Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren: Zugleich ein Beitrag zur Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren [1 ed.] 9783428508440, 9783428108442

Seit der Einführung der Telefonüberwachung im Jahre 1968 haben die verschiedensten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen Einzu

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German Pages 166 Year 2002

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Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren: Zugleich ein Beitrag zur Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren [1 ed.]
 9783428508440, 9783428108442

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BJÖRN GERCKE

Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren

Kölner Kriminal wissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Klaus Bernsmann, Hans Joachim Hirsch Günter Kohlmann, Michael Walter Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 41

Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverlahren Zugleich ein Beitrag zur Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Von Bjöm Gercke

Duncker & Humblot . Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2001/2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-10844-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Meinen Freunden: Frank Engster, Cornelius Müller, Daniel Wölky & Sebastian Wollschläger

Vorwort Die nachfolgende Arbeit ist im Juli 2001 abgeschlossen worden und hat im Wintersemester 200112002 der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Für die Drucklegung wurden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur weitestgehend bis Januar 2002 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt dabei meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Klaus Bernsmann, der den Anstoß zu dieser Arbeit gegeben hat. Ich wünsche ihm an seiner neuen Stätte in Bochum alles Gute und bedauere seinen Fortgang als Verlust für die Universität zu Köln. Herrn Prof. Dr. Jürgen Seier danke ich für die umgehende Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in die Schriftenreihe danke ich den Herausgebern. Dank gebührt an dieser Stelle auch meinen verehrten Kolleginnen und Kollegen am Kriminalwissenschaftlichen Insitut der Universität zu Köln für ihre Unterstützung; zu nennen sind hier insbesondere Herr Dr. Tarek Abdallah, Frau Cora Hartan, LL.M. sowie Frau Claudia Hartel. Ein besonderer Dank gebührt auch Frau Prof. Dr. Susanne Walther, LL.M., die mir - trotz des erheblichen Aufwandes beim Aufbau ihres Lehrstuhls - nicht nur die Möglichkeit gegeben hat, mich dieser Dissertation in dem erforderlichen Maße zu widmen, sondern mich auch stets mit guten Ratschlägen unterstützt hat. Schließlich möchte ich mich bei meinen Freundinnen und Freunden insbesondere Frank Engster, Cornelius Müller, Daniel Wölky und Sebastian Wollschläger - sowie meinen Eltern bedanken, deren Beistand mich stets getragen und motiviert hat. Köln, im März 2002

Bjöm Gercke

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

15

1. Kapitel

Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen A. Begriffsbestimmungen ............................................... I. Heimliche Ennittlungsmethoden im System des Strafverfahrens .. . . . .. 1. Der Begriff der heimlichen Ennittlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Heimliche Ennittlungsmethoden im Widerspruch zur Transparenz staatlichen Handeins .......................................... 3. Ausweitung heimlicher Ennittlungsmethoden im Zuge des technischen Fortschritts ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. "Organi~ierte Kriminalität" als Rechtfertigung für die Ausweitung heimlicher Ennittlungsmethoden ............................... II. Bewegungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Erstellung von Bewegungsbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kriminalistischer Nutzen ...................................... B. Rechtstatsächliche Grundlagen ........................................ I. Die Entwicklung des Mobilfunkverkehrs in Deutschland .............

II. Die bestehenden Mobilfunknetze .................................. III. Die Digitalisierung der Kommunikationstechnik - Ausgangspunkt für neue Überwachungsmöglichkeiten ................................. 1. Verbindungsdaten beim digitalen Femmeldeverkehr . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Standortbestimmung anhand der Funkzellenennittlung ........

18 18 18 18 18 19 21 23 23 23 25 25 26 27 27 29

2. Kapitel

Der GesetzesvorbehaIt A. Der I. H. III. IV.

allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt .................. Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Historische Grundlagen .......................................... Der allgemeine Gesetzesvorbehalt auf Grundlage des Grundgesetzes .. Die Reichweite des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes ................

32 32 32 33 35 36

10

Inhaltsverzeichnis 1. Lehre vom Totalvorbehalt ....... . ............................. 36 2. Die Wesentlichkeitstheorie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37

B. Der Gesetzesvorbehalt im Strafverfahren ................... . ........... 39

3. Kapitel Bewegungsbilder als GrundrechtseingritT

A. Die Erstellung von Bewegungsprofilen als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ......................................... I. Die Kemaussagen des Volkszählungsurteils ............. . . . . . . . . . . .. 11. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nach dem Volkszählungsurteil: Ausdehnung und Konkretisierungen des Schutzbereiches ........................................................... III. "Relativierungstendenzen" ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Beschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auf die (EDV-gestützte) automatische Datenverarbeitung ............. 2. Ausschluß von sog. "Bagatell-Beeinträchtigungen" ............... 3. Einschränkung des Schutzbereiches bzw. Eingriffsrechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht ............. ."............ a) Grundrecht auf Sicherheit ................................... aa) Das "Grundrecht auf Sicherheit" als vermeintliches überindividuelles Grundrecht ................................... bb) Ablehnung eines "Grundrechts auf Sicherheit" ....... . . . . .. b) Die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" ............... aa) Die Schaffung des Topos durch die Rechtsprechung ........ (1) "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als Instrument der Effektivierung im Strafverfahren ............. (2) Der Topos der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als Verfassungswert .......................... bb) Die Ansichten in der Literatur ........................... (1) Prinzipielle Anerkennung des Verfassungsranges bei gleichzeitiger Relativierung .......................... (2) Verwerfung der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als Postulat von Verfassungsrang . . . . . . . . . . . . . .. (a) Keine Verortung im Rechtsstaatsprinzip ............ (b) Verstoß des Topos gegen das Bestimmtheitsgebot ... (c) Die Widersprüchlichkeit der Zielsetzung (hermeneutische Ebene) ................................... (d) Zusammenfassung ............................... IV. Zwischenergebnis ...............................................

41 41 41 45 45 46 48 50 52 52 53 55 56 56 57 58 59 59 60 62 63 65 65

B. Erstellung von Bewegungsprofilen anhand der Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 65

Inhaltsverzeichnis I.

H.

Das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG .......................... 1. Das Verständnis vom "dynamischen" Schutzbereich .............. 2. Schutz von Kommunikationsinhalt und Kommunikationsvorgang ... Erfassung der Standortdaten als Teil des durch Art. 10 GG geschützten Kommunikationsvorganges ....................................... 1. Kein Vergleich mit Funkpeilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis auch im stand-by-Betrieb ..... 3. Zwischenergebnis ............................................

11 65 66 67 68 69 70 71

C. Das Verhältnis von Art. 10 GG zum Recht auf informationelle Selbstbestim-

mung aus Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ....................... 72 1. Grundsätzlicher Vorrang von Art. 10 GG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 72 11. Reichweite des informationellen Selbstbestimmungsrechtes als Mindeststandard für den verfassungsrechtlichen Schutz durch das speziellere Grundrecht ..................................................... 72

4. Kapitel

Legitimation des Eingriffes aufgrund gesetzlich geregelter Ermächtigungsgrundlagen

75

A. § 12 FAG als Ermächtigungsgrundlage ................................ 1. Die Entwicklung der Norm ....................................... 1. Die ursprüngliche Fassung des § 12 FAG ....................... 2. Veränderungen der Norm. . . .. . .. . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . .. .. .. 3. Bedeutung des § 12 FAG vor dem Hintergrund der modemen Kommunikationstechnik ........................................... H. § 12 FAG als Ermächtigungsgrundlage für die Standorterrnittlung und -auswertung beim Mobilfunkverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Der Umfang des Auskunftsverlangens nach § 12 FAG ............ 2. Zeitlicher Anwendungsbereich ................................. a) Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 12 FAG über den eigentlichen Wortlaut hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Beschränkung von § 12 FAG auf Telekommunikationsvorgänge in der Vergangenheit ....................................... 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

81 83

B. §§ 100g, 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage .......................

83

C. §§ 100a, lOOb StPO als Ermächtigungsgrundlage ....................... 1. Die gesetzliche Systematik ....................................... 1. § 100a StPO als materielle Ermächtigungsgrundlage .............. 2. § 100b StPO als formelle Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Benachrichtigungspflichten nach § 101 Abs. 1 StPO .............. H. Entstehung und Entwicklung der Norm ............................

85 85 85 86 88 88

75 76 76 76 78 79 79 80 81

12

Inhaltsverzeichnis 1. "Prototyp" heimlicher Beweisgewinnungsmethoden ..... . . . . . . . . .. 2. Neue Rechtsprobleme durch veränderte Kommunikationstechnologien......................................................... 3. Exkurs: Abhörmaßnahmen hinsichtlich des gesprochenen Wortes beim Mobilfunkverkehr ....................................... III. Standortdatenerfassung als Bestandteil der "Telekommunikation" i. S. d. § 100a StPO? ................................................... 1. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand des TKG ........................................................ a) Der unterschiedliche Regelungs- und Adressatenbereich ........ b) Die unterschiedliche Eingriffsintensität ....................... c) Zwischenergebnis .......................................... 2. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand der TKÜV ...................................................... 3. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand der TDSV ....................................................... 4. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand des Rückgriffes auf Art. 10 Abs. 1 GG ............................. 5. Die strafprozessuale Inhaltsbestimmung anhand der gängigen Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die grammatikalische Interpretation ......................... . b) Die systematische Interpretation ............................. c) Die historische Interpretation ................................ d) Die objektiv-teleologische Interpretation ...................... e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis bezüglich §§ 100a, 100b StPO . . . .. . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . .

88 90 91 92 93 94 95 96 96 97 98 99 100 103 104 106 108 109

D. § 39 AWG als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . .. 109 E. § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO als Ermächtigungsgrundlage ................ 110 I. Keine Anwendung von § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO wegen fehlender Rechtsgrundlage für die Heranziehung Dritter ...................... 110 11. Analoge Anwendung des § l00b Abs. 3 StPO für die Ermächtigungsgrundlage des § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO zur Heranziehung Dritter? . 111 F. §§ 161, 163 StPO als Ermächtigungsgrundlage ............. . ............ I. §§ 161, 163 StPO a.F. ........................................... H. Die §§ 161,163 StPO n.F. nach Inkrafttreten des StVÄG 1999 ....... 1. Der Weg zum StVÄG 1999 .................................... 2. Keine Ermittlungsbefugnis für die Standortbestimmung anhand des Mobilfunkverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

112 112 114 114 115

G. § 34 StGB als Ermächtigungsgrundlage ................................ 116 H. Zusammenfassung .................................................. . 117

Inhaltsverzeichnis

13

5. Kapitel Die Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

A. Strafverfahrensrechtliche Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes .............................................................. I. Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, § 163e StPO ...... 1. Der Weg zur gesetzlichen Regelung der Norm ................... 2. Die Ausgestaltung der Norm .................................. . 3. Verfassungsrechtliche Bedenken ................................ 11. Die längerfristige Observation, § 163f StPO ........................ 1. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme vor der Einführung des § 163f StPO durch das StVÄG 1999 .................................. a) Ablehnung der Rechtmäßigkeit bzw. Beschränkung auf einen "Übergangszeitraum" ....................................... b) Rechtsgrundlage in § 100c Abs. 1 Nr. 1 a) StPO .............. c) §§ 161, 163 StPO a.F ....................................... d) Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht ....................... . 2. Die gesetzliche Regelung des § 163f StPO ...................... III. Der Einsatz technischer Mittel für Observationszwecke, § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO ..................................................... 1. Die Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, § 100c Abs. 1 Nr. 1 a) StPO ......................................... a) Beschränkung von § 100c Abs. I Nr. 1 a) StPO auf Observationszwecke ............................................... b) Beschränkung von § IODc Abs. 1 Nr. I a) StPO auf öffentliche Räume .................................................... 2. Der Einsatz sonstiger technischer Mittel für Observationszwecke, § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO ................................... IV. Die Standortbestimmung anhand der Nutzung von EC- und Kreditkarten etc., § 161 bzw. §§ 94 ff. StPO ................................ 1. Auskunftsverlangen gegenüber öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten .......................................................... 2. Auskunftsverlangen gegenüber privaten Kreditinstituten ........... B. Die Kumulation der einzelnen Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildern ............................................................. I. Eigenständige Qualität der Kumulation ............................ 11. Die rechtliche Bewertung der Kumulation .......................... 1. Berücksichtigung der Kumulation im Rahmen der Subsidiaritätsklauseln ..................................................... a) Das System der Subsidiaritätsklauseln in der StPO ............. b) "Strenge Subsidiariätsklausel" als Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung der Kumulation ........................... .

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Inhaltsverzeichnis 2. Das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip als Anknüpfungspunkt für die Kumulation ........................................... 136 3. Ergebnis .................................. . .................. 138 Zusammenfassung und Resümee

A. Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................... I. Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen ............ 11. Gesetzesvorbehalt ............................................... III. Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff ........................... IV. Legitimation des Eingriffes aufgrund gesetzlich geregelter Ermächtigungsgrundlagen ................................................ V. Die Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren .............................................

140 140 140 140 141 141 142

B. Resümee ........................................................... 142 Literaturverzeichnis ................................................... 145

"Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht." Immanuel Kant 1

Einleitung Wesentliches Ziel des Strafverfahrens ist die Ennittlung der "Wahrheit,,2 zur Aufklärung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Sachverhaltes3 , um so der Verwirklichung des materiellen Strafrechts gerecht zu werden. Der Rechtsstaat zeichnet sich allerdings dadurch aus, daß diese "Wahrheit" nicht "um jeden Preis erforscht werden,,4 darf; andernfalls würde der Mensch letztlich zum bloßen Objekt staatlicher Strafverfolgung degradiert, was mit dem Gebot der Unantastbarkeit der Menschenwürde unvereinbar wäre. 5 Insofern ist anerkannt, daß die Justizfönnigkeit des Strafverfahrens ein weiteres eigenständiges Verfahrensziel bildet. 6 Dem Verhältnis dieser beiden Zielsetzungen - Wahrheitsfindung einerseits und Justizfönnigkeit andererseits - ist ein struktureller Konflikt immanent: nicht immer wird sich der Sachverhalt durch eine Kooperation der Verfahrens beteiligten - etwa durch Geständnis oder Aussagebereitschaft des 1 Kant, Zum Ewigen Frieden, in: Weischedel (Hrsg.): Kant Werkausgabe, Bd. 9, S. 191 (245). 2 Zum Wahrheitsbegriff im Strafverfahren: Hetzer, Wahrheitsfindung im Strafprozeß, S. 23 ff.; Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft in: Gesamtausgabe, Rechtsphilosophie Bd. 1, S. 159; Volk, Wahrheit und materielles Recht im Strafprozess, S. 7 ff.; vgl. auch: Hassemer, KritV 1990,260 (268 f.), der auf Grundlage der Erkenntnistheorie darauf hinweist, daß "Wahrheit" niemals in Form einer "absoluten Wahrheit", d.h. einer "objektiv" abbildenden Erkenntnis der Wirklichkeit, existiert, sondern relativ zu den erkennenden Personen und den Umständen des Erkenntnisvorganges ist; ähnlich bereits: Krauß in: Grünwald u. a. (Hrsg.), Schaffstein-FS, S. 411 ff. 3 BVerfGE 63, 45 (61); BGHSt 27, 355 (357); 28, 122 (128); 35, 32 (34); Bemsmann, ZRP 1994, 329 (330); Hassemer, KritV 1990, 260 (268); Pfeiffer in: KKStPO, Einl., Rn. 1 f.; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, Einl. 6. Kap., Rn. 7. 4 BGHSt 14, 358 (365); 31, 304 (309); Weigend, ZStW 113 (2001), 271 (278). 5 Vgl. BVerfGE 5, 85 (204 f.); 7, 198 (205); 27, 1 (6); Meurer in: Schünemann u. a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1281. 6 BVerfGE 46, 202 (210); 57, 250 (275); 63, 45 (61); Pfeiffer in: Bäumler (Hrsg.), Datenschutz und Polizei, S. 23 (29); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 3; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, Einl. 6. Kap., Rn.; Eb. Schmidt, JZ 1958, 596 (601); Wolter, in: SK-StPO, 11. Lfg. (Juni 1994), vor § 151, Rn. 49, 52; weitergehend: Rieß in: Hassenpflug (Hrsg.), Schäfer-FS, S. 155 (168 ff.); krit. aber: Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 25.

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Einleitung

Beschuldigten während der Vernehmung - ermitteln lassen.? Vielmehr sind die Strafverfolgungsorgane in der Regel gezwungen, selbst Nachforschungen anzustellen. Dazu wenden jene regelmäßig sowohl körperliche Zwangsmaßnahmen als auch insbesondere heimliche Ermittlungsmethoden an. Diese sind zwar prinzipiell geeignet, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen bzw. die Ermittlungen jedenfalls zu erleichtern; es handelt sich dabei allerdings um teilweise äußerst sensible, grundrechtstangierende Eingriffe, bei deren Anwendung stets die Gefahr besteht, den Grundrechtschutz des einzelnen Betroffenen bereits im Ermittlungsverfahren gänzlich hinter das staatliche Strafverfolgungsinteresse zu drängen. Insofern kommt der Wahrung der Justizförmigkeit bei derartigen Ermittlungsmethoden eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt gerade für heimliche Ermittlungsmaßnahmen. Denn im Gegensatz zu den offen angelegten klassischen Zwangsmaßnahmen weiß der Betroffene bei diesen nichts von den Eingriffen in seine Rechte und kann sich daher nicht gegen sie verteidigen. Trotz der Grundrechtssensibilität heimlicher Ermittlungsmaßnahmen wurde deren Anwendungsbereich im Zuge des technischen Fortschrittes zunehmend erweitert. 8 Diese Entwicklung spiegelt sich insbesondere bezüglich der Überwachung der Telekommunikation wieder. 9 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die rechtliche Zulässigkeit der Erstellung von Bewegungsbildern bzw. -profilen anhand der Mobilfunküberwachung als eine modeme heimliche ErmittIungsmaßnahme. Die Erstellung und Auswertung von Bewegungsbildern ist keine grundsätzlich neue Maßnahme der Strafverfolgungsbehörden zur Beweisgewinnung; mit fortschreitender technischer Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit hat dieses Mittel jedoch erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies liegt zum einen an den vereinfachten Möglichkeiten bei der eigentlichen Erstellung eines Bewegungsbildes. Während früher lediglich die Observation durch heimlich agierende Ermittier möglich war, stehen heute eine ganze Reihe technischer Beobachtungsmöglichkeiten parat, die wesentlich kostengünstiger und zeitökonomischer sind lO . Zum anderen wurde auch die Auswertung des erstellten Bewegungsbildes aufgrund der modemen, 7 Zu diesem grundsätzlichen Konflikt vgl.: Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozeßrecht, S. 30 ff.; Hassemer, KritV 1988, 338 ff.; ders., KritV 1990, 260 (270); Krauß in: Lackner u. a. (Hrsg.): Gallas-FS, S. 365 (366 0; Roxin, Strafverfahrensrecht, § I, Rn. 6. 8 Albrecht, KritV 2000, 273 (276); Bernsmann/Jansen, StV 1998, 217; vgl. zu dieser Entwicklung auch Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (347). 9 Vgl. Stattkus, Der Kriminalist 2000, 404 (406, 408). IO Vgl. 5. Kap.

Einleitung

17

elektronischen Datenverarbeitung wesentlich vereinfacht, da sie nicht mehr manuell erfolgen muß. Die Standortbestimmung anhand der Mobilfunküberwachung wird von den Ermittlungsbehörden in der Praxis zunehmend angewandt, was sich auch aus den zahlreichen Gerichtsentscheidungen zur Auskunftserteilung über die Verbindungsdaten beim Mobilfunkverkehr in der jüngeren Vergangenheit ll ableiten läßt. Vor dem Hintergrund der immensen Ausweitung des Mobilfunkverkehrs, der mittlerweile den traditionellen Festnetztelefonverkehr als primäres Kommunikationsmittel abgelöst hat, wird die praktische Relevanz dieser Ermittlungsmethode aller Voraussicht nach noch zunehmen. Ziel der Arbeit ist es, die tatsächlichen Möglichkeiten und die rechtlichen Grenzen der Erstellung von Bewegungsbildern anhand der Mobilfunküberwachung zur heimlichen Beweisgewinnung im Strafverfahren aufzuzeigen. Eingangs werden neben den erforderlichen Begrisffsbestimmungen zunächst die rechtstatsächlichen Grundlagen zu klären sein, d. h., der Gegenstand der Untersuchung wird in seiner konkreten (technischen) Ausgestaltung beschrieben. Anschließend wird das Augenmerk auf grundrechtliche Aspekte gerichtet, deren Analyse unerläßliche Voraussetzung für die rechtliche Bewertung einer strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme ist. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird zu klären sein, ob die Standortdatenerfassung und -auswertung im Rahmen des Mobilfunkverkehr an hand der Funkzellenermittlung nach geltendem Recht zulässig ist, d.h., ob sie sich auf eine bestehende Ermächtigungsgrundlage stützen läßt. Schließlich wird in einem zweiten Teil der Arbeit auf die Kumulation der verschiedenen gängigen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen zur Erstellung eines Bewegungsbildes eingegangen. Die rechtliche Bewertung einer solchen Bündelung von Ermittlungsmethoden, die in der Strafprozeßordnung nirgends explizit ausgeführt wird, ist ein strafprozessuales Grundsatzproblem, das in Rechtsprechung und Literatur bisher nur vereinzelt behandelt wurde. Es wird sich damit auseinanderzusetzen sein, ob der Kumulation strafprozessualer Überwachungsmaßnahmen eine eigene rechtliche Qualität zukommt und wenn ja, wie eine solche auf der Basis geltender Normen zu bewerten ist. 11 Vgl. nur: BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214; OLG Celle, StV 2000, 70 (71); OLG Hamm, CR 1999, 697 (698); LG Aachen, StV 1999, 590; LG Berlin, DuD 1998,725; LG Bremen, StV 1999,307; LG Dortmund, NStZ 1998,577; LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 26.1.1998 - 5/12 Qs 4/98 (n.v.); LG Hamburg, NStZ-RR 1999,82; LG München I, NStZ-RR 1999, 85; LG Oldenburg, DuD 1999, 480; LG Ravensburg, NStZ-RR 1999, 84; LG Stuttgart, Entscheidung vom 15.3.2000 - 17 Qs 13/00 (n.v.); LG Traunstein, DuD 1997, 112. 2 Gercke

1. Kapitel

Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen A. Begriffsbestimmungen I. Heimliche Ermittlungsmethoden im System des Strafverfahrens 1. Der Begriff der heimlichen Ermittlungsmethoden

Der Begriff der heimlichen Ermiulungsmethoden ist zwar in der Strafrechtswissenschaft noch nicht abschließend geklärtl , jedoch werden darunter nach der weitesten und daher konsensfähigsten Definition jedenfalls solche Ermittlungsmaßnahmen verstanden, von denen der Betroffene bzw. etwaige Dritte zumindest vorerst nichts bemerken sollen? 2. Heimliche Ermittlungsmethoden im Widerspruch zur Transparenz staatlichen Handeins

Verdeckte Ermittlungen als Instrument der Ermittlungsbehörden zur Sachverhaltsaufklärung sind an sich kein neues Phänomen. 3 Zwar war das gängige Bild der Strafverfolgung in der ursprünglichen Fassung der Strafprozeßordnung von 1877 als ein wesentliches Zugeständnis an das politisch erstarkte liberale Bürgertum grundsätzlich durch eine offene Ermittlungstätigkeit gekennzeichnet. Diesem galt bereits der Begriff "geheim" als Schimpfwort für polizeiliche Maßnahmen des "ancien regime".4 Jedoch läßt sich auch der ursprünglichen Fassung der StPO kein prinzipielles Verbot heimlicher Überwachungsmethoden entnehmen. 5 Den StrafRogall, JZ 1987, 847 (848); Sielaff, Kriminalistik 1985, 577. Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 1; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, S. 3; Sielaff, Kriminalistik 1985, 57; RogaU, JZ 1987, 847 (848); ders., Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 2. 3 Rogall, JZ 1987, 847 (848). 4 Bemsmann/Jansen, StV 1998,217; Riehle, KrimJ 1992, Beiheft 4, S. 60 (64). 5 Dencker, StV 1994,667 (678); Rogall, JZ 1987,847 (848). I

2

A. Begriffsbestimmungen

19

verfolgungs behörden waren heimliche Ermittlungen allerdings nur dann gestattet, wenn sie in "Niemandes Rechtsgebiet eingreifen,,6. Prinzipiell hatten sie demnach bei ihrer Ermittlungstätigkeit den Bürgerinnen und Bürgern offen gegenüberzutreten? Dies entspricht dem Grundsatz der Transparenz staatlichen Handeins als unerläßlicher Bedingung für die Kontrolle staatlicher Macht. 8 Die klassischen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie z. B. Beschlagnahme (§§ 94 ff. StPO) oder Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO), die den Ermittlungsbehörden von der Strafprozeßordnung eröffnet werden, tragen dem Grundsatz der Transparenz staatlichen Handeins insofern Rechung, als daß sie für den Beschuldigten regelmäßig erkennbar sind. 9 3. Ausweitung heimlicher Ermittlungsmethoden im Zuge des technischen Fortschritts

Einhergehend mit dem technischen Fortschritt wurden die Möglichkeiten zur heimlichen Beweisgewinnung erweitert. 1O So gehören eine Vielzahl von Maßnahmen inzwischen bereits zum Standardrepertoire der Strafverfolgungsorgane. Die meisten davon stammen ursprünglich aus dem Arsenal der Geheimdienste und sind schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht unumstritten. l l Den Prototyp gesetzlich geregelter heimlicher Beweisgewinnungsmethoden stellt die durch das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 GG, G 10) vom 13.08.1968 12 eingeführte Telefonüberwachung durch die §§ 100a, 100b StPO dar. 13 Dencker, StV 1994, 667 (678). Bemsmann/Jansen, StV 1998, 217; Dencker, StV 1994, 667 (678); Hund, StV 1993, 379. 8 Bemsmann/Jansen, StV 1998,217; Grünwald, StraFo 1990, 12 (15); nach Velten soll sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sogar die gänzliche Unzulässigkeit verdeckter Ermittlungen ergeben (Velten, Befugnisse der Ermittlungsbehörden zur Information und Geheimhaltung, S. 108). 9 Eine Ausnahme hierzu bildet lediglich die Postbeschlagnahme nach § 99 StPO, bei der nur durch die grundsätzlich erforderliche richterliche Mitwirkung ein Minimum an Öffentlichkeit hergestellt wird, vgl. Bemsmann/Jansen, StV 1998, 217 (218). IO Albrecht, KritV 2000, 273 (276); Bemsmann/Jansen, StV 1998, 217; Welp, Verteidigung und Überwachung, S. 288. 11 Hamm, in: Holznagel/Nelles/Sokol (Hrsg.), Die neue TKÜV, S. 81 (83); Kempf, in: Bäumler (Hrsg.), Polizei und Datenschutz, S. 59; vgl. auch bereits: Strate, StraFo 1990, 8 (10). 12 BGBI 1968, I, S. 949. 13 Bemsmann/Jansen, StV 1998, 217 (218). Allerdings waren zuvor bereits die vergleichsweise harmlose Postbeschlagnahme nach § 99 StPO sowie die Auskunfts6 7

2"

20

1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

Als gesetzlich geregelte Fälle haben darüber hinaus im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.7.1992 14 und seinen diversen "Nachfolgern,,15 neben der bereits erwähnten Telefonüberwachung (§§ lOOa, lOOb StPO) folgende Maßnahmen Einzug in die Strafprozeßordnung gefunden: Rasterfahndung (§ 98a StPO); Einsatz technischer Mittel (§ lOOc StPO), unter den seit der Modifizierung von Art. 13 GG auch der sog. "große Lauschangriff d6 fällt; Einsatz Verdeckter Ermittler (§§ 110a, 1 lOb StPO); Schleppnetzfahndung (§ 163d StPO); die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 163e StPO) sowie die längerfristige Beobachtung (§ 163f StPO). Allein die Aufzählung dieser Ermittlungsmaßnahmen, die sämtlich innerhalb eines Zeitraumes von nicht einmal zehn Jahren in die StPO aufgenommen wurden, zeigt, daß die "Grenze des Erlaubten tatsächlich der Grenze des technisch Machbaren stetig zu folgen und sich mit dieser immer weiter zu verschieben,,1? scheint. Darüber hinaus gibt es auch im Nebenstrafrecht geregelte Normen wie beispielsweise § 39 AWG sowie eine Reihe gesetzlich bislang nicht geregelter, gleichwohl aber von den Strafverfolgungsorganen angewandter Ermittlungsmaßnahmen wie z.B. der Einsatz von V-Leuten l8 oder die sog. "Hörfalle,,19.

regelung des § 12 FAG bekannt. Auch der Einsatz von verdeckten Ermittlem und sog. Vertrauenspersonen war bereits spätestens seit dem 19. Jahrhundert Teil der polizeilichen Ermittlungstätigkeit (Lisken, DRiZ 1987, 184; Nitz, Einsatzbedingte Straftaten Verdeckter ErmittIer, S. 20; Ring, StV 1990, 372; Sielaff, Kriminalistik 1985, 577), jedoch wurde der Einsatz verdeckter ErmittIer erst durch Inkrafttreten des OrgKG mit Schaffung der §§ 110a, I lOb StPO gesetzlich geregelt. Dem Einsatz von Vertrauenspersonen fehlt hingegen bis heute eine explizit spezialgesetzliche Grundlage, vg!. nur Bernsmann/Jansen, StV 1998,217 (229). 14 BGB!. 1992, I, S. 1302. 15 Vg!. insbesondere das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 2.8.2000 (BGB!. 2000, I, 1253) (s. 4. Kap., F. 11. 1.). 16 Vgl. dazu nur Brodag, Kriminalistik 1999, 745 ff.; Krause in: Ebert u. a. (Hrsg.), Hanack-FS, S. 221; Müller, Der sogenannte "Große Lauschangriff', S. 1 ff. 17 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19. 18 Vg!. BGHSt 32, 345 (346); 40, 211 (215); 41, 42. 19 Vgl. BGHSt 42, 139; krit. dazu: Bernsmann, StV 1997, 116 ff.; Meurer in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1281 (1282 ff.); Weßlau, StV 2000, 468 ff.; vg!. auch BVerfG, StV 2000, 467.

A. Begriffsbestimmungen

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4. "Organisierte Kriminalität" als Rechtfertigung für die Ausweitung heimlicher ErmittIungsmethoden

Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, daß sich jede Enniulungsmaßnahme prinzipiell an der tatsächlichen Gefährdungssituation, also der real existierenden Kriminalität, orientieren muß 20, wird zur Begründung heimlicher Überwachung regelmäßig der Topos der "organisierten Kriminalität" herangezogen. 21 Der Gesetzgeber versteht darunter: ,,[ ... ] eine von Gewinnstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehrere Beteiligte [... ], die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäfts ähnlicher Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft [... ] zusammenwirken. ,,22

Unabhängig davon, daß diese Definition weit davon entfernt ist, konsensfähig und wissenschaftlich allgemein anerkannt zu sein23 , ist das tatsächliche Ausmaß der "organisierten Kriminalität" in der Bundesrepublik Deutschland ungeklärt. 24 Hinsichtlich der durch die "organisierte Kriminalität" entstandenen wirtschaftlichen Auswirkungen gibt es ebenfalls widersprüchliche Angaben. 25 Daher erscheint ein ennittelter Schadens umfang, 20 Burgmer, Kriminalistik 1994, 226 (230); Dahs, NJW 1995, 553 (557); Graf, Rasterfahndung und organisierte Kriminalität, S. 29; Jäger in: Albrecht u. a. (Hrsg.), Schüler-Springorum-FS, S. 229 (234). 21 Gropp/Schubert/Wörner in: Gropp/Huber (Hrsg.): Rechtliche Initiativen gegen Organisierte Kriminalität, S. 69 (86, 89); dies., in: Militellol Amold/Paoli (Hrsg.): Organisierte Kriminalität als transnationales Problem, S. 329 (336); Jünschke/Meertens, Risikofaktor Innere Sicherheit, S. 94; Nitz, Einsatzbedingte Straftaten Verdeckter Ermittier, S. 20; Seifert, KritJ 1992, 355 (360). 22 BT-Drs. 12/989, S. 24. 23 Vgl. nur Albrecht, KritV 1997, 229ff.; ders.u.a., KritV 2001, 279 (284); Bernsmann, StV 1998,46; ders., ZRP 1994, 329; Eisenberg, NJW 1993, 1033; Eisenberg/Ohder, JZ 1990, 574 (576); Körner, NJW 1993, 233 (235); Lisken, DRiZ 1992,250 (251); ders., ZRP 1994, 264; Ostendorf, JZ 1991,62 (63); Paeffgen, StV 1999, 668; Strate, StraFo 1990, 8 (12); vgl. auch Paoli in: MilitellolAmold/Paoli (Hrsg.), Organisierte Kriminalität als transnationales Problem, S. 55 (57); von Lampe, Kriminalistik 2001, 465 f.; Wittkämper/Krevert/Kohl: Europa und die innere Sicherheit, S. 47, 408. 24 Klawitter, StraFo 1990, 18 (19), die insoweit von "Nebelschwaden" spricht; vgl. auch: Dörmann/Koch/Risch/Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität - wie groß ist die Gefahr?, S. 23. 25 Vgl. nur Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter ErmittIer, S. 107 f.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

wie ihn beispielweise das Bundesinnenministerium in seinen seit 1991 jährlich erscheinenden "Lagebildern" zur "organisierten Kriminalität" abgibt26 , empirisch kaum haltbar27 , zumal die Feststellung genauer Schadenssummen von notwendigerweise verdeckt operierender Kriminalität schon praktisch unmöglich ist. 28 Insofern sollte der Begriff nur äußerst zurückhaltend verwandt werden. Vielfach kann man sich jedoch des Eindruckes nicht verwehren, daß die permanente Verwendung des Begriffes sowie die vermeintlich objektiven Daten über das Ausmaß der "organisierten Kriminalität" regelrechte "Horrorszenarien,,29 heraufbeschwören sollen, die regelmäßig mit der Forderung nach einer Ausweitung polizeilicher Befugnisse einhergehen. 3o So besteht durchaus die Gefahr, daß der Begriff der "organisierten Kriminalität" zur "Allzweckwaffe,,31 mutiert, deren Ziel es ist, "das Strafrecht als Element der Sozialkontrolle aufzurüsten,,?2 Zur Begründung neuer Ermittlungsmaßnahmen eignet sich die "organisierte Kriminalität" angesichts empirisch de facto nicht gesicherter Erkentnisse jedenfalls nur bedingt.

Vgl. BT-Drs. 13/4942, S. 4 f. Graf, Rasterfahndung und organisierte Kriminalität, S. 69; vgl. auch Schoreit, StV 1991, 535; Hetzer, Der Kriminalist 2001, 256 (259) bezeichnet die Erstellung der "Lagebilder" gar nur als "Arbeitsnachweis" des BKA. 28 Vgl. Bruns, Kriminalistik 1996, 697 ff. 29 Asbrock, Betrifft Justiz 1992,207 (208). 30 Vgl.: Gropp/Schubert/Wömer in: Militellol Amold/Paoli (Hrsg.): Organisierte Kriminalität als transnationales Problem, S. 329 (336). 31 Albrecht, Kriminologie, § 43 I; insgesamt ist der militärische Sprachgebrauch in Zusammenhang mit der Debatte zur "organisierten Kriminalität" auff!illig: Insbesondere das Verständnis von Auseinandersetzung mit ("organisierter") Kriminalität als "offensiv" zu führender "Kampf' (Kanther in: BKA (Hrsg.): Organisierte Kriminalität, S. 39 (51» gegen das Verbrechen ist insoweit kriminalpolitisch verfehlt. Nach einem solchen Verständnis würde ein Maximum an Mittelressourcen einerseits sowie Ermittlungsbefugnissen andererseits in der Tat ausreichen, um mit diesem um im militärischen Sprachgebrauch zu bleiben - "Waffenarsenal" das Verbrechen zu "besiegen". Ein solches Verständnis geht jedoch schon aufgrund empirischer Erfahrungen an der Wirklichkeit vorbei: Daß ein Ausbau der Repressionsmöglichkeiten nicht per se zu einer Kriminalitätsbekämpfung führt, hat sich insbesondere in den USA der "Reagan-Ära" gezeigt, wo der sog. "war on drugs" geführt wurde. Dieser "Krieg" hat jedoch nichts an einer steigenden Kriminalitäsrate im allgemeinen und in der Drogenkriminalität im besonderen geändert (JünschkeiMeertens, Risikofaktor Innere Sicherheit, S. 351; vgl. auch: Paeffgen in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 13 (44». 32 Ostendorf, JZ 1991,62 (63). 26

27

A. Begriffsbestimmungen

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11. Bewegungsbild 1. Die Erstellung von Bewegungsbildern

Werden die einzelnen Aufenthaltsorte einer Person oder eines Gegenstandes festgestellt, so ergibt sich aus der Gesamtheit der über einen längeren Zeitraum zusammengetragenen jeweiligen Positionen ein sogenanntes Bewegungsbild des Betroffenen bzw. des Objekts. Voraussetzung für ein Bewegungsbild sind somit zunächst die jeweiligen Standortbestimmungen der betroffenen Person bzw. des Gegenstandes. Diese lassen sich durch die unterschiedlichsten Überwachungsmethoden gewinnen. 33 Die Detailliertheit eines Bewegungsbildes hängt dabei zum einen von der Genauigkeit der einzelnen Standortbestimmungen, zum anderen aber auch von der Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum ermittelten Standortdaten ab. D. h., je höher die Frequenz der einzelnen Datenermittlungen ist, desto detaillierter läßt sich das Bewegungsprofil erstellen. Bei einer permanenten Standorterfassung erhält man folglich ein lückenloses Bewegungsbild des Betroffenen. 2. Kriminalistischer Nutzen

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist das Ziel der Erstellung eines Bewegungsbildes, Zusammenhänge und Querverbindungen eines kriminellen Personenkreises zu erkennen. 34 Auch in der Rechtsprechung wird auf die Notwendigkeit der Erstellung von Bewegungsbildern zur Kriminalitätsbekämpfung hingewiesen. 35 Ein Bewegungsbild gibt - für sich genommen - nur Aufschluß über die Aufenthaltsorte einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Häufigkeit der Aufenthalte an einem bestimmten Ort, sowie über die zurückgelegten Wege. Aus diesen Informationen sollen sich unter Umständen Rückschlüsse auf die Lebensweise des Überwachten ziehen lassen, insbesondere über sein Reiseverhalten und seine Mobilität, eventuell über Kontakte zu Dritten36 , aber auch im Einzelfall über den Aufenthalt der jeweiligen Person am oder in der Nähe eines Tatortes. Der kriminalistische Nutzen eines Bewegungsbildes für die strafrechtliche Aufklärung eines Sachverhaltes wird demgegenüber in der Literatur vielfach bezweifelt. So handelt es sich nach Schoreit bei den so gewonne33 34

35 36

Vgl. Einleitung. BT-Drs. 12/989, S. 59. OLG Düsseldorf, StV 1998, 170 (172). BT-Drs 12/989, S. 43.

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

nen Informationen um "allenfalls schwache Indizien,,37, die zumindest im Hinblick auf den gesetzlich geregelten Fall des § 163e StPO lediglich eine "zufallsbedingte Abrundung des Persönlichkeitsbildes,,38 ermöglichen. Krahl spricht in diesem Zusammenhang einem Bewegungsbild sogar jegliche Eignung als Beweismittel im Strafverfahren ab. 39 Hinsichtlich des Beweismittels des Bewegungsbildes als solchem ist dieser Ansicht grundsätzlich zuzustimmen. Tatsächlich ist der Beweiswert des Aufenthaltortes einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt für sich genommen schwach und hat allenfalls dann Indizwirkung, wenn es sich um die Anwesenheit am konkreten Tatort zur konkreten Tatzeit handelt. Demnach ist der Beweisgehalt eines Bewegungsbildes vor allem durch seine mangelnde Aussagekraft und seine Unbestimmtheit geprägt. Allerdings kommt einem Bewegungsprofil insofern eine gewisse Relevanz für die Ermittlungen im Strafverfahren zu, als daß sich unter Umständen auf der Grundlage seiner Auswertung geeignete Beweismittel gewinnen lassen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn aufgrund des erstellten Bewegungsbildes intensive Kontakte zu einem Dritten festgestellt werden können, dessen heimliche Überwachung ihrerseits wiederum geeignete Beweismittel mit hinreichender Aussagekraft für das Strafverfahren ergibt. Vorstellbar ist auch, daß durch das Bewegungsbild die regelmäßige Frequentierung bestimmter Örtlichkeiten festgestellt wird, deren Durchsuchung nach §§ 102 ff. StPO dann die Ermittlung relevanter Beweismittel zuläßt. So liegt die Bedeutung eines Bewegungsbildes wohl vor allem im Vorfeld der eigentlichen Gewinnung relevanter und aussagekräftiger Beweismitte1. 4o Insgesamt bleibt festzustellen, daß ein Bewegungsbild - wenn es auch für sich allein genommen nur über eine geringe Beweiskraft verfügt - sich durchaus für die weiteren Ermittlungen im Strafverfahren verwenden läßt. Schoreil in: KK-StPO, § 163e, Rn. 3. Ebd. 39 Krahl, NStZ 1998, 339 (340). 40 Es handelt sich hierbei jedoch nicht um die sog. "Vorfelderrnittlungen" (bzw. "Strukturerrnittlungen", vgl. Lisken, ZRP 1994, 264 (265» im eigentlichen Sinne, bei denen die Polizei bereits im sog. "Vorfeld" des Anfangsverdachts des § 152 Abs. 2 StPO Ermittlungen in quasi "vorgelagerten Grauzonen" (Merlen/Merten, ZRP 1991, 213 (216» vornimmt. Diese mittlerweile gängige Polizeipraxis, für die auch der Topos der "vorbeugenden Verbechensbekämpfung" herangezogen wird, ist höchst streitig und wird zu Recht im Schrifttum wohl überwiegend abgelehnt, da es sich um eine unzulässige Ausdehnung des Gefahrenabwehrbegriffs im Rahmen der präventiven Aufgaben der Polizei sowie eine Verrnengung mit den repressiven Pflichten unter Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft handelt (Gusy, StV 1993, 269; Hund, ZRP 1991, 463 ff.; ders., NJW 1992, 2118 (21190; Keller! Griesbaum, NStZ 1990, 416 (418); Lisken, ZRP 1994, 264 (265); Merlen/Merlen, ZRP 1991,213 (216); Rieft in Löwe/Rosenberg, § 152, Rn. 28). 37

38

B. Rechtstatsächliche Grundlagen

25

Es ist über seine Indizwirkung hinaus gewissermaßen das "Eintrittstor" für die Gewinnung von aussagekräftigen Beweismitteln.

B. Rechtstatsächliche Grundlagen Die Erweiterung heimlicher Ermittlungsmethoden im Zuge des technischen Fortschrittes schlägt sich vor allem auch in dem Bereich der Telekommunikation nieder. 41 Dies gilt insbesondere für den Mobilfunkverkehr, der über das Abhören des gesprochenen Wortes hinaus die Möglichkeit bietet, weitere Daten zu erheben, die aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden "kriminalistisch und fahndungstechnisch höchst interessant"42 sein sollen. Von Bedeutung für die vorliegende Untersuchung sind dabei die Standortdaten, aus denen sich - wie bereits dargestellt - ein Bewegungsbild erstellen läßt.

