birk, ZfA 1988, 105ff.; Mitteilung der Kommission, S E K (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.32ff.; Steinmeyer, EuZW 91, 45ff.; Burgio, BetrAV 1994, 201 ff.; 7 Burgio, BetrAV 1994, 202 schlägt 75% des letzten Arbeitseinkommens als angemessene Altersrente (erste und zweite Säule) vor. 8 Vgl. etwa Brittan, BetrAV 1992, 99. 9 Werner, V W 1993, 903ff., Burgio, BetrAV 1994, 201 ff.; Abrend/Rößler, BddW 19.09. 1994, S.9; Döring, BetrAV 2000, 7ff. 10 S.o. Fn.9. 11 Tarifvertragliche Zusatzrenten sind weit verbreitet. Tarif gebundene Arbeitgeber sind verpflichtet, Zusagen nach verschiedenen Plänen an Angestellte und gewerbliche Arbeitnehmer zu machen. Schmidt, BetrAV 1995,51 ff. Zur Reform der gesetzlichen Altersrente in Schweden Köhler, BetrAV 2000, 9ff. 12 Steinmeyer, EuZW 91, 46.

A.

Untersuchungsgegenstand

Großbritannien und Irland 1 3 und Frankreich 1 4

3

besteht ein ergänzender, den Lebensstan-

dard sichernder Versorgungsbedarf zumindest für alle Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichem Verdienst. Hier ist die betriebliche Altersversorgung besonders stark verbreitet. Auf der anderen Seite ist bspw. in Portugal und in Italien die Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung so hoch, daß für eine betriebliche Zusatzaltersversorgung außer für Spitzenverdiener kein Bedürfnis besteht 1 5 . Auch in Spanien bieten die verdienstabhängigen gesetzlichen Altersruhegelder ein relativ hohes Einkommen, so daß die N o t wendigkeit eines zusätzlichen Schutzes relativ gering ist 1 6 . D e u t s c h l a n d n i m m t , w a s die H ö h e des S o z i a l v e r s i c h e r u n g s n i v e a u s u n d die V e r b r e i t u n g b e t r i e b l i c h e r A l t e r s v e r s o r g u n g a n g e h t , in E u r o p a e i n e n m i t t l e r e n Platz ein17. Insbesondere wegen der zu erwartenden demographischen E n t w i c k l u n g , d e r a u c h f ü r die n ä c h s t e n J a h r e p r o g n o s t i z i e r t e n h o h e n S o c k e l a r b e i t s l o s i g keit und der Belastung der Rentenkassen durch versicherungsfremde Leistungen ist s e l b s t b e i w e i t e r s t e i g e n d e n B e i t r ä g e n das R e n t e n n i v e a u v o n d e r z e i t 7 0 % des N e t t o l o h n s a u f D a u e r n i c h t g e s i c h e r t . E i n e u m f a s s e n d e N e u s t r u k t u r i e r u n g des R e n t e n s y s t e m s w i r d daher unter den S t i c h w o r t e n K a p i t a l d e c k u n g statt U m l a g e finanzierung, leistungsunabhängige G r u n d r e n t e , Steuer- statt Beitragsfinanzier u n g seit J a h r e n i n t e n s i v d i s k u t i e r t 1 8 . M u ß das N i v e a u d e r g e s e t z l i c h e n R e n t e a b g e s e n k t w e r d e n o d e r e r s c h e i n t i h r e B a s i s n i c h t z u k u n f t s s i c h e r , h a t dies A u s w i r k u n g e n a u f die b e i d e n a n d e r e n S ä u l e n i m d r e i g l i e d r i g e n S y s t e m d e r A l t e r s s i c h e rung. In A n b e t r a c h t der Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversic h e r u n g s t e h t z u e r w a r t e n , d a ß die w i r t s c h a f t l i c h e u n d s o z i a l p o l i t i s c h e B e d e u tung der zweiten Säule „ B e t r i e b s r e n t e " z u n e h m e n m u ß 1 9 . T r o t z der wachsenden S c h w i e r i g k e i t e n f ü r die g e s e t z l i c h e A l t e r s r e n t e z e i g t j e d o c h die S t a t i s t i k , d a ß die b e t r i e b l i c h e A l t e r s v e r s o r g u n g in d e n 9 0 e r J a h r e n in D e u t s c h l a n d n i c h t z u - , s o n d e r n a b g e n o m m e n hat. D i e s h a t k o n j u n k t u r e l l e G r ü n d e , h ä n g t a b e r a u c h m i t u n g ü n s t i g e n s t e u e r l i c h e n u n d a r b e i t s r e c h t l i c h e n R a h m e n b e d i n g u n g e n f ü r die b e Vgl. Förster/Kaether, BddW 26.09. 1994, S.9; Burgio, BetrAV 1994, 202. In dem nach Versicherungsprinzipen organisierten französischen gesetzlichen Rentensystem erreicht die Sozialrente nur einen relativ geringen Prozentsatz des Arbeitnehmereinkommens. Hier wird die gesetzliche Sozialversicherungsrente durch eine Pflichtzusatzversorgung ergänzt, die die Gesamtpension auf mindestens 5 5 % des letzten Arbeitseinkommens für alle Arbeitnehmer hebt, weshalb wenig Raum für eine zusätzliche freiwillige Betriebsrente („pensions de retraite surcomplementaires" bleibt, vgl. Foerster/Kaether, BddW, 26.09. 1994, S.9; Burgio, BetrAV 1994,202; Steinmeyer, EuZW 1991,46; Samson, BetrAV 2000,16ff. Näher zur Pflichtzusatzversorgung in Frankreich unten §5 C. (S.240ff.). 15 Burgio, BetrAV 1994, 202. Vgl. zu einem Gesetz zur Stärkung der zweiten Säule über Pensionsfonds, in Kraft getreten am 11.08. 1997, IPC Information Dezember 1998. 16 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08.1991, S. 34. Zum Gesetz 8/87 über Altersversorgungspläne und Altersversorgungskassen und seine möglichen Auswirkungen auf die Verbreitung betrieblicher Altersversorgung Abele, ZIAS 1988, 283ff.; zum Gesetz 30/95 IPC Information Juli 1996 und IPC Information Dezember 1998. 17 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.33; Burgio, BetrAV 1994,202. 18 Vgl. nur Möschel, ZRP 1988, 413ff. und die Nachweise zur sog. Pensionsfonds-Diskussion unten §4 C.III. (S.198ff.). 19 Dazu ausführlicher Brittan, BetrAV 1992, 98f. 13 14

4

Einleitung

triebliche Altersversorgung in Deutschland zusammen 20 . Eine ähnliche Diskrepanz zwischen einem wachsenden Bedürfnis nach einer Zusatzaltersversorgung einerseits und einer Stagnation betrieblicher Altersversorgung andererseits ist auch in den meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzustellen 21 . Die Untersuchung beschränkt sich weitgehend auf die Zusatzaltersversorgung der abhängig Beschäftigten des privaten Sektors. Ausgeklammert ist durch diese arbeitsrechtliche Fragestellung zum einen die Zusatzaltersversorgung durch die berufsständischen Versorgungswerke der freien Berufe. Diese Beschränkung folgt dem überkommenen Verständnis des Arbeitsrechts. Zwar können Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt in der Zukunft dazu führen, daß für immer mehr Menschen nicht nur keine Arbeitsstelle auf Lebenszeit zur Verfügung steht, sondern auch von ihnen vermehrt ein Wechsel zwischen selbständiger und abhängiger Tätigkeit gefordert ist. Auf eine solche Veränderung wäre mit einer Koordination der verschiedenen Alterssicherungssysteme zu reagieren. Diese Frage ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Außerhalb des Untersuchungsgegenstandes liegen zum anderen die Altersversorgung der Beamten wie auch der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, die in Deutschland und den anderen europäischen Staaten eigenen Regeln unterliegt 22 , sowie die Altersversorgung von Beamten und sonstigen Bediensteten der E U und ihrer Institutionen 23 , wie etwa die jüngst eingeführte betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der E Z B .

2. Systeme betrieblicher

Altersversorgung

in Europa

Der Untersuchungsgegenstand erfaßt ganz unterschiedlich organisierte Systeme betrieblicher Altersversorgung in Europa. Während das sozialversicherungsrechtliche Schutzniveau (erste Säule) maßgeblich die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt, bedingen Unterschiede insbesondere im Ar20 H - B e t r A V / U e b e l h a c k , Ordnr. 10 Rn. 147ff.; Urbitsch, BetrAV 1994,19; aba-Vorstand, Memorandum zur Sicherung und Förderung der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland, BetrAV 1995, 1 ff.; Husmann, BetrAV 1998, 7; Ende 1990 hatte über ein Drittel aller Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe mit drei oder mehr tätigen Personen eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. 46,7% aller Arbeitnehmer in Deutschland waren durch eine Betriebsrente zusätzlich, häufig allerdings nur in geringem Umfang, abgesichert oder konnten verbindlich mit einer Betriebsrentenzusage rechnen. 51,6% aller vollzeitbeschäftigten und 19,9% aller teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer waren in eine betriebliche Altersversorgung einbezogen. Vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 07.05. 1992. 21 Vgl. Zavvos C M L R 1994, 610 unter Hinweis auf K O M (93) 700 endg. vom 05.12. 1993; Burgio, BetrAV 1994, 202. 22 Vgl. Steinmeyer, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 53ff.; für eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme der Altersversorgung des öffentlichen Dienstes in Europa von Puskäs, BetrAV 1996, 245 ff. Zur teilweisen Anwendbarkeit des BetrAVG auf Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes H - B e t r A V / G r i e b e l i n g , Ordnr. 30 Rn. 40ff.; H-BetrAV/ß^er, Ordnr. 80; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 18 Rn. 1 ff. 23 Vgl. hierzu Rogalla, Dienstrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 190ff.

A.

Untersuchungsgegenstand

5

beits-, Versicherungs-, Insolvenz- und Steuerrecht 24 die unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzaltersversorgung. Indes lassen sich die so heterogenen Betriebsrentensysteme in Europa anhand verschiedener Kriterien zu großen Gruppen ordnen. Mit dem Finanzierungsmodus und der Freiwilligkeit betrieblicher Altersversorgung sollen hier zwei Einteilungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die für die in dieser Arbeit zu behandelnden europarechtlichen und kollisionsrechtlichen Fragen von besonderer Bedeutung sind. (1) Hinsichtlich des Finanzierungsmodus lassen sich intern und extern finanzierte Systeme unterscheiden. In Deutschland dominiert die Zusageform der Direktzusage. Sie wird überwiegend über den zu versteuernden Gewinn mindernde Pensionsrückstellungen finanziert, so daß die Zusatzaltersversorgung vor allem als eine unternehmensinterne betriebswirtschaftliche Größe erscheint. Dieses System der internen Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung durch Pensionsrückstellungen ist die Ausnahme in Europa. Es ist ansonsten nur noch in Osterreich 25 und in Luxemburg 2 6 anzutreffen, im übrigen unüblich (so im Vereinigten Königreich 27 ) oder gar unzulässig (so in Belgien 28 , den Niederlanden 2 9 Spanien 30 und der Schweiz 31 ). Andererseits ist in Deutschland eine externe Fondsfinanzierung britischen oder niederländischen Zuschnitts unbekannt. In Großbritannien und den Niederlanden stellen die Pensionsfonds die größten institutionellen Investoren am Kapitalmarkt dar 32 , die Betrachtung der Zusatzal24 Große Unterschiede bestehen in der Besteuerung der Beiträge zu Altersversorgungssystemen beim Arbeitgeber und beim Arbeitnehmer, der Leistungen aus solchen Systemen, des Vermögens und der Erträge selbständiger Einrichtungen zur Altersversorgung wie auch der steuerlichen Anerkennung von Pensionsrückstellungen. Vgl. hierzu ausführlich Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev.l., S.13ff.; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.32ff. 25 Rößler/Hauner, BddW 10.10.1994, S. 9; Förster/Heger, BddW 21.11.1994, S. 9; IPC Information, Dezember 1995; Schrammel, ZAS 1991, 77. 26 Schroeder/Deprez, Rapports du Luxembourg, S. 5; Les pensions complémentaires au Luxembourg, Etude statistique, S. 9:75% der Arbeitgeber in der Privatwirtschaft und 76% ihrer Arbeitnehmer sind einem intern über Bilanzrückstellungen finanzierten Pensionsplan angeschlossen. 27 Hosking's Pension Schemes and Retirement Benefits, 11-04, 5-137 zu „non-funded unapproved schemes". In Schweden ist eine Finanzierung über Pensionsrückstellungen für Gehalts-, nicht aber für Lohnempfänger möglich, Förster/Heger, BddW 21.11. 1994, S. 9. 28 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.32. 29 Terwey, Handelsblatt vom 11.05. 1998, S. 10. Die handelsrechtliche Rückstellungsbildung ist in allen Mitgliedstaaten zulässig, aber in vielen wird diese steuerlich nicht anerkannt. So Höfer, BetrAV 1991, 149 zur damaligen 12er Gemeinschaft. 30 IPC Information Juli 1996 und Dezember 1998 zum Gesetz 30/95. 31 Walser, BetrAV 1997, 309. 32 Zum in der betrieblichen Altersversorgung in Europa gebundenen Vermögen Becher, BetrAV 1996,13 ff. Die Deckungsmittel der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland betrugen 1993 nach Schätzungen der AB A ca. 460 Mrd. DM. Darauf entfielen 259 Mrd. DM auf rückstellungsfinanzierte Direktzusagen, ca. 106 Mrd. DM auf Pensionskassen, ca. 40 Mrd. DM Unterstützungskassen und ca. 56 Mrd. DM waren in Direktversicherungen gebunden. Vgl. BetrAV 1995, 35. zum Vermögen und Versichertenbestand der 40 größten deutschen Pensionskassen, Stand 1992, Steinmeyer, in: GVG, Zusatzversorgungssysteme, S. 63.

6

Einleitung

tersversorgung als eines eigenen Wirtschaftszweigs („pensions industry") ist in Großbritannien verbreitet. Die französische Altersversorgung auf tarifvertraglicher Grundlage schließlich wird im Umlageverfahren finanziert 3 3 . Mit den unterschiedlichen Finanzierungsmodi einher gehen Unterschiede in der Besteuerung der Beiträge zu Altersversorgungssystemen beim Arbeitgeber und beim Arbeitnehmer, der Leistungen aus solchen Systemen und des Vermögens und der Erträge selbständiger Einrichtungen zur Altersversorgung wie auch der steuerlichen Anerkennung von Pensionsrückstellungen 34 . Die steuerlichen Rahmenbedingungen bestimmen maßgeblich die Ausgestaltung und Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Daß in Deutschland der Durchführungsweg der unmittelbaren Zusage und die Finanzierung über Pensionsrückstellungen vorherrschen, ist überhaupt nur durch die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu erklären 35 . Diese werden als Datum in dieser Arbeit zur Kenntnis genommen, sind aber nicht Gegenstand der Erörterung. (2) Die Freiwilligkeit der Versorgungszusage ist typisch für das deutsche System betrieblicher Altersversorgung 36 , das mit dem für allgemeinverbindlich erklärten Altersversorgungstarifvertrag aber auch eine obligatorische, auch den nicht tarifgebundenen Arbeitgeber verpflichtende Versorgung kennt 37 . Typischerweise aber ist der Arbeitgeber in der Entscheidung frei, ob er eine betriebliche Altersversorgung gewährt, welcher Durchführungswege er sich bedient, welchen objektiv abgrenzbaren Personenkreis er einbezieht und wie er das Versorgungssystem dotiert. Auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt die Betriebsrente eine freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers dar 38 . In einigen Mitgliedstaaten dominieren allerdings weitreichende, auf kollektivvertraglicher Grundlage errichtete und durch den Staat für obligatorisch erklärte Systeme. Dies ist etwa der Fall in den Niederlanden, wo der Anschluß an ein industrieweites, kollektiwertraglich errichtetes Betriebsrentensystem staatlich, durch Erlaß des zuständigen Staatssekretärs für den gesamten Wirtschaftszweig angeordnet werden kann 39 . Ähnlich ist Rößler/Hauner, BddW, 10.10. 1994, S.9. Vgl. hierzu ausführlich Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92DE rev.l., S. 13ff.; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.32ff. 35 Vgl. Höfer, BetrAV 1991, 147, 149. 36 Sie ist aber kein „Wesensmerkmal", H-BetrÄS//Griebeling, Ordnr. 30 Rn.4; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.40; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 153ff. Ist die Zusage aber einmal erteilt, sind die daraus hervorgehenden Leistungsverpflichtungen vertraglich geschuldet. Vgl. nur Blomeyer, FS Zeuner, S. 7. 37 Höfer, BetrAVG, ART, Rn.36 m.w.N. Die Leistungen nach der Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversicherung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 09.03. 1954 stellen nach h.M keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dar, da diese Versorgung von den Unternehmen nicht freiwillig eingeführt wurde. Sie wurde im Einigungsvertrag dem Sachgebiet gesetzliche Rentenversicherung zugeschlagen. Vgl. WindikrbYJAhrend/Förster, §110 Rn.23. 38 Rößler/Hauner, BddW 10.10. 1994, S.9; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S. 32ff. 39 IBIS Review, Nr. 12 1994, S.4: Eine solche Anordnung ist für 66 industrieweite Pensions33

34

A.

Untersuchungsgegenstand

7

die S i t u a t i o n in F r a n k r e i c h , w o die d u r c h die S o z i a l p a r t n e r e r r i c h t e t e n u n d d u r c h die R e g i e r u n g f ü r a l l g e m e i n v e r b i n d l i c h e r k l ä r t e n S y s t e m e A G I R C u n d A R C C O ü b e r die i h n e n a n g e s c h l o s s e n e n A l t e r s v e r s o r g u n g s e i n r i c h t u n g e n e i n e P f l i c h t z u s a t z v e r s o r g u n g f ü r p r a k t i s c h alle s o z i a l v e r s i c h e r u n g s p f l i c h t i g b e s c h ä f t i g t e n A r b e i t n e h m e r b e r e i t s t e l l e n 4 0 . A u c h in D ä n e m a r k g i b t es eine o b l i g a t o r i s c h e t a r i f v e r t r a g l i c h e Z u s a t z r e n t e 4 1 . I n d e r S c h w e i z ist d e r A n s p r u c h a u f die z w e i t e S ä u l e d e r Altersversorgung gesetzlich verankert (obligatorisches betriebliches Altersversorgungssystem42). D i e grundsätzliche Freiwilligkeit der B e t r i e b s r e n t e im deutschen System darf n i c h t z u d e m M i ß v e r s t ä n d n i s v e r l e i t e n , es h a n d e l e s i c h u m eine u n e n t g e l t l i c h e Z u w e n d u n g des A r b e i t g e b e r s . D i e B e t r i e b s r e n t e ist n a c h h e u t i g e m V e r s t ä n d n i s v i e l m e h r E n t g e l t f ü r die - w i e a u c h i m m e r d e f i n i e r t e - L e i s t u n g des A r b e i t n e h mers im Arbeitsverhältnis. In Deutschland hat sich das Verständnis betrieblicher Altersversorgung in den letzten 30 Jahren grundlegend gewandelt. Ging die Rechtsprechung des B A G etwa seit 1968 im Anschluß an Hilger43

und Heissmann44

- von einem Doppelcharakter (Fürsorge-

und Entgeltcharakter) des Ruhegelds aus, wurde in späteren Entscheidungen der Begriff des „Fürsorgecharakters" zunehmend öfter durch den Begriff des „Versorgungscharakters" ersetzt 4 5 . Während weitgehender Konsens hinsichtlich des Entgeltcharakters des Ruhegeldes besteht 4 6 , ist weiterhin streitig, ob sich die Dogmatik betrieblicher Altersversorgung im deutschen Recht allein auf den Entgeltgedanken gründen läßt 4 7 fonds erfolgt. Vgl. auch E u G H 28.09.1994, Rs. C-128/93, Fisscher, Slg. 1-4583, Schlußantrag des Generalanwalts Walter van Gerven, S. 1-3. Näher hierzu § 5 A.II.3. (S.223ff.). 40 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08.1991, S. 35; näher unten § 5 C. (S.240ff.). 41 Die Volksrente für die Bevölkerung insgesamt wird durch eine obligatorische tarifvertragliche Zusatzrentenregelung (ATP, Zusatzpension des Arbeitsmarktes) und tarifvertragliche Renten ergänzt. Petersen, DRV, 1997, 277ff., 286ff.; Jergensen, BetrAV 1996, 201 ff. 42 Wechsler, Die Einführung der obligatorischen 2. Säule; Schweizer, Die Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge seit dem Inkrafttreten des BVG; Schneider, Les régimes complémentaires, S. 211 ff.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rn.9; Birk, ZfA 1988, S. 106. 43 Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, zugleich ein Beitrag zum Recht der betrieblichen Arbeitsbedingungen. 44 Heissmann, Die betrieblichen Ruhegeldverpflichtungen. 45 Nach B A G vom 25.10.1994,3 AZR 279/94, AP Nr. 31 zu § 1 BetrAVG ist der Versorgungszweck neben den Merkmalen „ein den Versorgungsanspruch auslösendes biologisches Ereignis" und „Zusage aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses" das dritte konstitutive Merkmal einer „Leistung der Altersversorgung i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG"; näher Blomeyer, FS Zeuner, S. 5. 46 Vgl. Blomeyer, FS Zeuner, S. 6f., der meint, angesichts der gesetzlichen Regelungen des BetrAVG und einer 20jährigen Rechtsprechung, die im Prinzip auch die Zustimmung des BVerfG gefunden habe, sei Kritik daran realitätsfern; vgl. aber noch Wiedemann, FS Stimpel, S.968f. 47 So die Grundthese von Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung und Arbeitsverhältnis; dagegen etwa H - B e t r Ä S f / G r i e b e l i n g , Ordnr. 30 Rn. 13. Die Formel „Versorgungs- und Entgeltcharakter" des B A G solle deutlich machen, daß betriebliche Versorgungsleistungen im Unterschied zum laufenden Arbeitsentgelt nicht in einer unmittelbaren Austauschbeziehung zur Arbeit in der einzelnen Lohnzahlungsperiode stehen. Betriebliche Altersversorgung lasse sich nicht als vorenthaltener Lohn erklären.

8

Einleitung

u n d w o r i n L e i s t u n g u n d G e g e n l e i s t u n g b e s t e h e n u n d w i e sie m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t sind48.

Die in Deutschland so eingehend geführte Diskussion über die konstitutiven Begriffsmerkmale 4 9 betrieblicher Altersversorgung i.S. der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 BetrAVG u n d etwaiger darüber hinausgehender Wesensmerkmale 5 0 ist an dieser Stelle nicht weiterzuführen. Die Erörterung grenzüberschreitender Probleme m u ß sich von einem nationalen Begriffs- und Systemverständnis lösen. Auch wird nicht versucht, einen autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriff betrieblicher Altersversorgung zu entwickeln 5 1 . Zur Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit ist das oben dargelegte Verständnis betrieblicher Altersversorgung als zweiter Säule in einem dreigliedrigen System betrieblicher Altersversorgung ausreichend. N e b e n den „harten" rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es weitere historische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten, die Einfluß auf die Ausgestaltung der Betriebsrentensysteme haben. Zu diesen letzteren „weichen" Faktoren gehören eine unterschiedlich ausgeprägte Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer, der Entwicklungsstand des Kapitalmarkts, eine kooperative oder konfrontative Kultur der Arbeitsbeziehungen, eine Tradition der Arbeitgeberfürsorge und viele andere mehr. Eine umfassende rechtsvergleichende Bestandsaufnahme der sehr unterschiedlichen Systeme betrieblicher Altersversorgung in Europa, also des rechtlichen Rahmens und des Interessenumfelds, in das die unterschiedlichen Systeme eingebettet sind, ist hier nicht angestrebt und wäre allenfalls beschränkt auf ganz wenige Staaten mit dem Anspruch auf Aktualität zu leisten 52 . Allerdings wird im fol48 N a c h Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 67ff., 207 ist das Ruhegeld Vergütung f ü r die Gesamtheit der während des Arbeitslebens erbrachten Dienste; a.A. Blomeyer, FS Zeuner, S.6f., 15ff., 18, der f ü r die Arbeitgeberleistung nach den D u r c h f ü h r u n g s w e g e n unterscheidet. Die Leistung des Arbeitnehmers bestehe nicht in der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern in der langjährigen, mindestens 10jährigen Betriebszugehörigkeit. Arbeitgeber- u n d Arbeitnehmerleistung seien nicht synallagmatisch verknüpft; zu letzterem ebenso schon Stief, D e r Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 36f.; B D A , N Z A 1993,110: betriebliche Altersversorgung sei kein vorenthaltener Arbeitslohn, es bestehe keine Wertrelation zwischen dem Versprechen der Leistung einer betrieblichen Altersversorgung u n d der Gegenleistung des Arbeitnehmers. 49 Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1-39. 50 Ablehnend Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 4 0 f f . m . w . N . 51 Die Begriffsbildung des europäischen Gemeinschaftsrecht erfolgt a u t o n o m , nicht d u r c h Verweisung auf nationales Recht. Vgl. Steinmeyer, FS Kissel, S. 1167 m . w . N . Einen solchen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Begriff der betrieblichen Altersversorgung, der dieser Arbeit zugrundegelegt werden könnte, kann es noch nicht geben. Lediglich in konkreten Rechtsanwend u n g s z u s a m m e n h ä n g e n stellt sich etwa die Frage, welche Kriterien ein Altersversorgungssystem erfüllen muß, damit Art. 141 E G (Art. 119 E G V ) a n w e n d b a r ist (dazu E u G H 28.09.1994, Rs. C 200/91, Coloroll, Slg. 1-4389, Rn. 67, 68), oder ob eine Leistung „aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten" i.S. von Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/ E W G vom 14.02. 1977 k o m m t . 52 Z u r Rolle der Arbeitsrechtsvergleichung auch Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 15f.

A.

Untersuchungsgegenstand

9

genden immer wieder auf rechtliche Regelungen und die Praxis betrieblicher Altersversorgung im europäischen Ausland verwiesen, um die kollisionsrechtlichen und europarechtlichen Fragestellungen zu veranschaulichen.

II. Europäisches

Betriebsrentenrecht

Ein „europäisches Betriebsrentenrecht" im Sinne einer zusammenhängenden, konsistent organisierten Regelung der betrieblichen Altersversorgung gibt es ebensowenig wie ein „europäisches Arbeitsrecht" in diesem Sinne. Das Arbeitsrecht der Europäischen Gemeinschaft stellt sich als eine disparate Sammlung supranationaler Rechtsnormen unterschiedlicher Qualität dar 53 . Unter „europäischem Betriebsrentenrecht" wird im folgenden das primäre und sekundäre G e meinschaftsrecht auf dem Gebiet der und mit Bezug zur Zusatzaltersversorgung verstanden. Die Beschäftigung mit dem europäischen Betriebsrentenrecht ist noch recht jung. Kam z.B. der Jubiläumsbericht „50 Jahre Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung" von 1988 noch ohne Hinweis auf Europa aus 54 , ist die europäische Dimension der Zusatzversorgung in den letzten zehn Jahren ein zu berücksichtigender Faktor bei der Gestaltung von Betriebsrentensystemen in der Praxis 5 5 und ein prominenter Gegenstand des rechtswissenschaftlichen Diskurses 5 6 , der Rechtsprechung des E u G H 5 7 und der Rechtsetzung(süberlegungen) der Kommission 5 8 geworden. Das Europarecht verheißt mit den Grundfreiheiten der Freizügigkeit der Arbeitnehmer 5 9 , der Dienstleistungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit einen offenen Binnenmarkt für Arbeit suchende Bürger, Altersversorgungsleistungen 53 Vgl. MünchArb/ßzV^, §18 Rn. 1 ff. Unter EG-Arbeitsrecht wird in erster Linie das Primärrecht mit arbeitsrechtlichem Bezug und das sekundäre Arbeitsrecht der Gemeinschaft verstanden, aber auch Vereinbarungen auf Gemeinschaftsebene ohne Normqualität wie die Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 09.12.1989 und das Aktionsprogramm der EG-Kommission zur Anwendung der Gemeinschaftscharta vom 29.11. 1989 lassen sich - ungeachtet ihrer fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit (vgl. dazu unten § 1 A. I.) - hierzu rechnen. Auch die im weiteren Kreis der Mitglieder des Europarates geschlossenen Abkommen, die (u.a.) das Arbeitsrecht betreffen, und andere völkerrechtliche Abkommen, z.B. solche der Internationalen Arbeitsorganisation, die (zumindest auch) von europäischen Staaten gezeichnet wurden, gehören hierher. 54 Andresen, 50 Jahre A B A - Auftrag, Bewährung, Aufbruch, BetrAV 1988, 82ff. 55 Diskussionsforen sind in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (ABA) und auf europäischer Ebene die European Federation for Retirement Provision (EFRP). 5 6 Vgl. etwa das Schrifttumsverzeichnis Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Abschnitt K. 5 7 Eine Übersicht über die Rechtsprechung des E u G H zum Betriebsrentenrecht, die sich überwiegend mit Problemen des Lohngleichheitsgebots des Art. 141 E G (Art. 119 E G V ) beschäftigt, findet man etwa bei Borcbardt, IStR 1995, 36ff.; Höfer, B B 1994 Beilage 15 zu Heft 24/ 1994 vom 30.08. 1994; ders., N J W 1996, 297ff.; Preis, ZIP 1995, 891, 898ff.; Blomeyer, N Z A 1995, 49ff. 5 8 Dazu unten §1 (S.15ff.). 5 9 Zu möglichen Wegen zur Erreichung dieser Freizügigkeit Steinmeyer, EuZW 91, 47f.

10

Einleitung

nachfragende und Betriebsrentenmittel anlegende Arbeitgeber und externe Anbieter von Altersversorgung. Tatsächlich ist der Arbeitsmarkt national fragmentiert und die betriebliche Altersversorgung eine noch weitgehend nationale Angelegenheit. Im Vordergrund der Rechtsetzungsvorhaben in Brüssel stand zunächst die Verwirklichung der Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit im Hinblick auf die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung und -anlage von Mitteln zur Finanzierung betrieblicher Altersversorgung. Diese Vorhaben gediehen bis zu einem Richtlinienvorschlag, der dann scheiterte 60 . Daneben wurden Überlegungen zur Verwirklichung der Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer angestellt, die inzwischen in eine Richtlinie über die Wahrung ergänzender Rentenansprüche mündeten 6 1 . Eine weitgehende Rechtsangleichung der Betriebsrentensysteme in Europa, nicht nur einzelner arbeitsrechtlicher Anforderungen, kommt schon wegen der großen Systemunterschiede nicht in Betracht 6 2 . Auch eine Koordinierung der Betriebsrentensysteme analog der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme durch EG-Verordnungen 6 3 stößt wegen der ganz unterschiedlichen Organisation und Finanzierung und des unterschiedlichen Grades der Freiwilligkeit betrieblicher Versorgungszusagen auf ungleich größere Hindernisse. Die vorliegende Arbeit behandelt nicht alle Aspekte des europäischen Betriebsrentenrechts. Ihr geht es primär um die Verwirklichung der europäischen Grundfreiheiten der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit im deutschen Arbeitsrecht betrieblicher Altersversorgung. Nicht zum Untersuchungsgegenstand zählen dabei die im Steuerrecht begründeten Hindernisse für eine Verwirklichung der genannten europäischen Grundfreiheiten 6 4 . Insoweit beschränkt sich die Arbeit auf kurze Hinweise zu bestehenden Problemen. Die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit wird nur im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit aufgegriffen. Auch das Lohngleichheitsgebot des Art. 141 E G (119 E G V ) , einer der bisherigen Schwerpunkte des „europäischen Arbeitsrechts" und insbesondere der europäischen Judikatur, ist kein Thema dieser Arbeit. Die umfangreiche Rechtsprechung des E u G H zur Gleichbehandlung im Bereich betrieblicher

6 0 Vgl. insbesondere Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für Einrichtungen zur Altersversorgung, K O M (91) 301 endg. - S Y N 363 vom 12.11. 1991. Vgl. näher unten §1 D.III.4. (S.70ff.). 61 R L 98/49/EG vom 29.06. 1998. 62 Vgl. Steinmeyer, EuZW 1991, 46; Bnttan, BetrAV 1992, 100; in diesem Sinne auch der Sozialbericht 1990 der Bundesregierung, BT-Ds 11/7527 vom 29.6. 1990, S.88; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.2. Zum graduellen Unterschied zwischen den Begriffen Angleichung, Harmonisierung einerseits und Vereinheitlichung andererseits Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 17ff. Zur Kompetenzfrage unten §1 B., C. (S.29ff., 41 ff.). 63 V O ( E W G ) Nr. 1408/71 vom 14.06. 1971 und V O ( E W G ) Nr. 574/72 vom 21.03. 1972, inzwischen vielfach geändert. 6 4 Vgl. hierzu Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l., S. 13ff.; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.32ff.; Grünbuch Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt, C O M (97) 283, S.23ff., Nr. 64ff.

B.

Aufgabenstellung

11

Altersversorgung 6 5 und die überbordende Literatur zur Frage der Lohngleichheit im allgemeinen und in bezug auf Betriebsrenten im besonderen 66 bedürfen einer eigenständigen Behandlung.

III. Internationales

Betriebsrentenrecht

Das internationale Betriebsrentenrecht (Kollisionsrecht der betrieblichen Altersversorgung) ist ein Teilgebiet des internationalen Arbeitsrechts (Arbeitskollisionsrechts). Während das internationale Arbeitsrecht darüber entscheidet, welches nationale Arbeitsrecht auf einen Sachverhalt mit internationalen Einschlag zur Anwendung kommt, beantwortet das internationale Betriebsrentenrecht diese Frage in bezug auf das Betriebsrentenverhältnis. Arbeitskollisionsrechtliche Fragen nach dem anwendbaren Betriebsrentenrecht stellen sich insbesondere bei allen Formen der konzerninternen grenzüberschreitenden Mobilität von Arbeitnehmern. Neben der Grundfrage der objektiven Anknüpfung und den Möglichkeiten der Rechtswahl für indivdidual- und kollektivrechtliche Versorgungszusagen sind insbesondere die Reichweite des Insolvenzschutzes nach den § § 7 - 15 BetrAVG in Fällen mit Auslandsberührung und das Schicksal von Versorgungsansprüchen und -anwartschaften beim internationalen Betriebsübergang zu erörtern. Mit der Beantwortung dieser Fragen werden zugleich die Möglichkeiten abgesteckt, betriebliche Altersversorgung im internationalen Konzernverbund grenzüberschreitend zu organisieren 67 . Dabei sind Kollisionsrecht und Sachrecht schon über die Zentralnorm des Art. 30 Abs. 1 EGBGB und den dort verankerten kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich materieller Arbeitnehmerschutzregelungen miteinander gekoppelt. Die kollisionsrechtliche Untersuchung muß daher auch sachrechtliche Betrachtungen anstellen und sachrechtlichen Folgefragen bei Auslandsberührung nachgehen. Sie mündet daher an verschiedenen Stellen in eine Untersuchung des internationalen Betriebsrentenrechts in einem weiteren Sinne 68 . Wegen der Verzahnung mehrerer Rechtsgebiete bei der Regelung betrieblicher Altersversorgung und der Möglichkeit der Einschaltung externer Versorgungsträger werden außer den angesprochenen arbeitskollisionsrechtlichen Fragen je nach Durchführungsweg auch solche des internationalen Versicherungs-, Insolvenz-, und Sozialversicherungsrechts behandelt. Nicht zum Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit gehören dagegen durch grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung aufgeworfene Fragen des internationalen Steuerrechts. 65 S.o. Fn. 57. Zuletzt E u G H 10.02. 2000, Rs. C-50/96, Deutsche Telekom AG/Schröder, NZA 2000,313. 66 Vgl. zu den oben F n . 5 8 genannten noch Ellis/Morrell, I L J 1982, 16ff.; Hanau/Preis, DB 1991,1276ff.; Beyer, B e t r A V 9 2 , 6 f f . ; Borchardt, BetrAV 1993,259; Klein/Reichenbach, DB 1994, 1618ff.; Schaub, W i B 1994, 503 ff.; Schneider, Les régimes complémentaires, S. 127ff. 67 Zur betrieblichen Alterversorgung im transnationalen Konzern ohne Auslandsberührung Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S.231 ff-, 238ff. 68 Vgl. zu diesem weiten ungenauen Begriff in A b g r e n z u n g zu einem engen, technischen Begriff des internationalen Privatrechts Kropholler, Internationales Privatrecht, § 1 I, S. 1.

12

Einleitung

B.

Aufgabenstellung

Aufgabe der Untersuchung ist es, das Zusammenwirken des Europarechts und des deutschen Kollisions- und Sachrechts der Zusatzaltersversorgung in grenzüberschreitenden Zusammenhängen herauszuarbeiten. Die Frage nach der Bedeutung des internationalen Privatrechts für die Entwicklung und das Funktionieren eines europäischen Binnenmarktes 6 9 im Bereich der Zusatzaltersversorgung und für die Verwirklichung der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit im besonderen erschließt sich nicht leicht. Die Kommission ignoriert den kollisionsrechtlichen Aspekt in ihren Rechtsetzungsbemühungen zur Zusatzaltersversorgung bislang weitgehend 7 0 . An vielen Stellen aber stößt man auf Berührungspunkte des internationalen und des europäischen Betriebsrentenrechts. Eine erste Verwandtschaft zeigt sich schon in dem transnationalen Element der europäischen Grundfreiheiten der Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit, das eine Parallele in der Auslandsberührung als Voraussetzung für das Eingreifen von Kollisionsrecht hat 71 . Im deutschen Schrifttum ist das Verhältnis von Europarecht und internationalem Privatrecht seit Ende der 80er Jahre Gegenstand der Erörterung und systematischen Erfassung 7 2 . Der Einfluß des Europarechts auf das nationale Kollisionsrecht ist vielfältig. Das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht kann unmittelbar Rechtsquelle des I P R sein. In dem staatsvertraglichen E V U 7 3 und der hierauf fußenden Neufassung des E G B G B ist der europäische Einfluß 7 4 und im sekundären Kollisionsgemeinschaftsrecht der Versicherungsrichtlinien und dem hierauf aufbauenden E G W G der gemeinschaftsrechtliche Einfluß auf das nationale Kollisionsrecht offenkundig. Uber das Gebot der Gemeinschaftsrechtskonformität beeinflußt das europäische Recht mittelbar das Kollisionsrecht 7 5 . In dieser Hinsicht ist der Einfluß des Europarechts der Maßgeblichkeit der Wertordnung der Verfassung auch im internationalen Privatrecht, wie sie seit der Spanier-

Zum Begriff des Binnenmarktes näher unten §1 B.II. 1. (S. 31 f.). Vgl. aber Art. 6 R L 98/49/EG vom 29.06. 1998. Die erforderlichen Maßnahmen können auch kollisionsrechtliche Weichenstellungen umfassen. Vgl. §6 B.III.2.c) (S.276f.). 71 Dazu unten §2 B.I. (S.83ff.) und §6 B.I. (S.260ff.). 72 Vgl. etwa Steindorff, EuR 1981,426ff.; Kreuzer, in: Müller/Graff, Gemeinsames Privatrecht in der E G , S. 373ff.; Roth, IPrax 1994, 165ff.; Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR; Basedow, RabelsZ (59) 1995, 1 ff.; Martiny, in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn.29ff.; Sonnenberger, ZVglRW 95 (1996) 3ff. mit umfassenden Nachweisen. Die Diskussion findet fast allein im deutschen Schrifttum statt und konzentriert sich auf die Warenverkehrsfreiheit und parallele Probleme der Dienstleistungsfreiheit. Vgl. für eine Entscheidung aus dem Grenzbereich von Arbeitskollisionsrecht und Europarecht etwa E u G H 30.04. 1996, Rs. C-214/94, Boukhalfa, Slg. 1-2253. 73 Ubereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.06. 1980. 74 Brödermann, in: Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Rn. 68 bezeichnet das E V U als „gemeinschaftsrechtsnahen Staats vertrag". 75 Kreuzer, in: Müller/Graff, Gemeinsames Privatrecht in der E G , S. 398ff. 69

70

B.

Aufgabenstellung

13

entscheidung des BVerfG anerkannt ist, vergleichbar 76 . Methodisch zeigt sich der Primat des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht im Gebot der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Kollisions- und Sachrechts. Die europarechtskonforme Auslegung verändert das nationale Recht 7 7 . Der auf diesem Wege zu erreichenden Konvergenz der europäischen Betriebsrentensysteme sind freilich wegen der sehr unterschiedlichen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Altersversorgung in Europa Grenzen gesetzt. Mit der Zusammenschau von Europarecht, deutschem Kollisions- und Sachrecht der Zusatzaltersversorgung greift die Arbeit die These auf, daß der kollisionsrechtliche Ansatz und eine Koordinierung der Rechtsordnungen sich ergänzende bzw. alternativ zur Wahl stehende Mittel zur Lösung transnationaler Probleme sein können 7 8 . Das „europäische Betriebsrentenrecht" und das „internationale Betriebsrentenrecht" werden als zwei ineinandergreifende und aufeinander abzustimmende Mechanismen begriffen, um die Ziele des EG-Vertrages - für die Fragestellung dieser Arbeit: die europäischen Grundfreiheiten der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit - zu verwirklichen und der Internationalisierung der Arbeitsrechtsbeziehungen Rechnung zu tragen. Das Kollisionsrecht wird in den Dienst des Europarechts gestellt, die Funktion des Internationalen Privatrechts auch darin gesehen, als Instrument zur Verwirklichung der Gemeinschaftsziele zu dienen 79 . Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit können hierbei in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, wenn etwa die Altersversorgung bestimmter Arbeitnehmergruppen in der Hand eines bestimmten Versorgungsträgers monopolisiert wird, um die innerstaatliche und auch grenzüberschreitende Mobiliät dieser Arbeitnehmer zu gewährleisten. Die Perspektive des internationalen Betriebsrentenrechts im Kontext der europäischen Grundfreiheiten macht den Blick dafür frei, daß Kollisionsrecht kein bloß technisches Instrumentarium ist, das den Rechtsanwender zur anwendbaren Rechtsordnung führt. Vielmehr stehen die Rechtsordnungen, die von ihnen zur Verfügung gestellten Durchführungsmodelle betrieblicher Altersversorgung und mit ihnen die in dieser Branche tätigen Wirtschaftssubjekte im Wettbewerb. Eine Rechtsordnung, die ihrer Anwendbarkeit kollisionsrechtlich keine Hindernisse in den Weg stellt, hat Vorteile im Wettbewerb um die Durchsetzung unterschiedlicher Versorgungsmodelle. Eine Rechtsordnung, die in bestimmten Fällen mit Auslandsberührung nicht angewandt werden will (z.B. unter dem Stichwort 76 BVerfG 04.05. 1971,1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58. Dazu Kropholler, Internationales Privatrecht, S.34f. §5 III; von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. I, Rn. 234ff. 77 Vgl. etwa Wöhlermann, Richtlinienkonforme Auslegung im Europäischen Arbeitsrecht, die diese Rechtsmethodik am Beispiel arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsrichtlinien untersucht. 78 Vgl. von Bar (Hrsg.), Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1991. 79 Junker, RabelsZ 55 (1991), 623,628f.; so die gemeinsame Grundthese von Brödermann und Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR; s. auch das Vorwort von Kropholler/Nicolaysen, S. VIII.

14

Einleitung

„kein Export der Insolvenzsicherung"), verkennt, daß betriebliche Altersversorgung nicht nur eine (im deutschen R e c h t ) typischerweise freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers ist, vergleichbar einem preisgünstigen Kantinenessen, sondern Gegenstand einer potentiell international tätigen Dienstleistungsbranche. Ein offener Markt für diese Branche kann letztlich auch den zu versorgenden Arbeitnehmern zugute k o m m e n .

C. Gang der

Untersuchung

D i e Untersuchung gliedert sich in zwei Teile. Im Ersten Teil wird das europäische Betriebsrentenrecht behandelt, also Fragen der Rechtsetzungszuständigkeit und Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und der Verwirklichung der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit im deutschen Arbeitsrecht betrieblicher Altersversorgung. Im Zweiten Teil wird sowohl den kollisionsrechtlichen Fragen betrieblicher Altersversorgung als auch Folgefragen der Anwendung deutschen Sachrechts in Fällen mit Auslandsberührung nachgegangen. Dabei wird die Verwirklichung der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet der Zusatzaltersversorgung vor dem kollisionsrechtlichen Hintergrund der Rechtswahlmöglichkeiten erneut aufgegriffen. D i e Untersuchung schließt mit einer B e trachtung zum Zusammenspiel von europäischem und internationalem Betriebsrentenrecht, die die wesentlichen Erträge der Arbeit zusammenfaßt.

Erster Teil

Europäisches Betriebsrentenrecht: Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit § 1 Rechtsetzungszuständigkeit und Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen der betrieblichen Altersversorgung D e r Einfluß europäischen Rechts auf das R e c h t der betrieblichen Altersversorgung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft 1 ist vielfältig. Eine systematische Bestandsaufnahme dieses Einflusses hat die Wirkung primären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu unterscheiden. D i e Grundfreiheiten der Freizügigkeit, Niederlassungs-, und Dienstleistungsfreiheit sowie das Lohngleichheitsgebot gelten schon seit dem Ende der U b e r gangszeit am 3 1 . 1 2 . 1 9 6 9 unmittelbar 2 , die Kapitalverkehrsfreiheit wurde erst mit dem Vertrag von Maastricht zum 0 1 . 0 1 . 1994 unmittelbar wirksam 3 . Die G r u n d freiheiten durchdringen als primäres E G - R e c h t alle Rechtsbereiche, also auch die jeweiligen nationalen Mechanismen der Zusatzaltersversorgung. Gleichwohl hat der europäische Gesetzgeber nach wie vor den Auftrag, durch Richtlinien und Verordnungen den Gewährleistungsinhalt der Grundfreiheiten zu verdeutlichen und Maßnahmen zu ihrer Herstellung zu ergreifen 4 . Sekundäres E G - R e c h t wirkt auf die nationalen Betriebsrentensysteme in zweierlei Weise ein. Z u m einen gestaltet die Europäische Gemeinschaft über Richtlinien und Verordnungen gezielt das rechtliche U m f e l d der Zusatzaltersversorgung. Z u m anderen haben Rechtsetzungsakte, die primär anderen Lebensbereichen gelten, R ü c k - , Aus- oder Nebenwirkungen auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. So galten die Lebensversicherungsrichtlinien der Liberalisierung des Lebensversicherungsmarktes. Sie haben damit unmittelbare Aus1 Auch für die drei Staaten des EWR (Island, Norwegen, Liechtenstein) kann Binnenmarktrelevantes Gemeinschaftsrechts durch Übernahme verbindlich sein. Vgl. hierzu Groeben/ Krenzier, EU-/EG-Vertrag, Bd. 5, Architektur Europas, Rn.63ff. Praktisch geworden ist eine solche Übernahme etwa bei den drei Lebensversicherungsrichtlinien, dazu unten D.III.3.a) (S.66ff.) und §7B.I.2. und II.2. (S.316ff., 324ff.). 2 Groeben/Bardenhewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7 Rn. 14. 3 Groeben/Bardenhewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7 Rn. 14, Groeben/Kiemel, EU-/ EG-Vertrag, Art. 73b Rn. 19; Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 73b Rn.25ff. 4 Zur Freizügigkeit vgl. Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Art. 49 Rn. lf.; zur Dienstleistungsfreiheit Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 57 Rn. 7f. und Art. 66 Rn. 3 ff.

16

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Wirkungen auf den Durchführungsweg der Direktversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 BetrAVG, mittelbar aber auch auf die anderen Durchführungswege nach dem Betriebsrentengesetz. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, ob u n d inwieweit die Europäische Gemeinschaft die Kompetenz hat, die sozialen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der nationalen Zusatzaltersversorgungssysteme durch Sekundärrecht gezielt zu gestalten u n d umzugestalten. Diesem Panorama der Gestaltungsmöglichkeiten wird die sekundäre Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaft durch Verordnungen u n d Richtlinien, die das deutsche System betrieblicher Altersversorgung bewußt f o r m t bzw. mittelbar beeinflußt, gegenübergestellt. A u ß e r d e m wird auf in Arbeit befindliche wie auch gescheiterte Rechtsetzungsvorhaben der Europäischen Gemeinschaft zur Z u satzversorgung hingewiesen. Die Darstellung gliedert sich in vier fortschreitend enger fokussierte Teile. Im ersten Teil (A) wird die K o m p e t e n z o r d n u n g der Europäischen Gemeinschaft vorgestellt und auf die sich aus ihr ergebenden Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsetzung der Gemeinschaft im Bereich betrieblicher Altersversorgung hingewiesen. Im zweiten Teil (B) wird die Rechtsetzungszuständigkeit u n d -tätigkeit der Gemeinschaft aufgrund der allgemeinen K o m p e t e n z n o r m e n zur Verwirklichung des Binnenmarktes u n d des Gemeinsamen Marktes behandelt. Im dritten u n d vierten Teil (C und D) wird die Rechtsetzungszuständigkeit und -tätigkeit der Gemeinschaft aufgrund der speziellen K o m p e t e n z n o r m e n zur Sozialpolitik (C) und zur Verwirklichung der Grundfreiheiten der Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit (D) erörtert.

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

Gemeinschaft

I. Das Prinzip der Einzelermächtigung Eine allgemeine Rechtsetzungszuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft 5 auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung gibt es nicht. Die Gemeinschaftskompetenz bemißt sich überhaupt nicht nach Sachgebieten, sondern nach als Aufgaben formulierten Zielen 6 . Insoweit ein Ziel der Gemeinschaft definiert ist - z.B. die Beseitigung von Hindernissen f ü r den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 3 Abs. 1 lit. c E G , Art. 3 lit. c EGV) - kann sie aus der ihr damit gestellten Aufgabe allein aber noch keine Rechtsetzungskompetenz ableiten 7 . H i e r z u bedarf nach dem den EG-Ver5 Bleckmann, Europarecht, Rn.46; Streinz, Europarecht, Rn. 42, 121a f. Die Europäische U n i o n ist derzeit noch kein Völkerrechtssubjekt, weshalb hier begrifflich auf die weiter f o r t b e stehenden drei Europäischen Gemeinschaften, die wegen ihrer gemeinsamen O r g a n s t r u k t u r auch als Europäische Gemeinschaft ( E G ) bezeichnet w e r d e n k ö n n e n ( G r o e b e n / Z u l e e g , E U - / E G Vertrag, E U V Präambel Rn. 1), abgehoben wird. 6 Aufgabe ist jeweils die Erreichung des Ziels, vgl. G r o e b e n / S c h w a r t z , E U - / E G - V e r t r a g , Art. 235 Rn. 26; Birk, R d A 1992, 68; Steindorff, G r e n z e n der E G - K o m p e t e n z e n , S.29. 7 G r u n d l e g e n d Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 28/22, S. 559f.

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

17

Gemeinschaft

trag beherrschenden Prinzip der begrenzten E i n z e l e r m ä c h t i g u n g (Art. 5 A b s . l E G , A r t . 3 b A b s . 1 E G V ) spezieller Rechtsetzungszuständigkeiten8 der G e m e i n s c h a f t , die sich aus e i n z e l n e n B e s t i m m u n g e n d e r V e r t r ä g e a b l e i t e n lassen m ü s s e n 9 . Ziel u n d Inhalt eines R e c h t s a k t e s m ü s s e n v o n der gewählten R e c h t s g r u n d l a g e gedeckt sein10. In der üblichen F o r m u l i e r u n g der K o m m i s s i o n w e r d e n R e c h t s e t z u n g s a k t e a u f d e n V e r t r a g u n d eine o d e r m e h r e r e „ i n s b e s o n d e r e "

angeführte

K o m p e t e n z n o r m e n gestützt. Wegen der b l o ß enumerativen R e c h t s e t z u n g s k o m p e t e n z d e r E G ist d e r B e g r i f f „ i n s b e s o n d e r e " i r r e f ü h r e n d : E n t w e d e r es k a n n f ü r d e n f r a g l i c h e n R e c h t s e t z u n g s a k t e i n e K o m p e t e n z n o r m a n g e f ü h r t w e r d e n o d e r es gibt keine Rechtsetzungszuständigkeit11. F ü r R e c h t s e t z u n g s m a ß n a h m e n hinsichtlich der sozialen D i m e n s i o n betrieblic h e r Altersversorgung k o m m e n v o r allem A r t . 4 0 , 42, 94 E G (Art. 49, 51, 100 EGV)

sowie spezielle sozialpolitische K o m p e t e n z v o r s c h r i f t e n ,

für

Rechtset-

z u n g s m a ß n a h m e n in b e z u g a u f die w i r t s c h a f t l i c h e D i m e n s i o n b e t r i e b l i c h e r A l tersversorgung insbesondere Art. 47 Abs. 2 i.V.m. 55 E G und Art. 94 E G (Art. 57 A b s . 2 i . V . m . 6 6 E G V u n d A r t . 1 0 0 E G V ) als K o m p e t e n z v o r s c h r i f t e n in B e t r a c h t .

II. Art. 308 EG als

Ergänzungszuständigkeitsnorm

M i t A r t . 3 0 8 E G (Art. 2 3 5 E ( W ) G V ) enthält der E G - V e r t r a g eine subsidiäre K o m p e t e n z n o r m 1 2 , v o n w e l c h e r d e r R a t in d e r V e r g a n g e n h e i t h ä u f i g G e b r a u c h gemacht hat13, auch für Rechtsetzungsakte im Bereich der Zusatzaltersversorg u n g 1 4 . A r t . 3 0 8 E G soll die G e m e i n s c h a f t in die L a g e v e r s e t z e n , die V e r t r a g s z i e l e 8 O b im Hinblick auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft nur von Rechtsetzungszuständigkeit oder auch von Gesetzgebungszuständigkeit (so Birk, RdA 1992, 68; Blanpain/Schmidt/Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S. 106; Schwarze, NJW 1992, 1069) gesprochen werden kann, ist fraglich, wenn Merkmal des Gesetzes im materiellen Sinn die Setzung durch eine staatliche Autorität ist (vgl. kritisch zu den Begriffen des formellen und des materiellen Gesetzes Hesse, Verfassungsrecht, Rn 502). 9 Vgl. hierzu Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 3-35 S. 89; Oppermann, Europarecht, Rn.513; Groeben/Schwanz, EU-/EG-Vertrag, Art.235 Rn.9ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn.380ff.; Streinz, Europarecht, Rn.436; Birk, RdA 1992, 68.; MünchArbRA8z>£, §18 Rn.26; Kuhn, Die soziale Dimension, S.309ff.; Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S.43f.; Steinmeyer, ZI AS 1989,211.Das wird auch vom B Verf G in Entscheidung zum Vertrag von Maastricht betont, BVerfG 12.10.1993,2 BvR 2134,2159/92, BVerfGE 89,155,189ff. unter C II 2a, 3b. 10 E u G H 12.11. 1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755 unter Rn.25ff. 11 Zur teilweise grundrechtsvertretenden Funktion der Kompetenzvorschriften Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S.43f. 12 Die Terminologie ist uneinheitlich. Im Schrifttum wird Art. 308 E G (Art. 235 E G V ) auch als allgemeine Ergänzungszuständigkeitsnorm, Kompetenzergänzungsvorschrift, Abrundungsklausel, Vertragsergänzungsklausel usw. bezeichnet, Groeben/Schwartz, EU-/EG-Vertrag, Art. 235 Rn. 34; Röttinger in Lenz, EGV-Kommentar, Art. 308 Rn. 1. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen auch Everling/Schwartz/Tomuschat, EuR Sonderheft 1976, S.9ff., 36ff., 64ff.; Kuhn, Die soziale Dimension, S.318ff.; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S.87ff. 13 Vgl. die Aufstellung bei Everling, EuR Sonderheft 1976, 22ff. 14 Die R L 86/378/EWG vom 24.7. 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit stützt sich „insbesondere" auf Art. 100 und 235 E W G V (jetzt Art. 94 und 308 EG).

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51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

auch dort zu verwirklichen, w o der Vertrag die hierfür erforderlichen Ermächtigungen der Organe zum Handeln nicht an anderer Stelle erhält oder wo sie hierfür nicht ausreichen 15 . Art. 308 EG ermächtigt die Gemeinschaft dagegen nicht, Ziele des Vertrages zu erweitern oder neu zu begründen, Ziele zu ändern oder aufzuheben. Indem Art. 308 EG dem Rat eine begrenzte Kompetenz zuweist, die geeigneten Vorschriften zur Verwirklichung eines Vertragsziels zu erlassen, bestätigt er formal das Prinzip der begrenzten Ermächtigung 16 , weitet aber mit dieser Kompetenz zur Vertragslückenschließung materiell die Handlungsmöglichkeiten des Rates erheblich aus 17 . Eine materielle Kompetenz-Kompetenz zur Sprengung der gemeinschaftlichen Kompetenzordnung liegt darin nicht 18 . Wie weit die Kompetenznorm des Art. 308 EG reicht, hängt entscheidend von der - in Einzelfällen streitigen - Frage ab, welche im EG-Vertrag genannten Ziele als Ziele der Gemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind 19 , sowie davon, ob die primären Befugnisnormen ausreichen, die Vertragsziele zu erreichen. Die praktische Bedeutung des Art. 235 E(W)GV hatte mit dem Kompetenzzuwachs der Gemeinschaft durch das Inkrafttreten der EEA am 01.07. 198 7 20 und des Vertrags von Maastricht am 01.11.1993 abgenommen. Der am 01.05. 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam 2 1 bringt demgegenüber kaum Veränderungen hinsichtlich der Gemeinschaftskompetenzen 22 . Nach dem Prinzip der Einzelermächtigung ist für eine Anwendung des Art. 308 EG um so weniger Raum, je stärker das Kompetenzgefüge der Gemeinschaft ausdifferenziert ist. Soweit die zugewiesenen primären Befugnisse zur Erreichung des Ziels jedoch nicht ausreichen, kann nach der Rechtsprechung des EuGH weiterhin auf Art. 308 EG zurückgegriffen werden 2 3 . 15 Groeben/Schwartz, EU-/EG-Vertrag, Art.235 Rn. 18: Hilfsbefugnis zur Verwirklichung der Vertragsziele; Bleckmann, Europarecht, Rn. 787ff., 795. 16 Insoweit anders Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 339. 17 So schon Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 20/42, S. 435; Groeben/Schwartz, EU-/ EG-Vertrag, Art.235 Rn. 10; Kuhn, Die soziale Dimension, S. 313, 318ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn.339ff. 18 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 4/32, 8/10, 20/41, S.103, 189, 434f.; Groeben/ Schwartz, EU-/EG-Vertrag, Art. 235 Rn.9ff., 18ff. 23; Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 235 Rn. 2. 19 Everling, EuR Sonderheft 1976, 10ff.; umstritten ist etwa, ob aus der Präambel des Vertrages Vertragsziele abgeleitet werden können. Dazu Kuhn, Die soziale Dimension, S. 320ff.; Birk, RdA 1992, 72. 20 Im Bereich der Sozialpolitik war der Kompetenzzuwachs der Gemeinschaft allerdings nur gering. Vgl. Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 60ff., Ergebnis S.63. 21 Vertrag von Amsterdam vom 02.10. 1997, ABl. C 340 vom 10.11. 1997, S. 145ff. 22 Hilf/Pache, NJW 1998, 707 weisen auf eine neue Gemeinschaftskompetenz zur Gewährleistung des freien Personenverkehrs hin. Zur neuen Rechtsetzungsbefugnis in Titel IV, Art. 65 EG im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen noch unten §8 C.III.2.b)bb) (S. 371 ff.). 23 EuGH 15.11. 1994, Gutachten 1/94, Slg. 1994, 1-5267, 5405, 5414 Rn.59, 89; bestätigt in EuGH 13.07. 1995, C-350/92, Spanien/Rat, Slg. 1995, 1-1985, 2012 Rn.23; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S.93; Groeben/Schwartz, EU-/EG-Vertrag, Art. 220 Rn. 52-64.

A. Kompetenzordnung

III.

der Europäischen

Ungeschriebene

Gemeinschaft

19

Kompetenzerweiterungen

Nach der sogenannten implied powers-Lehre besteht eine ungeschriebene Gemeinschaftsbefugnis immer dann, wenn eine Materie, für die eine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz besteht, verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß gleichzeitig eine andere, nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird. Ungeschriebene Kompetenzerweiterungen nach dieser implied powers-Lehre sind etwa im internen Organisationsrecht der Gemeinschaft und bei der Bestimmung der völkerrechtlichen Außenkompetenzen, die den Kompetenzen im Innern parallel laufen, auch wenn sich hierfür keine ausdrückliche Bestimmung findet, anerkannt 2 4 . Die in der Literatur diskutierte Frage, ob es im europäischen Recht auch sonst Rechtsetzungskompetenzen kraft Sachzusammenhangs oder Annexkompetenzen gibt 2 5 , kann dahinstehen. Der Rechtsetzungspraxis genügte der Rückgriff auf Art. 235 E(W)GV. Art. 308 E G ist unzweideutig eine Kompetenznorm, wenn auch besonderer Art. Das in ständiger Rechtsprechung des E u G H 2 6 anerkannte Prinzip des effet utile schließlich zielt als Auslegungsmaxime auf die effektive Durchsetzung des G e meinschaftsrechts 2 7 . Hiernach ist auch bei der Auslegung von Kompetenzbestimmungen der Auslegung Vorzug zu geben, die die Verwirklichung der Vertragsziele am meisten befördert und die noch immer bestehende Diskrepanz zwischen Aufgaben und Befugnissen im E G V verringert.

IV. Subsidiaritätsprinzip

und

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Beschränkungen der Gemeinschaftskompetenzen ergeben sich aus den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Während die Kompetenzvorschriften des E G V einschließlich Art. 308 E G die Frage beantworten, ob überhaupt eine Befugnis der Gemeinschaft zum Tätigwerden gegeben ist, entscheiden die beiden genannten Prinzipien darüber, ob und wie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht werden darf 28 . Das im Vertrag von Maastricht in Art. 3b Abs. 2 E G V (jetzt Art. 5 Abs. 2 E G ) neu verankerte Subsidiaritätsprinzip besagt, daß die Gemeinschaft (außer im Be24 Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 189 Rn. 6-9, Art. 235 Rn. 3; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 338; Oppermann, Europarecht, Rn. 439f.; Kuhn, Die soziale Dimension, S. 317f.; Bleckmann, Europarecht, Rn.797ff.; Streinz, Europarecht, Rn.344, 465, 594; Birk, RdA 1992, 72. 2 5 Dazu Ipsen, Gemeinschaftsrecht, 20/43ff., S.436ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 797ff. auch zur Terminologie; Oppermann, Europarecht, Rn. 528. 2 6 Ständige Rspr. seit E u G H 06.10. 1970, Rs. 9/70, Grad/Finanzamt Traunstein, Slg. 825, 838 Rn. 5; Oppermann, Europarecht, Rn.528ff; Streinz, Europarecht, Rn. 398; Blomeyer, in: Blomeyer/Schachtschneider, Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, S. 52. 2 7 Beispiele sind die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung nicht umgesetzter Richtlinien oder die Nichtanwendung gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Rechts, vgl. E u G H 05.04. 1979, Rs. 148/78, Ratti, Slg. 1629 Rn. 18-24; E u G H 07.02. 1991, Rs. C-184/89, Nimz, Slg. 1-197, 321 Rn. 19; Bleckmann, Europarecht, Rn. 13, 18ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 528f. 28 So die h.M. Vgl. Groeben/Schwanz, EU-/EG-Vertrag, Art.235 Rn.65ff., 74.

20

$ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

reich der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen 2 9 , die für die Zusatzversorgung keine Rolle spielen) nur zuständig ist, soweit die gemeinschaftlichen Ziele sich nur oder zumindest besser auf Gemeinschaftsebene als auf nationaler Ebene verwirklichen lassen 30 . Es ist damit eine Kompetenzausübungsschranke 3 1 . Aus Art. 5Abs.2 E G kann nicht etwa eine Kompetenz zum Gemeinschaftshandeln abgeleitet werden, wenn ein Staat aus internen Gründen einer seiner nationalen Aufgaben nicht gewachsen ist 32 . Nach dem Subsidiaritätsprinzip muß sich die Gemeinschaft auf eine geschriebene oder u . U . auch ungeschriebene Kompetenznorm 3 3 für ihr Handeln stützen können, ist aber auch dann nur zuständig, wenn und soweit die einzelnen Mitgliedstaaten jeder für sich oder auch im Wege internationaler Zusammenarbeit 3 4 die im EG-Vertrag gesteckte Aufgabe nicht selbst bewältigen können 3 5 oder sie sich auf Gemeinschaftsebene besser, d.h. effizienter, schneller, mit geringerem institutionellem Aufwand bewältigen läßt 36 . Die Gemeinschaft kann schon deshalb besser geeignet sein, eine Aufgabe in Angriff zu nehmen, weil der Umfang oder die beabsichtigte Wirkung einer Maßnahme das Handlungsvermögen einzelner Mitgliedstaaten übersteigt 37 . Die Einzelheiten der Auslegung des Subsidiaritätsprinzips sind Gegenstand einer überbordenden Literatur 3 8 . An dieser Stelle geht es lediglich darum, den Kompetenzrahmen für Rechtsetzungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Zusatzaltersversorgung abzugrenzen. Es genügt daher festzustellen, daß soweit eine Ge-

2 9 Vgl. zu diesen Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn. 5; von Bogdandy/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 3b Rn.28ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 343. 30 Schweitzer/Hummer, Europarecht Rn.900 bezeichnen den Wortlaut des Art. 3b Abs.2 E G V als Kompromiß zwischen dem Notwendigkeits- und dem Effektivitätskriterium. 31 Groeben/Zx/eeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn. 18; von Bogdandy/Nettesheim in: Grabitz/ Hilf, EGV, Art.3b Rn.31; Möschel, N J W 1993, 3025; Isensee VSSR 1996, 180f. m.w.N.; EAS/ Haednch, B 1000, Rn.41. 32 Isensee, VSSR 1996, 180f.; Gesamtkonzept für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips des Europäischen Rates von 1992, II. Leitlinien, Abs. 2. 33 Zu den implied powers oben A.III. (S. 19). 3 4 So Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn.23. 3 5 Vgl. auch Gesamtkonzept für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips des Europäischen Rates von 1992, abgedruckt bei Blanpain/Schmidt/Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S.446ff. 36 Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art.3b Rn.23f. 3 7 Hierzu Groeben/Zx/eeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn.25. 38 Vgl. nur die Hinweise bei Groeben/Zx/eeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b; von Bogdandy/Nettesheim in: Grabitz/Hilf, EGV, Art.3b; Heintzen,}Z 1991, 317ff.; Pipkorn EuZW 1992, 697ff.; Möschel, N J W 1993, 3025ff. und aus dem speziellen Blickwinkel der europäischen Sozialpolitik Heinze, RdA 1994,4ff.; Konzen, EuZW 1995, 44ff.; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 223ff.; Isensee, VSSR 1996, 180ff. Während der deutsche Jurist mit einem Konzept der Subsidiarität in der föderalen Verfassungsordnung vertraut ist, verbindet der englische Jurist den Subsidiaritätsgedanken eher mit individueller Selbstverantwortung und einer entsprechenden Aufgabenteilung zwischen Individuum und Staat. Vgl. hierzu Emiliou, C M L R 1992, 383ff., 387, 406; Pipkorn, EuZW 1992, 698.

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

Gemeinschaft

21

meinschaftskompetenz zu bejahen ist, ihre konkrete Wahrnehmung im Einzelfall am Subsidiaritätsprinzip scheitern kann 39 . Eine weitere, in Art. 5 Abs. 3 EG (früher Art. 3b Abs. 3 EGV) unvollkommen fomulierte Kompetenzausübungsschranke 4 0 im Verhältnis der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten 41 ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser ist in ständiger Rechtsprechung des EuGH als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt 42 . Er verlangt, daß die Maßnahmen der Gemeinschaft geeignet, erforderlich und verhältnismäßig oder proportional im engeren Sinne sein müssen 43 . Liegt eine Befugnisnorm zur Rechtsetzung vor, ist das konkrete Rechtsetzungsvorhaben darauf zu prüfen, ob die Regelung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht wird. Handelt der europäische Normgeber auf einem Gebiet, auf dem er sozialpolitische Einschätzungen zu treffen und komplexe Abwägungen zu tätigen hat, ist ihm ein weiter Entscheidungsspielraum zuzuerkennen. Die Ausübung der Rechtsetzungsbefugnis kann daher nur daraufhin überprüft werden, ob ein offensichtlicher Irrtum oder ein Befugnismißbrauch vorliegt oder ob das Organ die Grenzen seiner Befugnis offenkundig überschritten hat 44 . Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bedeutet dies: Während sich nach dem Subsidiaritätsprinzip die generelle Frage stellt, ob die Gemeinschaft, die sich etwa für die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes als eines Vertragsziels auf Art. 94 EG als Kompetenznorm berufen kann, durch Rechtsetzungsmaßnahmen zur Zusatzaltersversorgung überhaupt tätig werden darf oder ob sich dieses Ziel nicht auch oder ebenso gut durch nationale Maßnahmen erreichen läßt, gibt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen Maßstab an die Hand, ob eine konkrete Maßnahme sich im gesteckten Rahmen hält. Damit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Kriterium der Subsidiarität in concreto 45 . 39 Zur Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Sozialpolitik der Gemeinschaft Weißbuch der Kommission zur europäischen Sozialpolitik KOM (94) 333 vom 27.07. 1994, S. 11 „positiver und aktiver Subsidiaritätsbegriff" und Entschließung des Rates zu den Perspektiven einer Sozialpolitik in Europa vom 06.12. 1994 (ABl. EG C 368/9 vom 06.12. 1994); Heinze, FS Wlotzke, S.670ff. 40 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die Rechtsprechung schon in den 70er Jahren zu einem übergreifenden Prinzip zur Begrenzung den einzelnen belastender gemeinschaftsrechtlicher - auch normativer - Akte entwickelt worden. Vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 699. 41 Während der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ursprünglich den Schutz des einzelnen vor belastenden Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zum Inhalt hatte (vgl. hierzu Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 701 ff., 838), ist er in dem durch den EU-Vertrag eingefügten Art. 3b EGV (jetzt Art. 5 EG) auf den Schutz der Mitgliedstaaten erweitert worden. Vgl. hierzu Groeben/Z«/eeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn. 29; Streinz, Europarecht, Rn. 145b. 42 Vgl. hierzu Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 690ff. 43 Von Bogdandy/Nettesheim in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 3b Rn. 50ff.; Groeben/Z«/eeg, EU-/ EG-Vertrag, Art. 3b Rn.30. 44 EuGH 12.11.1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, Rn. 57f.; Groeben/ Z u l e e g , EU-/EG-Vertrag, Art.3b Rn.30. 45 Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art.3b Rn.29; EAS/Haedrtch, B 1000, Rn.41. Nicht aber umgekehrt: Vgl. EuGH 12.11. 1996, Rs C-84/94, zur Rüge des Vereinigten Königreichs, daß eine Maßnahme nur verhältnismäßig sei, wenn sie dem Subsidiaritätsprinzip gerecht werde

22

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Die stärkere Hervorhebung des Subsidiaritätsprinzips im Vertrag von Maastricht hat in einem Teil der europarechtlichen Literatur zu einem Paradigmenwechsel geführt: Statt im Kompetenzzuwachs europäischer Organe wird die Stärkung der Europäischen Union in der rechtlichen Strukturierung, dogmatischen Durchdringung und damit in der rechtlich faßbaren Begrenzung europäischer Kompetenzen gesehen 46 . Dieser Paradigmenwechsel kann auch für den Bereich betrieblicher Altersversorgung nachvollzogen werden: Selbst wenn der Europäischen Gemeinschaft eine Rechtsangleichungskompetenz grundsätzlich zusteht, sind die Eigenheiten der historisch gewachsenen, höchst unterschiedlichen nationalen Betriebsrentensysteme in Europa möglichst unangetastet zu lassen 47 . Zur Erreichung der G e meinschaftsziele ist statt einer umfassenden Harmonisierung eine vorsichtige Rechtsangleichung ins Auge zu fassen, die es erlaubt, die unterschiedlichen Regelungen und Einrichtungen zur Altersversorgung als gleichwertige Mechanismen und Institutionen anzuerkennen 4 8 .

V. Formen und Verfahren gemeinschaftlicher 1. Form der Rechtsetzung

und

Rechtsetzung

Regelungsmechanismus

Die Formen gemeinschaftlicher Rechtsetzung (Richtlinien und Verordnungen nach 249 E G 4 9 ) sind teilweise im EG-Vertrag vorgeschrieben (vgl. z.B. „Richtlinien" in Art. 94 E G ) , teilweise offengelassen, etwa wenn im Vertrag nur von Maßnahmen die Rede ist (vgl. Art. 42 E G ) . O b sich in letzterem Fall die Kommission

(Rn. 54). Dies sei eine Frage der Erforderlichkeit (Rn. 55). Indem der E u G H nicht nur die Verbesserung des bestehenden Niveaus des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit als das zu verwirklichende Ziel, sondern die Notwendigkeit der Harmonisierung der in diesem Bereich bestehenden Bedingungen bei gleichzeitigem Fortschritt als das zu erreichende Ziel definiert (Rn. 47, 55), erklärt er etwas zum Ziel (nämlich die Harmonisierung), was eigentlich als Mittel der Rechtfertigung bedürfte. 4 6 Vgl. etwa Kirchhof, ZfA 1992, 459ff., 467; ders., FAZ v. 04.12. 1996 S. 11; Pipkorn, EuZW 1992, 700; Heinze, FS Kissel, 367ff. In diese Richtung auch Bernard, I C L Q 1996, 108; Möschel, N J W 1993,3028, der allerdings im Subsidiaritätsprinzip keine wirksame Kompetenzausübungsschranke sieht; ebenso Heidenhain, EuZW 1993, 73; anders etwa Weiss, FS Gnade, S. 589ff., der den Bewegungsraum der Gemeinschaft erschwert sieht; kritisch zur „Wiederbelebung des Subsidiaritätsgedankens" auch Simitis, FS Kissel, 1106ff. 47 Steinmeyer, FS Ahrend, S. 475, 491. 4 8 Die frühere C D U / C S U / F D P Bundesregierung stand einer Harmonisierung oder Koordinierung der Betriebsrentenrechtssysteme ablehnend gegenüber. Vgl. Langer-Stein, Zeitschrift für Sozialreform 1993, 483. 4 9 Die anderen in Art. 249 E G genannten Handlungsformen sind keine Instrumente der Rechtsetzung. Entscheidungen sind zwar rechtsverbindlich, sie richten sich aber nicht an die Allgemeinheit, sondern an bestimmte Adressaten. Sie sind damit einem Verwaltungsakt vergleichbar. Empfehlungen und Stellungnahmen fehlt zum Rechtsnormcharakter schon die Rechtsverbindlichkeit. Empfehlungen der Kommission sind allerdings durch die nationalen Gerichte bei der Auslegung nationaler Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Groeben/Schmidt, E U - / E G Vertrag, Art. 189 Rn.42, 49; Streinz, Europarecht, Rn.413ff.

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

Gemeinschaft

23

für die eine oder andere Form gemeinschaftlicher Rechtsetzung entscheidet, hängt von verschiedenen Erwägungen ab. Richtlinien, die im Gegensatz zu Verordnungen noch der Umsetzung in innerstaatliches Recht bedürfen, können allgemeiner formuliert werden und sind daher u.U. eher konsensfähig. Sie lassen dem nationalem Gesetzgeber Spielraum bei der Umsetzung in das nationale Recht 5 0 und erlauben ihm, selbst den rechtssystematisch richtigen O r t für eine Regelung im nationalen Recht zu finden. Richtlinien eignen sich für Maßnahmen der Rechtsangleichung 51 . Andere Regelungsgegenstände können angemessen nur in einer Verordnung geregelt werden, man denke an die Setzung technischer Standards oder an die K o ordinierungsvorschriften für die nationalen Sozialversicherungsrechte in den V O ( E W G ) 1408/71 und 574/72 52 . Aus der Benutzung der Begriffe Rechtsangleichung, Koordinierung, Harmonisierung im EG-Vertrag lassen sich weder zwingende Rückschlüsse auf die zulässige Art der Maßnahme noch auf die zulässige Form der Rechtsetzungsmaßnahme ziehen, da die Begriffe dort synonym verwendet werden 53 .

2.

Verfahren

a) Rechtsetzungsverfahren

nach dem

EG-Vertrag

Seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht sind drei Rechtsetzungsverfahren zu unterscheiden. Im herkömmlichen Verfahren beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialauschusses 54 . Hier ordnet die jeweilige Kompetenznorm an, ob Einstimmigkeit erforderlich ist (z.B. Art. 9 2 , 9 4 , 3 0 8 E G ) oder die absolute oder eine qualifizierte Mehrheit im Rat genügt. Im Verfahren der Zusammenarbeit (Art. 252 E G ) entscheidet der Rat grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit. Gegen den Standpunkt des am Verfahren beteiligten Europäischen 50 Hinsichtlich der Umsetzungspflicht besteht kein legislatives Ermessen. Die Nichtumsetzung einer Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist kann einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen. E u G H 19.11. 1991, Rs. C-6/90, Francovich, Slg. 1-5357 und die Folgerechtsprechung. Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1038ff. m.w.N. 51 Zum graduellen Unterschied zwischen den Begriffen Angleichung, Harmonisierung einerseits und Vereinheitlichung andererseits Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 17ff.; Steinmeyer, ZIAS 1989, 210f. m.w.N. MünchArbR/5i'rfc, § 18 Rn.20ff., 74 unterscheidet die Rechtsangleichung/Harmonisierung, die Koordinierung und die im EG-Vertrag nicht vorgesehene stärker eingreifende Vereinheitlichung. 52 Vgl. hierzu unten D.I.3.b) (S.52f.). 53 Vgl. hierzu Langenheine in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn. 8; Röttinger in Lenz, EGVKommentar, Art. 94 Rn.2; Steinmeyer, ZIAS 1989, 210f.; Stremz, Europarecht, Rn.957. Nach Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 89ff., 98f. ist gemäß der Judikatur die Koordinierung ein aliud zur Rechtsangleichung, das die staatlichen Normen unverändert lasse. Die Rechtsetzungspraxis der Gemeinschaft habe sich etwa bei Art. 54 Abs. 3 lit g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) (Koordinierung gesellschaftsrechtlicher Schutzbestimmungen) darüber hinweggesetzt. 54 Streinz, Europarecht, Rn. 440.

24

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Parlaments u n d der ebenfalls beteiligten Kommission kann sich der Rat mit Einstimmigkeit durchsetzen 5 5 . Im Verfahren der Mitentscheidung des Europäischen Parlaments nach Art. 251 E G entscheiden Europäisches Parlament und Rat grundsätzlich gemeinsam. Hier kann das Europäisches Parlament einen Rechtsakt endgültig verhindern 5 6 . Das Initiativmonopol für Rechtsetzungsmaßnahmen k o m m t stets der Kommission zu 57 . Die Wahl der Kompetenznorm, auf die eine Maßnahme gestützt wird, beeinflußt maßgeblich die Verfahrensgestaltung und die Mehrheitserfordernisse.

b) Insbesondere: Recbtsetzungsverfabren nach Art. 137 EG (früher Protokoll Nr. 14 und Abkommen über die Sozialpolitik) Im Vertragswerk von Maastricht sicherte sich das Vereinigte Königreich eine Sonderrolle in der Sozialpolitik. Dieser britische Sonderweg hatte schon mit der Nichtunterzeichnung der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (Gemeinschaftscharta) vom 09.12. 1989 58 seinen Anfang genommen. Das Ausscheren des Vereinigten Königreichs führte zu einer Zweigleisigkeit der Kompetenzvorschriften. Es gab zum einen die Kompetenzvorschriften des EG-Vertrages, die f ü r alle Mitgliedstaaten galten, zum anderen die in dem von allen zwölf damaligen Mitgliedstaaten unterzeichneten Protokoll Nr. 14 des E U Vertrages und in dem von elf Mitgliedstaaten unterzeichneten A b k o m m e n über die Sozialpolitik 59 niedergelegten Kompetenzvorschriften, die f ü r die Gemeinschaft minus das Vereinigte Königreich galten. Sie sollten den Unterzeichnerstaaten des A b k o m m e n s die vom Vereinigten Königreich unbehinderte Fortentwicklung der Sozialpolitik und die U m s e t z u n g der Gemeinschaftscharta erlauben. Das Vereinigte Königreich blieb hinsichtlich der Sozialpolitik auf dem Rechtszustand vor dem Vertrag von Maastricht stehen und wurde von den finanziellen Auswirkungen der auf der Grundlage des A b k o m m e n s beschlossenen Maßnahmen der Elfergemeinschaft freigezeichnet. Ihm blieb die O p t i o n , dem A b k o m men später doch noch beizutreten oder eine A u f n a h m e der Regelungen in den EG-Vertrag mitzutragen 6 0 . Die drei der Gemeinschaft zum 01.01. 1995 beigetretenen Staaten Osterreich, Schweden und Finnland haben in der Beitrittsakte die Maastrichter Sozialbestimmungen als „acquis communautaire" vorbehaltlos ak55

Groeben/.Sc/>oo, EU-/EG-Vertrag, Art. 189c, Rn.3. Groeben/Schoo, EU-/EG-Vertrag, Art. 189b, Rn.7. 57 Vgl. etwa Streinz, Europarecht, Rn.292f. 58 K O M (89) 248 endg. 59 Protokoll Nr. 14 des EU-Vertrages über die Sozialpolitik und Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik. 60 Wank, RdA 1995, 13 spricht daher von „Opting-in", statt „Opting-out"; ebenso Schulz, SF 1992, 80. Vgl. auch Schuster, EuZW 1992,180ff.; Hailbronner, GS Grabitz, S. 126ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn.2562; Isensee, VSSR 1996, 172; Blanpain/Schmidt/Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S. lOOff., Rn.\25{{.-Junker,]Z 1994,279; Weiss, FS Gnade, S. 586ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 923. 56

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

Gemeinschaft

25

zeptiert, so daß aus der Elfer-Gemeinschaft des A b k o m m e n s eine 14er-Gemeinschaft wurde 6 1 . Die Zweigleisigkeit der Kompetenzvorschriften f ü r die Gemeinschaft einschließlich u n d ausschließlich des Vereinigten Königreichs warf eine Reihe verfahrensrechtlicher Probleme u n d Fragen nach dem Verhältnis der Kompetenznormen zueinander auf, die in der Literatur eingehend diskutiert wurden 6 2 . N a c h dem Regierungswechsel 1997 hat das Vereinigte Königreich seine Sonderrolle in der Sozialpolitik aufgegeben. Es erklärte sich zur Übernahme der gesamten bisherigen EG-Sozialregelungen auf der Grundlage des derzeit geltenden Gemeinschaftsrechts bereit 63 . Die Rückkehr des Vereinigten Königreichs in die Gemeinschaft hinsichtlich ihrer Sozialpolitik erlaubte es, das Protokoll Nr. 14 im Vertrag von Amsterdam vom 02.10. 1997 64 aufzuheben und seine Bestimmungen in den EG-Vertrag zu integrieren (Titel VIII Art. 117-120 EGV, Art. 136-143 EG) und die Gemeinschaftscharta in die Präambel des EG-Vertrages aufzunehmen. Die in Titel XI, Kapitel 1 zusammengefaßten sozialpolitischen Kompetenznormen der Gemeinschaft stehen damit mit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam allen 15 Mitgliedstaaten zur Verfügung. Die Gefahr, daß sich in der Sozialpolitik ein Sondergemeinschaftsrecht unter Ausschluß des Vereinigten Königreichs entwickelt, ist gebannt. Mit der Richtlinie über befristete Arbeitsverhältnisse (RL 1999/70/EG vom 28.06. 1999 65 ) wurde erstmals das Verfahren nach Art. 139 Abs.2 i.V.m. Art. 137 E G von allen 15 Mitgliedstaaten in Anspruch genommen. Für zwischenzeitlich noch auf der Grundlage des A b k o m m e n s ergangene Rechtsakte, insbesondere die Europäische-Betriebsräte-Richtlinie (RL 94/45/ E G vom 22.09. 1994 66 ), die Richtlinie über Elternurlaub (RL 96/34/EG vom 03.06. 1996 67 ) u n d die Richtlinie über Teilzeitarbeit (RL 9 7 / 8 1 / E G vom 15.12. 1997 68 ), bedurfte es einer Lösung mit Ubergangsfristen, um das Vereinigte Königreich an den Stand des Gemeinschaftsrechts heranzuführen 6 9 . Das ist durch

61

Vgl. näher Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 164ff. Vgl. aus der umfangreichen Literatur n u r Hailbronner, GS Grabitz, S. 132, 136ff.; Konzen, E u Z W 1995, 46ff.; Buchner, R d A 1993, 193ff.; Heinze, FS Kissel, S.378ff.; Birk in: B i r k / E r d m a n n / L a m p e r t / M u h r , Europäischer Binnenmarkt, S. 21; Schuster, E u Z W 1992, 186f.; Weiss, FS Gnade, S. 586ff.; Schulz, SF 1992, 80f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 2563 ff.; Kliemann, Die europäische Sozialintegration nach Maastricht, S. 74ff.; Ringler, Die europäische Sozialunion, S. 182ff.; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 191 ff.; Balze, Sozialpolitische K o m p e t e n z e n , S. 252ff.; Kampmeyer, Protokoll u n d A b k o m m e n über die Sozialpolitik; vgl. z u m Verfahren die Ubersicht bei Blanpain/Schmidt/Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S. 104. 63 Hilf/Pache, N J W 1998, 708. 64 ABl. 1997 Nr. C 340 S. 1. 65 ABl. N r . L 175 v. 10.07. 1999, S.43. H i e r z u Röthel, N Z A 2000, 65ff. 66 ABl. N r . L 254 v. 30.09. 1994, S.64. 67 ABl. N r . L 145 v. 19.06. 1996, S.4. 68 ABl. N r . L 14 v. 20.01. 1998, S.9. H i e r z u Schmidt, N Z A 1998, 576ff. 69 Vgl. zu den Kommissionsvorschlägen zur Inkraftsetzung Hilf/Pache, N J W 1998, 708 Fn. 43. 62

26

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Richtlinien zur Ausdehnung des Geltungsbereichs der genannten Richtlinien auf das Vereinigte Königreich inzwischen geschehen 70 . Für Rechtsetzungsmaßnahmen aufgrund von Art. 137 Abs. 2 E G (Art. 2 Abs. 2 des Abkommens) bedarf es im Verfahren der Mitentscheidung des Europäischen Parlaments nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses einer qualifizierten Mehrheit im Rat (Art. 251 E G ) ; das Abkommen sah noch das Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 189c E G V (jetzt Art. 252 E G ) vor, das dem Europäischen Parlament kein Mitentscheidungsrecht gibt 7 1 . Für Rechtsetzungsmaßnahmen in den Fällen des Art. 137 Abs. 3 E G (Art. 2 Abs. 3 des Abkommens) bedarf es nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einer einstimmigen Entscheidung des Rates.

VI. Wahrung der 1.

Kompetenzordnung

EuGH

O b die Europäischen Gemeinschaft nach dem EG-Vertrag zu einer Rechtsetzungsmaßnahme berechtigt war, kann in zwei verschiedenen Verfahrensarten Gegenstand einer Prüfung durch den E u G H sein 72 . Das erste ist die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 E G . Stellt der E u G H in einem solchen Verfahren fest, daß ein bestimmter Rechtsakt nicht auf die gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden konnte, so erklärt er diesen für nichtig (Art. 231 E G ) 7 3 . Das Nichtigkeitsurteil ist ein Gestaltungsurteil, das konstitutiv - im Fall von Richtlinien und Verordnungen erga omnes und ex tunc - wirkt. Der für nichtig erklärte Rechtsakt wird rückwirkend so angesehen, als habe er niemals existiert. Alle auf ihm beruhenden Handlungen sind folglich wegen fehlender gültiger Rechtsgrundlage rechtswidrig 74 . Das zweite in Frage kommende Verfahren ist das der Vorabentscheidung nach Art. 234 E G . Stellt der E u G H in einem solchen Vorabentscheidungsverfahren eine Kompetenzüberschreitung fest, so erklärt er den Rechtsakt für unwirksam 7 5 . 70 R L 97/74/EG v. 15.12. 1997 zur Ausdehnung der R L 94/45/EG auf das Vereinigte Königreich, ABl. L 10 v. 16.01.1998, S. 22; R L 97/75/EG v. 15.12.1997 zur Änderung und Ausdehnung der R L 96/34/EG auf das Vereinigte Königreich, ABl. L 10 v. 16.01.1998; R L 98/23/EG v. 07.04. 1998 zur Ausdehnung der R L 9 7 / 8 1 / E G auf das Vereinigte Königreich, ABl. L 131 v. 05.05. 1998. 71 Groeben/Schoo, EU-/EG-Vertrag, Art. 189b, Rn. 95. 72 Zur Überwachung der Kompetenzgrenzen der Gemeinschaft durch den E u G H Zuleeg, RdA 1996, 75. 73 Vgl. z.B. E u G H 12.11. 1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, 5805 Rn. 37, zu Art. 5 Abs. 2 R L 93/104/EG vom 23.11. 1993 (Arbeitszeitrichtlinie), ABl. L 307, S. 18. 74 Groeben/Krück, EU-/EG-Vertrag, Art. 174 Rn. 5; Borchardt in Lenz, EGV-Kommentar, Art.231 Rn.2f. Für Rechtsetzungsakte, deren finanzielle Folgen mit der Nichtigkeitsklage hätten abgewendet werden können, scheidet ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Amtshaftungsverfahren nach Art. 235, 288 Abs. 2 E G (früher Art. 178, 215 Abs. 2 E G V ) aus. S. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 178 Rn.3; Streinz, Europarecht, Rn.553. 75 Groeben/Krück, EU-/EG-Vertrag, Art. 177 Rn.39ff., 89.

A. Kompetenzordnung

der Europäischen

Gemeinschaft

27

Obwohl diese Entscheidung nur Bindungswirkung gegenüber dem Gericht des Ausgangsverfahrens hat, können sich auch andere Gerichte auf sie berufen, um die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts und die Rechtssicherheit zu gewährleisten76. Tatsächlich ist festzustellen, daß der EuGH in seiner Rolle als Hüter der gemeinschaftlichen Kompetenzordnung und des Subsidiaritätsgedankens bislang nur sehr selten Gemeinschaftsrechtsakte wegen fehlender Zuständigkeit der Gemeinschaft verworfen hat 77 . Es ist jedoch anzunehmen, daß mit der Zunahme von Mehrheitsentscheidungen im Rat eine wachsende Zahl von Verfahren wegen Kompetenzüberschreitungen einhergehen und daß das Verfahren der Nichtigerklärung als rechtliches Abwehrmittel überstimmter Mitgliedstaaten entdeckt wird. Auch das Klagerecht des Europäischen Parlaments in Art. 230 Abs. 3 E G mag zu einer verstärkten Kontrolle anhand der Kompetenzvorschriften des E G V beitragen78. Symptomatisch für eine solche Entwicklung ist die Entscheidung des E u G H zur „Mitteilung der Kommission betreffend einen Binnenmarkt für Pensionsfonds" 79 , in der er diese Mitteilung, die entgegen der Einlassung der Kommission eigene Rechtswirkungen erzeugen sollte, wegen Kompetenzüberschreitung für nichtig erklärt 80 .

2.

BVerfG

Das BVerfG nimmt für sich in Anspruch, das Handeln der Gemeinschaftsorgane am nationalen Verfassungsrecht zu messen81. Während es seine Prüfungsbefugnis in der Entscheidung „Solange II" 8 2 auf die generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards beschränkt hat, mithin keinen einzelfall76 Groeben/Krück, EU-/EG-Vertrag, Art. 177 Rn. 89. Auf dieses Verfahren hebt Dieterich, NZA 1996, 681 ab, der meint eine Maßnahme, die nicht auf eine Kompetenznorm des Vertrages gestützt werden könne, sei wegen Verletzung primären Gemeinschaftsrechts und der Transformationsgesetze der Mitgliedstaaten unwirksam und diese Unwirksamkeit könne sowohl vom BVerfG als auch vom EuGH festgestellt werden. 77 So Kirchhof, FAZ vom 04.12.1996, S. 11; Streinz, Europarecht, Rn. 41; für das Arbeits- und Sozialrecht: Konzen, EuZW 1995,41. Diese Rolle wird angemahnt in BVerfG 12.10.1993,2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155, 211. Vgl. aber Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 3b Rn.26 mit dem Beispiel EuGH 26.03. 1987, Rs. 45/86, Kommission/Rat (Zollpräferenzen), Slg. 1493, 1522 Rn.21 zur Nichtigerklärung einer Verordnung, die zu Unrecht auf Art.235 E W G V gestützt wurde, und ders., JZ 1994, 4 mit einem weiteren Beispiel aus der Rechtsprechung des EuGH. 78 Hierzu Zuleeg, JZ 1994,4; zur Kodifikation der von der Rechtsprechung entwickelten Klagebefugnis Groeben/Krück, EU-/EG-Vertrag, Art. 173, Rn.22; Schwarze, NJW 1992, 1067. 7 9 Mitteilung 94/C 360/08, ABl. Nr. C 360/7 vom 17.12. 1994; EuGH 20.03. 1 9 9 7 , R s C - 5 7 / 95, Französische Republik/Kommission, Slg. 1-1627. 80 Vgl. hierzu näher unten D.III.4.c) (S.73f.). 81 Vgl. insbesondere BVerfG 29.05. 1974, 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 („Solange I"); BVerfG 22.10. 1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 („Solange II"); BVerfG 12.10. 1993,2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 („Maastricht"). 82 BVerfGE 73, 339 („Solange II").

28

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

bezogenen Grundrechtsschutz gewährt 83 , schränkt es seine Kontrollfunktion bei Kompetenzüberschreitungen der Organe der E G einschließlich des E u G H in seiner Entscheidung zum Vertrag von Maastricht nicht in gleicher Weise ein. Das B VerfG behält sich dort vor, Rechtsakte der E G darauf zu überprüfen, ob sie von einer Kompetenznorm gedeckt sind und ob das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet sind. Sei ein Rechtsetzungsakt der E G nicht durch Kompetenznormen des EG-Vertrages gedeckt oder verletze er das Subsidiaritätsprinzip, so sei er auch von dem deutschen Zustimmungsgesetz nicht gedeckt und daher in Deutschland nicht rechtsverbindlich 84 . Das vom BVerfG als „Kooperationsverhältnis" 8 5 bezeichnete Verhältnis zum E u G H läuft auf die nicht notwendigerweise friedliche Koexistenz zweier höchstrichterlicher Kontrollinstanzen hinaus, die Rechtsakte der E G anhand unterschiedlicher Maßstäbe überprüfen - anhand primären Gemeinschaftsrechts im Fall des E u G H , anhand deutschen Verfassungsrechts im Fall des BVerfG, d.h. bei möglichen Kompetenzüberschreitungen beim Erlaß sekundären Gemeinschaftsrechts anhand des Zustimmungsgesetzes zum Unionsvertrag i. V.m. Art. 24 G G 8 6 . Die somit bestehende Konkurrenz zwischen einer Vorlagemöglichkeit bzw. Vorlagepflicht deutscher Gerichte nach Art. 234 Abs. 2 und 3 E G zum E u G H und einer sie treffenden Vorlagepflicht zum BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 G G (analog) ist zugunsten einer vorrangigen Vorlagepflicht nach Art. 234 E G zu lösen. Erst wenn der E u G H über die Wirksamkeit einer Maßnahme anhand des Maßstabs europäischen Primärrechts entschieden hat, kann die verfassungsrechtliche K o n trolle einsetzen 87 . In der Sache hat das BVerfG in seinem Maastricht-Urteil sowohl die implied powers-Lehre als auch Art. 308 E G (Art. 235 E G V ) , verstanden i.S. einer Vertragsabrundungskompetenz, als Mittel der Erweiterung der Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft für die Zukunft verworfen und einer „Vertragsauslegung im Sinne einer größtmöglichen Ausschöpfung der Gemeinschaftsbefugnisse" gemäß dem Prinzip des „effet utile" eine Absage erteilt, insoweit dieses zur Erweiterung begrenzt eingeräumter Hoheitsbefugnisse führt 8 8 .

BVerfGE 89, 155, 175 unter Hinweis auf BVerfGE 73, 339, 387. BVerfGE 89,155, 188. Schwarze, Neue Justiz 1994, 3 bezeichnet dies als eine „Art Drohgebärde". 85 B V e r f G E 8 9 , 1 5 5 , 1 7 5 . Hierzu ausführlich ScWac/jier, Der Europäische Gerichtshof und die Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 9ff., 53 ff. 8 6 Vgl. hierzu Wank, RdA 1995, 25f.; Everling, GS Grabitz, S.68ff.; Permce, GS Grabitz, S. 533ff.; Schlachter, Der Europäische Gerichtshof und die Arbeitsgerichtsbarkeit, S.58ff.; Grimm, RdA 1996, 66 , 70 in Fn.22 m. w.N.; Konzen, EuZW 1995,49f.; Zuleeg, RdA 1996, 71 ff. 8 7 Vgl. näher Everling, GS Grabitz, S.68; Pernice, GS Grabitz, S.535; Gersdorf, DVB1. 1994, 674, 684; Wank, RdA 1995, 26; Schlachter, Der Europäische Gerichtshof und die Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 60f.; a.A. Heinze, RdA 1994, 10. 88 BVerfGE 89,155,210. Die Auslegung von Befugnisnormen über ihren eng begrenzten, tatbestandlichen Inhalt hinaus wäre vom Zustimmungsgesetz nicht gedeckt und somit innerhalb des deutschen Mitgliedstaates rechtlich unverbindlich. Vgl. hierzu Weiss in FS Gnade, S. 586ff.: Rekurs auf Art. 235 E G V (jetzt Art. 308 E G ) nach Maastricht nicht mehr ohne weiteres möglich. 83 84

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

Marktes und des

Binnenmarktes

29

Indem das BVerfG einen gegenüber der ständigen EuGH-Rechtsprechung abweichenden materiellen Prüfungsmaßstab für die Kompetenz der Gemeinschaft formuliert hat, ist die Frage des Kooperationsverhältnisses zwischen den beiden Gerichten potentiell konfliktbeladen. Die Konsequenzen aus einer etwaigen Verwerfung sekundären Gemeinschaftsrechts durch das BVerfG sind hier nicht auszumalen 8 9 . Auszuschließen ist einer solcher Konfliktfall nicht 9 0 , wenn es stimmt, daß der tatsächliche Einfluß der Maastricht-Entscheidung des BVerfG auf die Rechtsprechung des E u G H eher gering zu veranschlagen ist 91 . Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bleibt festzuhalten: Die Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist per se kein Ziel des EG-Vertrages. Rechtsetzungsmaßnahmen bezüglich der Zusatzaltersversorgung müssen daher stets der Verwirklichung eines anderen allgemeinen oder speziellen Vertragsziels dienen. Die Verwirklichung eines im EG-Vertrag definierten Vertragsziels oder einer dort gestellten Aufgabe muß weiter durch eine zur Rechtsetzung ermächtigende Befugnisnorm gedeckt sein. Auf Art. 308 E G kann insoweit nur subsidiär und in Anbetracht der Entwicklung der Kompetenzordnung der Gemeinschaft sehr zurückhaltend zurückgegriffen werden.

B. Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in Europa I. Die allgemeinen Zielvorgaben des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes Zentrale Aufgabe der Gemeinschaft ist die Errichtung des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes 9 2 . Der durch die E E A vom 2 8 . 0 2 . 1 9 8 6 eingefügte Art. 8a E W G V (nach der ersten Vertragsrevision Art. 7a EGV, jetzt nach Änderung Art. 14 E G ) gab es der Gemeinschaft auf, schrittweise bis zum 31.12. 1992 den Binnenmarkt zu verwirklichen, d.h. „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist". Das Binnenmarktprogramm der Gemeinschaft bewirkte einen Integrationsschub. Der Ablauf der Frist bedeutete aber nicht, daß Art. 7a Abs. 2 E G V (jetzt Art. 14 Abs. 2 E G ) unmittelbar wirksam und entgegenstehende nationale Vorschriften, die weiter auf Binnengrenzen in der GemeinDieterich, NZA 1996, 681 spricht von „abenteuerlichen Konsequenzen". Zu einer möglichen engeren Lesart der Urteilsgründe, die das Konfliktpotential verringert, Schwarze, Neue Justiz 1994, 3. 91 So Everling, GS Grabitz, S. 72 ff. 92 Das Verhältnis der Begriffe Binnenmarkt und Gemeinsamer Markt ist streitig. Es besteht nicht einmal Einigkeit darüber, welcher der engere und welcher der weitere Begriff ist. Vgl. nur Groeben/Bardenhewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7a Rn. 10f.; Streinz, Europarecht, Rn. 947ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 188ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 1066ff. 89

90

30

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

schaft abheben, automatisch unanwendbar geworden wären. Der Auftrag an die Gemeinschaft zur Herstellung des Binnenmarktes besteht trotz Fristablaufs fort 93 und wandelt sich mit dem jeweiligen Integrationsstand 94 . Der ältere in Art. 2 EG(V) benutzte Begriff des Gemeinsamen Marktes ist daneben weiter allgemeiner Bezugspunkt für Integrationsfortschritte in der Gemeinschaft. Auch unter dem Gemeinsamen Markt, der anders als der Binnenmarkt nicht im EG-Vertrag definiert ist 95 , ist in erster Linie der freie Verkehr von Waren, Leistungen und Produktionsfaktoren zu verstehen. Damit ist vor allem die Verwirklichung der Grundfreiheiten Dienstleistungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von diesen Begriff umfaßt 96 . Soweit Rechtsetzungsakte der Verwirklichung dieser Freiheiten in einem bestimmten Lebensbereich dienen, befördern sie in diesem auch die Herstellung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes 97 . Ob die Errichtung des Gemeinsamen Marktes auch Tätigkeiten der Gemeinschaft erfaßt, die vom Begriff des Binnenmarktes nicht eingeschlossen werden 9 8 , etwa die in Art. 3 Abs. 1 lit. j EG (früher Art. 3 lit. i EGV) genannte Sozialpolitik, oder ob die Sozialpolitik als eigenständiges Mittel neben der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes der Förderung einer harmonischen und ausgewogenen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft dient 99 , kann dahinstehen. Die Sozialpolitik ist jedenfalls ein Betätigungsfeld der Gemeinschaft zur Bewältigung der in Art. 2 EG gestellten Aufgaben. Für die Frage nach den Rechtsetzungskompetenzen der Gemeinschaft ist die Unterscheidung der beiden Begriffe insofern von Bedeutung, als Art. 94 EG auf den Gemeinsamen Markt und Art. 95 EG auf den Binnenmarkt als Zielvorgabe abhebt.

Groeben/Bardenkewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7a Rn. 12f. Steinmeyer, ZIAS 1989, 225. Gleiches gelte für den ebenfalls dynamisch zu interpretierenden Begriff des Gemeinsamen Marktes. 95 Die Unterscheidung eines faktischen und eines rechtlichen Marktbegriffs, der die Gesamtheit der Regelungen des Gemeinschaftsrechts für den Wirtschaftsverkehr im Gebiet der Gemeinschaft meint - vgl. hierzu Bleckmann, MDR 1986, 5ff.; Nicolaysen, Europarecht II, S. 30 - wird hier nicht aufgenommen. Das Recht ist nicht Selbstzweck. Ein Gemeinsamer Markt im rechtlichen Sinne ist daher nur Mittel zur Herstellung des Gemeinsamen Marktes im faktischen Sinne. 96 Everling, EuR Sonderheft 1976, 11; Langeheine, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn.25; Rehrens, EuR 1992, 145. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 28/12 S.550ff. faßt unter den Begriff des Gemeinsamen Marktes den Austausch von Gütern und Dienstleistungen, nicht aber den Arbeitsmarkt oder das grenzüberschreitende Angebot abhängiger Arbeit. 97 Steinmeyer, ZIAS 1989, 225ff. 98 So Streinz, Europarecht, Rn. 953f.; Nicolaysen, Europarecht II, S. 28 mit anderen Beispielen aus dem Katalog des Art. 3 EGV. 99 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn.188. 93

94

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

II. Einzelne 1. Binnenmarkt

Marktes und des

Binnenmarktes

31

Kompetenznormen

Art. 95 EG

Die gegenüber Art. 94 EG (früher Art. 100 EGV) speziellere Vorschrift des Art. 95 EG (früher Art. 100a EGV) erlaubt Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben 100 . Ausgenommen von der Regelungskompetenz nach Art. 95 Abs. 1 EG sind nach Abs. 2 jedoch u.a. Bestimmungen über die Freizügigkeit und Bestimmungen über die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer. Darunter fallen jedenfalls Regelungen von Arbeitsbedingungen und zum sozialen Schutz der Arbeitnehmer 1 0 1 . Dagegen können Rechtsangleichungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer auf Art. 95 EG gestützt werden. Damit sind Arbeitsschutzregelungen gemeint 102 , nicht aber die Alterssicherung der Arbeitnehmer. Da jede Maßnahme, die die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betrifft, notwendigerweise Rechte und Interessen der Arbeitnehmer berührt, nicht aber Arbeitsschutz im Sinne dieser Vorschrift ist, scheidet Art. 95 EG insoweit als Rechtsgrundlage aus. Daher konnte auch die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche 103 , die sowohl Rechtsangleichungsmaßnahmen als auch Regelungen über eine gegenseitige Anerkennung ergänzender Betriebsrentensysteme enthält, nicht auf Art. 100a EGV gestützt werden. Maßnahmen, die die wirtschaftliche Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffen, also etwa die grenzüberschreitende Tätigkeit der Einrichtungen zur Altersversorgung als Finanzinstitutionen und Dienstleistungserbringer, könnte die Erleichterung der Rechtsetzung durch Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in Art. 95 EG dagegen zugute kommen. Ausgenommen sind nach Art. 95 Abs. 2 EGV allerdings Steuerfragen. Eines der Haupthindernisse für einen Binnenmarkt für Einrichtungen zur Altersversorgung 1 0 4 läßt sich damit gestützt auf Art. 95 EG nicht aus dem Weg räumen. Die drei Richtlinien zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Lebensversicherungen, die zu Recht auf die spezielleren Kompetenznormen der Art. 49, 57, 100 Das Verfahren nach Art. 100a EGV konnte außer für Rechtsangleichungsmaßnahmen auch für Regelungen über eine gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit nationaler Regelungen (Art. 100b EGV) herangezogen werden. Dazu allgemein Streinz, Europarecht, Rn. 955. Dieser Weg scheint sich im Bereich betrieblicher Altersversorgung zur Vermeidung aus der Systemverschiedenheit der Betriebsrentensysteme in Europa erwachsender Hemmnisse für die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitnehmer wie auch für Anbieter betrieblicher Altersversorgungsleistungen anzubieten. Die Neufassung des EG-Vertrages durch den Vertrag von Amsterdam sieht die gegenseitige Anerkennung nach Art. 100b EGV allerdings nicht mehr vor. 101 So auch Steinmeyer, ZIAS 1989, 220. 102 Langeheine, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100a Rn. 51,54; MünchArbR/Birfc, §18 Rn.34. 103 RL 98/49/EG vom 29.06. 1998, dazu näher unten D.I.3.c) (S.53ff.). 104 Vgl. etwa Grünbuch Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt, COM (97) 283, S.23ff., Nr. 64ff.

32

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

66 E W G V gestützt wurden 1 0 5 , hätten eine Rechtsgrundlage auch in Art. 100a E G V gehabt 1 0 6 .

2. Gemeinsamer

Markt Art. 94 EG

Die gegenüber Art. 95 E G subsidiäre Kompetenznorm des Art. 94 E G , die Einstimmigkeit verlangt, erlaubt durch Richtlinien diejenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken, anzugleichen 1 0 7 . Auch Art. 94 E G ist im Kern eine wirtschaftspolitische, keine sozialpolitische Kompetenznorm 1 0 8 . Allerdings können sich auch sozialpolitische Fragen auf die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken 1 0 9 .

a) Rechtsetzungsvorhaben die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung betreffend: Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen gestützt auf Art. 94 EG? O b Art. 94 E G als Rechtsgrundlage für eine von der Kommission diskutierte Angleichung oder Begrenzung der Länge der Unverfallbarkeitsfristen in Betracht kommt, hängt zunächst davon ab, ob man den europäischen Arbeitsmarkt als Teil des Gemeinsamen Marktes versteht oder diesen auf den Umschlag von Waren, Dienstleistungen und Kapital begrenzt. Dazu besteht kein Anlaß, da der Gemeinsame Markt auch den freien Personenverkehr umfaßt. Allerdings muß es im Rahmen des Art. 94 E G in wirtschaftspolitischer Betrachtung um den Arbeitsmarkt als Markt für den Produktionsfaktor Arbeit gehen 1 1 0 , nicht um den Schutz des Arbeitnehmers vor aus sozialpolitischer Sicht unzureichenden Arbeitsbedingungen. O b man in Art. 94 E G unter „Auswirkung" nur die negative Auswirkung, die Beeinträchtigung oder Behinderung des Gemeinsamen Marktes zu verstehen hat oder aber jegliche Auswirkung, also auch eine Förderung des Gemeinsamen Marktes ohne einen Abbau von Hindernissen, ist streitig. Nach der engeren An105 R L 79/267/EWG vom 05.03. 1979 gestützt auf Art. 49, 57 EWGV; R L 90/619/EWG vom 08.11. 1990 und R L 9 2 / 9 6 / E W G vom 10.11. 1992 jeweils gestützt auf Art. 57 Abs. 2, 66 EWGV. Näher unten unter D.III.2. (S.65f.). 106 Vgl. zum durch den Spezialitätsgrundsatz geprägten Verhältnis der Art. 100 und 100a E G V (jetzt Art. 94 und 95 E G ) zu Vorschriften über die Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit Langeheine, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn. 74 und Art. 100a Rn. 95. 107 Zum Begriff der Rechtsangleichung oder Harmonisierung schon oben unter A. V.l. (S. 22f.). 108 Birk, N Z A 1996,282; ders., RdA 1992,70ff. MünchArbR/Ä'rfc, § 18 Rn. 27ff.; Schnorr, Arbeits- und sozialrechtliche Fragen der europäischen Integration, S.26; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 68f.; einschränkend Steinmeyer, ZIAS 1989, 216f.; Langeheine, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn.27; Groeben/Taschner, EU-/EG-Vertrag, Art. 100 Rn.34. 109 Groeben/Taschner, EU-/EG-Vertrag, Art. 100 Rn.34; Karpenstein, in: Merten/Pitschas, Der europäische Sozialstaat und seine Institutionen; S. 156; Balze, Sozialpolitische Kompetenzen, S.44f. meint, daß sei stets der Fall. 110 Nicolaysen, Europarecht II, S. 170, 160.

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

Marktes und des

Binnenmarktes

33

sieht kann das Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung in Europa nach Art. 94 E G nur angeglichen werden, wenn die fraglichen nationalen Regelungen oder auch deren Fehlen die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes behindern. Die nationalen Vorschriften, etwa zur Unverfallbarkeit, zur Übertragung und Abfindung von Ansprüchen oder zum Insolvenzschutz der Betriebsrente, die gestützt auf Art. 94 E G harmonisiert werden sollen, müssen hiernach einen nachweisbaren negativen Effekt auf den Gemeinsamen Markt haben. Es reicht nicht aus, daß die angestrebte Regelung für den Markt nützlich wäre 111 . Nach der Gegenansicht 112 genügt es, daß die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes unmittelbar betroffen ist. Die Rechtsangleichung nach Art. 94 E G muß hiernach lediglich geeignet sein, den wirtschaftlichen Integrationsprozeß zu befördern. Dieser Ansatz gibt dem europäischen Rechtsetzer mehr Handlungsspielraum, weil er nicht auf die Beseitigung nationaler Hindernisse beschränkt ist. Auch Rechtsetzungsmaßnahmen auf dieser Grundlage müssen aber mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sein. Die Gemeinschaft ist nur zuständig, soweit die gemeinschaftlichen Ziele sich nur oder zumindest besser auf Gemeinschaftsebene als auf nationaler Ebene verwirklichen lassen 113 . Daher kann nur im Hinblick auf Sachverhalte, in denen aus der Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen an sich eine Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes folgt, eine Rechtsangleichungsmaßnahme den Gemeinsamen Markt befördern, ohne daß die nationalen Rechtsordnungen, jeweils für sich betrachtet, negative Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt haben. Im Hinblick auf eine Harmonisierung der Unverfallbarkeitsfristen wirkt sich diese Kontroverse nicht aus. Über die Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen sollen die Rechtsordnungen, die gar keine gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen kennen oder lange Fristen vorsehen, ihren Schutzstandard erhöhen. Damit geht es in der Sache um die Beseitigung negativer Auswirkungen nationaler Rechtsvorschriften auf den Gemeinsamen Markt. Dem sozialpolitischen Vorhaben einer Harmonisierung der Unverfallbarkeitsfristen in Europa 1 1 4 auf der Grundlage von Art. 94 E G ist daher eine Absage zu erteilen, wenn nicht die negativen wirtschaft-

111 So Langeheine in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn.32f.; ihm folgend Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 98. Die Existenz, das Fehlen oder die Beschaffenheit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen geeignet sein, Entscheidungen oder Tatbestände im Rahmen der vom EG-Vertrag umfaßten Wirtschaftstätigkeiten zu beeinträchtigen. Ahnlich auch Gaul, N Z A 1197,1022 (Abbau non-tarifärer Handelshemmnisse in arbeitsrechtlicher Gestalt). 112 Steinmeyer, ZIAS 1989, 217f.; in der Tendenz ebenso Gtoeben/Taschner, EU-/EG-Vertrag, Art. 100 Rn. 35 und 32, der die Angleichung als die Beseitigung einer Nicht-Förderung oder einer Beeinträchtigung der Errichtung oder einer Störung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes definiert und es nicht für erforderlich hält, daß in jedem Mitgliedstaat schon anzugleichende Rechts- oder Verwaltungsvorschriften bestehen, weil auch das Fehlen einer Regelung eine den Gemeinsamen Markt beeinträchtigende Wirkung haben kann. 113 Oben A.IV. (S. 19ff.). 114 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.22ff., 28 unter 3.2.2, 3.2.6 und 3.3.5.

34

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

liehen Auswirkungen nationaler Bestimmungen auf den Gemeinsamen Markt plausibel gemacht werden können. Der Kommission ist darin zuzustimmen, daß lange Unverfallbarkeitsfristen zu verminderten Ruhegeldansprüchen nach einer beruflichem Laufbahn mit häufigem Arbeitsplatzwechsel führen können 1 1 5 . Sie können daher ein Mobilitätshindernis darstellen. Inwieweit die Länge der Unverfallbarkeitsfristen in einigen Mitgliedstaaten sich tatsächlich behindernd auf den Gemeinsamen (Arbeits-) Markt auswirkt 1 1 6 , gibt es keine rechtstatsächliche Erhebung. Womöglich ist die Trägheit des europäischen Arbeitsmarktes durch viele andere und wichtigere Faktoren soziokultureller Art bestimmt, so daß sich Unverfallbarkeitsfristen für die Zusatzaltersversorgung i.E. nicht auswirken. Für die Inanspruchnahme der Kompetenznorm des Art. 94 E G kann es indes nicht auf die Entwirrung der Gemengelage unterschiedlicher Motivationsgründe der Arbeitnehmer ankommen. Es muß insoweit das Plausibilitätsargument 117 genügen, daß Unverfallbarkeitsfristen ab einer gewissen Länge sich tatsächlich negativ auf die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitnehmer und damit den Gemeinsamen Markt für Arbeitskräfte auswirken. Auch eine Regelung, die auf die Schaffung eines einheitlichen europäischen Standards abzielt, kann durch Art. 94 E G gedeckt sein 1 1 8 . Denn die Übergänge zwischen Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung sind fließend 1 1 9 . Wird im Hinblick auf die Verfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften festgelegt, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, daß ein Verlust von Anwartschaften allein wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens einem Jahr nicht eintritt, bleibt den Mitgliedstaaten noch ein Regelungsspielraum zwischen sofortiger Unverfallbarkeit und Unverfallbarkeit nach einem Jahr. O b Art. 94 E G die Festschreibung sofortiger Unverfallbarkeit in einer Richtlinie zuließe, ist nicht daran festzumachen, ob damit die Grenze zwischen Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung überschritten wäre, sondern daran, ob die übermäßige Länge von Unverfallbarkeitsfristen sich behindernd auf den Gemeinsamen Markt auswirkt. Dies ist bei einer Höchstgrenze von einem Jahr jedenfalls nicht anzunehmen 1 2 0 , weil hier der

Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.22ff., 28 unter 3.2.2. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.24, 28 unter 3.2.6 und 3.3.5. 117 Dazu, daß im Rahmen von Art. 118a E G V nicht für jede auf Grundlage dieser Bestimmung getroffene Maßnahme wissenschaftliche Beweise erbracht werden müssen E u G H 12.11. 1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, Rn. 39, 79. 118 Langeheine in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn. 13 f. Es handelt sich insoweit nicht um eine eigenständige positive Gestaltung, sondern um die Beseitigung von Hindernissen. Die Bedenken etwa von Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.98 gegenüber eigenständig gestaltenden Regelungen greifen hier nicht. A.A. Röttinger in Lenz, EGV-Kommentar, Art. 94 Rn.2: Das geeignete Mittel hierzu sei die Verordnung, Art. 94 E G erlaube aber nur Rechtsetzung durch Richtlinien. 119 A.A. Lenz, EGV-Kommentar, Art.94 Rn.2. 120 Dies wird so weit ersichtlich in der europäischen Diskussion auch von niemandem vertreten. Kritisiert werden vor allem die wesentlich längeren deutschen Unverfallbarkeitsfristen und einiger anderer Mitgliedstaaten. 115

116

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

Marktes und des

Binnenmarktes

35

dem Arbeitnehmer drohende Verlust an Anwartschaften nur sehr gering ausfallen kann. Daher wäre eine weitergehende Festlegung auf eine sofortige Unverfallbarkeit zur Beseitigung einer Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes zwar geeignet, aber nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig 121 .

b) Rechtsetzung betreffend

die soziale Dimension betrieblicher

Altersversorgung

In den 70er und 80er Jahren, bis zum Inkrafttreten der E E A mit ihren neuen sozialpolitischen Kompetenznormen am 01.07. 1987, war Art. 100 E ( W ) G V (jetzt Art. 94 E G ) die bevorzugt in Anspruch genommene Rechtsgrundlage auch für Maßnahmen, die im Kern der Sozialpolitik zuzurechnen sind 1 2 2 . Der E u G H hat es wiederholt - implizit - gebilligt, daß im Kern sozialpolitisch motivierte Vorhaben gestützt auf Art. 100 E ( W ) G V verfolgt wurden 1 2 3 , ohne die potentiellen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt tatsächlich zu untersuchen. Einige dieser Maßnahmen betrafen am Rande auch die betriebliche Altersversorgung. Für eine umfassende Rechtsangleichung der Betriebsrentenrechte der Mitgliedstaaten wurde dagegen kein Bedürfnis 1 2 4 oder aber keine Chance der Realisierung gesehen 1 2 5 .

aa) 77/187/EWG

Betriebsübergang;

RL 98/50/EG

Änderungsrichtlinie

Die auf Art. 100 E W G V (jetzt Art. 94 E G ) gestützte Richtlinie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen 1 2 6 bestimmt in Art. 3 Abs. 1, daß die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf Grund des Übergangs auf den Erwerber übergehen. Abs. 3 S. 1 der Vorschrift nimmt indessen Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, bei Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten vom Übergang auf den Erwerber aus. Die betriebliche Altersversorgung wird nur in einer sehr allgemein gehaltenen Aufforderung zur Bereitstellung von Arbeitnehmerschutz Näher zur Freizügigkeitsrelevanz der Unverfallbarkeitsfristen §3 C . I . l . (S. 126ff.). Birk, RdA 1992, 71. 123 E u G H 08.04. 1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455, 473,479; E u G H , 08.06. 1982, Rs. 91/ 81, Kommission/Italien (Richtlinie über Massenentlassungen), Slg. 2133, 2138. Vgl. Kuhn, Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft, S. 377ff.; Konzen, EuZW 1995, 41; Langeheine in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn.27; ebenso Steinmeyer, ZIAS 1989, 216ff. 124 Burgio, BetrAV 1994, 20\ \ Andre sen, in: Schmähl, Soziale Sicherung im EG-Binnenmarkt, S.64. 125 H - B e t r A S IV rhitsch/Jürgens, Ordnr. 20, Rn.18. 126 R L 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Ubergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen vom 14.02. 1977, ABl. Nr. L 61/26 vom 05.03. 1977. 121 122

36

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

einbezogen: N a c h Abs. 3 S. 2 treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer sowie z u m Zeitpunkt des Ubergangs bereits ausgeschiedener Personen hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaften auf Leistungen bei Alter aus den genannten Zusatzversorgungseinrichtungen 1 2 7 . Die ebenfalls auf Art. 100 E G V (jetzt Art. 94 E G ) gestützte Änderungsrichtlinie 98/50/EG 1 2 8 sieht im Hinblick auf die Zusatzaltersversorgung keine materiellen Änderungen vor 129 . N a c h Art. 3 Abs. 4a R L 77/187/EWG geänderte Fassung gelten, sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, die den Ubergang der Rechte und Pflichten regelnden Bestimmungen der Richtlinie nicht f ü r die Rechte der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Zusatzversorgung. N a c h Art. 3 Abs. 4b R L 77/187/EWG geänderte Fassung treffen die Mitgliedstaaten auch dann, w e n n sie keinen Ubergang der Rechte der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Zusatzversorgung vorsehen, die notwendigen Maßnahmen z u m Schutz der Interessen der Arbeitnehmer und der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs schon ausgeschiedenen Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf eine Zusatzversorgung. Damit ist lediglich klargestellt, daß ein Mitgliedstaat die Schutzanforderungen des Art. 3 Abs. 4b hinsichtlich der aktiven Arbeitnehmer auch erfüllt, w e n n er ihre Rechte aus einer betrieblichen Zusatzversorgung den allgemeinen Regeln z u m Ubergang des Arbeitsverhältnisses unterwirft 1 3 0 . Insofern die Richtlinie das Schicksal von Arbeitsverhältnissen beim Betriebsübergang regelt, schafft sie Rechtssicherheit auch für die Parteien des Unternehmenskaufvertrages u n d dient insofern dem Gemeinsamen Markt für Unternehmensübernahmen in Europa 1 3 1 . Diese Rechtssicherheit ist aber nur ein N e b e n p r o d u k t der sozialpolitischen Zielsetzung der Richtlinie. Inwiefern das Fehlen nicht näher bezeichneter Maßnahmen z u m Schutz der Arbeitnehmer und ausgeschiedener Personen hinsichtlich ihrer Betriebsrentenrechte u n d -anwartschaften sich negativ auf den Gemeinsamen Markt auswirken kann oder die geforderten Maßnahmen sich positiv auswirken, ist unklar. Es findet sich dazu auch nichts in den Erwägungsgründen. Mangels Konkretisierung der geforderten Maßnahmen bleibt hier nicht einmal der Nebeneffekt der Rechtssicherheit für den Wirt-

127

Im deutschen Recht ist dies f ü r die aktiven A r b e i t n e h m e r dadurch geschehen, daß §613a B G B Betriebsrentenzusagen miterfaßt. 128 R L 9 8 / 5 0 / E G v o m 29.06. 1990, ABl. N r . L 201/88 v o m 17.07. 1998. Zu den Vorarbeiten vgl. den Richtlinienvorschlag K O M ( 9 4 ) 3 0 0 endg. - 94/0203(CNS)), den Änderungsvorschlag des Parlaments A4-0376/96, Abi. N r . C 33/81 v o m 3.2. 1997 u n d das M e m o r a n d u m der K o m mission, N Z A 1997, 697ff. 129 Ebenso Franzen, R d A 1999, 363. 130 Entgegen Waas/Johanns, E u Z W 1999, 460 bedeutet die N e u f a s s u n g nicht, „daß der deutsche Gesetzgeber Ruhestandsverhältnisse ... in die A n o r d n u n g des automatischen Vertragsübergangs nach § 613a Abs. 1 S. 1 B G B einbeziehen k ö n n t e " . Art. 3 Abs. 4a R L 7 7 / 1 8 7 / E W G geänderte Fassung macht zu Ruhestandsverhältnissen ü b e r h a u p t keine Aussage, weil hier n u r die (aktiven) Arbeitnehmer, nicht aber - wie in d e m allgemeinen Schutzauftrag des Abs. 4b R L 77/187/ E W G geänderte Fassung - auch die schon ausgeschiedenen A r b e i t n e h m e r erwähnt sind. 131 Kritischer Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 73f., der keinerlei Bezug z u m Gemeinsam e n M a r k t zu erkennen vermag.

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

Marktes

und des

Binnenmarktes

37

schaftsverkehr. Es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern die Richtlinie die Verwirklichung der Freizügigkeit befördert u n d insoweit der Herstellung des Gemeinsamen Marktes dienen kann. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist überhaupt nur beim grenzüberschreitenden Betriebsübergang, bei dem der Betrieb von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlagert wird, betroffen 1 3 2 . Die Richtlinie ist damit ein Beispiel f ü r eine Maßnahme, bei der ein sozialpolitisches Schutzanliegen, das in den Aufgabenbereich der Gemeinschaft fällt (Art. 117 EGV, jetzt Art. 136 EG), auf eine wirtschaftspolitische Befugnisnorm gestützt wurde, die den Rechtsetzungsakt jedenfalls hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung nicht deckt.

bb) RL 80/987/EWG

Insolvenzschutz

Ein weiteres Beispiel f ü r die Verwirklichung eines sozialpolitischen Anliegens mit Hilfe der wirtschaftspolitischen K o m p e t e n z n o r m ist die auf Art. 100 E G V (jetzt Art. 94 EG) gestützte Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers 1 3 3 . Die Art. 3 - 5 der Richtlinie betreffen den Schutz des Arbeitsentgelts. N a c h Art. 6 können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß Beiträge der Arbeitnehmer zu betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen von dem Insolvenzsicherungsmodell der Art. 3 - 5 der Richtlinie ausgenommen werden. Art. 8 der Richtlinie bestimmt, daß die Mitgliedstaaten sich vergewissern, „daß die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer ... hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter ... aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden." Die Richtlinie verlangt somit bezüglich des Insolvenzschutzes der betrieblichen Altersversorgung von den Mitgliedstaaten keine konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen. Im deutschen Recht war Art. 8 der Richtlinie f ü r die über den PSVaG geschützten Durchführungswege durch die §§7-15 BetrAVG bereits Genüge getan. Für die versicherungsförmigen Durchführungswege galt das gleiche wegen der Minimierung des Insolvenzrisikos durch die Versicherungsaufsicht 1 3 4 . Auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 80/987/EWG wird nicht deutlich, wie sich der mit der Richtlinie verfolgte Arbeitnehmerschutz auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes unmittelbar auswirken können soll 135 . Allerdings leuchtet es ein, daß ein europäischer Standard f ü r den Insolvenzschutz des Arbeitsentgeltes u n d der Betriebsrente die Mobilität der Arbeitnehmer und damit des Faktors Arbeit befördern kann, weil zu den anderen psychologischen Hemmnissen f ü r die grenzüberschreitende Arbeitssuche nicht noch die Unsicherheit über die Insolvenzsicherheit des im Ausland erarbeiteten Arbeitsentgelts 132

Vgl. hierzu §11 E. (S. 484ff.). R L 8 0 / 9 8 7 / E W G v o m 20.10. 1980. 134 Z u m Restrisiko der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsunternehmens D . I I U . b ) (S.69f.). 135 Insoweit ebenso Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 74. 133

unten

38

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

kommt. In bezug auf die Zusatzaltersversorgung sind die Anforderungen der Richtlinie allerdings so vage, daß man wegen dieser fehlenden Konkretisierung der einzelstaatlich zu treffenden Maßnahmen daran zweifeln kann, ob die Richtlinie insoweit der Beförderung des Gemeinsamen Marktes dienen kann. Der Umstand, daß der E u G H seine Staatshaftungsrechtsprechung anhand der Insolvenzrichtlinie entwickelt hat136, zeigt indessen, daß er selbst keine Kompetenzüberschreitung sieht und den Rechtsakt für durch Art. 100 EWGV (jetzt Art. 94 EG) gedeckt hält. cc) RL 751117/EWG zur Lohngleichheit undRL 86/378/EWG, RL 96/97/ EG zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Schließlich wurde auch die Richtlinie über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts auf Art. 100 EWGV 137 (jetzt Art. 94 EG) und die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit138 auf Art. 100 und 235 EWGV (jetzt Art. 94 und 308 EG) gestützt. Da die Betriebsrente nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Entgelt i.S. des Art. 119 EGV (jetzt Art. 141 EG) ist139, betrifft auch die erste Richtlinie die Zusatzaltersversorgung, weswegen die zweite kaum eigenständige Bedeutung erlangt hat140. Die auf Art. 100 EGV (jetzt Art. 94 EG) gestützte Änderungsrichtlinie 141 nimmt die Entwicklung der Rechtsprechung seit der Rechtssache Barber 142 auf und setzt sie aus Gründen der Rechtssicherheit in Richtlinienrecht um. Art. 119 EGV (jetzt Art. 141 EG) selbst kam als Rechtsgrundlage für etwaige Gleichstellungsmaßnahmen auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung nicht in Frage143. Art. 119 EGV (jetzt Art. 141 EG) hat nach der Rechtsprechung des E u G H unmittelbare Wirkung für sämtliche im Gebiet der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer 144 , ist aber keine Kompetenznorm, die zur Rechtset-

136

E u G H 19.11. 1991, Rs C - 6 / 9 0 u n d C - 9/90, Francovich, Slg. 1-5357. R L 7 5 / 1 1 7 / E W G vom 10.02. 1975. 138 R L 8 6 / 3 7 8 / E W G v o m 24.07. 1986. 139 Ständige Rechtsprechung seit E u G H 11.03. 1981, Rs. 69/80, Worringham, Slg. 767 zu den die Sozialversicherungsrente teilweise ersetzenden „contracted out"-AltersVersorgungssystemen in Großbritannien; E u G H 13.05.1986, Rs. 170/84, Bilka-Kaufhaus, Slg. 1607 z u r mittelbaren Diskriminierung von Frauen als Teilzeitkräften; E u G H 17.05. 1990, Rs. C-262/88, Barber, Slg. 1-1889, 1950ff. 140 Langenfeld/Jansen in: G r a b i t z / H i l f , EGV, Art. 119 Rn.85. 141 R L 9 6 / 9 7 / E G v o m 20.12. 1996, ABl. N r . L 46 v o m 17.02. 1997, S.20. 142 Vgl. die E r w ä g u n g s g r ü n d e der Richtlinie, in denen die E n t w i c k l u n g der Rechtsprechung nachgezeichnet wird. 143 Art. 141 E G (Art. 119 E G V ) ermächtigt die Kommission lediglich bei seiner N i c h t b e a c h tung ein Vertragsverletzungsverfahren anzustrengen. Vgl. hierzu Kuhn, Die soziale Dimension, S. 361. 144 E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000, Rn. 135. 137

B. Verwirklichung

des Gemeinsamen

Marktes und des

Binnenmarktes

39

zung ermächtigt 1 4 5 . Der E u G H hat es gebilligt, daß die Richtlinien zur Lohngleichheit auf Art. 100 E G V (jetzt Art. 94 E G ) gestützt wurden 1 4 6 . Daß die genannten Richtlinien Rechtsangleichungsmaßnahmen enthalten, die nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern gemäß der wirtschaftspolitischen Zielsetzung des Art. 94 E G auch die Errichtung und das Funktionieren des G e meinsamen Marktes befördern 1 4 7 , läßt sich i.S. des Plausibilitätstests negativer wirtschaftlicher Auswirkungen der noch nicht angeglichenen nationalen Bestimmungen auf den Gemeinsamen Markt begründen. Nationale Vorschriften, die diskriminierende Entgeltregelungen enthalten oder zulassen, haben insofern einen negativen Effekt auf den Gemeinsamen Markt, als sie den Wettbewerb zwischen Unternehmen aus Mitgliedstaaten, die die Lohngleichheit garantieren und solchen aus Staaten, die die Lohndiskriminierung noch nicht beseitigt haben, verzerren 1 4 8 . Zudem können sie den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt verzerren, die Frauenerwerbstätigkeit behindern und damit das Arbeitskräftepotential verringern. Daß mit einer erhöhten Frauenerwerbstätigkeit auch Beschäftigungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt verschärft werden und sich wegen des Art. 141 E G innewohnenden Mechanismus der Angleichung nach oben 1 4 9 mit der Verwirklichung der Lohngleichheit tatsächlich die Arbeitskosten verteuern, ist schon in Anbetracht der unmittelbaren Wirkung von Art. 141 E G kein zulässiges Gegenargument gegen eine auf Art. 94 E G gestützte Rechtsetzung zur Lohngleichheit.

dd) Fazit Die hier vorgetragene Kritik an der Inanspruchnahme von Art. 100 E ( W ) G V (jetzt Art. 94 E G ) für manche im Kern sozialpolitische Vorhaben ist nicht neu 1 5 0 . Der europäische Rechtsetzer hat zumeist nicht einmal den Versuch unternommen, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt deutlich zu machen. Für künftige sozialpolitisch motivierte Rechtsetzungsvorhaben auch zur Zusatzaltersversorgung ist zu fordern, daß jede Inanspruchnahme von Art. 94 E G als Rechtsgrundlage den Wirkungszusammenhang zwischen der Verwirklichung des sozialpolitischen Anliegens und dem Funktionieren des Gemeinsamen Anders Strohmeier in seiner Auflistung D B 1992, 38. E u G H 08.04. 1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455, 479. Zustimmend Langeheine, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn.27. Dazu, daß sie über das Mittel der Rechtsangleichung einen Zustand herbeizuführen suchen, der nach dem Vertrag längst hätte eingetreten sein müssen, Kuhn, Die soziale Dimension, S.361; hierzu auch Steinmeyer, ZIAS 1989, 217. 147 In den Erwägungsgründen der R L 75/117/EWG vom 10.02.1975 heißt es lapidar, die Verwirklichung des in Art. 119 E W G V (jetzt Art. 141 E G ) genannten Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen sei Bestandteil der Errichtung und des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes. 148 E u G H 08.04. 1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455, 473, 479 zur doppelten wirtschaftlichen und sozialen Zweckbestimmung des Art. 119 E W G V (jetzt Art. 141 EG). 1 4 9 Vgl. hierzu E u G H 08.04. 1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455, Rn. 15. 150 Ebenso Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 63, 93; Buchner, VSSR 1992, 12; ders., RdA 1993, 196; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 71 ff.; Konzen, EuZW 1995, 41f. 145 146

40

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Marktes darlegen und nicht nur diffus behaupten muß. Dies gilt um so mehr als der EG-Vertrag inzwischen in Art. 137 E G weitreichende sozialpolitische K o m petenzvorschriften enthält, die einen Rekurs auf Art. 94 E G entbehrlich machen.

c) Rechtsetzungsvorhaben tersversorgung betreffend:

die wirtschaftliche Dimension betrieblicher AlSchaffung eines „ Europäischen Pensionsfonds"?