I. Die Entwicklung des Mobilfunkverkehrs in Deutschland Der Wunsch nach jederzeitig möglicher Kommunikationsaufnahme und der ständigen Erreichbarkeit führte bereits 1918 zur ersten Erprobung eines Funktelefons in fahrenden Eisenbahnzügen. 43 Im Jahre 1950 kam es im Straßenverkehr im Rahmen des sog. öffentlich-beweglichen Landfunkverkehrs zu Versuchen mobilen Telefonierens. 44 Als Folge dieser Versuche wurde 1957 in der Bundesrepublik Deutschland das erste Mobilfunknetz, das sog. A-Netz, eingerichtet. 45 Diesem folgten 1972 zunächst das B-Netz sowie schließlich 1985 das C-Netz. 46 Lediglich das C-Netz war jedoch überhaupt auf eine Teilnehmerzahl mit vergleichsweise größeren Kapazitäten ausgerichtet. Während die A- und BNetze lediglich mit einigen Tausend Anschlüssen betrieben wurden, sollte das C-Netz ursprünglich 450.000 Teilnehmer aufnehmen. 47

Stattkus, Der Kriminalist 2000, 404 (406, 408). Artkämper, Kriminalistik 1998, 202 (204); ähnlich auch Bizer in: Bäumler (Hrsg.), Datenschutz und Polizei, S. 130 (132); Weinem, Kriminalistik 1995, 735 (738). 43 Frey, Alles über Telefone und Nebenstellenanlagen, S. 91. 44 BT-Drs. 11/1693, S. 36 (10. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz). 45 Frey, Alles über Telefone und Nebenstellenanlagen, S. 92 ff. 46 Frey, Alles über Telefone und Nebenstellenanlagen, S. 98; Groenen in: Vary (Hrsg.), Mobile Kommunikationssysteme, S. 309. 47 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 241. 41

42

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

Durch die fortschreitende technische Entwicklung hat der Mobilfunkverkehr jedoch weltweit seit Beginn der neunziger Jahre eine geradezu "stürmische Weiterentwicklung,,48 erfahren. In vielen westeuropäischen Staaten - insbesondere in den skandinavischen Ländern, wo das erste massenmarktfahige Mobilfunksystem Europas aufgebaut wurde49 - existierten zur Jahreswende 1999/2000 bereits mehr Mobilfunkgeräte als Festnetzanschlüsse. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Bundesrepublik Deutschland nieder. Lag die Zahl der Mobilfunkteilnehmer bei den ersten Versuchen im Jahre 1950 bei dreißig 50, so gab es zum Jahreswechsel 2001 bereits rund 48 Millionen Mobilfunkteilnehmer. 51 Ein Jahr zuvor waren es noch rund 23 Millionen Mobilfunknutzer. 52 11. Die bestehenden Mobilfunknetze

Bei den derzeit in der Bundesrepublik bestehenden Mobilfunknetzen handelt es sich im Gegensatz zu den eingestellten A-, B- und C-Netzen, die allesamt analoge Übertragungsverfahren verwendeten, um digital betriebene Netze. 53 Die 1992 in Betrieb genommenen D-Netze basieren auf dem 1982 bei einer Konferenz der damaligen EG-Postminister beschlossenen GSMStandard. 54 GSM steht für Group Special Mobile bzw. Global System for Mobil Communications. 55 Dieser regelt, daß die Umwandlung von Sprache in digitale Signale europaweit einheitlich erfolgt, so daß eine grenzüberschreitende Nutzung desselben Mobilfunkgerätes möglich ist. 56 Bereits 1997 war Europa nahezu vollständig durch Netze auf GSM-Standard abgedeckt. 57 Die E-Netze "E-plus" und "Viag Interkom" basieren auf dem DCS 1800 Standard (Digital Cellular System 1800), der weitestgehend kompatibel zum GSM-Standard ist und sich hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß er in einem anderen Frequenzbereich arbeitet. 58 Diese digital betriebeBiala, Mobilfunk und Intelligente Netze, S. 1. Biala, Mobilfunk und Intelligente Netze, S. 7. 50 BT-Drs. 11/1693, S. 36 (10. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz). 51 hup://www.wdr.de/online/forumllist.phtml?f=3 (Stand: 15.02.2001). 52 ZennerlWeislLucks, DuD 2000, 405. 53 Frey, Alles über Telefone und Nebenstellenanlagen, S. 102. 54 Groenen in: Vary (Hrsg.), Mobile Kommunikationssysteme, S. 309 (312). 55 Groenen in: Vary (Hrsg.), Mobile Kommunikationssysteme, S. 309 (312). 56 Pütz, DuD 1997, 351. 57 Pütz, DuD 1997, 351. 58 Katzsch, HMD 1995, 8 (19); ausführlich: OssenbühllDi Fabio, Rechtliche Kontrolle ortsfester Mobilfunkanlagen, S. 2 ff., die vor dem Hintergrund möglicher Gesundheitsrisiken insbesondere auf die im Detail unterschiedliche Sendetechnik zwischen GSM- und DeS 1800-Standard eingehen. 48

49

B. Rechtstatsächliche Grundlagen

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nen Netze ennöglichen neben reiner Sprachübertragung auch die unterschiedlichsten Fonnen der Text- und Datenübertragung. 59 Da in den GSM-Netzen nur eine Datenübertragungsrate von 9,6 kilobitl sek. möglich ist, wurde im europäischen Forschungszentrum RACE (Research and Development in Advanced Communication Technologies in Europe) und im Institut ETSI (European Telecommunication Standards Institute) der UMTS-Standard entwickelt, der Übertragungsraten von bis zu 2 Megabit/sek unter guten Bedingungen zuläßt. 6o UMTS steht für Universal Mobile Telecommunications System. 61 Neben der wesentlichen höheren Übertragungsrate, die das Mobilfunkgerät zu einem Multimedia-Tenninal werden läßt, besteht ein weiterer Vorteil des UMTS-Standards darin, daß er zu einem weltweit einheitlichen Standard ausgebaut werden soll.62 In Europa soll frühestens im Jahre 2002 mit der Einführung von UMTS begonnen werden; ab 2005 soll das Netz dann voll verfügbar sein. 63 111. Die Digitalisierung der Kommunikationstechnik Ausgangspunkt für neue Überwachungsmöglichkeiten 1. Verbindungsdaten beim digitalen Fernmeldeverkehr

In den Anfängen des Fernmeldeverkehrs wurden Ferngespräche handvermittelt. 64 Vor der Anbahnung eines Gesprächs wurden die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, das Datum, die Uhrzeit sowie anschließend die Dauer des jeweiligen Gesprächs in den dafür vorgesehenen "Gesprächsblättern" vennerkt. 65 Im Zuge der in den sechziger Jahren abgeschlossenen Automatisierung des Fernsprechverkehrs wurde jedoch sowohl auf Telefonistinnen und Telefonisten als auch auf die Gesprächsblätter verzichtet. 66 Bei der zunächst analogen Vennittlungstechnik wurden nicht-speichernde Direktwahlsysteme eingesetzt, bei denen die Verbindungsdaten nur im Zeitpunkt des Gesprächs 59 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 242; Frey, Alles über Telefone und Nebenstellenanlagen, S. 103 f. 60 Groenen in: Vary (Hrsg.), Mobile Kommunikationssysteme, S. 309 (312); Hascher, Elektronik 15/99, S. 83. 61 Groenen in: Vary (Hrsg.), Mobile Kommunikationssysteme, S. 309 (312); dieser weist auch darauf hin, daß die International Telecommunications Union (ITU) statt UMTS den Begriff IMT-2000 verwendet. 62 Hascher, Elektronik 15/99, S. 83. 63 Hascher, Elektronik 15/99, S. 83 (87). 64 Klescezwki, StV 1993,382, m.w.N. 65 Kubicek, CR 1990,659 (662). 66 Kubicek, CR 1990, 659 (662).

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1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

selbst vorhanden waren, so daß ein späterer Zugriff auf diese Daten schon technisch nicht möglich war. 67 Festgehalten wurde so lediglich die Dauer des Ferngesprächs. 68 Bereits Anfang der 70er Jahre setzte die damals ausschließlich für den Fernmeldeverkehr zuständige Deutsche Bundespost erstmals versuchsweise digitale Übertragungstechniken ein. 69 Ab 1984 wurden die Vermittlungsstellen für den Fernmeldeverkehr schrittweise digitalisiert. 7o Statt der zuvor verwandten -elektromagnetischen Systeme wurden speicherprogrammierte Vermittlungsrechner eingeführt, die im Rahmen des Gesprächsaufbaus sowohl die anrufende Anschlußnummer als auch die Zielnummer speicherten. 7l In einem zweiten Schritt wurden ab 1989 diese digitalen Ortsvermittlungsstellen auf den ISDN-Standard umgestellt. 72 Bei den auf ISDN-Standard umgestellten digitalen Ortsvermittlungsstellen wird auch nach Beendigung des Gesprächs der jeweilige sog. Verbindungsdatensatz gespeichert. 73 Dieser beinhaltet gemäß § 6 Abs. 1 TDSV unter anderem die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Datum, Uhrzeit und Dauer des Gesprächs. 74 Demnach werden nicht nur die Teilnehmer, die sich für einen ISDN-Anschluß entschieden haben, von der Speicherung betroffen, sondern auch diejenigen, die nur von einem ISDN-Anschluß aus angerufen wurden, da jeder Verbindungsdatensatz eben auch die Zielnummer beinhaltet. 75 Diese Daten werden bis zu sechs Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert; dann ist gemäß § 7 Abs. 3 TDSV eine zwingende Löschung der Daten vorgesehen. Da die Rechnung selbst bis zu maximal einem Monat nach dem jeweiligen Gespräch versandt wird, besteht real die Möglichkeit einer Speicherung über einen Zeitraum von bis zu sieben Monaten nach dem eigentlichen Kommunikationsvorgang. 67 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 237. 68 Kubicek, CR 1990,659 (662). 69 Klescezwki, StV 1993, 382. 70 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 22. 71 Kubicek, CR 1990,659. 72 Kubicek, CR 1990, 659 (660); ISDN steht für Integrated Services Digital Network. Dabei handelt es sich um eine internationale Norm der Fernmeldeverwaltungen. Bereits seit 1993 besteht in den alten Bundesländern eine flächendeckende ISDN-Versorgung, während diese in den neuen Bundesländern erst 1995 erreicht wurde. 73 Bär, Der ZUJ~riff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 353, Brenner, Die strafprozessuale Uberwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 237. m.w.N. 74 Lampe in: Erbs/Kohlhaas, § 12 FAG, 130. Erg.Lfg. (1998), Rn. 3. 75 Kubicek, CR 1990, 659 (660).

B. Rechtstatsächliche Grundlagen

29

Die Beeinträchtigungen der Anonymität der Gesprächsteilnehmer durch die Rufnummeranzeige bei ISDN-Anschlüssen sowie die umfangreiche Speicherung der Verbindungsdaten ist bereits frühzeitig Anlaß für Kritik gewesen. So hatte der Bundesbeauftragte für Datenschutz die Speicherung der Verbindungsdaten als rechtswidrige Praxis förmlich beanstandet. 76 Diese Kritik wurde jedoch vom damaligen Bundesminister für Post- und Telekommunikationswesen zurückgewiesen77 Die Kritik hinsichtlich der Rufnummeranzeige 78 wurde vom Gesetzgeber hingegen insofern berücksichtigt, als daß dem ISDN-Anschlußinhaber nach § 11 Abs. 1 S. 1 TDSV die Möglichkeit einer dauernden oder fallweisen Unterdrückung der eigenen Rufnummer eingeräumt werden muß. 79 2. Die Standortbestimmung anband der Funkzellenermittlung

Auch die heutigen Mobilfunknetze funktionieren auf der Basis von digitaler Übertragungstechnik. 8o Folglich werden ebenso wie bei den Festnetzanschlüssen mit ISDN-Standard die oben dargelegten Verbindungsdaten festgehalten. Darüber hinaus lassen sich beim Mobilfunkverkehr jedoch auch die Standortdaten des eingesetzten Mobilfunkgerätes ermitteln. Alle aktuellen digitalen Netze sind zellular aufgebaut, d. h. jedes Mobilfunknetz ist in sog. Funkzellen unterteilt. Unter einer Funkzelle wird nach der Legaldefinition des § 4 Nr. 5 Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) in Anlehnung an die Vorgängernorm des außer Kraft getretenen § 2 Nr. 5 Fernmelde-Überwachungs-Verordnung (FÜV) der Versorgungsbereich innerhalb eines Mobilfunknetzes verstanden, der eine bestimmte geographische Fläche abdeckt. Nahezu überall im Bereich des betriebenen Netzes - insbesondere in den städtischen Ballungszentren und entlang der Autobahnen - sind Funkstationen bzw. Basisstationen in Gestalt von Sende- und Empfangsmasten eingeKubicek, eR 1990,659 (660). Kubicek, eR 1990, 659 (660). 78 Die Anzeige der Rufnummer beim Zielanschluß war insbesondere Anlaß erheblicher Vorbehalte von Institutionen wie der Telefonseelsorge oder den AIDS-, Drogen- und Familienberatungsstellen, die befürchteten, daß sich Personen in Konfliktsituationen bei mangelnder Anonymität nicht mehr an sie wenden würden (Kubicek, eR 1990, 659 (660); Büchner in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh. § 89, § 10 TDSV, Rn. 1). 79 Diese Möglichkeit ist gern. § 11 Abs. 6 TDSV allerdings bei Notrufnummern ausgeschlossen, um so einerseits eine schnelle Hilfeleistung zu gewährleisten und andererseits Mißbräuchen vorzubeugen (vgl. Büchner in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh. zu § 89, § 10 TDSV, Rn. 3). 80 S. o. unter B. II. 76

77

30

1. Kap.: Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen

richtet. Insofern gleicht der gesamte Bereich eines Funknetzes einem Raster von Funkzellen, die in ihrer Größe jedoch zum Teil erheblich divergieren. 81 Das Mobilfunkgerät in Verbindung mit der vom Netzbetreiber ausgegebenen Chipkarte - dem sog. Subscriber Identity Module (SIM) - schaltet sich automatisch in die jeweilige Funkzelle ein, in der es sich gerade befindet. 82 Dies bedeutet, daß eine bestehende aktive Verbindung nicht unterbrochen wird (sog. "Hand-Over"), während bei bloßem "stand-by-Betrieb" zumindest die jeweilige Zellenposition des Netznutzers im Wartezustand ständig weitergegeben wird (sog. "Change-Over,,).83 Dazu strahlt das Handy, das in technischer Hinsicht ein eigener kleiner Sender ist, permanent Signale aus, die die nächste Funkfeststation, das sog. Mobile Switching Centre (MSC), "suchen".84 Diese gibt die erfaßten Signale an die Funkvermittlungsstelle weiter, die dann das Gespräch entweder an den gewünschten Festnetzanschluß weiterleitet oder ihrerseits Signale an eine andere Funkfeststation sendet, sofern der gewünschte Gesprächsteilnehmer ebenfalls ein Mobilfunkgerät nutzt. 85 Entscheidend ist somit, daß der Mobilfunkbetreiber permanent die Informationen hinsichtlich der Funkvermittlungsstelle und der Funkfeststation des jeweiligen Mobilfunkgerätes in Verbindung mit der SIM-Karte hat und zwar unabhängig davon, ob auch tatsächlich telefoniert wird, da zumindest die jeweilige Erreichbarkeit gewährleistet sein muß. 86 Innerhalb des Netzes ist also immer die aktuelle Funkzelle, in der sich das eingeschaltete Gerät mit der entsprechenden SIM-Karte befindet, erkennbar, und das Handy kann aufgrund der ausgesandten Signale laufend lokalisiert werden. 87 In den D-Netzen wird der Standort des Mobilfunkgerätes durch Funkkontakt mit der Vermittlungsstelle alle 2,4 Sekunden festgestellt 88 , was de facto einer permanenten Lokalisierung entspricht. Nicht betriebsbereite Mobilfunkgeräte bleiben in der Funkzelle gespeichert, in der sie sich beim Abschalten befanden. 89 Insofern gestattet die Überwachung des Mobilfunkverkehrs die jederzeitige Standortbestimmung des zumindest betriebsbereiten Handys. Je nach Artkämper, Kriminalistik 1998, 202. Lukat, DuD 1997, 317 (318 f.). 83 Katzsch, HMD 1995, 8 (20). 84 Vgl. Thommes, StV 1997, 657 (660). 85 Thommes, StV 1997, 657 (660). 86 Welp, Überwachung und Kontrolle, S. 29 f. 87 Thommes, StV 1997, 657 (660); Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 243. 88 Welp, NStZ 1994, 209 (210), Fn. 14. 89 Artkämper, Kriminalistik 1998,202. 81

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B. Rechtstatsächliche Grundlagen

31

Größe der jeweiligen Funkzelle läßt sich der Mobilfunk-Nutzer somit - bis auf 30 Meter genau - orten. 90 Das Mobilfunkgerät bekommt somit die "Funktion eines stets aktiven Peilsenders".91 Die einzelnen Standortbestimmungen gestatten folglich die Erstellung von Bewegungsbildern, die zwar je nach Größe der Funkzelle unterschiedlich detailliert, jedoch aufgrund der hohen Frequenz der Lokalisierungen (s.o.) nahezu lückenlos sind, sofern sich das Mobilfunkgerät im stand-by-Betrieb befindet.

90 Fatah, com!online 6/2001, 132 (134). Innerhalb der Funkzelle ist durch weitergehende, allerdings aufwendigere Peilmaßnahmen eine noch genauere Ortung des Gerätes grundsätzlich möglich (Artkämper, Kriminalistik 1998, 202; Bär, MMR 2001,443 (444); vgl. auch LG Berlin, DuD 1998, 725 f.). 91 Dix, com!online 6/2001, 135.

2. Kapitel

Der Gesetzesvorbehalt Im Bereich des materiellen Strafrechts ist das strafrechtliche Gesetzlichkeitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG lex specialis zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehalt. 1 Es herrscht jedoch nahezu Einigkeit darüber, daß es prinzipiell nicht für das Strafverfahrensrecht Anwendung findet? Allerdings kann sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung über die Zulässigkeit der Erstellung eines Bewegungsbildes anhand der Standortkennung beim Mobilfunkverkehr aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehalt ergeben, dessen grundsätzliche Anwendung im Strafverfahren allgemein anerkannt ist. 3 Nicht abschließend geklärt sind jedoch Bedeutung und Reichweite des Gesetzesvorbehaltes im Strafprozeßrecht. 4

A. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt J. Begriffsbestimmung Der Begriff des Gesetzesvorbehaltes im deutschen Recht geht auf Otto Mayer zurück, der ihn in seinem Lehrbuch zum deutschen Verwaltungsrecht wie folgt definierte: "Das verfassungsmäßige Gesetz ist [... ] nur für gewisse besonders wichtige Gegenstände zur notwendigen Bedingung aller Staatstätigkeit gemacht worden. Für alle übrigen ist die vollziehende Gewalt an sich frei. [... ] Wir nennen den Ausschluß ihres selbständigen Vorgehens, der bezüglich jener besonders ausgezeichneten Gegenstände besteht, den Vorbehalt des Gesetzes.,,5

Pieroth in: Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 40. BVerfG, NJW 1992, 2877; Pieroth in: Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 42; Rüping in: BK-GG, Art. 103, Rn. 76. 3 KleinknechtIMeyer-Goßner, Ein!., Rn. 45; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 240; Laos in: AK-StPO, Ein!. 1II, Rn. 22; Peters, Strafprozeß, § 46 I. 1.; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 1; vg!. auch Roxin, Strafverfahrensrecht, § 2 A. H. 4 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 1. 5 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 69 f. 1

2

A. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt

33

Grundgedanke ist also, daß sich bestimmte Staatsakte aus bestimmten Sachbereichen auf ein formelles Gesetz stützen lassen müssen bzw. auf einem - durch ein solches gedecktes - materiellem Gesetz basieren müssen. 6 Die Kernaussage dieser Definition ist nach wie vor gültig, auch wenn der Begriff des Gesetzesvorbehaltes 7 Entwicklungen und Veränderungen unterliegt, auf die im folgenden noch einzugehen sein wird. 11. Historische Grundlagen

Historisch läßt sich der Grundgedanke eines Gesetzesvorbehaltes bis zur Magna Charta Libertaturn von 1215 zurückverfolgen. 8 Die weitere Entwicklung der Idee des Gesetzesvorbehaltes ist eng mit der klassischen Formel von Eingriffen in Freiheit und Eigentum verbunden, die auf das staatsphilosophische Schrifttum der beginnenden Aufklärung Ende des 17. Jahrhundertes - insbesondere auf John Locke9 - zurückgeht. lo Dahinter steht der Gedanke, den einzelnen Bürger bzw. das gesellschaftlich und politisch zunehmend erstarkende Bürgertum als solches vor Willkürakten der Exekutive des Monarchen bzw. der einzelnen Fürsten gegen die persönliche Freiheit und das individuelle Eigentum zu schützen. I I Die Normierung staatlicher Eingriffe bedeutete insofern neben ihrer Voraussehbarkeit und damit verbundenen Rechtssicherheit vor allem auch Freiheit für die Bürger: "La liberte est le droit de faire tout ce que les loix permettent".12

Seimer, JuS 1968, 489. Zur Begrifflichkeit vgl.: Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 11, der darauf hinweist, daß der Begriff des "Vorbehalt des Gesetzes" teilweise als ungeschriebener allgemeiner Gesetzesvorbehalt verwendet wird, dem der Begriff des "Gesetzesvorbehaltes" für die speziellen Gesetzesvorbehalte der einzelnen Grundrechte gegenübergestellt wird. Ganz überwiegend werden die Begriffe jedoch synonym gebraucht (V gl. Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 12; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IIII2, § 80 I. 1.). Dieser Begrifflichkeit wird sich im folgenden angeschlossen, ohne daß es für die vorliegende Untersuchung einer näheren Auseinandersetzung bedarf. 8 Duttge, JZ 1996, 556 (557); Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 12, Fn. 66. 9 Zur Rolle Lockes S.: Roos in: Festschrift für den Schweizerischen Juristenverein, S. 117 (122). 10 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 125; vgl. auch Hofmann, JZ 2001, 1 (6 f.). II Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 243; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 12 f. 12 Montesquieu, De l'esprit des loix, livre onzieme, charpitre 3 ("Freiheit ist das Recht alles zu machen, was die Gesetze gestatten."). 6

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3 Gercke

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2. Kap.: Der Gesetzesvorbehalt

Dieser Gedanke kam auch in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17.9.1787 sowie insbesondere in Art. 4, 5 und 7 der französischen Menschenrechtserklärung vom 26.08.1789 zum Ausdruck. Dort heißt es: "Art. 4. La liberte consiste a pouvoir faire tout ce, qui ne nuit pas a autrui: ainsi l'exercice des droits natureIs de chaque homme n'a de bornes que celles, qui assurent aux autres membres de la societe la jouissance de ces memes droits. Ces bornes ne peuvent etre determinees que par la loi. Art. 5. La loi n'a le droit de defendre que les actions nuisibles a la societe. Tout ce, qui n'est pas defendu par la loi, ne peut etre empeche, et nul peut etre contraint a faire ce, qu'elle n'ordonne pas. [... ] Art. 7. Nul homme ne peut etre accuse, arrete ni detenu que dans les cas determines par la loi et seI on les formes, qu'elle a prescrites. [... ],,13. Auch in Deutschland tauchte der Gedanke des GesetzesvorbehaIts spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts in nahezu allen Verfassungen auf. 14 Die deutschen Partikularstaaten des 19. Jahrhunderts waren vor allem "Eingriffs staaten", d.h. ihre Funktion war insbesondere die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Eingriffe der Exekutive in die Rechte der einzelnen Bürger. 15 Durch den Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in die davon betroffenen Freiheits- und Eigentumsrechte sollten diese zumindest gesetzgeberisch kontrollierbar sein. 16 Die Entwicklung zum bürgerlichen Rechtsstaat 17 ist somit untrennbar verbunden mit der Entwicklung zu einem rechtsstaatlichen Strafverfahren. 18

13 Zitiert nach Franz, Staatsverfassungen, S. 304 ("Art. 4. Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuß der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden. - Art. 5. Nur das Gesetz hat das Recht, Handlungen, die der Gesellschaft schädlich sind, zu verbieten. Alles, was nicht durch Gesetz verboten ist, kann nicht verhindert werden, und niemand kann gezwungen werden zu tun, was es nicht befiehlt. [... ] - Art. 7. Jeder Mensch kann nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und in den Formen, die es vorschreibt, angeklagt, verhaftet und gefangengehalten werden. [... ]"). 14 Vgl. Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 12 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IIII2, § 80 I. 2. 15 Kloepfer, JZ 1984,685 (686). 16 Kloepfer, JZ 1984,685 (686). 17 Zur Entwicklung des Begriffs Rechtsstaat vgl.: Hirsch, in: Kohlmann (Hrsg.): Strafrechtliche Probleme, S. 115 ff. 18 Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 2.

A. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt

35

III. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt auf Grundlage des Grundgesetzes

Im Grundgesetz hat man sich trotz einer anderslautenden Ausgestaltung im Herrenchiemseer Entwurf wie schon zuvor in der Weimarer Reichsverfassung gegen die Regelung eines "Einheitsgesetzesvorbehaltes" entschieden. 19 Folglich wird der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes nicht expressis verbis im Grundgesetz erwähnt. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn in mehreren Entscheidungen aus verschiedenen, sich teilweise ergänzenden Gesichtspunkten hergeleitet: zum einen direkt aus Art. 20 Abs. 3 GG20 , ferner aus dem Rechtsstaatsprinzip21 sowie schließlich aus dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip22. Im Schrifttum wird diesen HerIeitungsansätzen überwiegend gefolgt?3 Teilweise wird der Gesetzesvorbehalt aber auch mittelbar aus den Grundrechten abgeleitet24 oder bereits als "Verfassungsgewohnheitsrecht,,25 bezeichnet. Unabhängig von der jeweiligen dogmatischen HerIeitung ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt jedenfalls nahezu einhellig anerkannt. 26

Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, § 80 I. 2. BVerfGE 40, 233 (248); 49, 89 (126). 21 BVerfGE 8, 274 (325); 48, 210 (221). 22 BVerfGE 58, 257 (278). 23 Eberle, DÖV 1984,485 (488 ff.); Kisker, NJW 1977, 1313 (1314 f.); Krey in: Schwind u. a. (Hrsg.), Blau-FS zum 70. Geburtstag, S. 123 (142 ff.); Roos in: FS für den Schweizerischen Juristenverein, S. 117 (120 ff.); Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 15; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, S. 47. 24 Krebs, Jura 1979, 304 (305), m. w.N. 25 Herzog in: MaunzlDürig/Herzog, Art. 20, Abschn. 6, Rn. 79. 26 Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 20, Abschn. 6, Rn. 55 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 201, 508 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl., Rn. 45; Kloepfer, JZ 1984, 685 ff.; Krebs, Jura 1979, 304 ff.; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 240 ff.; ders. in: Schwind u. a. (Hrsg.), Blau-FS zum 70. Geburtstag, S. 123 (137); Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 29; Laos in: AK-StPO, Einl. III, Rn. 22; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rn. 3 ff.; Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 7 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710 (711 ff.); Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 11 ff.; Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 1, § 24, Rn. 63; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, S. 47; Schnapp in: v. Münch/Kunig, Art. 20, Rn. 43 f.; Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20, Rn. 263; krit. aber: Vogel, VVDStRL 24 (1966), 125 (149 ff.). 19

20

3*

2. Kap.: Der Gesetzesvorbehalt

36

IV. Die Reichweite des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes Seit der Anerkennung der klassischen Formel von Eingriffen in Freiheit und Eigentum haben sich im Hinblick auf den Wandel der Staatsform und die Ausdehnung der Staatsaufgaben gewichtige Veränderungen ergeben, die eine Neubestimmung des Gesetzesvorbehaltes notwendig gemacht haben?7 Spätestens seit Mitte der sechziger Jahre wurde zunehmend für die Aufgabe der klassischen Formel von Eingriffen in Freiheit und Eigentum und für eine Erweiterung des Vorbehaltsbereiches plädiert. 28 Umstritten ist - insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Staatsaufgaben - allerdings, wie eine Erweiterung der Reichweite des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes erlangt werden sol1.29 1. Lehre vom Totalvorbehalt

Die wohl weitgehendste Inhaltsbestimmung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes wird von der Lehre vom Totalvorbehalt propagiert; diese tritt für einen den gesamten Bereich des staatlichen HandeIns umfassenden Gesetzesvorbehalt ein. 3D Inhaltlich wird sie insbesondere mit der Erstreckung des Freiheitsbegriffes auf die Teilhabe an staatlichen Leistungen durch gesetzliche Rechtverbürgungen begründet. 3l Die Herleitung eines Totalvorbehaltes differiert?2 So wird der Totalvorbehalt vor allem aus dem Demokratieprinzip abgeleitet 33 oder mit dem Rechtsstaatsprinzip begründet. 34 Die Lehre vom Totalvorbehalt ist jedoch mit Recht überwiegend abgelehnt worden. 35 Soweit sie mit dem Demokratieprinzip begründet wird, ist Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 127. Vgl. Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 15. 29 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 15. 30 Achterberg, DÖV 1973, 289 (295); Bellstedt, DÖV 1961, 161 (164); fesch, Gesetz und Verwaltung, S. 171 ff.; Menger, VerwArch. 52 (1961), 196 (197); Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 113 ff. (insbes. S. 116); Schwan, VerwArch. 66 (1975), 120 ff. 31 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 113 ff. 32 Ausführlich zu allen unterschiedlichen Herleitungen s. Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 26 ff. 33 fesch, Gesetz und Verwaltung, S. 171 ff. 34 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 116. 35 BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (86 f.); Duttge, JZ 1996, 556 (558); Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, S. 50; Kisker, NJW 1977, 1313 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 (686); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rn. 10; Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 18 ff; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetz27

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A. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt

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dem entgegenzuhalten, daß die Exekutive - wenn auch mittelbar - ebenfalls demokratisch legitimiert ist. 36 Die Lehre vom Totalvorbehalt läuft letztlich auf einen "Gewaltmonismus,,37 hinaus, der dem Prinzip der Gewaltenteilung widerspricht. Auch ein Rückgriff auf das Rechtsstaatsprinzip überzeugt nicht, da es sich bei diesem um ein Institut handelt, das selbst einer näheren inhaltlichen Konkretisierung bedarf, ohne bindende Bestimmungen über die Kompetenzen der Gewalten zu enthalten. 38 Schließlich kann die Lehre vom Totalvorbehalt auch ihr eigentliches Ziel, nämlich den Freiheitsgewinn des Bürgers, nicht verwirklichen: da ein Totalvorbehalt den Aktionsraum der Exekutive drastisch einengt, würde so dem einzelnen Bürger die Möglichkeit genommen, Leistungen in den Bereichen zu erhalten, in denen der Gesetzgeber bisher nicht tätig gewesen ist. 39 Letzterer wäre schon praktisch kaum in der Lage, den "Normhunger der Verwaltung,,40 zu stillen.41 2. Die Wesentlichkeitstheorie

Das Bundesverfassungsgericht42 und die herrschende Lehre43 vertreten zur Neubestimmung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes über die klassische Formel von Eingriff in Freiheit und Eigentum hinaus die sog. Wesentlichkeitstheorie. Auch diese soll eine Ausweitung des Gesetzesvorbehaltes bewirken, in dem der Gesetzgeber dazu verpflichtet wird, alle sog. "wesentlichen" Entscheidungen selbst zu treffen.

lich geregelter Errnittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 32; Rogall, Inforrnationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 16; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 45; WolfflBachof, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 138 III b), Rn. 15; Wolter in: SK-StPO, vor § 151, 11. Erg. Lfg. (Juni 1994), Rn. 92. 36 Kloepfer, JZ 1984, 685 (686); Rogall, Inforrnationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 16. 37 BVerfGE 68, I (87). 38 Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 29, m. w. N. 39 Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 20. 40 Forsthoff, Lehrbuch des Verwalungsrechts, Bd. 1, S. 136. 41 Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 20, m.w.N. 42 BVerfGE 34, 165 (1920; 40, 237 (249); 41, 251 (259); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 ff.); 48, 210 (221); 49, 89 (1260; 58, 257 (268); 61, 260 (275); 83, 130 (142); 98, 218 (251). 43 Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rn. 26; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 509; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 46; Sommermann in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 20 Abs. 3, Rn. 263 ff.

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2. Kap.: Der Gesetzesvorbehalt

Im "Kalkar"-Beschluß vom 08.08.1978 44 faßt das Gericht die Wesentlichkeitstheorie wie folgt zusammen: "Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes wird zwar in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt, seine Geltung ergibt sich jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG [... ] Das Verständnis dieses Grundsatzes hat sich, insbesondere mit der Erkenntnis auch seiner demokratischen Komponente, in den letzten Jahren gewandelt [... ]. Heute ist es ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber verpflichtet ist, losgelöst vom Merkmal des ,Eingriffs' - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen [ ... ] In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie die tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen. Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert [ ... ], mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat.,,45

Im Ergebnis erkennt das Bundesverfassungsgericht somit zwei Stufen des Gesetzesvorbehaltes an. Zum einen bleibt ein allgemeiner Rechtssatzvorbehalt, der dem klassischen Eingriffsvorbehalt entspricht und der nur eine Regelung "durch" oder "aufgrund" Gesetz verlangt. Dieser allgemeine Vorbehalt konkretisiert sich dann zu einem Parlamentsvorbehalt, wenn das vom Bundesverfassungsgericht oben ausgeführte "Wesentlichkeits"-Kriterium erfüllt ist. In diesem Bereich unterliegt das Parlament einem "Delegationsverbot", d.h. ihm ist die Übertragung der Regelungskompetenz auf die Exekutive untersagt. 46 Insofern soll der Exekutive zwar im Gegensatz zur Lehre vom Totalvorbehalt ein Kernbereich an Eigenverantwortung überlassen werden47 , gleichwohl soll der Gesetzgeber aber dazu angehalten werden, die ihm von der Verfassung zugewiesene Gesetzgebungsaufgabe zu erfüllen. 48 Auch wenn die "Wesentlichkeits"-Formel als Differenzierungskriterium aufgrund ihrer Unbestimmtheit Kritik erfahren hat49 , so ist ihr doch wenigBVerfGE 49, 89. 45 BVerfGE 49, 89 (126 f.). 46 Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 42. 47 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 22. 48 Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 42. 44

B. Der Gesetzesvorbehalt im Strafverfahren

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stens insoweit zuzustimmen, als daß eine "wesentliche" Entscheidung jedenfalls immer dann anzunehmen ist, wenn der Grundrechtsbereich betroffen ist. 5o Demnach ist für grundlegend normative Bereiche ein Gesetzesvorbehalt in Gestalt eines Parlamentsvorbehaltes notwendig.

B. Der Gesetzesvorbehalt im Strafverfahren Nicht alle Regelungsbereiche des Strafverfahrens unterfallen von vornherein einem solchen Parlamentsvorbehalt. 51 Unbestritten gilt ein solcher allerdings für alle Zwangsmaßnahmen im eigentlichen Sinne, also die sog. "imperativen,,52 Maßnahmen. 53 Aber auch hinsichtlich der sog. "nichtimperativen Maßnahmen,,5\ die keinen unmittelbar physisch wirkenden Zwang auslösen, besteht weitgehend Einigkeit, daß auch diese einem Parlamentsvorbehalt unterliegen, sofern sie Grundrechte tangieren. 55 Diese Maßnahmen gewinnen vor dem Hintergrund der sich durch die modeme Technologie unter EDV-Einsatz ergebenden Überwachungsmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung, so daß das Merkmal des physischen Zwanges in den Hintergrund gerät. 56 Insofern läßt sich festhalten, daß jedenfalls alle "strafprozessualen Grundrechtseingriffe,,57 - als Oberbegriff für imperative und nicht-imperative Grundrechtsbeeinträchtigungen im Strafverfahren - einer formal-gesetzlichen Grundlage bedürfen. 58 Daher bedarf die Erstellung eines Bewegungs49 Zsfd. Ossenbühl in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 3, § 62, Rn. 44 ff.; Krebs, Jura 1979, 304 (308 f.) spricht gar von einer "Leerformel". 50 Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Kiein, Art. 20, Rn. 26; Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 3, Rn. 266 ff. 51 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 130. 52 Zum Begriff der imperativen Maßnahmen: Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 10 ff. (insbes. S. 12); vg!. auch: Gusy, Jura

1986, 296 (299). 53 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 130; Kleinknechtl Meyer-Goßner, Ein!., Rn. 45; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 1; vgl. zu diesen Maßnahmen im einzelnen: Schroeder, JZ 1985, 1028 ff. 54 Begriff nach: Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 2. 55 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 395; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 2. 56 Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, S. 16; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 395. 57 Zum Begriff s.: Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, S. 14 ff.; zum terminologischen Streit s. Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 395. 58 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 130; Krey, Strafverfahrensrecht Bd. I, Rn. 11; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 395; Rogall, Informations-

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2. Kap.: Der Gesetzesvorbehalt

bildes anhand der Standortkennung beim Mobilfunkverkehr einer gesetzlich bestimmten Regelung, sofern diese einen Grundrechtseingriff im oben genannten Sinne darstellt.

eingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 2; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 2, Rn. 4; Rüping, Das Strafverfahren, Rn. 202 ff.; ob darüber hinaus auch das übrige Strafverfahrensrecht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt in Gestalt eines Parlamentsvorbehalts steht (so mit beachtlichen Argumenten: Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 135), ist für die vorliegende Untersuchung ohne Relevanz und bedarf insoweit keiner weiteren Erörterung.

3. Kapitel

Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff Nachdem festgestellt wurde, daß strafprozessuale Grundrechtseingriffe einem Gesetzesvorbehalt in Form eines Parlamentsvorbehaltes unterliegen, ist im folgenden auf die Grundrechtsrelevanz der Erstellung von Bewegungsbildern anhand der beim Mobilfunkverkehr anfallenden Standortdaten einzugehen. Denn sofern diese bejaht wird, ist eine Normierung der Maßnahme erforderlich. Grundsätzlich ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der Prüfungs maß stab für die Grundrechtsrelevanz von Datenspeicherungen und der sich daran anschließenden Datenauswertungen. Daher wird zunächst untersucht, ob die Erstellung eines Bewegungsprofils - unabhängig von der konkreten Erstellungsart - einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht darstellt. Hinsichtlich der Anfertigung von Bewegungsbildern anhand der beim Mobilfunkverkehr anfallenden Verbindungsdaten kommt darüber hinaus auch ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG in Betracht. Dabei ist auch das Verhältnis des informationellen Selbstbestimmungsrechtes zu Art. 10 GG zu klären, sofern ein Eingriff in beide Grundrechte bejaht werden kann.

A. Die Erstellung von Bewegungsprofilen als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Prinzipiell ist die Beurteilung der Grundrechtsrelevanz einer Ermittlungsmaßnahme im Strafverfahren für jede einzelne Maßnahme selbständig zu untersuchen. Demnach ist es grundsätzlich angebracht, jede einzelne Ermittlungsmethode, die der Erstellung eines Bewegungsbildes dient, gesondert hin auf ihre Eingriffsqualität zu untersuchen. I. Die Kernaussagen des Volkszählungsurteils

Etwas anderes ergibt sich allerdings, wenn man unabhängig von ihrer konkreten Anwendung und Ausgestaltung in jeder verdeckten Ermittlungsmethode einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

sieht. 1 Die Allgemeingültigkeit einer solchen Aussage erfordert allerdings auch eine nähere Bestimmung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses ist in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert. 2 Es stellt eine Ausprägung des bereits frühzeitig durch das Bundesverfassungsgericht als unbenanntem Freiheitsrecht begründeten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes3 dar. Anknüpfungspunkt ist dabei das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15.12.19834 , dem zuvor ein langandauernder Diskussionsprozeß in der Literatur vorausgegangen war. 5 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des einzelnen Bürgers, selbst zu bestimmen, ob und inwieweit mit seinen persönlichen Daten verfahren wird. 6 Dazu führt das Bundesverfassungsgericht aus: "Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt. Ihrem Schutz dient - neben speziellen Freiheitsverbürgungen - das in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit Bedeutung gewinnt [... ]. [... ] Es umfaßt [... ] auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden [... ]. [... ] Individuelle Selbstbestimmung setzt [... ] voraus, daß dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entschei1 So ausdrücklich: Bernsmann/Jansen, StV 1998, 217 (221); Denninger, KritJ 1985, 215 (221); Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 25 ff.; Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 104; Merten, NJW 1992, 354; vgl. auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 144 ff. 2 BVerfGE 65, 1, 41 f.; darüber hinaus werden teilweise auch andere verfassungsrechtliche Grundlagen für die Herleitung des informationellen Selbstbestimmungsrechts herangezogen, insbesondere die Art. 6, 10 und 13 GG, vgl. Gusy, KritV 2000,52, 56 (Fn. 24). 3 BVerfGE 27, 1 (6); 32, 373 (379); 34, 238 (245 f.); 35, 202 (220); 44, 353 (372 f.); 47, 46 (73); 49, 286 (298); 54, 148 (153 ff.); 56, 37 (41 ff.); 63, 131 (142 f.); 72, 155 (170); 79, 256 (268); 96, 56 (61); vgl. auch Jarass, NJW 1989, 857 (858 f.). 4 BVerfGE 65, 1. 5 Vgl. nur: Podlech in: Krauch, Erfassungsschutz, S. 72 ff.; Rohlf, Der grundrechtliehe Schutz der Privatsphäre, S. 24 ff., m. w.N.; vgl. auch das Gutachten von Steinmüller/Lutterbach/Mallmann/Harbort/Kolb/Schneider zum Referentenentwurf eines Bundesdatenschutzgesetzes im Auftrag des BMI aus dem Jahre 1971 (BT-Drs. VII3826, insbes. S. 62 ff.); allgemein zu der Diskussion - vor dem Volkszählungsurteil - in der Literatur um ein informationelles Selbstbestimmungsrecht: Burchard, KritV 1999,239 (240 ff.). 6 Denninger, Kriminalistik 1987, 505 (506).

A. Eingriff in das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung

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dung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Infonnation in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigennaßen abzuschätzen vennag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ennöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Infonnation dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. [... ] Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modemen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen."?

Kemaussage des Volkszählungsurteils ist daher zum einen, daß jeder Bürger selbständig entscheidet, ob und inwieweit er anderen personenbezogene Informationen mitteilt, zum anderen, daß er selbst Kenntnis darüber hat, was andere über ihn wissen. Dabei ist auch entscheidend, daß es - insbesondere vor dem Hintergrund der modemen Datenverarbeitung - "kein ,belangloses' Datum"g gibt, da "jede für sich betrachtet auch uninteressante Information [... ] einen ungeahnten Stellenwert,,9 in Verbindung mit anderen Daten bekommen kann. 10 Weiterhin wird aus der Entscheidung deutlich, daß schon den Gefährdungen als Vorstufe zu tatsächlichen und abgeschlossenen Beeinträchtigungen und damit bereits den Befürchtungen der Bürger eingriffs gleiche Relevanz zuerkannt wirdY Schon die grundSätzliche Möglichkeit heimlicher Ermittlung führt darüber hinaus dazu, daß der Einzelne sich nicht sicher sein kann, welche Informationen über ihn erfaßt und gespeichert werden, so daß er schon von sich aus in der Ausübung seiner grundrechtlich garantierten Handlungsfreiheit gehemmt sein kann. 12 ? BVerfGE 65, 1 (41 ff.). 8 BVerfGE 65, 1 (45). 9 Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ennittler, S. 18. IO BVerfGE, 65, I (43). II Vgl. BVerfGE 65, I (43); s. auch: Lammer, Verdeckte Ennittlungen im Strafprozeß, S. 27; Siebrecht, Rasterfahndung, S. 41 ff.; a. A.: Aulehner, der eine eingriffs gleiche Relevanz bei Gefährdungen nur dann bejaht, wenn "irreversible Schäden für Leib und Leben als höchste Rechtsgüter drohen" (Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Infonnationsvorsorge, S. 454). 12 Gusy, KritV 2000, 52, 55.

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

Eine solche Sicht ist letztlich auch eine konsequente Anwendung bzw. sogar Fortführung des mittlerweile vorherrschenden modernen Eingriffsverständnisses, welches im Gegensatz zum sog. klassischen Eingriffsbegriff nicht nur final-unmittelbare, auf die Beeinträchtigung einer Rechtsposition gerichtete Rechtsakte l3 , sondern jegliche Beeinträchtigung des Schutzbereiches - auch faktisch-mittelbarer Natur - erfaßt. 14 Eine eingriffsgleiche Gefährdung besteht schon dann, wenn der Betroffene nichts von der gegen ihn gerichteten Erhebung personenbezogener Daten weiß, da ihm dabei zwangsläufig von vornherein die Möglichkeit genommen wird, auf die Inforrnationserhebung zu reagieren, diese mitzugestalten oder zu unterbinden. Insofern besteht bei jeder heimlichen Errnittlungsmethode schon ihrem Wesen nach - letztlich sogar über eine bloße Gefährdung hinaus - eine Beeinträchtigung, da sie ja gerade zum Zweck der Strafverfolgung darauf angelegt ist, daß der Einzelne nichts über die ihn betreffende Inforrnationserhebung weiß. 15 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß zwar nicht jegliche staatliche Informationserhebung, aber jedenfalls jede heimliche Errnittlungsmaßnahme der Strafverfolgungsbehörden einen Eingriff in das inforrnationelle Selbstbestimmungsrecht darstellt. 16 Daher stellt auch die heimliche Erstellung von Bewegungsbildern anhand der Mobilfunküberwachung einen Eingriff in das Recht auf inforrnationelle Selbstbestimmung dar.