O b Art. 94 E G 1 5 1 die Schaffung eines eigenen separaten Gemeinschaftssystems der Zusatzaltersversorgung erlauben würde, ist streitig. Die ablehnende Auffassung sieht in Art. 94 E G eine Kompetenznorm zur Angleichung der nationalen Rechte der Mitgliedstaaten, nicht aber zur Schaffung eigener europäischer Institutionen, die neben die nationalen Institutionen treten 1 5 2 . Den Befürwortern zufolge beschränkt sich die Harmonisierungskompetenz weder auf die Herstellung des „Durchschnitts" der vorhandenen Modelle, die Ermittlung des kleinsten gemeinsamen Nenners, noch auf eine bloße Verknüpfung (Koordination) bestehender Modelle. Vielmehr könne für ein optimales Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auch die Schaffung neuer Lösungen erforderlich sein, für die es bisher noch keine Vorbilder gebe 1 5 3 . Danach könnte ein Europäischer Pensionsfonds als Versorgungsmodell für gemeinschaftsweit operierende Unternehmen geschaffen werden. Anders als im Fall der sozialpolitisch begründeten Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats, die im Entwurfsstadium zunächst auf Art. 100 E W G V (jetzt Art. 94 E G ) gestützt wurde 1 5 4 , wäre ein „Europäischer Pensionsfonds" auch als Wirtschaftssubjekt konzipiert und Art. 94 E G als wirtschaftspolitische Kompetenznorm einschlägig. Die Schaffung eines neuen europäischen Zusatzversorgungsmodells für gemeinschaftsweit operierende Unternehmen wäre auch nicht notwendigerweise eine schärfere Maßnahme als die Angleichung des Rechts der bestehenden nationalen Versorgungsmodelle. Indem die Schaffung eines neuen zusätzlichen M o dells die gewachsenen Modelle in den Mitgliedstaaten unangetastet ließe, handelte es sich vielmehr um eine weniger einschneidende Maßnahme, die unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht anzugreifen wäre. O b ein Europäisches Pensionsfonds-Statut geeignet wäre, den wirtschaftlichen Integrationsprozeß zu befördern, wäre im einzelnen darzulegen. Wegen des wirt151 Zu Art. 44 Abs. 2 lit. g E G (früher 54 Abs. 3 lit. g E G V ) als Rechtsgrundlage unten D.II. (S. 61 ff.). 152 Ablehnend Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 98. 153 Langeheine in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 100 Rn. 13 m.w.N.; Streinz, Europarecht, Rn.959; Groeben/Taschner, EU-/EG-Vertrag, Art. 100 Rn. 33. 154 R L 94/45/EG vom 22.09.1994, ABl. Nr. L 254 v. 30.09.1994, S. 64. Rechtsgrundlage ist das Abkommen über die Sozialpolitik, insbesondere Art. 2 Abs. 2. Der am Widerstand des Vereinigten Königreichs gescheiterte Richtlinienvorschlag der Kommission vom 06.12. 1990 nannte Art. 100 E W G V (jetzt Art. 94 E G ) als Rechtsgrundlage (Richtlinienvorschlag der Kommission über die Einsetzung Europäischer Betriebsräte in EG-weit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, ABl. 1991 C 39/10; abgedruckt in EWS 1991, 80ff.). Vgl. zum Wechsel der Kompetenznorm auch Junker J Z 1994, 280.

C. Betriebliche

Altersversorgung

als Gegenstand

europäischer

Sozialpolitik

41

schaftspolitischen Charakters der K o m p e t e n z n o r m des Art. 94 E G wäre hierbei nicht darauf abzuheben, ob es in grenzüberschreitend tätigen U n t e r n e h m e n in den Mitgliedstaaten auch in Anbetracht der sehr unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Versorgungsniveaus in der Gemeinschaft 1 5 5 Schwierigkeiten bereitet, die Altersversorgung grenzüberschreitend mobiler Arbeitnehmer befriedigend auszugestalten und Rechtsverluste f ü r diese zu vermeiden. Diese Frage betrifft die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung. Es wäre vielmehr darauf abzustellen, daß die Wirtschaftstätigkeit der Bereitstellung betrieblicher Altersversorgungsleistungen in Anbetracht der ganz unterschiedlichen Betriebsrentensysteme derzeit auf einzelne Mitgliedstaaten beschränkt ist und damit ein Gemeinsamer Markt f ü r diese Leistungen nicht existiert. Ein in allen Mitgliedstaaten akzeptiertes alternatives Modell eines Europäischen Pensionsfonds k ö n n te geeignet sein, einen Gemeinsamen Markt f ü r Zusatzaltersversorgungsleistungen herzustellen. D a ß im Zuge der Schaffung eines solchen Modells auch arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen betrieblicher Altersversorgung anzugleichen wären, stünde der Inanspruchnahme der K o m p e t e n z n o r m des Art. 94 E G nicht entgegen, solange diese Maßnahme der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes f ü r die Wirtschaftstätigkeit Zusatzaltersversorgung diente. Der Inanspruchnahme von Annexkompetenzen hierzu bedürfte es nicht. Ein Europäischer Pensionsfonds könnte in Deutschland als f ü n f t e r D u r c h f ü h rungsweg neben die im BetrAVG vorgesehenen Wege treten 1 5 6 . Denkbar wäre es auch, ein solches Modell allein auf gemeinschaftsrechtliche Unternehmensformen, etwa eine zukünftige Europäische Aktiengesellschaft 157 , zuzuschneiden.

C. Betriebliche Altersversorgung als Gegenstand Sozialpolitik

europäischer

Während bestimmte N o r m e n ausdrücklich z u m Erlaß von Richtlinien und Verordnungen ermächtigen, formulieren andere nur Vertragsziele ohne kompetenzbegründende Kraft. Beide Arten von N o r m e n finden sich in den Art. 136142 E G , in denen die sozialpolitischen Vorschriften durch den Vertrag von A m sterdam gebündelt wurden.

I. Sozialpolitische Normen ohne Kompetenzcharakter Zu den keine Rechtsetzungszuständigkeit begründenden, bloß den Aufgabenbereich der Gemeinschaft absteckenden Zielbestimmungen, Orientierungsmaßstäben oder Programmsätzen zählten die Art. 117 u n d 118 EGV, die in Art. 136 155

Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungssystemen f ü r im Ausland erwerbstätige Arbeitnehmer, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l [im folgenden: A r beitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l] unter 1.6, S.3f. D a z u auch Zavvos, C M L R 1994, 228. 156 Jürgens, FS A h r e n d , S.509. 157 Vgl. z u m Stand der Rechtsetzung GroehenlTroberg, E U - / E G - V e r t r a g , Art. 54 Rn. 51 ff.

42

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

und 137 E G eine Neufassung erfahren haben, und die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (im folgenden: Gemeinschaftscharta) 158 . D e r Programmsatz des Art. 117 E G V enthielt eine Ubereinkunft der Mitgliedstaaten, „auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte hinzuwirken und dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen". Trotz seines Wortlauts richtete sich die Zielbestimmung des Art. 117 E G V auch an die Gemeinschaft 1 5 9 . Die Neufassung der Bestimmung in Art. 136 E G ist insoweit eindeutig. Diese stellt klar, daß die in dieser Bestimmung genannten Ziele von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten verfolgt werden. Die Vorschrift ist Anhaltspunkt für die Auslegung anderer Vorschriften des E G V 1 6 0 . Zur Verwirklichung der Ziele des Art. 136 E G im Wege von Rechtsetzungsmaßnahmen ist die Gemeinschaft auf andere Kompetenznormen im E G Vertrag angewiesen 161 . Nach Art. 118 E G V war die Sozialpolitik Sache der Mitgliedstaaten 162 . Art. 118 E G V verpflichtete die Kommission, im Rahmen der allgemeinen Vertragsziele die Kooperation der Mitgliedstaaten untereinander in sozialen Fragen organisatorisch zu fördern. Materielle Entscheidungsbefugnisse standen ihr nicht zu 163 . Art. 118 E G V anerkannte somit die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in sozialen Fragen, verlangte aber eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Zuständigkeiten und wies der Kommission die Aufgabe zu, diese

158 Diese ist nicht zu verwechseln mit der Europäischen Sozialcharta des Europarates 18.10. 1961. Vgl. die hilfreiche Aufstellung leicht zu verwechselnder Dokumente bei Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 100 Fn.392. 159 MünchArbR/Smfe, § 18 Rn. 28 sieht in Art. 117 E G V nur eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nicht der Gemeinschaft. Diese Auslegung des Art. 117 E G V ist zu eng. Vgl, schon Schnorr, Arbeits- und sozialrechtliche Fragen der europäischen Integration, S. 16ff., der Art. 117 E G V als materiell-rechtliche Ermächtigung zum Gemeinschaftshandeln, nicht aber als Kompetenzvorschrift deutet; Groeben/Schulte, EU-/EG-Vertrag, Art. 117 Rn. 5; Langenfeld/Jansen in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 117 Rn. 7; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 45. 160 Zu Art. 117 EGV: E u G H 29.09. 1987, Rs 126/86, Zaera, Slg. 3697, 3716f.; Zuleeg, E u G R Z 1992, 329 Fn.4; Steinmeyer, ZIAS 1989,214; Hailbronner, GS Grabitz, S. 130f.; Groeben/ScWte, EU-/EG-Vertrag, Art. 117 Rn. 5; Bleckmann, Europarecht, Rn.2559: verbindliche Zielbestimmung; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.46f., 59f. insbes. zur Verwirklichung der Ziele des Art. 117 E(W)GV durch Errichtung des Gemeinsamen Marktes und durch die Wirtschaftspolitik; ausführlich Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 44 ff. 161 Zum programmatischen Charakter der Bestimmung Krehber, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 136 Rn.28. 162 E u G H 09.07. 1987, verb. Rs. 281,283-285, 287/85, Wanderungspolitik, Zuständigkeit der Gemeinschaft, Slg. 3203, 3251 ff., insbes. Rn.14; dazu Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.30, 59f. 163 Groeben/Schulte, EU-/EG-Vertrag, Art. 118 Rn. 12ff., 16; Langenfeld/Jansen in: Grabitz/ Hilf, EGV, Art. 118 Rn. 3; E u G H 09.07. 1987, a.a.O., bestätigt in E u G H 13.12.1989, Rs. C 322/ 88, Grimaldi, Slg. 4407,4420 Rn. 15 zu einer auf Art. 155,117,118 E W G V (jetzt Art. 211,136,137 E G ) gestützten rechtlich nicht verbindlichen (Art. 189 EWGV, jetzt Art. 249 E G ) Empfehlung, vgl. Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 30; MünchArbR/ßzV&, § 18 Rn. 29; Hailbronner, GS Grabitz, S. 130f.

C. Betriebliche

Altersversorgung

als Gegenstand

europäischer

Sozialpolitik

43

Kooperation fördernd zu unterstützen 164 . Art. 118 E G V ist in Art. 137 Abs. 1 E G neugefaßt worden. Danach unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der in Art. 136 E G genannten Ziele. Die - ohne das Vereinigte Königreich verabschiedete 165 - Gemeinschaftcharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer enthält ebenfalls keine Kompetenznormen. Sie hatte bei ihrer Verabschiedung den Charakter einer rechtlich unverbindlichen Erklärung, die einem Rechtsetzungsvorhaben als „soft law" lediglich sozialpolitische Legitimation verschaffen konnte 1 6 6 . Das Ende 1989 von der Kommission vorgelegte Aktionsprogramm zur Anwendung dieser Gemeinschaftscharta 167 mündete denn auch in Rechtsetzungsakte, die sich auf die Gemeinschaftscharta zu ihrer materiellen Rechtfertigung beriefen, aber auf andere Kompetenzvorschriften gestützt wurden. Der EU-Vertrag schließlich nahm in den Präambeln zum Protokoll über die Sozialpolitik und dem Abkommen über die Sozialpolitik auf die Gemeinschaftscharta Bezug. Damit mag die Verwirklichung der Gemeinschaftscharta, vermittelt über das Protokoll und das Abkommen über die Sozialpolitik, zum primärrechtlich verankerten Vertragsziel avanciert sein 168 . Als Vertragsziel ist die Gemeinschaftscharta bei der Auslegung von Kompetenznormen zu beachten. Das ergibt sich jetzt auch aus Art. 136 Abs. 1 E G . Auch die Gemeinschaftscharta hat aber keine kompetenzbegründende Kraft. Im Hinblick auf die Zusatzaltersversorgung ist unter den sozialen Grundrechten der Arbeitnehmer Ziffer 2 der Gemeinschaftscharta von Interesse, wonach das Recht auf Freizügigkeit für jeden Arbeitnehmer auch die Geltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen 169 und des sozialen Schutzes 170 des Aufnahmelandes einschließt. Die Betriebsrente kann dem Wortlaut nach unter beide Begriffe gefaßt werden. Im Aktionsprogramm der Kommission schlägt sich dieses soziale Grundrecht im Hinblick auf die Zusatzal-

164 Art. 118 E G V hat damit nicht ausschließlich Programmcharakter. So Hailbronner, GS Grabitz, S.130f. 165 Vom 09.12. 1989, KOM[89]248 endg. 166 Groeben/Schulte, EU-/EG-Vertrag, Vorbem zu den Art. 117-127 und 129, Rn.45f.; Heinze, FS Wlotzke, S. 669; Birk, in: Birk/Erdmann/Lampert/Muhr, Europäischer Binnenmarkt, S. 18; ders.; N Z A 1996, 281; Hailbronner, GS für Grabitz, S. 126; Schuster, EuZW 92, 179; Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 103 m.w.N. 167 Mitteilung der Kommission über ihr Aktionsprogramm zur Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte, K O M (89) 586 endg. = Rats.-Dok. Nr. 9978/89). 168 So Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 106ff., 109; zur Primärrechtsqualität von Sozialprotokoll- und Sozialabkommen ausführlich ders., aaO, S. 139ff., 152. Dies setzt allerdings voraus, daß die Präambel des Vertrags bzw. eines Bestandteils des Vertrages überhaupt die Kraft hat, Vertragsziele zu begründen. Dies ist streitig. Ablehnend etwa Grabitz, in: Grabitz/Hilf, E G V Art. 235 Rn. 27 mit der Unterscheidung von Zielen der Gemeinschaft und Zielen des Vertrages; näher hierzu Kuhn, Die soziale Dimension, S. 320ff. 169 Zum sehr weiten Begriff der Arbeitsbedingungen in Art. 48 E(W)GV (nach Änderung jetzt Art. 39 E G ) (alle Vergünstigungen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen) E u G H 12.02. 1974, Rs. 152/73, Sotgiu, Slg. 153, 164 Rn.8f. und unten §3 A.II.l. (S. 112). 170 Der Begriff des sozialen Schutzes ist nicht mit dem der sozialen Sicherheit gleichzusetzen, s.u. D.I.3.c)cc) (S.57ff.). A.A. Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 12.

44

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

tersversorgung ebenfalls nieder, indem eine Untersuchung der Probleme angeregt wird, die sich bei der grenzüberschreitenden Übertragung im Rahmen der Zusatzsysteme der sozialen Sicherheit erworbener Rechte von einem Mitgliedstaat in einen anderen ergeben 171 . Die Zielsetzung der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Arbeitsbedingungen u n d des sozialen Schutzes in der Gemeinschaftscharta kann als Vertragsziel die Auslegung von Kompetenzbestimmungen leiten, begründet aber keine eigenständige Rechtsetzungskompetenz.

II. Kompetenznorm des Art. 137 EG (früher Art. 118a EGV, Art. 2 des Abkommens über die Sozialpolitik) 1. Rechtsetzungsbefugnisse

aus Art. 137 EG

Die zentrale f ü r die soziale Dimension betrieblicher Altersversorgung einschlägige K o m p e t e n z n o r m findet sich in Art. 137 E G .

a) Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer Art. 137 Abs. 1 erster Spiegelstrich und Abs. 2 E G ermächtigt den Rat z u m Erlaß von Mindestvorschriften zur Verbesserung der Arbeitsumwelt z u m Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Diese Vorschrift faßt Art. 118a E G V neu. Der durch die E E A eingefügte Art. 118a EGV 1 7 2 betreffend die Verbesserung der Arbeitsumwelt, Sicherheit u n d Gesundheit der Arbeitnehmer 1 7 3 hatte die sozialpolitische Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft erweitert. Er verlangte keine Einstimmigkeit 1 7 4 und gewährte im Verfahren nach Art. 189c E G V dem Europäischen Parlament größere Mitspracherechte als Art. 100 EGV 1 7 5 . § 118a E G V erlaubte die Schaffung von Mindestvorschriften zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer u n d setzte damit unvermeidlich ein gemeinschaftsweites Vorgehen voraus. Soweit die Gemeinschaft gestützt auf Art. 118a E G V soziale Mindest171 H i e r z u auch Steinmeyer, E u Z W 1991, 43f., der der von der Generaldirektion V berufenen Expertengruppe angehörte. 172 D a z u , daß im R a h m e n von Art. 118a E G V nicht f ü r jede auf G r u n d l a g e dieser Bestimmung getroffene M a ß n a h m e wissenschaftliche Beweise erbracht werden müssen E u G H 12.11. 1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, Rn.39, 79. 173 D a z u Birk, R d A 1992, 69. Mit Inkrafttreten des Vertrages von A m s t e r d a m finden sich die Regelungskompetenzen aus Art. 118a in Art. 137 Abs. 1,2 u n d 5 E G V konsolidierte Fassung. Es k o m m t das Verfahren der Mitentscheidung zur A n w e n d u n g . 174 Ebenso wie Art. 100a Abs. 4 E G V es den Mitgliedstaaten erlaubt, ein höheres Schutzniveau auf den Gebieten Gesundheitsschutz, Arbeitsumwelt, U m w e l t s c h u t z beizubehalten bzw. weitergehende M a ß n a h m e n zu treffen als sie das Gemeinschaftsrecht vorsieht, k ö n n e n die Mitgliedstaaten auch gegenüber den nach Art. 118a E G V erlassenen Richtlinien weitergehende M a ß n a h m e n treffen. E u G H 12.11. 1996, Rs. C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, Rn.17. Diese Abweichungsmöglichkeiten sind als Preis f ü r die E i n f ü h r u n g des Mehrheitsentscheidung anzusehen. Zu Art. 100a Abs. 4 E G V Streinz, Europarecht, Rn. 964ff. 175 Birk, N Z A 1996,281.

C. Betriebliche

Altersversorgung

als Gegenstand

europäischer

Sozialpolitik

45

Standards setzte, galten diese für alle Arbeitnehmer ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit 1 7 6 . Subsidiaritätserwägungen konnten die Kompetenz aus Art. 118a EGV, wenn die Rechtsgrundlage für Ziel und Inhalt des Rechtsaktes zutraf, nicht beschneiden 1 7 7 . Nach der Entscheidung des E u G H zur Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung war Art. 118a E G V zwar eine weit auszulegende Sonderregelung gegenüber den Art. 100, 100a EGV, die der Gemeinschaft eine Rechtsetzungskompetenz auf dem Gebiet des Sozialrechts gab, soweit es um Maßnahmen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer ging 1 7 8 . Eben diese waren aber durch die Zusatzaltersversorgung nicht betroffen. N u r mit einem ausufernden Verständnis der Vorschrift im Sinne einer allgemeinen Handlungsermächtigung zur „Humanisierung der Arbeitswelt" 1 7 9 hätte sich begründen lassen, daß die in der Zusage einer Betriebsrente liegende zusätzliche Absicherung des Arbeitnehmers für Alter und Invalidität diesen schon während seiner aktiven Arbeitnehmerzeit von Zukunftssorgen entlastete und in diesem Sinne seine Lebens- und Arbeitsbedingungen im Bereich des Gesundheitsschutzes verbesserte. Eine solche Auslegung war abzulehnen. Gleiches gilt für die Neufassung in Art. 137 E G .

b) Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt, Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, sozialer Schutz der Arbeitnehmer, Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages, Mitbestimmung Von den in Art. 137 Abs. 1 E G (Art. 2 Abs. 1 des Abkommens über die Sozialpolitik) aufgezählten Gebieten, auf denen die Gemeinschaft im Verfahren der Mitentscheidung Richtlinien mit Mindestvorschriften erlassen kann, kommen für die betriebliche Altersversorgung berührende Regelungen die Gestaltung der Arbeitsbedingungen 1 8 0 und die Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in Frage. Von den in EAS/Runggaldier, B 2000, Rn. 135. E u G H 12.11. 1996, Rs C-84/94, Vereinigtes Köngreich/Rat, Slg. 1-5755, Rn.46ff. S. auch Balze, Sozialpolitische Kompetenzen, S. 175ff. 178 E u G H 12.11. 1996, a.a.O. Das Vereinigte Königreich, das sich bei der Abstimmung über die Richtlinie der Stimme enthalten hatte, beantragte die Feststellung der Nichtigkeit der Richtlinie mit der Begründung, die Richtlinie habe allein auf Art. 100,235 E G V gestützt werden und somit nicht ohne seine Zustimmung angenommen werden können. Der E u G H verneint eine Uberschreitung der Kompetenzen des Rates ebenso wie einen Einsatz unverhältnismäßiger Mittel zur Erreichung dieser Ziele. Lediglich die Richtlinienbestimmung, wonach Sonntage als Ruhetag zu betrachten sein, könne nicht auf Art. 118a gestützt werden. I.E. zustimmend Krebher, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 18. Vgl. auch E u G H 19.03. 1993, Gutachten 2/91, Slg. I1061, 1078 Rn. 17. 179 Dazu Weiss, FS Gnade, S.585; Zachert, AuR 1989, S. 163; ablehnend Birk, RdA 1992, 71; Buchner, VSSR 1992, 18. 1 8 0 Zum Begriff der Arbeitsbedingungen Balze, Sozialpolitische Kompetenzen, S.262ff., Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 19 und oben C.I. (S.41ff.) und unten §3 A.II.l. (S. 112). 176

177

46

$ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Art. 137 Abs. 3 E G (Art. 2 Abs. 3 des Abkommens) aufgezählten Gebieten, auf denen die Mitgliedstaaten einstimmig handeln können, kommen der soziale Schutz der Arbeitnehmer 1 8 1 und der Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages in Frage. Unter beide Begriffe kann auch eine Begrenzung der zulässigen Länge von Unverfallbarkeitsfristen für Betriebsrentenanwartschaften zu fassen sein. Art. 137 Abs. 3 E G (Art. 2 Abs. 3 des Abkommens) nennt weiter die Beschäftigungsbedingungen der Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Gebiet der Gemeinschaft aufhalten. Uber diese Bestimmung kann sekundärrechtlich in einzelnen Fragen eine Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen mit Bürgern der Mitgliedstaaten erreicht werden, ohne daß jenen die Grundfreiheit der Freizügigkeit zustünde 1 8 2 . Insoweit die Verwaltung betrieblicher Versorgungswerke Mitbestimmungsfragen aufwirft, kommt auch die Kompetenzzuweisung Mitbestimmung in Frage. O b auch die in Art. 137 Abs. 3 E G (Art. 2 Abs. 3 des Abkommens) genannte soziale Sicherheit der Arbeitnehmer als Befugnisnorm für Regelungen der betrieblichen Altersversorgung in Frage kommt, wird im Rahmen der Diskussion des Art.42 E G (früher Art.51 E G V ) geklärt 1 8 3 .

2. Grenzen des Art. 137 Abs. 6 EG Nach seinem Abs. 6 gilt Art. 137 E G nicht für das Arbeitsentgelt (ebenso Art. 2 Abs. 6 des Abkommens) 1 8 4 . Das kann nicht heißen, daß Rechtsetzung aufgrund einer der zuvor genannten Kompetenzen den entgeltlichen Charakter des Arbeitsleistung überhaupt nicht berühren darf. So hat der Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages sicher auch zum Inhalt, daß noch ausstehendes Arbeitsentgelt auszuzahlen ist. Abs. 6 spricht, wie die ebenfalls genannten Begriffe Koalitionsrecht, Streikrecht, Aussperrungsrecht anzeigen, der Gemeinschaft vielmehr die Befugnis ab, gestützt auf Art. 137 E G (Art. 2 des Abkommens) einen Mindestlohn festzusetzen und damit die kollektivvertraglichen Lohnfindungsmechanismen in den Mitgliedstaaten außer Kraft zu setzen 1 8 5 . Das gilt dann aber auch für die Festsetzung einer Mindestbetriebsrente, da auch diese in einigen Mitgliedstaaten Gegenstand kollektivvertraglicher Verhandlungen ist 1 8 6 . Art. 137 E G (Art. 2 des Abkommens) gibt der Gemeinschaft damit keine Befugnis, eine obligatorische Betriebsrente einzuführen, auch wenn dies dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer dient. 181 Steinmeyer, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 86 meint, die betriebliche Altersversorgung falle wahrscheinlich unter „soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer". 182 Näher zur Situation der Drittstaatsangehörigen EAS/ Runggaldier, B 2000, Rn. 135. 183 Unten D.I.3.a) und c)cc) (S.51f. und 57ff.). 184 Vgl. hierzu auch Steck, EuZW 1994,142; Wank, RdA 1995,19; Schmidt, NZA 1998, 578f.; Löwisch, RdA 1999, 77. 185 S. auch Schulz, Maastricht und die Grundlagen einer europäischen Sozialpolitik, S. 99f.; für ein engeres Verständnis der Bereichsausnahme des Abs. 6 Balze, Sozialpolitische Kompetenzen, S.267; für ein gleichlaufendes Verständnis des Entgeltbegriffs in Art. 141 E G und Art. 137 Abs. 6 E G Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 8. 186 S. auch unten § 10 A.II. (S.415ff.).

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

47

Die Schranke des Art. 137 Abs. 6 EG (Art. 2 Abs. 6 des Abkommens) muß im Interesse ihres effet utile auch für Rechtsetzungsvorhaben wirken, die auf andere Kompetenznormen gestützt werden 187 . Auch wenn eine europäische obligatorische Betriebsrente der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dienen kann, scheidet eine entsprechende auf eine Kompetenzvorschrift im Recht der Freizügigkeit gestützte Rechtsetzungsmaßnahme daher aus.

D. Verwirklichung von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in Europa I. Verwirklichung der Freizügigkeit Die Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist neben der Verwirklichung des Lohngleichheitsgebots das zentrale soziale Problem betrieblicher Altersversorgung in Europa. Art. 40 EG (früher Art. 49 EGV) ermächtigt den Rat, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer i.S. des Art. 39 EG (früher Art. 48 EGV) herzustellen 188 . Dazu können auch Regelungen bezüglich Drittstaatsangehöriger getroffen werden 189 . Art. 49 EGV gab es dem Rat auf, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer „fortschreitend herzustellen". Dieser Formulierung lag ein dynamisches Verständnis der Freizügigkeit zugrunde, nachdem die Freizügigkeit keine fest umrissene Gewährleistung, sondern eine in immer stärkerem Maße zu verwirklichende Zielsetzung war. Die Änderung in Art. 40 EG mag anzeigen, daß die Freizügigkeit inzwischen zu einem durch die Rechtsprechung fest umrissenen Gewährleistungstatbestand geworden ist (Art. 39 Abs. 1 EG), dessen Verwirklichung dem Rat obliegt. Der Auftrag, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft herzustellen, besteht weiterhin fort 190 .

1. Rechtsetzungsvorhaben nach Art. 40 EG

Angleichung der

JJnverfallbarkeitsfristen

Bestehen - trotz der unmittelbaren Wirkung des Art. 39 EG 191 - Freizügigkeitshindernisse im Bereich betrieblicher Altersversorgung als einer sonstigen Arbeitsbedingung i.S. des Art. 39 Abs. 2 EG, so kommt primär Art. 40 EG und 187

A . A . Kliemann, Die europäische Sozialintegration nach Maastricht, S. 108f. D e r Katalog „insbesondere" geeigneter u n d zulässiger M a ß n a h m e n (Art. 40 lit. a - d E G , f r ü h e r Art. 49a - d E G V ) zielt auf eine h o h e Transparenz des europäischen Arbeitsmarktes, die Z u s a m m e n f ü h r u n g von A n g e b o t u n d Nachfrage, P r o g r a m m e f ü r gemeinsame Ausbildung u n d den Austausch junger Arbeitskräfte, sowie die gegenseitige A n e r k e n n u n g von Schul- u n d Berufsausbildungszeugnissen. N ä h e r E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000 Rn. 121 ff. 189 Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Art.49 R n . l l . 190 Zu Art. 48 Abs. 1 E ( W ) G V Kuhn, Die soziale Dimension, S. 82ff.; Steinmeyer, ZIAS 1989, 221. 191 Scheuer in Lenz, E G V - K o m m e n t a r , Vorbem. zu Art. 39-41 R n . 3 : seit E n d e der U b e r gangszeit. 188

48

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

möglicherweise Art. 42 E G als Kompetenznorm in Frage, subsidiär Art. 94, 308 E G , wenn Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt plausibel zu machen sind. Lange Unverfallbarkeitsfristen beschränken die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da sie gerade darauf abzielen, den Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden und die Mobilität zu begrenzen. Art. 40 E G ist daher eine geeignete Kompetenznorm, um dieses Freizügigkeitshindernis durch Richtlinien oder Verordnungen abzubauen. Insoweit kann auf die oben zu Art. 94 E G angestellten Erwägungen verwiesen werden. Das bei Art. 94 E G auftretende Problem, ob die Bestimmung auch rechtsvereinheitlichende Maßnahmen erlaubt, wird im Rahmen des Art. 40 E G nicht virulent, da dieser „alle erforderlichen Maßnahmen" deckt. In der Sache kommt es wie bei der Prüfung des Art. 94 E G entscheidend auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung an. Andernfalls ist die Maßnahme nicht erforderlich. Daß der EG-Vertrag Kompetenznormen enthält, die es erlauben, freizügigkeitsbeschränkende nationale Normen anzugleichen, bedeutet nicht automatisch, daß diese nationalen freizügigkeitsbeschränkenden Normen ohne ein Eingreifen des europäischen Rechtsetzers mit dem EG-Vertrag unvereinbar sind. Die von ihnen ausgehende Beschränkung kann vielmehr durch zwingende nationale Allgemeininteressen gerechtfertigt sein 192 . O b eine tatsächlich vermehrte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union dazu führen wird, daß soziale Mindeststandards in Europa - zu diesen gehört auch der Schutz der Betriebsrente durch Unverfallbarkeitsregelungen - langfristig auf Dauer konvergieren und somit mittelbar eine Angleichung erreicht wird, kann nur die Zukunft zeigen 1 9 3 . Der Rat der Europäische Union befürwortet im Prinzip eine gesteuerte Konvergenz durch Angleichung nationaler Zielsetzungen 1 9 4 .

2. Richtlinien und Verordnungen der Freizügigkeit

zur

Gewährleistung

Die Gemeinschaft hat von ihren Kompetenzen im Recht der Freizügigkeit durch die mit Änderungen geltende, auf Art. 49 E G V (nach Änderung jetzt Art. 40 E G ) gestützte Freizügigkeits-Verordnung 1 9 5 und die auf Art. 48 Abs. 3 lit. d E G V (nach Änderung jetzt Art. 39 Abs. 3 lit. d E G ) gestützte Verbleibe-Verordnung 1 9 6 Gebrauch gemacht. Die beiden genannten Verordnungen berühren auch die Gewährleistung der Freizügigkeit im Rahmen der Zusatzaltersversorgung.

192 193 194 195 196

Dazu näher unten §2 C.II, und III. (S.89ff. und 96ff.). Skeptisch Heinze, FS Wlotzke, 674f. Vgl. Entschließung des Rates vom 06.12. 1994, 94/C 368/03 unter 19. V O ( E W G ) Nr. 1612/68 vom 15.10. 1968. V O (EWG) Nr. 1251/70 vom 29.06. 1970.

D. Verwirklichung

a) VO (EWG)

1612/68

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

49

Freizügigkeits-Verordnung

Nach Art. 7 Abs. 1 V O ( E W G ) 1612/68 ist der Wanderarbeitnehmer hinsichtlich der Beschäftigungs- 197 und Arbeitsbedingungen gleichzubehandeln und genießt gemäß Absatz 2 die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Unter sozialen Vergünstigungen versteht der E u G H in ständiger Rechtsprechung alle Vergünstigungen, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern im allgemeinen hauptsächlich wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt werden. Die Ausdehnung dieser Vergünstigungen auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, integriert diese Arbeitnehmer in die jeweiligen Lebensverhältnisse und erscheint deshalb als geeignet, ihre Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern 198 . Soziale Vergünstigungen sind keine Leistungen der sozialen Sicherheit i.S. des Gemeinschaftsrechts 199 . Betriebliche Altersversorgungsleistungen als solche stellen keine soziale Vergünstigung im Sinne dieser Vorschrift dar, wohl aber etwa die Weiterzahlung von Beiträgen zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Dauer des Wehrdienstes 200 . Unter steuerlichen Vergünstigungen ist etwa eine Vorschrift wie § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EstG zu verstehen, wonach Renten aus der Pensionskasse einkommenssteuerrechtlich als sonstige Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift beim Rentner selbst erfaßt und nur mit dem Ertragsanteil versteuert werden, nachdem schon die Zuwendungen des Trägerunternehmens an die Pensionskasse lohnsteuerpflichtig waren 201 . Das gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers. Zieht der Arbeitnehmer als Rentner wieder in sein Heimatland und muß er dort seine Pensionskassenrente voll, also nicht nur mit dem Ertragsanteil, versteuern, so wird er im Ergebnis doppelt besteuert. Dieser Mißstand ist nicht in einer Diskriminierung durch nationale Vorschriften begründet, sondern in der Unter-

197 Vgl. hierzu auch die Rechtsetzungskompetenz aufgrund von Art. 137 Abs. 3 E G für Staatsangehörige dritter Länder, die sich rechtmäßig im Gebiet der Gemeinschaft aufhalten. 198 E u G H 17.04.1986, Rs. 59/85, Ann Florence Reed, Slg. 1283 m.w.N. aus der Rspr.; E u G H 14.03. 1996, Rs. C - 315/94, De Vos, Slg. 1-1417 = N Z A 1996, 523; hierzu Hailbronner, EuZW 1991,172; Blanpain/Schmidt/Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S. 176ff., Rn.249; Nicolaysen, Europarecht II, S. 168. 1 9 9 Nach der Rechtsprechung des E u G H liegt dann, wenn keinerlei Berufstätigkeits-, Mitgliedschafts- oder Beitragszeiten gefordert werden, auf eine Beurteilung der Bedürftigkeit im Einzelfall verzichtet und dem Empfänger keine gesetzlich umschriebene Rechtsstellung eingeräumt wird, eine Leistung der Sozialhilfe und keine der sozialen Sicherheit vor. Es ist dann zu prüfen, ob die Leistung nicht als soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der V O ( E W G ) 1612/68 anzusehen ist. Kuhn, Die soziale Dimension, S.83, 355 mit Rechtsprechungsnachweisen. 2 0 0 E u G H 14.03. 1996, Rs. C - 315/94, De Vos, Slg. 1-1417 = N Z A 1996, 523. 201 H-BetrAV/ß0ife, Ordnr. 50 Rn.941, 947ff.

50

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

schiedlichkeit der staatlichen Steuersysteme. Ihm ist mit Art. 7 Abs. 2 der V O 1612/68 wegen seiner „unilateralen Sicht" 2 0 2 nicht beizukommen. Soweit Einzelarbeitsverträge oder Kollektivverträge an die Staatsangehörigkeit anknüpfende diskriminierende Regelungen in bezug auf die betriebliche Altersversorgung enthalten, sind diese nach Art. 7 Abs. 4 V O 1612/68 („Entlohnung und alle übrigen Arbeitsbedingungen") nichtig 2 0 3 .

b) VO (EWG) Nr. 1251/70

Verbleibe-Verordnung

Der europarechtliche Arbeitnehmerbegriff erfaßt (Betriebs-)Rentner nicht. Der Betriebsrentner hat kein primärrechtliches Freizügigkeitsrecht, sondern ist auf sekundäre Rechtsetzung angewiesen 204 . Das Verbleiberecht des Betriebsrentners, der während seiner aktiven Berufszeit von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, ergibt sich erst aus der Art. 48 Abs. 3 lit. d E G V (nach Änderung jetzt Art. 39 Abs. 3 lit. d E G ) ausfüllenden sogenannten Verbleibe-Verordnung 2 0 5 .

c) RL 90/365/EWG

Pensionisten-Aufenthalts-Richtlinie

Die auf Art. 235 E W G V (jetzt Art. 308 E G ) gestützte Pensionisten-Aufenthalts-Richtlinie 2 0 6 gibt den Angehörigen der Mitgliedstaaten, die in der Gemeinschaft eine Tätigkeit als Arbeitnehmer oder als Selbständige ausgeübt haben, sowie deren Familienangehörigen unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, daß sie einer Rente in einer solchen Höhe beziehen, daß sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen und einen Krankenversicherungsschutz genießen, der im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeckt 2 0 7 . Während die Art. 48 und 52 E G V (jetzt nach Änderung Art. 39 und 43 E G ) Arbeitnehmern und selbständig Erwerbstätigen ein Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat gewähren, in dem sie ihr Berufsleben verbringen, steht das Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie auch Rentnern zu, die während ihres Berufslebens von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben 2 0 8 , und solchen 2 0 2 Beispiele für bilaterale Abkommen im Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l Anhang 3. 2 0 3 Problematisch unter diesem Gesichtspunkt etwa der Vorschlag von Andresen, BetrAV 1983, 114 bei Gesamtversorgungssystemen das niedrigere gesetzliche Rentenniveau ausländischer Mitarbeiter nicht durch höhere Betriebsrenten zu kompensieren, ihnen im Ergebnis also nicht das gleiche Gesamtversorgungsniveau zuzugestehen wie inländischen Mitarbeitern. Vgl. näher unten §3 E.II.l.a) (S. 153ff.). 2 0 4 Näher unten §3 A. 1.2. (S.llOf.). 2 0 5 V O ( E W G ) Nr. 1251 /70 der Kommission über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, vom 29.06. 1970. Hierzu MünchArbK/Birk, § 18 Rn. 101. 2 0 6 R L 90/365/EWG vom 28.06. 1990. 2 0 7 Art. 1 Abs. 1 der R L 90/365/EWG vom 28.06. 1990. 2 0 8 Vgl. Erwägungsgründe zur R L 90/365/EWG vom 28.06. 1990.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

51

früheren Wanderarbeitnehmern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem bisherigen Beschäftigungsstaat oder dem ihrer Staatsangehörigkeit niederlassen wollen 2 0 9 . Die Heranziehung von Art. 235 E W G V (jetzt Art. 308 E G ) als Kompetenznorm ist problematisch. Richtig ist, daß die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen aus dem personellen Schutzbereich der primären Freizügigkeitsbestimmungen herausfallen und auch die Kompetenznorm des Art. 48 Abs. 3 lit. d E G V (jetzt nach Änderung Art. 39 Abs. 3 lit. d E G ) nur solche Rentner erfaßt, die während ihrer aktiven Zeit von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben. Aus welcher Bestimmung des Vertrages es sich dann aber ergab, daß es ein Ziel desselben war, auch Rentnern, die in ihrer aktiven Zeit nicht von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, ein freies Aufenthaltsrecht zu geben, ist unklar 2 1 0 . Damit geht die Pensionisten-Aufentshalts-Richtlinie möglicherweise mit der Inanspruchnahme des Art. 235 E W G V (jetzt Art. 308 E G ) als Kompetenznorm über die Ergänzung der expliziten Befugnisse zur Verwirklichung eines Vertragsziels hinaus. Art. 308 E G erlaubt jedenfalls nicht die Erweiterung der Befugnisse durch Neudefinition eines Vertragsziels oder einer Aufgabe - hier die Gewährleistung eines Rechts auf freien Aufenthalt für Rentner. O b sich für die Zielsetzung der Richtlinie im EWG-Vertrag eine Aufgabennorm als Stütze finden ließ, soll hier dahinstehen. Der Vertrag von Maastricht hat mit Art. 8a E G V (nach Änderung jetzt Art. 18 E G ) ein allgemeines Recht auf Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit in den Vertrag eingefügt 211 , wodurch die Richtlinie heute materiell durch ein Vertragsziel gedeckt ist.

3. Maßnahmen

nach Art. 42 EG

a) Art. 42 EG als Kompetenznorm sozialen Sicherheit"

für Maßnahmen

auf dem „ Gebiet

der

Die Kompetenznorm des Art. 42 E G ist wie Art. 94 E G primär eine wirtschaftspolitisch motivierte N o r m , die die Beweglichkeit des Produktionsfaktors Arbeit sichern soll 2 1 2 . Sie ist in ihrem Anwendungsbereich auf das „Gebiet der sozialen Sicherheit" beschränkt, aber keine originär sozialpolitische Vorschrift 2 1 3 . Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der sozialen Sicherheit ist im EG-Vertrag nicht definiert. Gemeinhin wird für die Begriffsbestimmung an den in Art. 4 Abs. 1, 2 und 2a abgesteckten Geltungsbereich der V O ( E W G ) 1408/71 ange-

MiinchArbR/Sî'rfc, § 18 Rn. 101; EAS/Runggaldier, B 2000 Rn. 88. In den Erwägungsgründen der Richtlinie heißt es nur, daß es sich empfehle, das Aufenthaltsrecht auch dem genannten Personenkreis zu gewähren. 211 Groeben/Haag, EU-/EG-Vertrag, Art. 8a Rn. 1. 212 Schulte/Zacher, Jahrbuch I, S.375; Klang, Soziale Sicherheit, S.97ff. m.w.N. 213 Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S.44. 209 210

52

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

knüpft 2 1 4 . Im Schrifttum findet sich die Ansicht, daß darüber hinaus auch weitere sozialrechtliche Leistungsarten unter den Begriff der sozialen Sicherheit fallen könnten, das System offen für weitere Entwicklungen sei 215 . Art. 42 E G erlaubt „die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit notwendigen Maßnahmen". Durch diese Kompetenznorm ist die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit mit dem Ziel, Arbeitnehmern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, von Nachteilen freizustellen, die andernfalls aus der Anwendbarkeit des Sozialrechts des jeweiligen Beschäftigungsstaates entstünden, gedeckt. Dagegen ist Art. 42 E G nach h.M. keine Kompetenznorm für eine Angleichung des Sozial(versicherungs)rechts der Mitgliedstaaten 216 .

b) VO (EWG) 1408/71 Systeme der sozialen

Sicherheit

Gestützt auf die Art. 2, 7, 51 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 2 und 42 E G ) sind die V O ( E W G ) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit und die Durchführungverordnung V O ( E W G ) 574/72 ergangen 217 . Sie enthalten ein Koordinationsmodell der Sozialversicherungsrechte der Mitgliedstaaten und befassen sich im wesentlichen mit vier Problemen: der Bestimmung des anwendbaren Rechts (internationales Sozialrecht), dem Verbot der Diskriminierung zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten (Gleichbehandlung) 2 1 8 , der Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen (Zusammenrechnung von Beitragszeiten im Hinblick auf die Leistungen) und der grenzüberschreitenden Zahlung der Leistungen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten (Leistungsexport) 2 1 9 . 214 Groeben/Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 Rn.23ff.; Eichenhofer, FS Everling,S.303f. Neben den klassischen Systemen der Sozialversicherung werden auch Regelungen für die - oft nicht als Versicherungssystem organisierten - Systeme der Familienbeihilfen und Familienleistungen erfaßt. Näher Kuhn, Die soziale Dimension, S. 95ff. 215 Groeben! Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 Rn.29. Die gesamte Kommentierung von Willms stellt auf den sozialrechtlichen Charakter der Ansprüche ab und erwägt die Einbeziehung privatrechtlicher Betriebsrentenansprüche nicht. 2 1 6 Groeben/Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 R n . 4 , 4 1 ff. Allerdings enthält die Verordnung in Art. 69 auch eine eigenständige Ausnahmeregelung zu den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zugunsten der Arbeitnehmer, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen wollen. Hierzu E u G H 19.06. 1980, Rs 41,121 und 796/79, Testa u.a., Slg. 1979,1993 Rn. 5. Zur Abgrenzung zu den Kompetenzvorschriften der Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs.2, 55 E G ) E u G H 26.03. 1996, Rs. C-238/94, Garcia, Slg. 1-1673 Rn. 13. 2 1 7 V O ( E W G ) 1408/71 vom 21.03. 1972 und V O ( E W G ) 574/72 vom 21.03. 1972. Zu Vorläuferreglungen Groeben /Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 Rn.7. 2 1 8 Dieses gilt allerdings bereits unmittelbar aus dem EG-Vertrag. Kritisch zur Beschränkung auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten E A S / E i c h e n o f e r , B 1200 Rn. 65 f. 219 Kuhn, Die soziale Dimension, S. 95f.; Groeben /Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 Rn.36ff.; Kapteyn/Van Themaat, Introduction to the Law of the European Communities, S.422f.; E A S / E i c h e n h o f e r , B 1200 Rn.67 nennt nur die ersten drei.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

53

Die Koordinierungsverordnungen sind auf die Zusatzaltersversorgung nicht anwendbar. Sie erfassen nur die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit, nicht die berufsständischen Versorgungswerke 220 und in aller Regel221 auch nicht Leistungen aufgrund für allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge (Art. 1 lit. j VO (EWG) 1408/71). Insoweit es, wie bei allen Formen von Gesamtversorgungszusagen, Berührungspunkte zwischen Sozialrente und Betriebsrente gibt, kann allerdings der gemeinschaftsrechtliche Koordinierungsmechanismus auch bei der Anwendung des einzelstaatlichen Betriebsrentenrechts (z.B. §§5, 6 BetrAVG) von Bedeutung sein222. c) RL 98/49/EG

Wahrung ergänzender

aa) Chronologie der

Rentenansprüche

Vorarbeiten

In ihrem „Aktionsprogramm zur Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" vom 29.11. 1989 wies die Kommission auf das Fehlen einschlägiger Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz der Wanderarbeitnehmer gegen den Verlust von Ansprüchen aus Zusatzaltersversorgungssystemen und auf Auswirkungen auf die Freizügigkeit dieser Arbeitnehmer hin223. Das folgende Arbeitspapier „Vollendung des Binnenmarktes auf dem Gebiet der privaten Altersversorgung" der Generaldirektion XV 224 beschäftigte sich mit der Frage der grenzüberschreitenden Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungssystemen und den Freiheiten grenzüberschreitender Vermögensverwaltung und Vermögensanlage. Letztere betreffen die Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit. Bei der Frage grenzüberschreitender Mitgliedschaft geht es dagegen vor allem um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, daneben aber auch um die Dienstleistungsfreiheit der Anbieter betrieblicher Altersversorgung. Denn die Möglichkeit grenzüberschreitender Mitgliedschaft ist Voraussetzung dafür, daß ein betriebliches Altersversorgungssystem seine Leistungen in allen Mitgliedstaaten anbieten kann 225 .

220

Anhang II I C V O (EWG) 1408/71. Zu Ausnahmen aufgrund einer Erklärung nach Art. 97 V O (EWG) 1408/71 unten §5 C. (S.240ff.) und §6 B.II.3.b) (S.270ff.). 222 Vgl. unten §3 E. (S. 151 ff.). 223 Gemeinschaftscharta vom 09.12. 1989, K O M (89) 248 endg.; Aktionsprogramm vom 29.11.1989, K O M (89) 568 endg., BR-Ds. 717/89. Unter Titel 13. lautet das Programm der Kommission „Untersuchung der Probleme, die sich bei der Übertragung der im Rahmen der Zusatzsysteme der sozialen Sicherheit erworbenen Rechte von einem Mitgliedstaat in einen anderen ergeben, und Eröffnung einer Debatte hierüber." Vgl. hierzu Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 11 Off. 224 XV (90) 224 (unveröffentlicht), zitiert in Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev.l, S. 1 unter 1. 225 So Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev.l., S. 2 unter 221

1.2.

54

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Im folgenden wurden die Überlegungen zur sozialen Dimension von denen zur wirtschaftlichen Dimension betrieblicher Altersversorgung weitgehend abgekoppelt 2 2 6 : Die Fragen der Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit wurden in dem Projekt einer Pensionsfonds-Richtlinie weiterverfolgt 2 2 7 , die Frage der Freizügigkeit und insbesondere der Freiheit grenzüberschreitender Mitgliedschaft hiervon getrennt diskutiert. Im Hinblick auf die soziale Dimension folgte eine Bestandsaufnahme über die Rolle der Betriebsrentensysteme im Rahmen des Sozialschutzes in Europa und die Auswirkungen auf die Freizügigkeit in der Absicht, auf Gemeinschaftsebene eine Diskussion über Altersversorgungsrechte für mobile Arbeitnehmer auszulösen. Dazu legte die Kommission 1992 ein Arbeitspapier „Grenzüberschreitende Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungssystemen für im Ausland erwerbstätige Arbeitnehmer" vor 2 2 8 . Dieses beschränkt den Regelungsgegenstand auf die Mitgliedschaft entsandter Arbeitnehmer, die im Ausland für ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe tätig sind und später wieder zurückkehren wollen oder sollen (Wanderarbeitnehmer i.S. des Arbeitspapiers Grenzüberschreitende Mitgliedschaft). Die Anzahl der hiernach für eine grenzüberschreitende Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungsystemen in Frage kommenden Arbeitnehmer wird für die gesamte E U auf etwa 260.000 geschätzt, gegenüber rund 5 Millionen im EU-Ausland erwerbstätiger Arbeitnehmer überhaupt 2 2 9 . Ziel der Überlegungen ist der Schutz der Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft Gebrauch machen, vor dem Verlust von Ansprüchen aus ergänzenden Altersversorgungssystemen 2 3 0 . Als Weg wird erwogen, die bestehenden arbeits-, aufsichts- 231 und steuerrechtlichen

226 Kühlein, BetrAV 1993, 190; Pechstein, BetrAV 1992, 139; vgl. auch Kuhn, Die soziale Dimension, S.90f. Im Grünbuch vom 10. Juni 1997 finden sich die Fragenkreise allerdings wieder vereint. Dazu unten D.I.4. (S.60f.). 2 2 7 Dazu unten D.III.4. (S.70ff.). 2 2 8 Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l. Hierzu Beyer/Langohr-Plato, BetrAV 1994, 74. 229 Beyer, V W 1994, 744; Rößler, BetrAV 1995, 67; Zavvos, C M L R 1994, 628; die bei Förster/ Heger, BddW 21.11. 1994, S.9 genannte Zahl von 160.000 Wanderarbeitnehmern, die an einer grenzüberschreitenden Mitgliedschaft interessiert seien, beruht wohl auf einem Versehen. 2 3 0 Mitteilung der Kommission an den Rat „Ergänzende Systeme der sozialen Sicherheit" SEK(91) 1332 endg. vom 22.07.1991; zur Zielsetzung insbesondere S. 3 f. 1.5-1.7. Die zu der Mitteilung im August 1992 ergangene Stellungnahme des Wirtschafts-und Sozialausschusses (ABl. Nr. C 223/13 vom 31.8. 1992, abgedruckt in RdA 1993, 46ff.) befürwortet eine Koordinierung der Altersversorgungssysteme und befaßt sich insbesondere mit einer Erleichterung des Erwerbs, der Aufrechterhaltung und des Transfers von Ansprüchen innerhalb der Gemeinschaft, vgl. auch Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l., S.2f. unter 1.4. 231 Schon die Mitteilung 94/C 360/8, ABl. Nr. C 360/7 vom 17.12.1994 verwies unter 1.9. darauf, daß ein gesetzlich verankertes Recht auf Verbleib im heimischen Versorgungssystem für die Dauer der Auslandsentsendung die Anerkennung der jeweiligen Aufsichtssysteme der verschiedenen Mitgliedstaaten voraussetze.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

55

Hindernisse für eine fortgesetzte Mitgliedschaft ins Ausland entsandter Arbeitnehmer in dem Altersversorgungssystem ihres Heimatlandes zu beseitigen 232 . Die größten Hindernisse für eine grenzüberschreitende Mitgliedschaft sieht die Kommission in der unterschiedlichen Besteuerung von Beiträgen an und Leistungen aus betrieblichen Altersversorgungssystemen. Sie hält die Möglichkeit der Zulassung von Steuerbegünstigungen für Beiträge zu Altersversorgungssystemen in anderen Mitgliedstaaten, die in gewisser Weise „zugelassen" und „gleichwertig" sind, für einen geeigneten Lösungsansatz und schlägt daher eine begrenzte gegenseitige Anerkennung von Systemen mit der gleichen grundsätzlichen steuerlichen Behandlung vor. Von den in Deutschland praktizierten Durchführungswegen kommen für eine solche gegenseitige Anerkennung nach Ansicht der Kommission nur die Direktzusage und die Unterstützungskasse in Frage, nicht die versicherungsförmigen Durchführungswege (Pensionskasse, Direktversicherung) mit ihrem mit den typischen steuerlichen Verhältnissen in den anderen Mitgliedstaaten nicht vergleichbaren vorgelagerten Besteuerungsverfahren 2 3 3 . Aus deutscher Sicht ist die Beschränkung nur auf die Direktzusage und die Unterstützungskasse schon deshalb problematisch, da in der Praxis oft einige oder alle Durchführungswege kombiniert werden 2 3 4 . Die dem Arbeitspapier der Kommission angehängte veranschaulichende Auflistung von Hindernissen für die Mitgliedschaft von Wanderarbeitnehmern in Altersversorgungssystemen des Heimatlandes außerhalb des Steuerrechts enthält keine Beispiele aus Deutschland 2 3 5 . Tatsächlich ist es nach dem deutschem Sachund Kollisionsrecht betrieblicher Altersversorgung möglich, den entsandten Arbeitnehmer im deutschen Altersversorgungssystem in gleicher Weise abzusichern, als wäre er in Deutschland verblieben 2 3 6 . Dies wird noch im einzelnen Gegenstand des Zweiten Teils dieser Arbeit sein 2 3 7 . Die Überlegungen der Kommission zum Schutz der Wanderarbeitnehmer gehen allerdings mit keinem Wort auf die Frage ein, unter welchen Bedingungen das Betriebsrentenrecht des entsendenden Staates weiterhin Anwendung beansprucht. Das Freizügigkeitsproblem Vgl. Zavvos, C M L R 1994, 629. Vgl. Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S. 14 unter 5.5 und S. 27 unter 7.3. Die Kommission versucht, solche Altersversorgungssysteme zu definieren, die im weitesten Sinne hinsichtlich ihrer steuerlichen Behandlung gleichwertig und in ihrem jeweiligen Sitzmitgliedstaat dafür anerkannt sind, daß sie hinreichende Verbraucherschutz bieten. Vgl. Anhang 2 des Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l mit einer Liste des Altersversorgungssysteme der Mitgliedstaaten, die eine ähnliche steuerliche Behandlung erfahren. Dazu Beyer/Langohr-Plato, BetrAV 1994, 74; Kreußler, BetrAV 1994, 141; Rößler, BetrAV 1995, 67. 234 Jürgens, FS Ahrend 1992, S.500f.; Beyer, VW 1994, 744. 2 3 5 Anhang 1 des Arbeitspapiers Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev.l. 2 3 6 Vgl. etwa Richter/Schanz, BB 1994, 397ff., 406ff. Dort finden sich auch Hinweise auf Lösungsansätze der nationalen Gesetzgeber (bilaterale Abkommen und Genehmigungsverfahren) in den Beneluxländern, Frankreich, Großbritannien und Irland. 2 3 7 Vgl. unten §6 B.III.2. (S.273ff.), §8 C.II.l.a) (S.348f.) und zuvor schon unter §3 B. (S. 119ff.). 232

233

56

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

wird diskutiert, als gebe es kein Kollisionsrecht, das in Fällen mit Auslandsberührung erst die anwendbare Rechtsordnung bestimmt. Eine Zusammenschau von Kollisionsrecht und Europarecht findet nicht statt. Nachdem ein Arbeitsdokument zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Erwerbstätigen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen 2 3 8 , wegen seines zu ehrgeizigen und nicht konsensfähigen Inhalts nie bis zu einem Richtlinienvorschlag gedieh, führte ein zweiter und reduzierter Richtlinienvorschlag, den die Kommission am 19.11. 1997 vorlegte 2 3 9 , zum Ziel. Mit einigen Änderungen gegenüber dem Vorschlag erließ der Rat am 29.06. 1998 die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die sich innerhalb der Europäischen Union bewegen.

bb) Regelungsgehalt

der Richtlinie

98/49/EG

Die Richtlinie beschränkt ihren Regelungsgegenstand nicht auf die Freizügigkeit entsandter Arbeitnehmer, sondern erfaßt jegliche Arbeitnehmermobilität 2 4 0 . Sie betrifft nach Art. 1 „Rentenansprüche aus freiwilligen wie auch aus vorgeschriebenen ergänzenden Rentensystemen mit Ausnahme der von der V O ( E W G ) 1408/71 erfaßten Systeme". Als Anspruchsberechtigte i.S. der Richtlinie kommen Arbeitnehmer und Selbständige in Frage. Lediglich Art. 6 befaßt sich ausschließlich mit entsandten Arbeitnehmern. Art. 4 verlangt von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die von Mitgliedern in einem ergänzenden Rentensystem erworbenen Ansprüche auf eine ergänzende Rente aufrechterhalten werden, wenn sie sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen bewegen. Art. 5 befaßt sich mit der Gewährleistung der grenzüberschreitenden Zahlung der Betriebsrenten 2 4 1 . Art. 6 Abs. 1 enthält eine Bestimmung über die Fortführung der Altersversorgung im Pensionssystem des Herkunftsstaats während einer Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat. Art. 6 Abs. 2 verlangt den entsandten Arbeitnehmer und gegebenenfalls seinen Arbeitgeber von einer Zwangszusatzversorgung im Aufnahmemitgliedstaat freizustellen, wenn gemäß Absatz 1 weiterhin Beiträge in das Zusatzrentensystem des Entsendestaates gezahlt werden. Der Begriff der Entsendung nach Art. 3 lit. e der Richtlinie („entsandter Arbeitnehmer") entspricht dem

2 3 8 DE/05/95/51540300.P00 (EN). Die dort angestellten Überlegungen betreffend die Aufrechterhaltung und Übertragung von Anwartschaften sowie die Verkürzung der Unverfallbarkeit auf zunächst 8, ab 2010 auf 5 Jahre, stießen u.a. auf den Widerstand der Bundesregierung, vgl. Andresen, BetrAV 1995, 102. 2 3 9 98/C 5/04, Abi. C 5/4 vom 09.01. 1998. 2 4 0 Ihr Regelungsgegenstand ist damit nicht auf Wanderarbeitnehmer i.S. des Arbeitspapiers Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S.5 unter 1.9. beschränkt. 241 Diese, für die soziale Sicherheit in Art.42 Abs. 1 lit. b E G (Art.51 lit. b E G V ) aufgestellte Forderung, ist in Deutschland für Betriebsrentenleistungen ohnehin schon gewährleistet, Steinmeyer, FS Ahrend, S. 481.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

57

der V O 1408/71 242 . Art. 7 schließlich schafft Informationspflichten der Arbeitgeber u n d Verwalter ergänzender Rentensysteme insbesondere hinsichtlich der Folgen der A u s ü b u n g der Freizügigkeit und etwaiger Wahlmöglichkeiten 2 4 3 . Die noch in Art. 7 des Richtlinienvorschlags vom 19.11. 1997 vorgesehene steuerrechtliche Regelung, wonach die Mitgliedstaaten die Gleichbehandlung bei der Besteuerung der im Herkunftsstaat in ein ergänzendes Rentensystem geleisteten Beitragszahlung zu gewährleisten haben 2 4 4 , findet sich in der Richtlinie nicht mehr. Die Richtlinie verzichtet auch entgegen den Vorüberlegungen 2 4 5 auf eine Festlegung von Unverfallbarkeitsfristen 2 4 6 . Sie enthält auch keine Bestimmungen über eine Ubertragbarkeit von Anwartschaften für von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machende Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber vollständig und endgültig wechseln 247 . Die Richtlinie 98/49/EG ist bis zum 25.07. 2001 in deutsches Recht umzuset-

cc) Rechtsetzungskompetenz

aus Art. 42, 308 EG (Art. 51, 235 EGV)

Die Kommission stützt die Richtlinie auf die Einstimmigkeit erfordernden Art. 51, 235 E G V (nach Änderung jetzt Art. 42, 308 EG). Ü b e r Art. 235 E G V (jetzt Art. 308 E G ) soll die Einbeziehung Selbständiger in den Richtlinienvorschlag gerechtfertigt werden. Die Lage ist insofern die gleiche wie bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs der V O ( E W G ) 1408/71 z u m 01.07. 1982 auf Selbständige 249 . Allerdings hätte die Richtlinie hinsichtlich der Selbständigen auf 242 Vgl. die Entsendungsfristen des Art. 14 V O ( E W G ) 1408/71. Das Arbeitspapier G r e n z überschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S. lOf. unter 3.3. hatte demgegenüber noch einen Zeitraum von 5 Jahren, mit einer Verlängerungsmöglichkeit auf 10 Jahre für ein Recht auf F o r t f ü h r u n g der Mitgliedschaft in einem betrieblichen Altersversorgungssystem des H e i matlandes vorgeschlagen. Vgl. hierzu auch Beyer, V W 1994, 744. 243 N ä h e r zu den A n f o r d e r u n g e n der Richtlinie u n t e n § 3 B.H.2., III.2. (S. 122,125f.), C.II. 1 .b) (S. 137) u n d D.I. (S. 145f.). 244 Dies geht z u r ü c k auf Überlegungen der Kommission im Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l., S. 13ff. U m sicherzustellen, daß Beiträge eines oder zugunsten eines im Ausland tätigen Arbeitnehmers zu Altersversorgungssystemen steuerlich abzugsfähig sind, unabhängig davon, w o das Altersversorgungssystem niedergelassen ist, k ö n n t e eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften erfolgen, etwa indem Altersversorgungsleistungen nicht besteuert werden, w e n n die entsprechenden Beiträge nicht steuerbegünstigt waren. F ü r praktikabler hält die Kommission den alternativen Weg, Steuerbegünstigungen f ü r Beiträge zu Altersversorgungssystemen in anderen Mitgliedstaaten zuzulassen, die in gleicher Weise zugelassen oder gleichwertig sind. 245 Mitteilung der Kommission SEK(91) 1332 endg. v o m 22.07. 1991 u n t e r 3.2.2., 3.3.5. z u m Problem langer Unverfallbarkeitsfristen. 246 Vgl. aber A r t . 4 lit. a) des zurückgezogenen A r b e i t s d o k u m e n t s DE/05/95/51540300.POO (EN). 247 Vgl. hierzu Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S. 6 unter 2.1. Ein erster Schritt k ö n n t e eine einheitliche versicherungsmathematische Berechn u n g der zu übertragenden Anwartschaften sein. N ä h e r Zavvos, C M L R 1994, 630. 248 Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie. 249 E u G H 23.10. 1986, Rs. 300/84, von Roosmalen, Slg. 3116. Vgl. auch G r o e b e n / W i l l m s , E U - / E G - V e r t r a g , Art. 51 Rn.57.

58

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) gestützt werden können, so daß es des subsidiären Art. 235 E G V (jetzt Art. 308 E G ) nicht bedurft hätte. Problematischer ist die Heranziehung von Art. 51 E G V (nach Änderung jetzt Art. 42 E G ) als Kompetenznorm. Die Richtlinie ist als Pendant zur V O ( E W G ) 1408/71 konzipiert, das summarisch alle Rentenansprüche, die von dieser Verordnung ausgespart wurden, erfaßt. Die Kommission sieht die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer ausweislich der Erwägungsgründe „durch gesetzliche Systeme der sozialen Sicherheit und durch ergänzende Sozialschutzsysteme gewährleistet" 2 5 0 . Zugegebenermaßen leisten die Zusatzaltersversorgungssysteme einen Beitrag zur Absicherung des Arbeitnehmers im Alter, und damit zu seinem sozialen Schutz. Der Begriff der „sozialen Sicherheit" in Art. 42 E G ist jedoch ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsbegriff, der nach bislang herrschender Meinung allein gesetzliche Sicherungssysteme, im Bereich der Altersversorgung 2 5 1 also die erste Säule der Alterssicherung erfaßt 2 5 2 . Der Begriff der sozialen Sicherheit wurde bislang ganz überwiegend in Anlehnung an Art. 4 V O ( E W G ) 1408/71 definiert 2 5 3 . Die Definition eines Begriffs des Primärrechts durch den sachlichen Geltungsbereich des Sekundärrechts ist zwar methodisch fragwürdig, die Definition zirkulär. Was soziale Sicherheit i.S. dieser N o r m ist, kann nicht durch den Regelungsanspruch des Sekundärrechts bestimmt werden. In der Sache gab es aber wenig Anlaß, an der Tauglichkeit der A b grenzung de lege lata zu zweifeln. Auch für die Mitgliedstaaten, in denen die Allgemeinverbindlicherklärung eines Altersversorgungstarifvertrages die Sicherung verbindlich macht oder eine Zusatzversorgung die gesetzliche Rente teilweise ersetzt 2 5 4 , war die Trennlinie zwischen der sozialen Sicherheit i.S. des EG-Vertrages und diesen sonstigen Sicherungen, also zwischen der ersten und der zweiten Säule der Alterssicherung durch den Anwendungsbereich der V O ( E W G ) 1408/71 bislang klar gezogen. Zwar wird in der Literatur 2 5 5 die Einbeziehung weiterer Leistungsarten in den Begriff der sozialen Sicherheit für möglich gehalten 256 . Art. 42 Abs. 1 lit. a E G , der Vgl. Erwägungsgrund Nr.2. Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. c, d, e V O ( E W G ) 1408/71. 2 5 2 Groeben/Willms, EU-/EG-Vertrag, Art.51 Rn.23ff. geht ohne weiteres davon aus, daß nur staatliche Leistungen in Frage kommen. 2 5 3 Groeben/Wz7/ms, EU-/EG-Vertrag, Art.51 Rn.25. 2 5 4 Vgl. zu solchen Gestaltungen in Frankreich und im Vereinigten Königreich unten §6 B.II.3.b) (S. 270ff.). 2 5 5 Groeben /Willms, EU-/EG-Vertrag, Art. 51 Rn.29ff. 256 J ) E R E U G H hatte sich mit dieser Frage noch nicht zu befassen. In zwei Urteilen zu Art. 4 Abs. 1 V O (EWG) 1408/71 stellt er allerdings fest, daß eine gesetzliche Regelung nur dann in den Bereich der sozialen Sicherheit i.S. dieser Bestimmung falle, wenn sie jedenfalls u.a. einen Bezug zu den dort aufgezählten Risiken habe. Die Aufzählung der Risiken sei erschöpfend. E u G H 27.03. 1985, Rs. 249/83, Hoeckx, Slg. 982, 986 Rn. 12; E u G H 27.03. 1985, Rs. 122/84, Scrivner und Cole, Slg. 1029, 1034 Rn.19. 250 251

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

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im Hinblick auf den wesentlichen Koordinierungsmechanismus der Zusammenrechnung von Beitragszeiten von den „nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten" spricht, hat indessen gesetzliche Ansprüche im Auge. Dagegen enthält Art. 42 E G keine Aussagen zu dem möglichen Kreis der Verpflichteten. Daß regelmäßig der Arbeitgeber der zu Betriebsrentenleistungen Verpflichtete ist, steht daher der Inanspruchnahme von Art. 51 E G V nicht grundsätzlich entgegen 257 . Einen Systembruch stellt es jedoch dar, wenn auch vom Arbeitgeber freiwillig erbrachte Betriebsrenten unter den Begriff der sozialen Sicherheit i.S. des Art. 42 E G gefaßt werden. Das dem deutschen Arbeitsrecht 2 5 8 und dem Arbeitsrecht anderer Mitgliedstaaten 2 5 9 zugrundeliegende Verständnis der Betriebsrente als einer freiwilligen Sozialleistung des Arbeitgebers, mit der dieser Personalpolitik betreibt und die integraler Bestandteil des Gesamtarbeitsentgelts ist, steht einer Einordnung der Betriebsrente als Teil der sozialen Sicherheit i.S. des Art. 42 E G entgegen. Es besteht die Gefahr, daß der europäische Gesetzgeber über die Inanspruchnahme der Kompetenznorm des Art. 42 E G die Freiwilligkeit der Betriebsrente in verschiedenen Mitgliedstaaten in Frage stellt. Der umgekehrte Weg ist der richtige. Sollte etwa wegen einer Absenkung des Versorgungsniveaus der ersten Säule die Betriebsrente im deutschen Recht Existenzsicherungsfunktion für das Alter bekommen und der nationale Gesetzgeber für eine obligatorische zweite Säule der Alterssicherung optieren, so wäre eine solche Gestaltung auch unter Art. 42 E G zu fassen, auch wenn sie nicht unter die V O ( E W G ) 1408/71 fällt. Auch in anderem Zusammenhang wirft die Einbeziehung der Betriebsrenten in den Begriff der sozialen Sicherheit Konsistenzprobleme auf. So ist Art. 141 E G (früher 119 E G V ) nach der Rechtsprechung des E u G H auf Altersversorgungssysteme der zweiten Säule anwendbar 2 6 0 , nicht aber auf Sozialrenten im Bereich der sozialen Sicherheit 2 6 1 . Wäre der Kommission zu folgen, könnte eine Betriebsrente zur sozialen Sicherheit i.S. des Art. 42 E G V gehören und Art. 141 E G käme gleichwohl zur Anwendung. Eine solche Auslegung beraubt den Begriff der sozialen Sicherheit seiner festen Konturen. Während das Drei-Säulen-Modell und ein entsprechendes Verständnis der sozialen Sicherheit als erster Säule es erlauben, die sozialpolitische Verantwortung des Staates und die Entgeltbeziehung 2 5 7 Auch nach Art. 4 Abs. 2 V O ( E W G ) 1408/71 kann der Arbeitgeber der zu Leistungen der sozialen Sicherheit Verpflichtete sein. 2 5 8 Die Zusatzaltersversorgung aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge stellt eine Ausnahme dar, bei der auch der nicht tarifgebundene Arbeitgeber aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages zur Teilnahme an dem Altersversorgungsmodell verpflichtet ist. Gleiches gilt für die berufsständischen Versorgungswerke. Auch die Reformüberlegungen der sog. Gerke-Kommission halten an der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Betriebsrente fest. Vgl. Blomeyer, ZIP 1998, 1739. 2 5 9 S.o. Einleitung A.I.2. (S.4ff.). 2 6 0 S.o. B.II.2.b)cc) (S.38f.). 261 E u G H 25.05. 1971, Rs. 80/70, Defrenne I, Slg. 445, Rn.7-12; EAS/Schlachter, 4100 Rn. 13 ff.

60

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konzeptionell voneinander zu trennen, vermischt die Inanspruchnahme von Art. 42 E G für die freiwillige Betriebsrente diese beiden Ebenen. Ein Verständnis der Zusatzaltersversorgungssysteme als Teil der sozialen Sicherheit mag angesichts der Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherungssysteme in den Mitgliedstaaten diese auch dazu verleiten, die erste und die zweite Säule der Alterssicherung als eine Einheit zu betrachten und individuelle Sozialversicherungsleistungen in Abhängigkeit von Leistungen der zweiten Säule zu definieren. Nach allem ist die Neudefinition der sozialen Sicherheit in Art. 51 E G V (Art. 42 E G ) wie sie notwendig ist, damit Art. 51 E G V (Art. 42 E G ) die Richtlinie trägt, abzulehnen 2 6 2 . Daran ändert auch die ergänzende Inanspruchnahme von Art. 235 E G V (Art. 308 E G ) nichts. Die Richtlinie zielt auf die Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und auch der Selbständigen, die ungehindert von Verlusten hinsichtlich ihrer Betriebsrente grenzüberschreitend mobil sein können. Sie dient damit auch der M o bilität des Produktionsfaktors Arbeit und damit dem Gemeinsamen Markt. Alternativ wären als Rechtsgrundlagen daher die Art. 49, 57, 66, 100 E G V 2 6 3 (nach Änderung jetzt Art. 40, 47, 55, 94 E G ) in Betracht zu ziehen gewesen. Das Abkommen über die Sozialpolitik schied, da das Vereinigte Königreich die Richtlinie mittrug, aus verfahrensrechtlichen Gründen als Rechtsgrundlage aus 264 . Von seinem materiellen Gehalt würde Art. 137 Abs. 3 E G die Richtlinie als Kompetenznorm allerdings decken. Regelungen, die auf der Verwirklichung der Freizügigkeit im Hinblick auf die Betriebsrentenversorgung zielen, werden vom Begriff des sozialen Schutzes in Art. 137 Abs. 3 E G erfaßt 2 6 5 . Die Richtlinie 98/ 4 9 / E G selbst definiert den sozialen Schutz als einen Oberbegriff für die soziale Sicherheit und ergänzende zusätzliche Sozialschutzsysteme 2 6 6 .

4.

Grünbuch

Die Kommission plant weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der Freizügigkeit im Bereich der Zusatzaltersversorgung. Diesbezüglich ist auf das Grünbuch „Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt" 2 6 7 hinzuweisen, das die K o m A.A. Stürmer, BetrAV 1998, 215. In diese Richtung ging auch die im Rechtsetzungsprozeß vorgebrachte Kritik der E F R R 2 6 4 Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsakt, für den auch der EG-Vertrag eine Kompetenznorm bereit hält, auf das Abkommen als Rechtsgrundlage gestützt werden kann, Arl, Sozialpolitik nach Maastricht, S. 195ff. 2 6 5 Der soziale Schutz erfaßt die soziale Sicherung im weitesten Sinne (vgl. Balze, Sozialpolitische Kompetenzen, S.258 im Anschluß an Schulz, SF 1992, 81) und damit auch den Schutz vor Verlusten der Alterssicherung infolge von Mobilität. 2 6 6 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 der Richtlinie. Krehber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 Rn. 12 setzt die Begriffe der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes dagegen in eins. 2 6 7 C O M (97) 283. Dazu Zusammenfassung der Antworten auf das Grünbuch über die zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt, Arbeitspapier der Kommission vom 06.04. 1998. 262 263

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

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mission noch vor dem Erlaß der Richtlinie 98/49/EG am 10.06. 1997 vorgelegt hat. Das Grünbuch befaßt sich u.a mit fortbestehenden Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer 268 und stützt sich dabei auf den Bericht der sogenannten Hochrangigen Gruppe zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer vom 18.03. 199 7269. Die Kommission regt u.a. an, ein weiteres Diskussionsgremium, ein sog. Pensionsforum, einzusetzen, dem Vertreter der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner und der Pensionsfonds angehören sollten 270 . Die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Wirtschafts- und Sozialauschuß, der Ausschuß der Regionen, die Sozialpartner, die Wirtschaftskreise, Fachverbände und Verbraucher wurden zu Stellungnahmen zum Grünbuch aufgefordert und die eingegangenen Reaktionen in dem Dokument „Zusammenfassung der Antworten auf das Grünbuch, K O M (97) 283" vom 06.04. 1998 dargelegt. In einer Mitteilung „Zu einem Binnenmarkt für die zusätzliche Altersversorgung" vom 11.05. 1999271 hat die Kommission die Ergebnisse der Konsultation zum Grünbuch zusammengefaßt. Sie plädiert für die Einführung eines Gemeinschaftsrahmens für Zusatzversorgungssysteme. Die Verabschiedung eines Richtlinienvorschlags über die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für betriebliche Pensionsfonds soll u.a. die gegenseitige Anerkennung von aufsichtsrechtlichen Systemen in den Mitgliedstaaten und damit eine grenzüberschreitende Mitgliedschaft in Zusatzversorgungssystemen gewährleisten. Zur Beseitigung von Hindernissen für die berufliche Mobilität möchte die Kommission zudem die Bedingungen für den Erwerb von Zusatzaltersversorgungsansprüchen vereinfachen und die Anwartschaftszeiten begrenzen 272 , gemeinsame Normen zu den Bedingungen für die Übertragung von Ansprüchen aufstellen und Steuersysteme und die gegenseitige Anerkennung der Rentensysteme besser koordinieren. Auch an dem Vorhaben eines sog. Pensionsforums zur Erörterung der mit der beruflichen Mobilität in der Union verbundenen Probleme hält sie fest.

II. Exkurs zur Verwirklichung der

Niederlassungsfreiheit

Neben der Freizügigkeit und der noch zu betrachtenden Dienstleistungsfreiheit steht die Niederlassungsfreiheit als dritte Personenverkehrsfreiheit. Ihr Z u m G r ü n b u c h Walser, BetrAV 1997, 310. Huhn, BetrAV 1995,151 sah zwischenzeitlich Signale, die gescheiterte Pensionsfonds-Richtlinie könne in Gestalt einer weiteren KapitalmarktRichtlinie wiederauferstehen. 268 G r ü n b u c h , K O M (97) 283, S.18ff. unter Nr.48ff.; dazu A n t w o r t e n auf das G r ü n b u c h , K O M (97) 283, S.25ff., u n t e r Nr. 74ff. 269 D e r letzte Abschnitt des Berichts befaßt sich mit den A u s w i r k u n g e n der Freizügigkeit auf die Zusatzaltersversorgung (Report of the H i g h Level G r o u p on Free M o v e m e n t of Persons o n supplementary pensions). 270 G r ü n b u c h , K O M (97) 283, S. 19 unter N r . 51. Die Reaktionen auf diesen Vorschlag waren mit A u s n a h m e der Sozialpartner u n d des Wirtschafts- u n d Sozialausschusses eher negativ. Vgl. A n t w o r t e n auf das G r ü n b u c h , K O M (97) 283, S.29 unter N r . 89ff. 271 Mitteilung der Kommission K O M (99) 134 endg./2. 272 Z u r diesbezüglichen Rechtsetzungskompetenz s.o. § 1 D . I . l . (S.47f.).

62

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

kommt im Zusammenhang mit den Systemen der Zusatzaltersversorgung kaum eigenständige Bedeutung zu. Gleichwohl sei hier zur Abrundung des Bildes der Personenverkehrsfreiheiten ein kurzer Blick auf die Rechtsetzungskompetenz und -tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Niederlassungsfreiheit geworfen, insoweit sie einen Bezug zur betrieblichen Altersversorgung hat. Mit Ablauf der Übergangszeit am 3 1 . 1 2 . 1 9 6 9 wurde Art. 52 E G V (nach Änderung jetzt Art. 43 E G ) unmittelbar anwendbar 2 7 3 . Gleichwohl fortbestehende Hindernisse für die freie Standortwahl, die in den vom einzelstaatlichen Recht vorgesehenen unterschiedlichen Strukturen begründet sind, können gestützt auf Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) durch K o ordinierung bzw. Harmonisierung 2 7 4 der einzelstaatlichen Rechte beseitigt werden. Im Kontext der Zusatzversorgung kommen für die Niederlassungsfreiheit zwei Adressaten in Frage; zum einen die Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen machen, zum anderen die Anbieter von Zusatzaltersversorgungsleistungen. Erstere können in ihrer freien Standortwahl beschränkt sein, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung betrieblicher Altersversorgungszusagen in verschiedenen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich ausgestaltet sind. Dazu gehören etwa die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften für Pensionsverpflichtungen. Die auf Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) gestützte Bilanz-Richtlinie 2 7 5 sieht indessen für die handelsrechtliche Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen gerade keine Angleichung der einzelstaatlichen Vorschriften vor, da sie den nationalen Gesetzgebern die Entscheidung über Wahlrecht oder Pflicht zur Passivierung unmittelbarer Pensionsverpflichtungen überläßt 2 7 6 . Tatsächlich ist in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft die handelsrechtliche Rückstellungsbildung zulässig, aber in vielen wird diese steuerlich nicht anerkannt 2 7 7 , so daß eine Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung über Rückstellungen in diesen Ländern unüblich ist. Bei der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland 2 7 8 wirkte sich der während des GesetzgebungsverfahGroeben/Bardenhewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7 Rn. 14. Die Begriffe Angleichung, Harmonisierung und Koordinierung werden im Kontext des Koordinierungsauftrags des Art. 54 Abs. 3 lit g E G V (Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) synonym verwendet. vgl. Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 54 Rn.26ff. 2 7 5 R L 78/660/EWG vom 25.07. 1978 über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. 2 7 6 So die ganz h.M. Vgl .Jonas, Die EG-Bilanzrichtlinie, S. 112 unter Hinweis auf die Protokollerklärung zu Art. 43 Abs. 1 Nr. 7; Blomeyer/Otto, BetrAVG, StrA Rn. 264; H-BetrAV/Z/e«beck, Rückst., S. 102. Zur Frage eines Passivierungswahlrechts oder einer Passivierungspflicht bezüglich mittelbarer Versorgungsverpflichtungen Härtung, R I W 1988, 54; Ellrott/Rhiel in: Beck-Bil-Komm. § 129 Rn. 166. 2 7 7 Vgl. Höfer, BetrAV 1991, 149 zur damaligen Zwölfer Gemeinschaft. 2 7 8 Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12. 1985, BGBl. I 2355. 273

274

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

63

rens eintretende Sanierungsfall AEG-Telefunken als Anlaß für eine handelsrechtliche Passivierungspflicht aus (§249 Abs. 1 1. Alt. H G B ) . Sie soll als Frühwarnsystem im Interesse des im Insolvenzfall eintretenden PSVaG und der diesen finanzierenden Arbeitgeber dienen 2 7 9 . Auch Einrichtungen zur Altersversorgung sind nach Art. 43, 48 E G Träger der Niederlassungsfreiheit. Als wirtschaftlich unselbständige, dem Trägerunternehmen zugeordnete Versorgungseinrichtungen sind sie allerdings in der Regel nicht an einer freien Standortwahl in der Gemeinschaft interessiert 280 . Dagegen sind Versicherungsunternehmen, bei denen an ein Arbeitsverhältnis geknüpfte Zusatzaltersversorgungsleistungen im Rahmen von Gruppenversicherungsverträgen nur einen Bestandteil der Produktpalette bilden, wirtschaftlich autonome Unternehmen, für die die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gleichermaßen von Bedeutung sind. Ihre freie Standortwahl wird etwa durch die auf Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) gestützte Versicherungsbilanzrichtlinie vom 19.12. 199 1 2 8 1 mit dem Ziel einer gleichwertigen Ausgestaltung der Vorschriften über die Rechnungslegung, Prüfung und O f fenlegungspflichten von Versicherungsunternehmen erleichtert 282 . Für die Schaffung eines europäischen Pensionsfonds-Modells 2 8 3 scheidet Art. 44 Abs. 2 lit. g E G als Rechtsgrundlage aus. Zwar stellt der in dieser Bestimmung angeführte Grundsatz eine eigene Rechtsgrundlage dar, die sich nach Auffassung der Kommission nicht in der Herstellung der Niederlassungsfreiheit erschöpft, sondern darüber hinaus ähnlich Art. 94 E G wirtschaftspolitische Zwekke verfolgt 2 8 4 . Art. 44 Abs. 2 lit. g E G erlaubt jedoch nur die Koordinierung und 2 7 9 Der am Ol. 11. 1982 eröffnete Vergleich führte wegen der hohen, in der Handelsbilanz nicht ausgewiesenen Pensionsverpflichtungen zu einer starken Erhöhung des Beitrags zum PSVaG, der aus dem Vergleich 60% der Pensionslasten nach § 7 BetrAVG zu übernehmen und durch seine ca. 34.000 Mitglieder zu finanzieren hatte. Eine Pflicht zur Rückstellungsbildung hätte u.U. rechtzeitig notwendige Sanierungsmaßnahmen angezeigt. So H - B e t r A V ! H e u b e c k , Rückst., S. 102f. 2 8 0 So Jürgens, FS Ahrend, S.493. Zur wirtschaftlichen Funktion der Niederlassungsfreiheit „ökonomisch bestimmte Standortwahl" Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art 5 2 58 Rn.3. 281 R L 91/674/EWG vom 19.12. 1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen. 2 8 2 Die Richtlinie klammert die Pensionskasse aus ihrem Anwendungsbereich aus, vgl. Biener, BetrAV 1994, 74. Dagegen bezieht das Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz vom 24.06. 1994 in Fortführung der VAG Novelle - dazu unten D.III.3. (S.66ff.) - als W a G betriebene Pensionskassen in die Neuregelung ein. Vgl. Knappe, BetrAV 1995, 160ff.; Angermayer, BetrAV 1996, 59ff. Zum Regierungsentwurf Biener, BetrAV 1994, 75; Förster, BetrAV 1994, 156. 2 8 3 Dazu schon oben B.II.2.c) (S.40f.). 284 Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 54 Rn. 24. Aufgrund von Art. 54 Abs. 1 E G V erstellte der Rat ein Allgemeines Programm zur Herstellung der Niederlassungsfreiheit. Dabei hatte er die in Art. 54 Abs. 3 E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 E G ) enthaltenen Grundsätze zu beachten. Einige dieser Grundsätze (lit. b, g, h) enthalten eigene Rechtsgrundlagen. Vgl. Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 54 Rn. 1, 15; Scheuer, in: Lenz, EGV-Kommentar, Art. 44 Rn. 102; enger zu Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V als Kompetenzgrundlage Randelzhof er, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 54 Rn.31ff.

64

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

Angleichung einzelstaatlichen Rechts, nicht die Schaffung eigenständiger neuer gesellschaftsrechtlicher Strukturen 2 8 5 . Daher wurde auch die gemeinschaftsrechtliche Gesellschaftsform der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung ( E W I V ) auf der Grundlage von Art. 235 E G V (jetzt Art. 308 E G ) , nicht von Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) geschaffen 2 8 6 . Auch für die geplante Europäische Aktiengesellschaft wurde ursprünglich Art. 235 E G V (jetzt Art. 308) herangezogen. Das inzwischen in zwei Teile aufgespaltene Vorhaben wird allerdings inzwischen auf Art. 100a E G V (nach Änderung jetzt Art. 95 E G ) und nur für die Fragen der Mitbestimmung auf Art. 54 Abs. 3 lit. g E G V (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 lit. g E G ) gestützt 2 8 7 . Ein Europäisches Pensionsfonds-Statut müßte überdies eine Vielzahl von Fragen insbesondere arbeits- und aufsichtsrechtlicher Natur regeln, die überhaupt nicht an Probleme der Niederlassung anknüpfen. Die bloße Schaffung einer neuen Gesellschaftsform „Europäischer Pensionsfonds" als einer Hülse für die grenzüberschreitende Betreibung des Geschäfts Zusatzversorgung ginge am Problem vorbei. Die Schaffung eines kompletten Regelungsrahmens für einen genuin europäischen Durchführungsweg betrieblicher Altersversorgung wäre durch Art. 44 Abs. 2 lit. g E G nicht gedeckt.

III.

Verwirklichung

1. Rechtsetzungskompetenz

der

Dienstleistungsfreikeit

aus Art. 47 Abs. 2, 55 EG

Sind - trotz der unmittelbaren Wirkung der Art. 49 Abs. 1 und 50 Abs. 3 E G (früher Art. 59 Abs. 1 und 60 Abs. 3 E G V ) seit dem Ende der Ubergangszeit am 31.12. 1969 2 8 8 - Behinderungen der Dienstleistungsfreiheit festzustellen, können sich Rechtsetzungsmaßnahmen primär auf die Art. 47 Abs. 2 i.V.m. Art. 55, 49, 52 Abs. 1 E G , und subsidiär auf Art. 94, 95, 308 E G stützen. Seinem Wortlaut nach sieht Art. 47 Abs. 2 E G die Koordinierung von Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten durch Richtlinien vor. Eine enge Auffassung sieht den Zweck der N o r m in der Uberwindung von Hindernissen für die freie Niederlassung und Dienstleistung, die sich aus Unterschieden der nationalen Berufsordnungen ergeben, und hält lediglich die Koordinierung i.S. einer Verknüpfung der Rechtsordnungen ohne eine inhaltliche Annäherung, nicht aber die Rechtsangleichung (Harmonisierung oder gar Rechtsvereinheitlichung) als Mittel für zulässig 289 . Eine scharfe Abgrenzung der Begriffe Koordinierung, Harmo285 Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 54 Rn.26f.; Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 54 Rn.37. 286 Scheuer in: Lenz, EGV-Kommentar, Art.44 Rn. 15. 287 Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 54 Rn.52. 2 8 8 Groeben/ Bardenhewer/Pipkorn, EU-/EG-Vertrag, Art. 7 Rn. 14. 289 Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 97. In der Literatur wird unter Koordinierung überwiegend die Verknüpfung nationaler Rechtsordnungen verstanden, unter Angleichung die inhaltliche Annäherung der Rechtsordnungen. Der Begriff der Harmonisierung wird zum

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

65

nisierung und Angleichung aufgrund ihrer Verwendungsweise im EG-Vertrag muß schon in Anbetracht der unterschiedlichen Textfassungen mißlingen 2 9 0 . Aus ihrer Verwendung im EG-Vertrag kann daher kein normativer Schluß auf die kompetenzrechtliche Zulässigkeit koordinierender, angleichender, abstimmender oder harmonisierender Maßnahmen gezogen werden. Das Beispiel der V O ( E W G ) 1408/71 zeigt, daß Koordinierungsregeln, die die Rechtsordnungen verknüpfen (Zusammenrechnung von Beitragszeiten), sinnvollerweise mit angeglichenem oder sogar vereinheitlichtem Recht (international sozialrechtliche N o r men) Hand in Hand gehen. Die Reichweite der Rechtsetzungskompetenz aus Art. 47 Abs. 2 E G V ist nicht anhand des dort gebrauchten Begriffs der „Koordinierung", sondern teleologisch zu bestimmen. Das Koordinierungsziel ist erreicht, wenn die Mitgliedstaaten die im nationalen Recht auf der Grundlage der Richtlinie gefundenen Umsetzungslösungen zur Basis einer gegenseitigen Anerkennung der Aufnahme- und Ausübungsvoraussetzungen für selbständige Tätigkeiten machen können 2 9 1 . Ist dieses Ziel erreicht, sind weitergehende Rechtsangleichungsmaßnahmen durch Art. 47 Abs. 2 E G V nicht gedeckt.

2. Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern Erbringung von Dienstleistungen 96/71/EG

im Rahmen

der

Die auf Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) gestützte Entsende-Richtlinie hat Auslandsentsendungen im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen (Art. 1 Abs. 1) zum Gegenstand, bei denen für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen (Dienstleistungserbringer) und dem entsandten Arbeitnehmer (fort-)besteht 2 9 2 . Hauptanliegen der Entsende-Richtlinie ist es, dem entsandten Arbeitnehmer bestimmte am Arbeitsort geltende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zugute kommen zu lassen. D e m grenzüberschreitend tätigen Dienstleistungserbringer wird dadurch der Kostenvorteil aus einem Export der heimischen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen genommen. O b Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) die Richtlinie in vollem Umfang als Rechtsgrundlage tragen, ist zweifelhaft 2 9 3 . Die Frage kann an Teil synonym mit Angleichung verwandt, aber auch übergreifend i.S. einer Abstimmung der Systeme in ihrem Zusammenwirken. Von Maydell, FS 100 Jahre sozialgerichtliche Rechtsprechung, S. 770f.; ihm folgend Steinmeyer, ZIAS 1989, 211 m.w.N. 2 9 0 Vgl. Groehen/Troherg, EU-/EG-Vertrag, Art. 57 Rn. 31 mit Beispielen zur französischen Fassung; Röttinger in Lenz, EGV-Kommentar, Art. 94 Rn.2; Steinmeyer, ZIAS 1989,210f. Brittan, BetrAV 1992,100; in diesem Sinne auch der Sozialbericht 1990 der Bundesregierung, BT-Ds 11/7527 vom 29.06. 1990, S.88; Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.2. Vgl. schon oben A.V.l. (S.22f.). 291 So Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 57 Rn.31. 2 9 2 Art. 1 Abs. 1 und 3 Entsende-Richtlinie und Erwägungsgründe. 2 9 3 Ablehnend Löwisch, FS Zeuner, S.92ff.; Steck, EuZW 1994, 141. Problematisch sind die Kompetenznormen der Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) ins-

66

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

dieser Stelle auf sich beruhen, da die hier interessierenden zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme nach Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Ortsstandards ausdrücklich ausgenommen sind.

3. Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit für Lebensversicherungen a) Die drei

im

Binnenmarkt

Lebensversicherungsrichtlinien

Eine wesentliche Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Lebensversicherungen ergab sich aus den drei zwischen März 1979 und November 1992 erlassenen Richtlinien zur Herstellung des Binnenmarktes und zur Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Lebensversicherung 2 9 4 . Mit ihnen wurde das Koordinierungsziel der gegenseitigen Anerkennung der Aufnahme- und Ausübungsvoraussetzungen für die selbständige Tätigkeit Lebensversicherung erreicht. Eine Angleichung des Versicherungsvertragsrechts ist nicht erfolgt. Von den in Deutschland praktizierten Durchführungswegen betrieblicher Altersversorgung ist nur die Direktversicherung i.S. von § 1 Abs. 2 BetrAVG unmittelbar durch die drei Lebensversicherungsrichtlinien betroffen.

aa) Auswirkungen auf die Direktversicherung

i.S. von § 1 Abs. 2 BetrAVG

Seit der unmittelbaren Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit war es Lebensversicherungsunternehmen eines Mitgliedstaats gestattet, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen 295 . Dort unterlagen sie aber dem jeweiligen nationalen Aufsichtsrecht, das sehr unterschiedlich ausgestaltet war. Hier setzt die auf Art. 4 9 2 9 6 und 57 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 40 und 47 E G ) gestützte Erste Lebensversicherungsrichtlinie 2 9 7 an. Sie betraf ausschließlich die Niederlassungsfreiheit von Lebensversicherern und sah eine Beseitigung von Unterschieden im Aufsichtsrecht insbesondere hinsichtlich der Überwachung besondere für grenzüberschreitende Entsendungen in eine Niederlassung oder in ein der Unternehmengruppe angehörendes Unternehmen (Art. 1 Abs. 3b), die nicht einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung i.S. des Vertrages dienen. S. auch Junker, ZIAS 1995, 480. 2 9 4 R L 79/267/EWG vom 05.03. 1979, R L 90/619/EWG vom 08.11. 1990 und R L 92/96/ E W G vom 10.11. 1992. Vgl. für einen Uberblick über die Versicherungsrichtlinien Schneider, Les régimes complémentaires, S. 171 ff.; Hübner/Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 263ff.; Hübner in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.IV.3 Rn.46ff. Im Bereich der Schadensversicherung ging eine ähnliche Entwicklung durch die drei Schadensversicherungsrichtlinien voraus. Vgl. Roth, N J W 1993, 3028ff.; Mewes, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S.232ff. 2 9 5 S.o. unter C.II. (S.44ff.). Die Anzahl von Niederlassungen ausländischer Gesellschaften aller Versicherungssparten erhöhte sich von 48 im Jahr 1960 auf 108 im Jahr 1987, vgl. Biagosch, BetrAV 1989, 132. 2 9 6 Vgl. hierzu auch E u G H 04.12. 1986, Rs 205/84, Freier Dienstleistungsverkehr- Versicherungen, Slg. 3755, Rn. 35. 2 9 7 Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung), 79/267/EWG vom 05.03. 1979.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

67

der finanziellen Lage („Solvabilitätsanforderungen") 2 9 8 vor. 1986 folgte ein Urteil des E u G H 2 9 9 , das die Mitgliedstaaten verpflichtete, die Tätigkeit von Versicherungsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten unabhängig von einer Niederlassung im betreffenden Mitgliedstaat hinzunehmen. Das in der Bundesrepublik Deutschland damals bestehende Erfordernis einer Niederlassung 3 0 0 wurde als praktische Negation der Dienstleistungsfreiheit bezeichnet 3 0 1 . Die auf Art. 57 Abs. 2, 66 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) gestützte Zweite Lebensversicherungsrichtlinie 302 sollte es den Unternehmen mit Geschäftssitz in der Gemeinschaft erleichtern, ihre Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu erbringen, und es den Versicherungsnehmern ermöglichen, sich bei in anderen Mitgliedstaaten nierdergelassenen Versicherungsunternehmen zu versichern. Lebensversicherungsverträge konnten danach mit dem Hauptsitz oder der Niederlassung eines Versicherungsunternehmens in einem beliebigen Mitgliedstaat abgeschlossen werden. Soweit der Versicherungsnehmer sich aus eigener Initiative an einen Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat wendet, sollte für den Versicherer nur eine Anzeige, keine Zulassungspflicht im Staat des Versicherungsnehmers entstehen 3 0 3 . Es gelten die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des Sitzlandes der Versicherung 3 0 4 . Die ebenfalls auf Art. 57 Abs. 2 , 6 6 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) gestützte Dritte Lebensversicherungsrichtlinie 3 0 5 setzte das Sitzlandprinzip durch, wonach allein der Mitgliedstaat des Hauptsitzes der Versicherung über die Zulassung entscheidet, die Initiativlösung der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie wurde wieder aufgegeben. Eine Vorabkontrolle von Versicherungsbedingungen und Tarifen wurde verboten (Deregulierung). Die Richtlinie ist durch

Vgl. Art. 15-25 R L 79/267/EWG vom 05.03. 1979. E u G H 04.12. 1986, Rs 205/84, Freier Dienstleistungsverkehr- Versicherungen, Slg. 3755. 3 0 0 Das deutsche Versicherungsaufsichtsrecht (§106 Abs.2 VAG a.F.) zwang dazu, Versicherungen zugunsten einer inländischen Gruppe (Belegschaft) bei einem im Inland zugelassenen Versicherer abzuschließen. Vgl. Roth, Internationales Versicherungsvertragssrecht, S.425. 301 E u G H 04.12. 1986, Rs 205/84, Freier Dienstleistungsverkehr- Versicherungen, Slg. 3755, Rn.52. 3 0 2 Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG, 90/619/EWG vom 08.11. 1990. Zur nicht fristgerechten Umsetzung in nationales Recht durch die Griechische Republik E u G H 29.06.1995, verb. Rs. C - 109/94, C - 207/94 und C - 225/94,1-1791 und durch das Königreich Spanien E u G H 12.10. 1995, Rs. C-242/94, Slg. 1-3031. 303 Roth, N J W 1993, 3029 (vorübergehende Erprobung der sog. Initiativlösung). Zu Auswirkungen der Deregulierung des Lebensversicherungsmarktes in der E G auf die Tätigkeit schweizerischer Versicherer Kuhn, Schweizerische Versicherungs-Zeitschrift 1989, 113. 3 0 4 Dazu näher Roth, N J W 1993,3029. Zu Auswirkungen der Deregulierung auf die Produktgestaltung Balleer, BetrAV 1994, 16. 3 0 5 Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/ E W G , 9 2 / 9 6 / E W G vom 10.11. 1992. 298

299

68

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

das Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien vom 21.07. 1994 in das deutsche Recht umgesetzt worden 3 0 6 . Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1993 3 0 7 hat der deutsche Gesetzgeber Lebensversicherungsverträge mit Lebensversicherern mit Sitz in der Europäischen Union außerhalb der Bundesrepublik Deutschland auch steuerlich gleichgestellt 308 . Für die betriebliche Altersversorgung bedeutet der durch die drei Richtlinien erreichte Stand des Gemeinschaftsrechts, daß die Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 BetrAVG auch durch ein Versicherungsunternehmen in einem beliebigen anderen Mitgliedstaat durchgeführt werden kann. Aus versicherungsaufsichtsrechtlicher Sicht 3 0 9 gibt es keine Hindernisse mehr, Versorgungszusagen für Arbeitnehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten durch einen einzigen Gruppenlebensversicherungsvertrag bei einem Lebensversicherer mit Sitz oder Niederlassung in einem beliebigen Mitgliedstaat durchzuführen 310 . bb) Auswirkungen

auf die Pensionskasse i.S. von § 1 Abs. 3

BetrAVG

Pensionskassen wurden, obwohl sie nach deutschem Recht der Versicherungsaufsicht unterliegen, auf Betreiben der deutschen Seite vom Anwendungsbereich der drei Lebensversicherungsrichtlinien ausgenommen 311 . Nach Art.2 Nr.3 der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie, auf den die folgenden beiden Richtlinien Bezug nehmen 3 1 2 , fallen Pensionskassen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien 313 . Es wurde befürchtet, daß die Mehrheit der Pensionskassen die durch die Erste Lebensversicherungsrichtlinie aufgestellten Solvabilitätsanforderungen nicht hätten erfüllen können und so die über 100 Jahre alte Instititution Pensionskasse gefährdet gewesen wäre 314 .

3 0 6 BGBl. I S. 1630. Vgl. zur Umsetzung der Zweiten und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie Jürgens, BetrAV 1994, 67ff.; Roth, N J W 1993, 3030; Fahr, VersR 1992, 1045ff. 3 0 7 Vom 21.12. 1993, BGBl. I S.2310. 3 0 8 Vgl. hierzu Horlemann, BetrAV 1996, 188f. Deutschland macht damit keinen Gebrauch mehr von dem Kohärenzprivileg der Entscheidung des E u G H in der Rechtssache Bachmann, E u G H 28.01. 1992, Rs C-204/90, Slg. 1-249. 3 0 9 Zu den kollisionsrechtlichen Fragen vgl. unten §7 B.I.2. (S.316ff.). 3 1 0 Einen Uberblick zum Prozeß der Rechtsangleichung durch die drei Lebensversicherungsrichtlinien (und der Richtlinien zur Schadensversicherung) geben Hühner/Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 263ff. 311 Koch, BetrAV 1994, 264; Jürgens, FS Ahrend, S.504. Unzutreffend Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1097, wonach die Pensionskasse zwar von den ersten beiden Lebensversicherungsrichtlinien ausgenommen waren, die dritte Lebensversicherungsrichtlinie aber eine Vielzahl von Spezialregelungen für die Pensionskassen enthalte. 312 Art. la R L 90/619/EWG; Art.2 Abs.3 R L 92/96/EWG. 3 1 3 Auch die dänischen überbetrieblichen Pensionskassen waren vom Anwendungsbereich der Ersten und der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie ausgenommen, wurden aber in den Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie einbezogen (vgl. Art. 5 R L 92/96EWG); vgl. hierzu näher Jorgensen, BetrAV 1996, 204. 314 Förster, BetrAV 1994, 155.

D. Verwirklichung von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit

69

Das Herkunfts- oder Sitzlandprinzip gilt damit für Pensionskassen nicht 3 1 5 . Trotzdem hat die Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie Auswirkungen auf Pensionskassen, da der deutsche Gesetzgeber die Pensionskassen in die Neugestaltung der Versicherungsaufsicht weitgehend einbezogen hat, ohne daß insoweit eine Rechtsänderung sekundärrechtlich geboten war 3 1 6 . N a c h § 5 3 c A b s . 2 a V A G n.F. müssen bis zum 3 1 . 1 2 . 1999 alle Pensionskassen bestimmte Solvabilitätsbedingungen erfüllen. D e r Grund, dessentwegen sie aus dem Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien

ausge-

klammert wurden, wird damit entfallen 3 1 7 . Darüber hinaus werden Pensionskassen von

„erheblicher wirtschaftlicher

Bedeutung"

gemäß

§ 1 5 6 a Abs. 3

V A G in den Wegfall der präventiven Tarif- und Bedingungskontrolle mit einbezogen.

cc) Auswirkungen BetrAVG

auf die Unterstützungskasse

i.S. von §1 Abs. 4

Unterstützungskassen unterliegen aufgrund des Ausschlusses des Rechtsanspruchs nicht der Versicherungsaufsicht, sie sind keine Versicherungsunternehmen. Sie unterfallen nach Art. 2 Nr. 3 der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie, auf den die folgenden Richtlinien Bezug nehmen 3 1 8 , nicht dem A n w e n dungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien und wurden von der grundlegenden Veränderung des deutschen Versicherungsaufsichtsrechts nicht betroffen 3 1 9 . F ü r sie hat sich lediglich die allgemeine Wettbewerbssituation mit den anderen Durchführungswegen des B e t r A V G insofern geändert, als auch ausländische Versicherungsunternehmen im Wege der Direktversicherung betriebliche Altersversorgungsleistungen in Deutschland anbieten können.

b) Vorschlag einer Richtlinie Versieh erungsunternehmen

zur Zwangsliquidation

von

Einen Bezug zur über Versicherungsunternehmen durchgeführten betrieblichen Altersversorgung hat auch der auf Art. 57 Abs. 2, 66 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) gestützte geänderte Vorschlag für eine R i c h t linie zur Harmonisierung der Regelungen über die Zwangsliquidation von Versicherungsunternehmen 3 2 0 .

Ob

die Deregulierung der

Versicherungsauf-

Tiltag, BetrAV 1994,151 f.; Koch, BetrAV 1994,265; BlomeyerlOtto, BetrAVG, Einl. 1099. Tiltag, BetrAV 1994,151. Daß die Rechtsänderung „europarechtlich" nicht geboten gewesen sei - so Kühlein, BetrAV 1993,186-, setzt voraus, daß die unmittelbar anwendbare Dienstleistungsfreiheit keine Gleichbehandlung der Pensionskassen gebot. 317 Förster, BetrAV 1994, 155. 318 Art. la RL 90/619/EWG; Art.2 Abs.3 RL 92/96/EWG. 319 MündiKrbK/Ahrend/Förster, § 102 Rn.46. 320 KOM (89) 394, ABl. 1989 Nr. C 253, S. 3. Dazu Roth, NJW 1993,3028; Strub, EuZW 1994, 425f. Der Richtlinienvorschlag enthält in Art. 17-19 Regelungen darüber, welche Forderungen im Fall der besonderen Zwangsliquidation wegen erwiesener oder vermuteter Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zur Verteilung zugelassen sind und nach welchen Kriterien und in wel315 316

70

§ 1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

sieht tatsächlich Auswirkungen auf die Sicherheit der Versicherungsunternehmen vor Insolvenz und damit auch auf die Insolvenzsicherheit versicherungsförmiger Betriebsrentenansprüche hat, bleibt indessen abzuwarten 321 . Auch diese Richtlinie würde für die von den Lebensversicherungsrichtlinien nicht erfaßte Pensionskasse keine Anwendung beanspruchen 322 .

4. (Gescheiterter) Vorschlag einer Richtlinie über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für Einrichtungen der Altersversorgung (sog. Pensions fonds-Richtlinie) a) Anwendungsbereich: betroffene

Durchführungswege

Die im Arbeitspapier „Vollendung des Binnenmarktes auf dem Gebiet der privaten Altersversorgung" der Generaldirektion XV 323 ins Auge gefaßten Ziele der Freiheit der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für die Finanzinstitution „Pensionsfonds" mündeten in einen Entwurf für einen Vorschlag für eine Pensionsfonds-Richtlinie 324 . Dieser enthält in Art. 1 lit. a eine Definition des Pensionsfonds, die auf die rechtliche Selbständigkeit der Versorgungseinrichtung abhebt und auch solche Fonds einbezieht, die im Sozialversicherungsrecht vorgesehen oder vorgeschrieben sind, nicht aber die gesetzlichen Sozialversicherungsträger 325 . Nach seinem Art. 2 Abs. 2 ist der Entwurf in Deutschland insbesondere auf Pensionskassen und Unterstützungskassen anwendbar 326 . Im folgenden Uberarbeitungsstadium wurde statt des Begriffs „Pensionsfonds" der neutralere Begriff „Einrichtung zur Altersversorgung" gewählt, der nicht den Eindruck vermittelt, es ginge nur um Fonds, die im Anwartschaftsdeckungsverfahren finanziert werden, nicht aber um im Umlageverfahren ficher Reihenfolge die Befriedigung zu erfolgen hat. Die geplante Richtlinie ist das Pendant zur Richtlinie über Systeme f ü r die Entschädigung der Anleger, R L 9 7 / 9 / E G v o m 03.03. 1997, die das System der Richtlinien über Wertpapierdienstleistungen u n d zur Bankrechtskoordinierung vervollständigt. D a z u Kessel, A G 1997, 313ff. 321 Verneinend f ü r deutsche Lebensversicherungsunternehmen Baileer, BetrAV 1994, 17. 322 Vierter Abschnitt der Erwägungsgründe, ABl. 1989 N r . C 253, S.4. 323 X V (90) 224 (unveröffentlicht). 324 D r a f t Proposal for a First Council Directive on the coordination of laws, regulations and administrative provisions relating to pension f u n d s v o m 13.06. 1991. 325 Art. 1 lit. a lautet: .„Pension F u n d ' means a f u n d which is established as a separate legal entity for the p u r p o s e of financing retirement benefits to a group of persons defined b y an occupational or professional or similar relationship. Institutions, other than statutory social security funds, which provide retirement benefits and are prescribed by or provided f o r in social security legislation are regarded as pension f u n d s within this definition". 326 D e r Entwurf nennt außerdem Sterbekassen. Diese erbringen keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (vgl. Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 63.1). Z u m Anwendungsbereich dieses E n t w u r f s und der Folgefassungen Pechstein, BetrAV 1992, 139; Koch, BetrAV 1992,109; Beyer, V W 1994, 743; dazu, welche Einrichtungen in anderen Mitgliedstaat erfaßt werden Zavvos, C M L R 1994, 619ff.; Becher, BetrAV 1991, 157ff.; zur A n w e n d b a r k e i t auf französische Einrichtungen zur Altersversorgung vgl. Durin, D r o i t social 1992, 137ff.

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit

und

Dienstleistungsfreiheit

71

nanzierte Systeme 327 , wie in Frankreich. In der Diskussion wird aber oft weiterhin von der (sogenannten) Pensionsfonds-Richtlinie gesprochen. Der am 12.11. 1991 vorgelegte auf Art.57 Abs.2, 66 E W G V (nach Änderung jetzt Art.47 Abs.2, 55 E G ) gestützte Vorschlag für eine Richtlinie über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für Einrichtungen zur Altersversorgung 328 verzichtet auf eine Auflistung in seinen Anwendungsbereich fallender Einrichtungen zur Altersversorgung und kombiniert statt dessen eine Negativabgrenzung - Finanzinstitutionen, auf die die Richtlinie nicht anwendbar ist (Art. 1 Abs. 2 3 2 9 ) - mit einer positiven Begriffsbestimmung der Einrichtung zur Altersversorgung (Art. 2 lit. a). Danach bezeichnet der Begriff Einrichtung zur Altersversorgung eine „Versorgungseinrichtung, die als rechtlich selbständige Einheit unabhängig von jeglichem Trägerunternehmen eingerichtet ist, um Leistungen der Altersversorgung an eine Gruppe von Personen, die durch ein Beschäftigungs- und Berufsverhältnis oder ähnliche Beziehungen gekennzeichnet sind, zu finanzieren". Darunter fallen auch Einrichtungen, die Leistungen der Altersversorgung erbringen und im Sozialversicherungsrecht bezeichnet oder vorgesehen sind, ausgenommen Einrichtungen der sozialen Sicherheit i.S. der V O ( E W G ) Nr. 1408/71. Eine (teilweise) Umlagefinanzierung der Versorgungsversprechen steht der Anwendbarkeit der Richtlinie nicht entgegen, soweit die Einrichtung zur Altersversorgung als separate Versorgungseinrichtung identifizierbare Vermögenswerte ansammelt 330 . Von den Durchführungswegen betrieblicher Altersversorgung in Deutschland sind die Direktzusage, bei der es an einer rechtlich selbständigen Versorgungseinrichtung fehlt 331 , und die Direktversicherung i.S. des §1 Abs.2 BetrAVG über ein Versicherungsunternehmen von dem Richtlinien-Vorschlag

Jürgens, FS Ahrend, S.503. K O M (91) 301 endg. - S Y N 363 vom 12.11.1991. Zu Folgefassungen vgl. Beyer/LangohrPlato, BetrAV 1994, 71ff. Zu einem am 21.10. 1991 ebenfalls unter K O M (91) 301 endg. - S Y N 363 vorgelegten Entwurf vgl. Beyer; V W 1994, 743f. Dieser Entwurf enthalte einen abstrakten Kriterienkatalog, die sog. Negativliste, die bestimme, welche Einrichtungen nicht unter den Begriff Einrichtung zur Altersversorgung fallen. Die drei dazu aufgestellten Kriterien lauteten: (1) die Mitgliedschaft in der Einrichtung ist zwingend vorgeschrieben; (2) die Verwaltung der Beiträge und Leistungen erfolgt unter staatlicher Aufsicht; (3) die finanzielle Stabilität der Einrichtung wird von staatlicher Seite garantiert. Vgl. zum Vorschlag einer Pensionsfonds- Richtlinie auch Müller, Versicherungsbinnenmarkt, S. 115 ff. Rn. 311 ff. 329 In der Begründung zu den einzelnen Artikeln wird fälschlich auf Art. 2 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags Bezug genommen. K O M (91) 301 endg. - S Y N 363, S. 9. 330 Vgl. Begründung, K O M (91) 301 endg. - S Y N 363, S. 6; Jürgens, FS Ahrend, 493. Demgegenüber wurde in der Mitteilung der Kommission „Ergänzende Systeme der sozialen Sicherheit" vom 22.07. 1991, S. 1 Fn. 1 als Pensionsfonds nur ein Alters Versorgungssystem bezeichnet, das nach dem Kapitaldeckungsverfahren durch eine formal vom Arbeitgeber getrennte Einrichtung finanziert wird, die speziell für die Finanzierung eines oder mehrerer gesonderter Pensionspläne geschaffen wurde. 331 Vgl. auch K O M (91) 301 endg. - SYN 363, Begründung unter 1., S.6. 327

328

72

51 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

nicht betroffen 3 3 2 . Das gilt auch dann, wenn bei der Direktzusage der Bilanzposition Pensionsrückstellung bei den Aktiva Vermögenswerte in Form von Spezialfonds 333 oder Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen gegenüberstehen 3 3 4 . Die Unterstützungskasse 3 3 5 und auch die aus dem Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien ausgeklammerte 3 3 6 Pensionskasse sind dagegen Einrichtungen zur Altersversorgung i.S. des Richtlinienvorschlags 337 .

b) Wesentlicher Regelungsgegenstand: Vermögensanlage

Vermögensverwaltung

und

Der Richtlinien-Vorschlag behandelt Einrichtungen der Altersversorgung im wesentlichen in ihrer Eigenschaft als Kapitalsammelstellen und regelt die Zulässigkeit externer grenzüberschreitender Vermögensverwaltung und Vermögensanlage. Hinsichtlich des Umfangs der von ihnen kontrollierten Vermögenswerte gehören solche Einrichtungen zu den größten Finanzinstitutionen innerhalb der Gemeinschaft 3 3 8 . Mit der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung ist die Dienstleistungsfreiheit, mit der grenzüberschreitenden Vermögensanlage die Kapitalverkehrsfreiheit angesprochen. Ungeachtet der Tatsache, daß die Kommission den Richtlinienvorschlag auf Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) stützt 3 3 9 , liegt das Schwergewicht der Regelung im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit geht es nicht um die Dienstleistungsfreiheit von Einrichtungen zur Altersversorgung, sondern um die Dienstleistungsfreiheit bei der Vermögensverwaltung und -Verwahrung für Einrichtungen zur Altersversorgung 3 4 0 . Diese werden mithin nicht als Anbieter, sondern als Nachfrager nach Dienstleistungen der Vermögensverwaltung und -anlage behandelt. Art. 3 des Richtlinienvorschlags richtet sich gegen Vorschriften der Mitgliedstaaten, die es einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen externen Vermögensverwalter verwehren, Vermögen von Einrichtungen zur Altersversorgung zu verwalten und anzulegen. Die Bestimmungen sollen ledigJürgens, BetrAV 1991, 154 f. Zur Anlage in Spezialfonds Großmann, Die flexible Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung durch Spezialfonds, S.75; Häuselmann, B B 1992, 312ff.; Schaber, D B 1994, 993ff.; vgl. auch ABA, Presseinformation, 22.07.1996 zur deutschen Pensionsfondsdebatte, wonach Unternehmen ihre in Pensionsrückstellungen oder in einer Unterstützungskasse oder Pensionskasse gebildeten Deckungskapitalien ganz oder teilweise in Spezialfonds anlegen können. Diese Anlagemöglichkeit Pensionsfonds zu nennen, sei irreführend. 334 Jürgens, FS Ahrend, S.493. 3 3 5 Zu Auswirkungen der Pensionsfonds-Richtlinie auf Unterstützungskassen: Pechstein, BetrAV 1992, 139ff. 3 3 6 S.o. D.III.3.a)bb) (S.68f.). 337 Jürgens, FS Ahrend, S. 504. 338 Jürgens, FS Ahrend, S.492. 3 3 9 K O M (91) 301 endg.- S Y N 363 vom 12.11. 1991, S. 13. 3 4 0 K O M (91) 301 endg.- S Y N 363 vom 12.11. 1991, S.8 und S. 14 (4. Erwägungsgrund). 332

333

D. Verwirklichung

von Freizügigkeit und

Dienstleistungsfreiheit

73

lieh klarstellen, was sich im Prinzip bereits aus der direkten A n w e n d u n g der Dienstleistungsfreiheit ergibt 341 , nämlich die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden outsourcing der Verwaltung einer Einrichtung zur AltersversorgungIn Art. 4 Abs. 1 enthält der Richtlinienvorschlag eine Reihe von Anlagegrundsätzen für Einrichtungen zur Altersversorgung, aufgrund derer die Mitgliedstaaten detailliertere Anlageregeln erlassen können. Er begrenzt die Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Kapitalanlagebeschränkungen aus Vorsichtsgründen. Art. 4 Abs. 2 enthält ein Verbot zu verlangen, in bestimmte Anlagekategorien zu investieren und die Vermögenswerte in einem bestimmten Mitgliedstaat anzulegen 3 4 2 . Art. 4 Abs. 3 beschränkt mitgliedstaatliche Währungskongruenzanforderungen auf 80% bzw. 60% f ü r Einrichtungen zur Altersversorgungen, deren Verbindlichkeiten nicht als Festbeträge definiert sind 343 . Der Richtlinienvorschlag hätte in Deutschland zu einer Lockerung der A n lagevorschriften u n d damit der Versicherungsaufsicht f ü r Pensionskassen geführt 3 4 4 , die nahezu freien Kapitalanlagemöglichkeiten von Unterstützungskassen 345 praktisch unangetastet gelassen 346 .

c) Chronologie des Scheiterns Die Richtlinie sollte bis z u m 31.12. 1992 umgesetzt werden; später wurde dieser Termin auf 199 5 347 und dann auf 1997 verschoben 3 4 8 . N a c h d e m der Vorschlag im N o v e m b e r 1992 vom Europäischen Parlament nur mit erheblichem Änderungen gebilligt wurde 3 4 9 , zog ihn die Kommission am 16.06. 1994 zurück. Sie war nicht bereit, höhere nationale Währungskongruenzanforderungen zu akzeptieren 3 5 0 . In einer Mitteilung bedauerte die Kommission diese Entwicklung und erklärte, sie lehne es ab, „den Text f ü r die Mitgliedstaaten durch A u f n a h m e be341

K O M (91) 301 endg. - SYN 363, Begründung des Vorschlags S. 10. Begründung, K O M (91) 301 endg. - SYN 363, S.7. Zur Portfolio-Diversifikation auch Zavvos, CMLR 1994, 613. 343 Vgl. Begründung, K O M (91) 301 endg. - SYN 363, S.7. 344 Hierzu Kühlein, BetrAV 1993, 186ff.; Ahrend/Rößler, BddW 19.09. 1994, S.9. 345 Steuerbefreite Unterstützungskassen aller Rechtsformen unterliegen in ihrer Vermögensanlage nur insofern einer Beschränkung, als ihre Mittel nicht zweckentfremdet werden dürfen. Eine zusätzliche Beschränkung besteht für Stiftungen, deren Vermögensanlage durch Landesgesetz geregelt ist. Vgl. H-BetrAV/Förster, Ordnr. 60 Rn. 55ff. 346 Dazu Pechstein, BetrAV 1992, 141f. 347 Pechstein, BetrAV 1992, 140. 348 Beyer/Langohr-Plato, BetrAV 1994, 71. 349 ABl. Nr. C 3371/123 vom 21.12. 1992. 350 Ahrend/Rößler, BddW 19.09. 1994, S.9. Daneben blieb der Anwendungsbereich der Richtlinie streitig. Einrichtungen der sozialen Sicherheit sollten ausgenommen werden, ihre Definition blieb aber umstritten. Streitig blieb auch die Frage, ob Dritten, eventuell Branchenfremden die Verwaltung von Pensionsfonds in einem anderen Mitgliedstaat übertragen werden dürfe. Vgl. hierzu auch VW 1993, 836 (kein Autor); Huhn, BetrAV 1995, 151. 342

74

§1 Rechtsetzung

der Europäischen

Gemeinschaft

stimmter Änderungen akzeptabel zu machen, die den Sinn der Richtlinie vollständig verändern und damit deren Ziele verwässern würden, so daß die Hemmnisse für die Dienstleistungserbringung und die freie Kapitalanlage nicht beseitigt, sondern stattdessen legitimiert würden" 3 5 1 . Die Kommission gab weiter Leitlinien, wie aufsichtsrechtliche Anlagegrundsätze der Mitgliedstaaten beschaffen sein müßten, um den Anforderungen des EG-Vertrages und insbesondere der Dienstleistungsfreiheit gerecht zu werden 3 5 2 . Diese Mitteilung liest sich wie eine verklausulierte Drohung mit einem Vertragsverletzungverfahren gegen die Mitgliedstaaten vor dem E u G H nach Art. 226 E G (früher 169 E G V ) 3 5 3 . In seiner Entscheidung auf eine von Frankreich angestrengte Nichtigkeitsklage 3 5 4 stellte der E u G H fest, daß die Kommission nicht zuständig sei für die Vornahme von Handlungen, durch die den Mitgliedstaaten spezifische Verpflichtungen auferlegt würden, die in den Bestimmungen des Vertrages über Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit nicht vorgesehen seien. Art. 57 Abs. 2, 66 E G V (nach Änderung jetzt Art. 47 Abs. 2, 55 E G ) ermächtige nur den Rat, Richtlinien zu erlassen. Die Kommission versuche aber, mit der Mitteilung die Anwendung gleicher oder ähnlicher Regeln wie der des zurückgezogenen Richtlinienvorschlages zu erreichen. Daher war die Kommissionsmitteilung zu Pensionsfonds für nichtig zu erklären 3 5 5 .

d)

Grünbuch

Das Grünbuch der Kommission „Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt" 3 5 6 vom 10.06. 1997 nimmt die in dem gescheiterten Richtlinienvorschlag angesprochenen Fragen wieder auf und untersucht detailliert die Rolle der Altersversorgung für die Kapitalmärkte der E U , diskutiert angemessene aufsichtsrechtliche Vorschriften für die Kapitalanlage von Pensionsfonds 3 5 7 und stellt die Frage nach der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit bei der grenzüberschreitenden Verwaltung von Pensionsfonds. Die Antworten auf das Grünbuch zeigen, daß für grenzüberschreitende Dienstleistungen der PenMitteilung 94/C 360/08, ABl. C 360/7 vom 17.12. 1994. ABl. Nr. C 360/7 vom 17.12. 1994 unter 1., insbesondere 1.8. und 1.13. 3 5 3 Zu diesem Verfahren vgl. etwa AR-Blattei/LdVc£er, E G / E U I, Ordnr. 690.1 Rn. 115f. 3 5 4 Als Nichtigkeitsgründe führte Frankreich die Unzuständigkeit der Kommission, Verstöße gegen die Kompetenz-/Verfahrensvorschrift des Art. 190 E G V (jetzt Art.253 E G ) und den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Ungleichbehandlung der einem Pensionsfonds angeschlossenen Parteien und derjenigen, die Lebensversicherungsverträge geschlossen haben, an. E u G H 20.03. 1997, Rs C-57/95, Frankreich/Kommission (Pensionsfonds), Slg. 1-1627, Rn. 11. 3 5 5 E u G H 20.03. 1997, Rs C-57/95, Slg. I-1648ff. insbes. Rn. 12-23. 3 5 6 C O M (97) 283. Dazu Zusammenfassung der Antworten auf das Grünbuch über die zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt, Arbeitspapier der Kommission vom 06.04. 1998. Zum Grünbuch Walser, BetrAV 1997, 310. Huhn, BetrAV 1995, 151 sah zwischenzeitlich Signale, die gescheiterte Pensionsfonds-Richtlinie könne in Gestalt einer weiteren KapitalmarktRichtlinie wieder auferstehen. 3 5 7 Grünbuch, C O M (97) 283, S.8ff. unter Nr. 16ff., S. 13ff. unter Nr.35ff. 351

352

E.

Zusammenfassung

75

sionsfondsverwaltung kaum noch rechtliche Hindernisse bestehen 3 5 8 . Gleichwohl schlägt die Kommission in ihrer Mitteilung „Zu einem Binnenmarkt für die zusätzliche Altersversorgung" vom 11.05. 1999 3 5 9 vor, eine Richtlinie über die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für betriebliche Pensionsfonds zu verabschieden. Diese solle den optimal möglichen Schutz der (Versorgungs-)Empfänger gewährleisten, es Pensionsfonds ermöglichen, die Vorteile des Binnenmarkts und des Euro voll zu nutzen, die Gleichbehandlung betrieblicher Zusatzversorgungen gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen etwa gegenüber Lebensversicherungen vermeiden sowie eine gegenseitige Anerkennung aufsichtsrechtlicher Systeme in den Mitgliedstaaten ermöglichen. In den Mitgliedstaaten 360 wird derweil auf nationaler Ebene eine Diskussion um die „Europatauglichkeit" der jeweiligen nationalen Betriebsrentensysteme geführt. In Deutschland konzentriert sich die Diskussion auf eine Verbesserung der gesetzlichen, insbesondere Steuer-, arbeits- und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen und die Schaffung eines neuen fünften Durchführungswegs „Pensionsfonds". Auf diese Diskussion ist im Rahmen des Kapitels zur Dienstleistungsfreiheit näher einzugehen 3 6 1 .

E.

Zusammenfassung

Die Kompetenzordnung der Europäischen Gemeinschaft ist geprägt durch das Prinzip der Einzelermächtigung und die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Eine allgemeine Rechtsetzungszuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung gibt es nicht. Wegen der Zuständigkeitsverteilung nach Aufgaben und Zielen ist eine etwaige Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union im Bereich der Zusatzaltersversorgung davon abhängig, ob denn in diesem Bereich eine im Vertrag gestellte Aufgabe noch nicht erfüllt, ein gesetztes Ziel nicht erreicht ist. Soweit Rechtsetzungsmaßnahmen, die die soziale Dimension der betrieblichen Altersversorgung betreffen, auf die wirtschaftspolitische Kompetenznorm zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes (Art. 94 E G ) gestützt werden sollen, bedarf es zumindest eines Plausibilitätsnachweises, inwiefern die sozialpolitische Regelung den Gemeinsamen Markt befördert. Diesen Nachweis ist der europäische Rechtsetzer etwa bei der Richtlinie zum Betriebsübergang, jedenfalls insoweit sie die betriebliche Altersversorgung be3 5 8 Grünbuch, C O M (97) 283, S. 16 unter Nr. 45f.; Antworten auf das Grünbuch, C O M (97) 283, S. 23 f. unter 63-66. 3 5 9 Mitteilung der Kommission K O M (99) 134 endg./2.; dazu Oster, BetrAV 1999, 291 f. 3 6 0 Zur Diskussion um ein in Vorbereitung befindliches Pensionsfonds-Gesetz, in Frankreich vgl. etwa Tagung der Confédération Française de l'Encadrement C . G . C . , Fonds de retraite paritaires: au service des entreprises et de l'emploi, Paris 16.06. 1998; s. auch Steinmeyer, FS Großfeld, S. 1165f. 361 S. unten §4 C.III. (S. 198ff.).

76

51 Rechtsetzung der Europäischen

Gemeinschaft

trifft, schuldig geblieben. F ü r eine von der K o m m i s s i o n ins Auge gefaßte A n gleichung der Unverfallbarkeitsfristen

für Betriebsrentenanwartschaften

ist

dieser Nachweis dagegen zu erbringen. A u c h die Schaffung europäischer Pensionsfonds als ein Instrument

zur

grenzüberschreitenden Erbringung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Europa könnte in Art. 94 E G eine Rechtsgrundlage finden. Eine Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen könnte auch auf Art. 40 E G gestützt werden. D a m i t ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, o b mobilitätsbeschränkende Unverfallbarkeitsregelungen in den Mitgliedstaaten mit der Freizügigkeit vereinbar sind. Das folgt schon aus dem dynamisch zu verstehenden legislativen Auftrag der Gemeinschaft zur Verwirklichung der Grundfreiheiten. D i e sozialpolitische Zentralnorm des Art. 137 E G kann Rechtsetzungsvorhaben betreffend die Arbeitsbedingungen und den sozialen Schutz der Arbeitnehmer in bezug auf ihre Zusatzaltersversorgung tragen. Art. 137 E G gibt der Gemeinschaft allerdings keine Befugnis, eine obligatorische Betriebsrente einzuführen, auch wenn dies dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer dient. D i e Inanspruchnahme der K o m p e t e n z n o r m des Art. 51 E G V (nach Ä n d e rung jetzt Art. 42 E G ) für die Richtlinie 9 8 / 4 9 / E G zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche birgt die Gefahr, daß die Gemeinschaft, nachdem sie in einem ersten Schritt die Betriebsrente als Teil der sozialen Sicherheit verstanden hat, in einem zweiten Schritt die Freiwilligkeit der Betriebsrente in verschiedenen Mitgliedstaaten in Frage stellt. D a z u fehlt ihr die Befugnis. Die Schranke des Art. 137 Abs. 6 E G wirkt auch, soweit Rechtsetzungsvorhaben

auf

K o m p e t e n z n o r m e n im Recht der Freizügigkeit gestützt werden. D i e Gemeinschaft hat keine K o m p e t e n z zur Einführung einer obligatorischen (Mindest-) Betriebsrente in Europa. D i e wirtschaftliche Dimension betrieblicher Altersversorgung ist vor allem durch die drei Richtlinien zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt für Lebensversicherungen betroffen. Diese Richtlinien

öffnen

durch das Sitzlandprinzip den Markt für grenzüberschreitende Versicherungsdienstleistungen. Sie betreffen den Durchführungsweg betrieblicher Altersversorgung über eine Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 B e t r A V G unmittelbar. O b w o h l von den Richtlinien ausgenommen, hat der deutsche Gesetzgeber die Pensionskasse i.S. von § 1 Abs. 3 B e t r A V G bei der Novellierung des V A G aufsichtsrechtlich weitgehend wie ein Lebensversicherungsunternehmen

behan-

delt. D a m i t haben die Lebensversicherungsrichtlinien mittelbar Auswirkungen auch auf diesen Durchführungsweg. D e r Vorschlag einer Richtlinie über die Freiheit der Vermögensverwaltung und Vermögensanlage für Einrichtungen der Altersversorgung ist insbesondere an Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten über die der Freiheit der Vermögensanlage zu ziehenden G r e n z e n gescheitert. Diese sog. Pensionsfonds-Richtlinie

hätte in Deutschland Auswirkungen

insbesondere

auf die Vermögensanlage der Pensionskasse gehabt. D i e Kommission verfolgt

E.

Zusammenfassung

77

das Projekt einer solcher Richtlinie in ihrem Grünbuch „Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt" weiter. Insoweit es dabei um die Dienstleistungsfreiheit geht, wurden Pensionsfonds zunächst nur als Nachfrager, nicht als Anbieter von Dienstleistungen angesprochen. Das Projekt eines Richtlinienvorschlags über die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für betriebliche Pensionsfonds rückt demgegenüber die Verwirklichung der positiven Dienstleistungsfreiheit der Pensionsfonds als Zusatzaltersversorgungseinrichtungen in den Vordergrund.

§ 2 F u n k t i o n s w e i s e und Gewährleistungsinhalt v o n Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit A. Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit als Funktionsbedingungen des Gemeinsamen Marktes im Bereich betrieblicher Altersversorgung Der Verwirklichung der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit kommt in der Gemeinschaft zentrale Bedeutung zu. Bevor die Frage nach der Verwirklichung der genannten Grundfreiheiten im Bereich der Zusatzaltersversorgung beantwortet werden kann, ist zunächst eine allgemeine Vorstellung davon zu geben, welches materielle Verständnis von Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit dem EG-Vertrag zugrunde liegt (unten A I.—III.). Anschließend wird in einer dogmatischen Grundlegung auf den transnationalen Charakter, den Gewährleistungsinhalt und die Schranken dieser Grundfreiheiten sowie die Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit und die Reichweite ihrer Wirkung eingegangen (unten B - D ) . Damit liegt das dogmatische Rüstzeug vor, um das deutsche Betriebsrentenrecht auf seine Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit zu untersuchen (unten § § 3 - 5 ) .

I. Freizügigkeit im Gemeinsamen Markt 1. Subjektive und objektive Seite der Freizügigkeit Die Freizügigkeit hat eine subjektive und eine objektive Seite 1 . Die Freizügigkeit ist zunächst eine subjektive Garantie, die dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsplatzes und die Aufnahme und Ausübung unselbständiger Erwerbstätigkeiten in allen Mitgliedstaaten sichert 2 , so wie die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die freie Betätigung Selbständiger garantiert 3 . Der freie Zugang zum Arbeitsmarkt anderer Mitgliedstaaten ist eine subjektive Freiheitsgewährleistung und insoweit dem Freiheitsrecht aus Art. 12 G G ähnlich 4 , allerdings beschränkt auf transnationale Sachverhalte.

Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der E G , S. 56. Vgl. etwa E u G H 15.12. 1995, Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1-4921 = N Z A 1996, 191,Rn.94. 3 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555. 4 Zu weit CalonJFrey/Lindley/Lyon-Caen/Markmann/Simitis, KritV, 1994, 67f., die ein allgemeines an Art. 12 G G angelehntes Recht der Freiheit der Berufswahl oder gar ein - möglicherweise als Recht auf Arbeit gemeintes - Grundrecht der „Freiheit zu arbeiten" formulieren. 1

2

A. Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

als Funktionsbedingungen

79

Zugleich hat die Freizügigkeitsgarantie eine objektive Seite, sie ist Funktionsbedingung des Gemeinsamen Marktes. Die Freizügigkeit sichert die Mobilität des Produktionsfaktors „Arbeit" 5 , so wie die Kapitalverkehrsfreiheit die Mobilität des Faktors „Kapital" garantiert. Die Inanspruchnahme der Freizügigkeitsgarantie durch die Arbeitnehmer ist eine Voraussetzung für das Entstehen eines gemeinsamen Arbeitsmarkts in der Europäischen Union 6 .

2. Arbeitnehmermobilität

kein absolutes Ziel

Das Ziel der Gewährleistung der Beweglichkeit des Produktionsfaktors Arbeit steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu anderen Zielen der Gemeinschaft. Nach Art. 2 E G ist es gerade Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft, die Unterschiede in den Lebensbedingungen abzubauen mit einer Tendenz der Angleichung nach oben. J e stärker die Lebensbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und deren einzelnen Regionen angeglichen werden, desto mehr wird der Mobilitätsdruck von den Menschen in schwächer entwickelten Mitgliedstaaten oder Regionen genommen 7 . Die europäische Regionalpolitik hat zum Ziel, Regionen mit Entwicklungsrückstand zu fördern und u.a. dauerhafte Arbeitsplätze in benachteiligten Regionen zu schaffen und zu erhalten 8 und damit für eine regionale Kohäsion zu sorgen 9 . Dem Marktmechanismus einer Arbeitnehmermobilität als Reaktion auf Ungleichgewichtslagen in den Erwerbschancen in verschiedenen Regionen der Europäischen Gemeinschaft wird mit der Regionalpolitik aktiv entgegengewirkt. Der EG-Vertrag enthält somit nicht das Leitbild eines bindungslos den besten Erwerbsmöglichkeiten hinterher ziehenden Arbeitnehmers 1 0 . Die Mobilität der Arbeitnehmer genießt nicht die gleiche Priorität wie die Mobilität von Waren und Kapital, weil Menschen und das Funktionieren sozialer Gemeinschaften sensibel 5 Nicolaysen, Europarecht II, S. 160; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 793; Schulte/Zacher, Jahrbuch 1, S.357; Oppermann, Europarecht, Rn. 1502; Klang, Soziale Sicherheit und Freizügigkeit, S.97f.; Eichenhof er, ZIAS 1991, 166. 6 EAS/Runggaldier, Ordnr. B 2000, Rn.2, 122. Aktionsprogramm der Kommission zur Anwendung der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte. Vgl. Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der EG, S. 56. 7 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 93. Zu Umfang, Ursachen und rechtlichen Rahmenbedingungen der tatsächlichen Arbeitsmigration nach Deutschland Wollenschläger, RdA 1994, 193 ff. Dazu, daß die Wanderungspolitik gegenüber Drittländern zu den sozialen Fragen i.S. von Art. 118 E G V (jetzt Art. 137 E G ) gehört, E u G H 09.07. 1987, verb. Rs. 281,283 bis 285 und 287/85, Wanderungspolitik, Slg. 3203. 8 Zur europäischen Regionalpolitik etwa Bleckmann, Europarecht, Rn.2762ff.; zum Spannungsverhältnis zwischen europäischer Regionalentwicklung und Binnenmarktprogramm Böttcher, Soziales Europa 1993 - Noch eine Illusion, S.29f. 9 Kritisch zur regionalen Kohäsion als einer Verkürzung der sozialen Kohäsion Calon/Frey/ Lindley/Lyon-Caen/Markmann/Simitis, KritV 1994, 61. 10 Kapteyn/Van Themaat, Law of the European Communities, S.411; Mobilität der Bürger „um ihrer selbst willen" ist ohnehin kein Ziel der Gemeinschaft. Vgl. Isensee, VSSR 1996, 176; ähnlich auch Klang, Soziale Sicherheit und Freizügigkeit im EWG-Vertrag, S. 95, 99. E u G H 09.07. 1987, verb. Rs. 281, 283 bis 285 und 287/85, Wanderungspolitik, Slg. 3203.

80

$2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

auf Wanderungsbewegungen reagieren. Die Mobilität der Arbeitnehmer genießt aber auch nicht die gleiche Priorität wie die Mobilität von Dienstleistungen, die jedenfalls dann, wenn nur das Produkt Dienstleistung die Grenzen überschreitet, nicht die gleichen sozialen Probleme aufwirft wie die Freizügigkeit. N u r wenn der Dienstleistungserbringer eine natürliche Person ist, die zum Zweck der Erbringung der Dienstleistung mobil ist, oder wenn sich eine selbständig tätige natürliche Person zur Ausübung beruflicher Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat niederläßt, stellen sich ähnliche Probleme des sozialen Zusammenhalts wie im Fall der Freizügigkeit der Arbeitnehmer.

3. Tatsächliche

Situation

Tatsächlich ist die Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Mobilität der Arbeit im Vergleich zu Waren, Dienstleistungen und Kapital wohl am weitesten von der Verwirklichung eines funktionierenden Gemeinsamen Marktes entfernt. Ein solcher funktionierender gemeinsamer Arbeitsmarkt ist aus verschiedenen Gründen nicht einmal innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen der Mitgliedstaaten gegeben 11 . Die heimatliche Bindung ist im allgemeinen so stark, und die sprachlichen und kulturellen Barrieren sind so hoch, daß es erheblicher Unterschiede in den Beschäftigungsmöglichkeiten und Lebensbedingungen in verschiedenen Mitgliedstaaten als Anreize bedarf, das eigene Land zu verlassen. Die Mobilität der Arbeitskräfte zwischen den europäischen Mitgliedstaaten stellt daher noch kein Massenphänomen dar. Eine grobe Typologie grenzüberschreitend mobiler Arbeitnehmer muß folgende Arbeitnehmergruppen nennen: (1) Grenzgänger machen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch und wechseln für die tägliche Arbeit über die Grenze, ohne dazu ihre heimatlichen Bindungen aufgeben zu müssen 1 2 . (2) Eine wachsende Zahl von Arbeitnehmern wird von ihrem Unternehmen in andere Mitgliedstaaten zur länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen entsandt 13 . Auch gehört es zur Personalpolitik im internationalen Konzern, Arbeitnehmer grenzüberschreitend für kürzere oder längere Zeit zu Niederlassungen und anderen konzernangehörigen Unternehmen zu entsenden oder auch nacheinander bei verschiedenen Konzerngesellschaften zu beschäftigen. Während die nur vorübergehend entsandten Arbeitnehmer regelmäßig weiterhin der Altersversorgung ihres Heimatlandes angehören wollen 1 4 , haben die Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber endgültig wechseln, regelmäßig ein Interesse an der Abfindung oder Ubertra-

Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 82ff., zur mangelnden Mobilität Rn. 93. Kapteyn/Van Themaat, Introduction to the Law of the European Communities, 2. Aufl. 1990, S.411f. 13 Vgl. 3. Erwägungsgrund der R L 96/71/EG, AB1.1997 Nr. L 18 S. 1 (Entsende-Richtlinie). 14 Vgl. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S. 4; Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S. 5 unter 1.9; Art. 6 Abs. 1 R L 98/49/EG. 11 12

A. Freizügigkeit

und Dienstleistungsfreiheit

als Funktionsbedingungen

81

gung ihrer unverfallbaren Anwartschaften auf den neuen Arbeitgeber 1 5 . Anfang der 90er Jahre gab es rund 260.000 Wanderarbeitnehmer der einen oder anderen Kategorie in der Europäischen Gemeinschaft 1 6 . (3) Leiharbeitnehmer werden durch ihre Leiharbeitsfirmen auch grenzüberschreitend vermittelt. (4) Schließlich suchen einzelne, meist hochqualifizierte Arbeitnehmer auch selbständig nach Arbeit in anderen Mitgliedstaaten und sind hierzu auch bereit, ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlagern. In allen diesen Fällen der Auslandstätigkeit kann die Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer in nicht unerheblicher Weise davon abhängen, welche Folgen der Auslandseinsatz auf eine vom bisherigen Arbeitgeber gegebene Altersversorgungszusage hat 17 . Droht ein Verlust oder eine Schmälerung der zu erwartenden Betriebsrente, kann dies ein Mobilitätshindernis für den Arbeitnehmer darstellen.

II. Dienstleistungsfreiheit

im Gemeinsamen

Markt

Die Dienstleistungsfreiheit hat, ebenso wie die Freizügigkeit, eine subjektive und eine objektive Seite. Die Dienstleistungsfreiheit ist zum einen ein Freiheitsrecht, das die freie grenzüberschreitende Betätigung Selbständiger sichert. Sie ist zum anderen Funktionsbedingung für die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes für den Gegenstand Dienstleistung. Die erste, subjektive Konzeption ordnet die Dienstleistungsfreiheit systematisch als eine der Personenverkehrsfreiheiten ein. Die zweite, objektive Konzeption sieht die Dienstleistungsfreiheit als Pendant zur Warenverkehrsfreiheit 18 . Die beiden Konzeptionen schließen einander nicht aus, sondern ergänzen einander 1 9 .

1. Subjektive Konzeption: Personenverkehrsfreiheit

Dienstleistungsfreiheit

als

Die subjektive Konzeption der Dienstleistungsfreiheit sieht diese als Ergänzung zu den Personenverkehrsfreiheiten der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit. Die Dienstleistungsfreiheit ermöglicht grenzüberschreitende selbständige erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten ohne (Wohn-)Sitzverlagerung 2 0 . Sie ergänzt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (grenzüberschreitende unselbständige Erwerbstätigkeiten mit und ohne Wohnsitzverlagerung) und die NiederlasSo Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.23. Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l, S.4 unter 1.7. Vgl. auch Beyer, V W 1994, 744; Rößler, BetrAV 1995, 67; Steinmeyer, FS Ahrend, S.476, 478. 17 Empirische Erhebungen hierzu fehlen. 18 Vgl etwa Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 59 Rn.6, der von einer personen- bzw. produktorientierten Betrachtung spricht. 19 Für einen Wechsel von der personen- zur produktorientierten Betrachtung Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art.59 Rn.6; einschränkend aber Rn.35. 20 Weber, EWS 1995, 292 spricht insoweit vom klassischen Fall der „aktiven" Dienstleistung. 15

16

82

52 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

sungsfreiheit (selbständige erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten mit (Wohn-)Sitzverlagerung)21. Die drei Grundfreiheiten der Freizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit gewährleisten zusammen einen lückenlosen Schutz der Freiheit des erwerbswirtschaftlich motivierten Personenverkehrs 22 . Die Situation eines Gemeinschaftsangehörigen, der sich in einen anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft begibt, um dort eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, fällt entweder unter das Kapitel des Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder unter das über das Niederlassungsrecht oder unter das über Dienstleistungen 23 . Die subjektive Konzeption der Dienstleistungsfreiheit ist Maßstab für Bestimmungen des nationalen Rechts über die Altersversorgung Selbständiger. Das nationale Recht muß gewährleisten, daß der Dienstleistungserbringer hinsichtlich seiner Altersversorgung im Fall grenzüberschreitender Mobilität keine Nachteile aus dieser Mobilität erleidet bzw. keine größeren Nachteile erleidet als im Fall innerstaatlicher Mobilität. Diese zur Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer parallele Fragestellung gehört nicht zum Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit 24 .

2. Objektive Konzeption: Dienstleistungsfreiheit zur Warenverkehrsfreiheit

als Pendant

Der anderen, objektiven Konzeption der Dienstleistungsfreiheit liegt Art. 3 Abs. 1 lit. c E G zugrunde, der den Personenverkehr neben dem Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr aufzählt, die Dienstleistungsfreiheit also gerade nicht als Teil der Personenverkehrsfreiheit begreift. Die Dienstleistungsfreiheit i.S. dieser objektiven Konzeption sichert den durch die Entwicklung zu Dienstleistungsgesellschaften in Europa immer wichtiger werdenden Gemeinsamen Markt für unkörperliche Leistungen 25 , während die Warenverkehrsfreiheit den grenzüberschreitenden Handel mit körperlichen Gegenständen gewährleistet. Bei der sog. Korrespondenzdienstleistung 26 überschreitet allein das unkörperli21 Diese Konzeption liegt etwa den Ausführungen zugrunde von Bleckmann, Europarecht, Rn. 1553ff.;EAS/Haedrich, B 1000, Rn. 7b{{.\Kapteyn/van Themaat, Introductionto t h e L a w o f the European Communities, S. 443 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1580. Streinz, Europarecht, Rn. 656 trifft die obige Unterscheidung zwischen einer subjektiven und einer objektiven Konzeption der Dienstleistungsfreiheit mit den Begriffen „Personenverkehrsfreiheit" und „Produktverkehrsfreiheit" . 22 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555. 2 3 E u G H 30.11. 1995, R s . C - 5 5 / 9 5 , Gebhard, Slg. 1995, S. 1-4165 Rn.21f. 2 4 Vgl. oben Einleitung A.I.l. (S. 1 ff.); zur R L 98/49/EG, die ihren Anwendungsbereich auch auf Selbständige erstreckt, § 1 D.I.3.c) (S.53ff.). 2 5 Diese Konzeption liegt etwa den Überlegungen zugrunde von Oppermann, Europarecht, Rn. 1597f. (Grundform der Dienstleistung); Emmerich, FS Keller, 685ff.; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 106; Krebber, J J Z 1997, 144; Basedow, RabelsZ 59 (1995), lOff. 2 6 Bei der grenzüberschreitenden oder Korrespondenzdienstleistung wird die Dienstleistung grenzüberschreitend via Post, Fax, Telekommunikation erbracht, ohne daß sich Anbieter oder Nachfrager der Dienstleistung selbst physisch ins Ausland begeben müßten. E u G H 10.05.1995,

B. Transnationaler

Charakter

der

Grundfreiheiten

83

che Produkt Dienstleistung die Grenze, nicht der Dienstleistungserbringer oder -empfänger. Dogmatische Parallelen sind nach diesem Verständnis der Dienstleistungsfreiheit im Recht des Warenverkehrs, nicht im Recht der Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit zu suchen 27 . Die Dienstleistungsfreiheit schützt als positive oder aktive Dienstleistungsfreiheit bzw. als negative oder passive Dienstleistungsfreiheit sowohl den Erbringer als auch den Empfänger der Dienstleistung 28 . Für die Frage nach der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist die objektive Konzeption der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich. Ein Gemeinsamer Markt für private Altersversorgungsleistungen ist nicht auf den freien Verkehr natürlicher Personen angewiesen, sondern darauf, daß das Produkt „Zusatzversorgung" grenzüberschreitend angeboten und erworben werden kann.

III. Spannungsverhältnis von Freizügigkeit und

Dienstleistungsfreiheit

Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit können in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen 29 . Wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch grenzüberschreitende Regelungen der betrieblichen Altersversorgung gewährleistet, die die Durchführung der Zusatzaltersversorgung einem oder einigen wenigen Versorgungsträgern übertragen, sind damit andere, im System nicht vorgesehene Anbieter von Zusatzaltersversorgung vom Markt der Zusatzaltersversorgung ausgeschlossen. Die Mobilitätsabsicherung über ein solidarisch finanziertes, obligatorisches Betriebsrentensystem kann die Entstehung von Altersversorgungmonopolen bedingen. Die Verwirklichung der Freizügigkeit kann damit zu einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wie auch der Wettbewerbsfreiheit führen 30 .

B. Transnationaler I.

Charakter

der

Grundfreiheiten

Grenzüberschreitung

Die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts erfassen nur Sachverhalte, die Berührungspunkte mit mindestens zwei Mitgliedstaaten haben, nicht aber rein Rs. C-384/93, Slg. 1-1141 (1183); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1676; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit, S.57ff.; Weber, EWS 1995, 292; Oppermann, Europarecht, Rn.1597; Oetker/ Preis/Haedrich, EAS, B 1000, Rn.78. 27 Steindorff, R I W 1983, 833ff. 28 Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 100, 108f.; zur passiven Dienstleistungsfreiheit ausführlich Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit. Zu den Begleitrechten der Einreise zum Zweck der Nachfrage einer Dienstleistung (subjektive Konzeption der Dienstleistungsfreiheit) E u G H 31.01. 1984, Rs 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 377; E u G H 02.02. 1989, Rs. 186/87, Cowan/Tresor public, Slg. 195 Rn. 17. 29 Vgl. auch Kessler, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 354ff. zum Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und Sozialschutz. 30 Näher unten § 5 (S. 221 ff.).

84

5 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

innerstaatliche Sachverhalte. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH finden die Art. 39ff. und 49ff. EG keine Anwendung auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates (und eines Drittstaates) hinausweisen 31 . Der Auslandsbezug muß nicht notwendigerweise über die Staatsangehörigkeit der beteiligten Personen vermittelt werden: Auch wenn Dienstleistungserbringer und -empfänger beide Deutsche sind, die Leistung aber von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat erbracht wird, handelt es sich um einen grenzüberschreitenden Vorgang. In diesem transnationalen Bezug unterscheiden sich die Grundfreiheiten von gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten, die absolut gelten und eine grenzüberschreitende Tätigkeit nicht voraussetzen 32 . Das Lohngleichheitsgebot des Art. 141 EG etwa ist eine solche Grundrechtsnorm, auf die sich Arbeitnehmer auch in rein innerstaatlichen Zusammenhängen berufen können 33 .

II. Zulässigkeit umgekehrter 1.

Diskriminierung

Europarecht

Die Voraussetzung der Grenzüberschreitung für die Geltung der Grundfreiheiten des EG-Rechts hat eine Kehrseite. Das Gemeinschaftsrecht hindert einen Mitgliedstaat nicht, Inländer, inländische Waren und Leistungen, soweit sie keinerlei Berührungspunkte mit einem anderen Mitgliedstaat aufweisen, als rein innerstaatliche Sachverhalte und Vorgänge strengeren Normen zu unterwerfen als Ausländer, ausländische Waren und Leistungen, die im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten in den Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaates gelangt sind. Eine solche sogenannte Inländer-, Umkehr- oder umgekehrte Diskriminierung 3 4 ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zulässig 35 . Ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates kann sich im Hinblick auf einen rein internen Sachverhalt, nicht auf 31 Vgl. nur die jüngsten Entscheidungen EuGH 16.06. 1994, Rs. C-132/93, Steen II, Slg. I2715; EuGH 16.01.1997, Rs. C - l 34/95, gesetzliches Arbeitsvermittlungsmonopol Italien, Slg. I195; EuGH 02.07.1998, Verb. Rs. C-225/95, C-226/95 und C- 227/95, Hochschuldiplome Griechenland, Tätigkeitsbericht, 18/98, S. 4. Weitere Rechtsprechungsnachweise bei EAS/Runggaldier, B 2000, Rn.74f. Fn.245, 237. 32 E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000 Rn. 10 a.E. Auch wenn Bleckmann die Art.48ff., 52ff. und 59ff. EGV (jetzt Art. 39ff., 43 ff. und 49ff. EG) als „absolutes Grundrecht" der Berufsfreiheit i.S. des Art. 12 GG versteht, stellt er nicht die Geltungsvoraussetzung der Grenzüberschreitung in Frage. Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1569ff. 33 Steindorff, RdA 1988, 130; Streinz, Europarecht, Rn.912. 34 Im französischen Sprachraum spricht man von discrimination ä rebours, im englischen von reverse discrimination, vgl. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 1. 35 Ständige Rechtsprechung des EuGH. Vgl. aus neuerer Zeit EuGH 16.02. 1995, Rs. C-2935/94, Aubertin, Slg. 1-301, 317. Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1762ff. auch zu weniger eindeutigen Entscheidungen des EuGH; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.25 Fn.32 m.w.N.; Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Art. 48 Rn. 9ff.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 25ff. nennt diese Gestaltung „umgekehrte Diskriminierung im Geltungsbereich einer Rechtsordnung".

B. Transnationaler

Charakter

der

Grundfreiheiten

85

Art. 39 E G berufen. Daher kann etwa ein Arbeitsplatzwechsel im Inland für den Arbeitnehmer mit Nachteilen belastet sein, die bei einem Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat ihn nicht treffen würden 36 . Die Rechtsprechung des EuGH zur europarechtlichen Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung wird in der Literatur in Frage gestellt. Es bestehe ein Spannungsverhältnis und ein gemeinschaftsrechtlicher Zielkonflikt zwischen den - durch das Subsidiaritätsprinzip verdeutlichten - Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten und dem Ziel eines Binnenmarktes mit unverfälschtem Wettbewerb (Art. 3 Abs. 1 lit. g und Art 14 EG). Dieses spreche für die Einbeziehung innerstaatlicher Sachverhalte in den sachlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten. Ausdrücklich oder faktisch differenzierende nationale Maßnahmen, die Inländer, inländische Produkte und Leistungen im Inland schlechterstellen, fallen danach in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten. Sie können allerdings durch ein berechtigtes Interesse des jeweiligen Mitgliedstaates gerechtfertigt sein. Die Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung wird damit zur Frage einer abgestuften Verhältnismäßigkeitsprüfung37. Ungeachtet der Meriten einer solch differenzierenden Lösung, die das beobachtete Spannungsverhältnis zugunsten der Gemeinschaft und zu Lasten der Kompetenzen des einzelnen Mitgliedstaates auflöst, wird im Rahmen dieser Arbeit mit der gefestigten Rechtsprechung des E u G H weiterhin von der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten auf grenzüberschreitende Sachverhalte und der europarechtlichen Zulässigkeit der Inländerdiskriminierung durch den jeweiligen Mitgliedstaat ausgegangen.

2. Nationales

Verfassungsrecht

Eine umgekehrt diskriminierende nationale Regelung kann mit dem Verfassungsrecht des betreffenden Mitgliedstaates unvereinbar sein. Nach der Rechtsprechung des E u G H hindert das Gemeinschaftsrecht ein nationales Gericht nicht zu prüfen, ob eine innerstaatliche Vorschrift, die inländische Arbeitnehmer, die sich in einer Situation befinden, die keinen Zusammenhang mit einem der im Gemeinschaftsrecht geregelten Sachverhalte aufweist, gegenüber den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten benachteiligt, mit der Verfassung des betreffenden Mitgliedstaates vereinbar ist 38 . Die verfassungsrechtliche Frage, ob und inwieweit - europarechtlich zulässige - Inländerdiskriminierungen mit Art. 3 Abs. 1 G G und Art. 12 Abs. 1 G G verein3 6 E u G H 28.01. 1992, Rs. C-332/90, Steen I, Slg. 1-341. Hier greift auch nicht das Diskriminierungsverbot aus Art. 12 E G (früher Art. 6 EGV), das voraussetzt, daß die Diskriminierung im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfolgt. Vgl. hierzu Groeben/Za/eeg, E U - / E G Vertrag, A r t . 6 R n . 12. 37 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 200ff., 526f.; vgl. auch Heydt, Editorial, EuZW 1993, 105, der von einem Funktionswandel der EG-Grundfreiheiten hin zu Grundrechten spricht. 38 E u G H 16.06. 1994, Rs. C-132/93, Steen II, Slg. 1-2715; EASIRunggaldier, B 2000, Rn.76; Streinz, Europarecht, Rn. 685.

86

§2 Dienstleistungsfreibeit

und

Freizügigkeit

bar sind 39 , kann hier ebensowenig erörtert werden wie die rechtspolitische Frage, ob eine Inländerdiskriminierung, obwohl verfassungsgemäß, de lege ferenda beseitigt werden sollte. Zu ihr kann allenfalls im konkreten Sachzusammenhang in bezug auf eine konkrete Inländerdiskriminierung Stellung bezogen werden 4 0 . Diesbezüglich sei hier nur darauf hingewiesen, daß das B A G in bestimmten Fällen anscheinend bereit ist, eine Inländerdiskriminierung hinzunehmen. Es hat in der Rechtssache Paletta entschieden, daß - anders als bei im Inland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - es bei ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zum Beweis der fehlenden Arbeitsunfähigkeit nicht ausreicht, daß der Arbeitgeber Umstände beweist, die nur zu ernsthaften Zweifeln an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlaß geben 41 . Hier könnte die Rechtsprechung des E u G H 4 2 den Weg in eine mittelbare Inländerdiskriminierung gewiesen haben, wenn typischerweise deutsche Arbeitnehmer eher eine deutsche als eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.

C. Gewährleistungsinhalt und Schranken von Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit Das Verständnis der Grundfreiheiten des europäischen Rechts unterliegt einem Wandel. Die Dogmatik zur Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit hat mit der Dienstleistungsfreiheit als Vorreiter eine Entwicklung von bloßen Diskriminierungsverboten hin zu Beschränkungsverboten genommen. Der derzeitige Entwicklungsstand ist im folgenden zu skizzieren mit dem Ziel, handhabbare Kriterien zu gewinnen, anhand derer das deutsche Recht der betrieblichen Altersversorgung auf Verstöße gegen die Freizügigkeit oder die Dienstleistungsfreiheit überprüft werden kann.

3 9 Ausführlich hierzu Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 343 ff.; ausführliche Nachweise zur Diskussion um die Zulässigkeit der Inländerdiskriminierung auch bei Brödermann, in: Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und I P R , Rn. 47 Fn. 185f.; "EKS/Runggaldier, B 2000, Rn. 77. D e r österreichische Verfassungsgerichtshof neigt dazu, im Falle einer Inländerdiskriminierung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz anzunehmen. Vgl. Beschluß vom 2 6 . 0 2 . 1999, B 1787/98-7, D B 1999, 2511. 4 0 Vgl. etwa unten §3 E . I I . l . a ) (S. 153ff.) zur Anrechnung ausländischer Sozialversicherungsrenten nach § 5 Abs. 2 S.2 BetrAVG. 4 1 B A G 19.02. 1997, 5 A Z R 747/93, A P Nr.3 zu § 5 EntgeltFG = Z I P 1997, 1248 = N Z A 97, 705. 4 2 E u G H 03.06. 1992, Rs. C - 4 5 / 9 0 , Paletta I, Slg. I 3423; E u G H 02.05. 1996, Rs. C - 2 0 6 / 9 4 , Paletta II, Slg. 1-2357 = N Z A 1996,635; vgl. hierzu Abele, N Z A 1996,631; Steinmeyer, FS Kissel, S. 1165 ff.

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

I. 1. Unmittelbare a)

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

87

Diskriminierungsverbot

Diskriminierung

Freizügigkeit

Das Freizügigkeitsrecht enthält für unselbständige Erwerbstätigkeiten ein gegenüber dem allgemeinen Verbot der Diskriminierung in Art. 12 E G 4 3 spezielles Diskriminierungsverbot, das die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen umfaßt. Positiv gewendet enthält Art. 39 Abs. 2 E G einen Gleichbehandlungsgrundsatz, der das Kriterium Staatsangehörigkeit nicht als sachliches Differenzierungskriterium zuläßt (sog. Inländergleichbehandlung). Die primärrechtlichen Diskriminierungsverbote der Art. 12 Abs. 1, 39 Abs. 2 E G richten sich in erster Linie an den Staat. Regelungen des Betriebsrentenrechts dürfen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht in irgendeiner Beziehung schlechter 44 behandeln als inländische Staatsangehörige. Auch durch gesetzliche Bestimmungen erzwungene Ausgestaltungen der Betriebsrentenzusage, der Satzung eines Versorgungsträgers, der Versicherungsbedingungen oder des Leistungsplans einer Versorgungseinrichtung, die anknüpfend an die Staatsangehörigkeit Begünstigte aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligen, verstoßen gegen Art. 12 Abs. 1, 39 Abs. 2 E G , ohne daß es insoweit auf eine Drittwirkung des Diskriminierungsverbotes 45 ankommt. Das Diskriminierungsverbot ist nochmals im sekundären Gemeinschaftsrecht verankert. Die V O ( E W G ) 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft schreibt die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie auch der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen (Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie) vor.

b)

Dienstleistungsfreiheit

Auch die Dienstleistungsfreiheit enthält unstreitig ein Gebot der Inländergleichbehandlung oder umgekehrt formuliert ein Verbot der Diskriminierung anhand der Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers (bzw.-empfängers 46 ),

43 Das Diskriminierungsverbot aus Art. 12 E G (früher Art. 6 EGV, Art. 7 E W G V ) gilt nur im Anwendungsbereich des EGV. Der E u G H reduziert das Verbot der Diskriminierung auf solche Diskriminierungen, die unmittelbar die Nutzung einer Grundfreiheit behindern (im Fall Gravier (13.02.85, Rs 293/83, Slg. 593 R n . l 5 f f . ) die Freizügigkeit der Auszubildenden, im Fall Cowan (02.02. 1989, Rs 186/87, Slg. 195) das Recht freien Aufenthalts). Vgl. Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.26ff.; Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art.6 R n . l 2 f . 44 Eine Besserstellung ist nach den Grundsätzen der umgekehrten Diskriminierung europarechtlich zulässig. S.o. B.II.l. (S.84f.). 45 Dazu unten D.II. (S. 104ff.). 46 Dazu Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit, S. 132ff.

88

5 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

auch wenn dies nur in den Art. 50 Abs. 3, 54 EG klar zum Ausdruck kommt und im übrigen einer Parallele zu Art. 39 Abs. 2 EG entnommen werden muß 47 . Knüpft eine staatliche Regelung der Zulassung oder Ausübung einer Dienstleistung an die Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers (oder -empfängers) an, liegt eine Diskriminierung vor. Diese kann auch als unmittelbare oder offene Diskriminierung bezeichnet werden, weil die Regelung das verbotene Kriterium der Staatsangehörigkeit ausdrücklich verwendet.

2. Mittelbare

Diskriminierung

Bei einer mittelbaren oder verdeckten Diskriminierung 4 8 knüpft eine Maßnahme zwar nicht an die Staatsangehörigkeit an, dafür aber an ein anderes Kriterium, das typischerweise oder ganz überwiegend nur von inländischen oder nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt wird 4 9 . Typische Beispiele sind Ungleichbehandlungen, bei denen nachteilige Rechtsfolgen z.B. an den Wohnort oder Herkunftsort des Arbeitnehmers oder den Wohnort oder Sitz des Dienstleistungserbringers (oder -empfängers) angeknüpft werden 5 0 . So verstößt eine gesetzliche Regelung, die vorsieht, daß Betriebs- oder Hinterbliebenenrenten nur an Betriebsrentner oder deren Angehörige ausgezahlt werden, wenn diese im Inland wohnen, gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierungen im Schutzbereich der Freizügigkeit, weil dieses Verbot typischerweise oder überwiegend ausländische Staatsangehörige, die in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, trifft 51 . Das Verbot verdeckter mittelbarer Diskriminierungen gilt auch im Bereich des sekundärrechtlichen Schutzes über Richtlinien und Verordnungen 52 . Verdeckte Ungleichbehandlungen (mittelbare Diskriminierungen) ausländischer Staatsangehöriger, die mittelbar an die Staatsangehörigkeit eines Trägers einer Grundfreiheit anknüpfen, sind zu unterscheiden von Maßnahmen, die unterschiedslos für In- wie Ausländer gelten und beide Gruppen gleichermaßen treffen, sich aber tatsächlich als für Ausländer typischerweise belastender darstellen. Müssen sich z.B. Ausländer den Mühen und Kosten einer Genehmigungseinho-

Vgl. hierzu Bleckmann, DVB1. 1986, 72. Bleckmann, Europarecht, R n . 1659. 4 9 Beispiele bei Bleckmann, Europarecht, Rn. 1744. 50 Randelzhof er in: Grabitz/Hilf, EWGV, Art. 48 R n . 2 8 ; E AS/Runggaldier, B 2000, R n . 5 0 . Daß der Wohnort oder der Sitz des Dienstleistungserbringers oder -empfängers im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit ein verbotenes Differenzierungskriterium ist, läßt sich auch Art. 49 EG (früher Art. 59 E G V ) entnehmen. H i e r z u Jarass, FS Everling, S. 595. 51 Vgl. auch E u G H 24.09. 1998, Rs. C-35/97, Kommission/Frankreich, Tätigkeitsbericht 21 / 98, S. 11 zu einer mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern gegenüber Arbeitnehmern mit Wohnort im Inland durch die N i c h t g e w ä h r u n g beitragsfreier Punkte für die Zusatzrentenberechnung in der französischen obligatorischen Zusatzaltersversorgung. 52 E u G H 12.02. 1974, Rs. 152/73, Sotgiu, Slg. 153; in der Entscheidung E u G H 24.09. 1998, Rs. C-35/97, Kommission/Frankreich, Tätigkeitsbericht 21/98, S. 11, w a r Art. 7 Abs. 1 V O ( E W G ) Nr. 1612/68 anwendbar. 47 48

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

89

lung für eine kurzfristige Dienstleistungserbringung ebenso unterziehen wie Inländer, die dauerhaft von dieser Genehmigung Gebrauch machen wollen, werden die Ausländer im Verhältnis zum Nutzen oder Ertrag durch das Genehmigungserfordernis stärker belastet 53 . Überdies wird es aus vielen Gründen (z.B. wegen mangelnder Sprachkenntnisse, Unkenntnis des Verwaltungsaufbaus und des Verfahrensablaufs) für Ausländer oft schwieriger sein als für Inländer, eine unterschiedslos geltende Anforderung der Verwaltung zu erfüllen. Es führt aber in die Irre, in diesen Fällen aus der typischerweise stärkeren tatsächlichen Belastung auf eine verdeckte Diskriminierung zu schließen. Eine unterschiedslos anwendbare belastende Regelung kann vielmehr nur als eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Dienstleistungsanbieter unzulässig sein (dazu sogleich unter II.).

II. 1.

Beschränkungsverbot

Dienstleistungsfreiheit

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des E u G H 5 4 und nach h.L. 5 5 verbietet die Dienstleistungsfreiheit nicht nur Regelungen, die unmittelbar anhand der Staatsangehörigkeit oder mittelbar diskriminieren, sondern auch staatliche Regelungen, die die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen unzulässig einschränken, ohne zu diskriminieren. Dieses Beschränkungsverbot kommt in Art. 49 Abs. 1 E G zum Ausdruck. Das Beschränkungsverbot gilt für alle Formen der Dienstleistung. Gegen die Auffassung, nur Korrespondenzdienstleistungen unterlägen einem Beschränkungsverbot, während Dienstleistungen, die mit dem Grenzübertritt von Personen verbunden sind, in Analogie zur Niederlassungsfreiheit nur einem Verbot di53 Von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 6 Rn. 10 (belastenderes Verfahren); Traufwein, Jura 1995,192 sieht in der Rechtsache Webb ( E u G H 1 7 . 1 2 . 1 9 8 1 , Rs. 279/80, Slg. 3305) eine „verschleierte, faktische Diskriminierung" und beruft sich hierfür auf E u G H 03.03. 1982, verb. Rs. 62 u. 63/81, Seco/EVI, Slg. 223; a.A. Hailbronner/Nachbaur, E u Z W 1992, 109, die dieses Urteil für das Beschränkungsverbot in Anspruch nehmen. Zwar spricht der E u G H in Seco/EVI Rn. 8 von einer versteckten Form der Diskriminierung, verneint indes in Rn. 10 rechtfertigende Gründe des Allgemeininteresses. In der oben vorgestellten Systematik wird die Dienstleistungsfreiheit solcher Arbeitgeber, die in dem betreffenden Mitgliedstaat mit entsandten Arbeitnehmern Arbeiten von begrenzter Dauer durchführen, durch die unterschiedslose Heranziehung in- und ausländischer Arbeitgeber zu den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung relativ beschränkt. 5 4 E u G H 17.12. 1981, Rs. 279/80, Webb, Slg. 3305; E u G H 04.12. 1986, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), Slg. 3755, 3802f., Rn. 27. 55 Groeben/Troherg, E U - / E G - V e r t r a g , Art. 59 Rn.4ff.; Behrens, E u R 1992, 150ff.; Bleckmann, Europarecht, R n . 1 6 5 0 , der allerdings meint, die h.L. sehe in der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nur ein Recht auf Inländergleichbehandlung; a.A. Trautwein, Jura 1995, 193, der sämtliche unzulässigen Beschränkungen als verschleierte, faktische Diskriminierungen deutet. Streinz, Europarecht, R n . 6 7 2 , meint die Begündungsmuster des Beschränkungsverbots und des Verbots versteckter Diskriminierungen schlössen sich nicht aus und seien kumulativ verwendbar.

90

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

rekter und indirekter Diskriminierung unterfielen 56 , spricht schon, daß es durchaus zufällig sein kann, ob eine Dienstleistung im Korrespondenzwege oder mit Grenzübertritt des Anbieters oder Nachfragers erbracht wird 57 .

a) Absolutes

Beschränkungsverbot

O b man im Hinblick auf Art. 49 Abs. 1 E G von einem „absoluten Beschränkungsverbot" 5 8 spricht, ist nicht nur eine begriffliche Frage. Unstreitig ist nicht jede Maßnahme, die die Erbringung von Dienstleistungen beschränkt, verboten. Eine Beschränkung ist vielmehr zulässig, wenn sie sich durch überwiegende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen läßt 59 . „Absolut" ist das Beschränkungsverbot aber in dem Sinne, daß es auf die Beseitigung von Hindernissen, den Abbau jeglicher Behinderungen, Reglementierungen oder Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung zielt, auch wenn diese Beschränkungen in gleicher Weise rein innerstaatliche Sachverhalte betreffen. Werden Dienstleistungsanbieter, etwa in einem Mitgliedstaat niedergelassene Sendeanstalten, verpflichtet, ihre Produkte, im konkreten Fall Hörfunksendungen, ganz oder zum Teil mit Hilfe einer Einrichtung in diesem betreffenden Mitgliedstaat herzustellen, hat dies negative Auswirkungen auf die Angebotsmöglichkeiten anderer Anbieter dieser Herstellungskapazitäten. Die Regelung wirkt unterschiedlos und betrifft innerstaalich wie grenzüberschreitende Dienstleistungen in gleichem Maße 6 0 . Durch sie ist die Dienstleistungsfreiheit als absolutes Beschränkungsverbot betroffen 61 .

b) Relatives

Beschränkungsverbot

Das Beschränkungsverbot erfaßt noch eine zweite Fallgruppe. Verstanden als „relatives Beschränkungsverbot" verbietet es, grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge stärker zu beschränken als innerstaatliche Vorgänge. Grenzüberschreitende Vorgänge, bspw. die Erbringung selbständiger Dienstleistungen oder unselbständiger Arbeit, werden gegenüber innerstaatlichen Vorgängen rechtlich und faktisch gleichgestellt 62 . So verstanden kommt es darauf an, ob eine - unterschiedslos geltende, also nicht diskriminierende - Regelung oder Maßnahme grenzüberschreitende Vorgänge rechtlich oder tatsächlich stärker erschwert oder behindert als innerstaatliche Dienstleistungen.

So Weber, EWS 1995, 294ff. Eine Parallele ist vielmehr zwischen den Personenverkehrsfreiheiten der Dienstleistungsfreiheit und der Freizügigkeit zu ziehen, und daher ist auch die Freizügigkeit in Übereinstimmung mit der jüngsten EuGH-Rechtsprechung als Beschränkungsverbot zu deuten. 58 Z.B. Randelzbofer, in: Grabitz/Hilf, EWGV, Art.59 Rn.2. 59 Näher hierzu unten C.III.2. (S.97ff.). 60 E u G H 25.07. 1991, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1-4069, Rn.24f. 61 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1652ff. spricht im Hinblick auf das absolute Beschränkungsverbot von Grundrechten. 62 So Jarass, FS Everling, S. 599. 56 57

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

91

Im Unterschied zu einer mittelbar diskriminierenden Regelung knüpft eine Maßnahme mit relativ beschränkender Wirkung nicht mittelbar an die Staatsangehörigkeit der Person des Dienstleistungserbringers oder Arbeitnehmers an. Sie gilt vielmehr unterschiedslos für In- und Ausländer, wirkt sich aber belastender für letztere aus. Das ist etwa der Fall, wenn ein Antragsteller bestimmte Genehmigungsnachweise bereits im Sitzland erbracht hat, im Tätigkeitsland aber identische Nachweise in vollem Umfang erneut erbringen muß 63 . Wesentlich ist die Unterscheidung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Beschränkung. Wesentlich ist die soeben getroffene Unterscheidung mittelbarer Diskriminierungen einerseits und relativer Beschränkungen andererseits für die Frage ihrer Rechtfertigung: Jede absolute oder relative Beschränkung steht unter dem Vorbehalt einer Rechtfertigung, während eine unmittelbar oder mittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierung mit der Dienstleistungsfreiheit schlechthin unvereinbar ist64. Der weitere „absolute" und der engere „relative" Beschränkungsbegriff schließen einander nicht aus, sondern stehen nebeneinander. In der Rechtsprechung des E u G H lassen sich Beispiele für die eine wie für die andere Konzeption finden 65 . 2.

Freizügigkeit

a) Übertragbarkeit der Beschränkungsdogmatik freiheit auf die Freizügigkeit

der

Dienstleistungs-

Auch die Freizügigkeit erschöpft sich nicht in einem bloßen Diskriminierungsverbot. Das ergibt sich schon aus den speziellen Gewährleistungen des Art. 39

63

E u G H 17.12. 1981, Rs. 279/80, Webb, Slg. 3305. Hailbronner/Nachbaur, E u Z W 1992,112 sehen dagegen eine geringfügig andere Systematik in der E u G H - R e c h t s p r e c h u n g angedeutet: D a n a c h soll n u r noch die offene, an die Staatsangehörigkeit direkt a n k n ü p f e n d e Diskriminierung absolut verboten sein, w ä h r e n d sog. verdeckte Diskriminierungen in den Beschränkungsbegriff hineingezogen werden u n d einer Rechtfertigung d u r c h das Allgemeininteresse grundsätzlich zugänglich sind. Wieder anders die K o n z e p tion von Weber, E W S 1995, 292ff., der unterschiedliche Schranken zieht f ü r K o r r e s p o n d e n z dienstleistungen, die nicht mit dem G r e n z ü b e r t r i t t von Personen verbunden sind, u n d Dienstleistungen, die einen G r e n z ü b e r t r i t t verlangen. F ü r letztere Dienstleistungen gelte n u r das Diskriminierungsverbot. D . h . jede Ungleichbehandlung - die notwendigerweise an die grenzüberschreitende Person a n k n ü p f t - ist unzulässig. F ü r erstere gelte ein umfassendes Beschränkungsverbot, das allerdings die Rechtfertigung einer Beschränkung über ein Allgemeininteresse eröffnet. 65 Beispiele f ü r ein absolutes Beschränkungsverbot: E u G H 25.07. 1991, Rs. C-353/89, K o m mission/Niederlande, Slg. 1-4069, Rn. 24f. Die Regelung ü b e r die Herstellung von H ö r f u n k s e n d u n g e n mit Hilfe einer Einrichtung in d e m betreffenden Mitgliedstaat wirkt unterschiedslos u n d beschränkt innerstaatliche wie grenzüberschreitende Dienstleistungen in gleichem Maße; E u G H 24.03. 1994, Rs. C-375/92, Schindler (Lotterieverbot), Slg. 1-1039; Beispiele f ü r ein relatives Beschränkungsverbot: E u G H 17.12.1981, Rs. 279/80, Webb, Slg. 3305; E u G H 20.05.1992, Rs. C 106/91, Ramrath, Slg. 1-3351 R n . 2 8 f f . 64

92

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

Abs. 3 E G 6 6 . Dort wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Arbeitnehmers und das Verbleiberecht des aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmers garantiert. O b über diese speziellen Gewährleistungen hinaus die Freizügigkeit neben dem Diskriminierungs- auch ein Beschränkungsverbot enthält, ist streitig 67 . Aus dem unterschiedlichen Wortlaut der Art. 39 und 49 E G läßt sich kein zwingendes Argument für oder gegen eine Konzeption der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot herleiten. So wie die Art.49ff. E G unstreitig ein Diskriminierungsverbot enthalten, obwohl dieses lediglich in Art. 50 Abs. 3, 54 E G zum Ausdruck kommt, können die Art. 39ff. E G ein Beschränkungsverbot enthalten, obwohl ein solches nur in den speziellen Gewährleistungen des Art. 39 Abs. 3 E G anklingt 68 . Enthält Art. 39 E G lediglich ein Diskriminierungsverbot, ist unklar, welche zusätzliche Funktion ihm neben dem allgemeinen Diskriminierungsverbot 6 9 des Art. 12 Abs. 1 E G zukommt 7 0 . Ein lückenloser Schutz der Personenverkehrsfreiheiten 7 1 erfordert, daß auch die Freizügigkeit parallel zur Dienstleistungsfreiheit ein Beschränkungsverbot enthält. Hierzu ein Beispiel: Da der E u G H Organe von Kapitalgesellschaften als unternehmerisch tätige Personen vom personellen Schutzbereich des Art. 39 E G generell ausnimmt und diese Personengruppe als durch die Dienstleistungsfreiheit geschützt ansieht 72 , kommt ihnen auch das Beschränkungsverbot der Dienstleistungsfreiheit zugute. Arbeitnehmer würden allein auf das Diskriminierungsverbot der Freizügigkeit verwiesen, wenn dieses kein Beschränkungsverbot enthielte. Die gleichen unterschiedslos anzuwendenden, also nicht diskriminierenden Mobilitätsbeschränkungen könnten daher gegenüber Arbeitnehmern zulässig, gegenüber angestellten Organpersonen von Kapitalgesellschaften mangels eines rechtfertigenden Allgemeininteresse unzulässig sein, ohne daß hierfür ein einleuchtender sachlicher Grund ersichtlich wäre.

EAS/Runggaldier B 2000 Rn.79ff. Für ein Verständnis der Freizügigkeit i. S. eines Beschränkungsverbots Behrens, EuR 1992, 153 ff. (These von der Konvergenz der wirtschaftlichen Grundfreiheiten); Bleckmann, DVB1. 1986, 69ff. meint, die h.M. sehe ausgehend vom Wortlaut des Art. 48 Abs. 2 E G V (nach Änderung jetzt Art. 39 Abs. 2 E G ) die Freizügigkeit nur als Gebot der Inländergleichbehandlung bzw. als Diskriminierungsverbot, nicht als Beschränkungsverbot; Bernard, I C L Q 1996, 104ff. versteht die Freizügigkeit nur als Diskriminierungsverbot, nicht als Mechanismus zur Liberalisierung und Deregulierung wirtschaftlicher Aktivitäten. Da die Begriffe der Diskriminierung und der Beschränkung in der Literatur unterschiedlich benutzt werden, ist allein mit ihrem Gebrauch eine Position noch nicht abgesteckt; a.A. Weber, EWS 1995, 294ff. der einen unterschiedlichen Gewährleistungsinhalt der Dienstleistungsfreiheit als Produktverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheit und damit auch der Freizügigkeit begründet. 6 8 Vgl. Bleckmann, DVBl. 1986, 72. 6 9 Art. 12 E G ist nach der bisherigen Rechtsprechung kein Beschränkungsverbot. Von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 6 Rn.20f. 7 0 Zu diesem Argument Bleckmann, DVBl. 1986, 73. 71 Vgl. hierzu Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555. 72 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555; EAS/Runggaldier, B 2000 Rn 20. 66 67

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

93

Gegen eine Konzeption der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot spricht auch nicht, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, insoweit sie mit Wanderungsbewegungen von Menschen verknüpft ist 73 , nicht in gleicher Weise erwünscht ist wie die Mobilität von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Die Mobilität der Arbeitnehmer im EG-Vertrag genießt nicht die gleiche Priorität wie die Mobilität von Waren und Kapital, weil Menschen und das Funktionieren sozialer Gemeinschaften sensibel auf Wanderungsbewegungen reagieren 74 . Eine unterschiedliche Gewichtung der Mobilität einzelner Produktionsfaktoren läßt sich allerdings auch über unterschiedliche Anforderungen an die Art der zur Rechtfertigung einer Beschränkung notwendigen Gründe des Allgemeininteresses zum Ausdruck bringen. Sie spricht nicht grundsätzlich gegen eine Konzeption der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot 75 . Dagegen kann aus der durchaus zwiespältigen Haltung des Vertrages zu Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern nicht gefolgert werden, daß die Rechtfertigungsschwelle für die Arbeitnehmermobilität behindernde Maßnahmen generell weniger hoch anzusetzen wäre als für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit von Unternehmen. Dem steht der Charakter der Freizügigkeit als Grundfreiheit entgegen. Es kommen für Beschränkungen der Freizügigkeit lediglich auch Gründe des Allgemeininteresses in Frage, die auf die Bewahrung eines sozialen und regionalen Zusammenhalts zielen, die für die Dienstleistungsfreiheit von Unternehmen keine Rolle spielen.

b) Rechtsprechung

des EuGH

Auch der EuGH hat die Grundfreiheit der Freizügigkeit in der Sache hin zu einem Beschränkungsverbot entwickelt, auch wenn dies in seiner Diktion nicht so klar zum Ausdruck kommt wie im Fall der Dienstleistungsfreiheit 76 . In der Judikatur lassen sich sowohl Fälle finden, in denen der EuGH einen Verstoß gegen das relative Beschränkungsverbot prüft, als auch Fälle, in denen er einen Verstoß gegen das absolute Beschränkungsverbot prüft. So hat der EuGH bezüglich einer die Freizügigkeit wie die Dienstleistungsfreiheit gleichermaßen betreffenden französischen Berufsausübungsregelung für

73

Etwas anderes gilt etwa für Arbeitnehmer die via PC grenzüberschreitend tätig sein kön-

nen. S.o. A.I.2. (S.79f.). Auf ein für die Fragestellung dieser Arbeit nicht relevantes Folgeproblem des Verständnisses der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot sei an dieser Stelle nur hingewiesen: Die Konzeption der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot wirft zwangsläufig die Folgefrage auf, ob es dann nicht auch eine korrespondierende Pflicht der Arbeitnehmer zur innergemeinschaftlichen Mobilität geben muß, die sich etwa im Bereich sozialrechtlicher Ansprüche bei der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt auswirken könnte. Diese Schlußfolgerung wird allerdings derzeit noch nicht in Erwägung gezogen. Vgl. Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der EG, S. 64; kritisch hierzu von Maydell, S. 76 im anschließend abgedruckten Diskussionsbericht. 76 E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000 Rn 53ff.; Behrens, EuR 1992, 153ff. Deutlich etwa EuGH 20.05. 1992, Rs. C-106/91, Ramrath, Slg. 1-3351 Rn. 17 dazu, daß für Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit die gleichen Grundsätze gelten. 74

75

94

§2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

Ärzte und Zahnärzte 7 7 festgestellt, daß diese Regelung, wenn sie zu einer Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer führe, nur in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen (Kontinuität der Krankenversorgung) gerechtfertigt sei, wenn sie sowohl für die eigenen Staatsangehörigen als auch für Ausländer gelten. Die Begründung des Urteils schwankt zwischen der Annahme einer Diskriminierung von Ärzten aus anderen Mitgliedstaaten und einer durch den Gesetzeszweck nicht zu rechtfertigenden Beschränkung ihrer Freizügigkeit 7 8 . In der hier vorgenommenen Abgrenzung handelt es sich um einen Fall eines relativen Beschränkungsverbots. Im Urteil in der Rechtssache Bachmann 7 9 stellte der E u G H fest, die Notwendigkeit, den bei einem im Herkunftsstaat niedergelassenen Versicherer geschlossenen Vertrag über eine Invaliditäts- und Krankenversicherung zu kündigen, obwohl der betroffene Arbeitnehmer die Fortsetzung des Vertrages als in seinem Interesse liegend betrachtet, und im Staat der Arbeitstätigkeit (Belgien) einen neuen Vertrag zu schließen, um die dort vorgesehene steuerliche Abzugsfähigkeit in Anspruch nehmen zu können, stelle wegen der damit verbundenen Schritte und Kosten eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit des Betroffenen dar, die nur durch Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigbar sei 80 . Hier beschränkt die steuerliche Regelung die Arbeitnehmermobilität aus einem anderen Mitgliedstaat nach Belgien, nicht aber die Mobilität innerhalb Belgiens. Die Freizügigkeit, verstanden als relatives Beschränkungsverbot, ist betroffen. Nach dem Urteil in der Rechtssache Bosman 8 1 verbietet die Freizügigkeit „Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden" 8 2 . Soweit damit gemeint ist, daß eine grenzüberschreitende Bewerbung eines Inländers oder eines EU-Ausländers um einen Arbeitsplatz nicht durch größere Erschwerungen belastet sein darf als eine rein innerstaatlicher Bewerbung, ist darin ein relatives Beschränkungsverbot zu sehen. Grenzüberschreitend mobile Ar-

7 7 Diese verlangte für die Zulassung in Frankreich grundsätzlich, daß keine anderweitige Zulassung bestand. 78 E u G H 30.04. 1986, Rs. 96/85, Kommission/Französische Republik, Slg. 1475, insbes. Rn. 11- 15. 7 9 Dazu EAS/Runggaldier, B 2000 Rn. 79, 90ff.; E u G H 28.01. 1992, Rs C-204/90, Bachmann Slg. 1-276 und E u G H 28.01. 1992, Rs. C-300/90, Kommission/Königreich Belgien, Slg. 1-305. Die Art. 48 und 59 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 39 und 49 E G ) stünden (belgischen) Rechtsvorschriften entgegen, die die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu Krankenund Invaliditäts- oder Alters- und Todesfallversicherungen von der Voraussetzung abhängig machten, daß diese Beiträge in diesem Staat (Belgien) gezahlt würden. 8 0 E u G H 28.01. 1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1-276 Rn. 12ff. 81 E u G H 15.12. 1995, Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1-4921; dazu EAS/Runggaldier B 2000 Rn. 53-56. 8 2 E u G H 15.12.1995, Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1-4921 Rn. 96; dazu, daß es sich nicht um einen rein internen Sachverhalt handelt, Rn. 88—91.

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

95

beitnehmer sollen im Vergleich zu innerstaatlich mobilen Arbeitnehmern nicht stärkeren Behinderungen ausgesetzt sein 83 . Soweit mit der Formulierung des EuGH jedoch gemeint ist, daß die Freizügigkeit alle Hindernisse verbietet, die einer grenzüberschreitenden Arbeitsaufnahme im Wege stehen können, auch wenn sie gleichermaßen eine innerstaatliche Arbeitsaufnahme behindern 84 , wird aus der Freizügigkeit ein allgemeines Beschränkungsverbot grenzüberschreitender Mobilität 85 . c) Verständnis der

Kommission

In ihren Überlegungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung versteht die Kommission die Freizügigkeit sowohl im engeren Sinne des relativen als auch im weiteren Sinne des absoluten Beschränkungsverbots, ohne diese unterschiedlichen Konzeptionen zu benennen oder auch nur argumentativ zu trennen: So fordert die Kommission für den grenzüberschreitenden Wanderarbeitnehmer, der im Rahmen einer konzerninternen Entsendung ins Ausland umzieht, einerseits, daß jeder Beschäftigte auf einen Arbeitsplatz in einem anderen Mitgliedstaat überwechseln können solle, ohne einen unangemessenen Verlust von Ansprüchen auf künftige Ruhegeldleistungen befürchten zu müssen 86 . Insoweit geht es ihr um ein absolutes Verbot der unangemessenen Beschränkung grenzüberschreitender Mobilität. Andererseits fordert die Kommission, daß aus der grenzüberschreitenden Mobilität mit häufigem Arbeitsplatzwechsel keine größeren Nachteile entstehen dürften als durch innerstaatliche Mobilität. Ein Arbeitsplatzwechsel ins EU-Ausland dürfe die Altersversorgung des Arbeitnehmers nicht stärker beeinträchtigen, als wenn er im Inland wechsele 87 . Insoweit geht es um ein Verbot der Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Mobilität im Vergleich zu innerstaatlicher Mobilität (relatives Beschränkungsverbot).

83 Insoweit zustimmend EAS/Runggaldier B 2000 Rn. 56 m . w . N . aus der Rechtsprechung, der allerdings eine mittelbare Diskriminierung von Personen, die einen Wechsel ins E U - A u s l a n d vorhaben, annimmt. Vgl. dazu Jarass, FS Everling, S. 597ff. 84 Das traf auf die Transferregeln in der Rechtssache Bosman, E u G H 15.12. 1995, Rs. C-415/ 93, Slg. 1-4921, Rn. 98 zu. 85 Diese Verständnis ist inzwischen auch in der Literatur anerkannt. Vgl. von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 6 Rn. 21; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1652.1655, der die Freizügigkeit neben Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu einem europäischen Recht der Berufsfreiheit vereint. E u G H 20.05. 1992, Rs. C-106/91, Ramrath, Slg. 1-3351. Für ein Verständnis der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot i.S. eines Verbots der Diskriminierung von „free movers" Bernard, I C L Q 1996, 89. 86 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.30 unter 4.1. 87 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.21f. unter 3.1.6.

96

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

III. 1. a)

Ausnahmen

und

und

Freizügigkeit

Schranken

Diskriminierungsverbot Dienstleistungsfreiheit

Von der Garantie der Dienstleistungsfreiheit ausgenommen sind gemäß Art. 55 i. V.m. Art. 45 E G Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Unter der Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die, in sich selbst betrachtet, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen 88 . O b eine Tätigkeit hiernach der Ausübung öffentlicher Gewalt zuzurechnen ist, kann nicht ohne Rekurs auf die einzelstaatlichen Rechtsordnungen entschieden werden, die die Sphäre hoheitlicher Tätigkeit unterschiedlich abgrenzen 8 9 . Daneben enthält das Kapitel Dienstleistungen in Art. 46 Abs. 1, 55 E G einen ordre public-Vorbehalt 9 0 . Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit durch das Angebot betrieblicher Altersversorgungsleistungen aus dem Ausland oder die Nachfrage dort ist schwer vorstellbar. Protektionismus und sonstige wirtschaftliche Ziele sind keine Gründe der öffentlichen Ordnung 9 1 . Der ordre public-Vorbehalt ist für diesen Dienstleistungssektor ohne Bedeutung. Schließlich kommt für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, eine Rechfertigung einer Diskriminierung nach Art. 86 Abs. 2 E G in Betracht 9 2 . Ansonsten gilt das Diskriminierungsverbot schrankenlos 9 3 .

b)

Freizügigkeit

Von der Freizügigkeitsgarantie ist der öffentliche Dienst ausgenommen (Art. 39 Abs. 4 E G ) . Die Zugangs-, Einreise-, Aufenthalts- und Verbleiberechte aus Art. 39 Abs. 3 E G können aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit

E u G H 21.06. 1974, Rs 2/74, Reyners, Slg. 631 Rn. 44/45, 54/55. Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 55 Rn. 12; Jarass, FS Everling, S. 603ff. folgend, werden hier Art. 45, 55 E G (früher Art. 55, 66 E G V ) auf der Rechtfertigungsebene behandelt. Nach a.A. handelt es sich um eine Bereichsausnahme, die also schon den Anwendungsbereich der Grundfreiheit eingrenzt. So Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 1178, 1194. 90 Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 110; Trautwein, Jura 1995, 192. 91 E u G H 26.04. 1988, Rs. 352/85, Bond van Adverteerders (Kabelregeling), Slg. 2085, Rn. 32ff.; bestätigt in E u G H 25.07. 1991, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1-4069, Rn. 15. 88 89

Vgl./drass, FS Everling, S.604 m.w.N. auch zur Gegenmeinung. Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 118. Anders als für Beschränkungen - vgl. dazu Jarass, FS Everling, S.608f. - kommt auch nicht eine Rechtfertigung durch kollidierendes Vertragsrecht in Betracht; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 6 Rn. 23; a.A. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1742f., der Art. 6 E G V (nach Änderung jetzt Art. 12 E G ) und die Konkretisierungen in Art. 58, 52, 59, 95 E G V (jetzt Art. 4 8 , 4 3 , 4 9 , 90 E G ) als Willkürverbot deutet und Differenzierungen aus sachlichen Gründen zuläßt. 92 93

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

97

und Gesundheit beschränkt werden 94 und sind durch sekundäres Gemeinschaftsrecht (Richtlinien und Verordnungen) näher ausgestaltet 95 . Diese im deutschen Verständnis polizeirechtlichen Gründe spielen für die Frage der Freizügigkeitskompatibilität des deutschen Betriebsrentensystems keine Rolle. Im übrigen gilt das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung auch für die Freizügigkeit schrankenlos, d.h. eine an die Staatsangehörigkeit offen oder verdeckt anknüpfende Regelung, die ausländische Staatsangehörige stärker belastet als inländische, ist nicht zu rechtfertigen 96 .

2. a)

Beschränkungsverbote Dienstleistungsfreibeit

aa) Rechtfertigende

Gründe des

Allgemeininteresses

Die Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot braucht eine Schranke unterhalb der ordre public-Schwelle, um legitimen Regelungsinteressen des Staates Raum zu belassen. Es ist somit ein unterschiedlicher Prüfungsmaßstab anzulegen, je nachdem, ob es um - außerhalb der ausdrücklichen Normen nicht rechtfertigbare - unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen geht oder um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit 97 . Eine Umdeutung unterschiedslos anzuwendender Regelungen, die zu Beschränkungen grenzüberschreitender Dienstleistungen führen, in verdeckte oder mittelbare Diskriminierungen verwischt diesen Unterschied. Sie vermengt die Frage nach der Existenz einer Diskriminierung EU-ausländischer Staatsangehöriger mit der Frage der Rechtfertigung einer Beschränkung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs 98 . Die Rechtsprechung des E u G H läßt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden oder schwerwiegenden Gründen des nationalen - nicht etwa eines wie auch immer zu definierenden europäischen - Allgemeininteresses

94 Zu diesem ordre public-Vorbehalt E A S / R u n g g a l d i e r B 2000 Rn. 90ff.; G r o e b e n / W ö l k e r , EU-/EG-Vertrag, Art. 48 Rn.92. 95 Vgl. R L 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, vom 25.02. 1964, ABl. 1964 S.850. Dazu Kuhn, Die soziale Dimension, S.81; MünchArbR/ßiV£, § 18 Rn. 103ff. 96 Groeben/Zw/eeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 6 Rn. 2f. lehnt ein absolutes Diskriminierungsverbot aus Art. 6 E G V ab und läßt eine Rechtfertigung für eine Differenzierung anhand der Staatsangehörigkeit zu, „um sachangemessene Reste der Ausrichtung auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten hinnehmen zu können". Das überzeugt nicht. Der EG-Vertrag verbietet in Art. 12 E G jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, mag aus Sicht der Mitgliedstaaten auch eine Differenzierung im Einzelfall „sachangemessen" erscheinen. 97 Hailbronner/Nachhaur, EuZW 1992, 111. 98 Ebenso Hailbronner/Nachhaur, EuZW 1992, 111 r.Sp,;Jarass, FS Everling, S. 597; Weber, EWS 1995, 292ff., der allerdings nur Korrespondenzdienstleistungen, die nicht mit dem Grenzübertritt von Personen verbunden sind, einem umfassenden Beschränkungsverbot unterstellt, das die Rechtfertigung einer Beschränkung über ein Allgemeininteresse eröffnet.

98

§2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

zu". Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muß, um zulässig zu sein, einen mehrstufigen Anforderungskatalog erfüllen: Eine die Dienstleistungsfreiheit beschränkende staatliche Maßnahme muß, um zulässig zu sein, einem zwingenden Allgemeininteresse dienen, zur Erreichung dieses Ziels objektiv geeignet, erforderlich und proportional, also verhältnismäßig im Sinne deutscher Verwaltungsrechtsdogmatik sein, und sie darf EG-Ausländer nicht diskriminieren. A u ßerdem darf das angestrebte Ziel des Allgemeininteresses nicht bereits durch Vorschriften im Staat des Dienstleistungsanbieters garantiert sein 100 . A l s ein die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigendes Allgemeininteresse w u r de u.a. die Kohärenz des nationalen Steuersystems 1 0 1 , die Kontinuität der Krankenversorgung 1 0 2 und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit 1 0 3 anerkannt 1 0 4 . Im Rahmen dieser Prüfung stellt auch der Stand des Gemeinschaftsrechts eine zulässige Erwägung dar 1 0 5 . So hat die Gemeinschaft die Befugnis, über Rechtsangleichungs- und Anerkennungsrichtlinien festzulegen, welche innerstaatlichen Beschränkungen zulässig sind 1 0 6 . Damit stehen die Beschränkungsverbote in einem dynamischen System, in dem das Urteil über die Zulässigkeit einer Beschränkung zeitgebunden ist. Der Prüfungsmaßstab des Allgemeininteresses ist um so strenger, je stärker eine unterschiedslos anzuwendende, also nicht diskriminierende innerstaatliche Regelung gerade ausländischen Dienstleistungsanbietern den Zugang zu einem

99 EuGH 30.11. 1995, Rs C-55/94, Gebhard, Slg. 1-4165. Zu einer Auflistung bereits anerkannter Gründe des Allgemeininteresses EuGH 25.07. 1991, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1-4069, Rn. 18. Dazu, daß die Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse nicht eine Frage des Anwendungsbereichs, sondern der Schrankenziehung ist, Jarass, FS Everling, S.606. Zum Maßstab des Allgemeininteresses Hailbronner, Rechtsstellung, S. 115ff.; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 110; Trautwein, Jura 1995, 192f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1679. 100 EuGH 04.12. 1986, Rs 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), Slg. 3802 Rn. 27, 29. Hierzu Jürgens, FS Ahrend, S. 494 ff.; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.84; Emmerich, FS Keller, 696; Formel mit leichten Abwandlungen EuGH 30.11.1995 Rs C-55/94, Gebhard, Slg. 1-4165, Rn.37f. Ob auch kollidierendes Vertragsrecht als Rechtfertigung einer Beschränkung in Frage kommt, ist offen. Jarass, FS Everling, S.608f. 101 Zur Kohärenz des Steuersystems EuGH 28.01.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1-249, 276ff. Rn. 23ff., 33; EuGH 28.01. 1992, Rs. C-300/90, Kommission/Königreich Belgien, Slg. I305 Rn. 14ff. 102 EuGH 30.04. 1986, Rs. 96/85, Kommission/Frankreich, Slg. 1475. 103 EuGH 28.04. 1998, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1-1931 Rn.41. 104 Umfassende Rechtsprechungsnachweise bei Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 151 Fn.281; Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 119. 105 EuGH 28.01. 1992, Rs C-204/92, Bachmann,. Slg. 1-249 Rn.21ff. insbes. 27. 106 Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 112 zu Rechtsangleichungsrichtlinien und Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen oder staatlicher Aufsichtssysteme. Die staatliche Reglementierungsbefugnis könne sogar bis zu einem vollständigen Verbot einer Dienstleistung gehen.

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

99

prinzipiell offenen Markt erschwert 107 . D.h. der Rechtfertigungsdruck ist höher, wenn der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr durch eine unterschiedslos anzuwendende Beschränkung tatsächlich stärker betroffen ist als der innerstaatliche oder, anders gewendet, wenn eine relative, keine absolute Beschränkung vorliegt. Wird allerdings über ein gesetzliches Monopol ein ganzer Dienstleistungsbereich dem offenen Markt entzogen, stellt dies einen so schwerwiegenden Eingriff dar, daß hier, obwohl der innerstaatliche wie der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr in gleicher Weise betroffen sind, hohe Anforderungen an das rechtfertigende Allgemeininteresse zu stellen sind 108 .

bb) Auswirkungen

der Keck/Mithouard-Rechtsprechung

des

EuGH

Die Rechtsprechung zu den Schranken der Dienstleistungsfreiheit hat sich etwas später, aber inhaltlich parallel zur Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit entwickelt. Die Formel einer Beschränkung, die aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses tatsächlich erforderlich und verhältnismäßig ist, stellt eine dogmatische Parallele zur sog. Cassis-de-Dijon-Formel zwingender Erfordernisse zur Rechtfertigung von Handelshemmnissen im Recht der Warenverkehrsfreiheit dar 109 . Es liegt daher nahe, auch die neuere Rechtsprechung des E u G H zur Warenverkehrsfreiheit seit Keck/Mithouard 110 , die den Tatbestand der Warenverkehrsfreiheit als Beschränkungsverbot beschneidet, auf die Dienstleistungsfreiheit zu übertragen 111 . In Keck/Mithouard hat der E u G H festgestellt, daß eine Regelung der Produkte als solche, die sich in anderen Mitgliedstaaten bereits berechtigterweise in Verkehr befinden, durch Art. 30 E G V (nach Änderung jetzt Art. 28 E G ) verboten sei, daß aber eine Regelung der Mitgliedstaaten, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten von Art. 30 E G V (nach Änderung jetzt Art. 28 E G ) So Hailbronner, Rechtsstellung, S. 114, 117; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 112. E u G H 30.04. 1974, 155/73, Sacchi, Slg. 409 zur Zulässigkeit des italienischen Fernsehmonopols. Ahnlich wie hier Müller, Dienstleistungsmonopole, S. 144ff.; a. A. Hailbronner, Rechtsstellung, S. 115ff., 118 demzufolge die Mitgliedstaaten autonom diejenigen öffentlichen Interessen definieren können, die auch Verbote der Erbringung von Dienstleistungen rechtfertigen. 109 E u G H 20.02. 1979, Rs. 120/78, Rewe, Slg. 649; zur Parallele Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 110 m.w.N.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1523ff. 110 E u G H 24.11. 1993, Rs C - 267/91 und 268/91, Keck und Mithouard, Slg. 1-6079 = ZIP 1993, 1813 m.Anm. Reich. 111 In der Entscheidung vom 10.05. 1995, Rs. C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1-1141, 1177f. Rn. 35ff. hat auch der E u G H den Maßstab aus Keck/Mithouard an eine Beschränkung der Vermarktung einer Dienstleistung (Verbot des „cold calling" für Finanzdienstleistungen) angelegt. Die Keck/Mithouard-Rechtsprechung war aber im konkreten Fall nicht einschlägig, da die Beschränkung vom Staat des Dienstleistungserbringers, nicht vom Staat, in dem die Dienstleistung angeboten wurde, ausging. Für eine analoge Anwendung der Grundsätze aus Keck/Mithouard, die die sachlichen Unterschiede berücksichtigt Bleckmann, Europarecht, Rn. 1554; Bekker, N J W 1996, 179, 180f.; Schroeder, J Z 1996 245, 255, der den Grundgedangen des Keck-Urteils auf die Dienstleistungsfreiheit und die Freizügigkeit ausdehnt; Krebber, J J Z 1997, 142ff.; Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 59 Rn. 34f. 107 108

100

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

nicht erfaßt werde, es sei denn, diese Regelung habe keine gleichmäßige Auswirkung, sei also unmittelbar oder mittelbar diskriminierend 112 . Ubertragen auf die Dienstleistungsfreiheit heißt das, daß Dienstleistungsanbieter eine Beschränkung bestimmter Vermarktungsmodalitäten einer Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat hinnehmen müßten, es sei denn, diese wirkte sich diskriminierend aus. Es ist nicht richtig, daß sich bei der „unsichtbaren Ware" Dienstleistung jede Veränderung der Leistungsmodalitäten zwangsläufig wie eine Veränderung des Produkts auswirke und umgekehrt 1 1 3 . Dies zeigt schon die Entscheidung des E u G H zum „cold calling", also zur Praxis, mit Privatleuten ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, um ihnen Finanzdienstleistungen anzubieten 114 . Damit fallen nichtdiskriminierende Beschränkungen bestimmter Vermarktungsmodalitäten einer Dienstleistung im Bereich betrieblicher Altersversorgung in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Dienstleistungserbringers in Anwendung der Grundsätze der Keck/Mithouard-Rechtsprechung nicht unter das Beschränkungsverbot des Art. 49 E G .

cc) Arbeitsrechtlicher

Ortsstandard

und

Beschränkungsverhot

Nach der Rechtsprechung des E u G H ist es mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, einem Dienstleistungsanbieter, der die Dienstleistung mit eigenen Arbeitnehmern in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, bei der Erbringung seiner Dienstleistung in arbeitsrechtlicher Hinsicht, insbesondere bei der Bezahlung des mitgebrachten Personals, den Ortsstandard aufzuzwingen. In der Rechtssache Rush Portuguesa Lda 115 stellt der E u G H in einem obiter dictum fest, daß es der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Unternehmen nicht entgegenstehe, wenn Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig sei, auf alle Personen ausdehnten, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübten; ebensowenig verbiete es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten, die Beachtung dieser Regeln mit den geeigneten Mitteln durchzusetzen 116 .

E u G H 24.11. 1993, Rs C - 267/91 und 268/91, Keck und Mithouard, Slg. 1-6079 Rn. 14ff. So aber Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 51 f. 114 E u G H 10.05. 1995, Rs. C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1-1141. 115 E u G H 27.03.1990, Rs. C - l 13/89, Rush Portuguesa, Slg. 1-1417, Rn. 18 unter Hinweis auf E u G H 03.02.1982 in den verb. Rs. 62/81 und 63/81 Seco/EVI, Slg. 1982,223; bestätigt in E u G H 09.08. 1994, Rs. C-43/93, Vander Eist, Slg. 1-3803; E u G H 28.03. 1996, Rs. 272/94, Guiot und Climatec, Slg. 1-1905; E u G H 23.11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Arblade und Leloup. Dazu Wimmer, N Z A 1990, 255 und ders., Die Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 144•, Junker/Wichmann, N Z A 1996, 507. 116 Einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages in der Wirkung vergleichbar können gesetzliche Vergaberichtlinien sein, die Anbietern von Bauleistungen im Vergabeverfahren eine Tariftreueerklärung abverlangen. Auch der Zwang zur Abgabe einer solchen Tariftreueerklärung kann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit von Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten und damit einen Verstoß gegen Art. 49 E G darstellen. Vgl. den Vorlagebeschluß des 112 113

C. Gewährleistungsinhalt

und Schranken

von Dienstleistungsfreiheit

und Freizügigkeit

101

Tatsächlich stellt die Anwendung inländischer Rechtsvorschriften oder eines inländischen Tarifvertrages auf die mitgebrachten Arbeitskräfte eines ausländischen Dienstleistungsunternehmens für dieses selbstverständlich eine Erschwerung, d.h. Verteuerung, der Dienstleistung dar, wenn die anwendbaren Normen die Entgelthöhe entsprechend beeinflussen. Es handelt sich dann nicht nur um eine Beschränkung einer Vermarktungsmodalität i.S. der Keck/Mithouard-Rechtsprechung, sondern um eine Beschränkung, die die preisbildenden Faktoren und die Wettbewerbsfähigkeit des Produkts negativ beeinflußt und damit den Marktzugang für Dienstleistungsanbieter aus dem Ausland erschwert 117 . Obwohl der Ortsstandard für in- wie ausländische Dienstleistungsanbieter gilt, also nicht diskriminierend ist, sind grenzüberschreitende Dienstleistungen ausländischer Anbieter tatsächlich stärker betroffen, insoweit sie allein über den Preis konkurrieren können. Damit ist die Dienstleistungsfreiheit als relatives Beschränkungsverbot betroffen, müßte die Maßgeblichkeit des arbeitsrechtlichen Ortsstandards durch ein zwingendes nationales Allgemeininteresse gerechtfertigt werden. Die Formel des E u G H ist deshalb dahingehend einzuschränken, daß es der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Unternehmen nicht entgegensteht, wenn Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, auf alle Personen ausdehnen, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, wenn dies durch ein zwingendes Allgemeininteresse zu rechtfertigen ist 118 . Mit diesem Rechtssatz ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob das nationale Arbeitsrecht und Arbeitskollisionsrecht es dem betreffenden Mitgliedstaat auch tatsächlich ermöglicht, seinen Ortsstandard auch für vorübergehend in sein Hoheitsgebiet entsandte Arbeitnehmer durchzusetzen 119 .

b) Freizügigkeit Entsprechend dem zur Dienstleistungsfreiheit Gesagten ist der wichtigste U n terschied auch zwischen der Freizügigkeit als Diskriminierungsverbot und der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot, daß eine unmittelbar oder mittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierung schlechthin unzulässig ist, während eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern, die mobil bzw. grenzüber-

B G H an das BVerfG 18.01. 2000, K V R 23/98, N Z A 2000, 327 = J Z 2000, 514 unter B.I.4., in der jener auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den E u G H nach Art. 234 E G nur deshalb verzichtet, weil er die Vergaberichtlinien schon für verfassungswidrig hält. 117 So schon Krebber, J J Z 1997, 144. 118 So auch Roth, VersR 1993, 137; von Danwitz, RdA 1999, 324. S. auch E u G H 23.11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96, Arblade und Leloup, AP Nr. 1 zu Art. 59 EG-Vertrag = N Z A 2000, 85 Rn. 34: Das die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigende Allgemeininteresse dürfe auch nicht schon durch Vorschriften geschützt sein, „denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist". 119 Vgl. hierzu unten § 6 B.III. (S.272ff.) und §10 C.II. (S.434ff.).

102

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

schreitend mobil sind, durch Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sein kann 1 2 0 . Die Schranken der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot sind grundsätzlich analog den Schranken der Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot zu ziehen 1 2 1 . Eine die Freizügigkeit beschränkende staatliche Maßnahme muß, um zulässig zu sein, einem zwingenden nationalen Allgemeininteresse dienen, zur Erreichung dieses Ziels objektiv geeignet, erforderlich und proportional sein, und sie darf EG-Ausländer nicht diskriminieren. Außerdem darf das angestrebte Ziel des Allgemeininteresses nicht bereits durch Vorschriften im Heimatstaat des Arbeitnehmers garantiert sein. So ist es in bezug auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung z.B. denkbar, daß eine allein steuerlich motivierte grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität, etwa der Wechsel bei Eintritt des Ruhestandes von einem Staat der nachgelagerten Besteuerung in einen Staat der vorgelagerten Besteuerung der Altersversorgung, von ersterem im nationalen Interesse der Vermeidung eines Steuerausfalls zulässigerweise beschränkt wird 1 2 2 . Auch im Hinblick auf die Freizügigkeit muß der Prüfungsmaßstab strenger sein, wenn eine Maßnahme nicht nur allgemein die Arbeitnehmermobilität behindert 1 2 3 , sondern in besonderem Maße die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitnehmer beeinträchtigt. Die Erschwerung der grenzüberschreitenden M o bilität im Vergleich zur innerstaatlichen Mobilität (Freizügigkeit als relatives Beschränkungsverbot) ist einem höheren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt als eine gleichmäßige Beschränkung innerstaatlicher und grenzüberschreitender Mobilität (Freizügigkeit als absolutes Beschränkungsverbot).

120 Dieser Unterschied wird verwischt, wenn das absolute Beschränkungsverbot als Verbot der Diskriminierung mobiler im Vergleich zu nicht mobilen Arbeitnehmer und das relative Beschränkungsverbot als Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitend mobiler im Vergleich zu innerstaatlich mobilen Arbeitnehmern formuliert wird. So aber die Konzeption von Bernard, I C L Q 1996, 89. 121 E u G H 28.01. 1992, Rs C-204/92, Bachmann, Slg. 1-249, Rn.21ff. insbes. 27: Das Kohärenzerfordernis des nationalen Steuersystems wird hier in erster Linie zur Rechtfertigung einer Freizügigkeitsbeschränkung (Rn. 13 ff., 21 ff.), in gleicher Weise aber auch zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Rn. 33) herangezogen. Im Urteil in der Rechtssache Bosman hat der E u G H , nachdem er eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit unter zwei Gesichtspunkten bejaht hatte, jeweils das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen geprüft, ohne allerdings die Art der rechtfertigenden Zwecke näher zu qualifizieren, vgl. E u G H 15.12. 1995, C 415/93, Slg. 1-4921 Rn. 105ff., 121ff. = N Z A 1996,191,197ff. A.A. wohl Kapteyn/van Tkemaat, Introduction to the Law of the European Communities, S. 417. Es gebe im Recht der Freizügigkeit keine einschränkende „rule of reason" wie bei der Warenverkehrsfreiheit. 122 Vgl. hierzu Pestieau, Aspects fiscaux, S.4. 123 Hierzu eine Faustregel: Eine mobile Arbeitnehmer im Vergleich zu nicht mobilen Arbeitnehmern in irgendeiner Weise schlechter stellende Regelung, die mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 G G vereinbar ist, wird auch mit der Freizügigkeit, verstanden als absolutes Beschränkungsverbot, vereinbar sein.

D. Anwendbarkeit

und Adressaten

der

Grundfreiheiten

103

IV. Ergebnis (1) Knüpft eine staatliche Regelung der Arbeitnehmertätigkeit oder der Zulassung oder Ausübung einer Dienstleistung unmittelbar an die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers oder Dienstleistungserbringers (oder -empfängers) an, liegt eine unmittelbare oder offene Diskriminierung vor. (2) Eine mittelbare oder verdeckte Diskriminierung liegt vor, wenn eine solche staatliche Maßnahme zwar nicht direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpft, dafür aber an ein anderes Kriterium - etwa den Wohn- oder den Aufenthaltsort - , das typischerweise oder ganz überwiegend nur von inländischen oder aber nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt wird. (3) Eine absolute Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt vor, wenn eine staatliche Maßnahme die Erbringung von Dienstleistungen überhaupt erschwert. Eine relative Beschränkung ist gegeben, wenn grenzüberschreitende Dienstleistungen im Vergleich zu innerstaatlichen Dienstleistungen durch eine staatliche Maßnahme stärker belastet werden. (4) Eine absolute Beschränkung der Freizügigkeit liegt vor, wenn eine staatliche Maßnahme die Arbeitnehmermobilität erschwert, etwa indem sie mobile Arbeitnehmer im Vergleich zu nicht mobilen Arbeitnehmer schlechter behandelt. Eine relative Beschränkung der Freizügigkeit ist gegeben, wenn grenzüberschreitend mobile Arbeitnehmer im Vergleich zu innerstaatlich mobilen Arbeitnehmern stärker belastet werden. (5) Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit oder der Freizügigkeit ist gerechtfertigt, wenn sie einem zwingenden Allgemeininteresse dient, zur Erreichung dieses Ziels objektiv geeignet, erforderlich und proportional ist, und E U Ausländer nicht diskriminiert. Außerdem darf das angestrebte Ziel des Allgemeininteresses nicht bereits durch Vorschriften im Mitgliedstaat des Dienstleistungsanbieters bzw. des Arbeitnehmers garantiert sein. Der Prüfungsmaßstab des Allgemeininteresses ist strenger, wenn der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr bzw. die grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität durch eine unterschiedslos anzuwendende Beschränkung tatsächlich stärker betroffen ist als der innerstaatliche Dienstleistungsverkehr bzw. die innerstaatliche Arbeitnehmermobilität.

D. Anwendbarkeit

und Adressaten der

I. Unmittelbare

Grundfreiheiten

Anwendbarkeit

Sowohl die Freizügigkeit als auch die Dienstleistungsfreiheit sind seit dem Ende der Ubergangszeit am 31.12. 1969 unmittelbar anwendbar 124 . Arbeitnehmer bzw. Selbständige und Unternehmen können sich damit unmittelbar gegenüber den Mitgliedstaaten auf das Recht auf Freizügigkeit bzw. auf die Dienstleistungs-

124

G r o e b e n / B a r d e n h e w e r / P i p k o r n , EU-/EG-Vertrag, Art. 7 Rn. 14.

104

5 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

freiheit berufen. Den Diskriminierungsverboten entgegenstehende Bestimmungen des jeweiligen nationalen Rechts sind ohne weiteres unanwendbar 1 2 5 . Gleiches gilt auch für Regelungen des nationalen Rechts, die die Grundfreiheiten unzulässig beschränken. Daß es in der Praxis auf größere Schwierigkeiten stößt, festzustellen, ob eine nationale Regelung die Grundfreiheiten beschränkt und ob diese Beschränkung aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, als zu beurteilen, ob eine Regelung, die die Grundfreiheiten berührt, unmittelbar oder mittelbar anhand der Staatsangehörigkeit diskriminiert, ändert hieran nichts.

II. Adressaten 1. Staatliche Rechtsetzung

der

und

Grundfreiheiten

Maßnahmen

Adressaten der unmittelbaren Wirkung der Grundfreiheiten sind in erster Linie die einzelnen Mitgliedstaaten. Diese haben die Grundfreiheiten bei jeglicher Form der Rechtsetzung wie auch bei allen anderen staatlichen Maßnahmen zu beachten. Insoweit der Staat typisch staatliche Machtbefugnisse auf private Institutionen überträgt, sind auch diese unstreitig in gleicher Weise gebunden 1 2 6 . O b man hier von einer Drittwirkung spricht, weil Adressat nicht der Staat, sondern ein Privater ist, oder nicht, weil die Grundfreiheiten nicht auf privatautonomes, sondern auf durch Gesetz bzw. gesetzliche Vorgaben gesteuertes Verhalten einwirken 1 2 7 , ist eine rein terminologische Frage. Im Bereich betrieblicher Altersversorgung in Deutschland handelt z.B. der PSVaG als Beliehener beim Erlaß von Beitragsbescheiden typisch hoheitlich 1 2 8 und ist insoweit unproblematisch unmittelbar an die Grundfreiheiten gebunden.

2. Horizontale

Drittwirkung

a) Nichtstaatliche kollektive

im Verhältnis zu

Privatpersonen

Rechtsetzung

Die Grundfreiheiten haben in allen Mitgliedstaaten den gleichen Geltungsanspruch und müssen einheitlich angewandt werden 1 2 9 . Für diese Anwendung kann 125 Oppermann, Europarecht, Rn. 1510; E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000, Rn. 44; Hailbronner/ Nachbaur, E u Z W 1992, 112; zur unmittelbaren Anwendbarkeit auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 1172ff. 1 2 6 E u G H 15.12. 1993, Rs. C - 2 9 2 / 9 2 , Hünermund (Landesapothekerkammer), Slg. 1-6787, Rn. 14f. zum Erlaß von Standesregeln und zur Einrichtung von Berufsgerichten; Roth, FS Everling, S. 1246. 127 Vgl. die Definition der Drittwirkung bei Roth, FS Everling, S. 1233: unmittelbare - nicht durch eine Generalklausel (§242 B G B ) vermittelte-Einwirkung auf privatautonomes, also nicht durch Gesetz bzw. gesetzliche Vorgaben gesteuertes Verhalten. 128 Paulsdorff, Insolvenzsicherung, § 10 Rn. 7. 1 2 9 Zu diesem grundlegenden Gebot einheitlicher Anwendung z.B. E u G H vom 30.04. 1996, Rs C - 3 0 8 / 9 3 , Cäbanis-Issarte, Slg. 1-2097 R n . 3 1 f f .

D. Anwendbarkeit

und Adressaten

der

Grundfreiheiten

105

es daher nicht auf die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Grenzziehung zwischen staatlichen Aufgaben und privater Tätigkeit ankommen 1 3 0 . In der Entscheidung Walrave 131 hat der E u G H die Wirkung der Art. 48 und 59 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 39 und 49 E G ) wie auch des Art. 7 E W G V (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) auf „Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten", erstreckt. Auch Kollektivregelungen der Tarifvertragspartner sind daher an die Vorgaben der Art. 39, 49 E G 1 3 2 gebunden. Gleiches muß auch für die innerbetriebliche N o r m setzung durch die Betriebspartner in Betriebsvereinbarungen gelten. Die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr wäre gefährdet, wenn privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen kraft ihrer rechtlichen Autonomie und Rechtsetzungsbefugnisse derartige Hindernisse aufstellen könnten 1 3 3 .

b)

Individualverträge

Streitig ist, ob die Drittwirkung der Grundfreiheiten sich auch auf privatrechtliche Vereinbarungen erstreckt, die keinen kollektiven Charakter haben (horizontale Drittwirkung zwischen Privaten ) 134 . Die Entscheidung Walrave enthält ein obiter dictum, wonach Art.48 E G V (nach Änderung jetzt Art.39 E G ) „... gleichermaßen Verträge und sonstige Vereinbarungen erfaßt, die nicht von staatlichen Stellen herrühren". Der durch Art. 59 E G V (nach Änderung jetzt Art.49 E G ) geschützte Freiheitsraum könne nicht enger gefaßt werden 135 . Auch in den Entscheidungen in den Rechtssachen van Almeyde 1 3 6 und Haug-Adrion 1 3 7 geht

Roth, FS Everling, S. 1246 f. E u G H 12.12.1974, Rs. 36/74, Walrave, Slg. 1405,1420, Rn. 16/19. Bestätigt in der Rechtsache Donà, E u G H 14.07. 1976, Rs. 13/76, Slg. 1333. Dazu Roth, FS Everling, S. 1246. Eine horizontale unmittelbare Wirkung von Richtlinien hat der E u G H dagegen in der Rechtssache Marshall ( E u G H 26.02.1986, Rs. 152/84, Slg. 723 ff.) abgelehnt. Zustimmend Jarass, N J W 1991,2666; kritisch Emmert, EWS 1992,63ff.; Emmen/Pereira de Azevedo, R T D E 1993, 503ff.; Iversen, in: Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 374ff. Rn. 830ff. jeweils m.w.N. 132 Jarass, FS Everling, S. 594. Das gleiche gilt für Art. 141 E G (früher 119 EGV), vgl. E u G H 15.12. 1994, Rs. C 399/92,409/92, 425/92, 34/93, 50/93, 78/93, Helmig u.a., Slg. 1-5727 Rn. 12 = E-BetrAV 110.3 Nr. 56. 133 E u G H 12.12. 1974, Rs. 36/74, Walrave, Slg. 1405, 1420 Rn. 16/19. 134 Für uneingeschränkte horizontale Drittwirkung der Grundfreiheiten: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1563; Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der EG, S. 57ff.; Zuleeg, RdA 1992, 139; Groeberi/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Art.48 Rn. 16; grundsätzlich bejahend Steindorff, FS Lerche, S. 586: der Entfaltung durch den E u G H bedürftig; ablehnend: Roth, FS Everling, S. 1237, 1239ff.; offengelassen: Hailhronner/Nachbaur, EuZW 1992, 112 (Drittwirkung zumindest bezüglich Regelungen durch private Verbände und Berufsorganisationen). 135 E u G H 12.12. 1974, Rs. 36/74, Walrave, Slg. 1405, 1420 Rn.20/24. 136 E u G H 09.06. 1977, Rs. 90/76, Slg. 1091, 1128 Rn.28ff. 137 E u G H 13.12. 1984, Rs. 251/83, Slg.4277, 4288f. Rn. 14-18. 130

131

106

5 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

der E u G H implizit von einer Drittwirkung der Grundfreiheiten auch für privatrechtliche Vereinbarungen aus 138 . Anerkennt man eine Dittwirkung der Grundfreiheiten aus Art. 3 9 , 4 9 E G auch für Individualverträge ohne Rechtsetzungscharakter, nähert man die Grundfreiheiten strukturell dem Lohngleichheitsgebot aus Art. 141 E G (früher Art. 119 E G V ) an, das der E u G H in der Defrenne Ii-Entscheidung auch im Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber für direkt anwendbar erklärt hat 139 . Die hierfür gegebene Begründung der zwingenden Natur von Art. 119 E G V (jetzt Art. 141 E G ) 1 4 0 ist apodiktisch und ein Beispiel dafür, wie der E u G H aus dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit („effet utile") weitreichende Folgerungen zieht 141 . Für die Freizügigkeit ist die Relevanz der Frage allerdings dadurch entschärft, daß sekundärrechtlich in Art. 7 Abs.4 der Freizügigkeits-Verordnung 1612/88 festgeschrieben ist, daß das Diskriminierungsverbot für Tarif-, Einzelarbeitsverträge und sonstige Kollektivvereinbarungen gilt 142 . Für die Dienstleistungsfreiheit fehlt es an einer entsprechenden europäischen Regelung. Ein Umkehrschluß, ohne eine solche Verordnungsbestimmung gälte die Dienstleistungsfreiheit nicht für Individualverträge, verbietet sich jedoch angesichts einer alles andere als flächendeckenden und systematischen Sekundärrechtsetzung. Gleiches gilt für möglicherweise die Freizügigkeit beschränkende Individualvereinbarungen außerhalb des Arbeitsrechts, etwa Versicherungsverträge im Bereich Altersversorgung. Für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf individualvertragliche Vereinbarungen ist vielmehr danach zu unterscheiden, ob das Diskriminierungs- oder das Beschränkungsverbot betroffen ist 143 :

aa)

Beschränkungsverbot

Jede vertragliche Regelung beschränkt die Vertragspartner für eine mehr oder weniger lange Zeitspanne in ihrer Handlungsfreiheit. Ein Arbeitnehmer, der sich arbeitsvertraglich bindet, beschränkt für eine gewisse Zeit sein Recht, von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Auch in jeder vertraglichen Verpflichtung zu einer Dienstleistung liegt eine Selbstbindung und damit Selbstbeschränkung. Vertragspartner nutzen ihre Privatautonomie, um sich willentlich BeschränkunVgl. Roth, FS Everling, S. 1238f. E u G H 08.04.1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455,476 Rn. 38f.; bestätigt in E u G H 15.12. 1994, Rs. C 399/92, 409/92, 425/92, 34/93, 50/93, 78/93, Helmig u.a., Slg. 1-5727 Rn. 12. Die zu Art. 119 E G V ergangenen Richtlinien können dagegen, folgt man dem E u G H , keine solche Drittwirkung entfalten. Es bleibt der Unterschied, daß Art. 119 E G V (jetzt Art. 141 E G ) auch Anwendung auf rein innerstaatliche Sachverhalte beansprucht. 140 E u G H 08.04. 1976, Rs. 43/75, Defrenne II, Slg. 455, 476 Rn.39. 141 Zur Rechtsprechung des E u G H zur horizontalen unmittelbaren Wirkung einzelner Bestimmungen des E W G V Schaefer, Die unmittelbare Wirkung, S. 122ff. 142 Vgl. Oppermann, Europarecht, Rn. 1523; MünchArbR/ßiVvfe, § 18 Rn. 12. 143 Eine grundlegende Erörterung des Problems kann hier nicht geleistet werden. Sie käme ohne eine kritische Parallelbetrachtung zum Problem der Drittwirkung der Grundrechte aus der Verfassung nicht aus. Vgl. hierzu nur Zöllner! Loritz, Arbeitsrecht, S. 90ff. m.w.N. 138

139

E.

Zusammenfassung

107

gen aufzuerlegen, für die sie in der Regel eine Gegenleistung einhandeln. Die Konzeption der Grundfreiheit als eines Beschränkungsverbots, das im Falle individualvertraglicher Vereinbarungen auf ein Selbstbeschränkungsverbot hinausliefe, steht der Vertragsfreiheit diametral entgegen und ist daher abzulehnen. Die Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote begrenzen grundsätzlich die privatautonome Regelungsmacht der Vertragspartner für sich selbst nicht, da Privatautonomie gerade heißt, daß die getroffene Regelung sich nicht am Allgemeininteresse zu orientieren hat. Eine Grenze findet die privatautonome Regelungsmacht erst dort, wo die Vereinbarung gerade darauf zielt, die Ausübung der Grundfreiheiten einer Vertragspartei auch über die Dauer der Vertragsbeziehung hinaus zu verbieten oder mit Nachteilen zu belegen. Eine solche Beschränkung bedarf der Rechtfertigung durch ein durch den Staat anerkanntes Allgemeininteresse. Insoweit vertragliche Vereinbarungen daran unbeteiligten Dritten Beschränkungen in der Wahrnehmung ihrer Freizügigkeit oder Dienstleistungsfreiheit auferlegen, sind diese als Verträge zu Lasten Dritter unwirksam. Eine tatsächliche Beschränkung Dritter in dem Sinne, daß die vertragschließenden Parteien wegen ihrer Selbstbindung als mögliche Vertragspartner für diese Dritten ausscheiden, ist als zwangsläufige Folge der Ausübung von Vertragsfreiheit keine relevante Beschränkung der Grundfreiheiten dieser Dritten 1 4 4 .

bb)

Diskriminierungsverbot

Mit dem Diskriminierungsverbot verhält es sich anders. Mit der wohl h.M. ist für Art. 39, 49 E G auch außerhalb des Bereichs kollektiver Rechtsetzung im individualvertraglich gestalteten Verhältnis zwischen Privaten eine horizontale Drittwirkung anzunehmen, soweit die Grundfreiheiten ein Diskriminierungsverbot enthalten 145 . Das Diskriminierungsverbot disqualifiziert die Staatsangehörigkeit als sachlichen Differenzierungsgrund bei der Ausgestaltung 146 von Verträgen im Schutzbereich der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit.

E.

Zusammenfassung

Die Freizügigkeit ist eine subjektive Garantie und zugleich eine Funktionsbedingung des Gemeinsamen Marktes der Arbeitskräfte. Sie sichert dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsplatzes und die Aufnahme und Ausübung unselbständiger Erwerbstätigkeiten in allen Mitgliedstaaten.

144 Vgl. aber zum vom Staat eingeräumten Monopol eines Dienstleistungsanbieters, das Dritte vom Vertragsschluß überhaupt ausschließt, unten §5 (S.221 ff.). 145 S. die Nachweise oben Fn. 130. Roth, FS Everling, S. 1247 bejaht für Individualverträge ohne Rechtsetzungscharakter nur eine Bindung an Art. 6 Abs. 1 E G V (nach Änderung jetzt Art. 12 Abs. 1 EG). 146 Zur Eingehung von Verträgen Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte, S. 55ff., 60.

108

§ 2 Dienstleistungsfreiheit

und

Freizügigkeit

Die Dienstleistungsfreiheit ist einerseits als Personenverkehrsfreiheit in einem lückenlosen System der Freiheit des erwerbswirtschaftlich motivierten Personenverkehrs und andererseits als Produktverkehrsfreiheit und damit als Pendant zur Warenverkehrsfreiheit zu verstehen. Für die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist letztere Konzeption der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich. Die Grundfreiheiten der Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit enthalten ein allgemeines Diskriminierungsverbot und ein Beschränkungsverbot. Während unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen schlechthin unzulässig sind, sind Beschränkungen der Grundfreiheiten rechtfertigbar durch nationale Allgemeininteressen. Hierbei sind relative und absolute Beschränkungen zu unterscheiden. Erstere benachteiligen grenzüberschreitende gegenüber innerstaatlichen Sachverhalten, letztere behindern die innerstaatliche und grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität oder Dienstleistungserbringung in gleicher Weise. Die europarechtliche Rechtfertigungsschwelle für relative Beschränkungen liegt höher als für absolute. Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gelten unmittelbar für die staatliche Rechtsetzung, aber auch für die durch den Staat ermöglichte kollektivvertragliche Normsetzung. Im Rahmen individualvertraglicher Abreden gilt nur das Diskriminierungsverbot.

§ 3 Freizügigkeit und betriebliche Altersversorgung A. Schutzbereich I. Persönlicher 1. Aktive

der

Freizügigkeit

Anwendungsbereich

Arbeitnehmer

Die Freizügigkeit kommt anders als die Dienstleistungsfreiheit nur natürlichen Personen zu. Der selbständige europarechtliche Begriff des Arbeitnehmers in Art. 39 E G wird vom E u G H weit ausgelegt. Ausgangspunkt ist das Vorliegen einer abhängigen, unselbständigen Erwerbstätigkeit, also einer Arbeit, die einem anderen in Abhängigkeit von dessen Weisungen gegen Entgelt geleistet wird 1 . Eine Gegenüberstellung des durch den E u G H entwickelten Arbeitnehmerbegriffs des Art. 39 E G und des persönlichen Geltungsbereichs des BetrAVG zeigt, daß sich der persönliche Schutzbereich der Freizügigkeitsgarantie und des Betriebsrentengesetzes weitgehend, aber nicht vollständig decken: Nach § 1 7 BetrAVG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Das stimmt mit dem Begriffsverständnis des E u G H überein, der auch bezahlte Praktikanten, Volontäre und Referendare in den Schutzbereich des Art. 39 E G einbezogen hat 2 . Die analoge Anwendung des Betriebsrentengesetzes auf Handelsvertreter, GmbH-Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und freiberuflich Tätige, denen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind und die nicht (wie in der Regel Gesellschafter-Geschäftsführer mit Allein- oder Mehrheitsbeteiligung 3 ) als Unternehmer tätig sind (§17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG), findet dagegen keine Parallele im persönlichen Schutzbereich der Freizügigkeit. Der Arbeitnehmerbegriff des E u G H nimmt Organmitglieder von Kapitalgesellschaften trotz eines Anstellungsverhältnisses ebenso wie andere als Unternehmer tätige Personen vom persönlichen Schutzbereich des Art. 39 E G generell aus. Sie werden durch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit geschützt. Die persönlichen Anwendungsbereiche der drei Grundfreiheiten der Freizügigkeit, der Niederlas1 E u G H 03.07. 1986, Rs. 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 2121 Rn.17; MünchArbR/Birk, §18 Rn. 91f.; G r o e b e n / W ö l k e r , EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 48-50, Rn.22; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555; E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000 Rn. 30. Zur Freizügigkeit der Arbeitsuchenden Heinze, FS Zöllner, S.769ff. 2 E u G H 26.02. 1992, Rs. C-3/90, Bernini, Slg. 1-1071; EAS/Runggaldier, B 2000 Rn.30; Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 48-50, Rn.27. 3 Ahrend/Förster, BetrAVG, § 17 Rn.3; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rn. 100ff., 108ff.

110

§3 Freizügigkeit und betriebliche

Altersversorgung

sungsfreiheit u n d der Dienstleistungsfreiheit gewährleisten insgesamt einen lükkenlosen Schutz der Freiheit des Personenverkehrs 4 . Die Bereichsausnahme des Art. 39 Abs. 4 E G f ü r die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung 5 findet nur f ü r die Nichtanwendung der Insolvenzschutzbestimmungen auf den öffentlichen Dienst in § 17 Abs. 2 BetrAVG eine Parallele.

2.

Betriebsrentner

§ 17 Abs. 1 BetrAVG spricht vom Arbeitnehmer i.S. der §§ 1 bis 16 BetrAVG, obwohl § 16 BetrAVG den Begriff des Arbeitnehmers überhaupt nicht gebraucht u n d statt dessen auf den Versorgungsempfänger abstellt. Der Arbeitnehmerbegriff des Betriebsrentengesetzes erfaßt in § 17 Abs. 1 BetrAVG damit ganz selbstverständlich auch den Betriebsrentner als ehemaligen Arbeitnehmer. Der Schutzbereich der Freizügigkeitsgarantie ist enger. Der (Betriebs-)Rentner ist nicht mehr Arbeitnehmer i.S. der Art. 39ff. E G . Er hat kein primärrechtliches Freizügigkeitsrecht, sondern ist auf sekundäre Rechtsetzung 6 angewiesen. Sein Verbleiberecht ergibt sich erst aus der Art. 39 Abs. 3 lit. d E G ausfüllenden sogenannten Verbleibe-Verordnung 7 , sein Aufenthaltsrecht in einem anderen Mitgliedstaat als dem der letzten Tätigkeit aus der Pensionisten-Aufenthalts-Richtlinie 8 . Letzteres setzt voraus, daß er eine der näher bezeichneten Renten in einer H ö h e bezieht, die ihn nicht auf die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaates angewiesen sein läßt, u n d er ausreichenden Krankenversicherungsschutz genießt 9 . Zu den Altersrenten i.S. von Art. 1 Abs. 1 R L 9 0 / 3 6 5 / E W G sind neben der gesetzlichen Rente auch Betriebsrenten zu zählen, da auch sie zu den Existenzmitteln gehören, auf deren Ausreichen Abs. 2 der Bestimmmung abstellt. Die allgemeine Freizügigkeit der Unionsbürger aus Art. 18 Abs. 1 E G gewährt Freizügigkeit u n d freien Aufenthalt f ü r nicht erwerbstätige Unionsbürger nur vorbehaltlich der im EG-Vertrag u n d in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen. D u r c h die Unionsbürgerschaft werden den Sozialversicherungs- und Betriebsrentnern keine über die in der genannten Verordnung u n d der genannten Richtlinie verankerten Rechte hinausgehenden Freizügigkeitsrechte zuerkannt 1 0 . D o c h genießt der Betriebsrentner im 4 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1555; EAS/Runggaldier, B 2000 Rn.20. Zur Einbeziehung Selbständiger in den persönlichen Geltungsbereich der RL 98/49/EG oben § 1 D.I.3.c) (S. 53ff.). 5 Zu dieser Bereichsausnahme EAS/Runggaldier, B 2000 Rn.95ff. Zur thematischen Beschränkung dieser Arbeit auf die Zusatzversorgung im privaten Sektor oben Einleitung A.I.l. 6 So ist der Betriebsrentner etwa Arbeitnehmer i.S. von Art. 1 lit.. a V O (EWG) 1408/71. E u G H 16.02. 1992, Rs. C-57/90, Krankenversicherungsbeiträge (Kommission/Frankreich), Slg. 1-75 R n . l l . 7 V O (EWG) Nr. 1251/70 vom 29.06. 1970; vgl. schon oben §1 D.I.2.b) (S.50); hierzu auch MünchArbR/ÄV£, § 18 Rn. 101. 8 RL 90/365/EWG des vom 28.06. 1990. Vgl. oben § 1 D.I.2.c) (S.50f.). 9 Vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 90/365/EWG. 10 Bleckmann, Europarecht, Rn. 52, 1559; Fischer, Die Unionsbürgerschaft, S. 12; Dautzenberg, DB 1993, 1564.

A. Schutzbereich

der

Freizügigkeit

111

Anwendungsbereich der genannten sekundären Rechtsakte der Gemeinschaft den Schutz des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Art. 12 Abs. 1 E G " .

3.

Familienangehörige

Arbeitnehmermobilität ist nur zu erreichen, wenn Hemmnisse wie eine durch die Mobilität erzwungene Trennung von der Familie oder finanzielle oder sonstige Nachteile für die Familie abgebaut werden. Auch ohne daß die Art.39ff. EG die Familienangehörigen ausdrücklich erwähnen (nur Art. 42 EG nennt ausdrücklich die „anspruchsberechtigten Angehörigen"), sind diese daher von der primären Freizügigkeitsgarantie mit erfaßt 12 . Das gilt im Fall des Todes des Arbeitnehmers auch für die Hinterbliebenen. Auch das Sekundärrecht, vor allem Art. 10-12 V O (EWG) 1612/68, sichert die Familienangehörigen mit ab. Im Bereich der Zusatzversorgung zählen hierher die Verbleibe-Verordnung 13 , die auch Familienangehörigen von (Betriebs-)Rentnern bzw. deren Hinterbliebenen ein Verbleiberecht gibt, die Pensionisten-Aufenthalts-Richtlinie 14 , die Familienangehörigen von (Betriebs-)Rentnern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gibt, und die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche, die in ihrem persönlichen Schutzbereich auch Familienangehörige und Hinterbliebene erfaßt 15 .

4. Staatsangehörigkeit

eines

Mitgliedstaats

Die Freizügigkeit kommt nach Art. 39 Abs. 2 EG grundsätzlich nur solchen Arbeitnehmern zugute, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind 16 . Staatsangehörige der verbliebenen EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein können aufgrund des EWR-Abkommens seit dem 01.01. 1994 allerdings ebenfalls die Freizügigkeit in Anspruch nehmen 17 . Ansonsten können sich Staatsangehörige aus Drittstaaten nicht auf die Freizügigkeitsgarantie des Art. 39 EG berufen 18 .

Groeben/Zuleeg, EU-/EG-Vertrag, Art. 6 Rn. 12. Vgl. Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 48-50, Rn.40; Klang, Soziale Sicherheit und Freizügigkeit im EWG-Vertrag, S.99 m.w.N. 13 Art. 1, 3 VO (EWG) 1251/70. 14 Art. 1 Abs. 2 RL 90/365/EWG; MünchArbR/AV/fe, § 18 Rn. 101. 15 Das geht aus Art. 2 der RL 98/49/EG allerdings nur undeutlich hervor („sonstige im Rahmen dieser Systeme Berechtigte"). Art. 2 des Richtlinienvorschlags KOM (97) 476 endg. - 97/ 0265 (CNS) sprach von Mitgliedern ihrer Familien und Hinterbliebenen. 16 Z.B. EuGH 15.12. 1995, Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1-4921 Rn 96; Oppermann, Europarecht, Rn. 1512; Groeben/Wölker, EU-/EG-Vertrag, Art.48-50, Rn.41; E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000 Rn. 31; Streinz, Europarecht, Rn 661; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1735, aber anders zu Art.6 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 12 Abs. 1 EG), a.a.O., Rn.l734ff. 17 Groeben /Wölker, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. Art. 48-50 Rn. 53; E A S / R u n g g a l d i e r , B 2000, Rn. 134, 137. 18 EAS/Runggaldier, B 2000 Rn. 133. 11

12

112

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

II. Sachlicher

Altersversorgung

Anwendungsbereich

1. Betriebsrentenzusagen als sonstige Arbeitsbedingungen von Art. 39 Abs. 1 und 2 EG

im

Sinne

Nach Art. 39 Abs. 1 und 2 E G umfaßt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Daneben enthält die Freizügigkeitsgarantie die in Abs. 3 aufgezählten besonderen Gewährleistungen. Betriebsrenten fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der Freizügigkeitsgarantie aus Art. 39 Abs. 1 und 2 E G : Sonstige Arbeitsbedingungen i.S. von Art. 39 Abs. 2 E G sind alle Vergünstigungen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Beziehung stehen, unabhängig davon, ob sie aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung oder ob sie freiwillig erbracht werden 1 9 . Sowohl freiwillige 20 als auch obligatorische Betriebsrenten 2 1 sind damit Arbeitsbedingungen i.S. von Art. 39 Abs. 2 E G 2 2 . Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob das Ruhegeld auch Entlohnung i.S. von Art. 39 Abs. 2 E G ist. Das wäre zu bejahen, wenn der Entgeltbegriff des Art. 141 E G 2 3 und der Entlohnungsbegriff des Art.39 Abs.2 E G sich deckten. Der Wortlaut 2 4 der Bestimmungen spricht dagegen. Auch zeigt die deutsche Diskussion zum Entgeltcharakter der Betriebsrente 2 5 , daß anders als beim Arbeitsentgelt nicht einfach zu bestimmen ist, worin die Leistung des Arbeitnehmers besteht (Betriebstreue 2 6 oder Gesamtarbeitsleistung für den Arbeitgeber 2 7 ) und in welchem Verhältnis sie zur Betriebsrente steht (synallagmatische Verknüpfung 2 8 oder Obliegenheit 2 9 ). Auch dies spricht dafür, die Begriffe des Entgelts in Art. 141 E G und der Entlohnung in A r t . 3 9 Abs.2 E G V nicht ohne N o t gleichzusetzen.

19 E u G H 12.02. 1974, Rs. 152/73, Sotgiu, Slg. 153, 164 R n . 8 f . zu einer zusätzlich zum Lohn gezahlten Trennungsentschädigung. Oppermann, Europarecht, Rn. 1524. 2 0 Zur typischen, grundsätzlichen, aber nicht begriffsnotwendigen Freiwilligkeit der Betriebsrente im deutschen Recht Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 4 0 ; Höf er, BetrAVG, A R T Rn. 34 ff. auch zu ausnahmsweisen und anzahlmäßig unbedeutenden gesetzlichen Zusatzversicherungen (Rn. 36). 21 Zur französischen obligatorischen Zusatzrente unten § 5 C. (S. 240ff.). 2 2 Dazu, daß die Zusatzaltersversorgung auch „sozialer Schutz" i.S. von Ziff. 2 der Gemeinschaftscharta und von Art. 137 Abs. 3 E G , nicht aber „soziale Sicherheit" i.S. von Art. 42 E G ist, schon oben §1 C.I. (S.43f.) und D.I.3. (S.51ff.). 2 3 Vgl. insbes. E u G H 28.09. 1994, Rs. C - 2 0 0 / 9 1 , Coloroll, Slg. 1-4389, R n . 6 7 f . 2 4 Im englischen Vertragstext spricht Art. 39 Abs. 2 E G von „remuneration" und Art. 141 E G von „pay". 2 5 Vgl. oben Einleitung A.I.2. 26 Blomeyer, FS Zeuner, S. 13ff. (Betriebstreue oder Betriebszugehörigkeit). 27 Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 67ff., 207. 28 Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 72ff., 207f. 29 Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 36f.; Blomeyer, FS Zeuner, S. 17f.

A. Schutzbereich

2. Zugang zum Arbeitsmarkt

der

eines

Freizügigkeit

113

Mitgliedstaates

Die Anwendbarkeit von Art. 39 E G auf eine grenzüberschreitende Tätigkeit eines Arbeitnehmers setzt nach der Rechtsprechung des E u G H weiter voraus, daß der Arbeitnehmer mit ihr Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates verlangt 30 .

a) Erstmalige Arbeitsaufnahme wechsel

und grenzüberschreitender

Arbeitgeber-

N i m m t ein Arbeitnehmer erstmals eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Heimatstaat auf, macht er damit von seinem Recht auf Freizügigkeit unproblematisch Gebrauch. Das gleiche gilt, wenn das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers in einem Mitgliedstaat endet u n d der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat eingeht und dort die Arbeit aufnimmt. Es k o m m t nicht darauf an, w o die Arbeitgeber ihren Sitz haben, sondern darauf, daß der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers nach dem Wechsel in einem anderen Mitgliedstaat liegt, er im Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates als vorher tätig wird. Ein grenzüberschreitender Arbeitgeberwechsel 3 1 kann auf einer autonomen Entscheidung des Arbeitnehmers beruhen oder aber im Rahmen personalpolitischer Erwägungen in einer Unternehmensgruppe erfolgen. Auch in diesem Fall sucht der Arbeitnehmer Zugang z u m ausländischen Arbeitsmarkt. Die vom Arbeitnehmer aufgrund gruppeninterner Absprache neu besetzte Stelle ist Teil des Gesamtpotentials an Stellen im Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates des Arbeitgebers, zu dem der Arbeitnehmer gewechselt ist. Auch der grenzüberschreitende Wechsel innerhalb einer Unternehmensgruppe ist daher von der Freizügigkeitsgarantie gedeckt 32 .

b)

Arbeitnehmerentsendung

Problematisch ist dagegen, ob auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber im Herkunftsstaat nicht gelöst wird, die vielmehr im Rahmen ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden, vom sachlichen Schutzbereich der Freizügigkeitsgarantie erfaßt werden 3 3 .

30 E u G H 27.03. 1990, Rs. C - l 13/89, R u s h Portuguesa, Slg. 1-1417; bestätigt in E u G H 09.08. 1994, C - R s . 43/93, Vander Eist, Slg. 1-3803; erneut bestätigt in E u G H 28.03.1996, Rs. C-272/94, G u i o t / C l i m a t e c , Slg. 1-1905. 31 Richter/Schanz, BetrAV 1994,216 sprechen hier von einem „Übertritt" des Arbeitnehmers. 32 Z u den möglichen rechtlichen K o n s t r u k t i o n e n (Vertragsübernahme oder Beendigung des einen u n d N e u b e g r ü n d u n g des anderen Arbeitsverhältnisses) Windbichler, Arbeitsrecht im K o n z e r n , S.95ff. 33 Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der E G , S. 65ff. bezeichnet dies als eine G r e n z frage von internationalem Privatrecht u n d Europarecht.

114

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Die hierzu zentrale Entscheidung des E u G H in der Rechtssache Rush Portuguesa 34 stellt auf den vorübergehenden Charakter der Auslandsarbeit, die Rückkehr des Arbeitnehmers in den Entsendestaat sowie darauf ab, daß die Entsendung dem betreffenden Arbeitsmarkt keine Arbeitskraft zuführe. Da die genannten drei Kriterien vorlagen, verneinte der E u G H die Freizügigkeitsrelevanz der Entsendung und ermöglichte damit im Ergebnis einem Unternehmen aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft, dem die Dienstleistungsfreiheit zukam, die Dienstleistungserbringung mit Hilfe von Arbeitnehmern aus demselben Mitgliedstaat, denen die Freizügigkeit aufgrund Ubergangsrechts noch nicht zukam. Auch in der Literatur wird der vorübergehende Charakter der Entsendung als das maßgebliche Kriterium für den Zugang zum Arbeitsmarkt angesehen 35 . Indessen wirken sich auch nur vorübergehende oder befristete Entsendungen von Arbeitskräften aus anderen Staaten auf dem Arbeitsmarkt des Tätigkeitslandes aus. Auf dieser Überlegung basieren sowohl die Entsende-Richtlinie als auch das deutsche A E n t G .

aa) Fallgruppen O b der Arbeitnehmer im Falle seiner Entsendung Zugang zum Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates begehrt, entscheidet sich anhand der Frage, ob seine Entsendung dem betreffenden Arbeitsmarkt Arbeitskraft zuführt 36 . Drei Fallgruppen können unterschieden werden: (1) Dient die vorübergehende Entsendung des Arbeitnehmers der Erbringung einer Dienstleistung i.S. des Art. 50 E G zwischen den beteiligten Unternehmen, z.B. einem Bauvorhaben oder einer Qualitätskontrolle im Unternehmen des Aufnahmemitgliedstaats, fehlt es nach der h.L. am Zugang zum ausländischen Arbeitsmarkt. Ein solcher Einsatz des entsandten Arbeitnehmers im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages falle nicht in den Schutzbereich der Freizügigkeitsgarantie 37 . D a ß der Arbeitnehmer gleichwohl in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden kann, sei allein Ausfluß der Dienstleistungsfreiheit seines Arbeitgebers und damit unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers 3 8 . E u G H 27.03. 1990, Rs. C - l 13/89, Rush Portuguesa, Slg. 1-1417, 1444 R n . l 5 f . Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 106; Franzen, DZWir 1996, 96; Krebber, J J Z 1997, 139; EAS/Feuerborn, B 2500 Rn.60; a.A. Gerken/Löwisch/Rieble, B B 1995, 2373, die auch die nur vorübergehende Tätigkeit im Rahmen einer Entsendung von der Freizügigkeit gedeckt sehen. 36 E u G H 09.08. 1994, C-Rs. 43/93, Rush Portuguesa, Slg. 1-3803, Rn. 16. 37 Kirchhoff, D B 1990, 264; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1602, 2617; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992,106; Franzen, DZWir 1996,96; Krebber, JJZ 1997,139; Däubler, EuZW 1997, 614; Selmayr, ZfA 1996, 632ff.; a.A. Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995,2373; EAS/Feuerborn, B 2500 Rn. 60f., 80ff., insbesondere 81; Koenigs, D B 1997, 230. 38 Kirchhoff, D B 1990, 264f.; nach Bleckmann, Europarecht, Rn. 1602, 2617 begründet auch die Niederlassungsfreiheit einen Anspruch des Arbeitgebers, Drittstaatsangehörige im Niederlassungsstaat zu beschäftigen. Das ist abzulehnen. Werden die Arbeitnehmer auf Dauer in der Niederlassung beschäftigt, begehren sie jedenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt des Niederlassungsstaates. Dieser steht ihnen nicht kraft der Niederlassungsfreiheit ihres Arbeitgebers zu, sondern nur, wenn sie als Staatsangehörige der Mitgliedstaaten selbst Freizügigkeit genießen. So 34 35

A. Schutzbereich

der

Freizügigkeit

115

Richtig ist, daß Arbeitnehmern aus Staaten außerhalb der Gemeinschaft in bestimmten Grenzen - hier ist auf das der Begrenzung dienende Kriterium der vorübergehenden Entsendung abzustellen - Zugang zu Tätigkeiten in den Mitgliedstaaten zu gewähren ist, insoweit die Dienstleistungserbringung durch ein Unternehmen aus einem Mitgliedstaat der E U dies erfordert 39 . Eine andere Frage ist, ob Arbeitnehmer aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft, die vorübergehend im Rahmen einer Entsendung aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden, den Diskriminierungs- und Beschränkungsschutz der Freizügigkeit genießen. Das ist zu bejahen 40 . Für den Schutz des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Betriebsrente bedeutet dies: Hat der Arbeitnehmer im Entsendestaat wegen seines Auslandseinsatzes Nachteile hinsichtlich seiner Betriebsrentenversorgung, so ist dadurch der sachliche Anwendungsbereich der Freizügigkeit berührt. Diese Nachteile können sich beschränkend auf die Mobilitätsbereitschaft des Arbeitnehmers auswirken. Daß damit mittelbar auch die Dienstleistungsfreiheit des entsendenden Unternehmens berührt sein kann, steht dem nicht entgegen 41 . Die Gegenmeinung, die vorübergehende Entsendungen im Rahmen einer Dienstleistungserbringung vom Schutzbereich der Freizügigkeit ausnimmt, müßte konsequenterweise annehmen, daß etwaige dem entsandten Arbeitnehmer aus den Auslandsentsendungen entstehende Nachteile hinsichtlich seiner Betriebsrentenversorgung - z.B. eine Unterbrechung der Unverfallbarkeitsfrist bei jeder kurzfristigen Auslandstätigkeit - zwar unschön, aber ohne jede Relevanz im Rahmen der Freizügigkeit sind. Das kann nicht richtig sein. Die hier getroffene Abgrenzung des sachlichen Geltungsbereichs der Freizügigkeit liegt ersichtlich auch der R L 98/49/EG zugrunde. Sie wurde auf eine N o r m aus dem Recht der Freizügigkeit gestützt (Art. 51 EGV, nach Änderung jetzt Art. 42 E G ) 4 2 . Sie beansprucht folglich, der Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu dienen. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie befaßt sich mit der Fortführung der betrieblichen Altersversorgung im Herkunftsstaat des entsandten Arbeitnehmers. Entsandter Arbeitnehmer i.S. der Richtlinie ist nach deren Art. 3

auch Groeben/Troherg, EU-/EG-Vertrag, Art. 52 Rn. 25; die Konstruktion über Annexfreiheiten ablehnend Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der EG, S. 61 ff. m.w.N.; Randelzhof er in: Grabitz/Hilf, EWGV, Art. 52 Rn.23. 39 Vgl. zur Schaffung eines sog. EG-Dienstleistungsausweises für solche Arbeitnehmer: Richtlinienvorschlag über die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitnehmern mit Staatsangehörigkeit eines dritten Landes im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen ( K O M (1999)3 endg. vom 12.02. 1999, ABl. C 67 vom 10.03. 1999, S.12ff. 40 So schon Gerken/Löwisch/Rieble, B B 1995,2373; EAS/Feuerhorn, B 2500 Rn. 81; Koenigs, D B 1997, 230. 41 So auch der Vorlagebeschluß an den E u G H des ArbG Wiesbaden, 10.02. 1998, 1 Ca 1672/ 97, S.22f. zur Erstreckung und Modifizierung des Urlaubskassenverfahrens für die Bauwirtschaft auf aus dem Ausland ins Inland entsandte Arbeitnehmer ausländischer Arbeitgeber aufgrund des AEntsG. 42 Dazu, daß Art. 51 E G V wegen des Rekurses auf die „soziale Sicherheit" nicht die richtige Kompetenznorm war, oben §1 D.I.3.c)cc) (S. 57ff.).