Vgl. Dreier in: Dreier-GG, vor Art. 1, Rn. 81. BVerfGE 6, 273 (278); Dreier in: Dreier-GG, vor Art. I, Rn. 82, m. w. N.; ]arass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor. Art. I, Rn. 26 f.; ausführlich zur Entwicklung des Eingriffsbegriffes: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/ 2, § 78 11. 15 Vgl. Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 26 f.; einen noch weitergehenderen Ansatz vertritt Hund, ZRP 1991, 463 (464), für den bereits in jedem Ermittlungsverfahren ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besteht, da es sich als fortgesetzte Erhebung und Speicherung von Daten darstelle. 16 Eine solche Feststellung darf nun allerdings nicht mit der Anerkennung der bereits verworfenen Lehre vom informationellen Totalvorbehalt verwechselt werden. Diese setzt wesentlich früher an, da sie bereits in jedem Akt staatlicher Informationsgewinnung einen Grundrechtseingriff sieht. Unabhängig von den generellen Einwänden gegen diese Lehre (S. 2. Kap. A. IV. 1) gilt in Bezug auf die Reichweite des informationellen Selbstbestimmungsrechtes, daß niemand "das Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über ,seine' Daten" (BVerfGE 65, 1 (43 f.)) hat, da kein Individuum völlig losgelöst von der sozialen Gemeinschaft betrachtet werden kann (BVerfGE 65, I (44)). Gleichwohl war die Entwicklung der Lehre vom Totalvorbehalt "durch die Herausarbeitung der Bedeutung staatlicher Datenverarbeitung ein wichtiger Schritt für die weitere Datenschutzdiskussion" (Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 21). \3

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A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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11. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nach dem Volkszählungsurteil: Ausdehnung und Konkretisierungen des Schutzbereiches Über die hier getroffenen Feststellungen hinaus sind hinsichtlich der Schutzbereichsbestimmung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes Ausdehnungstendenzen bzw. Konkretisierungen durch das Bundesverfassungsgericht festzustellen. So betonte das Gericht bereits frühzeitig, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur vor der zwangsweisen und heimlichen Datenerhebung schützt. 17 Ebenfalls wurde wiederholt festgestellt, daß nicht nur personenbezogene Daten im engeren Sinne, sondern auch individualisierbare Daten dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unterfallen. 18 Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit von § 687 ZPO vom 09.03.1988 19 ausdrücklich klargestellt, daß das im Volkszählungsurteil entwickelte informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht nur vor staatlicher Informationserhebung bezogen auf die elektronische automatische Datenverarbeitung schütze, sondern "vielmehr wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Grundlage generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten" Schutz gewährt. 2o Insgesamt bleibt deshalb festzuhalten, daß das BVerfG offensichtlich eine weite Geltung der im Volkszählungsurteil aufgestellten Grundsätze beabsichtigte und dies in den Folgeentscheidungen bestätigt bzw. die Entscheidungsgründe noch präzisiert hat?1 111. "Relativierungstendenzen" Demgegenüber traf man im Schrifttum von Anfang an auf sog. "Relativierungstendenzen,,22 gegenüber einem umfassenden Schutz durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht, vor denen bereits frühzeitig gewarnt wurde. 23 Hintergrund der "Relativierung" - im Sinne einer Einschränkung - des Schutzbereiches des informationellen Selbstbestimmungsrechtes ist insbesondere die Tatsache, daß die Kemaussagen des Volkszählungsurteils als 17 18 19

20 21 22 23

Vgl. BVerfGE 67, 100 (142 f.). BVerfGE 67, 100 (142 f.); 77, I (46). BVerfGE 78, 77 (84). BVerfGE 78, 77 (84). Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 28. Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 28. Bäumler, JR 1984,361; vgl. auch Frommei, KritV 1990,279 (284).

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

"Haupthindemis" für die Bekämpfung von Kriminalität ausgemacht und dafür verantwortlich gemacht werden, daß die Strafverfolgungsbehörden ,,[ ... ] ,nicht richtig zur Sache' gehen"24 könnten. Entgegen der ansonsten insbesondere für das Strafverfahrensrecht allgemein anerkannten Bedeutung25 des Urteils beschwor Rogall schon frühzeitig die "Überinterpretation des Urteils,,26, während es nach Krey "schlicht überschätzt,,27 werde. Dabei werden im wesentlichen drei Einschränkungstendenzen gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht ausgemacht: die vermeintliche Reduzierung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auf den Bereich der (EDV-gestützten) automatischen Datenverarbeitung, der Ausschluß sog. "Bagatellbeeinträchtigungen" sowie schließlich die Relativierung durch etwaige entgegenstehende vermeintliche Verfassungs güter. 28 Letzterer kommt dabei in der verfassungspolitisch geführten Diskussion hinsichtlich strafprozessualer heimlicher Ermittlungsmaßnahmen entscheidende Bedeutung zu. 1. Beschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auf die (EDV-gestützte) automatische Datenverarbeitung

Zumindest für den Bereich der Strafverfolgung im allgemeinen und der heimlichen Ermittlungsmethoden im besonderen ist bereits frühzeitig in der Literatur eingewandt worden, daß sich die Aussagen des Volkszählungsurteils hinsichtlich des Eingriffscharakters staatlicher Informationserhebung nur auf den Bereich der EDV -gestützten, automatischen Datenverarbeitung beziehen und daher im übrigen Eingriffe jeweils gesondert zu beurteilen seien29 . Obwohl auch das Bundesverfassungsgericht selbst - wie bereits dargelegt einer solchen Sicht in seiner späteren Entscheidung vom 09.03.1988 eine Freiberg/Thamm, Das Mafia-Syndrom, S. 203. Vgl. nur: Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 367 f. 26 Rogall, GA 1985, I (12). 27 Krey, Rechtsprobleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, Rn. 118. 28 Aulehner klammert darüber hinaus - im offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (s. A. 11.) - auch solche Informationserhebungen aus dem Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes heraus, die nicht zwangsweise oder heimlich geschehen. Darüber hinaus seien nicht jegliche individualisierbare, sondern nur personenbezogene Daten im engeren Sinne geschützt (Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Informationsvorsorge, S. 450 0; nach Lesch soll der Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes im Strafverfahren bereits von vornherein durch das Legalitätsprinzip und die Inquisitionsmaxime beschränkt sein (Lesch, JA 2000, 725, 727). 29 Vgl. nur Rogall, GA 1985, I (13); mittlerweile wesentlich moderater: ders., Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, S. 82 f. 24

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A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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klare Absage erteilt haeo, kam es auch nach diesem, an sich unmißverständlichen, Urteil im Schrifttum immer wieder zu vereinzelten Versuchen, die Kernaussagen des Volkszählungsurteils - in offensichtlicher Ignorierung oder schlichter Negation der explizit klarstellenden Entscheidung - auf die elektronische automatische Datenverarbeitung zu beschränken3 !. Dabei wird geltend gemacht, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes wiederholt explizit auf die automatische Datenverarbeitung hingewiesen habe 32 . Für die Erstellung von Bewegungsbildern läßt sich allerdings feststellen, daß zwar nicht unbedingt die Gewinnung der Standortdaten, aber jedenfalls ihre Auswertung und damit die eigentliche Erstellung des Bewegungsbildes nahezu regelmäßig - im Falle der Auswertung der Mobilfunk-Standortdaten sogar zwingend - unter EDV-Anwendung geschieht. Gleichwohl erscheint die grundsätzliche Erstellung eines Bewegungsprofils jedenfalls in theoretischer Hinsicht prinzipiell auch bei manueller Datenverarbeitung möglich. Die Beschränkung des Anwendungsbereiches des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auf EDV -gestützte Maßnahmen ist zu Recht von der herrschenden Lehre abgelehnt worden 33 . Zunächst ist zwar zuzugeben, daß die sich aus der elektronischen automatischen Datenverarbeitung ergebenden (Mißbrauchs-) Möglichkeiten der Informationserhebung wohl der Ausgangspunkt für die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze gewesen sind, sie waren aber nicht Bedingung für die Entscheidung34 . Insbesondere aus den bereits dargelegten Kernaussagen des Urteils wird deutlich, daß es dem Gericht grundSätzlich darum ging, die Verwendung von personenbezogenen Informationen transparent und kontrollierbar zu machen. Schon rein praktisch ist es für den Gesetzgeber, an den sich das Urteil ja vornehmlich richtet, gar nicht möglich, in allen Fällen im voraus zu bestimmen, ob Daten in einem automatisierten oder in einem manuellen Verfahren erfaßt und verarbeitet werden 35 • Eine solche Trennung ist im übrigen auch in der Praxis für die jeweilige Behörde nicht immer durchführbar36 . BVerfGE 78, 77 (84). von Hippel/Wejß, JR 1992, 316 (321 f.); ähnlich auch Krey, Rechtsprobleme des Einsatzes Verdeckter ErmittIer, Rn. 116. 32 Rogall, GA 1985, 1 (13). 33 Baumann, DVBl. 1984, 612 f.; Duttge, JZ 1996, 556 (559 f.); Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, S. 56; Fleig, NJW 1991, 1016; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 32; Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 26; Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozeß, S. 180; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 55; Riegel, CR 1987, 311 (312); RooslScheuenstuhl, Kriminalistik 1985, 65 (68); Rubel, JA 1988, 574 (575); Scholderer, NStZ 1989, 585; Simitis, NJW 1989,21; Tinnefeld, CR 1989,43 (45); Wolter, GA 1988,49 (58 f.). 34 Baumann, DVBl. 1984,612. 30

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

Hinsichtlich der konkreten Entscheidungssituation beim Volkszählungsurteil ist dabei auch zu beachten, daß der Abgleich der Volkszählungsdaten mit dem Melderegister, der vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht bestimmt wurde, manuell erfolgen sollte 37 . Auch der ausdrückliche Verweis in der Entscheidung auf gelungene gesetzliche Datenschutzregelungen, die dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht werden, nämlich §§ 30, 31 AO einerseits sowie § 35 SGB I i. V. m. §§ 67-86 SGB X andererseits (die beide unabhängig von der Form der Datenverarbeitung anwendbar sind) spricht gegen eine Beschränkung auf EDV-gestützte Datenverarbeitung. Es ist somit nicht entscheidend, ob und wenn ja welcher technischen Hilfsmittel sich die staatlichen Behörden zufällig bei der Informationserhebung bedienen 38 . Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß sich schon aus dem Volkszählungsurteil selbst ergibt, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keineswegs nur auf den Bereich der automatischen Datenverarbeitung beschränkt ist. Somit stellt jede heimliche Ermittlungsmaßnahme unabhängig von der Art der Datenspeicherung oder -verarbeitung einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. 2. Ausschluß von sog. "Bagatell-Beeinträchtigungen"

Nach Ansicht eines nicht unerheblichen Teils der Lehre sollen sog. "Bagatellbeeinträchtigungen" bereits gar nicht erst in den Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes fallen 39 . Dabei wird der Bagatellcharakter anhand der Intensität der Maßnahme ermittelt4o . Wenn ein beBaumann, OVBI. 1984, 612 (613). Vgl. Matzky, Zugriff auf EOV im Strafprozeß, S. 180. 37 Baumann, OVBI. 1984, 612 (613). 38 Vgl. Matzky, Zugriff auf EOV im Strafprozeß, S. 180. 39 Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, S. 91 f.; Hoppe, Vorfeldermittlungen im Spannungsverhältnis von Rechtsstaat und der Bekämpfung Organisierter Kriminalität, S. 51 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 (687); Rogall, GA 1985, 1 (26); Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 47; Schmitt Glaeser in Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 6, § 129, Rn. 97; Steinke, OVBI. 1980,430 (439); Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 27; Wolter, GA 1988, 129 (138); ein derartiger Ausschluß von "Bagatellbeeinträchtigungen" aus dem grundrechtlichen geschützten Bereich wird auch über das informationelle Selbstbestimmungsrecht hinaus prinzipiell für alle Grundrechte allgemein vertreten, vgl. Manssen, Grundrechte, Rn. 115. 40 Vgl. Wolter, GA 1988, 129 (137 ff.), der eine "Sechsstufentheorie" zur Eingriffsintensität vorschlägt. Schmitz betont darüber hinaus zwei weitere Aspekte, 35

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A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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stimmtes Mindestmaß an Belastung des Einzelnen nicht erreicht bzw. überschritten werde, so sei die Maßnahme daher grundrechtsirrelevant41 . Der Grad der Intensität wäre somit für jede heimliche Ermittlungsmaßnahme schon in der Schutzbereichsprüfung gesondert zu untersuchen. Dieser Sicht ist zu widersprechen. Sie wird den bereits oben dargelegten Kernaussagen des Volkszählungsurteils gleich in zweifacher Hinsicht nicht gerecht: zum einen hat das Bundesverfassungsgericht dort festgestellt, daß es "kein ,belangloses' Datum,,42 mehr gibt, da sich vor dem Hintergrund der Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung jede für sich genommene "harmlose" Information in Verknüpfung mit anderen Daten letztlich zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil zusammenfügen läßt. Bereits diese Möglichkeit allein führt zu Befürchtungen der Bürger, denen das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich Eingriffsqualität zubilligt. 43 Insofern würde das informationelle Selbtsbestimmungsrecht bei einer "Sonderbehandlung" von Bagatellbeeinträchtigungen letztlich die ihm zugedachte Schutzfunktion nicht hinreichend erfüllen können. 44 Weiterhin läßt sich auch praktisch kaum eine klare Grenze zwischen solchen Beeinträchtigungen, die (noch) Bagatellcharakter haben und solchen, die bereits grundrechtsrelevant sind, ziehen, da die Bedeutung der jeweiligen Datenerhebung letztlich kontextbezogen ist. 45 Ferner ist der Bezugspunkt einer solchen Abwägung unklar. Der von Wolter46 und Schmitz47 verfolgte Ansatz, auf die Zielgerichtetheit der Maßnahme abzustellen, überzeugt schon deshalb nicht, weil auch zunächst ungezielte Informationserhebungen nicht minder grundrechtsbeeinträchtigend sein können. 48 Zwar ist zuzugeben, daß die jeweiligen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen - auch zur Erstellung eines Bewegungsbildes - selbstverständlich unterschiedliche Formen der Intensität aufweisen. Diese Tatsache ist jedoch allenfalls auf der Ebene der Rechtfertigung des jeweiligen Eingriffes zu benämlich die Art sowie die Menge der erhobenen Informationen (Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter ErmittIer, S. 34 ff.). 41 Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, S. 91 f. 42 BVerfGE 65, 1 (45). 43 BVerfGE 65, 1 (43). 44 Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezial gesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 83. 45 Simitis, NJW 1984, 398 (402); vgl. auch Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Informationsvorsorge, S. 451 f. 46 Wolter, GA 1988, 129 (138). 47 Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter ErmittIer, S. 37 f. 48 Vgl. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (98). Im übrigen wäre das Kriterium der Zielgerichtetheit ohnehin bei jeder heimlichen Ermittlungsmethode zu bejahen. 4 Gercke

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

rücksichtigen. 49 Die Auffassung vom Ausschluß sog. Bagatellbeeinträchtigungen aus dem Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist daher abzulehnen. 3. Einschränkung des Schutzbereiches bzw. Eingriffsrechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht

Es ist nahezu unbestritten, daß Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden können. 50 Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Einheit der Verfassung. 51 Kollidierendes Verfassungsrecht kann sich dabei zum einen aus den Grundrechten Dritter ergeben52 , zum anderen aber auch aus sonstigen Verfassungsrechtsgütern. 53 Teilweise wird vertreten, daß es sich bei kollidierendem Verfassungsrecht regelmäßig um sog. "Scheinkollisionen,,54 handele, da der Ausgleich schon bei der Schutzbereichs bestimmung des jeweiligen Grundrechts im Wege praktischer Konkordanz zu erfolgen habe. 55 Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß durch etwaige kollidierende Grundrechte oder Rechtsgüter von Verfassungsrang bereits der Schutzbereich des betroffenen Grundrechts beschränkt werden soll, so daß im Ergebnis unter Umständen bereits ein Eingriff in den Schutzbereich abgelehnt werden kann. Zwar wird diese Sicht wohl überwiegend abgelehnt56 , weil sie dazu führe, daß der Schutzbereich nur noch punktuell bestimmbar sei, da seine Reichweite im Ergebnis fallabhängig sei 57 und ein solcher "Verlust der BeVgl. Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 28. BVerfGE 28, 243 (261); 47, 46 (76); 67, 213 (228); 84, 212 (228); Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 37; von Münch in: von Münch/Kunig, vor Art. 1, Rn. 57. 51 Manssen, Grundrechte, Rn. 124; ausführlich: Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 1 ff. 52 Vgl. nur Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 37. 53 Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 38; von Münch in: von Münch/ Kunig, vor Art. 1, Rn. 57. Hierbei spricht man auch von sog. "unechten Grundrechtskollisionen", da der Grundrechtsberechtigte dann nicht auf die Grundrechtspositionen eines anderen, sondern eben auf sonstige Positionen von Verfassungsrang stößt (vgl. nur: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IIII2, § 82 IV. 1.). 54 Begriff nach: Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 87 ff. (insbes.: S. 95 ff.). 55 Erichsen, JK 1995, GG Art. 4/8; Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 87 ff.; ders., Die Einheit der Verfassung, S. 195; ähnlich auch: Schnapp, JuS 1978, 729 (730). 56 Vgl. nur Lege, DVBI. 1999, 569 (570 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 323 f. 57 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 323. 49

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A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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stimmtheit,,58 der Funktion des Schutzbereiches eines Grundrechtes kaum noch gerecht werde. Insofern wird die Problematik im Schrankenbereich angesiedelt, d.h. kollidierendes Verfassungsrecht wird als Eingriffsrechtfertigung verstanden. 59 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Auseinandersetzung bisher noch keine klare Position bezogen 60: in einigen Urteilen scheint es eher zu einer Begrenzung des Schutzbereiches zu tendieren61 , teilweise klingt die Berufung auf kollidierendes Verfassungsrecht aber nach Rechtfertigung des jeweiligen Eingriffs. 62 Davon hängt aber ab, ob etwaige entgegenstehende Verfassungsgüter bereits auf Tatbestandsebene oder erst auf der Ebene der Rechtfertigung zu beachten sind. Vor diesem Hintergrund soll bereits an dieser Stelle untersucht werden, ob und wenn ja, welche Rechtsgüter von Verfassungsrang überhaupt als kollidierendes Verfassungsrecht in Betracht kommen - sei es nun im Rahmen einer Schutzbereichsbeschränkung auf Tatbestandsebene oder sei es auf Schrankenebene als Eingriffsrechtfertigung. Dabei müssen zwei Topoi behandelt werden, denen von ihren Befürwortern jeweils Verfassungsrang zugebilligt wird und die insbesondere in Zusammenhang mit der Anwendung heimlicher Ermittlungsmethoden immer wieder zur Relativierung und damit letztlich zur Einschränkung von Grundrechten allgemein und insbesondere von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung herangezogen werden: nämlich zum einen das "Recht auf Sicherheit" sowie zum anderen die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege,,63.

PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 324. Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 40.; PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 323 ff. 60 Vgl. PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 328; Lege, DVBI. 1999, 569 (570 0. 61 BVerfGE 28, 243 (260); 41, 29 (50); 47, 46 (76). 62 BVerfGE 84, 212 (228). 63 Mittlerweile besteht nahezu Einmütigkeit darüber, daß ein sog. "Gemeinschaftsvorbehalt", der auf den Bestand der für die allgemeine Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter abzielt, entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwGE 2, 85 (87); 6, 13 (17)) abzulehnen ist, da ein solcher im Grundgesetz keine Stütze findet (BVerfGE 30, 173 (192); BVerwGE 49, 202 (208); Dürig in: MaunzlDürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 70; Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, Rn. 38; Bachof, JZ 1957, 334 (337); Schnapp, JuS 1978, 729 (732); a.A. Schmidt-Bleibtreu in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, vor Art. 1, Rn. 20). 58

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

a) Grundrecht auf Sicherheit aa) Das "Grundrecht auf Sicherheit" als vermeintliches überindi vi duelles Grundrecht Teile der Literatur vertreten das erstmals von Isensee 64 herausgearbeitete sog. "Grundrecht auf Sicherheit" des einzelnen Bürgers als überindividuelles Grundrecht. 65 Dieses geht nach Scholz/Pitschas einher mit der dazu parallel gelagerten genuinen "staatlichen Aufgabe der Informationsvorsorge".66 Ein solches vermeintliches Grundrecht auf Sicherheit hat nichts gemein mit dem "Recht auf Sicherheit" aus Art. 6 der Charta der Grundrechte der EU bzw. Art. 5 Abs. 1 EMRK. In diesen Normen hat der Begriff der "Sicherheit" keine eigenständige Bedeutung, sondern soll als Ergänzung des Freiheitsbegriffes lediglich klarstellen, daß der Einzelne "sicher" vor willkürlichen Eingriffen staatlicher Gewalt in die individuelle Freiheit sein sol1. 67 Isensee stützt ein "Grundrecht auf Sicherheit" darauf, daß es Aufgabe des Staates sei, "die Grundrechte nicht nur (negativ) zu achten, sondern auch (positiv) zu schützen".68 Dies ergebe sich aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG 69 . Darüber hinaus zieht Isensee die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes heran, wobei er dem ersten Abtreibungsurteil vom 25.02.1975 7 dem Schleyer-Beschluß vom 16.10.1977 71 , dem Kontaktsperre-Beschluß vom 01.08.1978 72 sowie den Entscheidungen zu den Kernkraftwerken in Kalkar vom 08.08.1978 73 und Mülheim-Kärlich vom 20.12.1979 74 besondere Bedeutung zumißt. Aus diesen Entscheidungen ergebe sich einerseits, daß der Staat das Recht und die Pflicht habe, Leben, Gesundheit und Freiheit sowie eben auch die Sicherheit der Bürger zu schützen, andererseits aber auch, daß er dabei die Freiheit besitze, die entsprechenden Mittel zur Verwirklichung zu wählen. 75 Die einzelnen Schutzaspekte bildeten in ihrer

°,

Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 1 ff. (insbes. S. 27 ff.). Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Informationsvorsorge, S. 428 ff.; Schalz! Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, S. 110 ff.; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1246). 66 SchalZ!Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, S.104. 67 Peukert in: Frowein/Peukert, Art. 5, Rn. 4, m. W.N. 68 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33. 69 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33 (Fn. 67). 70 BVerfGE 39, 1. 71 BVerfGE 46, 160. 72 BVerfGE 49, 24. 73 BVerfGE 49, 89. 74 BVerfGE 53, 30. 64 65

A. Eingriff in das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung

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Gesamtheit das "Recht auf Sicherheit".76 Dieses sei kein bloßer Annex zur jeweiligen konkret zu erfüllenden Staatsaufgabe, sondern ein eigenständiges Grundrecht. 77 Dieses "Grundrecht auf Sicherheit" wird teilweise von seinen Befürwortern ausdrücklich als "Komplementärbegriff,78 zum infonnationellen Selbstbestimmungsrecht verstanden, d. h. den durch letzteres gewonnenen Freiheitserweiterungen werden ihrerseits erweiterte Beschränkungsmöglichkeiten zugeordnet. bb) Ablehnung eines "Grundrechts auf Sicherheit" Die Auffassung von Isensee und der ihm folgenden Stimmen in der Literatur ist zu Recht überwiegend abgelehnt worden 79. Grundrechte sind nach klassischem Verständnis in ihrer primären Funktion Abwehrrechte gegen den Staat80 . Etwas anderes kann allenfalls für die - von Rechtsprechung und Lehre sehr restriktiv gehandhabten - sog. sozialen Grundrechte gelten, bei denen der Staat unter Umständen in die Pflicht genommen werden kann, einzelne Sozialmaßnahmen zu ergreifen 81 . Dabei wird allerdings auf - sich schon aus der Verfassung selbst ergebende - Grundsätze wie z. B. das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG (bzw. Art. 28 Abs. 1 GG) zurückgegriffen. Dem "Recht auf Sicherheit" fehlt aber bereits jeder konkrete Anknüpfungspunkt im Grundgesetz. Der Verweis auf Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG geht, wie Perschke zu Recht feststellt, insofern fehl, als "daß die ,Sicherheit' anders als die im Grundgesetz ausdrücklich genannten Schutzgüter nicht um ihrer selbst willen, sondern [... ] allein als Bedinlsensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 27 ff. lsensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33. 77 Vgl. Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Infonnationsvorsorge, S. 429. 78 Aulehner, Polizeiliche Gefahren- und Infonnationsvorsorge, S. 428. 79 Denninger, KritJ 1985,215 (217); Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Infonnationen im Strafprozeß, S. 96; Lammer, Verdeckte Ennittlungen im Strafprozeß, S. 50; Lisken, ZRP 1990, 15 (16); Perschke, Die Zu lässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ennittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 85 ff.; Sanchez, Informationelle Selbstbestimmung und Strafverfahren, S. 149 ff.; Weichert, Infonnationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ennittlung, S. 30 ff.; Wolter in: SKStPO, 11. Erg. Lfg. (Juni 1994), vor § 151, Rn. 36; ders. in: Geppert/Dehnicke (Hrsg), Karlheinz-Meyer-GS, S. 493 (506); ders. in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 267 (273); ders., StV 1990, 175 (178); ders., Aspekte einer Strafprozeßrefonn bis 2007, S. 29 f.; ähnlich auch: Caliess, NJW 1989, 1338. 80 Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1999, 313 f.; Manssen, Grundrechte, Rn. 34; Weichert, Infonnationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ennittlung, S. 36; Wolter in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 267 (273); vgl. auch Rieß, StraFo 1994, 72 (75). 81 Manssen, Grundrechte, Rn. 44 f. 75

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

gung der Grundrechtsausübung, also als Mittel zum Zweck, bewahrt werden soll".82 Auch die von Isensee angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann das "Grundrecht auf Sicherheit" nicht untermauern: Hierbei handelt es sich vielmehr um typische Fälle der Problematik zur sog. Drittwirkung von Grundrechten83 , die allenfalls dann gelten kann, wenn sie vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet ist84 - auch wenn dieses von Isensee selbst bestritten wird. 85 Tatsächlich aber erörtern die von Isensee herangezogenen Entscheidungen Ausnahmekonstellationen, bei denen Einzelne der staatlichen Gewalt vergleichbare Monopol- und Machtpositionen innehatten, so daß insofern die Entwicklung von erweiterten Schutzpflichten des Staates gegenüber seinen Bürgern noch hinnehmbar war. 86 Lediglich für die Gefahr des Terrorismus ist - jedenfalls vor dem empirischen Hintergrund in seiner Ausprägung zum Zeitpunkt der entsprechenden Entscheidung - ein solches, den Staat zum Eingreifen verpflichtendes Gefahrenpotential nicht ohne weiteres zu bejahen; es läßt sich jedoch sozialpsychologisch erklären und entspricht wenigstens systematisch einer typischen Konstellation für die Drittwirkung von Grundrechten. 87 Keineswegs sind die getroffenen Feststellungen in der von Isensee propagierten Weise verallgemeinerungsfähig. Gegen die Anerkennung eines Grundrechtes auf Sicherheit sprechen schließlich auch historische Erwägungen: so wurde bei den Beratungen zum Grundgesetz ein "Recht auf Sicherheit" vom Parlamentarischen Rat ausführlich diskutiert und sogar in die ursprüngliche Fassung von Art. 2 Abs. 1 GG aufgenommen. 88 Letztlich wurde es jedoch als zu unbestimmt verworfen: dies wurde damit begründet, daß ein solches Recht "nur Ausfluß der persönlichen Freiheit,,89 sei. Daraus ergibt sich, daß der Verfassungsgeber unter "Sicherheit" nur diejenige der Bürger gegen den Staat, nicht aber der einzelnen Bürger untereinander, verstand. 9o 82 Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 86. 83 Sanchez, Informationelle Selbstbestimmung und Strafverfahren, S. 151; Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 35. 84 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. I, Rn. 28. 85 lsensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 35. 86 Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 30. 87 Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S.35. 88 JöR N.F. 1 (1951), S. 62. 89 JöR N.F. 1 (1951), S. 62. 90 Vgl. Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezial gesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 86.

A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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Eine andere Sicht erscheint allenfalls bei präventiven Maßnahmen in Ausnahmesituationen, insbesondere zur Abwehr konkreter Gefahren für Leib, Leben und Freiheit vertretbar. 91 Das Strafprozeßrecht hat aber trotz einzelner Präventivmaßnahmen, wie beispielsweise des Sicherungsverfahrens 92 (§§ 413-416 StPO), grundsätzlich repressiven Charakter. Nicht Gefahrenabwehr93 oder ein etwaiges Sicherheitsbedürfnis der Bürger94 sind das Prozeßziel des Strafverfahrens, sondern allein die Wahrheitsfindung unter Beachtung der Justizförmigkeit des Verfahrens sowie die daraus unter Umständen resultierende Durchsetzung des materiellen Strafrechtes gegenüber dem Schuldigen. 95 Daher könnte ein "Grundrecht auf Sicherheit", selbst wenn man es entgegen der hier vertretenen Ansicht prinzipiell anerkennen würde, jedenfalls nicht die Schaffung neuer strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen legitimieren. 96 b) Die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege "

Ist ein vermeintliches "Grundrecht auf Sicherheit" in der strafprozessualen Lehre ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen, so wird der Topos der sog. "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" von der Rechtsprechung97 sowie der überwiegenden Literatur98 - wenn auch von letzterer unter zum Teil erheblichen Relativierungen und Einschränkungen - zumindest prinzipiell anerkannt. 91 Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 30; Wolter, StV 1990,175 (178). 92 Allg. zur Rechtsnatur der Sicherungsverfahrens: Roxin, Strafverfahrensrecht, § 64. 93 Die Verhütung weiterer Straftaten als Präventivintention ist nur ein "Nebeneffekt des Strafprozesses", vgl. Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 50. 94 Zum Begriff der "Sicherheit" im bürgerlichen Rechtsstaat vgl. Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 37. 95 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Fn. 2 ff.; vgl. auch die Einleitung. 96 Siebrecht, Rasterfahndung, S. 63. 97 BVerfGE 33, 367 (383); 38, 105 (118); 38, 312 (321); 39, 156 (163); 41, 246 (251); 44, 353 (374); 46, 214 (222); 51, 324 (343). 98 Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozeßrecht, S. 30; Ebert, JR 1978, 136 (139); Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, S. 94 ff.; Kröpil, JuS 1999, 681 (682); Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 45 ff.; Lesch, Strafprozeßrecht, 3. Kap., Rn. 143 ff.; Rieß, StraFo 1994, 72 (75 f.); SchlüchteriRadbruch, NStZ 1995, 354 (355); Siebrecht, Rasterfahndung, S. 62; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1246); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 7; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 1 ff.; Rüping, Das Strafverfahren, Rn. 17; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 24 ff.; Wolter in: Geppert/Dehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 493 (502 f.); ders., NStZ 1993, 1 (4 f.).

3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

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aa) Die Schaffung des Topos durch die Rechtsprechung Der Begriff der "Funktionstüchtigkeit der (Straf-)Rechtspflege" geht zurück auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Zeugnisverweigerungsrecht von Sozialarbeitern vom 19.7.197299 . Darin führt das Gericht aus: "Soweit der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält [... J, verlangt er auch die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann." 100

Die Schaffung des Begriffes steht am Ende einer Reihe von Entscheidungen 101, in denen bereits auf die Notwendigkeit einer "wirksamen Strafrechtspflege,,102 bzw. "wirksamen Verbrechensbekämpfung" 103 als "wesentlicher Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens"l04 hingewiesen wurde 105. Auch darüber hinaus waren Funktionstüchtigkeitserwägungen in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vor dem genannten Entschluß nichts Außergewöhnliches. 106 (1) "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege " als Instrument

der Effektivierung im Strafveifahren

Inhaltlich läßt sich der Topos nur schwer konkretisieren: teilweise wird auf die "geordnete und effektive Beweisgewinnung,,107 abgestellt, sowie die Notwendigkeit, daß Strafverfahren "innerhalb angemessener Zeit zum Abschluß gebracht werden,,108 können. An anderem Orte geht es um nicht weniger als die "Sicherung des Rechtsfriedens in Gestalt der Strafrechtspflege".109 In jüngeren Entscheidungen stellt das Bundesverfassungsgericht BVerfGE 33, 367. BVerfGE, 33, 367 (383). 101 BVerfGE 19, 342 (347); 20, 45 (49); 20, 144 (147); 29, 183 (194); 32, 373 (381). 102 BVerfGE 19, 342 (347). 103 BVerfGE 20, 45 (49). 104 BVerfGE 29, 183 (194). 105 Ob es sich bei dem Topos um eine Neuschaffung durch die Entscheidung in BVerfGE 33, 367 handelt (so Grünwald, JZ 1976, 767 (772» oder vielmehr um eine Zusammenfassung von "bereits früher herangezogenen Aspekte(n) unter dem Dach des Grundsatzes der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" (Lang, Der Verlust von Verfahrensrügen ... , S. 138) kann dabei letztlich dahinstehen; zsfd. zur Entwicklung des Begriffes: Hassemer, StV 1982, 275 (276 f.); ders., in: Lüderssen (Hrsg.), V-Leute - Die Falle im Rechtsstaat, S. 71 ff. 106 Lang, Der Verlust von Verfahrensrügen ... , S. 136 f. 107 BVerfGE 38, 105 (120). 108 BVerfGE 41, 246 (250). 99

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A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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auch zunehmend auf die "Erfordernisse rechts staatlicher Gewährung der Strafrechtspflege" I 10 ab. 111 Insgesamt wird der Begriff mit derart vielen inhaltlichen Gesichtspunkten gefüllt, daß nach Hassemer der Eindruck vermittelt wird, es handele sich geradezu um "ein begriffliches Sammelsurium, aus dem sich das Gericht nach Belieben bedienen darf'. I 12 Im wesentlichen läßt sich der Begriff jedoch auf zwei - nicht immer klar abgrenzbare - Elemente reduzieren: zum einen auf die Sicherstellung des Verfahrensablaufes, zum anderen auf den Schutz vor vermeintlich unberechtigten, sog. "verfahrensfremden" Einwirkungen. l13 Dabei geht es letztlich vorrangig um Effizienzgesichtspunkte. 114 Denn selbst wenn der staatliche Strafanspruch in konkreten Konstellationen nicht durchsetzbar wäre, würde dies die Funktionstüchtigkeit oder gar -fähigkeit als solche nicht in Frage stellen. Entscheidend ist mit Lammer vielmehr "die Erleichterung oder Ermöglichung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in bestimmten Fällen".115 Damit "geht es also bei den konfligierenden Interessen [... ] nicht um die Existenz eines Systems der staatlichen Strafrechtspflege, sondern um die Effektivierung seiner Instrumente und Abläufe". I 16 (2) Der Topos der "Funktionstüchtigkeit der StraJrechtspjlege" als Verfassungswert

Der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" kommt nach Meinung ihrer Befürworter Verfassungsrang ZU. 117 Dieser wird vom BundesverfasBVerfGE 51, 324 (343). BVerfGE 77, 65 (82); 80, 367 (375). 111 Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um die Aufgabe des Topos der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" (so aber Graf, Rasterfahndung und organisierte Kriminalität, S. 258 f.; Lorenz, GA 1992, 254 (277 f.); Mahrenholz, NJW 1992, 2955 (2956». Vielmehr wiederholt das Bundesverfassungsgericht in E 80, 367 (375) mit dem Verweis auf die "unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung" bekannte Ausführungen zur Argumentationsfigur der "funktionstüchtigen Strafrechtspflege", ohne diese in den konkreten Entscheidungen explizit zu benennen. So ist es auch zu erklären, daß in der ganz überwiegenden strafprozessualen Literatur auf den vermeintlichen "ParadigmenwechseI" (Lorenz, GA 1992, 254 (277 f.» nicht eingegangen wird (vgl. nur Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 7), so auch: Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozeßrecht, S. 29, Fn. 24. l12 Hassemer, StV 1982,275 (276). 113 Vgl. Lang, Der Verlust von Verfahrensrügen ... , S. 144. 114 Vgl. BVerfGE 38, 105 (118); Lang, Der Verlust von Verfahrensrügen ... , S. 143. 115 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 47. 116 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 47; so i.E. auch Hassemer, StV 1982, 275 (279); Nestler- Tremel, DRiZ 1988, 288 (290). 109

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

sungsgericht l18 und der herrschenden Lehre l19 unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. 120 Dieses umfaßt neben formellen auch materielle Elemente, darunter auch den Gedanken der "Gerechtigkeit".121 Aus eben diesem schließt das Bundesverfassungsgericht auf die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege".122 Spricht man der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" Verfassungsrang zu, so steht diese auf derselben Ebene wie andere Verfassungsgüter - wie eben auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese Zuordnung ermöglicht überhaupt erst einen Abwägungsprozeß, bei dem im Sinne praktischer Konkordanz ein Ausgleich stattzufinden hat. bb) Die Ansichten in der Literatur In der Literatur wird die Argumentationsfigur der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" ausgiebig diskutiert. Dabei wird im Kern nicht bestritten, daß Strafrechtspflege zu den staatlichen Aufgaben gehört und deshalb funktionstüchtig bzw. -fähig sein muß. 123 Insofern bringe jedoch "der Topos eine bare Selbstverständlichkeit zum Ausdruck".124 Kritik entzündet sich vielmehr am Verfassungsrang dieser Rechtsfigur, da erst diese den Abwägungsprozeß auf einer gleichrangigen Ebene ermöglicht.

117 Krey spricht sogar vom einem "Verfassungshöchstwert", freilich ohne zu erläutern, worum es sich bei dieser Begriffsschöpfung handelt (Krey, Rechtsprobleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, Rn. 153). 118 BVerfGE 33, 367 (383). 119 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 47; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 88, m. w.N.; Vogel, NJW 1978, 1218. 120 Nach Lang handelt es sich bei der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" um "ein eigenständiges, mit Verfassungsrang ausgestattetes Gebot", das "ungeschriebenes Verfassungsrecht" sei (Lang, Der Verlust von Verfahrensrügen ... , S. 142). Nach Kunig läßt sich der Verfassungsrang direkt aus den Grundrechten selbst herleiten (Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 441 ff.). Dies hat seiner Ansicht nach zur Folge, daß bei dem anschließenden Abwägungsprozeß das Interesse an der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" regelmäßig zurücktrete. "Denn dem dargestellten grundrechtlichen Schutzanspruch ist schon durch die Errichtung eines Strafrechtssystems und dessen grundsätzliche Durchsetzung gedient." (Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 446). 121 Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, Abschnitt 2, Rn. 3. 122 BVerfGE 33, 367 (383). 123 Vgl. Hassemer, StV 1982, 275; Wolter in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 493 (502). 124 Hassemer, StV 1982, 275; so auch Malmendier, NJW 1997, 227 (228), der diesbezüglich von einer "triviale(n), oberflächliche(n) Selbstverständlichkeit" spricht.

A. Eingriff in das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung

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(1) Prinzipielle Anerkennung des Verfassungsranges bei gleichzeitiger Relativierung

Die überwiegende Lehre erkennt die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als einen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und damit als einen Wert von Verfassungsrang prinzipiell an, versucht jedoch, die Tragweite der Anwendung zu relativieren. 125 Insofern wird auf die notwendige "betonte Zurückhaltung der Handhabung des Begriffs"126 hingewiesen. So käme der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" in einem Abwägungsprozeß insbesondere nicht per se größere Bedeutung zu als den betroffenen Individualgrundrechten. 127 Vielmehr sei der Gefahr des Abbaus von Beschuldigtenrechten zugunsten von Effizienzgesichtspunkten im Strafverfahren mit "einer betont grundrechtsfreundlichen Abwägung von Strafverfolgungsinteresse und Freiheitsrechten,,128 zu begegnen. Insofern müsse die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" stets mit der Justizförmigkeit des Strafverfahrens in einem Zusammenhang gesehen werden. 129 Einen noch weitergehenden Ansatz verfolgt Wölfl, nach dem das Postulat der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" zwar Verfassungswert habe, dieses jedoch von vornherein im Rang unterhalb möglicher betroffener Grundrechte zu verorten sei. 130 (2) Verwerfung der" Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege " als Postulat von Verfassungsrang

Mit Teilen der Literatur l3l ist jedoch die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als eigenes Verfassungsprinzip grundsätzlich abzulehnen. Dabei lassen sich mehrere Argumente gegen den angeblichen Verfassungsrang geltend machen. Anknüpfungspunkte sind hierbei die vermeintliche VerVgl. die Nachw. unter A. III. 3. b) aa) (2); ähnl. auch: BGHSt 40,211 (217 f.). Ebert, JR 1978, 136 (139). 127 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 7. 128 Wolter in: Geppert/Dehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 493 (503). 129 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 7. 130 Wöljl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 103 f. 131 So ausdrücklich: Er/urth, Verdeckte Ennittlungen, S. 26; Grünwald, JZ 1976, 767 (772 f.); ders., StV 1987,453 (457); lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 189 ff.; Riehle, KritJ 1980, 316 ff.; Sdnchez, Infonnationelle Selbstbestimmung und Strafverfahren, S. 163 ff.; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, S. 12 ff.; Weichert, Infonnationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ennittlung, S. 38 ff.; wohl auch: Klawitter, StraFo 1990, 18 (19); Peters, Strafprozeß, § 211. 125

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

ortung im Rechtsstaatsprinzip, die Unbestimmtheit des Begriffes sowie schließlich hermeneutische Erwägungen. (a) Keine Verortung im Rechtsstaatsprinzip Als erster hat Grünwald in seiner Anmerkung zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu § 231a StP0 132 der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" den Verfassungsrang abgesprochen. Dies begründet er hauptsächlich mit der Ablehnung der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Verortung im Rechtsstaatsprinzip. Dazu führt Grünwald aus: "Nach bisherigem Verständnis zieht das Rechtsstaatsprinzip der Durchsetzung von Interessen des Staates und der Allgemeinheit Grenzen, und zwar unüberschreitbare Grenzen. Den Beschuldigten etwa nicht mehr als Subjekt des Verfahrens zu behandeln, sondern als bloßes Objekt, oder die Unschuldsvermutung zu durchbrechen, ist durch das Rechtsstaatsprinzip schlechthin ausgeschlossen. Bildlich gesprochen: Das Rechtsstaatsprinzip ist ein Schutzwall, an dem sich die Strafverfolgungsinteressen brechen. Jetzt hat das BVerfG das Strafverfolgungsinteresse in die Mauem des Rechtsstaatsprinzips selbst aufgenommen, und die Auseinandersetzung mit den Rechten des beschuldigten Bürgers findet innerhalb dieser Mauem statt.,,133

Von diesem Standpunkt aus läßt sich die Frage nach dem Verfassungsrang der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" auf die Reichweite des Rechtsstaatsprinzips reduzieren 134. Es ist demnach zu klären, ob diesem als ein Teilprinzip die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" entnommen werden kann. Erblickt man im Rechtsstaatsprinzip - so wie Grünwald - ausschließlich ein Instrument, das der Gewährleistung von Freiheitsrechten des Einzelnen gegen staatliche Maßnahmen dient, so erscheint eine Verortung der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege", die letztlich genau der Einschränkung von Freiheitsrechten Vorschub leistet, dort tatsächlich als eine "Perversion". 135 Die Befürworter einer Verortung der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" im Rechtsstaatsprinzips halten dem entgegen, daß eine solche Interpretation zu einseitig sei. 136 Vielmehr umfasse das Rechtsstaatsprinzip verschiedene, teilweise gegenläufige Interessen, da es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz 137 handele. 138 Grünwald, JZ 1976, 767. Grünwald, JZ 1976, 767 (772 f.). 134 Vgl. Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, S. 13. m Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 48. 136 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 48. I32

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A. Eingriff in das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung

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Tatsächlich erblickt die Staatsrechtsliteratur nahezu einhellig im Rechtsstaatsprinzip einen äußerst vielseitigen Grundsatz. 139 Dabei wird jedoch ganz überwiegend darauf hingewiesen, daß letztlich die Freiheit des Bürgers das primäre Ziel des Rechtsstaatsprinzips sei. 140 Selbst, wenn man in letzterem auch das Gebot materieller Gerechtigkeit erblickt, so stellt sich die Frage, ob sich aus diesem eine "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" ableiten läßt. 141 Unabhängig davon, daß ein materieller Gerechtigkeitsbegriff kaum möglich, geschweige denn konkret greifbar ist l42 , sollte eine gewisse Vorsicht bei der Einortung eines solchen Grundsatzes als Teil des Rechtsstaatsprinzips walten, insbesondere wenn es um die Herleitung aus materiellen Elementen geht. 143 Dies gilt um so mehr dann, wenn der Gesetzgeber einen solchen Grundsatz darüber hinaus nicht in einer Spezialnorm des Grundgesetzes verankert hat 144 - genau dies trifft aber auf die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" ZU. 145 Ferner läßt sich festhalten, daß sich eine, wie auch immer geartete, "Gerechtigkeit" jedenfalls nicht ohne weiteres den persönlichen Freiheitsrechten gegenüberstellen läßt, um dann in einem Abwägungsprozeß gegeneinander aufgerechnet zu werden. Dann wäre, wie Hassemer pointiert darlegt, das Ergebnis in der Tat stets vorprogrammiert 146: 137 Zur Einordnung des Rechtsstaatsprinzips als allgemeinem Rechtsgrundsatz vgl.: BVerfGE 7, 89 (92 f.); 45, 187 (246); 52, 131 (144 f.). 138 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 48. 139 Vgl. nur Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, Abschn. 2, Rn. 3; nach Merten ist aufgrund dieser Vielschichtigkeit, die durch Aufnahme materieller Elemente in das Rechtsstaatsprinzips bedingt ist, letzteres in dieser Fonn "unergiebig und diffus" (Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 12). 140 Herzog in MaunzlDürig, Art. 20, Abschn. 6, Rn. 12, 33. 141 So aber BVerfGE 33,367 (383); vgl. auch Kröpil, ZRP 1997,9 (12). 142 Vgl. Sdnchez, Infonnationelle Selbstbestimmung und Strafverfahren, S. 169 ff. (insbes. S. 170), m. w.N. 143 Herzog in: MaunzlDürig, Art. 20, Abschnitt 2, Rn. 37 ff. (insbes. Rn. 42); lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 195; vgl. auch: Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, S. 12. 144 Herzog in: MaunzlDürig, Art. 20, Abschnitt 2, Rn. 37 ff. 145 Zwar wird die Strafrechtspflege in Art. 74 Nr. 1 GG angesprochen und in Art. 103 Abs. 2 GG sowie Art. 95 Abs. 1 vorausgesetzt; über die inhaltliche Ausgestaltung wird jedoch dadurch nichts ausgesagt (Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 443). Art. 115g Abs. 1 GG richtet sich ausschließlich gegen den Staat und ist insofern ebenfalls nicht heranziehbar (lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 195). 146 Zur allgemeinen Problematik von Abwägungsprozessen insbesondere im Strafprozeßrecht s. Hassemer in: Kaufmann u. a. (Hrsg.), Maihofer-FS, S. 183 ff., nach dem grundsätzlich bereits durch die Auslösung des Prozesses bzw. die Bestimmung der abzuwägenden Rechtsgüter das Ergebnis bereits vorweggenommen ist. An

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

"In dieser Alternative haben die privaten Interessen keine argumentative Chance mehr; ihr Gegenpol verfügt über sämtliche normative Ressourcen, welche einem Interesse Durchsetzungskraft und Dignität verschaffen. Steht die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege auf dem Spiel, so können Interessen, die zu ihr gegensätzlich sind, von vornherein nichts ausrichten. Denn wie müßte ein solches Interesse rechtstheoretisch und rechtsethisch ausgestattet sein, um es nicht nur mit Effektivität und Rechtssicherheit, sondern auch mit Gerechtigkeit und Rechtsstaat aufzunehmen?" 147

Die persönlichen Freiheitsrechte des Einzelnen lassen sich der "Gerechtigkeit" nicht gegenüberstellen, sie lassen sich vielmehr gar nicht von dieser trennen, da sich materielle Gerechtigkeit - sofern überhaupt greifbar (s.o.) - vor allem in der Sicherung des Freiheitsschutzes postuliert. 148 Die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" läßt sich daher nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten. Nur dieses Ergebnis wird auch dem klassischen Verständnis von Grundrechten als Rechten mit primärer Abwehrfunktion des Einzelnen gegen den Staat 149 gerecht l50 . (b) Verstoß des Topos gegen das Bestimmtheitsgebot Darüber hinaus läßt sich gegen die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" als Rechtsgut von Verfassungsrang die Unbestimmtheit des Terminus einwenden. 151 Jahn weist diesbezüglich zu Recht auf die durchgreifenden, verfassungsrechtlichen Bedenken gegen derart "globale Großformeln" hin. 152 So sei weder der Begriff "Strafrechtspflege", geschweige denn die "Funktionstüchtigkeitsformel" hinreichend bestimmt, zumal letztere vom Bundesverfassungsgericht "selbst ohne klare Linie verwendet,,153 werde. Bestätigt wird diese Ansicht letztlich auch durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Einsatz von V-Leuten vom 21.07.1994 154, in der anderer Stelle beschreibt Hassemer plakativ diesen "Mechanismus (als) durchsichtig" (Hassemer, StV 1990,328 (331». 147 Hassemer, StV 1982,275 (277); ähnlich auch: Frohn, GA 1984,554 (559). 148 Hassemer, StV 1982, 275 (278); ders., in: Lüderssen (Hrsg.), V -Leute - Die Falle im Rechtsstaat, S. 71 (81). 149 Vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1999, 313 f.; Manssen, Grundrechte, Rn. 34; Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 36; Wolter in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 267 (273). 150 Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, S. 13. 151 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 192 f.; Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 33; Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 40. 152 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 192. 153 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 193. 154 BGHSt 40,211.

A. Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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das Gericht die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" ausdrücklich als begrifflich unscharf bezeichnet. 155 Durch die Vagheit des Begriffes würde "die Bindung der Strafrechtsprechung an das positive Recht, auf dessen Beachtung der Rechtsstaat beruht,,156, gelockert. Dem ist mit Jahn "einschränkungslos beizupflichten". 157 Als Konsequenz aus dem soeben Festgestellten kann nun aber nicht nur gefolgert werden, daß die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" bloß mit "äußerster Zurückhaltung" als Verfassungsprinzip angewendet werden sollte i58 , sondern letztlich nur die völlige Verwerfung dieser Rechtsfigur als Verfassungswert, "weil begriffliche Unschärfe im Kontext bedeutsamer Freiheitsrechte nicht zu tolerieren ist".159 Dies muß aufgrund der sich durch die modemen Datenverarbeitung ergebenden weitreichenden Konsequenzen für den einzelnen Bürger insbesondere für Grundrechte mit informationellen Inhalten gelten. 160 Jede Relativierung, d.h. bloße Einschränkung der Anwendbarkeit, erkennt somit zwar die Problematik der Figur der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege", löst diese aber nicht konsequent im Sinne einer gänzlichen Verwerfung. Insofern spricht auch die begriffliche Unbestimmtheit des Topos der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" dagegen, diesem Verfassungsrang zuzugestehen. (c) Die Widersprüchlichkeit der Zielsetzung (hermeneutische Ebene) Neben diesen Aspekten wird auch auf die Widersprüchlichkeit der Zielsetzung der Wendung von der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" auf hermeneutischer Ebene hingewiesen. 161 Zutreffend stellt Jahn fest, daß Effizienzüberlegungen einerseits und der Findung einer materiell "richtigen" und "gerechten" Entscheidung andererseits ein Widerspruch immanent ist; während erstere vor allem von einer ökonomischen Ressourcenverwaltung - insbesondere hinsichtlich der Dauer des Verfahrens sowie des Personalaufwandes - bestimmt sind, ist das Erreichen der "richtigen" EntscheiBGHSt 40,211 (217). BGHSt 40,211 (218). 157 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 194. 158 So aber BGHSt 40,211 (217 f.): der BGH folgt damit im Ergebnis der unter A. III. 3. b) bb) (1) dargelegten Ansicht der herrschende Lehre. 159 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 194; vgl. auch Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rn. 34 f.; Sommermann in: v. MangoldtiKlein/Starck, Art. 20 Abs. 3, Rn. 278 ff. 160 Gusy, StV 1992,484. 161 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 190, der allerdings insofern mißverständlich von der "Widersprüchlichkeit der Begriffsbildung" spricht. 155

156

3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

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dung an sich "selbst näherungsweise nur herstellbar [... ], wenn man in unbegrenzter Zeit alle potentiell Betroffenen mit der Möglichkeit der chancengleichen Einbringung der richtigen Sachargumente am korrekt durchgeführten Verfahren beteiligen würde".162 Auch wenn ein solcher Prozeß - und erst recht das damit verbundene Erreichen der Ziel vorgabe - ein unerreichbares Ideal bleiben, so wird gleichwohl der Widerspruch zu den angesprochenen Effizienzüberlegungen deutlich: denn Effizienz im Sinne der Apologeten der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" - also insbesondere die Beschränkung auf prozeßökonomische Gesichtspunkte - läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß die Findung einer "gerechten" und "richtigen" Entscheidung zumindest partiell untergraben wird. 163 Etwas anderes ergibt sich nur durch eine Auslegung des "Gerechtigkeits"-Begriffes dahingehend, daß Strafverfolgung als solche der Gerechtigkeit diene, was in dieser Form aber nicht einmal von den Befürwortern der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" vertreten wird. l64 Schließlich können Effizienzüberlegungen immer nur ein Kriterium bei der Auswahl zwischen zwei im übrigen gleichwertigen Entscheidungsalternativen sein, aber - jedenfalls, wenn dies zur Beeinträchtigung oder gar gänzlichen Beseitigung von Rechtsgarantien des Beschuldigten führt l65 - kein Wert an sich. 166 Effizienzgesichtspunkte - jedenfalls im Sinne der Durchsetzung eines sog. "ungestörten" Verfahrensablaufes oder einer Verfahrens beschleunigung einerseits und die Findung einer materiell "richtigen" Entscheidung andererseits lassen sich nicht nur einander gar nicht erst auf einer Ebene gleichwertig zuordnen, sie sind sogar ein Widerspruch in sich. Insofern ist der Topos der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" auch unter hermeneutischen Gesichtspunkten bezogen auf seine Zielsetzung unbrauchbar.

lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 190. Vgl. Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387 (398); zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur bei anderer Deutung des "Effizienz"-Begriffes, wie ihn beispielsweise Dahs vertritt: Danach hängt die "Effektiviät der Strafjustiz" nicht von der Beschleunigung eines Verfahrens oder ähnlichen Gesichtspunkten ab, sondern vielmehr von der "Qualität der gerichtlichen Urteile" (Dahs, NJW 1974, 1538 (1539)). 164 Eine solche Interpretation liefe letztlich darauf hinaus, daß Strafverfolgung unabhängig von ihrer rechtsstaatlichen Rückkoppelung ein Wert als solcher sei. Jahn weist plakativ darauf hin, daß "auch die Rechtspflege eines diktatorischen Unrechtsstaates" in diesem Sinne "tüchtig funktionieren" kann (lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 190). 165 Vgl. Dahs, NJW 1974, 1538 (1539). 166 lahn, "Konfliktverteidigung" und Inquisitionsmaxime, S. 191. 162

163

B. Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG

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(d) Zusammenfassung Als Konsequenz aus dem soeben Dargestellten ergibt sich, daß eine auf Effizienzgesichtspunkte abstellende "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" kein Prinzip von Verfassungsrang sein kann. Eine solche Sicht bedeutet nun aber nicht, daß das Interesse des Staates an der Durchsetzung der Strafverfolgung - welches unbestritten zu seinen Aufgaben gehört keine Beschränkungen der Freiheitsrechte begründen kann. 167 Solche sind selbstverständlich nach Maßgabe des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehaltes möglich. Insofern wird gewährleistet, daß - um sich erneut der bildhaften Sprache Hassemers zu bedienen - "die Rechtsprechung ihre Probleme nicht in ein Kleid steckt, das ihnen um einige Nummern zu groß ist".168

IV. Zwischenergebnis Es ist dargelegt worden, daß jede heimliche Ermiulungsmethode ungeachtet der jeweiligen "Relativierungstendenzen" einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellt. Folglich ist die Erstellung von Bewegungsbildern anhand der Mobilfunküberwachung als Maßnahme zur Beweisgewinnung ein (strafprozessualer) Grundrechtseingriff, der als solcher einer gesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf.

B. Erstellung von Bewegungsprofilen anhand der Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG Im folgenden ist zu untersuchen, ob und inwieweit die spezielle Gewinnung eines Bewegungsbildes anhand der Standortdaten beim Mobilfunkverkehr bzw. ihre Auswertung einen Eingriff in das Femmeldegeheimnis aus Art. 10 GG darstellt, auf das bei Überwachungsmaßnahmen in Zusammenhang mit Formen des Femmeldeverkehrs bzw. der Telekommunikation regelmäßig einzugehen ist.

I. Das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG Das Femmeldegeheimnis schützt die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, die durch das Medium drahtloser oder drahtgebundener elektromagnetischer Wellen transportiert wird. 169 Angesichts ihrer steigen167

168

So auch schon Grünwald, JZ 1976, 767 (772); vgl. auch A. III. 3. b) bb). Hassemer, StV 1982,275 (280).

5 Gercke

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

den Anwendung und Bedeutung tangiert Telekommunikation eine Vielzahl von individuellen Rechten. 170 Insofern wird Art. 10 GG auch als "strategisches Schutzrecht" der sog. Informationsgesellschaft 17l bezeichnet. l72 Im Gegensatz zu anderen, die Privatsphäre und insbesondere die vertrauliche Kommunikation schützenden, Grundrechten liegt der Schwerpunkt des Schutzbereiches von Art. 10 GG somit auf dem Medium, auf das die Kommunikationsteilnehmer angewiesen sind. 173 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß Kommunikation - insbesondere in der modernen Informationsgesellschaft - zunehmend über räumliche Distanz stattfindet. Insofern wurde Art. 10 GG schon frühzeitig eine räumliche Erweiterung der Geheimnissphäre entnommen. 174 Das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG ermöglicht insoweit die Garantie von Privatheit bzw. vertraulicher Kommunikation trotz geographischer Distanz, die genau so bestehen soll, als ob die Kommunikation auch ohne ein technisches Medium stattfinden würde. 175 1. Das Verständnis vom "dynamischen" Schutzbereich

Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung im Bereich der Telekommunikation wird der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses als "dynamisch,,176 bzw. "entwicklungsoffen"l77 verstanden. Daher werden nicht nur der traditionelle Telefon-, Telegramm- und Funkverkehr, sondern auch die neueren elektronischen und digitalen Übertragungsmöglichkeiten, wie Telefax, Teletext, Bildschirmtext, Internet und Mobilfunk, grundsätzlich vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses erfaßt. 178 Nur so ist vor dem Hintergrund der rasanten technischen Entwicklung neuer Medien ein umfassender Schutz der Kommunikation über räumliche Distanz möglich. 179 169 Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10, Rn. 12; PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 773; umfassend zur historischen Entwicklung des Femmeldegeheimnisses: Badura in: BK-GG, Art. 10 GG, Rn. 3 ff.; Bizer in: AK-GG, Art. 10 GG, Rn. I ff. 170 KiperlRuhmann, DuD 1998, 155 (157). 171 Vgl. Biala, Mobilfunk und Intelligente Netze, S. l. 172 KiperlRuhmann, DuD 1998, 155 (157). 173 Gusy, JuS 1986, 89 (90). 174 Gusy, JuS 1986, 89 (90); Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10, Rn. I; Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs, S. 36 ff.; ders., Überwachung und Kontrolle, S. 23. 175 Gusy, JuS 1986, 89 (90); Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Postund Femmeldeverkehrs, S. 37; ders., Überwachung und Kontrolle, S. 23; vgl. auch Vassilaki, JR 2000, 446. 176 Krüger in: GG-Sachs, Art. 10, Rn. 14. 177 Hermes in GG-Dreier, Art. 10, Rn. 33; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10, Rn. 5. 178 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10, Rn. 5; Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10, Rn. 12; PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 773.

B. Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG

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Der Schutz des Femmeldegeheimnisses richtet sich vor allem gegen staatliche Behörden. 18o Dabei umfaßt das Femmeldegeheimnis sowohl die Kommunikationsvorgänge im Rahmen des Femmeldeverkehrs, die von der Post abgewickelt werden, als auch die von privaten Anbietem. 181 Letzteres ist im Zuge der Privatisierung und Liberalisierung der Telekommunikation heute der Regelfall. Kommunikationsvorgänge im Rahmen des Femmeldeverkehrs bzw. der Telekommunikation werden seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes von privaten Femmelde- bzw. Telekommunikationsunternehmen abgewickelt. 2. Schutz von Kommunikationsinhalt und Kommunikationsvorgang

In erster Linie erlaßt der Schutzbereich des Art. 10 GG den Kommunikationsinhalt. 182 Dies bedeutet, daß sich der Schutz auf die Kommunikation im eigentlichen Sinne erstreckt, mit anderen Worten, das konkrete Gespräch. Dies gilt auch für den bloßen Versuch eines Gesprächsaufbaus. 183 Darüber hinaus wird jedoch ebenfalls ein umfassender Schutz des gesamten Kommunikationsvorganges gewährt. Dieser erlaßt die näheren Umstände aller mit der Kommunikation zusammenhängenden Gegebenheiten. 184 Dazu gehören neben Anzahl, Art, Zeitpunkt und Dauer des Vorganges sowie der 179 Fraglich erscheint allerdings, inwieweit es sich auswirkt, daß eine Vielzahl der sog. "neuen" Medien sowohl der durch Art. 10 GG geschützten Individualkommunikation als auch der Massenkommunikation dienen. Insofern wird der Schutzbereich aufgrund der nicht immer möglichen eindeutigen Abgrenzung teilweise als "unscharf' charakterisiert, vgl. Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10 GG, Rn. 12; Vassilaki, JR 2000, 446 (448). Aufgrund der hohen Bedeutung des Schutzgutes von Art. 10 GG muß nach zutreffender Ansicht für den Schutz des Kommunikationsvorganges ausreichen, daß dieser zumindest eine individuelle Mitteilung befördern könnte (Herrnes in: GG-Dreier, Art. 10, Rn. 33). 180 Inwieweit die Fernmeldeunternehmen selbst durch das Fernmeldegeheimnis verpflichtet sind, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung, beurteilt sich aber nach zutreffender Auffassung nach der Fiskalgeltung der Grundrechte, PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 774. 181 Dürig in: MaunzlDürig, Art. 10 Rn. 19; Krüger in: GG-Sachs, Art. 10, Rn. 14; abw. Schmitt-Glaeser, der das Fernmeldegeheimnis auf den - mittlerweile üblichen - Fernmeldeverkehr beschränkt, der durch nichtpostalische Stellen abgewickelt wird, während hinsichtlich des postalischen Fernmeldeverkehrs das Postgeheimnis spezieller sei (Schrnitt-Glaeser in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. 6, § 129, Rn. 64). 182 BVerfGE 85, 386 (396). 183 BVerfGE 67, 157 (172); Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 250; Schatzschneider, NJW 1981, 268. 184 BVerfGE 67, 157 (172); 85, 386 (396); OLG Karlsruhe, NStZ 1992, 401; OLG Köln, NJW 1970, 1856; Franke, JR 2000, 468 (469); Gusy, StV 1993, 484; Paeffgen in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, 1299 (1302); Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung, S. 126.

5*

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

Identität der Beteiligten auch der Ort, von dem aus der Gesprächsteilnehmer kommuniziert. 18s Zusammenfassend formuliert das Fernmeldegeheimnis demnach den Schutz vertraulicher individueller Kommunikation zwischen den Beteiligten, die aufgrund räumlicher Distanz auf ein Kommunikationsmedium angewiesen sind. 186 11. Erfassung der Standortdaten als Teil des durch Art. 10 GG geschützten Kommunikationsvorganges In den Mobilfunknetzen lassen sich - wie bereits dargelegt l87 - als Teil der Verbindungsdaten auch der jeweilige Standort des Mobiltelefons bzw. die Funkzelle, in der sich das Gerät befindet, ermitteln - und zwar unabhängig davon, ob ein Gespräch tatsächlich erfolgt ist oder zumindest versucht wurde. Fraglich ist nun, ob diese Standortdaten generell noch zu den von Art. 10 GG geschützten näheren Umständen des Kommunikationsvorganges gehören und insofern Art. 10 GG tangieren. Dabei ist zunächst zu untersuchen, wie es sich auswirkt, daß es sich bei der Standortkennung um eine technisch zwingende Voraussetzung für den Ablauf des Mobilfunkverkehrs handelt. Insofern ließe sich daran denken, die Standortermittlung als sog. "betriebsbedingte Maßnahme" zu qualifizieren, die vielfach gar nicht erst als Eingriff in den Schutzbereich angesehen wird, sondern bloß als dessen Begrenzung. 188 Unabhängig davon, daß jedenfalls die Speicherung der Standortdaten keine für den Betrieb unerläßliche Maßnahme darstellt l89 , ist die Lehre von den betriebsbedingten bzw. immanenten Grenzen des Fernmeldegeheimnisses mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 25.03.1992 zur Fangschaltung und Zählervergleichseinrichtung grundsätzlich abzulehnen. 190 Diese Sicht orientiert sich nämlich an den Bedürfnissen der Betreiber und nicht, wie es dem Wesen der Grundrechte entspricht, am Schutzbedürfnis des einzelnen Bürgers. 19I Solche Gesichtspunkte sind daher allen185 BVerfGE 85, 386 (396); Dürig in: MaunzlDürig, Art. 10, Rn. 18; SchmidtBleibtreulKlein, Art. 10, Rn. 7; Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs, S. 41; ders., NStZ 1994,209. 186 Franke, JR 2000, 468 (469); Vassilaki, JR 2000, 446. 187 s. 2. Kap. B. m. 188 BVerwG, NJW 1984, 2112; Badura in: BK-GG, Art. 10, Rn. 49; Dürig in: MaunzlDürig, Art. 10, Rn. 66. 189 Der Speicherung kommt insofern eine eigene Eingriffsqualität zu, vgl. BVerfGE 100,313 (366). 190 BVerfGE 85, 386 (396 0; Bär, eR 1993, 634 f.; PierothlSchlink, Grundrechte, Rn. 779.

B. Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG

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falls relevant für die Schrankenbestimmung, nicht aber für die Begrenzung des Schutzbereiches selbst. 192 Etwaige darüber hinausgehende Relativierungen des Schutzbereiches des Fernmeldegeheimnisses sind unter Bezugnahme auf die hinsichtlich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes getroffenen Feststellungen abzulehnen. 193 1. Kein Vergleich mit Funkpeilungen

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Standortkennung noch in den Schutzbereich von Art. 10 GG fällt, bemüht Brenner 194 den Vergleich mit Funkpeilungen zum Aufspüren nicht zugelassener Funkanlagen, die nach dem LG Stuttgart einen Eingriff in den Fernmeldeverkehr nach Art. 10 GG darstellen. 195 Ein solcher Vergleich schlägt - wie Brenner letztlich selbst einräumt l96 fehl, da bei der Funkpeilung ein konkreter Verbindungsaufbau zumindest versucht wird, was für einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis ausreicht. 197 Insofern wäre ein Vergleich mit einer Funkpeilung allenfalls dann angebracht, wenn es sich um die Standortermittlung hinsichtlich eines konkret erfolgten bzw. versuchten Gespräches mit dem Mobilfunkgerät handelt. Die dabei anfallenden Daten erlauben jedoch nicht die Erstellung eines lükkenlosen Bewegungsprofils 198 und sind insoweit nur von untergeordnetem Interesse für die Ermittlungsbehörden. 199 Für die vorliegende Untersuchung relevant und rechtlich problematischer ist vielmehr die Frage, ob die Feststellung der permanent ausgesandten Standortdaten 200 - also sowohl während eines (zumindest versuchten) GeBVerfGE 85, 386 (397). BVerfGE 85, 386 (397). 193 Vgl. A. III. 194 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 248. 195 LG Stuttgart, StV 1991, 13; ebenso Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 248; a. A.: Rudolphi in: SK-StPO, § l00a, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 4; Walther, StV 1991, 14 (15). 196 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 250. 197 s. B. I. 2. 198 s. 1. Kap. B. III. 2. 199 In Einzelfällen kann es allerdings entscheidend für die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden sein, ob ein Verdächtiger zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem bestimmten (Tat-) Ort aus telefoniert hat. Darin liegt jedoch nicht der eigentliche kriminalistische Nutzen eines Bewegungsbildes (vgl. 1. Kap. A. 11. 2.). 200 s. 1. Kap. B. III. 2. 191

192

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

spräches als auch insbesondere im bloßen "stand-by-Betrieb" - das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG tangiert. 2. Eingriff in das Fernmeldegeheimnis auch im stand-by-Betrieb

Nach Brenner berührt die Standortermittlung beim Mobilfunkverkehr das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG allenfalls dann, wenn der Betroffene eine konkrete Gesprächsverbindung eingegangen iSt. 201 Er begründet dies damit, daß sich die von Art. 10 GG geschützte Geheimsphäre "nur auf die individuelle konkrete Kommunikation zweier Personen,,202 beziehe, es sich aber bei der Standortkennung lediglich um Informationen handele, die der jeweilige Netzbetreiber "in technischer Hinsicht benötigt, um eine Nachrichten verbindung aufzubauen". 203 Dieser Sicht kann im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutzbereich des Betroffenen nicht gefolgt werden. Zwar ist zuzugeben, daß die Standortkennung selbst wohl nur schwerlich unter den Kommunikationsbegriff im eigentlichen Sinne fällt 204 , jedoch schützt das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG eben auch die näheren mit der Kommunikation zusammenhängenden Umstände?05 Insofern liegt es nahe, auch die für den Ablauf des Mobilfunkverkehrs - und damit auch für das konkrete Gespräch - technisch notwendige Standortkennung noch unter den Schutz des Fernmeldegeheimnisses zu stellen. Entscheidend aber ist, daß von dem bereits dargelegten Grundgedanken auszugehen ist, daß Art. 10 GG eine räumliche Erweitertung der privaten Geheimnissphäre zu entnehmen ist206 , die auch von Brenner nicht bestritten wird. 207 Insoweit dient Art. 10 GG der Ausschaltung von Gefahren für Kommunikationsinhalt und -vorgang, die durch die Vermittlung von Dritten drohen. 2os Die Kommunikationsteilnehmer sollen hierdurch über die Sicher-

201 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 251. 202 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 251. 203 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 251. 204 Vgl. insoweit zur strafprozessualen Auslegung des (Tele-) Kommunikationsbegriffes unten unter 4. Kap. B. III. 4. a). 205 s. B. I. 2. 206 s. B. I. 2. 207 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 251. 208 BVerfG, StV 2000, 467 (468); Gusy, JuS 1986,89 (90), m.w.N.

B. Mobilfunküberwachung als Eingriff in Art. 10 I GG

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heit verfügen, die bestehen würde, wenn sie ohne Vermittlung eines technischen Mediums unmittelbar miteinander kommunizieren würden,zo9 Die Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsprofils anhand der Standortkennung ergibt sich aber eben gerade aus der Nutzung des Mediums Mobilfunkverkehr. Damit überhaupt Kommunikation per Mobilfunk möglich ist, muß der jeweilige Gesprächspartner sein Gerät rund um die Uhr oder zumindest über einen längeren Zeitraum eingeschaltet, d.h. im stand-by-Betrieb, haben. Wenn aus diesem Umstand den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit der Erstellung eines nahezu lückenlosen Bewegungsbildes gegeben wird, besteht daher gerade nicht die gleiche Sicherheit, die die Gesprächspartner haben, wenn sie ohne Vermittlung des Mediums Mobilfunk miteinander kommunizieren würden. Insoweit wird die durch Art. 10 GG geschützte räumlich-erweiterte Geheim- bzw. Privatsphäre beeinträchtigt. Die Standortdaten fallen somit nicht nur bei einem konkret erfolgten bzw. versuchten Gespräch in den Schutzbereich von Art. 10 GG, sondern auch im bloßen stand-by-Betrieb. 210 Eine solche Interpretation wird auch der vom Bundesverfassungsgericht wiederholt betonten Vorgabe gerecht, daß der Schutzbereich einer Norm grundsätzlich weit auszulegen sei, damit sich die jeweilige "juristische Wirkungskraft der Norm am stärksten" entfalten kann. 2ll Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses erstreckt sich dabei nicht nur auf die eigentliche Erfassung der Daten, sondern insbesondere auch auf den weiteren Datenverarbeitungsprozeß 2l2 , der zur eigentlichen Erstellung des Bewegungsbildes führt. 3. Zwischenergebnis

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß bereits die Erfassung der Standortdaten - unabhängig davon, ob ein konkretes Gespräch, ein Gesprächsaufbau oder ein bloßer Betrieb des Mobilfunkgerätes im stand-by-Modus vorliegt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 GG darstellt. 213

Welp, Überwachung und Kontrolle, S. 23. So auch: VG Darmstadt, NJW 2001, 2273; krit. Schmidt, Kriminalistik 2002, 42, für den "höchstens ein ganz schwacher Grundrechtseingriff' vorliegen soll. 2ll BVerfGE 6, 55 (72); 32, 54 (71); 39, 1 (38); 51, 97 (110). 212 BVerfGE 100, 313 (366). 213 Insofern übereinstimmend: LG Aachen, StV 1999, 590 (590 f.); Bernsmannl Jansen, StV 1999, 591 (592); ebenso: VG Darmstadt, NJW 2001, 2273. 209

210

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3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

c. Das Verhältnis von Art. 10 GG zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Es wurde festgestellt, daß die Erstellung eines Bewegungsbildes generell einen Eingriff in das infonnationelle Selbstbestimmungsrecht darstellt und daß darüber hinaus die Gewinnung eines Bewegungsbildes anhand der Standortdaten beim Mobilfunkverkehr in Art. 10 GG eingreift. Fraglich ist, wie sich beide Grundrechte zueinander verhalten. I. Grundsätzlicher Vorrang von Art. 10 GG Allgemein wird vertreten, daß Art. 10 GG lex specialis zum Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sei. 214 Dies wird damit begründet, daß Art. 10 GG letztlich ein "sektoraler Teilausschnitt,,215 aus dem infonnationellen Selbstbestimmungsrecht sei, der den Einzelnen vor staatlicher Datenverarbeitung und -auswertung im Bereich des Femmeldeverkehrs bzw. der Telekommunikation schütze. 216 Dies würde an sich dazu führen, daß immer dann, wenn ein Eingriff in Art. 10 GG vorliegt, das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung daneben grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen würde. 11. Reichweite des informationellen Selbstbestimmungsrechtes als Mindeststandard für den verfassungsrechtlichen Schutz durch das speziellere Grundrecht Diese Ansicht muß zumindest hinsichtlich der Exklusivität und in Bezug auf die Absolutheit ihres Aussagegehaltes relativiert werden. So muß die Reichweite des Rechtes auf infonnationelle Selbstbestimmung jedenfalls der Mindeststandard des verfassungsrechtlichen Schutzes sein, d.h., der an sich speziellere Schutz des Art. 10 GG kann zwar weiter reichen als der des infonnationellen Selbstbestimmungsrechtes, darf jedoch nicht hinter diesen zurückfallen?17 Daher ist eine eigenständige Prüfung des Rechtes 214 BVerfGE 67, 157 (171); 100, 313 (358); BGH, StV 2001, 214 (215); Amelung, StV 2001, 131 (132); Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 37, m.w.N.; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10, Rn. 2; Krüger in: GG-Sachs, Art. 10, Rn. 6 ff.; Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10, Rn. 43; Stattkus, Der Kriminalist 2001, 404 (405). 215 Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10, Rn. 43. 216 Löwer in: von Münch/Kunig, Art. 10, Rn. 43. 217 Behrendsen, eR 1992, 422 (423); Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 24 f.; Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldever-

C. Das Verhältnis von Art. 10 GG i. V. m. Art. I Abs. I GG

73

auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG stets schon allein deshalb geboten, um diese verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen zu ermitteln. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.07.1999218 zur Verfassungsmäßigkeit des 1994 durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz geänderten Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G-lO-Gesetz) in der Fassung vom 28.10.1994 219 festgestellt, daß die hinsichtlich des informationellen Selbstbestimmungsrechtes entwickelten Anforderungen auf den Anwendungsbereich des Art. 10 GG übertragen werden müssen. 220 Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht unterstrichen, daß die Grundsätze des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auch bei Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis beachtet werden müssen?21 Insoweit ist eine eigenständige Untersuchung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung erforderlich, um genau diese Anforderungen näher zu bestimmen. Eine eigenständige Bedeutung kommt dem informationellen Selbstbestimmungsrecht schließlich insbesondere dann zu, wenn die Überwachung weitergehende Maßnahmen als Folge der eigentlichen Fernmeldeüberwachung zuläßt, d.h., wenn es sich um eine eigenständige Nutzung der Erkenntnisse handelt, die durch den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis erlangt wurden. 222 Genau um eine solche eigenständige Nutzung von Erkenntnissen handelt es sich bei einem Bewegungsbild, das auf den einzelnen Standortdaten basiert, die durch einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG erlangt wurden. Abschließend betrachtet kommt dem informationellen Selbstbestimmungsrecht grundSätzlich sehr wohl eine eigenständige Bedeutung ZU. 223 Die Anerkennung einer solchen eigenständigen Prüfung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes, wie sie hier vertreten wird, läuft letztlich auf eine Verstärkung des an sich spezielleren Grundrechtes aus Art. 10 GG kehrs, S. 11; vg!. auch Gusy, StV 1992, 484; Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 191, m. W.N. 218 BVerfGE 100, 313. 219 BGB!. 1994, I, 3186. 220 BVerfGE 100, 313 (359 f.); vg!. auch Simitis, KritV 2000, 359 (368); Welp, Überwachung und Kontrolle, S. 24. 221 BVerfGE 100, 313 (359). 222 Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs, S. 10. 223 Vg!. auch Lampe in: Erbs/Kohlhaas, § 12 FAG, Rn. 3. Nach Nack soll die verfassungsrechtliche Problematik der Erstellung von Bewegungsbildern anhand der Standortdaten beim Mobilfunkverkehr sogar ausschließlich bei Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und gar nicht bei Art. 10 GG liegen (Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 13).

74

3. Kap.: Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff

durch das allgemeinere informationelle Selbstbestimmungsrecht hinaus?24 Dies ist auch hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Suche nach einer etwaigen rechtfertigenden strafprozeßrechtlichen Rechtsgrundlage zu beachten.

224 Vgl. Bizer in: AK-GG, Art. 10 GG, Rn. 117; Weicher!, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 191, m.w.N.

4. Kapitel

Legitimation des Eingriffes aufgrund gesetzlich geregelter Ermächtigungsgrundlagen Nachdem feststeht, daß die Erstellung eines Bewegungsbildes anhand der Mobilfunküberwachung sowohl in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. I i. V. m. Art. I Abs. I GG als auch in das Femmeldegeheimnis aus Art. 10 GG eingreift und daher vor dem Hintergrund der Ausführungen zum Gesetzesvorbehalt einer formal-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, sind im folgenden sämtliche in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen daraufhin zu untersuchen, ob sie einen derartigen Eingriff legitimieren. Eine solche Legitimation kann nur dann bejaht werden, wenn sich die in Frage stehenden Maßnahmen unter den Tatbestand der speziellen Ermächtigungsnorm subsumieren lassen.

A. § 12 FA G als Ermächtigungsgrundlage 1 Als Ermächtigungsgrundlage für die Herausgabe von Verbindungsdaten zur Standortermittlung kommt für Maßnahmen bis zum 31.12.2001 zunächst die bis Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts relativ unbeachtete Norm des § 12 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) in Betracht, die als Auskunftsregelung über Telekommunikationsvorgänge prima facie am sachnächsten scheint. Dort heißt es: ,,(1) In strafgerichtlichen Untersuchungen kann der Richter und bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft Auskunft über die Telekommunikation verlangen, wenn die Mitteilungen an den Beschuldigten gerichtet waren oder wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die Mitteilungen von dem Beschuldigten herrührten oder für ihn bestimmt waren und daß die Auskunft für die Untersuchung Bedeutung hat. Das Grundrecht des Artikels 10 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt.

(2) § lOOb Abs. 6 und § 101 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. "

1

In Kraft bis zum 3l.l2.2oo1.

76

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

I. Die Entwicklung der Norm 1. Die ursprüngliche Fassung des § 12 FAG § 12 FAG wurde in seiner ursprünglichen Fassung mit Bekanntmachung des Gesetzes über Fermeldeanlagen vom 14.01.1928 2 erlassen. Vorläufer der Norm war der kurz zuvor durch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes vom 03.12.1927 3 geschaffene § 8c Telegraphengesetz. Durch § 12 FAG sollte parallel zu der Postbeschlagnahme nach § 99 StPO die Befugnis zum Auskunftsersuchen auf den nicht erfaBten Funk- und Fernmeldeverkehr erweitert werden. 4

Die Eingriffsvoraussetzungen entsprechen weitgehend der Beschlagnahme nach § 99 StPO. 5 Auch Form und Inhalt des Auskunftsersuchens nach § 12 FAG richten sich prinzipiell nach den Grundsätzen, die für die Postbeschlagnahme gelten. 6 Die Unterschiede in zwei nicht unerheblichen Punkten sind allerdings hervorzuheben. Zum einen bedarf im Rahmen des § 12 FAG das Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft, welches von beiden Normen bei "Gefahr im Verzug"? gewährt wird, nicht einer richterlichen Bestätigung innerhalb von drei Tagen, wie es § 100 Abs. 2 StPO für die Postbeschlagnahme vorsieht. Zum anderen ist die Anordnung einer Postbeschlagnahme nach § 99 StPO schon ihrem Wesen nach nur für die Zukunft möglich, während sich das Auskunftsersuchen nach § 12 FAG zumindest nach dem Wortlaut der Norm auf den in der Vergangenheit liegenden Nachrichtenverkehr zu beschränken scheint. Inwieweit hier eine Interpretation über den an sich eindeutig erscheinenden Wortlaut hinaus möglich ist, wird allerdings noch im folgenden zu untersuchen sein. 2. Veränderungen der Norm

§ 12 FAG bezog sich ursprünglich auf den "Fernmeldeverkehr". Durch das Begleitgesetz zum TKG vom 17.12.1997 8 wurde der Begriff des "Fernmeldeverkehrs" durch den der "Telekommunikation" ersetzt. Damit sollte - ohne eine inhaltliche Veränderung im eigentlichen Sinne zu beROB!. 1928, I, S. 8 ff. ROß!. 1927, I, S. 331 f. 4 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten 1m Strafverfahren, S. 352; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 99, Rn. 42. 5 Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Femmeldeverkehrs, S. 122, m.w.N. 6 Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 99, Rn. 42. 7 Vg!. zu diesem Terminus auch C. I. 2. 8 BOB!. 1997, I, S. 3108 (3113). 2

3

A. § 12 FAG als Ermächtigungsgrundlage

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zwecken - der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden 9 , da der Begriff des "Fernmeldeverkehrs" im engeren Sinne die neuen Formen der Telekommunikation zumindest nicht ohne weiteres erfaßt. 10 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch Einfügung von § 12 Abs. 1 S. 2 FAG den Charakter der Norm als Eingriffsgrundlage deutlich gemacht. II Durch das Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Vereinfachung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vom 27.12.1999 12 wurde der Absatz 2 eingefügt, der der teilweise vehementen Kritik, die der Norm angesichts ihrer im Vergleich zu den §§ 100a, 100b StPO erheblich geringeren Eingriffsvoraussetzungen entgegengehalten wird 13 , zumindest teilweise Rechnung tragen soll. So wird zum einen in entsprechender Anwendung des § 100b Abs. 6 StPO die Vernichtung solcher Daten vorgesehen, die nicht mehr zur Strafverfolgung erforderlich sind. Zum anderen trifft die Strafverfolgungsbehörden in entsprechender Anwendung des § 101 Abs. 1 Satz 1 StPO nach Wegfall der Gefährdung des Untersuchungserfolges eine Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Betroffenen. 14 Nicht berücksichtigt wurden jedoch die zunehmenden Stimmen aus dem Schrifftum, die unter dem Stichwort der "Harmonisierung" eine Angleichung des § 12 FAG an den Tatbestand des § 100a StPO - insbesondere die Aufnahme eines enumerativen Straftatenkataloges - fordern. 15 Die Gegenansicht, nach der die unterschiedlichen Eingriffsvoraussetzungen zumin9 BR-Drs. 369/97, S. 45; vgl. auch: Bär, eR 1998, 434 (435); Lampe in: Erbsl Kohlhaas, 130. Erg.Lfg. (1998), § 12 FAG, Rn. 1. 10 Vgl. dazu auch PalmlRoy, NJW 1996, 1791 (1792), die - bezogen auf den sich verändernden Fernmeldeverkehr - auf die Problematik der Subsumtion neuer technischer Abläufe unter Normen, bei deren Gestaltung und Inkrafttreten nicht im geringsten an die sich zukünftig ergebenden neuen technischen Möglichkeiten zu denken war, eingehen. II Lampe in: Erbs/Kohlhaas, 130. Erg.Lfg. (1998), § 12 FAG, Rn. 1. 12 BGBL 1999, I, S. 2491. I3 Vgl. nur Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88, Rn. 19; Eisenbergl Nischan, JZ 1997, 74 (81 f.); Klesczewski, StV 1993, 382 (386 ff.); Schenke, AöR Bd. 125 (2000), 1 (4); Welp, Überwachung und Kontrolle, S. 75 ff.; ders., NStZ 1994, 209 (213 ff.); für die Verfassungswidrigkeit von § 12 FAG: Gundermann, DuO 1999, 681 (683), Fn. 33; krit. auch: BäumlerlDixlGarstkalSokollWalz, DuO 1999, 712 (714). 14 Kritisch dazu Strate, ZRP 90, 143 (145), der auf die Unbestimmtheit des Terminus hinweist, die dazu führen kann, daß der Betroffene unter Umständen jahrelang nichts von gegen ihn stattfindenden Ermittlungen erfährt. 15 Paeffgen in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1303); Welp, NStZ 1994, 209 (214 f.); noch enger: Klesczewski, StV 1993, 382 (389), nach dem sich der Straftatenkatalog zum einen nur auf die in § 138 StGB, Art. 1 § 2 Abs. 1 G 10 genannten Straftaten beschränken soll, sowie darüber hinaus auch die Verfahrensre-

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

dest "noch hingenommen"16 werden können, begründet die Differenzen damit, daß die Verbindungsdaten im Rahmen des § 12 FAG zwar auch, aber nicht in dem selben Maße wie der Kommunikationsinhalt den grundrechtlichen Schutz des Art. 10 GG genießen würden. 17 Dem ist entgegenzuhalten, daß das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen wiederholt dargelegt hat, daß die näheren Umstände des Fernmeldeverkehrs - unter die auch die bei dem Kommunikationsvorgang entstehenden Verbindungsdaten fallen - ebenso wie der Kommunikationsinhalt dem Grundrechtsschutz unterliegen. 18 Insofern kann einer Differenzierung hinsichtlich des Umfanges des durch Art. 10 GG gewährten Schutzes nicht gefolgt werden. Auch angesichts der geäußerten Kritik sollte die Norm nach dem durch Art. 5 Nr. 20 des Postneuordnungsgesetzes vom 14.09.1994 19 geschaffenen § 28 S. 2 FAG ursprünglich zum 31.12.1997 außer Kraft treten. Durch Art. 2 Abs. 35 des Begleitgesetzes zum TKG vom 17.12.199720 wurde die Geltungsdauer jedoch bis zum 31.12.1999 erstmals verlängert. Eine weitere Verlängerung bis zum 31.12.2001 erfuhr die Norm durch Art. 4 des Gesetzes zur strafverfahrensrechtlichen Vereinfachung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen?1 3. Bedeutung des § 12 F AG vor dem Hintergrund der modernen Kommunikationstechnik

Die sog. "neue Relevanz des § 12 FAG,,22 liegt in der Digitalisierung des Fernmeldeverkehrs begründet. 23 Zur Zeit des Inkrafttretens des § 12 FAG im Jahre 1928 wurden Telefongespräche handvermittelt. 24 Dabei wurden wichtige Verbindungsdaten wie die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, das Datum, die Uhrzeit sowie die Dauer des Gesprächs vermerkt. 25 So war es den Strafverfolgungsbehörden ohne weiteres möglich, aufgrund § 12 F AG Aufschluß über die bei einem Kommunikationsvorgang geln der §§ 100 Abs. 2 und 4 eingehalten werden sollen; ähnlich auch Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 38. 16 Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 18. 17 Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 18. 18 s. 3. Kap., B. I. 2. 19 BGBL 1994, I, 2325. 20 BGBL 1997, I, S. 3108. 21 BGBL 1999, I, S. 2491. 22 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 353. 23 Paeffgen in: Schünemann u. a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1302); Schenke, AöR Bd. 125 (2000), 1 (5). 24 s. 1. Kap. B. III. 1. 25 s. 1. Kap. B. III. 1.

A. § 12 FAG als Ermächtigungsgrundlage

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anfallenden Verbindungsdaten zu erlangen, wobei sie wahlweise auf die Zeugenaussagen oder auf die Unterlagen - die sog. Gesprächsblätter26 - zurückgreifen konnten. Nach der in den 60er Jahren abgeschlossenen Automatisierung des Fernsprechverkehrs27 war der Zugriff auf etwaige anfallende Verbindungsdaten zunächst nicht mehr möglich. Folglich fristete die Auskunftsregelung des § 12 FAG in der Folgezeit ein "Schattendasein,,28 bzw. war "ohne Bedeutung,,29. Dies änderte sich jedoch mit der Digitalisierung des gesamten Fernmeldewesens, durch die eine Vielzahl unterschiedlicher Verbindungsdaten anfällt, die von Interesse für die Strafverfolgungsbehörden sind 3o . 11. § 12 F AG als Ermächtigungsgrundlage für die Standortermittlung und -auswertung beim Mobilfunkverkehr 1. Der Umfang des Auskunftsverlangens nach § 12 FAG

Wie bereits ausgeführt lassen sich im Rahmen der Mobilfunkkommunikation über die allgemeinen Verbindungsdaten - wie die Rufnummern der Gesprächsteilnehmer oder Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs - hinaus auch die Standorte der Funkzelle, in der sich das eingeschaltete Mobilfunkgerät befindet, erfassen. 31 Die Standortdaten der Funkzellen, in denen sich das Mobilfunkgerät bei tatsächlich erfolgten, aber auch bloß versuchten Gesprächen befindet, gehören ebenfalls zu den Verbindungsdaten, die nach § 7 Abs. 3 TDSV vom Telekommunikationsanbieter bis zu sechs Monate nach Beendigung des Gesprächs gespeichert werden dürfen. 32 Somit können die Strafverfolgungsbehörden innerhalb dieses Zeitraumes feststellen, an welchem Ort sich der Betroffene bzw. die auf seinen Namen zugelassene SIM-Karte zu einer bestimmten Zeit aufgehalten hat. Daraus lassen sich für die Sachverhaltsermiulung zumindest bestimmte Rückschlüsse ziehen. 33 Durch die von den Telekommunikationsanbietern an sich zu Abrechnungszwecken gespeicherten Verbindungsdaten läßt sich dabei nur ein rudis. 1. Kap. B. III. 1. s. 1. Kap. B. III. 1. 28 Klesczewski, StV 1993, 382; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 38. 29 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 236, m. w. N. 30 Vgl. 1. Kap. B. 31 s. 1. Kap. B. III. 2. 32 s. 1. Kap. B. III. 1. 33 Zu der Unsicherheit derartiger Rückschlüsse im Mobilfunknetz: s. 1. Kap. A. 26

27

11. 2.