116

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

lit. e aber auch der zum Zweck der Dienstleistungserbringung vorübergehend entsandte Arbeitnehmer, denn auch er gehört weiter dem Sozialversicherungssystem des Entsendestaates an. (2) Unstreitig ist, daß im Fall der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung 43 der Leiharbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt des Einsatzstaates verlangt44. Deckt eine konzernangehörige 45 oder externe Leiharbeitsfirma den temporären Arbeitskräftebedarf eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat, handelt es sich zwar auch um eine Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG 46 . Diese Dienstleistung ist indes gerade darauf gerichtet, dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates Arbeitskräfte vorübergehend zuzuführen, so daß die grenzüberschreitende Aufnahme der Tätigkeit durch den entliehenen Arbeitnehmer von der Freizügigkeitsgarantie unproblematisch gedeckt ist. (3) Eine dritte Fallgruppe erfaßt Fälle, in denen der Arbeitnehmer weder zur Erfüllung eines Dienst- oder Werkvertrages entsandt noch im Rahmen einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung verliehen wird. Wird ein Arbeitnehmer aufgrund einer konzernweiten Personalpolitik von einem konzernangehörigen Unternehmen zu einem anderen konzernangehörigen Unternehmen entsandt, und besteht das Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber fort, ist für den Zugang des Arbeitnehmers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes zu unterscheiden: Geht der Arbeitnehmer beim aufnehmenden Unternehmen ein weiteres Arbeitsverhältnis ein, ist sein Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates nicht fraglich. Er besetzt eine Stelle, die ansonsten von einem anderen Arbeitnehmer eingenommen werden könnte. Aber auch wenn kein weiteres Arbeitsverhältnis zum aufnehmenden Unternehmen begründet wird, wird der Arbeitnehmer doch tatsächlich im Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates des aufnehmenden Unternehmens tätig. Das Arbeitsplatzangebot im Einsatzstaat wird potentiell verknappt, da die durch einen entsandten Arbeitnehmer tatsächlich ausgefüllte Position dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Wer die Arbeitgeberfunktionen dem Arbeitnehmer gegenüber wahrnimmt, ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt unerheblich 47 . bb)

Ergebnis

Vorübergehend oder auch dauerhaft von ihrem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandte Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ge43 Z u r A b g r e n z u n g von Arbeitnehmerüberlassung einerseits u n d Dienst- und Werkvertrag mit E n t s e n d u n g von Erfüllungsgehilfen andererseits im deutschen Recht M ü n c h A r b R / A f o r schall, § 167 Rn.21ff., 36ff. 44 E u G H 09.08. 1994, C - R s . 43/93, R u s h Portuguesa, Slg. 1-3803, Rn.16. EAS/Feuerborn, B 2500 Rn. 80; Schüren, A Ü G , Einl. Rn.468; Becker/Wulfgramm, A Ü G , Einl. Rn.75c. 45 O b Art. 1 § 1 Abs. 3 N r . 2 u n d 3 A U G A n w e n d u n g findet, tangiert den europarechtlichen Begriff der Dienstleistung nicht. 46 E A S / F e u e r b o r n , B 2500, R n . 5 5 f f . N ä h e r z u m Dienstleistungsfreiheitsbegriff unten §4 (S. 167ff.). 47 Z u r A u s ü b u n g von Arbeitgeberrechten d u r c h Dritte Windbichler, Arbeitsrecht im K o n zern, S. 81 ff.

A. Schutzbereich

der

Freizügigkeit

117

nießen aufgrund ihrer Auslandstätigkeit den Schutz der Freizügigkeit. Für den Schutz des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Betriebsrente bedeutet dies, daß etwaige Nachteile aus der Auslandsentsendung hinsichtlich seiner Betriebsrentenversorgung im Entsendestaat freizügigkeitsrelevant sind. O b Arbeitnehmer aus Staaten außerhalb der EU, denen die Freizügigkeit nicht z u k o m m t , im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung zur Erfüllung eines Dienst- oder Werkvertrages gleichwohl vorübergehend in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft tätig werden können, ist dagegen allein eine Frage der Dienstleistungsfreiheit des entsendenden Unternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft.

III. Mobilität „ hin zum " und „ weg vom " deutschen Arbeitgeber Ein Arbeitnehmer, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht, hat notwendigerweise Kontakt zu zwei Mitgliedstaaten u n d deren Rechtsordnungen. Die grenzüberschreitende Mobilität kann von dem Mitgliedstaat des Weggangs 48 u n d dem des Zuzugs beschränkt werden. Freizügigkeitshindernisse können sich aus beiden beteiligten Rechtsordnungen ergeben. Für die betriebliche Altersversorgung stellt sich daher die Frage, inwieweit das deutsche Recht die Mobilität innerhalb der Europäischen U n i o n „weg" vom deutschen Arbeitgeber beeinträchtigt u n d inwieweit es im deutschen Recht begründete Mobilitätshindernisse für eine Mobilität „hin" zum deutschen Arbeitgeber gibt. Die Mobilität weg vom deutschen Arbeitgeber ist etwa durch die Länge der Unverfallbarkeitsfristen des § 1 BetrAVG betroffen 4 9 . Die Mobilität hin z u m deutschen Arbeitgeber kann beeinträchtigt sein, wenn etwa bei Arbeitnehmerentsendungen ins Inland die Arbeitsaufnahme in Deutschland zu einer Doppelbelastung des entsendenden ausländischen Arbeitgebers u n d / o d e r des Arbeitnehmer führt, weil Beiträge zu einer Zwangszusatzversorgung im Inland gezahlt werden müssen, obwohl im Ausland eine betriebliche Altersversorgung auch im Entsendungszeitraum fortgeführt wird 5 0 . Ein anderes Beispiel wäre die Nichtanrechenbarkeit ausländischer Vordienstzeiten auf eine Versorgungszusage nach deutschem Recht 5 1 . Dagegen geht es nicht um eine Freizügigkeitsbeschränkung, wenn Arbeitnehmer von einem Wechsel nach Deutschland nur deshalb Abstand nehmen, weil die deutsche Arbeitsrechtsordnung f ü r sie unattraktive Rahmenbedingungen bereitstellt, z.B. lange Unverfallbarkeitsfristen und Wartezeiten f ü r Betriebsrentenanwartschaften vorsieht oder unverfallbare Anwartschaften ausgeschiedener A r beitnehmer nicht dynamisiert 5 2 . Darin mag zwar ein negativer Mobilitätsanreiz 48

Z.B. E u G H 15.12. 1995, Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1-4921 Rn.92ff. Dazu unten C 1.1. (S. 126ff.). 50 Dieses Problems nimmt sich Art. 6 Abs. 2 RL 98/49/EG an. Dazu unten B.III. (S. 122ff.). 51 Dazu näher unten §9 A.III. (S.390ff.). 52 So die Kommission in bezug auf lange Wartezeiten. Diese wirkten sich negativ auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, konkret die Mobilität nach Deutschland aus. Grünbuch, K O M (97) 283, S. 19 unter Nr. 54. 49

118

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

liegen. Die Freizügigkeit garantiert jedoch nicht optimale Arbeitsbedingungen in jedem Mitgliedstaat. Sie enthält kein Gebot der Harmonisierung auf höchstem Niveau.

IV. Weiterer Gang der Untersuchung Im folgenden wird Freizügigkeitshindernissen im deutschen Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung nachgegangen. Macht ein Arbeitnehmer von seiner Freizügigkeit Gebrauch, begibt er sich also zum Zweck der Ausübung einer abhängigen Erwerbstätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat, sind notwendigerweise immer zwei Rechtsordnungen tangiert. Damit stellen sich in allen Fällen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität auch immer kollisionsrechtliche Fragen nach dem anwendbaren Recht. Diese werden im einzelnen im Zweiten Teil der Arbeit entwickelt. Soweit die Anwendbarkeit deutschen Betriebsrentenrechts (Sachrechts) wenig kontrovers ist, werden die kollisionsrechtlichen Ergebnisse allerdings hier schon zugrunde gelegt; soweit die kollisionsrechtlichen Fragen streitig sind und ihre Lösung eines erheblichen Begründungsaufwandes bedarf, muß die abschließende Beantwortung der Frage nach der Verwirklichung der Freizügigkeit aufgeschoben werden, bis die kollisionsrechtliche Lösung entwickelt ist. Der Maßstab, an dem das Betriebsrentengesetz zu messen ist, wurde im vorigen Kapitel erarbeitet: Das Diskriminierungsverbot der Freizügigkeit ist verletzt, wenn betriebsrentenrechtliche Regelungen unmittelbar oder mittelbar an die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers oder Betriebsrentners anknüpfen und EU-ausländische Arbeitnehmer oder Betriebsrentner benachteiligen. Das absolute Beschränkungsverbot kann verletzt sein, wenn Arbeitnehmer im deutschen Betriebsrentensystem hinsichtlich ihrer betrieblichen Altersversorgung Nachteile erleiden, wenn sie innerstaatlich oder grenzüberschreitend mobil sind. Das relative Beschränkungsverbot kann verletzt sein, wenn diese Nachteile bei einer grenzüberschreitenden Mobilität innerhalb der Europäischen Gemeinschaft größer sind als bei einer Mobilität innerhalb Deutschlands 5 3 . Unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierungen sind in der deutschen Praxis betrieblicher Altersversorgung schon wegen des jedenfalls als Auslegungsprinzip auf den Arbeitsvertrag wirkenden Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 G G 5 4 regelmäßig kein Problem, d.h. sie kommen praktisch nicht vor. Die U n tersuchung kann sich daher auf mittelbare Diskriminierungen und Beschränkungen der Freizügigkeit konzentrieren.

53 Auch wenn etwaige Beschränkungen der Freizügigkeit im deutschen Recht durch ein zwingendes Allgemeininteresse rechtfertigbar sind, können Rechtsetzungsvorhaben der Gemeinschaft zur (noch besseren) Verwirklichung der Freizügigkeit eine Rechtsgrundlage in Art. 40 E G finden. Vgl. zum legislativen Gebot der fortschreitenden Verwirklichung der Grundfreiheiten oben §1 D.I. (S.47ff.). 54 Vgl. nur Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S.96; MünchArbR/Richardi, § 10 Rn.37f.

B. Vorübergehende

grenzüberschreitende

Entsendung

119

Für die rechtliche Beurteilung der Auswirkungen von Arbeitnehmermobilität auf die betriebliche Altersversorgung ist die entscheidende Weichenstellung, ob einerseits der ins Ausland entsandte Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis beim ihn entsendenden oder zur Verfügung stellenden Arbeitgeber bleibt oder doch zumindest eine auf die Betriebsrentenversorgung beschränkte Restbeziehung aufrechterhalten wird oder ob andererseits das arbeits- und betriebsrentenrechtliche Band zum Arbeitgeber des Herkunftsstaats vollständig gekappt wird und der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis in der Unternehmensgruppe oder außerhalb eingeht. Im folgenden geht es daher zunächst um solche grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer, die während ihrer vorübergehenden Entsendung (weiterhin) in einem Arbeitsverhältnis oder doch einer betriebsrentenrechtlichen Restbeziehung zum entsendenden Arbeitgeber stehen, zu dem sie zurückkehren sollen (unten B). Anschließend werden solche Fälle von Arbeitnehmermobilität untersucht, in denen das Arbeitsverhältnis zum Altarbeitgeber von diesem gelöst oder durch den Arbeitnehmer beendet wird (unten C). Nachfolgend wird die Gewährleistung der Freizügigkeit für Betriebsrentner untersucht (unten D), und schließlich werden freizügigkeitsrelevante Probleme der Koordinierung von Betriebs- und Sozialrente in Fällen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität behandelt (unten E).

B. Fortführung der Altersversorgung beim Arbeitgeber Entsendestaat in Fällen einer vorübergehenden grenzüberschreitenden Entsendung

im

I. Interesse des entsandten Arbeitnehmers an der Fortführung der betrieblichen Altersversorgung beim entsendenden Arbeitgeber Im Falle einer vorübergehenden Auslandsentsendung, im Anschluß an die der Arbeitnehmer in sein altes Arbeitsverhältnis zurückkehrt oder doch zumindest nach dem Willen der Parteien zurückkehren soll, liegt es im Interesse des entsandten Arbeitnehmers, daß die Altersversorgung beim entsendenden Arbeitgeber auch während der Auslandsentsendung fortgeführt werden kann. In einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft können ins Ausland entsandte Arbeitnehmer jedoch nicht, auch nicht innerhalb bestimmter Zeitspannen, weiterhin den Zusatzpensionskassen ihres Heimatlandes angehören 5 5 . Die Kommission bezeichnet es als ein unzumutbares Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wenn die alte Sicherung beendet und eine neue abgeschlossen werden müsse 56 . Vor diesem Hintergrund ist Art. 6 Abs. 1 der R L 9 8 / 4 9 / E G zur Wahrung 5 5 Vgl. Anhang 1 zu Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev.l.: Veranschaulichende Aufstellung von Hindernissen für die Mitgliedschaft von Wanderarbeitnehmern in Altersversorgungssystemen des Heimatlandes. 5 6 Arbeitspapier, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E , S. 6ff. Bestehende rechtliche und steuerliche Hindernisse für eine fortgesetzte Mitgliedschaft in einem Altersversorgungssystem seien für solche Wander-

120

f 3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

ergänzender R e n t e n a n s p r ü c h e zu verstehen. Dieser verlangt von den Mitglieds t a a t e n die e r f o r d e r l i c h e n M a ß n a h m e n , d a m i t in e i n in e i n e m M i t g l i e d s t a a t e i n g e richtetes ergänzendes R e n t e n s y s t e m weiterhin Beiträge durch oder für einen ents a n d t e n A r b e i t n e h m e r als A n s p r u c h s b e r e c h t i g t e n e i n e s S y s t e m s w ä h r e n d des Z e i t r a u m s s e i n e r E n t s e n d u n g in e i n e n a n d e r e n M i t g l i e d s t a a t e i n g e z a h l t w e r d e n können. D a b e i g e h t die R i c h t l i n i e v o n e i n e r relativ k u r z e n E n t s e n d u n g s f r i s t aus. A r t . 3 e) d e r R i c h t l i n i e v e r s t e h t u n t e r e i n e m e n t s a n d t e n A r b e i t n e h m e r e i n e n A r b e i t n e h m e r , d e r g e m ä ß d e n E n t s e n d u n g s f r i s t e n des T i t e l I I V O ( E W G ) 1 4 0 8 / 7 1 - r e g e l m ä ß i g ein, v e r l ä n g e r b a r a u f z w e i J a h r e , in A u s n a h m e f ä l l e n a u c h d a r ü b e r h i n a u s 5 7 - w e i t e r h i n d e r G e s e t z g e b u n g des H e r k u n f t s m i t g l i e d s t a a t e s u n t e r s t e h t , d e s s e n Sozialversicherungsstatut also nicht im Z u g e der E n t s e n d u n g wechselt. Mit dieser gesetzestechnischen Verknüpfung zwischen der Sozialversicherungsverordnung V O ( E W G ) 1408/71 und der Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche werden sog. Wanderarbeitnehmer i.S. der E u G H - R e c h t s p r e c h u n g von der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ausgenommen. D e r E u G H bezeichnet als Wanderarbeitnehmer einen Arbeitnehmer, der seine Rentenansprüche in Abschnitten erwirbt, die den aufeinanderfolgenden Beschäftigungszeiten entsprechen, die er in verschiedenen Mitgliedstaaten nach verschiedenen Rechtsvorschriften zurückgelegt hat 5 8 . Entsandte Arbeitnehmer sind Wanderarbeitnehmer i.S. dieser Rechtsprechung mithin nur, wenn ihr Sozialversicherungsstatut im Zuge der Entsendung wechselt, weil die Entsendungsfristen des Titels II V O ( E W G ) 1408/71 überschritten werden. D a s I n t e r e s s e des A r b e i t n e h m e r s , d e r n a c h d e m W i l l e n d e r P a r t e i e n z u s e i n e m e n t s e n d e n d e n A r b e i t g e b e r z u r ü c k k e h r e n s o l l , ist i n d e s s e n r e g e l m ä ß i g a u c h b e i längerfristigen E n t s e n d u n g e n auf eine F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersvers o r g u n g i m H e r k u n f t s s t a a t g e r i c h t e t . A l l e r d i n g s s i e h t s i c h d e r die B e t r i e b s r e n t e z u s a g e n d e A r b e i t g e b e r h i e r v o r z u s ä t z l i c h e P r o b l e m e gestellt, w e i l w e g e n des

arbeitnehmer zu beseitigen, die weiterhin die Beschäftigungsbedingungen für dieses System erfüllten. Die Kommission schlägt für Wanderarbeitnehmer, die den Arbeitgeber nicht vollständig wechseln, eine begrenzte Anerkennung von Systemen betrieblicher Altersversorgung sowohl für aufsichtsrechtliche wie für steuerliche Zwecke vor. Im Fall eines vollständigen/endgültigen Arbeitgeberwechsels sei dagegen die Aufrechterhaltung bzw. der Schutz der bestehender Rechte in dem Altersversorgungssystem, das der Arbeitnehmer endgültig verläßt, wünschenswert. Zu letzterem unten C.II. (S. 135ff.). 5 7 Von der Ausnahmebestimmung des Art. 17 V O ( E W G ) 1408/71 wird weit verbreitet Gebrauch gemacht. Arbeitnehmer können im Falle einer Versetzung bei einer entsprechenden Vereinbarung jedenfalls bis zu 5 Jahre weiterhin dem Sozialversicherungssystem ihres Heimatstaates anzugehören. Vgl. Kommission, Grenzüberschreitende Mitgliedschaft in betrieblichen Altersversorgungssystemen für im Ausland erwerbstätige Arbeitnehmer, X V / 2 0 4 0 / 9 2 - D E rev. 1, S. 10; Steinmeyer, in Nomos Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 1.17 S. 1 Rn. 3; Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, S. 81 Fn. 13. 58 E u G H 05.10. 1994, Rs C-165/91 van Munster, Slg. 1-4661 Rn.27ff.: Art.51 E W G V (nach Änderung jetzt Art. 42 E G ) ziele darauf ab, auf dem Wege der Koordinierung und nicht der Harmonisierung die Einheit der Sozialversicherungslaufbahn des Wanderarbeitnehmers zu verwirklichen.

B. Vorübergehende grenzüberschreitende

Entsendung

121

Wechsels des Sozialversicherungsstatuts eine Abstimmung zwischen Betriebsund Sozialrente erschwert ist (dazu unten E.). I m folgenden wird daher über die Richtlinie hinausgehend unter einem entsandten Arbeitnehmer ein Arbeitnehmer verstanden, der für einen kürzeren oder längeren Zeitraum, von vornherein zeitlich befristet oder durch den Eintritt eines Ereignisses auflösend bedingt oder aber ohne eine solche definierte anfängliche Begrenzung, aber mit der Ubereinkunft, daß eine R ü c k k e h r zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erfolgen soll, in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird und während seiner Entsendung weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zum entsendenden Arbeitgeber steht. Dieses kann sich auf ein ruhendes Rumpfarbeitsverhältnis reduzieren, wenn ein aktives Arbeitsverhältnis zu dem aufnehmenden U n t e r n e h men begründet wird. Nachteile für einen solchen entsandten Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Altersversorgung beim entsendenden Arbeitgeber können sich zum einen aus dem deutschen Recht als R e c h t des Entsendestaates, zum anderen aus dem deutschen Recht als Recht des Aufnahmestaates ergeben.

II. Beschränkungen 1. Fortführung

des

durch das deutsche Recht als Recht Entsendestaates

der Betriebsrentenbeziehung

in

Deutschland

M u ß wegen der Auslandsentsendung die Versorgungszusage beim entsendenden deutschen Arbeitgeber, zu dem der Arbeitnehmer zurückkehren soll, beendet werden, ist dies für den entsandten Arbeitnehmer ein Nachteil, der seine Freizügigkeit beeinträchtigt. Eine relative Beschränkung der Freizügigkeit liegt vor, wenn die Betriebsrentenbeziehung im Inland fortgeführt werden kann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb Deutschlands entsandt wird, sie aber nicht fortgeführt werden kann, wenn der Arbeitnehmer im Zuge der Entsendung in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird. Eine absolute Beschränkung der Freizügigkeit liegt vor, wenn die Betriebsrentenbeziehung im Zuge jeder Entsendung, sei sie grenzüberschreitend oder nicht, beendet werden muß. Das deutsche Betriebsrentenrecht enthält keine Bestimmung, wonach bei einer vorübergehenden Entsendung im Inland die Betriebsrentenbeziehung zum entsendenden Arbeitgeber unterbrochen wird. A u c h der Insolvenzschutz nach § § 7 - 1 5 B e t r A V G ist unproblematisch weiter gegeben. Das gleiche gilt aber auch für vorübergehende Entsendungen ins Ausland 5 9 . Das Kollisionsrecht enthält in Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B eine Regelung, die in Auslandsentsendungsfällen die Fortführung einer dem Arbeitsvertragsstatut unterliegenden Betriebsrentenzusage ermöglicht; das deutsche Sachrecht stellt dem nichts entgegen. In der Praxis ist die Entsendung eines Mitarbeiters für einen von vornherein begrenzten Zeitraum oder auf zunächst unbestimmte Zeit v o m inländischen A r 5 9 Vgl. zum Insolvenzschutz an dieser Stelle nur Merkblatt des P S V a G 3 0 0 / M / 7 (Stand 10/86); näher unten § 8 C . I I . l . a ) (S.348f.).

122

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

beitgeberunternehmen zu einem ausländischen konzernangehörigen Unternehmen, etwa einer Tochtergesellschaft, das tägliche Brot der Personalabteilungen deutscher, einem internationalen Konzern angehörender Unternehmen. Häufig wird die Betriebsrentenzusage durch den deutschen Arbeitgeber aufrechterhalten und z.B. aufgrund eines fiktiven Inlandsgehalts weitergeführt u n d im übrigen ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit dem deutschen Entsende-Unternehmen vereinbart 6 0 . Ü b e r eine solche Konstruktion eines ruhenden Arbeitsverhältnisses mit dem entsendenden U n t e r n e h m e n ist es auch in Fällen der Entsendung ins Ausland nach ganz h.M. möglich, die Betriebsrentenbeziehung insolvenzgeschützt fortzuführen, auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Ausland zusätzlich ein neues Arbeitsverhältnis eingeht. Problematisch ist dies allenfalls bei längerfristigen Entsendungen und solchen auf unbestimmte Zeit, bei denen ihr vorübergehender Charakter zweifelhaft ist. Diesen Fragen ist im kollisionsrechtlichen Teil der Arbeit näher nachzugehen 6 1 .

2. Art. 6 Abs. 1 RL

98/49/EG

Im deutschen Recht bedarf es keiner Maßnahmen i.S. des Art 6 Abs. 1 RL 98/ 49/EG, um in Fällen grenzüberschreitender Entsendung die F o r t f ü h r u n g der Betriebsrentenversorgung in Deutschland zu ermöglichen. Die Bestimmung erfaßt nur zeitlich beschränkte Entsendungen, bei denen das Sozialversicherungsstatut nicht wechselt, also im deutschen Recht unproblematische Fälle. O b die Arbeitsvertragsparteien die rechtlichen Möglichkeiten zur F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung immer nutzen 6 2 , ist keine Frage der Freizügigkeit. Auch Art. 6 Abs. 1 R L 9 8 / 4 9 / E G statuiert keine Fortführungspflicht. Sollte indessen z.B. eine vertragliche Einheitsregelung nur EU-ausländischen entsandten Mitarbeitern die F o r t f ü h r u n g der Betriebsrentenbeziehung verweigern, wäre diese diskriminierend und mit der Freizügigkeit unvereinbar 6 3 .

III. Beschränkungen durch das deutsche Recht als Recht des Aufnahmemitgliedstaats 1. Zwangszusatzversorgung

im Inland

Die Freizügigkeit als relatives Beschränkungsverbot ist betroffen, wenn sich f ü r einen ins Inland entsandten Arbeitnehmer Nachteile hinsichtlich seiner Al60 Oberklus, Entsandte Arbeitnehmer, S. 1 5 f f , ; ] u n k e r , Internationales Arbeitsrecht, S.206ff.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn.71ff.; Richter/Schanz, BB 1994, 397ff.; Maschmann, R d A 1996, 27ff. 61 U n t e n § 6 B.III.2. (S.273ff.) u n d z u m Insolvenzschutz unten § 8 C.II.l.a) (S.348f.). 62 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 73, 76, die eine Regelung für den Fall einer grenzüberschreitenden E n t s e n d u n g vorstellen, bei der eine Wartezeit n u r d u r c h Zeiten im inländischen Stammhaus erfüllt werden kann, auch w e n n f ü r die Unverfallbarkeit auch die Auslandszeit rechnet. Eine solche Regelung verwirklicht die Freizügigkeit n u r suboptimal. 63 Z u r A n w e n d u n g des Diskriminierungsverbots auch auf Individualverträge oben §2 D.II.2.b) (S. 105ff.).

B. Vorübergehende

grenzüberschreitende

Entsendung

123

tersversorgung beim entsendenden ausländischen Arbeitgeber ergeben, die er nicht hätte, wäre er innerhalb des ausländischen Mitgliedstaates entsandt worden. Solche Nachteile können sich aus dem Recht des Aufnahmestaates ergeben. In der Praxis wird der entsendende Arbeitgeber im Ausland zur F o r t f ü h r u n g der Altersversorgung in seinem Altersversorgungssystem regelmäßig dann nicht bereit sein, wenn das Recht des Aufnahmestaates eine Zwangsmitgliedschaft im dortigen Zusatzversorgungssystem verlangt 64 . Bei einer vorübergehenden Entsendung nach Deutschland bestünde daher ein Freizügigkeitshindernis, wenn die aus einem anderen Mitgliedstaat vorübergehend nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer zwangsweise einem deutschen Betriebsrentensystem angeschlossen würden. Wegen der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Betriebsrentenzusage im deutschen Recht k o m m e n als Grundlage f ü r eine solche Zwangsversicherung lediglich deutsche allgemeinverbindliche Tarifverträge in Frage 65 . Es sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Entsandte Arbeitnehmer können während ihrer Tätigkeit in Deutschland weiterhin allein in einem Arbeitsverhältnis zu ihrem entsendenden Arbeitgeber im Herkunftsmitgliedstaat stehen oder aber ein zusätzliches Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber in Deutschland eingehen.

a) Kein zweites Arbeitsverhältnis

am Arbeitsort: „ bloße Delegation "

Geht der Arbeitnehmer kein zweites Arbeitsverhältnis am vorübergehenden deutschen Arbeitsort ein, kann eine Zwangssicherung des Arbeitnehmers nur an das Arbeitsverhältnis z u m entsendenden Arbeitgeber anknüpfen. Es k o m m t eine tarifvertragliche Verpflichtung des ausländischen Arbeitgebers zu einer Zusatzaltersversorgung in Betracht. Dieser wird indes in aller Regel ebensowenig wie der entsandte Arbeitnehmer tarifgebunden sein. Die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages hilft darüber hinweg. O b der Tarifvertrag auch vorübergehende Inlandsarbeit erfassen möchte, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Falle eines Altersversorgungstarifvertrages ist dies regelmäßig nicht der Fall, weil der Schutzzweck - der A u f b a u einer nennenswerten Altersversorgung im Inland f ü r den Arbeitnehmer - kaum erreicht werden kann u n d die organisatorische Belastung durch Einbeziehung nur vorübergehend in den Geltungsbereich des Tarifvertrages entsandter Arbeitnehmer zu groß sein wird. Schließlich m u ß der Tarifvertrag aber auch noch normativ auf das Arbeitsverhältnis des entsandten Arbeitnehmers einwirken. Dies scheitert - wie unten § 10 noch ausführlich begründet 64

Solche Beschränkungen gibt es etwa in den obligatorischen Zusatzversorgungssystemen in Frankreich, aber auch in Italien, w o leitende Angestellte d e m Zusatzversorgungssystem einer italienischen Gesellschaft beitreten müssen. Vgl. Zavvos, C M L R 1994, 628 Fn. 55. 65 Einige wenige, n u r einen sehr begrenzten Personenkreis erfassende gesetzliche Zusatzaltersversorgungssysteme - vgl. Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 36 z u r H ü t t e n k n a p p s c h a f t l i c h e n Z u satzversorgung im Saarland u n d zur zusätzlichen Alters- u n d Hinterbliebenenversorgung f ü r Arbeiter u n d Angestellte der Hansestädte - k ö n n e n f ü r Fragen der E n t s e n d u n g aus dem A u s - ins Inland vernachlässigt werden.

124

JJ3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

wird - regelmäßig daran, daß dessen Arbeitsverhältnis in aller Regel dem Recht des Entsendestaates unterstehen wird 66 . Da es für die Zusatzaltersversorgung auch an einem dem AEntG oder der Entsende-Richtlinie entsprechender Mechanismus fehlt 67 , kann der entsendende ausländische Arbeitgeber nicht durch die Finanzierung einer zweiten Betriebsrente im Inland aufgrund eines deutschen allgemeinverbindlichen Tarifvertrages belastet werden. Ein Freizügigkeitshindernis im deutschen Recht im Fall der Inlandsentsendung des Arbeitnehmers besteht daher insoweit nicht. b) Aktives Arbeitsverhältnis

am Arbeitsort: „ Entsendung"

Wird dagegen zusätzlich zu dem fortbestehenden, aber ruhenden Arbeitsverhältnis zum entsendenden ausländischen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber in Deutschland begründet, kommt eine Verpflichtung des inländischen Arbeitgebers zur Zusatzversorgung auf der Grundlage eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages grundsätzlich in Frage, sofern das Inlandsarbeitsverhältnis deutschem Recht untersteht 68 , und der Tarifvertrag auch bei nur vorübergehender Inlandsarbeit greift und keine Ausnahme im Fall einer anderweitigen Altersversorgung des Arbeitnehmers vorsieht 69 . Ein solcher allgemeinverbindlicher Tarifvertrag kann die Freizügigkeit des entsandten Arbeitnehmers beeinträchtigen. Der entsendende Arbeitgeber kann sich zur Beendigung der Altersversorgung im Ausland veranlaßt sehen, um eine doppelte Betriebsrentenabsicherung des Arbeitnehmers zu vermeiden. Es kommen aber auch andere, für den Arbeitnehmer weniger belastende Maßnahmen des entsendenden Arbeitgebers in Betracht, etwa eine Anrechnung der im Aufnahmemitgliedstaat erarbeiteten Betriebsrente auf die zugesagte Altersversorgung, die den Arbeitnehmer im Ergebnis nicht schlechter stellt, sofern das Recht des Entsendestaates eine solche Anrechnung zuläßt. Wenn der Arbeitnehmer selbst Beiträge in das ausländische Rentensystem des Entsendestaates einzahlt 70 , gelten im Prinzip die gleichen Überlegungen zu einer Doppelversorgung. Wird der Arbeitnehmer auch zur Zahlung von Beiträgen in Deutschland verpflichtet 71 , ist seine Doppelbelastung offenkundig. Streitig, vgl. unten § 10 C. (S.426ff.). S.o. §1 D.III.2. (S.65f.) und unten §10 C.II.2.b) (S.443ff.). 68 Zu dieser Voraussetzung ausführlich unten § 10 C.II. (S.434ff.). 69 Vgl. aber etwa § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages über die Altersversorgung für Redakteure an Tageszeitungen vom 27.06. 1986, der Befreiungsmöglichkeiten im Falle einer anderweitigen Absicherung des Arbeitnehmers vorsieht. Hierzu näher unten §5 B.I.2.a)bb) (S.236). 70 Im Vereinigten Königreich z.B. gibt es sowohl in der Verwaltung einfachere beitragsfreie (non-contributory schemes) als auch psychologisch vorteilhafte, weil den Arbeitnehmer in die Finanzierungsverantwortung einbindende Beitragssysteme. Nach Schulte, ZIAS 1987,123 sehen 80% der Systeme eine Beitragsbeteiligung der Mitglieder vor, 10% eine völlige Beitragsfreiheit, in 10% sind freiwillige Beiträge der Mitglieder möglich (Stand: 1979); anders Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.38 (Arbeitnehmerbeiträge seien unüblich). 71 In Deutschland können Arbeitnehmer nur bei den Durchführungswegen über eine Direkt66 67

B. Vorübergehende

grenzüberschreitende

Entsendung

125

Eine Beschränkung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich hier aus dem Zusammenspiel der Rechtsordnung des Aufnahmemitgliedstaates, die eine obligatorische Altersversorgung vorsieht, die auch die entsandten Arbeitnehmer erfaßt, und der Rechtsordnung des Entsendemitgliedstaates, die u.U. keine weniger einschneidenden Maßnahmen des Arbeitgebers als die Beendigung der Betriebsrentenversorgung erlaubt. Unter der Prämisse, daß der entsandte Arbeitnehmer das Interesse hat, daß die Altersversorgung im Entsendestaat, in den er zurückzukehren plant, ungeschmälert fortgesetzt wird, ist das Haupthindernis für die Freizügigkeit des Arbeitnehmers in einer solchen Konstellation in der Zwangssicherung im Aufnahmemitgliedstaat zu sehen. Die zwangsweise Zusatzaltersversorgung auch nur vorübergehend in den Geltungsbereich des Versorgungssystems eines Mitgliedstaates entsandter Arbeitnehmer verstößt damit gegen die Freizügigkeit als Beschränkungsverbot, wenn sie nicht durch ein zwingendes Allgemeininteresse zu rechtfertigen ist. Ein Allgemeininteresse an der Zwangszusatzversorgung auch solcher in den Geltungsbereich des Tarifvertrages entsandter Arbeitnehmer, die im Entsendestaat durch eine fortbestehende Zusatzaltersversorgung abgesichert sind, wird sich nicht begründen lassen. Sieht der Tarifvertrag keine Befreiungsmöglichkeit für solche Arbeitnehmer vor, verstößt er daher gegen die Freizügigkeit.

2. Art. 6 Abs. 2 RL 98/49/EG Auch Art. 6 Abs. 2 R L 9 8 / 4 9 / E G sieht eine Beschränkung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers in Entsendungsfällen in einer doppelten Beitragszahlung des Arbeitnehmers und gegebenenfalls seines ihn entsendenden Arbeitgebers. Er bestimmt: „Werden gemäß Absatz 1 - also während des Zeitraums einer Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat - weiterhin Beiträge in ein ergänzendes Rentensystem in einem Mitgliedstaat eingezahlt, so werden der entsandte Arbeitnehmer und gegebenenfalls sein Arbeitgeber von der Verpflichtung freigestellt, Beiträge zu einem ergänzenden Rentensystem in einem andern Mitgliedstaat zu zahlen". Die Bestimmung zielt darauf, den entsandten Arbeitnehmer und gegebenenfalls seinen ihn entsendenden Arbeitgeber von der finanziellen Belastung durch eine obligatorische Zusatzversorgung im Aufnahmemitgliedstaat im Fall anderweitiger Absicherung im Entsendestaat zu dispensieren 72 . Eine Beitragszahlungspflicht des entsendenden ausländischen Arbeitgebers aufgrund eines inländischen Tarifvertrages scheidet nach dem oben Gesagten praktisch aus. Denkbar ist eine Beitragszahlungspflicht des entsandten Arbeitnehmers aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages im Inland, wenn Versicherung oder eine Pensionskasse selbst Beiträge leisten, bei der Direktzusage und der Durchführung über eine Unterstützungskasse ist dies nicht möglich. Vgl. z.B. Ubersicht H - B e t r A W / U e b e l h a c k , Ordnr. 10, Rdnr.284. 7 2 Sie hat wohl insbesondere für die obligatorischen Zusatzrentensysteme in Frankreich, den Niederlanden und Dänemark Bedeutung.

126

§ J Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

er im Inland ein zusätzliches Arbeitsverhältnis nach deutschem Recht eingegangen ist. Sieht ein solcher Tarifvertrag keine Befreiungsmöglichkeit (zumindest) für aus dem EU-Ausland vorübergehend in den Geltungsbereich des Tarifvertrages entsandte Arbeitnehmer vor, die im Entsendestaat weiter abgesichert werden, führt er zu der von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie angesprochenen Doppelbelastung. Hier hätte der Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie Abhilfe zu schaffen.

C. Sicherung der betrieblichen Altersversorgung bei einem grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel ins Ausland Das deutsche Arbeitsrecht betrieblicher Altersversorgung kann den Arbeitgeberwechsel ins Ausland behindern 7 3 . Erleidet der Arbeitnehmer infolge eines Arbeitgeberwechsels im Inland oder vom Inland ins Ausland gleichermaßen Nachteile hinsichtlich seiner Altersversorgung beim inländischen Altarbeitgeber, ist dies eine Frage der Rechtfertigung einer absoluten Beschränkung der Freizügigkeit durch Gründe des Allgemeininteresses. Sind die Nachteile größer, wenn der Arbeitnehmer zu einem neuen Arbeitgeber ins Ausland wechselt, als wenn er im Inland den Arbeitgeber wechselt, ist das relative Beschränkungsverbot betroffen. Im folgenden wird untersucht, ob und welche Nachteile ein den Arbeitgeber grenzüberschreitend wechselnder Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Betriebsrentenversorgung im Inland erleidet und ob diese die Freizügigkeit beschränkenden Nachteile zu rechtfertigen sind. Dabei geht es zunächst um die Verfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften und Wartezeiten mit der Freizügigkeit (I.), sodann um Nachteile hinsichtlich unverfallbarer Betriebsrentenanwartschaften 7 4 (II.).

I. Unverfallbarkeitsfristen und Wartezeiten als der Freizügigkeit 1.

Beschränkungen

Unverfallbarkeitsfristen

Versorgungszusagen sehen in der Regel vor, daß nur der bei Erreichen der Altersgrenze dem Betrieb noch angehörende Arbeitnehmer einen Betriebsrentenanspruch hat. Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, verfallen seine Versorgungsanwartschaften, es sei denn, diese sind bereits unverfallbar geworden. Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG werden Betriebsrentenanwartschaften gesetzlich unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer das 35. Lebensjahr vollendet hat und entweder die Versorgungszusage für ihn mindestens 10 Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens 3 Jahre bestanden hat. Eine Anwartschaft wird somit frühestens nach 3 Jahren, spätestens nach 10 Jahren ab Zusageertei7 3 Dazu, daß es grundsätzlich einem Arbeitgeberwechsel ins Inland nicht entgegensteht, oben A.III. (S.117f.). 7 4 Zur Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft zur Angleichung der Unverfallbarkeitsfristen in der Gemeinschaft schon oben § 1 B.II.2.a) (S. 32ff.) und D . 1.1. (S. 47f.).

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

127

lung gesetzlich unverfallbar, und gesetzliche Unverfallbarkeit setzt i m m e r eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit voraus75. D a s Gesetz zur R e f o r m d e r g e s e t z l i c h e n R e n t e n v e r s i c h e r u n g ( R R G 1 9 9 9 ) , das a m 0 1 . 0 1 . 1 9 9 9 i n K r a f t g e t r e t e n ist, v e r k ü r z t d i e s e F r i s t e n n i c h t 7 6 . F ü r A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e , die v o r d e m 2 2 . 1 2 . 1 9 7 4 b e e n d e t w u r d e n 7 7 , gilt w e i t e r h i n die R e c h t s p r e c h u n g des B A G z u r U n z u l ä s s i g k e i t v o n V e r f a l l s k l a u s e l n n a c h 2 0 j ä h r i g e m B e s t e h e n des A r b e i t s v e r hältnisses (richterrechtliche Unverfallbarkeit v o n Versorgungsanwartschaften)78. D i e F r i s t e n des B e t r A V G s i n d i m i n t e r n a t i o n a l e n V e r g l e i c h relativ l a n g 7 9 : I m Vereinigten Königreich müssen nach neuem Recht Anwartschaften nach zwei J a h r e n , g e r e c h n e t a b Z u s a g e e r t e i l u n g , u n v e r f a l l b a r s e i n 8 0 , in B e l g i e n n a c h e i n e m J a h r 8 1 . I n F r a n k r e i c h , S p a n i e n , d e n N i e d e r l a n d e n 8 2 u n d d e r S c h w e i z 8 3 tritt U n v e r f a l l b a r k e i t s o g a r s o f o r t , in I r l a n d 8 4 u n d P o r t u g a l 8 5 s p ä t e s t e n s n a c h f ü n f J a h r e n ein. I n e i n i g e n a n d e r e n S t a a t e n g i b t es d a g e g e n k e i n e g e s e t z l i c h e R e g e l u n g d e r Unverfallbarkeit86. 75 Vertraglich kann eine frühere Unverfallbarkeit vereinbart werden, die aber nicht am Insolvenzschutz nach den § § 7 - 1 5 BetrAVG teilnimmt. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §7 Rn. 162. 7 6 Ursprünglich war vorgesehen, daß nach § 1 Abs. 1 BetrAVG Betriebsrentenanwartschaften unverfallbar werden, wenn der Arbeitnehmer das 30. Lebensjahr vollendet hat und entweder die Versorgungszusage für ihn mindestens 5 Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens 3 Jahre bestanden hat. Eine Anwartschaft wäre danach frühestens nach 3 Jahren, spätestens nach 5 Jahren ab Zusageerteilung gesetzlich unverfallbar geworden. Vgl. Husmann, BetrAV 1998, 7. 77 Ahrend/Förster, BetrAVG, § 1 Rn.3, § 7 Rn. 160. BetrAVG, § 1 Rn.2; Blomeyer/Otto, 78 B A G 10.03. 1972, 3 AZR 278/81, AP N r . l zu §242 B G B Ruhegehalt-Unverfallbarkeit (Beendigung durch den Arbeitgeber); B A G 16.03. 1972, 3 AZR 191/71, AP Nr.2 zu §242 B G B Ruhegehalt-Unverfallbarkeit (einvernehmliche Aufhebung); B A G 20.02. 1975, 3 AZR 514/73, AP Nr. 8 zu §242 B G B Ruhegehalt-Unverfallbarkeit (Arbeitnehmerkündigung). 7 9 Einen Uberblick zu den unterschiedlichen Unverfallbarkeitsfristen in Europa geben Ahrend/Hauner, BddW, 17.10.1994, S. 9; zumTeil nicht mehr auf dem neuesten Stand: Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., Anhang, S. 32ff. In einigen Fällen (gemeint sind Mitgliedstaaten) setzt der Erwerb von unverfallbaren Anwartschaften (gemeint ist wohl: tritt Unverfallbarkeit) allerdings erst bei Eintritt in den Ruhestand ein. So Grünbuch, K O M (97) 283, S. 19 unter Nr. 53. 8 0 Section 71 des Pension Schemes Act 1993. Vgl. hierzu Daykin, Protection of Workers' Rights, S.8 unter 3.2.1. Zur alten Rechtslage Birk, ZfA 1988, 120; Schulte, ZIAS 1987, 125. 81 IPC, Information, Dezember 1995 zur Gesetzeslage ab 1.1. 1995. 82 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., Anhang, S. 34f.; Ahrend/Hauner, BddW, 17.10. 1994, S.9 (in den Niederlanden ab 01.08. 1987). 83 Vgl. das zum 1.1.1995 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge. Dazu IPC, Information, Dezember 1994; Walser, BetrAV 1997, 308. 84 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., Anhang, S.35. 85 Steinmeyer, FS Ahrend, S.484 (seit 01.01. 1991); bis dahin war die Unverfallbarkeit nicht gesetzlich vorgeschrieben und unüblich, vgl. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., Anhang, S.37; Ahrend/Hauner, BddW, 17.10. 1994, S.9. 86 Bsp. Griechenland, Italien und Luxemburg, vgl. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., Anhang, S. 34; Ahrend/Hauner, BddW, 17.10. 1994, S. 9. Zu Luxemburg vgl. Ministère de la Sécurité sociale, Les options politiques en matière de pensions complémentaires, S. 22. Die luxemburgischen Arbeitsgerichte hatten sich mit der Frage der Verfallbarkeit noch nicht zu befassen. In der Literatur wird eine Begrenzung der Verfallbarkeit vertreten für den Fall, daß der Entgeltcharakter der Zusatzaltersversorgung anerkannt wird.

128

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Die relativ langen deutschen Unverfallbarkeitsfristen werden unter dem G e sichtspunkt der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (wie auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 141 E G 8 7 ) als problematisch erachtet 88 . Die Kommission macht geltend, Personen, die ihren Arbeitsplatz häufig wechselten, hätten normalerweise am Ende ihrer beruflichen Laufbahn beträchtlich niedrigere Leistungsansprüche aus Altersversorgungszusagen als Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz gar nicht oder selten wechselten 8 9 . Sie hat dabei zum einen das relative Beschränkungsverbot im Auge: Auf gemeinschaftlicher Ebene müsse das Problem, daß mobile Arbeitnehmer am Ende ihres Berufslebens niedrigere Betriebsrentenansprüche haben als immobile Arbeitnehmer, berücksichtigt werden, soweit größere Nachteile aus grenzüberschreitender als aus nationaler Mobilität entstünden 9 0 . Zum anderen zielt sie auf die Freizügigkeit als absolutes Beschränkungsverbot, indem sie feststellt, „übertrieben lange Unverfallbarkeitsfristen und Wartezeiten" könnten die Arbeitnehmermobilität bremsen, indem sie den Erwerb eines Anspruchs auf ein angemessenes Ruhegeld zu sehr von zu langen ununterbrochenen Beschäftigungszeiten bei ein und demselben Arbeitgeber abhängig machten 9 1 . Die Kommission bleibt hierbei jeden rechtstatsächlichen Nachweis schuldig, ab welcher Nachteilsschwelle Arbeitnehmer sich tatsächlich von einem grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel abhalten lassen 92 . O b z.B. eine zwei-, eine fünf- oder erst eine zehnjährige Unverfallbarkeitsfrist für Betriebsrentenanwartschaften Arbeitnehmermobilität tatsächlich behindert, läßt sich wegen der unauflöslichen Gemengelage persönlicher und wirtschaftlicher Motivationsgründe auch nur schwer ermitteln. Man ist hier auf Plausibilitätserwägungen angewiesen. Im Rahmen der Rechtfertigung einer Beschränkung der Freizügigkeit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses kann es aber auch nicht völlig unerheblich sein, ob eine Regelung die Ausübung der Freizügigkeit tatsächlich spürbar behindert. Eine theoretisch mögliche Beschränkung der Freizügigkeit, die 8 7 Die geltenden Unverfallbarkeitsfristen und das hohe Mindestalter (35 Jahre) können eine indirekte Diskriminierung von Frauen zur Folge haben und damit gegen Art. 141 E G verstoßen, weil diese wegen ihrer Familienrolle den Arbeitgeber häufiger wechseln. Schon vor Inkrafttreten des BetrAVG wurde kritisiert, daß sich die Unverfallbarkeitsbedingungen ungünstig für Frauen auswirken. Vgl. Löwisch, Gutachten D zum Deutschen Juristentag 1974, S. D 79f.; Mitteilung der Kommission SEK(91) 1332 endg. S.24f.; Steinmeyer, FS Ahrend, S.485f.; H-BetrAV/Gn'ebeling, Ordnr. 30 Rn. 232ff. Vgl. auch L A G Hamm, 19.12.1989,6 Sa 115/89, D B 1990,590 (keine indirekte Frauendiskriminierung durch Mindestalter 35 Jahres); B A G 15.02. 1994, 3 A Z R 708/ 93, AP Nr. 12 zu § 15 BerzGG: Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Betriebszugehörigkeit, aber keine Berücksichtigung bei der Betriebsrentenberechnung. 8 8 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. unter 3.2.2; Steinmeyer, a.a.O., 479f. Daß die Unverfallbarkeit erst in jüngster Zeit unter dem Gesichtspunkt einer möglicherweise unzulässigen Freizügigkeitsbeschränkung diskutiert wird, zeigt, daß die Freizügigkeit als arbeitsrechtliche Kategorie lange vernachlässigt wurde. Vgl. Hanau, in: von Maydell, Soziale Rechte in der E G , S.55. 89 Mitteilung der Kommission , SEK(91) 1332 endg. S.22f. unter 3.2.1., 3.2.2. 9 0 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.22 unter 3.2.1. 91 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.27f. unter 3.3.5. 9 2 Ähnlich schon H-BetrAV/Urbitsch/Jürgens, Ordnr. 20, Rn. 77-80.

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

129

von den betroffenen Arbeitnehmern und Betriebsrentnern überhaupt nicht wahrgenommen wird und sich praktisch nicht auswirkt, ist leichter zu rechtfertigen als eine Regelung, welche die Betroffenen tatsächlich in ihrem Mobilitätsverhalten beeinflußt 9 3 . N u r das Diskriminierungsverbot k o m m t ohne eine solche Erheblichkeitsschwelle aus, weil es rein formaler N a t u r ist. Im Hinblick auf die im internationalen Vergleich relativ langen Unverfallbarkeitsfristen des deutschen Rechts ist diese Erheblichkeit jedenfalls erreicht.

a) Relatives

Beschränkungsverbot

Wechselt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber z . B . innerhalb von Frankreich oder Spanien, die eine sofortige Unverfallbarkeit von Ruhegeldanwartschaften kennen 9 4 , hat er daraus hinsichtlich des Bestands seiner Altersversorgung keine Nachteile, während ein Arbeitnehmer, der vor Ablauf der Unverfallbarkeitsfrist des § 1 B e t r A V G von Deutschland nach Frankreich oder Spanien wechselt, seine Anwartschaften beim Altarbeitgeber verliert. Daraus ist aber nicht der Schluß zu ziehen, daß hier eine relative Beschränkung der Freizügigkeit vorliegt. Die Unverfallbarkeitsbestimmungen regeln gar nicht den Arbeitgeberwechsel, sondern schlicht die Folgen des Ausscheidens bei einem Arbeitgeber. O b der Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitgeber in demselben oder einem anderen Mitgliedstaat wechselt, arbeitslos wird oder in den Ruhestand geht, hat mit der Unverfallbarkeit nichts zu tun. Das relative Beschränkungsverbot wäre nur verletzt, wenn dieselbe Betriebsrentenanwartschaft zu einem anderen Zeitpunkt unverfallbar würde je nach dem, ob der Arbeitnehmer innerhalb desselben Mitgliedsstaats oder grenzüberschreitend den Arbeitgeber wechselte. Das ist nach § 1 B e t r A V G nicht der Fall, da er wie gesagt - überhaupt nicht darauf abstellt, daß der Arbeitnehmer zu einem neuen Arbeitgeber wechselt und w o dieser gegebenenfalls seinen Sitz hat.

b) Absolutes

Beschränkungsverbot

Indem das deutsche Betriebsrentenrecht es erlaubt, über nur durch lange U n verfallbarkeitsfristen beschränkte Verfallklauseln „Betriebstreue" oder „Betriebszugehörigkeit" zu honorieren und die Abwendung des Arbeitnehmers zu sanktionieren, nimmt es eine Behinderung der Mobilität der Arbeitnehmer be-

93 Das B V e r f G (Beschluß 15.07. 1998, 1 B v R 1554/89 u.a.), B V e r f G E 98, 365 = A P N r . 2 6 zu § 18 B e t r A V G ) hat jüngst entschieden, daß die Regelung des § 18 B e t r A V G , die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bei einem vorzeitigen Ausscheiden gegenüber Arbeitnehmern, auf die das B e t r A V G uneingeschränkt anwendbar sei, benachteilige, und die zu einem Verlust der Altersversorgung von existentieller Bedeutung führen könne, gegen Art. 3 Abs. 1 , 1 2 Abs. 1 G G verstößt. Danach erscheinen die Unverfallbarkeitsfristen des B e t r A V G als die äußerste Grenze, bis zu der ein Verfall von Versorgungsanwartschaften mit dem mit jeder Betriebsrentenzusage angestrebten Anreiz zur Betriebstreue gerechtfertigt werden kann. 94

Vgl. Mitteilung der Kommission, S E K ( 9 1 ) 1332 endg., Anhang, S . 3 4 f .

130

§J Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

wüßt in Kauf 9 5 . Die Unverfallbarkeitsfristen stellen daher eine - nicht diskriminierende - absolute Beschränkung der Freizügigkeit dar. Diese Beschränkung muß durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sein. Das deutsche Betriebsrentengesetz erkennt in seinen Bestimmungen über die Unverfallbarkeit das Ziel des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer längerfristig an seinen Betrieb zu binden, als legitim an. Das gleiche gilt für die Judikatur zur Zulässigkeit von Verfallklauseln. Der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung und die Verfallbarkeit von Anwartschaften lassen sich durchaus miteinander vereinbaren 96 . Neben dem personalwirtschaftlichen Interesse der Betriebsbindung insbesondere existenzwichtiger Fach- und Führungskräfte 9 7 dienen die Unverfallbarkeitsfristen auch der Vermeidung von Bagatellrenten. Diese Interessen sind nicht nur Partikularinteressen des einzelnen Arbeitgebers, sondern liegen als personalwirtschaftliche Instrumente im Allgemeininteresse effizienter Betriebsführung. Die Unverfallbarkeitsfristen müssen zur Erreichung der genannten Ziele objektiv geeignet, erforderlich und proportional, also verhältnismäßig sein. Bei dieser Einschätzung muß dem nationalen Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt werden 9 8 . Der Gesetzgeber hat sein Ermessen mit dem BetrAVG 1974 und dem R R G 1999 jeweils mit dem gleichen Ergebnis genutzt. Auch wenn der Arbeitsmarkt häufig keine Lebensarbeitsstelle bietet, ist eine Unverfallbarkeitsfrist von mindestens drei Jahren zur Vermeidung von Bagatellrenten nicht zu lang. Die Maximalfrist von zehn Jahren läßt sich allerdings nur mit der Anerkennung der Betriebsbindung als eines langfristigen Mittels der Personalpolitik rechtfertigen. Betriebsrentensysteme anderer Staaten räumen dagegen dem Anliegen der Betriebsbindung nicht in gleichem Maße Priorität ein. Sie erachten in Zeiten wirtschaftlicher Umstrukturierungen eine hohe Personalfluktuation für notwendig und bauen daher mit kürzeren Unverfallbarkeitsfristen oder gar mit dem Eintritt sofortiger Unverfallbarkeit bewußt niedrigere oder gar keine Mobilitätshürden auf 99 . Sie räumen damit dem volkswirtschaftlichen Interesse an der Flexibilität und Mobilität der Arbeitnehmer Vorrang vor dem Interesse an einem Instrument zur Beschränkung der Arbeitskräftefluktuation ein. Dabei ist etwa im Hinblick auf das schweizerische und das französische System zu beachten, daß im Falle ei95 Vgl. auch Steinmeyer, FS Ahrend, S.479, der dafür wirbt, sich dem „aus Sicht anderer Mitgliedstaaten verständlichen Freizügigkeitsargument nicht völlig" zu verschließen und bereit zu sein, „das eigene System kritisch zu hinterfragen". Ahrend/Förster, BetrAVG, § 1 Rn. 1 „goldene Fessel". Auch der Gesetzgeber des BetrAVG ging davon aus, daß Verfallklauseln die Arbeitnehmermobilität bremsen und ging deshalb in der Beschränkung der Verfallklauseln über die Rechtsprechung hinaus. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 3 f. 96 Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 79ff.; ders., FS Ahrend, S. 479. 97 Schmitz, B B 1996, 1552. 9 8 Noch strenger EAS/Runggaldier B 2000 Rn. 55, der meint, der E u G H habe keine Recht, die Schwere der Rechtfertigungsgründe für Verfallklauseln in Betriebspensionszusagen der Grundfreiheit der Freizügigkeit gegenüberzustellen. 9 9 Zum Freizügigkeitsgesetz der Schweiz Walser, BetrAV 1997, 307ff.

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

131

ner obligatorischen Zusatzrente die Betriebsrente als personalpolitisches Instrument zur Anwerbung und Bindung von Arbeitskräften ohnehin nicht taugt 100 . Es ist keine Frage der Grundfreiheit der Freizügigkeit, über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und Zeitgemäßheit des einen oder anderen gesetzgeberischen Konzeption der Betriebsrente zu urteilen. Das Beschränkungsverbot bedeutet insbesondere nicht, daß nur die im Vergleich der Betriebsrentensysteme der Mitgliedstaaten dem Arbeitnehmer günstigste Unverfallbarkeitsregelung allein mit der Freizügigkeit vereinbar wäre 101 . Die Freizügigkeit verlangt keine Harmonisierung der Unverfallbarkeitsbestimmungen auf höchstem Niveau.

c) Untauglichkeit des Koordinierungsmodells

der VO (EWG) 1408/71

Der mithin legitime Zweck von Verfallklauseln, den Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit an einen Arbeitgeber zu binden, steht auch einer Übertragung des Koordinierungsmodell 102 des Sozialversicherungsrechts hinsichtlich der Zusammenrechnung von Beitragszeiten auf die europäischen Betriebsrentensysteme entgegen. Für die Invaliditätsversorgung 103 und die Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung 104 enthält die Verordnung Koordinierungsregeln, die sicherstellen, daß dem Berechtigten keine Nachteile daraus entstehen, daß Versicherungszeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten nach dem jeweiligen Sozialversicherungsrecht abgeleistet wurden. Kern der Regelungen ist es, daß bei der Ermittlung des Anspruchsgrundes nach den jeweiligen nationalen Rechten die Versicherungszeiten in allen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, während bei der Ermittlung der Leistungshöhe grundsätzlich nur die Versicherungszeiten im jeweiligen Mitgliedstaat zu berücksichtigen sind 105 . Spezielle Regeln sollen verhindern, daß ein Versicherter mit Anwartschaften nach mehreren Rentenversicherungsrechten Nachteile oder Vorteile gegenüber einem Versicherten mit einer Anwartschaft nur nach dem Recht eines Mitgliedstaates hat 106 . Die Auszahlung der aus der Summe der so ermittelten nationalen Ansprüche gebildeten Gesamtrente erfolgt durch den allein zuständigen Sozialversicherungsträger, der in der Regel durch die Antragstel-

100 Allerdings gibt es auch freiwillige Betriebsrentensysteme (Spanien), die eine sofortige Unverfallbarkeit vorsehen. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.28 unter 3.3.5. 101 Eine solcher Angleichungsmechanismus nach oben ist in anderem Kontext der Rechtsprechung des E u G H nicht fremd. Vgl. E u G H 08.04. 1976, Rs 43/75, Defrenne II, Slg. 455 zum Lohngleichheitsgebot des Art. 119 E G V (jetzt Art. 141 EG). Dagegen etwa Höfer, BB 1994 Beilage 15 vom 30.8. 1994, S. 6 (kostenneutrale Umgestaltung von Versorgungsordnungen). 102 Vgl. schon oben §1 D.I.3.b) (S.52f.). 103 Art. 37-43 V O ( E W G ) 1408/71. 104 Art. 44-51 V O ( E W G ) 1408/71. 105 EAS/Eichenhofer, B 1200 Rn. 136, 138 (zur Invaliditätsrente). 106 EAS/Eichenhofer, B 1200 Rn. 138 (zur Alters- und Hinterbliebenenrente).

132

$3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

lung am Wohnort bestimmt wird 1 0 7 . Intern findet zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern ein Ausgleich statt 1 0 8 . Zwar könnte mit diesem Modell theoretisch die Verfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften beim grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel beseitigt werden: Würden die Betriebszugehörigkeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern in verschiedenen Mitgliedstaaten für die Berechnung der Betriebsrente zusammengerechnet, würden Verluste vermieden, die aus der Verfallbarkeit von Anwartschaften nach nur kurzer Betriebszugehörigkeit in den meisten Mitgliedstaaten entstehen. Die Auszahlung der Gesamtbetriebsrente könnte durch einen einzigen Versorgungsträger erfolgen. Die Zusammenrechnung der Betriebszugehörigkeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern würde indessen den Zweck der Verfallklauseln unterlaufen. Während der Gedanke der Betriebsbindung im Sozialversicherungsrecht, das allein der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer dient, keine Rolle spielt, verfolgt in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit freiwilligen betrieblichen Altersversorgungssystemen der Arbeitgeber mit der Betriebsrentenzusage auch personalwirtschaftliche Zwecke. Würde dieses Anliegen durch einen europäischen Koordinierungmechanismus ausgehebelt, könnte dies zwar die Mobilität der Arbeitnehmer befördern, aber nur zu dem Preis, eine Betriebsbindung über die Betriebsrentenzusage zu verhindern, Betriebsrentenzusagen für den Arbeitgeber zu verteuern und damit möglicherweise die Zusagebereitschaft auf Arbeitgeberseite herabzusetzen. Das könnte aber dem sozialpolitischen Ziel, ein angemessenes Altersruhegeld zu garantieren 109 , zuwiderlaufen, und kann daher nur Gegenstand einer Abwägungsentscheidung des nationalen Gesetzgebers sein. Gegen die Beseitigung bestehender Beschränkungen der Freizügigkeit beim grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel durch eine Koordinierung entsprechend dem Sozialversicherungsmodell sprechen eine Reihe weiterer Gründe: Der erste betrifft die Kompetenz der Gemeinschaft zu einer solchen Koordinierung. Wie gezeigt 110 , erfaßt der Begriff der sozialen Sicherheit in Art. 42 E G jedenfalls freiwillige Systeme der Zusatzaltersversorgung nicht. Auch würden mit einem solchen Koordinierungsmechanismus, anders als im Sozialversicherungsrecht, auch rein innerstaatliche Sachverhalte - die Zusammenrechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten in nur einem Mitgliedstaat - neu geregelt. Eine gemeinschaftsweite Koordinierung der Betriebsrentensysteme könnte damit nicht auf Art. 42 E G gestützt werden. Praktisch steht auch die unübersehbare Zahl von möglichen

107 Zuständig als „bearbeitender Träger" nach Art.36, 41 V O ( E W G ) 574/72 ist grundsätzlich der Träger des Wohnortes. Ist dieser nach seinem nationalen Recht nicht zuständig, kommt der Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für den Arbeitnehmer galten, zum Zuge. Vgl. Schuler, in Nomos-Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 1.44 S. 3 ff. zu Art. 36, 41 V O ( E W G ) 574/72. 108 EKS/Eichenhofer, B 1200 Rn. 135ff., 138. 1 0 9 Dieses sozialpolitische Ziel formuliert auch die Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.24 unter 3.2.6 am Ende. 110 S.o. §1 D.I.3. (S.53ff.).

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

133

Verpflichteten aus Betriebsrentenzusagen (Arbeitgebern und sonstigen Versorgungsträgern) Koordinierungsregeln ähnlich denen im Sozialversicherungsrecht entgegen. Die Akkumulation von Beitragszeiten im Hinblick auf die Leistungen setzt einen internen Ausgleich zwischen den Versorgungsträgern voraus, der zwischen den zusagenden Arbeitgebern und sonstigen Versorgungsträgern in verschiedenen Mitgliedstaaten viel zu kompliziert und nicht zu handhaben wäre 111 . Eine dem Koordinierungsmodell der V O ( E W G ) 1408/71 entsprechende, auf Art. 42 E G gestützte Koordination der Zusatzaltersversorgungssysteme der Mitgliedstaaten ist daher de lege ferenda weder zulässig noch sinnvoll und wird auch von der Kommission als gangbarer Weg verworfen 112 .

d) Ergebnis Die im internationalen Vergleich relativ langen Unverfallbarkeitsfristen des deutschen Rechts sind mit dem europarechtlichen Freizügigkeitsgebot vereinbar. Ihre die Freizügigkeit beschränkende Wirkung ist durch ein vom deutschen Gesetzgeber definiertes Allgemeininteresse gerechtfertigt. Allerdings ist dieses Ergebnis nur für den Status quo richtig. Sollte eine drastische Absenkung des N i veaus der Sozialversicherungsrente (erste Säule) dazu führen, daß die Betriebsrente ihren nur ergänzenden Charakter verliert und ein unabdingbarer Bestandteil der sozialen Sicherheit wird, müßte das Auswirkungen auch auf die Bestandssicherheit der Betriebsrente bei einem Arbeitgeberwechsel haben. Die derzeit geltenden Unverfallbarkeitsfristen wären dann nicht mehr zu rechtfertigen, weil ein Verlust der Betriebsrentenanwartschaften den Arbeitnehmer ungleich schwerer in seiner Alterssicherung träfe. Damit ist auch ein isolierter Vergleich der Länge der Unverfallbarkeitsfristen in verschiedenen Betriebsrentensystemen wenig aussagekräftig. Die Unverfallbarkeitsfrist muß in Relation zur Funktion der Betriebsrente im jeweiligen nationalen Alterssicherungssystem gesehen werden 113 .

2.

Wartezeiten

Die Wartezeit ist eine Leistungsvoraussetzung für die Betriebsrente, die angibt, wann überhaupt ein Versorgungsanspruch entstehen kann. Die Länge der Wartezeiten ist ein wesentliches Finanzierungselement betrieblicher Altersversorgung 114 . Im deutschen Recht hat der Arbeitgeber bei der Bestimmung einer solchen Wartezeit einen sehr weiten, nur durch §242 B G B begrenzten Gestaltungs-

Steinmeyer, FS Ahrend, 481 f.; Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.22f. Steinmeyer, EuZW 1991, 44. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß schlägt dagegen vor, Art 51 E G V (nach Änderung jetzt Art. 41 E G ) auch für die entsprechende Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten für ergänzende Alters Versorgungssysteme nutzbar zu machen; Art 51 E G V schließe diese Möglichkeit nicht aus, vgl. RdA 1993, 47 unter 2.1.1. 113 Ebenso schon Langer-Stein/Pompe/Waskow/Zuleger, Arbeitsmarkt Europa, S. 133. 114 Stürmer, BetrAV 1998, 214. 111 112

134

5-5 Freizügigkeit und betriebliche

Altersversorgung

Spielraum 115 . Sieht eine betriebliche Versorgungsregelung Wartezeiten vor, die über die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen hinausgehen, so können diese längeren Wartezeiten nach Eintritt der Unverfallbarkeit nach § 1 Abs. 1 S. 5 BetrAVG auch außerhalb des Unternehmens abgeleistet werden, sofern die Erfüllung der Wartezeit bei einem unterstellten weiteren Verbleiben des Arbeitnehmers in den Diensten des Arbeitgebers bis z u m Erreichen der Altersgrenze möglich wäre 116 . Mit der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot unvereinbar wäre es, die Wartezeiterfüllung mit der Bedingung zu verknüpfen, daß der Arbeitnehmer sich auch nach Eintritt der Unverfallbarkeit u n d der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin im Inland aufhält. Für eine solche Beschränkung der Freizügigkeit gibt es kein rechtfertigendes Allgemeininteresse. Eine solche Regelung verstieße aber auch gegen das Verbot mittelbarer Diskriminierung, w e n n es zutrifft, daß typischerweise mehr ausländische als inländische Arbeitnehmer nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland suchen. Das ist wohl zu bejahen. Das BetrAVG u n d die Rechtsprechung stellen keine Anforderungen an den O r t des Aufenthalts des Arbeitnehmers im Rahmen der Wartezeiterfüllung. Sollten aber individual- oder kollektivrechtliche Versorgungszusagen die Wartezeiterfüllung mit der Bedingung des Aufenthalts im Inland verknüpfen, wäre eine solche Bestimmung als im Hinblick auf Art. 39ff. E G mittelbar diskriminierend u n d aufgrund der unmittelbaren Drittwirkung der Freizügigkeit als unanwendbar anzusehen 1 1 7 . Als Ergebnis ist festzuhalten: Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Wartezeiten berührt die Freizügigkeit nicht. Bei einer Wartezeit unterhalb der Unverfallbarkeitsfrist wirkt sich erstere gegenüber letzterer nicht aus. Wartezeiten, die über die jeweilige Unverfallbarkeitsfrist hinausgehen, beschränken den Arbeitnehmer in keiner Weise in seiner Freiheit, ein anderes Arbeitsverhältnis im Inoder Ausland einzugehen. Das Bedenken der Kommission, „übertrieben lange Wartezeiten" könnten die Mobilität von Arbeitskräften bremsen 1 1 8 , ist im H i n blick auf das deutsche Recht also unbegründet.

115

H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn.268f. Auch sehr lange Wartezeiten, z.B. 35 Jahre, hält die Rechtsprechung für zulässig. 116 BAG 07.07.1977,3 AZR 570/76, AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Wartezeit; BAG 28.02. 1989,3 AZR 470/87, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Wartezeit; Ahrend/Förster, BetrAVG § 1 Rn. 40; H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn.270. 117 Für Kollektivvereinbarungen käme auch das Beschränkungsverbot zum Tragen. S.o. §2 D.II.2. (S. 104ff.). 118 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., unter 3.3.5, S.27f.; Grünbuch, K O M (97) 283, S. 19 unter Nr. 54; dazu Antworten auf das Grünbuch, K O M (97) 283, S.26f. unter Nr. 77-80.

C. Grenzüberschreitender

II. Mechanismen

Arbeitgeberwecbsel

ins Ausland

des Betriebsrentenschutzes beim den Arbeitgeberwechsel

135

grenzüberschreiten-

Scheidet ein Arbeitnehmer beim Arbeitgeber in Deutschland mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus und geht ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ein, kann unter jeweils gesondert zu prüfenden Voraussetzungen die unverfallbare Anwartschaft aufrechterhalten, übertragen oder abgefunden werden.

1. Aufrechterhaltung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften Altersversorgungssystem des bisherigen Arbeitgebers a) §§1,2

beim

BetrAVG

Im Falle eines Arbeitgeberwechsels werden unverfallbare Versorgungsanwartschaften des Arbeitnehmers beim alten Arbeitgeber im Fall der Direktzusage 1 1 9 aufrechterhalten. Entsprechendes gilt für die Pensionskassenzusage durch die prämienfreie Fortführung des Versicherungsverhältnisses für die vom Arbeitgeber aufgebrachten Beitragsteile. Auch im Fall einer Unterstützungskassenzusage wird der ausscheidende Arbeitnehmer in seiner Rechtsposition einem bis zum Versorgungsfall im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer, gleichgestellt. Im Fall der Direktversicherung wird das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erreicht, indem der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer verpflichtet wird, das zunächst widerrufliche Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen und im Fall einer schon erfolgten Abtretung oder Beleihung des Bezugsrechts den Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre eine solche wirtschaftliche Nutzung des Bezugsrechts nicht erfolgt 1 2 0 . Weshalb der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und ob er in einem anderen Mitgliedstaat der Union einen neuen Arbeitgeber gefunden hat, ist für die Aufrechterhaltung unverfallbarer Anwartschaften ohne Belang. Nur in sehr engen Grenzen ist ein Widerruf von Versorgungsanwartschaften wegen einer Treuepflichtverletzung des (ehemaligen) Arbeitnehmers möglich 1 2 1 . Der Wechsel eines Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat stellt keine Treuepflichtverletzung dar. Liegt nun - wie es die Kommission annimmt 1 2 2 - eine Beschränkung der Freizügigkeit vor, wenn bei der Aufrechterhaltung unverfallbarer Anwartschaften die künftige Durchschnittslohn- oder Preisentwicklung für die aufrechterhaltene

1 1 9 Bei allen durch Bilanzrückstellungen und nach dem Umlageverfahren finanzierten Systemen der betrieblichen Altersversorgung kommt im Normalfall nur die Aufrechterhaltung der Anwartschaften in Frage, da diese Systeme kein Vermögen zur Deckung ihrer Altersruhegeldverpflichtungen zurücklegen. Vgl. Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.24 unter 3.2.5. 1 2 0 Vgl. näher Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 233ff., 341 ff. und 362ff. 121 Zu den Voraussetzungen (kritisch) Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 117ff. 1 2 2 Mitteilung der Kommission, S E K ( 9 1 ) 1332 endg., S.23f. unter 3.2.4 und S.28 unter 3.3.6.

136

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Anwartschaft nicht berücksichtigt, die aufrechterhaltenen Anwartschaften nicht dynamisiert werden? Das deutsche Betriebsrentenrecht kennt - im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Rechtsordnungen 1 2 3 - überhaupt keine Wertsicherung der Betriebsrentenanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer (§2 Abs. 5 BetrAVG 124 ), wohl aber in § 16 BetrAVG eine Anpassungs(prüfungs)verpflichtung hinsichtlich der Betriebsrenten 125 . Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer werden nicht dynamisiert, ganz unabhängig davon, ob der vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitgeber im In- oder Ausland wechselt. Damit wirkt die fehlende Wertsicherung der Anwartschaften jedenfalls nicht freizügigkeitsbehindernd i.S. des relativen Beschränkungsverbotes. Das absolute Beschränkungsverbot hinsichtlich der Mobilität weg vom deutschen Arbeitgeber könnte betroffen sein, wenn ein Arbeitnehmer bei einem vorzeitigen Ausscheiden bei seinem Arbeitgeber einen Nachteil erleidet, der darüber hinausgeht, ihm zeitanteilig den bei fortbestehender Betriebszugehörigkeit erreichbaren Anspruch zu kürzen. §2 Abs. 5 BetrAVG sieht für die Berechnung der Höhe des unverfallbaren Anspruchs das ratierliche Berechnungsverfahren vor. Der erreichbare Anspruch wird im Verhältnis der möglichen zur tatsächlichen Betriebszugehörigkeitszeit gekürzt 126 . Maßgeblich ist hierfür die Bemessungsgrundlage im Ausscheidenszeitpunkt 127 . Diese wird nicht angepaßt (sog. Veränderungssperre). Damit kann der Nachteil des vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmers über die pro-rata-temporis-Kürzung hinausgehen 128 . Die Gründe, die im deutschen Recht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung des ausscheidenden im Vergleich zu den verbleibenden Arbeitnehmern angeführt werden 1 2 9 , können auch als Gründe des Allgemeininteresses i.S. der Freizügigkeitsdogmatik verstanden werden: Die Veränderungssperre dient der Rechtsklarheit 130 . Zudem erarbeitet der ausscheidende Arbeitnehmer nicht mehr etwaige sich in Lohnsteigerungen widerspiegelnde Produktivitätsfortschritte, und er unterliegt auch nicht mehr der Regelungsgewalt des Arbeitgebers bzw. der Kollektivvertragspartner 131 . In Zeiten wirtschaft123 Vgl. zur Indexierung der Anwartschaften in Osterreich, Finnland, Irland, dem Vereinigten Königreich und Frankreich Tamburi, A n appraisal of the financial and cost issues, S. 18ff. 124 Dazu Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 R n . 3 8 4 f f . 125 Näher zu § 16 BetrAVG unten D.III. (S. 147ff.). 126 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 Rn. 12ff. 127 Vgl Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 Rn. 384ff.; vgl aber auch § 2 Rn. 17 z u m seltenen Fall eines Kumulierungseffekts, der zu einer deutlich überhöhten Betriebsrente bei häufigem Arbeitgeberwechsel führen kann. 128 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 Rn. 385. Vgl. auch schon Gumpert, BB 1975, 1489f., der einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleicheitsgrundsatz annimmt. 129 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 R n . 3 8 5 . 130 Zugegebenermaßen wäre auch eine Anpassung an die sich verändernden Bemessungsgrundlagen klar regelbar. Die Regelung wäre aber wesentlich komplizierter als das geltende Recht. 131 Bei der versicherungsförmigen Lösung bei der Direktversicherung u n d der Pensionskasse

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

137

licher Schwierigkeiten schlägt außerdem zu Buche, daß auch keine nachträgliche Veränderung der Bemessungsgrundlagen zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt wird. Diese Gründe rechtfertigen eine mögliche Schlechterstellung des ausscheidenden im Vergleich zum im Betrieb verbleibenden Kollegen und die darin liegende Beschränkung der absoluten Freizügigkeit weg vom deutschen Arbeitgeber 1 3 2 .

b) ArtARL

98/49/EG

Die Forderung des Art. 4 R L 9 8 / 4 9 / E G , der i.S. des relativen Beschränkungsverbots die vollständige Aufrechterhaltung erworbener Rentenansprüche 1 3 3 mindestens im gleichen Umfang wie für Arbeitnehmer, die im gleichen Mitgliedstaat den Arbeitgeber wechseln, verlangt, ist im deutschen Betriebsrentenrecht - wie gezeigt - bereits erfüllt.

2. Grenzüberschreitende ten (§4 BetrAVG)

Übernahme

von

Versorgungsverbindlichkei-

Eine zweite Möglichkeit, die Freizügigkeit des Arbeitnehmers im Fall des grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsels zu sichern, besteht in der Übertragung der Versorgungsverbindlichkeiten vom Altarbeitgeber auf den Neuarbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat.

a) Kollisionsrechtliche

Vorfragen

Die grenzüberschreitende Übertragung einer Versorgungsverbindlichkeit ist ein Sachverhalt mit Auslandsberührung, der kollisionsrechtliche Fragen aufwirft. Man mag der Einfachheit halber zunächst davon ausgehen, daß die betriebliche Altersversorgung für einen in Deutschland bei einem Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer dem deutschen Betriebsrentenrecht unterliegt, die betriebliche Altersversorgung für einen in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer eines dort ansässigen Arbeitgebers der dortigen Rechtsordnung - wie es in der Praxis regelmäßig der Fall ist 134 .

können nachträgliche Änderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen ohnehin keine Berücksichtigung finden, weil das Versicherungsverhältnis vom Arbeitgeber abgekoppelt wird und insgesamt auf den Arbeitnehmer übergeht. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §2 Rn.390. 132 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §2 Rn.385f. mit umfassenden weiteren Nachweisen. 133 Vgl. die Definition in Art. 3 lit. d der Richtlinie. Damit sind wohl auch unverfallbare Anwartschaften gemeint. Art. 4 der Richtlinie bleibt hinter dem Vorschlag für „Leitlinien für einen Gemeinschaftsrahmen zum Schutz ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen" zurück, der noch eine Dynamisierung unverfallbarer Anwartschaften vorsah. Hierzu Rößler, BetrAV 1995, 67f. 134 Dazu, ob und in welchen Fällen über eine kollisionsrechtliche Rechtswahl hiervon abgewichen werden kann, unten § 6 C . (S. 281 ff.) und §8 C., D. (S. 345ff., 379ff.).

138

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Die nächste kollisionsrechtliche H ü r d e ist das Statut der Übernahme. O b eine befreiende grenzüberschreitende Ü b e r n a h m e einer Versorgungsverbindlichkeit nach deutschem Recht möglich ist, richtet sich nach dem Statut der ü b e r n o m m e nen Schuld. Dieses entscheidet auch darüber, ob es einer Genehmigung des Gläubigers, also des Arbeitnehmers, bedarf 1 3 5 . Für die privative Ü b e r n a h m e einer Betriebsrentenverbindlichkeit deutschen Rechts sind damit die §§414, 415 BGB, §4 BetrAVG und die hierzu ergangene Rechtsprechung maßgeblich.

b) Übertragung ins Ausland: Relative Beschränkung weg vom deutschen Arbeitgeber?

der

Freizügigkeit

§4 BetrAVG beschränkt den Kreis derer, die Verbindlichkeiten aus unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaften und -ansprächen schuldbefreiend übernehmen können 1 3 6 . Die Übertragungsverbote des §4 BetrAVG zielen auf einen Schutz des Arbeitnehmers vor sich selbst, konkret vor einer Zustimmung zu einer den Altschuldner befreienden Übertragung, die ihm einen neuen Schuldner minderer Bonität einbringt 137 . Im Zusammenhang mit den Insolvenzschutzbestimmungen des BetrAVG bezweckt §4 BetrAVG die Erhaltung der bisherigen H a f tungsmasse zugunsten des Versorgungsberechtigten bzw. des im Insolvenzfall eintrittspflichtigen PSVaG 138 . Die Übertragung unverfallbarer Anwartschaften u n d Ansprüche auf N a c h folgearbeitgeber mit Sitz im Inland wird durch §4 BetrAVG nicht eingeschränkt. Können nach deutschem Recht begründete Verbindlichkeiten aus unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaften und -ansprächen nicht ebenso frei auf einen N a c h folgearbeitgeber im Ausland übertragen werden, kann hierdurch die grenzüberschreitende Mobilität weg vom deutschen Arbeitgeber beschränkt sein. Die Übertragung auf einen ausländischen Nachfolgearbeitgeber ist nicht generell ausgeschlossen 139 . Der Wortlaut des §4 BetrAVG steht nicht entgegen. F ü h r t allerdings die grenzüberschreitende Übertragung auf einen Nachfolgearbeitgeber mit Sitz im Ausland entweder zu einem Verlust des Insolvenzschutzes über den PSVaG, oder ist im Insolvenzfall und einer Eintrittspflicht des PSVaG dessen Zugriffsmöglichkeit nach §9 BetrAVG auf Haftungsmasse des ausländischen N a c h folgearbeitgebers nicht gewährleistet, ist der Schutzzweck des § 4 BetrAVG durch die grenzüberschreitende Übertragung berührt. 135 Kropholler, Internationales Privatrecht, §52 VII 4, S. 440; Martiny, in: R e i t h m a n n / M a r t i ny, Internationales Vertragsrecht, R n . 3 2 5 m . w . N . N ä h e r unten § 9 B. (S.395ff.). 136 B A G vom 17.03. 1987, 3 A Z R 605/85, A P N r . 4 zu §4 BetrAVG = SAE 1988, 322 (Schüren)-, insoweit o h n e Einwände Stern/Stern, Die Ü b e r t r a g u n g von Ruhegeldansprüchen, S. 86f.; ablehnend Thieme/Löchelt, BB 1981 Beilage 10, S.4ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §4 R n . 2 8 f f . 137 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §4 R n . 3 . 138 B A G vom 17.03. 1987, a.a.O.;. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §4 R n . 4 . 139 Ebenso Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1053. D e r ohnehin dubiose N o r m z w e c k des §4 BetrAVG stehe einer grenzüberschreitenden Ü b e r t r a g u n g auf ein ausländisches Beschäftigunsgunternehmen nicht entgegen.

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

139

Diese Fragen nach dem Insolvenzschutz bei der Übernahme deutscher Betriebsrentenverbindlichkeiten durch ausländische Nachfolgearbeitgeber gehören zu den zentralen u n d umstrittenen Fragen des Kollisionsrechts betrieblicher Altersversorgung und der A n w e n d u n g deutschen Sachrechts auf Auslandssachverhalte. Sie werden ausführlich im Zweiten Teil der Arbeit (§§ 8 u n d 9) behandelt. Die A n t w o r t auf die Frage nach etwaigen in § 4 BetrAVG u n d dem Insolvenzschutzsystem der §§7-15 BetrAVG begründeten relativen Freizügigkeitshindernissen m u ß daher zurückgestellt werden, bis diese kollisions- und sachrechtlichen Fragen des internationalen Insolvenzschutzes geklärt sind 140 .

c) Kein Wahlrecht zwischen Aufrechterhaltung Übertragung

und

grenzüberschreitender

Das deutsche Recht gibt dem Arbeitnehmer kein Wahlrecht zwischen der A u f rechterhaltung der Betriebsrentenanwartschaft beim Altarbeitgeber und einer Übertragung auf den neuen Arbeitgeber. Ein Anspruch auf Übertragung kann sich allenfalls im Einzelfall aus dem Arbeitsverhältnis oder aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Versorgungsträger ergeben 141 . Damit findet das Arbeitnehmerinteresse, trotz eines oder mehrerer Arbeitgeberwechsel bei Eintritt des Versorgungsfalles eine aus mehreren Teilrenten zusammengesetzte Gesamtbetriebsrente 1 4 2 von einer einzigen Stelle zu erhalten und die Vorteile aus der A n rechnung von Vordienstzeiten bei einer Folgezusage des Nachfolgearbeitgebers zu ziehen, im Gesetz keine Beachtung 1 4 3 . Gleiches gilt f ü r das Interesse des Altarbeitgebers bzw. Versorgungsträgers, von der Verwaltung der unverfallbaren A n wartschaften und der fortlaufenden Auszahlung im Versicherungsfall entlastet zu werden. Die Kommission sieht hierin ein Freizügigkeitsproblem 1 4 4 . Sie erwägt, zur Gewährleistung der Freizügigkeit ein Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen der Aufrechterhaltung und der Übertragung von Versorgungsanwartschaften zu begründen, sofern das nationale Betriebsrentensystem überhaupt eine Übertragung vorsieht. O b w o h l die Kommission von der grenzüberschreitenden Übertragung von Anwartschaften spricht, geht es ihr in der Sache nicht u m einen Gläubigerwechsel, sondern u m einen Schuldnerwechsel. Dieser wird im deutschen Betriebsrentenrecht in aller Regel in einem Schuldübernahmevertrag nach §415 140

Die Frage wieder aufgenommen unten §9 B.I.3. und II. (S.397ff. und S.402f.). BAG vom 21.01. 1992, 3 AZR 82/91, AP Nr. 5 zu §4 BetrAVG = E-BetrAV 230 Nr. 8, wo ein solcher Anspruch i.E. verneint wird; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §4 Rn.94. 142 Anders Art.44ff. V O (EWG) 1408/71, die den Bezug einer einheitlichen Sozialversicherungsrente ermöglichen. EAS/Marschner, B 9100, Rn.40ff. 143 Zwar könnte der Nachfolgearbeitgeber oder sonstige Versorgungsträger in den Grenzen des §4 BetrAVG auch durch Vertrag mit dem anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer die Schuld gemäß §414 BGB befreiend übernehmen. Der Arbeitnehmer kann dies aber regelmäßig nicht durchsetzen. 144 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg, S.29 unter 3.3.7. Dazu Steinmeyer, FS Ahrend, S.486. 141

140

5-i Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

B G B geregelt. Ein befreiender Schuldübernahmevertrag zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem übernehmenden Arbeitgeber oder Versorgungsträger nach §414 B G B kommt in der Praxis kaum vor 1 4 5 . Die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche hat das Problem der Übertragung von Betriebsrentenverbindlichkeiten und der Einräumung eines Wahlrechts zwischen Aufrechterhaltung und Übertragung nicht behandelt. Im Grünbuch „Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt" wird die Frage wieder aufgenommen und einem zu schaffenden Pensionsforum der Gemeinschaft 1 4 6 zur Lösung angetragen 147 . Allerdings erwägt die Kommission die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Übertragung überhaupt nur noch von Systemen und in Systeme, die nach dem Kapitaldeckungsverfahren arbeiten. Sie sieht die Hauptprobleme in der korrekten versicherungsmathematischen Bewertung der Anwartschaften. Den Überlegungen der Kommission steht wohl ein System wie das irische Modell vor Augen: I m irischen R e c h t ist ein Wahlrecht zwischen der Aufrechterhaltung und der Ü b e r t r a g u n g von Versorgungsanwartschaften vorgesehen. D e r A r b e i t n e h m e r kann bei einem A r b e i t g e berwechsel zwischen der Aufrechterhaltung der A n w a r t s c h a f t beim Altarbeitgeber (in diesem Fall jährliche N e u b e w e r t u n g ) und der Ü b e r t r a g u n g w ä h l e n 1 4 8 . D e r dem A r b e i t n e h m e r zustehende „transfer value" kann in letzterem Fall entweder in das B e t r i e b s r e n t e n s y stem des neuen Arbeitgebers eingebracht und die R e c h t e aus der alten Versorgungszusage übertragen werden oder aber dazu genutzt werden, eine private Versicherung bei einer L e bensversicherungsgesellschaft a b z u s c h l i e ß e n 1 4 9 . Erleichtert wird die direkte interne Ü b e r tragungslösung des irischen Systems durch das Kapitaldeckungsverfahren, bei dem das angesammelte Kapital einfach transferiert werden k a n n 1 5 0 . Allerdings m u ß das B e t r i e b s r e n tensystem, in das übertragen wird, unter den irischen Pensions A c t fallen und das eingeschaltete Lebensversicherungsunternehmen seinen Sitz in Irland h a b e n 1 5 1 . E i n e grenzüberschreitende Ü b e r t r a g u n g von Betriebsrentenanwartschaften ist daher auch nach irischem R e c h t nicht möglich.

Die Hindernisse für eine grenzüberschreitende Übertragung de lege ferenda auszuräumen, scheint in bezug auf das irische System keine unüberwindlichen Schwierigkeiten aufzuwerfen. Die Beschränkung der Übertragung auf Lebensversicherungsunternehmen mit Sitz nur in Irland ist ohnehin wohl kaum mit den Richtlinien zur Lebensversicherung zu vereinbaren. Eine Lösung de lege ferenda Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 4 R n . 9 2 f . S.o. §1 D . I . 4 . (S.60f.). 1 4 7 Grünbuch, K O M (97) 283, S.21 unter Nr.61; dazu Antworten auf das Grünbuch, K O M (97) 283, S.27f. unter Nr. 81-83. 1 4 8 So Mitteilung der Kommission, S E K ( 9 1 ) 1332 endg., S.23f. unter 3.2.4. und 3.2.5. und S.35. 149 Mangan, Protection of Workers' Rights Under Supplementary Pension Provision, Report on Ireland, unter 3.2.3. Auch hier müßte statt von der Übertragung der Rechte eigentlich von der Übertragung von Verbindlichkeiten die Rede sein. 1 5 0 Mitteilung der Kommission, S E K ( 9 1 ) 1332 endg., S.35; Steinmeyer, FS Ahrend, S.486f. 151 Mangan, Protection of Workers' Rights under Suppelementary Pension Provision, Report on Ireland, Rn. 3.2.3. 145

146

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

141

müßte in der Anerkennung der Betriebsrentensysteme anderer Mitgliedstaaten zu finden sein, die allerdings nur im Wege der Gegenseitigkeit zu erreichen sein wird. Diese Probleme werden hier nicht weiter verfolgt. Denn es ist mit der Freizügigkeit de lege lata vereinbar, daß das deutsche Recht kein Wahlrecht zwischen der Aufrechterhaltung und der Übertragung vorsieht. Zwar liegt ein Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen der Aufrechterhaltung und der Übertragung im Interesse des Arbeitnehmers. Hat der Arbeitnehmer aber kein solches Wahlrecht, ist die freizügigkeitsbeschränkende Wirkung des Fehlens einer Übertragungsoption als sehr gering einzustufen, wenn die Aufrechterhaltung der Anwartschaften beim Altarbeitgeber gesichert ist. Das ist im deutschen Betriebsrentenrecht wie gezeigt der Fall. Die Rechtfertigung der etwaigen Freizügigkeitsbeschränkung ist schon allein darin zu finden, daß es im deutschen System freiwilliger Betriebsrentenzusagen systemfremd wäre, einen Nachfolgearbeitgeber, der in keinerlei vertraglicher oder Konzernbeziehung zum Vorarbeitgeber stehen muß, zur Übernahme einer von diesem begründeten Betriebsrentenverbindlichkeit zu verpflichten, wenn nur der zu ihm gewechselte Arbeitnehmer es so wünscht. Nach §§414, 415 B G B bedarf es für einen Schuldnerwechsel eines entsprechenden Vertrages mit dem Übernehmer. Das Recht des Arbeitnehmers, für eine Übertragung der unverfallbaren Betriebsrentenverbindlichkeit zu optieren, wäre nur über eine gesetzliche Verpflichtung des Nachfolgearbeitgebers zum Abschluß eines Schuldübernahmevertrages entweder mit dem Arbeitnehmer oder dem ebenfalls gesetzlich hierzu verpflichteten Altarbeitgeber oder durch einen gesetzlichen Schuldnerwechsel rechtlich umzusetzen. In beiden Fällen würde der Nachfolgearbeitgeber den Arbeitnehmer gleichsam mit einem Betriebsrentenanspruch im Gepäck einstellen, was u.U. die Chancen eines so befrachteten Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls bei solchen Arbeitgebern mindern könnte, die prinzipiell keinerlei Betriebsrentenzusagen machen möchten 1 5 2 . Da die Abwicklung bei einer Direktzusage, die überwiegend über Bilanzrückstellungen finanziert und bei der kein Vermögen zurückgelegt wird, nicht über eine schlichte Übertragung des angesammelten Kapitals erfolgen kann 153 , müßte ein dem übernehmenden Arbeitgeber zuzuerkennender Aufwandsersatzanspruch dem Grund und der Höhe nach geregelt werden 154 . Für diesen Aufwandsersatzanspruch werden sich die von der Kommission angeführten Probleme der versicherungsmathematischen Bewertung der übertragenen Verbindlichkeit stellen. Die Schwierigkeiten einer Übertragung mögen beim Durchführungsweg der Direktversicherung geringer sein. Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller vier Durchführungswege im deutschen Recht verbietet es aber, dem Arbeitnehmer nur bei diesem ein Wahlrecht zuzugestehen. 152 Zwar geht es hier nur um eine Schuld-, nicht um eine Vertragsübernahme. Die administrativen Lasten für den übernehmenden Arbeitgeber sind aber ähnlich. Auch er muß die schon erarbeiteten Anwartschaften verwalten und die Betriebsrente im Versorgungsfall auszahlen. 153 Steinmeyer, FS Ahrend, S. 486. 154 Richter/Schanz, BB 1994, 405 zu entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen.

142

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Die genannten Gründe sprechen gegen ein Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen der Aufrechterhaltung unverfallbarer Anwartschaften beim Altarbeitgeber und der Übertragung der unverfallbaren Versorgungsverbindlichkeit. Insoweit das Fehlen eines solchen Wahlrechts überhaupt eine die Freizügigkeit beschränkende Wirkung hat, betrifft diese Wirkung die interne und die grenzüberschreitende Mobilität gleichermaßen. Die somit absolute Beschränkung der Freizügigkeit ist im Interesse der Stimmigkeit des deutschen Betriebsrentenrechts gerechtfertigt. Eine Übertragungsoption für den Arbeitnehmer unterhöhlt die prinzipielle Freiwilligkeit der Betriebsrentenzusage im deutschen Recht 155 .

d) Übertragung

ins Inland: Mobilität hin zum deutschen

Arbeitgeber

Die Mobilität hin zum deutschen Arbeitgeber ist durch §4 BetrAVG selbst nicht berührt. Die Vorschrift erfaßt nur Versorgungsleistungen nach § 2 Abs. 1 bis 4 BetrAVG. Betriebsrentenverbindlichkeiten, die bei ausländischen Arbeitgebern nach ausländischem Recht begründet wurden, können vom deutschen Arbeitgeber nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ohne gesetzliche Beschränkung übernommen werden. Etwaige Hindernisse hierfür ergeben sich allein aus Bestimmungen des betroffenen ausländischen Statuts der Verbindlichkeit.

3. Kapitalabfindung

(§3 BetrAVG)

§ 3 BetrAVG enthält ein Abfindungsverbot für unverfallbare Anwartschaften. Während die bis zum 31.12. 1998 geltende Fassung ein Abfindungsverbot für unverfallbare Anwartschaften enthielt, die 10 Jahre oder länger bestehen 156 , hebt die Neufassung 1 5 7 maßgeblich auf den Wert der Anwartschaften ab. Danach hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei einer sehr geringwertigen Anwartschaft (§3 Abs. 1 S.2 BetrAVG) einen Rechtsanspruch auf Abschluß eines Erlaßvertrages. Die Verwendung der Abfindungssumme ist in das Belieben des Arbeitnehmers gestellt. Diese Freiheit hat der Arbeitnehmer auch im Falle der Abfindung einer geringwertigen Anwartschaft (§3 A b s . l S.3 Nr. 1 BetrAVG). Hier hat der Arbeitnehmer allerdings keinen Anspruch auf Abschluß eines Erlaßvertrages. Die Anwartschaft kann jedoch mit seiner Zustimmung abgefunden werden. Bei einer Anwartschaft mittleren Werts (§3 Abs. 1 S.3 Nr.2 BetrAVG) 155 Zur größeren Offenheit obligatorischer Systeme für Freizügigkeit auch Reinhard, in: Kaufmann/Kessler/von M a y d e l l , Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 330. 156 W u r d e n Anwartschaften nach § 1 Abs. 1 2. Alt. BetrAVG vor dem Ablauf von 10 Jahren ab Zusageerteilung unverfallbar, fingierte das Gesetz, daß sie nur eine geringfügige Rente ergeben. Kritisch hierzu Ahrend/Förster, BetrAVG, 6. Aufl. § 3 A n m . 1. 157 Die Neuregelung des § 3 BetrAVG durch A r t . 9 1 Nr. 1 E G I n s O z u m 1.1. 1999, der eine einmalige A b f i n d u n g ohne Zustimmung des Arbeitnehmers auch f ü r den Teil einer A n w a r t schaft zuläßt, die während eines Insolvenzverfahrens erdient w o r d e n ist, sofern die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt und das U n t e r n e h m e n liquidiert w i r d ( § 3 Abs. 1 S. 4 BetrAVG n.F.), spielt für unseren Zusammenhang keine Rolle. Vgl. z u m Zweck der Neuregelung Lohkemper, KTS 1996,41.

C. Grenzüberschreitender

Arbeitgeberwechsel

ins Ausland

143

k a n n e b e n f a l l s m i t Z u s t i m m u n g des A r b e i t n e h m e r s a b g e f u n d e n w e r d e n . A l l e r d i n g s u n t e r l i e g t die A b f i n d u n g e i n e r Z w e c k b i n d u n g . D e r A b f i n d u n g s b e t r a g m u ß z u m A u f b a u e i n e r V e r s o r g u n g in d e r g e s e t z l i c h e n R e n t e n v e r s i c h e r u n g , e i n e r D i rektversicherung oder Pensionskasse verwendet werden158. D i e V o r s c h r i f t ist A u s d r u c k e i n e r a m V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s g r u n d s a t z o r i e n t i e r t e n A b w ä g u n g z w i s c h e n d e m S c h u t z i n t e r e s s e des A r b e i t n e h m e r s u n d d e m I n t e r esse des A r b e i t g e b e r s o d e r V e r s o r g u n g s t r ä g e r s , B a g a t e l l r e n t e n , die in k e i n e m v e r nünftigen Verhältnis zu seinem Verwaltungsaufwand stehen, zu vermeiden159. D e r g l e i c h e G r u n d g e d a n k e liegt A b f i n d u n g s v e r b o t e n in a n d e r e n e u r o p ä i s c h e n Ländern zugrunde160. § 3 B e t r A V G gewährleistet mit dem Abfindungsverbot einen Schutz des Arbeitnehmers vor sich selbst, der bei der versicherungsvertraglichen Abwicklung einer Direktversicherung und einer Pensionskassenzusage über die dem Arbeitnehmer auferlegten Verfügungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 2 S. 4 bis 6, Abs. 3 S. 2 und 3 B e t r A V G in vergleichbarer Weise erreicht wird 1 6 1 . Bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Unverfallbarkeit kann diesem zwar die Versicherung nach § 2 Abs. 2 S. 2 B e t r A V G unter den dort genannten Voraussetzungen „mitgegeben", also die Versicherungsnehmerstellung eingeräumt werden (versicherungsförmige Lösung). Eine wirtschaftliche Verwertung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag durch den Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalles ist aber aufgrund der Verfügungsbeschränkungen in § 2 Abs. 2 S. 4 - 6 B e t r A V G grundsätzlich ausgeschlossen 1 6 2 . Streitig ist, ob der Versicherer unter den Voraussetzungen des § 3 B e t r A V G die Versicherung kündigen und das Bezugsrecht des Arbeitnehmers abfinden darf 1 6 3 . Wenn man dies bejaht, gelten die nachfolgenden Überlegungen zur Abfindung für die versicherungsförmige vorzeitige Abwicklung einer Versorgungszusage entsprechend. D i e nur beschränkte Zulässigkeit einer Kapitalabfindung unverfallbarer A n w a r t s c h a f t e n e r l a u b t es b e i m g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e n A r b e i t g e b e r w e c h s e l Arbeitnehmer,

der

schon

höherwertige

unverfallbare

Anwartschaften

dem in

D e u t s c h l a n d e r a r b e i t e t h a t , n i c h t , f r e i w e r d e n d e M i t t e l in das A l t e r s v e r s o r g u n g s s y s t e m des n e u e n A r b e i t g e b e r s e i n z u z a h l e n , s e l b s t w e n n d i e s e s e i n e s o l c h e E i n z a h l u n g s m ö g l i c h k e i t des A r b e i t n e h m e r s v o r s i e h t 1 6 4 . I n d e r R e g e l w i r d d a h e r d e r 158 Ygj Blomeyer/Otto, BetrAVG, Ergänzungsheft, §3 zu Rn. 66, auch zu den weiteren beiden Tatbeständen. 159 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §3 Rn.2f. 160 Vgl. z.B. Buck Consultants, Dutch Social Security Benefits, S. 13 unter 3.5. 161 Bei der arbeitsrechtlichen Lösung (sog. ratierliche Berechnungsmethode) gilt dagegen §3 BetrAVG. Vgl. Ahrend/Förster, BetrAVG, § 3 Rn. 1 und § 2 Rn. 20; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 3 Rn.44; Höfer, BetrAVG, §3 Rn.2115ff. 162 Ahrend/Förster, BetrAVG, §2 Rn.20; H - B e t r A V / D i e f e n b a c b / V o ß , Ordnr. 70 Rn.156; Richter/Schanz, B B 1994, 405. 163 Bejahend die überwiegende Meinung Höf er, BetrAVG, §2 Rn.1844, §3 Rn.2117f. m.w.N.; verneinend Blomeyer/Otto, BetrAVG, §2 Rn.255 (i.V.m. Rn. 164ff., 339ff.). 164 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.23f. Der Gedanke, daß der Arbeitnehmer daran zu hindern ist, die für die Altersversorgung vorgesehenen Mittel für andere, konsumtive Zwecke einzusetzen, wird von der Kommission nicht ausdrücklich genannt, aber offenbar gebilligt. Denn sie diskutiert die Aufrechterhaltung und Übertragung bzw. Abfindung zum Zwecke der Übertragung von Anwartschaften, nicht aber die bedingungslose Abfindung, die

144

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

von seiner Freizügigkeit Gebrauch machende Arbeitnehmer, der vor seinem Wechsel schon länger in Deutschland gearbeitet hat, im Versorgungsfall Betriebsrenten aus zwei verschiedenen Staaten beziehen, sofern er die Unverfallbarkeit auch im Ausland erreicht. Sollte hierdurch die Mobilitätsbereitschaft des Arbeitnehmers herabgesetzt sein, liegt darin eine absolute Beschränkung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers. D e n n das absolute Abfindungsverbot des §3 BetrAVG wegen höherwertiger Anwartschaften greift unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer überhaupt ein neues Arbeitsverhältnis aufnimmt und ob er in diesem im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird. Eine Beschränkung der Freizügigkeit durch die genannten Abfindungs- und Verfügungsverbote ist im Allgemeininteresse gerechtfertigt. Die Bindung der Mittel durch Abfindungs- und Verfügungsverbote hat zum Ziel, auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen, daß betriebliche Versorgungsleistungen bei Eintritt des Versorgungsfalles dem Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung stehen 165 . Dieses gesetzgeberische Ziel rechtfertigt eine etwaige Beschränkung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers. Eine Abfindungsmöglichkeit mit der Verpflichtung, die Abfindungssumme in das Betriebsrentensystem des neuen Arbeitgebers einzuzahlen, ist grundsätzlich ein milderes Mittel gegenüber einem Abfindungsverbot. D e m trägt §3 Abs. 1 S.3 Nr. 2 BetrAVG Rechnung. Er sieht eine Abfindungsmöglichkeit von Anwartschaften mittleren Werts vor, w e n n „der Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber unmittelbar zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zum A u f b a u einer Versorgungsleistung bei einer Direktversicherung oder Pensionskasse verwendet wird". Wo das Versicherungsunternehmen oder die Pensionskasse ihren Sitz haben, ist unerheblich, solange eine Betriebsrentenversorgung nach deutschem Recht vorliegt. Im Hinblick auf diese Abfindungsmöglichkeit k o m m t eine relative Beschrän-, kung der Freizügigkeit in Betracht, wenn nämlich nur die Einzahlung zum Aufbau einer Versorgungsleistung im Inland, nicht aber die Einzahlung zum A u f b a u einer solchen in einem anderen Mitgliedstaat den Tatbestand des §3 A b s . l S.3 Nr. 2 erfüllt. Eine freizügigkeitskonforme Auslegung der Vorschrift gebietet, diese Abfindungsmöglichkeit auch als gegeben anzusehen, wenn der Arbeitgeber den Abfindungsbetrag in ein gesetzliches Rentenversicherungssystem in einem anderen Mitgliedstaat, in den der Arbeitnehmer gewechselt ist oder in dem er seinen Ruhestand verbringen möchte, einzahlt, sofern dies nach dem anwendbaren ausländischen Rentenversicherungsrecht möglich ist 166 . Das ist in Anbetracht der ged e m A r b e i t n e h m e r die zur Alterssicherung bestimmten Mittel zur freien Verfügung in die H a n d gibt. 165 Ahrend/Förster, BetrAVG, § 3 Rn. 1; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 3 R n . 2 (Schutz des Arbeitnehmers „vor sich selbst"). 166 In § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrAVG ist dagegen n u r die deutsche Rentenversicherung gemeint. Die Bestimmung zielt vor allem, aber nicht ausschließlich auf Rückerstattungen aufgrund des Gesetz

D. Aufenthalt

bzw. Verbleib

des Betriebsrentners

im

EU-Ausland

145

genseitigen Anerkennung der Sozialversicherungssysteme durch die V O ( E W G ) 1408/71 geboten. O b dagegen auch die Einzahlung in ein ausländisches, den deutschen versicherungsförmigen Durchführungswegen über eine Direktversicherung oder Pensionskasse vergleichbares Betriebsrentensystem in einem anderen Mitgliedstaat ausreicht - vorausgesetzt dieses System läßt überhaupt eine solche Einzahlung zu - , ist eine Frage der Gleichwertigkeit des Schutzes des Arbeitnehmers insbesondere vor einem Zugriff des neuen Arbeitgebers auf den Einzahlungsbetrag und hinsichtlich der Insolvenzsicherheit 167 . In Anbetracht der gegenwärtig bestehenden Systemunterschiede in der betrieblichen Altersversorgung in Europa und des Fehlens einer Ubereinkunft über die gegenseitige Anerkennung der Betriebsrentensysteme - insofern ist die Lage anders als im Bereich der Sozialversicherung scheidet eine Anwendung des § 3 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BetrAVG bei Einzahlung in ein ausländisches Betriebsrentensystem aus. Die damit verbundene Beschränkung der Freizügigkeit ist im Allgemeininteresse des Arbeitnehmerschutzes und der Rechtssicherheit gerechtfertigt.

D. Freizügigkeitsprobleme beim Aufenthalt bzw. Verbleib des Betriebsrentners im EU-Ausland I. Transfer von Leistungen - Art. 5 RL

98/49/EG

Die grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität im allgemeinen und das Verbleiberecht des Betriebsrentners im besonderen sind beschränkt, wenn Altersversorgungsleistungen aus einem Mitgliedstaat nicht in einen anderen Mitgliedstaat überwiesen, also grenzüberschreitend ausgezahlt werden können. Auch die Freiheit des Zahlungsverkehrs ist durch jegliche Einschränkung des Transfers von Leistungen oder akkumulierten Beitragszahlungen beschränkt 168 . Die grenzüberschreitende Zahlung ergänzender Leistungen ist im Prinzip bereits überall in der Gemeinschaft möglich und stellt kein praktisches Problem dar 169 . Im deutschen Recht sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern vom 28.11. 1983. Dieses betrifft nur Arbeitnehmer aus Staaten außerhalb der EU. Zu § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrAVG näher Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 3 Rn. 60ff.; Reinhard, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 327. 167 Vgl. hierzu unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahlfreiheit unten § 8 D. (S. 379ff.). 168 Die grenzüberschreitende Auszahlung einer Betriebsrente ist eine Frage des Zahlungsverkehrs, da es um die rechtsgeschäftliche Erfüllung einer Schuld durch Geldmittel geht, nicht eine Frage der Kapitalverkehrsfreiheit, also der Freiheit zu eigenständigen finanziellen Transaktionen. Zur Abgrenzung Groeben/Kiemel, EU-/EG-Vertrag, Art. 73b Rn. 1. 169 So Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg.; S.20f.; Steinmeyer, FS Ahrend, S.481. Das B A G hat schon in seiner Entscheidung vom 05.05. 1955, 2 AZR 55/53, AP Nr.4 zu §242 B G B Ruhegehalt m. Anm. Beitzke bei einer Wohnsitzverlegung des Pensionärs, auf die Fürsorgepflicht gestützt, die Verpflichtung des Arbeitgebers bejaht, das Ruhegehalt nachzusenden. Es können allerdings Doppelbesteuerungsprobleme auftreten. Vgl. zu Luxemburg etwa

146

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

noch im Gegensatz zu manchen Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung 1 7 0 - frei exportierbar. Die Anforderungen von Art. 5 R L 9 8 / 4 9 / E G , der sich mit grenzüberschreitenden Zahlungen befaßt, sind in Deutschland schon erfüllt.

II. Besteuerung

der

Betriebsrente

Das Diskriminierungsverbot aus Art. 39 Abs. 2 E G wird in der V O ( E W G ) 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft konkretisiert. Es schreibt die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie auch der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen (Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung) vor. Letzteres bedeutet z.B., daß ein ausländischer Arbeitnehmer, der nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben von seinem Verbleiberecht in Deutschland nach Art. 2 der V O ( E W G ) 1251/70 Gebrauch macht, hinsichtlich der Besteuerung seiner inländischen Betriebs- und Sozialrente nicht schlechter gestellt werden darf als ein deutscher Rentner. Aber auch eine ausländische Betriebs- und Sozialrente ist mit einer deutschen Betriebs- und Sozialrente steuerlich gleich zu behandeln. Auch wenn die Regelungen jeder einzelnen Rechtsordnung für sich genommen europarechtskonform sind 1 7 1 , können Schwierigkeiten aus der Unterschiedlichkeit der Regelungen der nationalen Rechte der Mitgliedstaaten resultieren. Die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitnehmer kann hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung zu einer - unerwünschten - Doppelbesteuerung führen oder aber umgekehrt zu einem - unerwünschten - kompletten Steuerausfall, weil in keinem Staat die Voraussetzungen für eine Besteuerung vorliegen 1 7 2 . Gegen das erste Problem helfen Doppelbesteuerungsabkommen 1 7 3 , während dem spiegelbildlichen Problem des kompletten Steuerausfalls schwerer beizukommen ist 1 7 4 . Diese steuerrechtlichen Probleme 1 7 5 sind hier nicht weiter zu verfolgen.

Schroeder/Deprez, Rapports du Luxembourg dans le Cadre de l'Observatoire sur les pensions complémentaires, S.4. f , 8. 1 7 0 Dazu E A S / E i c h e n h o f e r , B 1200, Rn. 110. Zur (Nicht-)Exportierbarkeit der spanischen beitragsunabhängigen Rente Sánchez-Rodas Navaarro, ZI AS 1996, 173 ff. Vgl. aber zur grenzüberschreitenden Zahlung von Leistungen zur Pflegeversicherung ins Ausland E u G H 05.03. 1998, Rs. C-160/96, Molenaar, Slg. 1-843. 171 Vgl. zum Problem einer „umgekehrten Diskriminierung im Geltungsbereich verschiedener nationaler Rechtsordnungen" Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S.22ff. 172 Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., 3.3.12. S.30. Dazu auch Steinmeyer, FS Ahrend, S.482ff., 487; Doetsch, BetrAV 1995, 214f. auch mit rechtsvergleichenden Nachweisen. 173 Hierzu Richter/Schanz, B B 1994, 397 Fn.3. 174 Hierzu Burgio, BetrAV 1994, 205. 1 7 5 Vgl. Grünbuch, K O M (97) 283, S. 23 ff. unter Nr. 64 -77 und Antworten auf das Grünbuch, K O M (97) 283, S.33ff. unter Nr. 98-136.

D. Aufenthalt

III.

bzw.

Verbleib

des Betriebsrentners

Die Anpassungsverpflichtung

1. Rechtslage

im

nach §16

EU-Ausland

147

BetrAVG

bis zum 31.12. 1998

Laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hat der Arbeitgeber nach § 16 BetrAVG a.F. alle drei Jahre zu überprüfen und nach billigem Ermessen über eine Anpassung zu entscheiden. Eine solche Vorschrift über die Anpassung der Betriebsrenten ist in Europa selten, aber nicht einzig 1 7 6 . So bestimmt der Pensions Act 1995 im Vereinigten K ö nigreich, daß laufende Rentenleistungen , die auf Dienstzeiten ab dem 6. April 1997 beruhen 1 7 7 , jährlich indexiert werden müssen und zwar entsprechend dem Verbraucherpreisindex, maximal aber um 5 % (limitierter Teuerungsausgleich) 178 . Nach § 16 H s . 2 BetrAVG a.F. sind bei der Anpassungsprüfung „insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers zu berücksichtigen". Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des B A G 1 7 9 und des B G H 1 8 0 bezweckt § 1 6 BetrAVG a.F. einen Teuerungsausgleich. Die Belange des Versorgungsempfängers seien gewahrt, wenn der Wert der Versorgungsleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Grundsatz erhalten bleibe und die gezahlte Rente nicht in ein Mißverhältnis zur versprochenen Gegenleistung gerate 181 . Maßgeblicher Prüfungsmaßstab ist der Preisindex für die Lebenshaltung 1 8 2 . Für in Deutschland wohnende Betriebsrentner ist damit der deutsche Preisindex gemeint.

a) Meinungsspektrum zum Teuerungsausgleich trieb srentners im Ausland

hei Aufenthalt

des Be-

Lebt ein Betriebsrentner im Ausland fragt sich, ob für ihn der deutsche Preisindex oder der ausländische Preisindex heranzuziehen ist. Verlangt eine mit dem Freizügigkeitsgebot vereinbare europarechtskonforme 1 8 3 Auslegung des § 16 BetrAVG a.F., für Ruhegeldempfänger, die eine Betriebsrente nach dem BetrAVG beziehen, unterschiedliche Anpassungsmaßstäbe anzuwenden, je nachdem, ob 1 7 6 Das schweizerische B V G sieht zwingend eine Dynamisierung nur für die Hinterlassenenund Invalidenrente, nicht aber für die Altersrente vor (Art. 36 B V G ) . Für letztere gilt nach Art. 36 Abs. 2 B V G lediglich, daß die Vorsorgeeinrichtung „im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Bestimmungen über die Anpassung der laufenden Renten" zu erlassen hat. Vgl. Birk, ZfA 1988, 133; Walser, BetrAV 1997, 309. 1 7 7 Bezüglich „final salary schemes", also am Endgehalt orientierter Zusagen, gab es in der Praxis zuvor schon häufig freiwillige Anpassungsregelungen. Vgl. The McKenna Law Letter, Spring 1996, S.8. 1 7 8 Vgl. sections 5 1 - 5 5 Pension Act 1995; dazu Etzel, BetrAV 1996, 98. 1 7 9 Leitentscheidung B A G 16.12. 1976, 3 A Z R 795/75, A P N r . 4 zu § 16 BetrAVG. 1 8 0 B G H 5.10. 1978, II Z R 53/77, A P Nr. 6 zu § 1 6 BetrAVG = E - B e t r A V 20.1 Nr. 11. 181 Vgl. zu dieser Anforderung des B A G 28.04. 1992, 3 A Z R 142/91, A P N r . 2 4 zu § 16 BetrAVG = N Z A 1993, 69ff. zur nachholenden Anpassung von Betriebsrenten. 182 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 16 Rn. 135. 1 8 3 Das nationale Recht ist nach ständiger Rechtsprechung des E u G H soweit wie möglich in Ubereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auslegen. Vgl. oben Einleitung B. und E u G H 5.10. 1994, Rs C - 1 6 5 / 9 1 , van Munster, Slg. 1-4661.

148

§J Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

sie sich in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat zur Ruhe gesetzt haben? Die Auffassung, die Betriebsrente eines im Ausland lebenden Betriebsrentners sei generell überhaupt nicht anzupassen, weder an den deutschen noch an den ausländischen Lebenshaltungsindex 184 , ist jedenfalls nicht haltbar. Hier würde allein deswegen, weil ein Betriebsrentner von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, ihm ein geldwerter Vorteil entzogen. Darin liegt eine klare Beschränkung der Freizügigkeit, für die es an einem rechtfertigenden Allgemeininteresse fehlt (Verletzung des relativen Beschränkungsverbots). Der Umstand, daß dem Arbeitgeber hier Kosten und Mühen erspart werden, kann nicht als solches gelten. U . U . liegt sogar eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn die Annahme zutrifft, daß typischerweise wesentlich mehr Betriebsrentner mit ausländischer Staatsangehörigkeit als solche mit deutscher ihren Lebensabend im Ausland verbringen. Im übrigen reicht das Meinungsspektrum in der Frage nach dem Maßstab der Anpassung von der Ablehnung einer etwaigen Anknüpfung an den ausländischen Lebenshaltungsindex und die alleinige Maßgeblichkeit des deutschen 185 , über ein Abstellen auf die ausländischen Lebensverhältnisse allerdings mit der deutschen Preissteigerungsrate als Obergrenze 186 bis zu einer Anknüpfung an den ausländischen Lebenshaltungsindex ohne eine solche Beschränkung 187 . b) Maßgeblichkeit Binnenwertrisikos

des durch die Vertragswährung

bestimmten

Zur Lösung des Problems ist mit in den Blick zu nehmen, in welcher Währung die Betriebsrente ausbezahlt wird. § 16 BetrAVG a.F. bezweckt einen Inflationsausgleich, hat also das sog. Binnenwertrisiko einer Währung im Auge. Davon zu unterscheiden ist das sog. Außenwertrisiko, welches das Wertverhältnis der Währungen zueinander, wie es sich in den Wechselkursen ausdrückt, zum Gegenstand hat 188 . Welches Binnenwertrisiko auszugleichen ist, legen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Bestimmung der Währung fest, in der die Betriebsrente ausgezahlt werden soll. Ist die Deutsche Mark „Vertragswährung", bezweckt § 16 BetrAVG a.F. somit einen Ausgleich der deutschen Teuerung. In der Regel wird hier eine Versorgung in Deutschland von den Parteien gewollt sein 189 . 184 So aber Blomeyer/Otto, BetrAVG, 1. Aufl., Einl. R n . 6 7 1 ; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1057 sprechen sich für die Anpassung an die geringere der beiden Geldentwertungen aus. 185 Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 1239. 186 Birk, FS Müller, S.48; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 1 0 5 7 „geringere der beiden Geldentwertungen". 187 MünchArbR/Ahrend/Förster, § 1 1 0 Rn. 30; w e n i g e r konkret Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, R n . 66 Fn 107. Die ratio der Vorschrift lege es nahe, für den im Ausland w o h n haften Versorgungsempfänger die dortige Steigerung der Lebenshaltungskosten als für seine Belange maßgeblich anzusehen. 188 Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, S. 79. 189 So auch Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 81 f.

D. Aufenthalt

bzw. Verbleib des Betriebsrentners

im

EU-Ausland

149

Lebt der Betriebsrentner später entgegen dieser Erwartung im Ausland, ist seine in Deutscher Mark auszuzahlende Betriebsrente gleichwohl entsprechend dem deutschen Lebenshaltungsindex anzupassen. Das Wechselkursrisiko trägt der Betriebsrentner 190 . Im Wechselkurs der beteiligten Währung zueinander spiegelt sich in einem gewissen Maß wider, daß die ausländische Inflationsrate höher oder niedriger sein kann als die deutsche. Ist dagegen die Zahlung der Rente unter Beachtung des Genehmigungserfordernisses des § 3 S. 1 WährungsG in ausländischer Währung an einen ausländischen Ort vereinbart, so ist an die ausländische Inflationsrate anzuknüpfen, da eine wertsichernde Versorgung im Ausland gewollt ist 191 . Dies gilt auch dann, wenn der Betriebsrente von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht und tatsächlich später in Deutschland oder einem dritten Staat lebt. Das von § 16 BetrAVG a.F. erfaßte Binnenwertrisiko bleibt das des ausländischen Staates der Vertragswährung. Soll die Rente in Deutscher Mark gezahlt werden, wurde aber mit der nach §3 S. 2 WährungsG erforderlichen Genehmigung der Bundesbank eine Spannungsoder Dynamisierungsklausel vereinbart 192 , die auf die ausländischen Lebenshaltungskosten abstellt 193 , ergibt sich die Maßgeblichkeit des ausländischen Lebenshaltungsindexes aus der vertraglichen Vereinbarung. Da § 16 BetrAVG a.F. - wenn die Anpassungsvoraussetzungen im übrigen gegeben sind - einen Ausgleich des Binnenwertrisikos verlangt, kommt eine Begrenzung der Anpassung durch die deutsche Inflationsrate als Obergrenze 1 9 4 nicht in Frage. Zwar kann, wenn eine ausländische Währung Vertragswährung ist und die Inflation im Ausland höher ist als die deutsche Preissteigerungsrate, die Abmachung über die Vertragswährung zu einer Mehrbelastung des Arbeitgebers führen. Dies ist aber allein eine Folge der Vereinbarung über die Vertragswährung bzw. der vereinbarten Spannungsklausel. Die vorgestellte Lösung knüpft allein an die Vertragswährung bzw. die ausdrückliche Bestimmung der maßgeblichen Inflationsrate an. Sie ist neutral gegenüber dem Umstand, w o der Betriebsrentner sich aufhält. Ob der Betriebsrentner von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, hat keinen Einfluß auf die Höhe der Anpassung. Der Maßstab der Anpassung muß nicht den wechselnden Aufenthaltsorten des Ruheständlers hinterher reisen 195 . Bei Auszahlung der Rente in Deutscher Mark und Anpassung gemäß der deutschen Inflationsrate besteht kein Freizügigkeitshindernis, in einen anderen MitIm Ergebnis ebenso Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, R n . 81 f. So MünAiKrbK/Ahrend/Förster, §110 Rn.30. 192 Wertsicherungsklauseln sind nach § 3 W ä h r u n g s G u n d den dazu ergangenen Genehmigungsrichtlinien der Deutschen Bundesbank zustimmungspflichtig. Vgl. hierzu etwa H - B e t r A V /Gnebeling, Ordnr. 30 Rn. 382. 193 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, R n . 82. 194 So aber Birk, FS Müller, S.48; Blomeyer/Otto, BetrAVG Einl. Rn. 1057. 195 M a n denke an den englischen Pensionär eines deutschen Unternehmens, der das Winterhalbjahr regelmäßig an seinem Z w e i t w o h n s i t z auf Mallorca verbringt, ansonsten aber in Kent wohnt. 190 191

150

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

gliedstaat zu gehen, auch wenn dort die Preissteigerung höher ist. Dieses Risiko wird regelmäßig durch den sich ändernden Wechselkurs aufgefangen, der die im Ausland höhere Geldentwertung widerspiegelt 196 . D a s hier gefundene Ergebnis läßt sich auch durch den arbeitsrechtlichen G l e i c h b e h a n d lungsgrundsatz abstützen. Z w a r ist der B e t r i e b s r e n t n e r nicht mehr Arbeitnehmer, es geht aber u m F o r t w i r k u n g e n seines Arbeitsverhältnisses. D e r Gleichbehandlungsgrundsatz b e ansprucht somit A n w e n d u n g im R a h m e n der Billigkeitsentscheidung des Arbeitgebers über die Anpassung. E i n e G r u p p e n b i l d u n g nach der Vertragswährung der Betriebsrente differenziert nach einem sachlichen G r u n d , nämlich danach, welches B i n n e n w e r t r i s i k o die Parteien als das maßgebliche b e s t i m m t haben.

2. Rechtslage ab dem Ol. Ol. 1999 (RRG 1999) Das R R G 1999 1 9 7 konkretisiert die Belange des Versorgungsempfängers. Die Anpassungsverpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG, der § 16 BetrAVG a.F. entspricht, gilt nach § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn sie nicht geringer ausfällt als der Anstieg erstens des Preisindexes für die Lebenshaltung von 4-PersonenHaushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen oder zweitens der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Es handelt sich um alternative, nicht um kumulativ anzuwendende Anpassungsmaßstäbe. Die Anpassungs(prüfungs)verpflichtung nach § 1 6 A b s . l BetrAVG entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens 1 % anzupassen ( § 1 6 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG) 1 9 8 . Diese Neuregelung erlaubt es dem Arbeitgeber, die Unsicherheiten einer Betriebsrentenanpassung gemäß einer über die Vertragswährung bestimmten inoder ausländischen Inflationsrate auszuweichen, indem er entweder auf die Nettolohnentwicklung im Unternehmen abstellt oder sich zu einer festen jährlichen Anpassung verpflichtet. Das Abstellen auf die Nettolohnentwicklung ist für den Arbeitgeber attraktiv, wenn diese, etwa infolge hoher Steuern und Sozialabgaben, unter der Inflationsrate liegt. Es kann so gesichert werden, daß die Einkommensentwicklung der aktiven Belegschaft nicht hinter der der Betriebsrentner zurückbleibt, Sagt der Arbeitgeber in Anbetracht dieser Wahlmöglichkeiten die Betriebsrente in einer EU-ausländischen Währung zu, ohne sich zur jährlichen Anpassung um mindestens 1 % zu verpflichten, liegt darin regelmäßig zugleich die konkludente Erklärung, daß die EU-ausländische Inflationsrate Anpassungsmaßstab sein soll und nicht die Nettolohnentwicklung im Unternehmen.

Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, S. 85ff. zum Zusammenhang zwischen Binnenwert- und Außenwertentwicklung. 1 9 7 Art.8 R R G 1999 vom 16.12. 1997, B G B l . I S.2998. 1 9 8 § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG enthält eine Sonderregelung für die Durchführung betrieblicher Altersversorgung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse. 196

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

151

Mit Einführung des E u r o als W ä h r u n g des Gemeinsamen Marktes zum 01.01. 1999 kann es nach dem oben Gesagten, wenn der E u r o Vertragswährung ist, nur auf eine gesamteuropäische Preissteigerungsrate in den Teilnehmerstaaten am gemeinsamen Währungssystem 1 9 9 ankommen. Weichen die Inflationsraten in den einzelnen Mitgliedstaaten voneinander ab, ist dies ebenso unerheblich, wie es derzeit ohne Belang ist, daß die Preissteigerung in Deutschland regional unterschiedlich ausfällt. Dies gilt nicht erst ab E i n f ü h r u n g des E u r o als Zahlungsmittel.

E. Koordinierung von Betriebsrenten mit Sozialrenten sowie sonstigen Bezügen unter dem Freizügigkeitsgebot I. Abstimmung der betrieblichen Altersversorgung mit dem Sozialversicherungsschutz bei Alter und Invalidität Das Versorgungsniveau durch die staatliche Sozialversicherung gehört zu den wichtigsten Einflußfaktoren bei der Planung eines betrieblichen Versorgungswerks. Es entscheidet maßgeblich darüber, in welchem U m f a n g es sinnvoll ist, die staatliche Absicherung durch Arbeitgeberleistungen bei Alter zu ergänzen. Die Abstimmung der Betriebsrentenversorgung auf den Sozialversicherungsschutz bei Alter u n d Invalidität ist vor zusätzliche Schwierigkeiten gestellt, wenn Betriebsrentenstatut u n d Sozialversicherungsstatut (teilweise) auseinanderfallen. Arbeitnehmer, welche die Freizügigkeit in Anspruch nehmen, können Sozialversicherungsansprüche nach verschiedenen Rechtsordnungen erwerben. H a t ein Arbeitnehmer im Versorgungsfall sowohl Anspruch auf eine deutsche Betriebsrente als auch auf eine EU-ausländische gesetzliche Sozialrente, so hat er zumindest in zwei Mitgliedstaaten gearbeitet und also von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht 2 0 0 . Der Bezug einer ausländischen Sozialversicherungsrente wird an zwei Stellen im deutschen Betriebsrentenrecht relevant; z u m einen bei der Anrechenbarkeit ausländischer Sozialversicherungsrenten und sonstiger Bezüge nach §5 BetrAVG, z u m anderen beim vorzeitigen Bezug einer Betriebsrente gekoppelt an eine vorgezogene ausländische Altersrente nach § 6 BetrAVG. Im folgenden geht es um eine mit dem Freizügigkeitsgebot k o n f o r m e Auslegung der §§ 5 und 6 BetrAVG.

199 Es sind dies alle Staaten der E U ausgenommen das Vereinigte Königreich, Dänemark, Schweden und Griechenland. 200 Zu den kollisionsrechtlichen Fragen, wann es zu einem Aufeinandertreffen inländischen Betriebsrenten- und ausländischen Sozialversicherungsrechts bzw. umgekehrt kommt, unten § 6 B.II.3. (S.269ff.).

152

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

II. Berücksichtigung ausländischer Bezüge im Rahmen von sorgungssystemen nach §ß BetrAVG

Gesamtver-

In Fällen mit Auslandsberührung - also etwa der Entsendung deutscher Arbeitnehmer ins Ausland, der vorübergehenden oder ständigen Aufnahme ausländischer Mitarbeiter in den deutschen Betrieb oder bei der Schaffung eines Versorgungswerkes für Tochtergesellschaften im Ausland - muß der Arbeitgeber zur Ermittlung des Versorgungsbedarfs zunächst feststellen, nach welchem Sozialversicherungsrecht der Arbeitnehmer eine Alters- und oder Hinterbliebenenrente zu erwarten hat. Es kann sich eine Mehr- oder Minderbelastung des Arbeitgebers gegenüber einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ergeben 2 0 1 , da die sozialversicherungsrechtliche Absicherung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie auch außerhalb sehr unterschiedlich ist 2 0 2 . Gibt das ausländische Sozialversicherungsrecht dem Arbeitnehmer eine Absicherung (fast) auf dem Niveau seines Arbeitsentgelts 203 , bleibt für eine betriebliche Altersversorgung wenig Raum. Eine Versorgung, die den Pensionär besser stellte als einen vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer, wäre personalpolitisch unsinnig 2 0 4 . Betriebliche Versorgungssysteme können ihre Leistungen dem Grunde und der H ö h e nach direkt abhängig machen von der zu erwartenden Sozialversicherungsrente. Solche Gesamtversorgungssysteme sehen entweder die vollständige oder teilweise Anrechnung der gesetzlichen Altersrente vor oder begrenzen die Summe aller Versorgungsleistungen auf einen bestimmten Prozentsatz des letzten Einkommens vor der Pensionierung. Auch andere Versorgungsleistungen können in die Berechnung einfließen 2 0 5 . Gesamtversorgungssysteme sind gerade in Fällen der Auslandsentsendung von Mitarbeitern häufig. Dem Mitarbeiter soll durch die Entsendung ins Ausland kein Nachteil in der Altersversorgung entstehen. Dazu werden zumeist Nachteile in der betrieblichen, aber auch in der staatlichen Versorgung bei Eintritt des Versorgungsfalls durch den entsendenden Arbeitgeber ausgeglichen 206 . Dies kann etwa in folgender Weise geschehen: Bei Eingliederung des entsandten A r b e i t n e h m e r s in ein ausländisches R e n t e n v e r s i c h e rungssystem wird dessen Inlandsgehalt fortgeschrieben und, hieran anknüpfend, eine h y Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, R n . 8 1 . Vgl. oben Einleitung unter A l l . (S. 1 ff.). 2 0 3 So in Italien, vgl. oben Einleitung unter A I 1. (S. 1 ff.). 2 0 4 Zum seltenen Fall einer geplanten Uberversorgung Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 553. Zu den praktischen Erwägungen bei der Ausgestaltung von Versorgungswerken für Mitarbeiter im Ausland und aus Drittländern im Hinblick auf das sozialversicherungsrechtliche Schutzniveau vgl. Fürer, in: D I B , Perspektiven der betrieblichen Altersversorgung, S. 201 ff., 204ff. 205 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rn. 1, 12ff., 17; Höfer, BetrAVG, § 5 Rn.2288ff., 2667; Ahrend/Förster, BetrAVG, § 5 R n . 2 . 2 0 6 Zu den hierbei anzustellenden Überlegungen Fürer, D I B , Perspektiven der betrieblichen Altersversorgung, S.210ff. 201

202

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

153

pothetische Sozial- und eine hypothetische Betriebsrente nach deutschem Recht ermittelt, welche angeben, wie der Arbeitnehmer sich stünde, würde er weiter im Inland arbeiten. Uber diese hypothetischen Ansprüche wird dem Arbeitnehmer eine Firmenzusage unter Anrechnung der tatsächlichen ausländischen Rentenansprüche erteilt.