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

80

mentäres Bild der Standortdaten ableiten. Wesentlich interessanter für die Strafverfolgungsorgane ist die sich aus der ständigen Sendung eines Funksignals an die nächste Funkvermittlungsstelle ergebende Möglichkeit einer permanenten Aufenthaltsfeststellung der SIM-Karte des Betroffenen?4 Insofern besteht - wie bereits aufgezeigt - bei der Aufzeichnung der jeweiligen Standorte über einen längeren Zeitraum die Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsprofiles, welches den stand-by-Betrieb lückenlos erfaßt. 35 Da die jeweiligen Standorte des Mobilfunkgerätes bzw. der auf den Berechtigten zugelassenen Karte ohne tatsächlich stattgefundenes bzw. zumindest versuchtes Gespräch nicht dauerhaft vom Telekommunikationsanbieter gespeichert werden, ist das Anfordern eines derart erstellten Bewegungsbildes für die Vergangenheit nicht möglich. Der jeweilige Betreiber eines Mobilfunknetzes kann lediglich Auskunft über den aktuellen Standort geben und diesen für die Zukunft über einen längerfristigen Zeitraum ständig aktualisieren, so daß dann ein umfassendes Bewegungsbild entsteht. 36 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

Ein Auskunftsverlangen nach § 12 FAG hinsichtlich der Erstellung eines solchen detaillierten Bewegungsbildes ist demnach überhaupt nur dann möglich, wenn § 12 FAG den Strafverfolgungsbehörden auch Auskünfte über zukünftige Standortdaten gewährt. Nach langer Zeit unbestrittener Ansicht ist aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 12 FAG, nach dem sich das Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden nur auf solche Mitteilungen beziehen kann, die "an den Beschuldigten gerichtet waren" bzw. "von dem Beschuldigten herrührten oder für ihn bestimmt waren" - ein Auskunftsverlangen nur hinsichtlich des bereits abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Telekommunikationsvorganges möglich. 37 s. 1. Kap. B. III. 2. s. 1. Kap. B. III. 2. 36 Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 247. 37 OLG Celle, StV 2000, 70 (71); OLG Hamm, CR 1999,697 (698); OLG Köln, NJW 1970, 1856 (1857); LG Bremen, StV 1999, 307; LG Oldenburg, DuD 1999, 480; Bär, CR 1993, 634 (637); ders. in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 18. Kap., Rn. 240, 242; Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88, Rn. 18; Füllkrug, Kriminalistik 1990, 349 (350); KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100a, Rn. 3; Kramer, Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts, Rn. 220a; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 527; Lampe in: Erbs/Kohlhaas, § 12 FAG, 130. Erg. Lfg. (1998), Rn. 9, 12; Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Fernmeldeverkehrs, S. 5; Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 17; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 38; Rudolphi in SK-StPO, § 99, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 34

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A. § 12 FAG als Ennächtigungsgrundlage

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a) Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 12 FAG über den eigentlichen Wortlaut hinaus

Nach einigen jüngeren Entscheidungen des Landgerichtes Traunstein38 , des Landgerichtes Frankfurt/Main39 sowie insbesondere der viel beachteten Entscheidung des Landgerichtes München 140 soll § 12 FAG jedoch auch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Auskunftserteilung über zukünftige Verbindungsdaten sein. Dies würde auch nicht dem Wortlaut des § 12 FAG widersprechen, der an sich eindeutig und unmißverständlich die Vergangenheitsform verwendet. Diese sei vielmehr dadurch bedingt, daß Telekommunikationsvorgänge, über die die Ermittlungsbehörden nach Speicherung der Daten Auskunft erlangen wollten - so das LG München 1 - "notwendigerweise in der Vergangenheit geschehen sein müssen,,41, da eine Auskunft "nur über stattgefundene Ereignisse erteilt werden [könne], nicht aber über Vorfalle in der Zukunft,,42. Eigentlicher Hintergrund der Entscheidungen sind jedoch sog. "Praktikabilitätserwägungen". So führt das LG München 1 in seiner Entscheidung an, daß die Ermittlungsbehörden, wenn sie die gewünschten Daten nicht für die Zukunft erhalten würden, statt dessen "in regelmäßigen Abständen gleichlautende Auskunftsbeschlüsse beantragen und vollziehen,,43 könnten. Dies wäre nach Ansicht des LG Frankfurt/Main letztlich bloße "Förmelei,,44. b) Beschränkung von § 12 FAG auf Telekommunikationsvorgänge in der Vergangenheit

Die Argumentation der sich im Widerspruch zur herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Lehre befindlichen Landgerichtsentscheidungen verstößt nicht nur gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm, sondern ist auch 1994), Rn. 20; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 99, Rn. 44; Welp, Überwachung und Kontrolle, S. 52 f.; ders., NStZ 1994, 209 (213); vgl. auch: BGH, NStZ 1998, 92. 38 LG Traunstein, DuD 1997, 112. 39 LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 26.01.1998 - 5/12 Qs 4/98 (nicht veröffentlicht). 40 LG München I, NStZ-RR 1999, 85. 41 LG München I, NStZ-RR 1999, 85 (86). 42 LG München I, NStZ-RR 1999, 85 (86). 43 LG München I, NStZ-RR 1999, 85 (86); zu den Mißbrauchsmöglichkeiten solcher "Kettenanordnungen" vgl.: Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88, Rn. 19, m.w.N. 44 LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 26.01.1998 - 5/12 Qs 4/98 (nicht veröffentlicht) . 6 Gercke

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

vor dem Hintergrund der sich heute durch die moderne Telekommunikation ergebenden Möglichkeiten in sich nicht schlüssig. So müssen Kommunikationsvorgänge, über die nach Speicherung Auskunft verlangt wird, nicht notwendig in der Vergangenheit liegen. Vielmehr ist ohne weiteres ein länger andauernder Telekommunikationsvorgang denkbar, dessen Beginn bereits gespeichert ist, der aber noch nicht beendet ist, so daß begrifflich sehr wohl auch für die Zukunft Auskunft über einen Telekommunikationsvorgang nach Speicherung möglich ist. 45 Insofern ist eine Deutung der Norm im Sinne des LG München I bzw. der beiden anderen Landgerichte Frankfurt/Main und Traunstein nicht vereinbar mit dem eindeutigen und unmißverständlichen Wortlaut der Vorschrift. Schon daher bildet § 12 FAG keine Ermächtigungsgrundlage für ein Auskunftsersuchen, das auf die Erfassung und Speicherung zukünftiger Daten gerichtet ist. Auch der Bezug auf sog. "Praktikabilitätserwägungen" geht fehl. So stellt es einen erheblichen Unterschied dar, ob der anordnende Richter einen Sachverhalt in bezug auf die Vergangenheit oder auf die Zukunft beurteilt. Im Zeitpunkt der Anordnung der Auskunftserteilung hat der Richter nämlich zu entscheiden, ob der Betroffene noch "Beschuldigter,,46 ist und ein Auskunftsersuchen überhaupt noch für die Ermittlungen relevant ist. 47 Für die Vergangenheit ist dem Richter eine Beurteilung der Sachlage mit abschließender Feststellung der Beschuldigteneigenschaft ohne weiteres möglich. Eine auf die Zukunft gerichtete Anordnung basiert hingegen immer auf dem unsicheren Element der Prognose. Schließlich kann sich im Laufe der weiteren Ermittlungen ergeben, daß die betroffene Person nicht bzw. nicht mehr als "Beschuldigter" zu qualifizieren ist. Bei einem auch für die Zukunft zugelassenen Auskunftsverlangen könnte dieses auch für einen Zeitraum gelten, der bei einer nachträglichen Betrachtung vom zuständigen Richter so nicht erlassen wäre. 48 Dann hätte der anordnende Richter jedoch keine Möglichkeit auf eine solche Situation zu reagieren, da für den § 12 FAG keine dem § lOOb Abs. 4 StPO entsprechende Vorschrift existiert, die bei Wegfall der Voraussetzungen einer Anordnung nach § IOOa StPO die unverzügliche Beendigung der Maßnahme vorsieht. OLG Celle, StV 2000, 70 (71); LG Bremen, StV 1999,307 (308 0. Die Verwendung des Begriffes "Beschuldigter" bedeutet allerdings nicht, daß die Auskunft nur im Vorverfahren zulässig ist. Vielmehr ist sie im ganzen Verfahren - bis hin zum Wiederaufnahmeverfahren - möglich, Lampe in: Erbs/Kohlhaas, § 12 FAG, 130. Erg. Lfg. (1998), Rn. 15. 47 LG Bremen, StV 1999, 307 (309). 48 LG Bremen, StV 1999, 307 (308 f.). 45

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B. §§ lOOg, lOOh StPO als Ennächtigungsgrundlage

83

Daß demnach möglicherweise mehrfach - unter Umständen sogar in regelmäßigen Abständen - wiederholte Auskunftsersuchen gestellt werden müssen statt eines einzigen für einen zukünftigen Zeitraum, mag zwar für die Strafverfolgungsbehörden umständlich sein, geschieht jedoch nicht aus bloß formalistischen GlÜnden, sondern zum Schutze des Betroffenen. Diesen Schutz hat der Gesetzgeber offensichtlich beibehalten wollen, da ihm die bis zu den Entscheidungen des LG München I sowie des LG Frankfurt/ Main sowie des LG Traunstein einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur sicherlich bekannt war und er trotzdem bei den mehrfach erfolgten Gesetzesänderungen bzw. Verlängerungen der Geltungsdauer des § 12 FAG die Vergangenheitsform nicht geändert hat. Insofern ist eine Ausdehnung des § 12 FAG auch auf zukünftig anfallende Gesprächsdaten abzulehnen. 3. Ergebnis

§ 12 FAG gilt folglich nur für in der Vergangenheit liegende, bereits abgeschlossene Telekommunikationsvorgänge. Schon aus diesem Grund kann § 12 FAG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Erstellung eines Bewegungsbildes durch Erfassung und Speicherung der permanenten - über die bloßen tatsächlich erfolgten oder versuchten Gespräche hinausgehenden - Funksignale des Mobilfunkgerätes sein.

B. §§ lOOg, lOOh StPO als Ermächtigungsgrundlage49 Durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 20.12. 2001 50 wurde die Norm des § 12 FAG durch die §§ lOOg, lOOh StPO ersetzt. Dort heißt es: ,,§ lOOg StPO (1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand als Täter oder

Teilnehmer eine Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eine der in § 100a Satz 1 genannten Straftaten, oder mittels einer Endeinrichtung (§ 3 Nr. 3 des Telekommunikationsgesetzes) begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat, darf angeordnet werden, daß diejenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, unverzüglich Auskunft über die in Absatz 3 bezeichneten Telekommunikationsverbindungsdaten zu erteilen haben, soweit die Auskunft für die Untersuchung erforderlich ist. Dies gilt nur, soweit diese Verbindungsdaten den Beschuldigten oder die sonstigen in § 100a Satz 2 bezeichneten Personen betreffen. Die Auskunft darf auch über zukünftige Telekommunikationsverbindungen angeordnet werden. 49 50 6*

In Kraft seit dem 01.01.2002. BGBL 2001, I, S. 3879.

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

84

(2) Die Erteilung einer Auskunft darüber, ob von einem Telekommunikationsanschluß Telekommunikationsverbindungen zu den in Absatz I Satz 2 genannten Personen hergestellt worden sind, darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (3) Telekommunikationsverbindungsdaten sind: 1. im Falle einer Verbindung Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. vom Kunden in Anspruch genommene Telekommunikationsdienst1eistung, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. § 100h (1) Die Anordnung muß den Namen und die Anschrift des Betroffenen, gegen

den sie sich richtet, sowie die Rufnummer oder eine andere Kennung seines Telekommunikationsanschlusses enthalten. Im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung genügt eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation, über die Auskunft erteilt werden soll, wenn andernfalls die Erforschung des Sachverhaltes aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. § lOOb Abs. 1, 2 Satz I bis 3, Abs. 6 und § 95 Abs. 2 gelten entsprechend; im Falle der Anordnung der Auskunft über zukünftige Telekommunikationsverbindungen gilt auch § lOOb Abs. 2 Satz 4 und 5, Abs. 4 entsprechend. (2) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht in den Fällen des § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 reicht, ist das Verlangen einer Auskunft über Telekommunikationsverbindungen, die von dem oder zu dem zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten hergestellt wurden, unzulässig; eine dennoch erlangte Auskunft darf nicht verwertet werden. Dies gilt nicht, wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind. (3) Die durch die Auskunft erlangten personenbezogenen Informationen dürfen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer der in § lOOg Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Straftaten benötigt werden, oder wenn der Beschuldigte zustimmt."

Mit den §§ lOOg, lOOh StPO sollte zum einen den bereits aufgezeigten verfassungsmäßigen Bedenken - insbesondere unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebotes - gegenüber § 12 FAG51 begegnet werden; zum anderen sollte allerdings auch der Anwendungsbereich selbst modifiziert - im Ergebnis: erweitert - werden. 52 So läßt § lOOg Abs. 1 S. 3 StPO im Gegensatz zu § 12 FAG explizit auch die Auskunft über zukünftige Telekommuunter A. I. 2. Vgl. Referentenentwurf vom 22.08.2001, S. 7.

51 S. o. 52

c. §§

100a, 100b StPO als Ermächtigungsgrundlage

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nikationsvorgänge zu. Gleichwohl kommt die Norm schon von ihrem Wortlaut nicht für Auskunftsersuchen über die Standortdaten im stand-by-Betrieb in Betracht. Unabhängig davon, ob der Begriff der Telekommunikation die Erfassung der Standortdaten im bloßen stand-by-Betrieb umfaßt 53 , scheitert eine Subsumtion einer solchen unter die Norm nämlich bereits daran, daß in § 100g Abs. 3 NT. 1 StPO eine tatsächliche "Verbindung" vorausgesetzt wird. 54 Insofern läßt die Norm nur die Erfassung von Standortdaten zu, die bei einem tatsächlichen oder zumindest versuchtem Gespräch ermittelt werden.

C. §§ lOOa, lOOb StPO als Ermächtigungsgrundlage Für Maßnahmen, die in einem Zusammenhang mit Formen der Überwachung von Telefonen stehen, kommen ferner prinzipiell die §§ 100a, 100b StPO in Betracht. 55 Diese ermöglichen den Strafverfolgungsbehörden die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation.

J. Die gesetzliche Systematik 1. § 100a StPO als materielle Ermächtigungsgrundlage

§ 100a StPO enthält die eigentliche materielle Ermächtigungsnorm für die Ermittlungsmaßnahme, d.h., er legt die einzelnen tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen fest.

Die Überwachung erfordert zunächst, daß bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Straftat i.S.d. § 100a Nr. 1-5 StPO begründen. Nach der mittlerweile nahezu einhelligen Ansicht ist darunter ein sog. "qualifizierter Tatverdacht" zu verstehen, der bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung erreicht haben muß und nicht nur unerheblich sein darf. 56 Danach geht der Tatverdacht i. S. d. § 100a StPO über den bloßen Anfangsverdacht i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO hinaus, braucht jedoch weder "hinreichend" i. S. d. § 203 StPO noch "dringend" i. S. d. § 112 Abs. 1 S. 1 StPO zu sein. 57

Dazu ausführlich unter C. III. Vgl. Referentenentwurf vom 22.08.2001, S. 10. 55 Vgl. Paeffgen in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1301). 56 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100a, Rn. 6; Müller in: KMR-StPO, § 100a, Rn. 3; Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 24; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 25; Rudolphi in: SK-StPO, § 100a, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 11; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 100a, Rn. 12; enger: Hall, JZ 1968, 159 (162); vor dem Hintergrund der Intensität des Grundrechtseingriffes durch § 100a StPO bedenklich weit hingegen: Lorenz, JZ 1992, 1000 (1007). 53 54

86

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

§ lOOa StPO verfügt über einen Katalog von Straftaten, die enumerativ aufgezählt sind. 58 Dabei wird der Anwendungsbereich nicht nur durch beendete Straftaten eröffnet, sondern auch durch den Versuch oder die bloße Vorbereitungshandlung, sofern diese eine selbständige Strafbarkeit begründen. 59

Schließlich beinhaltet § lOOa StPO eine sog. "strenge SubsidiaritätsklauseI", d.h., die Maßnahme darf nur angewendet werden, wenn die Sachverhaltsermittlung auf andere Weise "aussichtslos oder wesentlich erschwert" ist. 60 2. § lOOb StPO als formelle Regelung

In § lOOb StPO sind die formellen Voraussetzungen der Anordnung einer Maßnahme geregelt. Nach § lOOb Abs. I StPO hat grundsätzlich der Richter eine Anordnung nach § lOOa StPO zu erlassen. 61 Bei "Gefahr im Verzug" darf jedoch die Staatsanwaltschaft die Anordnung treffen, die allerdings innerhalb von drei Tagen einer richterlichen Bestätigung bedarf, um nicht außer Kraft gesetzt zu werden. "Gefahr im Verzug" besteht, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne daß der Zweck der Maßnahme verhindert würde. 62 Ob dies der Fall ist, entscheidet der Beamte grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. 63 Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung zum Begriff der "Gefahr im Verzug" im Rahmen von Durchsuchungen vom 21.02.2001 64 festgestellt, daß die Maßstäbe hierbei grundsätzlich restriktiv anzulegen sind, um so - entgegen der bis dahin gängigen Praxis65 - zu gewährleisten, daß die "richterliche Anordnung [... ] die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme,,66 ist. Die Ausfüh57 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100a, Rn. 6; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § lOOa, Rn. 12. 58 Krit. zur ständigen Ausweitung der Katalogdelikte vgl. nur: Lücking, Die straf-

prozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs, S. 16 f. 59 BGHSt 32, 10 (16). 60 Ausführlich zum System der Subsidiaritätsklauseln s. 5. Kap. B. 61 Kritisch zum Institut des Richtervorbehaltes bei § 100b Abs. 1 StPO vor dem Hintergrund des in der Praxis "recht laxen Umgang(s)": Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (347 f.); Paeffgen in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1300, 1309 ff.). 62 BGH, JZ 1962, 609. 63 BGH, JZ 1962,609; OLG Köln, NJW 1968,667. 64 BVerfG, NStZ 2001, 382. 65 Vgl. Asbrock, StV 2001, 322 (323); Amelung, NStZ 2001, 337; Geppert, Jura 1992, 597 (604); Nelles, Kompetenzen und Ausnahmekompetenzen in der Strafprozeßordnung, S. 179 ff.

C. §§ 100a, lOOb StPO als Ermächtigungsgrundlage

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rungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich auf alle strafprozessuale Grundrechtseingriffe mit vergleichbaren Eilkompetenzen - wie eben auch die Telefonüberwachung nach den §§ lOOa, WOb StPO - übertragen. 67 Bedenklich war bis dahin, daß nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH weder ein tatsächlicher noch ein rechtlicher Irrtum, sondern lediglich offene Willkür die Anordnung unwirksam machen sollten. 68 Dagegen wurde jedoch in der Literatur bereits frühzeitig zu Recht eingewandt, daß die Entscheidung über die Anordnung in vollem Umfang überprüfbar sein muß. 69 Dafür sprachen insbesondere einige neuere Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, nach der bei Grundrechtseingriffen die Annahme von Beurteilungsspielräumen um so weniger in Betracht kommt, je intensiver der Grundrechtseingriff ist. 7o Bei Maßnahmen im Rahmen des § 100a StPO handelt es sich um Grundrechtseingriffe hoher Intensität, von denen nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte. 71 Eine bloße "Vertretbarkeit" der Entscheidung führt jedoch zu einer faktischen Reduzierung des Begründungserfordernis. 72 Insofern kann es auch nur einen eingeschränkten Beurteilungsspielraum der anordnenden Kompetenz geben, was eine volle Überprüfbarkeit der ergangenen Entscheidung nach sich ziehen muß. Diese Ansicht in der Literatur ist auch durch das bereits zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt worden: Dort stellt das Gericht in einem der Leitsätze fest, daß "Auslegung und Anwendung des Begriffs ,Gefahr im Verzug' [... ] einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle,,73 unterliegen. Nach § WOb Abs. 2 StPO muß die Anordnung schriftlich ergehen und den Namen und die Anschrift des Betroffenen sowie Art, Dauer und Umfang der Maßnahme enthalten. Zudem müssen über den Wortlaut hinaus die zur Last gelegte Straftat, der Grund der Überwachung und ihre Unentbehrlichkeit dargelegt werden. 74 Im Ergebnis erfordert die Anordnung also eine Einzelfallprüfung. 75 66 BVerfG, NStZ 2001, 382; ein bewußter Verstoß gegen dieses Ausnahme-Regel-Prinzip muß letztlich konsequenterweise zu einem Verwertungsverbot für die durch die Maßnahme erlangten Beweismittel führen (AG Offenbach, NStZ 1991, 247). 67 Amelung, NStZ 2001, 337 (342 f.). 68 Vgl. BGH, NStZ 1985, 262; NStZ 1995, 510. 69 Bemsmann, NStZ 1995,512; Störmer, StV 1995,653 (655 ff.). 70 BVerfGE 84, 59 (77 ff.); 85, 36 (54). 71 Rudolphi in: Grünwald (Hrsg.), Schaffstein-FS, S. 433 (436). 72 Störmer, StV 1997,656. 73 BVerfG, NStZ 2001, 382. 74 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100b, Rn. 3; Nack in: KK-StPO, § lOOb, Rn. 2. 75 Krit. zur tatsächlichen Praxis der richterlichen Prüfung: BöttgeriPfeiffer, ZRP 1994, 7 (13); Wirth, CILIP 56 (1997), 26.

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

In § 100b Abs. 4 StPO wird nicht nur die bloße Selbstverständlichkeit festgelegt, daß nach Wegfall der Voraussetzungen des § 100a StPO die Maßnahme unverzüglich zu beenden ist, sondern daß dieses auch dem zuständigen Richter sowie dem Betreiber mitzuteilen ist. Nach § 100b Abs. 5 StPO ist eine Verwendung der aus der Telefonüberwachung erlangten personen bezogenen Informationen nur möglich, wenn diese zur Aufklärung einer Katalogtat i. S. d. § 100a StPO benötigt werden. 76 § 100b Abs. 6 StPO legt schließlich die Vernichtung solcher Daten fest, die nicht mehr zur Strafverfolgung erforderlich sind. 77 3. Benachrichtigungspflichten nach § 101 Abs. 1 StPO

§ 101 Abs. 1 StPO regelt die Benachrichtigungspflichten gegenüber den Betroffenen. Die Benachrichtigungen haben zu erfolgen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes geschehen kann. 78 Nach überwiegender Ansicht gilt diese Benachrichtigungspflicht auch gegenüber unbeteiligten Gesprächspartnern oder Dritten, die nur zufällig den überwachten Anschluß benutzen?9

11. Entstehung und Entwicklung der Norm 1. "Prototyp" heimlicher Beweisgewinnungsmethoden

Die Telefonüberwachung nach den §§ 100a, 100b gilt als der "Prototyp" der in der StPO geregelten Fälle heimlicher Beweismittelgewinnung. 8o Sie ist mit dem Inkraftreten des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 GG, G 10) vom 13.08.196881 , welches auch nachrichtendienstliche Eingriffe in Art. 10 GG regelt, in die StPO eingeführt worden. Dem Gesetz war eine langwierige 76 Zur Problematik von sog. "Zufallserkenntnissen" vgl. nur: Lohberger in: Ebert u. a. (Hrsg.), Hanack-FS, S. 253 ff. 77 Zum Begriff der Erforderlichkeit s.: Schnarr, MDR 87, 1 f. 78 Krit. zu den Konsequenzen dieser weiten Formulierung insbesondere bei Großverfahren: Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs, S. 29. 79 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 101, Rn. 2; Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs, S. 28 f.; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 101, Rn. 3; Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, S. 113; a.A.: Müller in: KMR-StPO, § 101, Rn. 4. 80 BernsmannlJansen, StV 1998,217 (218). 81 BGBI. 1968, I, S. 949 ff.

C. §§ lOOa, lOOb StPO als Ennächtigungsgrundlage

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Diskussion vorausgegangen, ob und inwieweit Eingriffe in Art. 10 GG gestattet werden sollten. 82 Die Einführung der §§ 100a, 100b StPO sowie die entsprechenden Ergänzungen des § 101 StPO erfolgten zur Ablösung der Vorbehaltsrechte, die den westlichen Allierten zur Sicherung ihrer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte nach Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages zugesichert waren und Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gestatteten. 83 Kriminalpolitischer Hintergrund der Einführung war vor allem die zu jener Zeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden, sich häufenden Fälle erpresserischer Kindesentführungen, denen man mit dem Mittel der Telefonüberwachung zur Sachverhaltsaufklärung begegnen wollte. 84 Die Einführung der §§ 100a, 100b StPO bedeutete die Aufnahme lang andauernder und intensiver heimlicher Beweisgewinnung in die StPO und war dementsprechend äußerst umstritten. 85 Teilweise wurde sogar geltend gemacht, daß das G-I0-Gesetz gegen die Menschenwürde und das Rechtsstaatsprinzip verstoße. 86 Trotzdem hat das BVerfG im sogenannten "Abhörurteil" vom 15.12.7087 die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes mit der knappen Mehrheit von 5:3 Stimmen bestätigt, was ihm teilweise den Vorwurf einer "verfassungswidrigen Verfassungsrechtsprechung,,88 eingebracht hat. Der Erlaß der Normen wird auch als "Sündenfall, durch den die Tür für weitere heimliche Ermittlungsmethoden aufgestoßen wurde,,89 bezeichnet, nachdem die StPO selbst bis dahin lediglich die vergleichsweise "harmlose" Postbeschlagnahme nach § 99 StPO als gesetzlich normierte heimliche Beweisgewinnungsmethode kannte.

Vgl. nur Dürig, ZRP 1968, 11; Hall, JZ 1968, 159. Gramlieh, NJW 1997, 1400; Lücking, Die strafprozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs, S. 5. 84 BT-Drs. V/1880, S. 7; vgl. auch Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, S. 63. 85 Vgl. nur Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 10, Rn. 37 ff.; Dürig/Evers, Zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Femmeldegeheimnisses, S. 7 ff., S. 31 ff.; Häberle, JZ 1971, 145 ff.; Welp, DÖV 1970, 267 ff. 86 Häberle, JZ 1971, 145 (151). 87 BVerfGE 30, 1 ff. 88 Häberle, JZ 1971, 145 (156). 89 Bemsmann/Jansen, StV 1998, 217 (218); zustimmend: Gropp/Schubert/Wörner in: Gropp/Huber (Hrsg): Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69 (166). 82 83

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes 2. Neue Rechtsprobleme durch veränderte Kommunikationstechnologien

Über die grundsätzliche Kritik an der Ermächtigungsgrundlage der §§ lOOa, lOOb StPO hinaus ergeben sich durch die modemen Kommunika-

tionstechnologien eine Reihe neuer Rechtsprobleme. 90 Diese betreffen insbesondere den Bereich des Computerdatenverkehrs91 , aber auch relativ neuartige Formen der Telekommunikation, wie den modemen Mobilfunkverkehr, auf den hier das Augenmerk gerichtet wird. Der Gesetzgeber hat - im Gegensatz zu einer Vielzahl von Änderungen, die den Straftatenkatalog des § lOOa S. 1 StPO erweitert haben92 - zunächst nur sehr zögerlich und bruchstückhaft Veränderungen an der Norm vorgenommen, die den Wandlungen der Kommunikationstechnik Rechnung tragen. So wurde erst durch Art. 4 Abs. 17 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz) vom 08.06.198993 im Rahmen des § lOOb Abs. 3 StPO die Befugnis zur "Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger" durch die Befugnis zur "Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs" ersetzt. Dadurch wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, daß die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nicht nur die herkömmlichen Formen des Telefonierens und Femschreibens, sondern auch darüber hinausgehende Formen der Nachrichtenübermittlung erfasse. 94 Außerdem wurde im gleichen Zug auch die Verpflichtung privater Betreiber zur Mitwirkung geregelt, um so dem liberalisierten Fernrneiderecht gerecht zu werden. 95 Eine wichtige Änderung erfolgte weiterhin durch das Begleitgesetz zum TKG vom 17.12.199796 , durch das der Begriff des "Fernmeldeverkehrs" durch "Telekommunikation" ersetzt wurde. 97 90 Bär, MMR 2000, 472 ff.; GropplSchubertlWömer in: Gropp/Huber (Hrsg): Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69 (118, 130); Paeffgen in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1314); Stattkus, Der Kriminalist 2000,404 (408) spricht in diesem Zusammenhang von einem "wahren Kommunikationswirrwarr" . 91 Dazu ausführlich: Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 1 ff.; vgl. auch: Grate, KritV 1999, 27 ff.; Kudlich, JA 2000, 227 ff. 92 Vgl. KiperlRuhmann, DuD 1998, 155 (156); Paeffgen in: Schünemann u. a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1299 (1300); Staechelin, KritJ 1995,466 (470). 93 BGBl. 1989, I, S. 1026 ff. 94 BT-Drs. 11/4316, S. 90. 95 BGBl. 1989, I, S. 1026 (1045); vgl. auch: Gramlieh, NJW 1997, 1400 ff. 96 BGBl. 1997, I, S. 3108 (3113). 97 Vgl. A. I. 2.

c.

§§ 100a, 100b StPO als Ennächtigungsgrundlage

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3. Exkurs: Abhörmaßnahmen hinsichtlich des gesprochenen Wortes beim Mobilfunkverkehr

Galt der Mobilfunkverkehr lange Zeit als abhörsicher98 , so wird spätestens seit dem Jahr 1995 auch von den Ermittlungsbehörden eingeräumt, daß die digitalen Funknetze abhörbar sind. 99 Abhörmaßnahmen von Mobilfunkgeräten tauchten erstmals im Jahre 1996 gesondert in einem Bericht über die jährlich stattfindende Telefonüberwachung (TÜ) auf. Damals betrafen von insgesamt 6428 TÜ-Maßnahmen 1754 Fälle, also 27,29 % den Mobilfunkverkehr. IOO 1998 wurden bereits 9.802 Maßnahmen zur Telefonüberwachung angeordnet, die insgesamt 11.272 Anschlüsse betrafen. 101 Bei 6.391 Anschlüssen, also 56,67 % handelte es sich dabei um Mobilfunkanschlüsse. 102 Für 1999 hat der Bundesbeauftragte für Datenschutz die Zahl der gesamten Telefonüberwachungen mit 12.651 103 und für 2000 mit 15.741 104 angegeben. Aus dieser Entwicklung läßt sich zum einen in allgemeiner Hinsicht eine stetige - weit über dem internationalen Durchschnitt liegende 105 - Zunahme der Telefonüberwachung in der Bundesrepublik erkennen 106, die mit der zunehmenden Entwicklung der sog. Informationsgesellschaft aller Voraussicht nach weiter wachsen wird. 107 Zum anderen wird insbesondere deutlich, daß der Überwachung von Mobilfunkanschlüssen mittlerweile die tragende Rolle im Rahmen der Telefonüberwachung zukommt. Die Abhörmaßnahmen hinsichtlich des gesprochenen Wortes lassen sich sowohl nach dem Willen des Gesetzgebers 108 als auch nach Rechtsprechung 109 und herrschender Lehre llO auf die Ermächtigungsgrundlage des Vgl. noch Paeffgen in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 13 (31). Vgl. Artkämper, Kriminalistik 1998, 202. 100 Thommes, StV 97, 657. 101 Jacob, DuD 1999, 12. 102 Jacob, DuD 1999, 12. 103 BT-Drs. 14/4863, S. 8 f. 104 http://www.bfd.bund.de/aktuelles/index.html (Stand: 31.01.2002). 105 Bundestagsvizepräsident a.D. Burkhard Hirsch spricht gar davon, daß Deutschland "bei Telefonkontrollen unter demokratischen Staaten Weltmeister" sei (Hirsch, SZ vom 02.11.2001); so auch: Kloepfer in: Holznage1/Nelles/Sokol (Hrsg.), Die neue TKÜV, S. 91, 101. 106 Bizer in: AK-GG, Art. 10 GG, Rn. 19; BöttgerlPfeiffer, ZRP 1994,7 ff.; Staechefin, KritJ 1995, 466 (474); aus rechtsvergleichender Sicht: Walther, StV 1991, 270 ff.; vgl. aber auch: Dickei, Kriminalistik 1994, 87 ff.; Hamacher, Kriminalistik 2001,357. 107 Bizer in: Bäumler (Hrsg.), Datenschutz und Polizei, S. 130 (132); vgl. auch Stattkus, Der Kriminalist 2000, 404 (406, 408). 108 BT-Drs. 13/1139. 98 99

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

§ lOOa StPO stützen. Insofern weise der Mobilfunkverkehr "lediglich technische Besonderheiten"lll auf.

IH. Standortdatenerfassung als Bestandteil der "Telekommunikation" i.S.d. § 100a StPO?

Die Rechtsprechung 112 und die herrschende Lehre 113 subsumieren die Standortdatengewinnung anhand der Funkzellenermittlung" 4 bei Mobilfunkgeräten - auch im stand-by-Betrieb - unter § lOOa StPO. Im Hinblick auf die mögliche Eignung der §§ lOOa, lOOb StPO als Ermächtigungsgrundlage stellt sich die Frage, ob die Erfassung der Standortdaten im bloßen stand-by-Betrieb überhaupt von dem Begriff der "Telekommunikation" umfaßt wird, der primäre Eingriffsvoraussetzung für eine Überwachungsmaßnahme nach den §§ lOOa, lOOb StPO ist. Zumindest in der StPO selbst ist der Begriff durch den Gesetzgeber nicht weiter konkretisiert worden. Insofern erfordert er eine nähere Auslegung. Dabei bietet sich zum einen ein Rückgriff auf die Definition des § 3 Nr. 16 Telekommunikationsgesetz, auf die Bestimmungen der Telekommunikations-Überwachungsverordnung BGH, CR 1998, 738 (739). Artkämper, Kriminalistik 1998,202 (203); Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 6; Lemke in: Heidelberger Kommentar-StPO, § 100a, Rn. 5; Volk, Strafprozeßrecht, § 10, Rn. 40; a. A.: Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 17; Riegel, ZRP 1993, 468 (470 f.), nach denen § 100a StPO wegen Satz 2 hinsichtlich des gesprochenen Wortes lediglich die Überwachung individuell festgelegter Anschlüsse zulasse; im Mobilfunkverkehr aber werden sog. Funkzellen benutzt (s. u.), die von mehreren Funkteilnehmern genutzt werden, so daß es hier zu einer "Abhörrasterfahndung" komme, die von § 100a StPO nicht mehr gedeckt sei; kritisch auch: Thommes, StV 1997, 657 (660). 111 Artkämper, Kriminalistik 1998, 202 (203). 112 BGH-Ermittlungsrichter, StV 2001, 214; LG Aachen, StV 1999,590; LG Berlin, DuD 1998, 725; LG Dortmund, NStZ 1998,577; LG Hamburg, NStZ-RR 1999, 82; LG Ravensburg, NStZ-RR 1999, 84. 113 Artkämper, Kriminalistik 1998, 202 JJ.; ders., Kriminalistik 2001, 427; Bär, MMR 2000, 472, 473 f.; ders., MMR 2001, 443 (444); Gropp/SchubertlWömer in: Gropp/Huber (Hrsg.): Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69 (131); Jeserich in: Holznagel/Nelles/Sokol (Hrsg.), Die neue TKÜV, S. 63 (73); Kramer, Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts, Rn. 220a; Lemke in: Heidelberger Kommentar-StPO, § 100a, Rn. 5 (anders noch in der Vorauflage); Nack in: KKStPO, § 100a, Rn. 13; Pfeiffer, § 100a, Rn. I; Volk, Strafprozeßrecht, § 10, Rn. 40; a.A.: Bemsmann, NStZ 2002, 103 f; ders./Jansen, StV 1999, 591; Dix in: Bäumler (Hrsg.): Polizei und Datenschutz, S. 250 (259 f.); Eckardt, CR 2001, 670 (671); MalekIWohlers, Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe im Ermittlungsverfahren, Rn. 425; Schenke, MMR 2002, 8 (10); krit. auch: Kudlich, JuS 2001, 1165 ff. 114 Artkämper, Kriminalistik 2001, 427 möchte sogar eine weitergehende Peilung innerhalb der Funkzelle auf Basis des § looa StPO zulassen, wenn der Netzbetreiber in einer Funkzelle weitere, kleinere Einheiten installiert habe. 109 110

C. §§ 100a, 100b StPO als Ennächtigungsgrundlage

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(TKÜV) und der neuen Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV) sowie auf Art. 10 Abs. 1 GG an. Andererseits erscheint auch eine eigenständige strafprozessuale Inhaltsbestimmung anhand der geläufigen Auslegungsmethoden möglich. 1. Die Auslegung des Begriffes" Telekommunikation" anband des TKG

Das Telekommunikationsgesetz wurde als vorläufiger Abschluß der Postreform am 25.07.1996 115 infolge entsprechender durch das europäische Telekommunikationsrecht geschaffener Vorgaben verabschiedet. 116 Hintergrund des Telekommunikationsgesetzes ist die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland, die das überkommene alte Verständnis der Telekommunikation als staatliches Monopol abgelöst hat. 117 Die Umsetzung der Liberalisierung basierte dabei vor allem auf wirtschaftlichen Überlegungen hinsichtlich des Entwicklungspotentials von Informations- und Kommunikationstechnik. 1 18 Nach § 3 Nr. 16 TKG ist "Telekommunikation der technische Vorgang des Aussendens, Übermitteins und Empfangens jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen" . Unter letzteren werden nach § 3 Nr. 17 TKG solche technischen Einrichtungen oder Systeme verstanden, "die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können." Unabhängig davon, ob diese Definition für sich genommen begrifflich die Speicherung von Standortdaten erfaßt, stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt eine pauschale Übernahme der vom TKG vorgegebenen Definition für die Begriffsbestimmung im Rahmen der §§ 100a, 100b StPO ohne weiteres möglich ist. Der BGH-Ermittlunsgrichter l19 und die herrschende Lehre 120 sprechen sich für eine generelle Übernahme der durch das TKG vorgegebenen Definition aus, ohne dieses jedoch näher zu begründen. BGBl. 1996, I, S. 1120. Schuster in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 1, Rn. 2 ff. 117 Schuster in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 1, Rn. 5. 118 Schuster in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 1, Rn. 5. 119 BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 120 Bär, MMR 2000, 472 (473); ders., MMR 2001, 443 (444); Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88, Rn. 4; GropplSchubertlWörner in: Gropp/Huber (Hrsg.), Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69 (121); dies. in: Militellol Amold/Paoli (Hrsg.): Organisierte Kriminalität als transnationales Problem, S. 329 (351); KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100a, Rn. 2; Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 6; Zöller, GA 2000, 563 (573); vgl. auch Vassilaki, JR 2000, 446. 115

116

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

Gegen eine derart pauschale Sichtweise werden jedoch mit Recht Bedenken vorgetragen. 121 So sprechen insbesondere zwei Gesichtspunkte gegen eine Übernahme der Begriffsbestimmung aus dem TKG: zum einen der unterschiedliche Regelungs- und Adressatenbereich, zum anderen die unterschiedliche Eingriffsintensität. a) Der unterschiedliche Regelungs- und Adressatenbereich

Ein wesentliches Ziel des Strafverfahrens ist die Wahrheitsfindung. 122 Diese soll den Ermittlungsbehörden unter anderem durch die §§ lOOa, lOOb StPO als eine Maßnahme heimlicher Beweisgewinnung hinsichtlich des Telekommunikationsverkehrs erleichtert werden. Demgegenüber ist der Zweck des Telekommunikationsgesetzes laut Legaldefinition des § 1 TKG die Förderung des Wettbewerbs durch Regulierung, die Gewährleistung flächendekkender Dienstleistungen sowie die Festlegung einer Frequenzordnung. Folglich soll durch das TKG die "Sicherung eines funktionierenden Telekommunikationswesens,,123 erreicht werden. Insofern unterliegen die §§ lOOa, lOOb StPO und § 3 Nr. 16 TKG unmißverständlich einer unterschiedlichen Zwecksetzung. Dem steht auch nicht entgegen, daß im 11. Teil des TKG unter der Überschrift "Fernmeldegeheimnis, Datenschutz, Sicherung" in § 88 TKG die technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen normiert wird. 124 Vielmehr wird durch diese Norm der zweite gravierende Unterschied beider Regelungsbereiche deutlich: die Normen richten sich an einen unterschiedlichen Adressatenkreis. Während sich das TKG sowohl an den Staat als Regulierungsorgan als auch an die Telekommunikationsbetreiber richtet, was sich eben gerade auch aus den §§ 85 ff. TKG ergibt, ermächtigen die §§ lOOa, lOOb StPO die staatlichen Ermittlungsorgane zu den bereits erläuterten 125 unmittelbaren Grundrechtseingriffen. Die Unterschiedlichkeit der Regelungsbereiche wird darüber hinaus auch dadurch deutlich, daß die StPO für einzelne Bereiche der Telekommunikation als Oberbegriff über die §§ 100a, lOOb StPO hinaus eigenständige Eingriffsnormen aufweist. So findet sich in § 99 StPO eine eigene Regelung hinsichtlich des Telegrammverkehrs, der seinerseits vom Telekommunikationsbegriff umfaßt wird. 126 Unabhängig davon, ob diese Eigenständigkeit 121 122 123 124 125

126

Eisenberg/Nischan, JZ 1997, 74 (77). Roxin, Strafverfahrensrecht, § 1, Rn. 6; vgl. auch Einleitung. Eisenberg/Nischan, JZ 1997, 74 (77) .. Eisenberg/Nischan, JZ 1997,74 (77). Vgl. 3. Kap. Vgl. Walz, eR 1990, 138 (139).

C. §§ lOOa, lOOb StPO als Ennächtigungsgrundlage

95

auf den historischen Ursprung zurückzuführen ist, wird jedenfalls deutlich, daß zumindest einzelne Formen der Telekommunikation selbständigen Eingriffsnormen unterworfen sind. Aus dieser Eigenständigkeit einer Eingriffsgrundlage hinsichtlich einer speziellen Telekommunikationsform - die sich noch dazu in unmittelbarer (Gesetzes-) Nähe der §§ 100a, 100b StPO befindet - folgt, daß nicht alle von § 3 Nr. 16 TKG umfaßten Arten der Telekommunikation auch von §§ 100a, 100b StPO erfaßt werden. Schon insofern verbietet sich eine pauschale Übernahme des Telekommunikationsbegriffes des § 3 Nr. 16 TKG. b) Die unterschiedliche Eingrijfsintensität

Neben der offensichtlichen Diskrepanz der Regelungsbereiche von StPO und TKG spricht auch die unterschiedliche Eingriffsintensität gegen eine pauschale Übernahme der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 16 TKG. Ziel und Zweck des TKG sind die Sicherung und Regulierung des Telekommunikationswesens. 127 Deren Verwirklichung ist primär mit Eingriffen in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit verbunden, die - neben Art. 2 Abs. 1 GG - insbesondere durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt wird. 128 Dieser umfaßt dem Wortlaut nach lediglich einen Regelungsvorbehalt, der jedoch ganz überwiegend als einfacher Gesetzesvorbehalt verstanden wird. 129 Die durch die §§ 100a, 100b StPO gestattete Überwachung der Telekommunikation ermöglicht hingegen unmittelbare Eingriffe in die über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hinaus besonders durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre. 130 Dieses Grundrecht unterliegt bereits vom Wortlaut her unmißverständlich einem Gesetzesvorbehalt l31 , so daß insofern keine Diskrepanz zum Regelungsbereich des Art. 12 GG zu bestehen scheint. § 100a StPO läßt jedoch massive Eingriffe in Art. 10 GG zu, weshalb bei der Auslegung des § 100a StPO grundsätzlich ein wesentlich strengerer Maßstab anzulegen ist als bei außerstrafprozessualen einfach-gesetzlichen Normen. 132 Darüber hinaus steht dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 12 GG ein erheblich größerer Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum im

s. o. unter C. III. 1. a). BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137). 129 BVerfGE 33, 125 (159); 54, 237 (245 f.); Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 12, Rn. 19; Manssen, Grundrechte, Rn. 534. 130 s. 3. Kap. B. 131 Vgl. Manssen, Grundrechte, Rn. 488. 132 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 309. 127 128

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

Bereich der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit zu, als dies bei anderen Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt - wie bei Art. 10 GG - der Fall ist. 133 Die Schrankenanforderungen hinsichtlich der Rechtfertigung von Eingriffen in Art. 10 Abs.l GG sind demnach wesentlich strenger als bei Art. 12 Abs. 1 GG. Daher kann auch das den Schutz der Telekommunikation umfassende Fernmeldegeheimnis 134 nur in einem engeren Umfang eingeschränkt werden als die bloße wirtschaftliche Betätigungsfreiheit hinsichtlich des Telekommunikationswesens. c) Zwischenergebnis

Auch wenn nicht zu bestreiten ist, daß dem telekommunikationsrechtlichen Begriff des § 3 Nr. 16 TKG eine gewisse Bedeutung bei einer weitergehenden Auslegung der §§ 100a, 100b StPO zukommt, so bleibt insgesamt festzuhalten, daß eine pauschale Übernahme zur Begriffsbestimmung in den §§ 100a, 100b StPO abzulehnen ist. 2. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand der TKÜV

Auch für Normen der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) vom 22.01.2002 135 , die die Fernmeldeverkehr-Überwachungsverordnung (FÜV) vom 18.05.1995 136 ersetzt 137 , kann insofern nichts anderes gelten; denn hierbei handelt es sich lediglich um eine auf Grundlage des § 88 TKG erlassene Rechtsverordnung zur technischen und organisatorischen Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen für die Betreiber. 138 Demzufolge geht die TKÜV, die selbst keine eigenständige Bestimmung des Telekommunikationsbegriffes bietet, von der entsprechenden Definition des TKG aus. 139 Auch für die TKÜV gilt insofern, daß diese keine Aussagen über die Überwachung selbst trifft. 140 Stellte man tatsächlich darauf ab, daß 133 Vgl. BVerfGE 39, 210 (225 f.); 77, 84 (106); 77, 308 (332); Breuer in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 6, § 148, Rn. 20; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 12, Rn. 27. 134 Vgl. dazu 3. Kap. B. I. 135 BGBI. 2002, I, S. 458. 136 BGBI. 1995, I, S. 722. 137 Zur Vorgeschichte der TKÜV: Kloepfer in: HolznageIlNelies/SokoI (Hrsg.), Die neue TKUV, S. 93 f.; Schulzki-Haddouti in: HolznageIlNelles/SokoI (Hrsg.), Die neue TKÜV, S. 125 ff. 138 http://www.bmwi.de/Homepage/download/telekommunikation_postl-TKUEVBegruendung1.pdf, S.l (Stand: 15.01.2002). 139 http://www.bmwi.de/Homepage/download/telekommunikation_postl-TKUEVBegruendung1.pdf, S.4 (Stand: 15.01.2002).