Die Anrechnung von Sozialversicherungsrenten und anderen Versorgungsbezügen auf die Betriebsrente ist auch in anderen Mitgliedstaaten möglich und üblich 207 . In Deutschland richtet sich die Zulässigkeit der Anrechnung einer ausländischen gesetzlichen Rente wie auch ausländischer Betriebsrenten und sonstiger ausländischer Versorgungsbezüge auf eine deutsche Betriebsrente nach § 5 Abs. 2 S.2 BetrAVG.

1. Anrechnung

ausländischer

Bezüge nach § 5 Abs. 2 S.2 BetrAVG

§ 5 Abs. 2 S. 1 BetrAVG enthält ein Anrechnungsverbot für Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen. Die Betriebsrente soll nicht durch Anrechnung von auf Eigenvorsorge des Arbeitnehmers beruhenden Bezügen des Betriebsrentners geschmälert werden. Nach §5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG dürfen jedoch „Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen" auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angerechnet werden. Nach der Rechtsprechung des BAG können jedoch selbst Bezüge, die dem Wortlaut nach Satz 2 der Vorschrift unterfallen, teilweise einem Anrechnungsverbot unterliegen 208 . Scheidet ein Arbeitnehmer, dem eine Betriebsrentenzusage gemacht wurde, vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis aus, dürfen nach §2 Abs. 5 S.3 BetrAVG andere Versorgungsbezüge, insoweit der Begünstigte die Anwartschaften hierfür erst nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erwirbt, nicht auf den Teilanspruch angerechnet werden 209 . Das Anrechnungsproblem stellt sich somit immer nur hinsichtlich von Sozialversicherungsanwartschaften und sonstigen anrechenbaren Bezügen, die vor oder während der durch eine Betriebsrentenzusage erfaßten Arbeitstätigkeit erworben wurden.

a) Anrechnung ausländischer BetrAVG)

gesetzlicher

Renten (§ 5 Abs. 2 S.2 1. Alt.

Fraglich, ist, welche Kriterien eine ausländische Versorgung erfüllen muß, um als Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 5 Abs.2 S.2 207 Vgl. zu den Niederlanden Buck Heissmann International Services, Auskunft Stand August 1996, S.9. 208 BAG 19.07. 1983, 3 AZR 241/82, BAGE 43,173, 177 = AP Nr. 8 zu §5 BetrAVG = E-BetrAV 30.1 Nr.24.unter II 1 b der Gründe zur teilweisen Anrechenbarkeit einer Verletztenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung als „sonstige Versorgungsbezüge". 209 Höfer, BetrAVG, §2 Rn.20\9; Ahrend/Förster, BetrAVG, §2 Rn.30, §5 Rn.8.

154

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

1. Alt. BetrAVG zu gelten und damit anrechnungsfällig zu sein. Davon zu trennen ist die - im Rahmen dieser Abhandlung nicht zu erörternde - Frage, wie die Anrechnungsvorschrift formuliert und in welcher Rechtsgrundlage sie enthalten sein muß, um die Anrechenbarkeit auch tatsächlich zu bewirken 2 1 0 . Unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit als Beschränkungsverbot ist zu fordern, daß die Handhabung der Anrechnungsvorschrift Arbeitnehmer nicht schlechter stellen darf, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und aus ihrer Auslandstätigkeit eine ausländische Sozialversicherungsrente beziehen. Sollte es zutreffen, daß typischerweise und ganz überwiegend deutsche Arbeitnehmer Renten der deutschen Sozialversicherung und ausländische Arbeitnehmer Renten der Sozialversicherung ihres jeweiligen Heimatstaates beziehen, darf die Anwendung der Anrechnungsvorschriften des § 5 BetrAVG unter dem Gesichtspunkt des Verbots mittelbarer Diskriminierung nicht dazu führen, daß Betriebsrentner aus anderen Mitgliedstaaten durch die Anrechnung schlechter gestellt werden. Die Anrechnung ausländischer Sozialversicherungsrenten überhaupt auszuschließen - unter „Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen" in § 5 Abs. 2 S.2 BetrAVG also nur deutsche Renten zu fassen - würde einer Inländerdiskriminierung deutscher Arbeitnehmer Vorschub leisten, wenn es zutrifft, daß unter den gegenwärtigen Bedingungen des europäischen Arbeitsmarktes typischerweise deutsche Arbeitnehmer eine deutsche - anrechenbare - Sozialversicherungsrente beziehen. Eine solche Auslegung des § 5 Abs.2 S.2 BetrAVG wäre zwar europarechtlich möglich, ist aber aus deutscher Sicht unerwünscht und u.U. auch verfassungsrechtlich unzulässig 211 .

aa) Rechtsprechung

des BAG

Das B A G hatte sich schon mehrfach mit der Anwendung der ersten Alternative des § 5 Abs.2 S.2 BetrAVG auf ausländische Sozialversicherungsrenten zu befassen. Es geht zutreffend davon aus, daß § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. BetrAVG an die deutsche gesetzliche Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten und die Knappschaftsversicherung anknüpft, läßt jedoch die Anrechnung einer französischen Sozialversicherungsrente, die vom deutschen Rentenversicherungsträger ausgezahlt wird und einen nach deutschem Sozialversicherungsrecht erwerbbaren Anspruch ersetzt, zu 212 . Später hat das B A G die Anrechnung einer österreichischen gesetzlichen Rente auch damit begründet, daß sie der deutschen gesetz210 Vgl. hierzu Blomeyer/Otto, BetrAVG, §5 Rn.66ff. In B G H 09.04. 1986, IVa ZR 153/84, D B 86,1983 = E-BetrAV 30.1 Nr.38 schied die Anrechnung einer ausländischen (französischen) Sozialversicherungsrente als Rente aus der „gesetzlichen Rentenversicherung" im Bereich der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach Ansicht des B G H aus. Eine teleologische Interpretation sei ausgeschlossen, wenn eine Anrechnung nur in den allgemeinen Versicherungsbedingungen einer als Privatversicherung durchgeführten Zusatzversorgung enthalten sei. Hierzu auch Höf er, BetrAVG, § 5 Rn. 2329; MünchhibK/Ahrend/Förster, § 11 Rn. 29. 211 Vgl. hierzu oben §2 B.II. (S.84ff.). 212 B A G 27.11.1984,3 AZR 436/81, AP Nr. 19 zu § 5 BetrAVG = B B 1985,1795 = D B 85,2698 = E-BetrAV 30.1 Nr. 30 unter II 3 der Gründe.

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

155

liehen Rente stark ähnelt, d.h. auf einer Pflichtversicherung beruht, dienstzeitund beitragsabhängig ist und je zur Hälfte vom Arbeitgeber und Versicherten finanziert wird 213 . bb) Kritik des Kriterienkatalogs

des BAG

Auf die vom BAG genannten Kriterien der Auszahlung der gesetzlichen Rente 214 durch einen deutschen Rentenversicherungsträger und der Ersetzung eines auch nach deutschem Recht erwerbbaren Anspruchs kann es nicht ankommen. Denn das sozialversicherungsrechtliche Koordinierungsmodell der VO (EWG) 1408/71 überläßt es jedem Staat, an welche Anspruchsvoraussetzungen er den Erwerb einer Sozialversicherungsrente knüpft, und bestimmt als zur Auszahlung zuständigen Träger im Regelfall denjenigen des Mitgliedstaates des Wohnortes, wo der Antrag regelmäßig zu stellen ist 215 . Die ebenfalls vom BAG genannten Kriterien der Abhängigkeit der Leistungen von der Dienstzeit und der Koppelung der Beiträge an das Gehalt erheben Einzelfragen der - derzeitigen - Ausgestaltung des deutschen Rentenversicherungssystems zum allgemeinen Maßstab, ohne daß dies durch den Normzweck des §5 Abs. 2 S.2 BetrAVG, entgegen Satz 1 die Anrechnung auch auf eigenen Beiträgen des Arbeitnehmers beruhender Versorgungsleistungen zu erlauben, gerechtfertigt wäre 216 . Dagegen ist dem Kriterium einer Pflichtversicherung mit (mindestens) hälftiger Finanzierung durch den Arbeitgeber zuzustimmen 217 . Der Arbeitgeber darf eine solche Rente anrechnen, weil die Arbeitgeberseite 218 diesen Teil der Altersversorgung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zu einem erheblichen Teil mitfinanzieren mußte. Diese Erwägung gilt dann aber auch für mindestens zur Hälfte von Arbeitgeberseite mitfinanzierte gesetzliche Renten aus anderen Staaten. Bei einer geringeren Finanzierung der gesetzlichen Rente trägt der Normzweck des §5 Abs.2 S.2 BetrAVG dagegen nicht. Die anrechenbare ausländische gesetzliche Rente kann höher oder niedriger ausfallen als eine deutsche Rente eines Arbeitnehmers, der unter ansonsten gleichen Bedingungen unter deutschem Sozialversicherungsstatut gearbeitet hat. Das 213 B A G 2 4 . 0 4 . 1 9 9 0 , 3 A Z R 309/88, A P Nr. 41 zu § 5 BetrAVG = BB 1990,1776 = DB 90,2172 = E-BetrAV 30.1 Nr. 52 (nur LS) unter 1.1. der Gründe. 214 Zieht ein Staat sich weitgehend aus der Alterssicherung zurück, stellt die staatliche Altersversorgung vom Generationenvertrag auf ein Kapitaldeckungsverfahren u m und läßt die Arbeitnehmer in persönlichen Rentensparplänen ihre Rente selbst ansparen und bezuschußt den Einzahlungsbetrag lediglich in geringer Höhe, w i r d es u . U . schon am M e r k m a l der gesetzlichen Rente fehlen. Vgl. zu einem solchen Vorschlag der letzten konservativen Regierung in Großbritannien z u r Privatisierung der Altersversorgung, FAZ v o m 07.03. 1997, S. 17. 215 Vgl. Schuler, in N o m o s - K o m m e n t a r z u m Europäischen Sozialrecht, 1.44 S.3ff. zu Art. 36, 41 V O ( E W G ) 574/72. 2 1 6 Im Ergebnis ebenso Höfer, BetrAVG, § 5 R n . 2 3 3 0 . 2 1 7 Ebenso Höfer, BetrAVG, § 5 Rn.2319ff., 2329f. 2 , 8 Es kann sich auch Pflichtbeiträge anderer Arbeitgeber handeln. Vgl. Höf er, BetrAVG, § 5 Rn. 2321.

156

§J Freizügigkeit und betriebliche

Altersversorgung

ist i m R a h m e n d e s § 5 A b s . 2 S . 2 B e t r A V G h i n z u n e h m e n . E s ist k e i n e h y p o t h e t i sche Parallelbetrachtung anzustellen, was f ü r eine inländische gesetzliche R e n t e d e r A r b e i t n e h m e r erarbeitet hätte, w e n n er eine e n t s p r e c h e n d e besoldete Tätigkeit im Inland ausgeübt hätte, u m eine A n r e c h n u n g der ausländischen Sozialvers i c h e r u n g s r e n t e d a n n n u r in d i e s e r H ö h e z u z u l a s s e n 2 1 9 . E i n e s o l c h e h y p o t h e t i sche Parallelbetrachtung w i d e r s p r ä c h e d e m Geist des

Koordinierungsmodells

der V O ( E W G ) 1408/71, d u r c h d e n die Freizügigkeit sekundärrechtlich ausgestaltet w u r d e . In Entsendungsfällen, in denen die Entsendungungszeiten nicht zu einem Wechsel des Sozialversicherungsstatuts nach Art. 14ff. V O ( E W G ) 1408/71 geführt haben, ist die Sozialversicherungsrente allein nach dem Recht eines Mitgliedstaates zu berechnen (sog. nationale Rente). Sind dagegen nach den Kollisionsregeln der Verordnung unterschiedliche Sozialversicherungsrechte f ü r verschiedene Beschäftigungszeiten zur A n w e n d u n g berufen, ist die Sozialversicherungsrente nach den Koordinierungsregeln der Verordnung zu bestimmen (sog. Verordnungsrente) 2 2 0 . In die Berechnung der Rente nach Art. 46 V O ( E W G ) 1408/71 fließt zwar zur Berechnung der sog. „theoretischen Rente" ein, welchen A n s p r u c h die betreffende Person erarbeitet hätte, wenn alle Versicherungs- u n d / o d e r Wohnsitzzeiten nur in dem betreffenden Staat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt w o r d e n wären. Dieser sog. theoretische Betrag wird dann aber im Verhältnis der Versicherungs- u n d / o d e r Wohnsitzzeiten in den verschiedenen Mitgliedstaaten, ausgedrückt in Entgeltpunkten, proratisiert 2 2 1 . Die nach Gemeinschaftsrecht berechnete Verordnungsrente ist dann die Summe aus den d u r c h die Proratisierung ermittelten Teilrenten aus den verschiedenen Mitgliedstaaten. Eine solche Rente, die auch inländische Beschäftigungszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften berücksichtigt, ist „ausländisch" lediglich in dem Sinn, daß sie von einem ausländischen Träger ausbezahlt wird. Das

Gemeinschaftsrecht

läßt

die

nationalen

Sozialversicherungssysteme

grundsätzlich unangetastet. Eine K a p p u n g s g r e n z e f ü r die A n r e c h n u n g „ausländ i s c h e r " , in W i r k l i c h k e i t o f t n a c h G e m e i n s c h a f t s r e c h t b e r e c h n e t e r V e r o r d n u n g s renten w ü r d e das deutsche Versorgungsniveau z u m f ü r die Z w e c k e des § 5 Abs. 2 S. 2 B e t r A V G v e r b i n d l i c h e n M a x i m a l s t a n d a r d e r k l ä r e n . D a z u b e s t e h t k e i n A n l a ß . Z w a r k a n n , w e n n d i e a u s l ä n d i s c h e o d e r V e r o r d n u n g s r e n t e h ö h e r ist als d i e b e i einer Parallelbetrachtung errechnete deutsche Rente, die A n r e c h n u n g der ausländis c h e n R e n t e d a z u f ü h r e n , d a ß d i e B e t r i e b s r e n t e n a c h § 5 A b s . 2 S . 2 1. A l t . B e t r A V G in s t ä r k e r e m M a ß g e k ü r z t w i r d , als d i e s d e r F a l l w ä r e , w e n n d e r A r b e i t 219 Eine solche Parallelbetrachtung ist etwas anderes als die oben geschilderte Betriebsrentenzusage über die Differenz in der Höhe der tatsächlichen und der hypothetisch ermittelten Sozialversicherungsrenten. Einem Arbeitgeber ist es unbenommen die Höhe einer Zusage auf diesem Wege zu ermitteln. Hier geht es dagegen um eine mit Art. 39 EG vereinbare Auslegung des Gesetzes. 220 Vgl. zu diesen Begriffen, Schulte, Europäische Sozialpolitik, S.66; ders., Soziale Sicherheit in der EG, 2. Aufl., S. XXIII (in der Sache ebenso 3. Aufl. S. XL). 221 EAS/Marschner, B 9100, Rn. 42 ff. Wäre auch ein Anspruch allein nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegeben, ist der rein innerstaatlich begründete oder der nach Gemeinschaftsrecht aus Teilrenten errechnete Anspruch maßgeblich, je nachdem welcher höher ist, vgl. Art. 46 Abs. 3 VO(EWG) 1408/71.

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

157

nehmer seine Rente nur nach deutschen Vorschriften erarbeitet hätte. Darin liegt aber keine Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer, selbst wenn es zuträfe, daß ausländische Arbeitnehmer häufiger ihre Rente im Ausland beantragen als deutsche Arbeitnehmer. Denn das Diskriminierungsverbot verlangt nicht, U n terschiede in den Sozialversicherungsrechten der Mitgliedstaaten im nationalen Betriebsrentenrecht auszugleichen. Auch eine Freizügigkeitsbeschränkung liegt in der Anrechnung einer ausländischen Sozialversicherungsrente nicht, auch wenn sie das Niveau einer in einer hypothetischen Parallelbetrachtung ermittelten deutschen Sozialversicherungsrente übersteigt. Denn für den Arbeitnehmer spielt es keine Rolle, zu welchem Anteil sich seine Gesamtversorgung aus der deutschen Betriebsrente und aus einer deutschen bzw. ausländischen Sozialversicherungsrente zusammensetzt, solange die Gesamtversorgungssumme gleich bleibt. Ist die ausländische oder Verordnungsrente niedriger als eine unter vergleichbaren Bedingungen erarbeitete deutsche Rente gelten die gleichen Überlegungen zur Unzulässigkeit einer hypothetischen Parallelbetrachtung 222 . Der Arbeitgeber hat den höheren Betriebsrentenanteil an der Gesamtversorgung zu tragen.

cc) Ergebnis Anrechenbar nach § 5 Abs. 2 S.2 1. Alt. BetrAVG ist eine ausländische Sozialversicherungsrente als Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dann, wenn es sich um eine gesetzliche Rente handelt, die mindestens zur Hälfte 2 2 3 auf Pflichtbeiträgen des Arbeitgebers beruht. In jedem Fall setzt die Anrechnung voraus, daß der Arbeitnehmer über das ausländische Renteneinkommen aufgrund der devisenrechtlichen Bestimmungen des Auslandsstaates auch verfügen kann 2 2 4 , eine Voraussetzung, die für den Bezug von Sozialversicherungsrenten aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft stets erfüllt ist. Sieht eine Rechtsordnung, wie z.B. die dänische, eine steuerfinanzierte Volksrente vor, die unabhängig von der Dauer der Dienstzeit jedem Bürger ab dem Alter von 67 Jahren eine Grundrente sichert 225 , fällt diese Rente nicht unter die genannte Ausnahme vom Anrechnungsverbot des § 5 BetrAVG. Sie wird indessen schon nicht vom Anrechnungsverbot des Satzes 1 der Bestimmung erfaßt: Der 222 Eine solche stellt aber Andresen, BetrAV 1983, 114 an, der eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Arbeitnehmer hinsichtlich der Betriebsrentenleistung (!) im Ergebnis befürwortet, d.h. sich gegen einen Ausgleich des niedrigeren Niveaus einer ausländischen Sozialversicherungsrente durch höhere betriebliche Leistungen bei einer Gesamtversorgungszusage ausspricht. 223 Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Normzweck. Leistungen, die überwiegend auf Eigenvorsorge beruhen, sind überhaupt nicht anrechenbar. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §5 Rn.55. 224 M ü n c h A r b R / A h r e n d / F ö r s t e r , §110 Rn.29; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil, Rn. 78; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1054. 225 Die Höhe hierüber hinausgehender Leistungen hängt nur von der Anzahl der Dienstjahre und nicht von der Höhe des Lohnes oder Gehaltes ab. Vgl. Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. vom 22.08. 1991, S.33; Eichenhofer, NZS 1997, 101

158

§J Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Versorgungsempfänger selbst hat keine eigenen Beiträge geleistet. Insoweit ist diese Grundrente einer - anrechenbaren 2 2 6 - beamtenrechtlichen Versorgung vergleichbar. Die Grundrente steht jedem Bürger unabhängig von seiner Bedürftigkeit zu und unterscheidet sich insoweit auch grundlegend von der - nicht anrechenbaren 2 2 7 - Sozialhilfe.

b) Anrechnung sonstiger ausländischer Versorgungsbezüge (§5 Abs. 2 S.2 Alt. 2 BetrAVG) § 5 Abs. 2 S. 2 2. Alt. BetrAVG erlaubt auch die Anrechnung „sonstiger Versorgungsbezüge, soweit sie mindestens zur Hälfte auf Beiträgen und Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen". Das B A G verlangt überdies, daß diese Bezüge ihrem Zweck nach einer betrieblichen Versorgungsleistung vergleichbar sind und mit der Arbeitsleistung und Betriebstreue in Zusammenhang stehen 2 2 8 . Grundsätzlich ist damit auch die Anrechnung ausländischer Betriebsrenten, die die gesetzliche Sozialrente freiwillig aufstocken 2 2 9 oder ersetzen, wie etwa die contracted out pension schemes in Großbritannien, auf die deutsche Betriebsrente möglich 2 3 0 , wenn die Beiträge mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber kommen 2 3 1 und der Arbeitnehmer über die ausländischen Versorgungsbezüge aufgrund der devisenrechtlichen Bestimmungen des Auslandsstaates auch verfügen kann 2 3 2 . Ausländische Betriebsrenten, die zu mehr als der Hälfte vom Arbeitnehmer finanziert wurden, sind dagegen nicht anrechenbar 2 3 3 . Hinsichtlich aller übrigen in Betracht kommenden ausländischen Bezüge stellt sich jeweils die Qualifikationsfrage, ob es sich um - anrechenbare - Versorgungsbezüge im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 2 2. Alt. BetrAVG handelt, die ihrem Zweck nach betrieblichen Versorgungsleistungen vergleichbar sind und zumindest zur Hälfte Höf er, BetrAVG, § 5 Rn.2366ff. Höfer, BetrAVG, § 5 R n . 2 3 7 6 f . 2 2 8 B A G 19.07. 1983, 3 A Z R 241/82, B A G E 43,173, 177 = A P N r . 8 zu § 5 BetrAVG = E - B e trAV 30.1 Nr. 24.unter II 2 b und II 3 b der Gründe zur teilweisen Anrechenbarkeit einer Verletztenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung als „sonstige Versorgungsbezüge". Anrechenbar ist nur der Teil der Unfallrente, der eine Verdienstminderung als Folge der Verletzung ausgleichen soll, nicht aber der Teil, der einen Ausgleich für die körperliche Beeinträchtigung bietet. Vgl. zu den außergesetzlichen Anrechnungsverboten kritisch Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rn. 124ff.; zur Anrechnung ausländischer Entlassungsentschädigungen Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S.95ff. 226 227

2 2 9 Im deutschen Recht ist die freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Rebntenversicherung ein Auslaufmodell, Höfer, BetrAVG, § 5 Rn.2333f.; zur Anrechenbarkeit Höfer, BetrAVG, § 5 Rn. 2450ff. 230 Mündihrb'K/Ahrend/Förster, § 1 1 0 R n . 2 9 ; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 78; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1054. 231 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rn. 96 zu Berechnungsproblemen bei freiwilligen Beiträgen in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. 232 MünchArbK/Ahrend/Förster, § 1 1 0 R n . 2 9 ; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 78; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1054. 233 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rn. 117: Die Grenze einer mindestens hälftigen Finanzierung durch den Arbeitgeber nach § 5 A b s . 2 S.2 2. Alt. BetrAVG sei starr.

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

159

vom Arbeitgeber finanziert wurden, oder um - nicht anrechenbare - sonstige Versorgungsbezüge, die ihrem Zweck nach betrieblichen Versorgungsleistungen nicht vergleichbar sind oder nicht wenigstens zur Hälfte vom Arbeitgeber finanziert wurden. c) Koordinierungsproblem klauseln

beim Aufeinandertreffen

von

Anrechnungs-

Sehen sowohl die ausländische Versorgungsordnung als auch die deutsche eine Anrechnung der jeweiligen anderen, aus ihrer Sicht ausländischen Betriebsrente in einem gewissen Umfang vor, entsteht ein Koordinierungsproblem, das für den Fall, daß das ausländische auf das deutsche Betriebsrentenverhältnis folgt, durch §2 Abs. 5 S. 3 BetrAVG gelöst wird. Danach kann eine deutsche Versorgungsordnung nicht die Anrechnung von Bezügen vorsehen, die auf Anwartschaften beruhen, die erst nach dem Ausscheiden beim deutschen Arbeitgeber erdient wurden 234 . Im umgekehrten Fall, daß das deutsche dem ausländischen Betriebsrentenverhältnis folgt, hilft § 2 Abs. 5 S. 3 BetrAVG jedoch nicht, weil es um Anwartschaften geht, die vor dem Ausscheiden beim deutschen Arbeitgeber erdient wurden. Hier kann sich die Nichtanrechenbarkeit der deutschen Betriebsrente allein aus dem ausländischen Betriebsrentenrecht ergeben. Sieht das ausländische Recht kein Anrechnungsverbot bzw. keine § 2 Abs. 5 S. 3 BetrAVG entsprechende Limitierung der Anrechenbarkeit vor, steht man vor einem Widerspruch zwischen den beteiligten Versorgungsordnungen, der im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung aufzulösen ist. Eine doppelte Anrechnung ist zu vermeiden. d) Änderung und Widerruf von Versorgungszusagen wegen ausländischer Bezüge

bei

Uberversorgung

Eine planwidrig 235 eingetretene Uberversorgung des Betriebsrentners kann einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bewirken 236 . Das deutsche Recht mutet dem überversorgten Ruhegeldempfänger Einbußen jedenfalls in dem Maße zu, wie seine Gesamtversorgungsbezüge aus Sozialversicherungsrente und Betriebsrente das Nettoeinkommen eines vergleichbaren aktiven Arbeitnehmers unangemessen übersteigen 237 . Soweit ausländische Sozialversicherungs- und Betriebsrenten nach §5 Abs. 2 BetrAVG angerechnet werden dürfen, sind sie auch in die Berechnung der Gesamtversorgung einzubeziehen. Eine den Arbeitgeber zur Änderung oder zu ei234

Höfer, BetrAVG, § 2 R n . 2 0 1 9 . Zur Planwidrigkeit Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 550ff. 2 3 6 H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn. 501 zu Uberversorgung als Widerrufsgrund; Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 367ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 549ff. 50ff.; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 135ff. 2 3 7 B A G 09.07. 1985,3 A Z R 546/82, A P Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung = E-BetrAV 280.1.2 Nr. 8; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 550ff.; H - B e t r A V / G r i e b e l i n g , Ordnr. 30 R n . 501; 235

160

§J Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

nem teilweisen Widerruf der Betriebsrentenzusage berechtigende planwidrige Überversorgung kann sich daher auch aus dem Bezug einer ausländischen Rente ergeben. Das gilt auch, w e n n aufgrund einer im Vergleich zur deutschen Sozialversicherungsrente höheren ausländischen Sozialversicherungsrente eines Arbeitnehmers, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, nur bei diesem eine planwidrige Überversorgung eintritt, nicht aber bei ansonsten vergleichbaren, aber nur innerstaatlich mobilen oder überhaupt nicht mobilen Arbeitnehmern. Eine Schlechterstellung des grenzüberschreitend mobilen Arbeitnehmers i.S. des absoluten oder relativen Beschränkungsverbots liegt darin nicht. Dieser wird im Vergleich z u m innerstaatlich mobilen oder überhaupt nicht mobilen Arbeitnehmern nicht benachteiligt. Der für beide Arbeitnehmergruppen geltende Grundsatz der Vermeidung einer planwidrigen Überversorgung wirkt sich lediglich allein bei dem grenzüberschreitend mobilen Arbeitnehmer wegen der höheren Sozialversicherungsrente praktisch aus.

2. Allgemeines Auszehrungsverbot §5 Abs. 1 BetrAVG

für laufende Leistungen nach

Die beim Eintritt des Versorgungsfalles festgesetzte betriebliche Leistung soll Bestand haben. Laufende Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung dürfen nach § 5 Abs. 1 BetrAVG nicht mehr durch Erhöhungen anderer Versorgungsleistungen gemindert werden, wenn diese auf einer Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung beruhen 2 3 8 . Erfaßt werden von diesem Verbot auch D y namisierungsvorschriften des ausländischen Rechts, wie sie etwa das reformierte englische Recht kennt 2 3 9 . Erhöhen sich anrechenbare gesetzliche oder private, in- oder ausländische Versorgungsleistungen aufgrund anderer Faktoren als der Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung, so darf diese E r h ö h u n g zur Minderung der laufenden betrieblichen Leistung führen 2 4 0 . Zu denken ist etwa an die Anpassung einer bestehenden Versorgungsordnung und die E r h ö h u n g einer anrechenbaren Betriebsrente in U m s e t z u n g der Rechtsprechung des E u G H zu Art. 141 EG 2 4 1 .

238

Blomeyer/Otto, BetrAVG, §5 Rn.20. Vgl. sections 51-55 Pensions Act 1995. 240 Ahrend/Förster, BetrAVG, § 5 Rn. 6; Höfer, BetrAVG, §5 Rn.2410. 241 Vgl. zu dieser Rechtsprechung einführend Blanpain/Schmidt/Schweibert, Arbeitsrecht, N r . 2 5 6 f f . 239

Europäisches

E. Koordinierung

III.

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

Vorzeitige Betriebsrente bei vorzeitigem Bezug einer Altersrente nach §6 BetrAVG

1. Keine Anwendung des §6 BetrAVG ausländischen Altersrente nach h.M.

bei vorzeitigem

161

ausländischen Bezug

einer

§ 6 BetrAVG sieht vor, daß einem Arbeitnehmer, der die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 2 4 2 vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt, auf sein Verlangen auch - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - Betriebsrente zu gewähren ist 2 4 3 . Ein Anspruch auf vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente bei einem vorzeitigen Bezug einer ausländischen gesetzlichen Altersrente wird von der überwiegenden Meinung im Schrifttum abgelehnt 2 4 4 . Für eine Begrenzung auf inländische Renten sprächen Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte sowie Gleichheits- und Rechtssicherheitserwägungen 2 4 5 . Das Wortlautargument ist nicht zwingend. Der Gesetzgeber hat sich zwar nicht des im europäischen Kontext üblichen Begriffs der „sozialen Sicherheit" bedient 2 4 6 und auch nicht der Formulierung „ähnliche Bezüge" wie in § 2 A b s . l Nr. l b V R G , wozu nach h.M. auch Leistungen eines ausländischen Rentenversicherungsträgers gehörten 2 4 7 . Auch ist der Wortlaut der §§ 5 und 6 BetrAVG unterschiedlich. § 6 BetrAVG spricht von „[der] Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung" und § 5 BetrAVG von „Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen". In § 5 BetrAVG meinte der historische Gesetzgeber mit dem Plural die Arbeiterrentenversicherung, Angestelltenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung 2 4 8 , die Rechtsprechung und h.L. bezieht aber auch ausländische Sozialversicherungsrenten ein 2 4 9 . O b nicht auch mit dem Singular in § 6 BetrAVG eine ausländische gesetzliche Rente erfaßt sein kann, läßt sich dem Wortlaut der Bestimmung allein nicht entnehmen. Darauf, ob der historische Gesetzgeber nur inländische Rechtsverhältnisse im Auge hatte und internationale Sachverhalte überhaupt nicht erwog, kann es im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung der Vorschrift nicht ankommen.

2 4 2 Vgl. §§ 35ff. S G B VI. Zum vorgezogenen Altersruhegeld nach deutschem Recht eines Versicherten, der im Ausland arbeitslos geworden ist, Eichenhofer, ZIAS 1991, 183. 2 4 3 Zu den Voraussetzungen im einzelnen Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn. 23 ff.; Höf er, BetrAVG, §6 Rn. 2497ff. 244 Ahrend/Förster! Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn.77; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn.25; Höfer, BetrAVG, A R T Rn.1236, §6 Rn.2507f., der in A R T Rn.1250 aber eine entsprechende Vereinbarung für möglich hält; mit Zweifeln Kemper/Kisters-Kölkes, Betriebliche Altersversorgung, S.71f., 164f.; a.A. Birk, FS Müller, S.46. 245 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn.25; Höfer, BetrAVG, §6 Rn.2507. 2 4 6 Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn.25. 247 Höfer, BetrAVG, § 6 Rn.2508; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn.25. 248 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §5 Rn.85. 2 4 9 S.o. E.II.l.a) (S. 153ff.).

162

§3 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

Weiterführend ist eine teleologische Auslegung. Der Gesetzeszweck ist ein zweifacher. § 6 BetrAVG will es dem Arbeitnehmer ermöglichen, die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der betrieblichen Altersversorgung zeitgleich schon vor dem Regelalter von 65 Jahren abzurufen 250 . Diese Zielsetzung gibt keinen Anhaltspunkt für eine unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Altersrenten. Auch der Arbeitnehmer, der nach ausländischem Sozialversicherungsrecht zum Bezug einer Altersrente 251 berechtigt ist, hat ein Interesse, zeitgleich in den Genuß seiner Betriebsrente zu kommen. § 6 BetrAVG dient aber auch der Funktionsfähigkeit der - deutschen - Sozialversicherung, insofern der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente nicht durch ein höheres Betriebsrentenalter abgehalten werden soll 252 . Zwar ist das Interesse einer ausländischen Sozialversicherung gleichgelagert, sofern sie einen vorzeitigen Rentenbezug zuläßt. Dieses zu schützen, ist aber kein Anliegen des deutschen Gesetzgebers, so daß in Auslandsfällen allein das Interesse des Arbeitnehmers an einem zeitgleichen Bezug der Renten durch § 6 BetrAVG als Schutzzweck bleibt.

2. Relative

Beschränkung

der

Freizügigkeit

Ob entgegen der h.M. dem Interesse des Arbeitnehmers an einem gleichzeitigen Bezugsbeginn für die Sozial- und die Betriebsrente auch bei einem vorzeitigen Bezug einer ausländischen Sozialrente Rechnung zu tragen ist, hängt davon ab, ob es eine nicht zu rechtfertigende, die Freizügigkeit beschränkende Wirkung haben kann, wenn die Inanspruchnahme einer ausländischen vorzeitigen Altersrente nicht zum gleichzeitigen Bezug einer deutschen Betriebsrente berechtigt. Verweigert man einem Arbeitnehmer, der aufgrund des Bezugs einer ausländischen Altersrente vor dem 65. Lebensjahr die vorzeitige Betriebsrente nach § 6 BetrAVG beansprucht, den vorgezogenen Bezug seiner deutschen Betriebsrente, so hat der Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, Nachteile gegenüber einem Arbeitnehmer, der nur nach deutschem Sozialversicherungsrecht beschäftigt war. Denn nur ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, kann in Deutschland Betriebsrentenanwartschaften und im europäischen Ausland sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften erworben haben. Es kann sich zum einen um deutsche Arbeitnehmer handeln, die zeitweise in einem anderen Mitgliedstaat sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, zum anderen um Bürger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die zeitHöf er, BetrAVG, §6 Rn.2489. Je nach der Systematik des jeweiligen Sozialversicherungsrechts kann es zu Qualifikationsproblemen kommen, wenn Renten wegen Alters und wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht in gleicher Weise wie in den §§33ff. SGB VI klar voneinander abgegrenzt sind. Hier kann auf die Einteilung der Renten gemäß Titel III Kapitel 2 und 3 VO (EWG) 1408/71 zurückgegriffen werden. 252 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn.4. 250

251

E. Koordinierung

von Betriebsrenten

mit

Sozialrenten

163

weise in Deutschland gearbeitet und dabei Betriebsrentenanwartschaften erworben haben. U m eine Benachteiligung von Arbeitnehmern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, zu vermeiden, gebietet es eine europarechtsk o n f o r m e Auslegung des § 6 BetrAVG, unter den Begriff „Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung" auch die gesetzliche Altersrente nach dem Rentenversicherungsrecht eines anderen Mitgliedstaates zu fassen - es sei denn, die Benachteiligung der Wanderarbeitnehmer ließe sich durch G r ü n d e des Allgemeininteresses rechtfertigen.

3. Rechtfertigung

durch Gründe des Allgemeininteresses

Die in der Literatur f ü r die Nichteinbeziehung ausländischer Altersrenten angeführten G r ü n d e der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung 2 5 3 könnten eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertigen, w e n n sie als „zwingende G r ü n de des Allgemeininteresse" i.S. der Rechtsprechung zur Freizügigkeit einzustufen wären.

a) Rechtssicherheit Das Argument, der Arbeitgeber berücksichtige bei einer Betriebsrentenzusage nur das finanzielle Risiko, einer vorzeitigen an das deutsche Sozialversicherungsrecht gekoppelten Rentenleistung, ist nicht stichhaltig. D e n n die Frage ist doch gerade, was der Arbeitgeber zu berücksichtigen hat. Wenn das europäische Recht eine Einbeziehung von Altersrenten aus Sozialversicherungssystemen anderer Mitgliedstaaten verlangt, m u ß sich der Arbeitgeber darauf einstellen, auch wenn dies ohne Frage eine weitere Komplizierung bei der Berechnung der voraussichtlichen Rentenbelastung mit sich bringt. Da nur ein rechtskräftiger Rentenbescheid die Anspruchsberechtigung des Versicherten feststellt, kann der Arbeitnehmer auch die Betriebsrente erst bei Vorliegen eines solchen Bescheides in Anspruch nehmen 2 5 4 . Ist der f ü r die Altersrentenberechnung zuständige Träger ein ausländischer Sozialversicherungsträger, weil der Arbeitnehmer seinen Antrag im Ausland gestellt hat, k o m m t es auf die Bestandskraft des ausländischen Rentenbescheides an. Eine erhöhte Rechtsunsicherheit ergibt sich dadurch f ü r den deutschen Arbeitgeber nicht.

b) Gleichbehandlung Das Gleichheitsargument besagt auf Seiten des Arbeitnehmers, daß die Einbeziehung ausländischer Sozialversicherungsrenten zu Lasten solcher Arbeitnehmer gehen könne, die ausschließlich in der deutschen Sozialversicherung versi-

253 254

Kemper/Kisters-Kölkes, Betriebliche Altersversorgung, S. 71 f., 164f. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 6 Rn.54.

164

53 Freizügigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

chert waren 2 5 5 . Solange die Rentenalter in Europa nicht harmonisiert sind, kann die Einbeziehung ausländischer Sozialversicherungsrenten bedeuten, daß ein Arbeitnehmer, der nach ausländischem Sozialversicherungsrecht rentenberechtigt ist, das einen früheren Zeitpunkt des Rentenbezugs vorsieht als das deutsche Recht, zu einem früheren Zeitpunkt auch seine Betriebsrente in Anspruch nehmen kann 2 5 6 . Mit diesem Argument läßt sich indessen nicht erklären, warum ein Arbeitnehmer, der eine ausländische Altersrente schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres bezieht, einem Alter, in dem auch das deutsche Sozialversicherungsrecht in bestimmten Fällen einen Altersrentenbezug vorsieht 2 5 7 , die deutsche Betriebsrente nicht vorzeitig soll in Anspruch nehmen können. Darauf ob eine Rente, die inund ausländische Versicherungszeiten einbezieht, von einem ausländischen Träger ausbezahlt wird und in diesem Sinne „ausländisch" ist, kann es nicht ankommen. Andernfalls wäre der Arbeitnehmer zur Wahrung seines Anspruchs auf vorzeitigen Altersrentenbezug aus § 6 BetrAVG gezwungen, seinen Wohnsitz im Inland zu nehmen und den Rentenantrag im Inland zu stellen. Auf Seiten des Arbeitgebers ist zu beachten, daß für den die Altersversorgung direkt zusagenden Arbeitgeber und den, der sich einer Unterstützungskasse bedient, die vorzeitige Inanspruchnahme wegen der regelmäßig längeren Rentenlaufzeit regelmäßig eine Mehrbelastung bedeutet, es sei denn, der Arbeitgeber hat mit Kürzungsregelungen Vorsorge getroffen 2 5 8 . Hier könnte die Mehrbelastung für solche Arbeitgeber noch größer werden, die Arbeitnehmer beschäftigt haben, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und zu einem gegenüber dem deutschen Recht früheren Zeitpunkt rentenberechtigt sind. Als Lösung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Freizügigkeit wird erwogen, Arbeitnehmer mit ausländischer Staatsangehörigkeit fiktiv so zu behandeln, als hätten sie die Voraussetzungen für eine vorzeitige betriebliche Altersrente erfüllt, wenn sie bei Fortführung der Beschäftigung im Inland eine vorzeitige Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung hätten erwerben können 2 5 9 . Dieser Vorschlag ist in zweifacher Hinsicht untauglich. Zum einen kann es auf die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers wegen des Diskriminierungsverbots aus Art. 12, 39 E G in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Vor allem aber läuft er auf eine hypothetische Parallelbetrachtung hinaus, die schon oben für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft als unzulässig verworfen wurde 2 6 0 . Die

Kemper/Kisters-Kölkes, Betriebliche Altersversorgung, S. 71 f., 164f. Kemper/Kisters-Kölkes, Betriebliche Altersversorgung, S.71f., 164f. 2 5 7 Z.B. für Schwerbehinderte oder Bergleute, §§37, 40 S G B VI. 258 Ahrend/Förster, BetrAVG, §6 Rn. 18ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §6 Rn. 145ff. 2 5 9 Vgl. Kemper/Kisters-Kölkes, Betriebliche Altersversorgung, S. 71 f., die im Ergebnis eine Anwendung des §6 BetrAVG bei vorzeitigem Bezug einer ausländischen Sozialversicherungsrente dann doch verneinen. 2 6 0 S.o. E.II.l.a) (S. 153ff.). 255 256

F.

Zusammenfassung

165

Sozialversicherungssysteme in der Europäischen Gemeinschaft sind grundsätzlich als gleichwertig zu erachten 261 . Die Gefahr schließlich, daß ein Arbeitnehmer, der in verschiedenen Mitgliedstaaten gearbeitet und dort Versicherungszeiten 262 zurückgelegt hat, mit der Wahl des Wohnorts und damit des Orts der Antragstellung für die Altersrente ein „Sozialversicherungsträger-Shopping" betreibt, das ihn in den vorzeitigen Genuß einer gesetzlichen Altersrente und damit auch der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG bringt, ist als gering einzustufen. Auch mit dieser Erwägung läßt sich die Nichtanwendung des § 6 BetrAVG auf den Bezug einer ausländischen Altersrente vor dem 65. Lebensjahr nicht rechtfertigen.

c)

Ergebnis

Eine europarechtskonforme, mit der Freizügigkeit vereinbare Auslegung des § 6 BetrAVG ergibt, daß auch „ausländische", meist nach den Koordinierungsregeln der V O ( E W G ) 1408/71 festzustellende vorgezogene Altersrenten aus anderen Mitgliedstaaten den Anspruch auf die vorzeitige Betriebsrente begründen, wenn der Arbeitnehmer sie verlangt.

F.

Zusammenfassung

Das deutsche Betriebsrentenrecht kann die Mobilität hin und die Mobilität weg vom Arbeitgeber in Deutschland beschränken. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Altersversorgung in Deutschland mögen zwar einen negativen Anreiz für die Mobilität nach Deutschland darstellen. Die Freizügigkeit garantiert jedoch nicht optimale Arbeitsbedingungen in jedem Mitgliedstaat. Die im internationalen Vergleich relativ langen Unverfallbarkeitsfristen des deutschen Rechts beschränken die Mobilität weg vom Arbeitgeber. Diese Mobilitätsbeschränkung ist durch die Grundkonzeption betrieblicher Altersversorgung in Deutschland, die die Betriebsbindung als einen legitimen Zweck betrieblicher Altersversorgung anerkennt, gerechtfertigt. Das gilt für den Status quo. Eine Veränderung der Funktion der Betriebsrente kann auch zu einem anderen Abwägungsergebnis führen. Wartezeiten haben im deutschen Recht keine die Freizügigkeit beschränkende Wirkung, die über die der Unverfallbarkeitsfristen hinausginge. Auch der nur vorübergehend ins Ausland entsandte Arbeitnehmer genießt den Schutz der Art. 39ff. E G , und zwar auch dann, wenn die Entsendung der Erbringung einer Dienstleistung i.S. des EG-Vertrages durch den Arbeitgeber dient. Das deutsche Recht gewährleistet, daß im Falle einer vorübergehenden Entsendung 261 Eine Parallelbetrachtung lediglich für Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist dagegen zu erwägen. Hier stellt sich eine Nichtanwendung des § 6 BetrAVG auf die ausländische Altersrente aber schon gar nicht als Freizügigkeitsproblem dar. 262 Auf das weitere Problem, welche Versicherungszeiten, die nicht Zeiten der Erwerbstätigkeit waren, von der Freizügigkeitsgarantie umfaßt wurden, sei hier nur hingewiesen.

166

53 Freizügigkeit und betriebliche

Altersversorgung

die Betriebsrentenzusage beim entsendenden Arbeitgeber fortgeführt werden kann. Art. 6 Abs. 1 R L 9 8 / 4 9 / E G bedarf keiner weiteren Umsetzungsmaßnahmen des deutschen Gesetzgebers. Die Mobilität nach Deutschland kann beeinträchtigt sein, wenn eine Zwangszusatzversorgung im Inland auch nur vorübergehend nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer erfaßt, ohne eine Befreiungsmöglichkeit f ü r den Fall vorzusehen, daß der entsandte Arbeitnehmer f ü r die Dauer der Entsendung weiter durch eine Versorgungszusage im Entsendestaat gesichert ist (Art. 6 Abs. 2 R L 98/49/ EG). Im deutschen Recht k o m m e n f ü r eine solche Zwangszusatzversorgung praktisch nur allgemeinverbindliche Versorgungstarifverträge in Frage. Sie werden in aller Regel das Arbeitsverhältnis des entsandten Arbeitnehmers weder erfassen wollen noch können. Im Fall des grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsels werden unverfallbare Anwartschaften beim Altarbeitgeber aufrechterhalten (Art. 4 RL 98/49/EG). U n t e r bestimmten Bedingungen, die einer europarechtskonformen Auslegung zugänglich sind, ist eine Abfindung möglich. Die Beantwortung der Frage, inwieweit auch eine grenzüberschreitende Übertragung von Betriebsrentenverbindlichkeiten in Betracht k o m m t , war zurückzustellen, bis die kollisions- und sachrechtlichen Grundlagen hierfür gelegt sind. Ein - im deutschen Betriebsrentenrecht nicht vorgesehenes - Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen der Aufrechterhaltung unverfallbarer Anwartschaften beim Altarbeitgeber und der Übertragung der Betriebsrentenverbindlichkeit hieraus vom Alt- auf den Nachfolgearbeitgeber, ist durch die Freizügigkeit nicht geboten. Im Arbeitsrecht begründete Freizügigkeitsprobleme beim Aufenthalt bzw. Verbleib des Betriebsrentners im EU-Ausland bestehen im deutschen Recht nicht. Die Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG folgt der ausländischen Inflationsrate, w e n n eine ausländische W ä h r u n g Vertragswährung ist. Ist der Euro Vertragswährung, ist die Inflationsrate in den Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen, maßgeblich. Auch das Zusammenwirken von Betriebsrentenrecht u n d Sozialversicherungsrecht ist freizügigkeitskonform möglich: Anrechenbar nach §5 Abs. 2 S.2 1. Alt. BetrAVG ist eine ausländische Sozialversicherungsrente als Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung dann, w e n n es sich um eine gesetzliche Rente handelt, die mindestens zur Hälfte auf Pflichtbeiträgen des Arbeitgebers beruht. § 6 BetrAVG ist freizügigkeitskonform dahin auszulegen, daß auch der Bezug einer ausländischen Sozialversicherungsrente die vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente auslösen kann.

§ 4 Dienstleistungsfreiheit und betriebliche Altersversorgung A. Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit I. Persönlicher 1. Erwerbszweck des Trägers der

Anwendungsbereich Dienstleistungsfreiheit

Anders als die Freizügigkeit k o m m t die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 48 Abs. 2, 55 E G neben natürlichen Personen auch allen anderen Wirtschaftssubjekten, seien sie juristische Personen oder nicht, sowie allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu 1 . Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Genossenschaften in Art. 48 Abs. 2 E G folgt, daß es nicht darauf ankommt, daß eine von der Dienstleistungsfreiheit begünstigte Gesellschaft nach dem Prinzip der G e w i n n maximierung arbeitet. Eine Gewinnerzielungsabsicht des Trägers der Dienstleistungsfreiheit ist nicht erforderlich 2 . Vielmehr ist der Begriff des Erwerbszwecks, der U n t e r n e h m e n die Dienstleistungsfreiheit eröffnet, weit auszulegen. Das U n ternehmen muß sich nur überhaupt am Wirtschaftsleben beteiligen 3 , etwa dadurch, daß es die Finanzierung eines Versorgungsversprechen so effizient wie möglich zu gestalten sucht 4 . N i c h t erforderlich ist es, daß das Unternehmen an einem allgemeinen Markt als Anbieter von Dienstleistungen für eine unbestimmte Vielzahl von Kunden auftritt. Daher kann auch eine Einrichtung zur Altersversorgung, die von dem oder den Trägerunternehmen für einen spezifischen Versorgungszweck geschaffen wird, Träger der Dienstleistungsfreiheit sein. Das Schwergewicht der Dienstleistungsfreiheit liegt hier allerdings auf ihrem negativen oder passiven Aspekt, nämlich der Frage, welcher Versorgungsträger sich der Arbeitgeber als Nachfrager zur Durchführung betrieblicher Altersversorgung bedienen kann. Auch diese negative Dienstleistungsfreiheit ist durch die A r t . 4 9 f f . E G geschützt 5 .

Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art.58 Rn.2. Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 58 Rn.4, Art. 52 Rn.29, 31; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1613f. m.w.N. 3 Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 60 Rn. 7. 4 So ausdrücklich Jürgens, FS Ahrend, S. 494. 5 EuGH 31.01. 1984, Verb. Rs. 286/82 u. 26/83, Luisi/Carbone, Slg. 377; Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 59 Rn. 47f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1594ff. 1

2

168

5 4 Dienstleistungsfreiheit

2. Staatsangehörigkeit

und betriebliche

Altersversorgung

eines Mitgliedstaates

Wie die Freizügigkeit k n ü p f t auch die Dienstleistungsfreiheit an die Staatsangehörigkeit des Trägers der Grundfreiheit an 6 . Eine Gesellschaft m u ß nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet w o r d e n sein und m u ß ihren satzungsmäßigem Sitz, ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Gemeinschaft, aber nicht notwendigerweise im Mitgliedstaat der G r ü n d u n g haben 7 .

II. Sachlicher

Anwendungsbereich

1. Begriff der Dienstleistung Der sachliche Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit wird durch den Begriff der Dienstleistung bestimmt. Ungeachtet der beispielhaften Aufzählung in Art. 50 Abs. 2 E G ist nicht der volkswirtschaftliche Begriff der Dienstleistung maßgebend 8 . Dienstleistung im Sinne der Art. 49ff. E G sind nach Art. 50 A b s . l E G alle grenzüberschreitenden 9 Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- u n d Kapitalverkehr u n d über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Im Gegensatz zur Warenverkehrsfreiheit geht es bei der Dienstleistungsfreiheit u m nichtverkörperte Produkte 1 0 . Entgeltlich ist eine Dienstleistung, wenn sie in der Regel oder typischerweise gegen eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht wird 1 1 , wenn der Leistende mit ihr einen Erwerbszweck verfolgt 1 2 . N i c h t erforderlich ist es, daß der E m p fänger der Leistung das Entgelt erbringt. D o c h darf das Entgelt, w e n n es von 6

Streinz, Europarecht, Rn. 661. Z u r Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Staatsangehörige der verbliebenen EWR-Staaten N o r w e g e n , Island u n d Liechtenstein oben § 3 A.I.4. Vgl. auch Vorschlag einer Richtlinie zur A u s d e h n u n g der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft niedergelassene Staatsangehörige dritter Länder KOM(1999) 3 endg. v o m 12.02. 1999, ABl. E G C 67 v o m 10.03. 1999, S.17ff. 7 Groeben/Troberg, E U - / E G - V e r t r a g , Art. 58 Rn. 1. 8 Roth, in: Dauses, H d b . E U - W i r t s c h a f t s R , E.I Rn. 96, Streinz, Europarecht, Rn. 755. 9 S.o. § 2 B . I . (S.83f.). 10 H i e r z u u n d zu den weiteren Abgrenzungsfragen Hailbronner/Nachbaur, E u Z W 1992, 106ff. 11 Roth, in: Dauses, H d b . E U - W i r t s c h a f t s R , E.I Rn.97. 12 G r o e b e n / T r o b e r g , E U - / E G - V e r t r a g , Art. 60 Rn. 7. Die Entgeltlichkeit der Dienstleistung nach A r t . 50 Abs. 1 E G u n d der E r w e r b s z w e c k des Dienstleistungserbringers nach Art. 48 Abs. 2 E G werden häufig nicht getrennt. S. etwa Randelzhofer, in: G r a b i t z / H i l f , EWGV, Art. 60 Rn. 8. Ausschließlich karitative, kirchliche u n d ähnliche Leistungen fallen indes aus dem Dienstleistungsbegriff heraus. Die Kriterien „ E r w e r b s z w e c k " f ü r den persönlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit f ü r Gesellschaften i.S. des Art. 48 Abs. 2 E G u n d „Entgeltlichkeit der Dienstleistung" f ü r den sachlichen A n w e n d u n g s b e r e i c h der Dienstleistungsfreiheit sind daher nicht völlig deckungsgleich. Ein T r a n s p o r t u n t e r n e h m e n , dessen E r w e r b s z w e c k außer Frage steht, im Einzelfall aber aus karitativen G r ü n d e n grenzüberschreitend kostenlose Transporte zur N o t h i l f e f ü r H o c h w a s s e r o p f e r im N a c h b a r l a n d zur Verfügung stellt, erbringt keine entgeltliche Dienstleistung i.S. des Vertrages.

A. Schutzbereich

der

169

Dienstleistungsfreiheit

dritter Seite kommt, dadurch nicht seinen Charakter als Gegenleistung verlieren 13 .

2. Verhältnis der Dienstleistungsfreiheit zur Freiheit des Zahlungs- und des Kapitalverkehrs Während sich der Schutzbereich der Personenverkehrsfreiheiten Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit gegenseitig ausschließt 14 , kann ein und derselbe tatsächliche Vorgang sowohl unter den Schutz des Zahlungs- oder Kapitalverkehrs als auch unter die Dienstleistungsfreiheit fallen. Hierzu zwei Beispiele: Die Auszahlung von Altersversorgungsleistungen durch eine inländische Einrichtung zur Altersversorgung an Betriebsrentner im Ausland ist eine Maßnahme des Zahlungsverkehrs, denn die Zahlung erfolgt in Erfüllung einer rechtsgeschäftlichen Schuld 15 . Zugleich kann mit der Auszahlung an den Begünstigten eine entgeltliche Dienstleistung „Durchführung der betrieblichen Altersversorgung" für den Arbeitgeber erbracht werden. Die grenzüberschreitende Vermögensanlage einer Einrichtung zur Altersversorgung ist als einseitige Wertübertragung eine Transaktion des Kapitalverkehrs 16 . Zugleich kann darin eine Dienstleistung für einen Arbeitgeber zu sehen sein, wenn die Einrichtung zur Altersversorgung mit dieser Transaktion dem Arbeitgeber die Vermögensverwaltung und -anlage des zur Finanzierung einer Betriebsrentenzusage angesammelten Kapitals abnimmt.

III. Zum Zusammenhang von Arbeitskollisionsrecht Dienstleistungsfreiheit

und

Die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit bei Leistungen betrieblicher Altersversorgung wirft erstens die Frage auf, ob externe Versorgungsträger i.S. des § 1 Abs. 2 - 4 BetrAVG auch Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Unterstützungskassen mit Sitz im Ausland sein können, und zweitens, ob E U ausländische Einrichtungen zur Altersversorgung, die keinem der im BetrAVG benannten Durchführungswege zuzuordnen sind - im folgenden auch kurz „atypische Versorgungseinrichtungen" genannt - , betriebliche Altersversorgung für Unternehmen in Deutschland durchführen können. 13 Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn.97 und Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 60 Rn. 7 jeweils unter Hinweis auf E u G H 26.04. 1988, Rs. 352/85, Kabelregeling, Slg. 2085, 2131 Rn. 16; Müller, Dienstleistungsmonopole im System des EWGV, S. 126f. 14 E u G H 30.11. 1995, C-55/94, Gebhard, Slg. 1-4165 Rn.21f. und schon oben §3 A . I . l . (S. 109f.). 15 Groeben/Kiemel, EU-/EG-Vertrag, Artikel 73b Rn. 1 zur Definition des Zahlungsverkehrs. Problematisch mag das allenfalls für die Unterstützungskasse erscheinen, die selbst keinen Rechtsanspruch gewährt. De facto wird der Arbeitnehmer aber so gestellt, als stünde ihm ein Anspruch zu. 16 Groeben/Kiemel, EU-/EG-Vertrag, Artikel 73b Rn. 1 zur Definition des Kapitalverkehrs.

170

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Ergeben sich aus den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des BetrAVG Hindernisse für die Einschaltung vom BetrAVG gesetzlich vorgesehener oder atypischer Versorgungseinrichtungen, wenn diese oder jene ihren Sitz im Ausland haben, ist nach der Rechtfertigung dieser Beschränkung durch ein deutsches Allgemeininteresse zu fragen. Ein andere Frage ist, ob und inwieweit ein Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland sich für Arbeitnehmer, die er im Inland beschäftigt, mittels einverständlicher Rechtswahl von den Anforderungen des BetrAVG lösen kann. Diese arbeitskollisionsrechtliche Frage ist zugleich eine Vorfrage zur Beurteilung der Dienstleistungsfreiheit. Ist es dem Arbeitgeber nämlich möglich, das Betriebsrentenverhältnis einem ausländischen Recht zu unterstellen, welches andere Durchführungswege kennt und andere Typen von Versorgungsträgern vorsieht, ist eine im deutschen Sachrecht begründete Beschränkung der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Arbeitgeber als Nachfrager nach den Dienstleistungen ausländischer (atypischer) Versorgungsträger als weniger gravierend einzustufen als wenn eine solche kollisionsrechtliche Wahlmöglichkeit für den Arbeitgeber ausscheidet. Diesen kollisionsrechtlichen Fragen wird im Zweiten Teil der Untersuchung nachgegangen. U m die europarechtliche Fragestellung zunächst von kollisionsrechtlichen Problemen zu entlasten, beschränkt sich die folgende Betrachtung - wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt - auf Fälle, in denen deutsches Betriebsrentenrecht zur Anwendung kommt. Dies sind erstens Fälle, in denen ein inländisches Unternehmen seinen im Inland tätigen Arbeitnehmern eine Betriebsrentenzusage macht und keine Rechtswahl für das Betriebsrentenversprechen getroffen wird oder aber das deutsche Recht gewählt wird. Hier unterliegt das Betriebsrentenversprechen unproblematisch dem deutschen Recht. Zweitens werden Fallgestaltungen erfaßt, in denen ein Unternehmen mit Sitz im Ausland eine Versorgungszusage für seine in einer Niederlassung im Inland tätigen Arbeitnehmer abgibt und hierfür keine Rechtswahl getroffen wird oder aber das deutsche Recht gewählt wird. Auch eine solche Betriebsrentenzusage unterliegt dem deutschen Recht 17 .

IV. Weiterer Gang der

Untersuchung

Im folgenden Abschnitt B geht es zunächst um grenzüberschreitende Dienstleistungen bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in einem der Durchführungswege des BetrAVG und etwaige Hindernisse für solche grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Der anschließende Abschnitt C beschäftigt sich mit der Frage, ob ausländische Versorgungsträger betriebliche Altersversorgung im Inland auch außerhalb eines der Durchführungswege des BetrAVG über atypische Versorgungsträger, die nicht Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen oder Unterstützungs17

Näher unten § 6 B . I I . l C . (S. 261 ff., 281 ff.) und zum Insolvenzschutz § 8 C.II.2.b) (S. 365ff.).

B. Betriebliche

Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrA VG

171

kassen sind, in aus Sicht des BetrAVG atypischen Vertragsgestaltungen d u r c h f ü h ren können. U m eine weitere mögliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das deutsche Arbeitsrecht geht es im anschließenden Abschnitt D , der sich mit der Verwirklichung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einschaltung eines ausländischen Versorgungsträgers sowie bei der Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung auf Dritte beschäftigt.

B. Grenzüberschreitende Dienstleistungen bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in einem der Durchführungswege des BetrAVG Eine mittelbare Versorgungszusage nach dem BetrAVG wird im Dreiecksverhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer - Versorgungsträger abgewickelt, so daß verschiedene Rechtsbeziehungen f ü r die Erbringung einer Dienstleistung i.S. des Vertrages in Frage kommen.

I. Dienstleistung im Verhältnis Versorgungsträger -

Arbeitgeber

Die „ D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung" ist eine Dienstleistung nach Art. 50 E G im Verhältnis zwischen dem Versorgungsträger als dem Erbringer u n d dem Arbeitgeber als dem Nachfrager dieser Dienstleistung, w e n n der Dienstleistungserbringer mit ihr einen Erwerbszweck verfolgt und die Leistung entgeltlich erbringt 1 8 . Fällt die Leistung eines Versicherungsunternehmens, einer Pensionskasse oder einer Unterstützungskasse unter den Begriff der Dienstleistung i.S. des EG-Vertrages, verlangt die Dienstleistungsfreiheit, daß sie auch grenzüberschreitend erbracht werden kann, es sei denn, zwingende G r ü n d e des Allgemeininteresses rechtfertigen eine Beschränkung.

1. Erwerbszweck des Trägers der Dienstleistungsfreiheit lichkeit der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG

und Entgelt-

a) Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen D e r personelle Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist unproblematisch f ü r Versicherungsunternehmen. Sie werden in Deutschland nach § 7 Abs. 1 V A G in der Rechtsform einer A G und eines W a G 1 9 oder als Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben und fallen unter den Gesellschaftsbegriff des Art. 48 EG.

18

G r o e b e n / T r o b e r g , E U - / E G - V e r t r a g , Art. 60 R n . 7 . Ein Verein, d e m es erlaubt ist, Versicherungsgeschäfte zu betreiben, erlangt nach § 15 V A G als W a G Rechtsfähigkeit. Die Vorschriften des Ersten u n d Vierten Buches des H G B gelten nach §16 V A G f ü r W a G entsprechend. 19

172

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Wird die betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung nach §1 Abs. 2 BetrAVG 2 0 durchgeführt, erbringt der Versicherer im Rahmen echter Gruppenlebensversicherungen 21 eine umfassende Dienstleistung für den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer. Sie umfaßt die gesamte Durchführung und Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung, also die Bereitstellung und Auszahlung der inhaltlich und umfangmäßig vereinbarten Versorgungsleistungen an den Begünstigten oder seine Hinterbliebenen, die Verwaltung des Begünstigtenstandes und die Verwaltung und die Anlage angesammelten Vermögens 2 2 . Diese Leistung wird auch entgeltlich erbracht. Die vom Arbeitgeber gezahlten Versicherungsprämien decken die Kosten der Leistung und darüber hinaus auch noch das wirtschaftliche Gewinnerzielungsinteresse des Versicherers. Die Geschäftstätigkeit der Lebensversicherer bei der Durchführung betrieblicher Altersversorgung im Wege der Direktversicherung wird daher unproblematisch von der Dienstleistungsfreiheit erfaßt, wenn sie grenzüberschreitend erfolgt.

b) Mittelbare Versorgung durch Pensionskassen Auch bei der Pensionskassenzusage liegt ein versicherungsförmiger Durchführungsweg vor. Pensionskassen werden in der Praxis stets in der Rechtsform eines W a G , überwiegend als kleinerer Verein, betrieben 2 3 . Der Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit durch einen solchen kleineren Verein steht es nicht entgegen, daß dieser bestimmungsgemäß einen „sachlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis" hat (§53 A b s . l VAG). Ist der Wirkungskreis durch die Satzung allerdings in der Weise begrenzt, daß die Pensionskasse nicht grenzüberschreitend tätig werden darf, liegt darin ein Verzicht auf die Inanspruchnahme der ihr zustehenden Dienstleistungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann Versicherungsnehmer sein, vorausgesetzt, er ist Mitglied der Kasse 2 4 . Ist dies nicht der Fall, liegt der Rechtsbeziehung des Arbeitgebers zur Pensionskasse eine schuldrechtliche Vereinbarung sui generis zugrunde 25 . Die Pensionskasse erbringt für den Arbeitgeber entweder aufgrund einer solchen schuldrechtlichen Abrede sui generis oder aufgrund ihrer Satzung oder, wenn der Arbeitgeber auch Versicherungsnehmer ist, aufgrund des Versicherungsvertrages

2 0 Im folgenden ist mit Direktversicherung stets die Direktversicherung i. S. von § 1 Abs. 2 BetrAVG gemeint, nicht der versicherungsrechtliche Begriff der Direktversicherung (Erstversicherung) in Abgrenzung zur Rückversicherung. Soergel/von Hoffmann, E G B G B Art. 37 Rn. 76. 21 Bei der echten Gruppenversicherung wird ein einheitlicher Vertrag zwischen Versicherer und Gruppenspitze (Arbeitgeber) als Versicherungsnehmer geschlossen. Sie ist Fremdversicherung, bei der ein nach objektiven Merkmalen abgegrenzter Personenkreis (Arbeitnehmer mit Versorgungszusage) gegen eine bestimmte, allen Gruppenmitgliedern drohende Gefahr (Alter, Tod) versichert wird. Vgl. Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 423. 22 Körber, V W 1993, 254f. 23 H-BetrAV/Dresp, Ordnr. 50, Rn.29ff.; Höf er, BetrAVG, ART Rn. 156. 24 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 840f. 25 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.842.

B. Betriebliche Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrAVG

173

entgeltliche Dienstleistungen. Eine Pensionskassensatzung kann bspw. vorsehen, daß die Pensionskasse f ü r ihre Versicherungstätigkeit alle Kosten f ü r Verwaltung und Personal vom Arbeitgeber ersetzt bekommt 2 6 . Eine Gewinnerzielungsabsicht der Kasse ist f ü r den Erwerbszweck i.S. des Art. 48 E G nicht notwendig 2 7 . Die Gesamtleistungen der Pensionskasse f ü r den Arbeitgeber sind als Dienstleistungen i.S. des EG-Vertrages geschützt, wenn sie grenzüberschreitend erfolgen.

c) Mittelbare Versorgung durch

Unterstützungskassen

Unterstützungskassen werden in der Rechtsform eines eV, einer G m b H oder, seltener, einer Stiftung betrieben 2 8 . Eine Unterstützungskasse in der F o r m einer G m b H ist als eine Gesellschaft des Handelsrechts stets Gesellschaft i.S. der Art. 48 E G . A u c h eine als eV betriebene Unterstützungskasse ist eine Gesellschaft i.S. des Art. 48 E G . Zwar setzt die Eintragung einer Unterstützungskasse ins Vereinsregister als Idealverein nach §21 BGB voraus, daß der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. D o c h hält die Rechtsprechung nur einen wirtschaftlichen H a u p t z w e c k für eintragungsschädlich (sog. Nebentätigkeitsprivileg) 2 9 . Von der Eintragung einer Unterstützungskasse als eV kann also nicht auf das Fehlen einer unternehmerischen Tätigkeit geschlossen werden. Vielmehr beteiligt sich auch eine als eV betriebene Unterstützungskasse am Wirtschaftsleben, indem sie die Finanzierung der Versorgungsversprechen, die Verwaltung des Vermögens und die Auszahlung der Leistungen so effizient wie möglich zu gestalten sucht 30 , und verfolgt damit einen Erwerbszweck i.S. des Art. 48 Abs. 2 E G . Entsprechendes gilt f ü r die seltenen Unterstützungskassen in der Rechtsform einer Stiftung. Im Verhältnis zwischen Unterstützungskasse u n d Arbeitgeber erbringt diese eine Dienstleistung, wenn sie dem Arbeitgeber die Verwaltung der Z u w e n d u n gen, die Vermögensanlage, die Verwaltung des Begünstigtenstandes und die Auszahlung der Leistungen an die Betriebsrentner und Hinterbliebenen organisatorisch abnimmt 3 1 . Regelmäßig liegt dieser Dienstleistung ein Auftrag des Arbeitgebers zugrunde, aus dem ein Aufwendungsersatzanspruch der Unterstützungskasse resultiert 32 . Die Dienstleistung der Unterstützungskasse f ü r das Trägerunternehmen ist damit entgeltlich. Besonders deutlich wird die Dienstleistungsbeziehung zwischen Trägerunternehmen und Unterstützungskasse bei einer auch wirtschaftlichen Entkoppelung der beiden durch eine satzungsmäßige Beschrän26

Vgl. Beispiel für eine Pensionskassensatzung, H-BetrAV, Teil I, E.III.l. S.o. A.I.l. (S. 167f.). 28 Höf er, BetrAVG, A R T Rn. 169. 29 B G H 29.09. 1982,1 Z R 88/89, B G H Z 85, 84; Schmidt, AcP 182 (1982), 18 m.w.N. 30 So ausdrücklich Jürgens, FS Ahrend, S.494. 31 Eine andere Frage ist, wie der Arbeitgeber und der Betriebsrat in den entscheidungsbefugten Gremien der Unterstützungskasse (Vorstand des e.V., Geschäftsführungder G m b H ) bei Entscheidungen der Vermögensanlage und -Verwaltung zusammenwirken. Dazu unten unter D. (S. 202ff.). 32 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.911, 918. 27

174

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

kung, daß die in der Unterstützungskasse ausgelagerten Mittel nicht mehr an das Trägerunternehmen zurückfließen können 3 3 . Die Dienstleistungstätigkeit der Unterstützungskasse, die diese auch weiter an einen Dritten, z.B. eine eigene Managementfirma des Trägerunternehmens, delegieren kann 3 4 , ist bei einer solchen Gestaltung über die Art. 49ff. E G geschützt, w e n n sie grenzüberschreitend erfolgt. Führt allerdings - wie in der Praxis nicht unüblich - das Trägerunternehmen selbst „im Auftrag" der Unterstützungskasse die Verwaltung durch, werden also die Verwaltungsaufgaben der eingeschalteten Unterstützungskasse vom Trägerunternehmen selbst erledigt, ist die Unterstützungskasse lediglich ein Vehikel, um beim Arbeitgeber die steuerlichen Folgen des §4d EStG auszulösen 3 5 . Legt die Unterstützungskasse außerdem die angesammelten Deckungsmittel kreditweise sämtlich wiederum im Trägerunternehmen an, funktioniert sie als bloßer Innenfinanzierungsmechanismus des Trägerunternehmens 3 6 . Eine entgeltliche Dienstleistung der Unterstützungskasse im Verhältnis z u m Trägerunternehmen i.S. des Art. 50 Abs. 1 E G liegt bei einer solchen Fallgestaltung nicht vor 3 7 . Trägerunternehmen und Unterstützungskasse bilden hier eine wirtschaftliche Einheit 3 8 . Eine Geschäftstätigkeit der Unterstützungskasse f ü r den Arbeitgeber findet nicht statt. Die Dienstleistungsfreiheit ist bei einer solchen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Trägerunternehmen und Unterstützungskasse nicht betroffen.

2. Grenzüberschreitung

der Dienstleistung

Das Merkmal der Grenzüberschreitung der Dienstleistung ist in zwei Fallgestaltungen unproblematisch erfüllt. Z u m einen kann ein U n t e r n e h m e n mit Sitz im Ausland die betriebliche Altersversorgung f ü r Arbeitnehmer einer inländischen Niederlassung über einen Versorgungsträger mit Sitz in Deutschland durchführen lassen (unten a). Z u m anderen kann ein Versorgungsträger mit Sitz im Ausland die betriebliche Altersversorgung f ü r ein Trägerunternehmen mit Sitz im Inland durchführen (unten b). H a b e n der Arbeitgeber u n d der Versorgungsträger beide ihren Sitz in Deutschland, ist gleichwohl ein grenzüberschreitendes Element in der Dienstleistungsbeziehung zwischen ihnen gegeben, wenn der begünstigte Arbeitnehmer seinen Arbeitsort im Ausland hat. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, daß Arbeitgeber 33

Vgl. Dr.Dr. Heissmann G m b H , I n f o r m a t i o n e n zur Versorgung u n d Vergütung, N r . 1 April 1998 zur Schaffung einer einem „ f u n d e d trust" ähnlichen Unterstützungskasse. 34 Vgl. Beye, BetrAV 1995,130. In allen Konstellationen sind die d e m Trägeruntenehmen entstehenden Kosten w o h l als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. 35 Das Trägerunternehmen kann auch die bei ihm selbst entstehenden Verwaltungskosten als Betriebsausgaben steuerlich absetzen; Schmidt/Seeger, E s t G , §4d Rn. 1; Beye, BetrAV 1995,130. 36 Blomeyer, Z I P 1997, 1401 „verlängerter A r m des Arbeitgebers". 37 U m g e k e h r t liegt auch keine entgeltliche Dienstleistung der Vermögensverwaltung des Trägerunternehmens f ü r die Unterstützungskasse vor. 38 Blomeyer, Z I P 1997, 1401.

B. Betriebliche

Altersversorgung

in einem der Durchfiihrungswege

des BetrA VG

175

und Versorgungsträger beide ihren Sitz im Ausland haben, der begünstigte Arbeitnehmer jedoch seinen Arbeitsort im Inland hat (unten c).

a) Arbeitgeber aa)

mit Sitz im Ausland

Direktversicherung

Nach dem Stand der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit durch die drei Lebensversicherungsrichtlinien 39 kann ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat seine dem deutschen Recht unterliegende Betriebsrentenzusage an Arbeitnehmer einer Niederlassung in Deutschland unproblematisch über ein inländisches Versicherungsunternehmen im Wege der Direktversicherung i.S. von § 1 Abs. 2 BetrAVG durchführen lassen 40 . Welchem Versicherungsvertragsrecht der Versicherungsvertrag untersteht, entscheidet das internationale Versicherungsvertragsrecht 41 . Etwaigen Dienstleistungshindernissen aus dem anwendbaren nationalen Versicherungsvertragsrecht, etwa durch die Produktgestaltung begrenzende, zwingende Bestimmungen, wird hier nicht weiter nachgegangen. Auch zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen können die Durchführung betrieblicher Altersversorgung im Wege der Direktversicherung behindern. Insoweit der Arbeitgeber das Bezugsrecht des Arbeitnehmers vor Eintritt des Versorgungsfalls durch Abtretung oder Beleihung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag oder durch einen Widerruf des Bezugsrechts beeinträchtigt, unterliegt die Direktversicherung dem Insolvenzschutz nach den § § 7 - 1 5 BetrAVG 4 2 . Das gilt auch für die dem deutschen Recht unterliegende Betriebsrentenzusage eines Arbeitgeberunternehmens mit Sitz im Ausland an die Arbeitnehmer einer inländische Niederlassung 43 . Die Absicherung der gefährdeten Direktversicherung über den PSVaG verteuert die Altersversorgung für den Arbeitgeber, gleich ob die Direktversicherung mit einem Versicherer im gleichen oder einem anderen Mitgliedstaat abgeschlosVgl. oben §1 D.III.3. (S.66ff.). Entsprechendes gilt im spiegelbildlichen Fall der Versorgungszusage durch ein ausländisches Unternehmen nach ausländischem Recht. Zur Durchführung eines Versorgungsversprechens an Arbeitnehmer im Ausland, das ausländischem Recht unterliegt, kann der EU-ausländische Arbeitgeber (Gruppen-)Lebensversicherungsverträge mit einem deutschen Lebensversicherungsunternehmen abschließen, sofern das ausländische Betriebsrentenrecht - wie etwa das österreichische - einen versicherungsförmigen Durchführungsweg kennt. In Osterreich finanziert die Mehrzahl der Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge mit Hilfe von Pensionsrückstellungen. Mittlere und große Unternehmen bedienen sich auch häufig der Pensionskasse, kleine Unternehmen der Versicherungslösung. Vgl. IPC Information, Dezember 1995. 41 Dazu unten §7 B.1.2. (S.316ff.). 42 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §7 Rn.56ff. 43 Streitig; zur kollisionsrechtlichen Begründung und zur Auseinandersetzung mit dem PSVaG § 8 C.III.2.b). Der PSVaG lehnt die Sicherung von Zusagen von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland ab (Merkblatt 300/M 7 (Stand 10.86) unter 2.1.1. und 2.2.1.). Folgt man dieser Auffassung, liegt ein Fall der Inländerdiskriminierung vor, weil nur inländische Unternehmen der Zwangssicherung und damit der Beitragspflicht nach § 10 BetrAVG unterworfen sind. 39

40

176

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

sen wird. In der Verteuerung des Durchführungswegs für den Arbeitgeber durch die Beiträge nach § 1 0 BetrAVG ist eine absolute, produktbezogene Beschränkung seiner negativen Dienstleistungsfreiheit zu sehen. Diese ist allerdings durch das Allgemeininteresse des Schutzes des Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers gerechtfertigt. Die Insolvenzsicherungspflicht nach dem BetrAVG ist zur Erreichung dieses Ziels objektiv geeignet, erforderlich und proportional. Sie trifft nur die gefährdete Direktversicherung, verteuert also nur ein Produkt, das die Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer dem Insolvenzrisiko des Arbeitgebers aussetzt 44 .

bb)

Pensionskasse

Bedient sich ein Unternehmen mit Sitz im EU-Ausland für die Altersversorgung seiner in einer inländischen Niederlassung tätigen Arbeitnehmer einer Pensionskasse mit Sitz in Deutschland, erbringt diese im Verhältnis zum ausländischen Trägerunternehmen eine grenzüberschreitende Dienstleistung. Nach §13 Abs. 3 i.V.m. §13a Abs. 1 S.3 V A G erfordert jede Auslandstätigkeit einer inländischen Pensionskasse den Nachweis, daß sie auch nach der beabsichtigten Ausdehnung des Geschäftsbetriebs die Vorschriften über die Kapitalausstattung erfüllt. Erbringt die Pensionskasse diesen Nachweis im Inland, ist eine darüber hinausgehende Erlaubnispflicht im Ausland problematisch: Zwar gilt das in den Lebensversicherungsrichtlinien statuierte Sitzlandprinzip für sie nicht 4 5 . Die Herausnahme der Pensionskassen aus dem Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien bedeutet allerdings nicht, daß ihnen die Dienstleistungsfreiheit überhaupt nicht zukommt. Die Dienstleistungsfreiheit gilt seit dem Ende der Ubergangszeit am 3 1 . 1 2 . 1 9 6 9 unmittelbar. Die Richtlinien füllen als sekundäres Gemeinschaftsrecht nur die primär und unmittelbar garantierte Freiheit aus. Das Sekundärrecht geht im Rang dem Primärrecht nach 4 6 . Art. 49 E G gebietet nach dem Grundsatzurteil des E u G H zur Dienstleistungsfreiheit im Versicherungswesen 47 indes nicht, daß Versicherungsunternehmen grenzüberschreitend ohne Zulassung im Tätigkeitsstaat tätig werden können. Ein die Dienstleistungsfreiheit beschränkendes Zulassungserfordernis im Tätigkeitsland kann durch das Allgemeininteresse des Schutzes des Versicherungsnehmers und des Versicherten gerechtfertigt sein. Die Lebensversicherungsrichtlinien beruhen auf dem Gedanken, daß erst eine Mindestharmonisierung insbesondere der Solvabilitätsanforderungen eine gegenseitige Anerkennung der Aufsichtssysteme

4 4 Eine andere Frage ist, ob die Insolvenzsicherung durch ein Monopolunternehmen wie den PSVaG mit der Dienstleistungsfreiheit anderer Anbieter von Insolvenzversicherungen vereinbar ist. Dazu unten §5 D. (S.242ff.). 45 Tiltag, BetrAV 1994, 151 f.; Koch, BetrAV 1994, 265; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. 1099 und oben §1 D.III.3.a)bb) (S.68f.). 46 Bleckmann, Europarecht, Rn. 527. 4 7 E u G H 04.12. 1986, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr -Versicherung), Slg. 3755 Rn.42-51.

B. Betriebliche Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrA VG

177

erlaubt 4 8 . Die Nichteinbeziehung der Pensionskassen in den Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien war durch die unzureichende Solvabilitätsgarantie dieser Einrichtungen begründet. Erfüllen Pensionskassen die f ü r U n t e r n e h m e n der Lebensversicherung geltenden Kapitalausstattungsanforderungen, obwohl dies durch die Lebensversicherungsrichtlinien mangels Anwendbarkeit nicht gefordert ist, stellt ein zusätzliches Zulassungserfordernis im ausländischen Tätigkeitsland allerdings eine bloße „Wiederholung der bereits im Niederlassungsstaat erfüllten gleichwertigen gesetzlichen Voraussetzungen" 4 9 dar. Eine solche Zulassungsregelung entspricht nicht den zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu machenden Anforderungen. Tatsächlich hat der deutsche Gesetzgeber Pensionskassen, obwohl sie aus dem Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien herausgenommen w u r den, in §53c Abs. 2a V A G den gleichen Solvabilitätsanforderungen unterworfen wie die Versicherungsunternehmen. Die Ubergangsfrist in § 53c Abs. 2a S. 2 V A G bedeutet, daß spätestens mit Ablauf des 31.12. 1999 alle Pensionskassen die gleichen Eigenmittelanforderungen erfüllen wie Lebensversicherungsunternehmen 5 0 . Für Pensionskassen von „erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung" entfällt z u d e m gemäß § 156a Abs. 3 V A G unter bestimmten quantitativen u n d qualitativen Voraussetzungen auch die Vorabkontrolle der Tarife und Bedingungen (sog. deregulierte Pensionskassen) 5 1 , deren Beibehaltung sonst ein existenzbedrohender Wettbewerbsnachteil gegenüber den k o n k u r rierenden Versicherungsunternehmen wäre 5 2 .

Unterscheidet sich eine Pensionskasse hinsichtlich der Solvabilitätsanforderungen im deutschen Recht aufsichtsrechtlich nicht von einem Lebensversicherungsunternehmen und gewährleisten die § 13a Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 13 Abs. 3 V A G überdies, daß die Pensionskasse die Solvabilitätsanforderungen auch bei der grenzüberschreitenden Ausdehnung des Geschäftsbetriebes erfüllt, ist ein die Dienstleistungsfreiheit beschränkendes zusätzliches, die Anforderungen des V A G nur wiederholendes Erlaubniserfordernis in einem anderen Mitgliedstaat nicht im Allgemeininteresse gerechtfertigt 5 3 . 48 Zum Zusammenhang zwischen Mindestsolvabilität und grenzüberschreitender Tätigkeit von Pensionskassen Kühlem, BetrAV 1993, 188f.; Bode, BetrAV 1993, 269f., 273. 49 Vgl. E u G H 04.12. 1986, Rs. 205/84, a.a.O. Rn.47. 50 Koch, BetrAV 1994, 265. Sie müssen ein frei verfügbares Eigenkapital in Höhe von etwa 4 bis 5 Prozent der ausgewiesenen Verpflichtungen (Solvabilität) aufbauen sowie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einen verantwortlichen Aktuar benennen. Damit wird aber auch der Grund, weswegen sie aus dem Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien ausgeklammert wurden, entfallen. 51 Vgl. Verordnung zur Bestimmung von Pensionskassen als Unternehmen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung vom 16.04. 1996, BGBl. I S.618, abgedruckt im H-BetrAV, Teil II unter C.II.13. Ahrend/Rößler, BddW, 19.09. 1994, S.9 5. Spalte. 52 Jürgens, BetrAV 1994, 68, 70; ebenso Müller, BetrAV 1994, 63; Förster, BetrAV 1994, 155; Rößler, BetrAV 1995, 67. 53 Ähnlich Simmich, DB 1993, 1570f.

178

cc)

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Unterstützungskasse

Bedient sich ein U n t e r n e h m e n mit Sitz im Ausland zur D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung f ü r Arbeitnehmer einer inländischen Niederlassung einer Unterstützungskasse mit Sitz in Deutschland 5 4 , erbringt diese eine grenzüberschreitende Dienstleistung, es sei denn, das Trägerunternehmen selbst verwaltet die Unterstützungskasse und bildet mit der Kasse, wirtschaftlich betrachtet, eine Einheit 5 5 . Aufsichtsrechtliche Beschränkungen f ü r eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung einer Unterstützungskasse gibt es im deutschen Recht nicht. Die Dienstleistungsfreiheit als absolutes Beschränkungsverbot ist - wie bei der gefährdeten Direktversicherung - durch den zwingenden Insolvenzschutz betroffen, der die D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung f ü r den Arbeitgeber verteuert. Zu seiner Rechtfertigung gilt das oben zur gefährdeten Direktversicherung Ausgeführte entsprechend. Die Insolvenzsicherungspflicht trifft den in- wie den ausländischen 5 6 Arbeitgeber, der den Arbeitnehmern seiner inländischen Niederlassung eine Unterstützungskassenzusage gemacht hat, gleichermaßen. Die absolute Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die in der zwangsweisen Verteuerung durch die Insolvenzsicherung liegt, ist durch den Schutz des Arbeitnehmers vor einer Gefährdung seiner Betriebsrentenansprüche in der Insolvenz des Arbeitgebers gerechtfertigt.

b) Versorgungsträger mit Sitz im Ausland aa)

Direktversicherung

N a c h dem f ü r die Lebensversicherung geltenden Sitzlandprinzip 5 7 kann sich ein Arbeitgeber in Deutschland zur D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 BetrAVG unproblematisch eines Versicherungsunternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bedienen, ohne daß es einer Zulassung dieses Unternehmens im Inland bedürfte. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit noch nicht in großem U m f a n g Gebrauch gemacht. Die fehlende Mindestharmonisierung insbesondere des Versicherungsvertragsrechts bedingt noch ein eher nationales Nachfrageverhalten 5 8 . Eine steuerrechtliche H ü r d e f ü r die grenzüberschreitende Nachfrage nach Versicherungen in anderen Mitgliedstaaten wurde dagegen im deutschen Recht ausgeräumt: Eine im Vergleich z u r Versicherung bei einem inländischen V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m e n geringere A b z u g s f ä h i g k e i t v o n Versicherungsbeiträgen an ausländische V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m e n beeinträchtigt mittelbar d e r e n Dienstleistungsfreiheit. Z w a r k a n n eine u n t e r 54

Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1062. Zu den Fällen, in denen es an einer entgeltlichen Dienstleistung fehlt, oben B.I.l.c) (S. 173f.). 56 Insoweit a.A. der PSVaG (Merkblatt 300/M 7 (Stand 10.86) unter 2.1.1. und 2.2.1.). 57 Vgl. oben § 1 D.III.3.a) (S.66ff.). 58 So Weiser, E u Z W 1993, 29. 55

B. Betriebliche Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrA VG

179

schiedliche Behandlung nach der Entscheidung des E u G H z u m A b z u g von Versicherungsbeiträgen 5 9 durch die N o t w e n d i g k e i t gerechtfertigt sein, die Kohärenz der anwendbaren Steuerregelung zu gewährleisten. Auf dieses Kohärenzprivileg beriefen sich noch 1995 die meisten Mitgliedstaaten 6 0 . In Deutschland sind Beiträge, die der Arbeitgeber auf eine D i rektversicherung entrichtet, als Betriebsausgaben nach §4 Abs. 4 E s t G abzugsfähig 6 1 , auch w e n n die Versicherung ihren Sitz im Ausland hat. Auch ein Sonderabgabenabzug beim A r beitnehmer 6 2 f ü r Beiträge an Versicherungsunternehmen im europäischen Ausland ist möglich (§10 Abs. 2 Nr. 2 lit. a EstG) 6 3 .

Das Sitzlandprinzip im Bereich der Lebensversicherung erlaubt es auch, die Altersversorgung von in verschiedenen Ländern tätigen Arbeitnehmern eines internationalen Konzerns durch einen einzigen Vertrag bei einer Lebensversicherung mit Hauptsitz in einem beliebigen Mitgliedstaat durchzuführen 64 , vorausgesetzt, das jeweils anwendbare Betriebsrentenrecht läßt einen solchen Durchführungsweg zu. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen bietet sich die Gründung eigener Versicherungsunternehmen (sog. captives) an, um über sie die betriebliche Altersversorgung für die unternehmensoder gruppenangehörigen Mitarbeiter einheitlich durchzuführen 65 . Wird vermehrt von den durch die Dienstleistungsfreiheit gegebenen Möglichkeiten grenzüberschreitender Verträge Gebrauch gemacht, wird das wohl einen Rückgang von Gestaltungsformen bewirken, die gerade die Unterschiedlichkeit nationaler Verträge wirtschaftlich auszugleichen versuchen, wie z.B. das sogenannte Versicherungspooling 66 . bb)

Pensionskasse

Eine Pensionskasse i.S. des § 1 Abs. 3 BetrAVG kann ihren Sitz auch im Ausland haben 67 . U m eine Pensionskasse handelt es sich bei dem ausländischen Ver59 E u G H 28.01.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1-276; E u G H 28.01. 1992, Rs. C-300/90 Kommission/Königreich Belgien, Slg. 1-305. Kritisch zum Kohärenzvorbehalt Jürgens, FS Ahrend, S. 500. 60 Doetsch, BetrAV 1995, 214. So auch in Deutschland zu § 10 Abs.2 S. 1 Nr.2 EStG a.F. Horlemann, BB 1993, 19. 61 Blomeyer/Otto, BetrAVG, StR A Rn. 16. 62 Blomeyer/Otto, BetrAVG, StR C Rn. 70. 63 Vgl hierzu Doetsch, BetrAV 1995, 214f.; Kreußler, BetrAV 1994, 140. 64 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1092. 65 Jürgens, BetrAV 1991,12,13-Jürgens, FS Ahrend, S.498; Pechstein, BetrAV 1992,139, 141; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1092. 66 Hierbei schließen multinationale Unternehmen zur Finanzierungsoptimierung Verträge mit einem sogenannten „network" ab, die es erlauben, die mit Versicherern in verschiedenen Ländern für Arbeitnehmer in diesen verschiedenen Ländern abgeschlossene Versicherungsverträge wirtschaftlich so zu behandeln, als handelte es sich um einen einzigen Vertrag. Diese Konzept basiert also gerade nicht auf einer Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit, sondern auf einer Koordinierung lokaler Verträge in verschiedenen Ländern. Vgl. Becher, BetrAV 1996, 15. 67 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1059ff.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil, Rn. 65. Auch Leistungen an ausländische Pensionskassen sind beim Arbeitgeber nach §4c EStG steuerlich abzugsfähig. Schmidt/Seeger, EStG, §4c Rn. 1; Blomeyer/Otto, BetrAVG, StR A Rn. 117. Bekannt ist eine beaufsichtigte Pensionskasse etwa in

180

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

sorgungsträger nur, wenn dieser in einer im Sitzstaat zulässigen Vereins- oder Gesellschaftsform errichtet wurde und als Versicherungsunternehmen der Versicherungsaufsicht des ausländischen Staates untersteht. cc)

Unterstützungskasse

Auch eine Unterstützungskasse kann ihren Sitz im Ausland haben 68 . Das Recht des ausländischen Sitzstaates entscheidet, welche Vereins- oder Gesellschaftsform in Frage kommt. Die ausländische Einrichtung ist nur dann eine Unterstützungskasse i.S. des § 1 Abs. 4 BetrAVG, wenn sie als rechtsfähige Person nicht der Versicherungsaufsicht des ausländischen Staates untersteht und dem Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt. Soweit die ausländische Unterstützungskasse dem Arbeitgeber mit Sitz im Inland die Verwaltung der Zuwendungen, die Vermögensanlage und die Auszahlung der Leistungen organisatorisch abnimmt und dafür zusätzliche Mittel vom Trägerunternehmen ersetzt bekommt, erbringt sie eine grenzüberschreitende Dienstleistung i.S. der Dienstleistungsfreiheit 69 . In der Praxis kommt eine Unterstützungskasse mit Sitz im Ausland äußerst selten vor, weil diese Konstruktion betrieblicher Altersversorgung ganz auf das deutsche Versicherungs-, Steuer- und Arbeitsrecht zugeschnitten ist 70 . Ist die Unterstützungskasse im Ausland bspw. nicht generell steuerbefreit wie die Unterstützungskassen mit Sitz (§11 A O ) oder Geschäftsleitung (§10 AO) im Inland nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 71 , wird sie regelmäßig für den Arbeitgeber mit Sitz im Inland unattraktiv sein. c) Grenzüberschreitendes

Element: Arbeitsort des

Arbeitnehmers

Auch wenn der Arbeitgeber und der Versorgungsträger beide ihren Sitz in Deutschland haben, kann ihre Dienstleistungsbeziehung gleichwohl einen grenzüberschreitenden Bezug haben. Der EuGH hat in Fällen, in denen andernfalls eine Schutzlücke drohte, den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit berührt gesehen, auch wenn der Erbringer und der Empfänger einer Dienstleistung in demselben Staat ihren (Wohn-)Sitz haben 72 .

Österreich. Dort bedienen sich vor allem mittlere und große U n t e r n e h m e n der Pensionskasse. Vgl. I P C Information, Dezember 1995. 68 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 1 0 6 2 . A u c h die Abzugsfähigkeit von Z u w e n d u n g e n des deutschen Arbeitgebers an eine Unterstützungskasse mit Sitz im Ausland als Betriebsausgabe nach § 4 d EStG ist anerkannt. Blomeyer/Otto, BetrAVG, StR A Rn. 164f. 6 9 Zur Entgeltlichkeit der Dienstleistung s.o. unter § 4 A . I I . l . (S.168f.). 70 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 1062. 71 Blomeyer/Otto, BetrAVG, StR G R n . 3 f . 72 E u G H 26.02. 1991, verb. Rs. C-154/89, C-180/89 und C-198/89, Fremdenführerfälle, Slg. 1991, 1-659, 709 und 727; Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, A r t . 6 0 R n . l 3 f f . : „analoge A n w e n d u n g der Dienstleistungsfreiheit". Ein Beispiel (Rn. 13): Eine inländische Versicherungsgesellschaft bietet ihrem ebenfalls inländischen Kunden eine Feuerversicherungspolice für ein O b jekt dieses Kunden in einem anderen Mitgliedstaat an.

B. Betriebliche Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrA VG

181

Im Dreiecksverhältnis einer mittelbaren Versorgungszusage kann nach dieser Rechtsprechung das grenzüberschreitende Element der Dienstleistungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger bezüglich der Dienstleistung „ D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung" auch der Arbeitsort des begünstigten Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat sein.

aa) Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Ausland Ist die betriebliche Altersversorgung über eine inländische Unterstützungskasse, einen inländischen Versicherer oder eine inländische Pensionskasse für im Ausland tätige Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers Beschränkungen unterworfen, die nicht f ü r die Betriebsrentenversorgung im Inland tätiger Arbeitnehmer gelten, kann hiernach die aktive Dienstleistungsfreiheit inländischer Versorgungsträger und die passive Dienstleistungsfreiheit des nachfragenden inländischen Arbeitgeberunternehmens betroffen sein. Beschränkungen können sich ergeben, wenn auf die Betriebsrentenzusage an im Ausland tätige Arbeitnehmer nicht deutsches Betriebsrentenrecht zur A n wendung k o m m e n kann. A m deutlichsten wird die Frage am Beispiel der U n t e r stützungskasse. Sie ist eine spezifisch dem deutschen Recht eigene Konstruktion. Ist auf die Betriebsrentenzusage eines Arbeitgebers mit Sitz in Deutschland an Arbeitnehmer mit Arbeitsort im Ausland zwingend ausländisches Betriebsrentenrecht anwendbar, k o m m t eine Unterstützungskasse als Versorgungsträger nicht in Betracht. Sie scheidet als Dienstleistungserbringer aus. Damit gewinnt die kollisionsrechtliche Frage, ob Arbeitnehmer im Ausland eine Betriebsrentenversorgung nach deutschem Recht erhalten können, Relevanz f ü r die Dienstleistungsfreiheit inländischer Versorgungsträger. Die Altersversorgung vorübergehend ins Ausland entsandter Arbeitnehmer kann unproblematisch nach deutschem Recht fortgeführt werden 7 3 . Insoweit ergeben sich f ü r die Dienstleistungsfreiheit eingeschalteter inländischer Versorgungsträger keine Unterschiede zum innerstaatlichen Sachverhalt. Problematisch ist die Betriebsrentenversorgung der permanent in einer ausländischen Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer des deutschen Arbeitgebers. Hier führt die arbeitskollisionsrechtliche Regelanknüpfung nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B zur A n w e n d u n g des ausländischen Betriebsrentenrechts des Arbeitsortes. Im kollisionsrechtlichen Teil der Arbeit wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls über welche kollisionsrechtlichen Mechanismen gleichwohl eine Betriebsrentenversorgung nach deutschem Recht möglich ist mit der Folge, daß eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung eines deutschen Versorgungsträgers nach dem BetrAVG in Betracht kommt 7 4 .

73 74

S.u. §6 B.III.2. (S.273ff.). S.u. §8 C.II.l.d) (S.358ff.)-

182

§4 Dienstleistungsfreiheit

bb) Arbeitnehmer

und betriebliche

Altersversorgung

mit Arbeitsort im Inland

Haben der Arbeitgeber und der Versorgungsträger beide ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, ist gleichwohl ein grenzüberschreitendes Element in der Dienstleistungsbeziehung zwischen ihnen gegeben, wenn der begünstigte Arbeitnehmer seinen ständigen Arbeitsort im Deutschland hat. In solchen Fällen stellt sich die spiegelbildliche Frage, ob das Arbeitskollisionsrecht es zuläßt, daß die Betriebsrentenversorgung des im Inland tätigen Arbeitnehmers ausländischem Recht untersteht oder unterstellt wird, so daß ein ausländischer Versorgungsträger die betriebliche Altersversorgung für den ausländischen Arbeitgeber nach deren gemeinsamen Heimatrecht durchführen kann. Verlangt das deutsche Betriebsrentenrecht zwingend auf die betriebliche Altersversorgung eines in Deutschland tätigen Arbeitnehmers angewandt zu werden, liegt darin eine relative Beschränkung der aktiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Versorgungsträger, die der Rechtfertigung durch eine zwingendes Allgemeininteresse bedarf. Auch diese Frage ist im kollisionsrechtlichen Teil der Arbeit wieder aufzunehmen 75 .

II. Keine Dienstleistung im Verhältnis zusagender Arbeitgeber begünstigter Arbeitnehmer

-

Bei der Direktzusage i. S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG sagt der Arbeitgeber seinen eigenen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung zu und führt diese selbst durch. Das ist mit einem gewissen Service (Buchführung, Information über bestehende Anwartschaften, Auszahlung der Leistungen etc.) von Seiten des Arbeitgebers verbunden. Darin liegt jedoch keine Dienstleistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer i.S. des EG-Vertrages. Zwar ist die Betriebsrente im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Entgelt für eine Leistung des Arbeitnehmers, die in der Lebensarbeit 7 6 oder auch in der Betriebstreue 77 gesehen wird. Die Leistung Betriebsrente erfolgt somit nicht unentgeltlich. Jedoch ist die Betriebsrente im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Teil der arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung, die allein dem Schutz der Freizügigkeit und keiner anderen Grundfreiheit unterfällt. So wie die Arbeitsleistung des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers keine Dienstleistung i.S. des Vertrages ist, sondern allein durch die Grundfreiheit der Freizügigkeit geschützt wird, ist auch die Leistung „Betriebsrente" des Arbeitgebers in der Arbeitsvertragsbeziehung grundsätzlich keine Dienstleistung i.S. des Vertrages. Auch wenn also Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihren Sitz bzw. Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, findet mit der Direktzusage einer Betriebsrente und der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung keine Dienstleistung i.S. des EG-Vertrages gegenüber dem Arbeitnehmer statt.

75 76 77

S.u. §6 C. (S. 281 ff.), §8 D. (S.379ff.). So Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 57ff. So Blomeyer, FS Zeuner, S. 13ff.

B. Betriebliche

Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrAVG

183

Nichts anderes gilt f ü r das Verhältnis des zusagenden Arbeitgebers zum begünstigten Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber sich eines der drei im BetrAVG genannten mittelbaren Durchführungswege bedient. Hier beschränkt sich die Leistung des Arbeitgebers darauf, die inhaltlich u n d umfangmäßig vereinbarten Versorgungsleistungen bereitzustellen 7 8 . Auch damit erbringt der Arbeitgeber keine entgeltliche Dienstleistung i.S. des Vertrages, weil auch diese Leistung im Rahmen der von der Freizügigkeit geschützten arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung erfolgt.

III. Keine Dienstleistung „ betriebliche Altersversorgung " im Verhältnis Versorgungsträger - Arbeitnehmer Bei der D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung kann der Versorgungsträger auch eine Dienstleistung gegenüber dem Arbeitnehmer erbringen. Unproblematisch ist dies bei einer Pensionskassenversorgung der Fall. Der Arbeitnehmer ist, da die Pensionskasse in der Praxis nur in der F o r m eines W a G betrieben wird, stets Versicherungsnehmer. Als solchen trifft ihn die Beitragsverpflichtung. Im Verhältnis z u m Arbeitnehmer erbringt die Pensionskasse die im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistungen. Damit liegt im Verhältnis zum Arbeitnehmer eine entgeltliche Versicherungsdienstleistung vor. Allerdings steht es nicht im Belieben des Arbeitnehmers, die Leistungen der Pensionskasse nachzufragen. N u r vermittelt über den arbeitsrechtlichen Versorgungsvertrag 7 9 hat er Zugang zur Pensionskassenversorgung. Damit erbringt die Pensionskasse die im Rahmen dieser Untersuchung interessierende spezifische Dienstleistung „ D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung" gegenüber dem Arbeitgeber 8 0 , gegenüber dem Arbeitnehmer dagegen schlicht eine Versicherungsleistung. Bei der Direktversicherung ist der Arbeitnehmer zwar versicherte Person, aber nicht Versicherungsnehmer 8 1 . Es handelt sich u m einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter. Insoweit der Arbeitnehmer auch selbst Prämien zahlt, ist auf diese Eigenbetragsanteile das BetrAVG nicht anwendbar. Es liegt insoweit keine betriebliche Altersversorgung, sondern Eigenvorsorge des Arbeitnehmers vor 82 . Die Dienstleistung „ D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung" wird allein im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen erbracht. A u c h eine Unterstützungskasse erbringt im Verhältnis z u m Arbeitnehmer keine Dienstleistung i.S. des Art. 50 E G . Zwischen dem Arbeitnehmer und der U n terstützungskasse besteht kein Vertragsverhältnis. Rechtsansprüche des Arbeit78

Blomeyer, FS Zeuner, S. 10ff., 18. Vgl.hierzu Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.828ff. 80 Regelmäßig finanziert der Arbeitgeber die Leistungen z u m Teil ebenfalls als Versicherungsnehmer oder aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 848. 81 H-RetrÄV/Diefenbach, O r d n r . 70 Rn. 134, 137. 82 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.730, 736. 79

184

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

nehmers gegen die Unterstützungskasse gründen auf einen arbeitsrechtlichen Vertrauenstatbestand 8 3 . Weiteres Indiz gegen eine Dienstleistungsbeziehung im Verhältnis zwischen Unterstützungskasse und Arbeitnehmer ist es, daß die H e r anziehung der Arbeitnehmer zu Beiträgen steuerrechtlich unzulässig ist, soll die Unterstützungskasse von der Körperschaftssteuer befreit sein (§ 3 Nr. 1 K S t D V ) 8 4 . Zwar m u ß grundsätzlich das Entgelt nicht v o m Empfänger der Dienstleistung an den Erbringer gezahlt werden 8 5 . Die Dotierung der Unterstützungskasse durch den Arbeitgeber ist jedoch als Entgelt für die Dienstleistung „Durchführung betrieblicher Altersversorgung" im Verhältnis zwischen ihm und der Unterstützungskasse zu verstehen. Bildet die Unterstützungskasse wirtschaftlich eine Einheit mit dem Arbeitgeber 8 6 , ist schon deshalb, ebenso wie im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer, auch im Verhältnis Unterstützungskasse - Arbeitnehmer eine Dienstleistungsbeziehung zu verneinen. E s bleibt festzustellen: Bei der Pensionskassenversorgung, u . U . auch bei der Direktversicherung erbringt der Versorgungsträger auch eine Dienstleistung i.S. des EG-Vertrages gegenüber dem Arbeitnehmer. In der Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Versorgungsträger und Arbeitnehmer ist die Dienstleistungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger aber diejenige, die die Betätigung des Versorgungsträgers als betriebliche Altersversorgung charakterisiert. U m sie geht es bei der Frage nach der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich betrieblicher Altersversorgung.

IV. Dienstleistung bei Fortführung einer Versorgungszusage durch einen Dritten, der nicht Arbeitgeber der begünstigten Arbeitnehmer ist Eine Dienstleistungsbeziehung kann schließlich auch zwischen einem eine Versorgungszusage machenden Dritten und dem Vertragsarbeitgeber der durch die Drittzusage begünstigten Arbeitnehmer vorliegen. § 1 Abs. 1 S. 1 B e t r A V G spricht von Leistungen, die dem Arbeitnehmer aus A n laß seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind. O b für eine Anwendung des § 1 B e t r A V G und der Insolvenzschutzbestimmungen des Betriebsrentengesetzes der Versorgungsschuldner und der Arbeitgeber der durch die Versorgungszusage begünstigten Arbeitnehmer identisch sein müssen, ist streitig 8 7 . Die Rechtsprechung des B A G ermöglicht es einer deutschen Konzerngesellschaft, deren Arbeitnehmer im Zuge einer konzerninternen Versetzung zu einer anderen Konzerngesellschaft im Ausland wechselt, eine diesem Arbeitnehmer gemachte

Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.912. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 120. 85 Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 60 Rn. 7. 86 S.o. B.I.l.c) (S. 173ff.). 87 Ablehnend Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S.232f.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 38; Höfer, BetrAVG, § 1 Rn. 1528ff. jeweils m.w.N. Ausführlich zu dieser Frage unten §8 C.II.l.b) und c) (S.350ff. und S.354ff.). 83 84

B. Betriebliche Altersversorgung

in einem der Durchführungswege

des BetrA VG

185

Versorgungszusage auch nach dem Arbeitgeberwechsel insolvenzgeschützt fortzuführen 8 8 . Die die Betriebsrentenzusage fortführende Konzerngesellschaft erbringt mit der F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung in aller Regel eine entgeltliche Dienstleistung für den neuen konzernangehörigen Vertragsarbeitgeber des Arbeitnehmers. Schon aus steuerlichen G r ü n d e n (Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung) wird ein finanzieller Ausgleich im Wege konzerninterner Verrechnung für die Bereitstellung und D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung vorgesehen und schriftlich dokumentiert werden. Die Dienstleistung wird somit in der Regel gegen Entgelt erbracht 8 9 . Fällt damit die Zusage und die D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung durch einen konzernangehörigen Dritten f ü r den Vertragsarbeitgeber unter den Begriff der Dienstleistung i.S. von Art. 50 E G , ist die Frage aufgeworfen, ob eine solche Dienstleistung auch grenzüberschreitend zugunsten ausländischer Konzernunternehmen erbracht werden kann. U m diese Frage von arbeitskollisionsrechtlichen Problemen zu entlasten, sei angenommen, daß der Arbeitnehmer f ü r den früheren inländischen Arbeitgeber wie auch f ü r den neuen ausländischen Arbeitgeber im Inland tätig ist. Das relative Beschränkungsverbot verlangt, daß die Dienstleistung der Fortf ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung durch ein inländisches K o n z e r n u n ternehmen für den Arbeitnehmer eines ausländischen Konzernunternehmens als Nachfolgearbeitgeber keinen stärkeren Beschränkungen unterworfen ist als die innerstaatliche Erbringung dieser Dienstleistung. W ü r d e einer solchen Drittzusage durch F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung an Arbeitnehmer ausländischer Vertragsarbeitgeber - im Gegensatz zur Drittzusage an Arbeitnehmer inländischer Vertragsarbeitgeber - der gesetzliche Insolvenzschutz nach dem BetrAVG verweigert, läge darin eine Schlechterstellung der grenzüberschreitenden gegenüber der innerstaatlichen Dienstleistung. D e n n eine betriebliche Altersversorgung in einem der sicherungspflichtigen Durchführungswege des BetrAVG, die keinen Insolvenzschutz genießt, ist f ü r den diese Dienstleistung nachfragenden Vertragsarbeitgeber und seine begünstigten Arbeitnehmer ein weniger attraktives P r o d u k t als eine insolvenzgeschützte Zusage. Wird der Insolvenzschutz versagt, ist die inländische Konzerngesellschaft in der F o r t f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung f ü r zu ausländischen Konzerngesellschaften ge-

88 BAG 06.08.1985, 3 AZR 185/83, AP Nr.24 zu § 7 BetrAVG; BAG 25.10. 1988, 3 AZR 64/ 87, AP Nr. 46 zu § 7 BetrAVG. Zustimmend: Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 232f., die auch einer Zusage, die von Anfang an von einem Dritten gemacht wird, Insolvenzschutz zuerkennt; Birk, IPRax 1984,140; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 38,386 plädieren für eine analoge Anwendung des BetrAVG; Höfer, BetrAVG, § 1 Rn. 1530ff.; a.A.: Schwerdtner, ZIP 1986, 1030ff.; ders. ZfA 1987, 198ff.; PSVaG, Merkblatt 300/M 7 (Stand 10.86) unter 3.1., 3.3. Näher s.u. §8 C.II.l.b) (S.350ff.). 89 Zu Ausnahmefällen der Entgeltlichkeit einer Dienstleistung Bleckmann, Europarecht, Rn. 1677.

186

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

wechselten Arbeitnehmern in der Praxis beschränkt. Sie kann das Dienstleistung „insolvenzgeschützte Versorgungszusage" nicht grenzüberschreitend erbringen. Eine Verweigerung des Insolvenzschutzes könnte nur durch ein Allgemeininteresse i.S. der E u G H - R e c h t s p r e c h u n g gerechtfertigt werden. Ein solches Allgemeininteresse ist nicht ersichtlich. Insbesondere wird der PSVaG durch die grenzüberschreitende Dienstleistung des zusagenden Unternehmens nicht stärker belastet, da wie in reinen Inlandsfällen der Versorgungsschuldner seinen Sitz im Inland hat, u n d damit sowohl die Eintreibung der Beiträge nach § 10 BetrAVG als auch der Zugriff auf Haftungsmasse im Insolvenzfall gegenüber reinen Inlandsfällen nicht erschwert ist. Eine Vermutung, die inländische Konzerngesellschaft, die nicht mehr Vertragsarbeitgeber der begünstigten Arbeitgeber ist, sei besonders insolvenzgefährdet, läßt sich ebenfalls nicht begründen. Es ist daher durch die Dienstleistungsfreiheit geboten, daß ein inländisches Konzernunternehmen, das nicht mehr Vertragsarbeitgeber der nach wie vor im Inland tätigen begünstigten Arbeitnehmer ist, seine Versorgungszusage in der gleichen Weise, d.h. insolvenzgeschützt, grenzüberschreitend f ü r eine ausländische konzernangehörige Gesellschaft f o r t f ü h r e n kann wie f ü r eine konzernangehörige Gesellschaft im Inland. Warum sich an dieser Beurteilung der Dienstleistungsbeziehung zwischen dem inländischen die Versorgungszusage fortführenden U n t e r n e h m e n und dem ausländischen Vertragsarbeitgeber etwas ändern soll, wenn der zu der ausländischen Konzerngesellschaft gewechselte Arbeitnehmer im Ausland statt im Inland tätig wird - so die Auffassung des PSVaG 90 leuchtet nicht ohne weiteres ein. Es ist damit die Frage nach der internationalen Reichweite des Insolvenzschutzes über den PSVaG aufgeworfen, die im Zweiten Teil der Untersuchung wieder aufgen o m m e n wird 9 1 .

C. Grenzüberschreitende Dienstleistungen betrieblicher Altersversorgung außerhalb der Durchführungswege des BetrAVG Rechtlich komplizierter als die Frage danach, ob externe Versorgungsträger i.S. des § 1 Abs. 2 - 4 BetrAVG auch Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Unterstützungskassen mit Sitz im Ausland sein können 9 2 , ist die Frage, ob E U ausländische Einrichtungen zur Altersversorgung, die keinem der im BetrAVG benannten Durchführungswege z u z u o r d n e n sind - hier „atypische Versorgungseinrichtungen" genannt - , betriebliche Altersversorgung f ü r U n t e r n e h m e n in Deutschland anbieten können. Es geht dabei weniger u m die Frage der positiven Dienstleistungsfreiheit, ob atypische ausländische Altersversorgungseinrichtungen Zugang z u m deutschen Markt betrieblicher Altersversorgung haben, als um die Frage der negativen Dienstleistungsfreiheit, ob deutsche Arbeitgeber sich aty90 91 92

PSVaG, Merkblatt 300/M 7 (Stand 10.86) unter 3.1 und 3.4. S.u. §8 C.II.l.b) (S.350ff.). Dazu oben unter B.I.2.b) (S. 178ff.).

C. Betriebliche

Altersversorgung

außerhalb

der Durchführungswege

des BetrA VG

18 7

pischer Einrichtungen zur Altersversorgung aus dem Ausland bedienen können. D e n n außerhalb des Versicherungsbereichs, w o am allgemeinen Versicherungsmarkt tätige Versicherungsunternehmen die betriebliche Altersversorgung im Wege von Gruppenlebensversicherungsverträgen betreiben, sind Einrichtungen zur Altersversorgung regelmäßig Unternehmen, die der Arbeitgeber als Trägerunternehmen speziell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten schafft 9 3 . Soweit Versorgungsträger, die nicht Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen oder Unterstützungskassen sind, als atypische Versorgungsträger per se von der D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung nach deutschem Recht ausgeschlossen sind, läßt sich von einem personenbezogenen Dienstleistungshindernis sprechen (unten I). Soweit sich auch die gewünschte inhaltliche Ausgestaltung der Betriebsrentenzusage inhaltlich nicht mit zwingenden Anforderungen des BetrAVG in Einklang bringen läßt, kann man von einem produktbezogenen Hindernis sprechen (unten II) 94 .

I. Numerus clausus der Versorgungsträger des BetrAVG als personenbezogenes Dienstleistungshindernis Möchte ein inländisches U n t e r n e h m e n seine dem deutschen Recht unterliegende Leistungszusage i.S. des §1 A b s . l BetrAVG über einen Versorgungsträger durchführen, der keinem der Durchführungswege des BetrAVG zugeordnet werden kann, weil der Versorgungsträger den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistung gibt, nicht aber der Versicherungsaufsicht unterfällt, ist die Frage nach einem N u m e r u s clausus der Durchführungswege aufgeworfen.

1. Numerus clausus der

Durchführungswege

Grundsätzlich gilt auch im Bereich betrieblicher Altersversorgung der das gesamte deutsche Privatrecht durchziehende Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die D u r c h f ü h r u n g eines Betriebsrentenversprechens unterliegt dem Grundsatz privatautonomer Gestaltung 9 5 . Ein N u m e r u s clausus der Versorgungsträger durchbricht diesen Grundsatz hinsichtlich der potentiellen Einrichtungen zur Altersversorgung. Die Frage nach einem N u m e r u s clausus der Versorgungsträger wurde in der Literatur bislang kaum diskutiert 9 6 , unausgesprochen geht aber die h.M. davon 93 Zu den verbindlichen Systemen mit A n s c h l u ß z w a n g f ü r viele Arbeitgeber unten § 5 A. - C. (S. 222 ff.). 94 Vgl. zu dieser Unterscheidung Roth, in: Dauses, H d b . E U - W i r t s c h a f t s R , E.I Rn. 105. Die G r e n z e n zwischen beiden Arten von Hindernissen sind fließend, wie der Fall zeigt, daß ein typischer Versorgungsträger, z.B. ein Versicherungsunternehmen, eine atypische Gestaltung anbietet, z.B. eine f o n d s g e b u n d e n e Lebensversicherung, so daß fraglich ist, ob das Versicherungsunternehmen insoweit ü b e r h a u p t noch als Versicherer tätig ist. Siehe u n t e n C.II.2.a) (S. 194f.). 95 Ebenso Blomeyer, Z I P 1997, 1399. 96 Sie wird etwa von Jürgens, FS A h r e n d , S. 509 angesprochen. Die entsprechende Frage stellt sich auch nach d e m neuen B P G in Osterreich. Vgl. Schrammel, ZAS 1990,77. § 2 B P G beschränke die d u r c h das B P G gesicherten Leistungszusagen. Die A u f z ä h l u n g in § 2 B P G sei taxativ.

188

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

aus, daß betriebliche Altersversorgung in Form einer Leistungszusage i.S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG in Deutschland nur in einem der im BetrAVG genannten Durchführungswege vom Arbeitgeber selbst oder durch ein Unternehmen der Lebensversicherung, eine Pensionskasse oder eine Unterstützungskasse durchgeführt werden kann 97 . Das zeigt sich auch in dem Numerus clausus der nach §4 BetrAVG übernahmeberechtigten Versorgungsträger. Kein Argument gegen die Existenz eines N u m e r u s clausus der D u r c h f ü h r u n g s w e g e ist die in der Praxis anerkannte sogenannte rückgedeckte Unterstützungskasse. Sie ist kein eigener D u r c h f ü h r u n g s w e g , sondern eine Unterstützungskasse i.S. des § 1 Abs. 4 BetrAVG, die f ü r ihre laufenden oder künftigen Versorgungsverpflichtungen eine kongruente R ü c k d e k kungsversicherung abgeschlossen u n d damit die Versorgungsmittel in F o r m der R ü c k d e k kungsversicherungsansprüche ausgelagert hat 9 8 . E b e n s o verhält es sich mit der gängigen Praxis der Gehaltsumwandlung (deferred compensation) 9 9 . Bei dieser Praxis f ü h r t der Arbeitgeber einen zurückbehaltenen Teil des Gehalts f ü r eine Direktversicherung ab, oder er behält das zurückbehaltene Gehalt im U n t e r nehmen und gibt eine Direktzusage ab, verbunden mit der Zusage eines festen Zinssatzes f ü r das zurückbehaltene Entgelt und der Auszahlung bei Eintritt des Versicherungsfalles als Kapitalleistung. Diese Praxis bewegt sich nach h.M. 1 0 0 im R a h m e n der vom Gesetz vorgesehenen D u r c h f ü h r u n g s w e g e 1 0 1 . Dies wird jetzt auch durch den durch das R R G 1999 eingefügten § 1 Abs. 5 BetrAVG bestätigt 1 0 2 .

Bei den drei mittelbaren Durchführungswegen des BetrAVG 103 gibt der Arbeitgeber kein unmittelbar von ihm zu erfüllendes Leistungsversprechen ab. Seine Leistungsverpflichtung beschränkt sich darauf, dafür Sorge zu tragen, daß der Arbeitnehmer im Versorgungsfall die Leistungen von dem Dritten erhält. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflichten und kann deshalb der eingeschal97 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 85; Reinhard, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 324 zählt dagegen die betriebliche Altersversorgung über überbetriebliche Einrichtungen etwa im öffentlichen Dienst als eine eigene Form der Altersversorgung. Auch diese sind jedoch den Durchführungswegen des BetrAVG als Pensionskassen zuzuordnen. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 18 Rn. 8. 98 Die Rückdeckungsversicherung selbst ist keine Altersversorgung. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 78; Rößler, BetrAV 1997, 65; Schmitz, BB 1996, 1552 zur Mitbestimmungspflichtigkeit dieser Art der Finanzierung gegen Höfer, BetrAVG, ART Rn. 838. 99 Hierzu Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 147ff. 100 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.55, 45f. 101 Problematisch ist für diese Gehaltsumwandlungsmodelle, ob die Schutzvorschriften des BetrAVG gleichwohl nicht zur Anwendung kommen, weil das Gesetz ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal „keine Eigenvorsorge/nicht aus Umwandlung für Tätigkeitsvergütung entstanden" enthält. Ablehnend Stief Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 147ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.45, 55. 102 Vgl. zu §1 Abs. 5 BetrAVG Söffmg, DB 1998, 1285ff. 103 Die durch das RRG 1999 neu angefügten Absätze 5 und 6 zur Entgeltumwandlung und beitragsorientierten Leistungszusage enthalten zulässige Modalitäten, aber keine neuen Durchführungswege. A.A. Reinhard, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits-und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 324, der durch das RRG 1999 zwei neue Formen betrieblicher Altersversorgung eingeführt sieht.

C. Betriebliche

Altersversorgung

außerhalb

der Durchführungswege

des BetrA VG

189

tete Versorgungsträger die Leistungen nicht erbringen, so haftet er allerdings auch im Fall einer mittelbaren Versorgungszusage wegen schuldhafter Verletzung des gegebenen Versorgungsversprechens auf die Altersversorgungsleistung 104 . Dient die Einschaltung eines ausländischen Dritten nur der Finanzierung eines durch den Arbeitgeber unmittelbar zu erfüllenden Leistungsversprechens, liegt eine unmittelbare Versorgung im Sinne des Gesetzes vor 105 . Der Arbeitgeber kann seine Direktzusage ohne jede Einschränkung durch Einschaltung ausländischer Einrichtungen zur Altersversorgung finanzieren. Differenzen zwischen der vom Arbeitgeber zugesagten und der von der ausländischen Einrichtung zur Altersversorgung tatsächlich erbrachten Leistung hat der Arbeitgeber zu tragen. Ob eine solche Konstruktion gegenüber der internen Finanzierung über Pensionsrückstellungen oder der Finanzierung über Spezialfonds 106 Vorteile hat, ist eine andere Frage 107 . Es ist festzuhalten: Das BetrAVG enthält einen Numerus clausus der Durchführungswege und damit der Typen von Versorgungsträgern, die ein dem deutschen Recht unterliegendes Betriebsrentenversprechen als Primärverpflichtete durchführen können. 2. Vereinbarkeit des Numerus der Dienstleistungsfreiheit

clausus der Versorgungsträger

a) Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit Versorgungsträger

ausländischer

mit

atypischer

Der Numerus clausus der Durchführungswege ist unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit problematisch. Auch solche potentiellen Versorgungsträger mit oder ohne Rechtsfähigkeit, die nicht unter einen der Typen des BetrAVG einzuordnen sind, sind Träger der Dienstleistungsfreiheit, wenn sie erwerbswirtschaftlich tätig sind. Dies gilt etwa für Pensionsfonds, sofern man unter diesem Begriff nicht nur die bloße Ansammlung von Vermögen, sondern eine Einrichtung versteht, die zur Durchführung betrieblicher Altersversorgung wirtschaftlich tätig ist, gleich wie man sie im einzelnen konstruiert und ihre Aufgaben absteckt. Der Typenzwang des BetrAVG knüpft in keiner Weise an die Staatsangehörigkeit eines potentiellen Versorgungsträgers an. Der Numerus clausus der Durchführungswege schließt inländische wie ausländische atypische Versorgungsträger 104 Vgl. zu der Verpflichtung des Arbeitgebers bei den mittelbaren Durchführungswegen nach dem BetrAVG Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 753ff. (Direktversicherung, hier ist die dogmatische Begründung streitig), Rn. 849, 897 (Pensionskasse), Rn. 915ff. (Unterstützungskasse) m.w.N. auch zur Gegenmeinung einer Primärverpflichtung des Arbeitgebers bei einer Unterstützungskassenzusage (Rn.917). 105 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.45. 106 Hierzu Großmann, Flexible Finanzierung. 107 Vgl. Blomeyer, ZIP 1997,1401 zum Modell eines deutschen Pensionsfonds mit ausschließlicher Finanzierungsfunktion.

190

54 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

gleichermaßen aus. Er wirkt damit nicht diskriminierend gegenüber atypischen ausländischen Versorgungsträgern. Es liegt allerdings eine Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit atypischer ausländischer Anbieter betrieblicher Altersversorgung bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager vor. Der inländische Arbeitgeber ist bei der D u r c h f ü h r u n g eines dem deutschen Recht unterliegenden Leistungsversprechens darauf beschränkt, einen der im Gesetz genannten Versorgungsträger einzuschalten oder selbst die Versorgung d u r c h z u f ü h r e n u n d unmittelbar f ü r die Leistung einzustehen. Diese Beschränkung ist eine absolute, keine relative. Die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung durch atypische ausländische Versorgungsträger wird in der gleichen Weise beschränkt wie die innerstaatliche Dienstleistungserbringung durch atypische inländische Versorgungsträger.

b) Rechtfertigung

der Beschränkung

An die Rechtfertigung einer in- wie ausländische Dienstleistungsanbieter gleichermaßen treffende, absolut wirkende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sind weniger hohe Anforderungen zu stellen als an eine relativ wirkende, ausländische Anbieter besonders stark belastende Beschränkung 1 0 8 . Keine Rechtfertigung der Beschränkung läßt sich allerdings aus der subsidiären H a f t u n g des Arbeitgebers bei den drei im Gesetz genannten mittelbaren D u r c h führungswegen herleiten. Bei A n w e n d u n g deutschen Betriebsrentenrechts auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre eine solche Ausfallhaftung des Arbeitgebers auch bei Einschaltung einer atypischen ausländischen Versorgungseinrichtung zu begründen. Da den Arbeitgeber auch in diesem Fall eine Verschaffungspflicht aus der Betriebsrentenzusage träfe, u n d er auf die Versorgungsleistung bei einer schuldhaften Verletzung dieser Verschaffungspflicht haftete, besteht insoweit kein G r u n d , die D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung auf die im Gesetz genannten Versorgungsträger zu beschränken. Es liegt indessen nahe, eine Parallele zum Typenzwang im Vereins- und Gesellschaftsrecht f ü r die Bildung und Ausgestaltung der gesetzlich zugelassenen Gesellschafts- u n d Vereinstypen, der aus G r ü n d e n des Verkehrsschutzes anerkannt ist, zu ziehen 109 . Die Typenzwang des Betriebsrentengesetzes dient der Rechtssicherheit und dem Arbeitnehmerschutz. Das sei am Beispiel des Insolvenzschutzes der Betriebsrente illustriert. Der Insolvenzschutz der Betriebsrenten ist in Deutschland auf zwei unterschiedlichen Wegen gewährleistet. Im Fall einer Direktzusage, einer Unterstützungskassenversorgung oder einer gefährdeten Direktversicherung sind die Insolvenzschutzbestimmungen der §§7-15 BetrAVG zwingend anwendbar 1 1 0 . Eine analoge A n w e n d u n g der Insolvenzsicherung durch den PSVaG auf andere, 108 109 110

Z u m unterschiedlichen Rechtfertigungsmaßstab oben §2 C.III.2. (S.97ff.). Vgl. hierzu Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 9 Rn. 36. Z u r Direktversicherung Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 8 1 4 u n d unten §8 (S.335ff.).

C. Betriebliche Altersversorgung

außerhalb der Durchführungswege

des BetrAVG

191

a t y p i s c h e V e r s o r g u n g s t r ä g e r ist n i c h t m ö g l i c h . D i e z u r F i n a n z i e r u n g d e s S y s t e m s n o t w e n d i g e ö f f e n t l i c h e - r e c h t l i c h e B e i t r a g s v e r p f l i c h t u n g n a c h § 10 B e t r A V G l ä ß t sich nicht im W e g e d e r A n a l o g i e b e g r ü n d e n 1 1 1 . Allerdings kennt das B e t r A V G mit der nicht gefährdeten Direktversicherung u n d der Pensionskasse auch D u r c h f ü h r u n g s w e g e , die aus d e m I n s o l v e n z s c h u t z s y s t e m d e r § § 7 - 1 5 B e t r A V G h e r a u s f a l l e n 1 1 2 . Bei d e r P e n s i o n s k a s s e ist e i n S c h u t z v o r d e r I n s o l v e n z des A r b e i t g e b e r s n i c h t n o t w e n d i g , d a die Versicherungsleistungen n i c h t v o m A r b e i t g e b e r geschuldet w e r d e n , die P e n s i o n s k a s s e d e m A r b e i t n e h m e r e i n e n R e c h t s a n s p r u c h g e w ä h r t u n d i h r e r s e i t s e i n e n R e c h t s a n s p r u c h geg e n d e n A r b e i t g e b e r auf d i e v e r e i n b a r t e n B e i t r ä g e h a t u n d d e r A r b e i t g e b e r ü b e r die V e r s i c h e r u n g s a n w a r t s c h a f t e n nicht v e r f ü g e n kann113. D a s R i s i k o d e r Insolvenz der Pensionskasse w i r d d u r c h die Versicherungsaufsicht minimiert. D a s G l e i c h e gilt f ü r d i e n i c h t g e f ä h r d e t e D i r e k t v e r s i c h e r u n g . D i e § § 7 - 1 5 B e t r A V G sind in i h r e m A n w e n d u n g s b e r e i c h z w i n g e n d . D a ß es nach einer Entscheidung des B A G aus dem Jahr 1981 im geltenden Recht nicht insolvenzgeschützte Ruhegeldverbindlichkeiten aus einer unmittelbaren Versorgungszusage gibt, steht dem nicht entgegen: Uberträgt der ehemalige Arbeitgeber des Betriebsrentners die Betriebsrentenverbindlichkeit aus einer Direktzusage i.S. der §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 BetrAVG auf ein anderes U n t e r n e h m e n , das weder Arbeitgeber noch eine Versorgungseinrichtung i.S. des § 4 BetrAVG ist, so ist dieser Vorgang nach § 4 BetrAVG n u r als Schuldbeitritt, nicht als privative Schuldübernahme zulässig. Bei dem neuen zusätzlichen Schuldner handelt es sich um einen Nichtarbeitgeber, dessen Betriebsrentenzusage nicht insolvenzgeschützt ist 1 1 4 . D e r ehemalige Arbeitgeber haftet selbst insolvenzgeschützt weiter, weshalb sich aus dieser speziellen Konstellation kein A r g u m e n t gegen einen zwingenden Insolvenzschutz herleiten läßt. A u ß e r h a l b i h r e s A n w e n d u n g s b e r e i c h s s c h l i e ß e n d i e §§ 7 - 1 5 B e t r A V G e i n e a n derweitige I n s o l v e n z s i c h e r u n g bei a n d e r e n D u r c h f ü h r u n g s w e g e n nicht aus. D e r Ausschluß der Pensionskassenzusage aus d e m Insolvenzschutzsystem über den P S V a G z e i g t , d a ß es d e m G e s e t z n u r u m d i e G e w ä h r l e i s t u n g e i n e s b e s t i m m t e n 111 Zum Analogieverbot im öffentlichen Recht bei Eingriffen, für die der Vorbehalt des Gesetzes gilt, Hesse, Verfassungsrecht, Rn.201, 508f. Das spricht auch dagegen, die Zulässigkeit einer insolvenzgeschützten Betriebsrentenzusage und damit der Beitragspflicht nach §10 BetrAVG durch konzernangehörige Dritte im Wege der Analogie begründen zu wollen; so Blomeyer/Otto., BetrAVG, Einl. Rn. 38, 386 und oben unter B.IV. (S. 184ff.). 112 Ungefährdet ist eine Direktversicherung, wenn entweder das Bezugsrecht des Begünstigten unwiderruflich ist oder dieses zwar noch widerruflich ist, der Arbeitgeber die Rechte aus der Versicherung aber weder abgetreten noch beliehen noch verpfändet hat. 113 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.896. 114 Diese Verbindlichkeit kann dann weiter durch privative Übernahme übertragen werden. Der Schuldner einer nicht insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaft kann nach dem Belieben der Vertragsparteien ohne die Einschränkungen des §4 Abs. 1 BetrAVG ausgetauscht werden. Solche Ruhegeldversprechen von Versprechenden, die weder eine Versorgungseinrichtung i.S. des §4 Abs. 1 BetrAVG noch Arbeitgeber sind, unterfallen nicht dem Insolvenzschutz und also auch nicht dem Übertragungsverbot des §4 Abs. 1 BetrAVG. Vgl. BAG 04.08. 1981, 3 AZR 441/80, AP Nr. 2 zu § 4 BetrAVG = E-BetrAV 230 Nr. 3 = BB 1982,51; zustimmend Schwerdtner, ZfA 1987, 204; Ahrend/Förster, BetrAVG, §4 Rn.5.

192

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Schutzniveaus geht, nicht u m die Verabsolutierung eines bestimmten Sicherungsmechanismus. O b aber bei D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung über eine atypische ausländische Einrichtung zur Altersversorgung der Insolvenzschutz auf dem gleichen Niveau oder besser gewährleistet ist als bei einer Pensionskassenversorgung oder einem nach den §§7-15 BetrAVG geschützten D u r c h f ü h r u n g s weg, ist eine komplexe Wertungsentscheidung. Unterliegt der ausländische Anbieter als Versicherungsunternehmen der Versicherungsaufsicht in einem anderen Mitgliedstaat, so ist die Gleichwertigkeit der Aufsichtssysteme durch die Lebensversicherungsrichtlinien anerkannt. Die Einschaltung von Versicherungsunternehmen u n d Pensionskassen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zur D u r c h f ü h r u n g einer Direktversicherung bzw. Pensionskassenzusage ist daher, wie gezeigt, auch nicht problematisch 1 1 5 . Wird der Insolvenzschutz des Versorgungsträgers in einem anderen Mitgliedstaat dagegen durch andere Mechanismen gewährleistet, ist es schwieriger, die Adäquanz des Insolvenzschutzes festzustellen. Es kann keine generelle Vermutung aufgestellt werden, daß das Insolvenzschutzniveau der Betriebsrente bei Einschaltung eines atypischen ausländischen Versorgungsträgers mit dem Insolvenzschutzstandard des deutschen Rechts gleichwertig ist. Besteht aber keine solche Vermutung der Gleichwertigkeit des Schutzniveaus, können atypische Einrichtungen zur Altersversorgung nicht generell zur D u r c h f ü h r u n g von Altersversorgungszusagen im Inland zugelassen werden. Es fehlt an einem Verfahren zur Beurteilung der Adäquanz des Schutzniveaus atypischer Durchführungswege u n d zur Anerkennung ausländischer Versorgungsträger. O b die Steuerbehörden bereit sind, atypische D u r c h f ü h rungswege steuerlich anzuerkennen, sagt über ihre arbeitsrechtliche Zulässigkeit nichts. Uberläßt man den Parteien die Feststellung der Adäquanz des Schutzniveaus, belastet man sie mit der Unsicherheit, ob der gewählte D u r c h führungsweg über einen atypischen ausländischen Versorgungsträger tatsächlich zulässig ist. Die gerichtliche Kontrolle post factum k o m m t f ü r den Rechtsverkehr zu spät. Z u d e m kann die D u r c h f ü h r u n g eines dem deutschen Recht unterliegenden Betriebsrentenversprechens durch einen atypischen ausländischen Versorgungsträger schon daran scheitern, daß die Sicherungsmechanismen des ausländischen Rechts gerade voraussetzen, daß das Betriebsrentenverhältnis eben diesem ausländischen Recht untersteht - so wie die §§ 7-15 BetrAVG voraussetzen, daß die Betriebsrentenzusage dem deutschen Recht unterliegt. So sieht die in Reaktion auf den Fall Maxwell 1 1 6 reformierte Insolvenzsicherung der Betriebsrenten im Vereinigten Königreich im Pensions Act 1995 eine Reihe von Sicherungen 115

S.o. B.I.2.b)aa) und bb) (S. 178f. und S. 179f.). Dazu Ahrend/Graham, BddW, 31.10. 1994, S. 9. Der Fall Maxwell hatte gezeigt, daß auch die Aussonderung des Versorgungsvermögens in einen trust jedenfalls nicht vor einer Gefährdung der Ansprüche und Anwartschaften durch kriminellem Zugriff schützt. 116

C. Betriebliche Altersversorgung außerhalb der Durchführungswege des BetrA VG

193

vor, die nur greifen, wenn die Altersversorgungszusage dem englischen Recht untersteht, so daß der Pensions Act 1995 anwendbar ist 1 1 7 .

D i e Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den N u m e r u s clausus ist auch nicht unverhältnismäßig. D a ausländische Unternehmen nicht gehindert sind, die Dienstleistung „Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nach deutschem R e c h t " zu erbringen, wenn sie die F o r m eines Versicherungsunternehmens oder einer Pensionskasse haben oder als Unterstützungskasse k o n z i piert sind, besteht kein zwingendes Bedürfnis, durch ein aufwendiges Anerkennungsverfahren weitere Versorgungsträger zuzulassen. D e r Typenzwang ist erforderlich, geeignet und verhältnismäßig, um die Ziele des Arbeitnehmerschutzes und der Rechtssicherheit zu erreichen.

c) Ergebnis Das B e t r A V G enthält einen N u m e r u s clausus der Durchführungswege. D i e darin liegende absolute Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit atypischer ausländischer Versorgungsträger ist durch das Allgemeininteresse des Arbeitnehmerschutzes und der Rechtssicherheit gedeckt. D i e dargestellte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit atypischer Versorgungsträger könnte durch ein gemeinschaftsweites Handeln beseitigt werden, etwa durch eine Anerkennung gleichwertiger Versorgungseinrichtungen unter dem Gesichtspunkt des Insolvenzschutzes und anderer Aspekte des Arbeitnehmerschutzes. Als K o m p e t e n z n o r m für eine entsprechende europäische Maßnahme kämen die Art. 47 Abs. 2 , 5 5 E G in Frage 1 1 8 . Das Bedürfnis nach einer solchen L ö sung auf europäischer Ebene hängt allerdings auch davon ab, o b die Arbeitsvertragsparteien durch eine kollisionsrechtliche Rechtswahl das deutsche Betriebsrentenrecht abwählen können und der Arbeitgeber sich damit dem Typenzwang des deutschen B e t r A V G entziehen kann. Wegen der auch im Arbeitskollisionsrecht grundsätzlich gewährleisteten Parteiautonomie ist eine solche Rechtswahlmöglichkeit im Grundsatz zu bejahen 1 1 9 .

II. Produktbezogene 1. Betriebliche

Altersversorgung

Dienstleistungshindernisse als rechtlich verfaßtes

Produkt

Ein ausländischer Versorgungsträger ist bei der Durchführung betrieblicher Altersversorgung nach deutschem R e c h t in gleicher Weise an die Vorgaben des B e t r A V G gebunden wie ein inländischer Versorgungsträger. Zwingende A n f o r derungen des B e t r A V G beschränken die Ausgestaltung der Betriebsrentenzusage. D e r Leistungsplan, die Versorgungsbedingungen, die scheme rules, die Regeln der ausländischen Einrichtung zur Altersversorgung für die Ansprüche des A r 117 118 119

Näher unten §8 A. (S.335ff.). Vgl. oben § 1 D.III. (S. 64ff.). Zu den Grenzen der Rechtswahl eingehend unten §6 C.,D. (S.281 ff., 298ff.).

194

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

beitnehmers, wie auch immer sie genannt werden, müssen die arbeitnehmerschützenden Vorschriften des BetrAVG etwa über die Unverfallbarkeit und die Teilwertberechnung bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Eintritt des Versorgungsfalls abbilden. Insoweit liegen unterschiedslos anwendbare, also nicht diskriminierende produktbezogene Hindernisse vor. Produktbezogene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch das Betriebsrentengesetz können durch das mit diesem Gesetz verfolgte Arbeitnehmerschutzinteresse gerechtfertigt sein. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben des anwendbaren Betriebsrentenrechts definieren überhaupt erst das P r o d u k t „betriebliche Altersversorgung" f ü r die in- u n d ausländischen Versorgungsträger. D a ß der deutsche Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Altersversorgung auch anders hätte definieren können, kann nicht heißen, daß einzelne Bestimmungen des BetrAVG mit dem Argument angreifbar sind, eine andere Entscheidung des nationalen Gesetzgebers hätte mehr Raum zur Produktgestaltung gegeben und damit die Dienstleistungsfreiheit weniger stark beeinträchtigt. Der nationale Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum zur Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Altersversorgung. N u r wenn sich zeigen ließe, daß eine das Dienstleistungsprodukt beschränkende arbeitsrechtliche Vorschrift zur Erreichung des Allgemeininteresses des Arbeitnehmerschutzes prinzipiell ungeeignet oder unverhältnismäßig wäre, w ü r d e sie die Dienstleistungsfreiheit verletzen. Eine solche Vorschrift ist im Betriebsrentengesetz nicht ersichtlich.

2. Beitragszusagen im deutschen Recht a) Unanwendbarkeit des BetrAVG Eine Gestaltung, die nicht unter die Definition betrieblicher Altersversorgung in § 1 Abs. 1 BetrAVG fällt, unterliegt auch nicht den Beschränkungen des Betriebsrentengesetzes. So verhält es sich mit der Beitragszusage (beitragsdefinierten Versorgungszusage) im deutschen Recht. Das R R G 1999 hat lediglich beitragsorientierte Leistungszusagen ausdrücklich zugelassen (§1 Abs. 6 BetrAVG) 1 2 0 . Auf eine Beitragszusage finden statt der Schutzvorschriften des BetrAVG die arbeitsrechtlichen Regeln über das Arbeitsentgelt Anwendung. Das bedeutet, daß z.B. statt der Insolvenzschutzbestimmungen der §§7-15 BetrAVG die Bestimmungen über das Insolvenzgeld nach §§ 183-189 SGB III zur A n w e n d u n g k o m men 1 2 1 . Die Ausgestaltung einer solchen Zusage, die nicht betriebliche Altersversorgung i.S. des Gesetzes ist, fällt in den Bereich privatautonomer Gestaltung 1 2 2 . 120

D a z u , daß dieser Bestimmung n u r deklaratorische Bedeutung z u k o m m t Doetsch/Förster/ Rühmann, BetrAV 1998, 66f.; z u r K o n z e p t i o n einer „reinen" Beitragszusage Blomeyer, BetrAV 1998, 74ff. 121 Blomeyer!Otto, BetrAV 1996, 309ff.; Blomeyer, Z I P 1997, 1400; ders., BetrAV 1998, 130. 122 Blomeyer/Otto, BetrAV 1996, 309ff.; Blomeyer, Z I P 1997, 1400.

C. Betriebliche Altersversorgung außerhalb der Durchführungswege des BetrA VG

195

D i e Praxis der Zusatzversorgung in Deutschland bedient sich vereinzelt solcher Beitragszusagen. So war bis zum R R G 1992 eine freiwillige (Höher-)Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Beitragsleistungen des Arbeitgebers möglich. Diese Form der Zusatzsicherung war nicht betriebliche Altersversorgung i.S. der Legaldefinition des §1 Abs. 1 BetrAVG 1 2 3 , wohl aber eine Form der Zusatzaltersversorgung durch den Arbeitgeber. Ein weiteres Beispiel für eine reine Beitragszusage ist die sog. fondsgebundene Lebensversicherung, bei welcher der Arbeitgeber ausschließlich eine bestimmte Beitragszahlung an den Fonds verspricht 124 .

b)

Volle Dienstleistungsfreiheit

mangels

Regelung?

Die fehlende Regelung der Beitragszusage im deutschen Betriebsrentenrecht 1 2 5 scheint auf den ersten Blick die Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter betrieblicher Altersversorgungsleistungen nicht zu tangieren. Weil die Beitragszusage als einer F o r m betrieblicher Altersversorgung im deutschen Recht nicht geregelt ist, liegt keine produktbezogene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in- und ausländischer Anbieter betrieblicher Altersversorgung qua Regelung vor. Mangels Anwendbarkeit des B e t r A V G entfallen überdies auch die personenbezogenen Beschränkungen des Betriebsrentengesetzes, so daß auch atypische Versorgungsträger solche Beitragszusagen durchführen k ö n nen. Ausländische Versorgungsträger können im Wettbewerb um die D u r c h f ü h rung von Beitragszusagen sogar einen Vorteil haben, da in anderen europäischen 123 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.4, 42, 130f. mit Nachweisen zur früheren Gegenmeinung in der Literatur; Blomeyer, BetrAV 1998,127; näher zur Höherversicherung als einem Instrument der betrieblichen Altersversorgung H-BetrAW/Beye, Ordnr. 90 Rn. lff. 124 Die fondsgebundene Lebensversicherung verbindet eine Risikolebensversicherung mit der Anlage in einen Fonds. Sie enthält im Unterschied zur herkömmlichen Direktversicherung und zur Direktzusage keine Zusage einer bestimmten Mindestsicherung oder gar Mindestverzinsung für den Erlebensfall, da sich der Anspruch, soweit es nicht um eine Versicherung für das Risiko Tod des Arbeitnehmers geht, ausschließlich auf Auskehrung des anteiligen Fondsvermögens richtet. Problematisch ist insbesondere, ob sich die Rechte des Arbeitnehmers in Bezug auf den Fonds gegen Insolvenz des Arbeitgebers nach den §§ 7-15 BetrAVG versichern lassen. Scheidet eine Anwendung der §§7- 15 BetrAVG aus, ist dem Arbeitgeber (abgesehen von der Dekkung des Todesfallrisikos) der Zugriff auf den Fonds zu verwehren, so daß dieser als treuhänderisch verwaltetes Kapital bis zur Altersgrenze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber unzugänglich ist. So Hanau, BetrAV 1998, S. 148f.; Blomey er,/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 248. Auch die steuerliche Behandlung der fondsgebundenen Lebensversicherung ist nicht eindeutig, vom Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG beim Arbeitnehmer wird sie ausgenommen und damit gegenüber der Pensionskasse oder Direktversicherung (hierzu Blomeyer!Otto, BetrAVG, StR C Rn.61ff.) benachteiligt. 125 Auch das von der sog. Gerke-Kommission vorgeschlagene Regelungsmodell eines anlageorientierten Pensionsfonds sieht keine reine Beitragszusage vor. Vgl. Blomeyer, ZIP 1998, 1742.

196

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Mitgliedstaaten Beitragszusagen als eine F o r m betrieblicher Altersversorgung üblich und anerkannt sind. Ausländische Einrichtungen zur Altersversorgung sind daher mit der Durchführung von Beitragszusagen vertraut. Z.B. gibt es in der betrieblichen Altersversorgung in England zahlreiche verschiedene Leistungsstrukturen, die sich aus dem jeweiligen Occupational Pension Scheme ergeben 126 . Am häufigsten sind am Endgehalt orientierte Leistungszusagen („final salary/earnings schemes", „defined benefit schemes") 127 , aber auch reine Beitragszusagen („money purchase schemes", „defined contribution schemes") sind möglich 128 .

c) Beschränkung Regelung?

der Dienstleistungsfreiheit

wegen fehlender

rechtlicher

Die eben dargelegte Sichtweise greift indessen zu kurz. D i e betriebliche Altersversorgung ist als ein Rechtsprodukt in gewissem U m f a n g auf eine rechtliche Verfassung angewiesen. D a m i t kann auch in der bewußten Nichtregelung der Beitragszusage ein Dienstleistungshindernis zu sehen sein, das in- wie ausländische Einrichtungen zur Altersversorgung trifft. Wenn das deutsche Recht die spezifisch betriebsrentenrechtlichen Rahmenbedingungen der Beitragszusage vorenthält, kann dies den Arbeitgeber in der Praxis hindern, die Dienstleistung „ D u r c h führung einer Beitragszusage" im In- oder Ausland nachzufragen. Wegen des fehlenden Schutzes des Arbeitnehmers vor einer Verfallbarkeit des Versorgungskapitals 1 2 9 , der mangelnden Absicherung des Arbeitnehmers z . B . bei einem vorzeitigem Versorgungsfall, weil § 6 B e t r A V G nur im Falle einer Leistungszusage greift, oder auch der Nichtanwendbarkeit der Anpassungsvorschrift des § 16 B e t r A V G ist eine Beitragszusage trotz höherer Renditechancen als bei einer Versicherung als zweite Säule der Altersversorgung für den Arbeitnehmer nur bedingt attraktiv. A u c h im Steuerrecht fehlt es an einer Gleichstellung mit der Leistungszusage, also etwa der Abzugsfähigkeit der Zuwendungen an einen Versorgungsträger aufgrund einer reinen Beitragszusage als gewinnmindernde Betriebsausgabe 1 3 0 . D a m i t ist eine reine Beitragszusage unter den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen zwar nicht verboten, aber für den Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber wegen Nichtbereitstellung der betriebsrententypischen Absicherungen und Regelungen unattraktiv. In diesem Ausschluß der Beitragszusage aus dem betriebsrentenrechtlichen Normengefüge liegt ein produktbezogenes Dienstleistungshindernis für die Dienstleistung betrieblicher Altersversorgung in F o r m einer Beitragszusage durch externe Versorgungsträger. Es erscheint auch nur auf den ersten Blick widersprüchlich, einerseits in der bestehenden Regelung betrieblicher Altersversorgung, etwa im N u m e r u s clausus Schmitz, BB 1996, 1547. Birk, ZfA 1988, 120; Hayton, The Law of Trusts, S.54. 128 Hayton, The Law of Trusts, S. 54f. Vgl. auch sections 87-90 Pensions Act 1995. 129 Vgl. hierzu den Gesetzesvorschlag von Blomeyer, BetrAV 1998, 76 und die Überlegungen von Uebelhack, BetrAV 1998, 135. 130 Blomeyer, BetrAV 1998, 78; Bode/Grabner, DB 1997, 931. 126 127

C. Betriebliche

Altersversorgung

außerhalb

der Durchführungswege

des BetrAVG

197

der Versorgungsträger, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu sehen, andererseits aber auch in der fehlenden Regelung der Beitragszusage ein Dienstleistungshindernis zu erblicken. Betriebliche Altersversorgung ist auf rechtliche Rahmenbedingungen angewiesen. Es muß daher darauf ankommen, daß der Gesetzgeber grundfreiheitskonforme Regelungen schafft. Allerdings kann aus der Dienstleistungsfreiheit de lege lata kein Anspruch auf analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen des BetrAVG auf Beitragszusagen hergeleitet werden. Das Betriebsrentengesetz läßt sich nicht im Wege der Analogie europarechtskonform auslegen, da gerade keine planwidrige Lücke vorliegt. Das Gesetz sieht vielmehr ausdrücklich nur die Leistungszusage vor. Die rechtliche Einordnung der Beitragszusage außerhalb des Betriebsrentenrechts entspricht einer traditionellen Sichtweise betrieblicher Altersversorgung in Deutschland 1 3 1 . Indessen zeigen die im Gang befindliche Diskussion um eine Anerkennung der Beitragszusage als betriebliche Altersversorgung und die Vorschläge für eine entsprechende Reform des BetrAVG 1 3 2 , daß es keine materiellen Allgemeininteressen gibt, die den Ausschluß der Beitragszusage aus dem Regelungsbereich betrieblicher Altersversorgung erzwingen würden. Das BetrAVG ließe sich erweitern, so daß auch Beitragszusagen erfaßt würden. Der Gesetzgeber ist damit zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich betrieblicher Altersversorgung aufgefordert, die Beitragszusage als eine Form betrieblicher Altersversorgung zu regeln und der Leistungszusage auch steuerlich gleichzustellen. E r hat dabei auch Vorsorge dafür zu treffen, daß ausländische Einrichtungen zur Altersversorgung ohne Wettbewerbsnachteile in gleicher Weise die Durchführung reiner Beitragszusagen übernehmen können wie inländische Einrichtungen zur Altersversorgung 1 3 3 . Das Insolvenzrisiko potentieller Versorgungsträger ist wie sonst auch entweder durch spezielle Vorschriften abzusichern oder durch eine staatliche Aufsicht zu minimieren 1 3 4 . Auch wenn ein Numerus clausus der Versorgungsträger auch für die Durchführung von Beitragszusagen zu rechtfertigen ist, ist im Zuge einer solchen Neuregelung ein gemeinschaftsweites Handeln zu erwägen, das durch eine Anerkennung gleichwertiger Versorgungseinrichtungen auch bislang atypischen ausländischen Einrichtungen zur Altersversorgung Zugang zum Markt der Durchführung von Beitragszusagen verschafft.

Blomeyer, BetrAV 1998, 72ff. Vgl.etwa Blomeyer, BetrAV 1998,124ff.; Peemöller/Geiger/Fiedler, D B 1999, 812 belegen empirisch, daß die Gestaltungsmöglichkeit einer reinen Beitragszusage wie beim sog. anlageorientierten Pensionsfonds von den Unternehmen erwünscht sei. 133 Dazu, ob eine kollisionsrechtliche Rechtswahl ein Mittel sein kann, den Beschränkungen des deutschen Rechts zu entgehen, unten §6 C. und §8 D. (S. 281 ff. und S.379ff.); hierzu auch Groeben/Troberg, EU-/EG-Vertrag, Art. 59 Rn.32. 134 Zur Person des Versorgungsträgers Blomeyer, BetrAV 1998, 125ff. 131

132

198

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

III. Folgerungen für die deutsche

Altersversorgung

Pensionsfonds-Debatte

1. Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung fonds-Modell

durch ein Pensions-

Die in Deutschland rückläufige Verbreitung betrieblicher Altersversorgung wird seit vielen Jahren von einer Diskussion um eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitgeber und eingeschalteten Versorgungsträger begleitet. An dieser Diskussion nimmt seit Mitte der 90er Jahre auch die in Deutschland traditionell nicht mit der Zusatzversorgung befaßte Bankwirtschaft teil mit dem Ziel, durch eine Umstellung von der in der Praxis überwiegenden internen Finanzierung betrieblicher Altersversorgung über Rückstellungen auf eine externe Finanzierung durch Pensionsfonds, die in Aktien investieren, den deutschen Kapitalmarkt zu stärken 135 . Auch von Seiten der Altersversorgungsbranche 136 wie auch in Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft 137 und den Wirtschaftswissenschaften 138 werden in der Reformdiskussion die vom BetrAVG zur Verfügung gestellten Durchführungswege als unzulänglich kritisiert und die Zulässigkeit und Chancen betrieblicher Altersversorgung durch Pensionsfonds erörtert. D e r Begriff des Pensionsfonds in dieser Debatte meint nicht die jetzt schon mögliche u n d praktizierte Vermögensanlage in Wertpapierspezialfonds durch Arbeitgeber, die eine D i rektzusage abgegeben haben. H i e r handelt es sich u m ein bloßes Mittel der Innenfinanzierung des U n t e r n e h m e n s 1 3 ' . Auch der neue Typus eines Investmentfonds, das sog. Pensions-Sondervermögen, wie ihn das Dritte F i n a n z m a r k t f ö r d e r u n g s G 1997 vorsieht, versteht das Pensions-Sondervermögen als eine bloße A n s a m m l u n g von Vermögenswerten ohne eigene Rechtspersönlichkeit u n d ist damit nicht Pensionsfonds i.S. der Pensionsfonds-Debatte 1 4 0 . D e r Begriff des Pensionsfonds in der Reformdiskussion ist auch nicht gleichzusetzen mit dem im Kontext der Verwaltung von Pensionsfonds durch Versicherungsunternehmen gebrauchten, unter den Unterstützungskassen und Pensionskassen zu fassen sind 1 4 1 . 135 DB Research G m b H , Von der Pensionsrückstellung zum Pensionsfonds; Deutsches Aktieninstitut, Betriebliche Altersversorgung ausgliedern; Bundesverband deutscher Banken, Stärkung der privaten Altersvorsorge; kritisch Rößler, BetrAV 1996, 316ff. zum Interesse von Börsen, Banken und Versicherungsunternehmen an einem pension fund-System auch Kühler, 57 Brooklyn Law Review: 105 (1991); zu Möglichkeiten und Grenzen der Altersversorgung durch Kapitaldeckung Rhiel, BB 1998, 2522ff.; Krempl, Pensionsfonds, S.233ff. 136 ABA, Modell „Zweite Säule"; Schmitz, BB 1996, 1547ff.; Kolvenbach, BetrAV 1997, 79ff. 137 Hanau/Arteaga, BB 1997, Beilage 17 zu Heft 47,20.11.1997; Hanau, BetrAV 1998,147ff.; Blomeyer, ZIP 1997, 1397ff.; ders., ZIP 1997, 1955ff.; ders., BetrAV 1998, 72ff. 138 Bode/Grabner, DB 1997, 928ff.; Spengel/Schmidt, BB 1997, 2097ff. 139 Ausführlich Großmann, Flexible Finanzierung. 140 Das Gesetz betrifft allein Kapitalmarktvorschriften im Verhältnis zur Kapitalanlagegesellschaft und schafft nicht etwa eine neuen Typus einer Einrichtung zur Altersversorgung. Zu arbeitsrechtlichen Fragen dieses Gesetzes Blomeyer, ZIP 1997, 1398; kritisch aus gewerkschaftlicher Sicht Schoden, FS Hanau, S. 270ff. 141 Nach der VAG-Novelle vom 21.07. 1994 (BGBl. I, S. 1630ff.) gehören Geschäfte der Ver-

C. Betriebliche

Altersversorgung

außerhalb

der Durchführungswege

des BetrAVG

199

Im übrigen ist die Pensionsfonds-Debatte gerade durch das Bemühen gekennzeichnet, die wünschenswerten Merkmale eines neuen Durchführungswegs über Pensionsfonds in Abgrenzung zu den bestehenden Durchführungswegen herauszuarbeiten, die rechtlichen Möglichkeiten de lege lata zu analysieren 142 und die notwendigen Veränderungen de lege ferenda zu diskutieren. Modell steht dabei oft der angelsächsische pension fund, bei dem das Dreiecksverhältnis Arbeitnehmer - Arbeitgeber - Treuhänder über das trust law definiert wird 1 4 3 . Im Hinblick auf die Pensionskasse werden vor allem die vorgelagerte Besteuerung 1 4 4 der Beiträge und die im Versicherungsaufsichtsrecht begründeten Einschränkungen in bezug auf die Kapitalanlage in Aktien kritisiert 1 4 5 . Der Pensionsfonds nach angelsächsischem Vorbild könnte gegenüber der Pensionskasse durch eine nachgelagerte Besteuerung beim Arbeitnehmer diesem steuerliche Vorteile bieten. Auch verspricht er größere Freiheiten bei der Optimierung der Vermögensanlage 146 . Von der Durchführung betrieblicher Altersversorgung durch eine Unterstützungskasse unterscheidet sich die Pensionsfonds-Idee durch die auch wirtschaftliche Entkoppelung der Einrichtung zur Altersversorgung vom Trägerunternehmen. Eine solche kann allerdings auch schon unter dem geltenden Recht durch eine satzungsmäßige Beschränkung der Verfügungsmöglickeiten über die Vermögensmittel erreicht werden. Dazu ist in der Satzung der Unterstützungskasse festzulegen, daß die in der Unterstützungskasse ausgelagerten Mittel nicht mehr an das Trägerunternehmen zurückfließen können 1 4 7 . In arbeitsrechtlicher Hinsicht unterscheidet sich der Pensionsfonds von der Unterstützungskasse durch den waltung von Versorgungseinrichtungen zu den zulässigen Tätigkeiten von Lebensversicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland (vgl. § 1 Abs. 4 S. 3 und 4 VAG und Nr. 24 der Anlage A zum VAG). Damit können auch deutsche Lebensversicherer das Geschäft der Pensionsfondsverwaltung im EU-Ausland betreiben. Einige Versicherer hatten schon früher durch spezialisierte Tochtergesellschaften derartige Aufgaben übernommen, So Schmitz, B B 1996, 1551 Fn. 65. Zur Rechtslage vor 1994 Fahr, VersR 1992, 1045f. Z.B. ist es in Großbritannien nicht unüblich, daß das „pension scheme" einen Vertrag mit einem Lebensversicherungsunternehmen schließt, das dann die Leistungen an die Berechtigten auszahlt, Daykin, Protection of Workers' Rights, unter 3.4.4. 142 S. etwa Grabner, D B 1999, 903 ff. zur Durchführung einer beitragsorientierten Direktzusage über einen betriebsinternen Pensionsfonds. 143 Hierzu etwa Schmitz, B B 1996, 1547ff. 144 Ein einheitliches System der nachgelagerten Besteuerung würde u.a. einen steuerneutralen Wechsel des Durchführungswegs ermöglichen, s. Langohr-Plato, BB 1999, 1220. 145 Zu Unterschieden in der Finanzierung und Vermögensanlage des als Vorbild dienenden angelsächsischen pension fund vgl. Rößler, BetrAV 1996, 317ff.; Kolvenbach, BetrAV 1997, 80. 146 Rößler, BetrAV 1996, 316ff.; Schmitz, B B 1996, 1547f. auch zu Unterschieden im englischen und amerikanischen Recht des Pensionsfonds. In den Niederlanden beträgt allerdings trotz liberaler Analagevorschriften der Aktienanteil im Portefeuille der Pensionsfonds nur 2 0 % , während er in Großbritannien bei 70% liegt. Dies wird auf die paritätische Verwaltung der Pensionsfonds in den Niederlanden zurückgeführt, Terwey, Handelsblatt vom 11.05.1998, S. 10. Etwas andere Zahlen (30% bzw. 8 0 % ) bei Bohne, Handelsblatt vom 25.05. 1998, S. 12. 147 Vgl. Dr.Dr. Heissmann GmbH, Informationen zur Versorgung und Vergütung, Nr. 1 April 1998 zur Schaffung einer einem „funded trust" ähnlichen Unterstützungskasse.

200

§ 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Pensionsfonds, der eine subsidiäre Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers, außer im Falle einer vom Arbeitgeber verschuldeten Leistungsunfähigkeit des Pensionsfonds, entbehrlich machen könnte 1 4 8 . Soweit mit der Pensionsfonds-Idee auch die Idee einer reinen Beitragszusage verknüpft wird, bedarf es zum Schutz des Arbeitnehmers einer entsprechenden Erweiterung des Anwendungsbereichs des BetrAVG etwa mit Bestimmungen zur Unverfallbarkeit des angesammelten Versorgungskapitals 149 . Für die Ausgestaltung der arbeits-, aufsichts- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen eines zu schaffenden neuen Durchführungswegs Pensionsfonds wird vor allem eine Fortentwicklung der (rückgedeckten) Unterstützungskassen erwogen 1 5 0 . Der Arbeitskreis „Betriebliche Pensionsfonds" (sog. G e r k e - K o m mission) 1 5 1 legte gleich drei verschiedene Regelungsmodelle vor, von denen nur das dritte, der sog. anlageorientierte Pensionsfonds, als eigenständiger fünfter Durchführungsweg konzipiert ist 1 5 2 .

2. Anforderungen

der

Dienstleistungsfreiheit

O b mit einem neuen, extern finanzierten Durchführungsweg betrieblicher Altersversorgung „Pensionsfonds" nicht nur dem Kapitalmarkt, sondern vor allem der Betriebsrentenversorgung gedient ist 1 5 3 , kann hier nicht diskutiert werden. Es sollen lediglich Anforderungen an einen solchen zu schaffenden Durchführungsweg formuliert werden, die aus der Sicht der europäischen Dienstleistungsfreiheit zu stellen sind. Soweit Pensionsfonds nicht als eine bloße Ansammlung von Vermögenswerten ohne eigene Rechtspersönlichkeit verstanden werden, sondern als selbständige Rechtssubjekte, unterfallen diese dann auch dem Begriff der Gesellschaft in Art. 48 Abs. 2, 55 E G . Ihre entgeltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber als Trägerunternehmen ist eine Dienstleistung i.S. des Art. 50 Abs. 1 E G . Bei der Konzeption eines neuen Durchführungswegs über Pensionsfonds ist daher darauf zu achten, daß der Pensionsfonds ohne größere Beschränkungen als

Hierzu Blomeyer, ZIP 1997, 1401f. Vgl. Grabner, BetrAV 1997,254ff.; Uebelhack, BetrAV 1998,134f.; dazu, daß es sich dann nicht mehr um betriebliche Altersversorgung i.S. des BetrAVG in derzeitigen Fassung handelt, Blomeyer, ZIP 1997,1400,1402; Blomeyer, BetrAV 1998, 72ff. und oben unter C.II.2. (S. 194ff.). 150 Kolvenbach, BetrAV 1997, 80ff.; Bode/Grabner, D B 1997, 928ff., 932; Uebelhack, BetrAV 1998, 133 ff. Zur fondsgebundenen Lebensversicherung als Probelauf für Pensionsfonds Hanau, BetrAV 1998, 148f.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §1 Rn.248. 151 Gerke-Bericht, in: Bundesministerium der Finanzen, Schriftenreihe H.64, Bonn, Juli 1998. 152 Dazu ausführlich Blomeyer, ZIP 1998, 1737ff., 1741 ff.; s. auch Peemöller/Geiger/Fiedler, D B 1999, 810ff. mit einer empirischen Untersuchung zur Attraktivität dieser Gestaltungsmöglichkeit für Unternehmen. 153 Ablehnend Rößler, BetrAV 1996, 322; Spengel/Schmidt, B B 1997, 2097, 2104; pointiert auch Schmitz, B B 1996,1553. „Was zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland dient, braucht nicht förderlich zu sein für die betriebliche Altersversorgung und vice versa". 148

149

C. Betriebliche

Altersversorgung

außerhalb

der Durchführungswege

des BetrA VG

201

im Inland auch grenzüberschreitend tätig werden kann. Der Pensionsfonds muß zum einen von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland zur Durchführung von Altersversorgungszusagen nach deutschem Recht an Arbeitnehmer im Inland eingesetzt werden können. Zum anderen muß der Pensionsfonds seinen Sitz auch im Ausland haben können. Andernfalls würde der neue Durchführungsweg auf den internen deutschen Markt beschränkt und die grenzüberschreitende Dienstleistung „Durchführung der betrieblichen Altersversorgung" durch ausländische Anbieter behindert. Bei einem neu zu schaffenden rechtlichen Instrument wäre eine Rechtfertigung hierfür schwerer zu erbringen als bei historisch gewachsenen Strukturen. Ein wesentlicher Regelungsgegenstand in arbeitsrechtlicher Hinsicht muß die Gewährleistung des Insolvenzschutzes im Interesse der begünstigten Arbeitnehmer sein. Bei einer vollständig externen Finanzierung über einen Pensionsfonds geht es allein um das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Pensionsfonds 1 5 4 . Der Insolvenzschutz 1 5 5 könnte entweder durch eine Eingliederung des Pensionsfonds unter die Versicherungsaufsicht u.U. unter Lockerung der Vermögensanlagebeschränkungen des V A G oder aber durch Schaffung eines neuen Aufsichtsmodells gewährleistet werden. Wird der versicherungsaufsichtsrechtliche Weg gewählt, ist sicherzustellen, daß das Sitzlandprinzip im Versicherungssektor dann auch für Pensionsfonds gilt. Wird ein anderes Aufsichtsmodell gewählt, ist festzulegen, welche Insolvenzsicherungsmechanismen in anderen Mitgliedstaaten als gleichwertig anerkannt werden. Bei der Schaffung eines neuen Durchführungswegs Pensionsfonds erscheint daher eine Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten unumgänglich, um eine gegenseitige Anerkennung der jeweiligen nationalen Pensionsfondsmodelle zu erreichen 1 5 6 . Dann ist es aber nur noch ein kleiner Schritt, die Reformüberlegungen in Deutschland unmittelbar in das Projekt eines europäischen Pensionsfonds 1 5 7 einfließen zu lassen.

154 Hierzu Bode/Grabner, D B 1997,934; das Modell von Kolvenbach, D B 1997,290 = BetrAV 1997, 79 läßt die Frage des Insolvenzschutzes noch offen. 155 Der Vorschlag der A B A zur Weiterentwicklung der Unterstützungskasse zum Pensionsfonds (dazu Uebelhack, BetrAV 1998, 133 ff.) sieht keine vollständige wirtschaftliche Entkoppelung des Pensionsfonds vom Arbeitgeber vor. Rechtsansprüche gegenüber dem Pensionsfonds sollen nicht eingeräumt werden. Der PSVaG soll den Insolvenzschutz für den Fall der Arbeitgeberinsolvenz übernehmen. Denkbar wäre es aber auch, diesen einem Gremium zu übertragen, das einem trustee vergleichbar wäre, oder einen verantwortlichen Aktuar oder Treuhänder zur Überwachung der Vermögensanlage und -Verwaltung einzusetzen. 156 S. jetzt auch Mitteilung „Zu einem Binnenmarkt für die zusätzliche Altersversorgung" vom 11.05. 1999, KOM(99) 134 endg./2 mit dem Vorschlag, eine Richtlinie über die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für betriebliche Pensionsfonds zu verabschieden. 157 Dazu oben §1 B.II.2.c) (S.40f.).

202

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

D. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung ausländischer Anbieter von Dienstleistungen der Zusatzaltersversorgung I. Zum Spannungsverhältnis zwischen Dienstleistungsfreiheit und Mitbestimmung des Betriebsrats nach §87 Abs. 1 BetrVG Die Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Dienstleistungen der Zusatzaltersversorgung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Einwirkungsmöglichkeiten des Betriebsrats nach dem B e t r V G 1 5 8 . Unproblematisch im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr sind Beteiligungstatbestände des Betriebsrats, die unterhalb der Schwelle echter Mitbestimmung liegen, wie die Überwachung der Grundsätze von Recht und Billigkeit nach § 75 B e t r V G und die Unterrichtungspflicht des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuß nach § 1 0 6 Abs. 3 Nr. 10 B e t r V G 1 5 9 . Hat der Betriebsrat jedoch nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 B e t r V G ein echtes Mitbestimmungsrecht, kann dieses die Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Leistungen im Bereich der Zusatzaltersversorgung beschränken. Die betriebliche Altersversorgung ist eine soziale Angelegenheit im Sinne des § 8 7 B e t r V G , sofern wegen des kollektiven Bezugs der Versorgungszusagen ein betriebliches Regelungsbedürfnis besteht 1 6 0 . Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 B e t r V G bestehen. Nach Nr. 8 erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Nach Nr. 10 hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G ist gegenüber Nr. 10 lex specialis für solche Arbeitgeberleistungen, die mit Hilfe von Sozialeinrichtungen gewährt werden 1 6 1 . 158 Zur mindestens paritätischen Mitbestimmung in den Einrichtungen zur Altersversorgung in den Niederlanden, Belgien und Dänemark Zavvos, C M L R 1994, 626. 159 Gleiches gilt für das Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Sprecherausschusses hinsichtlich der Änderung der Gehaltsgestaltung einschließlich der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach §30 Nr. 1 SprAuG, dazu MünchArbR//oost, §316 R n . l ; Hromadka, SprAuG, §30 Rn. 7ff.; Löwisch, SprAuG, §30 Rn. 5, und das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht des E B R bezüglich länderübergreifender Angelegenheiten, welche erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer, also auch auf eine grenzüberschreitende unternehmensweite Zusatzversorgung haben können. Die sachliche Zuständigkeit des E B R nach §§31-33 E B R G lehnt sich weitgehend an die des deutschen Wirtschaftsausschusses an. Sandmann, A R Blattei SD 695, Rn.154. 160 Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 2. Ein solcher kollektiver Bezug ist nach B A G (GS) 16.09.1986, GS 1/82, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972 außer bei kollektivrechtlichen Zusagen auch bei individualrechtlichen Versorgungszusagen in Form einer Gesamtzusage oder einer ausdrücklichen vertraglichen Einheitsregelung gegeben. 161 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.447ff. Zum Teil wird die Mitbestimmung hinsichtlich der Leistungsplangestaltung auch bei Einschaltung einer Sozialeinrichtung unter Nr. 10 gefaßt (so Kasseler Handbuch/Gnebeling, Ordnr. 2.9 Rn. 886, a.A. Moll, B B 1988, 400 und ders., Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entgelt, S. 90, 191). Materiell ergeben sich hieraus keine Unterschiede.

D. Mitbestimmung

1. §87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG:

des

Betriebsrats

203

Sozialeinrichtungen

a) Begriff der Sozialeinrichtung Eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 8 7 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G liegt vor, wenn soziale Leistungen des Arbeitgebers institutionalisiert sind, d.h. einen bestimmten Zweck haben, keine Einzelmaßnahmen darstellen, sondern nach allgemeinen Richtlinien aus einer abgesonderten, besonders zu verwaltenden Vermögensmasse des Arbeitgebers gewährt werden und auf eine gewisse Dauer gerichtet sind 1 6 2 . Bei einer Direktzusage des Arbeitgebers besteht in der Regel keine Sozialeinrichtung 1 6 3 . Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber zur Finanzierung eine Rückdeckungsversicherung abschließt 1 6 4 oder die Zusage über einen Spezialfonds finanziert 1 6 5 . Wie der Arbeitgeber seine betrieblichen Versorgungsleistungen finanzieren will, gehört in den mitbestimmungsfreien Bereich seiner unternehmerischen Entscheidungen 1 6 6 . Auch die Direktversicherung des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer bei einer Versicherungsgesellschaft erfüllt nicht den Begriff einer Sozialeinrichtung, da für die Altersversorgung kein zweckgebundenes Sondervermögen gebildet wird. Pensionskassen und Unterstützungskassen sind dagegen Sozialeinrichtungen im Sinne des Gesetzes, vorausgesetzt, ihr satzungsmäßer Wirkungsbereich beschränkt sich auf einen Betrieb, ein Unternehmen oder einen (Unterodnungs-) Konzern 1 6 7 und sie sind für die vom Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmer eingerichtet worden 1 6 8 . Für eine Unternehmens- bzw. konzernweit organisierte 162 Zum Begriff der Sozialeinrichtung als zweckgebundenem Sondervermögen B A G 09.12. 1980,1 A B R 80/77, AP Nr. 4 zu § 76 BetrVG 1972 Lohngestaltung m. Anm. Herschel als Schlußpunkt eines Streits zwischen dem ersten und dem dritten Senat. Vgl. auch Moll, B B 1988, 401 (Mittelverselbständigung mit eigener Organisation). Auch ein Pensionsfonds, dessen Geschäftsbereich sich auf ein Unternehmen oder einen Konzern erstreckte, wäre als Sozialeinrichtung i.S. des §87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu qualifizieren, hierzu Blomeyer, ZIP 1997, 1403. 163 Wird die direkt zugesagte Altersversorgung jedoch ausnahmsweise aus einem zweckgebundenen Sondervermögen, etwa einem zu diesem Zweck geschaffenen sog. innerbetrieblichen Versorgungsfonds, geleistet, wie es etwa bei Vereinen und Verbänden vorkommt, die über kein wesentliches Vermögen verfügen und sich aus Umlagen der Mitglieder finanzieren, kann eine Sozialeinrichtung vorliegen. So Moll, BB 1988, 401 f.; Höfer, BetrAVG, ART Rn.857. 164 Eine Rückdeckungsversicherung eines Arbeitgebers ist keine Sozialeinrichtung, B A G 12.06.1975,3 A B R 137/73, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung m. Anm. Steindorff; Moll, HB 1988, 401. 165 Ein Spezialfonds, also ein Wertpapier-Sondervermögen, über das der Arbeitgeber seine Direktzusage finanziert, erfüllt nicht den Begriff einer Sozialeinrichtung, so daß ein Mitbestimmungsrecht nur nach Nr. 10, nicht nach Nr. 8 besteht. Großmann, Flexible Finanzierung, S.192ff., 198ff., der aber für eine Berufung von Betriebsratsmitgliedern in den Anlageausschuß des Fonds ohne gesetzliche Grundlage plädiert. Vgl. auch schon Auffarth, B B 1962, 672 zu Wohlfahrtseinrichtungen nach §56 Abs.l lit. e BetrVG 1952. 166 B A G 12.06. 1975, 3 A B R 137/73, AP Nr.2 zu §87 BetrVG Altersversorgung. 167 B A G 12.06.1975, 3 A B R 131/74,137/73,66/74 und 18.03.1976, 3 A B R 32/75, AP Nr. 1-4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung m. Anm. Richardi, Steindorff Blomeyer, Hanau; Fitting/ Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.342. 168 Löwisch, BetrVG, §87 Rn. 90. Daß eine Konzernversorgungskasse in gewissem Rahmen

204

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

betriebliche Altersversorgung steht nach den Zuständigkeitsvorschriften der § 50 B e t r V G bzw. § 5 8 B e t r V G das Mitbestimmungsrecht nach den § § 8 7 Abs. 1 Nr. 8 und 10 B e t r V G dem Gesamt- bzw. dem Konzernbetriebsrat zu 1 6 9 . Ist eine Pensions- oder Unterstützungskasse dagegen für einen Gewerbezweig oder für eine Mehrzahl nicht konzernverbundener Unternehmen errichtet w o r den, unterfällt sie nicht der Mitbestimmung nach Nr. 8. Es bleibt beim Mitbestimmungsrecht nach Nr. 10. Bei solchen Gruppenkassen fehlt es an einem Mandat des Betriebsrats, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats für die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer, weil der Wirkungsbereich der Sozialeinrichtung nicht auf einen Bereich beschränkt ist, in dem eine einheitliche Mitarbeitervertretung möglich ist 1 7 0 . Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 8 erfaßt die Wahl der Rechtsform und die Ausgestaltung der Sozialeinrichtung. Darunter fallen die Verwendung bzw. Verteilung der Mittel und die Festsetzung von Leistungen gemäß einem Leistungsplan im Einzelfall sowie die Entscheidung über eine Beitragsleistung der Arbeitnehmer 1 7 1 . A u c h die Verwaltung der Sozialeinrichtung unterliegt der Mitbestimmung. Zu ihr gehört auch die Vermögensanlage 1 7 2 .

b) Ein- und zweistufige

Lösung

D i e Verwaltung kann organschaftlich über eine paritätische Besetzung des G e schäftsführungs- bzw. des Verwaltungsorgans der selbständigen Sozialeinrichtung 1 7 3 oder im Wege einer zweistufigen Lösung 1 7 4 verwirklicht werden, bei der der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht ausschließlich dem Arbeitgeber gegenüber ausübt. H i e r muß sich der Arbeitgeber maßgebenden Einfluß auf die Versorgungseinrichtung satzungsmäßig sichern, damit er die in einer Betriebsvereinbarung, Regelungsabrede oder Betriebsabsprache mit dem Betriebsrat getroffene Vereinbarung auch durchsetzen kann 1 7 5 . In der Praxis funktioniert die betriebliche Mitbestimmung fast ausschließlich über die praktikablere organschaftliche Lösung, bei der die Arbeitnehmervertreter in den Kassenorganen sitzen 1 7 6 . Die Neuregelung des V A G hat insofern eine auch Außenstehenden offensteht, ändert jedoch nichts an ihrem Charakter als Sozialeinrichtung, BAG 21.06. 1979, 3 ABR 3/78, AP Nr. 1 zu §87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung. 169 BAG 21.06.1979,3 ABR 3/78, AP Nr. 1 zu §87 BetrVG 1972; Löwisch, BetrVG, §50 Rn.6 und §58 Rn.2. 170 Löwisch, BetrVG, §87 Rn.89; Kasseler Handbuch/GWe^efog, Ordnr. 2.9 Rn.888. 171 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.351ff. St. Rspr.: BAG 18.03. 1976, 3 ABR 32/75, AP Nr.4 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAG 16.02. 1993, 3 ABR 29/92, AP Nr. 19 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 172 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.360. Speziell zum Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Vermögensanlage Birk, Die Mitbestimmung des Betriebsrats, S. 234f.; Großmann, Flexible Finanzierung, S. 71 ff., 196, 199. 173 Ausführlich Kruse, Mitbestimmung, S. 69ff.; H-BetrAV/Dres^, Ordnr. 50 Rn. 894ff. 174 Kruse, Mitbestimmung, S. 96f.; H-BetrAV/Dr«/;, Ordnr. 50 Rn. 892. 175 Kruse, Mitbestimmung, S.96f. Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.365. 176 Schmitz, BB 1996, 1552; Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.366; H-BetrAV/Dresp, Ordnr. 50 Rn. 893.

D. Mitbestimmung

des

Betriebsrats

205

Änderung gebracht, als § 7a VAG fachliche Eignungsanforderungen für eine Mitwirkung im Vorstand einer Pensionskasse aufstellt, die Betriebsratsmitglieder in der Regel nicht erfüllen werden. Es bleibt dann für die einstufige Lösung nur eine kontrollierende Mitwirkung im Aufsichtsrat 177 .

2. §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG: betriebliche

Lohngestaltung

Soweit das Ruhegeld nicht über eine Sozialeinrichtung erbracht wird, sind Versorgungszusagen des Arbeitgebers als Maßnahmen der Lohngestaltung, d.h. der abstrakten Festlegung von Grundsätzen der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterworfen 1 7 8 . Auch die Neuverteilung gekürzter Mittel und die Anpassung der Betriebsrente an veränderte Umstände fällt wegen der dann notwendigen Umgestaltung des Leistungsplans unter §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 179 . Unter §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fällt die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Direktzusage und eine Direktversicherung, aber auch die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Gruppenpensionskasse oder Gruppenunterstützungskasse, wenn eine Mitbestimmung nach Nr. 8 ausscheidet, weil eine einheitliche Mitarbeitervertretung nicht möglich ist 180 . Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 10 entfällt nicht deshalb, weil sich mitbestimmte Entscheidungen in einem der Trägerunternehmen nicht ohne weiteres in den mehrheitlich entscheidenden Organen der Kasse durchsetzen lassen 181 . Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 10 wird gegenüber dem Arbeitgeber ausgeübt. Eine organschaftliche Mitbestimmung, also direkte Einwirkung auf den Versorgungsträger scheidet nach h.M. aus 182 .

177 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 871. Zur problematischen organschaftlichen paritätischen Vertretung des Betriebsrats im Organ einer deregulierten Pensionskasse von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung-s.o. B.I.2.a)bb) (S. 1 7 6 f . ) - F ö r s t e r , BetrAV 1994,156ff.; Müller, BetrAV 1994, 64. 178 BAG 12.06. 1975, AP Nr. 1-3 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAG 18.03. 1976, AP Nr. 4 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung (oben Fn. 164). 179 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.427, 451a. 180 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 780 zur Direktversicherung, Rn.872 zur Gruppenpensionskasse und Rn. 950 zur Gruppenunterstützungskasse; Kasseler H a n d b u c h / G r i e b e l i n g , Ordnr. 2.9 Rn.889. 181 BAG 09.05. 1989, 3 AZR 439/88, AP Nr. 18 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung; ähnlich zur Mitbestimmung nach Nr. 10 bei einer Direktversicherung BAG 18.03. 1976, 3 ABR 32/ 75, AP Nr. 4 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung. Kruse, Mitbestimmung, S. 97 meint, hier bliebe als Ausweg nur der Wechsel zu einer Versorgungsform, bei der sich die Vorstellungen der Betriebspartner realisieren ließen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Wahl des Durchführungswegs nicht mitbestimmungspflichtig und allein dem Arbeitgeber überlassen ist. 182 Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 780ff., 867, 950 m.w.N.; a. A. Kruse, Mitbestimmung, der meint eine organschaftliche Lösung käme auch für Unternehmens- oder konzernübergreifenden Pensionskassen in Form großer und kleiner W a G (S. 88ff.) in Frage, nicht aber für Versicherungsunternehmen in Form von VersicherungsAG und Großer W a G (S. 84f.).

206

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

II. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einschaltung einer ausländischen Sozialeinrichtung als Versorgungsträger Ausländische Anbieter betrieblicher Altersversorgungsleistungen können in ihrer Dienstleistungsfreiheit durch das Mitbestimmungsrecht nach dem BetrVG beschränkt sein, w e n n dieses sie in der Art und Weise der Dienstleistungserbringung behindert. Die betriebliche Altersversorgung von Arbeitnehmern eines Betriebes in Deutschland unterliegt als soziale Angelegenheit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG auch dann, w e n n der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung über einen ausländischen Versorgungsträger durchführt. Das internationale Betriebsverfassungsrecht k n ü p f t an den Sitz des Betriebes, nicht an den einer eingeschalteten Sozialeinrichtung an 183 . Bei den Entscheidungen über die Einführung und Dotierung einer betrieblichen Altersversorgung, die Wahl oder den Wechsel des Durchführungswegs, die Errichtung, Schließung u n d Dotierung einer Sozialeinrichtung zur D u r c h f ü h rung betrieblicher Altersversorgung hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht 184 . Bei D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Direktversicherung sind die Auswahl oder der Wechsel der Versicherungsgesellschaft keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit i.S. von §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, solange der Verteilungsplan und die Beitragsbelastung der Arbeitnehmer davon unberührt bleiben. Was für die Auswahl bei der E i n f ü h r u n g dieser Versorgungssysteme gilt, gilt auch f ü r die Änderung durch Übertragung der Versicherung auf eine andere Versicherungsgesellschaft 185 . Es steht dem Arbeitgeber daher grundsätzlich frei, einen ausländischen Versorgungsträger in die D u r c h f ü h r u n g der Versorgungszusage einzuschalten. Ist deutsches Recht Betriebsrentenstatut, kann der Arbeitgeber einen der im BetrAVG genannten Durchführungswege wählen, also einen Gruppenlebensversicherungsvertrag mit einem ausländischen Versicherungsunternehmen abschließen oder eine Pensionskasse oder Unterstützungskasse mit Sitz im Ausland gründen bzw. eine schon bestehende ausländische Kasse einschalten. Ist die Wahl ausländischen Betriebsrentenrechts durch die Arbeitsvertragsparteien f ü r im deutschen Betrieb tätige Arbeitnehmer möglich 186 , kann der Arbeitgeber auch einen nicht 183 Z u m an die Belegenheit des Betriebes a n k n ü p f e n d e n internationalen Betriebsverfassungsrecht MünchArbR/ßiV&, §21 R n . l mit umfassenden Nachweisen. N ä h e r unten §10 B.I. (S. 421 ff.). 184 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.447ff.; Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 765 ff. 185 B A G 16.02. 1993, 3 A B R 29/92, A P N r . 19 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beschränkt sich auf die Gestaltung des Versorgungsverhältnisses z u m Arbeitgeber, dessen Inhalt der Arbeitgeber beim Abschluß des Versicherungsvertrages mit dem Versicherer vertraglich umsetzen m u ß . Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 780784. 186 Vgl. zu dieser Rechtswahlmöglichkeit, mit der sich der N u m e r u s clausus der Versorgungsträger nach deutschem Recht beiseite schieben läßt, u n t e n § 6 C. (S.281 ff.), § 8 D. (S.379ff.).

D. Mitbestimmung

des

Betriebsrats

207

im BetrAVG erwähnten Durchführungsweg des anwendbaren ausländischen Rechts wählen. Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats richtet sich danach, ob der vom Arbeitgeber eingeschaltete ausländische Versorgungsträger als Sozialeinrichtung i.S. des § 8 7 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G einzustufen ist oder nicht. Ist der ausländische Versorgungsträger keine Sozialeinrichtung, hat der Betriebsrat lediglich nach Nr. 10 bei der Leistungsplangestaltung mitzubestimmen. Andernfalls ist die Mitbestimmung nach Nr. 8 über eine gleichberechtigte Vertretung des Betriebsrats im Leitungsorgan der ausländischen Einrichtung zur Altersversorgung oder aber im Wege einer zweistufigen Lösung zu verwirklichen. Wenn sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der ausländischen Sozialeinrichtung im Wege der ein- oder zweistufigen Lösung tatsächlich umsetzen läßt, das ausländische Recht also ein „Hineinregieren" 1 8 7 des deutschen Betriebsrats zuläßt und verfahrensmäßig ermöglicht, ist die Dienstleistungsfreiheit des ausländischen Versorgungsträgers beschränkt. Zwar sind auch solche Entscheidungen, die von einem paritätisch mit Arbeitnehmervertretern besetzten Organ der Sozialeinrichtung getroffen werden, solche der Sozialeinrichtung selbst. Das gilt auch bei der zweistufigen Lösung, bei der der Arbeitgeber seinen Einfluß im Entscheidungsorgan der Sozialeinrichtung i.S. der mit dem Betriebsrat getroffenen mitbestimmten Entscheidung geltend macht. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist aber gerade darin zu sehen, daß die Sozialeinrichtung in ihrer internen Entscheidungsfindung durch Gesetz der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen wird, der nach § 2 Abs. 1 B e t r V G dem Wohl aller Arbeitnehmer und des Betriebes verpflichtet ist, nicht aber den nicht notwendigerweise deckungsgleichen Interessen einer Sozialeinrichtung. Man kann die Beschränkung durch Mitbestimmung in eine Reihe stellen mit beschränkenden Berufsregelungen über Organisation, Befähigung, Berufspflichten, Kontrolle, Verantwortlichkeit und Haftung 1 8 8 . So wie diese im Allgemeininteresse des Geschäftsverkehrs gerechtfertigt sein können, ist auch die in der Mitbestimmung des Betriebsrats liegende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der ausländischen Sozialeinrichtung durch das Allgemeininteresse an einer Vertretung der Arbeitnehmer bei sie betreffenden sozialen Angelegenheiten gerechtfertigt. Der Fall liegt nicht anders, als wenn eine deutsche Sozialeinrichtung, bei deren Verwaltung der Betriebsrat nach Nr. 8 mitbestimmt, die betriebliche Altersversorgung für die Arbeitnehmer eines deutschen Betriebes eines Arbeitgebers mit Sitz im Ausland grenzüberschreitend durchführt. Auch die deutsche Sozialeinrichtung wird dabei in ihrer Dienstleistungsfreiheit durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zulässigerweise beschränkt.

187 188

Formulierung von Kruse, Mitbestimmung, S. 66 entlehnt. E u G H 03.12. 1974, Rs. 33/74, van Binsbergen , Slg. 1974, 1299 Rn. 10/12.

208

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

1. Beispiel für die Schwierigkeiten ausländischen Sozialeinrichtung

Altersversorgung

einer Mitbestimmung

in einer

Jedenfalls dann, wenn ausländisches Betriebsrentenrecht auf die Versorgungszusage an Arbeitnehmer eines inländischen Betriebes im Wege der Rechtswahl zur Anwendung kommt, ist es wahrscheinlich, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 8 7 A b s . l Nr. 8 B e t r V G im Leitungsorgan einer ausländischen Sozialeinrichtung oder aber im Wege einer zweistufigen Lösung an den ausländischen Aufsichtsmechanismen und den Regeln über Organisation und Verfahren des ausländischen Versorgungsträgers scheitert. Während das deutsche Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht wie auch das Versicherungsaufsichtsrecht es über vielfach nachgiebige Bestimmungen ermöglichen, die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Verwaltung einer deutschen Sozialeinrichtung im Wege der ein- oder zweistufigen Lösung durchzuführen 1 8 9 , wird eine organschaftliche Lösung über die paritätische Vertretung des Betriebsrats im Geschäftsführungs- bzw. Verwaltungsorgan einer ausländischen Sozialeinrichtung regelmäßig ausscheiden, weil das ausländische Recht eine solche Vertretung nicht vorsieht oder die Geschäftsführung in einer Weise zwingend ausgestaltet, die eine Betriebsratsmitwirkung grundsätzlich ausschließt. Aber auch eine zweistufige Lösung, bei der der Arbeitgeber sich maßgeblichen Einfluß auf die Verwaltung der Sozialeinrichtung sichert und Entscheidungen im Vorfeld mit dem Betriebsrat abstimmen muß, kann scheitern. Wenn nämlich das ausländische Recht gerade vorsieht, daß dem Arbeitgeber kein maßgeblicher Einfluß auf die Verwaltung der Sozialeinrichtung zustehen darf, scheidet auch dieser Weg aus. Beispiel: H a t ein englischer Arbeitgeber den Arbeitnehmern eines deutschen Betriebes wirksam eine Betriebsrentenversorgung nach englischem Recht zugesagt 1 9 0 , die er über einen englischen pension fund durchführt, stößt die Umsetzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats auf Schwierigkeiten. Ein pension fund in der F o r m eines trust 1 9 1 ist als Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G einzustufen, denn in ihm sind die Altersversorgungsleistungen des Arbeitgebers institutionalisiert. Die Leistungen werden nach allgemeinen Richtlinien aus einer abgesonderten, besonders zu verwaltenden Vermögensmasse des Arbeitgebers gewährt und sind auf eine gewisse Dauer gerichtet.

189 Kruse, Mitbestimmung, S. 69ff., 84ff.; auch schon Auffarth, D B 1962,672ff. Zur Beschränkung der einstufigen Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats durch §7a VAG oben D . I . l . b ) (S.204f.). 190 Zur arbeitskollisionsrechtlichen Rechtswahlmöglichkeit unten §6 C. (S. 281 ff.), §8 D. (S. 379ff.). Ein pension fund, der die betriebliche Altersversorgung von ausschließlich außerhalb des Vereinigten Königreichs tätigen Arbeitnehmern durchführt, wird in der Praxis allerdings nur für solche Arbeitnehmer eingerichtet, die in Länder mit einem kaum entwickelten Betriebsrentenrecht versetzt werden. Vgl. Hosking's Pension Schemes, S.201 f., Rn. 8-15ff. 191 Eine Unterscheidung zwischen der mitbestimmungsfreien Wahl des Durchführungswegs und der der Mitbestimmung unterliegenden Wahl der Rechtsform des Versorgungsträger (hierzu H-BetrAV/Dresp, Ordnr. 50 Rn. 886) läßt sich hier nicht treffen, da ein englischer pension fund stets die Form eines trust hat.

D. Mitbestimmung

des Betriebsrats

209

D e r pension f u n d wird durch die Treuhänder (trustees) verwaltet. Diese k ö n n e n natürliche oder juristische Personen (trustee Company) sein. G e m ä ß dem Pensions Act 1995 m u ß mindestens ein Drittel der trustees eines pension scheme von den Mitgliedern, d.h. den begünstigten Arbeitnehmern (aktive Arbeitnehmer u n d Betriebsrentner) bestellt werden (member-nominated trustees). Es kann sich um Arbeitnehmer, Betriebsrentner, aber auch u m Treuhänder-Gesellschaften handeln 1 9 2 . D a trusteeship unvereinbar ist mit der Repräsentation spezieller Interessen 1 9 3 , k ö n n e n diese trustees nur im Interesse aller Begünstigten des F o n d s insgesamt, nicht aber im Interesse der Arbeitnehmer des rechtlich separaten Betriebes handeln 1 9 4 . Ein Betriebsrat hat dagegen nach §2 Abs. 1 BetrVG das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zur Richtschnur seines Handelns zu nehmen. D a m i t ist die Aufgabe eines Betriebsratsmitglied von der eines von den begünstigten Arbeitnehmern bestellten Treuhänders verschieden. Die Bestellung eines Betriebsratsmitglieds z u m trustee w ü r d e daher zu einer Pflichtenkollision führen. Eine organschaftliche Mitbestimmungslösung, die eine paritätische Beteiligung des Betriebsrats im Leitungsorgan des trust (board of trustees) erforderte, scheitert somit an den Vorschriften über die Bestellung der Treuhänder wie auch an dem Inhalt ihrer Pflichten. Ebensowenig kann eine zweistufige Lösung funktionieren. D e r Arbeitgeber selbst kann nicht Treuhänder sein. Er hat keine Möglichkeit, eine mit dem Betriebsrat gefundene Einigung über eine mitbestimmungspflichtige Frage z u m Wohl aller Arbeitnehmer u n d des Betriebes im board of trustees der Sozialeinrichtung durchzusetzen 1 9 5 . Das trust-Recht im allgemeinen und der Pensions Act 1995 im besonderen gewährleisten somit nicht, daß in einer mitbestimmungspflichtigen Frage - z.B. der Vermögensanlage - eine Entscheidung getroffen wird, der auch der Betriebsrat zustimmt.

2. Beschneidung des Mitbestimmungsrechts über den nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch für ausländisches Recht?

Gesetzesvorrang

Der eben erhobene Befund wirft die Frage auf, welche Schlüsse aus der Inkompatibilität deutschen Mitbestimmungsrechts mit einem die ausländische Sozialeinrichtung regierenden Recht zu ziehen sind. Eine einfache Lösung scheint sich über den Gesetzesvorrang des §87 Abs. 1 BetrVG anzubieten. Der Gesetzgeber des BetrVG hat allerdings den Fall, daß ausländische Gesetze das Mitbestimmungsrecht beschneiden könnten, wohl nicht bedacht. Für das deutsche Recht ist außerdem streitig, ob gesetzesvertretendes Richterrecht Gesetz i.S. des § 87 Abs. 1 BetrVG ist196. 192 Sog. member-nominated trustees, vgl. sections 16ff. Pensions Act 1995 und die Ausführungsbestimmungen in The Occupational Pension Schemes (Member-nominated Trustees and Directors) Regulations 1996. 193 Hayton, The Law of Trusts, S. 130f.; trustees sind nach dem trust deed dem pension fund in seiner Gesamtheit verpflichtet; Jürgens, FS Ahrend, S. 501 f. 194 Hosking's Pension Schemes, S.48 Rn.3 -04, S.90ff. Rn.4-84ff. 195 Vgl. Kruse, Mitbestimmung, S.96f. zur Pflicht, die erzielte Einigung in den Organen der Sozialeinrichtung durchzusetzen. 196 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, §87 Rn.29 m.w.N.

210

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

N i m m t man diese ersten beiden H ü r d e n und qualifiziert sowohl den Pensidns Act 1995 als auch das weitgehend richterrechtlich geschaffene englische trust law, das in der englischen Rechtsordnung keinen gegenüber dem Gesetzesrecht minderen Status hat, als Gesetz i.S. des § 87 Abs. 1 BetrVG, bleiben gleichwohl Zweifel, ob auf diesem Wege die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ausgeschaltet werden kann. Zwar sind Fälle denkbar, in denen ausländisches Recht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG einengen kann. Schreibt etwa das die ausländische Sozialeinrichtung regierende ausländische Recht selbst Vermögensanlageentscheidungen weitgehend vor, so können diese ausländischen Bestimmungen über die Vermögensanlage - ähnlich den Bestimmungen des V A G für die Vermögensanlage einer deutschen Pensionskasse 1 9 7 - Vorrang nach §87 Abs. 1 BetrVG beanspruchen. Hier ist ein Nebeneinander der beiden Rechtsordnungen möglich. Der Fall liegt anders, wenn das ausländische Recht die Mitbestimmung des Betriebsrats schon organisatorisch überhaupt nicht zuläßt wie im obigen Beispielsfall eines englischen pension f u n d als Sozialeinrichtung. Gesetzlichen oder auch richterrechtlichen Rahmenbedingungen, die die Mitbestimmung des Betriebsrats nach Nr. 8 schlechthin ausschließen, kann nicht Vorrang im Rahmen des §87 BetrVG eingeräumt werden. Andernfalls trüge die Mitbestimmungsregelung ihre Negation in sich. Es gibt somit Fälle, in denen sich der Konflikt zwischen ausländischem Recht und deutschem Mitbestimmungsrecht nicht über den Gesetzesvorrang des §87 Abs. 1 BetrVG aus der Welt schaffen läßt.

3. Lösung des internationalen Angleichungsproblem )

Normwiderspruchs

(Anpassungs-

oder

In der Terminologie des Kollisionsrechts liegt ein Anpassungs- oder Angleichungsproblem 1 9 8 aufgrund eines internationalen Normenwiderspruchs wegen N o r m e n h ä u f u n g vor: Das BetrVG ist über die an die Belegenheit des Betriebes anknüpfende Kollionsnorm der Betriebsverfassung 1 9 9 , die N o r m e n des trustRechts sind über das Personalstatut des trust 2 0 0 u n d die Mitbestimmungsregelungen des englischen Betriebsrentenrechts sind über das gewählte Betriebsrentenstatut zur A n w e n d u n g berufen. Möchte man den N o r m w i d e r s p r u c h aus dem Aufeinandertreffen von deutschem und ausländischem Mitbestimmungsrecht mit den aus dem internationalen Privatrecht geläufigen Techniken auflösen, k o m m e n mehrere Lösungen in Fra-

197 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, § 87 Rn. 353; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 866. 198 Die Terminologie ist uneinheitlich. Vgl. dazu Kropholler, Internationales Privatrecht, S.213ff. 199 D a z u näher unten §10 B.I. (S. 421 ff.). 200 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, S.487ff. 201 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 217ff.

D. Mitbestimmung

des

Betriebsrats

211

Eine kollisionsrechtliche Lösung über eine Anpassung der Kollisionsnormen könnte die Anwendbarkeit des BetrVG nicht nur von dem Sitz des Betriebes in Deutschland abhängig machen, sondern im Falle des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zusätzlich davon, daß die eingeschaltete Sozialeinrichtung ebenfalls ihren Sitz in Deutschland hat. Diese Lösung hat den Nachteil, daß sie eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach Nr. 8 auch dann ausschließt, wenn die ausländische Sozialeinrichtung tatsächlich eine Mitbestimmung des Betriebsrats zuläßt. Sie ist daher abzulehnen. Sucht man die Lösung im materiellen Recht, erscheint eine Angleichung des Rechts des englischen Pensionsfonds i.S. eines Einbaus einer Mitbestimmungsmöglichkeit für den Betriebsrat schwer vorstellbar. Näher liegt es, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf eine Mitbestimmung nach Nr. 10 zu reduzieren, wenn das Binnenrecht der ausländischen Sozialeinrichtung eine Mitbestimmung nach Nr. 8 nicht zuläßt. Das entspricht dann der Lage bei der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über eine Direktversicherung oder über gruppenweite Sozialeinrichtungen (Gruppenunterstützungskasse, Gruppenpensionskasse), bei denen sich eine Mitbestimmung nach Nr. 8 ebenfalls nicht verwirklichen läßt, weil das Versicherungsunternehmen oder die gruppenweite Sozialeinrichtung dem bestimmenden Einfluß des Arbeitgebers entzogen ist. Diese Lösung ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch einer anderen Lösung vorzuziehen, die aus der Inkompatibilität des Mitbestimmungsrechts nach §87 A b s . l Nr. 8 BetrVG mit dem Organisationsrecht der ausländischen Sozialeinrichtung den Schluß zieht, daß in einem solchen Fall die Einschaltung einer ausländischen Sozialeinrichtung wegen Undurchführbarkeit der Mitbestimmung unzulässig sei 202 . Denn damit würde eine Marktzugangsschranke für solche ausländischen Sozialeinrichtungen errichtet, deren Binnenrecht eine betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung nach §87 A b s . l Nr.8 BetrVG nicht erlaubt. Eine solche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit läßt sich nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen. Zwar dient die Mitbestimmung des Betriebsrats der betrieblichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer und ist die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen ein gewichtiges Allgemeininteresse, das die Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich zu beschränken vermag. Die Wahrung dieses Allgemeininteresses verlangt jedoch nicht in jedem Fall eine Mitbestimmung nach Nr. 8, was sich eben daran ablesen läßt, daß der Betriebsrat bei einer Direktversicherung und auch bei Einschaltung einer Sozialeinrichtung, deren Wirkungsbereich über den Betrieb, das Unternehmens oder den Konzern hinausgeht, nur ein Mitbestimmungsrecht nach Nr. 10 bei der Leistungsplange-

2 0 2 Vgl. das ähnliche für den Bereich der Unternehmensmitbestimmung vorgetragene Argument, daß eine bestimmte Unternehmenskonstruktion unzulässig sei, weil sie die Mitbestimmungsregelungen gefährde. Vgl. Großfeld/Johannemann, IPRax 1994, 271 gegen L G Stuttgart 11.05. 1993, 2 A k t E 1/92, IPRax 1994, 293.

212

5 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

staltung hat. Ebensowenig ist gewährleistet, daß sich eine mitbestimmte Entscheidung nach Nr. 10 in einem Trägerunternehmen ohne weiteres in dem mehrheitlich entscheidenden Organ einer Gruppenpensions- oder Gruppenunterstützungskasse durchsetzen läßt 203 . Im Fall einer Betriebsrentenversorgung nach englischem Recht findet sich die Leistungsplangestaltung durch den Arbeitgeber in den trust rules, nach denen die Treuhänder den trust verwalten 204 . Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht bei der Leistungsplangestaltung, also dem Entwurf des scheme design und der Formulierung der trust rules, ausüben. Rechtliche Hindernisse hierfür sind nicht ersichtlich. Schließlich kann auch der Gedanke, daß das mit § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG angestrebte Ziel der Wahrung der Arbeitnehmerinteressen bereits durch Vorschriften im Staat des Dienstleistungsanbieters garantiert wird, für eine Beschränkung des Mitbestimmungsrechts auf die Mitbestimmung nach Nr. 10 sprechen: Auch das englische Recht stellt Arbeitnehmerschutzmechanismen bereit. Zwar bleibt der Pensions Act 1995 in Bezug auf den Modus der Repräsentation der Arbeitnehmerinteressen hinter den Vorgaben des BetrVG zurück. Da zwingend nur mindestens eine Drittel der Treuhänder von den Mitgliedern des pension scheme, d.h. den Arbeitnehmern, bestellt werden müssen 205 , ist nicht gewährleistet, daß Entscheidungen des trust nicht gegen den Willen der von der Arbeitnehmerseite bestellten trustees vorgenommen werden, wie es das deutsche Mitbestimmungsrecht mit der paritätischen Vertretung im Leitungsorgan im Regelfall vorsieht. Die Regelung des englischen Rechts geht im Arbeitnehmer-/Betriebsrentnerschutz jedoch in anderer Hinsicht über die deutsche hinaus, da die Treuhänder auch die Interessen der Betriebsrentner zu vertreten haben, während die Rechtsprechung des BAG 2 0 6 dem Betriebsrat kein Mandat für schon ausgeschiedene 203 BAG 26.04. 1988, 3 AZR 168/86, AP Nr. 16 zu §87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAG 09.05.1989,3 AZR 439/88, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. Eine unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats zustande gekommene Entscheidung des Leitungsorgans einer Kasse ist im Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur dann ohne Bedeutung, wenn eine mitbestimmte Entscheidung des Trägerunternehmens in der Gruppenkasse durchsetzbar gewesen wäre. 204 Hosking's Pension Schemes, S.47ff. Rn.3-01ff. und 3-31 ff. 205 Der Modus der Bestellung der member nominated trustees ist in „The Occupational Pension Schemes (Member-nominated Trustees and Directors) Regulations 1996" niedergelegt. Grundsätzlich obliegt es den bisherigen Treuhändern, Regeln für die Bestellung der Arbeitnehmer-Treuhänder nach bestimmten Vorgaben aufzustellen. Scheitert dies, sehen gesetzliche Rückfallregeln vor, daß am Vorschlags- und Bestellungsverfahren alle aktiven Mitglieder, d.h. alle begünstigten Arbeitnehmer zu beteiligen sind. Dem zum Arbeitnehmer-Treuhänder bestellten Arbeitnehmer stehen Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche gegen seinen Arbeitgeber aus den ss. 42-44 Pensions Act 1995 zu. Auch ist sein Schutz im Arbeitsverhältnis vor Nachteilen wegen seiner trustee-Tätigkeit gemäß ss. 45, 46 Pensions Act 1995 gewährleistet. 206 BAG (GS) 16.03. 1956, GS 1/55, AP Nr. 1 zu §57 BetrVG = BB 1956, 560; bestätigt BAG 25.10. 1988, 3 AZR 483/86, AP Nr.39 zu §77 BetrVG 1972 = BB 1989, 1548. A.A. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S.209 (Zusammenfassung); Löwisch, BetrVG, §77 Rn. 15; Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, § 87 Rn. 36a; Kritisch Kasseler Handbuch/Griebeling, Ordnr. 2.9 Rn. 893; anders auch die Rechtslage in Osterreich Marhold, ZAS 1991, 95.

D. Mitbestimmung

des Betriebsrats

213

Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften und Betriebsrentner zubilligtEine Gesamtwürdigung der Arbeitnehmerschutzmechanismen des englischen Rechts ergibt daher, daß es auch an der Erforderlichkeit einer Betriebsratsmitbestimmung nach Nr. 8 im konkreten Fall fehlt. Das ausländische Recht schützt die Arbeitnehmerinteressen, wenn auch über andere Mechanismen und mit anders definierten Standards. Es ist daher nicht gerechtfertigt, der ausländischen Sozialeinrichtung die Dienstleistung Altersversorgung unter Hinweis auf die U n d u r c h führbarkeit der deutschen Betriebsratsmitbestimmung nach §87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu verwehren. Eine gegenteilige Entscheidung würde das der Betriebsratsmitbestimmung zugrundeliegende und europarechtlich anzuerkennende Allgemeininteresse des Arbeitnehmerschutzes mit dem Interesse des Betriebsrats an einem möglichst umfassenden Mitbestimmungsrecht verwechseln.

4. Ergebnis Die Dienstleistungsfreiheit gebietet, daß die D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung über eine ausländische Sozialeinrichtung, deren Binnenrecht mit den Mitbestimmungsregelungen des BetrVG unvereinbar ist, ohne Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 möglich ist. Es bleibt beim Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Leistungsplangestaltung nach §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

5. Folgerungen für die grenzüberschreitende in Einrichtungen zur Altersversorgung

Mitgliedschaft

Die grenzüberschreitende Mitgliedschaft in Einrichtungen zur Altersversorgung dient der Freizügigkeit der Arbeitnehmer wie auch der Dienstleistungsfreiheit dieser Einrichtungen. Unterschiedliche Mitbestimmungsregelungen in der Gemeinschaft können die grenzüberschreitende Mitgliedschaft behindern. So wird geltend gemacht, daß Arbeitnehmern aus einem Staat mit höherem Mitbestimmungsniveau Einflußmöglichkeiten genommen würden, w e n n das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Pensionsfonds errichtet wird, nur eine rudimentäre Mitbestimmung vorsieht 2 0 7 . Für einen in Deutschland tätigen Arbeitnehmer, der Mitglied eines englischen Pensionsfonds wird, wäre der Verlust an Mitbestimmungsmöglichkeiten nach deutschem Recht nach den obigen Überlegungen hinnehmbar. Im umgekehrten Fall ist das Problem eines Verlustes an Mitbestimmungsmöglichkeiten allerdings gravierend: Wird ein f ü r einen Arbeitgeber in Deutschland in einer englischen Niederlassung dieses Arbeitgebers tätiger Arbeitnehmer, dem eine Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht gemacht wurde, Mitglied einer 207

So Steinmeyer, FS Ahrend, S. 488f.-Jürgens, FS Ahrend, S. 502 zu Überlegungen der Kommission, bei einer grenzüberschreitenden Mitgliedschaft eine Vertretung bei der Ausübung von Mitbestimmungsrechten zuzulassen.

214

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

deutschen Pensionskasse, stehen ihm keinerlei Mitbestimmungsrechte zu. In diesem Fall grenzüberschreitender Mitgliedschaft wird der keinem deutschen Betrieb angehörende Arbeitnehmer vom deutschen Betriebsverfassungsrecht nicht erfaßt. Er ist damit von der Interessenvertretung durch den Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat, die nur ein Mandat f ü r die Vertretung der Arbeitnehmer der in Deutschland belegenen Betriebe haben, ausgeschlossen 208 . Der Arbeitnehmer hat aber auch keine Beteiligungsrechte nach englischem Recht, da dieses eine betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung im Betrieb nicht kennt u n d die Partizipationsmöglichkeiten in einem englischen pension scheme bei einer Versorgungszusage nach deutschem Recht nicht greifen. Die grenzüberschreitende Mitgliedschaft ist f ü r den Arbeitnehmer daher mit einem völligen Ausfall der Mechanismen zur Vertretung seiner Interessen hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung verbunden. Die Ursache liegt aber nicht in einem rudimentären Mitbestimmungsniveau in Deutschland, sondern darin, daß der Ansatzpunkt der Mitbestimmung in Deutschland ein anderer ist als in England. Als Teil der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung ist die Mitbestimmung in Fragen der betrieblichen Altersversorgung an die Zugehörigkeit zu einem deutschen Betrieb gebunden, während das englische Mitbestimmungsrecht an die Mitgliedschaft in der Sozialeinrichtung selbst anknüpft und damit Arbeitnehmer erfassen kann, die in ausländischen Betrieben tätig sind. Für die Regelung der Mitbestimmung in einem zukünftigen europäischen Pensionsfonds 2 0 9 ist grundsätzlich die A n k n ü p f u n g an die Mitgliedschaft in der Einrichtung zur Altersversorgung selbst sinnvoller. Sie erlaubt eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen auch bei einer grenzüberschreitenden Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in dem Pensionsfonds. Hierauf gerichtete Rechtsetzungsmaßnahmen der Gemeinschaft ließen sich auf Art. 137 Abs. 3 dritter Spiegelstrich E G stützen.

III. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der Pensionsfondsverwaltung ins Ausland (outsourcing) Externe Versorgungsträger, die mit der D u r c h f ü h r u n g betrieblicher Altersversorgung eine Dienstleistung für den Arbeitgeber erbringen, können selbst wieder Dienstleistungen eines Dritten in Anspruch nehmen. Während die Kommission die Dienstleistung im Verhältnis des externen Versorgungsträgers zum Arbeitgeber in ihre Überlegungen zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Zusatzaltersversorgung bislang nicht einbezog, hat sie die Dienstleistungsbeziehung zwischen externem Versorgungsträger („Pensionsfonds") und dessen externem Verwalter behandelt 2 1 0 . Im folgenden geht es zunächst um die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Pensionsfondsverwaltung im deregulier208 Zu diesen Fragen des internationalen Betriebsverfassungsrechts s.u. §10 A.II.l.a), B.I. (S. 415f., 421 ff.). 209 Zu Überlegungen hierzu oben §1 B.II.2.c) (S.40f.). 210 Grünbuch, K O M (97) 283, S. 16 unter Nr. 45f.; dazu Antworten auf das Grünbuch, K O M (97) 283, S.22ff. unter Nr.55ff.

D. Mitbestimmung

des

Betriebsrats

215

ten M a r k t für L e b e n s v e r s i c h e r u n g e n 2 1 1 ; anschließend wird n o c h ein B l i c k darauf g e w o r f e n , w e l c h e A u s w i r k u n g e n a u f die M i t b e s t i m m u n g des B e t r i e b s r a t s die g e scheiterte P e n s i o n s f o n d s - R i c h t l i n i e 2 1 2 gehabt hätte.

1. Mitbestimmung des Betriebsrats Pensionsfonds durch ausländische

bei der Verwaltung inländischer Versicherungsunternehmen

a) Zulässigkeit der grenzüberschreitenden durch Versicherungsunternehmen

Pensionsfondsverwaltung

D i e Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Lebensversicherer d u r c h die d r e i L e b e n s v e r s i c h e r u n g - R i c h t l i n i e n 2 1 3 b e t r a f a u c h die Z u l ä s s i g k e i t d e r grenzüberschreitenden Pensionsfondsverwaltung214. D u r c h die D r i t t e L e b e n s v e r s i c h e r u n g s r i c h t l i n i e ist die F r a g e , o b die P e n s i o n s fondsverwaltung durch Lebensversicherungsunternehmen

in D e u t s c h l a n d

er-

l a u b n i s f ä h i g g e w e s e n w ä r e 2 1 5 , f ü r die T ä t i g k e i t v o n V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m e n m i t S i t z in a n d e r e n M i t g l i e d s t a a t e n o b s o l e t g e w o r d e n 2 1 6 . I n d e m diese R i c h t l i n i e n i c h t m e h r d a r a u f a b s t e l l t , o b diese G e s c h ä f t s t ä t i g k e i t i m T ä t i g k e i t s l a n d z u g e l a s s e n ist, e r ö f f n e t sie V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m e n aus a n d e r e n M i t g l i e d s t a a t e n , die in i h r e m S i t z l a n d d e r V e r s i c h e r u n g s a u f s i c h t u n t e r l i e g e n u n d die f ü r d i e s e G e s c h ä f t s t ä t i g k e i t n a c h d o r t i g e m R e c h t eine Z u l a s s u n g h a b e n , die M ö g l i c h k e i t , in D e u t s c h l a n d über Zweigniederlassungen oder im freien Dienstleistungsverkehr o h n e N i e d e r l a s s u n g die P e n s i o n s f o n d s v e r w a l t u n g z u b e t r e i b e n 2 1 7 . 211 Die Pensionsfondsverwaltung kann allerdings nicht nur durch Lebens versicherungsunternehmen, sondern auch durch Wertpapierfirmen und Banken i.S. der Wertpapier-Dienstleistungs-Richtlinie, R L 9 3 / 2 2 / E W G vom 10.05. 1993 und der Zweiten allgemeinen Koordinierungsrichtlinie im Bankbereich, R L 89/646/EWG vom 15.12. 1989 betrieben werden. 2 1 2 Vgl. zu ihrem Scheitern oben §1 D.III.4.c) (S.73f.). 2 1 3 Vgl. zu diesen Richtlinien zur Herstellung des Binnenmarktes und zur Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Lebensversicherung schon oben § 1 D.III.3. (S. 66ff.). 2 1 4 Im Vorschlag einer Pensionsfonds-Richtlinie sind neben Lebensversicherungsunternehmen auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kreditinstitute als Fondsverwalter vorgesehen. Vgl. Art. 3 Abs. 1 Richtlinienvorschlag. Dazu auch Kühlem, BetrAV 1993, 188. 2 1 5 In Deutschland war es bis zur VAG-Novelle 1994 ganz herrschende Auffassung, daß die Verwaltung fremder Pensionsfonds, zumindest solcher, die die Einhaltung einer Mindestsolvabilitätsspanne verlangen, als versicherungsfremdes Geschäft Lebensversicherungsunternehmen nicht erlaubt sei. Fahr, V W 1992, 1045; Kühlein, BetrAV 1993, 188. Die Gegenmeinung vertrat, gestützt auf §7 Abs. 2 S. 1 VAG, die Auffassung, die Pensionsfondsverwaltung sei deutschen Lebensversicherern erlaubt, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Lebensversicherung und Pensionsfondsverwaltung gegeben sei. So Körber, V W 1993,257f., der meint, die Probe aufs Exempel wurde wahrscheinlich nie gemacht. 2 1 6 Durch Art. 2 Abs. 2 R L 9 2 / 9 6 / E W G wurden die Worte „und im Tätigkeitsland zugelassen sind" aus Art.l Nr. 2 R L 79/267/EWG gestrichen. 217 Fahr, VersR 1992,1045; Kühlein, BetrAV 1993,186ff., 188. Nach der VAG-Novelle gehören Geschäfte der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen zu den zulässigen Tätigkeiten von Lebensversicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland (vgl. §1 Abs. 4 S. 3 und 4 VAG und Nr. 24 der Anlage A zum VAG). Damit können auch deutsche Lebensversicherer das Geschäft

216

§ 4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

Geschäfte der Verwaltung von Pensionsfonds sind nach Art. 1 Nr. 2 lit. c und d der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie 218 „Geschäfte, die für das betreffende Unternehmen in der Verwaltung der Anlagen und insbesondere der Vermögenswerte bestehen, die die Reserven der Einrichtungen darstellen, welche die Leistungen im Todesfall oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder Minderung der Erwerbstätigkeit erbringen." Der Begriff des Pensionsfonds meint demnach eine in einer bestimmten Rechtsform betriebene selbständige Einrichtung zur Altersversorgung, die von einem Trägerunternehmen rechtlich unabhängig ist, nicht etwa nur eine Ansammlung von Vermögenswerten 219 . Von den im BetrAVG genannten Versorgungsträgern kommen nur die Pensionskasse und die Unterstützungskasse als Pensionsfonds in diesem Sinne in Frage 220 . Zweifelsfrei fallen Unterstützungskassen unter diesen Begriff des Pensionsfonds 221 . Die Unterstützungskasse erbringt, wenn auch ohne Rechtsanspruch, die fraglichen Leistungen. Mit ihr wird das zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung notwendige Vermögen extern gesammelt, so daß sich die Frage nach der Anlage ihrer Vermögenswerte stellt222. Die Zuordnung von Pensionskassen dagegen ist problematischer. Gegen ihre Einbeziehung in den Begriff des Pensionsfonds i.S. der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie wurde angeführt, daß sie - in Deutschland - aufsichtsrechtlich als Lebensversicherungsunternehmen, wenn auch besonderer Art, angesehen werder Pensionsfondsverwaltung im E U - A u s l a n d betreiben. Einige Versicherer hatten schon f r ü h e r d u r c h spezialisierte Tochtergesellschaften derartige Aufgaben ü b e r n o m m e n , so Schmitz, BB 1996, 1551 Fn. 65. 218 7 9 / 2 6 7 / E W G v o m 5.3. 1979 auch Art. 1 N r . 2 lit. d. 219 I.E. ebenso Körber, V W 1993, 254ff., der aber den Wortlaut nicht f ü r aussagekräftig hält. 220 Bei einer Direktzusage des Arbeitgebers unterfällt die unternehmensinterne Finanzier u n g s f o r m über Pensionsrückstellungen schon deshalb nicht dem Begriff des Pensionsfonds, weil die Pensionsfondsverwaltung eine externe Finanzierungsform voraussetzt. Investiert der Arbeitgeber zur Finanzierung seiner Direktzusage flüssige Mittel in einen Spezialfonds u n d überträgt damit nachfolgende Investitionsentscheidungen einem Dritten, fragt er zwar die Dienstleistung „Vermögensverwaltung u n d -anlage" bei d e m Spezialfonds nach. Allerdings betreibt der Spezialfonds nicht betriebliche Altersversorgung, er wird d u r c h die Anlageentscheid u n g des Arbeitgebers nicht selbst zu einer Versorgungseinrichtung. D e r Spezialfonds ist daher kein Pensionsfonds i.S. der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie. Die Direktversicherung scheidet aus, weil hier die Vermögenswerte in ein externes Lebensversicherungsunternehmen integriert sind, das nicht n u r betriebliche Altersversorgung f ü r eine bestimmte Personengruppe betreibt, u n d separater Verwaltung daher nicht zugänglich sind. Die Ersten Lebensversicherungsrichtlinie möchte eine spezielle Geschäftstätigkeit v o n Lebensversicherungsunternehmen erfassen, nicht aber die Verwaltung von Lebensversicherungsunternehmen d u r c h Lebensversicher u n g s u n t e r n e h m e n regulieren. Vgl. hierzu Körber, V W 1993,254ff. Sog. Sterbekassen, die - ausnahmsweise - nicht n u r der Tragung der Beerdigungskosten, sondern der Versorgung der H i n terbliebenen dienen, betreiben ebenfalls betriebliche Altersversorgung, s. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 6 5 m . w . N . 221 Pechstein, BetrAV 1992, 140. 222 Körber, V W 1993,255; nach Thiel, V W 1993,238 ist die rückgedeckte U n t e r s t ü t z u n g s k a s se mit ihrem outside f u n d i n g u n d der nachgelagerten L o h n b e s t e u e r u n g die einzige Erschein u n g s f o r m eines Pensionsfonds, wie er aus anderen europäischen Ländern bekannt ist.

D. Mitbestimmung

des

Betriebsrats

217

den. Die Richtlinie wolle aber nicht das Aufsichtsrecht für der Verwaltung einer wiederum diesem Aufsichtsrecht unterliegenden Einrichtung vereinheitlichen, sondern eine besondere Geschäftstätigkeit aufsichtspflichtiger Unternehmen deregulieren 223 . Gegen dieses Argument spricht, daß es für den europäischen Gesetzgeber nur darauf ankommen kann, daß die Pensionskasse kein Lebensversicherer i.S. der Lebensversicherungsrichtlinien ist. Da die Pensionskasse vom Anwendungsbereich aller drei Lebensversicherungsrichtlinien ausgenommen wurde 2 2 4 , spricht aus der Sicht der europäischen Gesetzgeber nichts dagegen, die Verwaltung einer von der europäischen Neuordnung des Aufsichtsrechts nicht erfaßten Pensionskasse als Geschäftstätigkeit eines von dieser europäischen Neuordnung betroffenen Versicherungsunternehmens zu betrachten. Lebensversicherungsunternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten, deren Heimatrecht ihnen die Pensionsfondsverwaltung gestattet, dürfen danach die Verwaltung deutscher Unterstützungskassen und Pensionskassen in ihr Angebot aufnehmen und etwa die Verwaltung der Versorgungseinrichtung selbst 2 2 5 , die Anlage und Verwaltung ihrer Vermögenswerte auch unter Abgabe einer Zinsgarantie anbieten 2 2 6 . Eine Verengung der Pensionsfondsverwaltung auf die bloße Kapitalanlage wäre dabei wirklichkeitsfremd. Pensionsfondsverwaltung im Sinne der Richtlinie umfaßt vielmehr die gesamte Durchführung und Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung, wie sie ja auch von den Lebensversicherungsunternehmen im Wege der Direktversicherung geleistet wird 2 2 7 .

b) Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auslagerung der waltung auf Lebensversicherer im Ausland

Pensionsfondsver-

Gliedern Unterstützungskassen und Pensionskassen Funktionen der Bestandsverwaltung, der Leistungsbearbeitung, des Rechnungswesens, der Vermögensverwaltung und -anlage ganz oder teilweise auf professionelle Verwalter, z.B. Lebensversicherungsunternehmen, aus (sog. outsourcing), steht die Dienstleistungsfreiheit ausländischer Pensionsfondsverwalter in einem Spannungsverhältnis zu den Einwirkungsmöglichkeiten des Betriebsrats nach dem BetrVG. Wenn ein EU-ausländisches Lebensversicherungsunternehmen die Verwaltung einer deutschen Unterstützungskasse oder Pensionskasse übernimmt, stellt

Körber, V W 1993, 255. S.o. §lD.III.3.a)bb)(S.68f.). 225 Rößler, BetrAV 1995, 66. 226 Rößler, BetrAV 1995, 66f.; Schmitz, B B 1996, 1551. Die Neufassung des VAG hat dies für die Pensionskasse durch Streichung der Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" in §5 Abs. 3 Nr. 4 VAG a.F. nachvollzogen; zur alten Rechtslage Bering, BetrAV 1992,38; zu Beschränkungen der Vermögensverwaltung auf gebietsansässige Vermögensverwalter in anderen Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien) vgl. Zavvos, C M L R 1994, 615; Pechstein, BetrAV 1992, 140. 227 Körber, V W 1993, 254f. 223

224

218

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

sich die Frage, ob und wie die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Verwaltung dieser Sozialeinrichtungen dann noch durchgeführt werden kann. Die organschaftliche Mitbestimmung nach § 8 7 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G im Leitungsorgan der Sozialeinrichtung der Unterstützungskasse oder Pensionskasse wird ausgezehrt, wenn die einzelnen zu treffenden Entscheidungen, insbesondere Vermögensanlageentscheidungen, auf einen außenstehenden Dienstleister delegiert sind. Gleiches gilt für die Mitbestimmung des Betriebsrats über den Arbeitgeber im Wege der zweistufigen Mitbestimmung. Sinn und Zweck des outsourcing ist es ja gerade, den Arbeitgeber wie auch die Sozialeinrichtung selbst von der Pensionsfondsverwaltung zu entlasten, indem die gesamte Durchführung und Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung einem Dritten übertragen wird. Allerdings ist die Entscheidung über das outsourcing selbst nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G eine mitbestimmungspflichtige Verwaltungsmaßnahme 2 2 8 , ebenso die Entscheidung über eine Rücknahme dieser Maßnahme. Hier kann der Betriebsrat auch initiativ werden, andernfalls liefe das outsourcing auf einen endgültigen Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G hinaus. Es muß gewährleistet sein, daß die Verwaltung nicht gegen den Willen des Betriebsrats auf Dauer in die Hände Dritter gelegt wird 2 2 9 . Dies ist beim outsourcing im Verhältnis zu dem Dienstleister vertraglich abzusichern. Im Rahmen der laufenden Pensionsfondsverwaltung durch den externen Dritten während der Laufzeit des Vertrages über das outsourcing stehen dem Betriebsrat keine weiteren Mitbestimmungsmöglichkeiten zu 2 3 0 . Die vorstehenden Überlegungen gelten, gleich ob das Versicherungsunternehmen, das die Pensionsfondsverwaltung übernimmt, seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Aus der Einschaltung eines ausländischen Dienstleisters ergeben sich keine besonderen Probleme. Das outsourcing ins Ausland wird durch die Mitbestimmungsregelung nicht stärker beschränkt als die Funktionsauslagerung im Inland.

2. Mitbestimmung der gescheiterten

des Betriebsrats und outsourcing nach Pensionsfonds-Richtlinie

Auch die gescheiterte Pensionsfonds-Richtlinie hätte an dieser Rechtslage nichts geändert 231 . Pensionsfonds i.S. des Vorschlags für eine PensionsfondsRichtlinie sind aus deutscher Sicht Unterstützungs- und Pensionskassen 2 3 2 . 228 Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, § 87 Rn. 369,352, wonach die Verwaltung nicht allein dem Arbeitgeber, wohl aber einem Dritten übertragen werden darf. 2 2 9 Ein Rechtsgeschäfte mit einem Dritten, ein solches wäre die outsourcing-Vereinbarung, ist allerdings auch wirksam, wenn der Betriebsrat nicht beteiligt wurde. Fitting/Auffahrt/Kaiser/ Heither, BetrVG, §87 Rn.372. 230 Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 94 für den Fall der Übertragung einer Sozialeinrichtung auf einen Dritten. 2 3 1 A.A. Saint-Jours, Droit Social 1992, 144, wonach die geplante europäische Rechtsetzung Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats möglicherweise unzulässig einschränke. 2 3 2 S.o. §1 D.III.4.a) (S.70ff.).

E.

Zusammenfassung

219

Art. 3 des Richtlinien-Vorschlags richtet sich gegen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Vorschriften der Mitgliedstaaten, die es einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen externen Vermögensverwalter verwehren, Vermögen von Einrichtungen zur Altersversorgung zu verwalten und anzulegen 233 . Zu solchen die negative Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Vorschriften zählt die Kommission Mitbestimmungsregelungen ausdrücklich nicht. Sie stellt fest, die Pensionsfonds-Richtlinie ändere nichts an den Verfahren, nach denen die Altersversorgungseinrichtungen ihre Entscheidungen über die Vermögensanlage oder Anlageverwaltung treffen. Insbesondere änderten sie nichts am Umfang oder an der Art irgendwelcher Vereinbarungen über die Mitbestimmung der Mitgliedervertreter 234 . Der Richtlinienvorschlag berühre nicht die interne Entscheidungsfindung und insbesondere nicht Mitbestimmungsregelungen in den Einrichtungen zur Altersversorgung 2 3 5 . D e m ist zuzustimmen. Die grenzüberschreitende Pensionsfondsverwaltung kann an der mangelnden Zustimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G scheitern. Das wäre auch unter der Pensionsfonds-Richtlinie hinzunehmen gewesen.

E.

Zusammenfassung

Der sachliche Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit wird durch Begriff der Dienstleistung bestimmt. Dienstleistung im Sinne der Art.49ff. sind nach Art. 50 Abs. 1 E G alle grenzüberschreitenden Leistungen, die in der gel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über freien Warenverkehr oder über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

den EG Reden

Im Verhältnis eines externen Versorgungsträgers zum Arbeitgeber kann eine Dienstleistung vorliegen. Bei den Durchführungswegen des deutschen Rechts liegt im Verhältnis zwischen einem Versicherungsunternehmen sowie einer Pensionskasse einerseits und dem Arbeitgeber andererseits stets eine entgeltliche Dienstleistungsbeziehung vor, zwischen einer Unterstützungskasse und dem Arbeitgeber dann, wenn die Unterstützungskasse dem Arbeitgeber die Verwaltung der Zuwendungen, die Vermögensanlage, die Verwaltung des Begünstigtenstandes und die Auszahlung der Leistungen an die Betriebsrentner und Hinterbliebenen organisatorisch abnimmt und hierfür einen Aufwendungsersatzanspruch K O M (91) 301 endg. - S Y N 363, S. 10. Vgl. Mitteilung 94/C 360/08, Punkt 1.10. 2 3 5 K O M (91) 301 endg. - S Y N 363, S. 8. Das Europäische Parlament griff zwar die Frage der Mitbestimmung auf und sah in seiner Änderung Nr. 9 in einem neuen Artikel 2a eine mindestens paritätische Besetzung der Verwaltungsvorstände, Treuhandvorstände oder der für die Anlage der Vermögenswerte einer Einrichtung zur Altersversorgung Verantwortlichen durch Vertreter der Mitglieder, Begünstigten oder Einzahler vor. Vgl. hierzu auch Zavvos, B J I B F L 1993,37. Diese Änderung betraf aber Anforderungen an die Mitbestimmung in der Einrichtung zur Altersversorgung selbst, nicht die Verwirklichung der Mitbestimmung im Falle eines outsourcing nach Artikel 3 des Richtlinien-Vorschlags. 233

234

220

§4 Dienstleistungsfreiheit

und betriebliche

Altersversorgung

hat. Die Dienstleistungen zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen, Pensionskasse u n d Unterstützungskasse können auch grenzüberschreitend f ü r ausländische Arbeitgeber oder durch ausländische Versorgungsträger erbracht werden. Ist deutsches Betriebsrentenrecht anwendbar, sind im BetrAVG nicht genannte atypische Versorgungsträger durch den N u m e r u s clausus der D u r c h f ü h r u n g s w e ge von der D u r c h f ü h r u n g der Betriebsrentenzusage ausgeschlossen. Diese Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit atypischer Versorgungsträger ist im Allgemeininteresse des Schutzes der Begünstigten gerechtfertigt. Dagegen ist das produktbezogene Dienstleistungshindernis des Ausschlusses der Beitragszusage vom betriebsrentenrechtlichen Regelungsrahmen des deutschen Rechts durch kein zwingendes Allgemeininteresse zu rechtfertigen. Eine grundfreiheitskonforme Auslegung des BetrAVG ist allerdings nicht möglich. Damit ist der Gesetzgeber zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich betrieblicher Altersversorgung aufgefordert, die Beitragszusage als eine F o r m betrieblicher Altersversorgung zu regeln u n d der Leistungszusage gleichzustellen. Das deutsche betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht u n d die Dienstleistungsfreiheit stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Die Dienstleistungsfreiheit gebietet, daß die D u r c h f ü h r u n g der betrieblichen Altersversorgung über eine ausländische Sozialeinrichtung, deren Binnenrecht mit den Mitbestimmungsregelungen des BetrVG unvereinbar ist, ohne Mitbestimmung des Betriebsrats nach Nr. 8 möglich ist. Es bleibt beim gegenüber dem Arbeitgeber auszuübenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach §87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die grenzüberschreitende Mitgliedschaft in einer deutschen Einrichtung zur Altersversorgung ist grundsätzlich möglich. Arbeitnehmer, die keinem deutschen Betrieb angehören, sind allerdings von der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats nach dem BetrVG ausgeschlossen. Ein zukünftiger europäischer Pensionsfonds sollte die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen an die Mitgliedschaft in der Einrichtung zur Altersversorgung, nicht an die Betriebszugehörigkeit knüpfen, u m im Falle der grenzüberschreitenden Mitgliedschaft eine Schutzlücke zu vermeiden. Der Verwaltung von Pensionskassen u n d Unterstützungskassen durch zugelassene Verwalter in anderen Mitgliedstaaten steht die deutsche betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung nicht entgegen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird durch die grenzüberschreitende Pensionsfondsverwaltung nicht beschnitten, wenn das outsourcing als eine Verwaltungsentscheidung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG vom Betriebsrat mitgetragen wird und dieser die Möglichkeit in der H a n d behält, die Auslagerung der Verwaltung auch wieder rückgängig zu machen.

§ 5 Dienstleistungsmonopole im Bereich betrieblicher Altersversorgung Der soziale Schutz der Arbeitnehmer über eine Zusatzaltersversorgung wird in einigen Staaten Europas auch über Zwangssicherungen gewährleistet. Dort, wo eine obligatorische Alterssicherung mit der Einräumung einer Monopolstellung für den die Sicherung durchführenden Träger einhergeht, stehen der soziale Schutz der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit, aber auch der Sozialschutz und die Wettbewerbsfreiheit 1 in einem Spannungsverhältnis zueinander. Während im deutschen System der Alterssicherung eine Monopolisierung der Zusatzaltersversorgung in den Händen eines Versorgungsträgers die Ausnahme ist, ist eine solche Gestaltung in anderen Mitgliedstaaten von ungleich größerer Bedeutung 2 . Im folgenden wird zunächst die Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen unter dem EG-Vertrag im allgemeinen geklärt. Dabei ist insbesondere die EuGH-Rechtsprechung zur Zwangsmitgliedschaft in niederländischen Betriebsrentenfonds zu berücksichtigen (unten A). Anschließend wird anhand eines konkreten Beispiels aus der deutschen Zusatzalterssicherung, dem Tarifvertrag über die Altersversorgung für Redakteure an Tageszeitungen vom 27.06.1986 (TV Altersversorgung 1986)3 untersucht, ob die Monopolstellung dieses Versorgungsträgers mit dem EG-Vertrag vereinbar ist (unten B). Dem schließt sich ein kurzer Blick auf die Vereinbarkeit der obligatorischen Zusatzaltersversorgung in Frankreich mit dem EG-Wettbewerbsrecht an (unten C). Die Frage der Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag stellt sich auch für das gesetzlich begründete Monopol des PSVaG bei der Durchführung der Insolvenzsicherung von Betriebsrentenzusagen nach dem BetrAVG; ihr wird im Abschnitt D nachgegangen. 1 Kessler, in: K a u f m a n n / K e s s l e r / v o n Maydell, Arbeits- u n d Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 354ff. 2 Zu den Sozialkassensystemen in der französischen, niederländischen u n d belgischen Bauwirtschaft vgl. die Beiträge von Lyon-Caen, Zeijen u n d van Steenberge, in: Köbele/Sahl, Z u k u n f t der Sozialkassensysteme, S. 70ff, 84ff. u n d 112ff. Ahnlich große Bedeutung haben kollektivvertragliche Zusagen auch in Schweden. Die generelle Volkspension und die Sozialversicherungsrente wird bei den Angestellten d u r c h eine tarifvertragliche betriebliche Altersversorgung ergänzt, w ä h r e n d bei den gewerblichen A r b e i t n e h m e r n die Vollversorgung schon o h n e zusätzliche Versorgungsleistungen erreicht wird. Schneider, in: Hughes/Stewart, Pensions in the E u r o p e a n U n i o n , S. 173 f. 3 D e r Tarifvertrag über die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes ist zwar von ungleich größerer praktischer Bedeutung. Das Beispiel des T V Altersversorgung 1986 wird jedoch gewählt, weil es eine direkte Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des B A G zur Dienstleistungsfreiheit erlaubt.

222

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

A. Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen dem EG-Vertrag

unter

Es ist unter dem EG-Vertrag nicht schlechthin unzulässig, daß der Staat einem Dienstleistungsunternehmen eine Monopolstellung bei der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung einräumt. Der EG-Vertrag selbst enthält zwar, anders als zu staatlichen Handelsmonopolen (Art. 31 E G , früher Art. 37 E G V ) , keine Vorschrift mit Verhaltensanforderungen für Dienstleistungsmonopole. Der E u G H hat die grundsätzliche Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen nach dem EG-Vertrag auch nicht aus einer Analogie zu Art. 37 E G V (nach Änderung jetzt Art. 31 E G ) hergeleitet 4 . Art. 90 Abs. 1 und 2 5 E G V (jetzt Art. 86 Abs. 1 und 2 E G ) und Art. 222 E G V 6 (jetzt Art. 295 E G ) ist jedoch zu entnehmen, daß alte und neue Dienstleistungsmonopole nicht grundsätzlich unzulässig sind. Ihre Zulässigkeit steht allerdings unter dem Vorbehalt einer uneingeschränkten Bindung an den Vertrag 7 . Ein Dienstleistungsmonopol muß daher zum einen mit den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit, zum anderen mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages vereinbar sein. Während der E u G H die Zulässigkeit nationaler staatlicher Dienstleistungsmonopole in erster Linie an den Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages und erst in jüngerer Zeit auch an den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit gemessen hat 8 , wird im folgenden gemäß der Themenstellung dieser Arbeit die Dienstleistungsfreiheit im Mittelpunkt der Betrachtung stehen und eine kurze Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrecht hinzugefügt (unten B.II, und C.II.).

I. Dienstleistungsfreiheit Die durch den Staat eingeräumte Monopolstellung eines Dienstleistungsunternehmens wirkt nicht diskriminierend, da sie für in- wie ausländische Anbieter der betreffenden Dienstleistung gleichermaßen ein Marktzugangshindernis darstellt. Sie berührt auch nicht das relative Beschränkungsverbot, weil grenzüberschrei4 Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 78 ff., 82; Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn.131. 5 Dazu Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 24ff., 87ff. 6 Zur eingeschränkten Bedeutung von Art. 222 E G V (jetzt Art. 295 E G ) als Ausnahmenorm für Dienstleistungsmonopole Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S.82ff. 7 Emmerich, FS Keller, 687, 691, 697; Basedow, EuZW 1994, 359ff. 8 Die Frage nach der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit wurde erst sei Ende 1989 gestellt, vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S.24f. mit umfassenden Nachweisen. E u G H 18.06.1991, Rs. C-260/89, Elliniki Radiofonia, Slg. 1-2925 Rn.20. In E u G H 25.07. 1991, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1-4072 hat der E u G H das Monopol eines niederländischen Unternehmens für die Herstellung von Rundfunksendungen an der Dienstleistungsfreiheit gemessen (Rn. 11 ff.) und in bezug auf Art. 90 E W G V (jetzt Art. 86 E G ) erklärt, daß dieser das Vorhandensein von Unternehmen voraussetze, die über bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte verfügten, daß daraus jedoch nicht folge, daß alle besonderen oder ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EWG-Vertrag vereinbar seien (Rn.33ff.). Vgl. auch Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 131.

A. Zulässigkeit

von Dienstleistungsmonopolen

unter dem EG-Vertrag

223

tende Dienstleistungen in gleicher Weise wie innerstaatliche Dienstleistungen beschränkt werden. Die staatlich garantierte Monopolstellung eines Dienstleistungsanbieters wirkt jedoch als absolute Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Hierzu ein Beispiel: Werden Dienstleistungsanbieter, etwa in einem Mitgliedstaat niedergelassene Sendeanstalten, verpflichtet, ihre Produkte, im konkreten Fall Hörfunksendungen, ganz oder zum Teil mit Hilfe einer Einrichtung in diesem betreffenden Mitgliedstaat herzustellen, hat dies negative Auswirkungen auf die Angebotsmöglichkeiten anderer Anbieter dieser Herstellungskapazitäten. Die Regelung wirkt unterschiedlos und betrifft innerstaatlich wie grenzüberschreitende Dienstleistungen in gleichem Maße 9 . Als absolute Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muß die staatliche Regelung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden können, um mit Art. 49 EG vereinbar zu sein 10 . Als ein solches Allgemeininteresse hat der EuGH etwa die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit anerkannt 11 .

II.

Wettbewerbsrecht

Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines staatlichen Dienstleistungsmonopols hat zu unterscheiden zwischen dem Verhalten des Unternehmens mit Monopolstellung und dem Verhalten des Staates.

1.

Unternehmen

Weder Art. 81 noch Art. 82 EG geben Antwort auf die Zulässigkeit des gesetzlichen Dienstleistungsmonopols an sich. Sie betreffen das konkrete Verhalten eines Unternehmens i.S. der Art. 81 ff. EG 12 im Wettbewerb. Lassen nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann, sind die Art. 81, 82 EG anwendbar. Sie sind unanwendbar, wenn dem Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird oder diese einen rechtlichen Rahmen bilden, der selbst jede Möglichkeit für ein wettbewerbswidriges Verhalten des Unternehmens ausschließt 13 . 9 E u G H 25.07. 1991, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1-4069, R n . 2 4 f . Die R e gelung w a r im konkreten Fall unzulässig. 10 Giesen, Sozialversicherungsmonopol u n d EG-Vertrag, S.40ff., 94; Roth, in: Dauses, H d b . EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 131 ff. Hiermit w i r d de facto die Regelung des Art. 31 EG in Art. 49 EG hineingelesen. 11 E u G H 28.04. 1998, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1-1931, R n . 4 1 zur Dienstleistungsfreiheit; E u G H 28.04. 1998, Rs. C-120/95, Decker, Slg. 1-1831, R n . 3 9 zur Warenverkehrsfreiheit. 12 Groeben/Schröter, EU-/EG-Vertrag, Art. 85 R n . 4 0 . 13 Vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 62ff. m . w . N . und zuletzt E u G H 11.11. 1997, Rs. C-359/95 P und C-379/95 P, L a d b r o k e Racing, Slg. 1-6265 R n . 3 3 f .

224

Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

2. Staat Art. 86 Abs. 1 E G geht von der Existenz besonderer oder ausschließlicher Rechte von Unternehmen aus 14 . Art. 86 Abs. 1 E G verbietet es jedoch den Mitgliedstaaten, in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, den Art. 81 bis 89 E G widersprechende Maßnahmen zu treffen 15 . Räumt der Staat einem Unternehmen eine Monopolstellung ein, kann darin in zweierlei Hinsicht eine Wettbewerbsverletzung durch den Staat zu sehen sein.

a) Akzessorischer Wettbewerbsverstoß Abs. 1 i. V.m. Art. 81, 82 EG

des Staates nach Art. 86

Der Staat kann zum einen durch die konkrete Ausgestaltung des Monopols mittelbar Wettbewerbsverstöße des Monopolunternehmens nach Art. 81, 82 E G veranlassen, indem etwa besondere Gefahren eines wettbewerbswidrigen Verhaltens des privilegierten Unternehmens begründet werden. In einer Veranlassung oder Erleichterung wettbewerbswidrigen Verhaltens des Unternehmens liegt ein mittelbarer und akzessorischer Wettbewerbsverstoß des Staates nach Art. 86 Abs. 1 i.V.m. Art. 81, 82 E G 1 6 . Art. 86 Abs. 1 E G eröffnet insoweit die Anwendung des Art. 82 E G auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten selbst 17 . Bleibt dagegen dem Unternehmen aufgrund zwingender staatlicher Rechtsvorschriften keinerlei unternehmerischer Handlungsspielraum, scheidet eine Anwendung der Art. 81, 82 E G auf das Unternehmen und folglich auch eine akzessorischer Wettbewerbsverstoß des Staates aus 18 . Allerdings hat der E u G H in der Entscheidung zum Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 1 E G V (jetzt Art. 86 Abs. 1 E G ) für den Fall angenommen, daß der Staat eine Lage schafft, in der das Unternehmen zwangsläufig gegen Art. 86 E G V (jetzt Art. 82 E G ) verstoßen muß. Ein konkreter Mißbrauch der Bundesanstalt wurde aber nicht geprüft 19 . Richtigerweise handelt es sich hier um einen Fall der folgenden zweiten Fallgruppe 20 . Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 Rn.29. Emmerich, FS Keller, S. 687, 691, 697; Basedow, EuZW 1994, 359f. Zum Begriff der besonderen oder ausschließlichen Rechte Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 Rn.24f. 16 Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 62ff., 67ff., 75f. 17 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, E G - W b R , Art. 86 Rn.10. Das B A G 28.03. 1990, 4 AZR 536/89, AP Nr. 25 zu 5 T V G sieht dagegen Art. 90 E W G V (jetzt Art. 86 E G ) durch die staatliche Allgemeinverbindlicherklärung als nicht tangiert an. 18 Ständige Rechtsprechung des E u G H . Vgl. zuletzt E u G H 11.11. 1997, Rs. C-359/95 P und C-379/95 P, Ladbroke Racing, Slg. 1-6265; Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 63. 19 E u G H 23.04. 1991, Rs. C-41/90, Höfner, Slg. 1-1979 = N J W 1991,2891. Auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, E G - W b R , Art. 86 Rn. 10 nennt die beiden Fälle, daß der Staat einem Unternehmen entweder freie Hand zur mißbräuchlichen Ausnutzung seiner Stellung gebe oder ein Unternehmen in eine Lage bringe, zwangsläufig gegen Art. 86 E G V (jetzt Art. 82 E G ) zu verstoßen. Dazu Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 68. 20 Die Entscheidung muß, um mit der Rechtsprechung im übrigen in Übereinstimmung ge14 15

A. Zulässigkeit

von Dienstleistungsmonopolen

b) Wettbewerbsverstoß

unter dem EG-Vertrag

225

des Staates selbst nach Art. 86 Abs. 1 EG

Der Staat kann zum anderen durch die Schaffung oder Ausdehnung des M o n o pols selbst und unmittelbar den „effet utile" der Wettbewerbsvorschriften verletzen und damit gegen Art. 86 Abs. 1 E G verstoßen 2 1 . Das ist etwa der Fall, wenn die Beschränkung des Wettbewerbs durch die Verleihung ausschließlicher Rechte nicht durch ein besonderes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist 22 . Ebenso liegt es, wenn das nationale Recht das Monopolunternehmen zu einem Verhalten zwingt, das, wenn die Art. 81, 82 E G auf sein Verhalten anwendbar wären, als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzustufen wäre 2 3 , oder dem Unternehmen eine Aufgabe ausschließlich überträgt, die es tatsächlich nicht erfüllen kann 2 4 . Die eng auszulegende 25 Legalausnahme des Art. 86 Abs. 2 E G läßt Abweichungen vom EG-Vertrag, insbesondere seiner Wettbewerbsvorschriften, nur zu, soweit andernfalls die Erfüllung der einem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe i.S. dieser Bestimmung nachweislich verhindert würde 2 6 . Die Wettbewerbsregeln dürfen nur insoweit beiseite geschoben werden, als ihre Anwendung die Erfüllung der dem Monopolunternehmen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert, nicht etwa nur erschwert. Soweit der Staat selbst durch die Übertragung und Ausgestaltung der Aufgabe gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, kommt trotz des Wortlauts der Vorschrift unter der genannten Voraussetzung auch ihm die Rechtfertigungsmöglichkeit über Art. 86 Abs. 2 E G zu 2 7 . Die Annahme liegt nahe, daß weder die Prüfung, ob die Verleihung ausschließlicher Rechte an ein Unternehmen im Rahmen des Art. 86 Abs. 1 E G durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, noch die Prüfung nach Art. 86 Abs. 2 E G , ob Wettbewerbsbeschränkungen und sonstige Verstöße gegen den EG-Vertrag ausnahmsweise durch die Erfüllung einer besonderen Aufgabe i.S. dieser Vorschrift gerechtfertigt sind, zu einem anderen Ergebnis führen kann als die Überprüfung der Rechtfertigung der Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit anbracht werden zu können, so gelesen werden, daß der Staat gegen A r t . 9 0 Abs. 1 E G V (jetzt Art. 86 E G ) verstößt, wenn er eine Lage schafft, in der das Unternehmen sich zwangsläufig in einer Weise verhalten muß, mit der es, wäre Art. 86 E G V (jetzt Art. 82 E G ) auf sein Verhalten anwendbar, gegen diesen Tatbestand verstieße. Vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 76. Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 R n . 4 6 . 2 3 E u G H 1 1 . 1 2 . 1 9 9 7 , Rs. C - 5 5 / 9 6 , J o b Centre coop. arl, Slg. 1-7119. Im Ergebnis ebenso Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 68. 2 4 So im Fall der B A für die Vermittlung von Führungskräften, E u G H 23.04. 1991, Rs. C - 4 1 / 90, Höfner, Slg. 1-1979; E u G H 1 1 . 1 2 . 1 9 9 7 , Rs. C - 5 5 / 9 6 , J o b Centre coop.arl, Slg. 1-7119 Rn. 38. 25 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 R n . 3 2 ; Bleckmann, Europarecht, R n . 1 9 8 3 . 26 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 R n . 5 1 f f . 27 Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 88ff. Zum Begriff der „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse" i.S. des A r t . 9 0 Abs.2 E G V (jetzt A r t . 8 6 Abs.2 E G ) vgl. auch Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, 9 6 / C 281/03, ABl. Nr. C 281/3 vom 26.09. 1996. 21

22

226

§ } Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

h a n d des z w i n g e n d e n A l l g e m e i n i n t e r e s s e s . I m f o l g e n d e n ist z u z e i g e n , d a ß die W e r t u n g e n des W e t t b e w e r b s r e c h t s u n d d e r G r u n d f r e i h e i t d e r D i e n s t l e i s t u n g s f r e i h e i t i m w e s e n t l i c h e n p a r a l l e l l a u f e n 2 8 . E i n z w i n g e n d e s A l l g e m e i n i n t e r e s s e an der E i n r ä u m u n g

eines D i e n s t l e i s t u n g s m o n o p o l s ,

das die p o s i t i v e

stungsfreiheit ausländischer Anbieter zulässigerweise beschränkt,

Dienstleirechtfertigt

a u c h die h i e r m i t e i n h e r g e h e n d e W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g .

3. Rechtsprechung des EuGH zur Zwangsmitgliedschaft dischen Betriebsrentenfonds In

den

Niederlanden

prägen

für

obligatorisch

erklärte

in

niederlän-

tarifvertragliche

V e r s o r g u n g s s y s t e m e die z w e i t e S ä u l e d e r A l t e r s v e r s o r g u n g 2 9 . D i e n i e d e r l ä n dische A l t e r s v e r s o r g u n g 3 0 b e r u h t wie auch die deutsche auf e i n e m D r e i - S ä u len-System.

Neben

der gesetzlichen

Altersrentenversicherung

n u r e i n e g e s e t z l i c h e G r u n d s i c h e r u n g v o r s i e h t , die s i c h an d e m Nettomindestlohn

(AOW),

die

gesetzlichen

orientiert31, sind ergänzende Alterssicherungen

üblich32.

D i e M e h r z a h l der A r b e i t n e h m e r erhält eine zusätzliche Altersversorgung auf kollektivvertraglicher Grundlage. In den meisten der tarifvertraglich errichteten branchenweiten

Pensionsfonds-Systeme

ist die M i t g l i e d s c h a f t a l l e r

Be-

schäftigten eines Sektors verpflichtend, auch w e n n der A r b e i t g e b e r nicht der tarifschließenden Arbeitgebervereinigung

angehört33. D i e Leitung der

Pen-

2 8 So schon Emmerich, BB 1989, Beilage 3, S. 15; ders., FS Keller, S. 697f.; Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 93. 2 9 Zu den Sozialkassensystemen in der französischen, niederländischen und belgischen Bauwirtschaft vgl. die Beiträge von Lyon-Caen, Zeijen und van Steenberge, in: Köbele/Sahl, Zukunft der Sozialkassensysteme, S. 70ff., 84ff. und 112ff. Ahnlich große Bedeutung haben kollektivvertragliche Zusagen auch in Schweden. Die generelle Volkspension und die Sozialversicherungsrente wird bei den Angestellten durch eine tarifvertragliche betriebliche Altersversorgung ergänzt, während bei den gewerblichen Arbeitnehmern die Vollversorgung schon ohne zusätzliche Versorgungsleistungen erreicht wird. Schneider, in: Hughes/Stewart, Pensions in the European Union, S. 173f.; Overbye, in: Hughes/Stewart, Pensions in the European Union, S. 179ff. zu Dänemark, Norwegen und Schweden. 3 0 Die Zwangsmitgliedschaft in dem berufsständischen Pensionsfonds der Physiotherapeuten war Gegenstand der verb. Rechtssachen van Schijndel und van Veen, E u G H 14.12. 1995, Rs. C 430/93 und C-431/93, Slg. 4705. Allerdings sagt die Entscheidung des E u G H inhaltlich nichts zur Vereinbarkeit dieser Zwangsmitgliedschaft in einem berufsständischen Pensionsfonds mit Europarecht, sondern beschränkt sich auf prozessuale Fragen zur Berücksichtigung von Gemeinschaftsrecht vor nationalen Gerichten, wenn sich die Prozeßpartei, die ein Interesse an seiner Anwendung hat, nicht auf das Gemeinschaftsrecht beruft. 31 Birk, ZfA 1988, 125; Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg., S.36f. 32 Snijders, BetrAV 1992, 42; Bumcich, BetrAV 1993, 73. 33 Gesetz über die Pflichtmitgliedschaft in einer Branchenrentenkasse vom 17.03. 1949, nach Terwey, Handelsblatt 11.05.1998, S. 10 sind zwei Drittel der überbetrieblichen Systeme für obligatorisch erklärt; vgl. auch Mitteilung der Kommission SEK (91) 1332 endg., S. 36f.; nach Bunicich, BetrAV 1993, 73 gibt es 67 branchenbezogene Pensionsfonds; Birk, ZfA 1988, 125; Steinmeyer, EuZW 1991, 46. Niederländische tarifvertragliche Zusatzaltersversorgungssysteme waren schon wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des E u G H , allerdings unter dem Gesichtspunkt des Art. 119 E G V (jetzt Art. 141 EG). E u G H 28.09.1994, Rs. C-28/93, van den Ak-

A. Zulässigkeit von Dienstleistungsmonopolen

unter dem EG-Vertrag

2.17

sionsfonds erfolgt paritätisch durch Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter 3 4 . Mit einer Entscheidung zur Vereinbarkeit des niederländischen Systems einer zusätzlichen Pflichtaltersversorgung auf kollektivvertraglicher Grundlage mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft (Rechtssache Brentjens) hatte der E u G H erstmals Gelegenheit, die Wettbewerbsregeln auf ein obligatorisches Betriebsrentensystem anzuwenden 3 5 . Der E u G H stellt zunächst fest, daß der mit der Verwaltung des Zusatzrentensystems betraute Betriebsrentenfonds ein U n ternehmen i.S. der Art. 85ff. E G V (jetzt Art. 81 ff. E G ) sei 36 . Daß der niederländische Fonds keinen Gewinnerzielungszweck verfolge und nach dem Grundsatz der Solidarität arbeite, nehme ihm nicht die Eigenschaft eines Unternehmens i.S. der Wettbewerbsregeln des Vertrages. Für die Unternehmenseigenschaft eines Betriebsrentenfonds spreche, wenn er die H ö h e der Beiträge und Leistungen selbst bestimmen könne, nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeite und Freistellungsmöglichkeiten vorsehe 3 7 . In der Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen Poucet und Pistre 3 8 hatte der E u G H demgegenüber argumentiert, Sozialversicherungsträger seien keine Unternehmen i.S. der Art. 85, 86 E G V (jetzt Art. 81, 82 E G ) , da sie eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter aufgrund des Grundsatzes der nationalen Solidarität erfüllten 39 . Andererseits hatte der E u G H die Unternehmenseigenschaft des Sozialversicherungsträgers Bundesanstalt für Arbeit 4 0 , der staatlichen italienischen Arbeitsvermittlungsstelle 41 und einer durch Gesetz geschaffenen französischen Einrichtung zur Verwaltung eines ergänzenden freiwilligen Rentenversicherungssystems 4 2 bejaht. ker, Slg. 1-4527; E u G H 2 8 . 0 9 . 1 9 9 4 , Rs. C - 5 7 / 9 3 , Vroege, Slg. 1-4541; E u G H 2 8 . 0 9 . 1 9 9 4 , Rs. C 128/93,. Fisscher, Slg. 1-4583 zu einem konzernweiten Betriebsrentensystem. 34 Terwey, Handelsblatt, 11.05. 1998, S. 10; Birk, ZfA 1988, 126. 3 5 E u G H 21.09. 1999, verb. Rs. C - 1 1 5 / 9 7 bis C - 1 1 7 / 9 7 , Brentjens, A P Nr.2 zu Art.85 E G Vertrag = N Z A 2000, 201. In einem früheren Verfahren, das die Zwangsmitgliedschaft in dem kollektivvertraglich errichteten berufsständischen Pensionsfonds der Physiotherapeuten zum Gegenstand hatte, kam es aus prozessualen Gründen in der Sache zu keiner Entscheidung über die Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft mit E G - R e c h t . Die Kommission hatte sich für die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, der Höge Raad der Niederlande für ihre Nichtanwendung auf der Grundlage der Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen Poucet und Pistre ( E u G H 17.02. 1993, verb. Rs. C - 1 5 9 / 9 1 und C - 1 6 0 / 9 1 , Slg. 1-637) ausgesprochen. S. E u G H 14.12. 1995, verb. Rs. C - 4 3 0 / 9 3 und C - 4 3 1 / 9 3 , van Schijndel und Van Veen, Slg. 4705. Vgl. hierzu auch Kessler, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 360f. 3 6 E u G H 21.09. 1999, a.a.O., Rn. 71-87. 3 7 E u G H 21.09. 1999, a.a.O. Rn. 81 ff. 3 8 E u G H 17.02. 1993, verb. Rs. C - 1 5 9 / 9 1 und C - 1 6 0 / 9 1 , Poucet und Pistre, Slg. 1-637. 3 9 Zur Frage, ob Leistungen der Ersten Säule der Altersversorgung als Dienstleistungen i.S. des Vertrages an Art. 59 E G V (jetzt Art. 49 E G ) gemessen werden können, verneinend Hailbronner/ Nachbaur, E u Z W 1992,108f.; bejahend Isensee, V S S R 1996,173ff., 184; Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 128ff.; Roth, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.I Rn. 132. 4 0 E u G H 23.04. 1991, Rs. C - 4 1 / 9 0 , Höfner, Slg. 1-1979. 4 1 E u G H 11.12. 1997, Rs. C - 5 5 / 9 6 , J o b Centre coop a r l , Slg. 1-7119, R n . 2 0 f f . 4 2 E u G H 1 6 . 1 1 . 1 9 9 5 , Rs. C - 2 4 4 / 9 4 Fédération française des sociétés d'assurance, Slg. 1995,14013.