C. §§ 100a, lOOb StPO als Ennächtigungsgrundlage

97

durch die Festlegung der Betreiberpflichten auf die Reichweite der strafprozessualen (Grundrechts-)Eingriffe geschlossen werden könnte, so würden letztere durch ein bloße Rechtsverordnung zugelassen. 141 Dies würde jedoch im eklatanten Widerspruch zum Vorbehalt des Gesetzes stehen l42 , nach dem für Grundrechtseingriffe ein Gesetzesvorbehalt - und zwar nach der Wesentlichkeitstheorie in Gestalt eines Parlamentsvorbehaltes - notwendig ist. 143 3. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand der TDSV

Ebenso lassen sich Regelungen der neuen Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV), die nebem dem TKG vom BGH-Ermittlungsrichter zur Begriffsbestimmung herangezogen wird l44 , nicht pauschal bei der Auslegung des Telekommunikationsbegriffes des § lOOa StPO übernehmen. In § I TDSV wird der Adressatenbereich der Verordnung auf "Unternehmen und Personen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder an deren Erbringung mitwirken", begrenzt. Voraussetzung ist also eine auf Gewinnerzielung gerichtete Betätigung. 145 Insofern kann die TDSV allenfalls bedingt als Orientierungshilfe bei der Bestimmung des Telekommunikationsbegriffes im Rahmen der strafprozessualen Ermächtigungsnorm des § lOOa StPO herangezogen werden. Darüber hinaus ist entgegen der Auffassung des BGH-Ermittlungsrichters nicht ersichtlich, weshalb sich bereits aus dem Begriff "Bereitstellung" in § 2 Nr. 4 TDSV "ausdrücklich,,146 ergeben soll, daß auch die Positionsdaten ohne konkret erfolgtes Telefongespräch unter die Verbindungsdaten im Sinne dieser Vorschrift fallen. 147 Allenfalls aus § 6 Nr. I TDSV, der explizit auf die Standortkennung eingeht, ließe sich ein solcher Schluß ziehen, wobei allerdings auch aus dieser Norm nicht eindeutig hervorgeht, ob davon die Standortbestimmung ohne tatsächliches Gespräch erfaßt wird.

140 Vgl.: http/ /www .bmwLde/Homepage/Politikfelder/Telekommunikation%-20% 26%20Post/Telekommunikationspolitik/Fragen.jsp; ferner: Eckardt, CR 2001, 670 (673) (Stand: 15.01.2(02). 141 Schenke, MMR 2002, 8 (9). 142 Schenke, MMR 2002, 8 (9). 143 Vgl. 2. Kap. A. IV. 2. 144 BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 145 Vgl. Büchner in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 89, Rn. 6. 146 BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 147 Vgl. auch: Kudlich, JuS 2001, 1165 (1167). 7 Gercke

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

4. Die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation" anhand des Rückgriffes auf Art. 10 Abs. 1 GG

Fraglich ist bereits, ob der Begriff "Fernmeldegeheimnis" aus Art. 10 Abs. 1 GG zur Auslegung des Telekommunikationsbegriffes in §§ 100a, 100b StPO herangezogen werden kann. Die Tatsache, daß es sich dabei um einen anderen Terminus handelt, steht dem nicht entgegen: Das Fernmeldegeheimnis bedeutet schon begrifflich nichts anderes als den Schutz des Fernmeldeverkehrs. 148 Dieser Begriff wurde auch in den §§ 100a, 100b StPO a. F. verwandt. Durch die Ersetzung des Begriffes "Fernmeldeverkehr" durch "Telekommunikation" hat der Gesetzgeber jedoch keine inhaltliche Veränderung bezweckt, sondern wollte den Gesetzestext lediglich dem modernen Sprachgebrauch anpassen. 149 Ausgehend von der bloßen Terminologie ist ein Rückgriff auf den Begriff des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG prinzipiell also möglich. Zwar ist auch dieser nicht vom Gesetzgeber definiert, jedoch wurde bereits dargelegt, daß der Schutzbereich des Grundrechts des Art. 10 Abs. 1 GG - unabhängig davon, ob ein Gespräch tatsächlich stattgefunden hat oder versucht wurde - auch darüber hinaus die Erfassung sämtlicher Standortdaten umfaßt, die bei der Überwachung des Mobilfunkverkehrs feststellbar sind. 150 Fraglich ist jedoch, ob von dem Schutzbereich des Grundrechtes aus Art. 10 Abs. I GG auch auf den Anwendungsbereich der §§ 100a, 100b StPO geschlossen werden kann. Das LG Aachen bejaht dies in einem Beschluß vom 24.11.1998 ohne weitere Begründung. 151 Es führt lediglich an, daß im "Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes [... ] § 100a StPO weit" auszulegen sei. 152 Auch der BGH-Ermittlungsrichter greift in seinem Beschluß zur Zulässigkeit der Standortbestimmung anhand des Mobilfunkverkehrs auf derartige Überlegungen zurück. 153 Darin liegt jedoch - wie Bernsmann/Jansen zu Recht feststellen - "eine eklatante Verkennung des Zusammenhangs von Grundrecht und Eingriffsermächtigung".154 Die Funktion eines Grundrechtes ist es nämlich, Rechtspositionen des Einzelnen zu schützen und so möglichst weite, individuell-freie Entfaltung zu gewährleisten. 155 Dies ist auch bei der Auslegung des GrundVgl. nur Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10, Rn. 5. Vgl. C. 11. 2. 150 s. 3. Kap. B. II. 151 LG Aachen, StV 1999,590 f. 152 LG Aachen, StV 1999,590 f. 153 BGH-Ermiulungsrichter, StV 2001, 214 (215). 154 Bemsmann/Jansen, StV 1999, 591; krit. auch: Kudlich, JuS 2001, 1165 (1167). 155 Manssen, Grundrechte, Rn. 34 ff. 148 149

c.

§§ lOOa, lOOb StPO als Ennächtigungsgrundlage

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rechtes zu beachten, so daß prinzipiell der Schutzbereich weit auszulegen ist, damit sich die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geforderte "juristische Wirkungskraft der Norm am stärksten"l56 entfalten kann. Dabei richten sich die einzelnen Grundrechte - jedenfalls primär - als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat. 157 Eine Ermächtigungsgrundlage wie die §§ 100a, 100b StPO ermöglicht dem Staat hingegen Eingriffe in die durch Grundrechte geschützte Rechtsposition des Bürgers. Um dem höherrangigen Grundrecht gerecht zu werden, ist die Eingriffsermächtigung daher immer im Lichte des eingeschränkten Grundrechtes restriktiv auszulegen. 158 Folglich stehen sich Grundrecht und Eingriffsermächtigung schon von ihrer Zielsetzung her "diametral gegenüber".159 Insofern kann bei der Begriffsbestimmung hinsichtlich der in das Grundrecht eingreifenden Ermächtigungsgrundlage nicht gleichzeitig ohne weiteres auf den zuvor zu bestimmenden Schutzbereich des Grundrechtes zurückgegriffen werden, da dieses letztlich den dadurch bezweckten Grundrechtsschutz ad absurdum führen würde. Somit verbietet sich eine pauschale Heranziehung des Begriffs "Fernmeldegeheimnis" aus Art. 10 Abs. 1 GG zur Auslegung von §§ 100a, 100b StPO. 5. Die strafprozessuale Inhaltsbestimmung anhand der gängigen Auslegungsmethoden

Da ein pauschaler Rückgriff auf § 3 Nr. 16 TKG, die Normen der TKÜV und der TDSV sowie auf Art. 10 Abs. 1 GG nicht möglich ist, hat eine eigenständige strafprozessuale Inhaltsbestimmung des Begriffes "Telekommunikation" anhand der gängigen Methoden der Gesetzesinterpretation zu erfolgen. Dabei können allerdings - wie oben bereits dargelegt - die § 3 Nr. 16 TKG sowie Art. 10 Abs. 1 GG durchaus als Orientierungshilfen herangezogen werden. Einzugehen ist folglich auf die grammatikalische, die systematische, die historische sowie die objektiv-teleologische Interpretation. 160 Zwar lassen sich die einzelnen Auslegungsmethoden an sich nicht strikt trennen, sondern bilden vielmehr ein sich einander ergänzendes Konglomerat l61 ; jedoch BVerfGE 6, 55 (72); 32,54 (71), 39, 1 (38); 51, 97 (110). Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1999, 313 f.; Manssen, Grundrechte, Rn. 34; Weichert, Infonnationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ennittlung, S. 36; vgl. auch: Wolter in: Wolter (Hrsg.), Rudolphi-Symposium, S. 267 (273). 158 Bernsmann/Jansen, StV 1999,591, m.w.N. 159 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 311. 160 Vgl. BVerfGE 11, 126 (130); 82, 6 (11); zur Begrifflichkeit vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320 ff. 161 BVerfGE 35, 263 (279). 156

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

soll hier aufgrund der besseren Übersichtlichkeit auf jede Interpretationsmethode gesondert eingegangen werden; dies aber nicht, ohne die jeweils notwendigen Bezüge herzustellen. a) Die grammatikalische Interpretation

Jede Gesetzesauslegung hat zunächst vom Wortlaut auszugehen. 162 Dabei bildet nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung 163 und Lehre l64 der äußerste "mögliche Wortsinn" die Grenze dessen, was noch in den Bereich der Auslegung und nicht bereits in den der Analogie fällt. Darunter ist nach Larenz alles zu verstehen, "was nach dem jeweils als maßgeblich zu erachtenden Sprachgebrauch - wenn auch vielleicht nur unter besonderen Umständen - noch als mit diesem Ausdruck gemeint verstanden werden kann". 165 Das Kompositum "Telekommunikation" besteht aus zwei Wortbestandteilen. Dabei bedeutet das aus dem griechischen stammende Präfix "Tele" nichts anderes als "in der Ferne,,166, so daß hierdurch lediglich zum Ausdruck gebracht wird, daß der eigentlich zu bestimmende Vorgang über eine gewisse Distanz stattfindet. Entscheidend ist also auf den aus dem lateinischen stammenden Begriff "Kommunikation" abzustellen. Darunter versteht man jede Form der Verständigung, die durch die Übermittlung von Informationen im weiteren Sinne ermöglicht wird. 167 Der Verständigungsvorgang als solcher ist also unabhängig von der Art der Informationsübermittlung, so daß neben dem Medium Sprache auch andere Formen der Informationsübermittlung wie z. B. Bilder, Töne oder andere Signale grundsätzlich vom Kommunikationsbegriff erfaßt werden. 168 Insofern wird prinzipiell auch der Datenaustausch zwischen Maschinen im weiteren Sinne vom Kommunikationsbegriff erfaßt und nicht nur die bloße Sprachverständigung zwischen zwei Menschen. 169 Dies ist insbesonLarenz. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320. BVerfGE 47, 109 (121); 71, 108 (ll5); 73, 206 (235); BGHSt 4, 144 (148). 164 Larenz. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320; Herberger/Koch. JuS 1978,810 (813 0, m.w.N.; kritisch: Bär. Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren. S. 162, Rn. 15. 165 Larenz. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322. 166 Brockhaus. Enzyklopädie, Bd. 18, Stichwort "tele ... ". 167 Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 10, Stichwort "Kommunikation". 168 Vassilaki, JR 2000, 446 (447); vgl. zur grammatikalischen Interpretation des Begriffes des "Femmeldeverkehrs" für §§ 100a, 100b StPO a. F.: Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 312 ff.; ders., CR 1993, 578 (581). 169 Scherer. Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 31; a.A. wohl Bernsmann/Jansen. StV 1999,591 (592). 162

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§§ 100a, 100b StPO als Ennächtigungsgrundlage

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dere für den Bereich der Nachrichtentechnik anerkannt. 170 Die beim Mobilfunkverkehr anfallenden Standortdaten fallen also nicht schon allein deshalb nicht unter den Kommunikationsbegriff, weil sie nicht dem Medium (menschliche) Sprache unterliegen. Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob die technisch zur dauerhaften Erreichbarkeit notwendige Mitteilung der Standortdaten eines Mobiltelefons im bloßen stand-by-Betrieb auch ohne ein tatsächliches Telefonieren selbst noch als konkreter Kommunikationsvorgang bezeichnet werden kann. 171 Die bloße Positionsangabe unterfällt nämlich schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Verständigung zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern - unabhängig davon, ob es sich dabei um Menschen oder Maschinen handelt. Zwar handelt es sich bei der Positionsangabe um eine Voraussetzung für die Herstellung des eigentlichen Kommunikationsvorganges, da diese für die ständige Erreichbarkeit nötig ist, um für die erforderliche digitale Datenübertragung eine Verbindung herzustellen l72 , jedoch stellt es insofern ein rein technisches Mittel zur Betriebsbereitschaft dar. Die Standortdatenbestimmung ist insofern allenfalls "kommunikationserheblich,.!73; von einer solchen Kommunikationserheblichkeit - und zwar im bloßen weiteren Sinne - kann jedoch entgegen der Ansicht des BGH-Ermittlungsrichters 174 nicht ohne weiteres auf das Vorliegen von (Tele-) Kommunikation i. S. d. § lOOa StPO geschlossen werden. 175 Nicht jede einzelne Voraussetzung für die Abwicklung eines Kommunikationsvorganges kann dem Begriff "Kommunikation" im Sinne des § lOOa StPO als einer eingriffsintensiven Ermächtigungsgrundlage zugeordnet werden, da eine derartige Ausweitung eines Begriffes diesen letztlich gegenstandslos werden ließe. Schon vor dem Hintergrund des abschließenden Charakters des § IOOa StPO verbietet sich prinzipiell eine erweiternde Auslegung der Norm. 176 Hinsichtlich des § lOOa StPO a. F., der noch den Begriff des "Fernmeldeverkehrs" verwendete, war dies offensichtlich auch dem BGH bewußt: in der "Raumgesprächs-Entscheidung,.!77 stellte das Gericht fest, daß nur die unmittelbar mit dem Telefongespräch zusammenhängenden Vorgänge, wie Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 10, Stichwort "Kommunikation". So aber für den Begriff des Femmeldeverkehrs i. S. d. § 100a StPO a. F. das LG Aachen, StV 1999, 590 f.; ebenso: Kudlich, JuS 2001, 1165 (1167) für 100a StPO n.F. 172 Vgl. 1. Kap. B. III. 2. l73 Begriff nach BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 174 BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 175 So auch: Kudlich, JuS 2001, 1165 (1168). 176 Malek/Rüping, Zwangsmaßnahmen im Ennittlungsverfahren, S. 134. m BGHSt 31, 296. 170

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

beispielsweise das Anwählen des Gesprächspartners, von § 100a StPO erfaßt würden. 178 Die Ersetzung des Begriffes "Fernmeldeverkehr" durch den Begriff "Telekommunikation" sollte aber keine inhaltliche Veränderung, sondern lediglich eine redaktionelle Anpassung an den modemen Sprachgebrauch des TKG erwirken. 179 Folglich kann auch für den Begriff der Telekommunikation nur gelten, daß hierunter nicht jede einzelne technische Voraussetzung des Mobilfunkverkehrs in seiner Gesamtheit subsumiert werden kann. Andernfalls müßte in letzter Konsequenz sogar das Material des Mobilfunkgerätes dem Kommunikationsbegriff unterfallen, was evident dem Sprachgehalt widerspricht. Demnach stellt die bloße Positionsangabe ohne zumindest versuchtes Gespräch keinen Telekommunikationsvorgang im eigentlichen Sinne dar. 180 Würde man tatsächlich auf ein konkret erfolgtes oder jedenfalls versuchtes Gespräch als Voraussetzung für die Bejahung von "Kommunikation" verzichten, so würde auch ein dem Überwachten "untergeschobenes" eingeschaltetes Mobilfunkgerät, von dem der Betroffene gar nichts weiß, noch dem Kommunikationsbegriff unterfallen. Ein de facto auf einen bloßen Peil sender reduziertes, von dem Betroffenen nicht einmal wahrgenommenes Mobilfunkgerät noch unter einen Kommunikationsvorgang zu fassen, entbehrt jedoch offensichtlich jeglicher sprachlichen Logik. Dafür spricht auch die Legaldefiniton des § 3 Nr. 16 TKG, die bei der eigenständigen strafprozessualen Auslegung als Orientierungshilfe herangezogen werden kann, gleichwohl eine pauschale Übernahme abzulehnen ist. 181 Dort wird Telekommunikation als der "technische Vorgang des Aussendens, ÜbermitteIns und Empfangens von Nachrichten" definiert. Die bloße Positionsangabe fällt nicht unter diesen Vorgang im eigentlichen Sinne, sondern ist - wie bereits dargelegt - lediglich eine unter vielen technischen Voraussetzungen für den Ablauf des Mobilfunkverkehrs. Auch unter Einbeziehung des TKG als bloße Orientierungshilfe bei der Begriffsbestimmung ist somit die Erfassung der Positionsangabe des Mobilfunkgerätes vom Telekommunikationsbegriff unter dem Aspekt der Wortlautauslegung abzulehnen. Dieses Auslegungsergebnis steht im übrigen in Übereinstimmung mit einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 10.09.2001 182 : dort wird ausdrücklich festgestellt, daß ein Akt der TeBGHSt 31, 296 (297). s. A. I. 2. 180 So auch für § lOOa StPO a. F.: Brenner, Die strafprozessuale Überwachung des Femmeldeverkehrs mit Verteidigern, S. 250. 181 s.o. unter C. III. 1. c). 182 BT-Drs. 14/6885. 178

179

C. §§ 100a, 100b StPO als Ennächtigungsgrundlage

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lekommunikation nicht stattfindet, wenn das Mobilfunkgerät nicht eingeschaltet ist. 183 b) Die systematische Interpretation

Hinsichtlich der systematischen Gesetzesinterpretation ist darauf abzustellen, inwieweit die auszulegende Norm mit einzelnen Rechtssätzen, die vom Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gestellt wurden, in sich logisch miteinander vereinbar iSt. 184 Die Regelung des § lOOa StPO befindet sich im 8. Abschnitt der StPO, der die Beweisgewinnung durch Zwangsmaßnahmen und heimliche Ermittlungsmethoden regelt. In direktem sachlichem Zusammenhang zu § 100a StPO steht § lOOb StPO, der die formellen Voraussetzungen zur Überwachung der Telekommunikation beinhaltet und dem deshalb zunächst das Augenmerk gilt. Durch § lOOb Abs. 1 StPO a. F., der die "Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger" regelte sowie durch die Formulierung "Abhören des Fernsprechverkehrs" aus § 100b Abs. 3 StPO a. F. kam durch den Gesetzeszusammenhang der bei den unmittelbar zusammenhängenden Normen §§ lOOa, lOOb StPO a. F. zum Audruck, daß der Gesetzgeber bei Schaffung der Normen den ursprünglich verwandten Begriff "Fernmeldeverkehr" lediglich auf den Fernsprechverkehr beschränken wollte. 185 Diese Formulierungen sind jedoch durch das Poststrukturgesetz vom 08.06.1989 186 jeweils durch die Befugnis zur "Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs" ersetzt worden, wobei schließlich seit dem Begleitgesetz zum TKG vom 12.12.199i 87 der Begriff "Telekommunikation" statt "Fernmeldeverkehr" verwandt wird. 188 Die "Aufzeichnung der Telekommunikation" ist jedoch ein wesentlich offener gehaltener Begriff, der nicht zwingend darauf schließen läßt, daß hiervon lediglich der Fernsprechverkehr erfaßt wird. Hinsichtlich des systematischen Zusammenhanges mit der sich ebenfalls in unmittelbarer Gesetzesnähe befindlichen Norm des § 99 StPO, der unter anderem die Beschlagnahme von Telegrammen als einer Form der Tele183 BT-Drs. 14/6885, S. 2; gleichwohl wird dort § 100a StPO als Ennächtigungsgrundlage für die Standortennittlung im stand-by-Betrieb unter bloßem Hinweis auf die ergangene Rechtsprechung - insofern dogmatisch kaum haltbar - für zulässig gehalten. 184 BVerfOE 48, 246 (257). 185 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 318; ders., CR 1993, 578 (582). 186 BOB!. 1989, I, S. 102. 187 BOB!. 1997, I, S. 3108 (3113). 188 Vg!. A. I. 2.

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

kommunikation regelt, läßt sich allerdings feststellen, daß - selbst bei weiter Auslegung des Telekommunikationsbegriffes - § lOOa StPO zumindest nicht jede Form der Telekommunikation erfaßt. 189 Insgesamt läßt somit nach der Neufassung der §§ lOOa, lOOb StPO die systematische Interpretation keine hinreichend bestimmte Auslegung des Telekommunikationsbegriffes zu. c) Die historische Interpretation

Der historischen l9o Interpretation mißt das Bundesverfassungsgericht zwar explizit nur subsidiäre Bedeutung bei 191, jedoch greift es in der Praxis oft - teilweise sogar ohne Berücksichtigung der anderen Auslegungsmethoden - auf dieses Mittel zurück. l92 Die historische Gesetzesinterpretation stellt auf die Entstehungsgeschichte, d. h. die Vorstellungen, Wertungen und verfolgten Zwecke des historischen Gesetzgebers ab. 193 Die Einführung der §§ lOOa, lOOb StPO sollte der zunehmenden Bedeutung des Fernmeldeverkehrs für die Begehung von Straftaten 194 Rechnung tragen. Aus den Gesetzesmaterialien wird deutlich, daß der Gesetzgeber, mit der ursprünglichen Fassung des § lOOa StPO in der Form aus Jahre 1968 eine Ermächtigungsgrundlage zum Abhören des Fernsprechverkehrs sowie zum Mitlesen des Fernschreibverkehrs schaffen wollte: So wird in der amtlichen Gesetzesbegründung darauf abgestellt, daß den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit "Telefongespräche abzuhören,d95 eingeräumt werden soll. Hinsichtlich des ursprünglich verwandten Begriffes "Femmeldeverkehr" in § lOOa StPO a. F. wird lediglich klargestellt, daß dadurch "nicht nur das Abhören des Fernsprech- und das Mitlesen des FernschreibVg!. C. III 1. a). In Anlehnung an Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 344, wird zum Teil auch der Tenninus der "historisch-teleologischen" Interpretation verwandt, der an sich genauer ist, da in ihm schon begrifflich zum Ausdruck kommt, daß es vor allem auf Regelungsabsicht und Zweck des historischen Gesetzgebers ankommt. Aufgrund der in der Literatur sowie auch der Rechtsprechung des BVerfG nahezu einhelligen Verwendung des Tenninus der "historischen Interpretation" wird dieser jedoch auch hier beibehalten. 191 BVerfGE 1, 299 (312); 8, 274 (307); 11, 126 (130); 21, 209 (218); 48, 246 (260); 53, 135 (147); 59, 128 (153). 192 Vg!. BVerfGE 6, 55 (75); 10, 234 (244); 47, 109 (127); vg!. auch Stein in: AK-GG, Ein!. 11, Rn. 58; Stern, Staatsrecht Bd. IIII2, § 95 11. 2. b. Ö, m. w. N. 193 Stern, Staatsrecht Bd. IIII2, § 95 11. 2. b. Ö; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 97. 194 Exemplarisch wird in der amtlichen Gesetzesbegründung auf erpresserische (Kindes-)Entführungen verwiesen (BT-Drs. V/1880, S. 7), vg!. C. 11. 1. 195 BT-Drs. V/1880, S. 6. 189

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c.

§§ 100a, lOOb StPO als Ermächtigungsgrundlage

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verkehrs, sondern auch das Aufzeichnen der dabei gewonnenen Erkenntnisse [... ] legalisiert werden"l96 sollte. Folglich war § 100a StPO a. F. - abgesehen von der für die Strafverfolgungsbehörden eher von geringerem Interesse bestehenden Möglichkeit des Mitlesens des Fernschreibverkehrs - auf die Überwachung und Aufzeichnung der Sprachkommunikation angelegt. 197 Durch die Neufassung des § 100a StPO im Zuge des Poststrukturgesetzes vom 08.06.1989 198 änderte der Gesetzgeber allerdings die Befugnis zur "Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger" durch die Befugnis zur "Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs" ab. 199 Durch diese Neuformulierung sollten "Zweifel hinsichtlich des Anwendungsbereiches" moderner Formen der Nachrichtenübermittlung vermieden werden?OO Ziel der Reform war es also, eine Überwachung moderner Kommunikationsformen - wie z. B. dem Telefax - in den Anwendungsbereich des § 100a StPO einzubeziehen?OI Diese Intention wurde noch einmal durch die neuerliche Änderung des § 100a StPO durch das Begleitgesetz zum TKG vom 12.12.1997 202 unterstrichen, bei dem der Begriff "Fernmeldeverkehr" durch "Telekommunikation" ersetzt wurde. 203 Aus den Gesetzesmaterialien ist somit ersichtlich, daß der Gesetzgeber durchaus eine Ausweitung der Überwachung auf die verschiedenen neuartigen Kommunikationsformen im Rahmen des § 100a StPO bezweckte. Die Reichweite im engeren Sinne dieser Überwachung der jeweiligen Form der Kommunikation - sofern es sich denn überhaupt noch um eine solche im eigentlichen Sinne handelt - wurde jedoch nicht konkretisiert. Insofern liegen keine Anhaltspunkte vor, daß die Erfassung und Speicherung der BT-Drs. V11880, S. 11. Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 314; ders., CR 1993, 578 (581); Riegel, ZRP 1987, 431 (432); Schapper/Schaar, CR 1989, 312; Walz, CR 1990, 139; a.A.: Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 100a, Rn. 16, der auch auf Basis des § l00a StPO a.F. eine Überwachung moderner Kommunikationsformen - über die bloße Sprachkommunikation hinaus - für zulässig hält. 198 BGBl. 1989, I, S. 1026. 199 s. B. 11. 2. 200 BT-Drs. 11/4316, S. 90; nach Ansicht der damaligen Bundesregierung war die Überwachung neuer Formen der Nachrichtenübermittlung über die bloße Sprachkommunikation hinaus auch auf Grundlage des § lOOa StPO in seiner ursprünglichen Fassung möglich (BT-Drs. 1114316, S. 80). Diese Auffassung sah sich jedoch erheblicher Kritik im Schrifttum ausgesetzt, vgl. Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 314. 201 Walz, CR 1990, 138 (139). 202 BGBl. 1997, I, S. 3108; vgl. auch A. 11. 2. 203 s. A. I. 2. 196

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

Standortdaten beim Mobilfunkverkehr noch dem Telekommunikationsbegriff des § IOOa StPO unterfallen. Aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Begleitgesetzes zum TKG 204 wird deutlich, daß die Problematik hinsichtlich der Standortdaten durchaus thematisiert wurde. Die vom Bundesrat zur Klarstellung explizit geforderte Aufnahme der "Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation oder der Daten über den Standort nicht ortsfester Telekommunikationsanlagen,,205 wurde vom Gesetzgeber allerdings nicht umgesetzt. 206 Die Nichtaufnahme einer klarstellenden Regelung bei gleichzeitiger Kenntnis der Problematik spricht als argumentum e contrario 207 aus historischer Sicht dafür, daß die Erfassung und Speicherung der Standortdaten beim Mobilfunkverkehr nicht dem Begriff der Telekommunikation in § IOOa StPO unterfällt. d) Die objektiv-teleologische Interpretation

Nach der objektiv-teleologischen208 Gesetzesinterpretation, die nach überwiegender Ansicht gegenüber den anderen Auslegungsmitteln einen "gewissen Vorrang,,209 genießt, ist nach dem Sinn und Zweck zu fragen, mit anderen Worten nach dem "Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung,,21O. Hinter § IOOa StPO als Ermächtigungsgrundlage steht der Gedanke, die Aufklärung von Straftaten durch heimliche Beweisgewinnung zu ermöglichen. Die allgemein zunehmende Anwendung heimlicher ErmittlungsmeBR-Drs. 369/97. BR-Drs. 369/97, Beschluß, S. 11. 206 Vgl. auch Haß in: TKM-Kommentar, 2. Erg.Lfg. (April 2000), § 88 TKG, Rn. 55. 207 Vgl. zum argumentum e contrario: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 390; krit. zum Charakter argumentum e contra rio als eigenständige Begründung: Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, Rn. 187. 208 Zumeist wird dieses Interpretationsmittel bloß als "te1eologische Interpretation" bezeichnet. Genauer ist es jedoch, das Präfix "objektiv" zu verwenden, da so deutlich wird, daß bei diesem Auslegungsmittel nicht etwa auf die subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers - etwa in konkreter Gestalt der Bundestagsabgeordneten oder der Ausschußmitglieder - abgestellt wird, auf die vielmehr im Rahmen der historischen Interpretation einzugehen ist (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333; Stern, Staatsrecht Bd. IIII2, § 95 11. 2. b. y). 209 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 88; vgl. auch explizit für die Auslegung des Begriffes "Telekommunikation": Lührs, wistra 1995, 19 (20). 210 Stern, Staatsrecht Bd. IIII2, § 95 11. 2. b. y. 204 205

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§§ 100a, 100b StPO als Ennächtigungsgrundlage

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thoden - auch über § 100a StPO hinaus - geht einher mit der technischen Entwicklung, die stetig neue und perfektere Überwachungsmöglichkeiten schafft. 211 Wie sich insbesondere anband der Diskussion um das OrgKG von 1994212 zeigt, soll damit auf zunehmend komplexere bzw. "organisierte" Fonnen der Kriminalität reagiert werden. Diese grundsätzliche Zielrichtung des § 100a StPO sowie anderer Ermächtigungsgrundlagen für heimliche Beweisgewinnung kann nun allerdings nicht dazu führen, daß diese per se in dem Sinne weit ausgelegt werden müssen, daß jegliche Überwachungsmöglichkeit, die noch im entferntesten vom äußersten möglichen Wortsinn 213 erfaßt wird, auch der jeweiligen Ennächtigungsgrundlage - also hier § 100a StPO - unterfällt. Angesichts der hohen Eingriffsintensität heimlicher Ennittlungsmethoden verbietet sich vielmehr eine pauschale extensive Auslegung. Dies entspricht auch der aufgrund des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwertes von Art. 10 GG gebotenen Notwendigkeit, bei der Rechtfertigung von Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis eine prinzipiell restriktive Interpretation heranzuziehen. 214 Eine solche Sicht wird auch bereits aus den Strukturen des § 100a StPO selbst deutlich, der zumindest vom Wortlaut her215 eine Reihe von Einschränkungen aufweist. 216 Nun ließe sich hierzu ausführen, daß gerade wegen dieser vorhandenen Einschränkungen eine Subsumtion der Standortdatenbestimmung unter den Begriff der Telekommunikation i. S. d. § 100a StPO besonders grundrechtsfreundlich sei und damit dem hohen Stellenwert gerecht werde, den insbesondere Art. 10 GG innehabe?17 Vor diesem Hintergrund würde die Standortdatenerfassung quasi als ein minus im Vergleich zur Überwachung des gesprochenen Wortes erscheinen, die unzweifelhaft von § 100a StPO erfaßt wird. 218 Auf der Grundlage eines solchen Standpunktes erschiene eine Subsumtion der Standortbestimmung unter § 100a StPO am Ende gar als besonders "grundrechtsfreundlich". Dagegen ist zunächst einzuwenden, daß es sich bei § 100a StPO um eine abBemsmann/Jansen, StV 1998, 217. BGBl. 1992, I, S. 1302. 213 Vgl. o. unter C. III. 5. a). 214 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 10 GG, Rn. 12; vgl. auch: RoßnagellWedde, DVBl. 1995,566 (567). 215 Zu der in der Praxis in der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich grundsätzlich extensiven tatsächlichen Handhabung der §§ 100a, 100b StPO s. BöttgeriPfeiffer, ZRP 1994, 7 (insbes. 13 f.). 216 Vgl. B. I. 1. 217 BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215). 218 So BGH-Ennittlungsrichter, StV 2001, 214 (215); vgl. auch: Artkämper, Kriminalistik 2001, 427; Bär, MMR 2000, 472 (473); ders., MMR 2001, 443 (444). 211

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

schließende Regelung handelt219 , die als solche schon prinzipiell keine sog. ,,Minus-Maßnahmen" zuläßt. 22o Entscheidend gegen eine solche Argumentation spricht insbesondere, daß die Standortdatenerfassung, -speicherung und -auswertung nicht zwangsläufig ein minus ist, sondern letztlich ein aliud, das im Einzelfall gerade vor dem Hintergrund der möglichen Folgen bezogen auf die Auswertung sogar ein plus bedeuten kann. Das Handy wird nämlich von einem Mittel zur sprachlichen Kommunikation von den Ermittlungsbehörden de Jacto zu einem Peil sender umfunktioniert, ohne daß dem Nutzer dieses bekannt ist oder er gar Einfluß auf diese Umgestaltung hätte. Gerade bei einer Kumulation mit anderen Überwachungsmaßnahmen 221 liegt hier die Möglichkeit der Erstellung eines umfassenden Persönlichkeits bildes versteckt, welches in diesem Zusammenhang einer "personenbezogenen strategischen Kontrolle,,222 durch das Medium Mobilfunk gleichkommt. Insofern ist die Subsumtion des gesamten Vorganges unter § IOOa StPO keineswegs per se grundrechtsfreundlicher: Sie wird vielmehr dem hohen Stellenwert des Art. 10 GG, aber auch dem informationellen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht gerecht. e) ZusammenJassung Eine abschließende, dem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung der einzelnen Auslegungsmethoden gerecht werdende Gesamtbetrachtung führt dazu, daß die Standortdatenerfassung beim Mobilfunkverkehr im stand-by-Betrieb nicht dem Telekommunikationsbegriff des § 100a StPO unterfällt. Insbesondere anhand der grammatikalischen und der objektiv-teleologischen Interpretation des Kommunikationsbegriffes hat sich gezeigt, daß dieser nicht die bloße - technisch zwingende - Voraussetzung einer Standortbestimmung umfaßt. Zwar wird damit wohl nicht die Grenze des "äußersten möglichen Wortsinns" verletzt, jedoch würde eine solche Ausweitung eines Begriffes diesen letztlich gegenstandslos und damit begrifflich leer werden lassen. Dieses Ergebnis wird auch durch die historische Interpretation bestätigt und steht darüber hinaus nicht im Widerspruch zu der systematischen Auslegungsmethode. In der erforderlichen Gesamtbetrachtung der einzelnen Mittel der Gesetzesinterpretation ist folglich eine Ausweitung des Telekommunikationsbegriffes auf die Standortdatenerfassung beim Mobilfunkverkehr abzulehnen.

219 220 221 222

Nack in KK-StPO, § 100a, Rn. 1. Vgl. WälterlStienkemeier, Kriminalistik 1994,93 (94). Zur Kumulation von Überwachungs maßnahmen s. 5. Kap. Vgl. Riegel in: Erbs/Kohlhaas, 135. Erg.Lfg. (1999), Vorbem. G 10, Rn. 33.

D. § 39 AWG als Ennächtigungsgrundlage

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IV. Ergebnis bezüglich §§ lOOa, lOOb StPO

Es wurde aufgezeigt, daß die Bestimmung des Telekommunikationsbegriffes anhand der klassischen Auslegungsmethoden zu erfolgen hat. Dabei wurde festgestellt, daß die Standortbestimmung nicht von dem Begriff der Telekommunikation i. S. d. § lOOa StPO erfaßt wird. Somit kommen die §§ lOOa, lOOb StPO nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Positionsdatenerfassung- und auswertung beim Mobilfunkverkehr in Betracht.

D. § 39 A WG als Ermächtigungsgrundlage Prinzipiell erlaubt auch der durch das 7. Änderungsgesetz zum Außenwirtschaftsgesetz vom 28.2.1992 223 eingeführte § 39 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) die Überwachung der Telekommunikation, wobei explizit auch auf die Überwachung und Aufzeichnung der innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern abgelegten Inhalte verwiesen wird. Es handelt sich bei dieser - verfassungsrechtlich höchst umstrittenen 224 Norm allerdings um eine Regelung mit einem von vornherein stark eingeschränkten Anwendungsbereich, der sich lediglich auf Straftaten nach dem AWG oder dem Kriegswaffenkontrollgesetz bezieht und schon insofern keine geeignete generelle strafprozessuale Ermächtigungsgrundlage darstellt. Entscheidend gegen eine Anwendung im Strafprozeß spricht aber der präventive Charakter der Norm. 225 § 39 AWG bezweckt schon dem Wortlaut nach die "Verhütung von Straftaten", stellt also auf einen Zeitpunkt ab, in dem es noch nicht einmal zu Straftaten gekommen ist. 226 Für strafprozessuale, d.h. repressiv angelegte Überwachungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das AWG ist die StPO selbst explizit ergänzt worden. 227 So wurde 223 BGBl. 1992 I, S. 372; zur Gesetzgebungsgeschichte: Fuhrmann in: Erbsl Kohlhaas, 140. Erg. Lfg. (2000), § 39 AWG, Rn. 1; lahnke, ZRP 1992, 83; Michalke, StV 1993, 262 f. 224 Vgl. nur: Gusy, StV 1992,484 ff.; Hund, NJW 1992,2118 ff.; Michalke, StV 1993, 262, 266 ff.; aber auch: Fuhrmann in: Erbs/Kohlhaas, 140. Erg. Lfg. (2000), § 39 AWG, Rn. 1. 225 Felixberger, eR 1998, 143 (145 f.); Fuhrmann in: Erbs/Kohlhaas, 140. Erg. Lfg. (2000), § 39 AWG, Rn. I; Gusy, StV 1992, 484 (485); Hantke, NJW 1992, 2123 (2125); Hund, NJW 1992,2118 ff.; Michalke, StV 1993,262,266 ff. 226 Fuhrmann in: Erbs/Kohlhaas, 140. Erg. Lfg. (2000), § 39 AWG, Rn. 1; insofern ist die Nonn letztlich eine Umsetzung des verfassungsrechtlich höchst zweifelhaften sog. polizeilichen" Vorfeld-Konzeptes", Hund, NJW 1992, 2118 ff. 227 Hantke, NJW 1992, 2123 (2125).

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

der Straftatenkatalog des § lOOa StPO in Nr. 3 um die Delikte des § 34 Abs. 1 bis 6 AWG erweitert. § 39 AWG stellt folglich schon vor diesem Hintergrund keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Standortbestimmung im Strafverfahren dar.

E. § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO als Ermächtigungsgrundlage Vom Wortlaut kommt prima fade auch § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO als Ermächtigungsgrundlage für die Standortdatenerfassung anhand des Mobilfunkverkehrs in Betracht. Diese im Rahmen des OrgKG vom 15.07.1992228 eingeführte, rechtspolitisch höchst umstrittene Norm 229 - deren Brisanz seit der Einführung der akkustischen Wohnraumüberwachung in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO ("Großer Lauschangriff,)23o noch zugenommen hat - regelt den Einsatz technischer Mittel für Observationszwecke unter anderem zur Erforschung des Aufenthaltsortes. Da die Standortdatenerfassung beim Mobilfunkverkehr gerade die Ermittlung des jeweiligen Aufenthaltsortes zuläßt, erscheint es zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO als mögliche Ermächtigungsgrundlage ins Auge zu fassen. 231 I. Keine Anwendung von § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO wegen fehlender Rechtsgrundlage für die Heranziehung Dritter § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO scheidet jedoch bereits schon deshalb als Ermächtigungsgrundlage aus, weil diese Norm keine Rechtsgrundlage zur Heranziehung Dritter - also in diesem Fall der Mobilfunknetzbetreiber vorsieht. 232 Diese können jedoch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nicht dazu verpflichtet werden, für die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungstätigkeiten vorzunehmen. 233 Insofern fehlt es für § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO an einer dem § 100b Abs. 3 StPO enstprechenden Vorschrift.

BGBl. 1992 I, S. 1302. Vgl. Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 3. 230 Zur Diskussion um den "Lauschangriff' vgl. nur: Müller, Der sogenannte "Große Lauschangriff', S. 1 ff. 231 Vgl. Bernsmann/Jansen, StV 1999, 591 (593); zu möglichen Überschneidungen des Anwendungsbereichs von § 100a StPO und § 100c StPO vgl.: Gropp/SchubertlWörner in: Gropp/Huber (Hrsg.): Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69 (118). 232 LG Berlin, DuD 1998, 725 (726); Artkämper, Kriminalistik 1998, 202 (205); Bernsmann/Jansen, StV 1999, 591 (593); Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88, Rn. 1; i.E. auch: Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 10. 233 LG Berlin, DuD 1998, 725 (726). 228 229

E. § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO als Ennächtigungsgrund1age

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11. Analoge Anwendung des § lOOb Abs. 3 StPO für die Ermächtigungsgrundlage des § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO zur Heranziehung Dritter?

Fraglich ist jedoch, ob nicht eine analoge Anwendung des § lOOb Abs. 3 StPO für die Ermächtigungsgrundlage des § lODc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO in Betracht kommt. Eine solche Anwendung scheitert nicht etwa schon am strafrechtlichen Analogieverbot zu Lasten des Täters aus Art. 103 Abs. 2 GG; dieses gilt lediglich für das materielle Strafrecht. 234 Allerdings ergibt sich ein Analogieverbot im Strafverfahrensrecht aus dem öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehalt für hoheitliche Eingriffe in Grundrechte,z35 Für den Bereich von Zwangsmaßnahmen mit Freiheitsentzug im Strafverfahren ist dies auch vom Bundesverfassungsgericht unter Bezug auf Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG und Art. 104 Abs. 1 GG ausdrücklich anerkannt. 236 Nichts anderes kann jedoch auch für die übrigen strafprozessualen Maßnahmen gelten, sofern sie in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen. Ob ein öffentliches Interesse so gravierend ist, daß zu seiner Durchsetzung gegebenenfalls in Grundrechte eingegriffen werden kann, ist letztlich eine politische Entscheidung. 237 Daher kann nur der demokratisch legitimierte Gesetzgeber - und nicht ein Richter oder gar die Strafverfolgungsorgane durch Rechtsfindung praeter legern bzw. gar contra legern - die Entscheidung über die Anwendung und Ausgestaltung solcher Eingriffe treffen. 238 Dies ergibt sich zum einen aus dem Demokratieprinzip: während der Ge234 BVerfGE 25, 269 (285 ff.); Gribbohm in: LK-StGB, § 1, Rn. 72; Jescheckl Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, § 15 III. 2. c); Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 35 ff.; Loos in: AK-StPO, Ein!. 111, Rn. 22; Peters, Strafprozeß, § 14 11. 1.; Schmidt-Aßmann in: MaunzlDürig, Art. 103 11, Rn. 231; Tröndle/ Fischer, § 1, Rn. 10; Welp, JR 1991, 265 (267); a.A.: Baumann, Der Aufstand des schlechten Gewissens, S. 15, der eine Anwendung von Art. 103 Abs. 2 GG jedenfalls für diejenigen strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen befürwortet, die die Verfo1gbarkeit des Täters betreffen. 235 Amelung, NJW 1977, 833 (835); Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 35 ff., ders., Strafverfahrensrecht I, Rn. 11; ders. in: Schwind u. a. (Hrsg.): Blau-FS, S. 123 (147 ff.); ders., JA 1983, 233 (235); ders., ZStW 101 (1989), 838 (853 f.); Loos in: AK-StPO, Ein!. I1I, Rn. 22; Rogall in: KK-OWiG, § 3 Rn. 65; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 26 f.; Welp, JR 1991,265 (267); Wolter, GA 1988,49 (60); ähnlich auch: Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, S. 158 f., der jedoch dem Gesetzgeber beim öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehalt einen größeren Beurteilungsspielraum einräumt als beim Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG; a. A.: Globig, ZRP 1991, 289 (290); KleinknechtIMeyer-Goßner, Ein!., Rn. 198; Peters, Strafprozeß, § 14 11. 1. 236 BVerfGE 29, 183 (195 ff.). 237 Welp, JR 1991,265 (267). 238 Welp, JR 1991,265 (267).

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4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

setzgeber unmittelbar demokratisch legitimiert ist, haben der Richter und die Strafverfolgungsorgane lediglich eine mittelbare demokratische Legitimation?39 Zum anderen widerspricht eine solche Rechtsfindung auch dem Prinzip der Gewaltenteilung: danach obliegt der Legislative die Normbildung, wodurch gerade der Gedanke ihrer "institutionell-organisatorischen" Überlegenheit gegenüber den übrigen Gewalten zum Ausdruck kommt. 24o Wohl gewichtigstes Argument für ein generelles Verbot analoger Anwendung von gesetzlichen Eingriffsermächtigungen im Strafverfahrensrecht ist jedoch der mit dem Gesetzesvorbehalt verknüpfte Gedanke des Rechtsstaatsprinzips.241 Dessen Aspekte der Gewährleistung der Sicherheit und Voraussehbarkeit des Rechts einerseits sowie insbesondere des Schutzes vor willkürlichen Grundrechtseingriffen durch den Richter und die Strafverfolgungsorgane andererseits können nur dann effektiv gewährleistet werden, wenn jegliche analoge Anwendung strafprozessualer Ermächtigungsgrundlagen ausgeschlossen ist. 242 Insofern kommt auch eine analoge Anwendung des § 100b Abs. 3 StPO für die Ermächtigungsgrundlage des § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO nicht in Betracht.

F. §§ 161, 163 StPO als Ermächtigungsgrundlage I.

§§

161, 163 StPO a.F.

Ein Rückgriff auf §§ 161, 163 StPO a.F. mußte schon daran scheitern, daß diese nach der Rechtsprechung 243 und der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur244 lediglich eine Aufgabenzuweisung und keine Rechtsgrundlage für Eingriffsbefugnisse darstellten. Aus § 161 StPO a. F. ließ sich 239 Krey, JZ 1978,465 (467), m.w.N.; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94,10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 27. 240 Krey, ZStW 101, 838 (864), m. w. N. 241 Vgl. 2. Kap. A. III. 242 Krey, ZStW 101, 838 (864), m. w. N.; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 27, m. w. N. 243 BGH, NJW 1991,2651. 244 Beulke, Strafprozeßrecht4 , Rn. 104; Bouke in: Geppert/Dehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 37 (46); Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahmen im Strafprozeßrecht, S. 144; ders., JZ 1996, 556 (563); Kleinknecht/Meyer-Goßner44 , § 161, Rn. 1; Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 31; Malek, StV 1992, 342 (344); Merten, NJW 1992, 355; Meurer in: Schünemann u. a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1281 (1295); Peters, Strafprozeß, § 24 III.; P/eiffe?, § 163, Rn. 1; Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 163, Rn. 6; Rogall, GA 1985, 1 (5 ff.); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10 11. 1.; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 20; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermitt-

F. §§ 161, 163 StPO als Ermächtigungsgrundlage

113

jedoch lediglich der "Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens,,245 für die Staatsanwaltschaft ableiten, nicht jedoch die Befugnis zu Eingriffen in die grundrechtlieh geschützte Sphäre eines anderen. 246 Schon der Wortlaut des 163 StPO Abs. 1 a.F. (,,[ ... ] haben [... ] zu erforschen") zeigte, daß es sich dabei um eine bloße Festlegung der Aufgaben der Polizei handelte 247 , da ein ergänzender Satz wie in § 163 Abs. 1 S. 2 StPO n. F. fehlte. Eine anderslauternde Interpretation, die aus der Aufgabenzuweisung auch die dazu notwendigen Befugnisse herleitete 248 , widersprach insofern schon dem "äußersten möglichen Wortlaut,,249 als Grenze der möglichen Auslegung einer Norm. 250 Darüber hinaus genügte ein solcher Schluß nicht dem vom Bundesverfassungsgericht251 geforderten Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit. 252 Um trotz des an sich eindeutigen Gesetzeswortlautes aus den §§ 161', 163 StPO a. F. auch Eingriffsbefugnisse der Ermittlungsbehörden abzuleiten, wurde Ende der 70er Jahre die "insbes. bei den Strafverfolgungsorganen populäre,,253 sog. "Schwellentheorie" entwickelt. Danach sollten die §§ 161, 163 StPO a.F. ungeachtet ihrer eigentlichen Funktion als Aufgabenzuweisung (s.o.) dann eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für nicht ausdrücklich normierte Eingriffe sein, wenn die auf der Maßnahme basierende Rechtsbeeinträchtigung in ihrer Eingriffsintensität zwar die Schwelle sog. schlicht-hoheitlichen Handeins überschritten, jedoch diejenige einer Zwangsmaßnahme der vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen noch nicht erreicht habe 254 . Da die Strafprozeßordnung sogar schwerwiegendere Eingriffe durch prozessuale Zwangsmaßnahmen zulasse, leiteten die Vertreter der "Schwellentheorie" daraus in einem "Erst-rechtSchluß" ab, daß dies dann auch für solche Maßnahmen gelten müßte, die unterhalb deren Eingriffsintensität liegen255 . ler, S. 51; Schoreit, DRiZ 1987,82; Wache in: KK-StPO, § 163, Rn. 1; Vogel, NJW 1978, 1217 (1225); Wolter, GA 1988,49 (60); ders., Jura 1992,520 (530). 245 Kleinknecht/Meyer-Goßner44 , § 161, Rn. 1. 246 Kleinknecht/Meyer-Goßner44 , § 161, Rn. 1. 247 Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, S. 51. 248 Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 93 ff.; Kramer, NJW 1992, 2732 (2734); ders., Kriminalistik 1993, 227 ff.; vgl. auch: Lesch, JA 2000, 725 (727). 249 V gl. B. III. 4. a). 250 V gl. Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittler, S. 51. 251 BVerfGE 21, 73 (79); vgl. auch Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rn. 34 f. 252 Malek, StV 1992, 342 (344). 253 Beulke, Strafprozeßrecht4 , Rn. 104. 254 Ahlf, Die Polizei 1983, 41 ff.; Reuber, Die Polizei 1987, 207 (221 ff.); GroßelRäsemann, Die Polizei 1988, 71 (74); Rebmann, NJW 1985, 1 (3). 8 Gercke

114

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

Die "Schwellentheorie" ist angesichts der Unmöglichkeit, eine hinreichend definierte "Schwerenschwelle,,256 zu bestimmen, die eine Abgrenzung zwischen den noch von §§ 161, 163 StPO gedeckten Eingriffen und solchen, die der Intensität einer Zwangsmaßnahme entsprechen, gestattet, zu Recht bei der überwiegenden Ansicht in der Lehre auf Ablehnung gestoßen 257 .

11. Die §§ 161, 163 StPO n. F. nach Inkrafttreten des StVÄG 1999 Durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StV ÄG 1999) vom 02.08.2000 258 wurde § 161 Abs. 1 StPO in eine der StPO bis dahin fremde Ermittlungsgeneralklausel umgewandelt259 . Dieser wurde § 163 StPO entsprechend angepaßt. 260 So gestatten die Vorschriften den Ermittlungsbehörden nun neben dem Auskunftsverlangen bzw. -ersuchen261 gegenüber allen Behörden auch die Vornahme von "Ermittlungen jeder Art". 1. Der Weg zum StVÄG 1999

Durch das StV ÄG 1999 sollte dem insbesondere vom BVerfG im Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 262 entwickelten Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen werden. 263 Neben der Schaffung präziser Rechtsgrundlagen für einzelne spezielle strafprozessuale Ermittlungstätigkeiten und für die Verwendung personenbezogener Informationen, die in einem Strafverfahren erhoben worden sind, sowie die Verarbeitung personenbezogener Daten in Dateien und ihre Nutzung war auch die Schaffung einer umfassenden, die speziellen Eingriffsermächtigungen ergänzende Ermittlungsgeneralklausel Ziel des Gesetzesvorhabens. 264 Große/Rösemann, Die Polizei 1988, 71 (74). Begriff nach Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 104. 257 Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 31; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 104; Riegel in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 345 (363); Rogall, GA 1985, 1 (6); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10 B. 11. 1.; Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (Stand: April 1994), Rn. 20; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, S. 52; Simon/Taeger, JZ 1982, 142. 258 BGBI. 2000 I, 1253. 259 BT-Drs. 1411484, S. 23. 260 BT-Drs. 1411484, S. 23. 261 Dazu im einzelnen: Pfeiffer, § 161, Rn. 2. 262 BVerfGE 65, 1. 263 BT-Drs. 1411484, S. 16; vgl. auch Albrecht, StV 2001, 416; Brodersen, NJW 2000,2536; Hefendehl, StV 2001, 700; Hilger, StraFo 2001, 109. 255

256

F. §§ 161, 163 StPO als Ennächtigungsgrundlage

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Die Arbeiten zum StVÄG 1999 wurden bereits direkt im Anschluß an das Volkszählungsurteil Anfang 1984 im BMJ aufgenommen?65 Es folgte ein langwieriger Diskussionsprozeß, der vor allem auf erheblichen Differenzen über das Verhältnis der Belange des Datenschutzes und einer vermeintlich erforderlichen effektiven Strafverfolgung266 zwischen Bundesregierung und Bundesrat beruhte?67 Wichtigste Zwischenergebnisse auf dem Weg zu dem Gesetzesvorhaben in seiner endgültigen Form waren der Bundesratsentwurf eines StVÄG 1994268 sowie der Bundesregierungs-Entwurf eines StVÄG 1996269 , die beide der Diskontinuität unterfielen. Die neue Bundesregierung brachte zu Beginn der 14. Legislaturperiode eine überarbeitete Fassung des vorherigen Regierungsentwurfes ein, der insbesondere der Stellungnahme des Bundesrates zu diesem sowie den Beratungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzgebungsvorhaben aus der 13. Legislaturperiode Rechnung trug. Nach weiteren Änderungen, die die Beschlußempfehlungen des Rechtsauschusses des Deutschen Bundestages 270 sowie die des vom Bundesrat angerufenen Vermittlungsausschusses 271 berücksichtigten, wurde das Gesetz vom Bundestag 272 mit anschließender Zustimmung des Bundesrates273 verabschiedet und trat am 1.11.2000 in Kraft. 2. Keine Ermittlungsbefugnis für die Standortbestimmung anband des Mobilfunkverkehrs

Bei der neuen Fassung des § 161 StPO und der entsprechenden Anpassung des § 163 StPO handelt es sich nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers um "begrenzte Generalklauseln,,?74 Die Vorschrift ist - schon angesichts des Bestimmtheitsgrundsatzes 275 - kein Ersatz für eine Eingriffsermächtigung zu intensiven Grundrechtseingriffen, falls die Voraussetzungen einer solchen bestehenden Regelung oder eine Regelung als solche gänzlich fehlen?76 Mögliche Eingriffsbefugnisse aus §§ 161, 163 StPO n.F. 264 265 266

267 268 269 270 271 272 273 274 275 8*

BT-Drs. 14/1484, S. 16. BT-Drs. 11/1878, S. 9. Vgl. 3. Kap. A. III. 3. b). Brodersen, NJW 2000, 2536. BT-Drs. 13/194. BT-Drs. 13/9718. BT-Drs. 14/2595. BT-Drs. 14/3525. BR-Drs. 349/00. BR-Drs. 349/00. BT-Drs. 14/1484, S. 16. Vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 16.

116

4. Kap.: Legitimation des Eingriffes

müssen also in ihrer Eingriffsintensität unterhalb der Schwelle der explizit gesetzlich geregelten strafprozessualen Maßnahmen liegen. 277 Die Neufassung der §§ 161, 163 StPO nimmt insofern vor allem Bezug auf die Überlegungen der bereits erwähnten umstrittenen "Schwellentheorie". Sie ermöglicht damit allenfalls verhältnismäßig wenig eingriffsintensive Ermittlungen allgemeiner Art wie z. B. die in der Gesetzesbegründung explizit erwähnte Einholung von Erkundigungen im Umfeld einer gesuchten Person oder eine kurzzeitige - nicht unter § 163f StPO n. F. fallende Observation. 278 Die Standortbestimmung beim Mobilfunkverkehr und die sich daraus ergebende Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsbildes stellt jedoch neben einem Eingriff in das informationelle Recht auf Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG dar279 , der dem gesetzlich geregelten Fall des § 100a StPO jedenfalls hinsichtlich der Eingriffsintensität ähnlich ist. Insofern liegt diese Maßnahme nicht unterhalb der Schwelle gesetzlich bereits geregelter grundrechtstangierender Ermittlungsmethoden und läßt sich folglich nicht auf die §§ 161, 163 StPO n.F. stützen?80

G. § 34 StGB als Ermächtigungsgrundlage Zum Teil wird in der Rechtsprechung 281 und auch in der Lehre 282 der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB zumindest prinzipiell als mögliche generelle Befugnisnorm für strafprozessuale Eingriffe in die Rechtssphäre eines einzelnen herangezogen. Diese Auffassung sieht sich bereits in der Literatur geäußerten grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt, wonach die allgemeinen strafrechtlichen Recht276 Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 104; Hilger, NStZ 2000, 561 (564); weitergehender: Albrecht, StV 2001, 416 (419), nach dem § 161 Abs. 1 StPO "Verfassungsbruch" ist. 277 Hilger, NStZ 2000,561 (564); ders., StraFo 2001,109 (111). 278 BT-Drs. 14/1484, S. 23; vgl. auch KleinknechtlMeyer-Goßner, § 161, Rn. 1. 279 s. 3. Kap. B. 280 Noch weitergehender: KleinknechtlMeyer-Goßner, § 161, Rn. 3, wonach von Telekommunikationsunternehmen bereits grundsätzlich keine Auskunft nach § 161 StPO verlangt werden kann. 281 BGHSt 27, 260; 31, 304 (307); 34, 39 (51); OLG Frankfurt/Main, NJW 1975, 271 (272); OLG Saarbrücken, NStZ 1991,386. 282 Bottke, Jura 1987, 356 (363 f.); Franzheim, NJW 1979, 2014 (2017); Gropp, StV 1989, 216 (222); Krey, Rechtsprobleme des Einsatzes Verdeckter Ermittier, Rn. 605; Kühl in: Lackner/Kühl, § 34, Rn. 14; Eser in: Schönke/Schröder, § 34, Rn. 7; Tröndle/Fischer, § 34, Rn. 24.

H. Zusammenfassung

117

fertigungsgründe auf hoheitliche Eingriffe in Individualrechte ausnahmslos unanwendbar seien. 283 Unabhängig von der prinzipiellen Anwendbarkeit des § 34 StGB auf hoheitliches Handeln erkennen auch die Befürworter eines "staatlichen Notstandsrechtes .. 284 jedenfalls an, daß ein solches allenfalls in außerordentlichen unvorhersehbaren Situationen anwendbar sei?85 Insofern besteht nahezu Einigkeit darüber, daß § 34 StGB nicht als Ermächtigungsgrundlage für übliche und voraussehbare strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen anwendbar ist. 286 Um eine solche handelt es sich aber bei der Standortbestimmung anhand des Mobilfunkverkehrs, so daß § 34 StGB selbst dann, wenn man ihn auf hoheitliches Handeln für grundsätzlich anwendbar anerkennen sollte, jedenfalls hier nicht einschlägig ist.

H. Zusammenfassung Die Untersuchung möglicher Ermächtigungsgrundlagen für die Erstellung von Bewegungsprofilen anhand der Mobilfunküberwachung vor dem Hintergrund des Vorbehalt des Gesetzes hat ergeben, daß sich diese Ermittlungsmethode nicht auf eine gesetzliche Rechtsgrundlage stützen kann. Es handelt sich somit um eine de lege lata rechtswidrige Ermittlungsmaßnahme.

283 So mit Recht: Amelung/Schall, Jus 1975, 565 (571); Amelung, NJW 1977, 833 ff.; ders.; NJW 1978, 623; Böckenförde, NJW 1978, 1881 (1882); Dahs, ZRP 1977, 164 (168); Hirsch in: LK-StGB, § 34, Rn. 6 ff.; Lüdersen, Jura 1985, 113 (119); Makrutzki, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozeß, S. 120 f.; Malek, StV 1992, 342 (344); Meurer in: Schünemann u.a. (Hrsg.), Roxin-FS, S. 1281 (1295); Neumann in: NK-StGB, § 34, Rn. 113; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 126 f.; Rogall, JZ 1987, 847 (850); Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 53; Samson in: SK-StGB, § 34, 33. Erg. Lfg. (September 2000), Rn. 10; Schatzschneider, NJW 1993, 2029; Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes Verdeckter ErmittIer, S. 55; Schünemann, GA 85, 341 (365); Schwarzburg, NStZ 1995, 469 (472); Seelmann, ZStW 95 (1983),797 (810); Sydow, JuS 1978,222; Wolter in: SKStPO, vor § 151,11. Erg. Lfg. (Juni 1994), Rn. 92. 284 Begriff nach Tröndle/Fischer, § 34, Rn. 24. 285 BGHSt 27, 260; 34, 39 (51); Tröndle/Fischer, § 34, Rn. 24. 286 Vgl. Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 160, Rn. 4, m. w.N.

5. Kapitel

Die Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Nachdem die Erstellung von Bewegungsbildern anhand der Funkzellenbestimmung beim Mobilfunkverkehr behandelt - und im Ergebnis als rechtlich unzulässig qualifiziert - wurde, soll im folgenden die Kumulation mehrerer Ermittlungsmaßnahmen untersucht werden, die eine Standortbestimmung des Betroffenen und damit die Erstellung eines Bewegungsprofiles ermöglichen. Schließlich stützen sich die Strafverfolgungsbehörden nur selten auf einzelne Ermittlungsmaßnahmen.! Gerade bezogen auf die Erstellung von Bewegungsbildern gibt es mittlerweile eine Reihe strafprozessualer Ermittlungsmöglichkeiten. Zunächst sollen die derzeit gängigen einzelnen Maßnahmen zur Standortbestimmung dargestellt werden, die die Erstellung eines Bewegungsbildes ermöglichen. Anschließend soll die Kumulation strafprozessualer Maßnahmen daraufhin untersucht werden, ob und inwieweit ihr eine eigene rechtliche Bedeutung zukommt.

A. Strafverfahrensrechtliche Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes Der gesetzliche Prototyp einer expliziten Ermächtigungsgrundlage zur Erstellung eines Bewegungsbildes ist in § 163e StPO (Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung) geregelt. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere gängige Ermittlungsmaßnahmen, die zumindest auch die Erstellung eines Bewegungsbildes ermöglichen. Hervorzuheben sind hierbei die längerfristige Observation, der Einsatz technischer Mittel für Observationszwecke sowie die Standortbestimmung anhand der Nutzung von EC- und Kreditkarten.

I

Vgl. Comes, StV 1998,569 (571).

A. Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes

119

I. Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung i. S. d. § 163e StPO Der gesetzliche Prototyp einer Ermächtigungsgrundlage für die Erstellung eines Bewegungsbildes ist § 163e StPO. Diese Norm, die die polizeiliche Beobachtung regelt, ist eine der vielen strafverfahrensrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen, die im Zuge des OrgKG vom 15.07.19922 eingeführt wurden. 1. Der Weg zur gesetzlichen Regelung der Norm

Die polizeiliche Beobachtung war schon vor der Einführung einer spezialgesetzlichen Grundlage seit langem üblich. 3 Sie wurde jedoch bis zur Einführung des § 163e StPO auf die §§ 161, 163 Abs. 1 StPO i. V. m. der Polizeilichen Dienstanweisung PDV 348.2 von 1979 gestützt und teilweise auch schlicht als gewohnheitsrechtlich zulässig anerkannt. 4 Da die Maßnahme jedoch überwiegend als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie auch als Eingriff in die darüber hinaus durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit des Beobachteten angesehen wurde 5 , ist mit § 163e StPO eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen worden. 2. Die Ausgestaltung der Norm

§ 163e StPO ermächtigt die Strafverfolgungsbehörden, bereits bestehende Kontrollstellen dazu zu nutzen, bei zur Beobachtung ausgeschriebenen Personen neben den Personalien auch andere Umstände wie Begleitpersonen, Transportmittel, Reiseweg und mitgeführte Gegenstände festzustellen. 6 Darüber hinaus ermächtigt § 163e Abs. 2 StPO die Ermittlungsbehörden, das Kennzeichen eines Kraftfahrzeugs auszuschreiben, sofern es auf eine nach Abs. 1 ausgeschriebene Person zugelassen ist bzw. von ihr oder einer unbekannten Person benutzt wird, die einer Straftat "von erheblicher Bedeutung,,7 verdächtig ist. BGBl. 1992, I, S. 1302; vgl. dazu auch 1. Kap. A. I. 3. Vgl. Krahl, NStZ 1998, 339. 4 Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 163e, Rn. 1; Krahl, NStZ 1998,339. 5 Vgl. nur Bottke in: GeppertlDennicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 37 ff. 6 Hilger, NStZ 1992, 523 (525); Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 3; Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 163e, Rn. 4. 7 Zu diesem Begriff vgl. nur Asbrock, Betrifft Justiz 1992, 207 (209), der darauf hinweist, daß es keine "unerheblichen Straftaten" gebe, so daß diese Formulierung daher letztlich den Weg zu allen Delikten des StGB öffne. 2

3

120

5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

Als KontrollsteIlen kommen solche nach den §§ 111, 163b StPO und den §§ 2, 23 BGSG sowie solche nach den Polizeigesetzen der Länder8 in Betracht. 9 Die jeweils erfaBten Informationen werden dann der ausschreibenden Behörde gemeldet, die sie ihrerseits speichert und auswertet, um so ein Bewegungsbild des Betroffenen zu erstellen. Die Ausschreibung unterliegt nach § 163 Abs. 4 S. 1 StPO grundsätzlich einem Richtervorbehalt. Bei "Gefahr im Verzug,,10 kann die Maßnahme aber auch von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Im übrigen fehlen jedoch Regelungen zu Form und Inhalt der Anordnung. Insofern kann jedoch § 163d Abs. 3 S. 1-4 StPO sachentsprechend angewendet werden. 11 3. Verfassungsrechtliche Bedenken

Da Standortbestimmungen im Rahmen des § 163e StPO sehr zufallsabhängig sind und nur in zeitlich großen Intervallen vorgenommen werden, ist der Aussagegehalt eines durch diese Maßnahme erstellten Bewegungsbildes entsprechend gering. Die Maßnahme ermöglicht daher allenfalls "zufallsbedingte,,12 Ergebnisse anstatt gezielter Ermittlungen. Aus diesem Grund wird der praktische Nutzen bzw. die Notwendigkeit der Norm in der Lehre ganz überwiegend bestritten. 13 Insofern bestehen schon unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Verhältnismäßigkeit einer Norm ernsthafte Bedenken an der Einhaltung verfassungsrechtlicher Standards 14; schließlich ist die erste Voraussetzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Maßnahme ihre prinzipielle Geeignetheit zur Zielerreichung. 15 Auch die fehlenden Datenschutzregelungen 16 sorgen für erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm. 17

Z. B. für NRW: § 21 PolG NW. Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 3. 10 Vgl. zum Begriff Kap. IV C. I. 2. 11 Wolter in: SK-StPO, § 163e, 16. Erg. Lfg. (Mai 1997), Rn. 2. 12 Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 3. 13 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 163e, Rn. 2; Krahl, NStZ 1998, 339 (341 f.); Krehl in: Heidelberger Kommentar, § 163e, Rn. 2; Krüger, Kriminalistik 1992,594 (597); Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 552; Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 3, 7; Wolter in: SK-StPO, § 163e, 16. Erg. Lfg. (Mai 1997), Rn. 1 f. 14 Wolter in: SK-StPO, § 163e, 16. Erg. Lfg. (Mai 1997), Rn. 8. 15 Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20, Rn. 27; Jarass in: Jarassl Pieroth, Art. 20, Rn. 84. 16 Vgl. Wolter in: SK-StPO, § 163e, 16. Erg. Lfg. (Mai 1997), Rn. 5a ff. 17 Wolter in: SK-StPO, § 163e, 16. Erg. Lfg. (Mai 1997), Rn. 2; wohl auch: Krahl, NStZ 1998, 339 (341 f.); Schoreit in: KK-StPO, § 163e, Rn. 4. 8

9

A. Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes

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11. Die längerfristige Observation, § 163f StPO Unter einer Observation im Rahmen der Strafverfolgung versteht man die systematische, zumeist heimlich 1s vorgenommene Überwachung von Personen, Objekten oder Vorgängen zur Informationsgewinnung. 19 Der Gesetzgeber versteht unter einer längerfristigen Observation nach der Legaldefinition des durch das StVÄG 1999 vom 02.08.2000 20 eingeführten § 163f StPO die "planmäßige Beobachtung des Beschuldigten [... ], die 1. durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder 2. an mehr als zwei Tagen stattfinden soll". Für den präventiv-polizeilichen Bereich war die Maßnahme bereits in den Polizeigesetzen der Länder21 sowie im Bund in § 23 Abs. 2 Nr. 1 BKAG und § 28 Abs. 2 Nr. 1 BGSG geregelt. Sie unterfällt ebenso wie die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung nach § 163e StPO in der polizeilichen Praxis dem Oberbegriff der "beobachtenden Fahndung".22 Bei einer umfassenden Überwachung werden zwangsläufig auch die jeweiligen Aufenthaltsorte des Betroffenen erfaßt, so daß sich daraus ein detailliertes Bewegungsprofil gewinnen läßt. Die längerfristige heimliche Observation ermöglicht darüber hinaus auch einen Überblick über das Verhalten, die Beziehungen und die Lebensumstände des Betroffenen. 23 Sie läßt insofern über die bloße Erstellung eines Bewegungsbildes hinaus ein umfassendes Persönlichkeitsprofil ZU?4 Die Überwachung selbst kann durch Polizeibeamte - speziell durch sog. "Mobile Einsatzkommandos" (MEK)25 aber auch durch technische Hilfsmittel, insbesondere durch den Einsatz von Videoüberwachung, vorgenommen werden. 26 Die längerfristige Observation stellt nach zutreffender und nahezu einhelliger Ansicht einen intensiven Grundrechtseingriff dar, der als solcher aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes 27 einer gesetzlichen Grundlage bedarf?S 18 Zur sog. "offenen" Observation, die der Verunsicherung des Betroffenen dienen soll vgl.: Krey in: Kühne (Hrsg.), Miyazawa-FS, 595 (609); Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 84, 86. 19 Burghard u. a., Kriminalistik Lexikon, Stichwort "Beobachtung"; Pfennig, Die Polizei 1978, 173. 20 BGBI. 2000 I, 1253; zur Geschichte des StV ÄG: 4. Kap. E. I. 2. 21 Vgl. z.B. für NRW: § 16 PolG NW; speziell zur (Video-) Observation öffentlicher Plätze im Polizeirecht vgl.: Roggan, NVwZ 2001, 134 ff. 22 Vg!. dazu allgemein die Nr. 39-43 RiStBV sowie die An!. B zur RiStBV. 23 Krahl, NStZ 1998, 339 (340). 24 Wache in: KK-StPO, § 163, Rn. 18. 25 Vgl. Burghard u. a., Kriminalistik Lexikon, Stichwort "Beobachtung". 26 Krahl, NStZ 1998, 339 (340). 27 Vgl. 2. Kap.

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel 1. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme vor der Einführung des § 163f StPO durch das StVÄG 1999

Bis zur Einführung des § 163f StPO war angesichts einer mangelnden expliziten gesetzlichen Regelung die Rechtmäßigkeit dieser "althergebrachte(n) Ermittlungsmethode,,29 äußerst umstritten. a) Ablehnung der Rechtmäßigkeit bzw. Beschränkung auf einen" Übergangszeitraum "

Große Teile der Literatur verneinten die Rechtmäßigkeit der längerfristigen Observation30 bzw. erachteten sie angesichts des kriminalpolitischen Bedürfnisses 31 allenfalls für einen sog. "Übergangszeitraum" als zulässig. 32 Letzterer Auffassung hatte sich zunächst auch der BGH in einem Urteil zur Videoüberwachung vom 14.05.1991 33 angeschlossen. b) Rechtsgrundlage in § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO

Nach der Einführung des § 100c durch das OrgKG vom 15.07.199234 stützte der BGH die längerfristige Observation jedoch - jedenfalls hinsichtlich solcher Observationen, die mit Video-Kameras erfolgten - auf § 100c Abs. I Nr. 1 a) StPO. 35 Dieser stellte allerdings nach zutreffender Ansicht36 28 Baumann, JuS 1987, 681 (684); Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Rn. 567b; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 514; KleinknechtIMeyer-Goßner, § 163, Rn. 34a; Riegel, JZ 1980, 224 (225); Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 163, Rn. 51; Rogall, GA 1985, 1 (25 f.); Wache in: KK-StPO, § 163, Rn. 18; Wolter, Jura 1992, 520 (528 ff.); ders., NStZ 1993, 1 (2, 9); a.A.: von Hippel/Weiß, IR 1992, 316 ff. mit der zweifelhaften Argumentation, daß die Beobachtung keine reale Beeinträchtigung sei, sondern allenfalls subjektives Empfinden tangiere, welches durch die Verfassung nicht geschützt sei. 29 BGHSt 44, 13 (15). 30 BernsmannlJansen, StV 1998, 217 (229); Comes, StV 1998, 569; Malek, StV 1992, 342; Merten, NJW 1992, 354 f.; Rudolphi in: SK-StPO, Stand: 10. Erg. Lfg. (April 1994), vor § 94, Rn. 47; i.E. wohl auch Asbrock, NStZ 1998, 632 f.; Gusy, StV 1991,499. 31 Vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 24. 32 Achenbach in: AK-StPO, § 163, Rn. 8a i. V.m. 8e; AmelunglKerckhoff, JuS 1993, 196 (200); Rogall, NStZ 1992, 45 (47 f.); wohl auch: Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10, Rn. 30; Wolter, GA 1988,49, 129 (134 f.); allgemein zum sog. "Übergangsbonus": Rogall, ZStW 103 (1991),907 (953 f.). 33 BGH, NJW 1991,2561. 34 BGBI. 1992, I, S. 1302; vgl. auch 1. Kap. A. I. 35 BGHSt 44, 13 (15); ebenso: Beulke4 , Strafprozeßrecht, Rn. 263; Krey in: Kühne (Hrsg.): Miyazawa-FS, S. 595 (609); Satzger, JA 1998, 539 (542); Wache in KK-StPO, § 163, Rn. 18; einschränkend: Amelung, NStZ 1998, 631, nach dem

A. Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes

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keine ausreichende Rechtsgrundlage dar, da die längerfristige Observation als solche kein Regelungsgegenstand des § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO ist, sondern lediglich die Zulässigkeit technischer Mittel zu Observationszwekken regelt 3 ? - und zwar unabhängig von der Dauer der Observation. 38 Insofern ist es unzulässig, aus einem bloßen Unterstützungsmittel für eine Maßnahme - selbst wenn es diese intensiviert - auch die Zu lässigkeit der Maßnahme als solcher abzuleiten. Dies gilt um so mehr, als daß es sich bei § 100c StPO um eine Regelung mit abschließendem Charakter handelt, die als solche nicht die Herleitung sog. ,,Minus-Maßnahmen" aus sich heraus erlaubt. 39 Auch die von Teilen der Literatur vertretene sog. Lehre von den konkludenten Eingriffsermächtigungen40 steht einer Ablehnung von § lOOc Abs. I Nr. 1 StPO als Ermächtigungsgrundlage für längerfristige Observationen nicht entgegen. Nach dieser Lehre enthalten gesetzliche Eingriffsermächtigungen konkludent ebenfalls die Ermächtigung für die dazu unerläßlichen Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen, sofern diese nicht den gesetzlich geregelten Eingriff an Intensität übertreffen. 41 Die längerfristige Observation verfügt jedoch über einen eigenständigen Ermittlungscharakter und ist keine bloße Vorbereitungs- oder Begleitmaßnahme zu den in § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO beschriebenen Maßnahmen. 42 c) §§ 161, 163 StPO a. F.

Ein Rückgriff auf §§ 161, 163 StPO a. F. mußte schon daran scheitern, daß diese keine Ermächtigungsgrundlagen für strafprozessuale Eingriffs§ lOOc Abs. I Nr. 1 a) StPO lediglich für die bloße Video-Überwachung an einem Ort einschlägig sei. 36 Asbrock, NStZ 1998, 632; BemsmannlJansen, StV 1998, 217 (223, 229); Kühne, Strafprozeßrecht, § 30, Rn. 528; Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 14 f.; Rogall, JZ 1998, 796 (798); Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10, Rn. 30. 37 Asbrock, NStZ 1998, 632. 38 Dieses ist insofern von Bedeutung, als die kurzfristige Observation nach herrschender Ansicht keiner speziellen Ermächtigungsgrundlage bedarf, da sie in die Rechte des Betroffenen nicht wesentlich anders eingreife als die aufgrund der allgemeinen Ennittlungsfreiheit zulässige Vernehmung oder ähnliche offene Nachforschungen (Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 163, Rn. 50). 39 WälteriStienkemeier, Kriminalistik 1994, 93 (94). 40 Vgl. dazu: Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 31 ff. 41 Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 34; ähnlich auch: SchairerlKrombacher, Kriminalistik 1998, 119. 42 Rogall, JZ 1998, 796 (798); vgl. auch: LG Freiburg, NStZ 1996,508.

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

maßnahmen waren. 43 Nach Teilen der Literatur sollte die längerfristige Observation trotzdem nach §§ 161, 163 StPO a. F. legitimiert sein, weil diese nur als Befugnisnormen für Eingriffe mit Zwangscharakter ausschieden und folglich alle anderen Ermittlungsmethoden legitimiert seien. 44 Der Observation als heimlicher Ermittlungsmethode fehle aber gerade aufgrund der Heimlichkeit jeder Zwangscharakter. 45 Unabhängig davon, daß es eine unzulässige Umgehung des Vorbehaltes des Gesetzes wäre, aus den gesetzlich geregelten schwerwiegenden Eingriffen mit Zwangscharakter abzuleiten, daß auch weniger schwerwiegende zulässig seien46 , verkennt diese Ansicht die hohe Eingriffsintensität, die heimlicher Ermittlung grundsätzlich zukommt. Spätestens seit dem Volkszählungsurteil 47 ist es weitgehend anerkannt, daß heimliche Ermittlungsmaßnahmen nicht weniger grundrechtsrelevant als klassische Zwangsmaßnahmen sind48 - insbesondere auch vor dem Hintergrund, daß sich der Betroffene nicht gegen die einzelnen Maßnahmen zur Wehr setzen kann, da er gerade nichts von ihnen weiß. d) Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Schließlich wurde vereinzelt vertreten, daß die längerfristige Observation jedenfalls aufgrund vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht zulässig sei. 49 Diese Ansicht hat jedoch zu Recht kaum Zustimmung gefunden, da der Rückgriff auf Gewohnheitsrecht als Ermächtigungsgrundlage für strafprozessuale Grundrechtseingriffe nicht mit den Verfassungsgrundsätzen der Bestimmtheit und Normenklarheit für Eingriffsermächtigungen in Einklang steht. 50

unter 4. Kap. F. I. KreylHaubrich, JR 1992, 309 (315); KubicalLeineweber, NJW 1984, 2068 (2071 f.); Schön, NStZ 1992, 504; i. E. auch Lesch, Strafprozeßrecht, 4. Kap., Rn. 102. 45 KubicalLeineweber, NJW 1984, 2068 (2072). 46 Grünwald, JZ 1981, 423 (425); Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 20; vgl. auch BGHSt 8, 144. 47 BVerlGE 65, 1. 48 Vgl. nur Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozeßrecht, S. 2; ders., GA 1985, 1 ff. 49 Krey in: Kühne (Hrsg.): Miyazawa-FS, S. 595 (609); ders., Strafverlahrensrecht Bd. 1, Rn. 488 f. 50 Rottke in: Geppert/Dehnicke (Hrsg): Meyer-FS, S. 37 (40); Rogall, NStZ 1992,45 (47); ders., ZStW 103 (1991),907 (930); Wolter, Jura 1992,520 (525). 43 S. o. 44

A. Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes

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2. Die gesetzliche Regelung des § 163f StPO

Mit der Einführung von § 163f StPO durch das StVÄG 1999 ist die längerfristige Observation angesichts der oben aufgezeigten unklaren Rechtslage gesetzlich geregelt worden. 51 Der Norm ist - wie dem gesamten StVÄG 1999 - ein langwieriger Diskussionsprozeß zwischen den beteiligten Gesetzgebungsorganen vorausgegangen. 52 Letztlich stellt die Norm einen Kompromiß dar. So konnte sich der Bundesrat nicht mit seiner Forderung durchsetzen, daß von einer von § 163f StPO erfaßten - und damit einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürftigen - längerfristigen Observation, die nicht durchgehend länger als 24 Stunden dauert, erst dann zu sprechen sei, wenn diese an mehr als sieben Tagen stattfinden sol1. 53 Allerdings ist die Empfehlung des Bundesrates 54 , auf einen Richtervorbehalt zu verzichten, berücksichtigt worden, der ursprünglich geplant war55 , so daß nun eine staatsanwaltschaftliehe Anordnungskompetenz - bzw. bei Gefahr im Verzug56 auch die Anordnung durch die Hilfsbeamten i. S. d. § 152 GVG - ausreichend ist. Die Maßnahme unterliegt einer sog. "qualifizierten Subsidiaritätsklausel", d.h. sie ist nur dann anzuordnen, wenn die Aufklärung durch andere Maßnahmen "erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre,,57. Der Verzicht auf einen Richtervorbehalt erscheint im Hinblick auf die intensive Eingriffsqualität der Maßnahme innerhalb der strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen als systemwidrig. So erfordern eine Reihe erheblich weniger eingriffsintensiver Maßnahmen - wie beispielsweise die in unmittelbarer Gesetzesnähe stehende Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung (§ 163e StPO) - einen Richtervorbehalt. Insofern erscheint es nur schwer verständlich, daß der Gesetzgeber bei einer Maßnahme, die in letzter Konsequenz die Erstellung eines umfassenden Persönlichkeitsprofils ermöglicht und damit tief in die Privatsphäre eingreift, auf einen solchen verzichtet hat. 51 Allein aus dieser Tatsache kann letztlich nur gefolgert werden, daß jedenfalls der Gesetzgeber bis zur Einführung des § 163f StPO keine gültige Rechtsgrundlage für die Maßnahme gesehen hat (vgl. Bemsmann/Jansen, StV 1998,217 (229». 52 s. 4. Kap. F. 11. 1. 53 Vgl. BR-Drs. 961/2/96, S. 14 f.; 6511/99, S. 6 f. 54 BR-Drs. 961/2/96, S. 15. 55 BT-Drs. 13/9718, S. 6. 56 Vgl. dazu: 4. Kap. C. I. 2. 57 Vgl. zum System der Subsidiaritätsklauseln: B. 11. l.

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

111. Der Einsatz technischer Mittel für Observationszwecke, § lOOc Abs. 1 Nr. 1 StPO Die Vorschrift des § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO wurde - wie eine Reihe weiterer heimlicher Ermittlungsmethoden - durch das OrgKG 1992 vom 15.07.199258 eingeführt und durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 04.05.1998 59 ergänzt. Während in § 100c Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO die Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes mit technischen Mitteln außerhalb und innerhalb von Wohnungen (sog. "kleiner" und "großer Lauschangriff,6o) geregelt sind, enthält § 100c Abs. 1 Nr. I StPO gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen, die unter anderem die Ermittlung des Aufenthaltortes und damit auch die Erstellung eines Bewegungsbildes zulassen. 1. Die Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO

§ 100c Abs. 1 Nr. 1 a) StPO ermöglicht zur Erforschung des relevanten Sachverhaltes, sowie zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Betroffenen die Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen. Unter letztere fallen vor allem Video- und Filmaufnahmen. 61

Die Maßnahme unterliegt einer Subsidiaritätsklausel. 62 Sie darf sich grundsätzlich nur gegen den Beschuldigten richten. Eine Überwachung Dritter kommt nur dann in Betracht, wenn eine Ermittlung auf andere Weise erheblich weniger erfolgs versprechend oder wesentlich erschwert wäre, also nur bei besonderer, über § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO hinausgehender Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Obwohl in der Öffentlichkeit prinzipiell niemand sicher vor Beobachtung sein kann, ist eine gesetzliche Regelung vor dem Hintergrund des Gesetzesvorbehaltes 63 notwendig, da es sich bei der Maßnahme um einen Eingriff in Grundrechte - insbesondere das informationelle Selbstbestimmungsrecht handelt. 64

BGBl. 1992 I, 1302; vgl. dazu auch 1. Kap. A. 1. BGBl. 1998 I, 845. 60 Zur Kontroverse um die Einführung des "großen Lauschangriffs" im Rahmen des Strafverfahrens mit Darstellung der Argumente von Gegnern und Befürwortem dieser Maßnahme vgl. nur: Müller, Der sogenannte "Große Lauschangriff' S. 1 ff. 61 Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 9; RudolphilWolter in: SK-StPO, § 100c, 22. Erg. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 4. 62 Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 7; vgl. dazu auch B. 1I. 1. 63 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2. 58 59

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a) Beschränkung von § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO auf Observationszwecke § lOOc Abs. 1 Nr. la StPO ermöglicht nur die Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zu Observationszwecken. 65 Dies ergibt sich schon aus der Formulierung des § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO, in der ausdrücklich auf "sonstige besonders für Observationszwecke bestimmte technische Mittel" abgestellt wird. Daher fällt z. B. das Fotografieren am Tatort zur Spurensicherung nicht unter die Vorschrift. 66

b) Beschränkung von § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO auf öffentliche Räume Maßnahmen nach § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO sollen nach dem expliziten Willen des Gesetzgebers nur außerhalb von nicht allgemein zugänglichen Wohnungen i. S. d. Art. 13 GG zulässig sein, auch wenn diese Beschränkung aus dem Wortlaut an sich nicht hervorgeht. 67 Sie ergibt sich jedoch aus dem hohen Stellenwert der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG68 und der expliziten Erwähnung der akkustischen Überwachung von Wohnungen in § lOOc Abs. 1 Nr. 3 StPO. Der Wohnungsbegriff ist dabei entsprechend der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Art. 13 GG weit auszulegen. 69 So fallen hierunter z. B. nicht-allgemein-zugängliche Geschäfts- und Büroräume7o , Vereinshäuser und -räumlichkeiten7 ), Hotelzimmer und Bordellen, Gartenhäuser73 , Wohnwagen74 und der Vorgarten eines Wohnhauses 75 . Auch von außen erfolgende Observationsmaßnahmen, die einen Einblick in das Wohnungsinnere 64 Nack in: KK-StPO, § 1ooe, Rn. 8; RudolphilWolter in: SK-StPO, § 100e, 22. Erg. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 4a; Wolter, StV 1989, 358 (369); a.A.: Kleinknechtl Meyer-Goßner, § 100e, Rn. l. 65 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100e, Rn. 1; Pfeiffer, § 100e, Rn. 3; Rudolphil Wolter in: SK-StPO, § 100e, 22. Erg. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 4; a.A.: König, Kriminalistik 1998, 349 ff. 66 Hilger, NStZ 1992,457 (462). 67 BT-Drs. 12/989, S. 39. 68 WälterlStienkemeier, Kriminalistik 1994, 93 (99). 69 BGH, NStZ 1997, 195 (196); Roxin, Strafverfahrensreeht, § 10, Rn. 24. 70 Nack in: KK-StPO, § 100e, Rn. 17; Roxin, Strafverfahrensreeht, § 10, Rn. 24; RudolphilWolter in: SK-StPO, § 100e, 22. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 11e, m. w. N. 71 BGHSt 42, 372. 72 Roxin, Strafverfahrensreeht, § 10, Rn. 24. 73 RudolphilWolter in: SK-StPO, § 100e, 22. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 11e. 74 Vgl. BGH, NStZ 1999, 145 (146). 75 BGH, NStZ 1998, 157.