228

Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

Ungeachtet der Tatsache, daß der EuGH im konkreten Fall die Unternehmenseigenschaft des niederländischen Betriebsrentenfonds bejaht, verlagert er doch wie in der Entscheidung Poucet und Pistre 43 auch mit den Kriterien der Entscheidung Brentjens systemwidrig die Frage der Rechtfertigung eines Monopols in den Begriff des Unternehmens i.S. der Wettbewerbsvorschriften 44 . Ein einengendes Verständnis des Begriffs Unternehmen kann die wettbewerbsrechtliche Uberprüfung eines Monopols versperren, statt seine Zulässigkeit von einer gelungenen Rechtfertigung unter sachlichen Gesichtspunkten abhängig zu machen. Nachdem der EuGH die Unternehmenseigenschaft des niederländischen Betriebsrentenfonds in der Rechtssache Brentjens bejaht hat, nimmt er im folgenden die tarifvertragliche Entscheidung für ein Zusatzrentensystem und den Antrag der Sozialpartner, die Mitgliedschaft in dem tarifvertraglich errichteten Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, vom Anwendungsbereich des Art. 85 A b s . l EGV (jetzt Art. 81 A b s . l EG) aus 45 . Das Unternehmen Betriebsrentenfonds ist somit Unternehmen i.S. der Wettbewerbsregeln, die rechtliche Grundlage für eine Zwangsmitgliedschaft in diesem den Wettbewerbsregeln aber entzogen. Der EuGH stützt dies im wesentlichen damit, daß mit Tarifverträgen zwangsläufig gewisse wettbewerbsbeschränkende Wirkungen verbunden seien und die Erreichung der mit Tarifverträgen angestrebten sozialpolitischen Ziele, die in den Vorschriften des EG-Vertrages über die Sozialpolitik Anerkennung gefunden hätten, ernsthaft gefährdet wäre, wenn die Sozialpartner an Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG) gebunden wären. Mit Blick auf die Entscheidung des Staates stellt der EuGH fest, Art. 3 lit. g, 5 und 85 EGV (jetzt nach Änderung Art. 3 Abs. 1 lit. g, 10, 81 EG) stünden der Entscheidung des Staates, auf Antrag der Tarifvertragsparteien die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds verbindlich vorzuschreiben, nicht entgegen 46 . Da schon der Tarifvertrag selbst nicht unter Art. 85 EGV (jetzt Art. 81 EG) falle, könne der Staat die getroffene Vereinbarung für Personen, die nicht durch sie gebunden sind, verbindlich vorschreiben. Dafür spreche auch Art. 4 Abs. 2 des Abkommens über die Sozialpolitik (jetzt Art. 139 Abs. 2 EG). In der Kernfrage, ob der Staat durch die Schaffung oder Ausdehnung eines Monopols selbst und unmittelbar den „effet utile" der Wettbewerbsvorschriften verletzt und damit gegen Art. 86 Abs. 1 EG verstößt, ist der EuGH der Ansicht, daß die Art. 86 und 90 EGV (jetzt Art. 82 und 86 EG) es dem Staat nicht verwehren, eiE u G H 17.02. 1993, verb. Rs. C-159/91 und C-160/91, Pucet und Pistre, Slg. 1-637. Auf der gleichen Linie liegt die Entscheidung E u G H 2 6 . 0 3 . 1 9 9 6 , Rs. C-238/94, Garcia, Slg. 1-1673, in der der E u G H in Rn. 12 die N i c h t a n w e n d b a r k e i t der Dritten Schadensversicherungsrichtlinie 92/49/EG auf französische Sozialversicherungsträger begründet. Wie oben Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 119ff., 126f.; a.A. Fuchs, ZIAS 1 9 9 6 , 3 4 5 , 3 5 1 , der die Entscheidung des E u G H z u m deutschen Arbeitvermittlungsmonopol der B A darauf zurückführt, daß hinsichtlich der Tätigkeit zur Arbeitsvermittlung der B A es an den Elementen der Solidarität und des nationalen Ausgleichs fehle und sie daher insoweit als Wirtschaftsunternehmen und nicht als Sozialversicherungsträger tätig werde. 45 E u G H 21.09. 1999, a.a.O., Rn. 4 5 - 6 2 . 46 E u G H 21.09. 1999, a.a.O., Rn. 63-70. 43 44

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

229

nem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems in einem bestimmten Wirtschaftszweig einzuräumen 4 7 . Diese M o n o p o l stellung des Betriebsrentenfonds sei nach Art. 90 Abs. 2 E G V (jetzt Art. 86 Abs. 2 E G ) als Maßnahme zur Erfüllung einer im allgemeinen Interesse liegenden besonderen sozialen Aufgabe erforderlich.

B. Dienstleistungsmonopol Gemeinsamer Einrichtungen auf der Grundlage allgemeinverbindlicher Altersversorgungstarifverträge I. Dienstleistungsfreiheit 1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager Tarifvertragliche Altersversorgungszusagen gibt es in Deutschland in B r a n chen mit hoher Arbeitskräftefluktuation und unterbrochenen Beschäftigungszeiten wie insbesondere in verschiedenen Sparten des Baugewerbes 4 8 , aber auch im Zeitungsgewerbe 4 9 und in anderen Industriezweigen 5 0 . Zu ihrer Durchführung schaffen die Tarifvertragsparteien oft Gemeinsame Einrichtungen, die sie paritätisch tragen. D i e Gemeinsame Einrichtung muß nicht - wie eine Sozialeinrichtung i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 8 B e t r V G 5 1 - über eigenes Vermögen und eine eigene Organisation verfügen, sondern kann bloße Verrechnungsstelle sein. Eine G e meinsame Einrichtung kann allerdings auch als Pensionskasse 5 2 oder Unterstützungskasse 5 3 errichtet werden. Regelmäßig wird ein Versorgungstarifvertrag, der eine Gemeinsame Einrichtung schafft, für allgemeinverbindlich erklärt 5 4 . Mit der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 T V G wird der Tarifvertrag auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt. E r erhält die Wirkung eines einfachen, in der Regel einseitig zwingenden Gesetzes 5 5 . EuGH 21.09. 1999, a.a.O., Rn. 88-123. Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe (TVA) vom 28.12.1979 in der Fassung vom 19.12.1983 und 26.09.1984. §2 Abs. 1 TVA schreibt eine Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes in der Rechtsform eines W a G als Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien fest. 4 9 Tarifvertrag über die Altersversorgung für Redakteure an Tageszeitungen vom 27.06.1986. 50 Vgl. H-BetrAV / Griebeling, Ordnr. 30 Rn. 144 (Presse, Bäcker- und Lackierergewerbe). 51 Vgl. zu allem Löwisch./Rieble, T V G , §4 Rn. lOOff. 52 Aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge errichtete Pensionskassen, die Gemeinsame Einrichtungen i.S. von §4 Abs. 2 TVG sind und eine gleichsam staatliche Zwangsmitgliedschaft vorsehen, sind von der Deregulierung der Lebensversicherung ausgenommen (§156a Abs. 4 VAG), vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1099. Mitglieder sind die Tarifvertragsparteien selbst. Die Arbeitnehmer sind nur die versicherten Personen. Die Arbeitgeber sind die Beitragszahler. H-BetrAW/Dresp, Ordnr. 50 Rn.289. 53 Vgl. die Versorgungskasse der deutschen Presse, eine Unterstützungskasse, die die Altersversorgung über das Versorgungswerk der Presse GmbH nach §§ 15 ff. des Tarifvertrages über die Altersversorgung für Redakteure an Tageszeitungen vom 27.06. 1986 ergänzt. 47

48

54 55

Löwisch/Rieble, Löwisch/Rieble,

TVG, § 5 Rn. 9ff.

T V G , §5 Rn. 14; MünchArbR/fii'rvfe, §20 Rn. 17.

230

§5 Dienstleistungsmonopole

a) Allgemeinverbindlicherklärung

im Bereich

betrieblicher

der Tarifnorm als

Altersversorgung

Rechtsetzungsakt

Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages über eine betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer einer bestimmten Branche ist im Hinblick auf die positive Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter betrieblicher Altersversorgung problematisch. Sie schreibt die Altersversorgung über eine Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien für eine Branche verbindlich vor und erschwert es damit Anbietern betrieblicher Altersversorgung aus dem Inund Ausland - in der Praxis Versicherungsunternehmen - , ihre Versorgungsmodelle im Inland zu verkaufen. In dieser Monopolisierung der Zusatzaltersversorgung für eine bestimmte Branche bei der Gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien liegt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Zusatzversorgungsmodellen 56 . Die europarechtliche Problematik Gemeinsamer Einrichtungen auf der Grundlage allgemeinverbindlicher Tarifverträge läßt sich beispielhaft anhand des Tarifvertrages über die Altersversorgung für Redakteure an Tageszeitungen vom 27.06. 1986 (TV Altersversorgung 1986) erörtern. Dieser Tarifvertrag sieht eine Pflichtversicherung der bei einem Tageszeitungsverlag beschäftigten Redakteure über das Versorgungswerk der Presse GmbH bei deren Vertragsgesellschaften vor. Das BAG sah in seiner Entscheidung zu diesem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag die Dienstleistungsfreiheit als gar nicht berührt an 57 . Für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge seien kein staatliches Recht, sondern von den Tarifvertragsparteien gesetzte Normen, deren Geltungsbereich durch die Allgemeinverbindlicherklärung nur auf von dem Tarifvertrag mangels Tarifbindung nicht erfaßte Personen ausgedehnt werde 58 . Sie enthielten damit keine im Rahmen der Art. 59ff. EWGV (jetzt Art. 49ff. EG) relevanten „Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates". Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und läßt sich mit der Rechtsprechung des EuGH, dem die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zukommt, nicht in Einklang bringen. Zum einen können nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Walrave 59 auch nichtstaatliche Tarifnormen in die Dienstleistungsfreiheit eingreifen 60 . Darauf, daß die Allgemeinverbindlicherklärung die Tarifnorm selbst nicht 56 Insoweit ein Tarifvertrag zwischen einem deutschen Arbeitgeber und einer deutschen Gewerkschaft auch im Ausland tätige Arbeitnehmer erfaßt, ist über deren Arbeitsort das Merkmal der Grenzüberschreitung erfüllt (dazu oben §4 B.I.2.c) (S. 180ff.) und es ist daher auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anderer inländischer Anbieter zu bejahen. 57 BAG 28.03. 1990, 4 AZR 536/89, AP Nr. 25 zu 5 TVG am Ende. 58 Hierzu kritische Wolf, in seiner Anm. SAE 1991, 181, der zu Recht darauf hinweist, daß zwar nicht der Tarifvertrag selbst, wohl aber die Allgemeinverbindlicherklärung ein staatlicher Rechtsetzungsakt ist. 59 EuGH 12.12. 1974, Rs. 36/74, Walrave, Slg. 1405. Siehe schon oben §2 D.II.2.a) (S. 104f.). 60 Auch Kollektivregelungen der Tarifvertragspartner sind an die Vorgaben der Art. 39,49 EG und Art. 141 EG gebunden. Vgl. EuGH 15.12.1994, Rs. C-399/92,409/92,425/92,34/93,50/93, 78/93, Helmig u.a., Slg. 1-5727. Jarass, FS Everling, S.594 und oben §2 D.II.2. (S. 104ff.). Ohne Allgemeinverbindlicherklärung bleibt es allerdings bei einer Bindung tarifgebundener Arbeitge-

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

231

zu staatlichem Recht macht, kommt es für die Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit daher nicht an. Die hier interessierende Monopolstellung der Gemeinsamen Einrichtung „Versorgungswerk der Presse", die die Redakteure zwar nicht selbst versichert, über die allein aber die Direktversicherung i.S. des §1 Abs. 2 BetrAVG bei den drei von der Gemeinsamen Einrichtung eingeschalteten Lebensversicherungsunternehmen stattfindet 61 , ergibt sich allerdings erst aus der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages 62 . Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist gemäß der Rechtsprechung des BVerfG im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 G G findet 63 . Sie ist ein staatlicher H o heitsakt, mit dem der Staat von einer subsidiären Regelungszuständigkeit Gebrauch macht 64 . Wie bei jeglicher Form der Rechtsetzung und bei allen tatsächlichen Maßnahmen hat der Staat auch bei dem staatlichen Hoheitsakt Allgemeinverbindlicherklärung die Dienstleistungsfreiheit zu beachten. Mißt man die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages an den Art. 49ff. E G , kommen dabei notwendigerweise die Tarifnormen, auf die sich die Allgemeinverbindlicherklärung bezieht, mit auf den Prüfstand.

b) Beschränkende

Wirkung

Das B A G führt aus, der Tarifvertrag Altersversorgung verbiete oder erschwere es weder inländischen noch ausländischen Versicherungsunternehmen, ihre Dienstleistungen zu erbringen. Ein Recht auf Annahme angebotener Dienstleistungen gewährten die Art.59ff. E W G V (jetzt Art.49ff. E G ) nicht 65 . Auch diese Erwägung des B A G zur Vereinbarkeit des T V Altersversorgung 1986, mit der es ber. Deren negative Dienstleistungsfreiheit kann durch den Tarifvertrag nicht beschränkt sein, da sie traifvertraglich einen Versorgungsträger gewählt haben. Auch ausländische Anbieter sind nicht beschränkt, da ihnen der Markt der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber bleibt. So auch schon Wolf, SAE 1991, 188. 61 Das Versorgungswerk der Presse G m b H hat Verträge mit drei deutschen Lebensversicherungsunternehmen geschlossen, an die die Beiträge weitergeleitet werden und die die Leistungen erbringen. Vgl. Steinmeyer, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 58. Nach § 7 des Tarifvertrages ist der Verlag, also der Arbeitgeber, Versicherungsnehmer, der Redakteur ist die versicherte Person. Es handelt sich damit um eine Direktversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 BetrAVG. Vgl. auch Berger-Delhey, EzA § 5 T V G Nr. 10. 62 Das gleiche gilt für die ebenfalls durch den Tarifvertrag als zusätzlicher Versorgungsträger bestimmte Unterstützungskasse „Versorgungskasse der Presse" (§§ 15ff. des Tarifvertrages). 63 BVerfG 24.05. 1977,2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 322 = AP Nr. 15 zu §5 T V G . 64 BVerfG 24.05. 1977, 2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 342, 344. Ebenso schon Wolf, SAE 1991, 188. Nicht der Tarifvertrag, sondern der staatliche Normsetzungsakt bewirkt und rechtfertigt die Tarifgeltung gegenüber den Nichtorganisierten. Vgl. Rieble, Arbeitsrecht und Wettbewerb, Rn. 1742. 65 B A G 28.03. 1990, AP Nr.25 zu 5 T V G am Ende. Insoweit zustimmend Wolf, SAE 1991, 188; Berger-Delhey, EzA §5 T V G Nr. 10.

232

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

schon das Vorliegen einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit verneint, überzeugt nicht. Diese Betrachtungsweise ist zu eng, weil sie die wirtschaftlichen Auswirkungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages außer acht läßt. Uberall dort, wo es eine staatliche Zwangsversicherung 66 gibt, sei es eine Sozialversicherung mit hohem Leistungsstandard, die eine betriebliche Altersversorgung wirtschaftlich überflüssig macht, sei es eine Pflichtzusatzversorgung über einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag, ist der Markt für andere private Anbieter von Altersversorgungssystemen begrenzt. Die darin liegende Ausgrenzung eines Tätigkeitsfeldes ist weder unmittelbar noch mittelbar diskriminierend, da sie sich auf in- und ausländische Anbieter von Altersversorgung gleichermaßen auswirkt. Sie stellt sich aber de facto als eine Marktzugangsschranke, eine absolute Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Zusatzaltersversorgung dar. Damit einher geht eine Beschränkung der negativen Dienstleistungsfreiheit der durch den Tarifvertrag gebundenen Nachfrager, im Fall des BAG der nur über die Allgemeinverbindlicherklärung tarifgebundenen deutschen Zeitungsverlage. Ihre Auswahlfreiheit 6 7 als Nachfrager im Ausland ist durch den staatlichen Hoheitsakt beschränkt 68 .

2. Rechtfertigung gemeininteresses

der Beschränkung durch zwingende Gründe des All-

Das durch die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages geschaffene Dienstleistungsmonopol des Versorgungswerks für Leistungen der Zusatzaltersversorgung hält Art. 49 EG nur stand, wenn die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter einem zwingenden nationalen Allgemein-

66 Der Begriff „Zwangsversicherung" ist nicht mit dem der Pflichtversicherung in § 158b W G (Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluß eine gesetzliche Verpflichtung besteht) zu verwechseln. Die Leitentscheidung des E u G H zur Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Versicherungen betraf ausdrücklich nicht die Pflichtversicherung. Vgl. E u G H 0 4 . 1 2 . 1 9 8 6 , Rs 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), Slg. 3755 Rn. 1 1 , 1 7 u n d 57. O b die Dienstleistungfreiheit im Bereich der Pflichtversicherungen u n a n w e n d b a r ist, weil in diesem Bereich das Erfordernis der Niederlassung unerläßliche Voraussetzung für die Erreichung des mit der Versicherungspflicht verfolgten Zwecks ist - der am Versicherungsvertrag unbeteiligte Dritte soll sein Recht nicht im Ausland suchen müssen (so Angerer, VersR 87, 325, 327f.) - , ist zu bezweifeln. Das könnte sich nur aus dem EG-Vertrag selbst ergeben. Vielmehr ist anzunehmen, daß im Bereich der Pflichtversicherung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus dem genannten Grund zu rechtfertigen ist. 67 Vgl. Roth, in: Dauses, H d b . E U - W i r t s c h a f t s R , E.I Rn. 131 z u m Verständnis der Dienstleistungsfreiheit als Auswahlfreiheit des Empfängers. 68 A u c h inländische Anbieter sind in der Leistungserbringung beschränkt, dies ist aber mangels Grenzüberschreitung keine Frage des Art. 49 EG.

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

233

interesse 69 dient und erforderlich ist, das gleiche Ergebnis also nicht durch weniger einschränkende Bestimmungen erreicht werden kann 70 . a) Öffentliches Interesse i. S. des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG und des Allgemeininteresse i.S. der EuGH-Rechtsprechung

rechtfertigen-

Besteht ein öffentliches Interesse i.S. des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG an der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages, ist damit noch nicht gesagt, daß das so definierte Allgemeininteresse an der gesetzesgleichen Wirkung des Tarifvertrages die von der Allgemeinverbindlicherklärung ausgehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen vermag. O b die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages im öffentlichen Interesse geboten ist, ist eine Frage des deutschen Tarifvertragsrechts, auf die im folgenden kurz eingegangen wird (aa). Hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung einen Altersversorgungstarifvertrag im Verfahren nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt, ist damit zum Ausdruck gebracht, daß die deutsche Rechtsordnung ein öffentliches Interesse an der Pflichtzusatzversorgung der betroffenen Arbeitnehmergruppe hat. Diese Wertentscheidung des deutschen Rechts hat das Europarecht hinzunehmen. Die Mitgliedstaaten können die nationalen Allgemeininteressen selbst definieren. O b die von der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages ausgehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anderer Anbieter von Zusatzaltersversorgungsleistungen durch das nationale Allgemeininteresse einer obligatorischen Zusatzaltersversorgung gerechtfertigt, die Zwangsversicherung also geeignet und erforderlich ist, ist dagegen eine Frage des europäischen Rechts (dazu unten bb). aa) Öffentliches

Interesse an der

Allgemeinverbindlicherklärung

Ein erstes gängiges Rechtfertigungsargument für die Allgemeinverbindlicherklärung versagt im konkreten Fall. Zwar sind Versorgungseinrichtungen, z.B. Pensionskassen, in Form Gemeinsamer Einrichtungen regelmäßig auf das Beitragsaufkommen aller, auch der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber angewiesen, um, etwa bei der Vermögensanlage, wirtschaftlich arbeiten zu können 71 . Das mag eine Beitragspflicht aller inländischen Zeitungsverlage zu der Gemeinsamen Einrichtung „Versorgungskasse der Presse" rechtfertigen, nicht aber die Zwangsversicherung über das „Versorgungswerk der Presse". Denn dieses führt die betriebliche Altersversorgung nicht selbst durch, sondern leitet die gesammelten Beiträ69 Die Rechtfertigungsgründe des Art. 46 Abs. 1 EG (öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit) greifen nicht. Es kommt allein ein sonstiges Allgemeininteresse i.S. der E u G H Rechtsprechung zur Rechtfertigung der Beschränkung in Frage. 70 E u G H 04.12.1986, Rs 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr Versicherung), Slg. 3755, Rn.29; zur Rechtfertigung einer Beschränkung auch Emmerich, FS Keller, S.696; Grabitz, EWS 1990, 7ff. 71 Löwisch/Rieble, TVG, §5 Rn. 10; Rieble, Arbeitsrecht und Wettbewerb, Rn. 1749.

234

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

ge lediglich an die drei eingeschalteten Lebensversicherungsunternehmen weiter. Diese Funktion könnte die Gemeinsame Einrichtung auch erfüllen, wenn nur die tarifgebundenen Arbeitgeber hinsichtlich ihrer tarifgebundenen Arbeitnehmer der Versicherung angeschlossen wären. Allenfalls könnten die mit den Lebensversicherungsunternehmen ausgehandelten Vertragsbedingungen von einem gewissen Vertragsvolumen abhängig sein, das nur über eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages u n d die Erfassung auch nicht tarifgebundener Arbeitgeber zu erreichen ist. Es kann f ü r ein öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung aber nicht genügen, daß sich bei einer Zwangsversicherung aller Arbeitgeber der Branche günstigere Bedingungen am Markt für Gruppenlebensversicherungen gegenüber den Versicherungsunternehmen aushandeln lassen. Das B A G läßt es f ü r das öffentliche Interesse i.S. des §5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 T V G ausreichen, daß ein vom Gesetzgeber anerkanntes Interesse, nämlich die Förderung der betrieblichen Altersversorgung, nachvollzogen und der branchenüblichen, die betriebliche Altersversorgung gefährdenden Fluktuation Rechnung getragen werde 7 2 . Der Hintergrund der potentiell hohen Fluktuation der angestellten Zeitungsredakteure ist, daß sie wegen ihres Einflusses auf die Ausrichtung des Presseerzeugnisses leicht mit dessen Herausgeber in Konflikt geraten können und sie daher zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit und der Pressefreiheit vor Nachteilen aus Arbeitsplatzwechseln zu schützen sind 73 . Der erste vom B A G angeführte G r u n d , Nachvollzug eines allgemeinen gesetzgeberischen Interesses durch Förderung der betrieblichen Altersversorgung, ist allerdings problematisch. Der deutsche Gesetzgeber hat es dem Arbeitgeber grundsätzlich freigestellt, ob er eine Betriebsrente zusagt. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß im Regelfall gerade kein öffentliches Interesse an einer obligatorischen Zusatzversorgung besteht 7 4 . Zudem kann man sich eine Förderung betrieblicher Altersversorgung auf vielen Wegen vorstellen, etwa durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen f ü r Versorgungszusagen. Warum es dazu im konkreten Fall einer Zwangsversicherung bedarf, ist durch das öffentliche Interesse an einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nicht erklärt. Auch der zweite vom B A G genannte Rechtfertigungsgrund f ü r die Allgemeinverbindlicherklärung, daß nämlich einer die betriebliche Altersversorgung gefährdenden Fluktuation Rechnung getragen werde, überzeugt nicht. In Branchen, in denen wegen einer besonders hohen Fluktuation der Arbeitnehmer oder bestimmter Arbeitnehmergruppen eine vom einzelnen Arbeitgeber zugesagte Altersversorgung regelmäßig ins Leere geht, weil der Arbeitnehmer den Arbeitgeber in der Regel vor Erreichen der Unverfallbarkeit wechselt oder das Arbeitsverhältnis saisonbedingt endet, wird eine Betriebsrentenzusage ihr Versorgungsziel 72 73 74

BAG 28.03. 1990, 4 AZR 536/89, AP 25 zu §5 TVG. Zustimmend Wolf, SAE 1991, 187. So Steinmeyer, FS Schaub, S. 730f. Ebenso schon Rieble, Arbeitsrecht und Wettbewerb, Rn. 1751.

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

235

regelmäßig nicht erreichen. Diesem Mißstand könnte der Gesetzgeber etwa durch eine sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften f ü r die betroffenen Arbeitnehmergruppen abhelfen. Eines solchen gesetzgeberischen Sonderschutzes bedarf es im Fall der tarifgebundenen 7 5 Zeitungsredakteure indessen nicht: N a c h § 7 Abs. 1 des Tarifvertrages sind sie unwiderruflich begünstigt. Damit haben sie vom ersten Tag der Versicherungspflicht an 76 eine einem Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften entsprechende Stellung 77 . Auch w e n n der Tarifvertrag nicht f ü r allgemeinverbindlich erklärt w o r d e n wäre, w ü r d e bei einem Wechsel des tarifgebundenen Redakteurs zu einem tarifgebundenen Verlag die Altersversorgung weitergeführt. Bei einem Wechsel zu einem nicht tarifgebundenen Verlag griffe § 7 Abs. 3 des Tarifvertrages. Der Redakteur könnte den über die Gemeinsame Einrichtung begründeten Versicherungsvertrag als Einzelversicherung selbst fortführen. Ein Rechtsverlust infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei dem tarifgebundenen Arbeitgeber träte nicht ein. Der Schutz vor einem mobilitätsbedingten Rechtsverlust vermag die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages daher nicht zu rechtfertigen. Welches öffentliche Interesse dafür spricht, gerade Zeitungsredakteuren unabhängig von ihrer Tarifbindung u n d der ihres Arbeitgebers eine obligatorische Zusatzaltersversorgung z u k o m m e n zu lassen, der ganz überwiegenden Zahl der Arbeitnehmer hingegen nicht, ob etwa der Schutz der tarifgebundenen Zeitungsverlage vor der Konkurrenz der ohne Allgemeinverbindlicherklärung nicht mit den Altersversorgungskosten aus dem Tarifvertrag belasteten nicht tarifgebundenen Verlage dahinter steht 78 , ist hier nicht weiter zu diskutieren. D e n n aus Sicht des Europarechts ist es Sache des einzelnen Mitgliedstaates, einzelne Arbeitnehmergruppen durch eine obligatorische Zusatzaltersversorgung z.B. im Wege der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages - zu privilegieren u n d damit ein nationales Allgemeininteresse an der Zusatzaltersversorgung gerade dieser besonderen G r u p p e zu formulieren. Dies ist im Fall des Tarifvertrages über die Altersversorgung der Zeitungsredakteure durch die Allgemeinverbindlicherklärung geschehen.

75 Löwisch/Rieble, § 3 Rn. 68, 71. Dient die Gemeinsame Einrichtung der U m s e t z u n g von Individualnormen, m u ß der einzelne Arbeitgeber wie auch der einzelne A r b e i t n e h m e r Mitglied der tarifschließenden Tarifvertragsparteien u n d damit tarifgebunden sein. 76 Die Versicherungspflicht beginnt nach § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages nach einem Berufsjahr u n d der Vollendung des 25. Lebensjahres. 77 Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rn.233ff. 78 So die weitere B e g r ü n d u n g des B A G , die aber n u r f ü r die Versorgung über die Versorgungskasse, in deren G e n u ß auch organisierte Arbeitnehmer nicht organisierter Arbeitgeber k o m m e n k ö n n t e n , nicht aber hinsichtlich des Versorgungswerks greife; kritisch hierzu Wolf, SAE 1991, 187; vgl. auch Löwisch/Rieble, T V G , §5 Rn.4ff.; Rieble, Arbeitsmarkt u n d Wettbewerb, Rn. 1744 zur Rechtfertigung des Staatseingriffs Allgemeinverbindhcherklärung.

236

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

bb) Zwingendes Allgemeininteresse der Dienstleistungsfreiheit

Altersversorgung

zur Rechtfertigung

der Beschränkung

Die Zwangsversicherung über die Gemeinsame Einrichtung Versorgungswerk der Presse, der eine Monopolstellung eingeräumt wird, ist ein geeignetes Mittel zur Verfolgung des Allgemeininteresses an einer obligatorischen Zusatzaltersversorgung f ü r Zeitungsredakteure. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vermag dieses Interesse an einer Pflichtzusatzaltersversorgung f ü r Zeitungsredakteure allerdings nur zu rechtfertigen, wenn das Mittel der Zwangsversicherung der inländischen Verlage über die Gemeinsame Einrichtung auch erforderlich u n d verhältnismäßig ist. Für diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist wesentlich, daß die Zwangsversicherung nicht ohne Ausnahme greift. §3 Abs. 3 des T V Altersversorgung 1986 79 sieht eine Befreiung der inländischen Verlage (Arbeitgeber) 8 0 in Einzelfällen bei Nachweis eines entsprechenden Versicherungsschutzes f ü r die Zeitungsredakteure vor. Eine mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbare Auslegung dieser Tarifbestimmung verlangt, daß f ü r eine solche Befreiung grundsätzlich auch eine Versicherung bei einem EU-ausländischen Versicherungsunternehmen in Frage k o m m t . Andernfalls läge eine unmittelbare Diskriminierung EU-ausländischer Anbieter vor. Welche Anforderungen an eine befreiende ausländische Versicherung zu stellen sind, richtet sich wegen des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 49 E G in erster Linie danach, welche Forderungen das Versorgungswerk in Befreiungsfällen ermessensfehlerfrei und in Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an einen „entsprechenden Versicherungsschutz" im Inland stellt 81 . Bietet die Versicherung bei einem anderen Versicherer mindestens die gleichen Konditionen f ü r den begünstigten Arbeitnehmer wie die Versicherung über das Versorgungswerk der Presse, insbesondere ein von Anfang an unwiderrufliches Bezugsrecht des begünstigten Redakteurs, ist das Ermessen des Versorgungswerks bei A n w e n d u n g des Befreiungstatbestandes auf N u l l reduziert. Die vom E u G H in seiner Entscheidung zum Versicherungsaufsichtsrecht aufgestellte weitere Anforderung, daß das angeführte Allgemeininteresse nicht bereits durch Vorschriften im Staat des Dienstleistungsanbieters garantiert sein darf 8 2 , spielt hier keine Rolle. Vorschriften im Staat des ausländischen Dienstleistungsanbieters können das Allgemeininteresse einer lückenlosen Zusatzaltersversorgung bei inländischen Verlagen beschäftigter Redakteure nicht garantieren.

79 Die Befreiungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 3 wirkt nach § 15 Abs. 1 in gleicher Weise für die Unterstützungskassenversorgung über die Versorgungskasse der Presse. 80

Vgl. § 1 des TV Altersversorgung 1986 zum räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich. 81 Nach §3 Abs. 3 S. 2 TV Altersversorgung 1986 bestimmt die Grundsätze für die Befreiung der Verwaltungsrat des Versorgungswerks. 82 E u G H 04.12. 1986, Rs 205/84, Kommission/Deutschland (Freier Dienstleistungsverkehr Versicherung), Slg. 3755 Rn.29; Emmerich, FS Keller, S. 696.

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

237

b) Ergebnis Dem einzelnen Mitgliedstaat steht es aus europarechtlicher Sicht frei, die Zusatzaltersversorgung für alle Arbeitnehmer oder auch nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen für obligatorisch zu erklären. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung des TV Altersversorgung 1986 hat der Staat in dem dafür vorgesehenen Verfahren zum Ausdruck gebracht, daß ein nationales Allgemeininteresse an einer obligatorischen Zusatzaltersversorgung für Zeitungsredakteure besteht. Bei einer ermessensfehlerfreien und Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten nicht diskriminierenden Auslegung der Befreiungsklausel ist die Monopolisierung der Altersversorgung in den Händen der Gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien durch Allgemeinverbindlicherklärung des TV Altersversorgung 1986 mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist im Allgemeininteresse der Bereitstellung einer obligatorischen Zusatzaltersversorgung zu rechtfertigen.

II. Wettbewerbsrechtliche

Zulässigkeit

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Monopolisierung der Zusatzaltersversorgung der Zeitungsredakteure in den Händen der Gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien mit dem europäischen Wettbewerbsrecht kann auf die oben refererierte Rechtsprechung des EuGH zu obligatorischen niederländischen Betriebsrentenfonds zurückgegriffen werden 8 3 .

1.

Unternehmen

Der weite Unternehmensbegriff des EG-Wettbewerbsrechts erfaßt jedes Rechtssubjekt, das eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt 84 . Das durch den Tarifvertrag geschaffene Versorgungswerk ist damit nicht nur ein erwerbswirtschaftlich tätiges Unternehmen i.S. der Art. 48 Abs. 2, 55 EG, sondern auch ein Unternehmen i.S. der Art. 81 ff. EG 85 . Daß die Gemeinsame Einrichtung keinen Gewinnerzielungszweck verfolgt und nach dem Grundsatz der Solidarität arbeitet, nimmt ihr nicht die Eigenschaft eines Unternehmens i.S. der Wettbewerbsregeln des Vertrages. Auch nach den Kriterien der Entscheidung Brentjens 86 sprechen zumindest die Verwendung von Uberschußanteilen zum Aufbau zusätzlicher Versicherungsleistungen (§12 des TV Altersversorgung 1986) und die Freistellungsmöglichkeit des §3 des TV Altersversorgung 1986 für die Unternehmenseigenschaft der Gemeinsamen Einrichtung. Das Verhalten des durch Tarifvertrag geschaffenen Versorgungswerks ist daher an den EG-Wettbewerbsregeln zu messen 87 . 83 EuGH 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C-117/97, Brentjens, AP Nr.2 zu Art.85 EGVertrag = NZA 2000, 201 und C-219/97, Bokken. 84 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR, Art.85 Abs. 1 Rn. 14ff. 85 Das gleiche gilt für die Versorgungskasse der deutschen Presse. 86 EuGH 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C-117/97, Brentjens, a.a.O. Rn.81ff. 87 Insoweit zustimmend Wolf, SAE 1991, 188; a.A. Berger-Dehley, EzA § 5 TVG Nr. 10.

238

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich

betrieblicher

Altersversorgung

Folgt man dem EuGH, so ist die tarifvertragliche Entscheidung für ein Zusatzrentensystem und den Antrag der Sozialpartner auf Allgemeinverbindlicherklärung dieses Systems vom Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen 88 . Auch wenn die Begründung, mit Tarifverträgen sei zwangsläufig eine gewisse den Wettbewerb beschränkende Wirkung verbunden, und die Erreichung der mit Tarifverträgen angestrebten sozialpolitischen Ziele sei ernsthaft gefährdet, wenn die Sozialpartner an Art. 81 Abs. 1 EG gebunden wären, trägt, kommt doch ein Verstoß der Altersversorgungseinrichtung gegen Art. 82 EG in Betracht: Nach Art. 82 EG, der auch auf Dienstleistungen Anwendung findet 89 , stellt sich die Frage, ob die Ausnutzung der Monopolstellung bei der zusätzlichen Altersversorgung der Zeitungsredakteure bei dem Versorgungswerk zum Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung führt 90 . Das wäre für den Fall zu bejahen, daß das Versorgungswerk von der Befreiungsmöglichkeit nach §3 Abs. 3 des Tarifvertrages keinen Gebrauch macht, obwohl andere, auch ausländische Anbieter in der Lage wären, eine Zusatzversorgung für Zeitungsredakteure mit entsprechendem Versicherungsschutz günstiger anzubieten (sog. Preismißbrauch i.S. von Art. 82 Abs. 2 lit. a EG). Tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches wettbewerbswidriges Verhalten des Versorgungswerks liegen nicht vor. 2.

Staut

Wäre ein solcher wettbewerbswidriger Preismißbrauch allerdings zu bejahen, könnte der Staat durch die Einräumung besonderer oder ausschließlicher Rechte i.S. des Art. 86 Abs. 1 EG den Wettbewerbsverstoß auch zurechenbar veranlaßt haben. Das ist mangels tatsächlicher Anhaltspunkte hier nicht weiterzuverfolgen. Wichtiger ist, ob der Staat durch die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages selbst gegen Art. 82 und 86 EG verstoßen hat. Der Staat hat die Wirtschaftstätigkeit der Gemeinsamen Einrichtungen der Zusatzaltersversorgung angestellter Zeitungsredakteure dem Wettbewerb entzogen. Die Durchführung der Dienstleistung betriebliche Altersversorgung der Zeitungsredakteure wird durch die Allgemeinverbindlicherklärung dem Versorgungswerk und der Versorgungskasse der Presse vorbehalten. Darin liegt die Gewährung ausschließlicher Rechte durch einen hoheitlichen Gewährungsakt i.S. des Art. 86 Abs. 1 EG91. EuGH 21.09. 1999, a.a.O., Rn. 45-62. EuGH 23.04. 1991, Rs C-41/90, Höfner, Slg. 1-1979 unter Rn.30ff. 90 Neben das Tatbestandsmerkmale der Marktbeherrschung muß ein Mißbrauch dieser Stellung vorliegen. Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR, Art. 86 Rn. 122. Das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung eines auf tarifvertraglicher Grundlage errichteten niederländischen Betriebsrentenfonds wurde durch die Entscheidung des EuGH 21.09.1999, verb. Rs. C - l 15/97 bis C - l 17/97, Rn.92 und C-219/97, Brentjens, Rn.82 bejaht. 91 A.A. Berger-Dehley, EzA § 5 TVG Nr. 10; zum Begriff der ausschließlichen Rechte Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90 Rn.24 und Rn.29 zum hoheitlichen Gewährungsakt. Auch dies wird durch die auf tarifvertraglicher Grundlage errichtete niederländische Betriebsrentenfonds betreffenden Entscheidungen des EuGH 21.09. 1999, verb. Rs. C - l 15/97 bis C - l 17/97, Rn.90 und Rs. C-219/97, Rn. 80 bestätigt. 88

89

B. Allgemeinverbindliche

Altersversorgungstarifverträge

239

Auch wenn die Gemeinsamen Einrichtungen nicht in der Lage sind, eine mit Dienstleistung anderer Anbieter betrieblicher Altersversorgung wettbewerbsfähige Leistung zu erbringen, weil sie aufgrund der Zwangsmitgliedschaft auch verpflichtet sind, „schlechte Risiken" aufzunehmen, bedeutet das nach der Rechtsprechung des E u G H allerdings nicht zwingend einen Wettbewerbsverstoß. Der Zwang zu einer nicht rein wirtschaftlichen Vorgehensweise (Solidarität) trägt nach dieser Rechtsprechung nämlich gerade dazu bei, das ausschließliche Recht zur Verwaltung des Zusatzrentensystems nach Art. 86 Abs. 2 E G zu rechtfertigen. Die Entziehung des den Gemeinsamen Einrichtungen übertragenen ausschließlichen Rechts (Art. 86 Abs. 1 E G ) hätte zur Folge, daß es ihnen unmöglich würde, die ihnen übertragenen Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Art. 86 Abs. 2 E G ) unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu erfüllen, so daß ihr finanzielles Gleichgewicht gefährdet würde 9 2 . Die mit der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages u n d der Monopolisierung der Zusatzversorgung in den H ä n d e n der Gemeinsamen Einrichtungen einhergehende Wettbewerbsbeschränkung ist daher durch das besondere öffentliche Interesse an einer obligatorischen Zusatzaltersversorgung gerechtfertigt 9 3 . Welche Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse i.S. des Art. 86 Abs. 2 E G sind - hier die Zusatzaltersversorgung gerade der Zeitungsredakteure entscheidet jeder Mitgliedstaat grundsätzlich selbst 94 . Insoweit kann auch auf das im Rahmen der Diskussion der Dienstleistungsfreiheit zur Definitionshoheit des Staates hinsichtlich der nationalen Allgemeininteressen Gesagte verwiesen werden 95 . Schließlich hält die Einräumung des Dienstleistungsmonopols wegen der Befreiungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages 96 auch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.

92 Vgl. die entsprechende A r g u m e n t a t i o n des E u G H in der Rechtssache Brentjens, E u G H 21.09. 1999, verb. Rs. C - 1 1 5 / 9 7 bis C - l 17/97, Rn. llOf. 93 Z u r Rechtfertigung der Verleihung ausschließlicher Rechte d u r c h ein besonderes öffentliches Interesse Permce, in: G r a b i t z / H i l f , EGV, Art. 90 Rn. 46. 94 E u G H 21.09.1999, verb. Rs. C - l 15/97 bis C - l 17/97, Rn. 104ff., der sich insoweit auch auf den Erlaß der Richtlinie 9 8 / 4 9 / E G v o m 29.06.1998 zur W a h r u n g ergänzender Rentenansprüche von A r b e i t n e h m e r n u n d Selbständigen, die innerhalb der E G zu- u n d abwandern, beruft. 95 S.o. u n t e r B.I.2.a)bb) (S.236). 96 D e r E u G H läßt es in der Entscheidung v o m 21.09. 1999, verb. Rs. C - 1 1 5 / 9 7 bis C-117/97, Brentjens, Rn. 116ff. f ü r die Vereinbarkeit mit Art. 90 E G V (jetzt Art. 86 E G ) genügen, daß ein A n s p r u c h auf Freistellung eingeräumt wird f ü r Arbeitnehmer, die mindestens sechs M o n a t e vor der Stellung des Antrags, aufgrund dessen die Mitgliedschaft im Betriebsrentenfonds verbindlich vorgeschrieben w o r d e n ist, bereits d u r c h eine gleichwertige Rentenversicherung gesichert waren (Rn. 15) u n d eine in das Ermessen des F o n d s gestellte Freistellungsmöglichkeit unter der Bedingung steht, daß die Freistellung das finanzielle Gleichgewicht des Fonds nicht gefährdet (Rn. 14, 119).

240

§} Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

C. Vereinbarkeit der obligatorischen Zusatzaltersversorgung Frankreich mit dem Wettbewerbsrecht

in

In Frankreich sah man die Altersversorgung lange Zeit als aus vier Etagen aufgebaut 97 : D e m Basissystem der gesetzlichen Rentenversicherung, das nur eine Mindestversorgung, keine Regelsicherung gewährt 9 8 , der obligatorischen betrieblichen Zusatzrente, der freiwilligen betrieblichen Zusatzrente 9 9 u n d der Eigenvorsorge über Versicherungsverträge. Grundlage der obligatorischen Zusatzrentensysteme sind zwei nationale tarifvertragsähnliche A b k o m m e n zwischen Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (1947 A G I R C nur f ü r leitende Angestellte oder Führungskräfte, 1961 A R R C O ) 1 0 0 , die aufgrund einer gesetzlichen Allgemeinverbindlicherklärung jeden Arbeitgeber verpflichten, jeweils einer Zusatzversorgungseinrichtung (institution de retraite complémentaire, I R C ) der A G I R C u n d der A R C C O beizutreten 1 0 1 . Alle sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer müssen Mitglied der A R C C O 1 0 2 - K a s s e , die Führungskräfte k ö n nen darüber hinaus auch Mitglied der AGIRC 1 0 3 -Kasse werden 1 0 4 . Die Bedingungen für den Erwerb von Leistungsanwartschaften (Beitragssätze und Anerkennungsbedingungen) sind in beiden Vereinigungen identisch. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren („répartition") 1 0 5 . Die Verwaltung der Kassen 106 , von der einzelnen Kasse bis zum Spitzenverband, erfolgt paritätisch durch Arbeitgeber- u n d Arbeitnehmervertreter 1 0 7 . Die Kassen sind privatrechtliche In-

97 Die Wahl der M e t a p h e r n „Säule" u n d „Etage" bzw. „Stufe" sollte man nicht überbewerten, aber ein unterschiedlicher G r u n d g e d a n k e liegt der W o r t w a h l doch zugrunde. Ein G e b ä u d e mit drei Säulen steht vielleicht auch noch, w e n n eine Säule wegbricht, die Säulenmetapher steht also f ü r Sicherheit vor den Risiken des Ausfalls einer Alterssicherung. Etagen u n d Stufen bauen dagegen aufeinander auf: Im Vordergrund steht der Gedanke, daß der am besten versorgt ist, der die meisten Stufen erreicht. 98 Birk, Z f A 1988, 128; Mitteilung der Kommission, SEK(91) 1332 endg. S.35, A n h a n g S.4. 99 Diese wird finanziert über freiwillige Leistungen an die A G I R C oder A R C C O oder an z u sätzliche ergänzende („surcompémentaires") Einrichtungen von G r o ß u n t e r n e h m e n . Vgl. Reynaud, Protection des Droits de Retraite C o m p l é m e n t a i r e en France, S. 120; Samson, BetrAV 2000, 17f. 100 Ranke/Roesler, BetrAV 1994, 206. 101 Das am 01.01.1974 in Kraft getretene Gesetz sieht vor, daß die A R C C O - u n d A G I R C - S y steme f ü r alle U n t e r n e h m e n gelten, deren Belegschaft pflichtweise Mitglied im allgemeinen Sozialversicherungssystem ist. Reynaud, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 133. 102 Association des Régimes de Retraites Complémentaires. 103 Association Générale des Institutions de Retraite des Cadres. 104 Reynaud, Protection des Droits de Retraite C o m p l é m e n t a i r e en France, S. 4. D e r Arbeitgeber m u ß die Arbeitgeber u n d Arbeitnehmerbeiträge überweisen; Birk, "LiK 1988, 130. 105 Mitteilung der Kommission, SEK (91) 1332 endg. v o m 22.08. 1991, S.35; Birk, Z f A 1988, 128; Samson, BetrAV 2000, 17. 106 Das System A R C C O u m f a ß t 112 Kassen, das A G I R C - S y s t e m 55 Kassen (Stand 1991), vgl. Reynaud, Protection des Droits de Retraite C o m p l é m e n t a i r e en France, S. 135; Birk, Z f A 1988, 129. 107 Reynaud, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 119.

C. Obligatorische

Zusatzaltersversorgung

in Frankreich

241

stitutionen, ihre Tätigkeit wird aber als öffentliche Aufgabe verstanden und dem Service public zugerechnet 108 . Die sogenannte zweite Etage der französischen Altersversorgung hatte eine Zwitterstellung inne zwischen dem auf dem Prinzip der Solidarität gegründeten Sozialrecht und dem Arbeitsrecht, das die Zusatzrente als einen Entgeltbestandteil ansieht 109 . Erst durch die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche (RL 98/49/EG), die nach ihrem Art. 1 „Rentenansprüche aus freiwilligen wie auch aus vorgeschriebenen ergänzenden Rentensystemen mit Ausnahme der von der V O (EWG) 1408/71 erfaßten Systeme" betrifft, sahen sich die Träger der A R C C O - und AGIRC-Systeme zu einer Wahl zwischen erster und zweiter Säule der Alterssicherung, zwischen sozialversicherungsrechtlicher Koordination und Freizügigkeitsgewährleistung nach dem Modell der RL 98/49/EG genötigt. Sie entschieden sich für die erste Säule. Durch eine entsprechende Erklärung Frankreichs nach Art. 1 lit. j, 97 V O (EWG) 1408/71 ist die französische obligatorische Zusatzversorgung seit 1. Januar 2000 aus europäischer Sicht der ersten Säule der Alterssicherung zuzurechnen 110 . Fraglich ist, ob die A G I R C - und ARCCO-Kassen in Frankreich - unabhängig davon, daß sie nunmehr von der V O (EWG) 1408/71 erfaßt werden - unter den Begriff des Unternehmens i. S. der Wettbewerbs- und Dienstleistungsvorschriften fallen und ihre Tätigkeit an den diesbezüglichen Anforderungen des EG-Vertrages zu messen ist 111 . Daß sie keinen Gewinnerzielungszweck verfolgen und nach dem Grundsatz der Solidarität arbeiten, nimmt ihnen nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Brentjens 112 nicht die Eigenschaft eines Unternehmens i.S. der Wettbewerbsregeln des Vertrages. Für ihre Unternehmenseigenschaft spräche es, wenn sie die Höhe der Beiträge und Leistungen selbst bestimmen könnten, nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeiteten und Freistellungsmöglichkeiten vorsähen 113 . Zumindest der Finanzierungsmodus der französischen obligatorischen Zusatzversorgung ist indessen ein anderer (Umlageverfahren). Selbst wenn man aber die Unternehmenseigenschaft der A G I R C - und ARCCO-Kassen in Frankreich und damit die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts bejaht, ist - legt man die weiteren Erwägungen des EuGH in der Rechtssache Brentjens zugrunde - die Monopolisierung der Zusatzaltersversorgung in ihren Händen wohl durch die sozialpolitische Zielsetzung 114 und ins108 Kaufmann/Kessler, DRdA 1989, 331. Ein über die Sozialversicherungsrente und die Pflichtzusatzrente hinausgehender Versorgungsbedarf und damit ein Markt für Zusatzaltersversorgung existiert in Frankreich nur in sehr beschränktem Umfang. Vgl. Reynaud, in: GVG, Zusatzversorgungssysteme, S. 120; Durin, Droit social 1992, 138; Samson, BetrAV 2000, 17f. 109 Reynaud, Protection des Droits de Retraite Complémentaire en France, S. 1 f. 110 ABl. EG Nr. C 215 vom 28.07. 1999. S. 1 auch unten §6 B.II.3.b) (S.270ff.). 111 Verneinend Kessler, in: Kaufmann/Kessler/von Maydell, Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 357ff., der andererseits aber eine Tätigkeit im Dienst eines Beschränkungen rechtfertigenden Allgemeininteresses bejaht (S. 362). 112 EuGH 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C-117/97, Brentjens. 113 EuGH 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C-117/97, Brentjens, Rn.81ff. 114 Vgl. Roth, FS Steindorff, S. 1329.

242

5 * Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

besondere das gewählte Umlageverfahren 1 1 5 zu rechtfertigen. Denn dieses bedarf nicht nur einer Versicherungspflicht, sondern auch eines Versicherungsmonopols 1 1 6 . Es steht danach zu erwarten, daß die obligatorische Zusatzaltersversorgung in Frankreich einer Prüfung durch den E u G H unter dem Gesichtspunkt ihrer Vereinbarkeit mit dem europäischen Wettbewerbsrecht standhält.

D. Dienstleistungsmonopol des PSVaG für die betrieblicher Altersversorgung I.

Insolvenzsicherung

Dienstleistungsfreiheit

1. Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter bzw. der negativen Dienstleistungsfreiheit inländischer Nachfrager a) Monopolstellung des PSVaG Das deutsche Modell der Insolvenzsicherung von Betriebsrentenansprüchen und -anwartschaften wird vom PSVaG mit Sitz in Köln durchgeführt. Die Wirtschaft kam mit der Errichtung dieser Selbsthilfeeinrichtung einer anderweitigen gesetzlichen Regelung zuvor 1 1 7 . Die gesetzliche Zwangsversicherung beim PSVaG 1 1 8 als dem vom Gesetz benannten Träger der Insolvenzsicherung ( § 1 4 A b s . l BetrAVG) gibt diesem ein Dienstleistungsmonopol für die Versicherung von nach deutschem Recht begründeten Betriebsrentenansprüchen und -anwartschaften für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers 1 1 9 . Ein wirtschaftliches Bedürfnis zu einer weiteren Insolvenzsicherung besteht nicht. Andere Anbieter einer Insolvenzversicherung von Hierzu Kaufmann/Kessler, D R d A 1989, 331. Wegen der unterschiedlichen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen liege es beim derzeitigen Stand der Integration bei den Mitgliedstaaten, zur Finanzierung einer solidarischen Versicherung ein Umlageverfahren oder ein Kapitaldeckungsverfahren zu wählen. Diese Entscheidung sei durch die Art. 59ff. E G V (jetzt Art. 49ff. E G ) nicht vorgegeben. So Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 185ff., 193. 117 Paulsdorff, Insolvenzsicherung, §14 Rn. 1 m.w.N.; Doetsch, in: PSVaG, 10 Jahre Insolvenzsicherung, S. 11 ff. Bei Auflösung des PSVaG bliebe den Gläubigern das Vermögen des PSVaG uneingeschränkt erhalten, der Insolvenzschutz würde in einem staatlich kontrollierten Verfahren fortgeführt. Nach §14 Abs. 2 BetrAVG übernähme die öffentlich-rechtliche Lastenausgleichsbank die Stellung des Trägers der Insolvenzsicherung. Bei ihr wäre ein besonderer Fonds zur Insolvenzsicherung zu bilden, der für sonstige Verbindlichkeiten nicht haftet. So Krieger, in: FS Nirk, S.551, 561. 118 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Vorb §7 Rn. 1. Der Anspruch gegen den PSVaG ist ein Versicherungsanspruch, aber kein Anspruch aus einem Versicherungsvertrag. Paulsdorff, Insolvenzsicherung, §7 Rn. 13. 119 Die Zahlungen selbst erfolgen im Insolvenzfall nicht durch den PSVaG. Sie werden vielmehr über ein Konsortium deutscher Lebensversicherer abgewickelt. Vgl. Paulsdorff, Insolvenzsicherung, § 8 Rn. 7ff.; Doetsch, in: PSVaG, 10 Jahre Insolvenzsicherung, S. 16. 115

116

D. Dienstleistungsmonopol

des PSVaG für die Insolvenzsicherung

243

Betriebsrenten sind damit von Gesetzes wegen von der Insolvenzsicherungstätigkeit faktisch ausgeschlossen. Eine Diskriminierung ausländischer Anbieter liegt nicht vor, da dieser Ausschluß in- wie ausländische Anbieter gleichermaßen trifft. In der Monopolisierung der Insolvenzsicherung beim PSVaG liegt jedoch eine Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter der entsprechenden Versicherungsdienstleistung, der auf Seiten der sicherungspflichtigen deutschen Arbeitgeber eine Beschränkung der Nachfragemöglichkeiten im Ausland und damit ihrer negativen Dienstleistungsfreiheit entspricht - vorausgesetzt, die Dienstleistungsfreiheit ist auf die Tätigkeit des PSVaG überhaupt anwendbar.

b) Anwendbarkeit

der

Dienstleistungsfreiheit

aa) Versicherungstätigkeit des PSVaG als entgeltliche

Dienstleistung

Der PSVaG nimmt als privates Versicherungsunternehmen am Wirtschaftsleben teil 120 . Versichertes Risiko ist der Eintritt einer der in § 7 Abs. 1 BetrAVG genannten Sicherungsfälle beim Arbeitgeber des Versorgungsberechtigten und die daraus folgende Gefährdung der Erfüllung der Betriebsrentenanwartschaften und -anspräche (Vermögensschadensversicherung) 121 . Gesicherte Anspruchsberechtigte sind die Versorgungsempfänger, zu deren Schutz die Zwangsversicherung besteht 122 . Die §§ 7 - 1 5 BetrAVG dienen nicht der Sanierung insolventer U n ternehmen 123 . Der gesetzliche Insolvenzschutz liegt aber doch insoweit auch im Interesse des Arbeitgebers, als eine insolvenzgeschützte Betriebsrentenzusage gegenüber einer nicht insolvenzgeschützten Betriebsrentenzusage eine wesentlich attraktivere Sozialleistung für den Arbeitnehmer ist und damit bei der Personalanwerbung einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Die Versicherungstätigkeit des PSVaG ist eine Dienstleistung par excellence. Die Entgeltlichkeit steht wegen der Beitragspflicht der sicherungspflichtigen Arbeitgeber außer Frage 124 . Es ist nicht erforderlich, daß das Entgelt auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrag erhoben wird 125 . 120 Der PSVaG unterliegt als Versicherungsunternehmen bei der Durchführung der Insolvenzsicherung der Versicherungsaufsicht nach § 1 Abs. 1 V A G . § 14 Abs. 1S. 1 Hs. 2 BetrAVG stellt dies zusätzlich klar. Vgl. B A G 30.07.1996,3 A Z R 397/95, AP Nr. 1 zu § 374 AktG = ZIP 1996,289,292. Dagegen unterliegen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen Versicherungsverhältnisse unmittelbar kraft Gesetzes entstehen oder infolge eines gesetzlichen Zwanges eingegangen werden müssen, nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 VAG nicht der Versicherungsaufsicht. 121 Paulsdorff, Insolvenzsicherung, §7 Rn. 122; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Vorb § 7 Rn. 3. 122 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §7 Rn.4, 24ff. 123 Blomeyer/Otto, BetrAVG, §7 Rn.4. 124 Die Insolvenzsicherung der Betriebsrenten durch den PSVaG wird ausschließlich aus den Beiträgen der sicherungspflichtigen Unternehmen finanziert. Das unterscheidet sie von staatlichen Sozialleistungen, etwa staatliche Bildungsleistungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert und in der Regel nicht gegen Entgelt erbracht werden, die nicht dem Dienstleistungsbegriff unterfallen. Vgl. E u G H 27.09. 1988, Rs. 263/86, Humbel, Slg. 5365 Rn. 14ff.; dazu Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit, S. 103 ff. 125 E u G H 30.04. 1974, Rs 155/73, Sacchi, Slg. 409; E u G H 18.03. 1980, Rs. 52/79, Debauve,

244

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

Als privates Versicherungsunternehmen verfolgt der PSVaG auch einen Erwerbszweck. Eine Gewinnerzielungsabsicht - sie ist nach §2 Abs. 3 der Satzung des PSVaG nicht angestrebt 1 2 6 - ist nicht notwendig. D u r c h die Monopolisierung der Insolvenzsicherung in den H ä n d e n des PSVaG ausgeschlossene ausländische U n t e r n e h m e n werden regelmäßig ebenfalls einen Erwerbszweck verfolgen, so daß ihnen die Dienstleistungsfreiheit z u k o m m t . Die vom PSVaG betriebene Versicherung wird weder von den Lebensversicherungsrichtlinien 1 2 7 noch von den Schadensversicherungsrichtlinien erfaßt 1 2 8 . Die Unanwendbarkeit der versicherungsrechtlichen Richtlinien bedeutet indessen nicht, daß die Versicherungstätigkeit des PSVaG nicht der primärrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unterfällt. D a ß die Insolvenzsicherungstätigkeit vom Gesetzgeber des BetrAVG als öffentliche Aufgabe verstanden wird, mit der der PSVaG betraut wird, entzieht diese Tätigkeit nicht per se dem Anwendungsbereich des EG-Vertrages im allgemeinen u n d der Dienstleistungsfreiheit im besonderen. Dies zeigen auch die Beispiele der vom E u G H ebenfalls der Dienstleistungsfreiheit unterworfenen nationalen Postverwaltungen 1 2 9 u n d Rundfunkanstalten 1 3 0 . Ebenso ist die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Pflicht- und Monopolversicherungsanstalten 1 3 1 wie auch der Bundesanstalt f ü r Arbeit 1 3 2 an Art. 49 E G zu messen 133 .

Slg. 833; E u G H 26.04.1988, Rs. 352/85, Bond van Adverteerders (Kabelregeling), Slg. 2085. Vgl. auch Hailbronner, Rechtsstellung, S.43ff. 126 Die Satzung des PSVaG ist abgedruckt bei Paulsdorff, Insolvenzsicherung, Anhang. 127 Sie fällt unter keinen der Zweige der Ersten Lebensversicherungsrichtlinie. Vgl. Art. t Abs. 1 Richtlinie 7 9 / 2 6 7 / E W G v o m 05.03. 1979. 128 V g i p r ä a m b e l u n d A r t . 3 A b s . 2 Richtlinie73/239/EWG v o m 24.07. 1973. N a c h A r t . 3 Abs. 2 der Richtlinie betrifft diese nicht Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die mit einem anderen U n t e r n e h m e n gleicher A r t eine Vereinbarung getroffen haben, wonach letzteres alle Versicherungsverträge rückversichert oder hinsichtlich der Verbindlichkeit aus den Versicherungsverträgen an die Stelle des zedierenden U n t e r n e h m e n s tritt. Das ist in der Praxis geschehen, da ein K o n s o r t i u m aus Lebensversicherern aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages mit dem PSVaG die laufende Ü b e r n a h m e der Versorgungsverpflichtungen aus eingetretenen Sicherungsfällen gewährleistet. Vgl. Paulsdorff \ Insolvenzsicherung, §8 Rn. 7. 129 E u G H 20.03. 1985, Rs. 41/83, British Telecom, Slg. 880, 885f. Rn.22. 130 E u G H 30.04. 1974, Rs. 155/73, Sacchi, Slg. 409; dazu Emmerich, FS Keller, S.690. 131 A . A . Hailbronner, Rechtsstellung, S. 37ff., S. 97ff., der primär die G e l t u n g / A n w e n d b a r keit der Dienstleistungsfreiheit f ü r öffentlich-rechtliche Pflicht- u n d Monopolversichungsanstalten ü b e r h a u p t bestreitet u n d w o h l n u r hilfsweise eine zulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bejaht. 132 In E u G H 23.04.1991, Rs. 41/90, H ö f n e r , Slg. I-1979Rn.38f. verneinte der E u G H die A n wendbarkeit des Art. 59 E W G V (jetzt Art. 49 E G ) n u r deshalb, weil es bei der Vorlage u m einen Rechtsstreit zwischen deutschen Personalberatern u n d einem deutschen U n t e r n e h m e n wegen der Einstellung eines deutschen Staatsangehörigen ging, es also am Merkmal der G r e n z ü b e r schreitung fehlte. D a z u Emmerich, BB Beilage 3/1989, S. 9ff.; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992,109; Müller, Dienstleistungsmonopole, S. 133. Vgl. schon E u G H 18.01.1979, Rs. 110/78 u. 111 /78, van Wesemael, Slg. 35,49f. zur A n w e n d b a r k e i t der Dienstleistungsfreiheit auf die grenzüberschreitende Stellenvermittlung f ü r Bühnenkünstler. 133 A . A . Fuchs, ZIAS 1996, 347ff.

D. Dienstleistungsmonopol

des PSVaG für die Insolvenzsicherung

bb) Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 45 EG) im

245

Beitragsbereich

Die Tätigkeit des PSVaG könnte jedoch als mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden nach Art. 55 i. V.m. Art 45 E G von der Grundfreiheit der Dienstleistungsfreiheit ausgenommen sein. Unter der Ausübung öffentlicher Gewalt sind einzelne hoheitliche Tätigkeiten zu verstehen, die, in sich selbst betrachtet, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Uber-Unterordnungsverhältnis darstellen 134 . D e r PSVaG ist ein mit Aufgaben und Befugnissen der öffentlichen Verwaltung beliehenes Unternehmen und erläßt als solches nach § 1 0 BetrAVG Beitragsbescheide, die er vollstreckbar ausfertigen kann 135 . Soweit der PSVaG im Beitragsbereich hoheitlich tätig wird, übt er unproblematisch öffentliche Gewalt aus. D.h. aber nicht, daß seine Tätigkeit insgesamt nach Art. 45, 55 E G der Dienstleistungsfreiheit entzogen sein müßte. Die Einziehung der Beiträge durch Verwaltungsakt läßt sich von der Versicherungstätigkeit und damit von der Erfüllung der Aufgaben im übrigen trennen 136 . Statt den PSVaG im Beitragsbereich mit der Ausübung öffentlicher Gewalt zu beleihen, hätte der Staat sich diesen Teil der Aufgabe auch selbst vorbehalten können. Umgekehrt ist der Umstand, daß der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, die Vermögensschadensversicherung in Insolvenzfällen „zu verstaatlichen", gerade Indiz dafür, daß kein Bedürfnis bestand, die Tätigkeit des PSVaG insgesamt der öffentlichen Hand zu überantworten. Die Insolvenzsicherung als solche ist damit nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit entzogen. Zweck des Art. 45 E G ist es allein, fremde Staatsangehörige von der Ausübung staatlicher Gewalt fernzuhalten 137 . EU-ausländische Anbieter der Dienstleistung Insolvenzsicherung müßten sich zur Eintreibung der Versicherungsbeiträge des normalen zivilprozessualen Instrumentariums bedienen und könnten aus Art. 49 E G keinen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen herleiten. Nach allem unterfällt die Versicherungstätigkeit des PSVaG der Dienstleistungsfreiheit. Sein Monopol entzieht einen Teilbereich des Versicherungsmarktes dem Wettbewerb mit in- und ausländischen Konkurrenten.

E u G H 21.06. 1994, Rs 2/74, Reyners, Slg. 631; Oppermann, Europarecht, Rn. 1625. Paulsdorff, Insolvenzsicherung § 10 Rn. 5ff., 126. 136 Vgl. E u G H 21.06. 1974, Rs. 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631 zur Ausübung öffentlicher Gewalt durch Rechtsanwälte; dazu Bleckmann, Europarecht, Rn. 1628ff.; Groeben/Tro^erg, EU-/ EG-Vertrag, Art. 55 Rn.2. 137 Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit, S. 193; Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 138ff.; Roth, FS Steindorff, S. 1325; Hailbronner, Rechtsstellung, S.47ff. 51 leitet allerdings aus Art. 55 E G V (jetzt Art. 45 EG), soweit eine Leistung in öffentlich-rechtlicher Rechtsform erbracht wird, die Befugnis der Mitgliedstaaten ab, diese als „Staatsaufgaben" von der Dienstleistungsfreiheit auszunehmen. 134 135

246

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

2. Rechtfertigung der Beschränkung durch zwingende des Allgemeininteresses

Gründe

a) Allgemeininteresse Die in der Monopolisierung der Insolvenzsicherung beim PSVaG liegende Beschränkung der positiven Dienstleistungsfreiheit EU-ausländischer Anbieter einer vergleichbaren Versicherung und der negativen Dienstleistungsfreiheit zwangsversicherter deutscher Arbeitgeber ist mit der Dienstleistungsfreiheit nur vereinbar, wenn sie durch ein Allgemeininteresse gerechtfertigt ist. Für die Rechtfertigung der Monopolstellung des PSVaG spielt es, obwohl das rechtfertigende Allgemeininteresse ein nationales ist138, durchaus eine Rolle, daß das europäische Recht selbst eine Insolvenzsicherung aus Gründen des sozialen Schutzes der Begünstigten für notwendig erachtet. Art. 8 der Insolvenz-Richtlinie 80/987/EWG verpflichtet die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, daß „die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer ..." für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers getroffen werden. Das Insolvenzschutzsystem nach den §§7-15 BetrAVG ist eine „notwendige Maßnahme" in diesem Sinne. Das wurde auch im Vorschlag einer Pensionsfonds-Richtlinie anerkannt 139 . Das europäische Recht macht sich also das jeweilige nationale Allgemeininteresse, Betriebsrentenansprüche und -anwartschaften im Insolvenzfall zu schützen, zu eigen. Der sozialpolitische Zweck der Absicherung von Arbeitnehmern und Betriebsrentnern für den Fall der Insolvenz ihres (früheren) Arbeitgebers vermag als Allgemeininteresse grundsätzlich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Ob die Ausgestaltung der deutschen Insolvenzschutzsystems im einzelnen mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, insbesondere auch verhältnismäßig ist140, ist damit aber noch nicht entschieden 141 .

b)

Verhältnismäßigkeit

Bei der Finanzierung der Insolvenzsicherung verzichtet §10 Abs. 3 BetrAVG weitgehend auf das im Privatversicherungswesen gültige Äquivalenzprinzip 142 . 138 Vgl. Hailbronner, Rechtsstellung, S. 116; Giesen, Sozialversicherungsmonopol u n d E G Vertrag, S. 151 f. 139 In § 4 Abs. 1 des Richtlinien-Vorschlags K O M (91) 301 endg. - S Y N 363 waren Kapitalanlagevorschriften vorgesehen, bei deren U m s e t z u n g in deutsches Recht hätte in Rechnung gestellt w e r d e n dürfen, daß unverfallbare Anwartschaften u n d Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung nach deutschem Arbeitsrecht Insolvenzschutz genießen. 140 Vgl. auch Giesen, Sozialversicherungsmonopol u n d EG-Vertrag, S. 151 ff. mit einer ausführlichen P r ü f u n g der Verhältnismäßigkeit des Sozialversicherungsmonopols. 141 Z u r Unterscheidung der prinzipiellen Zulässigkeit der Errichtung u n d der zu rechtfertigenden Ausgestaltung von Dienstleistungsmonopolen vgl. Müller, Dienstleistungsmonopole im System des EWGV, S. 149ff. f ü r R u n d f u n k - u n d F e r n m e l d e m o n o p o l e . 142 Es gibt sowohl den Fall, daß der PSVaG ein Risiko o h n e Beitrag trägt, als auch den, daß er einen Beitrag o h n e Risiko erhält. Blomeyer/Otto, BetrAVG, §10 Rn. 90ff.; Paulsdorff, Insolvenzsicherung §10 Rn. 82 ff.

D. Dienstleistungsmonopol des PSVaG für die Insolvenzsicherung

2A7

Das individuelle Insolvenzrisiko des einzelnen Arbeitgebers findet keine Berücksichtigung 143 . Die solidarisch finanzierte Zwangsversicherung beim PSVaG erleichtert solchen Arbeitgebern die Entscheidung für eine Versorgungszusage, die ansonsten am Markt ihr individuelles Insolvenzrisiko teurer versichern müßten und daher aus Kostengründen eine Versorgungszusage nicht abgegeben würden. Einem Mißbrauch des Systems durch wirtschaftlich angeschlagene Arbeitgeber ist durch § 7 Abs. 5 BetrAVG vorgebeugt. Daß sich damit für manche Arbeitgeber die Insolvenzsicherung gegenüber einer individuellen Versicherung am Markt verteuert, wird in Kauf genommen. O b ein nationaler Gesetzgeber sich bei der Finanzierung einer solchen solidarischen Versicherung für ein Umlageverfahren oder ein Kapitaldeckungsverfahren entscheidet, ist durch die Art. 49ff. E G nicht vorgegeben. Diese Entscheidung hat wegen der unterschiedlichen Kapitalbildung gesamtwirtschaftliche Auswirkungen und liegt beim derzeitigen Stand der Integration bei den Mitgliedstaaten 144 . Der Gesetzgeber des BetrAVG hat sich mit dem sog. Rentenwert-Umlage-Verfahren für eine Zwischenlösung zwischen reiner Umlagefinanzierung und einem reinen Kapitaldeckungsverfahren entschieden, bei dem nur die im Beitragsjahr neu einsetzenden Leistungsverpflichtungen und versicherungsmathematisch zu bestimmenden Folgelasten durch ein Kapital zu decken sind, nicht aber künftige Verpflichtungen aus unverfallbaren Anwartschaften. Die Kapitalbildung ist damit nicht so groß wie beim reinen Kapitaldeckungsverfahren. Der jeweilige Fehlbetrag ist im Umlageverfahren von den jeweils beitragspflichtigen Arbeitgebern aufzubringen 1 4 5 . Dieses Insolvenzsicherungsmodell weist mehrere Ähnlichkeiten mit der umlagefinanzierten solidarischen Sozialversicherung auf. Wie in der Sozialversicherung 1 4 6 herrscht der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, dient der Beitrag des Arbeitgebers einem sozialen Schutzzweck, nämlich der Risikovorsorge für den Insolvenzfall, und werden individuelle Risiken bei der Beitragserhebung nicht berücksichtigt 1 4 7 . Ein solidarisches und teilweise umlagefinanziertes Insolvenzversicherungssystem setzt prinzipiell einen Zwang zur Versicherung bei einem einzigen Versicherer voraus, um Arbeitgeber mit hohem und solche mit geringem Insolvenzrisiko in einem System zu binden und über immer neue Versicherungsverhältnisse für den Bestand des Systems zu sorgen, auch wenn manche Arbeitgeber in der Lage

Paulsdorff, Insolvenzsicherung § 10 Rn.82ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §10 Rn.93. So Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 186ff., 193. 145 Vgl. Paulsdorff, Insolvenzsicherung § 10 Rn. 69ff., der a.a.O. das Kapitaldeckungsverfahren Anwartschaftsdeckungsverfahren nennt. 146 Zur Vereinbarkeit der Sozialversicherungsmonopole mit der Dienstleistungsfreiheit ausführlich Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, insbes. S.112ff. Anders Hailbronner, Rechtsstellung, S. 47ff., 51, der Leistungen in öffentlich-rechtlicher Form von der Dienstleistungsfreiheit ausnehmen möchte. 147 Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 152ff. 143

144

248

Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

wären, eine f ü r sie als Beitragszahler und f ü r die Begünstigten günstigere Versicherung im In- oder Ausland abzuschließen 1 4 8 .

c) Ergebnis Als Ergebnis ist daher festzuhalten: Die Zwangsversicherung beim PSVaG f ü r Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland beschränkt die positive Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Insolvenzversicherungen u n d die negative Dienstleistungsfreiheit sicherungspflichtiger Arbeitgeber. Diese können nicht ausscheren und stattdessen die entsprechende Versicherungsleistung im Ausland nachfragen. Diese Beschränkungen sind im Allgemeininteresse des Schutzes der Begünstigten der Betriebsrentenzusagen und einer solidarischen Lastenverteilung unter den Arbeitgebern gerechtfertigt.

3. Gerechtfertigte Beschränkung der negativen ausländischer Nachfrager

Dienstleistungsfreiheit

Sind auch Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die eine Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht an im Inland beschäftigte Arbeitnehmer gemacht haben, verpflichtet, sich dem Insolvenzschutzsystem über den PSVaG anzuschließen, ist auch ihre negative Dienstleistungsfreiheit bei der Nachfrage nach Insolvenzschutz beschränkt. Zur Rechtfertigung dieser Beschränkung gilt dann das oben Gesagte. Das nationale Allgemeininteresse am Insolvenzschutz der deutschem Recht unterliegenden Betriebsrentenansprüche und -anwartschaften von Arbeitnehmern, die in Betrieben im Inland tätig sind, greift gleichgültig, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Eine Auslegung der §§7-15 BetrAVG, die auch Betriebsrentenzusagen ausländischer Arbeitgeber an in einem Betrieb im Inland beschäftigte Arbeitnehmer der Beitragspflicht nach §10 BetrAVG u n d dem Schutz nach § 7 BetrAVG unterwirft, ist daher mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar.

4. Ausschluß ausländischer Arbeitgeber über den PSVaG

von der

Insolvenzsicherung

O b ausländische Arbeitgeber, die Betriebsrentenzusagen nach deutschem Recht an in inländischen Niederlassungen beschäftigte Arbeitnehmer machen, insolvenzsicherungspflichtig sind, ist umstritten 1 4 9 . N a c h Auffassung des PSVaG m u ß der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland haben, damit der Insolvenzschutz nach dem Betriebsrentengesetz eingreift 150 . Arbeitgeber mit Sitz im Ausland sind

148 Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 185,202; Roth, FS Steindorff, zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit d u r c h sozialstaatliche Interessen. 149 Im einzelnen unten §8 C.II.2.b) (S.365ff.). 150 Merkblatt des PSVaG 300/M 7 (Stand 10/86) u n t e r 2.1.1. u n d 2.2.1.

D. Dienstleistungsmonopol

des PSVaG für die Insolvenzsicherung

249

danach grundsätzlich von der Insolvenzsicherung nach den BetrAVG ausgeschlossen. Allerdings sind nach Meinung des PSVaG „Arbeitgeber" im Sinne der Vorschriften über die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung auch „inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen, die nach ihrem Heimatrecht, nicht aber nach deutschem Recht parteifähig sind". Das gelte auch, „wenn die Rechtspersönlichkeit nach Heimatrecht umstritten ist, sie aber im Inland als Rechtsperson auftreten" 1 5 1 . Diese Formel lädt - vorbehaltlich der Frage der zumindest umstrittenen Parteifähigkeit/Rechtspersönlichkeit der Betriebsstätte in Deutschland nach ausländischem Recht 1 5 2 - ausländische Unternehmen, die zugunsten ihrer Arbeitnehmer in den G e n u ß der Insolvenzsicherung über den PSVaG k o m m e n wollen, dazu ein, die Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht an Arbeitnehmer im Inland in einer F o r m abzugeben, bei der die Niederlassung oder Betriebsstätte selbst als Zusagender auftritt. K o m m t die Zusage dagegen unmittelbar vom Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, scheidet nach Auffassung des PSVaG eine Insolvenzsicherungspflicht nach den §§ 7-15 BetrAVG aus. In diesem Fall kann der ausländische Arbeitgeber eine Insolvenzversicherung f ü r die Betriebsrente nach deutschem Recht frei auf dem Markt nachfragen oder aber auf eine Insolvenzsicherung verzichten. Die Position des PSVaG ist im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmer bedenklich. Die Zwangsversicherung über den PSVaG ist eine Vermögensschadensversicherung zugunsten der Versorgungs- bzw. Anwartschaftsberechtigten 1 5 3 . Es ist nicht einzusehen, w a r u m in inländischen Niederlassungen beschäftigte Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer deutschen Betriebsrente weniger schutzbedürftig und schutzwürdig sein sollen, wenn die Zusage von ihrem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland k o m m t , als wenn die inländische Niederlassung selbst als Zusagender auftritt. Auch unter dem Gesichtspunkt der negativen Dienstleistungsfreiheit des Arbeitgebers mit Sitz im Ausland ist die Position des PSVaG problematisch. Zwar kann man eine Besserstellung des Arbeitgebers mit Sitz im Ausland darin sehen, daß er der Zwangsversicherung über den PSVaG nicht angeschlossen wird und damit die Insolvenzsicherungskosten nicht zu tragen hat, w e n n er selbst die Betriebsrentenzusage macht. Eine solche Besserstellung ausländischer Arbeitgeber, die nach Auffassung des PSVaG prinzipiell keine Adressaten belastender Verwaltungsakte nach § 10 BetrAVG 1 5 4 sein können, gegenüber inländischen Arbeitgebern ist europarechtlich zulässig 155 .

151

Merkblatt des PSVaG 300/M 6 (Stand 5/95, ersetzt 4.92) unter 2.2. Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen gehören als solche zu diesem U n t e r nehmen und unterstehen daher deren Gesellschaftsstatut, das über die Rechts- und Parteifähigkeit entscheidet. Im deutschen Recht ist eine Zweigniederlassung einer G m b H weder rechtsfähig noch parteifähig. MünchKommHGB/Äo&e/md««, § 13 Rn. 18ff., § 13d Rn.8ff. 153 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Vorb. § 7 Rn.4. 154 Paulsdorff\ Insolvenzsicherung, §10 Rn. 7. 155 S.o. zur Inländerdiskriminierung §2 B.II.l. (S. 84f.). 152

250

§5 Dienstleistungsmonopole

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

Indessen greift es zu kurz, in der Zwangsversicherung der Betriebsrente über den PSVaG wegen der damit verbundenen Kosten nur einen Nachteil für den Arbeitgeber zu sehen. Der Zugang zum Insolvenzsicherungssystem über den PSVaG stellt auch einen Vorteil für den Arbeitgeber dar. Der Arbeitgeber muß bei Abschluß einer Versicherung zu Marktpreisen die Versicherungskosten für sein eigenes Insolvenzrisiko tragen. Demgegenüber kann je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die solidarisch finanzierte Versicherung über den PSVaG für den Arbeitgeber günstiger sein. Eine durch Gesetz insolvenzgeschützte Versorgungszusage ist außerdem für den Arbeitnehmer attraktiver als eine gar nicht oder durch den Arbeitgeber nur auf privatrechtlichem Weg abgesicherte Versorgungszusage. Denn der Arbeitnehmer wird im Regelfall nicht überblicken, wie weit der privatrechtliche Schutz reicht. Auch wird der privatrechtliche Schutz im Gegensatz zum gesetzlichen 156 von der tatsächlichen Beitrags- oder Prämienzahlung des Arbeitgebers abhängen. Hat der ausländische Arbeitgeber keinen Zugang zum Insolvenzsicherungssystem über den PSVaG, erleidet er damit Wettbewerbsnachteile bei der Personalrekrutierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt gegenüber inländischen Arbeitgebern. Diesen Wettbewerbsnachteilen auf dem inländischen Arbeitsmarkt kann der ausländische Arbeitgeber nur dann ausweichen, wenn er die inländische Niederlassung selbst die Versorgungszusage machen läßt und das ausländische Recht dieser Niederlassung Parteifähigkeit zuerkennt oder dies zumindest umstritten ist. O b es überhaupt eine ausländische Rechtsordnung gibt, auf die die vom PSVaG aufgestellten Bedingungen zutreffen, kann hier dahinstehen. Der ausländische Arbeitgeber, der die Zusage selbst macht, wird jedenfalls von einem Vorteil im Wettbewerb um Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt ausgeschlossen 157 . Da den geschilderten tatsächlichen oder möglichen Nachteilen für den ausländischen Arbeitgeber der Vorteil korrespondiert, nicht der Beitragspflicht nach § 1 0 BetrAVG zu unterliegen, greift der Automatismus des Diskriminierungstatbestandes nicht. Obwohl der PSVaG seine Unterscheidung sicherungspflichtiger Versorgungszusagen inländischer Arbeitgeber und nicht sicherungspflichtiger Versorgungszusagen ausländischer Arbeitgeber ausschließlich an dem Merkmal des Unternehmenssitzes und damit der Staatsangehörigkeit der Arbeitgeber festmacht, liegt darin nicht per se eine unzulässige Diskriminierung ausländischer Arbeitgeber. Paulsdorff, § 7 Rn. 13 f. Es ist streitig, ob und inwieweit über die Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit ein Kontrahierungszwang Privater im Bereich privatautonomen Handelns hergeleitet werden kann. Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit, S. 132ff., 136 bejaht einen Kontrahierungszwang, wenn eine Dienstleistung öffentlich angeboten wird und es keinen sachlichen Grund gibt, EU-angehörige Ausländer von dem Angebot auszuschließen; enger Groeben/7Vo£erg, EU-/EG-Vertrag, Art. 59 Rn. 46; Die Antwort kann dahingestellt bleiben, denn der PSVaG hat keinen privatautonomen Spielraum, bestimmte Arbeitgeber in die Versicherung aufzunehmen und andere nicht. Er ist in seinem Handeln an die gesetzlichen Vorgaben des BetrAVG gebunden. Die Frage ist daher, ob das Gesetz bei den Voraussetzungen der Zwangsversicherung zulässigerweise zwischen in- und ausländischen Arbeitgebern differenzieren darf. 156

157

D. Dienstleistungsmonopol

des PSVaG für die Insolvenzsicherung

251

O b die negative Dienstleistungsfreiheit ausländischer Arbeitgeber, die etwa mit einer Mitteilung nach § 11 BetrAVG an den PSVaG als Nachfrager nach gesetzlichem Insolvenzschutz auftreten, unzulässig beschränkt wird, hängt vielmehr davon ab, ob es einen sachlichen Grund gibt, den internationalen Anwendungsbereich der Insolvenzschutzbestimmungen so zu ziehen, daß ausländische Arbeitgeber per se ausgeschlossen sind. Diesen Fragen wird im einzelnen in § 8 der Untersuchung nachgegangen.

II. Wettbewerbsrechtliche 1.

Zulässigkeit

Unternehmen

a) PSVaG als Unternehmen i.S. des

Wettbewerbsrechts

Wettbewerbsrechtlich stellt sich zunächst die Frage, ob die Art. 81 ff. E G überhaupt auf den PSVaG Anwendung finden. Der weite Unternehmensbegriff des EG-Wettbewerbsrechts erfaßt jedes Rechtssubjekt, das eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt 158 . Die auf Dauer angelegte Versicherungstätigkeit des PSVaG erfüllt diese Voraussetzungen. Es gibt auch keinen Anlaß, allein wegen des Solidarcharakters der Insolvenzsicherung dem PSVaG die Unternehmenseigenschaft abzusprechen 159 . Dem engen Unternehmensbegriff der Entscheidung des E u G H in den verbundenen Rechtssachen Poucet und Pistre ist nicht zu folgen 160 . Aber auch wenn man die Kriterien der Entscheidung Brentjens 161 anlegt, erscheint es naheliegend, daß der E u G H die Eigenschaft des PSVaG als Unternehmen i. S. der Wettbewerbsvorschriften verneinen würde: Weder kann der PSVaG die Höhe der Beiträge und Leistungen autonom bestimmen, er ist hier an § 10 BetrAVG gebunden, noch arbeitet er ausschließlich nach dem Kapitalisierungsprinzip, das sog. Rentenwert-Umlage-Verfahren ist vielmehr eine mittlere Lösung zwischen reiner Umlagefinanzierung und einem reinen Kapitaldekkungsverfahren 162 , noch verfügt der PSVaG über Freistellungsmöglichkeiten von der Versicherungspflicht. Die gegen die Entscheidung Poucet und Pistre vorgetragene Kritik greift aber auch gegenüber den Abgrenzungskriterien des E u G H in der Rechtssache Brentjens 163 : Auch sie verlagern systemwidrig die Frage der Rechtfertigung eines M o nopols in den Begriff des Unternehmens i.S. der Wettbewerbsvorschriften 164 . Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Art. 81, 82 E G somit Maßstab für das konkrete Verhalten des PSVaG im Wettbewerb. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, E G - W b R , Art. 85 Abs. 1 Rn. 14ff. A.A. Langer, ZIAS 1997, 323, wonach ein auf Solidarität beruhendes System per se nicht unter den Begriff des Unternehmens fällt. 160 E u G H 17.02. 1993, verb. Rs. C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1-637. S.o. unter A.II.3. m.w.N. (S.226ff.). 161 E u G H 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C - l 17/97, Brentjens, Rn.81ff. 162 S.o. unter D.I.2.b) (S.246ff.). 163 E u G H 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C - l 17/97, Brentjens, Rn.81ff. 164 S.o. unter A.II.3. (S.226ff.). 158

159

252

§5 Dienstleistungsmonopole

b) Zwangsversicherung

im Bereich betrieblicher

inländischer

Altersversorgung

Arbeitgeber

D e r PSVaG hat eine auf dem BetrAVG beruhende Monopolstellung f ü r die Insolvenzsicherung dem deutschen Recht unterliegender sicherungspflichtiger Versorgungszusagen. Bei der Versicherungstätigkeit ist der PSVaG an Art. 82 E G gebunden. Hinweise auf einen Mißbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung bei der Insolvenzsicherung inländischer Arbeitgeber gibt es nicht.

c) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der

Insolvenzsicherung

Als mißbräuchliches Verhalten des PSVaG im Rahmen des Art. 82 E G k o m m t allerdings dessen Weigerung in Frage, Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die eine Betriebsrentenzusage in einem sicherungspflichtigen D u r c h f ü h r u n g s w e g nach deutschem Recht an im Inland beschäftigte Arbeitnehmer machen, zu versichern 1 6 5 . Die Weigerung eines Marktbeherrschers, mit anderen U n t e r n e h m e n vertragliche Beziehungen aufzunehmen, fällt unter den Tatbestand des Art. 82 EG, w e n n die Weigerung nicht sachlich gerechtfertigt ist 166 . Ein schuldhafter Verstoß kann einen Kontrahierungszwang als Rechtsfolge nach sich ziehen 167 . Der PSVaG geht zwar keine vertraglichen Beziehungen ein. Die Insolvenzsicherung über die §§7-15 BetrAVG ist eine gesetzliche Versicherung 168 . Insoweit aber der PSVaG als mit der D u r c h f ü h r u n g der Insolvenzsicherung allein betrautes U n t e r n e h m e n das Gesetz anwendet, steht seine Weigerung gegenüber einem ausländischen Unternehmen, das mit einer Meldung nach § 11 BetrAVG als Nachfrager auftritt, die gesetzlichen Voraussetzungen der Insolvenzsicherung als gegeben anzuerkennen, dem Verhalten eines Unternehmens gleich, das sich weigert, eine Versicherung abzuschließen. Wäre dem PSVaG der Ausschluß ausländischer Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in einer inländischen Niederlassung oder Betriebsstätte beschäftigen, von der Insolvenzsicherung durch das BetrAVG allerdings gesetzlich vorgeschrieben 1 6 9 , schiede ein Verstoß des PSVaG gegen Art. 82 E G aus. In Frage käme dann nur noch ein Verstoß des Staates selbst gegen das Wettbewerbsrecht. Der Gesetzeswortlaut der §§ 7-15 BetrAVG erlaubt es aber durchaus, unter den dort benutzten Begriff des „Arbeitgebers" in- wie ausländische Arbeitgeber zu fassen. Es k o m m t daher entscheidend darauf an, ob es einen sachlichen G r u n d gibt, ausländische Arbeitgeber f ü r ihre im Inland beschäftigten Arbeitnehmer vom Insolvenzsicherungssystem auszuschließen. Diese Frage wird in § 8 der Untersuchung wieder aufgenommen. 165

Merkblatt des PSVaG 300/M 7 (Stand 10/86) unter 2.1.1. Dirksen, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 86 Rn. 172ff.; Jung, in: Grabitz/Hilf, EG, Art. 82 Rn. 152ff.; E u G H 30.04. 1974, Rs. 155/73, Sacchi, Slg. 409 Rn.20. 167 Jung, in: Grabitz/Hilf, EG, Art. 82 Rn.156. 168 Höfer, BetrAVG, ART Rn.3097; Blomeyer/Otto, BetrAVG, §7 Rn.8; Paulsdorff, Insolvenzsicherung, §7 Rn. 12f. 169 Vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 62ff. m.w.N. und zuletzt E u G H 11.11. 1997, Rs. C-359/95 P und C-379/95 P, Ladbroke Racing, Slg. 1-6265 Rn.33f. 166

D. Dienstleistungsmonopol

des PSVaG für die Insolvenzsicherung

253

2. Staat Art. 86 Abs. 1 E G verbietet es den Mitgliedstaaten, in bezug auf öffentliche U n ternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, den Art. 81 bis 89 E G widersprechende Maßnahmen zu treffen 170 . Der PSVaG ist ein solches Unternehmen: Ihm allein ist die D u r c h f ü h r u n g der gesetzlichen Insolvenzsicherung zugewiesen, er ist dazu mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen beliehen.

a) Zwangsversieherung

inländischer

Arbeitgeber

D u r c h die gesetzliche Monopolisierung der Insolvenzsicherung in H ä n d e n des PSVaG hat der Gesetzgeber dem PSVaG ausschließliche Rechte i.S. des Art. 86 Abs. 1 E G gewährt. Die damit einhergehende Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit ist im Allgemeininteresse des Schutzes der Begünstigten der Betriebsrentenzusagen und einer solidarischen Lastenverteilung unter den Arbeitgebern gerechtfertigt 1 7 1 . Insofern gilt das zur Rechtfertigung der Dienstleistungsfreiheit alternativer Anbieter von Insolvenzversicherungen Gesagte entsprechend 1 7 2 .

b) Ausschluß ausländischer Arbeitgeber von der

Insolvenzsicherung

Art. 86 Abs. 1 E G eröffnet die A n w e n d u n g des Art. 82 E G auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten selbst 173 . H a t der deutsche Gesetzgeber durch die konkrete Ausgestaltung des Monopols mittelbar einen Wettbewerbsverstoß des PSVaG nach Art. 82 E G veranlaßt, indem besondere Gefahren von Wettbewerbsverstößen durch diesen begründet wurden, liegt ein mittelbarer und akzessorischer Wettbewerbsverstoß auch des Staates nach Art. 86 Abs. 1 i.V.m. Art. 82 E G V vor 174 . Der Gesetzgeber hat zwar in manchen Fragen der Einstandspflicht dem PSVaG einen Entscheidungsspielraum zugestanden, so etwa beim Zustimmungsvorbehalt beim Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs (§ 7 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 BetrAVG). Hinsichtlich des Kreises der zu versichernden Versorgungszusagen besteht aber ein solcher Entscheidungsspielraum des PSVaG grundsätzlich nicht 175 . Die sprachliche Fassung des Gesetzes gibt keine Veranlassung, ausländische Arbeitgeber von in inländischen Niederlassungen beschäftigten Arbeitnehmern von der Insolvenzsicherung auszuschließen. Sollte in diesem Ausschluß ein Wettbewerbsverstoß des PSVaG zu sehen sein, scheidet ein akzessorischer Wettbewerbsverstoß des Staates nach Art.86 Abs. 1 i.V.m. Art.82 E G V gleichwohl aus. 170

Emmerich, FS Keller, S.687, 691, 697; Basedow, EuZW 1994, 359f. S. E u G H 21.09. 1999, verb. Rs. C-115/97 bis C-117/97, Brentjens, Rn. 102-111. 172 S.o. D.I.2. (S.246ff.). 173 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR, Art. 86 Rn. 10. 174 Zu dieser Unterscheidung Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 62ff., 67ff., 75 f. 175 Problematisch ist daher die Rechtsprechung des BAG zu §4 BetrAVG. Dazu unten §9 B.I.2. (S. 396f.). 171

254

§ß Dienstleistungsmonopole

E.

im Bereich betrieblicher

Altersversorgung

Zusammenfassung

So wie im Bereich der Sozialversicherung stehen auch bei der zweiten Säule der Alterssicherung der soziale Schutz der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit in einem Spannungsverhältnis zueinander. D e n Mitgliedstaaten steht es grundsätzlich frei, die betriebliche Altersversorgung freiwillig oder obligatorisch auszugestalten. In Deutschland ist die Zusatzaltersversorgung grundsätzlich freiwillig, für einzelne Berufsgruppen allerdings aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge zwingend. Das ist europarechtlich unbedenklich. Soweit allerdings aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages ein Zusatzaltersversorgungsmonopol einer Gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien errichtet wird, beschränkt dieses die negative Dienstleistungsfreiheit nachfragender, nur über die Allgemeinverbindlicherklärung tarifgebundener Arbeitgeber und die positive Dienstleistungsfreiheit anderer Anbieter von Zusatzaltersversorgungsleistungen. Das tarifvertraglich errichtete M o n o p o l einer Gemeinsamen Einrichtung bedarf zu seiner Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit eines Allgemeininteresses. Dieses ist - die Entscheidung für ein Obligatorium vorausgesetzt - darin zusehen, daß eine Institution erforderlich ist, die für die Durchführung der obligatorischen Zusatzaltersversorgung zuständig ist. Im Fall der angestellten R e dakteure bei Zeitungsverlagen übernehmen diese F u n k t i o n das Versorgungswerk der Presse und die Versorgungskasse der deutschen Presse. Die mit der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages einhergehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anderer Anbieter von Altersversorgungsleistungen ist verhältnismäßig, weil eine Befreiung von der zwingenden Versicherung über die Gemeinsame Einrichtung vorgesehen ist, wenn eine alternative gleichwertige Altersversorgung bei einem anderen Versicherer nachgewiesen wird. Das Insolvenzsicherungsmonopol des P S V a G beschränkt die negative Dienstleistungsfreiheit sicherungspflichtiger Arbeitgeber und die positive Dienstleistungsfreiheit konkurrierender Anbieter von Insolvenzversicherungen. Diese Beschränkungen sind im Interesse der Insolvenzsicherheit der Betriebsrente gerechtfertigt. D i e solidarische Organisation und Finanzierung des Sicherungssystem bedingt die Monopolstellung des P S V a G und rechtfertigt sie. Die Weigerung des PSVaG, dem deutschen Recht unterliegende Betriebsrentenzusagen an in einer Niederlassung in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer zu sichern, wenn der zusagende Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat, ist jedenfalls hinsichtlich der Zusagen von Arbeitgebern aus anderen Mitgliedstaaten problematisch. D i e Frage, ob die Beschränkung des internationalen Anwendungsbereichs des Gesetzes sachlich begründet ist, wird im Zusammenhang der Diskussion der internationalen Reichweite des Insolvenzsicherungssystems wieder aufgenommen.

E. Zusammenfassung

255

Versorgungs- und Sicherungsmonopole sind auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts problematisch. Die wettbewerbsrechtliche Betrachtung folgt grundsätzlich den gleichen Wertungen und kommt zu keinem anderen Ergebnis als die Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit.

Zweiter Teil

Internationales Betriebsrentenrecht: Kollisionsrecht der betrieblichen Altersversorgung und Anwendung deutschen Betriebsrentenrechts auf Auslandssachverhalte § 6 Kollisionsrechtliche Behandlung der Arbeitgeber Arbeitnehmer - Beziehung bei individualrechtlichen Versorgungszusagen A. Statut der individualrechtlichen

Versorgungszusage

Die Frage, welches Recht auf eine betriebliche Altersversorgungszusage A n wendung findet 1 , tritt am klarsten hervor, wenn man sie in einem ersten Schritt auf die kollisionsrechtliche Beurteilung der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei individualrechtlichen Versorgungszusagen beschränkt. Damit werden die zusätzlichen kollisionsrechtlichen Probleme mittelbarer Versorgungsversprechen (unten § 7) u n d der A n k n ü p f u n g und Wirkung kollektivrechtlicher Zusagen (unten § 10) zunächst aus der Betrachtung ausgeklammert.

I. Unmittelbare und mittelbare Versorgungszusagen Die in Deutschland am weitesten verbreitete D u r c h f ü h r u n g s f o r m betrieblicher Altersversorgung ist die meist über Rückstellungen finanzierte Direktzusage 2 , bei der - läßt man Problemfälle zunächst einmal beiseite 3 - nur ein Zweiperso1 Vgl. hierzu Fenge, D B 1976, 51 ff.; Birk, B e r D G V R , H e f t 18 (1978), 263ff., 318ff.; Kronke, Rechtstatsachen, S. 134ff.; Birk, FS G. Müller, S. 31 ff.; Paulsdorff, Insolvenzsicherung § 7 Rn. 446ff.; Schwerdtner, Z f A 1987, 163ff.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil; Heitmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 160ff.; Höfer, BetrAVG, A R T Rn. 1177ff.; Eichenhofer, IPRax 1992, 74ff. Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.318ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1011 ff.; S t a u d i n g e r / M a g n u s , A r t . 3 0 R n . 2 4 6 f . 2 1990 waren 46,7% aller A r b e i t n e h m e r im früheren Bundesgebiet d u r c h eine Betriebsrente zusätzlich abgesichert oder k o n n t e n verbindlich mit einer Betriebsrentenzusage rechnen. 26,4% aller A r b e i t n e h m e r hatten Direktzusagen von ihrem Arbeitgeber erhalten oder sie w u r d e n ihnen verbindlich in Aussicht gestellt. Vgl. E r h e b u n g über A r t u n d U m f a n g der betrieblichen Altersversorgung der U n t e r n e h m e n 1990, Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 07.05. 1992. 3

Z u r Versorgungszusage d u r c h Nichtarbeitgeber oben §4 B.IV. (S. 184ff.) u n d unten B.II.2.b) (S.265ff.).

258

§6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

nenverhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer zu betrachten ist. Der Arbeitgeber stellt hier selbst die versprochenen Altersversorgungsleistungen aus dem Unternehmensvermögen bereit 4 . In anderen europäischen Rechtsordnungen ist die beim Arbeitgeber selbst finanzierte Direktzusage die Ausnahme oder gar verboten. In der Schweiz etwa darf die betriebliche Altersversorgung nur über eine eigenständige, rechtlich verselbständigte Vorsorgeeinrichtung durchgeführt werden, eine Direktzusage ohne Vermögensaussonderung ist ausgeschlossen 5 . Im Vereinigten Königreich ist die unmittelbare Zusage zwar bekannt, aber die absolute Ausnahme und gesetzlich nicht geregelt 6 . N u r in Osterreich 7 und in Luxemburg 8 ist die über Rückstellungen finanzierte Direktzusage ebenfalls verbreitet. Obwohl nur wenige Rechtsordnungen die Direktzusage als Durchführungsweg betrieblicher Altersversorgung kennen, ist die praktische Bedeutung der arbeitskollisionsrechtlichen Frage nach dem auf die Betriebsrentenbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbaren Recht groß. Denn diese arbeitskollisionsrechtliche Frage stellt sich für die Direktzusage und für mittelbare Versorgungszusagen in gleicher Weise. Letztere werfen jedoch zusätzliche kollisionsrechtliche Fragen im Verhältnis des Arbeitgeber und des Arbeitnehmers zum eingeschalteten Versorgungsträger auf 9 .

II. Individual-

und kollektivrechtliche

Versorgungszusagen

Die kollisionsrechtliche Beurteilung individual- und kollektivrechtlicher Versorgungszusagen folgt unterschiedlichen Regeln. O b eine individual- oder eine kollektivrechtliche Zusage vorliegt, kann zweifelhaft sein. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des B A G 1 0 sind von den in Betracht kommenden Rechtsbegründungsakten nur Zusagen in Betriebsvereinbarungen, Richtlinien und Vereinbarungen nach § 2 8 SprAuG und solche durch Tarifvertrag als kollektivvertraglich einzustufen. Als individualrechtliche Rechtsbegründungsakte kommen die Einzelzusage im Vertrag und - praktisch wesentlich bedeutsamer 11 -

Blomeyer, FS Zeuner, S. 18; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 152ff. Vgl. Birk, ZfA 1988, 131f.; Pfitzmann, ZIAS, 1988, 69f.; Walser, BetrAV 1997, 309. Auch in den Niederlanden ist eine über Pensionsrückstellungen finanzierte Direktzusage nicht erlaubt, vgl. Bunicich, BetrAV 1993, 74. 6 Birk, ZfA 1988, 121. 7 Mittlere und große Unternehmen bedienen sich auch der Pensionskasse, während kleine Unternehmen recht häufig die Versicherungslösung wählen. Schrammel, ZAS 1991, 77. 8 In Luxemburg ist die über Pensionsrückstellungen finanzierte Direktzusage die am häufigsten benutzte Zusageform. Vgl. Ministère de la Sécurité sociale, Les options politiques en matière de pensions complémentaires, S. 9. 9 Dazu unten §7 (S.312ff.). 10 Vgl. B A G 16.09. 1986, GS 1/82, AP Nr. 17 zu §77 BetrVG 1972 unter II 1 a) der Gründe. 11 H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn.49. 4

5

A. Statut der individualrechtlichen

Versorgungszusage

259

i n d i v i d u a l r e c h t l i c h e V e r s o r g u n g s z u s a g e n m i t k o l l e k t i v e m B e z u g , also d i e G e s a m t z u s a g e u n d d i e a u s d r ü c k l i c h e v e r t r a g l i c h e E i n h e i t s r e g e l u n g in F r a g e 1 2 . S c h l i e ß l i c h k a n n i m d e u t s c h e n R e c h t eine B e t r i e b s r e n t e n v e r b i n d l i c h k e i t auf betrieblicher Ü b u n g 1 3 oder dem G r u n d s a t z der Gleichbehandlung14 (§ 1 Abs. 1 S. 3 B e t r A V G ) b e r u h e n . O b V e r s o r g u n g s z u s a g e n , d i e auf e i n e m d i e s e r R e c h t s b e gründungstatbestände beruhen, individual- oder kollektivvertraglich einzustufen sind, h ä n g t d a v o n ab, o b d i e V e r s o r g u n g s z u s a g e n a n d i e a n d e r e n A r b e i t n e h m e r , die z u r B e g r ü n d u n g d e s A n s p r u c h s d i e n e n , i n d i v i d u a l - o d e r k o l l e k t i v r e c h t l i c h e r N a t u r sind15. S o w e i t m a n a u c h e i n e n a l l g e m e i n e n V e r t r a u e n s h a f t u n g s t a t b e s t a n d 1 6 als B e g r ü n d u n g s t a t b e s t a n d e i n e r b e t r i e b l i c h e n A l t e r s v e r s o r g u n g a n e r k e n n t , ist d i e s e r i n d i v i d u a l r e c h t l i c h e i n z u s t u f e n , w e i l d a s g e s c h ü t z t e V e r t r a u e n i m m e r n u r d a s des e i n z e l n e n A r b e i t n e h m e r s sein k a n n . A u c h im Ausland, durch einen ausländischen Arbeitgeber oder ausdrücklich nach ausländischem Recht gegebene Versorgungszusagen sind zunächst darauf z u ü b e r p r ü f e n , o b sie auf e i n e m i n d i v i d u a l - o d e r e i n e m k o l l e k t i v r e c h t l i c h e n R e c h t s b e g r ü n d u n g s a k t b e r u h e n . D i e Q u a l i f i k a t i o n als i n d i v i d u a l - o d e r k o l l e k t i v r e c h t l i c h e r f o l g t m i t d e r h . M . 1 7 n a c h d e r lex f o r i . A u c h h i e r k ö n n e n also d i e A b g r e n z u n g s k r i t e r i e n d e s G r o ß e n Senats d e s B A G h e r a n g e z o g e n w e r d e n . In Frankreich etwa sind Einzelzusagen betrieblicher Altersversorgung die Ausnahme. Vom französischen Recht selbst als kollektivrechtlich eingestufte Zusagen können erstens im Wege eines Kollektivvertrages auf der Ebene des Betriebs, des Unternehmens, der U n ternehmensgruppe, einer Branche etc. gegeben werden, zweitens im Wege der einseitigen schriftlichen Zusage des Arbeitgebers an alle Begünstigten oder drittens durch einen von der Mehrheit der Arbeitnehmer eines Betriebes oder eines Unternehmens per Referendum 12 BAG (GS) 16.09. 1986, GS 1/82, AP Nr. 17 zu §77 BetrVG 1972 unter II 1 a) und b) der Gründe. Bei der ausdrücklichen vertraglichen Einheitsregelung werden zahlreiche Einzelverträge nach vorausbestimmtem Plan abgeschlossen. Bei der Gesamtzusage macht der Arbeitgeber ein Angebot an alle Arbeitnehmer eines Betriebes, die die Annahme ihm gegenüber nicht ausdrücklich erklären. Dies ist nach der Verkehrssitte auch nicht zu erwarten (§151 BGB); s. Höf er, BetrAVG, ART Rn.200f., 190. 13 Die Rechtsnatur der betrieblichen Übung ist streitig. Das BAG sieht den auf betrieblicher Übung beruhenden Anspruch als vertraglich begründet an. Vgl. BAG (GS) 16.09.1986, GS 1/82, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972 unter II 1 a) der Gründe. Vgl. auch H-BetrAV/Gnebeling, Ordnr. 30 Rn. 61; Zum ähnlichen Institut von custom and practice im englischen kollektiven Arbeitsrecht Lange, Die betrieblichen Arbeitsbeziehungen in der englischen Privatwirtschaft, S. 201 ff. 14 Höfer, BetrAVG, ART Rn.215ff.; H-BetrAV/Grieheling, Ordnr. 30 Rn.67ff.; Weber/Ehrich, ZIP 1997, 1687f.; zur Möglichkeit eines auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützten Anspruches gemäß einem Sozialplan nach § 112 BetrVG trotz Ausschlusses aus dem Sozialplan; BAG 31.01. 1979, 5 AZR 454/77, AP Nr. 8 zu §112 BetrVG 1972 unter B II 2 b. 15 A.A. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, S. 105, der die betriebliche Übung als kollektiv-arbeitsrechtlichen Rechtsgrund einordnet. 16 Befürwortend H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn. 119ff., 123. 17 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 I, S. 106; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 115; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 169ff. befürwortet zwar eine einheitlich-europäische Qualifikation, läßt aber, falls eine solche scheitert, eine Qualifikation nach der lex fori zu.

260

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

angenommenen Vorschlag der Betriebs- oder Unternehmensleistung 1 8 . Im ersten Fall hegt nach deutschem Verständnis ein Kollektivvertrag vor, im zweiten Fall dagegen eine individualrechtliche Zusage. Im dritten Fall liegt ein dem deutschen Recht fremder Rechtsbegründungstatbestand vor, der kollektivrechtlich zu qualifizieren ist, weil hier eine Bindung auch gegenüber den Arbeitnehmern eintritt, die im Referendum gegen die Annahme des Vorschlags der Unternehmensleitung gestimmt haben. Eine solche Bindung läßt sich nur aus den Besonderheiten des kollektiven Arbeitsrechts in Frankreich, nicht aber mit dem allgemeinen Vertragsrecht erklären 1 9 .

B. Objektive

Anknüpfung

Die Frage nach der Anknüpfung individualrechtlicher Versorgungszusagen läßt sich vom Gesetz oder vom Sachverhalt her stellen 20 . Im ersten Fall lautet sie, wann ein nationales, z.B. das deutsche Betriebsrentenrecht, zur Anwendung berufen ist, im zweiten Fall, welches Recht auf ein Betriebsrentenversprechen Anwendung findet. Allein die zweite Betrachtungsweise vom Sachverhalt her wird der Fragestellung nach den Möglichkeiten und Grenzen eines Wettbewerbs der Altersversorgungsmodelle verschiedener Rechtsordnungen gerecht 21 . Im folgenden wird zunächst die objektive Anknüpfung von Betriebsrentenversprechen behandelt. Darin ist keine Stellungnahme zugunsten eines Vorrangs der objektiven Anknüpfung und auch kein Hinweis auf ein dem Verweisungsrecht fremdes Territorialitätsdenken zu sehen 22 . Diese Vorgehensweise ist vielmehr in der Struktur der nach h.L. und Rechtsprechung im Regelfall einschlägigen Kollisionsnorm des Art. 30 E G B G B begründet. Zwar befaßt sich Art. 30 E G B G B in Abs. 1 mit der Rechtswahl und erst in Abs. 2 mit der objektiven Anknüpfung. Da jedoch die Rechtswahl für Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse durch den Günstigkeitsvergleich beschränkt wird, ist auch, in Rechtswahlfällen stets das mangels Rechtswahl anwendbare und durch diese abgewählte Recht zu bestimmen 23 .

I. Auslandsberührung Die kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Recht stellt sich nur, wenn der zu beurteilende Sachverhalt eine Auslandsberührung aufweist (Art. 3 Abs. 1 S. 1 E G B G B ) 2 4 . Hierfür kann es bei der Beurteilung einer BetriebsrentenReynaud, Protection des Droits de Retraite Complémentaire en France, S.2f. Vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium Kasseler Handbuch/Griebeling, Ordnr. 2.9 Rn. 95. 20 Vgl. zu diesen beiden unterschiedlichen Denkansätzen Kropholler, Internationales Privatrecht, §3 I, S. 1 6 f f J u n k e r , Internationales Arbeitsrecht, S.43ff. 18

19

Vgl .Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.51. Vgl. Gamillschegs Kritik an Birk s Kommentierung im Münchener Handbuch Arbeitsrecht, die vom Vorrang objektiver Anknüpfung durchdrungen sei, den Raum als Anknüpfungspunkt idealisiere und dem Territorialitätsdenken verhaftet sei, Gamillscheg, FS Kissel, S. 242ff. 23 S.u. C.II.2. (S.284ff.). 24 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 1 I., S. 1 f. 21

22

B. Objektive

261

Anknüpfung

zusage genügen, daß der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber ausländischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz bzw. Sitz im Ausland hat, daß der Beschäftigungsbetrieb im Ausland liegt bzw. dorthin verlagert wird oder daß der Arbeitnehmer stets oder zeitweise im Ausland arbeitet. Auch wenn die Betriebsrentenzusage mit einer Rechtswahl verbunden wurde, liegt allein durch diese eine Auslandsberührung vor, die die kollisionsrechtlichen Mechanismen auf den Plan ruft. In der Praxis stellt sich die Frage nach der Anknüpfung von Betriebsrentenzusagen vor allem im internationalen Konzern bei der Entsendung oder Versetzung von Arbeitnehmern zu konzernangehörigen Unternehmen ins Ausland und bei der vorübergehenden oder dauernden Beschäftigung von Arbeitnehmern ausländischer Konzernunternehmen in Deutschland.

II. Bestimmung 1. Anknüpfung

der einschlägigen

nach Art. 30 EGBGB

Kollisionsorm

(Arbeitsvertragsstatut)

Das Kollisionsrecht des E G B G B enthält keine spezielle N o r m zur objektiven Anknüpfung von Ruhegeldversprechen. Die Literatur nimmt nahezu einhellig 25 an, daß das auf das Betriebsrentenverhältnis objektiv anwendbare Recht als eine Frage des Arbeitsverhältnisses nach Art. 30 E G B G B zu bestimmen ist 26 . Trennt man gedanklich das Arbeitsverhältnis im allgemeinen und die Betriebsrentenbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im besonderen, läßt sich insoweit auch von einer akzessorischen Anknüpfung sprechen 2 7 . Für die (akzessorische) Anknüpfung nach Art. 30 E G B G B spricht, daß ein Ruhegeldversprechen „aus Anlaß" eines Arbeitsverhältnisses gegeben wird. Gleich ob man die betriebliche Altersversorgung mit dem B A G 2 8 durch den Entgeltund Vorsorgecharakter oder ausschließlich durch den Entgeltcharakter des R u hegeldes definiert sieht 2 9 , in jedem Fall ist das Betriebsrentenversprechen des Arbeitgebers angelehnt an das Arbeitsverhältnis. Dies gilt auch, wenn das Ruhegeldversprechen einem schon ausgeschiedenen Arbeitnehmer erteilt wird, dessen Ar2 5 Abweichend Eichenhofer, IPRax 1992, 77f., der ein individualvertragliches Betriebsrentenversprechen nach Art. 27 E G B G B anknüpfen möchte; unklar Paulsdorff, Insolvenzsicherung, § 7 Rn. 447, im Anschluß an Fenge, D B 1976, 51 (zum alten IPR).

26 Birk, B e r D G V R , 1978, S.321 (Arbeitsstatut nach altem Kollisionsrecht); M ü n c h A r b R / Birk, § 1 9 R n . 2 0 4 ; Höfer, BetrAVG, A R T R n . l l 8 0 f f . ; M ü n c h A r b R / A h r e n d / F ö r s t e r ; § 1 1 0 R n . 2 5 f . - J u n k e r , Internationales Arbeitsrecht, 244ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1012; Abrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil Rn. 57, 59f.; Franzen, AR-Blattei S D 920, Rn. 159 akzessorische Anknüpfung an das Arbeitsvertragsstatut; E A S / W i n k l e r von Mohrenfels, B 3000 Rn. 129; Staudinger/MagwKj, Art. 30 Rn. 246, der aber die Geltung des BetrAVG dann nicht an das Arbeitsvertragsstatut, sondern selbständig anknüpft (Rn. 247). 1 7 Zum Begriff der akzessorischen Anknüpfung Kropholler, Internationales Privatrecht, § 2 0 V., §53 V.3., S. 130, 465f. Ausdrücklich für eine akzessorische Anknüpfung Hoppe, Entsendung von Arbeitnehmern, S.213ff., 218. 2 8 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa B A G 05.07. 1979, 3 A Z R 197/78, A P N r . 9 zu §242 B G B Ruhegehalt-Unterstützungskassen. 2 9 So die zentrale These bei Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 83 ff., 87 (Ergebnis); a.A. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 160.

262

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

beitsvertrag beendet ist30. Hier kann man (akzessorisch) an die Nachwirkungen des Arbeitsvertrages anknüpfen. Auch eine Deutung des Ruhegeldversprechens als Risikogeschäft, Versicherungsverhältnis oder versicherungsähnliches Geschäft 31 steht einer akzessorischen Anknüpfung nach Art. 30 EGBGB nicht entgegen, da auch dieses Versicherungsverhältnis aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses begründet wird und ein Bestandteil der arbeitsrechtlichen Gesamtbeziehungen ist32. Eine unabhängige Anknüpfung gemäß den Regeln über die Anknüpfung von Versicherungsverträgen 33 würde diesem Zusammenhang nicht gerecht 34 . Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte sich mit der Frage der objektiven Anknüpfung eines Ruhegeldversprechens bislang nur selten zu befassen. Unter der Geltung des alten Kollisionsrechts wandte das BAG auf das Arbeitsverhältnis das Recht des Betriebssitzes an. Hier habe das Arbeitsverhältnis seinen Schwerpunkt, seinen wirtschaftlich technischen Mittelpunkt. Für die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Ruhegehaltsbeziehungen gelte das gleiche35. Seit Geltung des neuen Arbeitskollisionsrechts 36 knüpft sie die Betriebsrentenbeziehung direkt über Art. 30 EGBGB oder akzessorisch an das Arbeitsvertragsstatut an 37 . Wiederholt stellte das BAG fest, einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß alle Ruhegehaltsbeziehungen als am Sitz des Unternehmens zusammengefaßt zu gelten hätten und deshalb nach dortigem Recht zu behandeln seien, gebe es nicht 38 . Das kann unter dem heute geltenden Kollisionsrecht als eine Absage an 30

A u c h hier handelt es sich u m betriebliche Altersversorgung i.S. des Gesetzes. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.30. 31 Vgl. insbesondere Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 153f.; dazu Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 39f.; auch nach Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 178, 183ff. begründet die Ruhegeldzusage ein eigenständiges Versorgungsverhältnis mit versicherungsähnlichen C h a rakter. Es handele sich nicht u m eine F o r t s e t z u n g des Arbeitsverhältnisses mit anderem Inhalt. 32 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 154. 33 Im Ergebnis liegt die arbeitskollisionsrechtliche A n k n ü p f u n g an den gewöhnlichen A r beitsort u n d die versicherungskollisionsrechtliche A n k n ü p f u n g an den gewöhnlichen A u f e n t halt des Arbeitnehmers als Versicherungsnehmer allerdings nicht weit auseinander. Z u m Versicherungsvertragskollisionsrecht unten § 7 B.I.2. (S. 316ff.). 34 Sie wird auch von A n h ä n g e r n der Versicherungstheorie nicht vertreten. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1012 zu Art. 30 E G B G B als einschlägiger Kollisionsnorm. 35 B A G 05.05.1955,2 A Z R 55/53, A P Nr. 4 zu § 242 B G B Ruhegehalt m. A n m . Beitzke = BAG E 2, 18; B A G 13.05. 1959, 1 A Z R 258/57, A P N r . 4 zu Internat. Privatrecht m. A n m . Gamillscheg. 36 Das neue Kollisionsrecht trat am 01.09. 1986 in Kraft (BGBl. 1986 I 1142). Es beruht auf d e m Ü b e r e i n k o m m e n ü b e r das auf vertragliche Schuldverhältnisse a n z u w e n d e n d e Recht v o m 19.06. 1980 (EVU). Die Vereinheitlichung des Arbeitsvertragskollisionsrechts gilt auch f ü r das Verhältnis von Vertragsstaaten zu Drittstaaten. Vgl. Martiny, in: R e i t h m a n n / M a r t i n y , Internationales Vertragsrecht, Rn. 3 ff., 23. 37 O b unabhängig o d e r akzessorisch bleibt unklar. B A G 12.02.1991,3 A Z R 30/90, A P N r . 13 zu § 9 BetrAVG = Z I P 1991, 1022 u n t e r B.I.2. Weitere Rechtsprechungsnachweise bei M ü n c h K o m m I M a r t i n y , Art. 30 Rn. 63. 38 B A G 05.05. 1955, a.a.O.; B A G 13.05. 1959 a.a.O.; B A G 13.12. 1967, 3 A Z R 455/66, A P N r . 11 I P R Arbeitsrecht z u m mutmaßlichen Parteiwillen; B A G 06.08. 1985, 3 A Z R 185/83, A P N r . 24 zu § 7 BetrAVG zu einem Konzernsachverhalt.

B. Objektive

Anknüpfung

263

eine Anknüpfung des Ruhegeldversprechens nach Art. 28 EGBGB verstanden werden. Denn nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB wäre für die Bestimmung des Betriebsrentenstatuts in erster Linie auf die regelmäßig am Unternehmenssitz befindliche Hauptverwaltung 39 des Arbeitgebers, der die vertragstypische Leistung Ruhegeld zusagt, abzustellen. Knüpft man mit der h.M. die Betriebsrentenbeziehung nach Art. 30 EGBGB wie das Arbeitsverhältnis im allgemeinen an, sind die wesentlichen Fragen der Bestimmung des Betriebsrentenstatuts allgemeine Fragen der Anknüpfung im internationalen Arbeitsrecht. Diese Fragen werden unten unter B.III, und C. behandelt. Zunächst soll aber noch ein Blick auf solche Fallgestaltungen geworfen werden, in denen die Betriebsrentenbeziehung nicht nach Art. 30 EGBGB anzuknüpfen ist (unten 2. und 3.)

2. Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB bei Versorgungszusagen an Nicht-Arbeitnehmer und durch Nicht-Arbeitgeber Die Betriebsrentenzusage vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ist der Regelfall, aber nicht die ausschließlich mögliche Gestaltung einer Betriebsrentenbeziehung. Vielmehr werden Betriebsrentenzusagen auch Personen erteilt, die nicht Arbeitnehmer des Zusagenden sind (a), und von Dritten gemacht, die nicht Arbeitgeber der begünstigten Arbeitnehmer sind (b).

a) Betriebsrentenzusage an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind Unternehmen erteilen Betriebsrentenzusagen auch Handelsvertretern, Geschäftsführern 40 , freien Mitarbeitern und sonstigen Personen, die aus deutscher Sicht nicht Arbeitnehmer sind 41 . Für die kollisionsrechtliche Beurteilung von Versorgungszusagen an diese Personen ist Art. 30 EGBGB nicht die einschlägige Kollisionsnorm 42 . In Frage kommt eine akzessorische Anknüpfung der Altersversorgungszusage an das die Vertragsbeziehung zwischen dem Begünstigten und dem Zusagenden regierende Vertragsstatut oder eine autonome Anknüpfung der Betriebsrentenzusage nach Art. 28 EGBGB. Das sei am Beispiel des Handelsvertreters erläutert: Ob der Handelsvertreter ein Arbeitnehmer ist, wird in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet 43 . Im deutschen Recht ist nach § 84 H G B der typischerweise selb-

39 Z u m Auseinanderfallen von H a u p t v e r w a l t u n g u n d Sitz M ü n c h K o m m / M a r t i n y , Art. 28 Rn. 42. 40 Organmitglieder von Kapitalgesellschaften u n d Vereinen ü b e n nach h.M. A r b e i t g e b e r f u n k tionen aus. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 R n . 2 2 f f . 41 Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rn. 81 ff. 42 Offengelassen bei Höf er, BetrAVG, A R T Rn. 1180. 43 Im französischen Recht gilt der V. R.P als Arbeitnehmer. Kropholler, Internationales Privatrecht, §52 III.3.d), S.418; Kindler, R I W 1987, 660, 661 ff .-Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 172.

264

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

ständig tätige Handelsvertreter Unternehmer 4 4 . Diese Qualifikation ist nach h.M. 45 für die internationalprivatrechtliche Anknüpfung maßgeblich mit der Folge, daß das Rechtsverhältnis eines selbständigen Handelsvertreters nicht über Art. 30 EGBGB anzuknüpfen ist, sondern über Art. 28 EGBGB. Nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB ist auf einen Vertrag das Recht der engsten Verbindung anzuwenden. Art. 28 Abs. 2 EGBGB enthält die Vermutung 46 , daß das Recht der charakteristischen Leistung das Recht der engsten Verbindung ist. Den Vertragstyp prägend, also „charakteristisch" ist die Leistung, die den Vertragstyp von anderen unterscheidet. Ein Handelsvertreter erbringt die vertragstypische Leistung am Ort seiner Niederlassung, weshalb das Handelsvertreterstatut nach Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB das Recht seiner Niederlassung ist 47 . Für die Bestimmung des auf eine Betriebsrentenzusage an einen Handelsvertreter anwendbaren Rechts nach Art. 28 EGBGB ist eine autonome Anknüpfung einer akzessorischen Anknüpfung an das Handelsvertreterstatut vorzuziehen. Weder ist die Altersversorgungszusage an einen Handelsvertreter wie im Arbeitsrecht ein typischer, wenn auch nicht notwendiger Entgeltbestandteil, noch verlangt der Schutz des Handelsvertreters eine akzessorische Anknüpfung an das Handelsvertreterstatut. Denn der Handelsvertreter wird regelmäßig mit dem Handelsvertreterrecht am Niederlassungsort am besten vertraut sein, aber kaum mit irgendeinem als Arbeitnehmerschutzrecht konzipierten Betriebsrentenrecht. Die Betriebsrentenzusage an einen Handelsvertreter ist daher autonom nach Art. 28 EGBGB anzuknüpfen. Bei einer selbständigen Betrachtung des Betriebsrentenverhältnisses zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ist die charakteristische Leistung i.S. des Art. 28 Abs. 2 EGBGB die Altersversorgungsleistung des das Ruhegeldversprechen abgebenden Unternehmens. Auf seine Hauptverwaltung ist daher für die Bestimmung des Betriebsrentenstatuts abzustellen. Diese Lösung liegt im Interesse einer effizienten Durchführung der Altersversorgung eines Unternehmens für Handelsvertreter in verschiedenen Staaten. Sind für ein Unternehmen in Deutschland Handelsvertreter mit Niederlassungen in verschiedenen Staaten tätig, kann dieses die Betriebsrentenversorgung dieser Handelsvertreter einheitlich nach deutschem Recht durchführen. Entsprechendes gilt für die Anknüpfung der Betriebsrentenversprechen an andere Personen, die nicht Arbeitnehmer sind. Ist nach Art. 28 EGBGB deutsches 44 Bei ausnahmsweise unselbständiger Vermittlungstätigkeit ist der Vermittelnde Arbeitnehmer (§84 Abs. 2 HGB). Vgl. nur Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S.46. §17 Abs. 1 S.2 BetrAVG ordnet jedoch die entsprechende Anwendung der §§ 1-16 BetrAVG für Personen an, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Das können auch Handelsvertreter sein. MünchArbR/Ahrend/Förster, § 110 Rn.2ff.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rn.94. 45 Zur Qualifikation nach der lex fori Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 I.I., S. 106. 46 Diese Vermutung kann entkräftet werden, Art. 28 Abs. 5 EGBGB enthält ebenso wie Art. 30 Abs. 2 EGBGB eine Ausweichklausel der engeren Verbindung. 47 Kropholler, Internationales Privatrecht, S.418 §52.III.3.d); Soergel/von Hoffmann, Art.30 Rn.8.

B. Objektive

265

Anknüpfung

Betriebsrentenrecht zur Anwendung berufen, entscheidet § 17 BetrAVG, ob der Nicht-Arbeitnehmer nach Abs. 1 S.2 gleichwohl den Schutz des BetrAVG genießt 48 . b) Betriebsrentenzusage aa) Drittzusage

im

durch Unternehmen,

die nicht Arbeitgeber

sind

Konzern

Im Konzern können arbeitsvertragliche Beziehungen des Arbeitnehmers zu mehreren Konzerngesellschaften bestehen, die Arbeitgeberfunktionen können gespalten werden. Es kommt vor, daß eine Gesellschaft den Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt und eine andere, die die Altersversorgung konzernweit organisiert, eine Betriebsrentenzusage erteilt49. Macht ein Konzernunternehmen, das nicht Arbeitgeber des begünstigten Arbeitgebers ist und auch nicht war, eine Versorgungszusage, kann u.U. über ein entsprechendes Verhalten oder eine entsprechende Erklärung des Vertragsarbeitgebers eine Vertrauenshaftung dieses Vertragsarbeitgeber für die Zusage zu begründen sein50. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Betriebsrentenzusage eines konzernangehörigen Drittunternehmens dem Vertragsarbeitgeber nicht zugerechnet werden kann 51 . Die Voraussetzungen, unter denen eine solche isolierte Drittzusage im Konzern als Betriebsrentenzusage i.S. des § 1 BetrAVG zu behandeln ist, sind streitig, vor allem im Hinblick auf die Frage, ob die Drittzusage Insolvenzschutz nach den §§7-15 BetrAVG genießt52. § 1 A b s . 1 B e t r A V G spricht passivisch d a v o n , d a ß einem A r b e i t n e h m e r „aus A n l a ß seines Arbeitsverhältnisses" eine betriebliche A l t e r s v e r s o r g u n g zugesagt w o r d e n ist. D i e Z u s a g e m u ß nicht w ä h r e n d des Arbeitsverhältnisses erfolgen, s o n d e r n k a n n auch v o r dessen Beginn o d e r n a c h dessen B e e n d i g u n g gegeben w e r d e n 5 3 . D a z u , w e r der Z u s a g e n d e ist, sagt das G e s e t z in § 1 A b s . 1 B e t r A V G nichts. D a das G e s e t z aber im f o l g e n d e n i m m e r w i e d e r v o m A r b e i t g e b e r spricht, w i r d z u m Teil geschlossen, d a ß A r b e i t g e b e r u n d Z u s a g e n d e r identisch sein m ü s s e n 5 4 .

48

Vgl. Biomeyer/Otto, BetrAVG, § 17 Rn.44ff. Das deutet auch der zweite Leitsatz der Entscheidung des B A G 25.10. 1988, 3 A Z R 64/87, A P Nr. 46 zu § 7 BetrAVG an, worauf Plagemann in seiner Anmerkung EWiR § 7 BetrAVG 1 /86, 11,12 hinweist. 50 Vgl. hierzu Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S.231ff.; dies, R d A 1998, 98; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 121 ff. zu den „Zurechnungstatbeständen" Schuldbeitritt, Verpflichtungsermächtigung, Vertrauenshaftung. 51 Weyer, Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers, S. 170ff. 52 Insolvenzschutz für die Drittzusage bejahend Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S.232f. wenn zusagendes Drittunternehmen und Vertragsarbeitgeber in einen Konzern mit einheitlicher unternehmerischer Leitung eingebunden sind; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 322; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 127ff., 135; a.A. Schwerdtner, ZIP 1986, 1032; ders. Z f A 1987,198ff.; einschränkend auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 36ff., 1067, der eine G r u n d - oder Restverpflichtung des Vertragsarbeitgebers verlangt. 53 Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.30. 54 So Schwerdtner, Z I P 1986, 1030,1032; ders., Z f A 1987, 198ff.; Stief Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 127ff. plädiert für die analoge Anwendung des § 1 BetrAVG. 49

266

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

Ü b e r diese Wortlautargumente hinaus, wirft die Frage, ob Zusagender i.S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG das Unternehmen sein muß, bei dem der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht, insbesondere im Hinblick auf die Reichweite des Insolvenzschutzes schwierige Probleme auf, die im Zusammenhang der Erörterung des Insolvenzschutzes behandelt werden 55 . Die Streitfrage, ob Zusagender i.S. des § 1 Abs. 1 BetrAVG der Arbeitgeber sein muß, wird indes erst erheblich, wenn deutsches Sachrecht zur Anwendung berufen ist. Die kollisionsrechtliche Frage der Anknüpfung isolierter Betriebsrentenzusagen im Konzern ist dieser sachrechtlichen Frage vorgelagert. Die Zusage eines konzernangehörigen Dritten wird aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses im Konzern gegeben. Die Zusage ist Entgelt für die dem Vertragsarbeitgeber gegenüber erbrachte Arbeitsleistung oder Betriebstreue. Die Drittzusage im Konzern ist nach Art. 28 E G B G B , nicht nach Art. 30 E G B G B anzuknüpfen. Die Regelanknüpfung des Art. 30 E G B G B an den Arbeitsort des Arbeitnehmers ist nicht sachgerecht, da das Spezifikum der Drittzusage ja gerade ist, daß die Arbeitsleistung nicht dem zusagenden Unternehmen gegenüber erbracht wird 56 . Daß die Anknüpfung über Art. 27, 28 E G B G B dem Arbeitnehmer keinen dem Günstigkeitsvergleich der arbeitskollisionsrechtlichen Kollisionsnorm entsprechenden spezifischen Rechtswahlschutz gewährt, ist im Fall isolierter Betriebsrentenzusagen im Konzern hinzunehmen.

bb) Aufrechterhaltung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung bei „endgültiger Versetzung" zu einem konzernangehörigen Unternehmen Ebenfalls nach Art. 28 E G B G B sind Fälle der „Versetzung" ins Ausland zu beurteilen, bei denen das arbeitsvertragliche Band zum Arbeitgeber im Inland - bis auf die Betriebsrentenbeziehung - vollständig gekappt wird und im übrigen ein unbefristeter und auch nicht auflösend bedingter Arbeitgeberwechsel stattfindet, sei es durch Auswechslung des Arbeitgebers als Vertragspartei, sei es durch Beendigung des alten und Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses 57 . Hier soll der Arbeitnehmer nicht zu seinem Arbeitgeber in Deutschland zurückkehren. Aus Gründen, die in der konzerninternen Organisation der betrieblichen Altersversorgung liegen, bleibt aber der Altarbeitgeber zuständig für die Dazu unten §8 C. (S.345ff.). Für die isolierte Drittzusage im Konzern ist daher den von Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.216ff. für den Entsendungsfall vorgetragenen Argumenten zuzustimmen. 57 Zu diesen beiden Gestaltungsmöglichkeiten Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 95ff.; Maschmann, RdA 1996, 32ff. Unklar ist der Begriff der Versetzung im Merkblatt des PSVaG, 300 /M 7 (Stand 10.86) unter 2.2.2. Danach ist Versetzung ins Ausland einerseits „der Ubertritt in ein ausländisches Arbeitsverhältnis, wobei die vertragliche Bindung entfällt, die die Grundlage für die Aufrechterhaltung eines insolvenzgeschützten Versorgungsanspruchs sein könnte". Andererseits bedeute Versetzung aber „die auf unbestimmte Dauer angelegte Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes in einem anderen Betrieb aufgrund Gestaltung durch Arbeitsvertrag". 55

56

B. Objektive

Anknüpfung

267

Betriebsrente und führt die Versorgungszusage aufgrund des letzten Inhaltsgehalts oder des im Ausland erzielten Arbeitsentgelts fort. So war es in dem der B A G - E n t s c h e i d u n g vom 0 6 . 0 8 . 1 9 8 5 zugrundeliegenden Sachverhalt. D i e deutsche Konzernmutter schloß mit dem Arbeitnehmer zunächst einen Arbeitsvertrag und machte eine mittelbare Betriebsrentenzusage über eine zentrale Unterstützungskasse in Deutschland. Auch Auslandsarbeit sollte dabei als Beschäftigungszeit im Rahmen der Betriebsrentenzusage gelten. Nach kurzer Einarbeitung in Deutschland war der Arbeitnehmer fast sieben Jahre in Schweden bei einer Tochtergesellschaft tätig und hatte mit dieser auch einen Arbeitsvertrag. Anschließend wurde er nach Norwegen entsandt und nach knapp drei Jahren durch die norwegische Tochter aus steuerlichen Gründen übernommen 5 8 .