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

ennöglichen, sind unzulässig 76 . Allerdings hat der BGH die Videoüberwachung eines Wohnungseinganges für zulässig erklärt, soweit diese nur das Betreten bzw. Verlassen der Wohnung erfaßt und nicht die Vorgänge in der Wohnung selbst. 77 Zunehmend wird - vor allem von Vertretern der Strafverfolgungsorgane - de lege ferenda auch die venneintliche Notwendigkeit einer optischen Überwachung innerhalb nicht-öffentlicher Räumlichkeiten (sog. "großer Spähangriff') geltend gemacht. 78 2. Der Einsatz sonstiger technischer Mittel für Observationszwecke, § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO

§ lOOc Abs. I Nr. I b) StPO gestattet den Einsatz bestimmter technischer Mittel zu Observationszwecken mit dem Ziel der Sachverhaltserforschung oder Aufenthaltsermittlung. Ebenso wie § IOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO läßt § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO nur Überwachungsmaßnahmen in öffentlichen Räumen ZU. 79

Aus der Gesetzessystematik von § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b) StPO im Verhältnis zu § lOOc Abs. 1 Nr. 1 a) StPO und § lOOc Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO ergibt sich, daß es sich dabei um solche Maßnahmen handelt, die weder die Aufnahme noch die Aufzeichnung von Wort und Bild ennöglichen. 8o Von der Regelung werden allein solche Mittel umfaßt, die Signale zur Lokalisierung aussenden bzw. empfangen. 81 Darunter fallen neben - in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erwähnten82 - Peil sendern auch sog. Alannkoffer, Bewegungsmelder (wie beispielsweise Radarschleusen) und Nachtsichtgeräte. 83 Bloße Sehhilfen wie Brillen oder Ferngläser werden hingegen nicht von § 100c Abs. 1 Nr. 1 b) StPO erfaßt, da es sich hierbei nicht um "besondere Mittel" handelt. 84 Ihr Einsatz ist bereits durch die §§ 161, 163 StPO gedeckt. 85 Gleiches gilt für gebräuchliche Mittel zur Observationsunterstützung wie beispielsweise Sprechfunkgeräte. 86 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10, Rn. 24. BGHSt 44, 13. 78 Vgl. dazu nur: Denninger, StV 1998,401 (402). 79 Kühne, Strafprozeßreeht, Rn. 528; Nack in: KK-StPO, § lODe, Rn. 10. 80 BT-Drs. 12/989, S. 39; Hilger, NStZ 1992, 457 (461, Fn. 89); Nack in: KKStPO, § lOüe, Rn. 10. 81 Nack in: KK-StPO, § lODe, Rn. 10. 82 BT-Drs. 12/989, S. 39. 83 Hilger, NStZ 1992, 457 (461, Fn. 89); König, Kriminalistik 1998, 349 (351); RudolphilWolter in: SK-StPO, § lODe, 22. Lfg. (Oktober 2000), Rn. 7a. 84 Cassardt, ZRP 1997,370 (371); RudolphilWolter in: SK-StPO, § lODe, Rn. 7a. 85 Nack in: KK-StPO, § lODe, Rn. 10. 76

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A. Maßnahmen zur Gewinnung eines Bewegungsbildes

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Nach Ansicht der Rechtsprechung 87 und der herrschenden Lehre 88 soll auch der Einsatz satelliten gestützter Ortungssysteme wie dem Global Positioning System (GPS) auf der Grundlage des § lOOc Abs. 1 Nr. 1b StPO zulässig sein. Dagegen werden jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der Besonderheiten der technischen Funktionsweise des Ortungssystems89 sowie auch der weltraumrechtlichen Komponente des GPS-Einsatzes rechtliche Bedenken vorgebracht. 90 IV. Die Standortbestimmung anhand der Nutzung von EC- und Kreditkarten ete., § 161 bzw. §§ 94 ff. StPO

Nutzt der Beschuldigte eine EC- oder Kreditkarte, so bekommen die jeweiligen Kreditinstitute neben den sonstigen Buchungsinformationen zwangsläufig auch immer den jeweiligen Buchungsort mitgeteilt, der dann - auch aus Zwecken der Transparenz für den Kunden - von dem Kreditinstitut erfaßt wird. 91 Aus den so erlangten Informationen läßt sich dementsprechend ein - wenn auch nur punktuelles - Bewegungsbild ermitteln. Hinsichtlich der rechtmäßigen Vornahme eines diesbezüglichen Auskunftsersuchens ist zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Kreditinstituten zu differenzieren. 1. Auskunftsverlangen gegenüber öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten

Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute sind schon nach § 161 Abs. 1 StPO zur Auskunft sämtlicher Buchungsinformationen nach § 161 Abs. 1 StPO verpflichtet. 92 Ein dem Auskunftsverlangen entgegenstehendes "Bankgeheimnis" besteht insofern nicht. 93 KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100e, Rn. 2. BGH, StV 2001, 216; OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268. 88 Beulke, Strafprozeßreeht, Rn. 264; KleinknechtIMeyer-Goßner, § 100e, Rn. 2; Lemke in: Heidelberger Kommentar-StPO, § 100e, Rn. 12; Nack in: KK-StPO. § 100e, Rn. 13; Pfeiffer, § 100e, Rn. 3; RudolphilWolter in: SK-StPO, 22. Lfg. (Oktober 2000), § 100e, Rn. 7a; Schroeder, Strafprozeßreeht, Rn. 108; Steinmetz, NStZ 2001,344; Theisen, JR 1999,259. 89 Zur Funktionsweise des GPS vgl. nur: Dodel, CR 1997, 567 ff.; Engel, PCShopping 312000, 18 f.; Mörs, CR 1996,42 ff. 90 Bernsmann, StV 2001, 382 ff.; Comes, StV 1998, 569 f.; krit. aueh Gusy, StV 1998,526 f. 91 Gleiches gilt aueh zum Teil für sog. "Kundenkarten", wie sie mittlerweile üblieherweise von Kaufhaus- oder Tankstellenketten angeboten werden. 92 AlsberglNüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, S. 476; Kleinknechtl Meyer-Goßner, § 161, Rn. 4; Pfeiffer, § 161, Rn. 3; Rieß in: Löwe/Rosenberg, 86

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9 Gercke

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

2. Auskunftsverlangen gegenüber privaten Kreditinstituten

Private Kreditinstitute können hingegen grundsätzlich nicht zu einer Auskunftserteilung gezwungen werden. 94 Allerdings besteht für die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, die entsprechenden Buchungsunterlagen nach den §§ 94 ff. StPO herauszuverlangen bzw. im Falle der Weigerung zu beschlagnahmen, sowie die Angestellten des Institutes als Zeugen zu vernehmen. In der Praxis wird die sog. "Abwendungs-Auskunft,,95 die Regel sein: Danach werden die Kreditinstitute zunächst um "freiwillige,,96 Auskunftserteilung über die Buchungsvorgänge gebeten. 97 Diese "freiwillige" Mitwirkung zur Abwendung einer drohenden Beschlagnahme ist nach überwiegender Ansicht uneingeschränkt zulässig und soll ausnahmslos auch nicht gegen die zivilrechtlichen Geheimhaltungspflichten des Kreditinstitutes verstoßen. 98 Überzeugender erscheint hingegen eine differenzierende Betrachtungsweise, wonach eine solche "Abwendungs-Auskunft" jedenfalls dann gegen die sich aus dem Bankvertrag ergebenden zivilrechtlichen Geheimhaltungspflichten verstößt, wenn weitergehende Ermittlungsmaßnahmen - wie eine Beschlagnahme - lediglich in Aussicht gestellt werden und damit letztlich in ihrem Ergehen ungewiß bleiben. 99 Zur Auskunft berechtigt bzw. verpflichtet ist das Kreditinstitut demnach lediglich bei einem real drohenden rechtmäßigen Einsatz von Zwangsmitteln, da dann der Kunde durch die § 161, Rn. 28; Tiedemann, NJW 1972, 657 (665); Wache in: KK-StPO, § 161, Rn. 8. 93 LG Frankfurt/Main, NJW 1954, 688; LG Hamburg, NJW 1978, 958; KleinknechtlMeyer-Goßner, § 161, Rn. 4; Lilie, NStZ 1981, 440; Plonka, Die Polizei 1986, 395 (396); Prost, NJW 1976, 214; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 213; Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 161, Rn. 28; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 26, Rn. 27. 94 LG Hof, NJW 1968, 65; KleinknechtlMeyer-Goßner, § 161, Rn. 4; Müller, NJW 1963, 833 (836); Pfeiffer, § l00c, Rn. 3; Seimer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, S. 76; Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 161, Rn. 28. 95 Begriff nach Seimer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, S. 78. 96 Kritisch zur "Freiwilligkeit" einer solchen Auskunftserteilung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten: Sichtermann, NJW 1968, 1996 (1998), der darauf hinweist, daß angesichts möglicher langwieriger Ermittlungen und insbesondere Vernehmungen der Angestellten des betroffenen Kreditinstitutes erhebliche Zweifel an einer tatsächlichen "freiwilligen" Mitwirkung bestehen. 97 Vgl. LG Kaiserslautern, NStZ 1981,438. 98 KleinknechtlMeyer-Goßner, § 161, Rn. 4; Pfeiffer, § 161, Rn. 3; Rieß in: Löwe/Rosenberg, § 161, Rn. 28. 99 Seimer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, S. 79; Sichtermann, NJW 1968, 1996 (1997).

B. Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildem

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freiwillige Herausgabe in seiner Rechtssphäre nicht stärker belastet sei, als es bei einer tatsächlichen Vornahme des Zwangsmittels der Fall wäre. 1OO

B. Die Kumulation der einzelnen Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildern Es wurde festgestellt, daß es eine Vielzahl von Ermittlungsmaßnahmen zur Standortbestimmung und damit auch zur Erstellung von Bewegungsbildern gibt. Dementsprechend bietet sich für die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, diese unterschiedlichen Methoden untereinander, aber auch mit sonstigen heimlichen Überwachungsmaßnahmen zu kombinieren. Die rechtliche Bewertung einer solchen Bündelung von Ermittlungsmethoden ist in Rechtsprechung lOl und Literatur lO2 erst in der jüngsten Zeit und bisher auch nur vereinzelt behandelt worden. Im folgenden soll untersucht werden, wie eine solche Kumulation von Ermittlungsmethoden - insbesondere mit dem gleichen Ermittlungsziel - rechtlich zu beurteilen ist. I. Eigenständige Qualität der Kumulation

Ausdrücklich wird die Kumulation der einzelnen Ermittlungsmaßnahmen in der Strafprozeßordnung nicht erwähnt. 103 Daraus läßt sich aber - wie Comes zurecht feststellt - nicht ohne weiteres herleiten, daß gegenüber einer solchen Bündelung mehrerer, jeweils für sich allein betrachtet zulässiger, Maßnahmen in ihrer Gesamtheit keinerlei rechtliche Bedenken - insbesondere verfassungsrechtlicher Art - bestünden. 104 So ist die Kumulation mehrerer Ermittlungsmethoden nicht bloß die Addition der einzelnen Maßnahmen und damit eine rein quantitative Steigerung von Überwachung, sondern ihr kommt unter Umständen eine eigene Qualität zu, die gegebenenfalls gesondert zu beurteilen ist. 105 Zur Veranschaulichung bedient Comes sich in seiner Anmerkung zur Entscheidung des OLG Düsseldorf folgenden fiktiven Beispiels: Seimer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, S. 79. BGH, StV 2001, 216; OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268. 102 Bemsmann, StV 2001, 382 (385); Comes, StV 1998, 569 ff.; Gusy, StV 1998, 526; Steinmetz, NStZ 2001, 344 ff.; vgl. auch: Rudolphi/Wolter in: SK-StPO, 22. Lfg. (Oktober 2000), § lODe, Rn. 7a. 103 Insoweit übereinstimmend: OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268 (269); Comes, StV 1998,569 (570). 104 Comes, StV 1998, 569 (570 f.); vgl. auch: Hamm, in: Holznagel/Nelles/Sokol (Hrsg.), Die neue TKÜV, S. 81 (86 f.). 105 Comes, StV 1998,569 (571). 100 101

9*

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

"Ein Verdächtiger wird mit Hilfe von GPS-Empfängem, die unauffällig in seinen Fahrzeugen und seiner Kleidung angebracht sind, bei allen Wegen außerhalb seiner Wohnung geortet, er wird ab dem Ausgang aus seinem Haus, auf öffentlichen Plätzen und bis zum Eingang von Wohnungen und Geschäftsräumen seiner Kontaktpersonen videotechnisch und durch Beamte der Polizeibehörden ,begleitet', seine Telefongespräche und sein ansonsten nicht öffentlich gesprochenes Wort außerhalb und innerhalb der Wohnung werden abgehört und aufgezeichnet, seine Daten, soweit sie früher oder in anderen Zusammenhängen gespeichert wurden, werden zusammengeführt und ausgewertet, das alles insgesamt über Monate hinweg."I06

Anhand dieses Beispiels, das sich selbstverständlich um eine Reihe zusätzlicher Observationsmaßnahmen wie etwa die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 163e StPO) oder die in dieser Untersuchung behandelte Auswertung der Standortdaten des Mobilfunkgerätes des Überwachten erweitern ließe, wird die eigene rechtliche Qualität einer solchen "Rundum-die-Uhr-Überwachung" gegenüber der jeweiligen Eingriffsqualität der einzelnen Maßnahmen deutlich. Eine gesonderte, isolierte Beurteilung der einzelnen isoliert betrachteten Maßnahmen könnte zwar zu der Zulässigkeit jeder Überwachungsmethode für sich gelangen; gleichwohl würde man damit dem besonderen Charakter einer solchen kumulierten Überwachung, die einer Totalkontrolle im Sinne von Orwells Vision in ,,1984" kaum nachsteht, nicht gerecht werden. 107 Insbesondere in Verbindung mit über die Observation hinausgehenden Überwachungsmaßnahmen - wie z. B. der Telefonüberwachung nach § 100a StPO - wird den Ermittlungsorganen so prinzipiell die Erstellung eines umfassenden Persönlichkeitsprofils ermöglicht, die sowohl den Wesensgehalt des Persönlichkeitsrechtes als auch den Kernbereich der Menschenwürde tangiert. 108 Dadurch würde der Betroffene in letzter Konsequenz einer "Totalausforschung" unterfallen, die ihn zu einem bloßen Verfahrensobjekt degradieren würde, was verfassungsrechtlich unter keinem Umstand zu rechtfertigen ist. 109

Comes, StV 1998,569 (571). Comes, StV 1998, 569 (571). 108 Bemsmann, StV 2001, 382 (385); Comes, StV 1998, 569 (571). 109 BVerfGE, 27, 1 (6); BGHSt 19, 325 (326); Pfeiffer in: KK-StPO, Einl., Rn. 117; Schäfer in: Löwe/Rosenberg, Einl. 6. Kap., Rn. 8; insoweit widersprüchlich: Steinmetz, NStZ 2001, 344 (345), der einerseits - zu Recht - einer solchen "Totalausforschung" jegliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung versagt, andererseits aber einwirft, daß im Rahmen einer erforderlichen Abwägung der einzelnen Interessen im Bereich der sog. Schwerstkriminalität unverhältnismäßige Maßnahmebündelungen kaum vorstellbar seien; diese werden aber eben genau dann unverhältnismäßig, wenn eine solche "Totalausforschung" droht. 106 107

B. Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildem

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11. Die rechtliche Bewertung der Kumulation In der GPS-Entscheidung llO hat der BGH explizit anerkannt, daß die Kumulation von isoliert betrachtet zulässigen Ermittlungsmaßnahmen für sich genommen einen eigenständigen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht - insbesondere in seiner Ausprägung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes aus Art. 2 Abs. I i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG - sowie Art. 8 EMRK III darstellen kann. Das Gericht räumt insofern in Einklang mit dem OLG Düsseldorfl12 - ein, daß bei jeder Entscheidung bezüglich der jeweiligen anzuordnenden Maßnahme auch eine Würdigung der gesamten Ermittlungsmaßnahmen zu erfolgen habe, verneint jedoch eine diesbezügliche besondere "übergreifende" richterliche Zuständigkeit ll3 . Die erforderliche Prüfung habe stets im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen. I 14 Nun ist nahezu einhellig anerkannt, daß die Anordnung jeder strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme über die jeweiligen konkreten Tatbestandsvoraussetzungen hinaus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt, welches besagt, daß unter mehreren gleich geeigneten Mitteln dasjenige zu wählen ist, welches den Betroffenen am wenigsten belastet. 115 Fraglich bleibt jedoch, ob die Bündelung verschiedener (verdeckter) Ermittlungsmethoden nicht bereits schon im Tatbestand selbst Berücksichtigung finden muß. 1. Berücksichtigung der Kumulation im Rahmen der Subsidiaritätsklauseln

Das Gros heimlicher Ermittlungsmethoden unterliegt sog. expliziten Subsidiaritätsklauseln. 116 Zwar variieren die jeweiligen Anforderungen der einzelnen Klauseln, jedoch ist allen gemein, daß sie das Rangverhältnis zwischen mehreren möglichen Prozeßhandlungen - in concreto heimlichen Ermittlungsmaßnahmen - festlegen. Jl7 Hintergrund des Systems der SubBGH, StV 2001, 216. Vg!. EGMR, JZ 2000, 993 (994). 112 OLG Düsseldorl, NStZ 1998, 268 (270). 113 BGH, StV 2001, 216 (218). 114 BGH, StV 2001, 216 (218). 115 BVerlGE 16, 194; 17, 108; 20; 162 (186); 27, 211 (219); 30, 1; Kleinknechtl Meyer-Goßner, Ein!., Rn. 20; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 406; Pfeiffer in: KKStPO, Ein!., Rn. 30; Rieß in Löwe/Rosenberg, § 160, Rn. 40; ders., in: Geppert/ Dehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 367 (372); Rudolphi in: SK-StPO, vor § 94, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 72; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S. 68 f. 116 BemsmannlJansen, StV 1998, 217 (220 f.); Rieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz Meyer-GS, S. 367 ff.; vg!. auch BGHSt 41, 30 (34). 110 111

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

sidiaritätsklauseln ist, daß die durchweg grundrechtsbeeinträchtigenden verdeckten Ennittlungsmethoden nur dann angewendet werden sollen, wenn nicht andere - gleichwohl grundrechtstangierende, aber im Ergebnis grundrechtsschonendere - Maßnahmen mit gleicher Ennittlungszielrichtung zum gleichen Ergebnis führen bzw. Mißerfolg der verdeckten Methoden prognostiziert wird. 118 Insofern stellen die Klauseln eine nonnspezifische Konkretisierung des bereits angesprochenen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips dar. 119 a) Das System der Subsidiaritätsklauseln in der StPO

Die StPO kennt insgesamt drei Stufen von expliziten SubsidiaritätsklauselnYo Auf der ersten Stufe wird darauf abgestellt, daß der Eingriff nur dann gestattet sei, wenn das Ennittlungsziel "auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert" erreicht werden könne. Diese in § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO verwendete sog. "einfache Subsidiaritätsklausel,,121 konkretisiert lediglich den ohnehin zu beachtenden allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ohne sich inhaltlich von diesem zu unterscheiden. Auf der zweiten Stufe wird vorausgesetzt, daß die Aufklärung durch andere Maßnahmen "erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre". Diese sog. "qualifizierte Subsidiaritätsklausel" wird in den §§ 98a, 100c Abs. 1 Nr. 1 a) i. V. m. Abs. 2 S. 2, 163e, 163f StPO verwendet. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist bei der inhaltlichen Konkretisierung des Merkmals "erheblich weniger erfolgversprechend" eine am Ennittlungserfolg orientierte Betrachtungsweise maßgeblich. 122 Danach ist die Maßnahme dann anzuwenden, wenn das Enniulungsziel mit anderen Ermittlungsmethoden nicht annähernd in demselben Maße erreicht werden könnte. 123 Eine "wesentliche Erschwerung" liegt dann vor, wenn die AnRieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz Meyer-GS, S. 367 (369). BemsmanniJansen, StV 1998, 217 (220). 119 BemsmannlJansen, StV 1998,217 (2200; Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 7; Rieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz Meyer-GS, S. 367 (371 0. 120 Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 7; Rieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz Meyer-GS, S. 367 (382); nach anderer Auffassung soll der bloße explizite Hinweis auf den allgemeinen, stets zu beachtenden (s.o.) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wie in § 163d StPO eine eigenständige vierte Klausel auf unterster Stufe darstellen (BemsmannIJansen, StV 1998, 217, 221; GropplSchubertlWämer in: Gropp/Huber (Hrsg.): Rechtliche Initiativen gegen organisierte Kriminalität, S. 69, 167). 121 Terminologie nach Nack in: KK-StPO, § 100c, Rn. 7. 122 BT-Drs. 12/989, S. 37. 117 118

B. Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildern

135

wendung anderer strafprozessualer Überwachungsrnaßnahrnen aufgrund eines erheblich größeren - zeitlich bedingten 124 - Arbeitsaufwandes zu einer Verfahrensverzögerung führen würde. 125 Schließlich steht auf dritter Stufe die sog. "strenge Subsidiaritätsklausel", nach der das Ennittlungsziel durch andere Maßnahmen "aussichtslos oder wesentlich erschwert,,126 bzw. "unverhältnismäßig erschwert oder aussichtsIOS,,127 wäre. Die Fonnulierung "wesentlich (bzw. unverhältnismäßig) erschwert" unterscheidet sich nicht von der inhaltlichen Konkretisierung zur "qualifizierten Subsidiaritätsklausel".128 Aussichtslos i. S. d. Klausel sind andere Maßnahmen, wenn diese weder vorhanden noch erreichbar sind, die Maßnahme also unentbehrlich iSt. 129 Insofern gehen die Anforderungen über die hypothetische Betrachtungsweise der ersten beiden Stufen hinaus. Jedenfalls bezogen auf § lOOa StPO hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß - unabhängig davon, ob eine einer "strengen Subsidiaritätsklausel" unterliegende Maßnahme nun auf die "Aussichtslosigkeit" oder "wesentliche Erschwerung" gestützt wird - eine solche erst dann angeordnet werden darf, wenn zuvor alle anderen Ennittlungsmaßnahmen vergeblich ausgeschöpft wurden. 13o Dies muß indes angesichts der durchgängig hohen Eingriffsintensität strafprozessualer Enniulungsmethoden, die einer 123 Nack in: KK-StPO, § 98a, Rn. 13; Rudolphi in: SK-StPO, § 98a, 10. Lfg. (April 1994), Rn. 11; ähnlich auch Rieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), KarlheinzMeyer-GS, S. 367 (384); nach KleinknechtlMeyer-Goßner, § 98a, Rn. 3 kommt es darauf an, daß nicht weniger belastende Maßnahmen einen im wesentlichen gleichartigen Erfolg gewährleisten. 124 Kostengesichtspunkte allein sind insofern nicht von Belang (Rudolphi in: SKStPO, § 100a, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 13, m.w.N.). 125 BernsmannlJansen, StV 1998, 217, 221; KleinknechtlMeyer-Goßner, § 100a, Rn. 7; Rieß in: GeppertlDehnicke (Hrsg.), Karlheinz-Meyer-GS, S. 367 (385); Schäfer in: Löwe/ Rosenberg, § 100a, Rn. 13; Schlüchter, Das Strafverfahren, Rn. 349. 126 So die Formulierung in den §§ 100a Abs. 1 S. 1 a.E.; 100c Abs. 1 Nr. 1 b) i. V. m. Abs. 2 S. 3; 100c Abs. 1 Nr. 2; 110a Abs. 1 S. 3 StPO. 127 So die Formulierung in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO; durch diese Formulierung wollte der Gesetzgeber lediglich noch einmal den "ultima-ratio"-Gedanken der Maßnahme begrifflich unterstreichen, inhaltlich handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine eigenständige Stufe im System der Subsidiaritätsklauseln, Nack in: KKStPO, § 100c, Rn. 7. 128 Vgl. insofern die obigen Ausführungen. 129 BernsmannlJansen, StV 1998, 217, 221; Nack in: KK-StPO, § 100a, Rn. 7; Rieß in: Geppert/Dehnicke (Hrsg.), Karlheinz Meyer-GS, S. 367 (384); weitergehender: KleinknechtlMeyer-Goßner, § 100a, Rn.7, wonach es ausreichen soll, daß andere Mittel keine entscheidend höheren Erfolgsaussichten bieten; ähnlich auch: Schäfer in: Löwe/Rosenberg, § 100a, Rn. 13. 130 BVerfGE 30, 1 (22); vgl. auch: Rudolphi in: SK-StPO, § 100a, 10. Erg. Lfg. (April 1994), Rn. 13; ders. in: Grünwald u.a. (Hrsg.), Schaffstein-FS, S. 433 (437).

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

"strengen Subsidiaritätsklausel" unterliegen, für jede dieser Ermächtigungsgrundlagen gelten. b) "Strenge Subsidiariätsklausel" als Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung der Kumulation Genau auf dieser dritten Stufe im System der Subsidiaritätsklauseln und damit bereits im Tatbestand selbst - muß auch der Anknüpfungspunkt für die besondere Berücksichtigung der Kumulation mehrerer Ermittlungsmaßnahmen sein. Wie soll sich die anordnende Stelle einen Überblick darüber verschaffen, ob alle anderen Überwachungsmaßnahmen erfolglos genutzt wurden, wenn ihr nicht ein Überblick über die Gesamtheit der Maßnahmen zur Verfügung steht? Jedenfalls dann, wenn eine Maßnahme einer "strengen Subsidiaritätsklausel" unterliegt, muß die anordnende Stelle über sämtliche anderen bereits erfolgten oder auch konkret beabsichtigten Maßnahmen informiert werden. Da Ermächtigungsgrundlagen, die über eine "strenge SubsidiaritätsklauseI" verfügen, prinzipiell einem Richtervorbehalt unterliegen 131, erübrigt sich insoweit auch die Frage, wem bei der Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen die Anordnungskompetenz zufällt. 132 2. Das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip als Anknüpfungspunkt für die Kumulation

Werden hingegen Maßnahmen miteinander verbunden, die ausschließlich einer "einfachen" oder "qualifizierten Subsidiaritätsklausel" unterliegen, so hat die Berücksichtigung der Kumulierung nicht notwendigerweise schon im eigentlichen Tatbestand zu erfolgen. Insofern reicht nämlich eine rein hypothetische Betrachtungsweise zur Beachtung der erforderlichen Subsidiarität aus (s.o.). Entsprechend den Ausführungen des BGH muß einer sol-

131 Zweifel hierzu bestehen allerdings hinsichtlich einer Überwachung nach § IOOc Abs. 1 Nr. 1 b) i. V.m. Abs. 2 S. 3 StPO, da § lOOd, der die Zuständigkeit für die Anordnung von Maßnahmen nach § lOOc StPO regelt, diesbezüglich keine konkrete Angaben macht, so daß an sich auch die Polizei anordnungsbefugt wäre. Dies würde allerdings im systematischen Widerspruch zum Aufbau der übrigen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen stehen, bei denen "strenge Subsidiaritätsklausel" und Richtervorbehalt stets parallel vorliegen; a. A.: KleinknechtIMeyer-Goßner, § lOOd, Rn.1. 132 Für den Fall, daß Gefahr im Verzug vorliegt, kann auch die Staatsanwaltschaft über die Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen entscheiden, die einer strengen Subsidiaritätsklausel unterliegen. Allerdings muß sie dann regelmäßig innerhalb von drei Tagen vom (Ermittlungs-) Richter bestätigt werden.

B. Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildem

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chen Abwägung im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung getragen werden. l33 Auch hierbei stellt sich die Frage, wie die Kumulierung der Maßnahmen de facto von der anordnenden Stelle gewürdigt werden soll, wenn dieser nicht alle Maßnahmen bekannt sind. Denn bei der konkreten Berücksichtigung der Kumulation kann es selbstverständlich nicht auf hypothetische Abwägungen ankommen; vielmehr müssen hier die tatsächlich angeordneten bzw. beabsichtigten Ermittlungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit einer Prüfung unterzogen werden. Dies bedeutet, daß immer dann, wenn mehrere Überwachungsmaßnahmen angeordnet werden sollen, jede anordnende Stelle einen Gesamtüberblick über die Bündelung aller im Raume stehenden Ermittlungsmethoden erhalten muß. 134 Denn nur dann, wenn sie die Maßnahme, hinsichtlich der ihr die Anordnungskompetenz zufällt, mit den übrigen bereits angeordneten oder anzuordnenden Überwachungsmitteln abwägen kann, ist es ihr überhaupt erst möglich, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz tatsächlich Berücksichtigung widerfahren zu lassen. Andernfalls würden derartige Überlegungen letztlich immer erst im Hauptverfahren angestellt werden können, in dem es dann der Verteidigung obliegen würde, auf die Gesamtheit der einzelnen Ermittlungsmethoden hinzuweisen. 13s Damit würde aber der Schutz des Überwachten während des Ermittlungsverfahrens viel zu kurz kommen. Dies wiegt umso schwerer, als das Ermittlungsverfahren ohnehin schon durch eine schwache Position des Beschuldigten gekennzeichnet ist. 136 Dieser verfügt de facto über keinerlei Einflußmöglichkeiten auf seine Verteidigung l37 und ist sich jedenfalls im Anfangsstadium sogar regelmäßig nicht einmal der eingeleiteten Ermittlungen bewußt 138, obwohl das Ermittlungsverfahren den weiteren Gang des Verfahrens entscheidend - und später kaum noch korrigierbar - prägt. 139 133 BGH, StV 2001, 216 (218); ebenso: Comes, StV 1998, 569 (571 0; Steinmetz, NStZ 2001, 344 (345). 134 So auch: Comes, StV 1998, 569 (570, 572); Steinmetz, NStZ 2001, 344 (345 0. 135 So auch die Ausgangslage in: BGH, StV 2001, 216. 136 Bendler in: Ziegert (Hrsg.), Grundlagen der Strafverteidigung, S. 59; Danckertl 19nor in: Hamm/Lohberger (Hrsg.), Beck'sches Formularhandbuch für den Strafverteidiger, S. 61; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 350 f.; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, Rn. 1,29; vgl. auch Bemsmann, StraFo 1999,226 (229). I37 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 351; Nelles, StV 1986, 74; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, Rn. 29; vgl. aber Däubler-Gmelin, StV 2001, 359 (361) zu den Reformbemühungen um eine Stärkung der Beschuldigten- und Verteidigerrechte im Ermittlungsverfahren. 138 Pfeiffer in: KK-StPO, Einl., Rn. 35; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, Rn. 23.

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5. Kap.: Die Kumulation heimlicher Observationsmittel

Umso wichtiger erscheint es, strafprozessuale Grundrechtseingriffe bereits im Ermittlungsverfahren auf ein Minimum zu beschränken und solche nicht erst im Hauptverfahren auf ihre Zulässigkeit vor dem Hintergrund ihrer Bündelung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hin zu untersuchen. Dabei wäre für die Würdigung der Kumulation strafprozessualer Überwachungsmaßnahmen ein Richtervorbehalt als sog. "Königsweg für den Schutz von Grundrechten im Strafverfahren,,140 sicherlich im Sinne eines effektiven Beschuldigtenschutzes wünschenswert, da in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden von Staatsanwaltschaft und Polizei eine "Überbetonung der Ermittlung von belastenden Momenten"141 stattfindet. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, daß eine gesonderte "übergreifende" richterliche Anordnungskompetenz in der StPO nirgends explizit erwähnt wird 142, so daß demnach eine Berücksichtigung der Kumulierung der einzelnen Maßnahmen auch der Staatsanwaltschaft bzw. unter Umständen ihren Hilfsbeamten i. S. d. § 152 GVG oder der Polizei obliegen muß. Festzuhalten bleibt jedoch, daß eine solche Berücksichtigung von jeder Stelle, die eine Maßnahme anordnet bzw. um Anordnung ersucht wird, zu erfolgen hat. Daß eine solche Vorgehensweise unter Umständen einen zeitlichen Mehraufwand für jede einzelne anordnungsbefugte Stelle bedeutet, ergibt sich gerade aus dem Umstand einer fehlenden "übergreifenden" Anordnungskompetenz bezüglich der Kumulierung strafprozessualer Maßnahmen. 3. Ergebnis

Es wurde aufgezeigt, daß die Kumulation von strafprozessualen Ermittlungsmethoden bereits auf Tatbestandsebene im Rahmen der Subsidiarität erörtert werden muß, sofern eine der anzuordnenden Maßnahmen einer "strengen Subsidiaritätsklausel" unterliegt. Eine solche Prüfung obliegt prinzipiell zwangsläufig dem Ermittlungsrichter, da das Vorliegen einer "stren139 Bachmann, Probleme des Rechtsschutzes gegen Grundrechtseingriffe im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, S. 49; Beulke, Der Verteidiger im Strafverfahren, S. 244; Müller, NJW 1981, 1801 (18050; Rieß in: Löwe/Rosenberg, vor § 158, Rn. 7; ders. in: Hassenpflug (Hrsg.), Schäfer-FS, S. 207; Richter II, NJW 1981, 1820 ff.; ders., StV 1985, 382 ff.; Wolter in: SK-StPO, vor § 151, 11. Erg. Lfg. (Juni 1994), Rn. 59 f.; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37, Rn. 1 spricht sogar vom Ermittlungsverfahren als "Kernstück des Strafprozesses". 140 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 409; umfassend zur Funktion des Richtervorbehaltes im Strafverfahren: Bachmann, Probleme des Rechtsschutzes gegen Grundrechtseingriffe im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, S. 69 ff.; vgl. auch: Asbrack, KritV 1997,255 ff. 141 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 350; vgl. auch Gatzweiler, StraFo 2001, 187 (191). 142 BGH, StV 2001, 216 (218).

B. Maßnahmen zur Erstellung von Bewegungsbildern

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gen Subsidiaritätsklausel" und das Erfordernis eines Richtervorbehaltes grundsätzlich einhergehen. Weiterhin wurde ausgeführt, daß immer dann, wenn lediglich Maßnahmen, die einer "einfachen" oder "qualifizierten Subsidiaritätsklausel" unterliegen, gebündelt werden sollen, eine entsprechende Abwägung im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen hat. Dies gilt regelmäßig für die im Rahmen der Untersuchung angeführten zulässigen Ermittlungsmaßnahmen, die die Erstellung eines Bewegungsbildes ermöglichen, da diese ausnahmslos keiner strengen Subsidiaritätsklausel unterfallen. Auch bei einer Abwägung im Rahmen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips ist es jedoch notwendig, daß jeder anordnenden Stelle ein Überblick über die Gesamtheit der angeordneten oder beabsichtigten Überwachungsmethoden gegeben wird. Insofern wäre ein sog. "übergreifender" Richtervorbehalt de lege ferenda sicher wünschenswert und bei konsequenter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sogar verfahrensökonomisch (s.o.).

Zusammenfassung und Resümee A. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Begriffsbestimmungen und rechtstatsächliche Grundlagen 1. Verdeckte Ermittlungsmethoden als Instrument der Strafverfolgungsorgane zur Sachverhaltsermittlung sind kein prinzipiell neues Phänomen; ihr Anwendungsbereich wird jedoch im Zuge des technischen Fortschritts zunehmend erweitert. 2. Bewegungsbilder werden anhand einzelner Standortdaten einer Person oder eines Objektes erstellt. 3. Der kriminalistische Nutzen eines Bewegungsbildes ist zwar umstritten, letzteres kann aber insbesondere als "Eintrittstor" für die Gewinnung aussagekräftiger Beweismittel dienen. 4. Die vermeintliche Existenz einer "organisierten Kriminalität" reicht für sich genommen nicht als Begründung für die Zulässigkeit der Erstellung von Bewegungsbildern anhand des Mobilfunkverkehrs aus. 5. Die Überwachung des Mobilfunkverkehrs ermöglicht die Ermittlung der jeweiligen Funkzelle, in der sich das Mobilfunkgerät im stand-by-Betrieb befindet. Aus diesen einzelnen Standortlokalisierungen läßt sich ein detailliertes Bewegungsbild gewinnen.

11. Gesetzesvorbehalt 1. Der Gesetzesvorbehalt im Strafverfahren ergibt sich nicht aus dem Gesetzlichkeitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorbehalt. 2. Jedenfalls für strafprozessuale Grundrechtseingriffe erstarkt dieser allgemeine Gesetzesvorbehalt zu einem "Parlamentsvorbehalt", d.h. die Maßnahmen bedürfen einer formal-gesetzlichen Grundlage.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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III. Bewegungsbilder als Grundrechtseingriff 1. Die Erstellung von Bewegungsbildern stellt als heimliche Ermittlungs-

methode grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. 2. Weder ein "Grundrecht auf Sicherheit" noch der Topos der "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" sind geeignet, den Schutzbereich eines Grundrechtes - insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung - zu verkürzen. 3. Die Erstellung von Bewegungsbildern anhand des Mobilfunkverkehrs stellt darüber hinaus einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG dar. 4. Das Verhältnis des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG ist dadurch gekennzeichnet, daß die Reichweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls der Mindeststandard des verfassungsrechtlichen Schutzes sein muß. Das Fernmeldegeheimnis verdrängt folglich nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern wird durch dieses verstärkt. IV. Legitimation des Eingriffes aufgrund gesetzlich geregelter Ermächtigungsgrundlagen 1. § 12 FAG als prima facie sachnächste Norm kann schon deshalb nicht

2.

3.

4.

5.

als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden, weil diese Norm lediglich Auskunftsverlangen für die Vergangenheit zuläßt. Auf die §§ 100g, 100h StPO kann nicht als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden, da sie explizit nur ein Auskunftsersuchen über solche Daten zulassen, die bei einer tatsächlichen (Telekommunikations-) Verbindung anfallen. Durch die sich ständig verändernden modemen Kommunikationstechnologien ergeben sich auch für die Auslegung des § 100a StPO neue Rechtsprobleme. Ob die Standortdatenbestimmung und -auswertung zum Bewegungsprofil unter die Ermächtigungsgrundlage des § 100a StPO subsumiert werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob jene Bestandteil der "Telekommunikation" im Sinne der Norm ist. Der Begriff der "Telekommunikation" kann weder anhand des TKG, noch anhand der TKÜV, noch anhand der TDSV, noch anband von Art. 10 GG bestimmt werden. Diese können lediglich als Auslegungshilfen dienen.

142

Zusammenfassung und Resümee

6. Die Auslegung hat demnach auf Grundlage der klasssischen Auslegungsmethoden zu erfolgen. Diese ergeben, daß die Standortbestimmung anhand der Funkzellenermittlung im Mobilfunkverkehr nicht dem Begriff der "Telekommunikation" i. S. d. § lOOa StPO unterfallt; demnach läßt sich die Maßnahme nicht auf § IOOa StPO stützen. 7. Etwaige weitere Ermächtigungsgrundlagen wie § 39 AWG; § lOOc Abs. 1 Nr. 1 b StPO; §§ 161, 163 StPO oder gar § 34 StGB sind ebenfalls nicht einschlägig. 8. Die Standortbestimmung anhand der Funkzellenermittlung im Mobilfunkverkehr kann nicht auf eine bestehende Rechtsgrundlage gestützt werden und ist demnach de lege lata rechtswidrig.

v. Die Kumulation heimlicher Observationsmittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

1. Den Ermittlungsbehörden steht eine Reihe weiterer strafprozessualer Maßnahmen zur Gewinnung von Bewegungsbildern zur Verfügung: die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, die längerfristige Observation, der Einsatz technischer Mittel für Observationszwecke sowie die Standortbestimmung anhand der Nutzung von Kreditkarten durch ein Auskunftsverlangen bzw. eine sog. "Abwendungsauskunft". 2. Der Kumulation strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen kommt über die bloße Addition der einzelnen Maßnahmen hinaus eine eigenständige Qualität zu, die rechtlich gesondert zu beurteilen ist. 3. Unterliegt eine strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme einer "strengen Subsidiaritätsklausel", so ist der Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung der Kumulation eben jene Klausel im Tatbestand selbst. 4. Darüber hinaus ist die Kumulation der einzelnen Maßnahmen jedenfalls im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung, die bei jeder strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme vorzunehmen ist, zu berücksichtigen.

B. Resümee Technische Entwicklungen wirken sich zwangsläufig auf das Recht aus. Dies gilt insbesondere auch für das Strafverfahren. Der Gesetzgeber steht daher vor dem grundSätzlichen Problem, daß technik-bezügliche Gesetze in der Regel schon bei ihrer Verabschiedung von der tatsächlichen technologischen Entwicklung überholt sind. 1

B. Resümee

143

Die bloße Existenz neuartiger (Überwachungs-)Techniken darf jedoch nicht per se schon zu ihrer Anwendung führen. Ein derart - längst überwunden geglaubter - sorgloser Umgang mit den naturwissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten 2 birgt erhebliche (grund-) rechtliche und tatsächliche Gefahren in sich? Denn orientiert man sich lediglich an den bereits real existierenden Überwachungstechnologien, so erscheint "das von George Orwell beschriebene Kontrollarsenal in ,1984' [... ] im Vergleich dazu als eine eher simpel ausgefallene Versuchsversion".4 Die Tendenz der Rechtsprechung, neue Überwachungsmethoden unter bestehende Ermächtigungsgrundlagen zu subsumieren, ist folglich kein geeignetes Mittel, auf die stetigen technischen Veränderungen zu reagieren; dadurch werden grundrechtliche Probleme nicht gelöst, sondern letztlich erst geschaffen. 5 Der Gesetzgeber steht daher - insbesondere vor dem Hintergrund der Ausführungen zum Gesetzesvorbehalt - in der Pflicht, klare Ermächtigungsgrundlagen für bereits bekannte und angewandte Überwachungsmittel zu schaffen. Bei der Standortbestimmung anhand der Funkzellenermittlung beim Mobilfunkverkehr im stand-by-Betrieb handelt es sich um eine solche Maßnahme. Da de lege lata keine geeigneten Ermächtigungsgrundlagen für die Anwendung dieser Überwachungsmethode existieren, obliegt dem Gesetzgeber folglich die Schaffung einer Rechtsgrundlage de lege ferenda, sofern er die Maßnahme tatsächlich für unerläßlich zur Sachverhaltsaufklärung im Strafverfahren hält. Bei der Schaffung neuer Ermächtigungsgrundlagen ist der Gesetzgeber allerdings vor dem Hintergrund der hohen Grundrechtssensiblität heimlicher strafprozessualer Ermittlungseingriffe dazu gehalten, den "ultima-ratio-Charakter" staatlicher Strafverfolgung zu berücksichtigen - schließlich gilt das Strafverfahren als "Seismograph der Staatsverfassung".6 Dies ist umso mehr zu beachten, als die einzelnen Überwachungsmaßnahmen miteinander kumuliert werden und dadurch eine neue Qualität gewinnen können. Insofern wird die Totalüberwachung des einzelnen Bürgers nicht nur eine theoretische technische Möglichkeit, sondern eine faktische und damit auch rechtliche Realität. I Paeffgen in: Schünemann u. a. (Hrsg.), Roxin-FS, 1299 (1318); vgl. auch: Gehrlein/Schübel, NJW 1999, 104; Kudlich, JuS 2001, 1165. 2 Vgl. Bemsmann, StV 2001, 382 (385); ähnlich auch Weichert, DuD 2000, 104. 3 Vgl. Albrecht, KritV 2000, 273 (276). 4 Sack/Nogala, in: Bäumler (Hrsg.), Datenschutz und Polizei, S. 199 (200); vgl. auch Wächtler, StraFo 1990,27. 5 Hierzu auch: Gusy, StV 1998, 526. 6 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 2, Rn. 1.

144

Zusammenfassung und Resümee

Der Gesetzgeber sollte angesichts permanent neuer Normen zur heimlichen Beweisgewinnung7 einerseits sowie der aufgezeigten zunehmend extensiven Auslegung bereits bestehender Normen durch die Gerichte andererseits nicht aus den Augen verlieren, daß es die von vor allem von Vertretern der Strafverfolgungsorgane geforderte "Waffengleichheit" in einem Rechtsstaat nicht geben kann. 8 Die Konsequenz dieses letztlich hoffnungslosen Unterfangens beschrieb der Bundestagsabgeordnete Hirsch bereits in der Diskussion um die Einführung des OrgKG wie folgt: "Wer ,Waffengleichheit' [... ] fordert, muß die Strafprozeßordnung und die Polizeigesetze nicht ändern. Er muß sie abschaffen, dieses lästige Gewirr von Rechten und Pflichten für Bürger und Staat [... ], wo es doch zuzupacken gilt.,,9

Gesetzgeberische Zurückhaltung bei der Legalisierung neuer Überwachungsmöglichkeiten einerseits lO sowie insbesondere eine restriktive Auslegung bereits bestehender Ermächtigungsgrundlagen andererseits sind unverzichtbar, um überhaupt wieder eine Balance zwischen individuellen Freiheiten des Bürgers und staatlicher Strafverfolgung herzustellen. Im Hinblick auf die tatsächliche Entwicklung der Gesetzgebungspraxis und der Rechtsauslegung und -anwendung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung der vergangenen Jahre besteht jedoch Anlaß zu Pessimismus.

s. o. unter 1. Kap. A. I. 3. Frankfurter Arbeitskreis Strafrecht, StV 1994,693. 9 Zit. nach: Seifert, KritJ 1992, 355 (361). 10 Vgl. auch Ziercke, DuD 1998, 319 (323), der darauf hinweist, daß in der Gesetzgebungspraxis "endlich einmal etwas Ruhe einkehren" sollte. 7

8

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