Hier fand nach anfänglich vorübergehenden Entsendungen ins Ausland in Norwegen schließlich ein endgültiger Arbeitgeberwechsel statt. Das arbeitsvertragliche Band zum Altarbeitgeber wurde bis auf die Aufrechterhaltung der Betriebsrentenzusage vollständig gekappt, das Arbeitsverhältnis nicht nur suspendiert. Der frühere Arbeitgeber führte lediglich die Betriebsrentenzusage isoliert weiter. Diese Reduktion des früheren Arbeitsverhältnisses auf die Aufrechterhaltung einer isolierten Betriebsrentenzusage bedingt anders als im Fall einer vorübergehenden Entsendung nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B 5 9 einen Wechsel der Kollisionsnorm. Ebenso wie im Fall der Begründung einer isolierten betriebsrentenrechtlichen Arbeitgeberstellung ist ab dem Arbeitgeberwechsel Art. 28 E G B G B die einschlägige Kollisionsnorm. In einer isolierten betriebsrentenrechtlichen (Rest-)Beziehung zwischen dem zusagenden früheren Arbeitgeber und dem früheren Arbeitnehmer ist die Betriebsrente die vertragstypische Leistung. Eine Gegenleistung des Arbeitnehmers gibt es in diesem Verhältnis nicht. Die Versorgungszusage wird im Hinblick auf die gegenüber anderen konzernangehörigen erbrachte Arbeitsleistung und/oder Betriebstreue fortgeführt. Führt ein Arbeitgeber mit Hauptverwaltung im Inland, der eine Versorgungszusage an einen im Inland tätigen Arbeitnehmer erteilt hat, der anschließend konzernintern zu einem Unternehmen mit Sitz im Ausland wechselt, die Betriebsrentenzusage isoliert fort, führt der Wechsel der Kollisionsnorm nicht zu einem Statutenwechsel. Die Betriebsrentenzusage unterliegt auch nach Art. 28 E G B G B weiterhin dem deutschem Recht 6 0 . Wohl nur theoretisch ist die Fortführung einer Betriebsrentenzusage nach deutschem Recht durch einen Vorarbeitgeber mit Sitz und Hauptverwaltung im Ausland: Hat ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland eine Betriebsrentenzusage an einen in einer deutschen Zweigniederlassung tätigen Arbeitnehmer erteilt, unterliegt diese nach der objektiven Anknüpfung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B an B A G vom 06.08. 1985, 3 AZR 185/83, AP Nr. 24 zu §7 BetrAVG. Dazu unten B.III.2. (S. 273ff.). 6 0 Zur möglichen Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszeiten im Ausland durch den früheren Arbeitgeber unten § 9 A.II. (S.390). 58

59

268

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

den Arbeitsort zunächst dem deutschen Recht. Wechselt der Arbeitnehmer zu einem anderen konzernangehörigen Arbeitgeber und führt das ausländische U n ternehmen die Versorgungszusage isoliert fort, führt die nunmehrige Anwendung des Art. 28 E G B G B zu einem Statutenwechsel vom nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B anwendbaren deutschen zum ausländischen Recht der Hauptverwaltung des früheren Arbeitgebers. Eine Fortführung der Betriebsrentenzusage durch den ausländischen Vorarbeitgeber nach deutschem Recht wäre nur im Wege der Rechts wähl zu erreichen 6 1 .

cc) Drittzusage

außerhalb

eines

Konzerns

Die Versorgungszusage eines Dritten außerhalb von Konzernverbindungen ist - im Gegensatz zur Drittzusage im Konzern - ein wohl nur theoretisches Problem, als solches aber eine Überlegung wert: Ein Arbeitgeber verzichtet bewußt auf eine Versorgungszusage gegenüber seinen Arbeitnehmern und begründet auch keinerlei Vertrauenstatbestand bezüglich einer Zusatzaltersversorgung. Er schließt aber mit einem versprechenden Drittunternehmen einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter, nämlich seiner Arbeitnehmer. Hier wäre er anders als im Fall einer mittelbaren Versorgungszusage vom Risiko jeglicher Ausfallhaftung frei und lediglich zur Zahlung des im Verhältnis zum Drittunternehmen vereinbarten Dienstleistungsentgelts verpflichtet. Eine solche Konstruktion könnte dem Arbeitgeber dazu dienen, die Betriebsrente zur sozialen Wohltat zu deklarieren und aus der Entgeltbeziehung zum Arbeitnehmer herauszulösen sowie die Unternehmensbilanz von Versorgungsrückstellungen zu befreien 62 . O b eine solche Überlegung auf Arbeitgeberseite zur Bereitstellung einer Sozialleistung ohne arbeitsrechtliche Fesseln einen Markt für die Dienstleistung „Erteilung und Durchführung von Versorgungszusagen" für die versprechenden Drittunternehmen eröffnen könnte, soll hier dahinstehen. Kollisionsrechtlich wäre die Zusage an den Arbeitnehmer durch den Dritten auch hier nach Art. 27, 28 E G B G B anzuknüpfen. Das ließe sich im Fall eines echten Vertrages zugunsten Dritter auch damit begründen, daß die hauptvertragliche Beziehung zwischen dem zusagenden Dritten und dem Arbeitgeber Art. 27, 28 E G B G B unterstünde. D e m folgte akzessorisch die Forderungsbeziehung zwischen dem begünstigten Arbeitnehmer und dem versprechenden Drittunternehmen. Das Valutaverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre gesondert anzuknüpfen 6 3 . Wäre danach deutsches Recht zur Anwendung auf die Versorgungszusage des

61 Dazu, daß auf diesem Weg aber kein Insolvenzschutz nach den § § 7 - 1 5 BetrAVG begründet werden kann und daher nur nicht sicherungspflichtige Durchführungswege in Frage kommen unten §8 C.II.2.a) (S.365). 62 Zu letzterem Aspekt, der bei den Reformüberlegungen der sog. Gerke-Kommission eine Rolle spielt, Blomeyer, ZIP 1998, 1738. 63 Zum Vertrag zugunsten Dritter Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn.353; von Hoffmann, § 9 Rn.52.

B. Objektive

269

Anknüpfung

D r i t t e n b e r u f e n , w ä r e das B e t r A V G u n a n w e n d b a r 6 4 . M a n g e l s eines Z u r e c h n u n g s z u s a m m e n h a n g s K o n z e r n 6 5 f e h l t e es h i e r an e i n e m s a c h l i c h e n G r u n d , d e n D r i t t e n i m R a h m e n des B e t r i e b s r e n t e n g e s e t z e s w i e einen A r b e i t g e b e r zu b e h a n deln u n d d e m I n s o l v e n z s i c h e r u n g s s y s t e m ü b e r d e n P S V a G a n z u s c h l i e ß e n .

3. Akzessorische

Anknüpfung

a) Auseinanderfallen

an das

Sozialversicherungsstatut

von Sozialversich er ungs- und

Betriebsrentenstatut

K n ü p f t m a n die b e t r i e b l i c h e A l t e r s v e r s o r g u n g n a c h A r t . 3 0 E G B G B an, k ö n nen S o z i a l v e r s i c h e r u n g s - u n d B e t r i e b s r e n t e n s t a t u t a u s e i n a n d e r f a l l e n 6 6 . Das deutsche internationale Sozialversicherungsrecht findet sich in § 3 0 Abs. 1 S G B I und §§ 3 - 6 S G B IV. Es gilt das Territorialitätsprinzip i.S. eines Beschäftigungsortprinzips 6 7 . Für grenzüberschreitende Tätigkeiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft werden die Bestimmungen des S G B IV durch die V O ( E W G ) Nr. 1408/71 und 574/72 überlagert und weitgehend verdrängt 6 8 . Für den praktisch wichtigsten Fall der Entsendung bestimmt Art. 14 Ziff. 1 V O ( E W G ) Nr. 1408/71, daß das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates bis zu einer Dauer von 12 Monaten fortgilt mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um weitere 12 Monate, nach Art. 17 V O ( E W G ) Nr. 1408/71 ausnahmsweise auch darüber hinaus 6 9 . Zu einem Auseinanderfallen von Betriebsrenten- und Sozialversicherungsstatut k a n n es e t w a k o m m e n , w e n n bei einer länger a n d a u e r n d e n A u s l a n d s e n t s e n d u n g ausländisches S o z i a l v e r s i c h e r u n g s r e c h t auf das A r b e i t s v e r h ä l t n i s a n w e n d b a r ist, die B e t r i e b s r e n t e n z u s a g e a b e r v o m i n l ä n d i s c h e n e n t s e n d e n d e n U n t e r n e h men gemäß Art. 30 A b s . 2 Nr. 1 E G B G B nach deutschem R e c h t fortgeführt wird. D i e A b s t i m m u n g der B e t r i e b s r e n t e n v e r s o r g u n g auf den

Sozialversicherungs-

s c h u t z bei A l t e r u n d Invalidität ist d a n n s c h w i e r i g e r als bei e i n e m G l e i c h l a u f der S t a t u t e 7 0 . M i t einer a k z e s s o r i s c h e n A n k n ü p f u n g der b e t r i e b l i c h e n A l t e r s v e r s o r Ebenso Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.38; Schwerdtner, ZfA 1987, 198ff. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 233 verlangt etwa eine Konzernbindung mit einheitlicher unternehmerischer Leitung. 66 Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, S. 106. 67 Zur Problematik des Begriffs der Territorialität im internationalen Sozialrecht vgl. Louven/ Louven, NZA 1991, 497ff. 68 Vgl. ausführlich Louven/Louven, NZA 1992, 9ff. 6 9 Von der Ausnahmebestimmung des Art. 17 VO (EWG) 1408/71 wird weit verbreitet Gebrauch gemacht. Arbeitnehmer können im Falle einer Versetzung bei einer entsprechenden Vereinbarung j edenfalls bis zu 5 Jahre weiterhin dem Sozialversicherungssystem ihres Heimatstaates anzugehören. Vgl. Arbeitspapier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev.l. S.10; Steinmeyer in Nomos-Kommentar zum europäischen Sozialrecht, 1.17 S.l Rn.3. Vgl. zu einem Fall der Ausnutzung der Entsendebestimmungen durch den Arbeitgeber, um in den Genuß der niedrigeren Lohn(neben)kosten im Entsendestaat zu kommen, der Vorlagebeschluß des B G H an den EuGH, B G H 28.10. 1998, I X ZR 106/97, WM 1998, 2439. 70 Dazu aus der Praxis Jay, in: Betriebliche Altersversorgung im Umbruch, S. 474; Gable, ebendort, S. 494ff., 504. Die Kommission meint, es sei für Wanderarbeitnehmer „logisch", einem Betriebsrentensystem anzugehören, das mit dem Sozialversicherungssystem, dem sie angehören, im Einklang stehe, es bestehe aber kein Bedürfnis an (völliger) Ubereinstimmung. Vgl. Arbeits64 65

270

§6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

gung an das Statut der Sozialversicherung ließe sich ein solches Auseinanderfallen der Statute ausschließen.

b) Akzessorische Anknüpfung

der betrieblichen

Altersversorgung

Gegen eine akzessorische Anknüpfung an das Sozialversicherungsstatut spricht allerdings, daß damit im Ergebnis die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs der V O ( E W G ) 1408/71 nicht ernst genommen würde. Die Bestimmungen des internationalen Sozialrechts der Art. 1 3 - 1 7 a V O ( E W G ) Nr. 1408/ 71 erfassen nur die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit. Art. 4 Abs. 1 und 2 der V O legt den sachlichen Geltungsbereich auf Leistungen bei Alter fest, zu denen der Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften verpflichtet ist. Leistungen aufgrund von Tarifverträgen, selbst wenn sie für allgemeinverbindlich erklärt wurden, werden aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung des Art. 1 lit. j nicht von der V O erfaßt 7 1 .

Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der V O sind damit jedenfalls auf die betriebliche Altersversorgung i.S. des BetrAVG, gleich ob individual- oder kollektivvertraglich zugesagt, unanwendbar 72 . Allerdings sah Art. 7 des Verordnungsvorschlags zum internationalen Arbeitsrecht von 1972 73 vor, daß „Ansprüche gegen den Arbeitgeber oder gegen andere Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit den durch die gesetzlichen Vorschriften über die soziale Sicherheit gedeckten Risiken stehen", sich nach der Rechtsordnung richten, die nach den Vorschriften über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer anzuwenden ist. Diese Gleichschaltung mit dem Sozialversicherungsstatut umfaßte vom Wortlaut der Vorschrift her auch die betriebliche Altersversorgung, da sie im Zusammenhang mit dem durch die gesetzliche Rentenversicherung gedeckten Risiko „Alter" steht. In der Begründung zu Art. 7 des Verordnungsvorschlags hieß es, diese Bestimmung solle verhindern, daß der Arbeitnehmer sozial schutzlos werde, wenn - wie dies in einigen Rechtsordnungen der Fall sei - an Stelle der Institutionen der sozialen Sicherheit der Arbeitgeber die Sozialleistungen für eine bestimmte Zeit - vor allem in Form der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit - zu tragen habe 74 . papier Grenzüberschreitende Mitgliedschaft, XV/2040/92-DE rev. 1, S.9,11. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, S. 106 nennt die Divergenz der Statute erträglich. 71 Auch Leistungen berufsständischer Versorgungswerke, die zur Eigenvorsorge zu rechnen sind, werden nicht erfaßt, vgl. Anhang II I C. 72 Ebenso Steinmeyer, FS Kissel, S. 1171. 73 Vorschlag einer Verordnung ( E W G ) des Rates über das auf Arbeitsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft anzuwendende Konfliktrecht, ABl. E G Nr. C 49/26 vom 18.05. 1972; Art 8 lit. d des geänderten Vorschlags einer Verordnung ( E W G ) des Rates über das auf Arbeitsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft anzuwendende Konfliktrecht vom 28.04.1976, K O M (75) 653 nahm „garantierte Mindestlöhne und ähnlich garantierte Leistungen des Arbeitgebers" von der Rechtswahl aus. Auch darunter könnten Betriebsrenten zu fassen sein. So Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 95; Gamillscheg, RabelsZ 37 (1973) 310f. erwähnt als Beispiele akzessorischer Anknüpfung nur die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Haftungsauschluß bei Arbeitsunfällen. 74 RabelsZ 37 (1973) 593.

B. Objektive

Anknüpfung

271

Diese ratio der Vorschrift trifft indessen nur, soweit die betriebliche Altersversorgung an die Stelle der Sozialrente tritt. In Deutschland ergänzt die Betriebsrente die gesetzliche Altersrente nur als zweite Säule und ersetzt sie nicht. Daher gibt es kein zwingendes Bedürfnis eines Gleichlaufs von Sozialversicherungsu n d Betriebsrentenstatut. Dagegen ist im englischen System des „contracting out", bei dem eine betriebliche Altersversorgungszusage staatliche Rentenleistungen teilweise ersetzt 75 , ein Gleichlauf von Sozialversicherungs- u n d Betriebsrentenstatut zwingend geboten. Mittel hierzu ist eine akzessorische A n k n ü p f u n g einer solchen Betriebsrentenzusage an das Sozialversicherungsstatut 7 6 . Wieder anders ist es im schweizerischen System einer zweiten von Gesetzes wegen obligatorischen Säule der Alterssicherung nach dem BVG 7 7 . Art. 5 Abs. 1 BVG bestimmt, daß diesçs Gesetz nur f ü r Personen gilt, die bei der eidgenössischen Alters-und Hinterlassenenversicherung (AHV) 7 8 versichert sind. In dieser Sachnorm des schweizerischen Rechts versteckt sich eine Kollisionsnorm 7 9 , die einen Gleichlauf von Sozialversicherungs- u n d obligatorischem Betriebsrentenstatut gewährleistet. Anspruch auf eine obligatorische Betriebsrente haben nur Arbeitnehmer, die unter schweizerischem Sozialversicherungsstatut arbeiten. Auch in den auf tarifvertraglicher Grundlage errichteten französischen Systemen A R C C O und A G I R C 8 0 sind seit dem Gesetz von 1972 alle Arbeitnehmer, die Pflichtmitglieder des allgemeinen Sozialversicherungssystems sind, z u m Beitritt verpflichtet. Die A R C C O - u n d A G I R C - S y s t e m e weisen in zahlreichen Punkten die gleichen Merkmale wie die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme auf, werden allerdings durch die Sozialpartner selbständig verwaltet 8 1 . Sie hatten lange Zeit eine Zwitterstellung zwischen erster und zweiter Säule der Alterssicherung inne und waren nicht dem System der sozialen Sicherheit i.S. der V O ( E W G ) 1408/71 unterstellt 8 2 . Wegen des durch den französischen Gesetzgeber herbeigeführten Gleichlaufs von Sozialversicherungspflicht nach französischem Recht und obligatorischer Zusatzaltersversorgung in den beiden großen Zusatzrentensystemen in Frankreich war jedoch auch hier die vom Arbeitsvertragsstatut unab75

Vgl. Hosking's Pension Schemes, R n . 9 - 4 3 f f . , S.225ff.; Bittner, BetrAV 1994, 211 ff. D.h. aber nicht, daß die englische Zusatzrente der V O ( E W G ) 1408/71 unterfällt. So auch Birk, VSSR 1977,25. 77 Bundesgesetz ü b e r die berufliche Alters-, Hinterlassenen- u n d Invalidenvorsorge v o m 25.06. 1982 (BVG). 78 Bundesgesetz ü b e r die Alters- u n d Hinterlassenenversicherung v o m 20.12. 1946. 79 Z u m Begriff der versteckten Kollisionsnorm Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 92 f. § 12 IV oder selbstgerechten Sachnorm, Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 261 f. 80 S.o. §5 C. (S.240ff.). 81 Reynaud, Protection des Droits de Retraite C o m p l é m e n t a i r e en France, S. 166ff. 82 Vgl. Art. 1 lit j i.V. m. A r t . 4 A b s . l u n d A r t . 9 7 V O ( E W G ) 1408/71. Frankreich hatte z u nächst n u r sein System der Arbeitslosenversicherung gemäß Art. 97 notifiziert u n d publiziert und damit d e m Regelungsbereich der V O unterstellt. Vgl. Schulte, in N o m o s - K o m m e n t a r z u m europäischen Sozialrecht, Allgemeine Vorschriften 1.1 Rn. 41 ; Birk, VSSR 1977,26; E u G H 16.01. 1992, Rs. C-57/90, Kommission/Frankreich, Slg. 1-75 R n . l 8 f . ; bestätigt in E u G H 24.09. 1998, Rs. C-35/97, Kommission/Frankreich, Tätigkeitsbereicht 21/98, S. 11. 76

272

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

hängige akzessorische Anknüpfung an das Sozialversicherungsstatut positivrechtlich entschieden 83 . Die Regeln der Systeme A R C C O und A G I R C folgten für den Fall der Entsendung den Regeln des internationalen Sozialrechts. Besondere Regeln bestanden für die freiwillige Anwendung der Kollektivvereinbarungen auf dauerhaft im Ausland tätige Arbeitnehmer von Unternehmen mit Sitz in Frankreich und für den freiwilligen Beitritt ausländischer Unternehmen für im Ausland tätige Arbeitnehmer sowie die individuelle Absicherung leitender Angestellter 8 4 .

Durch die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche, RL 98/49/ EG, sahen sich die Träger der A R C C O - und AGIRC-Systeme zu einer Wahl zwischen erster und zweiter Säule der Alterssicherung veranlaßt. Mit der Einbindung der Systeme A R C C O und A G I R C in den Geltungsbereich der V O (EWG) 1408/71 mit Wirkung zum 1. Januar 2000 85 ist nunmehr die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation dieser Zusatzversorgungssysteme positiv entschieden.

III. Anwendung 1. Gewöhnlicher

des Art. 30 Abs. 2 EGBGB

Arbeitsort Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB

Regelanknüpfungspunkt nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ist der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers 86 . Damit folgt Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB im Ansatz dem Grundgedanken des Art. 28 EGBGB. Der gewöhnliche Arbeitsort ist der Ort der charakteristischen Leistung im Arbeitsverhältnis 87 . Der Sitz des Arbeitgebers spielt bei der Regelanknüpfung keine Rolle. Betriebsrentenversprechen an Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Deutschland unterliegen daher dem deutschen Recht, gleich ob ihr Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat 88 . Damit ist auch auf die Betriebsrentenzusage an gewöhnlich in einer inländischen rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung oder Betriebsstätte eines ausländischen Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer deutsches Recht anwendbar 89 .

Lyon-Caen/Lyon-Caen, S.84f. Rn. 107f. Lyon-Caen/Lyon-Caen, S.84f. Rn. 107f. 85 S.o. §5 C. (S.240ff.). 86 Vgl. BAG 12.02. 1991, 3 AZR 30/90, AP Nr. 13 zu §9 BetrAVG = ZIP 1991, 1022 (Vorinstanz LAG Köln 18.10.1989,5 Sa 427/89, ZIP 1990,667) zur Anknüpfung der arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehungen im allgemeinen und der Versorgungsansprüche im besonderen der in einer inländischen Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer einer amerikanischen Arbeitgeberin (unter Einschaltung einer deutschen Unterstützungskasse) nach 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. 87 Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 61; MünchKomm/Martiny, Art. 30 Rn. 30 betont demgegenüber die Abweichungen gegenüber Art. 28 EGBGB. 88 Zur Arbeit in einer Zweigstelle MünchKomm/Martiny, Art. 30 Rn. 32; Soergel/von H o f f mann, Art. 30 Rn. 36. 89 So wäre es auch im Fall BAG 12.02.1991,3 AZR 30/90, AP Nr. 13 zu § 9 BetrAVG gewesen, hätte das Gericht nicht auf die Ausweichklausel zurückgegriffen. Daß die Arbeitnehmer der 83 84

B. Objektive

2. Vorübergehende Entsendung Abs. 2 Nr. 1 EGBGB a) „Bloße

273

Anknüpfung

in einen anderen

Staat i.S. von Art. 30

Delegation"

Im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung unproblematisch sind Entsendungsfälle, in denen der Arbeitnehmer an einen anderen als seinen gewöhnlichen Arbeitsort entsandt wird, ohne daß er arbeitsvertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber des Betriebes, in den er entsandt wurde, aufnimmt („bloße Delegation" 9 0 ). Wird ein Arbeitnehmer zur Erledigung bestimmter Arbeiten (z.B. Montage, andere Dienstleistungen) und damit vorübergehend ins Ausland entsandt, bleibt - vorbehaltlich der Wahrnehmung bestimmter Arbeitgeberrechte durch die Gesellschaft im Ausland, etwa des Direktionsrechts für den konkreten Arbeitsablauf am Arbeitsort und die Einhaltung örtlicher Sicherheitsvorschriften 91 - auf sein Arbeitsverhältnis einschließlich der betriebsrentenrechtlichen Bestandteile das Recht seines gewöhnlichen Arbeitsortes in Deutschland anwendbar 9 2 .

b) „ Entsendung mit vorgesehener aa) Wechsel der einschlägigen

Rückkehr"

und

Ruhensvereinbarung

Kollisionsnorm?

Problematischer sind Fälle der konzerninternen Entsendung, in denen ein Arbeitsverhältnis im Ausland eingegangen, der Arbeitnehmer, anders als bei einer bloßen Delegation, am ausländischen Arbeitsort vertraglich und organisatorisch in den Betrieb eingebunden wird 9 3 . Eine solche Entsendung eines Mitarbeiters für einen begrenzten oder auch offengelassenen Zeitraum vom inländischen Arbeitgeberunternehmen zu einer ausländischen Tochtergesellschaft ist gängige Praxis im internationalen Konzernverbund. Häufig wird ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit dem inländischen Unternehmen vereinbart 94 . Dieses erhält die Beamerikanischen Gesellschaft unter Einschaltung der Hauptniederlassung in London eingestellt wurden, blieb i.E. unbeachtlich. 9 0 Dazu Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn.34f. Die Terminologie in der Literatur ist uneinheitlich. Vgl. etwa die Termini „Dienstreise", „Abordnung", „Versetzung", „Ubertritt" bei Richter/Schanz, B B 1994, 397. Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.219 spricht von „qualifizierter Entsendung", wenn die entsendende Gesellschaft Arbeitgeberrechte abtritt. Die im folgenden benutzten Begriffe der „bloßen Delegation", „Entsendung" und „Versetzung" sind keine Rechtsbegriffe. Sie dienen nur der Orientierung. 91 Zur Verdrängung des Vertragsstatuts durch die am Arbeitsort geltenden Bestimmungen über die Art und Weise der Erfüllung Lorenz, RdA 1989, 223 f.; anders Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.219f. zu der sog. „qualifizierten Entsendung". 92 Von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II, Rn. 529. 93 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 36ff. sprechen hier von einer „befristeten Versetzung"; zum Konzernprivileg der Arbeitnehmerüberlassung, Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 A U G , Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 228ff.; Schüren, A Ü G , Art. 1 § 1 Rn. 726ff., 730, 639 Privilegierung auch der gewerbsmäßigen konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung; insoweit anders Becker/Wulfgramm, A Ü G , Art. 1 § 1 Rn. 113 f. 94 Windhichler, ZIAS 1995, 641.

274

§ 6 Kollisionsrecht

individualrechtlicher

Versorgungszusagen

triebsrentenzusage aufrecht und führt sie auf der Grundlage eines fiktiven Inlandsgehalts während der Auslandsentsendung fort mit dem Ziel, daß der Arbeitnehmer bei Rückkehr in das inländische Unternehmen nicht schlechter steht, als wenn er im Inland verblieben wäre 9 5 . Einschlägige Kollisionsnorm ist auch hier Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B 9 6 . Das ruhende Rumpf- oder Stammarbeitsverhältnis beurteilt sich nach dem bis zum Eintritt des Ruhens gewöhnlichen Arbeitsort im Entsendestaat 9 7 . Auf das aktive Arbeitsverhältnis zum aufnehmenden Arbeitgeber ist das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes im Aufnahmestaat anwendbar 9 8 . Nach a.A. sind auf das ruhende Rumpf- oder Stammarbeitsverhältnis die Art. 27, 28 E G B G B anzuwenden, da hier die Hauptpflichten suspendiert seien, Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B aber gerade auf den O r t der Erfüllung der Hauptpflicht Arbeitsleistung abstelle 99 . Das überzeugt nicht. Nach dieser Auffassung wechselt in Entsendungsfällen, bei denen ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses zum entsendenden Arbeitgeber vereinbart wird, die auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Kollisionsnorm. Das führt, wenn der Sitz des Arbeitgebers in Deutschland liegt, regelmäßig nicht zu einem Statutenwechsel. In Fällen aber, in denen der Arbeitnehmer in Deutschland eingestellt wurde und in Deutschland arbeitete, sein Vertragsarbeitgeber aber seinen Sitz im Ausland hat, würde die Anwendung des Art. 28 Abs. 2 E G B G B zum Sitz des Arbeitgebers als des Erbringers der charakteristischen Leistung des ruhenden Arbeitsverhältnisses und damit ins Ausland führen. Das ist angesichts des vorübergehenden Charakters der Entsendung zur Aufrechterhaltung der Betriebsrentenbeziehung nicht sachgerecht. Der Wechsel der anwendbaren Kollisionsnorm wird der Interessenlage beider Parteien nicht gerecht, die ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen ruhen lassen, aber gerade nicht in ihrem Charakter ändern wollen. Es besteht kein Grund, das ruhende Stammarbeitsverhältnis nicht weiterhin über Art. 30 E G B G B anzuknüpfen, wobei wie in anderen Entsendungsfällen auch der gewöhnliche Arbeitsort vor der Entsendung maßgeblich ist. D a ß die Parteien in diesen Fällen meist eine Rechts-

95 Gable, in: Betriebliche Altersversorgung im Umbruch, S.494ff.; Birk, IPRax 1984,137,140; Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 19ff.; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 213 ff.; 321 f.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn.36ff., 78; Richter/Schanz, B B 1994, 397ff., 406; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.219f., 321 f.; unergiebig zu Ruhensvereinbarungen bei konzerninternen (Auslands-)Entsendungen Dikomey, Das ruhende Arbeitsverhältnis. 9 6 Ebenso Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 55; wohl auch Däubler, R I W 1987, 254 (das Rumpfarbeitsverhältnis mit der entsendenden deutschen Muttergesellschaft unterliege eindeutig deutschem Recht); a.A. Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.216ff. 9 7 I.E. ebenso MünchKomm/Martiny, Art. 30 Rn.38, 38a, der dieses Ergebnis allerdings auf Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 2 Hs.2 stützt. 9 8 Ebenso MünchKomm/Martiny, Art. 30 Rn. 38a, allerdings nur für dauerhafte Entsendungen. Im Falle nur vorübergehender Entsendungen soll auch auf das lokale zweite Arbeitsverhältnis das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes im Entsendestaat maßgeblich sein. Für die Frage der Fortführung des Betriebsrentenverhältnisses kommt es allein auf das auf das ruhende Arbeitsverhältnis anwendbare Recht an. 99 Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 216 ff.

B. Objektive

Anknüpfung

275

Wahlvereinbarung treffen 100 , so daß ein Wechsel der Kollisionsnorm auch dann ohne Konsequenzen bleibt, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat, entschärft zwar die Gefahr eines Statutenwechsels, macht aber die objektive Anknüpfung des ruhenden Arbeitsverhältnisses nach Art. 28 E G B G B in Entsendungsfällen nicht grundsätzlich sachgerechter. Die vorübergehende Zugehörigkeit zum ausländischen Betrieb des gleichen Unternehmens zählt unproblematisch als Betriebszugehörigkeitszeit unter dem Betriebsrentengesetz 101 . Aber auch wenn der ausländische Betrieb, in den der Arbeitnehmer entsandt wurde, zu einem anderen konzernangehörigen Unternehmen gehört, spricht nichts dagegen, diese Zeit als Betriebszugehörigkeitszeit unter dem BetrAVG anzuerkennen, solange das arbeitsvertragliche Band mit dem entsendenden Arbeitgeber nicht gelöst wurde und die Entsendung ihren vorübergehenden Charakter nicht verloren hat 102 .

bb) Vorübergehender

Charakter

der

Entsendung

Bei Anwendung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B ist streitig, wann eine Entsendung ihren „vorübergehenden" Charakter i.S. dieser Vorschrift verliert 103 . Einigkeit besteht wohl insofern, als Entsendungen zu konzernangehörigen Unternehmen, die nicht länger als ein Jahr dauern und bei denen dem Arbeitnehmer eine Rückkehr in sein Stammunternehmen garantiert ist, unter den Begriff der vorübergehenden Entsendung fallen 104 . Streitig ist, wie weit die zeitliche Grenze ausgedehnt und ob eine zeitliche Grenze nicht völlig fallengelassen werden kann zugunsten des Kriteriums „endgültige Lösung vom alten Arbeitgeber". Zu diesen Fragen werden alle erdenklichen Schattierungen von Antworten vertreten. Eine starre zeitliche Grenze könnte nur der Gesetzgeber gebunden durch das Willkürverbot festlegen. Zwingende Gründe für eine ein-, zwei-, fünfjährige oder andere Höchstgrenze gibt es nicht 105 . Eine Abstimmung mit den sozialversicherungsrechtlichen Entsendungsregeln erscheint praktisch, ist aber zwingend nur i.S. einer Mindestanforderung: Indem Art. 6 Abs. 1 R L 98/49/EG fordert, daß die Betriebsrentenzusage während einer Auslandsentsendung, während der das Sozialversicherungsstatut nicht wechselt (Art. 3 lit. e), fortgeführt werden können soll, gebietet sie, daß die Entsendung jedenfalls während dieses Zeitraums ihren vorübergehenden Charakter behält. Die Richtlinien-Bestimmungen zur Freizügigkeit haben insoweit kollisionsrechtliche Auswirkungen. Praktisch heißt das, So Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 217. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn. 74; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 117 zum internrechtlichen Fall. 102 Unter der Betriebszugehörigkeit ist nach der Rechtsprechung des B A G die Unternehmenszugehörigkeit zu verstehen. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rn. 92, 117 und unten § 9 A. I. 103 Dazu Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 183 m.w.N. 104 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht 9. Teil, Rn.26ff. 105 Ebenso MünchKomm/Merg, EU-/EG-Vertrag, Art. 60 Rn. 42 zum Vorrang der Regeln des Ursprungslandes, es sei denn, die Mitgliedstaaten schränken dieses Prinzip wie im Fall der Entsende-Richtlinie ein. 155 E u G H 27.03. 1990, Rs. C - l 13/89, Rush Portuguesa ,Slg. 1-1417, Rn.18, 16; bestätigt in E u G H 09.08.1994, C-Rs. 43/93, Vander Eist, Slg. 1-3803; erneut bestätigt in E u G H 28.03.1996, Rs. C-272/94, Guiot/Climatec, Slg. 1-1905; E u G H 23.11. 1999, verb. Rs. C-369/96 und C-376/ 96, Arblade und Leloup, AP N r . l zu Art. 59 EG-Vertrag = N Z A 2000, 85 = ZIP 1999, 2168 m. Anm. Däubler.

C. Verhältnis von Kollektivvertragsstatut

und Arbeitsverhältnisstatut

443

scher Unternehmen beansprucht 156 . Die europäischen Grundfreiheiten gebieten aber eine solche Anwendung nicht. Insbesondere ist auch die Freizügigkeit nicht materiell i.S. einer möglichst vollständigen arbeitsrechtlichen und auch sozialrechtlichen Gleichstellung auch der für eine nur vorübergehende Beschäftigung aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmer zu verstehen 157 . b) Lösungsmodell des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes der Entsende-Richtlinie

und

Ein für allgemeinverbindlich erklärter Altersversorgungstarifvertrag für eine bestimmten Branche macht eine Zusatzversorgung zur Pflicht und verteuert dadurch die Arbeitsleistung auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber. Werden nach ausländischem Recht beschäftigte, nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer von einem Altersversorgungstarifvertrag nicht erfaßt, auch wenn dieser für allgemeinverbindlich erklärt wurde, kann sich hieraus ein Wettbewerbsvorteil der in Deutschland mit entsandten, nach ausländischem Recht beschäftigten Arbeitnehmern tätigen ausländischen Unternehmen ergeben. Daraus ist aber nicht der Schluß zu ziehen, die Allgemeinverbindlicherklärung müsse Eingriffscharakter haben und sich auch gegenüber dem ausländischen Arbeitsvertragsstatut durchsetzen. Selbst wenn man mit dem Argument des Schutzes tarifgebundener vor der Konkurrenz nicht tarifgebundener Arbeitnehmer im Rahmen des § 5 TVG das öffentliche Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung begründet 158 , rechtfertigt dies noch keine internationale Erstreckung der Allgemeinverbindlicherklärung durch Sonderanknüpfung. Es erscheint widersinnig, Tarifnormen, die die tarifgebundenen Arbeitgeber im europäischen Wettbewerb unterlegen machen, weil sie zu nicht konkurrenzfähigen Kosten führen, mit der Allgemeinverbindlicherklärung zum Gegenstand des positiven ordre public zu machen 159 . Führen diese Arbeitsbedingungen wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit in letzter Konsequenz zu Insolvenzen auf Arbeitgeberseite und Arbeitslosigkeit auf Arbeitnehmerseite, kann von einer „funktionierenden Regulierung der Arbeitsbedingungen" 160 gerade nicht die Rede sein. Der Schwellenwert für soziale Mindeststandards ist dann jedenfalls unterhalb dieses Niveaus existenzvernichtender Arbeitsbedingungen zu suchen.

156 Kritisch hierzu oben § 2 C.III.2.a)cc) (S.lOOf.). S. auch Vorlagebeschluß des B G H an das BVerfG 18.01. 2000, K V R 23/98, N Z A 2000, 327 = J Z 2000, 514 unter B.I.4. z u m Zwang in gesetzlichen Vergaberichtlinien zur Abgabe einer Tariftreueerklärung. 157 So aber Hanau, in: von M a y d e l l , Soziale Rechte in der EG, S.55, 65f. 158 Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S.144ff.; Kempen/Zachert, TVG, §5 R n . l . 159 Ebenso mit weiteren A r g u m e n t e n Gerken/Löwisch/Riehle, BB 1995, 2370ff., 2374. 160 Vgl. Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S.208f.

444

§10 Kollisionsrecht

kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

A l l e r d i n g s s e h e n s o w o h l das A r b e i t n e h m e r - E n t s e n d e G 1 6 1 als a u c h die E n t s e n d e - R i c h t l i n i e 1 6 2 v o r , d a ß d e u t s c h e in e i n e m f ü r a l l g e m e i n v e r b i n d l i c h e r k l ä r t e n T a r i f v e r t r a g f e s t g e s c h r i e b e n e A r b e i t s b e d i n g u n g e n a u c h f ü r aus d e m A u s l a n d n a c h D e u t s c h l a n d entsandte A r b e i t n e h m e r gelten, auch w e n n diese nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen ausländischem Arbeitsverhältnisstatut

unterliegen163.

D a r a u s ist a b e r n i c h t z u s c h l i e ß e n , d a ß s i c h ein T a r i f v e r t r a g g e n e r e l l g e g e n ü b e r ein e m a n d e r e n A r b e i t s v e r t r a g s s t a t u t d u r c h s e t z t 1 6 4 . D e r g e g e n t e i l i g e S c h l u ß ist a n gebracht. aa)

Keine

Auswirkungen

des

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Entsendegesetzes 165

b e z i e h t s i c h a u f die E r s t r e c k u n g e i n e s

e i n h e i t l i c h e n M i n d e s t e n t g e l t s , die D a u e r des E r h o l u n g s u r l a u b s , das U r l a u b s e n t gelt u n d das z u s ä t z l i c h e U r l a u b s g e l d i m B a u g e w e r b e f ü r e i n e n v o n e i n e m a u s l ä n dischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer. D i e G e w ä h r u n g v o n z u s ä t z l i c h e n L e i s t u n g e n z u r R e n t e n v e r s i c h e r u n g in G e s t a l t v o n B e i h i l f e n z u m A l t e r s r u h e g e l d n a c h d e m T a r i f v e r t r a g ü b e r die Z u s a t z v e r s o r g u n g i m Baugewerbe wird v o m Entsendegesetz nicht erfaßt166.

161 Das Arbeitnehmer-EntsendeG wird von u.a. wegen Verstoßes gegen Art.49 E G angegriffen. Zwar decke die Entscheidung des E u G H in der Rechtssache Vander Eist ( E u G H 09.08. 1994, Rs. C-43/93, Slg. 1994 I, 3803) die allgemeine sozialpolitische Kompetenz der Mitgliedstaaten zu Regelungen mit bloßen Folgewirkungen für Dienstleistungsfreiheit (z.B. Mindestlöhne). Im Falle der Bauwirtschaft geht es aber um den gezielten Einsatz dieses Instruments gegen Wettbewerber aus dem Ausland. Protektionsimus ist von der Entscheidung nicht gedeckt. Vgl. Gerken/LöwischlRieble, B B 1995, 2370, 2373\ Junker! Wichmann, N Z A 1996, 505, 507ff.; Selmayr, ZfA 1996, 646ff.; demgegenüber hält Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996) 13 die Vorstellung für kurios, daß eine Kollisionsnorm als verkappte Beihilfe nach Art. 92 Abs. 1 E G V (nach Änderung jetzt Art. 87 Abs. 1 E G ) verboten sei (zu E u G H 17.03. 1993, verb. Rs. C-72/91 u. 73/ 91, Zweitregister, Slg. 1993, I 887 = N Z A 1993, 799 zur Vereinbarkeit des SchiffsregisterG mit Art. 92 und Art. 117 E G V [nach Änderung jetzt Art. 87 und 136 EG]). 162 Auch die Entsende-Richtlinie könnte europarechtswidrig sein und gegen das Diskriminierungsverbot der Dienstleistungsfreiheit verstoßen: Nach den allgemeinen Regeln der Tarifkonkurrenz können in- und ausländische Unternehmen einem für allgemeinverbindlich erklärten deutschen Tarifvertrag durch einen spezielleren Tarifvertrag entgehen. Nur ausländischen Unternehmen, die mit entsandten Arbeitnehmern in Deutschland tätig werden, ist diese Möglichkeit durch die Vorfahrtregelung in § 1 Abs. 1 AEntG genommen. Vgl. Junker!Wichmann, NZA 1996,509ff.; ähnlich schon Gerken/Löwischl Rieble, B B 1995,2374. Die Frage der Europarechtskonformität des EntsendeG und der Entsende-Richtlinie (hierzu auch Steck, EuZW 1994,140ff.) kann hier auf sich beruhen, da beide Rechtsakte auf die betriebliche Altersversorgung nicht anwendbar sind. 163 Das AEntG macht die allgemeinverbindlich erklärten Tarifnormen zu zwingenden Vorschriften i.S. des Art. 34 E G B G B , Ulber, A Ü G , § 1 AEntG Rn.36. 164 So aber Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15, Rn.67f. 165 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26.02. 1996, i.d.F. vom 16.12. 1997. Borgmann, IPRax 1996, 315, 318 ordnet das Gesetz selbst als Eingriffsnorm i.S. des Art. 34 E G B G B ein. 166 Zu einer ähnlichen Regelung hinsichtlich eines gesetzlichen oder kollektivarbeitsrechtlichen Entgelts im österreichischen Recht vgl. § 7 AVRAG (Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Österreichisches BGBl. 1993, S.3245, Gesetz Nr. 459).

C. Verhältnis von Kollektivvertragsstatut

und Arbeitsverhältnisstatut

445

Die finanzielle und insbesondere verwaltungsmäßige Belastung der Zusatzversorgungskasse mit der Verwaltung von Anwartschaften und Auszahlung von Renten ins Ausland für nur ganz vorübergehend in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer wurde als zu groß angesehen, als daß es lohnte, die ausländischen Arbeitgeber dem Beitragsverfahren zu unterwerfen. Zudem ist der Insolvenzschutz im System betrieblicher Altersversorgung auf Arbeitgeber mit Sitz oder zumindest Insolvenzgerichtsstand in Deutschland zugeschnitten. Auch das verbot eine Einbeziehung ausländischer Arbeitgeber ohne inländische Betriebsstätten, die Arbeitnehmer aus dem Ausland auf deutsche Baustellen entsenden, in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, obwohl natürlich auch die Zusatzaltersversorgung die Arbeit von deutschen Unternehmen angestellter Bauarbeiter verteuert. Wenn schon der Gesetzgeber Grund hat, allgemeinverbindliche tarifliche Bestimmungen zur betrieblichen Altersversorgung vom Instrumentarium des Entsendegesetzes auszunehmen, besteht kein Anlaß anzunehmen, solchen allgemeinverbindlichen Tarifnormen über eine Zusatzversorgung kämen auch ohne Eingreifen des Gesetzgebers per se international zwingende Wirkung zu 167 . bb) Keine Auswirkungen

der

Entsende-Richtlinie

Auch Art. 3 der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen 168 sieht zwar für Fälle der Entsendung von Arbeitnehmern von Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat zur Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat vor, daß sich für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge (Tarifverträge mit Erga-Omnes-Wirkung) unabhängig von dem Arbeitsvertragsstatut durchsetzen 169 , nimmt aber in Abs. 1 lit. c „zusätzliche betriebliche Altersversorgungssysteme" ausdrücklich aus 170 . Nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer sind somit nicht tarifvertraglich errichteten Altersversorgungssystemen anzuschließen, wenn ihr Arbeitsvertragsstatut nicht das deutsche Recht ist 171 . Damit wird bestätigt, daß sich für all167 A . A . Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 67, der in § 1 Abs. 1 A E n t G den allgemeinen Rechtsgrundsatz verkörpert sieht, daß Tarifvertrags- u n d Arbeitsvertragsstatut nicht übereinstimmen müssen. 168 R L 96/71/EG vom 16.12. 1996. 169 Schlachter, N Z A 2000, 57f. spricht insoweit von gemeinschaftsrechtlich definiertem international z w i n g e n d e m Recht. 170 Schon Art. 3 Abs. 1 lit. b (iii) des ursprünglichen Vorschlags (91) 230 endg. - S Y N 346 vom 01.08. 1991 nahm „Vergütungen", die „Vergünstigungen im R a h m e n von betrieblichen Systemen" darstellen, ausdrücklich aus; ebenso der geänderte Richtlinienvorschlag v o m 16.07. 1993 (vgl. R d A 1994, 236). Der w i e d e r u m geänderte Richtlinienvorschlag vom 03.04. 1996, 6375/96, L I M I T E S O C nahm in der Formulierung deutlicher Art. 3 Abs. 1 c „zusätzliche betriebliche A l tersversorgungssysteme" v o m A n w e n d u n g s b e r e i c h der Richtlinie aus. 171 Der D G B drang dagegen in seiner Stellungnahme z u m Entwurf vom 10.12. 1991, S. 7 auf eine Erweiterung der in Art. 3 Abs. 1 b aufgezählten Mindestrechte, u m sicherzustellen, daß branchenspezifische Sozialkassen und Sicherheitssysteme (z.B. die Sozialkassen des Baugewerbes) in ihrem Bestand nicht gefährdet werden. Daher müsse klargestellt werden, daß eine Heranziehung

446

§10 Kollisionsrecht

kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

gemeinverbindlich erklärte Tarifverträge nicht automatisch gegenüber einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut durchsetzen und daß im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hierfür auch kein Bedürfnis besteht bzw. unüberwindliche Umsetzungsschwierigkeiten einem solchen Mechanismus entgegenstehen 172 . c)

Freizügigkeit

Eingriffsnormen sind europarechtlich problematisch 173 . Werden mobile Arbeitnehmer, die nach allgemeinen arbeitskollisionsrechtlichen Regeln weiterhin dem Arbeitsvertragsstatut ihres Entsendestaates unterstehen, zu dem sie eine engere Verbindung haben, dem Regime sonderangeknüpfter Eingriffsnormen im Aufnahmestaat unterworfen, kann dies freizügigkeitsbeschränkend wirken 1 7 4 . Das kommt auch in Art. 6 Abs. 2 R L 9 8 / 4 9 / E G zum Ausdruck, der verlangt, einen entsandten Arbeitnehmer von einer obligatorischen Altersversorgung im Aufnahmestaat freizustellen, wenn er für die Dauer der Entsendung weiterhin über das Altersversorgungssystem des Entsendestaates durch Beitragszahlungen abgesichert wird. Diese Anforderung ist im deutschen Recht im Hinblick auf tarifvertragliche Versorgungssysteme erfüllt. Voraussetzung der Anwendbarkeit der Normen eines deutschen Tarifvertrages ist ein Gleichlauf von Tarifvertragsstatut und Arbeitsvertragsstatut oder eine Durchsetzung über den Günstigkeitsvergleich im Fall der Abwahl deutschen Rechts. Eine Sonderanknüpfung ist nur im Einzelfall zu begründen. Tarifverträge über eine Zusatzaltersversorgung haben regelmäßig keinen international-zwingenden Charakter. Daran ändert sich durch eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages nichts 175 . Auch ein deutscher allgemeinverbindlicher Tarifvertrag verlangt keine international zwingende Anwendung auf nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer, die dem ausländischen Arbeitsvertragsstatut ihres Entsendestaates unterstehen. Aus dem Ausland vorübergehend ins Inland entsandte Arbeitnehmer werden nicht zwangsweise einem deutschen Betriebsrentensystem angeschlossen, das auf einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag beruht. ausländischer Arbeitgeber, die Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringen, zur Finanzierung derartiger Systeme und Einrichtungen die Freiheit des Dienstleistungverkehrs nicht beeinträchtige, sofern dies zu denselben Bedingungen geschehe, die auch auf inländische Arbeitgeber Anwendung finde; offengelassen und Klarstellung gefordert bei Hanau, Rechtsgutachten, S.23. 172 Dazu, daß der Regelungsmechanismus der Entsende-Richtlinie daran krankt, daß die deutsche Praxis gerade die Allgemeinverbindlicherklärung von Lohntarifverträgen nicht kennt, Hohloch, FS Heiermann, S. 143,154. Hier konnte nur mit einer gezielten Allgemeinverbindlicherklärung auf das AEntG und die Entsende-Richtlinie abgestellter Lohntarifverträge Abhilfe geschaffen werden. 173 Borgmann, IPRax 1996, 318; Roth, RabelsZ 55 (1991) 652; Junker, IPRax 1994, 27 und oben §6 D.I.4. (S.303f.). 174 S.o. §3 B.III. (S. 122ff.). 175 A.A. Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S.363 zu sozialpolitisch motivierten Allgemeinverbindlicherklärungen, allerdings zum alten internationalen Privatrecht.

C. Verhältnis von Kollektivvertragsstatut

3. Ausländischer

und Arbeitsverhältnisstatut

447

Tarifvertrag

a) Tarifvertrag ohne

Normwirkung

In England werden Kollektivverträge (collective agreements) auf verschiedenen Ebenen 1 7 6 mit Gewerkschaftsvertretern geschlossen. Für die kollisionsrechtliche Behandlung sind solche collective agreements auf jeder Ebene als tarifvertragliche Vereinbarungen zu qualifizieren, da Vertragspartner stets die Gewerkschaft ist und es an der für eine Betriebsvereinbarung notwendigen gesetzlichen Institutionalisierung des Vertragspartners auf Arbeitnehmerseite fehlt 177 . Die Wirkung ausländischer Tarifverträge beurteilt sich nach dem ausländischen Tarifvertragsstatut. Beansprucht ein ausländischer Tarifvertrag nicht, normativ auf die von ihm persönlich, räumlich und fachlich erfaßten Arbeitsverhältnisse einzuwirken 178 , ist die Frage des Verhältnisses eines dem deutschen Recht objektiv unterstehenden oder durch Rechtswahl unterstellten Arbeitsverhältnisses zu diesem ausländischen Tarifvertrag nicht nach Art. 27 Abs. 3 , 3 0 Abs. 1 E G B G B zu beantworten. Das dem inländischen Recht unterstehende Arbeitsverhältnis ist keinen normativen Wirkungen des ausländischen Tarifvertrages ausgesetzt. Eine Verschlechterung der individualvertraglichen Position des Arbeitnehmers ist ausgeschlossen. O b der Arbeitnehmer Rechte aus dem ausländischen Tarifvertrag herleiten kann oder nicht, beurteilt sich nach diesem und dem ausländischen Tarifvertragsstatut. Sieht das ausländische Recht die Möglichkeit einer Inkorporation der Tarifvertragsbestimmungen in den Arbeitsvertrag vor, ist zu fragen, ob erstens der ausländische Tarifvertrag das dem deutschen Recht unterstehende Arbeitsverhältnis überhaupt umgestalten kann und will und, ob zweitens die individualvertragliche Inkorporation erfolgt ist. Das sind Fragen des ausländischen Tarifrechts und der Auslegung des Tarifvertrages wie auch des Arbeitsvertrages.

b) Tarifvertrag mit

Normwirkung

Mißt das ausländische Tarifvertragsstatut dem Tarifvertrag Normwirkung zu, greifen grundsätzlich die gleichen Überlegungen, die zum Aufeinandertreffen eines deutschen Tarifvertrages mit einem Arbeitsverhältnis, das einem ausländischem Arbeitsvertragsstatut unterliegt, angestellt wurden. Nach deutschem internationalen Tarifvertragsrecht können ausländische Tarifverträge im Inland dann angewandt werden, wenn sie von ihrem Anwendungsbe176 Lange, Die betrieblichen Arbeitsbeziehungen in der englischen Privatwirtschaft, S. 134 zu kollektiven Lohnvereinbarungen auf Industrie-, Unternehmen-, Betrieb- und sogar Abteilungsebene. 177 Es gibt kein durch Gesetz institutionalisiertes Betriebsverfassungssystem. Betriebliche Interessenvertretung vollzieht sich nahezu ausschließlich über die in den einzelnen Betrieben vertretenen Gewerkschaften und die von ihnen bestellten shop stewards. Vgl. Lange, Die betrieblichen Arbeitsbeziehungen in der englischen Privatwirtschaft, S. 87ff. 178 S. die rechtsvergleichenden Hinweise zum englischen und irischen Recht oben unter A.II.2. (S.417ff.).

448

§10 Kollisionsrecht

kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

reich her angewandt werden wollen 179 und das ausländische Recht objektives Arbeitsvertragsstatut bzw. Betriebsrentenstatut 180 bzw. im Falle einer Wahl ausländischen Rechts günstiger als das objektiv anwendbare deutsche Arbeitsvertragsbzw. Betriebsrentenstatut ist und sich damit gegenüber diesem durchsetzt. Eine Sonderanknüpfung ausländischer Tarifnormen - wenn man denn überhaupt eine Sonderanknüpfung ausländischer Normen zuläßt 181 - ist aus denselben Gründen, aus denen deutsche Tarifnormen regelmäßig kein Eingriffscharakter zukommt, abzulehnen. Gemäß § 17 Abs. 3 BetrAVG sind einige Normen des BetrAVG tarifdispositiv. Von ihnen kann auch zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Die Frage, ob auch in ausländischen Tarifverträgen von diesen Normen abgewichen werden kann, stellt sich nicht. Denn wegen des Gleichlaufgebots kann ein ausländischer Altersversorgungstarifvertrag regelmäßig nur Anwendung beanspruchen, wenn das ausländische Recht Betriebsrentenstatut ist oder er sich über den kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich durchsetzt. § 1 7 BetrAVG ist dann gar nicht zur Anwendung berufen.

c) Allgemeinverbindlicher

Tarifvertrag

Auch in den meisten anderen Staaten der Europäischen Union gibt es Verfahren zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen 182 . Die für obligatorisch erklärten branchenweiten Pflichtaltersversorgungssysteme in den Niederlanden 183 sind kollisionsrechtlich wohl ebenso zu beurteilen wie deutsche für allgemeinverbindlich erklärte Altersversorgungstarifverträge. In Frankreich wirkt der reguläre Tarifvertrag ohnehin normativ auch gegenüber nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmern tarifgebundener Arbeitgeber 184 . Tarifverträge über bestimmte Gegenstände, die besonderen formalen Anforderungen genügen, können in einem Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung durch den Arbeitsminister für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfaßt werden, für normativ verbindlich erklärt werden 185 . Im Bereich der Zusatzaltersversorgung wurden die Systeme A R C C O und A G I R C durch Gesetz auch auf tarifvertraglich gar nicht erfaßte Branchen, im Ergebnis auf so gut wie alle unter französischem Sozialversicherungsrecht beschäftigten Arbeitnehmer ausgedehnt 186 . KolliVgl. Birk, FS Beitzke, S. 864ff. zur Anwendung ausländischer Tarifverträge im Inland. Löwisch/Rieble, T V G , Gründl. Rn 72, 76. 181 Hierzu s.o. §6 D.III. (S.309f.). 182 BT-DS. 11/4700 vom 06.06. 1989, RdA 1989, 356f. Dazu auch Übersicht über Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen in der Gemeinschaft RdA 1989, 356. 183 Vgl. oben §5 A.II.3. (S.226ff.); zur Allgemeinverbindlicherklärung BT-Ds. 11/4700 vom 06.06. 1989, RdA 1989, 356 und Maeijer, in: Blanpain, Int. Encyclo. Lab. L., The Netherlands, Nr. 223 f. 184 Rojot, in: Blanpain, Int. Encyclo. Lab. L., France, Nr. 580. 185 Rojot, in: Blanpain, Int. Encyclo. Lab. L., France, Nr. 594ff. 186 Reynaud, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 116ff., 133 und schon oben §5 C. (S. 240ff.); zu dem Verfahren der Ausweitung des Geltungsbereichs von Tarifverträgen durch 179 180

D. Rechtsmahl

im Kollektivvertrag

für das

Arbeitsverhältnis

449

sionsrechtlich bedeutete dies, daß die tarifvertraglich errichteten Systeme vom Arbeitsvertragsstatut unabhängig gesondert anzuknüpfen sind und dem Sozialversicherungsstatut folgen 187 . Durch die Erklärung Frankreichs nach Art. 1 lit. j, 97 V O (EWG) 1408/71 188 ist die französische obligatorische Zusatzversorgung seit 1. Januar 2000 der ersten Säule der Alterssicherung zuzurechnen und damit kollisionsrechtlich als dem Sozialversicherungsrecht zugehörig zu qualifizieren.

D. Rechtswahl im Kollektivvertrag für das Betriebsrentenverhältnis

Arbeitsverhältnis/

Dreh- und Angelpunkt der normativen Einwirkung eines Kollektivvertrages auf ein Arbeitsverhältnis ist der Gleichlauf zwischen Arbeitsverhältnisstatut und Kollektiwertragsstatut 1 8 9 oder im Fall einer individualvertraglichen Rechtswahl dessen Durchsetzung im Wege des kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleichs nach Art. 30 A b s . l EGBGB 190 . Wenn die Kollektivvertragsparteien es in der Hand haben, durch eine kollektivvertragliche Rechtswahl für das Arbeitsverhältnis dessen Statut zu bestimmen und damit für den notwendigen Gleichlauf der Statute zu sorgen, können kollektivvertraglich Betriebsrentensysteme errichtet werden, die einerseits grenzüberschreitende Mobilität erleichtern, andererseits aber auch keine individualvertragliche Durchbrechung der Monopolstellung eingeschalteter Versorgungsträger zulassen. Die h.M. hält eine Rechtswahl für das Individualarbeitsverhältnis oder für einen Teilbereich wie etwa die Altersversorgungszusage durch Tarifvertrag für möglich 191 . D a die B e t r i e b s p a r t e i e n k r a f t G e s e t z e s g r u n d s ä t z l i c h d i e g l e i c h e R e g e l u n g s k o m p e t e n z h a b e n w i e d i e T a r i f v e r t r a g s p a r t e i e n 1 9 2 , m ü ß t e es, folgt m a n d e r h . M . , g r u n d s ä t z l i c h a u c h d e n B e t r i e b s p a r t e i e n m ö g l i c h sein, in einer f r e i w i l l i g e n B e t r i e b s v e r e i n b a r u n g n a c h § 88 B e t r V G eine R e c h t s w a h l f ü r d i e I n d i v i d u a l a r b e i t s v e r t r ä g e o d e r T e i l r e c h t s w a h l s p e z i e l l f ü r das B e -

Entscheidung des Arbeitsministers BT-Ds. 11/4700 vom 06.06. 1989, R d A 1989, 356; Rojot, in: Blanpain, Int. Encyclo. Lab. L., France, Nr. 594, 607. 187 Es liegt ein auf ein bestimmtes System der sozialen Sicherheit zugeordneter Tarifvertrag vor, w i e ihn Birk, VSSR 1977, 22ff. erörtert. 188 D a z u oben § 5 C . (S.240ff.). 189 Ebenso Junker, IPRax 1994, 24; ders., Internationales Arbeitsrecht, S.422. 190 Ebenso Junker, IPRax 1994, 24; ders., Internationales Arbeitsrecht, S.422, 435f. 191 Birk, FS Beitzke, S.849; Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15, Rn.95ff.; M ü n c h A r b R / Birk, § 2 0 Rn. 13; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 436ff., Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S.63ff., 66; Däuhler, N Z A 1990, 673ff.; a.A. Löwisch/Rieble, TVG, Gründl. Rn. 74, die nur eine A b w a h l , nicht aber die Wahl deutschen Arbeitsverhältnisrechts durch einen deutschen Tarifvertrag zulassen wollen, weil letztere auf eine Erweiterung der Tarifmacht hinausliefe; ebenso MünchArb/Löimsc/;, § 2 4 7 Rn. 12f. 192 M ü n c h A r b R / M a t t h e s , § 3 1 8 R n . 5 1 m . w . N .

450

§ 10 Kollisionsrecht kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

triebsrentenverhältnis zu treffen 1 9 3 . Die folgenden Überlegungen zum Tarifvertrag sind daher auf die Betriebsvereinbarung übertragbar.

I. Durchsetzung

gegenüber

objektivem

Arbeitsverhältnisstatut

N a c h h.M. k o m m t der tarifvertraglichen Rechtswahlvereinbarung normative Wirkung als Abschluß- oder Inhaltsnorm zu 1 9 4 . Es bleibt zu begründen, wie sich diese N o r m kollisionsrechtlich gegenüber einem anderweitigen nach Art. 30 E G B G B bestimmten Arbeitsverhältnisstatut durchzusetzen vermag. Ist nach Art. 30 Abs. 2 E G B G B ausländisches Recht objektives Arbeitsverhältnisstatut, kann sich der deutsche Rechtswahltarifvertrag nur über eine Sonderanknüpfung seiner Inhalts- oder Abschlußnormen durchsetzen 1 9 5 . F ü r den Hauptfall eines ausländischen Arbeitsortes ist aber nicht ersichtlich, warum einem deutschen Tarifvertrag zur Regelung eines kollisionsrechtlich ausländischem Recht unterstehenden Auslandssachverhalts international zwingende Wirkung beizumessen sein sollte 1 9 6 . F ü r nach Deutschland nur vorübergehend entsandte, nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B objektiv ausländischem Arbeitsrecht unterstehende Arbeitnehmer spielt die Frage keine praktische Rolle. Sie werden ohnehin in aller Regel ebenso wie ihr ausländischer Arbeitgeber nicht tarifgebunden sein. Eine Allgemeinverbindlicherklärung eines Rechtswahltarifvertrages k o m m t jedenfalls im Bereich der betrieblichen Altersversorgung nicht in Frage, da es kein anzuerkennendes deutsches Interesse gibt, das deutsche Betriebsrentenrecht hier entgegen Art. 30 E G B G B zur Anwendung zu bringen. Die zeigt auch der U m stand, daß die betriebliche Altersversorgung v o m Anwendungsbereich des E n t sendegesetzes ausgenommen ist. Es wäre auch ein Widerspruch in sich, in Fällen, in denen das deutsche internationale Privatrecht zur Anwendung ausländischen Arbeitsrechts führt, einer kollektivvertraglichen Wahl deutschen Rechts für ein Arbeitsverhältnis international zwingende Wirkung zuzumessen und damit das eigene Kollisionsrecht zu überstimmen.

1 , 3 Bejahend Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 124 und S. 69, der im Wege einer betrieblichen Abschlußnorm eine alle Betriebsangehörigen erfassende normative Bestimmung des Vertragsstatuts für möglich hält; allerdings besteht insoweit kein Mitwirkungsrecht des Betriebsrats, Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.205. De lege ferenda (Überwachung der Rechtswahl durch den Betriebsrat) Gamillscheg, ZfA 1983, 327. Die Frage ist zu unterscheiden von der Abwahl des deutschen Betriebsverfassungsrechts durch die Betriebsparteien. Diese kommt nach h.M. nicht in Frage, s.o. B.I.2. (S.422f.). 194 Birk, FS Beitzke, S. 849; ders., RdA 1989,203-Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 438f. (Abschlußnorm); Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15, Rn.97 m.w.N.; Däuhler, NZA 1990, 675 sieht darin eine Betriebsnorm. 195 Insoweit ebenso Wimmer; Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 198ff.; ablehnend Löwisch/Rieble, TVG, Gründl. Rn. 75 (unzulässige Erweiterung der Tarifmacht). 196 Zum Sonderfall des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst (GAD), der die Beschäftigung gemäß einem deutschen Tarifvertrag im Ausland vorsieht, schon oben A.I.l. (S.414).

D. Rechtswahl im Kollektivvertrag für das Arbeitsverhältnis

II. Durchsetzung

gegenüber

451

individualv ertraglich er Rechtswahl

H a b e n die Arbeitsvertragsparteien individualvertraglich das auf das Arbeitsverhältnis bzw. auf das Betriebsrentenverhältnis anwendbare Recht abweichend von Art. 30 Abs. 2 E G B G B bestimmt, lassen sich drei verschiedene Fallgruppen unterscheiden. Stimmt die individualvertragliche mit der tarifvertraglichen Rechtswahl überein, ist es eine Frage des kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleichs, ob sich das gewählte gegenüber dem objektiv anwendbaren Statut durchsetzt 1 9 7 . H a b e n die Tarifvertragsparteien das objektiv anwendbare Recht gewählt, gilt nichts anderes. Die Tarifvertragsparteien haben dann nur wiederholt, was auch Art. 30 Abs. 2 E G B G B anordnet. Ist schließlich ein drittes R e c h t durch die Tarifvertragsparteien berufen, das weder nach Art. 30 A b s . 2 E G B G B objektives Arbeitsverhältnisstatut ist noch nach Art. 30 A b s . l E G B G B von den Individualvertragsparteien gewählt wurde, ist diese kollektivvertragliche Rechtswahl unbeachtlich. Anders könnte es nur sein, wenn der kollektivvertraglichen Rechtswahl Eingriffscharakter zukäme. Dies ist aus den genannten Gründen aber zu verneinen. A u c h wenn der Rechtswahltarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt würde, hätte er keine stärkere normative Wirkung als ein einfaches Gesetz und würde sich daher an dem Gesagten nichts ändern. Es fehlt aber schon an einem öffentlichen Interesse i.S. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 T V G für eine solche Allgemeinverbindlicherklärung. D e n Tarifvertragsparteien steht es damit nicht offen, den kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich auszuhebein. Ist das individualvertraglich gewählte ausländische Recht dem Arbeitnehmer günstiger, so setzt sich die individualvertragliche Rechtswahl gegenüber der kollektivvertaglichen Rechtswahl wie auch gegenüber der objektiven Anknüpfung durch 1 9 8 . D e r Tarifvertrag steht nicht über dem Kollisionsrecht, sondern ist in seinem normativen Teil Sachrecht, das wie alle anderen sachrechtlichen N o r m e n den allgemeinen Anknüpfungsmechanismen unterliegt. Eine andere Frage ist, ob tarifgebundene Arbeitgeber gegen ihre tarifvertraglichen Durchführungspflicht aus einem deutschen Tarifvertrag 1 9 9 verstoßen, wenn sie für ein Arbeitsverhältnis individualvertraglich ein anderes als das objektiv anwendbare deutsche Arbeitsverhältnisstatut wählen, über das der Tarifvertrag zur Anwendung berufen wird. D a sich die abweichende individualvertragliche Rechtswahl nur durchsetzen wird, wenn sie sich im kollisionsrechtlichen G ü n stigkeitsvergleich als günstiger erweist, wird man einen Verstoß gegen die tarifZum Maßstab des kollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleichs oben §6 C.II.2. (S.284ff.). A.A. Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 69. Wimmer sieht in der Rechtswahlvereinbarung im Tarifvertrag sowohl eine sonderanzuknüpfende Abschluß- als auch eine Inhaltsnorm. Eine individualvertragliche anderweitige Rechtswahl ist danach unmöglich; vgl. auch Birk, FS Beitzke, S. 860f. 199 Allgemein zur Durchführungspflicht Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 282ff.; Däubler, NZA 1990, 675 und Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.437, zur schuldrechtlichen Pflicht aus einem Tarifvertrag, Arbeitsverträge nach einem bestimmten Recht abzuschließen. 197 198

452

510 Kollisionsrecht kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

vertragliche Durchführungspflicht verneinen müssen. D e n n nach dem materiellrechtlichen Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 T V G sind abweichende A b m a chungen zugunsten des Arbeitnehmers zulässig. Nichts anderes ist eine individualvertragliche Rechtswahl, die den Arbeitnehmer gegenüber der tarifvertraglichen Lage besserstellt. F ü r nur über eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages gebundene Arbeitgeber besteht ohnehin keine Pflicht, auf die durch das Kollisionsrecht gegebene Rechtswahlmöglichkeit zu verzichten. D i e schuldrechtliche Durchführungspflicht ist nach § 5 Abs. 4 T V G der Allgemeinverbindlicherklärung nicht zugänglich 2 0 0 . Daher haben nicht tarifgebundene Arbeitgeber keine Pflicht zur Durchführung des Tarifvertrages, auch wenn sie an die Rechtsnormen des Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung gebunden sind. D e r Fall, daß Arbeitnehmer, die objektiv dem deutschen Arbeitsrecht unterstünden, wirksam ausländisches Betriebsrentenrecht gewählt haben, wird äußerst selten v o r k o m m e n . Sie durch die Sonderanknüpfung eines (im Falle fehlender Tarifbindung für allgemeinverbindlich erklärten) Rechtswahltarifvertrages ihrer kollisionsrechtlichen Parteiautonomie zu berauben, besteht kein Anlaß. Das Kollisionsrecht selbst erschwert die individualvertragliche Abwahl des deutschen Betriebsrentenrechts so sehr 2 0 1 , daß ein weiterer Schutz durch Sonderanknüpfung des Rechtswahltarifvertrages als international zwingender N o r m nicht erforderlich ist. D i e kollektivvertragliche Wahl eines anderen Arbeitsverhältnis- /Betriebsrentenstatuts als des bei objektiver Anknüpfung anwendbaren oder des individualvertraglich gewählten und dem Günstigkeitsvergleich standhaltenden Statuts ist entgegen der h.M. nach allem nicht möglich.

E. Kollisionsrechtliches

Ergebnis

Kollektivvertragliche Versorgungszusagen sind in Deutschland verbreitet. Ihre normative Wirkung k o m m t grundsätzlich den Arbeitnehmern zugute, die vom persönlichen Anwendungsbereich des Kollektivvertrages erfaßt werden, die Voraussetzungen einer N o r m w i r k u n g erfüllen - Betriebszugehörigkeit bei der B e triebsvereinbarung, Tarifgebundenheit beim Tarifvertrag, gegebenfalls ersetzt durch eine Allgemeinverbindlicherklärung - und die unter deutschem Arbeitsvertragsstatut arbeiten. U b e r eine abweichende individualvertragliche Rechtswahl kann sich der Arbeitgeber der kollektiwertraglich begründeten Versorgungsverpflichtung grundsätzlich nicht entziehen. N u r wenn die Wahl ausländischen Rechts mit einer dem Arbeitnehmer günstigeren individualrechtlichen Versorgungszusage nach ausländischem Recht einher geht, setzt sich diese gegenüber der kollektivvertraglich begründeten Zusage deutschen Rechts durch. F ü r die Frage der Dienstleistungsfreiheit bedeutet dies, daß sich der tarifgebundene Arbeitgeber dem Altersversorgungsmonopol einer tariflich begründeten 200 201

Löwisch/Rieble, TVG, §5 Rn.18. S.o. insbesondere §6 C. (S.281 ff.), §8 C., D.III. (S.345ff., S.381ff.).

F. Ausblick: Europäische Kollektivverträge

zur Zusatzaltersversorgung

453

Einrichtung nur entziehen kann durch eine im Vergleich zur tarifvertraglichen Zusage noch stärkere Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer. D i e kollisionsrechtliche Rechtswahl ist daher kein Mittel, die Probleme der negativen Dienstleistungsfreiheit für den Arbeitgeber und der positiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Anbieter von Altersversorgungssystemen zu lösen. I m H i n b l i c k auf die Freizügigkeit ist ein einem nationalen R e c h t unterstehender Kollektivvertrag auch bei Ausdehnung seines Anwendungsbereichs ins Ausland wegen des grundsätzlichen Gleichlaufgebots von Kollektivvertrags- und Individualarbeitsvertragsstatut kein taugliches Mittel, den Arbeitnehmer beim grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel vor einem Verlust von Versorgungsanwartschaften zu bewahren. Hierzu bedürfte es entweder des Abschlusses aufeinander abgestimmter Tarifverträge unter verschiedenen Tarifvertragsstatuten oder supranationaler Kollektivverträge, die unabhängig v o m jeweiligen Arbeitsvertragsstatut Wirkung entfalten können.

F. Ausblick: Europäische Kollektivverträge versorgung

zur Zusatzalters-

Zur Errichtung eines gemeinschaftsweiten Betriebsrentensystems für eine bestimmte Branche, das es dem Arbeitnehmer erlaubt, grenzüberschreitend mobil zu sein, ohne Abstriche an seiner Betriebsrentenversorgung hinnehmen zu müssen, liegt es nahe, europäische Kollektivverträge über eine grenzüberschreitende Betriebsrentenversorgung ins Auge zu fassen. Ein obligatorisches Betriebsrentensystem auf europäischer E b e n e wird allerdings dem gleichen Spannungsverhältnis zwischen Freizügigkeit einerseits und Dienstleistungsfreiheit und Wettbewerbsrechts andererseits ausgesetzt zu sein wie national begrenzte obligatorische Versorgungssysteme, weil ein solches System wohl kaum auf die M o n o p o l i sierung der Durchführung der Altersversorgung in den Händen eines Anbieters oder mehrerer Anbieter in jedem der beteiligten Mitgliedstaaten verzichten kann 2 0 2 .

I. Betriebliche Vereinharungen Mangels eines europäischen Betriebsverfassungsrechts gibt es derzeit keine Unternehmens- oder Konzernvereinbarungen europäischen Rechts mit normativer Wirkung. Auch die Europäische-Betriebsräte-Richtlinie 2 0 3 weist nicht in diese Richtung. D e r Europäische Betriebsrat 2 0 4 hat lediglich Unterrichtungs- und S.o. § 2 A . I I I . (S.83), § 5 B . (S.229ff.). R L 9 4 / 4 5 / E G vom 2 2 . 0 9 . 1994, in Deutschland umgesetzt durch das E B R G . 2 0 4 D i e Richtlinie sieht mehrere Alternativen vor, von denen die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats kraft Gesetzes nur die letzte und subsidiäre ist. N u r wenn nicht vor Fristablauf gesetzesverdrängende fortgeltende Vereinbarungen oder danach eine Vereinbarung über die grenzüberschreitende Unterrichtung und Anhörung zwischen der zentralen Leitung und dem besonderen Verhandlungsgremium getroffen wurde, ist ein Europäische Betriebsrat zu errichten 202

203

454

§10 Kollisionsrecht

kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

Anhörungsrechte (Art. 1 R L 9 4 / 4 5 / E G , § § 2 3 , 33 E B R G ) , keine Mitbestimmungsrechte im deutschen Verständnis 205 . Sollte gleichwohl ein Europäischer Betriebsrat mit der zentralen Unternehmensleitung eine Ubereinkunft über die betriebliche Altersversorgung in dem Unternehmen oder der Unternehmensgruppe treffen, so stände diese außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie. Welcher Grad von Rechtsverbindlichkeit einer solchen Ubereinkunft zukäme, entschiede das jeweilige Errichtungsstatut. Wäre deutsches Recht Errichtungsstatut, weil die zentrale Leitung ihren Sitz in Deutschland hat (Art. 7 Abs. 1 R L 9 4 / 4 5 / E G ) , könnte eine solche Ubereinkunft als Regelungsabrede 2 0 6 zu qualifizieren sein. Eine normative Wirkung einer solchen Ubereinkunft für die Arbeitsverhältnisse scheidet mangels einer gesetzlichen Grundlage hierfür aus. Zur Schaffung eines Mitbestimmungsrechts des Europäischen Betriebsrats bedürfte es nach Art. 137 Abs. 3 E G - Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen einschließlich der Mitbestimmung vorbehaltlich des Absatzes 6 - eines einstimmigen Ratsbeschlusses. Es ist daher nicht zu erwarten, daß die Rechtsetzung der Europäischen Union sich in absehbarer Zukunft in Richtung auf eine echte Mitbestimmung des Europäischen Betriebsrats und die Schaffung normativ wirkender europäischer Betriebsvereinbarungen fortentwickelt 2 0 7 . Auch wenn sie dies täte, könnte wegen des Ausschlusses des Absatzes 6 die lohnpolitische Entscheidung über die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung kein Gegenstand der Mitbestimmung des E B R und einer Betriebsvereinbarung europäischen Rechts sein. Wie im deutschen Betriebsverfassungsrecht, müßte das O b einer Betriebsrentenzusage des Arbeitgebers mitbestimmungsfrei bleiben.

II.

Tarifverträge

Ebensowenig gibt es Beispiele für auf europäischer Ebene abgeschlossene Altersversorgungstarifverträge. Vorstellbar sind mehrgliedrige oder Firmentarifverträge 2 0 8 , die konzernweit und grenzüberschreitend etwa die betriebliche Al(Art. 7,13 R L 94/45/EG; §§21,41 E B R G ) . Die Errichtung des Europäischen Betriebsrats erfolgt nach dem Recht des Mitgliedstaates der zentralen Leitung des Unternehmens bzw. bei Unternehmensgruppen der zentralen Leitung des herrschenden Unternehmens bzw., wenn dieses nicht dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegt, des Unternehmens mit der höchsten Arbeitnehmerzahl (Errichtungsstatut), Art. 7 Abs. 1, Art. 3, Art. 2 Abs. 1 lit. e R L 94/45/EG). Näher Sandmann, in: AR-Blattei SD 695, Rn. 133f£.; Rademacher, Der europäische Betriebsrat. 205 Krause, J J Z 1997, S. 114ff.; Sandmann, AR-Blattei SD 695, Rn. 153ff. 2 0 6 Zur Regelungsabrede nach dem BetrVG etwa MünchArbR/Atot/>es, §319 Rn. 90ff. 2 0 7 Skeptisch zu den Perspektiven auf Art. 137 Abs. 3 E G gestützter Rechtsetzung auch Krause, J J Z 1997, S. 122. 208 Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.449ff. zum mehrgliedrigen Tarifvertrag und S.454ff. zu unzureichenden Versuchen, einen grenzüberschreitenden Konzerntarifvertrag zu begründen; MünchArb/Z.6Wsc/>, §247 Rn. 18 zu parallel nach dem jeweiligen nationalen Tarifrecht abgeschlossenen, aber international koordinierten Tarifverträgen; Hergenröder, AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 114; Schnorr, Arbeits- und sozialrechtliche Fragen der europäischen Integration, S.57f.

F. Ausblick: Europäische Kollektivverträge

zur

Zusatzaltersversorgung

455

tersversorgung im multinationalen Konzern regeln. Solange es sich hier bloß um die Zusammenfassung verschiedener Tarifverträge in einem Vertragswerk handelt, die unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfallen 209 , liegt kein genuin europäischer Tarifvertrag vor. Die zwischen den Sozialpartnern aus verschiedenen Staaten abgeschlossenen Verträge müssen nach den allgemeinen arbeitskollisionsrechtlichen Regeln angeknüpft und nach dem danach anwendbaren Tarifvertragsstatut beurteilt werden 2 1 0 . Sie stoßen damit kollisionsrechtlich an die aufgezeigten Grenzen der Durchsetzung gegenüber dem Arbeitsvertragsstatut. Der Schaffung genuin europäischer Altersversorgungstarifverträge stehen sowohl tatsächliche als auch rechtliche Hindernisse entgegen 211 . In tatsächlicher Hinsicht erscheint eine Einheitszusage betrieblicher Altersversorgung in einem europäischen Tarifvertrag als wenig sinnvoll 212 . Solange das sozialversicherungsrechtliche Schutzniveau in den Staaten der Europäischen Union höchst unterschiedlich ist 213 , ist eine auf das jeweilige, von Land zu Land unterschiedliche Versorgungsbedürfnis der Arbeitnehmer abgestimmte Regelung der betrieblichen Zusatzversorgung aus Arbeitgeber- wie aus Arbeitnehmersicht vorzuziehen 2 1 4 . Als Gegenstand eines europäischen Firmentarifvertrages käme dagegen eine Koordinierung unter verschiedenen Betriebsrentensystemen erworbener Ansprüche in Frage. So wäre etwa eine tarifliche Vereinbarung über die Anrechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten oder die grenzüberschreitende Übertragung von Versorgungsanwartschaften innerhalb der vom Tarifvertrag erfaßten Branche denkbar. Daß ausgerechnet eine technisch so schwierige Materie Ausgangspunkt einer europäischen Tarifbewegung sein könnte, ist indessen kaum anzunehmen 215 . In rechtlicher Hinsicht ist ein supranationales europäisches Tarifvertragsrecht zwar inzwischen in Ansätzen erkennbar 216 . Art. 139 EG 217 ermöglicht europäi209 A u c h w e n n man eine Rechtswahl für den Tarifvertrag grundsätzlich zuläßt (dazu oben B.II.2), ist damit für seine kollisionsrechtliche Durchsetzung nichts gewonnen. A u c h der durch Rechtswahl einem bestimmten Tarifvertragsrecht unterstellte Tarifvertrag w i r k t normativ nur auf Arbeitsverhältnisse mit entsprechendem Arbeitsvertragsstatut ein. 210 MünchArbR/LöWsc/;, § 2 4 7 Rn. 18; Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 95. Weiss, in FS Kissel, S. 1253ff. 211 Vgl. zu diesen beiden H ü r d e n auch Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 82ff.; Däubler, E u Z W 1992, 329ff. 212 Optimistischer Steinmeyer, FS Schaub, S. 728. 213 S.o. Einleitung A . I . l . (S. l f f . ) und § 3 E.I. (S. 151). 214 Vgl. zu dieser Vorfrage nach Regelungsgegenständen europäischer Tarifpolitik allgemein Rüthers, Diskussionsbeitrag, in: H o p t (Hrsg.), Europäische Integration, S. 164f.; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.446; Kirchner, in: Biskup, Europa - Einheit in der Vielfalt, S. 151 ff., 169. 215 Z u m denkbaren Abschluß grenzüberschreitender Vereinbarungen zwischen den Partnern nationaler industrieweiter Betriebsrentensysteme in den Mitgliedstaaten und z u r Möglichkeit der europäischen Rechtsetzung auf Initiative der Sozialpartner hin vgl. Steinmeyer, FS Schaub, S. 740. 2 1 6 N ä h e r Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S.88ff.; Steinmeyer, FS Schaub, S. 740. 2 1 7 H i e r z u Wimmer, Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse, S. 94f. auch zur Gefahr

456

§10 Kollisionsrecht

kollektivvertraglicher

Versorgungszusagen

sehe Tarifverträge, die entweder nach den Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner u n d der Mitgliedstaaten durchgeführt werden oder aber auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluß des Rates auf Vorschlag der Kommission durchgeführt werden 2 1 8 . In der ersten Alternative der D u r c h f ü h r u n g entsprechend den Gepflogenheiten der Sozialpartner sind die vertragsschließenden Parteien inhaltlich nicht auf den Katalog des Art. 137 E G beschränkt 2 1 9 . Die schuldrechtliche und eine etwaige normative Wirkung der Kollektivvereinbarung richtet sich nach dem auf sie über das Kollisionsrecht zu bestimmenden anwendbaren Recht 2 2 0 . Wegen der U n t e r schiedlichkeit der Tarifvertragssysteme in Europa ist damit eine gleiche D u r c h setzung in allen betroffenen Mitgliedstaaten nicht garantiert 221 . Die Schwierigkeiten der D u r c h f ü h r u n g eines auf europäische Ebene geschlossenen Tarifvertrages sind kleiner, wenn sie durch einen Beschluß des Rates, etwa in F o r m einer Richtlinie, erfolgt 222 . Allerdings kann ein durch einen Beschluß des Rates durchzuführender europäischer Tarifvertrag inhaltlich nur die durch Art. 137 E G erfaßten Regelungsbereiche betreffen. Darunter fällt zwar auch der soziale Schutz des Arbeitnehmers, nicht aber das Arbeitsentgelt (Art. 137 Abs. 6 EG 2 2 3 . So wie Art. 137 E G der Gemeinschaft selbst keine Befugnis gibt, eine obligatorische Betriebsrente einzuführen, sofern dieser Entgeltcharakter z u k o m m t , ist es auch den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene verwehrt, ein solches System im Verfahren nach Art. 139 E G zu verankern.

G.

Zusammenfassung

Eine Betriebsvereinbarung untersteht dem Betriebsverfassungsstatut. Dieses ist über die Belegenheit des Betriebes zu bestimmen. Ein Tarifvertrag untersteht dem Recht der engsten Verbindung (Art. 28 Abs. 1 S. 1 E G B G B ) . Ein dem deutschen Recht unterstehender Kollektivvertrag (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) wirkt normativ nur auf Arbeitsverhältnisse und Betriebsrentenbeziehunder Tarifzensur; Däubler, E u Z W 1992, 333f. Z u r K o m p e t e n z der Europäischen U n i o n zur Schaffung eines Europäischen Tarifvertragsrechts allgemein Stiller, ZIAS 1991, 194ff. 218 Zu den auf dieser Grundlage ergangenen Richtlinien schon oben unter §1 A.V.2.b) (S.24ff.). 219 Blanpain/Schmidt/Schweihert, Europäisches Arbeitsrecht, Rn.515. 220 Blanpain/Schmidt/Schweihert, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 518 n u r zur schuldrechtlichen Wirkung. 221 Zu den Schwierigkeiten der U m s e t z u n g Buchner, R d A 1993, 200f.; Blanpain/Schmidt/ Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 521. 222 Buchner, R d A 1993, 201 f.; Konzen, E u Z W 1995, 47f.; Blanpain/Schmidt/Schweihert, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 528, 530; a.A. Schulz, SF 1992, 82, der die Richtlinie nicht als zulässiges I n s t r u m e n t ansieht; s. auch Däuhler, N Z A 1992, 585, der den A b s c h l u ß solcher Vereinbarungen noch f ü r wenig wahrscheinlich hielt. 223 Vgl. hierzu auch Steck, E u Z W 1994, 142; Steinmeyer, in: G V G , Zusatzversorgungssysteme, S. 86; Wank, R d A 1995,19; Löwisch, R d A 1999, 77; Weiss, FS Gnade, S. 589 sieht in der Ausblendung des Koalitions-, Streik- u n d Aussperrungsrechts eine Absage an die Idee eines europäischen Tarifvertragsystems oder schlicht die Ignorierung dieser Regelungsfelder.

G.

Zusammenfassung

457

gen ein, die ebenfalls dem deutschen Recht unterstehen. Im Falle einer das deutsche Recht abwählenden Rechtswahl gehen die normativ wirkenden Kollektivverträge auf der Seite des abgewählten Rechts in den kollisionsrechtlichen G ü n stigkeitsvergleich ein. Kollektive Normenverträge unterliegen keiner generellen Sonderanknüpfung. Die Kollektivvertragsparteien haben es nicht in der H a n d , durch eine Rechtswahlklausel im Kollektivvertrag das Statut des Individualarbeitsverhältnisses und einer Betriebsrentenzusage zu bestimmen und sich damit über eine individualvertragliche Rechtswahl hinwegzusetzen. Kollektivverträge können allerdings schuldrechtlich als Verträge zugunsten Dritter auch Arbeitnehmern unter ausländischem Arbeitsvertragsstatut/Betriebsrentenstaut einen zusätzlichen vertraglichen Anspruch geben, ohne das Arbeitsvertragsstatut oder Betriebsrentenstatut beiseite zu schieben. Ein einem nationalen Kollektivvertragsstatut unterstehender Kollektivvertrag ist kein geeignetes Instrumentarium, eine betriebliche Altersversorgung grenzüberschreitend auch für den Fall grenzüberschreitender Arbeitgeberwechsel zu gewährleisten. Selbst w e n n der Anwendungsbereich des Tarifvertrages über seinen nationalen Geltungsbereich hinausgeht, setzt er sich in aller Regel kollisionsrechtlich nicht gegenüber dem abweichenden Arbeitsvertragsstatut am Arbeitsort durch. Europäische Tarifverträge können grundsätzlich geeignet sein, die betriebliche Altersversorgung in bestimmten Branchen grenzüberschreitend zu koordinieren. Zu ihrer rechtlichen Durchsetzung in den Mitgliedstaaten steht inzwischen in Art. 139 E G ein geeignetes Verfahren zur Verfügung. Dieses deckt allerdings nicht die E i n f ü h r u n g einer obligatorischen gemeinschaftsweiten Betriebsrente mit Entgeltcharakter in den betroffenen Branchen.

§11 Versorgungszusagen im internationalen Betriebsübergang A. Fragestellung Internationale Unternehmenskäufe sind in einer weltweit verflochtenen Wirtschaft an der Tagesordnung 1 . Werden sie nicht im Wege des Anteilserwerbs („share deal"), sondern durch Erwerb des Unternehmensgegenstandes selbst getätigt („asset deal"), stellt sich die Frage nach den Folgen für die Arbeitsverhältnisse der im erworbenen U n t e r n e h m e n beschäftigten Arbeitnehmer. Die gleiche Frage stellt sich f ü r alle Arten der Umwandlung 2 , bei denen eine Übertragung eines Betriebes als Vermögensgegenstand stattfindet und nach §324 U m w G trotz Gesamtrechtsnachfolge §613a Abs. 1 und 4 B G B A n w e n d u n g findet 3 . U n t e r einem „internationalen Betriebsübergang" wird im folgenden sowohl der internationale Betriebsübergang im engeren Sinne von einem Veräußerer auf einen Erwerber, die ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben 4 , ohne Ortsverlagerung des Betriebes als auch der sog. grenzüberschreitende Betriebsübergang, bei dem der Betrieb selbst von einem Staat in einen anderen verlagert wird, verstanden 5 . Ein solcher grenzüberschreitender Betriebsübergang ist bei Landbetrieben, insofern er eine Verlagerung der sachlichen Produktionsmittel erfordert 6 , selten u n d k o m m t wohl vor allem dann vor, wenn die sachlichen Produktionsmittel im Betrieb keine große Rolle spielen oder leicht ersetzbar sind. Praktisch bedeutsam ist vor allem die Ausflaggung von Seeschiffen 7 . 1 Däubler, FS Kissel, S. 120f. dazu, daß U m s t r u k t u r i e r u n g e n mit grenzüberschreitendem Betriebsübergang k ü n f t i g noch häufiger werden. 2 Zu den verschiedenen Arten der U m w a n d l u n g nach d e m U m w G Lutter, U m w G , Einl. Rn. 35. 3 H i e r z u etwa Kaiser/Gradel, D B 1996, 1624ff. 4 Kein internationaler Betriebsübergang liegt nach dieser Begrifflichkeit vor, w e n n ein ausländischer Betrieb von einem Veräußerer mit Sitz in Deutschland auf einen E r w e r b e r mit Sitz in Deutschland übertragen wird oder w e n n ein Betrieb im Inland von einem ausländischen Veräußerer auf einen ausländischen E r w e r b e r aus demselben Staat übertragen wird, w o h l aber beim U b e r g a n g auf einen E r w e r b e r aus einem Drittstaat. 5 Die Begriffsbildung folgt Junker, Internationales Arbeitsrecht, S. 236ff. 6 E r f K / P r e i s , § 613a B G B Rn. 5ff. ausführlich z u m Streitstand hinsichtlich des Erfordernisses des Ubergangs sachlicher u n d ¡materieller Betriebsmittel. 7 Pietzko, D e r Tatbestand des §613a BGB, S. 210; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.236. Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 65ff., 88ff., 112ff., 126ff. Die Altersversorgung der Seeleute nach deutschem Recht kennt einige Besonderheiten, wie die den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern entsprechende Seekasse u n d die von der See-Berufsgenossenschaft getragene Seemanskasse, die das Überbrückungsgeld nach §891a R V O bei vorzeitigem Ruhestand ab 57 Jahren auszahlt. Die Umlage hierfür entspricht derzeit 6 % . Einen Tarifvertrag über Alterszusatz-

A.

Fragestellung

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H a t t e der übertragende Arbeitgeber eine Altersversorgungszusage gemacht, stellt sich die Frage, wie sich der internationale Betriebsübergang auf die Rechte der Arbeitnehmer aus der Betriebsrentenzusage auswirkt. Regelungen bezüglich der betrieblichen Altersversorgung sind oft ein wesentlicher u n d schwieriger Bestandteil der Vereinbarungen im Unternehmenskaufvertrag 8 . Insoweit gesetzliche Folgen zwingend eintreten, k o m m t eine Freistellung des Erwerbers von der eintretenden wirtschaftlichen Belastung in Betracht. Die A n t w o r t auf die Frage nach den gesetzlichen Folgen eines internationalen Betriebsübergangs setzt einen Gedankengang in vier Schritten voraus: Liegt ein Sachverhalt vor, der kollisionsrechtlich als Betriebsinhaberwechsel zu qualifizieren ist? N a c h welcher Kollisionsnorm wird dieser Sachverhalt angeknüpft und welches Recht k o m m t danach zur Anwendung? Qualifiziert das f ü r anwendbar erklärte Sachrecht seinerseits den Sachverhalt als Betriebsübergang i.S. der nationalen Rechtsordnung 9 ? Wie wirkt sich das anwendbare Sachrecht auf die Rechte der Arbeitnehmer aus Betriebsrentenzusagen konkret aus? 10 . Der erste u n d der dritte Gedankenschritt, die sich mit dem Begriff des Betriebsübergangs oder Betriebsinhaberwechsels auf der Tatbestandsseite der Kollisionsn o r m u n d der durch diese für anwendbar erklärten Sachnorm befassen, werden hier nicht problematisiert 1 1 . Die Erarbeitung eines kollisionsrechtlichen Begriffs des Betriebsübergangs

Versorgung gibt es nicht. G r ö ß e r e R e e d e r e i e n g e w ä h r e n o f t eine zusätzliche betriebliche A l t e r s rente. I n s o w e i t gibt es keine B e s o n d e r h e i t e n g e g e n ü b e r L a n d b e t r i e b e n . So die A u s k u n f t des Verb a n d e s d e u t s c h e r Reeder. 8 Kaiser/Gradel, D B 1996, 1621 ff.; aus englischer Sicht H o s k i n g ' s P e n s i o n Schemes, R d . N r . 4 - 1 0 4 f f . , S.96ff. 9 Vgl. z.B. B A G 20.04. 1989, 2 A Z R 431/88, A P N r . 81 z u §613a B G B m. A n m . Kreitner = A R - B l a t t e i , B e t r i e b s i n h a b e r w e c h s e l , E n t s c h . 83 m. A n m . Hergenröder. D e r Sachverhalt des g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e n B e t r i e b s i n h a b e r w e c h s e l s w a r n a c h d e u t s c h e m R e c h t z u beurteilen, §613a B G B b e a n s p r u c h t e aber keine A n w e n d u n g f ü r A r b e i t n e h m e r , die a m n e u e n f r a n z ö s i s c h e n A r b e i t s o r t n i c h t z u arbeiten bereit w a r e n . D i e s ist eine F r a g e der sog. s e k u n d ä r e n Q u a l i f i k a t i o n . D a z u Kropholler, § 14 I 4., S. WO-, Junker, I n t e r n a t i o n a l e s A r b e i t s r e c h t , S. 169. 10 Franzen, B e t r i e b s i n h a b e r w e c h s e l , S. 59ff. u n t e r s c h e i d e t dabei s c h o n auf d e r kollisionsr e c h t l i c h e n E b e n e die A n k n ü p f u n g der F o r t s e t z u n g s p f l i c h t u n d w e i t e r e r Teilbereiche ( H a f t u n g , kollektivrechtliche F o l g e n , K ü n d i g u n g s v e r b o t ) . Er hat d a b e i die R e g e l u n g des §613a B G B v o r A u g e n . E i n e allseitige K o l l i s i o n s n o r m , die v o m Sachverhalt, nicht v o m G e s e t z her e n t w i c k e l t w i r d , k o m m t aber mit d e r allgemeinen F r a g e nach d e n A u s w i r k u n g e n auf die A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e der b e i m B e t r i e b s v e r ä u ß e r e r b e s c h ä f t i g t e n A r b e i t n e h m e r aus. 11 Es ist d e n k b a r , d a ß ein w e i t gefaßter Begriff des B e t r i e b s ü b e r g a n g s im kollisionsrechtlichen Sinne es m i t sich bringt, d a ß die - n o c h z u d i s k u t i e r e n d e - K o l l i s i o n s n o r m auf ein Sachrecht verweist, das seinerseits d e n T a t b e s t a n d des B e t r i e b s ü b e r g a n g s n i c h t als erfüllt ansieht u n d d e m e n t s p r e c h e n d die f ü r d e n B e t r i e b s ü b e r g a n g v o r g e s e h e n e n R e c h t s f o l g e n n i c h t e i n t r e t e n läßt. Vgl. z.B. B A G v o m 2 0 . 0 4 . 1 9 8 9 , 2 A Z R 43/88, A P N r . 81 z u § 613a B G B m. A n m . Kreitner, in d e m d e r Sachverhalt n a c h d e u t s c h e m R e c h t z u b e u r t e i l e n war, § 613a B G B aber keine A n w e n d u n g f ü r A r b e i t n e h m e r b e a n s p r u c h t e , die a m n e u e n ausländischen A r b e i t s o r t nicht z u arbeiten bereit w a r e n . I n s b e s o n d e r e Fälle einer teilweisen F u n k t i o n s n a c h f o l g e im Z u g e eines o u t s o u r c i n g sind hier p r o blematisch. Vgl. n u r Junker, I n t e r n a t i o n a l e s A r b e i t s r e c h t , S.237f. z u U n t e r s c h i e d e n i m Begriff des B e t r i e b s ü b e r g a n g s n a c h d e u t s c h e m u n d f r a n z ö s i s c h e m Recht.

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§11 Versorgungszusagen

im internationalen

Betriebsübergang

setzte eine rechtsvergleichende Betrachtung voraus 1 2 , die auch den Begriff des Betriebsübergangs des europäischen Rechts aufgrund der Richtlinie 77/187/EWG v o m 14.02. 1977 13 , der kontroversen Auslegung, die diese Richtlinie durch den E u G H erfahren hat 14 , sowie der Änderungsrichtlinie 98/50/EG 1 5 vom 29.06. 1998 einbeziehen müßte 1 6 . Eine solche Untersuchung von der betriebsrentenrechtlichen Fragestellung ablenken und kann hier nicht geleistet werden. Stattdessen wird im folgenden von dem Archetyp des Betriebsübergangs, der rechtsgeschäftlichen Übertragung 1 7 eines Betriebes oder Betriebsteils 18 , ausgegangen, der unproblematisch unter den Tatbestand der Kollisionsnorm für den Betriebsinhaberwechsel zu fassen ist. Gegenstand der folgenden Untersuchung sind der oben angesprochene zweite Gedankenschritt der Formulierung der anwendbaren Kollisionsnorm, also der kollisionsrechtlichen Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs (unten B), sowie der vierte Schritt der Bestimmung der Rechtsfolgen f ü r die betriebliche Altersversorgung von einem Betriebsinhaberwechsel betroffener Arbeitnehmer bei A n w e n dung des §613a B G B und entsprechender ausländischer Sachnormen (unten C F) 19 .

B. Anknüpfung

des internationalen

Betriebsübergangs

Zur kollisionsrechtlichen A n k n ü p f u n g der arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs werden im wesentlichen zwei Auffassungen vertreten 2 0 . N a c h 12 A u c h Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 1 ff. begnügt sich mit einer allgemeinen Beschreib u n g des P h ä n o m e n s „internationaler Betriebsinhaberwechsel". 13 Richtlinie ü b e r die W a h r u n g von A n s p r ü c h e n der A r b e i t n e h m e r beim Ubergang von U n ternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen v o m 14.02. 1977, ABl. E G N r . L 61 vom 05.03. 1977, S.26ff. Vgl. oben §1 B.II.2.b)aa) (S.35ff.). 14 E u G H 14.04.1994, Rs. C-392/92, Christel Schmidt, Slg. I-1311; E u G H 11.03.1997, Rs. C 13/95, Süzen, Slg. 1-1259 = N Z A 1997,433. D a z u Buchner, N Z A 1997,408f.; E u G H 10.12.1998, verb. Rs. C-127/96, C-229/96 u n d C-74/97, H e r n á n d e z Vidal, Santner u n d G ó m e z Montaña, Slg. 1-8179. 15 AB1.EG L 201/88 vom 17.07. 1998. 16 Zu Unterschieden des deutschrechtlichen u n d des europarechtlichen Begriffs des Betriebsübergangs Hanau, in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd.34 1997, S.22f. 17 Vgl. zur Voraussetzung einer rechtsgeschäftlicher Vereinbarung. Art. 1 Abs. 1 lit. a R L 98/ 5 0 / E G ; MünchArbR/Wtfw&, §120 Rn.67ff.; Richter, A u R 1992, 65; Schmalenberg, N Z A 1989 Beilage 3, S. 14ff. 18 U n t e r einen Betrieb oder Betriebsteil kann auch eine sonstige wirtschaftlichen Einheit i.S. von Art. 1 Abs. 1 lit. b R L 9 8 / 5 0 / E G fallen. 19 Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 59ff. unterscheidet demgegenüber schon auf der kollisionsrechtlichen E b e n e die A n k n ü p f u n g der Fortsetzungspflicht (§4) u n d weiterer Teilbereiche ( H a f t u n g , kollektivrechtliche Folgen, Kündigungsverbot, § 5). Er hat dabei die Regelung des §613a B G B vor Augen. Eine allseitige Kollisionsnorm, die vom Sachverhalt, nicht v o m Gesetz her entwickelt wird, k o m m t aber mit der allgemeinen Frage nach den A u s w i r k u n g e n auf die Arbeitsverhältnisse der beim Betriebsveräußerer beschäftigten A r b e i t n e h m e r aus. 20 Eine Rechtswahl der Parteien des Ubernahmevertrages f ü r die arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs k o m m t nach ganz h.M. nicht in Frage. Vgl. B A G 2 9 . 1 0 . 1 9 9 2 , 2 A Z R 267/ 92, A P N r . 31 zu I P R Arbeitsrecht. Eine solche Rechtswahl liefe auf eine F r e m d b e s t i m m u n g der

B. Anknüpfung

des internationalen

Betriebsübergangs

461

der überwiegenden Literaturmeinung u n d der Rechtsprechung richten sich diese Folgen des Betriebsübergangs nach dem Arbeitsvertragsstatut 2 1 . N a c h anderer Ansicht ist an den Betriebssitz anzuknüpfen (Betriebsstatut) 22 . In der Regel stimmen Arbeitsvertrags-, Betriebsrenten- u n d Betriebsstatut überein, so daß sich die Folgen eines Betriebsübergangs beim Veräußerer, gleich ob man den Betriebsübergang an den Betriebssitz oder nach Art. 30 E G B G B anknüpft, nach demselben Recht richten 2 3 . Die beiden A n k n ü p f u n g e n unterscheiden sich nur dann, w e n n im inländischen Betrieb Arbeitnehmer nach ausländischem Recht bzw. w e n n im ausländischen Betrieb Arbeitnehmer nach deutschem Recht (oder dem Recht eines Drittstaates) beschäftigt werden. Auch wenn das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich ist, k o m m t §613a BGB im Inlandsbetrieb als eine zwingende, nicht dispositive N o r m i.S. des Art. 27 Abs. 3 E G B G B 2 4 f ü r Arbeitsverhältnisse, die ansonsten keine Auslandsberührung aufweisen, selbst bei Wahl eines ausländischen Rechts stets zur Anwendung 2 5 . A n A r b e i t n e h m e r d u r c h einen bislang am Arbeitsverhältnis unbeteiligten Dritten hinaus u n d scheidet als sachfremd aus. B A G 20.04.1989, 2 A Z R 43/88, A P N r . 81 zu §613a B G B m. A n m . Kreitner unter 1 m . w . N . . E b e n s o m . w . N . Richter, A u R 1992, S.68, 70; Gamillscheg, Z f A 1983, 359; Däubler, FS Kissel, S. 123; Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.233; Kronke, N I L R 1989, 9; Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 70; a. A. w o h l das L A G Berlin als Vorinstanz in der genannten Entscheidung, vgl. B A G a.a.O., u n t e r I der G r ü n d e . 21 Drobnig/Puttfarken, Arbeitskampf auf Schiffen f r e m d e r Flagge, S. 80 N r . 93; Pietzko, D e r Tatbestand des§613aBGB,S.215ff.;Ärorc£i>, IPRax 1981,159; ders., N I L R 1989,9; Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 235ff. N r . 202; unentschieden dagegen ders., Z f A 1983,359; Richter, A u R 1992, 68f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S.590; Däubler, FS Kissel, S. 124f.; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn. 1047; Martiny, in: R e i t h m a n n / M a r t i n y , Internationales Vertragsrecht, Rn. 1381; Mankowski, IPRax 1994, 96ff.; Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 71 ff. mit umfassenden Nachweisen auf d e m Stand 1994; Busch/Müller, ZVglRWiss 1995,182f.; Feudner, N Z A 1999, 1186f. O b sich aus Art. 32 Abs. 1 N r . 4 E G B G B , der f ü r die verschiedenen Arten des Erlöschens einer (arbeits-)vertraglichen Verpflichtung das (Arbeits-)Vertragsstatut f ü r a n w e n d b a r erklärt, hierfür ein A r g u m e n t herleiten läßt (so Däubler, R I W 1987, 254; Schwanda, Betriebsübergang, S. 146; ablehnend Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 62f., da es u m die A n k n ü p f u n g der arbeitsrechtlichen Folgen eines Betriebsinhaberwechsels gehe, die zumindest im Bereich der Europäischen U n i o n gerade nicht zu einem Erlöschen der vertraglichen Verpflichtungen f ü h r e ) mag dahingestellt sein. 22 Junker, Internationales Arbeitsrecht, S.240; ders., SAE 1994, 41; Birk, BerGSVR 18 (1978) 263, 291; ders., RabelsZ 46 (1982) 384, 396; ders., R d A 1984, 129, 133; M ü n c h A r b R / ^ r v k , §19 Rn. 177f. m . w . N . ; Koch, A W D / R I W 1984, 594; Schumacher, Stellung des Arbeitnehmers, S. 363; so auch die englische Kollisionsnorm in Art. 3 Abs. 1 u n d 3 Transfer of U n d e r t a k i n g s (Protection of E m p l o y m e n t ) Regulations 1981 ( T U P E ) . I.E. auch Wimmer, IPRax 1995,207ff.; 209. Die europäische Richtlinie präjudiziere zwar nicht die Anknüpfungsregel, gebe aber das Ergebnis der A n w e n d u n g des §613a B G B vor, w e n n der Arbeitsort/Betrieb in Deutschland liege. D a m i t schließt Wimmer die A n k n ü p f u n g über die Ausweichklausel wie in der Entscheidung des B A G 29.10.1992, a.a.O. aus; unentschieden Hergenröder, A n m . zu B A G 20.04. 1989, AR-Blattei, Betriebsinhaberwechsel, Entsch. 83 unter 1.2. c) u n d d). 23 Insoweit ebenso Busch/Müller, ZVglRWiss 94 (1995), 182. 24 So auch das B A G 29.10. 1992,2 A Z R 267/92, A P N r . 31 zu IPR Arbeitsrecht. Gleiches gilt jedenfalls f ü r alle Betriebsübergangsnormen im Bereich der Europäischen U n i o n , 25 A n d e r s Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 122f., der zwar §613a B G B unproblematisch als zwingendes, nicht dispositives, vertragsfestes Recht einstuft, Art. 27 Abs. 3 E G B G B aber hin-

462

§11 Versorgungszusagen

im internationalen

Betriebsübergang

sonsten kommt es bei Anknüpfung des Betriebsübergangs nach Art. 30 E G B G B in Rechtswahlfällen auf den Günstigkeitsvergleich an, ob § 613a B G B sich gegenüber dem gewählten ausländischen Recht durchsetzt 26 . Außer den Rechtswahlfällen bleiben nur die - seltenen 27 - Fälle, in denen trotz inländischen Arbeits- und Betriebsortes das Arbeitsverhältnis eine engere Verbindung im Sinne des Art. 30 Abs. 2 letzter Hs. E G B G B zu einem ausländischen Recht aufweist. Hier wäre §613a B G B bei einer Anknüpfung an das Arbeitsverhältnisstatut unanwendbar, während die Anknüpfung an den Betriebssitz wiederum zum deutschen Recht führte. Je großzügiger man mit der Ausweichklausel verfährt 28 , desto eher bieten sich Möglichkeiten, die Anwendung des §613a B G B auf Betriebe im Inland zu vermeiden. Größer sind die Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen zur Anknüpfung der Folgen eines Betriebsinhaberwechsels für Betriebe im Ausland, wenn die ausländische Rechtsordnung keinen oder einen geringeren Schutz des Arbeitnehmers beim Betriebsinhaberwechsel kennt als das gewählte deutsche Recht. Hier kann sich §613a B G B regelmäßig über den Günstigkeitsvergleich durchsetzen. I.

Arbeitsvertragsstatut

Nach welcher Kollisionsnorm das B A G den Betriebsinhaberwechsel anknüpft, ließ sich lange Zeit nur mittelbar erschließen, da das Gericht die kollisionsrechtliche Vorfrage nicht ausdrücklich stellte 29 . In der einzigen Entscheidung, die diese Frage bislang explizit beantwortet, verwirft das B A G eine Anknüpfung an den Ubernahmevertrag und auch eine Anwendung der lex loci. Für sie sei kein Raum, da nicht oder nicht notwendig Sachen, sondern eine Gesamtheit von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln übergehe. Die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs beurteilten sich nach Art. 30 E G B G B , also dem Ar-

ter Art. 30 Abs. 1 E G B G B zurücktreten läßt und auf Arbeitsverträge in Rechtswahlfällen nicht anwendet. 2 6 In der Entscheidung B A G 29.10. 1992, 2 A Z R 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht = IPrax 1994,123 hätte sich nach der hier vertretenen Auffassung §613a B G B im Günstigkeitsvergleich gegenüber dem gewählten Arbeitsvertragsstatut durchgesetzt. Die Flugbasis (base) war in Deutschland. 2 7 S.o. §6 B.III.4. (S.279ff.). 28 So das B A G 2 9 . 1 0 . 1 9 9 2 , 2 A Z R 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht = N Z A 1993,745ff. Es kann indessen nicht überzeugen, wenn das B A G hier aus der Einstellungsvoraussetzung „Amerikanische Staatsbürgerschaft" auf eine die Regelanknüpfung beiseite schiebende engere Verbindung zum Staate New York, dem Sitz des Arbeitgebers, schließt. 2 9 In der Entscheidung B A G 20.04. 1989, 2 AZR 431/88, AP Nr.81 zu §613a B G B m. Anm. Kreitner geht das B A G unausgesprochen von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus, sieht aber den Tatbestand des §613a B G B als nicht erfüllt an. O b das B A G zur Anwendbarkeit deutschen Rechts über die Anknüpfung an den ursprünglichen deutschen Betriebsort oder an das deutsche Arbeitsvertragsstatut gelangt, läßt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Kreitner geht in seiner Anmerkung von Art. 30 E G B G B als einschlägiger Kollisionsnorm aus.

B. Anknüpfung

des internationalen

Betriebsübergangs

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beitsvertragsstatut 30 . §613a B G B sei eine zwingende Vorschrift i. S. des Art. 27 Abs. 3 E G B G B , von der durch Vertrag nicht abgewichen werden könne, aber keine zwingende N o r m im Sinne des Art. 34 E G B G B 3 1 . Auch in der Literatur wird eine Sonderanknüpfung des §613a B G B überwiegend abgelehnt 32 . Die Anknüpfung an das Arbeitsverhältnisstatut hat zur Folge, daß bei vom objektiven Arbeitsverhältnisstatut abweichender Rechtswahl ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen ist und sich gegenüber dem gewählten Recht strengere Schutzvorschriften des Rechts des objektiven Arbeitsvertragsstatuts über diesen Günstigkeitsvergleich durchsetzen 3 3 . Insbesondere dann, wenn man den Günstigkeitsvergleich subjektiv deutet 3 4 , erschwert dieser die Bestimmung des auf die arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs anwendbaren Rechts erheblich. Betriebsveräußerer und -erwerber sind aber schon bei Abschluß des Übernahmevertrages darauf angewiesen, daß sich das den Betriebsübergang beherrschende Recht eindeutig bestimmen läßt. Die due diligence des Betriebserwerbers bei einem Unternehmenskauf 3 5 kann sich auf die ausdrücklich getroffene Rechtswahl, aber kaum auf die individuellen Arbeitnehmerpräferenzen hinsichtlich des Betriebsübergangsstatuts erstrecken 3 6 . Die Entscheidung zwischen den Schutzstandards der Betriebsübergangsnormen und anderer in die zu bildende Vergleichsgruppe fallender Arbeitnehmerschutznormen der beiden beteiligten Rechte kann schwierig sein. Als eine solche Vergleichsgruppe könnte man sich etwa den N o r menkomplex Schutz des Arbeitsverhältnisses bei den Betrieb als solchen betref-

3 0 B A G 29.10. 1992,2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht = N Z A 1993, 745ff. Eine frühere Entscheidung aus dem Jahr 1991 (Goethe-Institut) legt hingegen eine unausgesprochene Anknüpfung an den - mexikanischen - Betriebsort nahe, weil bei akzessorischer Anknüpfung an das - deutsche - Arbeitsvertragsstatut hätte erörtert werden müssen, daß § 613a B G B keine Anwendung beansprucht: Die Arbeitsverhältnisse mit der deutschen Mutter unterstanden wohl ursprünglich deutschem Recht, wurden gegen Abfindung einvernehmlich aufgelöst und mit der mexikanischen Tochtergesellschaft nach mexikanischem Recht neu begründet, vgl. B A G 11.09. 1991, 4 A Z R 71/91, AP Nr.29 zu IPR Arbeitsrecht m. Anm. Arnold 31 B A G 29.10. 1992, 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht = SAE 1994, 28 m. Anm. Junker = N Z A 1993, 743ff., 747f. Die Nichtanwendung des §613a B G B im konkreten Fall verstoße auch nicht gegen den deutschen ordre public. 32 Drobnig/Puttfarken, Arbeitskampf auf Schiffen fremder Flagge, S. 85 Nr. 99; Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 131 ff.; Däubler, FS Kissel, S. 126; Junker, SAE 1994,41 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 590; unklar Schwanda, Betriebsübergang, S. 146f., der den Begriff der Sonderanknüpfung auf Art. 30 Abs. 2 E G B G B und nicht auf Art. 34 E G B G B bezieht; a.A. Erman/.Hohloch, E G B G B Art. 30 Rn.25; Jayme/Kohler, IPRrax 1993, 369f.; Kranke, IPRax 1981, 160. 33 Pietzko, Der Tatbestand des §613a B G B , S.223ff.; Richter, AuR 1992, 69; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rn.1047. 3 4 Zum Maßstab s.o. §6 C.II.2.d) (S.290ff.). 3 5 Dazu Höfer/Küpper, D B 1997, 1317ff. Due diligence bezeichnet die sorgfältige Analyse und Bewertung eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils im Hinblick auf einen beabsichtigen Kauf durch den Kaufinteressenten. 3 6 Das übersieht Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 76, 114, wenn er meint, der Betriebserwerber habe die Möglichkeit, sich über die kollisionsrechtliche Anknüpfung der im Betrieb bestehenden Arbeitsverhältnisse zu informieren.

464

§11 Versorgungszusagen

im internationalen

Betriebsübergang

fenden Entscheidungen des Arbeitgebers (Produktionsverlagerung, (Teil-)Stillegung, Veräußerung u.a.) vorstellen 37 .

II.

Betriebsstatut

Die A n k n ü p f u n g an den räumlichen Schwerpunkt des Betriebes, im folgenden kurz Betriebssitz oder Betriebsort genannt, ist nicht mit den Unwägbarkeiten des Günstigkeitsvergleichs belastet u n d hat gegenüber der A n k n ü p f u n g an das Arbeitsverhältnisstatut den Vorzug der einfachen H a n d h a b u n g . Für die A n k n ü p f u n g an den Betriebssitz spricht die Betrachtung des Betriebsinhaberwechsels in einem größeren wirtschaftlichen Zusammenhang und nicht ausschließlich als Problem des individuellen Arbeitsverhältnisses. Ein Betriebsinhaberwechsel eines Betriebes in Deutschland kann gesetzliche Haftungsfolgen außer nach §613a B G B auch nach §25 H G B 3 8 nach sich ziehen, wenn deutsches Recht zur A n w e n d u n g kommt 3 9 . Ausländische Rechtsordnungen kennen ähnliche Haftungsbestimmungen 4 0 . Die gesetzliche H a f t u n g aufgrund Firmenfortführung wird nach dem Sitz des Unternehmens bzw. Betriebes angeknüpft 4 1 . Vor allem geht es bei den arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nicht allein u m das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers, sondern ebenso u m betriebliche, volkswirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Belange 42 . Es erscheint wenig praktikabel, die arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs f ü r Arbeitnehmer eines Betriebes mit unterschiedlichen Arbeitsvertragsstatuten nach unterschiedlichen Rechten zu beurteilen 4 3 . Auch k o m m t es, w e n n man §613a BGB auf alle Betriebe im Inland anwendet, gleich nach welchem Arbeitsverhältnisstatut sie ihre Arbeitnehmer beschäftigen, zu keinen Wettbewerbsverzerrungen zwischen in- und ausländischen Veräußerern 4 4 . Letzteren fällt es, schon weil Art. 27 Abs. 3 E G B G B nicht greift, grundsätzlich leichter, ein ausländisches Arbeitsvertragsstatut zu vereinbaren. O b sich §613a BGB hier über den

37 Anders Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 116ff., der sich zwar zunächst gegen den Einzelvergleich ausspricht, dann aber allein die N o r m des §613a B G B mit entsprechenden Bestimm u n g e n anderer R e c h t s o r d n u n g e n vergleicht. 38 Bis z u m 31.12. 1998 ließ sich auch auf §419 B G B verweisen. 39 Vgl. etwa B A G 24.03. 1977, 3 A Z R 649/76, A P N r . 6 zu §613a B G B = E-BetrAV 80 N r . 1. 40 Merkt, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 825.; z u m österreichischen Recht Bydlinski, in: Runggaldier, Österreichisches Arbeitsrecht u n d das Arbeitsrecht der E G , S.236ff. Dagegen waren §419 B G B in ihrer Reichweite vergleichbare Vorschriften ausländischen Rechten d u r c h w e g u n b e k a n n t , so MünchKomm/A/öscÄe/, §419 Rn. 3. 41 Insoweit ebenso Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S.79 m . w . N . A u c h die Folgen einer Vermögensübernahme werden von der h.M. nach d e m O r t der Vermögensbelegenheit angek n ü p f t . Merkt, in: R e i t h m a n n / M a r t i n y , Internationales Vertragsrecht, Rn. 825; Franzen, a.a.O., S. 78f. Dagegen gibt es keine klare h.M. zur A n k n ü p f u n g des gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsels u n d Schuldbeitritts, wie ihn §613 Abs. 2 B G B vorsieht. Vgl. Franzen, a.a.O., S. 79f.; Martiny, in: R e i t h m a n n / M a r t i n y , Internationales Vertragsrecht, Rn. 329. 42 Birk, B e r D G V R H 18 (1978), 263, 291 f.; ders., RabelsZ 46 (1982) 396. 43 Vgl. MünchArbR/ÄVife, § 19 Rn. 177. 44 Wimmer, IPRax 1995, 209.

B. Anknüpfung

des internationalen

Betriebsübergangs

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arbeitskollisionsrechtlichen Günstigkeitsvergleich durchsetzen kann, ist dann insbesondere davon abhängig, ob man bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland großzügig die Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 E G B G B anwendet und so das ausländische Recht zum objektiv anwendbaren Arbeitsvertragsstatut bestimmt 45 . Wer der Anknüpfung an das Betriebsstatut entgegenhält, primärer Schutzzweck des §613a Abs. 1 S. 1 BGB sei der Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse46, liest den Zweck des nationalen (Schutz-)Gesetzes in die Kollisionsnorm hinein. Die Formulierung einer allseitigen Kollisionsnorm vom Sachverhalt her muß jedoch unvoreingenommen nach den arbeitsrechtlichen und sonstigen Folgen eines Betriebsinhaberwechsels fragen. Die kollisionsrechtlich für anwendbar erklärte Rechtsordnung kann, wie etwa §613a BGB, einen Bestandsschutz für Arbeitsverhältnisse vorsehen und das Interesse des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim neuen Betriebsinhaber schützen. Sie kann aber auch auf einen solchen Arbeitnehmerschutz verzichten 47 oder wie das schweizerische Recht, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vom Interesse des Betriebserwerbers an der Übernahme auch der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer abhängig machen 48 . Schließlich erscheint die A n k n ü p f u n g der Betriebsübergangsfolgen nach Art. 30 E G B G B im Ergebnis bedenklich, wenn §613a BGB sich im Ausland im Wege des Günstigkeitsvergleichs gegen ein Recht durchsetzt, das keinen zwingenden Ubergang der Arbeitsverhältnisse beim Betriebsinhaberwechsel kennt (z.B. das Recht von N e w York 49 ). Ist §613a BGB auf das Arbeitsverhältnis im Auslandsbetrieb anwendbar, übernimmt ein Erwerber des ausländischen Betriebes kraft Gesetzes das dem deutschen Recht unterliegende Arbeitsverhältnis, während die dem objektiv anwendbaren ausländischen Recht unterstehenden Arbeitsverhältnisse nicht übergehen 50 . Im Ergebnis haben damit die ursprünglichen Arbeitsvertragsparteien durch die Wahl deutschen Rechts eine Vereinbarung zum Nachteil des Betriebserwerbers geschlossen, welcher sich dieser nur durch Abstandnahme vom Betriebserwerb überhaupt entziehen kann. Das rückt die arbeitsvertragliche Rechtswahl hinsichtlich § 613a BGB in die Nähe eines Vertrages zu Lasten Dritter. III.

Ergebnis

Nach der hier vertretenen Auffassung bestimmen sich die arbeitsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs nach dem Recht des Betriebsortes. Die folgende 45

So die Tendenz des BAG 29.10. 1992, 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht. So Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 76. 47 So das Recht von New York, vgl. BAG 29.10. 1992, 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht. 48 Näher s.u. unter D.I.4. (S.482). 49 Vgl. BAG 29.10. 1992, 2 AZR 267/92, AP Nr. 31 zu IPR Arbeitsrecht. 50 Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 114 meint, das benachteilige den Betriebserwerber nicht über Gebühr, die getroffene Rechtswahl sei für ihn erkennbar. 46

466

§11 Versorgungszusagen

im internationalen

Betriebsübergang

Untersuchung gliedert daher in erster Linie danach, ob der veräußerte Betrieb im In- oder Ausland belegen ist 5 1 . Arbeitet ein Arbeitnehmer an ständig wechselnden Orten, ist der Betrieb, dem er zuzuordnen ist und auf den es für die Anknüpfung daher ankommt, die einstellende Niederlassung. Seeleute fallen nicht hierunter. Für sie bestimmt sich der maßgebliche Betriebssitz regelmäßig nach dem Recht der Flagge des Schiffes, auf dem sie fahren 52 . Für Arbeitnehmer im Flugverkehr ist dagegen der maßgebliche Betrieb nicht etwa ein einzelnes Flugzeug oder die Flugzeugflotte, auf der sie zum Einsatz kommen 5 3 , sondern, die Basis, auf der das fliegende Personal stationiert ist und von der es die Weisungen entgegennimmt 5 4 . Daß § 117 B e t r V G im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer keinem Betrieb i.S. des §1 B e t r V G zuordnet, läßt sich aus den Besonderheiten des Flugbetriebs rechtfertigen 5 5 , und bedeutet nicht, daß sie keinem Betrieb angehören 5 6 .

C. Internationaler

Ubergang

eines inländischen

I. Rechtsfolgen des §613a BGB für die des Veräußerers 1.

Betriebes

Betriebsrentenzusage

Regelarbeitsverhältnis

Nach der zwingenden Vorschrift des §613a Abs. 1 S. 1 B G B 5 7 tritt derjenige, der durch Rechtsgeschäft einen Betrieb oder Betriebsteil erwirbt, in die Rechte und Pflichten aus den zur Zeit des Ubergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein 5 8 . Zu diesen Rechten und Pflichten gehören auch die aus einer Betriebsrenten51 Auch für die Gegenmeinung, die den Betriebsübergang an das Arbeitsvertragsstatut anknüpft, ist diese Gliederung brauchbar, da im Regelfall des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 E G B G B das Arbeitsvertragsstatut über den ständigen Arbeitsort und damit über den Betriebssitz bestimmt wird. 52 Vgl. zur Anknüpfung der Arbeitsverhältnisse der Seeleute überzeugend Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S. 88ff., auch zum Einfluß des §21 Abs.4 F1RG. 53 A.A Franzen, Betriebsinhaberwechsel, S.96f., der auf die Nationalität des Flugzeugs zur Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts und damit nach seiner Auffassung auch des Betriebsübergangsstatuts abstellt. 5 4 Danach wäre auch im Fall des B A G 29.10. 1992, a.a.O., deutsches Recht anwendbar gewesen. Das B A G kam nur aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer, die Einstellungsvoraussetzung war, zur Anwendung der Ausweichklausel. Zur - betriebsverfassungsrechtlichen Betriebszugehörigkeit kraft Weisungsabhängigkeit Reichold, Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, S. 475 ff. 5 5 B A G 05.11. 1985, 1 A B R 56/83, AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG; Scbmid/Roßmann, Das Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder von Luftfahrtunternehmen, S 212ff. Rn. 509ff. 56 Zum - regelmäßig nicht erfüllten - Tatbestand des Betriebsübergangs beim Flugzeugleasing Schmid/Roßmann, Das Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder von Luftfahrtunternehmen, S. 201 ff. Rn.491ff. 5 7 § 613a B G B erfuhr lediglich hinsichtlich der Behandlung von Kollektivvereinbarungen und des Kündigungsrechts des Arbeitgebers infolge der R L 77/187/EWG eine Änderung. E G - A n passungsgesetz vom 13.08. 1980, B G B l . I 1980, 1309. 58 M ü n c h A r b R / W * ^ , § 120 Rn. 19.

C. Internationaler

Übergang eines inländischen

Betriebes

467

zusage des Arbeitgebers 59 . Die Bestandsschutzgarantie des §613a Abs. 1 S. 1 BGB gilt unabhängig davon, welchen Durchführungsweg der Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung gewählt hat und auf welchem Rechtsgrund die Versorgungszusage beruht 60 . Hinsichtlich der Betriebsrentenzusage 61 tritt der Erwerber in die Verpflichtung aus den verfallbaren und unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse übergegangen sind, ein. Die beim Veräußerer erbrachte Betriebszugehörigkeit setzt sich beim Erwerber fort und rechnet bei der Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen im Betrieb des Erwerbers mit 62 . Der Erwerber tritt nicht in Verbindlichkeiten gegenüber den schon vor dem Betriebsübergang ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften und gegenüber den Betriebsrentnern ein 63 . Auch eine rechtsgeschäftliche Übernahme der laufenden Betriebsrentenverbindlichkeiten durch den Betriebserwerber und eine Entlastung des Betriebsveräußerers durch entsprechenden Erlaßvertrag scheitert an der analogen Anwendung des §4 BetrAVG 64 , weil der Betriebserwerber nicht Arbeitgeber des Betriebsrentner wird 6 5 und der PSVaG in der Praxis grundsätzlich Schuldübernahmebegehren beim Betriebsübergang nach §613a BGB nicht zustimmt 66 . Allerdings können Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen oder öffentlich-rechtliche Versorgungsträger die Versorgungsverpflichtungen nach § 4 BetrAVG vom Betriebsveräußerer übernehmen 67 . Der Veräußerer haftet den vom Ubergang der Arbeitsverhältnisse betroffenen Arbeitnehmern in den Grenzen des §613 a Abs.2 BGB, d.h. zeitanteilig und gesamtschuldnerisch mit dem Erwerber für solche Ansprüche, die vor dem Betriebsinhaberwechsel entstanden sind und innerhalb eines Jahres fällig werden 6 8 . 59 Dazu, daß dies in europarechtskonformer A u s l e g u n g des § 6 1 3 a Abs. 1 S. 1 B G B auch auf der Grundlage der geänderten Betriebsübergangsrichtlinie R L 98/50/EG gilt, Gaul, BB 1999, 528. 60 MünchArbK! Ahrend/Förster, § 1 0 3 Rn.40f.; Gaul, ZIP 1989, 759f. 61 Diese Grundsätze gelten auch, w e n n der Veräußerer die Altersversorgung über einen der mittelbaren D u r c h f ü h r u n g s w e g e durchgeführt hat. Zu Besonderheiten bei mittelbaren Versorgungszusagen Höfer, BetrAVG, A R T R n . 9 1 3 f f . 62 B A G 20.07. 1993, 3 A Z R 99/93, A P N r . 4 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit. Höfer, BetrAVG, § 1 Rn. 1482; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 4 2 4 ; H-BetrAV/Gnebeling, Ordnr. 30 Rn. 424. 63 Höfer, BetrAVG, A R T R n . 8 8 5 ; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. R n . 4 3 3 f . m. Nachweisen zur Gegenmeinung; H-BetrAV/Griebeling, Ordnr. 30 Rn.421ff.; MünchArbR/W